Managementethik und Arbeitsplätze: Eine metaphysische und moralökonomische Analyse [1. Aufl.] 978-3-658-26381-2;978-3-658-26382-9

Christoph Wagner nimmt eine managementethische Analyse von Situationskonstellationen im Kontext der Schaffung, des Erhal

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Managementethik und Arbeitsplätze: Eine metaphysische und moralökonomische Analyse [1. Aufl.]
 978-3-658-26381-2;978-3-658-26382-9

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XV
Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit (Christoph Wagner)....Pages 1-18
Der übergeordnete Theorierahmen zur Beschreibung und Analyse arbeitsplatzbezogener Fragen: Aspekte der (Business) Metaphysics (Christoph Wagner)....Pages 19-29
Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit (Christoph Wagner)....Pages 31-139
Der Moral Point of View: Normative Ethiktheorien als inhaltliche Leitlinien einer Managementethik (Christoph Wagner)....Pages 141-202
Der Economic Point of View: Shareholder-Value- vs. Stakeholder-Ansatz (Christoph Wagner)....Pages 203-239
Die aus managementethischer Sicht (arbeitsplatz-) relevanten Standardaufgaben entlang des Mitarbeiterflusssystems im Personalmanagement (Christoph Wagner)....Pages 241-337
Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz (Christoph Wagner)....Pages 339-439
Managementethische Analyse ausgewählter arbeitsplatzbezogener Transaktionen (Christoph Wagner)....Pages 441-577
Zusammenfassung und Fazit (Christoph Wagner)....Pages 579-592
Back Matter ....Pages 593-655

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Studien zur Ethik der Transaktion

Christoph Wagner

Managementethik und Arbeitsplätze Eine metaphysische und moralökonomische Analyse

Studien zur Ethik der Transaktion Reihe herausgegeben von Michael Schramm, Stuttgart-Hohenheim, Deutschland

In dieser Reihe werden mikroanalytisch Faktoren identifiziert, die auf diversen Problemfeldern – wie CSR, Sustainability, transkulturelles Management oder Konsumentenethik – empirisch dafür relevant sind, ob Transaktionen moralisch integer ausfallen oder nicht. Diese Herangehensweise begründet sich aus der Tatsache, dass die konkrete Wirklichkeit der Wirtschaft aus „Transaktionen“ – aus ökonomischen Ereignissen – besteht. Sie allein sind das, was wirtschaftlich tatsächlich geschieht. Natürlich spielen die (gesetzlichen, organisationalen oder kulturellen) Spielregeln der Wirtschaft oder die individuellen Charaktere der Akteure (Management, Konsumenten) eine wichtige Rolle, doch so wie die Verkehrsregeln nicht der wirkliche Verkehr sind, so gewinnen auch die (an sich noch abstrakten) wirtschaftlichen Spielregeln allererst in den konkreten Transaktionen wirkliche Realität. Das gesamte Wirtschaftssystem wird so zu einem dynamischen Gewebe unzähliger Transaktionen, und auch jedes Unternehmen erweist sich als ein sich dauerhaft reproduzierendes und weiterentwickelndes Transaktionsnetzwerk, eine „Gesellschaft“ aus ökonomischen Transaktionen. Diese wirtschaftsmetaphysische Grundannahme ist das Besondere der Forschungsarbeiten, die in der Reihe „Studien zur Ethik der Transaktion“ erscheinen.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/16166

Christoph Wagner

Managementethik und Arbeitsplätze Eine metaphysische und moralökonomische Analyse Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Michael Schramm

Christoph Wagner Universität Hohenheim Stuttgart, Deutschland Dissertation Universität Hohenheim, 2018 D100

ISSN 2662-3307 ISSN 2662-3315  (electronic) Studien zur Ethik der Transaktion ISBN 978-3-658-26382-9  (eBook) ISBN 978-3-658-26381-2 https://doi.org/10.1007/978-3-658-26382-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Geleitwort Zweifellos gehört das Thema der Arbeitsplätze zu den in den Medien am häufigsten thematisierten Fragen aus dem Bereich der Wirtschaft. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht Meldungen umfangreicher Entlassungen in den Nachrichten gebracht werden - meist mit einem skandalträchtigen Unterton. (Meldungen, dass ein Unternehmen gerade zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen hat, finden sich weitaus seltener, obwohl auch das fortwährend geschieht.) Von daher wird die Frage, wie ein angemessenes Management der Arbeitsplätze - ein „Arbeitsplatzmanagement“ - aussehen kann oder sollte, zu einer empirisch grundlegend relevanten Herausforderung, von der nicht nur das Schicksal konkreter Menschen, sondern nicht zuletzt auch das Image von Unternehmen und Managern sowie die Akzeptanz unseres Wirtschaftssystems insgesamt abhängen. Die Herausforderung des Arbeitsplatzmanagements ist dabei nicht nur betriebswirtschaftlicher, sondern auch ethischer Natur. Um sie angemessen bewältigen zu können, bedarf es somit auch normativer Kriterien, die sich nicht aus methodisch rein deskriptiv vorgehenden empirischen Untersuchungen ergeben (können), wie sie von der Publikationskultur des heutigen ökonomischen Wissenschaftsbetriebs verlangt werden. Vielmehr sind konzeptionelle Überlegungen moralökonomischer Natur vonnöten. Und genau diesbezüglich zeigt der Blick auf die wirtschaftswissenschaftliche Literatur weitgehend eine Lücke, die ein dringliches Forschungsdesiderat begründet. Das Buch von CHRISTOPH WAGNER zielt genau auf diese moralökonomische Forschungslücke. Das Besondere an seinem konzeptionell integrativen Forschungsprogramm besteht dabei in der Tatsache, dass er die Thematik nicht nur rein pragmatisch abarbeitet, sondern auf einem komprehensiven Theorierahmen aufbaut: der „Business Metaphysics“, welche sich der umgreifenden Frage stellt, wie die reale Wirtschaftswelt ganz grundsätzlich funktioniert („how the business world works in general“). Dabei sind insbesondere zwei entscheidende Punkte dieser wirtschaftsmetaphysischen Grundlegung zu benennen: zum einen besteht die konkrete Wirklichkeit der Wirtschaft aus „Transaktionen“, aus Ereignissen. Sie allein sind das, was wirtschaftlich tatsächlich geschieht. Zum anderen ist diese konkrete Wirklichkeit der Transaktionen - im Unterschied zu den (durchaus nützlichen, aber

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Geleitwort

dennoch) abstrahierenden Modellen der ausdifferenzierten Einzelwissenschaften (etwa der neoklassischen Ökonomik) - immer „polydimensionaler“ oder „metaphysisch komplexer“ Natur. Eine mikroanalytische und polydimensionale Methodik zieht sich dann auch konsequent durch alle Kapitel. Die differenzierte Entwicklung eines „Analysegerüsts“ für ein sowohl betriebswirtschaftlich als auch ethisch verantwortetes Arbeitsplatzmanagement beruht dann vor allem auf vier differenzierten und weiterführenden Unterscheidungskriterien: a. auf der Unterscheidung differierender normativer Bewertungskriterien (auf der Begründungsebene), b. der Differenzierung unterschiedlicher Fälle der Wahrnehmung und Bewertung der in der Managemententscheidungssituation empirisch realen Interessen (Stichwort: „moralischer Realismus“), c. der Unterscheidung zweier arbeitsplatzbezogener Fehlschlüsse, nämlich eines „Fallacy of Misplaced Concreteness“ und eines „Fallacy of Disregarded Abstractness“ (vor allem auf der Anwendungsebene) d. sowie der Unterscheidung zwischen „tragischen“ (dilemmatischen) und „nichttragischen“ Freisetzungssituationen, wobei wiederum zwischen „tragischen Freisetzungssituationen ersten Grades“ und „tragischen Freisetzungssituationen zweiten Grades“ differenziert wird. Das vorliegende Buch von CHRISTOPH WAGNER ist der Auftakt der Reihe „Studien zur Ethik der Transaktion“. Die Reihe geht von der mikroanalytischen Annahme aus, dass polydimensionale „Transaktionen“ die Wirklichkeit der Wirtschaft verkörpern. Spielregeln bleiben so lange abstrakt, bis sie in konkreten Transaktionen wirkliche Realität gewinnen. Welchen moralökonomischen Anforderungen die konkreten Transaktionen in Bezug auf das Arbeitsplatzmanagement grundlegend zu genügen haben, wird in der Arbeit mustergültig herausgearbeitet. Ich freue mich über diesen bemerkenswerten Auftakt der Reihe zur „Ethik der Transaktion“. MICHAEL SCHRAMM (im März 2019)

Inhaltsverzeichnis 1

Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit ............................ 1

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Der übergeordnete Theorierahmen zur Beschreibung und Analyse arbeitsplatzbezogener Fragen: Aspekte der (Business) Metaphysics ............................................................................ 19

3 Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit ............ 31 3.1 Ethik, Arbeit und Unternehmen im Dienste eines guten Lebens ..................................................................................................... 31 3.1.1 Grundlegende Zusammenhänge .................................................. 32 3.1.2 Verhältnis von Arbeit und Identität ............................................. 38 3.1.3 Arbeitsplatzschaffung zwischen gesellschaftlicher Aufgabe und ökonomischen Handlungsrestriktionen .................. 42 3.2 Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag ..................................... 51 3.2.1 Einbettung des Arbeitsverhältnisses in einen Rahmen juristischer Institutionen ................................................ 52 3.2.2 Unvollständigkeit von Arbeitsverträgen ...................................... 57 3.2.3 Wandel im Verständnis des psychologischen Arbeitsvertrags ............................................................................ 69 3.3 Anknüpfungspunkte zwischen unvollständigen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen .......................................... 77 3.3.1 „Relevante arbeitsplatzbezogene Inkonsistenzen“ und deren Auswirkungen auf die Akzeptanz des Wirtschaftssystems ...................................................................... 78 3.3.2 Ethische Ambivalenz von Standortverlagerungen ....................... 89 3.3.3 Governance unvollständiger Verträge als Kernanliegen der Unternehmens- und Managementethik ................................ 104 3.3.4 Moralökonomische Kontingenz................................................. 113 3.3.5 Theorie moralischer Interessen und Anreize ............................. 119 3.3.5.1 Theorie moralischer Interessen .................................. 119 3.3.5.2 Theorie moralischer Anreize ...................................... 126 3.3.5.3 Aktivierung moralischer Anreize ............................... 129

