Mann und Roß und Wagen : Transport und Verkehr im antiken Bayern

Ausstellung der Prähistorischen Staatssammlung München vom 11. Juli - 5. Oktober 1986. Einf. und Katalog von Jochen Garb

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German Pages [115] Year 1986

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Mann und Roß und Wagen : Transport und Verkehr im antiken Bayern

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AUSSTELLUNGSKATALOGE

DER PRÄHISTORISCHEN STAATSSAMMLUNG HERAUSGEGEBEN

VON HERMANN DANNHEIMER

BAND 13 • 1986

PRÄHISTORISCHE STAATSSAMMLUNG MÜNCHEN

MUSEUM FÜR VOR- UND FRÜHGESCHICHTE

Mann und Roß und Wagen TRANSPORT UND VERKEHR IM ANTIKEN BAYERN

EINFÜHRUNG UND KATALOG VON JOCHEN GARBSCH

MÜNCHEN 1986

Ausstellung der Prähistorischen Staatssammlung München vom 11. Juli — 5. Oktober 1986

Verantwortlich für die Ausstellung und Katalogredaktion: Jochen Garbsch, Prähistorische Staatssammlung München

Gestaltung der Ausstellung: Michael Berger, Jochen Garbsch, Roman Raab

Abbildungen: Michael Berger

7, 8, 17, 23, 33, 37-41, 43-46, 52-59, 61-62, 64, 67-70, 74 Hermann Dannheimer 1-2, 9 Manfred Eberlein 34-35, 63, 72, 75 Foto-Heckel 30 Hildegard Huber 3 Swantje Mulzer 4—5, 16, 22, 31—32, 36, 42, 60, 71, 76 Hans-Peter Uenze 18, 28-29 Nach Nach Nach Nach Nach Nach

Egger Garbsch Jacobi Koschik Kossack Lindenschmit

74 6 24—25 10 13-15, 19-21 73

Farbfotos: Otto Braasch Manfred Eberlein Swantje Mulzer Franz Ruppaner Christian Zocher Österr. Nationalbibliothek Bayer. Landesamt für Denkmalpflege

Nach Nach Nach Nach Nach Nach

Müller-Karpe Nuber Overbeck Radnoti Taylor Wämser

11-12 51 26-27, 47 48-50 65-66 77

S. 2, 81, 86-87 13, 16-17, 21, 49, 56, 80, 95 10-11, 53, 57 14, 24, 52, 60, 73, 76 77 90-91 94

Umschlagfoto und -gestaltung: Peter Frese, München (Motiv: Kat.Nr. 34 und Abb. 36) Vorsatz und Nachsatz: Michael Berger (Zeichnung), Jochen Garbsch (Entwurf und Text) Frontispiz: Ausgrabung einer römischen Sumpfbrücke im Wellheimer Trockental

108 Seiten mit 77 Abbildungen und 25 Farbtafeln Gesamtherstellung des Kataloges: prograph gmbH, München

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Vorwort

Im Jahre 1986 wird der 100. Geburtstag des Automobils begangen. Mit mehreren Sonderausstellungen wird in Mün­ chen dieses Ereignisses und seiner positiven und negativen Fol­ gen für den Menschen und seine Umwelt gedacht. Naturge­ mäß wird aus diesem Anlaß vor allem die rasante Entwick­ lung des modernen Verkehrswesens der Neuzeit, insbesondere der letzten 100 Jahre, dargestellt. Die Prähistorische Staatssammlung spürt demgegenüber mit „Mann und Roß und Wagen" den Anfängen von Transport und Verkehr in vor- und frühgeschichtlicher Zeit nach. Die drei Schlagworte im Titel der Ausstellung symbolisieren die Jahrtausende lange Entwicklung von der ausschließlich mit eigenen Kräften bewerkstelligten Fortbewegung des steinzeitli­ chen Sammlers und Jägers über den Lastentransport durch Tiere (wie er heute in Europa gerade noch in schwerzugängli­ chen Gebieten, vor allem am Mittelmeer, beobachtet werden kann) bis zum kommerziell betriebenen Warenumschlag, der nördlich der Alpen in großem Stil erstmals durch die Römer praktiziert wurde. Das Thema wird fast ausschließlich mit eigenen Sammlungs­ beständen der Prähistorischen Staatssammlung bestritten, womit von vomeherein eine weitgehende Beschränkung auf den bayerischen Raum geboten war. Aus der lückenhaften Überlieferung resultieren zusätzliche erhebliche Einschrän­ kungen. Wenn es trotzdem gelungen ist, die Grundzüge der Entwick­ lung deutlich zu machen, ist dies ausschließlich das Verdienst von Oberkonservator Dr. Jochen Garbsch, der die Konzeption der Ausstellung erarbeitete. Darüberhinaus gibt er mit dem vorliegenden Katalog eine gründliche Einführung in das Thema von bleibendem Wert. Archäologisches Fundmaterial ist stets sehr bruchstückhaft und meist recht spröde. So war es unser Wunsch, wenigstens an einigen wenigen Beispielen durch möglichst originalgetreue Rekonstruktionen dem Vorstellungsvermögen der Besucher entgegenzukommen. Dafür bot sich der Nachbau je eines prä­ historischen bzw. römischen Transport- und Reisewagens an, was indessen nicht ohne fremde Hilfe bewerkstelligt werden konnte. Während uns eine bekannte bayerische Autofirma zu verstehen gab, daß hei ihr „keinerlei rückwärts gerichtete

Interessen bestehen ”, haben die Siemens A G München aus Mit­ teln des Emst-von-Siemens-Kunstfonds, die Dresdner Bank München und ein weiterer Mäzen durch namhafte finanzielle Zuwendungen unser Anliegen spontan und sehr wesentlich unterstützt. Es ist uns ein dringendes Bedürfnis, dafür den Herren Dr. Heribald Närger (Mitglied des Vorstandes der Sie­ mens AG), und Direktor Uwe Spaniol (Geschäftsleitung Dresdner Bank) herzlichst zu danken. Dank gebührt in diesem Zusammenhang auch Herrn Hugo Gleißner (Dresdner Bank, Werbeabteilung). Die Kunst des Wagenbaues ist im Zeitalter von Automobil, Traktor und Überschallflugzeug schon beinahe vergessen. So schien es zunächst fast aussichtslos, zu handwerksgerechten Wagenmodellen zu kommen. Hier fand sich das Fränkische Freilandmuseum Bad Windsheim als ein idealer Partner. Sei­ nem Leiter Herrn Dr. Konrad Bedal schulden wir ebenso wie den beteiligten Handwerksmeistern Karl Neumeyer und Georg Scheckenbach (f) Dank für die kollegiale Hilfe und für die Bereitwilligkeit, in den Werkstätten des Museums die bei­ den Fahrzeuge meisterhaft nachzubauen. Diese werden in zwei zukünftigen Zweigmuseen der Prähistorischen Staats­ sammlung ihren endgültigen Platz finden, so daß der hand­ werkliche wie finanzielle Einsatz unserer Helfer und Sponso­ ren über das einmalige Ausstellungsereignis in München hin­ aus doppelt gerechtfertigt ist. Die Einrichtung der Sonderausstellung wurde in bewährter Weise durch das Personal der Prähistorischen Staatssammlung unter der Anleitung von Michael Berger und Roman Raab ausgeführt. Auch ihnen und ihren Mitarbeitern gebührt Dank und Anerkennung.

München, im Mai 1986

Hermann Dannheimer

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Einleitung

Das Verkehrswesen in seiner heutigen Form ist für den Men­ schen der Gegenwart eine Selbstverständlichkeit, die allenfalls aus Anlaß eines Jubiläums oder eines Entwicklungssprunges mehr oder weniger gründlich reflektiert wird. Einen A nlaß bie­ tet die eben 150jährige Eisenbahn, das 100jährige Automobil oder das überschallschnelle Flugzeug und die Weltraumfahrt. Vor 200Jahren betrug die durchschnittliche Reisegeschwindig­ keit der Postkutsche etwa 6—7 Kilometer pro Stunde, im Jahr 2000 sollen im personenbefördernden Hyperschallflug Geschwindigkeiten bis zu Mach 29 erreicht werden, wodurch die Entfernung New York — London auf 18 Minuten schrumpfen würde... Angesichts dieser Beschleunigung der Entwicklung in den letz­ ten 200Jahren bis zum heutigen Verkehrsvolumen und bis zu ernsthaften Zweifeln an den Grenzen des Wachstums — etwa im Autobahn-, Kanal-, Schienenschnellstrecken- und Flug­ platzbau — mag es nicht nur unter nostalgischen Gesichts­ punkten reizvoll, sondern auch historisch und technologisch sinnvoll sein, sich mit den Anfängen von Transport und Ver­ kehr zu beschäftigen. Transport und Verkehr sind so alt wie die Menschheit, ist doch darunter letztlich jede Bewegung und Ortsveränderung von Personen, Tieren und Sachen zu verstehen. In diesem Sinn ist das Verfolgen des Wildes durch den Jäger und der (wie kurz auch immer bemessene) Transport des erlegten Tieres oder sei­ ner Teile ebenso zum weitgefaßten Thema zu rechnen wie die Wanderungen der Sammler auf der Suche nach Nahrung. Da die Ausstellung nicht die ganze Menschheitsentwicklung — und sei es auch nur im geographisch beschränkten bayerischen Raum — ausführlich darstellen kann, sollen diese allgemein­ sten und frühesten Formen weitgehend ausgespart bleiben, sind sie doch auch archäologisch nur indirekt nachzuweisen. Schon der Jäger und Sammler geht nicht zweckfrei von einem zum anderen Ort: er trägt Waffen oder Beute bzw. die gesam­ melten Früchte oder die zu ihrer Aufnahme bestimmten Behälter. Wenn eine Last zu schwer oder zu sperrig ist, wird man versuchen, sie zu schleifen oder zu ziehen. Als Vorstufe zum Schlitten und Wagen, zu Kufe und Rad sind entspre­ chend geformte Astgabeln anzunehmen, auf denen man die Last ziehen konnte.

Das hier so allgemein skizzierte theoretische Modell legt den Gedanken nahe, daß die Erfindung von Transportmitteln prinzipiell mehrfach gemacht werden konnte, mit räumlichen und zeitlichen Unterschieden. Man kann auf mancherlei Weise an das Thema herangehen. Nach den Elementen kann man den Verkehr zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft behandeln, wobei letztere in der Antike noch keine praktische Rolle spielte (Daedalus und Ika­ rus!). Die Fortbewegung aufdem Landweg kann durch Laufen, Rei­ ten oder Fahren erfolgen, im Wasser durch Schwimmen oder mit Hilfe eines schwimmenden Untersatzes, der durch die Strömung, den Wind oder mit Muskelkraft bewegt wird. Mit der Fortbewegung allein ist es nicht getan, ebenso wichtig ist die Möglichkeit des Transportes. Wieder ist in Transport­ mittel zu Lande und zu Wasser zu untergliedern. Alle diese Überlegungen führen schnell zu einer umfangrei­ chen Systematik und — für den Museumsmann mit begrenz­ ten Mitteln an entsprechenden Ausstellungsstücken, Ausstel­ lungsraum und Fachwissen — zu der Erkenntnis, daß diese komplizierte Materie mit den Funden und Mitteln der Prähi­ storischen Staatssammlung nur ansatzweise und schlaglichtar­ tig beleuchtet werden kann, damit aber vielleicht auch trotz aller Unvollkommenheit aufregender und anregender als bei lückenloser, gleichmäßig dichter Präsentation des Ganzen. Viele interessante Fragen können also nicht einmal angespro­ chen, geschweige denn ausführlich dargestellt oder geklärt wer­ den. Hierfür wird um Nachsicht gebeten. Andererseits sind die meisten in der Ausstellung gezeigten einschlägigen Objekte an sich unspektakulär — etwa die spärlichen Beschlagteile römi­ scher Wagen aus Bayern, wenn man sie mit den reichen Beständen der Museen in Ungarn und Bulgarien vergleicht. Statt aber hier das Bild durch Leihgaben anderer Museen auf­ zupolieren, erschien es doch als lohnende Aufgabe, mit den Beständen eines einzigen Museums aus Fragmenten und Ein­ zelheiten ein Ganzes wenigstens im Umriß zu rekonstruieren. Damit dies auch handgreiflich erfahrbar ist, zeigt die Ausstel­ lung zwei Wagenrekonstruktionen in Originalgröße. Dies sind nicht die ersten Wagenrekonstruktionen und sicher nicht die letzten. Einige Details sind gesichert, andere hypothetisch.

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Bei der Beurteilung darf man nicht außer Acht lassen, daß es sich bei den antiken Fahrzeugen nicht um moderne Serienpro­ dukte handelte, sondern um handwerkliche Erzeugnisse, deren Ausführung sich im einzelnen von Wagner zu Wagner, von Ort zu Ort und von Landschaft zu Landschaft unterschied. Ausgeklammert wird z.B. im Bereich der Fahrzeuge der mili­ tärische, agonistische und kultische Aspekt, also Streitwagen, Rennwagen und Kultwagen, wobei natürlich nicht verkannt wird, daß diese Bereiche sowohl für die Fahrzeugentwicklung wie für die heutige Beurteilung dieser Entwicklung angesichts der dürftigen Quellenlage sehr wichtig waren und sind. Bei den früheren Fahrzeugteilen ist ohnehin nicht immer auszu­ schließen, daß sie zu Kultwagen gehört haben können. Insgesamt stehen somit, dem Anlaß der Ausstellung entspre­ chend, mehr die Transport- und Verkehrsmittel im Vorder­ grund als die Transportgüter und die Verkehrswege. Es wäre

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gewiß eine lohnende Aufgabe, auch diesen beiden Aspekten einmal in eigenen Ausstellungen nachzugehen. Auch den zahlreichen lateinischen Lehnworten kann in unse­ rem Zusammenhang nicht nachgegangen werden — von der Karosserie (carrus, carruca) bis zur Straße (via strata), von der Meile (milia passuum) bis zum Rad (rota).

Im Katalog werden folgende Abkürzungen gebraucht: B Breite, Dm Durchmesser, H Höhe, L Länge und W Weite. Die Inventarnummern der ausgestellten Objekte stehen in Klam­ mern nach dem Fundort. Literaturangaben finden sich in der Reihenfolge der Kapitel am Schluß des Bandes auf S. 104 ff. Abgebildete Objekte sind am Rand mit einer arabischen Ziffer (zugleich Abbildungsnummer) gekennzeichnet, auf Farbtafeln wird mit Stern * und Seitenangabe verwiesen.

A Der Mensch unterwegs: zu Fuß Am Anfang steht der Mensch allein, aufsich selbst angewiesen: niemand, der ihn mitnimmt, kein Reittier, kein Fahrzeug und kein Boot. Diese Zeit, in der der Mensch Ortsveränderun­ gen und Transporte zu Fuß und in eigener Person bewerkstel­ ligte, dauerte lange, doch läßt sich der Weg des einzelnen Men­ schen zu Fuß vor 10000 Jahren archäologisch nicht nachwei­ sen und daher auch nicht in einer Vitrine ausstellen. Wie aber selbst der Mensch der Industriegesellschaft als Auto­ fahrer hin und wieder zu Fuß geht, so hat man in der agrari­ schen Gesellschaft auch nach der Erfindung von Schlitten, Boot und Wagen als Transportmittel zur Fortbewegung allge­ mein die eigenen Beine benutzt, so daß am Anfang der Aus­ stellung symbolisch Schuhsohlen und Schuhnägel römischer Soldaten stehen mögen. Das römische Heer kam nicht nur als Eroberungs- und Besatzungsmacht, sondern brachte die römi­ sche Zivilisation und Kultur mit über die Alpen, von der Kenntnis des Lesens und Schreibens bis zu Eßgewohnheiten, Rezepten und Delikatessen, im Bereich des Ausstellungsthemas aber vor allem geradlinig trassierte Straßen undfeste Brücken, gefederte Reisewagen und spezielle Tankwagen, Post und Zoll, Straßenwacht und Raststätten, Ruderboote und Häfen.

1 Den Dingen Beine machen Schon früh hat man bestimmte Gegenstände auf menschli­ che Füße gestellt, vor allem Gefäße aus Ton und Metall. Die Ausstellung zeigt aus dem Neolithikum das Fragment eines Fußgefäßes, eine hallstattzeitliche Tonschale mit drei Füßen, Bronzefüßchen von römischen Geräten, die mittels Eisenstiften befestigt waren, und ein Paar nackter Füße von einem zusammenklappbaren Dreifußgestell sowie ger­ manische Keramik, die wiederum menschlichen tönernen Füßen ihre Standfestigkeit verdankt. Fragment eines Fußgefäßes; H noch 5,3 cm (Neolithikum) Hienheim, Ldkr. Kelheim (1972, 1213 a)

Tonschale mit 3 Füßen; Dm 22,7 cm (Hallstattzeit) Prächting, Ldkr. Lichtenfels (1981, 4731)

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2 Dreifußschalen; H 17,7 und 16 cm (2. Jh. n.Chr.) Straubing, Ldkr. Straubing-Bogen (1969, 116. 119)

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Fuß von Tonschale; H noch 5,4 cm (2. Jh. n.Chr.) Pocking, Ldkr. Passau (1962, 906 b)

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◄ 2 Bestellt und nicht abgeholt: Statue von Nassenfels (2./3. Jh. n.Chr.)

3 Ein Gott zu Fuß: ► Mars-Statue von Eining (2./3. Jh. n.Chr.)

2 Bronzefüßchen, L 1,6 und 1,7 cm (2. Jh. n.Chr.) Pfünz, Ldkr. Eichstätt (1968, 639 a)

war der Militärgott nicht belastet; auch im soldatischen Alltag gab es hierfür oft — aber nicht immer — Tragtiere.

Bronzefuß; L 4 cm (2. Jh. n.Chr.) Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 310)

Statue des Gottes Mars; H 140 cm (2./3. Jh. n.Chr.) Eining, Ldkr. Kelheim (1977, 1788)

Bronzener Dreifuß-Fuß; H 5,3 cm (2. Jh. n.Chr.) Wehringen, Ldkr. Augsburg (1970, 201 a)

4 Mit der Truppe verschoben: Militär als Straßenbenutzer Einen nicht geringen Teil des römischen Verkehrs mach­ ten Truppen Verschiebungen aus, seien es nun Legionen römischer Bürger oder aus der Provinzbevölkerung rekru­ tierte Hilfstruppen. Der ausgestellte Grabstein des Tiberius Satto, eines gebürti­ gen keltischen Kempteners, macht das in exemplarischer Weise sinnfällig. Er starb im ersten Viertel des 2. Jahrhun­ derts als Veteran der 10. Legion in Aquincum-Budapest. Sein Vater oder Großvater hatte unter Kaiser Claudius (41—54) das römische Bürgerrecht erhalten. Die 10. Legion kam bald nach 100 nach Budapest und wurde nach 114 n.Chr. nach Wien verlegt. Grabstein (Kopie, Original im Aquincum-Museum, Budapest); H 205 cm (1. Viertel 2. Jh. n.Chr.) Aquincum (O-Buda, Ungarn)

2 Bestellt und nicht abgeholt: Spaziergänger in der Stadt Die 1961 im alten, schon von den Römern ausgebeuteten Steinbruch von Nassenfels entdeckte Statue zeigt, wie ein reicher Bewohner der raetischen Provinzhauptstadt Augs­ burg vor 1800 Jahren durch die Straßen ging: in Tunica, Toga und halbhohen Stiefeln (aber nicht kopflos!). Das Standbild war offenbar für ein aufwendiges Grabdenk­ mal bestimmt, wurde aber aus unbekannten Gründen vom Steinmetz nicht ausgeliefert. *S.10 Statue eines Mannes; H 133 cm (2./3. Jh. n.Chr.) Nassenfels, Ldkr. Eichstätt (1962, 580)

3 Ein Gott zu Fuß: Militär als Straßenbauer Als Ersatz für die Darstellung des „Unbekannten römi­ schen Soldaten”, der zu Tausenden über Bayerns Römer­ straßen zog, dient eine Darstellung des Kriegsgottes Mars aus dem Limeskastell Eining. Die Rüstung des Gottes ent­ spricht weitgehend dem, was der Soldat mit sich schleppte: Panzer, Helm und Schild als Schutzwaffen, Dolch, Schwert und Lanze für den Angriff sowie Sandalen oder Stiefel für Vormarsch und Rückzug. Mit Schanzzeug und Proviant

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TIBerius TIBERI Filius CLAudia tribu SATTO CA MBODVNO VETEranus LEGionis X Geminae Hic Situs Est ANnorum LX. VLPIA VRSVLA CONIVGI PIENTissimo Titulum Posuit

Tiberius Satto, des Tiberius Sohn, aus dem Claudischen Wahlbezirk, von Kempten, Veteran der 10. Zwillings-Legion, ist hier begraben mit 60 Jahren. Ulpia Ursula hat dem lieben Gatten den Grabstein gesetzt.

5 Auf Schusters Rappen Lederne römische Fußbekleidung kennt man aus Darstel­ lungen und Originalfunden. Die Bandbreite der Darstel­ lungen reicht vom überlebensgroßen Fragment des linken Fußes einer ehemals wohl vergoldeten Kaiserstatue, das als Teil eines Altmetallhortes nur durch Zufall dem Ein-

5 Auf Schusters Rappen: Bronzelampe von Wehringen (2./3. Jh. n.Chr.) ►

S.ll *

schmelzen entging, bis zu einem kunstgewerblichen Nip­ pes-Objekt, einer bronzenen Öllampe in Form eines sandalenbekleideten rechten Männerfußes. Die Zehen liegen frei, die Sandale ist mit drei Riemen geschnürt. Die Leder­ oberfläche ist durch eingepunzte Punkte angegeben, die Riemen sind teilweise gekerbt. Auf die einfachste Formel ist das Stichwort Schuh bei einer Schmuckbrosche aus Bronze gebracht, die nur den Umriß der Ledersohle wiedergibt. Statuenfragment; B noch 14 cm (2./3. Jh. n.Chr.) Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 803) *S.13 Öllampe mit originalem Docht; L 13,2 cm (2-/3. Jh. n.Chr.) Wehringen, Ldkr. Augsburg (1970, 190) Sohlenfibel; L 4,3 cm (2./3. Jh. n.Chr.) Pfünz, Ldkr. Eichstätt (IV 1290)

6 Mit Nägeln besteckt Nägel von römischen Schuhsohlen findet man gelegentlich bei Ausgrabungen, aber nur, wenn sie in größeren Mengen auftreten, kann man sicher sein, daß hier ursprünglich ein ganzer Schuh in den Boden kam, dessen Lederteile im Lauf der Zeit vergangen sind. Je nach dem Muster, in dem sie angeordnet waren, und je nach Schuhgröße konnte eine Sohle 60—100 Nägel tragen. Abdrücke der genagelten Sohlen haben sich auf Ziegeln erhalten. Das erklärt sich aus dem Herstellungsprozeß der Ziegel: sie wurden in Hohlformen „geschlagen”, nach dem Trocknen (und damit verbundenen Schrumpfen) wurden sie aus der Form genommen und in lederhartem Zustand im Hof der Ziegelei zum weiteren Trocknen vor dem Brand ausgelegt. Uber die langen Reihen sind dann nicht nur Hunde und andere Tiere, sondern auch Arbeiter gelau­ fen, wenn sie den Weg abkürzen wollten. Komplette Schuhe oder auch nur Sohlen sind seltene Funde. Das im Gebrauch so widerstandsfähige Leder trotzt dem Zahn der Zeit nur eine begrenzte Spanne. Nur feuchte Lagerung unter Luftabschluß sorgt für Konservierung — etwa in einem Brunnen oder in einem Weiher. Auf diese

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Weise erhielten sich die gezeigten beiden genagelten Sanda­ len (ausgegraben 1857 in Mainz) und die Sohlen aus dem Vicus des Limeskastells Dambach. Mit Längen von maxi­ mal etwa 25 cm entsprechen sie der heutigen Schuhgröße 39; es ist allerdings mit einer gewissen Schrumpfung bei der Konservierung zu rechnen. Schon die wenigen Funde geben einen Hinweis auf die Pro­ duktvielfalt: die Dambacher Sandale wurde nur von einem Zehenriemen gehalten, war aber solide mit Lauf-, Zwi­ schen- und Brandsohle gearbeitet. Die Mainzer Sandalen waren aus einem Stück geschnitten und verbanden filigrane Eleganz mit der Dauerhaftigkeit des Nagelschuhs. 84 Schuhnägel; L um 1 cm Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 1225 b) 70 Schuhnägel; L um 1 cm Pfaffenhofen, Ldkr. Rosenheim (1970, 1566 c)

Hypokaustziegel; B 53 cm Theilenhofen, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (1986, 5646) 2 genagelte Sandalen; L 25 cm Mainz (Dauerleihgabe Bayer. Nationalmuseum, München)

Sandale; L 25 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1977, 1794)

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4 Schuhsohlen Dambach, Ldkr. Ansbach (1966, 442. 656. 662. 664)

7 Auf kleinem Fuß Auf kleinem Fuß lebte die Frau, die am Anfang des 8. Jahr­ hunderts n.Chr. in einem aus Tuffplatten zusammengesetz­ ten Sarkophag bei Wielenbach begraben wurde. Der Leder­ schuh verdankt seine Erhaltung dabei einem Zufall. Wegen einer Unebenheit kam ein Fuß der Toten nicht mit dem Boden des Grabes in Berührung. Der Fuß samt Schuh hing unter Luftabschluß frei im Raum, und das Leder blieb (unter Schrumpfung) erhalten, bis der kleine Friedhof 1965 ausgegraben wurde. Lederschuh (und Nachbildung); L 19,5 cm (Anfang 8. Jh.) Wielenbach, Ldkr. Weilheim-Schongau (1969, 92)

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6 Mit Näglein besteckt: Sandalen und Ledersohlen von Mainz und Dambach (1.—3. Jh. n.Chr.) ► 12 Spezialflöße und Fähren: Steinquader von Wehringen und Faimingen (2./3. Jh. n.Chr.) ►►

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B Die Vergangenheit auf dem Wasser: unter Wasser In der Vergangenheit lagen Gegenwart und Zukunft auf dem Wasser — heute liegen die Überreste unter Wasser: Ausrü­ stungsteile aus Metall, Teile der Ladung und —falls von Sedi­ menten überlagert und geschützt — sogar Holzteile der Was­ serfahrzeuge selbst. Wie die Luftbildarchäologie in den letzten Jahrzehnten mit großem Erfolg die Vorzeit aus der Luft erforscht, hat auch die Unterwasserarchäologie große Fortschritte gemacht (beide widmen sich natürlich nicht nur Verkehrsproblemen wie Römerstraßen oder Schiffswracks). Transport auf dem Wasserweg ist sehr alt. In Frage kommen einerseits Binnengewässer wie Seen und Flüsse, andererseits das Meer. Typische Funde für beide Gattungen waren lange Zeit Einbäume in Binnenseen und Ankerteile im Mittelmeer. Mit dem Fortschreiten der Unterwasserarchäologie und der archäologischen Forschung insgesamt konnten weitere Quel­ len erschlossen werden. Rund um das Mittelmeer sind zahlrei­ che gesunkene Schiffe geortet und teilweise samt der Ladung ausgegraben worden. Im Rahmen der Untersuchungen vorge­ schichtlicher Uferrandsiedlungen am Bodensee und an Schwei­ zer Seen wurden auch für die frühe Schiffahrt neue Erkennt­ nisse gewonnen. In römischer Zeit war dann die Schiffahrt kreuz und quer über das offene Mittelmeer (neben der Küstenfahrt) ebenso fast zur Routine geworden wie der leuchtturmgesicherte atlanti­ sche Küstenverkehr vor der iberischen undfranzösischen Küste und über den Ärmelkanal sowie weiter über Hord- und Ostsee zu den Germanen.