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Inhaltsverzeichnis

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Der Moral Point of View: Normative Ethiktheorien als inhaltliche Leitlinien einer Managementethik ..................................... 141 4.1 Drei Ebenen bei der Umsetzung des Moral Point of View.................... 142 4.1.1 Grundsätzliche Begründungsebene ........................................... 143 4.1.2 Fallbezogene Anwendungsebene............................................... 147 4.1.3 Aktuale Implementierungsebene ............................................... 156 4.2 Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler ..................... 161 4.2.1 RAWLSsche Gerechtigkeitstheorie ............................................. 162 4.2.2 Utilitaristische Ethik .................................................................. 169 4.2.2.1 Annahmen und Grundprinzipien des klassischen Utilitarismus ............................................ 169 4.2.2.2 Utilitarismus von HARSANYI ...................................... 176 4.2.3 Abgrenzung zwischen (Regel-)Utilitarismus von HARSANYI und kategorischem Imperativ von KANT ................. 181 4.3 Befähigungsansatz (Capability Approach) von SEN.............................. 189 5

Der Economic Point of View: Shareholder-Value- vs. Stakeholder-Ansatz ................................................................................ 203 5.1 Shareholder-Value-Ansatz .................................................................... 204 5.1.1 Ökonomische „Ethik“ hinter dem ShareholderValue-Ansatz am Beispiel von FRIEDMAN ................................ 206 5.1.2 Ökonomische „Ethik“ hinter dem ShareholderValue-Ansatz am Beispiel von WENGER ................................... 216 5.2 Stakeholder-Ansatz ............................................................................... 222 5.2.1 Grundlegende Zusammenhänge ................................................ 222 5.2.2 Die Unternehmensführung im Mittelpunkt: Stakeholder-Ansatz nach FREEMAN........................................... 227 5.3 Wie tickt der Stakeholder „Gesellschaft“? ............................................ 231 6

Die aus managementethischer Sicht (arbeitsplatz-)relevanten Standardaufgaben entlang des Mitarbeiterflusssystems im Personalmanagement ............................................................................. 241 6.1 Strategische Personal(-bedarfs-)planung als Voraussetzung für integre arbeitsplatzbezogene Entscheidungen ....................................... 243 6.1.1 Grundlagen der Personalplanung ............................................... 243 6.1.2 Teilbereiche der Personalplanung .............................................. 255 6.1.3 Notwendigkeit einer strategischen Personalplanung ................. 261 6.2 Bereich Personalentwicklung ................................................................ 267 6.2.1 Ablauf der Personalentwicklung ................................................ 267

Inhaltsverzeichnis

6.3

IX

6.2.2 Maßnahmen der Personalentwicklung entlang des Lebenszyklus des Mitarbeiters .................................................. 272 6.2.3 Ziele der Personalentwicklung aus Sicht des Unternehmens und der Mitarbeiter ............................................ 278 Bereich Personalfreisetzung .................................................................. 281 6.3.1 Grundlagen der Personalfreisetzung .......................................... 282 6.3.2 Maßnahmen der antizipativen Personalfreisetzung ................... 291 6.3.3 Maßnahmen der reaktiven Personalfreisetzung ......................... 302 6.3.4 Fragen der Schuld und Gerechtigkeit im Kontext von Entlassungen ....................................................................... 316 6.3.4.1 Zur Schuldfrage bei Entlassungen: Abgrenzung der Begriffe „Verantwortung“ und „Schuld“ .............................................................. 316 6.3.4.2 Einflussfaktoren auf die Gerechtigkeitswahrnehmung von Entlassungen ................................ 329

7 Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz ....................................... 339 7.1 Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen: Makroorientierte Managementethik .................................................................................. 340 7.1.1 Ordnungsethik und Gefangenendilemma als methodische Ausgangsbasis der ordonomischen Managementethik nach PIES ET AL. ........................................... 341 7.1.2 Aufbau der ordonomischen Managementethik .......................... 345 7.1.3 Kritische Anmerkungen zur ordonomischen Managementethik ...................................................................... 356 7.1.4 Zum Ableitungsmechanismus zwischen Regeln und Gerechtigkeit bei BUCHANAN ............................................. 368 7.2 Arbeitsplatzbezogene Kontingenzsituationen: Mikroorientierte Managementethik ....................................................... 379 7.2.1 Transaktionskostenökonomik als zentraler ökonomischer Ansatz im Zusammenhang mit der Transaktion .......................................................................... 380 7.2.1.1 Transaktionen und Transaktionskosten ...................... 380 7.2.1.2 Annahmen über das Verhalten der involvierten Transaktionsakteure und die Charakteristika der Transaktion ........................... 383 7.2.2 Kritische Anmerkungen zur Transaktionskostenökonomik vor dem Hintergrund eines polydimensionalen Transaktionsverständnisses ........................ 393 7.3 Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik ..................... 398

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Inhaltsverzeichnis 7.3.1 Traditionelles Konzept der Tugend ........................................... 399 7.3.2 Reine vs. differenzierte Tugendethik ......................................... 403 7.3.3 WIELANDs Governanceethik als differenzierte anwendungsrelevante und polylinguale - Tugendethik ............. 408 7.3.4 Zusammenfassung ..................................................................... 424 7.3.4.1 Reproduktion der vier GovernanceFaktoren in der wirklichen Transaktion ..................... 424 7.3.4.2 Die Transaktion im Mittelpunkt: Stakeholder-Ansatz nach SCHRAMM und WIELAND als Ergänzung zu FREEMAN ....................... 427

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Managementethische Analyse ausgewählter arbeitsplatzbezogener Transaktionen .................................................. 441 8.1 Entwicklung des zugrunde liegenden metaphysischen und ethischen Analysegerüsts................................................................ 442 8.1.1 Identifizierung normativer Bewertungskriterien auf der Begründungsebene ........................................................ 444 8.1.2 Einordnung von Anwendungs- und Implementierungsebene in die Konzeption eines moralischen Realismus ..................................................... 446 8.1.3 Arbeitsplatzbezogene Fehlschlüsse („Fallacies“) ...................... 457 8.1.3.1 „Fallacy of Misplaced Concreteness“ und „Fallacy of Disregarded Abstractness“ ...................... 458 8.1.3.2 Abgrenzung zwischen Abwägungen und Fehlschlüssen ............................................................. 465 8.2 Bereich Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung aus managementethischer Sicht ................................................................... 475 8.2.1 Darstellung der Zusammenhänge auf der Begründungsebene .................................................................... 476 8.2.2 Managementethische Analyse auf der Anwendungsund Implementierungsebene ...................................................... 487 8.2.2.1 Grundlegende Zusammenhänge ................................. 489 8.2.2.2 Zweiteilung des Arbeitsmarktes in systematische Arbeitsmarktgewinner und -verlierer .............................................................. 493 8.2.2.3 Zusammenführung der Ergebnisse und managementethische Analyse .................................... 503 8.2.3 Grenzen des ökonomischen Transaktionskostenansatzes in Bezug auf personalentwicklungsbezogene Fragen ........................................................................ 520

Inhaltsverzeichnis 8.3

9

XI

Bereich Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung diverser Strategien unter Beachtung der zugrunde liegenden Situationskonstellation .......................................................................... 525 8.3.1 Darstellung der Zusammenhänge auf der Begründungsebene .................................................................... 526 8.3.2 Managementethische Analyse auf der Anwendungsund Implementierungsebene ...................................................... 529 8.3.2.1 Tragische Freisetzungssituationen zweiten Grades ........................................................... 531 8.3.2.2 Tragische Freisetzungssituationen ersten Grades sowie nichttragische Situationen ................................................................. 540 8.3.2.3 Zusammenführung der Ergebnisse und managementethische Analyse .................................... 549 Zusammenfassung und Fazit ................................................................ 579

Literaturverzeichnis .......................................................................................... 593

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21:

Gang der Untersuchung .......................................................... 11 Die Ebene des Konkreten bzw. Wirklichen ............................ 22 Verhältnis von Ethik, Arbeit und Unternehmen ..................... 33 Arbeitsplatzfrage auf der VWL-Ebene (grau) und BWL-Ebene (dunkelgrau) ...................................................... 48 Institutionelle Einbettung des Arbeitsvertrags ........................ 54 Prinzipal-Agent-Probleme zwischen Arbeitgeber und -nehmer ............................................................................ 64 Traditioneller vs. neuer psychologischer Arbeitsvertrag ......................................................................... 73 Arbeitsplatzbezogenes Vertrauensmanagement (Übersicht) .............................................................................. 80 Ökonomische und moralische Interessen im Economic Approach ............................................................. 124 Anreizmatrix ......................................................................... 127 Anreizmatrix im Arbeitsplatzmanagement ........................... 133 Perspektivenvergleich Management vs. einzelner Arbeitnehmer ........................................................................ 136 Ethische Stückwerktechnologie (Ebene 1: Begründungsebene) .............................................. 146 Ethische Stückwerktechnologie (Ebene 2: Anwendungsebene) .............................................. 149 Ethische Stückwerktechnologie (Ebene 3: Implementierungsebene) ...................................... 158 Alternativen im Gleichwahrscheinlichkeitsmodell: Kapitalismus und Sozialismus .............................................. 177 KANTische Ethik und Utilitarismus von HARSANYI Überschneidung und Abgrenzung ........................................ 182 Arbeitsplatzschaffung und -abbau nach der ökonomischen Ethik des ShareholderValue-Ansatzes ..................................................................... 219 Planung, Realisation und Kontrolle als zusammenhängende Phasen im Führungsprozess ................ 247 Quantitative Ermittlung des Nettopersonalbedarfs ............... 257 Einbindung der Personalplanung in das Planungssystem des Gesamtunternehmens ........................... 264

XIV Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28: Abbildung 29: Abbildung 30: Abbildung 31: Abbildung 32: Abbildung 33: Abbildung 34: Abbildung 35: Abbildung 36: Abbildung 37: Abbildung 38: Abbildung 39: Abbildung 40: Abbildung 41: Abbildung 42: Abbildung 43:

Abbildungsverzeichnis Ablauf der Personalentwicklungsplanung ............................ 269 Doppelter Zielcharakter der Personalentwicklung ............... 279 Attributionsschema ............................................................... 317 Arbeitsplatzdilemma im Basisspiel des operativen Managements ...................................................... 343 Verhältnis von Gewinnstreben und Moral: Tradeoff vs. orthogonale Positionierung .............................. 347 Unternehmensethische Kompetenzen für das strategische Management korporativer Akteure ................... 349 Ableitungsmechanismus „Regeln → Gerechtigkeit“ (Status quo in t0) ................................................................... 371 Ableitungsmechanismus „Gerechtigkeit → Regeln“ (Status quo in t0) ................................................................... 372 Ableitungsmechanismus „Gerechtigkeit → Regeln“ (Status quo in t1) ................................................................... 374 Managementethischer Graubereich in realen Beschäftigungstransaktionen ................................................ 378 Zuordnung von Vertrags- zu Transaktionstypen in Abhängigkeit vertragsrelevanter Eigenschaften ................... 390 Nutzenmöglichkeitskurve ..................................................... 405 Tradeoff zwischen Shareholder-Value-Steigerung und Arbeitsplatzabbau .......................................................... 407 Selbst- und Fremdbindungsmechanismen in der Governanceethik ................................................................... 409 Transaktionsbezogener Stakeholder-Ansatz in Anlehnung an die Governanceethik ..................................... 429 Transaktionsbezogener Stakeholder-Ansatz aus der Akteurs-Perspektive ............................................................. 430 Einflusspotenzial der außerhalb des Kooperationsteams liegenden „Köche“ auf T(m) ................. 437 Normative Bewertungskriterien auf der Begründungsebene ............................................................... 444 Zusammenhänge in der Konzeption eines moralischen Realismus ......................................................... 449 Spannungsfeld zwischen „FoMC“ und „FoDA“ .................. 465 Arbeitsmarktbefähigung nach dem Leitbild des Befähigungsansatzes und Subsidiaritätsprinzips (ideales Grundschema der Begründungsebene) .................... 480 Szenariounterscheidung auf der Anwendungsund Implementierungsebene ................................................. 511

Abbildungsverzeichnis

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Abbildung 44: Ethische Perspektive vs. Transaktionskostenökonomik im Kontext der Personalentwicklung .................. 522 Abbildung 45: Arbeitsplatzmanagement im Falle tragischer Entscheidungssituationen zweiten Grades ............................ 534 Abbildung 46: Arbeitsplatzmanagement im Falle tragischer Entscheidungssituationen ersten Grades............................... 541 Abbildung 47: Überblick über die Szenarioanalyse ..................................... 552 Abbildung 48: „Fallacy“-Übersicht (Zuordnung) ......................................... 572 Abbildung 49: „Fallacy“-Übersicht (aufeinanderprallende Fehlschlüsse) ........................................................................ 575

1. Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit In diesem ersten Kapitel, der Einleitung, werden einige überblicksartige Erläuterungen zur (1) Problemstellung, zur (2) Zielsetzung sowie zum (3) Aufbau der Arbeit gegeben. (1) Problemstellung Warum schaffen Unternehmen Arbeitsplätze? Ist die Verpflichtung gegenüber den momentan Beschäftigten größer als gegenüber potenziellen neuen Mitarbeitern im In- oder Ausland? Damit verbunden, sobald Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssen: Wie sollte mit betriebsbedingten Kündigungen verfahren werden? Solche (Gerechtigkeits-)Fragen zeigen, dass arbeitsplatzbezogene Probleme und eine damit verbundene Ethik des „Arbeitsplatzmanagements“1 zentrale Themen unserer Zeit darstellen, welche (ähnlich wie Korruptionsskandale oder betrügerische Geschäftsmethoden, man denke an die systematische Manipulation von Abgaswerten in der deutschen Automobilindustrie) in den journalistischen Medien (in den Fernsehnachrichten, in Tageszeitungen, im Radio usw.) stark thematisiert und auch in der Öffentlichkeit kontrovers und, je nach persönlicher Betroffenheit, zum Teil emotional debattiert werden2. Ob oder inwiefern die betreffenden Probleme bzw. Themen dabei explizit von ihrer ethischen Dimension her wahrgenommen (ob sie also als dezidiert ethische Probleme gesehen) werden, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist zunächst nur, dass es sich um (im engeren oder weiteren Sinne) moralisch heikle Bereiche handelt, die eventuell auch Anlass zu Kritik und Skepsis bieten oder aber zumindest zu Grundsatzdiskussionen darum führen, was Unternehmen erlaubt sein sollte und was nicht (oder was sich gehört und was sich nicht gehört).

1

2

Der Begriff des „Arbeitsplatzmanagements“ wird in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur kaum verwendet, und wenn doch, dann mit einem Fokus auf inhaltliche Funktionen, die technische Ausstattung oder organisationale, räumliche und gesundheitliche Aspekte von Arbeitsplätzen. Im vorliegenden Kontext wird der Begriff in einem Sinne benutzt, der primär auf die Schaffung, den Erhalt und Abbau von Arbeitsplätzen abzielt. Vgl. PIES (2005), S. 355.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Wagner, Managementethik und Arbeitsplätze, Studien zur Ethik der Transaktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26382-9_1

2

Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Obwohl sich der Arbeitsmarkt in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern relativ stabil präsentiert3, sollte nicht übersehen werden, dass sich die Arbeitslosenzahl hierzulande - in absoluten Zahlen betrachtet - dennoch auf einem hohen Niveau befindet. Während 2017/ 2018 im Durchschnitt rund 2,3 Millionen Menschen arbeitslos waren, waren es 1970 nur rund 150.000 (was grob einem Fünfzehntel entspricht). Dass diese drastische Entwicklung in der Gesellschaft keinen größeren Widerstand hervorruft oder hervorgerufen hat, dürfte teilweise damit zu erklären sein, dass sich große Teile der Gesellschaft und Politik an den (von der Sache her weiterhin unhaltbaren) Zustand eines erhöhten Arbeitslosenniveaus gewöhnt haben. In jedem Fall wäre es eine verkürzte Denkweise, anzunehmen, die arbeitsplatzbezogenen Problemfelder, welche im Verlauf der Arbeit aufgegriffen und beleuchtet werden, seien derzeit im öffentlichen Bewusstsein gar nicht brisant. Dass dem nicht so ist, wird bereits daran ersichtlich, dass kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendein Unternehmen Entlassungen oder vergleichbare Vorgänge verkündet und darüber medial berichtet wird. Aktualität und Relevanz erfährt das Thema gleichzeitig dadurch, dass sich der Arbeitsmarkt im Vergleich zu früher deutlich flexibilisierter präsentiert und immer mehr Menschen von atypischer und prekärer Beschäftigung betroffen sind. Eine Konsequenz hieraus ist wiederum, dass ein zunehmender Teil der Erwerbstätigen trotz Erwerbstätigkeit armutsgefährdet und, hiermit zusammenhängend, einer permanenten, erhöhten psychischen Belastung ausgesetzt ist. Schon vor diesem Hintergrund zeigt sich, wie wichtig es ist, ethische Überlegungen darüber anzustellen, wie der heutige flexibilisierte Kapitalismus unter dem Aspekt der Sozialverträglichkeit bzw. Integrität zweckmäßigerweise ausgestaltet werden sollte. Speziell mit Blick auf arbeitsplatzbezogene Fragen ist hierbei zu berücksichtigen, dass sich die Befürworter und Gegner bestimmter Ansichten des Öfteren im Sinne einer generellen - und, wie noch erläutert wird: auf metaphysischen Ursachen beruhenden - Systemdebatte mehr oder weniger unvereinbar und unversöhnlich gegenüberstehen, was eine sachliche Diskussion der Probleme erschwert. Während die eine Seite, vereinfacht und zugespitzt formuliert, eine genuin unternehmerische Verpflichtung darin sieht, um jeden Preis Arbeitsplätze zu schaffen und zu

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Die durchschnittliche Arbeitslosenquote lag in der Eurozone im Juni 2018 bei 8,3 %, in Deutschland bei 3,4 % (zum Vergleich Griechenland: 20,2 %; Spanien: 15,2 %; vgl. Eurostat 2018). Dass viele Menschen hierzulande in Arbeit gebracht werden konnten, wird auch daran deutlich, dass sich die Arbeitslosenquote in Deutschland zwischen 2005 und 2018 ungefähr halbiert hat.

Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

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sichern (wodurch Erinnerungen an die Planwirtschaft der ehemaligen DDR hervorgerufen werden), sieht die andere Seite Arbeitsplätze als ein Abfallprodukt der Marktkonkurrenz an, wohingegen alles andere, sprich ein integrer, sozial verantwortlicher Umgang mit arbeitsplatzbezogenen Belangen, einem Sozialismus gleichkommen und das Marktsystem empfindlich schädigen würde. Beide Sichtweisen bzw. Argumentationsmuster, die streng moralische (moralistische) und streng ökonomische (ökonomistische), müssen in eine managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Fragen einfließen, da sie einerseits zwar (isoliert betrachtet) von der zugrunde liegenden Logik her nicht verkehrt und für moralökonomische Bewertungen bedeutend sind, zugleich aber den Gedanken der Polydimensionalität der empirischen Realität unzulässigerweise verkürzen. Insofern liegt nahe, dass die arbeitsplatzbezogene Wirklichkeit, so sie sich in ihrer metaphysischen Komplexität überhaupt greifen lässt, irgendwo zwischen den Extremen liegen muss. Jedenfalls aber handelt es sich bei arbeitsplatzbezogenen Fragen um wichtige, präsente Themen, welche zu derartigen Grundsatzdebatten (über Marktwirtschaft, Konkurrenz, Planwirtschaft, Sozialismus usw.) einladen und verwendet werden. Sicher ist zudem, und auch darauf wird noch einzugehen sein, dass es nur wenige Themen bzw. Ereignisse gibt (zwei andere Beispiele wurden oben erwähnt), die den Ruf der Unternehmen und (Markt-)Wirtschaft generell so schädigen, als wenn Unternehmen Stellen abbauen und/ oder ins Ausland verlagern4. Das gilt umso mehr, wenn zugleich hohe Gewinne gemacht werden5, es viele Betroffene gibt, das Unternehmen sich aus Sicht der Beteiligten oder der Öffentlichkeit nicht genügend um Betroffene kümmert, keine aktive (offene, aufklärende) Informationspolitik betrieben wird oder sich das Management gleichzeitig „die Taschen vollstopft“, um eine gängige (ebenfalls überspitzte) Formulierung zu gebrauchen. Ähnlich wie die Bereiche Gesundheit und Bildung werden arbeitsplatzbezogene Fragen zudem gerne von der Politik aufgenommen, da es sich um publikumswirksame (Wahl-)Themen handelt, welche beinahe jeden Menschen in irgendeiner

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„In Deutschland wird die Sozialverantwortung von Unternehmen zuallererst danach beurteilt, wie sie mit ihren Mitarbeitern umgehen“ (GAZDAR 2006, S. 61). In diese (moralisierende) Richtung argumentiert etwa THIELEMANN (2009, S. 1f.): „Nicht etwa „trotz“ guten Geschäftsgangs, wie man sich in der Öffentlichkeit im Kern durchaus zu Recht beklagte, sondern gerade um der (weiteren) Gewinnsteigerung bzw. um der Erhöhung des Shareholder Value willen haben Unternehmen Entlassungen ausgesprochen, die Arbeit verdichtet, überhaupt den Beschäftigten Zugeständnisse abgerungen“.