8 Schiffahrt auf dem Mittelmeer Zumindest in römischer Zeit hat die Schiffahrt auf dem Mittelmeer auch für Bayern Bedeutung gehabt, sind doch auf diesem Weg Wein und Öl, Fischsaucen und Obst, Glasund Metallgeschirr und andere Waren aus dem Süden, Osten und Westen über Adriahäfen wie Altinum und Aquileia oder über den Hafen von Marseille nach Norden über die Alpen gelangt (ein Großteil des Handels mit dem Freien Germanien wurde direkt über Nord- und Ostsee abgewickelt). Von der Ausrüstung dieser Handelsschiffe wird in der Aus­ stellung ein aus den originalen Bleiteilen rekonstruierter Anker und ein weiterer Ankerstock gezeigt, dazu eine Holzplanke mit Bronzearmierung. Zusammengeklumpte Haselnüsse können ebensogut aus der Kombüse wie von 18

der Ladung eines Schiffes stammen. Typische Transportbe­ hälter sind die ausgestellten Amphoren für Wein, 01 und Garum. Der größte Frachtertyp schluckte in seinem Rumpf 10000 Amphoren (mindestens 450 Tonnen)! Dane­ ben gab es Spezialtransporter u.a. für Pferde und Bausteine, ja sogar speziell für ägyptische Obelisken. Wichtig sind die Getreidetransporte aus Sizilien, Nordafrika und Ägypten. Auch Gewürze aus dem Orient und die in Wehringen in einem Grab gefundene Seide aus China kamen auf dem See­ weg (die große Zeit der Kamelkarawanen kam erst ab dem 5./6. Jahrhundert). Metalltransporte waren ebenfalls gang und gäbe: Zinn aus Cornwall, Silber aus Griechenland, Kupfer aus Zypern, Blei aus England, Spanien, Gallien und Germanien oder Eisen und Stahl aus Etrurien und Noricum. Meist war das Material schon in Barrenform aufbereitet; Stempel nennen L. Accius und Saturninus. Wie bei der Binnenschiffahrt wurde auch teure Exportke­ ramik (Terra Sigillata) transportiert (als Beiladung oder um Leerfahrten zu vermeiden), wie entsprechende Funde aus einem Wrack im Golf von Antalya zeigen. Bronzemodell (Fragment) eines tyrrhenischen Schiffs des 8./6. Jh. v.Chr. mit Reeling und Resten des Mastes; L noch 17,5 cm Sardinien (E 1986/48)

Holzplanke mit Bronzeblecharmierung; L noch 36,5 cm Mittelmeer vor Elba (1984, 3645) Haselnüsse (Kisteninhalt?) Mittelmeer bei Piombino (E 1985/53)

11 Sigillatagefäße von einem Schiffswrack (1. Jh. n.Chr.) Golf von Antalya (1970, 1818—1828)

Bleibarren mit Stempel L. ACCI; L 48 cm Mittelmeer (1982, 300)

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Eisenbarren mit Stempel SATVRNIN; L 18 cm Mittelmeer bei Elba (E 1981/25) Amphore; L 88 cm Istrien (1973, 147)

9 Römische Anker Anker haben die Aufgabe, ein Schiff an einem bestimmten Ort festzuhalten, sei es zum Entladen, sei es, um nicht von Wind und Wellen aufs Land oder gegen Felsen getrieben zu werden. Man ankert vorzugsweise in flachem Wasser; je länger das Ankertau ist, desto sicherer der Halt: 3I/2 bis 5mal der Was­ sertiefe ist das Optimum. Die ersten Anker waren runde, später trapezoide Steingewichte an Seilen. Das Reibungs­ prinzip befriedigte nicht, so daß man hölzerne Rahmen mit vorstehenden Spitzen entwickelte, die durch einen Stein beschwert wurden und nach einer gewissen Strecke des „Pflügens” in den Untergrund eindrangen. Der römische Historiker Strabo (64 v.Chr. — 25 n.Chr.) berichtet, daß der Grieche Anacharsis um 590 v.Chr. den Anker mit Armen erfand. Vielleicht bezieht sich dies auf die Einführung von Blei statt Steinen als Material für den „Stock”, der durch sein Gewicht dafür sorgt, daß die Spit­ zen der senkrecht zu ihm am Schaft angebrachten Arme schräg in den Untergrund eindringen. Die Griechen haben auch schon Eisenanker benutzt und das besonders gefährdete Ende des Ankertaus durch Eisen­ ketten ersetzt. Der wichtigste Fund römischer Anker gelang 1930 im Nemisee, als dieser abgelassen war. Ein über 5 m langer kombinierter Holz/Bleianker eines um 40 n.Chr. erbauten Schiffs wurde in originaler Lage gefunden: der über 2,50 m lange Stock aus Blei lag parallel zum Grund, ein Arm hatte sich eingegraben, am Ankerring war noch das dicke Ankertau erhalten. Im Lauf der Zeit haben die Eisenanker die Holz/Bleianker verdrängt, die nach dem 2. Jahrhundert nicht mehr nachzu­ weisen sind. Interessanterweise haben antike Schiffe in der Regel mehr als einen Anker mitgeführt. Bei einem Wrack der Mitte des 2. Jh. v.Chr. bei der Insel Giannutri wurden 3 eiserne und 4 Holz/Bleianker gefunden, bei einem Schiff bei Tarent aus der Zeit um 100 n.Chr. 5 Anker von je 600 kg Gewicht, und in einem nur 18,9 m langen Wrack bei Yassi Ada, das um 625 n.Chr. datiert wird, fanden sich 11 Anker von zusammen 1279 kg. Auch das Schiff, das den Apostel Paulus nach Rom bringen sollte, hatte mindestens vier Anker (Apostelgesch. 27,27 ff.).

Ankerrekonstruktion mit originalem Stock und Verbindungs- 5 stück; L des Stocks 78 cm Mittelmeer bei Sta. Margherita, Ligurien (1985, 4497)

Ankerstock aus Blei; L 101 cm Mittelmeer bei Sta. Margherita, Ligurien (1985, 4498)

10 Flüsse in Bayern und ihre Schiffbarkeit Main Länge 524 km Ursprung als Weißer Main am Ochsenkopf/Fichtelgebirge und Roter Main im fränkischen Jura Mündung bei Mainz Schiffbar ab Kulmbach

Donau Länge 2850 km Ursprung im östlichen Schwarzwald (Brigach und Breg, die sich bei Donaueschingen 679 m über NN vereinigen) Breite heute bei Ulm 70 m, bei Passau 200 m Schiffahrtstechnisch unterscheidet man die obere und die untere Donau (Grenzort: Wien) Mündung im Schwarzen Meer Schiffbar ab Ulm

Nebenflüsse der Donau: Altmühl Länge 195 km Ursprung auf der Frankenhöhe, Mündung bei Kelheim Schiffbar ab Treuchtlingen

Naab Länge 165 km Ursprung im Fichtelgebirge und Böhmerwald, Mündung oberhalb Regensburg Schiffahrt und Flößerei ab Pfreimd möglich

Regen Länge 165 km Ursprung aus Großem und Kleinem Regen, die sich zum Schwar­ zen Regen vereinigen, Mündung bei Regensburg Schiffbar ab Cham, Flößerei ab Zwiesel möglich

Iller Länge 165 km Ursprung durch Vereinigung von Breitach, Stillach und Trettach bei Oberstdorf, Mündung bei Ulm Flößerei ab Kempten möglich

Lech Länge 167 km Ursprung im Formarinsee in Vorarlberg, Mündung bei Rain Schiffahrt ab Augsburg, Flößerei ab Reutte möglich

Isar Länge 263 km Ursprung im Karwendelgebirge, Mündung unterhalb Deggendorf Flößerei ab Mittenwald möglich Nebenflüsse: Amper Flößerei im Oberlauf, Schiffahrt ab Ammersee Würm Flößerei ab Starnberg möglich Loisach Flößerei ab Garmisch möglich

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14 Römische Binnenschiffahrt in Bayern: Silberfibel von Neuburg/D. (2. Jh. n.Chr.)

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14 Römische Binnenschiffahrt in Bayern: Denar des Trajan mit dem Flußgott Danuvius ►

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Inn Länge 510 km Ursprung im 2480 m hohen Bergsee des Piz Lunghino im Ober­ engadin, Mündung bei Passau Bis zur Regulierung 1807—1925 war der Inn in viele, sich ständig verlagernde Arme gespalten und bis zu 2,5 km breit Schinahrtstechnisch unterscheidet man Ober- und Unterinn (Grenze: Martinswand bei Zirl) Flößerei ab Roppen, Schiffahrt ab Telfs möglich Nebenfluß des Inn: Salzach Länge 220 km Schiffahrt ab Hallein, Flößerei im Pinzgau und ab Scheffau möglich. Salztransport durch Zoll- und Mautordnung von 906 belegt mit mehrmaligem Umladen (Hallein, Laufen, Obernburg, Passau, von dort über Vilshofen, Straubing, Regensburg, Ingolstadt bis Donauwörth und über Wien bis Budapest).

Rhein-Main-Donau-Kanal Karl der Große versuchte im Herbst 793, durch Anlage eines Gra­ bens zwischen Rezat und Altmühl beim heutigen Ort Graben eine schiffbare Verbindung zwischen Donau und Rhein herzustel­ len („Karlsgraben”). Das Großprojekt mußte unvollendet einge­ stellt werden.

11 Trift und Flößerei Trift von einzelnen Holzstämmen und Flößerei sind schon weit oben in den Bergen möglich, wo an Schiffahrt noch nicht zu denken ist. Der archäologische Nachweis ist für die Flößerei freilich nur durch glückliche Umstände zu erbringen: So entdeckte man das bisher älteste Floß im süd­ deutschen Raum 1922 im Moor des Federsees. Es wird in die Bronzezeit datiert. Die etwa 5 m langen Stämme wur­ den durch Bastseile zusammengehalten. Es diente wohl als Lastfähre zu einer besiedelten Insel im See. Der Hafen der Insel erbrachte bei der Ausgrabung nur Einbäume als Per­ sonentransportmittel für Jagd und Fischfang. Flöße sind normalerweise kurzlebige Fahrzeuge: am Aus­ gangspunkt der Reise werden sie aus Baumstämmen zusam­ mengebunden, am Zielort sogleich zerlegt, um die Stämme der weiteren, eigentlichen Nutzung zuzuführen. Das Fahr­ zeug ist zugleich Transportgut, die eventuelle zusätzliche Ladung nebensächlich. Somit besteht wenig Unterschied zur ungebundenen Flößerei, der Blocktrift, bei der kurze Stämme einzeln auf die ebenfalls nur kurze 10—20 km lange Reise geschickt werden. Die Nutzung zum Lastentransport bezeugt Caesar für die keltischen Helvetier und die germanischen Sugambrer, die ratibus ac lintibus iunctis die Saône bzw. navibus ratibusque den Rhein überquerten (Bellum Gallicum 112 bzw. IV 35).

In römischer Zeit ist die Blocktrift durch eiserne Kloben mit daran befestigten Ketten nachzuweisen: die Kloben wurden in die angelandeten Stämme gehauen und diese dann paarweise von Pferden aus dem Wasser gezogen. Nachgewiesen ist dies für den Neckar durch entsprechende Funde aus Heilbronn-Böckingen. Ein abgebrochener Klo­ ben vom Moosberg bei Murnau könnte im ausgehenden 3.Jh. n.Chr. ähnlichen Zwecken gedient haben. Flößerei ist ansonsten durch eiserne Flößerhaken zu bele­ gen, welche im Gegensatz zu normalen Stakstangen eine zusätzliche, rechtwinklig zum Schaft stehende Spitze auf­ weisen, die man in den Stamm schlagen und diesen so her­ anziehen konnte. Von der Donau fehlen entsprechende Funde, vom Rhein liegen sie vor, und an der Rhone und ihrem Nebenfluß Isère kennt man sogar Flößergilden, die sog. ratiarii.

Eisenkloben; L. noch 11,4 cm (3. Jh. n.Chr.) Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (I960, 190) Flößerhaken; L 15,5 cm (neuzeitlich) Regensburg (1891, 15)

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12 Spezialflöße und Fähren Neben der landwirtschaftlichen Versorgung durch die Arbeitskräfte der Gutshöfe und der städtischen Versorgung durch die Flößergilden ist auch mit militärischer Flößerei zu rechnen. So wurden z.B. von Mainz aus Arbeitskom­ mandos der 22. Legion zur Holzbeschaffung bei den Kastellen Obernburg, Stockstadt und Trennfurt abkom­ mandiert, wie entsprechende Inschriften zeigen. Das in Odenwald und Spessart gefällte Holz wurde dann auf dem Main getriftet. Im Bereich des römischen Rheinhafens von StraßburgKönigshofen fand man Spezialflöße aus der Zeit um 100 n.Chr. Sie bestanden aus sorgfältig behauenen, 7—14 m lan­ gen Balken von 60—70 zu 33 cm Querschnitt. Der Bug war

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14 Römische Binnenschiffahrt in Bayern: Tonlampe von Weißenburg (2./3. Jh. n.Chr.)

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bei einem Floß oval zugehauen und auf der Unterseite etwas gebogen. Diese Flöße dienten wohl, wie entspre­ chende Einarbeitungen und die Fundstelle neben Pfahlrei­ hen zeigen, als Pontons zum Einrammen von Pfählen, daneben wohl auch zum Transport schwerer Steinquader. Die Verbindung der einzelnen Balken variierte: sie wurde entweder durch Leisten erzielt, die in Quernuten eingelegt wurden, oder durch Rundhölzer, die in quer gebohrten Löchern steckten, oder durch Taue, die durch schräg gebohrte Löcher liefen. Mit ähnlichen Flößen hat man gewiß das Steinmaterial zur Erbauung des Regensburger Legionslagers auf der Donau herangeschafft, aber auch die Quader vom Faiminger Apollo Grannus Tempel, von denen in der Eingangshalle des Museums eine Auswahl ausgestellt ist. Weiheinschrift; H 91 cm (ergänzte Kopie, Original SaalburgMuseum, Bad Homburg) Stockstadt, Ldkr. Aschaffenburg (1986, 5644)

In (Honorem Domus Divinae) Iovi Optimo Máximo (DOLICH) ENO VE(Xillatio LEGionis XXII) PRimigeniae ANT(ONINIANae) Piae Fidelis AGEN(TIVM IN LI) GNAriis Sub PR(INcipe ) SVB CVR(A ) I CELSI O(PTIONI) S MESSA(LLA ET) SABINO (COnSulibus)

Zu Ehren des göttlichen (Kaiser-)Hauses! Iupiter, dem Guten und Großen von Doliche, (hat den Altar gesetzt) eine Abteilung der 22. Legion mit Beinamen Primigenia und Antoniniana, Fromme und Treue, eingesetzt als Holzfäller unter dem Anführer... unter Leitung des ... us Celsus, Feldwebel, (im Jahr), als Messalla und Sabinus Konsuln waren (214 n.Chr.) *S.17\

Kalksteinquader vom Apollo Grannus Tempel Faimingen, Ldkr. Dillingen (E 1974/15)

2 Kalksteinquader von einem Grabmal -Wehringen, Ldkr. Augsburg (1977, 397—398)

gehender Beisetzung in Aschheim vom heutigen St. Emme­ ran nördlich München aus auf einem Isarfloß nach Regens­ burg gebracht worden. Die Blocktrift wird daneben weiterbetrieben worden sein, wie ein Kloben von der Burg Schiedberg bei Sagogn (Grau­ bünden) aus dem 12./13. Jahrhundert stellvertretend belegt. Aber auch Transportflöße, die wohl aus mehreren Holzlagen bestanden, sind für Steinquader und monolithi­ sche Steinsäulen anzunehmen, die vom späten 8. bis zum 12. Jahrhundert in Kirchen verbaut wurden. Ein gutes Bei­ spiel sind die Anfang des 11. Jahrhunderts für den Mainzer Dom gearbeiteten „Heunensäulen” bei Miltenberg, im Schnitt 14,5 Tonnen schwer, die wohl auch aus Transport­ gründen so nahe am Main gewonnen worden waren. Ein Beispiel steht neben dem Eingang zum Museum. Die Säule war 1879 von 6 Pferden und 2 Ochsen auf einem 85 Zent­ ner schweren Wagen zum Bahnhof Miltenberg gebracht und dort auf den einzigen Spezialgüterwagen für Schwerla­ sten der Kgl. Bayer. Eisenbahn verladen worden. Ähnlich wird auch der nordalpine Transport der je etwa 2 Tonnen schweren antiken Säulen des Aachener Münsters erfolgt sein, die Karl der Große aus Rom und Ravenna her­ anschaffen ließ. Im 13. Jahrhundert setzen dann auch schriftliche Quellen ein — in München ist z.B. die Isarflößerei in einem Rats­ buch der Stadt im Jahr 1286 erwähnt. Ein besonders schö­ nes Zeugnis ist Hartmann Schedels Darstellung der Floßlände von 1493 (heute Steinsdorf/Ländstraße) in Verbin­ dung mit Nachrichten über die Konstruktion des Dach­ stuhls der Frauenkirche von 1473—1475 und dessen Materialverbrauch. Auch für Fähren wurden Flöße häufig eingesetzt. Die Aus­ stellung zeigt zwei Schwimmkörper einer Mainfähre des 14. Jahrhunderts. Heunensäule aus Odenwaldsandstein; H 7,49 m (11. Jh.) Miltenberg, Ldkr. Miltenberg (IV 793)

Zwei Schwimmer einer Mainfähre (14. Jh.) Garstadt, Ldkr. Schweinfurt (E 1977/151)

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14 Römische Binnenschiffahrt in Bayern 13 Flößerei im Mittelalter Zeugnisse für frühgeschichtliche und frühmittelalterliche Flößerei fehlen noch weitgehend. Arbeo von Freising berichtet in der Vita des Hl. Emmeram, dessen Leichnam sei nach dem Martyrium in Kleinhelfendorf und vorüber-

Von der römischen Binnenschiffahrt in Bayern ist wenig bekannt. Eine 1985 bei Ausgrabungen in der Münz zu Neuburg/D. gefundene silberne Brosche zeigt zwar ein Ruderboot mit drei Ruderern, einem mächtigen Vorderste­ ven und kaum kleineren Hintersteven, doch handelt es sich 25

hier um ein kunsthandwerkliches Serienprodukt, das ebenso auch anderwärts gefunden wurde und auf mediter­ rane Schiffe zurückzuführen ist. Anders steht es mit einer Öllampe aus Weißenburg in Form eines Nachens mit einem Hund als Passagier: diese Schiffsform ist aus dem Einbaum weiterentwickelt. Ebenfalls 1985 wurde in einer Verlandungsschicht des 1. Jahrhunderts n.Chr. am Chiemseeufer in Seebruck ein rund 30 cm langes Spielzeug oder Modell eines Schiffes gefunden. Es ist ein realistisch nachgebauter Einbaum aus dem halbierten Stamm mit rund belassener Unterseite, innen ebenem Boden und senkrechten Wänden; der Bug war wohl spitz, das Heck breit mit dem Sitz für den Schif­ fer mit dem Paddelruder. Vielleicht spielte vor 1900 Jahren das Kind eines Fischers vom Chiemsee mit diesem, dem Nachen des Vaters nachgebauten Schiffchen. Weiter ortseinwärts hat man bereits 1978/80 eine zweiperiodige Bootslände mit angeschlossenem Holzbearbei­ tungs-Werkplatz ausgegraben. Der Werkplatz hatte einen Balkenrost aus Eichen- und Erlenstämmen als Fußboden sowie eine hölzerne Überdachung, die Bootslände bestand aus einem 10—11 m breiten Wasserkorridor zwischen meh­ reren aneinandergebauten Kammern, die 30 m weit in den See hinausreichten und Wände aus Eichenscheiten aufwie­ sen, die mit Astwerk, Eichenstücken, Kies und grobem Steinmaterial hinterfüllt waren.

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Wesentlich massiver war der Bodenseehafen von Bregenz ausgebaut, der allerdings in der Spätantike auch als militäri­ scher Stützpunkt einer Flotteneinheit diente. Eher dem Seebrucker Landeplatz vergleichbar ist der Flußhafen von Pfaffenhofen am Inn mit einem großen Lagerhaus. Von hier oder einer benachbarten Lände nahm der Sigillataexport der Töpfereien von Westerndorf und Pfaffenhofen inn- und donauabwärts seinen Anfang. Im Gegensatz zum Rheinland — man denke an die sensatio­ nellen Schiffsfunde von Mainz 1981 und 1982 — haben sich aber bisher weder Handelsschiffe noch Kriegsschiffe der römischen Zeit in Bayern gefunden. Auch Inschriften der vorauszusetzenden Schifferzünfte fehlen noch. Denar des Trajan (98—117 n.Chr.) mit dem Flußgott Danuvius *S.21 Fundort unbekannt

Silberne Bootsfibel; L 2,3 cm (2./3. Jh. n.Chr.) Neuburg, Ldkr. Neuburg-Schrobenhausen (1986, 5615)

*S.2O

Tonlampe in Nachenform; L 12 cm (2./3. Jh. n.Chr.) Weißenburg, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (WUG 102 a)

*S.24

Hölzerner Spielzeugeinbaum; L 30 cm (1. Jh. n.Chr.) Seebruck, Ldkr. Traunstein (1986, 5616 )

15 Sigillatagefäße (2./3. Jh. n.Chr.) Westerndorf St. Peter, Stadt Rosenheim

15 Wasser und Wein Wein und Wasser gingen in römischer Zeit zum Transport eine (durch Holz) begrenzte Verbindung ein: der Wein­ großhandel erfolgte auf dem Wasserweg. Im mediterranen Raum zeigen das die zahlreichen Wracks gesunkener Schiffe mit ihrer Ladung Hunderter, ja Tausender von Amphoren, nördlich der Alpen läßt es sich anhand der Funde hölzerner Fässer an Rhein und Donau nachweisen, für den Inn beweist es der vor einigen Jahren in Passau aus­ gebaggerte Grabstein des Publius Tenatius Essimnus, eines Weinhändlers aus Trient, der auf den Seitenflächen auch mit Weinfässern, Krug und Stechheber in seinem Keller dargestellt ist. Daneben ist auch mit Weintransport in Schläuchen zu rechnen. *S.49 Grabstein; H 106 cm (Nachbildung) Passau (1981, 3118)

Dis Manibus Publio TENATIO ESS IMNO NEGOT IANTI VINAR IARIO DOMO IVLIA TRIDEN TVM OBITO ANNOrum LVII Publius TENATIVS PATER NVS PATRI PIENTISSIMO FECIT Den göttlichen Ahnen! Dem Publius Tenatius Ess­ imnus, Großhänd­ ler in Wein, rechtlicher Wohnsitz Trient, verstorben im Alter von 57 Jahren, hat Publius Tenatius Pater­ nus als seinem lieben Vater (das Grabmal) gesetzt.