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Form berühren und über die jeder mitreden kann, ohne vorab im Detail informiert zu sein. Genau hierin liegt eine markante Besonderheit arbeitsplatzbezogener Problemfelder: Menschen erfahren von ihnen auch, aber nicht nur aus den Medien, so wie es etwa bei (Umwelt-)Katastrophen, Anschlägen, Lebensmittelskandalen, Themen wie Kinderarbeit o. Ä. in der Regel der Fall ist. Kein Mensch, auch wenn er noch so gut ausgebildet, erfahren, leistungs- und mobilitätsbereit ist, kann völlig ausschließen, irgendwann (unter Umständen sogar wiederholt) von den negativen Folgen arbeitsplatzbezogener Entscheidungen betroffen zu sein, sei es direkt (persönlich), indem er den eigenen Arbeitsplatz verliert (oder sich dem Risiko eines Arbeitsplatzverlustes ausgesetzt sieht), oder indirekt, indem der Partner, die Eltern, Kinder oder nahestehende Freunde ihre Stelle verlieren. Daher handelt es sich bei arbeitsplatzbezogenen Fragen, gerade wenn es um den Arbeitsplatzverlust geht, um Themen von anhaltendem Interesse in der Öffentlichkeit (und keine rein medienvermittelten Themen, welche erst durch mediale Reize aktiviert werden müssen, um als relevant (an-)erkannt zu werden)6. Angesichts dessen erhoffen sich auch die Parteien und Politiker, mit arbeitsplatzbezogenen Themen und Argumentationsstrategien eine gewisse Grundaufmerksamkeit auf sich zu ziehen und Wählergruppen auf ihre Seite zu bekommen. Dennoch, und dieser Punkt verwundert, wenn man sich die Präsenz des Themas vor Augen führt, werden ethische Aspekte arbeitsplatzbezogener Fragen von der wissenschaftlichen Seite bislang eher wenig und schon gar nicht umfassend und übergreifend behandelt7. In der betriebswirtschaftlichen Literatur zum Personal-

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Oder mit den Worten von HERKNER (1991, S. 309): Arbeitsplatzbezogene Themen zeichnen sich durch eine „chronische Zugänglichkeit“ aus, da man wegen ihrer besonderen persönlichen Bedeutung immer wieder an sie denkt oder an sie denken sollte. Das gilt umso mehr für jene Arbeitnehmer, die zu den Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt zählen und mit der Gefahr konfrontiert sind, ihre Stelle schnell (erneut) zu verlieren. Für sie ist der Gedanke an einen Jobverlust oft so belastend, dass es ihnen schwerfällt, darüber nachzudenken oder mit anderen darüber zu sprechen. Infolgedessen sind sie eher geneigt, arbeitsplatzbezogene Ängste vor sich herzuschieben. Zu einer ähnlichen, auf den Bereich der US-amerikanischen Business Ethics bezogenen Einschätzung kommt ORLANDO (2003, S. 32): “A survey of contemporary business ethics literature leads one to believe that the primary ethical questions facing businesses today concern topics such as affirmative action, sexual harassment, and the environment. While these are without a doubt weighty concerns, many workers, especially manufacturing workers, would place corporate downsizing - the closing of whole plants or divisions in order to increase profits - at the head of their list of ethically contentious business practices. Though the issue has provoked considerable debate in the popular press, the philosophical community has largely ignored it. This oversight is curious given that downsizing is arguably the major business trend of our era”. Das Zitat zeigt zugleich,

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management werden vielfältige handwerkliche Instrumente (Maßnahmen, Methoden usw.) entlang des Mitarbeiterflusssystems abgehandelt, welche in Unternehmen (situationsabhängig und unter Beachtung arbeitsrechtlicher und tarifvertraglicher Vorschriften) zum Einsatz kommen können. Dieses wissenschaftlich fundierte methodische Instrumentarium bildet eine essenzielle Grundlage für (ethische) Auseinandersetzungen mit (und die konkrete Umsetzung von) arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen, wobei für eine Ethik des Arbeitsplatzmanagements, jedenfalls in Bezug auf den hier verfolgten Untersuchungsschwerpunkt, nicht alle Bereiche bzw. Instrumente gleichermaßen relevant erscheinen (so werden z. B. durch den Bereich der Personalfreisetzung in stärkerem Maße moralisch heikle Fragen tangiert als durch den der Personalgewinnung oder des Personaleinsatzes). Zentrale Gründe hierfür werden noch eingehend dargelegt. Für die spezifische Fragestellung einer Ethik des Arbeitsplatzmanagements existieren aber in der wirtschafts- und unternehmensethischen Literatur bisher keine allgemeinen und integrativen Ansätze, welche eine umfassende Beziehung zwischen der (dazu noch mikroorientierten) Managementethik und der Arbeitsplatzfrage im Allgemeinen (also insbesondere der Schaffung, dem Erhalt und Abbau von Arbeitsplätzen) herstellen. Hierzu finden sich lediglich einzelne Aufsätze 8 sowie zumeist kurze, verstreute und punktuelle Äußerungen und Andeutungen in Büchern, Aufsätzen oder Zeitungsartikeln, die sich im engeren oder weiteren Sinne mit Teilaspekten zur Thematik, vorrangig aus dem Bereich des Stellenabbaus, befassen, ohne dabei aber die Arbeitsplatzfrage in ihrer Gesamtheit zu sehen, sie in ein metaphysisches Theoriegerüst oder eine wie auch sonst geartete ganzheitlich-integrative theoretische Konzeption einer Managementethik einzubinden9.

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dass es sich bei dem in der Arbeit betrachteten Phänomen um kein auf Deutschland beschränktes, sondern ein allgemeines (weltweites) Phänomen handelt. Ähnlich LAFER (2005, S. 274f.): “The curiosity is that, for all the relevance these topics would seem to hold, the academic field of workplace ethics seems to attract few readers and little enthusiasm” (ebd., S. 275). Vgl. auch RYDELL/ WIGBLAD (2012), S. 144. Vgl. EURICH/ BRINK (2003); FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010b); HAUSMANN (2001); KIESELBACH (2001); KIRCHGÄSSNER (1998); NOLL (2012); NOLL (2009); ROTHE (2007); SCHRAMM (2008c); STRUCK/ KRAUSE/ PFEIFER (2008); SCHRÖDER (2013). Vgl. LIN-HI (2009), S. 1ff., 44, 87, 107, 125, 151; LIN-HI (2011), S. 8ff.; LIN-HI/ SUCHANEK (2011), S. 83f.; LÜTGE (2012), S. 76ff.; PALAZZO (2006), S. 5f.; THIELEMANN (2009), S. 1ff., 5, 7f.; THIELEMANN/ ULRICH (2009), S. 45ff.; WIELAND (1996), S. 6f.; THIELEMANN (2011), S. 3, 6f., 9ff.; THIELEMANN (1996), S. 303; NAEF (2010), S. 49f.; KARMASIN (1996), S. 332ff.; DIETZFELBINGER (2015), S. 52, 55, 124, 137f., 188, 207f., 220f.; AßLÄNDER (2009), S. 54; SCHIEL (2014), S. 1ff.; HOMANN (2007), S. 13; PIES (2005), S. 355; PIES (2011), S. 15; SUCHANEK (2015), S. 76, 182, 238, 285; THIELEMANN/ WEIBLER (2007), S. 184, 189f.; WIEMEYER (1988), S. 221f.; HOMANN (2002d), S. 29; HOMANN (2014), S. 5, 7.

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Weshalb der spezifische Themenbereich einer Ethik des Arbeitsplatzmanagements in der ethischen Forschung bislang nur vergleichsweise wenig Beachtung fand, lässt sich nicht sicher sagen. Eine mögliche Begründung dafür könnte in der bereits oben angedeuteten Tatsache liegen, dass viele arbeitsplatzbezogene Entscheidungen in einem Spannungsfeld zwischen strategisch-ökonomischen Erfordernissen (Nutzenerwägungen usw.) und ethisch-moralischen Grundsätzen (Anforderungen, Prinzipien usw.) stehen. Dadurch ist das Risiko gegeben, sich durch gewisse Positionierungen bei mindestens einer der am jeweiligen Konfliktfall beteiligten Parteien, die in der Regel entweder eher dem Kreis der Arbeitgeber (z. B. Führungskräfte, Unternehmer, Arbeitgeberverbände, Ökonomen, Banken) oder Arbeitnehmer (z. B. Beschäftigte selbst, Arbeitslose, Betriebsräte, Gewerkschaften, Öffentlichkeit, Ethiker, Theologen) zugehörig sind oder nahestehen, „unbeliebt“ (unpopulär) zu machen10. Zu bedenken ist ferner, dass bei den meisten arbeitsplatzbezogenen Problemen wegen der Polydimensionalität der Wirklichkeit keine Best-Practice-Lösungen zur Verfügung stehen (dazu weiter unten mehr), so wie sie typischerweise von wirtschaftsethischer Seite her identifiziert und untersucht werden. Gleichzeitig erweisen sich die von kapitalismuskritischen und diskursanalytischen Ethikern für gewöhnlich vorgebrachten Verweise auf bestehende Ungerechtigkeiten, Ungleichheiten und andere Übel des kapitalistischen Arbeitssystems, mit denen die existierende Chaotik und Ungeordnetheit des betrachteten Forschungsfeldes gleichermaßen übergangen wird, als ebenso wenig weiterführend. Allerdings, und darauf wird bereits im folgenden Kapitel näher eingegangen, erscheint eine Wahrnehmung eben dieser „messiness” von höchster Notwendigkeit, um arbeitsplatzbezogene Probleme in realistischer Weise erkennen und weiter analysieren zu können. (2) Zielsetzung Die vorliegende konzeptionelle ethische Arbeit leistet allgemein einen Beitrag zum Abbau des Forschungsdefizits im Bereich der ethischen Hinterfragung, Bewertung und Gestaltung arbeitsplatzbezogener Problemfelder im Management. Sie will zeigen, wie eine fruchtbare Verknüpfung zwischen elementaren arbeitsplatzbezogenen Fragen, welche den konkreten thematischen Aufhänger bzw. sach-

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Eine ähnliche Vermutung äußert ORLANDO (2003, S. 46): “Why has the philosophical community ignored the issue of corporate downsizing? Perhaps this is due to the perception that challenges to the practice would strike at the heart of the free market system, and thus would likely emanate from a Marxist, or other similarly passé philosophical systems”.

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lichen Gegenstandsbereich bilden, und der (Management-)Ethik hergestellt werden kann. Dabei deutet sich bereits im Titel ein erster konzeptioneller Schwerpunkt der Untersuchung an, dem (auch umfangmäßig) ein erheblicher Teil der Ausarbeitungen gewidmet ist: Zum einen die Frage, wie sich die Managementethik als Teilbereich der Wirtschaftsethik generell in die Konzeption eines moralischen Realismus, welche selbst wiederum eine Konkretisierung der Metaphysik des Universums (spezifischer: der Business Metaphysics) darstellt, einbetten lässt. Zum anderen, damit direkt verbunden, wie eine managementethische Konzeption vor dem Hintergrund des übergeordneten metaphysischen Analyse- und Theoriegerüstes, das in der Arbeit sukzessive aufgezeichnet wird, sinnvollerweise theoretisch-konzeptionell zu entwickeln, aufzubauen, zu präzisieren und zu realisieren ist, um zu einem - allgemein sowie speziell zur Bearbeitung und Analyse arbeitsplatzbezogener Probleme - beherrschbaren, praxistauglichen und doch wissenschaftlich fundierten Ansatz zu gelangen. Dabei wird im Laufe der Arbeit sowohl auf den Makro- als auch den Mikroansatz der Managementethik eingegangen, wobei vom Rahmenkonzept her von einem Mikroansatz ausgegangen wird, der, anders als der Makroansatz, den Hebel nicht an den (arbeitsrechtlichen) Spielregeln der Gesellschaft, sondern bei den einzelnen (Arbeitsplatz-)Transaktionen im Managementalltag ansetzt (daran also, was wirklich geschieht). Die darauf aufbauende Frage nach der Verknüpfung von Arbeitsplatzmanagement und Managementethik kann erst dann sinnvoll angegangen werden, wenn vorab klargestellt ist, und damit ist ein systemisches Ergebnis der Arbeit vorweggenommen, dass es bei arbeitsplatzbezogenen Problemen und einer Ethik des Arbeitsplatzmanagements aufgrund der Komplexität der Thematik keinen Königsweg (und keine Standardlösungen) gibt, mit dem (denen) sich alle alltäglichen Probleme im betrachteten Bereich in Wohlgefallen auflösen lassen oder mit dem (denen) die Interessen aller Seiten vollumfänglich berücksichtigt oder gar verwirklicht werden können11. Vielmehr handelt es sich um ein heterogenes Problemfeld, in dem, wie es bei managementethischen Betrachtungen im Allgemeinen der Fall ist, ein andauerndes Vor und Zurück, ein beständiges „Hauen und Stechen“ und ein fortwährender Abwägungsbedarf vorherrscht. Das vorrangige übergeordnete Ziel der Arbeit kann es daher nur sein, das beschriebene heterogene Problemfeld 11

Es lassen sich keine klaren, immer und überall anwendbaren „Kochrezepte“ erarbeiten, mit denen auf einen Schlag ausreichend viele (bestenfalls noch attraktive) Arbeitsplätze verfügbar sind, mit denen sich alle Entlassungen verhindern oder in höchstem Maße sozialverträglich durchführen lassen.

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greifbarer zu machen und die Ambivalenz seiner Beziehungen aufzuzeigen. Wie im Laufe der Untersuchung noch deutlich werden wird, ist die arbeitsplatzbezogene Wirklichkeit durch eine plurale Situationslandschaft gekennzeichnet, in der je nach Situationstyp und -konstellation ein abweichendes Vorgehen angezeigt sein kann. Was vor Ort im Unternehmen in der einen Situation moralisch richtig oder angemessen ist, kann in der anderen Situation oder in einem anderen Unternehmen falsch oder unangemessen sein, da die zugrunde liegenden Voraussetzungen und Rahmenbedingungen (z. B. die Größe, Branche, finanzielle Situation, Mitarbeiter- und Eigentümerstruktur des Unternehmens; die Ursachen, das Ausmaß, der zeitliche Vorlauf oder die Ausgestaltung der betreffenden arbeitsplatzbezogenen bzw. personellen Maßnahme; der spezifische Hintergrund der Betroffenen) anders sind. Bedingt durch die Polydimensionalität und „messiness” arbeitsplatzbezogener Probleme kann es folglich in den meisten Fällen keine eindeutigen oder abschließenden (Markt-)Lösungen geben, so wie es zumindest vom Prinzip her in manchen anderen Gebieten (etwa bei der Ausgabe von Emissionszertifikaten für Luftverschmutzung) der Fall ist12. Im Rahmen der Arbeit werden deshalb auch diverse unternehmensübergreifende Ursachen diskutiert, die mit ursächlich dafür sind, dass bei der vorliegenden Problematik eine hochgradig differenzierte Betrachtung und Herangehensweise erforderlich ist. Sie hängen im Kern mit der bestehenden marktwirtschaftlichen, vom Wettbewerbsprinzip beherrschten Wirtschaftsordnung, aber auch mit der damit einhergehenden Verantwortungsdiffusion zusammen, mit der sich das Management im täglichen Geschäft konfrontiert sieht. Zudem kann, gewissermaßen als Pendant zur Mehrfachverantwortung des Managements, gezeigt werden, dass auch die Arbeitnehmer gleichzeitig mehrere Rollen und Positionen im Leben innehaben, welche wiederum mit mannigfaltigen, sich teils widerstreitenden (Rollen-)Erwartungen, Zielen, Überzeugungen und Verhaltensmustern verbunden sind, wodurch eine (management-)ethische Bewertung arbeitsplatzbezogener Fragen weiter verkompliziert wird.

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Um hier richtig verstanden zu werden: Auch das Konzept des Emissionshandels ist in der pluralen Wirklichkeit mit erheblichen Umsetzungsproblemen verbunden (so stellt sich u. a. die Frage nach der tatsächlichen ökologischen Wirksamkeit). Dennoch, und darauf kommt es hier an, handelt es sich bei den Emissionszertifikaten um eine klar greif- und beschreibbare (technische) Marktlösung, welche auf ein spezifisches (Umwelt-)Problem zugeschnitten ist. Eben das ist bei arbeitsplatzbezogenen Problemen typischerweise nicht möglich.

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Um nun einerseits einen breiten Überblick über die heterogene Welt des Arbeitsplatzmanagements liefern, andererseits aber auch relevante und greifbare Anknüpfungspunkte für eine Ethik des Arbeitsplatzmanagements (und entsprechende pragmatisch-normative Handlungsempfehlungen) identifizieren zu können, erscheint es notwendig, die faktische Situationslandschaft in mehrere, nicht hundertprozentig trennscharfe Bereiche und Problemdimensionen zu zerteilen. Letzteres soll vom Grundgedanken her (und damit eine gewisse Kriteriologie entsteht) in Anlehnung an den Lebenszyklus eines Mitarbeiters im Unternehmen geschehen: Wie in Kapitel 6 noch im Detail gezeigt wird, durchläuft jeder Arbeitnehmer im Erwerbsleben (häufig mehrfach) mehrere typische aufeinander folgende Phasen (vom Eintritt ins bis zum - womöglich unfreiwilligen - Ausscheiden aus dem Unternehmen), welche mit dem Arbeitsplatz, dem Betrachtungsobjekt der Arbeit, auf unterschiedliche Art zusammenhängen. Hierbei handelt es sich zum einen um ausgewählte Fragen, die mit der Erlangung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen und folglich mit dem (erstmaligen oder erneuten) Eintritt in den Arbeitsmarkt zu tun haben. Zweitens geht es darum, was vorbeugend, solange noch keine in Bezug auf die Arbeitsplatzsicherheit kritische Situation vorliegt, im Rahmen der Personalentwicklung getan werden kann, um die Risiken und sozialen Folgen von in der Zukunft möglicherweise notwendig werdenden arbeitsplatzbezogenen Anpassungsmaßnahmen für alle Betroffenen abzufedern. Von Interesse sind hier vor allen Dingen Aspekte rund um den Erhalt und Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit (und damit Fragen der Ausrichtung sowie Breite der Personalentwicklung), wobei der Fokus der Untersuchung auf die Gruppe geringqualifizierter Arbeitnehmer in einfachen Arbeitsverhältnissen gelegt wird. Drittens, und hier wird der Schwerpunkt liegen, geht es um Fragen im Zusammenhang mit dem Verlust bzw. Abbau und der Verlagerung von Arbeitsplätzen. Dabei wird sich u. a. herausstellen, dass durchaus Situationen existieren können, in denen es sogar ethisch geboten erscheint, Stellen (mit oder ohne sozialverträgliche Abfederung) abzubauen, dass aber gleichzeitig ein mindestens ebenso breites Spektrum an Situationskonstellationen besteht, in denen sich ethische Argumente für einen Stellenerhalt (oder einen sozialverträglichen Stellenabbau) vorbringen lassen. Vor diesem Hintergrund sollen für bestimmte, öfters auftretende und im Kontext mit einem Stellenabbau stehende Situationstypen und Konstellationen prinzipielle managementethische Strategien und Marschrichtungen aufgezeigt werden, welche unter Beachtung der ökonomischen Dimension, die für Wirtschaftsunternehmen immer relevant ist, vertretbar, und vor dem Hintergrund ausgewählter normativer

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Ethikkonzeptionen (insbesondere der utilitaristischen Ethik, der Gerechtigkeitstheorie von RAWLS und dem Befähigungsansatz von SEN) als notwendig oder moralisch angemessen erscheinen. Diese (teils widerstreitenden) Ethikkonzepte sind an sich zwar zunächst abstrakt und geben als solche noch keine konkreten arbeitsplatzrelevanten Pflichten oder anzustrebenden Ziele vor. Nichtsdestotrotz ist eine Heranziehung solcher Ethikmodelle sinnvoll, da sie, wie Menschen letztlich auch, zum Teil zu abweichenden Ergebnissen gelangen, was das ethisch Gute oder Richtige, also die in einem realen Fall angemessene moralische Entscheidung ist. Damit liefern sie den Anstoß und Ausgangspunkt für weitere, tiefer gehende Reflexionen arbeitsplatzbezogener Fragen. Man könnte auch (umgekehrt) sagen: Es soll hinterfragt werden, inwieweit sich die arbeitsplatzbezogene Realität verbessern lässt, wenn das forciert wird, was in den Konzepten nahegelegt wird - oder: Bringen einen - und mit „einen“ sind alle Akteure gemeint, die über arbeitsplatzbezogene Fragen zu entscheiden haben, davon betroffen sind oder anderweitig ein Interesse daran haben - die Konzepte ein Stück weiter bei der Identifikation, Beurteilung und Lösung arbeitsplatzbezogener Probleme? Um dabei einen möglichst differenzierten Argumentationsaufbau sicherstellen und zu realitätsgerechten Aussagen gelangen zu können, wird die Analyse, wie bereits oben angedeutet, in einen umfassenden metaphysischen Theorierahmen eingebettet, der sich (nach dem Leitbild einer ethischen Stückwerk-Technologie) über alle drei Umsetzungsebenen des Moral Point of View erstreckt. Durch diesen konzeptionellen Aufbau kann ein Verständnis dafür geschaffen werden, dass bestimmte Handlungsalternativen und Ziele, welche auf der Begründungsebene (vor dem Hintergrund einer oder mehrerer der oben erwähnten normativen Ethiktheorien) bei einer gegebenen Konstellation als moralisch wünschenswert erscheinen, auf der Anwendungsebene eventuell doch zurückzustellen sind und/ oder auf der Implementierungsebene, also in den wirklichen, polydimensionalen Transaktionen des operativen Alltagsgeschäfts, eventuell doch nicht umgesetzt werden (können). Die im Rahmen der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse, Aussagen und (normativ-ethischen) Kriterien zur Einordnung, Bewertung und zum Umgang mit arbeitsplatzbezogenen Problemen haben (schon aufgrund der länderspezifischen arbeitsrechtlichen Regelungen) generell einen Fokus auf deutsche Unternehmen und den deutschen Arbeitsmarkt. Gleichwohl sind sie mit entsprechender Modifikation in ihrer Grundaussage und -struktur auch auf andere entwickelte Volkswirtschaften mit einem ausgebauten Sozialstaat (d. h. mit ausgereiften Arbeitnehmerrechten wie Kündigungsschutz, Recht auf gewerkschaftliche Organisierung usw.) bzw.,