16 Antike Einwegflaschen Schlanke Weinamphoren und bauchige Ölamphoren: Vom Wein und Öl, von garum (eine Art Maggi) und liquamen (Makrelensauce), das sie einst auf dem Transport ins römi­ sche Bayern enthielten, ist meist nichts erhalten — nur die Verpackung, die den Rücktransport nicht lohnte und nach

der Leerung des Inhalts für alle möglichen Zwecke nutzbar gemacht werden konnte. Die Phantasie der Recycler reicht vom Vorratsgefäß bis zum Aschenbehälter im Grab. Die Handelswege, auf denen die ursprünglichen Importgü­ ter mit den Behältern ins Land kamen — überwiegend als Schiffsladung —, lassen sich in den Fällen nachvollziehen, in denen die Herstellerstempel auf den Henkeln erhalten sind und die Lokalisierung des Herstellungsortes — z.B. in Spanien — schon gelungen ist. An sonstigen Transportbehältern haben sich gelegentlich Holzfässer erhalten (in Wiederverwendung als Brunnen­ auskleidung). Meist kennt der Archäologe aber allenfalls die Güter selbst, nicht die Verpackung: Austern und Muscheln von Adria oder Kanalküste, Weihrauch und Gewürze, Kichererbsen und Reis aus dem Orient und Indien, Obst und Südfrüchte wie Feigen, Datteln, Rosinen, Oliven aus dem Mittelmeer­ raum, Gläser, Bronze- und Silbergeschirr aus Italien, Gal­ lien und dem Osten, Sigillata und Specksteingeschirr aus Gallien und Graubünden. Weinamphore; H 86 cm Fundort unbekannt (IV 1044) Weinamphore; H 86 cm Fundort unbekannt (IV 1045) Amphore; H noch 55 cm Auerberg, Ldkr. Weilheim-Schongau (1969, 3604) Amphore; H 77 cm Eichenberg, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (41804)

Amphore: H noch 69 cm Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 1268) Amphore als Ossuar; H noch 79 cm Wehringen, Ldkr. Augsburg (1970, 2357)

17 Einbäume: von der Vorzeit zur Neuzeit Neben dem leichten Fellboot, das z.B. in Norddeutschland erstmals vor knapp 10000 Jahren zu belegen ist, dem bron­ zezeitlichen Baumrindenboot und dem mediterranen Schilfboot ist der Einbaum das am einfachsten herzustel­ lende und für die Binnenschiffahrt am besten zu nutzende Fahrzeug. Er ist seit 8000 Jahren nachzuweisen, und noch im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde er als Fischerboot an oberbayerischen Seen und im Salzkammer­ gut verwendet (und hergestellt!). Auch in seinen Anfängen dürfte er vor allem der Fischerei gedient haben.

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Der Einbaum weist eine hohe strukturelle Festigkeit auf. Die Bauern des Neolithikums höhlten ihn mit Hilfe des Feuers oder mit Steindechseln aus, in späterer Zeit bediente man sich der weiterentwickelten Holzbearbeitungsgeräte. Im keltischen Bereich hat man aus längs halbierten Einbäu­ men durch Einfügen von Bodenplanken breite Prähme ent­ wickelt, die überall flach aufs Ufer laufen und leicht bela­ den werden konnten — auch als Fähren. Selbst in der römi­ schen Zeit Deutschlands dürfte der Einbaum noch der meistverwendete Binnenverkehrsträger zu Wasser gewesen sein. Für die Datierung der Einbäume sind technische Details hilfreich: unterschiedliche Querschnitte je nachdem, an welcher Stelle des Stammes der Boden lag, runder oder fla­ cher Boden, die Gestaltung von Bug und Heck u. dgl. Für eine genauere Altersermittlung steht die Cl4-Bestimmung zur Verfügung. So wurde auch das Alter der fünf Ein­ bäume aus der Zeit vom 8. bis zum 19. Jh. bestimmt, die in Saal 12 der Dauerausstellung „vor Anker gegangen” sind (unmittelbar neben der Sonderausstellung). Fellboote sind leicht aus Flechtwerk und Rinderfellen her­ zustellen, leicht zu staken und leicht auch über Land zu tra­ gen. Vielleicht kann man in dem Teller von Schirndorf das Abbild eines auf der hallstattzeitlichen Naab schwimmen­ 28

den Transportbootes sehen; das „Gerippe” der Konstruk­ tion wären dann die aufgemalten Graphitlinien innen auf Boden und Wandung. Einbaum; L 620 cm (19. Jh.) Starnberger See (E 1977/77a)

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Modell eines Fellbootes (?) mit aufgesetzten Tonfiguren; Dm 21,5 cm (Hallstattzeit) Schirndorf, Ldkr. Regensburg (1976, 1128)

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Modell eines Prahms mit 2 Rudern aus Goldblech; L 6,6 cm (Frühlatenezeit) Dürrnberg bei Hailein, Salzburg (Nachbildung; 1965, 697)

18 Fließender Übergang Die Übergänge zwischen Land- und Wassertransport sind „fließend”: Kombinierten Land- und Wassertransport muß man sowohl für die Kupferbarrenhorte der Bronzezeit wie aus spätkeltischen Eisenbarrenfunden erschließen — stell­ vertretend für andere Handelsgüter, von denen keine Spu­ ren erhalten blieben wie etwa dem Salz, oder die nicht so eindeutig als Handelsware zu erkennen sind. Dabei kann

nur von Fall zu Fall entschieden werden, ob nun die kon­ fektionierten Metalle den größeren Teil des Transportwe­ ges vom Verhüttungsplatz zum Bestimmungsort auf dem Wasser und nur kleinere Strecken auf Saumtieren zurück­ legten oder aber beim Landtransport gelegentlich Flüsse mit Boot oder Fähre zu queren waren. Auch die Ursachen, weshalb solche Objekte in den Boden (oder das Wasser) gelangten, sind von Fall zu Fall verschieden: Vergraben im Angesicht einer drohenden Gefahr, Verlust beim Umladen vom Schiff auf Packtiere, Kentern eines Bootes oder bewußtes Opfer an Fluß- oder Paßübergängen, um sich glücklicher Fahrt zu versichern oder nach gelungenem Übergang zu danken. Die Ausstellung zeigt stellvertretend nur zwei Funde bron­ zezeitlicher Spangen- und Ringbarren sowie spätkeltische

eiserne Spitzbarren, bei denen die Fundstelle in der Iller nahe deren Mündung den Gedanken an kombinierten Transport besonders nahelegt. Im übrigen ist auf die Dau­ erausstellung zu verweisen, wo in Saal 2 zahlreiche bronze­ zeitliche Metalldepots versammelt sind, darunter der größte derartige Fund aus Bayern mit 500 Spangenbarren im Gewicht von 85 kg, der 1928 im Münchner Luitpoldpark zu Tage kam. 70 Ringbarren (Bronzezeit) Aschering, Ldkr. Starnberg (1921, 8)

100 Spangenbarren (Bronzezeit) Schabenberg, Ldkr. Pfaffenhofen (1938, 5) 2 Eisenbarren (Latenezeit) Iller bei Ay, Ldkr. Neu-Ulm (1935, 27)

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C Mit Roß und Wagen: über Land Das Rad ist die erste und gleichzeitig sensationellste technische Erfindung des Menschen. Durch diesen schöpferischen Akt frei­ lich löst er sich zum ersten Mal aus dem Naturzusammenhang. Es gibt kein Lebewesen, das sich vermittels eines geometrisch vollkommenen Kreisgebildes fortbewegt. Die kreisende Bewe­ gung ist eine tote Bewegung, in der sich Umdrehung um Umdrehung gleichförmig wiederholt. In der Natur gibt es keine exakt rotierende Bewegung — selbst in der Himmelsme­ chanik der Planetenläufe nicht. Die Achse als fixes "Zentrum der Bewegungen ist etwas typisch Menschliches, Unnatürliches. Annemarie und Rudolf Braunburg, Schöne alte Wassermühlen (1981) 167 Die Erfindung der Schrift, des Rades und des Pfluges, die Anlage von Bewässerungssystemen und die Kodifizierung des Rechts ... hingen zusammen mit dem ständigen E>ruck, die Nahrungsmittelproduktion zu intensivieren und kollektive Arbeit zu organisieren. Der Grund dafür war das ständige Bevölkerungswachstum, das die neue Produktionsweise sowohl ermöglichte wie auch erforderte, denn die landwirt­ schaftliche Produktion braucht einen größeren Einsatz menschlicher Arbeitskraft und längere Arbeitszeit, als es beim Jagen und Sammeln der Fall war. Marielouise Janssen-Jurreit, DER SPIEGEL 3/1986, S. 155

19 Die ältesten Wagen Mitteleuropas Die ältesten derzeit aus Bayern bekannten Wagenteile stammen vom Ende der Bronzezeit, aus der sog. Urnenfel­ derzeit. Da aber nicht auszuschließen ist, daß ältere, aus­ schließlich oder überwiegend aus Holz bestehende Fahr­ zeuge einst vorhanden waren und nur aufgrund der Erhal­ tungsbedingungen nicht auf uns gekommen sind, soll anhand des Vergleichsmaterials aus Baden-Württemberg, der Schweiz und den norddeutschen Mooren eine knappe Übersicht gegeben werden. Die Forschung hat hier in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt. Für die Rekonstruktion der ältesten mitteleuropäischen Wagen stehen einstweilen nur Einzelteile zur Verfügung — Räder und Achsen —, die mehr Fragen aufwerfen als klä­ ren: 30

— wie waren die Wagen konstruiert? — hatten die Wagen zwei oder vier Räder? — waren sie lenkbar? — welche Zugtiere wurden verwendet? — wie waren sie angeschirrt? — auf welchen Wegen verkehrten die Fahrzeuge? Andererseits sind in verschiedenen Landschaften vorge­ schichtliche Bohlenwege aus Feuchtgebieten bekannt. Sofern sie mit modernen Methoden untersucht sind und dendrochronologisch bestimmbares Material enthalten, vermögen sie durch ihre auf das Jahr genaue absolutchro­ nologische Fixierung Hinweise auf die darauf verkehren­ den Fahrzeuge und deren Alter zu geben, vor allem, wenn im Umkreis der Wege Reste dieser Fahrzeuge gefunden werden. Die Erfindung von Rad und Wagen ist im wörtlichen Sinn revolutionär (lat. revolvere sich drehen). Eine Vorausset­ zung ist die Erfindung der rotierenden Töpferscheibe im Orient, eine andere der Übergang vom Tragen und Ziehen von Lasten zum Unterlegen großer Astgabeln (Schleifen) und zur Konstruktion von Zugschlitten. Rollende Steine an einem Hang oder unter den Schlitten gelegte Stämme mögen Anstöße zur Adaption von Rad und Achse gegeben haben — im einzelnen ist dies nicht mehr aufzuhellen. Grundvoraussetzung war jedenfalls der gestiegene Trans­ portbedarf und die besseren handwerklichen Möglichkei­ ten in einer seßhaft gewordenen Ackerbauergesellschaft. Auch die weitere Entwicklungsgeschichte kann in diesem Rahmen nicht detailliert nachvollzogen werden. Erschwe­ rend kommt ohnehin hinzu, daß gewisse Formen und Merkmale seit ihrer Erfindung z.T. bis in die Neuzeit wei­ terverwendet wurden, auch wenn sie längst nicht mehr auf dem jeweils „letzten” technischen Stand waren (z.B. die Weiterverwendung des Scheibenrades oder des quadrati­ schen Achslochs, d.h. der mitdrehenden Achse).

20 Entwicklung von Rad und Achse: Das Scheibenrad Die Entwicklung des Rades geht im großen und ganzen vom einteiligen Scheibenrad über das zusammengesetzte Schei-

benrad zum Speichen- und Strebenrad. Bei der Achse geht die Entwicklung von der mitdrehenden Rotationsachse früh zu frei auf den Achsschenkeln laufenden Rädern. Die Achse wurde aus einem starken Balken hergestellt: bei der runden Rotationsachse sind die Enden vierkantig und greifen in viereckige Achslöcher der Scheibenräder ein, bei der vierkantigen Starrachse sind umgekehrt die Achsschen­ kel rundstabig. Sie konnte durch Dübel am Unterwagen mit seinen durchgehenden bzw. gespreizten Längshölzern verbunden werden, aber auch durch Riemen oder nur durch einfache Auflager wie bei der Rotationsachse, die durch das Eigengewicht der leicht auswechselbaren Auf­ bauten festsaßen. Die Räder werden durch hölzerne Achs­ nägel an den Achsschenkeln gehalten, welche durch Rie­ men gegen Herausfallen gesichert sind (unteres Ende gelocht). Als ideale mittlere Spurweite hat sich über Jahr­ tausende ein Wert um 1,20 m gehalten — allerdings mit großen individuellen Abweichungen nach oben und unten. Das einfachste Rad ist das Scheibenrad. Breite Räder haben eine bessere Führung auf der Achse und eine größere Auf­ lagefläche, somit höhere Tragkraft und Stabilität, aber auch größeren Rollwiderstand. Schmale Räder sinken in wei­ chem Untergrund ein. Je größer ein Rad ist, desto höher die Bodenfreiheit und Geländegängigkeit (das Fahrzeug „fällt” nicht in jede Unebenheit und muß nicht mit Kraft­ einsatz wieder herausgezogen werden). Mit dem Durch­ messer (der „Höhe”) nimmt auch das tote Gewicht und die Bruchgefahr zu. Als Kompromiß zwischen all diesen Variablen wird die Lauffläche verhältnismäßig schmal, die Umgebung des Achslochs möglichst dick ausgeführt. Gleichzeitig wird dadurch das Scheuern des Rades am Fahrgestell verhindert. Einteilige Scheibenräder und aus drei Teilen (mit gerader oder gebogener Nut- und Leistenkonstruktion und/oder Dübeln, die z.T. durch die ganze Breite gingen) zusammen­ gesetzte Scheibenräder kommen in geringem zeitlichem Nacheinander bzw. gleichzeitig vor — je nach der Maxi­ malgröße der zur Verfügung stehenden Hölzer. Jünger sind einteilige und zusammengesetzte Scheibenrä­ der mit eingesetzter Buchse (z.B. aus Birke). Bei Abnut­ zung war nur die Buchse, nicht das ganze Rad zu ersetzen. Als Material der Räder begegnet je nach den örtlichen Ver­ hältnissen Eiche, Ahorn oder Erle, wobei die Erle gegen­ über Eichen 40% Gewichtsersparnis bringt. Sowohl eintei­ lige wie zusammengesetzte Scheibenräder kommen dann auch mit meist halbmondförmigen Aussparungen vor, die Gewichtsverminderung und Bremsmöglichkeit durch Bremsknüppel bringen.

21 Das Speichenrad Eine weitere Gewichtsverminderung bringt das Speichen­ rad: aus der Buchse wird die Nabe, die durch die Speichen mit der Felge verbunden wird. Wie das zusammengesetzte Scheibenrad ist das Speichenrad bruchanfällig und daher nur an leichten Fahrzeugen einsetzbar. Die Speichen sitzen mit den Nabenzapfen radial in der Nabe, während die Fel­ genzapfen in die Felge eingreifen. Die Speichenzahl reicht von 4 bis 14. Die Felgen können aus einem oder mehreren Hölzern gebogen sein, wobei sich die Enden schräg überlappen, oder aus mehreren Segmenten zusammengesetzt werden. Für dauerhafte Formhaltung und Stabilität waren Eisenrei­ fen und Felgenschlösser bzw. aufgenagelte T-Bleche erfor­ derlich. Gegossene vier-, fünf- oder sechsspeichige Bronzeräder sind als erste Tiefbettfelgen anzusehen, da sie eine umlaufende 5 cm tiefe Nut zur Aufnahme einer aus vier Teilen zusam­ mengesetzten äußeren Holzfelge aufweisen. Mit 24 Nägeln wurde dieser aus 2 cm dicken Brettern geschnittene „Rei­ fen” auf der Felge seitlich befestigt; die Lauffläche war genagelt, und der Reifen konnte ohne weiteres nach Ver­ schleiß ersetzt werden. Eine einfachere Form des Speichenrades, das Strebenrad, greift auf das zusammengesetzte Scheibenrad zurück: an das mittlere Brett mit Buchse wurden zwei halbe Felgen angedübelt und durch gebogene, unter Spannung stehende Streben gesichert. In der Herstellung einfacher als das Spei­ chenrad, hat es doch einige von dessen Vorteilen. In römi­ scher Zeit begegnen erstmals Speichenräder mit Sturz (Schrägstellung) der Speichen und asymmetrischer Nabe. Dadurch wird die Bruchgefahr bei seitlicher Belastung ver­ mindert und die Tragfähigkeit erhöht. Abschließend ein Blick auf die Herstellung zusammenge­ setzter Felgen. Hier ergeben sich Unterschiede je nach der Höhe: bei niedrigen Felgen konnten die Felgenteile von außen auf die in der Nabe sitzenden gedrechselten bzw. profilierten Speichen gesetzt werden, bei hohen Felgen (für hohe Tragkraft) mußten die rundstabigen Speichen von außen durch die Felgen in die Nabenbohrungen getrieben werden. Radanhänger und -nadeln der mittleren Bronzezeit können nach dem derzeitigen Forschungsstand nicht für die Exi­ stenz des Speichenrades im damaligen Bayern herangezo­ gen werden. Man denkt hierbei eher an Bezug zur Sonnen­ symbolik, indirekt unter Einfluß ägäischer Speichenräder aus dem Raum der mittleren Donau vermittelt. 31

Radanhänger (Bronzezeit) Mauern, Ldkr. Fürstenfeldbruck (1893, 28) 10 Riegsee, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1890, 344) Radnadeln (Bronzezeit) Landshut (1986, 4177) Neuhof, Ldkr. Regensburg (1890, 246—247); 2 Ex. Parsberg, Ldkr. Neumarkt (1894, 164) Götzenöd, Ldkr. Amberg-Sulzbach (1891, 346)

von Eschenleisten zusammengehalten werden, die in tra­ pezförmige Nuten geschoben sind, mit Durchmessern um 46, 56 und 68 cm (Zürich, Auvernier, Egolzwil, Vinelz oder Lüscherz). Beim ersten Typ ist die Auflage nur 1—2 cm breit, beim zweiten 4—5 cm. Die zugehörige Achse von Zürich ist noch knapp 1,20 m lang, die Enden (Achsschenkel) im Querschnitt quadra­ tisch, das Mittelstück rundstabig mit Profilierungen, das Material ebenfalls Ahorn, die Spur betrug um 1,15 m (bei allen Maßen ist Schrumpfungsschwund zu berücksichti­ gen). An einem Achsfragment von Vinelz oder Lüscherz ist die Radbefestigung mit Hilfe eines in die Achsstirn getrie­ benen Keils, der diese aufquellen läßt, noch kenntlich. Bis jetzt ist nicht zu klären, ob diese Teile zu Karren oder Wagen gehörten, ja nicht einmal, ob sie dem alltäglichen Gebrauch oder Kultzwecken dienten. Modell eines Karrens mit Scheibenrädern Leihgabe Deutsches Museum München

22 Zweirädrige Karren und vierrädrige Wagen Nach den derzeit verfügbaren Quellen scheinen Rad und Achse, Karren und Wagen um die Wende vom 4. zum 3. Jahrtausend v.Chr. im Gebiet der vorderasiatischen Hoch­ kulturen fertig entwickelt gewesen zu sein. Jedenfalls begegnet um diese Zeit in der sumerischen Bilderschrift der Periode IVa von Uruk ein Piktogramm des vierrädrigen Wagens, entstanden aus dem Symbol für den gedeckten Schlitten durch Hinzufügen von zwei Radsymbolen. Schon um die Mitte des 3. Jahrtausends sind dann in Ägyp­ ten und Griechenland, aber auch weit entfernt in der Schweiz und in norddeutschen Mooren Wagen nachweis­ bar — eine Erscheinung, deren Deutung derzeit noch ver­ schiedene Erklärungen zuläßt. In jung- und spätneolithischen Seeufersiedlungen der Schweiz (Cortaillod-, Pfyner, Horgener, Lüscherzer und schnurkeramische Kulturen) kamen in den letzten Jahren mehrere Scheibenräder, z.T. mit zugehöriger Achse, zutage. Nach dem derzeitigen Stand der Verknüpfung von C14- und dendrochronologischen Daten könnten die frühe­ sten Beispiele der Zeit zwischen 3000 und 2800 v.Chr. angehören. Es handelt sich um zwei Typen, beide für Rota­ tionsachsen: als typologisch ältere Form Scheibenräder aus Ahorn, die zum viereckigen Achsloch hin verdickt sind, mit Durchmessern um 52 und 55 cm (Zürich, Akad 1979 und Seehofstraße), als typologisch jüngere Form aus zwei oder drei Brettern zusammengesetzte Scheibenräder, eben­ falls aus Ahorn, deren Seiten (bzw. das mittlere Brett) Aus­ nehmungen für ein quadratisches Achsloch besitzen und 32

23 Deichsel, Joch und Lenkung Die einfachste Form des Karrens, die direkt aus der Yförmigen „Schleife” als Vorstufe von Schlitten und Wagen abzuleiten ist, verwendet eine solche Y-förmige einteilige Astgabel als Deichsel, Unterlage für eine verbreiterte Lade­ fläche und Auflage auf die rotierende Achse. Ähnlich ist es beim Karren mit T-förmigem Fahrgestell und dem A-förmigen, zusammengesetzten Fahrgestell mit Querstrebe(n): immer ist die Deichsel nicht mit der Achse, sondern mit Fahrgestell bzw. Kasten identisch bzw. starr verbunden. Beim Wagen begegnete man dem Nachteil der nicht lenk­ baren Vorderachse dadurch, daß der Radstand kurz gewählt wurde und der Wagen so fast „auf der Stelle” gedreht werden konnte. So gibt es am Ende des 3. Jahrtau­ sends aus der Peceler Kultur Ungarns, einer Spätphase der neolithischen Badener Kultur, vierkantige Tonbecher in Gestalt eines Wagens mit dicht beieinander liegender Vorder- und Hinterachse und einem bandförmigen (z.T. abgebrochenen) Griff. Die Räder sind Scheibenräder, die Naben plastisch ausgearbeitet. Die Ecken des Kastens sind zipflig erhöht, die Seitenwände tragen eingeritzten Zick­ zackdekor, auf der Unterseite deuten Ritzlinien einen Bret­ terboden in viereckigem Rahmen an. Auch wenn es sich hier um Becher in symbolischer Wagen­ form, nicht um eigentliche Modelle handelt, setzen sie doch die Existenz entsprechender Wagen voraus. Die Bei­ setzung von Bovidenpaaren in Gräbern, die noch Platz für

nicht erhaltene (völlig aus Holz bestehende) Wagen boten, könnte dafür ein zusätzliches Argument liefern. Die ersten Wagen wurden von Rindern gezogen, erst später übertrug man das hierfür entwickelte Doppeljoch auf Pferde — zuerst bei vorderasiatischen Streitwagen. Aus der Schweiz ist ein komplettes 1,42 m breites Rinderjoch aus Ahorn bekannt (neolithische Siedlung Vinelz) sowie ein Fragment aus der neolithischen Siedlung Egolzwil 4, das die Merkmale eines Stirnjochs aufweist. Die gebogenen Enden sind wohl schon eine Weiterentwicklung aus dem geraden Querholz, das z.T. seitliche Jochgabeln zur besse­ ren Führung des Jochs wie der Tiere besaß. Die neue Form ermöglicht eine bessere Nackenauflage. Ähnliche Joche gibt es aus mesopotamischen Wagengräbern der Mitte des 3. Jahrtausends. Die Führung der Rinder geschah durch eine Begleitperson, durch Gewöhnung und Zuruf, über den Nasenring und eine durch die Nasenlöcher gezogene oder an den Hörnern angebundene Zügelleine. Die Verbindung des Jochs mit der Deichsel erfolgte wohl durch Stricke. Wagenbecher; H 8,5 cm (Neolithikum) Budakaläsz, Kom. Pest, Ungarn (Nachbildung Privatbesitz; Ori­ ginal im Ungarischen Nationalmuseum Budapest)

che Seite bald nach oben, bald nach unten —, so daß keine ebene Fahrbahn entstand (Höhenunterschiede bis 21 cm). Als Lager dienten Kerben an den Stammenden, aber eben­ falls nicht bei allen Stämmen. Auch in der benachbarten Schweiz ist die älteste Wege­ struktur noch weitgehend unbekannt. Die Seeufersiedlun­ gen waren jedenfalls durch Bohlenwege mit dem Festland verbunden. So fand man in der Siedlung Lüscherz auf 70 m Pfahlreihen als Stabilisierung des auf dem Torf verlegten etwa 2 m breiten Bohlenweges. Hallstattzeitliche und spätlatenezeitliche Knüppelwege fand man bei der seit 1982 durchgeführten Ausgrabung einer römischen Sumpfbrücke im Wellheimer Trockental unter der römischen Anlage — ein Beispiel von vielen für die Kontinuität alter Verkehrswege. Ebenfalls römisch werden die längeren Prügelwege datiert, die schon vor über 60 Jahren von Eschenlohe ausgehend am südwestlichen und südöstlichen Rand des Murnauer Mooses festgestellt wurden. Bohlen eines urnenfelderzeitlichen Prügelweges Rottauer Filze, Ldkr. Traunstein