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allgemeiner gesprochen, auf jedes andere kulturelle Umfeld übertragbar, in dem der Arbeitsplatz einen hohen Stellenwert im Leben der Menschen einnimmt, in dem - so wie in der deutschen Gesellschaft - ein höherer Grad an Risikoaversion besteht und darüber hinaus allgemein Wert auf einen menschlichen, sozialverträglichen Umgang mit den arbeitsplatzbezogenen Arbeitnehmeranliegen gelegt wird. (3) Gang der Untersuchung Der Inhalt der vorliegenden Arbeit ist in neun Kapitel (inklusive Einleitung und Schlussbetrachtung) gegliedert, wobei Kapitel 8 als zusammenfassendes, konzeptionelles Kapitel die zentrale Säule der Analyse darstellt. Dem Gang der Untersuchung entsprechend ist die Arbeit wie folgt aufgebaut:



Kap. 7: Managementethik Makro- und Mikroansatz



Kap. 6: betriebswirtschaftlich-personalwirtschaftliche Grundlagen



Kap. 5: Economic Point of View: Shareholder-/ Stakeholder-Ansatz



Kap. 4: Moral Point of View: Dreiebenenunterscheidung und moralphilosophische Ansätze



Kap. 3: sachlich-thematische Ein-/ Abgrenzung der Arbeitsplatzfrage

Kapitel 2: Aspekte der (Business) Metaphysics



Kapitel 8: Managementethische Analyse Abb. 1: Gang der Untersuchung13

In Kapitel 2 wird mit der (Business) Metaphysics zunächst der für die Untersuchung allgemeine, übergreifende Theorierahmen herausgearbeitet, innerhalb dem sich gesellschaftliche, politische und wissenschaftliche Diskussionen, Forschungsbemühungen und Auseinandersetzungen zu arbeitsplatzbezogenen Fragen bewegen. Wie sich zeigen wird, handelt es sich bei der (Business) Metaphysics

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Quelle: Eigene Darstellung.

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um eine Basiswissenschaft (man könnte auch sagen: einen konzeptionellen Rahmen, eine Meta-Theorie, ein umgreifendes Weltbild, eine Hintergrundbasis), deren Erkenntnisse über das Funktionieren und die Zusammenhänge der Welt für die Analyse und Wahrheitsfindung im Arbeitsplatzmanagement bedeutsam sind, und zwar nicht minder bedeutsam als die Erkenntnisse und Methoden der ausdifferenzierten Disziplinen bzw. Wissenschaften. Letztere gehen zwangsläufig abstrahierend vor und nehmen eine Verkürzung der tatsächlich vorliegenden metaphysischen Komplexität vor, was, solange es kontrolliert und bewusst erfolgt, auch als positiv und nützlich zu bewerten ist (wie noch in Kapitel 2 ausgeführt wird, ist die Moderne durch Ausdifferenzierung und Abstrahierung gekennzeichnet). Nichtsdestotrotz unterliegen sie dadurch der Gefahr, (mehr oder minder unkontrolliert) eine vereinseitigende und damit verzerrte Sichtweise auf die Wirklichkeit einzunehmen. Nach der hier vertretenen metaphysischen Position dagegen sind Menschen Wesen in einem hochkomplexen evolutiven Gesamtzusammenhang, der sich zwar ständig ändert, der aber in all seinen vielfältigen Wirklichkeitsdimensionen und -aspekten real existiert und zugleich - auch wenn es oftmals so scheint keineswegs wertneutral ist, sondern von moralischen Fakten durchzogen ist. Wie im zweiten Kapitel verdeutlicht wird, gestattet es eine (Business) Metaphysics als Theorierahmen, sich die Prozesshaftigkeit, Fragmentiertheit und Polydimensionalität bzw. metaphysische Komplexität des Konkreten bzw. der konkreten (arbeitsplatzbezogenen) Realität stets präsent zu halten, was dann auch (sowohl allgemein als auch im Hinblick auf den spezifischen Problemkomplex des Arbeitsplatzmanagements) für die spätere Konzeptionierung eines geeigneten, realitätsgerechten Managementethikansatzes im siebten und achten Kapitel elementar erscheint. Im ersten Unterkapitel des heterogen aufgebauten dritten Kapitels wird zunächst das thematische Problemfeld, das im Zusammenhang mit Arbeitsverträgen und einer Ethik des Arbeitsplatzmanagements für die vorliegende Arbeit gesehen wird, inhaltlich näher bestimmt und konkretisiert. Hierbei werden, anknüpfend an die Erkenntnisse des vorherigen Kapitels, verschiedene Aspekte (Faktoren, Bedingungen, Anknüpfungspunkte) thematisiert, welche die polydimensionale arbeitsplatzbezogene Wirklichkeit ausmachen und - wie der Großteil der im Rahmen der Arbeit behandelten Zusammenhänge - (ontologisch, von der Sache her) im engeren oder weiteren Sinne zur Dimension der Sozialontologie („social ontology“), also zur vom Menschen selbst geschaffenen Wirklichkeit, zählen14. Im Mittelpunkt des 14

Vgl. dazu Kapitel 2.

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ersten Unterkapitels steht der Gedanke, dass eine nachhaltige Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen einerseits an die ökonomisch-marktwirtschaftliche Systemlogik gebunden ist, der sich kein Unternehmen entziehen kann, dass Arbeit aber zugleich auch eine zentrale Quelle der menschlichen Identitätsbildung darstellt, woraus bereits die ethische Relevanz des Themas bzw. der Umstand ersichtlich wird, dass eine rein ökonomische Betrachtung arbeitsplatzbezogener Fragen zu kurz greift. Die Herausforderung (und der originäre Zweck) der Unternehmen besteht einerseits darin, Gewinne zu erwirtschaften, um nicht aus dem Markt auszuscheiden, andererseits, und damit zusammenhängend, sollten sie Anstrengungen unternehmen, um den Erhalt von Arbeitsplätzen nachhaltig zu sichern (und nach Möglichkeit neue Arbeitsplätze zu schaffen). Nachdem ein erstes Verständnis für dieses Spannungsfeld entwickelt wurde, erfolgt in Unterkapitel 3.2 eine vertragstheoretische Einbettung und Betrachtung des Arbeitsverhältnisses. Eine solche erscheint deshalb erforderlich, da der Arbeitsvertrag, der systematisch unvollständig ist, die rechtliche Grundlage eines jeden Arbeitsverhältnisses darstellt. Zugleich bildet die Unvollständigkeit von Arbeitsverträgen (und arbeitsrechtlichen Spielregeln) bzw. allgemein die sog. „Incomplete Contracts Theory“, bei der es sich um ein noch relativ junges Forschungsgebiet handelt, den entscheidenden Ausgangspunkt (Auslöser, Gegenstand, Anknüpfungspunkt) für den Bereich der Unternehmens- und Managementethik. Oder anders gesagt: Aus dem unvollständigen Element des Arbeitsvertrags, das wiederum direkt mit der metaphysischen Komplexität der Wirklichkeit zusammenhängt, erwachsen verschiedenartige Gerechtigkeits- und Fairnesserwartungen, weshalb es eine starke moralische Dimension aufweist. Die genauen Hintergründe dazu werden in Unterkapitel 3.3 beschrieben. Im Zuge dessen werden mit dem „Ambivalenz“- und „Kontingenz“Begriff (in den Abschnitten 3.3.2 und 3.3.4) weitere Aspekte behandelt, welche die Pluralität, Prozessualität, metaphysische Komplexität und Offenheit der konkreten arbeitsplatzbezogenen Wirklichkeit mitprägen und ausmachen, aber auch für die Entwicklung und das detaillierte Verständnis des Mikroansatzes einer Managementethik (Transaction Ethics), auf dem der Forschungsansatz fußt (und dessen Entwicklungslinien in Kapitel 7 aufgezeichnet werden), von Relevanz sind. Mit dem „Ambivalenz“-Begriff kommt zudem verstärkt das Kriterium bzw. der Gesichtspunkt der Mehrperspektivität des Moral Point of View zum Ausdruck. In Abschnitt 3.3.5 wird darüber hinaus auf die Theorie moralischer Interessen und Anreize (und damit einen subjektiven Faktor bzw. Ausdruck der Polydimensionalität der Welt) eingegangen.

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Kapitel 4 widmet sich der ethischen Hintergrundtheorie, welche zugleich das inhaltliche Fundament und die notwendigen normativen Orientierungen für die im Laufe der Arbeit (und speziell in Kapitel 8) angestellten managementethischen bzw. moralökonomischen Betrachtungen und Überlegungen liefert. Dabei wird im ersten Unterkapitel zunächst das Erfordernis verdeutlicht, die Umsetzung des Moral Point of View (und damit: moralischer Ideale, (Fremd-, Unparteilichkeits-, Fairness-)Interessen) in der wirklichen Unternehmens- und Managementpraxis im Lichte einer Dreiebenenunterscheidung zu sehen. In der Arbeit werden zudem an mehreren Stellen die Gefahren und nachteiligen Folgen diskutiert, die aus einer Vernachlässigung oder Missachtung der Ebenenunterscheidung für arbeitsplatzbezogene Kooperationsbeziehungen resultieren können. Im selben Kontext wird auch erläutert, dass es eine tiefer gehende Betrachtung - vor dem Hintergrund der Polydimensionalität der Wirklichkeit, welche erst auf der Anwendungsebene richtig zum Tragen kommt - eigentlich erfordern würde, vergleichbare Phasenschemata auch für jede andere wissenschaftliche Disziplin bzw. Dimension (etwa den Economic Point of View) zu entwickeln. Daran anschließend werden, um das ethische Instrumentarium bzw. Handwerkszeug der weiteren Analyse vorzulegen, mit der Gerechtigkeitstheorie von RAWLS, der utilitaristischen Ethik (klassisch nach BENTHAM und MILL sowie in der moderneren Variante nach HARSANYI), den KANTischen Imperativen (jeweils in Unterkapitel 4.2) und dem Befähigungsansatz von SEN (4.3) mehrere moralphilosophische Konzeptionen vorgestellt, die unterschiedliche, teils auch widerstreitende, aber allesamt hilfreiche normativ-ethische Bewertungskriterien für den Umgang mit management- und arbeitsplatzbezogenen Entscheidungen liefern, welche dann in einem weiteren Schritt in das im achten Kapitel entwickelte metaphysische Analysegerüst integriert werden. Nachdem im vorherigen Kapitel einige theoretische Grundlagen zum Moral Point of View dargestellt wurden, bei dem die Unparteilichkeit und Fairness von Kooperationsbeziehungen im Fokus steht, wendet sich das fünfte Kapitel dem Economic Point of View zu. Lange Zeit galt das Postulat des amerikanischen Ökonomen FRIEDMAN, wonach die einzige soziale Verantwortung der Unternehmung darin läge, ihren Profit zu maximieren. Die uneingeschränkte, grenzenlose Gewinnorientierung schien ökonomisch vernünftig, wenn nicht gar verpflichtend, sicherte sie doch den Fortbestand der Unternehmen und damit auch deren Arbeitsplätze. Wie spätestens die Finanzkrise mit aller Deutlichkeit gezeigt hat, kann ein blindes, bedingungsloses Gewinnstreben Unternehmen aber auch in den Ruin treiben und Tausende Arbeitsplätze binnen kürzester Zeit zerstören. Innerhalb der

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modernen Ökonomie und Wirtschaftswissenschaften hatte man bereits vor der Finanzkrise damit begonnen, umzudenken und, statt den Blick ausschließlich auf den Shareholder-Value zu lenken, die Unternehmenspolitik stärker auch am Stakeholder-Prinzip auszurichten. In Kapitel 5 werden sowohl der Shareholder- als auch der Stakeholder-Ansatz, bei denen es sich um konkurrierende, zugleich aber gegenseitig ergänzende Konzepte handelt, aus unternehmensethischer Perspektive beleuchtet. Dazu werden in Unterkapitel 5.1 im Zusammenhang mit dem Shareholder-Ansatz die neoklassischen Positionen von FRIEDMAN sowie, speziell mit Blick auf arbeitsplatzbezogene Fragen, von WENGER, einem deutschen Ökonomen, thematisiert. Bei den Erläuterungen zur FRIEDMANschen Theorie wird auch Bezug genommen auf eine Art Taschenspielertrick, mit dem FRIEDMAN sein eigenes Shareholder-Verständnis einschränkt. Das zweite Unterkapitel behandelt zum einen den Stakeholder-Ansatz von FREEMAN, zum anderen wird herausgearbeitet, dass der Stakeholder-Ansatz generell in sehr unterschiedlichen, gar entgegengesetzten Formen entwickelt und interpretiert wird, welche von einer primär erfolgsstrategischen bis hin zu einer verstärkt ethisierten bzw. moralisierenden Ausrichtung reichen, die jeweils wiederum verschiedene Implikationen für arbeitsplatzbezogene Fragen haben können. In Unterkapitel 5.3 werden auf Basis der im vorigen Kapitel behandelten ethiktheoretischen Grundlagen zudem Einschätzungen zur moralphilosophischen Orientierung der Stakeholder-Gruppe Gesellschaft bzw. der breiten Bevölkerung getroffen. In Kapitel 6 wird das notwendige betriebswirtschaftliche Instrumentarium der Personalwirtschaft erläutert, das in Unternehmen im Umgang mit arbeitsplatzbezogenen Problemen als Handwerkszeug zur Anwendung kommen kann. Im Zuge dessen werden ausgewählte klassische Aufgaben des Personalmanagements entlang des Mitarbeiterflusssystems dargestellt, welche für eine Ethik des Arbeitsplatzmanagements und im Hinblick auf die im achten Kapitel erfolgende managementethische Analyse empirisch relevanter Situationskonstellationen als anschlussfähig und weiterführend erscheinen. Dabei handelt es sich um die Bereiche der Personalplanung (Unterkapitel 6.1), Personalentwicklung (6.2) und Personalfreisetzung (6.3), wobei die Personalentwicklung und vor allem -freisetzung aufgrund ihres prekären Potenzials und der daraus resultierenden verstärkten ethischen Brisanz den inhaltlichen Schwerpunkt des Kapitels bilden. Gerade der letztgenannte Bereich der Personalfreisetzung kann für die Betroffenen besonders schmerzhaft sein und bereitet in der Praxis darüber hinaus häufiger erhebliche Umsetzungs-

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schwierigkeiten, was auch damit zu begründen ist, dass keine ganzheitlich-integrativen Ansätze existieren, um ökonomische Erfordernisse und moralische Anforderungen unter einen Hut zu bringen (oder um zumindest eine Brücke zwischen beiden Feldern zu schlagen). Grundsätzlich ist hierzu bereits an dieser Stelle zu betonen, dass das vorhandene, zur Verfügung stehende personalwirtschaftliche Instrumentarium ausreichend ist, um Unternehmen in arbeitsplatzbezogenen Fragen auf ethische Ziele hin auszurichten - es muss nur richtig (d. h. in der richtigen Kombination und zeitlichen Aufeinanderfolge) angewendet und gewissenhaft durchgesetzt werden, um in kritischen, konfliktären Situationen, welche etwa mit einer Gefährdung oder dem Abbau von Arbeitsplätzen einhergehen, flexibel, rasch und zugleich ethisch verantwortungsvoll reagieren zu können. In Abschnitt 6.3.4 wird zudem auf die begriffliche Abgrenzung zwischen „Verantwortung“ und „Schuld“ (im Entlassungskontext) sowie auf wesentliche Faktoren für die Gerechtigkeitswahrnehmung von Entlassungen eingegangen. Gegenstand des 7. Kapitels ist eine ausführliche theoretische Annäherung an das Thema Managementethik, wobei - in Anlehnung an die aus anderen Disziplinen bekannte Mikro-Makro-Unterscheidung - zwei generelle Zugänge der Managementethik vorgestellt werden, die sich in ihrem metaphysischen Weltbild stark unterscheiden (man könnte auch sagen: auf verschiedenen Metaphysiken oder metaphysischen Basisentscheidungen beruhen). Der in Unterkapitel 7.1 behandelte ordonomische Makroansatz von PIES ET AL. setzt den Hebel zur Kanalisierung des Handelns des Managements ausschließlich bei den abstrakten gesellschaftlichen Spielregeln (und nicht bei den konkreten Spielzügen oder dem psychischen Innenleben der Akteure) an und zielt insofern auf arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen ab. Metaphysisch primär im Makroansatz ist nicht das wirkliche (Mikro-) Geschehen, das von vielen Faktoren beeinflusst wird, sondern der ordnungspolitische Rahmen auf nationaler wie internationaler Ebene. Wie im Weiteren gezeigt wird, erweist sich der Makroansatz bzw. die dem Makroansatz zugrunde liegende Metaphysik in mehrerlei Hinsicht als suboptimale Sicht der Dinge, da sie zu einer Untergrabung der metaphysischen Komplexität der Realität führt. Dagegen sind beim auf Kontingenzsituationen gerichteten Mikroansatz der Managementethik (im Sinne von SCHRAMM, WIELAND oder WHITEHEAD), der im zweiten Unterkapitel dargelegt wird, einzelne reale, konkrete Transaktionen (Mikroereignisse, Prozesse, Vorgänge, Entscheidungen) im Managementalltag metaphysisch primär (konkret, basishaft), und damit das, was wirklich geschieht. Der Umstand, dass diese einzelnen Transaktionen durch verschiedene Determinanten (z. B. Gesetze,

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aber auch individuelle Tugenden, Moralkulturen, organisationale Strukturen usw.) beeinflusst werden, also plural und heterogen sind, wird im dritten Unterkapitel am Beispiel von WIELANDs Governanceethik aufgezeigt, bei der es sich um eine in der ARISTOTELISCHEN Tradition stehende („starke“, angereicherte) Tugendethik handelt, welche direkt anknüpfungsfähig für die Managementethik ist. In Kapitel 8, dem Hauptkapitel der Arbeit, erfolgt schließlich die managementethische Analyse ausgewählter arbeitsplatzbezogener Fragen aus den Bereichen der Personalentwicklung sowie insbesondere -freisetzung. Dazu wird im ersten Unterkapitel auf Basis der im Laufe der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse und erarbeiteten Theoriekomponenten zunächst ein umfassender metaphysischer Theorierahmen entwickelt und vorgestellt. Dessen Besonderheit liegt darin, dass er alle drei Umsetzungsebenen des Moral Point of View umfasst und durch seine ganzheitlich-integrative Wahrnehmung der sozialen Realität eine differenzierte und systematische Untersuchung ermöglicht. Dabei werden auf der Begründungsebene unter Rückgriff auf oben genannte normative Ethikkonzeptionen diverse (über die Logik der Unparteilichkeit hinausgehende) normative Bewertungskriterien abgeleitet, welche als absolute ethische Ideale und Gerechtigkeitsvorstellungen in der Analyse fungieren. Den Schwerpunkt des ersten Unterkapitels bildet Abschnitt 8.1.2, der sich primär auf die Anwendungsebene bezieht und in dem ein genaues Verständnis für die Konzeption bzw. Perspektive eines moralischen Realismus und dessen konstituierende Kernelemente, die Wahrnehmung und Bewertung von Interessen, vermittelt wird. Wie sich zeigen wird, sind beide Faktoren wichtig, um lokale Anwendungssituationen in ihrer Gesamtheit betrachten und moralisch „richtigste“ Lösungen identifizieren zu können. Im Zusammenhang mit der Implementierungsebene erfolgt darüber hinaus eine genauere Einordnung von aus metaphysischer Sicht unangemessenen, verkürzten Positionen. Dazu werden mit dem Trugschluss der unzutreffenden Konkretheit („Fallacy of Misplaced Concreteness“) und dem Trugschluss der ausgeblendeten Abstraktheit („Fallacy of Disregarded Abstractness“) zwei Extrempositionen aufgezeigt, in denen entweder das Eigenrecht des Konkreten oder des Abstrakten (unzulässigerweise) übersprungen und damit eine Verkürzung der bestehenden Polydimensionalität bzw. metaphysischen Komplexität der Realität begangen wird. Schließlich wird das bis dahin vorgestellte und präzisierte Analysegerüst zur eigentlichen managementethischen Analyse herangezogen. Hierbei steht im zweiten Unterkapitel der Bereich der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung im Zentrum, bevor im dritten

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Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Unterkapitel verschiedene, im Kontext der Personalfreisetzung stehende Szenarien entwickelt, kategorisiert und vor dem Hintergrund des entwickelten metaphysischen Theoriegerüsts bewertet werden. Zu beiden problembesetzten Gebieten werden Festlegungen über (auf der Anwendungsebene) ethisch angemessene bzw. (auf der Implementierungsebene) managementethisch angemessene und unangemessene Vorgehensweisen getroffen, wobei die Betrachtung nicht nur, aber schwerpunktmäßig auf diejenigen Problemgruppen des Arbeitsmarktes gerichtet ist, welche verstärkt von einem Verlust des Arbeitsplatzes und Arbeitslosigkeit bedroht sind. Die Arbeit endet in Kapitel 9 mit einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung und abschließenden Diskussion der Ergebnisse.