25 Die ältesten Wege NordWestdeutschlands 24 Die ältesten Wege nördlich der Alpen Wagen brauchen Wege: Spuren der ältesten Wege haben sich aber nur in Mooren gehalten. Wenn solche unwegsa­ men Feuchtgebiete nicht umgangen werden konnten, wur­ den sie mit Hilfe von Bohlenwegen, Pfahldämmen oder Sumpfbrücken überwunden. Reste solcher Wege sind auch in Bayern festgestellt wor­ den, vor allem im Umkreis des Chiemsees, aber auch am Murnauer Moos. Bereits 1853 hat der Grabenstätter Pfarrer M.A. Vogel einen Bohlenweg im Sossauer Filz östlich Übersee entdeckt, von dem 1910 weitere Teilstücke unter­ sucht wurden. Spätbronzezeitliche (= urnenfelderzeitli­ che) Prügelwege wurden im Agathazeller Moor bei Immenstadt und in den Rottauer Filzen östlich Bernau untersucht. Letzterer besteht aus Querschwellen und seitli­ chen gestückelten Rundholzzügen (durchschnittliche Länge 7,40 m, Durchmesser 5—7 cm) aus Birke, Tanne, Fichte und Kiefer. Als Laufhölzer dienten Halbhölzer (Erle), Bohlen (Erle) und Rundhölzer (Tanne, Fichte), deren Länge meist um 2,40 m lag (von 2 bis 3,30 m). Die Verlegung erfolgte wahllos — bei den Halbhölzern die fla­

Die ältesten Fahrwege in nordwestdeutschen Mooren stammen aus dem 3. Jahrtausend v.Chr., so z.B. ein über mehr als 2 km nachgewiesener Bohlenweg zwischen Evers­ meer, Ldkr. Wittmund, und Tannenhausen, Ldkr. Aurich. Insgesamt sind dort mittlerweile fast 20 datierbare vor- und frühgeschichtliche Fahrwege bekannt, wobei die ungleich­ mäßige Verteilung auf einzelne Perioden mit der Lage und schwierigen Erkennbarkeit zusammenhängt (neolithische und bronzezeitliche Wege liegen sehr tief, von mittelalterli­ chen Wegen hat sich der Torf kaum einmal erhalten). Die Breite der ergrabenen Wege beweist zusammen mit den Funden von Wagenteilen die gleichzeitige Nutzung durch Radfahrzeuge. Die Fahrwege des 3. Jahrtausends haben bis zu 4 m breite Fahrbahnen aus querliegenden schweren Erlenpfählen, deren Enden mit dem Steinbeil bearbeitet waren, aus mittlings gespaltenen Pfählen oder (seltener) aus mehrfach gespaltenen Bohlen. Die bronzezeitlichen Wege sind mit 2,4—2,5 m wesentlich schmaler, was als Indiz für nunmehr lenkbare Wagen zu deuten ist. Ein frühbronzezeitlicher Weg bevorzugt Pfähle auf lückenlos verlegten Längshölzern, ein jüngerbronze­ 33

zeitlicher Weg bei Varel bestand aus bis zu 55 cm breiten Eichenbohlen, die auf zwei Reihen durch senkrechte Pfähle fixierter Längshölzer so sorgfältig verlegt waren, daß sich eine völlig ebene Fahrbahn ergab. Mit den Metallwerkzeugen konnte Eichenholz leichter bearbeitet und in Bohlen gespalten werden, so daß mit der gleichen Holzmenge eine größere Fläche belegt werden konnte. So sind die ältereisenzeitlichen Moorstraßen meist aus Eiche. Hier wurden die Längshölzer durch senkrecht stehende Lochbohlen fixiert, so daß die Fahrbahn auch bei feuchtigkeitsbedingten Schwankungen der Mooroberfläche benutzbar blieb. Aufgelegte Längshölzer konnten als Klammern für zusätzliche Fixierung dienen. Auf den Boh­ len konnten gelegentlich Deckschichten aus Heidesoden beobachtet werden. In der jüngeren Eisenzeit wurde das Bauverfahren verein­ facht, die Bohlenenden waren gelocht und durch Pflöcke fixiert, als Unterbau dienten drei bis vier Reihen Längshöl­ zer (Kiefern oder Birken). In der römischen Kaiserzeit erscheinen dann erstmals Dammbauten und Seitengräben.

26 Der urnenfelderzeitliche Wagen von Hart an der Alz Im Jahr 1953 wurde in einer durch den Pflug gestörten Brandbestattung eines Flach- oder Hügelgrabes mit recht­ eckig eingetiefter Grabkammer Teile eines vierrädrigen

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Wagens gefunden. Das Grab ist in eine Frühphase der Zeit­ stufe Hallstatt A, d.h. in das späte 12. oder frühe 11. Jahr­ hundert v.Chr. zu datieren. Der einer sozial hervorgehobenen Schicht angehörende, mit Schwert und Bogen kämpfende Reiterkrieger war auf dem Wagen liegend zusammen mit seiner Ausrüstung ver­ brannt worden (an den Wagenteilen sind zahlreiche kalzi­ nierte Knochen anpatiniert), anschließend hatte man die verschmolzenen Metallteile und den Leichenbrand gesam­ melt und zusammen mit unverbrannten Beigaben (darun­ ter Bronzegefäße als Weinservice) beigesetzt. Für eine gesicherte Rekonstruktion des Wagens reichen die erhaltenen Metallteile nicht aus. Immerhin läßt sich einiges aussagen. Die vier Räder hatten je vier ovale Speichen mit bronzenen Endbeschlägen. Die doppelkonischen Naben waren etwa 25 cm lang (Enddurchmesser etwa 10 cm). Als Felgendurchmesser sind etwa 75 cm anzusetzen. Die Räder wurden ursprünglich mit relativ kurzen Spei­ chen und einer hohen Felge rekonstruiert; aufgrund von ähnlichen Rädern aus Abos (Slowakei) und Arokalya (Rumänien) kann man aber auch längere Speichen und eine niedrigere Felge annehmen. Ähnliche Details begegnen auch an etwas jüngeren gegossenen Kultwagenrädern im Rhone- und Rheingebiet (mit einem nördlichsten Ausläu­ fer in Stade). Der Wagenkasten war, wie ein Tülleneckstück zeigt, recht­ eckig. Die beiden unteren äußeren Längsbalken, an deren einem Ende je ein Eckstück saß, hatten rechteckigen Quer­

schnitt mit abgerundeten Ecken (Seitenlänge 5,5 cm). Am anderen Ende saß jeweils ein Hornbeschlag, dessen Abschluß unsicher ist (nach Analogien vielleicht ein Auf­ satz mit profiliertem Kugelkopf, möglicherweise aber auch eine Vogelprotome). Die eingezapften senkrechten Stangen des Wagengeländers waren rundstabig (Dm 4 cm), ebenso die Querstreben des Bodens (Dm 5 cm, Zapfen 4,3 cm). Falls die Längsstangen des Geländers ebenfalls rundstabig waren (Dm 5 cm), könnten an den gekreuzten Enden Kap­ pen mit Vogelprotomen gesessen haben.

r>

Erhaltene Einzelteile des Wagens aus Bronze, z.T. nur Reste 11 Radteile: 3 Achskappen mit je 2 Löchern zum Durchstecken des Achsna­ gels und breiter Krempe zum Halt der Radnabe 3 Achsnägel mit seitlicher Öse Zahlreiche Beschläge der (doppel)konischen Radnaben mit Profi­ lierungen und Aussparungen für je 4 Speichen sowie 4 Befesti­ gungsnägel; B 18 cm Zahlreiche ähnliche Beschläge von der Innenseite der Radnaben; B 6,3 und 5 cm

4 gewölbte Scheiben mit konzentrischen Rippen, durch deren Mittelloch ein Nagel gesteckt war; Dm 4,8—6,4 cm 7 Speichenschuhe für ovale Speichen; L 9,6 cm

Achskappe eines kleineren Rades (?); Dm 5 cm

12 Vermutlich vom Wagenkasten stammen: 2 Fragmente von Hörnern mit oben und unten ausgeschnittener, im Querschnitt quadratischer Tülle; L noch 16 und 12 cm

Verbindungsstück mit quadratischer Tülle und 3 rechtwinklig dazu abgehenden runden Stutzen (zwei durchgehend, einer einsei­ tig); L noch 24 cm

2 profilierte Röhren als Verbindungsstücke; L 5,7 und 7,2 cm. Die Enden sind nach dem Guß nicht überarbeitet, die durch die Röh­ ren verbundenen Hölzer waren also in diese eingezapft und hat­ ten den gleichen Durchmesser wie die Profilgrate. 9 Rundstäbe mit breitgeschlagener Oberseite, tordiertem Mittel­ teil und aufgeschobener konischer Manschette; L 9 cm

Zahlreiche Fragmente von längeren ähnlichen Stäben mit koni­ schen Manschetten Profilierte Röhre als Verbindungsstück der Stäbe; L 1,9 cm

7—8 profilierte Kappen mit Vogelprotomen; Dm 4, L 8,3 cm

1 glattwandige Kappe; L 5,8 cm

4 Vogelfigürchen nach rechts mit Befestigungsdorn; L 2,9 cm 3 Vogelfigürchen nach links mit Befestigungsdorn; L 2,9 cm

13 rhombische Stufenkegel mit Befestigungsdorn; L 1,8 cm Mehrere Fragmente von seitlich gezähnten Blechstreifen

1 Nagel mit halbrundem Kopf; L 1,8 cm.

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13

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27 Hallstattzeitliche Wagen Der neue Werkstoff Eisen bringt in der älteren Eisenzeit auch dem Wagenbau große Fortschritte und Möglichkeiten — für jeden Zeitgenossen besonders deutlich hör- und sichtbar an den Eisenreifen der Räder. Sie sind 2,5 bis 4 cm breit, bis 5 mm stark und umgreifen die Felge seitlich. Der Durchmesser liegt bei 80 bis 90 cm (maximal 110 cm). Bei den Felgen gibt es verschiedene Ausführungen: einteilig gebogen und durch eine von innen aufgesetzte Muffe gesi­ chert („Felgenschloß”) oder mehrteilig mit unterschiedlich gestalteten Verbindungsstücken der Segmente und Reifen. Hier haben auch die dichtgesetzten Befestigungsnägel der Eisenreifen eine zusätzliche Funktion. Die Speichenzahl schwankt zwischen 6 und 10. Die Spei­ chen verjüngen sich zur Felge hin und sind mit Zapfen in Nabe und Felge eingelassen. Die Nabe war daher in der Mitte verdickt. Sie entwickelt sich im Lauf der Hallstattzeit von der Walzenform der Urnenfelderzeit zu schwereren Ausführungen: zunächst mit scharf abgesetzten End- und Mittelstücken, dann mit trichterförmiger Erweiterung. Das Ziel war offensichtlich, die Tragfähigkeit, nicht die Geschwindigkeit zu erhöhen: es handelt sich nicht um Streitwagen, sondern um vierrädrige Transportwagen. Diese Wagen bzw. ihre Teile stammen sämtlich aus Grab­

funden einer sozial hervorgehobenen Schicht. Im 8. und 7. Jahrhundert ist die Sitte der Wagenbeigabe in Europa weit verbreitet — von Etrurien bis nach Böhmen —, ohne daß deshalb überall einheitliche Vorstellungen hinter dieser Ausstattung der Toten anzunehmen wären. Mit den Wagen kam oft auch Jochzubehör, Pferdegeschirr und/ oder Zaumzeug ins Grab, zuweilen aber auch nur das eine oder andere als pars pro toto. Vom Aufbau des Wagens sind meist nur relativ schmale Beschläge erhalten, so daß man ihn als Kasten mit niedri­ gen Seitenwänden rekonstruiert. Das derzeit spektakulär­ ste Beispiel ist der mit Deichsel rund 4,50 m lange eisenbe­ schlagene Wagen aus dem Fürstengrab von Hochdorf bei Ludwigsburg. Er hat eine Fülle von Erkenntnissen gelie­ fert. So sind die Felgen der Vorderräder aus Esche, die der Hinterräder aus Ulme, die Speichen aus Ahorn und Ulme, die Naben und der Kasten aus Ulmenholz. Die Naben bestehen aus gedrechselten Einzelteilen, die miteinander verdübelt sind. Aber auch hier bleiben Fragen offen, etwa nach der Lenkbarkeit: wie in den meisten Fällen sind die Vorder- und Hinterräder gleich groß — auf den ersten Blick ein Indiz gegen die Lenkbarkeit. Auch auf der einzi­ gen zeitgenössischen bayerischen Darstellung eines vierräd­ rigen Wagens mit Joch, Deichsel und gespreizter Vorderund Hintergabel sind die Räder gleich groß eingeritzt.

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Wagenteile aus Grab 1 von Großeibstadt, Ldkr. Rhön-Grabfeld (1965, 1243-1245)

Radreifen und Nabenbeschläge (Fragmente) aus weiteren Grab­ funden:

Reste von 4 eisernen Radreifen, in deren Fuge jeweils rund 32 etwa 1 cm breite und 8 cm lange spindelförmige Nägel als Laufflä­ che sitzen; Dm um 83 cm

Weinsfeld, Ldkr. Roth (1977, 1294) Görau, Ldkr. Lichtenfels (A 1040—1043) Beilngries, Ldkr. Eichstätt (1920, 1052) Grab 47 Beilngries, Ldkr. Eichstätt (1920, 1053) Grab 74 Uffing, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (A 1202—1209)

Pro Rad 2 zylindrische eiserne Nabenhalsbleche, je 2 Nabenringe außen und innen aus Bronze- bzw. Eisenblech (Dm 12—12,5 cm) und 2 eiserne Endbeschläge (Dm 9,4 cm), ein Felgenschloß und 6—8 T-förmige Verbindungsstücke der 6—8 Felgenteile.

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Gefäß mit Wagendarstellung; H 30,2 cm Schirndorf, Ldkr. Regensburg (1976, 402)

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28 Der rekonstruierte Hallstattwagen Der in der Ausstellung gezeigte Nachbau eines Hallstattwa17 gens von Großeibstadt folgt weitgehend der Interpretation der Ausgrabungsbefunde des Wagens aus Grab 1 von Groß­ eibstadt (Ldkr. Rhön-Grabfeld) durch G. Kossack und sei­ nen Rekonstruktionen. Allerdings lassen sich lediglich zu den Rädern dieses Wagens verhältnismäßig sichere Aussagen machen. Das Wagengestell dagegen, nämlich Fahrgestell und Aufbau, bleibt wegen des Fehlens jedwelcher dazugehö­ riger Metallobjekte und nicht zuletzt auch deswegen, weil sämtliche hölzerne Teile vollständig vergangen sind, ganz unbestimmt. Rückschlüsse sind lediglich aus dem Abstand der in situ angetroffenen Metallteile der Räder zueinander möglich, die einen Wagenkasten von rund 1,70 m Länge und 0,85 m Breite, einen Achsstand von 1,50 m und eine lichte Spurweite von 1,16 m erschließen lassen. Die Höhe des Wagenkastens ist nach dem Beispiel der Wagenkastenbeschläge von Hochdorf bei Ludwigsburg mit 8,5 cm übernommen. Die Dicke der Wagenkastenwände von rund 6 cm hält sich ebenfalls an das Hochdorfer Maß. Eine Verzapfung der Ecken des Wagenkastens, die aus Stabi­ litätsgründen unumgänglich ist, konnte in Hochdorf nach­ gewiesen werden. Bei unserer Rekonstruktion wurde hier­ für deren einfachste Form, die „Fingerzinken”, verwendet. Während in Hochdorf der Boden des Wagenkastens aus dün­ nen Eschenstangen bestand, die „wohl untereinander ver­ flochten waren”, haben wir hier stabilere Rundhölzer ver­ wendet (ohne einen Hinweis darauf zu haben).

Für das Fahrgestell des Wagens wurde eine Langfuhr mit 18 gabelförmigen Enden nach dem Beispiel der Wagendarstel­ lung auf dem „Bronzesofa” von Hochdorf konstruiert. Diese Lösung läßt auch die Wagendarstellung aus Val Camonica (Italien) erkennen oder der Wagen von Dejbjerg (Dänemark). Entsprechend sind wohl auch die schemati­ sierten Wagengestelle des „Kultwagens” von Acholshausen (Saal 3, Vitrine 5 der ständigen Ausstellung) und der Wagendarstellung auf einem Kegelhalsgefäß von Schirndorf zu interpretieren. Das Problem der Lenkbarkeit der hallstattzeitlichen, immer vierräderigen Wagen bewegt die Forschung heute noch. Wir haben uns für eine drehbare Vorderachse mit Drehschemel und hölzernem Drehstift entschieden, ohne Beweise dafür zu haben. Lediglich die technischen Fähig­ keiten der hallstattzeitlichen Handwerker, die Drehbänke besaßen zur Herstellung von Bronze- und Holzgefäßen (vgl. die betreffenden Objekte in den Vitrinen 1 und 9 von Saal 4 der ständigen Ausstellung) geben Anlaß zur Vermu­ tung, daß der während der Hallstattzeit seit mehr als 2000 Jahren in Mitteleuropa verwendete Wagen nun lenkbar war. Bei den Rädern des Wagens von Großeibstadt wurde Kos­ sacks Rekonstruktion mit 16 Speichen übernommen. Wegen dieser hohen Speichenzahl (in Hochdorf lediglich 10 Speichen!), die auf Holzspuren auf der Innenseite der eisernen Radreifen beruht, ließ sich die aus zwei Schichten bestehende Felge nicht nach Kossacks Rekonstruktion erbauen. Anstelle eines durchgehenden (inneren) Felgen­ spans, der den (äußeren) durch T-Klammern gesicherten Felgenbrettern unterlegt war, mußte eine Konstruktion aus zwei Felgenspanhälften erfolgen. Weiterhin mußte aus Stabilitätsgründen bei der Nabe das Nabenzentrum gegen­ über Kossacks Rekonstruktion verstärkt werden. Im Gegensatz zu dem in der Form nicht bekannten Nabenzen­ trum sind Nabenhals und Nabenkopf durch die im Ver­ band geborgenen Beschläge aus Eisen und Bronze in ihrem Aussehen gesichert. Aus der Krümmung der eisernen Radreifenfragmente ergibt sich ein Felgendurchmesser von ca. 0,83 m. Alle Holzteile wurden aus Eschenholz gefertigt. Technische Daten des rekonstruierten Hallstattwagens: Länge des Wagenkastens Breite des Wagenkastens Radstand Lichte Spurweite Nabenlänge Radhöhe ca.

1,70 0,85 1,50 1,16 0,33 0,85

m m m m m m

Hans-Peter Uenze

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29 Hallstattzeitliche Pferde: Trensen und Geschirr Pferdebespannung setzt Trensenzügelung voraus, der Gebrauch der Trense bedeutet Zähmung des Wildpferdes: Nachweis der Trense = Nachweis des domestizierten Pfer­ des. Das Zwangsmittel bändigt den Willen des Pferdes und kontrolliert seine Bewegung wirkungsvoll durch Einwir­ kung auf die sensiblen zahnlosen Unterkieferränder. Belege für die Domestikation des Pferdes gibt es in der neoli­ thisch-kupferzeitlichen Kurgankultur der Ukraine: exten­

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sive Weidewirtschaft in der Steppe zwischen Dnjepr und Don führte zu Zähmung und Nutzung des Pferdes als Reit­ tier. Eindeutige Trensen dieser Zeit sind nicht bekannt. Seit der Frühbronzezeit kommt das domestizierte Pferd auch in Mitteleuropa vor. Die ältesten Trensen bestehen aus Geweih und sind durch Platten- und Scheibenknebel in den Steppen zwischen Don, Wolga und Ural einerseits und durch Stangenknebel im mitteldanubischen Raum des Kar­ patenbeckens andererseits charakterisiert. In Bayern sind Bronzetrensen seit der älteren Urnenfelder­ zeit belegt — etwa im Depotfund von Niedernberg in

Unterfranken mit durchgehender Gebißstange. Der Über­ gang von der Urnenfelder- zur Hallstattzeit brachte einen bedeutenden Fortschritt: die Einführung der zweiteiligen Gebißstange und eine neuartige Verbindung an verbesser­ ten Stangenknebeln durch Steckzwingen. Die Breite der Gebißfreiheit erhöhte sich von 7—8 cm auf 8—10 cm, ein Zeichen dafür, daß nun auch größere Pferde zur Verfügung standen.

Die Pferde zogen wie in der Urnenfelderzeit unter dem Joch, wie in dieser Tradition stehende durchbrochene „Jochschnallen ” vom Bauchgurt und andere Beschläge zei­ gen. Neuerdings hat das Fürstengrab von Hochdorf bei Ludwigsburg ein solches geschnitztes Doppeljoch aus Ahornholz sowie die zugehörigen 24 cm breiten Leder­ gurte geliefert.

Tonfigur eines Reiters; L 8,7 cm (Hallstattzeit) Speikern, Ldkr. Nürnberger Land (Nachbildung; 1964, 965) Schirrungs- und Zaumzeugteile von Beratzhausen, Ldkr. Regens­ burg (1894, 170) 2 Eisentrensen; L 14,5 cm 1 Knochenknebel; L 6,9 cm 3 Eisenknebel; L 13,7 cm 6 längliche Bronzeschieber; L 4,8—6 cm 4 Bronzeringe; Dm 3,6 cm 14 Bronzetutuli; B 5 cm Schirrungs- und Zaumzeugteile von Gernlinden, Ldkr. Fürsten­ feldbruck (1928, 231-140) 10 durchbrochene Bronzeplatten; B 6 cm 2 Eisentrensen; B 20,5 cm 2 Bronzeblechphaleren; Dm 8,5 cm 2 Bronzeringe; Dm 3,5 und 4 cm 2 Bronzeanhänger 4 Ringfußknöpfe aus Bronze; Dm 2,2 cm

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Schirrungsteile aus Grab 1 von Großeibstadt, Ldkr. Rhön-Grab­ feld (1965, 1236) 19 6 gußgleiche durchbrochene Bronzeplatten; 6,2 zu 5,3 cm 4 Bronzeringe der Jochbefestigung; Dm 3,4 cm 2 ovale Bronzeringe; Dm 3,5—3,8 cm 2 Bronzeaufsätze; L 9,1 und 9,5 cm Zahlreiche Bronzeblechzwingen und -knöpfe

Zaumzeug aus Grab 1 von Großeibstadt, Ldkr. Rhön-Grabfeld (1965, 1236) 2 Bronzetrensen mit Zügelringen und Omegaklammern; L 19,7 cm 8 Ringfußknöpfe aus Bronze; Dm 1,4 cm 4 Bronzeringe; Dm 1,5 cm 2 Anhänger aus Bronze 8 zylindrische Bronzeschieber; Dm 0,7 cm Zahlreiche Bronzeringlein

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Schirrungs- und Zaumzeugteile von Schöngeising, Ldkr. Fürsten- 20 feldbruck (1893, 7) 2 Eisentrensen; B 13,5 cm 8 bronzene Riemenkreuze; B 3,2 cm 10 Bronzezwingen 4 Bronzeringe; Dm 1,9—3,3 cm Schirrungsteile von Pullach, Ldkr. München (A 580—583) Bronzene Jochgurtschnalle mit 3 durchbrochenen Beschlägen samt anhaftenden Lederriemenresten

Schirrungs- und Zaumzeugteile aus Grab 74 von Beilngries, Ldkr. Eichstätt (1920, 1053) 8 gußgleiche durchbrochene Bronzeplatten; 6 zu 5,8 cm 8 Bronzeringe; Dm 5,2 cm 2 ovale Bronzeringe; Dm 4,8—6 cm 10 Bronzetutuli; Dm 3,8 cm Mehrere Bronzeblechzwingen und -knöpfe 2 Eisentrensen; L 21,4 cm 4 bronzene Stangenknebel; L 13,2—13,8 cm 6 längliche Bronzeschieber; L 6—7,2 cm 21 Schirrungs- und Zaumzeugteile von Lengenfeld, Ldkr. Neumarkt (1895, 185) 2 Bronzetrensen; L 13,5 cm 4 Bronzeknebel; L 13,5 cm 2 Bronzeblechphaleren; Dm 11,8 und 12,8 cm 4 bronzene Jochgurtschnallen; L 3 cm 2 bronzene Radanhänger; Dm 4,4 cm

30 Keltische Wagen von Manching In Gräbern der Frühlatenezeit gibt es zweirädrige Kampf­ wagen und vierrädrige Wagen. Beide sind in Bayern bisher nicht durch Funde nachzuweisen. Erst unter den Eisenfun­ den der spätkeltischen Oppida (und hier insbesondere des am besten untersuchten Manching bei Ingolstadt) finden sich auch zahlreiche Wagenteile. Allerdings sind es Einzel­ funde, die keine komplette Rekonstruktion erlauben und auch nicht mit Bestimmtheit alle zwei- oder vierrädrigen Wagen zuzuweisen sind. Sie werden daher hier summarisch zusammengestellt. Man sollte dabei im Auge behalten, daß durch günstige Fundbedingungen andernorts gleichzeitige Scheibenräder einerseits und rollengelagerte (!) Naben andererseits erhalten geblieben sind. Von Speichenrädern stammen Nabenringe mit Durchmes­ sern von 7—11 cm und Achsnägel von 10—15 cm Länge, die den Sitz des Rades auf der Achse sichern, Felgenklam­ mern,die als Manschetten einteilige oder mehrteilige gebo­ gene Felgen zusammenhielten, und Radreifen als Verstär­ kung der Felgen. Die Achsnägel lassen sich nach der Kopfform in mehrere Gruppen unterteilen: halbmondförmig, halbmondförmig gebogen oder brillenförmig, viereckig oder vogelköpfig. Die Köpfe sind gelocht, in den Löchern saßen kleine Ringe, durch die Lederriemen zum Anbinden der Nägel geführt waren. Die 12 cm hohen und 7—8 cm breiten Felgen müssen von großen, schweren Rädern und entsprechend schweren Wagen stammen. Die Radreifen lassen sich nach Quer­ schnitt und Breite (1 cm, etwa 1,5 cm und 3 cm) in Grup­

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pen gliedern, die Durchmesser liegen zwischen 80 und 90 cm. Unter dem einzigen komplett erhaltenen, leicht verbogenen Reifen wurden weitere Eisenteile und zwei Achsnägel mit Eulen- oder Raubvogelköpfen gefunden — vielleicht Teile eines zweirädrigen Wagens. 43

Radteile von Manching: Geschlossene bandförmige Nabenringe Dm 7 cm (1956, 653) Dm 8,5—10,6 cm (1956, 515) Dm 11 cm (1958, 338)

Achsnägel mit Halbmondkopf 6 Exemplare (1956, 413; 1961, 1358; 1963, 1247.1257.1267) Achsnagel mit gebogenem Halbmondkopf (1963, 1266) Achsnagel mit Brillenkopf (1963, 1266)

Achsnagel mit viereckiger Platte (1963, 1266) *S.52 2 Achsnägel mit Eulenköpfen (1967, 748) 2 Felgenschlösser (1956, 475.717)

Radreifen; Dm 81,5 cm (1967, 726) 3 Deichselbeschläge; L 38—39 cm (1963, 1257)

31 Keltische Joche und Trensen Im Oppidum von Kelheim wurde ein 94 cm breites Joch aus Rosaceenholz gefunden. Es war mit Leder überzogen und dicht an dicht mit Buckelnägeln beschlagen, in der Mitte dienten zwei verzierte Blechstreifen der Befestigung der Lederriemen, an den Enden konnten die Riemen in Bronzescheiben eingehängt werden. Von anders konstruierten, massiveren Jochen stammen vier Zügelführungsringe und ein Mittelring von Manching, jeweils mit mitgegossenen Ösen auf der Unterseite zur Befestigung der Riemen an den durch das Joch gesteckten Aufsätzen. Ganz singulär ist ein figürlich gestalteter Zügel­ 44

ring mit einem unteren Ring aus Entenköpfen und einem um 90 Grad versetzten oberen Führungshaken mit antithe­ tischen Stierköpfen. Die Zwangsführung der Zügel durch ein entsprechend gestaltetes Joch ist nördlich der Alpen seit der späten Hallstattzeit und Frühlatenezeit zu belegen; zuvor gingen die Zügel ohne eine solche Führung von den Trensen zum Wagenlenker. Unter den Trensen dominieren die Ringtrensen, darunter eine mit einteiligem Mundstück, alle anderen mit unter­ schiedlich gestalteten zweiteiligen Gebißstücken. Die Gebißbreite von 9—10 cm paßt gut zu den in Manching nachgewiesenen kleinwüchsigen Pferden. Seltener sind omegaförmige Seitenteile von Hebelstangen­ gebissen (Kandaren), einer in Italien und um das Mittel­ meer gebräuchlichen Trensenform für Reitpferde. Der bis­ her nördlichste Fundpunkt liegt am Fuße des Schwanbergs in Unterfranken. Nur mit einem einzelnen Trensenknebel ist schließlich die aus dem skythischen Schwarzmeergebiet stammende Knebeltrense belegt, und ebenso exotisch muten zwei Stachelringe an, die, an italischen Kappzäumen mit den Stacheln nach oben angebracht, sich von unten in das Kinn des Pferdes bohrten. Dürftig sind auch die dem Zaumzeug zuweisbaren Funde: nur einige kleine und eine einzige größere Bronzephalere, die jeweils die Riemenkreuzungen verdeckt haben dürften. Die wichtige Rolle des Pferdes im Leben der Kelten doku­ mentiert schließlich ein als Standartenteil gedeuteter eiser­ ner Pferdekopf. Joch mit Bronzebeschlägen; B 94 cm Kelheim, Ldkr. Kelheim (1976, 383)

23

Jochteile und Trensen von Manching, Ldkr. Pfaffenhofen 22 Figürlicher Zügelring; H 9,2 cm (1958, 233) 5 Ringe von einem Joch (Nachbildungen; 1961, 839)

2 kleine Zügelringe; H 4,2 und 4,5 cm (1963, 1084.1125) 24 2 große Zügelringe; H 8,2 und 4,8 cm (1962, 405; 1980, 4100)

2 Ringtrensen; L 21 und 25 cm (1956, 530; 1959, 240) 25 2 omegaförmige Trensenseitenteile; L 9,3 und 10,3 cm (1956, 519; 1959, 136)

Trensenknebel; L 9,5 cm (1959, 169)

2 bronzene Stachelringe; L 5,1 und 8,5 cm (1961, 78; 1956, 613) 3 kleine Bronzephaleren; Dm 5—6 cm (1956, 686; 1958, 528; 1967, 510)

Bronzephalere; Dm 14,4 cm (1956, 51) Pferdekopf aus Eisen; L noch 19,5 cm, H Stab noch 34 cm Manching, Ldkr. Pfaffenhofen (1961, 262.288)

32 Der römische Wagen „Den” römischen Wagen gibt es ebensowenig wie „das” neuzeitliche Auto, wenn auch aus teilweise unterschiedli­ chen Gründen. Der Hauptunterschied liegt in der indu­ striellen Massenfertigung neuzeitlicher Motorfahrzeuge, während es im vorgeschichtlichen, römischen und selbst noch beim neuzeitlichen landwirtschaftlichen Fahrzeug­

bau sich um handwerklich gefertigte Einzelstücke handelt. Technisch sind die einen wie die anderen jeweils auf der Höhe ihrer Zeit: die Grundstruktur stimmt weitgehend überein, die Unterschiede ergeben sich hier wie dort aus der Anpassung an die Möglichkeiten des Herstellers wie an die individuellen Bedürfnisse des Bestellers (oder an die ver­ muteten Erwartungen einer Kundengruppe). Als Informationsquellen für römerzeitliche Wagen stehen zur Verfügung literarische Erwähnungen von Wagen, die bestenfalls eine Gattungszuweisung erlauben (2- oder 4-rädrige Wagen, Last- oder Personenwagen, offene oder überdachte Ausführung, u. dgl.), bildliche Darstellungen auf Reliefs, Mosaiken, Fresken und Münzen, welche die Vorstellungen des Literaten verlebendigen, und endlich als wichtigste Quellengattung die originalen Metallbeschläge und Konstruktionsteile der Wagen — im Idealfall in einem thrakischen oder pannonischen Grabhügel noch an der gleichen Stelle erhalten, wie sie einst am hölzernen Wagen saßen, im Normalfall als verlorenes Einzelteil neben einer Römerstraße oder als damals wertvoller Schrott in einem Altmetallhort gefunden. Bei zwei- und vierrädrigen Reisewagen begegnet erstmals eine gefederte Aufhängung des Wagenkastens an seitlich von den Achsen hochgezogenen Trägern — ein Prinzip, das erst über 1000 Jahre später in abgewandelter Form auf­ gegriffen wurde: die Karosserie der ab der Mitte des 15. Jahrhunderts in Ungarn gebauten Kutschen war nicht seit­ lich, sondern um 90° gedreht an den hochgezogenen Längs45

cisium (k) currus

essedum (k)

plaustrum tensa

Offene Kutsche, 1—2 Pferde als Zugtiere Anfangs Kampf-, Triumph- und Rennwa­ gen; vorn geschlossen, hinten offen Ursprünglich keltischer Streitwagen; uni­ verseller Reise- und Lastwagen Schwerer Lastwagen Kultwagen; 4 Pferde als Zugtiere

Vierrädrige Wagen Reisewagen mit reicher Verzierung, be­ quemere überdachte Form der raeda (auch als Schlafwagen: carruca dormitoria') Karren für militärisches Gepäck und Troß carrus (k) petorritum (k) V ierradfahrzeug pilentum Luxuriöser überdachter Reisewagen (ge­ federt?) plaustrum Schwerer Lastwagen; Ochsen, Maultiere, Esel als Zugtiere r(a)eda (k) Offener Reisewagen; 2—4 Pferde als Zugtiere sarracum Langholztransporter carruca (k)

trägem des Fahrgestells aufgehängt. Später ersetzte man die starren Träger oder die Lederriemen durch gebogene Blatt­ federn; ein letztes Rückzugsgebiet hat dieses Aufhängungs­ und Federungsprinzip bis heute noch bei Kinderwagen. Daß es als Zusatzausrüstung bereits in römischer Zeit Borduhren und Kilometerzähler (auf die verschiedenen Breitengrade einstellbare Reise-Sonnenuhren und Meilen­ messer) gab, sei nur am Rande vermerkt.

33 Die Namen römischer Wagen Von antiken Schriftstellern sind zahlreiche Bezeichnungen für römische Wagen überliefert, ohne daß in allen Fällen eine gesicherte Definition oder Identifikation mit bildli­ chen Darstellungen möglich wäre. Die folgende Liste ist somit nur eine ungefähre Übersicht (k = Ursprung kel­ tisch).

Zweirädrige Wagen Kastenwagen für Landwirtschaft Krankentransport birota Leichter offener Reisewagen carpentum Überdachter Last- und Reisewagen

arcera

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und

Sesterz des Tiberius 22/23 n.Chr. mit carpentum (Leihgabe Staatl. Münzsammlung München)

26

Sesterz des Caligula 37/41 n.Chr. für Agrippina mit carpentum (Leihgabe Staatl. Münzsammlung München)

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34 Der rekonstruierte Reisewagen Seit über 100 Jahren beschäftigt man sich mit zeichneri­ schen, modellhaften oder lebensgroßen Rekonstruktionen römischer Reisewagen. Die Ausführungen von Johann Christian Ginzrot aus den Jahren 1817—1830 verdienen dabei allerdings nur historisches Interesse, während Karl Gaul im Jahr 1890 aufgrund pannonischer Wagenfunde vieles bereits richtig sah. Danach haben vor allem E. von Mercklin (1933), A. Alföldi (1935, 1940), A. Radnoti (1940, 1963, 1969), R. Thouvenot (1954), I. Venedikov (1960) und Chr. Röring (1983) die Forschung weitergebracht. Viele Museen zeigen Modelle römischer Reisewagen, häu­ fig nach einem besonders schönen und detaillierten Relief an der Kirche von Maria Saal in Kärnten — teils fahrun­ tüchtig wie im Museo della Civiltä Romana in Rom, teils höchstens in Details fraglich wie im Rhein. Landesmuseum Bonn oder im Deutschen Verkehrsmuseum Nürnberg. In

ungarischen und bulgarischen Museen hat man Original­ funde in der Art einer Rekonstruktion montiert oder danach Wagen in Holz oder Plexiglas nachgebaut — mit unterschiedlicher Plausibilität. Der jüngste und hierzu­ lande bekannteste Nachbau steht seit 1974 im RömischGermanischen Museum Köln; er basiert auf den Beschlä­ gen eines Wagens aus dem Wardartal (Makedonien). Der in unserer Ausstellung gezeigte Wagen vermehrt diese Rekonstruktionen um eine weitere Variante, allerdings ohne den Anspruch, mit den jüngsten Nachbauten zu kon­ kurrieren und „das letzte Wort” in Sachen Reisewagen dar­ zustellen. Er soll lediglich die in der Prähistorischen Staats­ sammlung vorhandenen Wagenbeschläge in ihrer ur­ sprünglichen Funktion zeigen, also als Anschauungshilfe für den Besucher dienen. So wurde z.B. kein Versuch unternommen, die sehr reich­ haltige Giebeldekoration eines solchen Wagens durch Nachbildungen aus anderen Funden darzustellen. Die Leh47

JO Der rekonstruierte römische Reisewagen

48

15 Wasser und Wein: Grabstein eines Weinhändlers von Passau (2. Jh. n.Chr.) ►

nen des Kutschbocks wurden, entsprechend der Grund­ form des einzig zur Verfügung stehenden Straubinger Beschlags, gerade und nicht wie sonst gebogen ausgeführt. Der Aufbau wurde mit einer Plane versehen, da dies die Nutzlast und die Einsatzmöglichkeiten erhöht und der Wagen von Maria Saal eine ähnliche Bauweise zeigt. Gerade hierbei bieten sich im Detail natürlich zahlreiche andere Möglichkeiten an, von der Aufteilung der senkrech­ ten Bahnen bis zu ihrer Befestigung in herabgelassenem und hochgerolltem Zustand. Hypothetisch ist auch die Inneneinrichtung mit 4—6 Sitzplätzen. Als Material wurde aus Haltbarkeitsgründen durchgehend Eichenholz verar­ beitet. Das Bremsen konnte mittels einer durch die Spei­ chen der Hinterräder gesteckten Stange, durch Bremsha­ ken, die in die Speichen eingriffen, oder durch Blockieren der Räder mit Eisenketten bewirkt werden. Technische Daten des rekonstruierten römischen Reisewagens

Maße Länge (ohne Deichsel) Breite (Achsen) Höhe (unbeladen)

326 214 244

cm cm cm

Karosserie Außenbreite 105,5 cm Innenlänge 195 cm 150 cm Innenhöhe Federweg vertikal 9,5 cm Federweg horizontal 10 cm 4-6 Sitzplätze (ohne Kutscher) Fahrgestell Radstand Spur Raddurchmesser vorn hinten Länge der Nabe Zahl der Speichen Bodenfreiheit Wendekreis

150 162 100 110 35 12 45 950

Antrieb Deichsellänge Zugkraft

364,5 cm 2-6 PS

cm cm cm cm cm cm cm

Das Tier steht mit erhobenem Kopf auf drei Füßen, die rechte Vordertatze ist auf ein Füllhorn gestützt. Die ursprünglich geschwungene Standplatte zur Befestigung an einer gerundeten Kutschbocklehne ist sekundär beschnitten zur Anpassung an zwei senkrechte Streben. ►

50

35 Die Verzierung des Reisewagens Für den Aufbau des Reisewagens sind aus den bayerischen Funden wenig konstruktive Anhaltspunkte zu gewinnen. Die eindeutig zuweisbaren Beschläge sind in erster Linie dekorativ. Das Bildprogramm läßt sich dem bacchischen Kultzusammenhang zuweisen: der jugendliche Gott Bac­ chus unter einer Weinranke, das Pantherweibchen als sein Lieblingsbegleittier und Anspielung auf seine thrakische Heimat sowie eine Satyrbürste als Hinweis auf das ausgelas­ sene musizierende und tanzende Gefolge. Die außerbayerischen Fundorte derartiger Zierbeschläge konzentrieren sich naturgemäß auf die Hauptfundgebiete römischer Reisewagen (und Wagenbestattungen): Gallien, Pannonien und Thrakien. Hier begegnen auch Kentauren und Amazonen, Mänaden und Priap, Apoll und Minerva, Herkules und Merkur sowie als Hauptfigurengruppen der Giebelfelder Bacchus zwischen Satyr und Pan oder Venus zwischen weiblichen Figuren. Es gibt liegende, sitzende und stehende Figuren sowie Büsten: offenbar waren die Kompositionen an einem dreieckigen oder gewölbten Giebel oder einer schrägen Konstruktion befestigt, in erster Linie wohl an Vorderund Rückseite, zum Teil auch an den Seiten. Pantherweibchen auf Standplatte; L 10,4 cm (2./3. Jh.) Straubing, Ldkr. Straubing-Bogen (NM 28/3008)

31

36 Die Räder: Naben und Speichen Nabe und Speichen haben die Aufgabe, die Drehbewegung des Rades über die Achsschenkel in eine horizontale Bewe­ gung des Wagens umzusetzen. Zusammen mit der Felge haben sie das Gewicht des Wagens zu tragen und Wegun­ ebenheiten bis zu einem gewissen Grad elastisch abzufe­ dern. Im neuzeitlichen Wagenbau verwendet man für die Naben meist Ulmen- oder Eschenholz, während die Spei­ chen aus Eiche oder Esche und die Felgen aus Esche oder Ulme gefertigt werden. Auch Nußbaum wird verwendet. In Gunzenhausen wurden unmittelbar am Altmühlüber­ gang des Limes zwei Rohlinge für Radnaben aus Eschen­ holz gefunden, die als Halbprodukte wegen offensichtli­ cher Mängel bei der Herstellung (exzentrische Bohrungen, gerissenes Holz) verworfen wurden. Sie sind ungleich dop­ pelkonisch. Dies zeigt ebenso wie die angefangenen Spei­ chenbohrungen, daß die Speichen einen bestimmten Sturz bekommen sollten. Aufgrund der Fundlage ist allerdings römische Zeitstellung nicht zu erweisen.

32 Satyrbüste auf profiliertem hohlen Sockel; H 25 cm (2./3. Jh.) Rott, Ldkr. Landsberg (3386) Uber die hohl gegossene Büste ringeln sich Efeuranken mit run­ den Blüten, die auf dem Kopf einen Kranz bilden. Über der lin­ ken Schulter liegt ein Löwenfell. Durch Brandeinwirkung ist die Oberfläche beschädigt; dadurch wird ein intensives Grinsen sug­ geriert. Auf der Rückseite zeigt eine dreieckige untere Platte mit drei Nagellöchern und eine Zunge mit Nagelloch am Kopf, daß die Büste an einem 22,5 cm hohen Balken saß, der im unteren Bereich 8,5 cm breit war.

*S.33 Bacchus auf profiliertem hohlen Sockel; H 22 cm (2./3. Jh.) Ebersberger Forst, Ldkr. Ebersberg (3038) Der kraftvoll-jugendlich dargestellte Gott ist nackt bis auf halb­ hohe Stiefelchen. Er steht unter einer Weinranke mit Trauben und Blättern. Der hohle Sockel saß einst auf einem 3,5—4,8 cm breiten Holzbalken.

An den dünneren Enden sind 8,3 bzw. 5,9 cm tiefe Bohrun­ gen (Durchmesser 2 bzw. 1—1,5 cm) vorhanden, die nicht nur vom Einspannen in der Werkbank zeugen, sondern bereits Vorstufen für das Aushöhlen darstellen. Bei einem Rohling ist das Holz am schmäleren Ende ausgerissen, im Nabenkörper ist nur eine scharfkantige Speichenöffnung (2,5 x 7 cm) etwa 4,2 cm tief in leichtem Winkel zur Senk­ rechten ausgearbeitet. Der zweite, teilweise ausgebrochene Rohling zeigt kleinere Ausarbeitungen für Speichenenden mit abgerundeten Kanten (2 x 4,5 cm). Sieben solcher durchgehenden Öffnungen sind erhalten, fünf weitere las­ sen sich durch die gerundeten Schmalseitenflächen am Holzkern nachweisen. Der Speichenbereich ist durch zwei eingeritzte Linien im Abstand von 4,5—4,6 cm markiert, die Bohrungen weisen einen Sturz auf. Der Abstand von Bohrung zu Bohrung ist nicht gleich, sondern die Ausneh­ mungen sind paarweise angeordnet mit einem inneren Abstand von 1,6 cm und einem Abstand von 3,6 cm gegen­ einander. Das Rad sollte also entweder 12 schmale Spei­ chen bekommen, oder sechs stärkere Speichen sollten jeweils mit gegabelten Enden in die Nabe eingelassen wer­ den.

Leichten Sturz weist auch ein achtspeichiges Modellrad von Weißenburg mit eingepunzter unleserlicher Inschrift auf, was allerdings auch auf das Herstellungsverfahren zurückgehen kann. 51

30 Keltische Wagen von Manching: Zwei Achsnägel mit Vogelköpfen (1. Jh. v.Chr.)

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35 Die Verzierung des Reisewagens: Bacchus vom Ebersberger Forst (2./3. Jh. n.Chr.) ►

2 Nabenrohlinge (mittelalterlich?); L 47 cm, Dm 15—15,5 und 10,5-11 cm Gunzenhausen, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (E 1973/81) Hälfte eines bronzenen Modellrades; Dm 7,5 cm (2. Jh. n.Chr.) Weißenburg, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (1983, 2933)

37 Der Wagner und sein Werkzeug Der Wagner muß vor allem einen guten Blick für seinen Werkstoff Holz haben, von der Auswahl der Stämme über Trocknen und Lagern bis zum Dämpfen der Biegefelgen. Für sein Handwerk benötigt er nur wenige, auch vom Zimmermann verwendete Werkzeuge. Die Grundausstat­ tung umfaßt den Dechsel zur groben Holzbearbeitung, Löffelbohrer zum Bohren sowie Stemrrteisen und Schlägel zum Ausnehmen von größeren Öffnungen im Holz. Dazu kommen in der besseren Werkstatt noch Sägen und Hobel, Ziehmesser und Raspeln zur Feinarbeit sowie Zirkel und Durchschlag zum Messen und Markieren. Eine Drehbank zur Nabenherstellung ist von Vorteil, doch wurden Naben auch bis ins 20. Jahrhundert ohne dieses Hilfsmittel herge­ stellt. Ein Teil der genannten Werkzeuge fand sich, zusammen mit sechs Zügelführungen (von einem Joch) und einer Bronzedose (Achsschenkelabschluß?) sowie einem abge­ brochenen Kasserollengriff in einem Bronzekessel unweit der Römerstraße von Augsburg nach Neuburg — wohl bei einem Germaneneinfall im 3. Jahrhundert vergraben.

ieren, eine Zuweisung an bestimmte Fahrzeugtypen ist nicht möglich. Die unterschiedlichen Durchmesser können zwar von verschieden großen Naben (und Rädern) stam­ men; da die Naben aber profiliert gedrechselt wurden, kön­ nen auch die größeren Ringe zu beiden Seiten des Speichen­ kranzes und nur die kleineren an den Nabenenden gesessen haben. An den Enden der Nabenöffnung saßen innen als „Futter” geschlitzte Ringe, die vorzeitigem Verschleiß durch Aus­ schlagen der Öffnung an den besonders beanspruchten Enden vorbeugen sollten. Zum leichteren Einschlagen waren sie leicht konisch mit manchmal klingenfein aus­ geschmiedeter Innenseite. Durch die geschlitzte Ausfüh­ rung saßen sie stramm in der Öffnung, als Vorkehrung gegen Lockerung und Verlust waren aber meist von innen zusätzlich Federn herausgetrieben, die den Ring in der Nabe arretierten. Nabenringe

Westheim, Ldkr. Kitzingen (1985, 4500 h); Dm 13,8—15, B 8—8,4 cm Westheim, Ldkr. Kitzingen (1985, 4500 d); Dm 9—9,4 cm, B 4—4,4 cm

Eining, Ldkr. Kelheim (1959,1167); Dm 14—14,5 cm, B 4—4,4 cm Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 260); Dm 15—15,5 cm, B 2,8—3 cm

*S. 56 Immendorf, Ldkr. Aichach-Friedberg (1974, 5364—5376) Bronzekessel mit eisernem Traggestell; Dm 29,1 cm Eisendechsel; L 18 cm 2 Hobeleisen; L 17,8 und 16,5 cm Eisenzirkel, arretierbar; L 33 cm Eisernes Ziehmesser; L noch 18 cm Eisendurchschlag; L 15,8 cm Eisenfragment mit Öse; L noch 17,4 cm Bronzebüchse; Dm 5 cm Kasserollengriff; L noch 14,3 cm 6 Zügelringe: siehe Nr. 47 Kummetbügel: siehe Nr. 49

38 Nabenringe und Büchsen Das Holz der Naben mußte gegen Ausreißen und Beschädi­ gung vor allem an den Enden geschützt werden. Das geschah durch „warm” aufgezogene eiserne Ringe, die nach dem Abkühlen auch ohne Nagelung fest auf der Nabe saßen. Durchmesser und Breite der erhaltenen Stücke vari­

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33

Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 5629); Dm 11,2-12 cm, B 6,7 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 5629); Dm 12 cm (Fragment) München-Denning (1953, 749); Dm 12—14 cm (Fragment)

Nabenbüchsen ohne Federn

Reichsgebietes verkehrten und vielleicht sogar dort gewar­ tet wurden. 3 Radreifen; Dm 109—116,5 cm Westheim, Ldkr. Kitzingen (1985, 4500 a—c)

Westheim, Ldkr. Kitzingen (1985, 4500 e); Dm 10 cm, B 6 cm

Westheim, Ldkr. Kitzingen (1985, 4500 f); Dm 9,5 cm, B 5,6 cm

Nabenbüchsen mit Federn 33 Westheim, Ldkr. Kitzingen (1985, 4500 g); Dm 11 cm, B 4,1—4,4 cm

Germering, Ldkr. Rosenheim (EM 307); Dm 10,5—11 cm, B 5 cm

Künzing, Ldkr. Deggendorf (1967, 2420); Dm 8,2—8,6 cm, B 4,3 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 5629); Dm 9,5 cm, B 4 cm

39 Reifen und Felgen Vom Auto sind wir gewöhnt, den Gummireifen als Fede­ rungselement zu betrachten. Beim Wagenrad waren Felge und Reifen weitgehend starr, wenn auch das Felgenmate­ rial Holz und die eisernen Reifen für sich genommen je­ weils eine geringe Verformbarkeit und Elastizität besaßen. Römische Radreifen haben im allgemeinen Durchmesser zwischen 90 und 110 cm bei einer Breite von 3—4 cm. Bei kompletten Wagenfunden zeigt sich, wie von vornherein aufgrund der größeren Bauhöhe der Vorderachse zu ver­ muten, daß die kleineren Räder an der gelenkten Vorder­ achse saßen. Die Reifen sind in der Regel warm aufgezo­ gen, haben aber gelegentlich auch einzelne Nägel in größe­ ren Abständen zur zusätzlichen Befestigung auf der Felge. Der Querschnitt ist überwiegend D-förmig, die Stärke beträgt maximal etwa 2 cm, ansonsten je nach Abnutzung wesentlich weniger. Die Felgen waren entweder aus einem Stück gebogen oder (häufiger) aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzt. Da nur dünne, in Dampf oder Heißwas­ ser geweichte Hölzer entsprechend (über Schablonen) gebo­ gen werden konnten, mußten mehrere Lagen übereinander­ gelegt, durch den Reifen zusammengehalten und durch ein Felgenschloß von innen zusätzlich gesichert werden. Die drei Radreifen von Westheim, die sehr sorgfältig zusammengeschmiedet sind, haben Durchmesser von 109 cm, 111,5 cm und 116,5 cm. Die zugehörigen (nicht erhal­ tenen) Felgen besaßen Durchmesser von 107 cm, 108,6 cm und 112,5 cm. Sie dürften also nicht von einem, sondern von mehreren Wagen stammen. Zugleich belegen sie die Binsenweisheit, daß römische Wagen auch außerhalb des

40 Raddarstellungen auf Schmuckbroschen Wie in der bronzezeitlichen Frauentracht Radnadeln und in der Urnenfelderzeit Radanhänger aus Bronze beliebt waren, so wurden auch in römischer Zeit Schmuckbro­ schen in Radform getragen. Sie waren durchbrochen gearbeitet und meist mit buntem Emaildekor verziert, der heute oft nur noch in kleinen Resten vorhanden ist. Die Nabe war plastisch hervorgeho­ ben, die Zahl der Speichen betrug in der Regel sechs. Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 1008); Dm 3,7 cm Rothenstein, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (IV 1201); Dm 3,1 cm

34 35

41 Die Achsen: Achsschenkel und Achsnägel Die römischen Wagenachsen waren vierkantig, die beiden Enden (Achsschenkel), auf denen die Räder liefen, rundstabig. Als Beschläge begegnen an den Achsschenkeln Eisen­ ringe (mit einseitiger Fortsetzung), Endkappen und Achs­ nägel als Sicherung der Räder. Ob die Achsschenkel wie neuzeitliche Achsen bereits Sturz und Vorspur aufwiesen, welche der axifugalen Tendenz der Räder entgegen wirken, ist unbekannt. Wahrscheinlich bestand die Achse schon aus mehreren Teilen: der runden, auswechselbaren Achse

37 Der Wagner und sein Werkzeug: Sammelfund von Immendorf (2./3. Jh. n.Chr.) ►

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sowie Achsstock und Schale, die durch Eisenbänder zusam­ mengehalten wurden. Der Achsschenkelbeschlag besteht aus einem schmalen Ring, dessen Befestigungsteil sich über ein Drittel des Umfangs fortsetzt und zwei Nagellöcher von der Befesti­ gung trägt, dazu ein quadratisches Loch als Führung für den Achsnagel. Vor allem in der britischen Literatur wer­ den derartige Beschläge als Deichselbeschläge gedeutet, an denen das Doppeljoch mit Hilfe eines Stiftes befestigt wer­ den konnte. Derartige Beschläge sind aber — wie der Deichselquerschnitt — vierkantig, nicht rund. Die Achsenden waren mit glatten oder verzierten Bronze­ hülsen gegen Beschädigung gesichert. Möglicherweise diente eine in Kellmünz gefundene Medusenmaske mit eisernem Befestigungsstift dem gleichen Zweck. Die römischen Achs- oder Radnägel sind Weiterentwick­ lungen der keltischen Formen. Die älteren Ausführungen haben anker- oder halbmondförmigen Kopf, die jüngeren mehr oder weniger dreieckigen Umriß. Haken und Ösen zur Aufnahme von Ketten, Riemen oder Schnüren sollten dem Verlust durch Herausspringen vorbeugen. Abnut­ zungsspuren auf der Rückseite lassen zuweilen den Naben­ durchmesser bestimmen. Achsschenkelbeschlag; L 12 cm, Dm 6,9 cm, Lochweite 2,5—2,8 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1959, 854)

36 Achsendbeschlag mit Meduse; Dm 7,2 cm Kellmünz, Ldkr. Neu-Ulm (2573)

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Achsnägel Typ 1: Halbmondförmiger Kopf (1.—2. Jahrhundert) a. Mit quadratischer Ösenplatte mit seitlichen Ösen, unteres Ende nach außen aufgebogen: Nordendorf, Ldkr. Augsburg (IV 1888); L 13 cm, Naben-Dm 7,5 cm

ohne seitliche Ösen, unteres Ende nach außen aufgebogen: Oberstimm, Ldkr. Pfaffenhofen (1975, 142); L 12 cm, Naben-Dm 6 cm

mit rückwärtiger Verlängerung: Passau (1986, 5621); L 17 cm

◄ 42 Die Karosserieaufhängung: Hercules von Kiefersfelden (2./3. Jh. n.Chr.)

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Typ 2: Dreieckiger Kopf (3.-4. Jahrhundert) a. Mit Führungsstift Schlitz im Schaft: Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 256); L 13,8 cm, Naben-Dm 7 cm

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ohne Schlitz: Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 256); L 14,8 cm, Naben-Dm 7 cm Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 256); L 13,5 cm b. Ohne Führungsstift Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 895 a); L 14,5 cm, Naben-Dm 6,5 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1959, 1218); L 11 cm, Naben-Dm 6 cm Ruffenhofen, Ldkr. Ansbach (1986, 5642); L 12 cm, Naben-Dm 8 cm Theilenhofen, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (1986, 5643); L 12,2 cm, Naben-Dm 8 cm Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 1176 a); L 15,8 cm, Naben-Dm 8 cm Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 1130 a); L 15,7 cm, 41 Naben-Dm 7,3 cm Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 256); L 13,8 cm, Naben-Dm 7,5 cm Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 305); L 13,8 cm, Naben-Dm 5,2—6,5 cm Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 256); L 12,4 cm, Naben-Dm 6 cm c. Fragmente Grünwald, Ldkr. München (1979, 2986); L noch 6 cm Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 436); L noch 12,7 cm, Naben-Dm 7,5 cm

42 Die Karosserieaufhängung

b. Mit umgebogenem oberen Ösenhaken, untere Öse zusammen­ geschmiedet: 39 Eining, Ldkr. Kelheim (1957, 942); L 13 cm, Naben-Dm 6 cm

c. Ohne erkennbare obere Öse: Pfaffenhofen, Ldkr. Rosenheim (1968, 795); L noch 10 cm Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 916 b); L 14,7 cm, Naben-Dm 6,5 cm Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 1267 a); L 15,2 cm, Naben-Dm 7,5 cm

Der augenfälligste Fortschritt des römischen Reisewagens gegenüber älteren Wagen besteht in der Trennung von Fahrgestell und Aufbau. Die elastische Aufhängung der Karosserie an seitlichen Trägern mit Hilfe von geflochte­ nen Lederriemen oder Seilen bringt zwar nicht die Fede­ rungsqualität moderner Automobile, mildert aber immer­ hin bei zwei- wie vierrädrigen Wagen die ärgsten Stöße. Sie ist — neben dem Speichenrad — ein weiterer Schritt zur Reduzierung des ungefederten Gewichts am Fahrzeug, in Richtung selbsttragende Karosserie, Einzelradaufhängung und Leichtbauweise. Die Eigenschaften metallischer Blatt­ federn waren den Römern zwar bekannt, aber man machte sie sich nur im kleinen zunutze, etwa bei Vorhänge- und Fesselschlössern als federnde Sperre des Riegels. Die Träger der Aufhängung waren an den Achsenden hochgezogene, durch Beschläge oder Metallkern verstärkte Holzpfosten. Als oberen Abschluß trugen sie aufgesetzte 59

43 Die Karosserieaufhängung: Löwen von Nordheim (2./3. Jh. n.Chr.)

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oder angegossene massive Endstücke mit einem oder zwei Haken oder Ösen, in denen die Traggurte oder -seile einge­ hängt waren. Das andere Riemenende war jeweils am ösen­ artig aufgebogenen Ende eines unter dem Wagenkastenbo­ den durchgeführten Eisenbandes in einem Ring befestigt. Damit die Vorderräder eingeschlagen werden können, muß entweder die vordere Aufhängung oberhalb der geschwenkten Vorderachse, also an einem separaten Fahr­ gestell, angebracht sein oder — sofern die Aufhängung an der gelenkten Achse angebracht ist — es ist eine bewegliche Verbindung der Traggurte mit der Karosserie vorzusehen. Letzteres ist durch Funde aus Wagengräbern belegt und auch aus Bayern bekannt. Auf einer Eisenstange, die an den Enden von unter dem Wagenkasten durchlaufenden Eisen­ bändern gehalten wird, können die Endringe der Gurte je nach Achseinschlag hin- und hergleiten.

Endbeschlag von der Karosserieaufhängung (2./3. Jh.)

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Hohl gegossener akarförmiger Sockel mit Granatapfelbekrönung *S.57 in Blütenrosette. An beiden Seiten des Sockels je ein massiver menschlicher (Mittel- oder Ring-)Finger mit geknickten Gliedern, dessen Spitze über ein Zwischenstück mit dem Sockel verbunden ist und so einen geschlossenen Ring bildet. Das Auswechseln eines defekten Traggurtes war schwieriger als beim offenen Haken, ande­ rerseits konnte der Riemen nicht unbeabsichtigt herausspringen. Auf der Vorderseite steht auf rechteckiger angelöteter Grund­ platte ein bärtiger nackter Hercules, in der erhobenen Rechten die Keule schwingend, während die Linke den Höllenhund Pluto bändigt, von dem allerdings nur noch die beiden Hinterläufe und die linke Vorderpfote erhalten sind. Die Keule ist am Sockel ange­ lötet, die Figur selbst ebenfalls durch eine rückwärtige Stütze.

Kiefersfelden, Ldkr. Rosenheim (1974, 3259); H 15,7 cm, größte B 16,5 cm, Gewicht 1,8 kg Träger und Endbeschläge 2 im Uberfangguß auf Eisenträger gegossene Bronzebeschläge: Löwenköpfe in Blattkelch, ein Haken mit Schwanenkopf (ver­ mutlich von einachsigem Wagen) Nordheim, Ldkr. Donauwörth (1980, 5809—5809; Nachbildun­ *S.6O gen, Originale im Museum Donauwörth); H Beschlag 11,5 cm

Vorderaufhängung Eisenstange mit Splinten; L noch 14,8; 14; 6 cm, Holzstärke 4 cm Pfaffenhofen, Ldkr. Rosenheim (1968, 795)

43 Die Lenkung

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Die Lenkung des Wagens durch Einschlagen der vorderen Achsschenkel wurde erst 1816 von dem bayerischen Hof­ wagnermeister Lankensperger erfunden und dann beim Auto durchgängig eingesetzt. Bei allen Vorgängern erfolgte die Lenkung durch Einschwenken der kompletten Vorder­ achse. Somit war besonders der Umkreis des Drehpunktes beansprucht und durch Metallbeschläge zu verstärken. Die Achse dreht sich um den Reibnagel, einen massiven zylindrischen Stift von 2—4 cm Durchmesser und bis zu 60 cm Länge. Der untere Abschluß war gelocht zur Auf­ nahme eines Splints. Die erhebliche Materialstärke ist erforderlich, weil beim gefederten Wagen über diesen Punkt der ganze Wagen mit der gezogenen Vorderachse verbunden ist und außerdem auch noch die Torsion der Hinterachse gegen die Vorderachse beim Überfahren von Bodenunebenheiten abzufangen ist. Beim ungefederten Wagen kann die Vorderachse durch den Reibnagel unmit­ telbar mit dem Aufbau drehbar verbunden sein. Um die Reibung und Abnutzung (Ausschlagen des Holzes) zu vermindern und für exakte Führung des Reibnagels zu sorgen, waren beim gefederten Wagen Fahrgestell (d.h. das

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Ende der Langfuhr) und Vorderachse mit schmalen, in der Mitte gelochten Eisenbeschlägen versehen, die als Krampen direkt eingeschlagen oder an den Enden durch entspre­ chende Löcher mit Nägeln befestigt waren. Beim ungefederten Wagen kommt auch der Wagenboden für einen solchen Beschlag in Frage. Quadratische Beschläge mit Mittelloch und schräg abgehender (gekröpf­ ter) seitlicher schmaler Fortsetzung können hier von unten am Wagenboden angenagelt gewesen sein und mit der Fort­ setzung eine Verbindung zur Langfuhr hergestellt haben. 43 Reibnagelführung, Krampen; L 15,5 cm, lichte W 3,3 cm Lorenzberg, Ldkr. Landsberg (1958, 1555) 44 Reibnagelführung, Beschlag; L 15 cm, lichte W 3,8—4 cm Gauting, Ldkr. Starnberg (1952, 825)

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Reibnagelführung, Fragment; L noch 6,8 cm, lichte W 2,5—2,6 cm Auerberg, Ldkr. Weilheim-Schongau (1966, 410 b) Reibnaeelführung, Fragment; L noch 8 cm, lichte W 2,3—2,5 cm Pfaffenhofen, Ldkr. Rosenheim (1968, 795)

Langfuhrbeschlag; 15,5 x 9,9—10,4 cm, L 65,5 cm, lichte W 2,9—3 cm Pfaffenhofen, Ldkr. Rosenheim (1968, 795) Langfuhrbeschlag; 11 x 8,5 cm, L noch 24 cm, lichte W 1,8—2,2 cm Westheim, Ldkr. Kitzingen (1985, 4500 i) Langfuhrbeschlag; 12,8 x 8,3 cm, L noch 36,5 cm, lichte W 3,5— 3,7 cm Langenhain, Wetteraukreis, Hessen (1985, 4470 a)

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44 Die Kraftübertragung: Deichsel und Waagscheit Die Kraftübertragung vom Zugtier bzw. den Zugtieren auf den Wagen erfolgte durch Seile, Gurte (Pferde) oder Ketten (Ochsen). Diese waren einerseits mit Ringen oder Schlau­ fen am (Doppel-)Joch oder Kummet befestigt und anderer­ seits an der dreiteiligen Vorderwaage, die an der Gabel der Vorderachse bzw. am Deichselmaul angebracht war: ein symmetrisch befestigtes Waagscheit, an dessen Enden je ein Ortscheit kardanisch befestigt war. In die Ösen der Ort­ scheitenden wurden die Zugseile eingehängt. Besonders lange Ketten wie das 8,3 m lange Exemplar aus dem Schatz­ fund von Weißenburg mögen eher dem Transport von Baumstämmenn u.ä. gedient haben, können aber auch direkt mit einer Zwinge am Wagen befestigt gewesen sein. Zum vierspännigen Fahren mußte das vordere Deichsel­ ende nicht nur einen Endbeschlag zur Befestigung des Dop­ peljochs haben, sondern zusätzlich noch einen Haken o. dgl. zum Einhängen einer weiteren Vorderwaage für das zweite Paar Zugtiere. Daneben gab es die Möglichkeit, ein oder zwei zusätzliche Zugtiere beidseits an einer Ose am Wagen ziehen zu lassen.

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46 Reibnagel; L noch 24,5 cm, Kopf-Dm 7,5 cm, Dm 2,7—3,5 cm Kempten (1981, 1329 a)

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Deichselendhaken (?); L 9 cm Bad Reichenhall, Ldkr. Berchtesgadener Land (NM 2773)

Deichselendbeschlag (?); L 17 cm Kempten (1981, 1349) Deichselmaulbeschlag (?), alternativ auch als Klammer Hinterwagenggabel/Langfuhr; 14,2 x 10,3 cm Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 262) 48 Rekonstruktion eines „westlichen” Jochs

Endbeschläge von Waag- oder Ortscheit (?) Theilenhofen, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (1968, 252 e); B 6,5 cm Bad Reichenhall, Ldkr. Berchtesgadener Land (NM 2771); B 8,5 cm Kettenhaken und Kettenglieder; L 14 cm Monatshausen, Ldkr. Starnberg (HV 674, 676, 680)

Die Deichsel des Wagens ist wohl aus praktischen Gründen vertikal drehbar; die lösbare Verbindung geschah vermut­ lich durch einen splintgesicherten Stift (ähnlich dem Reib­ nagel). Beim zweirädrigen Karren ist die Deichsel dagegen starr, wie z.B. Münzen des Kaisers Nerva zeigen, auf denen ein hochgestellter Karren mit ausgespannten grasenden Maultieren dargestellt ist. Hier ist auch das Doppeljoch noch an der Deichsel angebracht. Einspännerkarren hatten eine starre gegabelte Deichsel.

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Kette; L noch 74 cm Pfaffenhofen, Ldkr. Rosenheim (1968, 834 a) Kette mit Haken; L noch 103 cm Schwangau, Ldkr. Ostallgäu (1978, 1318)

Kettenglied; L noch 19 cm Gauting, Ldkr. Starnberg (HV 1707) Sesterz des Nerva 97 n.Chr. mit grasenden Maultieren vor aufge- 47 stellten! Karren (Leihgabe Staatl. Münzsammlung München)

45 Joch und Kummet Das römische Joch kann für ein Zugtier ausgelegt sein (iugum), entspricht also ungefähr dem Kummet, oder für zwei (biga < *bi-iuga, Doppeljoch). Mit zwei Doppeljo­ chen, vier Einzeljochen oder einem Doppel- und zwei Ein­ zeljochen kann vierspännig gefahren werden, wobei die Tiere auch in einer Reihe nebeneinander ziehen können (zwei unter dem Joch an der Deichsel, zwei seitlich direkt am Wagen angespannt). Ist seitlich nur ein Tier zuge­ spannt, spricht man vom Dreigespann (triga). Es gibt das iugum asinarium (Eselsjoch), Ovid schreibt demere iuga equis (den Pferden die Kummete abnehmgn), Cicero ebenfalls von Pferden frena ferre iugo (das Zaum­ zeug zum Joch bringen). Iugum kann metonymisch das Gespann bedeuten, etwa bei Plinius iugum boum (Ochsen­ gespann), dichterisch auch ein Pferdegespann (Vergil, Aeneis 5,147; 10,594) oder sogar einen Wagen (Silius Italicus 7,683). Entsprechend bezeichnet quadriga sowohl das Viergespann wie den von vier Pferden gezogenen Wagen, seiuges ein Sechsergespann (dazu der currus seiugis), octoiugis achtspännig. Nero fuhr in Olympia einen zehnspännigen Rennwagen (decemiugis: Sueton, Nero 24), und Ambrosius spricht sogar von einem Zwölferzug (duodecaiugum). In neuerer Zeit ist das Joch Ochsen, das Kummet Pferden und Rindern vorbehalten. In der Antike wurde das Joch auch bei Pferden und Maultieren verwendet, aber auch das kummetartige Einzeljoch. Da die erhaltenen Metallteile aus Bayern keine eindeutige Scheidung erlauben, werden sie nach ihrer Funktion gruppiert. Grundsätzlich sind die Beschläge entweder fest auf Holz genagelt oder flexibel und abnehmbar mit Durchsteckösen und Riemen auf Leder oder über Aussparungen im Holz befestigt (d.h. der Kum­ metgurt war von unten an diese Ösen gebunden). Nur die Beschläge mit Eisenstiften saßen sicher am Joch.

lichen Verlängerungen lief der äußere Befestigungsriemen vom Hals des Zugtiers. Von den drei Hauptgruppen dieser Beschläge — einer unverzierten Form aus westlichen Militärlagern, einer rein thrakischen und einer verzierten, ebenfalls westlichen — 48-49 kann in der Ausstellung nur ein Fragment des letztgenann­ ten Typus gezeigt werden. Es handelt sich sozusagen um eine Ecke des D mit einem nach links blickenden Löwen, der die linke Pranke auf ein Medaillon mit Kindermaske stützt. Die gegenüberliegende Ecke des D ist spiegelbildlich mit einem zweiten Löwen zu ergänzen (dazu natürlich ein weiteres Exemplar am anderen Jochende). Jochendbeschlag, Fragment; L des Löwen 8,5 cm Fundort unbekannt (1973, 49)

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2 halbrunde Jochendbeschläge (?); B 4,8 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5607)

46 Endbeschläge des Jochs Paarweise mit Wagen- und Jochteilen gefundene hufeisen­ öder D-förmige Beschläge mit seitlichen Erweiterungen haben der Forschung lange Rätsel aufgegeben. Die Ausge­ staltung ist sehr variabel, wohl Ausdruck regionaler Unter­ schiede handwerklicher Tradition. Die Beschläge saßen mit der Wölbung des D nach außen an den Enden eines einteiligen oder gespaltenen Holzjochs. Der gerade Teil wurde über eine Profilierung des Jochs oder in die Spalte der Jochhälften geschoben, durch die seit­

50 Rekonstruktion des Jochendbeschlags

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47 Die Zügelführung Die beiden Zügelführungsringe waren am Kummet seitlich im oberen Drittel angebunden, am Joch ebenfalls seitlich angebracht. Eine einfachere, in der Mitte montierte Aus­ führung vereinte zwei Ringe in einem Beschlag. Für mehrspänniges Fahren waren gestielte Zügelführungen durch den Mittelbeschlag des hinteren Joches genagelt: die Zügel für die vorderen Tiere saßen dadurch höher und konnten sich nicht so leicht mit denen des hinteren Gespanns verwickeln. Möglicherweise saßen diese langen Beschläge der besseren Stabilität wegen auch in einem gespaltenen Joch, wie dies für kürzere Ringe mit Nagel zu belegen ist. Neben der „kurzen” und der „langen” Form gibt es noch eine mittlere Größe der Zügelführungen. Die Befestigungs­ ösen sind teils rund, teils eckig; auch die Form der Auflage variiert von flachen runden Platten oder kegelstumpfarti­ gen Basen bis zu gezipfelten und sattelförmigen Ausfüh­ rungen. Doppelring Gauting, Ldkr. Starnberg (1965, 799); H 9,8 cm

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Kurze Ringe mit runder Öse Unterdiessen, Ldkr. Starnberg (HV 848); H 6 cm Töging, Ldkr. Altötting (1957, 74); H 7 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5607); H 6 cm

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Kurze Ringe mit eckiger Öse Gauting, Ldkr. Starnberg (1954, 159); H noch 2,5 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1983, 1174); H 5,8 cm Munningen, Ldkr. Donau-Ries (1983, 2489); H 5,8 cm Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 1127 a); H 5,6 cm Karlstein, Ldkr. Berchtesgadener Land (1976, 1514 g); H noch 2,5 cm

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Mittelgroße Ringe mit runder Öse Bad Reichenhall, Ldkr. Berchtesgadener Land (NM 3060); 55 H 8,5 cm Fundort unbekannt (NM 17/355); H 12,5 cm 56 Immendorf, Ldkr. Aichach-Friedberg (1974, 5367); H 13 cm "3 Immendorf, Ldkr. Aichach-Friedberg (1974, 5367); H 13,5 cm L 57 Immendorf, Ldkr. Aichach-Friedberg (1974, 5367); H 14 cm

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Lange Ringe mit Eisenstift Fundort unbekannt (NM 3694); H 13 cm Immendorf, Ldkr. Aichach-Friedberg (1974, Immendorf, Ldkr. Aichach-Friedberg (1974, Immendorf, Ldkr. Aichach-Friedberg (1974, Pfaffenhofen, Ldkr. Rosenheim (1972, 284);

5368); H 16,2 cm 5368); H 18,8 cm > 57 5368); H 19,2 cm H noch 6 cm

Ringfragment von gespaltenem Joch; L noch 6 cm Pförring, Ldkr. Eichstätt (1983, 1186)

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48 Sonstige Joch- und Kummetbeschläge Mittelbeschläge dienten am Doppeljoch der Befestigung an der Deichsel, beim Kummet wurde in den Ösen das Unter­ teil eingehängt bzw. angebunden. Auch die Wölbungen des Doppeljochs konnten Mittelbeschläge tragen. Ein solcher Beschlag aus Fürstenfeldbruck war seitlich mit je einem Nagel befestigt; der oben aufgenagelte Ring ist nicht erhal­ ten. An den der Deichsel zugewandten Seiten des Jochs saßen gewölbte Beschläge, die von unten angebunden waren und als Auflage für den Riemen des Unterteils dienten. Vom Mittelteil des Doppeljochs oder vom Kummet stammt ein größerer Beschlag mit mitgegossenem Ring. Die Befestigung auf Holz erfolgt an den Ecken durch je einen Nagel, an zwei halbrunden Ösen konnte das Unter­ teil eingehängt bzw. angebunden werden.

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57 Jochbeschlag; B 13 cm Fürstenfeldbruck, Ldkr. Fürstenfeldbruck (HV 849)

58 Jochseitenbeschlag; B 5,8 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2765) 59 Jochseitenbeschlag; B 5,7 cm Rothenstein, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (IV 1215)

Kummetbeschlag; B 17,2 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2764) Kummetbeschlag; B 3,6 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5607)

Aufschieben des Jochs (durch eine entsprechende Ausspa­ rung) auf die Deichsel, oder als Kummetoberteil zum Ein­ hängen des Unterteils. Tatsächlich handelt es sich jedoch um das Unterteil des Pferdekummets, wie vor 20 Jahren ein glücklicher Fund von einigen erhalten gebliebenen hölzernen Zubehörteilen (unter über 100 solcher Bügel!) im Großen Moos zwischen Neuenburger und Murtensee (Schweiz) zeigte. Danach waren an den Enden der Bügel handtellergroße ovale Plat­ ten aus Apfel-, Birn- oder Vogelbeerholz fest oder mit Haken angebracht. Die Innenseite der Platten war glatt poliert — vielleicht waren sie einst mit Leder überzogen. Der Bügel diente somit — entfernt mit Kopfhörerbügeln vergleichbar — nur als Halter: entscheidend waren die seit­ lichen Platten am unteren Kummetende, die beim Ziehen den Druck des Kummets von der Luftröhre des Pferdes in Richtung auf die Muskelpartien der Schulter verlagern sollten. Darstellungen auf Steindenkmälern — u.a. der Marc Aurelsäule — zeigen die Doppelbügel in Verwendung. Das Ein­ zeljoch reichte demzufolge mit seinen Enden bis dicht an die Holzplatten. Entsprechend läßt sich auch die Darstel­ lung von zwei Jochen (oder eines Doppeljochs?) bei der Terrakottagruppe eines Pferdegespanns von Salzburg-Birglstein deuten; zweifelsfrei sind jedoch nur die Mittelbe­ schläge. Doppelbügel Schongau, Ldkr. Weilheim-Schongau (1982, 125); B 20 cm Kempten (1981, 1353 h); B 14 cm Einzelbügel *S.56 Immendorf, Ldkr. Aichach-Friedberg (1974, 5370); B 17,8 cm Manching, Ldkr. Pfaffenhofen (1956, 171); L 19,4 cm (verbogen)

Terrakottagespann; H 17,5 cm Salzburg-Birglstein (W 382)

49 Das Kummet

50 Zaumzeug und Geschirr

Bei Kummet und Joch ist die Position der Zügelführungs­ ringe, Mittelbeschläge und Endbeschläge klar. Unsicher­ heit bestand jedoch lange für Eisenbügel, die (in zwei Varianten) in Wagengräbern in der Nähe von Mittelbe­ schlägen vorkommen, entweder als einfacher Bügel mit Eförmigen Doppelhaken an den unteren Enden oder als doppelter Bügel mit horizontaler Verbindung der Enden. Grundsätzlich sind am Wagen bzw. Joch oder Kummet mehrere Positionen denkbar, mit dem Bügel nach oben etwa in der Mitte des Jochs unter dem Mittelbeschlag zum

Die zahlreichen Lederriemen von Zaumzeug, Sattelbefesti­ gung und Geschirr erforderten eine Vielzahl von Beschlä­ gen: Riemenkreuzungen und Verteiler, Schnallen und End­ beschläge, Schmuckscheiben und Anhänger. All dieses Zubehör änderte sich im Lauf der Zeit. Wo die Beschläge im einzelnen saßen, ist nicht immer eindeutig klar, gab es doch allein am Kopf des Pferdes Bedarf für vier bis acht Riemenverteiler und Knöpfe. Daher werden die Beschläge hier — grob zeitlich geordnet — hauptsächlich nach forma­ len Gesichtspunkten aufgeführt: nach Befestigungsweise

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(Verteiler, Durchzüge, Knöpfe) und Dekor. Nur bei den reichhaltigen Funden aus dem Kastell Künzing sind einige Ensembles zusammengestellt. 1. Knöpfe mit Gegenknöpfen (Riemenverbinder)

Halbkugelige Knöpfe mit Gegenknopf Dm 4,7 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2724) Dm um 2,7 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2724) Regensburg-Prüfening (1969, 1486) Wallersdorf, Ldkr. Dingolfing-Landau (1961, 869) Dm um 2 cm Neuburg, Ldkr. Neuburg-Schrobenhausen (1968, 442 c) Forchheim, Ldkr. Eichstätt (1972, 1165 k) Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 319) Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2727); 2 Ex. Ruffenhofen, Ldkr. Ansbach (1962, 504) Dm unter 1,5 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 3407 b) Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 319) Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2727); 6 Ex.

Halbkugeliger Doppelknopf aus Bein Herzogmühle, Ldkr. Regensburg (1974, 4050); Dm 1,6 cm Spitzovale Knöpfe mit Gegenknopf; L um 3 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5608) Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2707)

Astragalknöpfe mit Gegenknopf; L 1,8—2 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5608) Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2711) Peltenknöpfe mit Gegenknopf; L 1,8—2 cm Hopferstadt, Ldkr. Würzburg (1983, 1239) Eining, Ldkr. Kelheim (1964, 1442)

Trompetenknopf mit Gegenknopf; L 1,9 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1986, 5601) Gewölbte Knöpfe mit zwei Gegenknöpfen; Dm 3,5—4 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5608) Hopferstadt, Ldkr. Würzburg (1983, 1244) Neuburg, Ldkr. Neuburg-Schrobenhausen (1968, 442 a); beschnitten

Spitzovale Knöpfe mit zwei Gegenknöpfen; L 2,2—3 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5608) Pförring, Ldkr. Eichstätt (1969, 3413 c)

Länglicher Knopf mit zwei Gegenknöpfen; L 3 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 5612) Durchbrochene Knöpfe mit zwei Gegenknöpfen Pförring, Ldkr. Eichstätt (1983, 1183); Halbfertigprodukt; L 4,2 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1974, 4210 b); L 3,5 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1986, 5601); L 8 cm

Scheibe mit vier Gegenknöpfen; Dm 5 cm Pförring, Ldkr. Eichstätt (1983, 1188)

Glatte Muschelbeschläge mit zwei Gegenknöpfen München-Denning (1953, 731); B 6 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2704); B 2,8 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2703); B 2,2 cm Wörth, Ldkr. Würzburg (1983, 1274); B 2 cm Gerippter Muschelbeschlag mit Gegenknopf Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2705); B 2 cm Gerippter Muschelbeschlag als Riemendurchzug Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2717); B 3,5 cm

2. Anhänger und Phaleren Herzförmige Anhänger der ersten Hälfte des 1. Jh. Nordendorf, Ldkr. Augsburg (IV 1255) Lorenzberg, Ldkr. Landsberg (1956, 1874)

Phaleren und Anhänger der zweiten Hälfte des 1. Jh. Bronzephaleren, z.T. versilbert und mit Nielloeinlagen, auf der Rückseite zwei Durchzugstege für 1,8—2,7 cm breiten Riemen und Öse für Anhänger; Dm 3,4—4,3 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1985, 4412); 3 Ex. Oberstimm, Ldkr. Pfaffenhofen (1975, 101) Oberstimm, Ldkr. Pfaffenhofen (1975, 249)

Große Phalere als Riemenverteiler; Dm 7 cm Oberstimm, Ldkr. Pfaffenhofen (1975, 216) Herzförmige durchbrochene Anhänger, z.T. versilbert und mit Niello; L bis 5 cm Oberstimm, Ldkr. Pfaffenhofen (1975, 56) Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1983, 1097); 3 Ex. Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1985, 4411); 4 Ex. Bronzeblechanhänger der zweiten Hälfte des 1. Jh. Oberstimm, Ldkr. Pfaffenhofen (1975, 160); L 9,2 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5609); L 7,2 cm

Blütenknöpfe mit zwei Gegenknöpfen; Dm 3—4 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1965, 977 d) Pfaffenhofen, Ldkr. Rosenheim (1972, 270)

Durchbrochene Anhänger des 2. Jh. Eining, Ldkr. Kelheim (1974, 5420); L 6,1 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2676); L 5,5 cm Pförring, Ldkr. Eichstätt (1983, 1187); L 3,6 cm Marzoll, Ldkr. Berchtesgadener Land (1964, 809); L 7,6 cm

Buckelknopf mit zwei Gegenknöpfen; Dm 2,9 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2708)

3. Riemenverteiler, -durchzüge und -hülsen

Peltenknöpfe mit zwei Gegenknöpfen; Dm 3 cm Neuburg, Ldkr. Neuburg-Schrobenhausen (1968, 442 b) Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 401 b)

Riemenverteiler des 1. Jh.: Ring und Schlaufen; L 6 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1957, 699); 2 Ex. Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1983, 1102); 2 Schlaufen

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Riemenverteiler und Zubehör des 2. und 3. Jh. Dosenförmige Riemenverteiler; Dm um 3 cm, Riemenbreite 1,5 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 320) Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2715) Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2716)

Rosettenförmiger Riemen Verteiler; Dm 2,4 cm, Riemenbreite 0,8 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1972, 1003)

Muschelförmiger Riemenverteiler; B 4,2 cm, Riemenbreite 1 und 1,4 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 3429) Spitzovale Riemendurchzüge mit zwei Stegen; Riemenbreite 1,5—2,5 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 320) Eining, Ldkr. Kelheim (1972, 1003) Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2721)

62 Spitzovale Riemendurchzüge; Riemenbreite 2 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1972, 578 c) 61 Eining, Ldkr. Kelheim (1983, 1174)

Kreuzförmige Riemenverteiler; Riemenbreite 0,5 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2713); 3 Auslässe Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2714); 4 Auslässe Achteckige Riemenhülsen; L um 4,5, 8 und 11 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2719) Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2718) Eining, Ldkr. Kelheim (1986, 5603) Eining, Ldkr. Kelheim (1986, 5604); Halbfertigprodukt Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 324); 2 Ex. 62 Eining, Ldkr. Kelheim (1983, 1163)

Fein durchbrochener runder Riemenverteiler auf Eisenplatte für 3 Riemenlaschen; Dm 10 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2767) 63 Fein durchbrochene Nasenplatte; L 17,5 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1982, 296)

Durchbrochene Riemenverbindungen; L 5 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 5612) Karlstein, Ldkr. Berchtesgadener Land (1976, 1514 a)

4. Pferdegeschirr des 2./3. Jh. von Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 987) Scheibe mit drei durchbrochenen Riemenlaschen; B 2,8 cm

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Durchbrochene Scheibe mit drei Riemenlaschen; B 1,8 cm Ursprünglich achteckige fein durchbrochene Stirnplatte auf Eisenplatte mit durchbrochener Nasenplatte und Riemenlaschen; Riemenbreite 5 cm

Riemenkreuz mit vier achteckigen Hülsen

Diverse weitere Riemenbeschläge

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51 Glocken und Amulette

Lunula, Phallus und Fica Auerberg, Ldkr. Weilheim-Schongau (1972, 781); B 4,9 cm

Lärm vertreibt seit jeher böse Geister — nach dieser Maxime verfuhr auch der römische Kutscher, wenn er sei­ nen Tieren Schellen, Glöckchen und Glocken umhängte. Gleichzeitig mit der Abwehr der Dämonen rief der Klang der Glöckchen mit dem klingenden Namen tintinnabula gute Geister herbei, wie dies auch noch im neuzeitlichen Volksglauben nachzuweisen ist. Ähnliche Vorstellungen stehen hinter der reichlichen Ver­ wendung apotropäischer Symbole als Anhänger, in erster Linie die Lunula (Halbmond, Sichelmond) — so auch noch bis in neueste Zeit bei englischen „horse brasses”. Noch wirkungsvoller gegen bösen Blick und Dämonen waren wohl Kombinationen der Lunula mit dem Phallus oder Doppelphallus und der Geste der Fica. Auch stilisierte Dar­ stellungen der Vulva erscheinen auf Anhängern und Beschlägen, zuweilen ebenfalls mit dem Phallus kombi­ niert. Auch hornförmige Anhänger gehören in diesen Zusammenhang.

Phallus Oberstimm, Ldkr. Donau-Ries (1975, 121); L 4 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 310); L 4 cm

Kugelige Bronzeschellen Theilenhofen, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (1983, 2615); Dm 3 cm Theilenhofen, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (1983, 2612); Dm 2,4 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2730); Dm 2,5 cm Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2729); Dm 2 cm Glöckchen aus Bronze Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5605); H 2,4 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5605); H 2,5 cm Oberstimm, Ldkr. Pfaffenhofen (1975, 356); H 2,6 cm Oberstimm, Ldkr. Pfaffenhofen (1975, 217); H 2,9 cm

Glocken aus Bronze Auerberg, Ldkr. Weilheim-Schongau (1968, 470); H 11,5 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5605); H noch 9,5 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5605); H 5,5 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5605); H 4,2 cm Apotropäische Anhänger (Bronze) Lunula (z.T. mit Niellodekor) Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1973, 460); B 3,5 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5609); B 4,8 cm Oberstimm, Ldkr. Pfaffenhofen (1975, 123); B 2 cm Oberstimm, Ldkr. Pfaffenhofen (1975, 33); B 2,3 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 310); B 2,2 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 310); B 1,5 cm Baldersheim, Ldkr. Würzburg (1983, 1249); B 2,8 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1986, 5601); L 3,2—3,4 cm (3 Exemplare für 1 cm breite Riemen) Lunula und Phallus Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5609); B 4 cm

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Doppelphallus Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1983, 1072); L 3,4 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 310); L 3,2 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 310); L noch 3 cm

Vulva und Phallus Dambach, Ldkr. Ansbach (1986, 2706.2722); L 2,3 und 4,9 cm

Gelochter Zahnanhänger Lorenzberg bei Epfach, Ldkr. Landsberg (1954, 16); L 8,1 cm

52 Trensen und Hackamoren Drei Trensentypen begegnen im römerzeitlichen Bayern. Die aus keltischen Vorläufern entwickelten Ringtrensen hatten ein ein- oder zweiteiliges Mundstück, an dessen Enden Ringe zur Aufnahme der Zügel saßen. Das Mittel­ stück hatte runden oder viereckigen Querschnitt und war massiv oder hohl — auch Kombinationen kommen vor (als Reparatur?). Die Ringgröße variiert. Bei Weiterentwick­ lungen des 3. Jahrhunderts ist der eisernen Gebißstange im Überfangguß ein Bronzemantel angefügt, dessen gelochte Enden die Ringe umgreifen. Die Hebelstangentrensen sind Weiterentwicklungen der im 3. Jh. v.Chr. etwa gleichzeitig entstandenen thrakischen und italischen Formen, gekennzeichnet durch Vergröße­ rung der Mittelbucht und Verlängerung der seitlichen Ösen am Mundstück.

52 Trensen und Hackamoren: Ringtrense aus der Umgebung von Eichstätt (3. Jh. n.Chr.)

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Verwandt sind die Trensen mit Unterlegbügeln, bei denen Mundstück und Bügel durch charakteristische Dreiloch­ scheiben verbunden sind. Sie kommen ausschließlich in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n.Chr. vor. Schließlich sind noch Metallhackamoren anzufügen, mit breitem Nasenband, zwei Seitenbändern mit Ösen zum Einhängen von Trensen und einem Unterband. Ebenso wie die einfachere Ausführung, der Kappzaum, wurde die Hackamore bei Pferden mit über- oder untersensiblen Mäulern verwendet, um sie zu „versammeln”: durch den Druck der Nasenplatte von oben auf das Nasenbein und des Unterbandes von unten auf den Maulboden beim Anziehen der Zügel zieht das Pferd den Kopf an die Brust.

Eiserne Ringtrensen Gauting, Ldkr. Starnberg (HV 214); B 15,5 cm 67 Kempten (1981, 1475 f); B ursprünglich 15,5 cm Kösching, Ldkr. Eichstätt (NM 3677); B 14,5 cm Rothenstein, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (IV 214—215) Arbing, Ldkr. Deggendorf (1953, 71); B 15 cm Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 1148 c); B 15 cm Pfaffenhofen, Ldkr. Rosenheim (1972, 345); B 15 cm Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 255); B 17,5 cm Stoffersberg, Ldkr. Landsberg (HV 213); B 18 cm Ringtrensen mit Bronzezubehör Umgebung von Eichstätt (IV 285); B 16 cm (ohne Ring) Eichenau, Ldkr. Fürstenfeldbruck (IV 1253); B 16 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1969, 317) Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1973, 486); Schieber

67

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70 Oberteil einer Hebelstangentrense; B ursprünglich 14 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1978, 805)

Stangentrensen mit Unterlegbügeln 4 Seitenscheiben; L 5—5,4 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5606) Gebißstange; L 13,5 cm Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5606) Gebißstange; L noch 7,2 cm Oberstimm, Ldkr. Pfaffenhofen (1975, 82)

Durchbrochene Seitenscheiben; B 6 cm 68 Künzing, Ldkr. Deggendorf (1966, 848 a) 69 Pförring, Ldkr. Eichstätt (1976, 135)

Bronzehackamoren 64 Mit rautenförmigem Nasenband und zugehöriger Ringtrense; B 16 cm; auf den Trensenringen Stempel COP Heimhilgen, Ldkr. Traunstein (1934, 74—75) Mit breitem Nasenband mit Wülsten; B noch 14,8 cm Weißenburg, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (WUG 45) Ubergangsform Maulkorb-Hackamore; L 27 cm „Türkei” (Leihgabe Privatbesitz)

53 Das Reiten: Sattel und Sporen Pferd, Maultier und Esel wurden als Zug-, Last- und Reit­ tiere eingesetzt. Der Sattel der Reittiere bestand aus Leder, an den vier Ecken waren hornförmige Verstärkungen aus Holz oder Metall eingearbeitet. Eine Statuette aus Pfeifen­ ton von Seebruck zeigt die fransengeschmückte Satteldecke {tapetum) und die Sattelriemen, die für festen Sitz sorgten (Brust-, Bauch- und Hintergurt). Der Reiter konnte seinen Anweisungen an das Pferd durch den Einsatz von Sporen und Trensen Nachdruck verlei­ hen. Sporen (calcaria) begegnen allerdings fast ausschließ­ lich in militärischem Zusammenhang. Wesentlich häufiger belegt sind Trensen, die freilich auch der Befehlsübermittlung an Zugtiere dienten. Das Zaum­ zeug des Reitpferdes mit Nasen-, Backen-, Stirn-, Kopf- und Kehlriemen ist an dem berühmten vergoldeten Pferdekopf gut zu studieren, der 1769 in Augsburg-Pfersee am Wertachufer gefunden wurde und ursprünglich zu einem Reiter­ standbild eines Kaisers gehörte. Tonstatuette eines Reitpferdes; L 14 cm (1. Jh. n.Chr.) Seebruck, Ldkr. Traunstein (1986, 5620)

*S.76

Hälfte einer Pferdestatuette; L 15 cm (1. Jh. n.Chr.) Salzburg-Birglstein (W 393—398)

2 Tonstatuetten von Reitern; L 14 cm (1. Jh. n.Chr.) Bad Reichenhall, Ldkr. Berchtesgadener Land (NM 2767.2910) Bronzesporn mit vier ausgebrochenen Rechteckösen von der Rie­ menbefestigung; L noch 10,5 cm (1. Jh. n.Chr.) Lorenzberg bei Epfach, Ldkr. Landsberg (1958, 1064)

70 53 Das Reiten: Reitpferd von Seebruck (1. Jh. n.Chr.) ►

75

*S.77

[

Eisensporn; B 8,7 cm (2./3. Jh. n.Chr.) Weißenburg, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen (WUG 91 a)

Bronzesporn; B ursprünglich etwa 8 cm (4. Jh. n.Chr.) Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1986, 5611)

Bronzespornfragment; B noch 3,8 cm (4. Jh. n.Chr.) Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1956, 1049) Eisenspornfragment; B noch 3,5 cm (4. Jh. n.Chr.) Burghöfe, Ldkr. Donau-Ries (1983, 1079) Bronzesporn; B noch 7,3 cm (4. Jh. n.Chr.) Günzburg, Ldkr. Günzburg (1968, 67 c) Bronzesporn; B noch 7,9 cm (4. Jh. n.Chr.) Seebruck, Ldkr. Traunstein (1969, 1132 a) *S.8O Bronzener Pferdekopf (Nachbildung); L 75 cm (2. Jh. n.Chr.) Augsburg-Pfersee (1977, 399; Original Röm. Museum Augsburg)

54 Römische Pferdepflege Zur alltäglichen Pferdepflege gehören Kamm und Striegel — leider kann nur ein eisernes Kammfragment aus einer alten Ausgrabung im Kastell Künzing gezeigt werden, des­ sen römische Zeitstellung nicht völlig sicher ist. Das glei­ che gilt für den Hufschaber aus Seebruck. Das ganz aus Eisen bestehende Gerät hat einen verdickten Griff, der gut in der Hand liegt und durch Auflagen für Daumen und kleinen Finger auch sicher zu führen ist. So konnte mit dem schaufelartigen Vorderteil die Hornwand täglich sorg­ fältig gepflegt werden. Pferdestriegel bestehen aus U-förmigen Eisen mit gezack­ ten Längskanten, zwischen denen Holz eingeklemmt ist. Sofern das gezeigte Instrument nicht als Kartätsche bei der Filzherstellung diente, kann es durchaus ein Pferdestriegel gewesen sein. Mag die tägliche Pflege auch von den Stallknechten (calones) besorgt worden sein, so stand im mulomedicus auch ein eigener Veterinärmediziner zur Verfügung, zu dessen Arse­ nal auch der Hufschuh gehörte, wie eine Grabsteindarstel­ lung aus Gallien zeigt. Sein theoretisches Rüstzeug bestand aus Spezialhandbüchern wie der mulomedicina des P. Vegetius Renatus (4. Jh. n.Chr.). Hier wurde z.B. angeregt, die Hornschichten des Hufes nur bei abnehmendem Mond auszuschneiden, um Entzündungen vorzubeugen.

71 Eiserner Hufschaber; L 21 cm Seebruck, Ldkr. Traunstein (1960, 504)

55 Römische Hufschuhe (Hipposandalen) Die Pferde trugen in römischer Zeit im allgemeinen keine Hufeisen. Wenn es das Gelände erforderte, band man den Zug- und Lasttieren sog. Hipposandalen aus Eisen unter die Hufe, die z.T. sogar mit Stollen oder Spikes versehen waren. Das Anlegen war einfach: erst wurde der Huf mit Stoff umwickelt, dann die Sandalen angebunden. Sueton berichtet, daß der Fahrer des Kaisers Vespasian nur kurz anhielt, um die Prozedur bei seinen Maultieren vorzuneh­ men. Das Ausziehen ging ebenso schnell vonstatten. Nero ließ silberne, seine Gattin Poppaea für ihre Tiere sogar gol­ dene Hufschuhe fertigen.

Eiserner Doppelkamm; L noch 6,6 cm Kösching, Ldkr. Eichstätt (NM 3726) Eiserner Striegel; L noch 23,3 cm Pfaffenhofen, Ldkr. Rosenheim (1972, 311) 78



53 Das Reiten: Reiter von Bad Reichenhall (1./2. Jh. n.Chr.)

Es gibt drei Typen, die unter den bayerischen Funden alle zu belegen sind. Entwicklungsgeschichtlich dürfte die erste Form am ältesten, die dritte am jüngsten sein. Die Verbrei­ tung zeigt eine Verdichtung in Gallien und kaum Vorkom­ men in Italien und Spanien — möglicherweise ein Hinweis auf keltische Erfindung. 73 Typ 1: langer senkrechter Vordersteg mit eingerolltem Ende, seit­ lich schräg auslaufende Flügel, am hinteren Ende Haken. Mit 4 Spikes: Erkenbollingen, Ldkr. Ostallgäu (1934, 77); B 13 cm Erkenbollingen, Ldkr. Ostallgäu (1934, 78); B 13 cm Buchendorf, Ldkr. Starnberg (HV 662); B 13 cm Partenkirchen, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (HV 661); B 12,5 cm Ohne Spikes, mit einwärts gewölbter und gekerbter Lauffläche: Seebruck, Ldkr. Traunstein (1980, 5999); B 12 cm Kempten (1981, 1465 a); B 11 cm Eining, Ldkr. Kelheim (1964, 352); B 10 cm

73 Typ 2: Vorderseite offen, seitliche Flügel zu einem einzigen Haken zusammengeschmiedet, am hinteren Ende Haken, auf der Lauffläche drei Spikes: Schwabmünchen, Ldkr. Augsburg (1974, 4289); B 13,5 cm Fundort unbekannt; B 14,5 cm 73 Typ 3: Vorderseite offen, zur Rückseite hin eingezogene Laufflä­ che, seitliche Flügelenden zu Ösen ausgeschmiedet, am hinteren Ende Haken. Mit durchgehender Lauffläche: Kösching, Ldkr. Eichstätt (NM 3676); B 12 cm Obing, Ldkr. Traunstein (1976, 142); B noch 10 cm 72 Gauting, Ldkr. Starnberg (HV 660); B 12,5 cm Mit länglicher Aussparung in der Lauffläche: Fridolfing, Ldkr. Traunstein (HV 665); B 11,5 cm Buchendorf, Ldkr. Starnberg (HV 663); B 10,5 cm Alkofen, Ldkr. Kelheim (1986, 5640); B 12,5 cm Mit tropfenförmiger Aussparung in der Lauffläche und 3—4 Spi­ kes: Einine, Ldkr. Kelheim (1959, 1310); B 11 cm Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 349); B 13 cm

56 Römische Hufeisen Ob es in römischer Zeit Hufeisen gab, war in der archäolo­ gischen Forschung jahrzehntelang umstritten. Mittlerweile sind jedoch weit über 100 Hufeisen aus römischen Schicht­ zusammenhängen bekannt. Allein nach der Form sowie der Zahl und Art der Nagellöcher sind sie allerdings nicht datierbar, so daß auch bei den gezeigten Hufeisen mangels stratigraphischer Beobachtungen die römische Zeitstellung nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Das Verbreitungsbild 53 Das Reiten: Pferdekopf von Augsburg-Pfersee (2./3. Jh. n.Chr.) ►

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zeigt eine Lücke im gallischen Raum, was auf die dortige Vorliebe für Hipposandalen zurückgehen dürfte. Die in der Ausstellung gezeigten Exemplare besitzen jeweils sechs Löcher. Die geringe Größe könnte auf Ver­ wendung an Maultieren oder Eseln deuten. Wie die Hippo­ sandalen waren die Hufeisen — entsprechend der Massie­ rung an wichtigen Handelswegen — sicher für Zugtiere bestimmt. Hufeisen (wohl 3./4. Jh. n.Chr.) Seebruck, Ldkr. Traunstein (1974, 5049); L 11 cm Grünwald, Ldkr. München (1980, 3727); L 11 cm Moosberg, Ldkr. Garmisch-Partenkirchen (1960, 349); Lil cm

57 Römerstraßen Rückgrat der römischen Eroberungs- und Landerschlie­ ßungspolitik und somit des wirtschaftlichen Lebens war ein gut ausgebautes Straßennetz von zuletzt 80—100000 km. Noch heute sind große Teile, vor allem der massiv aus­ gebauten Fernstraßen, in Italien und den Provinzen erhal­ ten, sei es, daß sie noch als Fahr- oder Fußwege benutzt werden, als typisches Bodendenkmal durch Wald und Flur ziehen oder als „Ideallinie” unter einer modernen Magi­ strale liegen. Kriterien der Fernstraßen sind der massive Ausbau und eine gewisse Mindestbreite, dazu von Fall zu Fall eine eigene Bezeichnung (z.B. Via Claudia Augusta), die Auf­ nahme in eine Straßenkarte oder ein Itinerar sowie Meilen­ steine entlang der Route. An Bergstrecken haben sich Geleisespuren samt Trittstufen erhalten — teils einge­ hauen, teils durch den Verkehr eingetieft. Schon in diesen Quellen stecken Fehler: in die einzige antike Straßenkarte, die sog. Tabula Peutingeriana, die sich in einer mittelalterlichen Kopie des 12./13. Jahrhunderts erhalten hat, haben sich durch das mehrfache Abschreiben und Kopieren zahlreiche Fehler in die schematischen Rou­ tenzeichnungen und die Schreibung der Straßenstationen eingeschlichen (letzteres gilt auch für das sog. Itinerarium Antonini, eine Art „Kursbuch” mit Entfernungsangaben, letzte Auflage aus dem 4. Jahrhundert). Die Meilensteine wiederum sind in nachrömischer Zeit häufig als Baumaterial zweckentfremdet worden und kom­ men daher — wenn überhaupt — oft weit von ihrem ursprünglichen Standort entfernt wieder zum Vorschein, was ihre Zuweisung an bestimmte Straßen erschwert. In den letzten Jahrzehnten hat die archäologische For­ schung zudem durch die Aufarbeitung ländlicher Sied­ 82

lungsfunde neben den Fernstraßen auch ein dichtes Netz lokaler Vizinalstraßen wahrscheinlich gemacht, mit dem die Einzelhöfe und Kleinsiedelräume an die Fernstraßen angebunden waren, ohne daß sich diese mangels entspre­ chend massiven Unterbaus immer im Gelände nachweisen ließen. Große Fortschritte sind auch der intensivierten Luftbildarchäologie der letzten Jahre zu verdanken. Insgesamt ist das Thema so umfangreich und kompliziert, daß es im Rahmen dieser Ausstellung nur in Form einer summarischen Karte und Straßenliste behandelt werden kann — es würde eine eigene Ausstellung verdienen!

58 Römische Fernstraßen in Raetien und Noricum Die Liste geht vom bekannten Gesamtbestand aus, die Routen entsprechen nicht durchwegs den Routen des Itinerars und der Tabula, die Benennung der Straßen ist mit Ausnahme von Nr. 1 und 13 nicht antik oder allgemein üblich. Verbindungen nach Italien

1. Via Claudia Augusta (Weg des Drusus 16/15 v.Chr., *S.81 Ms/M n.Chr. von Claudius ausgebaut) Von Altinum bei Venedig über Feltre nach Trient bzw. von Hostilia am Po über Verona nach Trient, entlang der Etsch über Reschen-Scheidegg (1508 m) ins Inntal, über den Fernpaß (1210 m) nach Füssen und durchs Lechtal über Epfach nach Augsburg (und weiter nach Burghöfe, später auch Donauübergang).

2. Brenner-Route (2. Jahrhundert n.Chr.) Abzweigung von Straße 1 im Etschtal bei Pons Drusi, durch das Eisacktal zum Brenner (1374 m) und über Matrei nach InnsbruckWilten, innaufwärts über Zirl, Zirler Berg und Seefelder Sattel (1185 m) nach Mittenwald und Partenkirchen, weiter über Mur­ nau und Weilheim nach Augsburg (von Wilten Abzweigung innabwärts nach Pfaffenhofen und Regensburg).

3. Bündner Paßroute Von Mailand und Como über Splügen (2118 m), Septimer (2311 m) oder Julier (2284 m) und Maloja (1815 m) nach Chur, durch das Alpenrheintal nach Bregenz und über Kempten nach Augs­ burg.

4. Plöcken-Pustertalroute Von Aquileia über Plöckenpaß (1360 m) und Gailbergsattel (982 m) ins Drautal nach Aguntum und durch das Pustertal zum Brenner.

5. Tauernroute Von Aquileia durch das Kanaltal über Tarviser Sattel (814 m) und

◄ 58 Römische Fernstraßen: 1. Via Claudia nördlich Untermeitingen (1. Jh. n.Chr.)

Federauner Sattel (560 m) nach Villach, durch das Drautal nach Teurnia, durch das Liesertal über Laußnitzhöhe (1589 m) und Radstädter Tauernpaß (1739 m) ins Salzachtal und über den Paß Lueg (573 m) nach Salzburg.

Bregenz-Immenstadt-Hindelang-Reutte-Lermoos-EhrwaldSeefeld-Innsbruck-Wilten.

ner cura viarum aus, delegiert an die Statthalter der Provin­ zen; die Kosten hatten die Anlieger zu tragen, doch gaben die Kaiser beträchtliche Zuschüsse. Die Trassierung war möglichst geradlinig, die Breite betrug 5—7 m (Extreme: 2,5 und 17 m), dazu beidseits ein 2—3 m breiter Streifen, der nicht bepflanzt oder bebaut werden durfte. Die Trasse wurde zunächst ausgekoffert, nötigen­ falls mit Pfählen o. dgl. fundiert und dann — im Idealfall — mit Steinmaterial in vier etwa 30 cm starken Schichten aufgefüllt: statumen (Grobschichtung aus größeren Stei­ nen), rudus (Grobschüttung, mit Mörtel), nucleus (Fein­ schüttung aus Kies) und summum dorsum (Belag: innerstäd­ tisch teilweise Steinplatten mit Gehsteigen, sonst Kies). Die Fahrbahn war gewölbt, zu beiden Seiten nahmen Gräben das abfließende Wasser auf. Schon in vorrömischer Zeit wurden Straßen, Knüppelwege und Geleisestraßen, Tunnel und Brücken gebaut, auch und gerade in Italien (Etrusker) und im Alpenraum. Erst die Römer haben aber auf dieser Grundlage ein systematisches — auch politisch bestimmtes — Straßennetz konzipiert und verwirklicht. Es gab die viaepublicae (mit der Untergruppe viae militares: strategisch wichtige Straßen im Limesbe­ reich), viae privatae (auf Privatgrund), viae vicinales (Nebenstraßen als Nahverkehrsnetz) und viae urbicae (städ­ tische Straßen). In jüngster Zeit hat man eine Reihe von kurzfristig beleg­ ten Militärlagern nachweisen können, von denen aus im 1. Jahrhundert kleinere Einheiten die Donausüdstraße anleg­ ten: Nersingen (Ldkr. Neu-Ulm), Zell (Stadt Neuburg/D.), Kicklingen (Ldkr. Dillingen), Zuchering (Stadt Ingolstadt) und Straubing. Hinter einem einfachen Graben lag die rund 60 m lange Befestigung mit Zelten oder einfachen Holzbaracken. Andere Kastelle und Posten sollten offen­ sichtlich den Verkehr im Land kontrollieren (etwa die Posten der Linie Bregenz-Kempten-Auerberg-LorenzbergGauting) oder den grenzüberschreitenden Verkehr an der Donau (etwa Burlafingen, Ldkr. Neu-Ulm). Man darf hier­ in wohl die Vorläufer der späteren Benefiziarierposten sehen.

59 Straßenbau und Straßenunterhalt

60 Straßenkreuzungen und Brücken

Die römischen Straßen wurden vom Militär vermessen und gebaut, einschließlich Materialbeschaffung in Stein­ bruch und Kiesgrube (Materialentnahmegruben neben der Straße, wohl für Reparaturen, sind oft heute noch zu erkennen). Die Anordnung ging vom Kaiser aufgrund sei­

Größere Siedlungen im Hinterland der Provinzen ent­ wickelten sich nur bei entsprechendem Verkehrsaufkom­ men, also an Straßenkreuzungen und Flußübergängen, denn nur hier fanden spezialisierte Handwerker und Händ­ ler eine ausreichende Existenzgrundlage. Im römischen

6. Pyhrnroute Von Celeia-Celje über Völkermarkt und Virunum-Zollfeld nach St. Veit a.d. Glan, über Neumarkter Sattel (880 m), Triebener Tauernpaß (1265 m) und Pyhrnpaß (945 m) nach Windischgarsten, über Micheldorf und Voitsdorf nach Wels.

West-Ost-Verbindungen (von Gallien und Germanien nach Pannonien) *S.86 7. Bodensee-Chiemsee-Straße (Anfang 1. Jh. n.Chr.) Von Bregenz über Kempten, Epfach, Gauting und Kleinhelfen­ dorf nach Pfaffenhofen, über Seebruck nach Salzburg (in Gauting Abzweigung über Schöngeising nach Augsburg).

8. Donausüdstraße (um 74 n.Chr.) Von Straßburg durch das Kinzigtal nach Rottweil und zur oberen Donau; über Günzburg, Burghöfe, Neuburg, Oberstimm nach Eining, Regensburg, Straubing, Künzing und Passau (Fortsetzung nach Wels von Caracalla angelegt).

9. Rhein-Donau-Straße (unter Domitian 81—96 n.Chr.) Von Mainz über Stuttgart-Bad Cannstatt nach Günzburg und Augsburg; Fortsetzung über München-Oberföhring nach Töging und Passau (später Abzweigung als Donaunordstraße von Faimingen nach Nassenfels). *S.87 10. Limesstraße (2. Jahrhundert n.Chr.) Vom Beginn des raetischen Limes bei Lorch über Weißenburg, Pfünz, Kösching und Pförring nach Eining (ältere Varianten füh­ ren entsprechend dem jeweiligen Grenzverlauf teilweise weiter südlich über Heidenheim und Nassenfels).

11. Direktverbindung Augsburg-Regensburg (Ende 2./ Anfang 3. Jh.) Augsburg-Neuburg-Nassenfels-Eining-Regensburg.

12. Isartalstraße Augsburg-Freising-Moosburg-Plattling.

13. Via Decia (251 n.Chr.)

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Bayern südlich der Donau sind das etwa die Hauptstadt Augsburg, Kempten, Kellmünz, Epfach, Gauting, Füssen, Günzburg, Neuburg, Donauwörth, Pfaffenhofen am Inn, Töging und Seebruck. An allen diesen Orten, aber je nach den örtlichen Gegeben­ heiten auch dazwischen, sind auch Raststätten anzuneh­ men. Aufgrund gesetzlicher Vorschriften war der Wagenverkehr in Rom und den anderen Städten seit Caesar tagsüber ver­ boten, der Zulieferverkehr war nachts abzuwickeln. In Raetien wird dies wohl nur für Augsburg und Kempten gegolten haben. Aber auch in den anderen Orten werden die Rasthäuser für den Fernverkehr außerhalb am Orts­ rand anzunehmen sein, mitsamt ihren Ställen, Speichern, Läden und dem zugehörigen Benefiziarierposten. Das Glei­ che gilt für die Kastelle und ihre Lagerdörfer. Von den römischen Flußübergängen in Bayern ist relativ wenig bekannt. Rund um das Mittelmeer sind noch zahlrei­ che römische Steinbrücken (und als ihre Geschwister die noch imposanteren Aquaedukte) erhalten oder sogar noch in Funktion. Auch in Trier tut eine solche Brücke heute noch Dienst. In Bayern jedoch haben sich allenfalls noch spitz zulaufende „Pfahlschuhe” als Beschläge der Eichen­ pfosten erhalten, die das Pfeilerfundament sicherten oder oberhalb der eigentlichen Brücke als Eisbrecher Treibholz und schlimmeres Ungemach aufhalten sollten. Daneben gab es natürlich auch Furten, z.B. in Reutte, und Fähren. Der auf einer tunesischen Inschrift des 4. Jahrhun­ derts n.Chr. überlieferte Fährtarif wird mutatis mutandis auch hier gegolten haben: Reiter 4 Folles, Fußgänger 1 Follis, Maulesel mit Treiber: beladen 4, unbeladen 2, Esel mit Treiber: beladen 4, unbeladen 2, Kamel mit Treiber: bela­ den 5, unbeladen 3. Kamele hat es damals auch in Bayern gegeben, nachgewiesen sind sie aber derzeit nur auf dem Lorenzberg bei Epfach sowie außerhalb der Landesgrenzen in Breisach und Isny, in der Schweiz und in Wien. Flußfund vom Lechübergang bei Epfach

Brückenpfahl mit Eisenschuh; L noch 115 cm Epfach, Ldkr. Landsberg (1977, 2204) Flußfunde vom Innübergang bei Pons Aeni/Pfaffenhofen, Ldkr. Rosenheim Brückenpfahl mit Eisenschuh; Länge noch 1,98 m (2891) Teil eines Ordens (torques); L noch 11 cm (1970, 2799)

Münzen: Tiberius Vespasian Domitian

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As As Dupondius

14/37 72 84/89

Traian Hadrian Antoninus Pius Marc Aurel Marc Aurel Marc Aurel Septimius Severus Severus Alexander Aurelian Constans Magnus Maximus Arcadius

Sesterz Dupondius As Dupondius As As Denar Denar Antoninian Follis Maiorina

98/117 117/138 140/161 164/165 162/186 176/180 194/197 222/235 270/275 341/346 383/388 383/384

61 Römische Meilensteine Meilensteine nennen die Entfernung (1 Meile = 1478 m) und den Kaiser, der die letzten Baumaßnahmen im jeweili­ gen Streckenabschnitt veranlaßt hat (Neuanlage, Repara­ tur, Brückenbau). In Raetien zählen die Entfernungen meist von der Provinz­ hauptstadt Augsburg, an Limes und Donau gelegentlich zusätzlich noch vom Legionslager Regensburg, ausnahms­ weise auch von Bregenz, Kempten und Faimingen. Im norischen Teil Bayerns sind es die Civitas-Hauptstadt Salz­ burg und an der Donau Passau-Innstadt. Meilensteine und Territoriumsgrenzen waren auch für die Zuständigkeit bei Finanzierung und Unterhalt der Straßen wie der kaiserli­ chen Post (mit allen Nebeneinrichtungen) verbindlich (eine Art von „Baulosen”). Die chronologische Übersicht der 50 raetischen und 104 norischen datier- und zuweisbaren Steine zeigt, daß zwi­ schen den Jahren 195 und 215 (bzw. in Noricum 218/9) besonders intensive Baumaßnahmen stattfanden (bzw. bezeugt sind!). Bauherren sind Septimius Severus und sein Sohn Caracalla — ersterer aus innenpolitischen Gründen zur Erhaltung der militärischen Machtbasis gegen seine Konkurrenten, letzterer aus außenpolitischen Gründen zur Abwehr der Alamannen. Das Formular der Kaisertitulatur ermöglicht nicht nur die Datierung der Steine, sondern — mit Ausnahmen — auch die Bestimmung des Auftraggebers: der Nominativ geht auf zentrale Anordnung der kaiserlichen Verwaltung zurück, der Dativ ist Ausdruck einer gemeindlichen Stiftung (gele­ gentlich sogar vielleicht ohne tatsächliche Baumaßnahme). An kritischen Punkten waren öfter Baumaßnahmen nötig, entsprechend häufen sich hier die Meilensteine (z.B. an Paßstraßen). Die Höhe der zylindrischen Steine beträgt 2—3 m, wovon 20—25% auf den kubischen, im Boden steckenden Sockel entfallen.

Ein Meilenstein von Septimius Severus (195 n.Chr.) und Caracalla (215 n.Chr.)

Zwei Meilensteine von Septimius Severus und Caracalla (201 n.Chr.)

IMPeratori CAESari Lucio Septimio SEVERO PIO PERTI NACI AVGusto ARABICO ADIABENICO PARThico BRITannico Pontifici MAXimo Tribunicia Potestate III IMPeratori VII COnSuli II Patri Patriae PROCOnSuli ET IMPeratori CAESari Marco AVRelio ANTONINO PIO INVICTO AVGusto PARThlCo Máximo BRITANNICO MAXimo TRibunicia Potestate XVIII IMPeratori lili COnSuli lili Patri Patriae PROCOnSuli FORTISSIMO AC FELICISSIMO PRINCIPI DOMINO INDVLGENTISSIMO AB AVGusta Milia Passuum XVIUI

IMPerator CAESAR Lucius SEPTIMIVS SEVERVS PIVS PERTINAX AVGustus ARABICVS ADIABenicus PARTHICVS MAXIMVS PONTIFax MAXimus TRIBunicia POTestate Vim IMPerator XII COnSul II Pater Patriae PROCOnSul ET IMPerator CAESAR MARCVS AVRELius ANTONINVS PIVS AVGustus TRIBunicia POTestate IIH PROCOnSul (ET Publius SEPTIMIVS GETA NOBilissimus CAESAR) VIAS ET PONTES RESTituerunt AB AVGusta Milia Passuum LX (Valley) bzw. LXII (Kösching) A LEGione Milia Passuum XXXIIII (Kösching)

Dem Kaiser Lucius Septimius Severus Pius Perti nax Augustus, Sieger über Araber, Adiabener, Parther, Britannier, Oberpriester, Inhaber der tribunizischen Gewalt zum 3. Mal, Imperator zum 7., Konsul zum 2. Mal, Vater des Vaterlandes, Proconsul, und dem Kaiser Marcus Aurelius Antoninus Pius (Caracalla), dem unbesiegten Augustus, großen Sieger über Parther, großen Sieger über Britannier, Inhaber der tribunizischen Gewalt zum 18. Mal, Imperator zum 4., Konsul zum 4. Mal, Vater des Vaterlandes, Proconsul, starken und glücklichen Fürsten, gnädigsten Herrn, von Augsburg 19 Meilen.

Der Feldherr und Kaiser Septimius Severus Pertinax, der Erhabene, großer Sieger über Araber, Adiabene und Parther, großer Priester, im 9. Jahr Träger der tribunizischen Gewalt, zum 12. Mal Feldherr, zum 2. Mal Konsul, Vater des Vater­ landes, gewesener Konsul, sowie der Feldherr und Kaiser Marcus Aurelius Antoninus Pius, der Erhabene, im 4. Jahr Träger der tribunizischen Gewalt, gewesener Konsul, und der Feldherr Publius Septimius Geta haben Straßen und Brücken wiederhergestellt. Von Augsburg 60 (Valley) bzw. 62 Meilen (Kösching). Vom Legion(slager Regensburg) 34 Meilen (Kösching).

Die erste Hälfte der Inschrift nennt Septimius Severus im Jahr 195. Sie wurde übernommen, als sein Sohn Caracalla 20 Jahre später neue Straßenbauarbeiten durchführte (mög­ licherweise waren 195 gar keine Meilensteine aufgestellt worden). Die Dativ-Form der Titulatur zeigt, daß der Stein offenbar von einer Gemeinde gestiftet wurde, um den Kai­ sern ihre Devotion zu bezeugen. Der Stein stand an der Direktverbindung Augsburg-Neuburg-Regensburg, die u.a. auch durch den Wagnerfund von Immendorf belegt ist.

Der Name des Prinzen Geta wurde getilgt, nachdem ihn sein Bruder Caracalla am 26.2.212 hatte ermorden lassen. Die Nominativ-Form der Titulatur zeigt, daß die Steine von der Zentralverwaltung in Auftrag gegeben wurden. In Noricum ist auf den Steinen des Jahres 201 zusätzlich der Name des Provinzstatthalters M. Iuventius Sums Proculus genannt, der die Arbeiten organisierte. Der Stein von Valley stand an der Fernstraße AugsburgSalzburg, die Säule von Kösching an der Straße Heiden­ heim-Regensburg.

Aindling, Ldkr. Aichach-Friedberg (Nachbildung im Freige­ lände); H noch 144 cm

Valley, Ldkr. Miesbach (in der Eingangshalle; 1968, 554); *S.95 H 213 m Kösching, Ldkr. Eichstätt (Nachbildung; 1986, 5614); H 220 cm

58 Römische Fernstraßen: 7. Straße Augsburg-Salzburg südlich Augsburg-Hochzoll (1. Jh. n.Chr.) ►

85

Noricum Gesamtzahl

caput viae

46 101/2 132 142/4 161/7 195 200 201 212 213 214 215 218 219 226/8 231 236/7 238/44 244

1

VIRUNUM

14

CELEIA

26

IUVAVUM

26

®

AGUNTUM

12

(D

TEURNIA

20

1

3

3

3

2

$

1

7

0

3 ®

2

2

1

1

1

1

1

3

2

2

BOIODURUM

1

SOLVA

2

1

CETIUM

2

1

OVILAVA

1

104

1

1

1 1

1 1

1

3

3

3

1

5

3

20

3

5

3

-

9

3

-

1

5

2

3

Raetia

AUGUSTA

33

LEGIO

12

CAMBODUNUM

1

PHOEBIANA

2

BRIGANTIUM

2 50

1

(1)

1 2

12

18

2

12

1

1

Die datierbaren Meilenstein-Inschriften der Provinzen Noricum und Raetien, geordnet nach Aufstellungsjahr und Ausgangspunkt der

88



58 Römische Fernstraßen: 10. Limesstraße von Munningen Richtung Oberdorf (2. Jh. n.Chr.)

Noricum

247/9 249 251 252 268 282 293/305 305/6 309/13 308/24 324/6 324/61 337/61

1 1

26 26

Salzburg

1

12

Dölsach/Tirol

1

20

St. Peter i.H./ Kärnten Passau-Innstadt

1

4

2

14

1

3

1

1

1

3

1

1

1 2 2

1 6

2

1

2

1

3

heutiger Name

Zollfeld/ Kärnten Celje/Slowenien

2

1

2

1 2

Ge360/3 363 367 samtzahl

2

1

1

1

3

3

3

1

-

1

Wagna/ Steiermark St. Pölten/ Niederösterreich Wels/ Oberösterreich

104

Raetia

2

2 2

2

33

Augsburg

12

Regensburg

1

Kempten

2

Faimingen

2

Bregenz/ Vorarlberg

50

Meilenzählung. Eingerahmt sind Steine mit Doppeldatierung, durch Klammer verbunden Steine mit doppelter Meilenzählung.

89

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