2. Der übergeordnete Theorierahmen zur Beschreibung und Analyse arbeitsplatzbezogener Fragen: Aspekte der (Business) Metaphysics Die Konzeption der vorliegenden Arbeit ist so angelegt, dass der Themenkomplex einer Ethik des Arbeitsplatzmanagements möglichst ganzheitlich erfasst wird, was zugleich bedeutet, dass einzelne Sachverhalte und Problemdimensionen nicht immer bis ins Detail analysiert werden. Um ein Problembewusstsein für die theoretisch endlose metaphysische Komplexität, in der sich die arbeitsplatzbezogene Wirklichkeit abspielt, zu schaffen, aber auch um einen Einstieg in das Thema zu vermitteln, ist es zunächst hilfreich, auf den Ansatz und das Verständnis der (Business) Metaphysics einzugehen, so wie sie von SCHRAMM konzipiert wird. Dabei wird die Metaphysik nicht im umfassenden Sinne, etwa als philosophische Metaphysik behandelt, vielmehr werden einige Kerngedanken und Basisentscheidungen des Ansatzes als Aufhänger im Laufe der Arbeit immer wieder aufgegriffen und auf arbeitsplatzbezogene Aspekte sowie Fragen im Zusammenhang mit der generellen Konzeptionierung managementethischer Ansätze angewendet (verwiesen sei hier insbesondere auf Unterkapitel 8.1, in dem der nachfolgend erläuterte allgemeine metaphysische Theorierahmen erneut herangezogen und zu einem umfassenden metaphysischen Analysegerüst weiterentwickelt wird, welches dann wiederum zur eigentlichen (management-)ethischen Analyse und Bewertung diverser arbeitsplatzbezogener Situationskonstellationen eingesetzt wird). Die (Business) Metaphysics und einzelne Aspekte davon ziehen sich damit wie ein roter Faden durch die folgenden Kapitel. Die moderne Welt ist durch eine Ausdifferenzierung in Funktionssysteme (z. B. Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Erziehung) gekennzeichnet. Auch die Wissenschaft vollzieht sich in der modernen Welt primär interdisziplinär, nicht disziplinär. Insofern drängt sich heute die Frage nach der Existenzberechtigung von Metaphysik auf. Die Begründung dafür, sich (auch im unternehmens-, managementund arbeitsplatzbezogenen Kontext) mit dem Thema (Business) Metaphysics - im Gegensatz zur separaten Betrachtung der Einzeldisziplinen - zu befassen, ist, in Anlehnung an den Philosophen SEARLE, dass wir in genau einer Welt bzw. einem Universum leben15. Diese Welt ist komplex, dennoch muss alles, und mit „alles“ 15

„Wir leben in genau einer Welt, nicht in zwei oder drei oder siebzehn. Soweit wir gegenwärtig wissen, sind die grundlegenden Eigenschaften dieser Welt so, wie sie von Physik, Chemie und den

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Wagner, Managementethik und Arbeitsplätze, Studien zur Ethik der Transaktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26382-9_2

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Übergeordneter Theorierahmen Aspekte der (Business) Metaphysics

ist wirklich alles gemeint, hier auf Erden geschehen: Alle physischen Vorgänge, ökonomischen Transaktionen, mentalen Fragen, Gedanken, konkreten Dinge (wie einzelne Arbeitsverhältnisse) usw. - all das hängt zusammen und geschieht und kumuliert sich in einer Welt, „in diesem einen Universum“16. Daher ist zu fragen, wie diese Welt bzw. wie die (unternehmens- und arbeitsplatzbezogene) Realität genau abläuft. Die Metaphysik befasst sich nun als konzeptioneller Rahmen oder Basiswissenschaft (Grundapproach) mit dieser Frage, nämlich wie die Welt - kosmisch wie gesellschaftlich - funktioniert („how the world works“17 in general or

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anderen Naturwissenschaften beschrieben werden” (SEARLE 1997, S. 7; SEARLE 2007, S. 19). Ähnlich SEARLE (2012, S. 12): „Unsere Aufgabe besteht darin, zu erklären, wie es uns gelingt, unser Leben in genau einer Welt zu führen, und inwiefern alle diese verschiedenen Phänomene […] Teile dieser einen Welt sind“. SCHRAMM (2016b), S. 27. Vgl. auch SCHRAMM (2014c), S. 398f., 404; SCHRAMM (2015a), S. 177f. Vgl. SCHRAMM (2016b), S. 9, 27; SCHRAMM (2016d), S. 149ff.; SCHRAMM (2016e), S. 313f., 342ff.; SCHRAMM (2014b), S. 12, 14; SCHRAMM (2014c), S. 395f.; SCHRAMM (2015a), S. 177. SCHRAMM ist durch ALAN GREENSPAN auf diese Formulierung gekommen. Dieser hat 2008 in einer Stellungnahme vor dem Kongress offenbart, dass er vom Ausbruch der Finanzkrise erstaunt ist, da er 40 Jahre lang vom Funktionieren des „free market systems“ überzeugt war (“The lesson that appears to be emerging is that only free market systems exhibit the flexibility and robustness to accommodate human nature“, GREENSPAN 1998, S. 419), nach dem Crash der Finanzmärkte aber feststellen muss, dass das System so nicht funktioniert hat und seine ursprüngliche Weltsicht (er spricht von Ideologie) - man könnte auch sagen: (Finanz-)Metaphysik - lange Zeit verkehrt war: “Mr. GREENSPAN: I found a flaw in the model that I perceived is the critical functioning structure that defines how the world works, so to speak. WAXMAN [Chairman of the committee; sämtliche Hinzufügungen zu Zitaten sind mittels eckiger Klammern beigefügt und kursiv gesetzt]: In other words, you found that your view of the world, your ideology, was not right, it was not working. Mr. GREENSPAN: Precisely. That’s precisely the reason I was shocked, because I had been going for 40 years or more with very considerable evidence that it was working exceptionally well” (U.S. HOUSE COMMITTEE ON OVERSIGHT AND GOVERNMENT REFORM 2008). Mit dem Platzen der Finanz-/ Immobilienblase ist, um POPPERs Standardbeispiel aufzugreifen, der schwarze Schwan aufgetreten („Bekanntlich berechtigen uns noch so viele Beobachtungen von weißen Schwänen nicht zu dem Satz, dass alle Schwäne weiß sind“, POPPER 1989, S. 3). GREENSPAN hat aus seinem Irrtum gelernt und realisiert, dass die Finanzwelt objektiv nicht so funktioniert, dass sie sich selber regulieren kann (in POPPERs Beispiel: dass nicht alle Schwäne weiß sind). Das zeigt, dass wir nie eine endgültige Gewissheit über die objektive Wahrheit haben (eines von POPPERs Hauptwerken heißt daher „Vermutungen und Widerlegungen“, vgl. POPPER 1994), sondern nur versuchen können, uns durch Hypothesen über die Wirklichkeit, etwa über die Funktionsweise der Finanzmärkte, der Wahrheit schrittweise anzunähern und gewisse Fehler auszuschließen. Daher wechselt POPPER von der Verifikation (lat. verus: wahr; facere: tun) zu einer Metaphysik der Falsifikation (lat. falsificare: etwas als falsch erkennen), in der nach Fehlern in alten Theorien gesucht wird: Eine empirische Hypothese oder Theorie ist so lange „bewährt“ (POPPER 1989, S. 198), bis sie (erneut) falsifiziert (widerlegt) wird (vgl. POPPER 1989, S. 17). Wird sie falsifiziert, dann ist dies als Glücksfall zu werten, da es zu einem Erkenntnisgewinn kommt und man sich der objektiven Wahrheit angenähert hat (vgl. SCHRAMM 2016b, S. 10ff.). Aus ständigen Bestätigungen einer

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in principle). Oder, um WHITEHEADs spezifischere Definition heranzuziehen: “By “metaphysics” I mean the science which seeks to discover the general ideas which are indispensably relevant to the analysis of everything that happens”18. Auf Basis dieses Grundverständnisses gibt es keine Chance, der Metaphysik zu entkommen19. Um Entscheidungen treffen und wissenschaftlich arbeiten zu können, bedarf es Vorstellungen über das Funktionieren der Welt. Insofern trifft das Propagieren eines „nachmetaphysischen Zeitalters oder Denkens“20 nicht den prozessualen „Metaphysik“-Begriff, wie er in SCHRAMMs metaphysischem Forschungsprogramm verstanden wird21: „Das Forschungsprogramm der „Business Metaphysics“ geht von der Annahme aus, dass die Funktionsweise der Welt - also sämtliche Wirklichkeiten des gesamten Universums, inklusive der konkreten Geschehnisse

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Theorie resultiert kein Lernfortschritt. Jedoch wird man nie in die Gewissheit kommen, die Wahrheit hundertprozentig erfasst zu haben. Insofern ist POPPERs Grundphilosophie zuzustimmen: „Wir wissen nicht, sondern wir raten. Und unser Raten ist geleitet von dem unwissenschaftlichen, metaphysischen (aber biologisch erklärbaren) Glauben, dass es Gesetzmäßigkeiten gibt, die wir entschleiern, entdecken können“ (POPPER 1989, S. 223). Zur Verdeutlichung dieser Ungewissheit kann POPPERs Bild des Berggipfels herangezogen werden (vgl. POPPER 1963, S. 226): Ein Bergsteiger ist auf dem Weg zum Berggipfel (was der Suche nach der Wahrheit entspricht), der Berggipfel (die Wahrheit) ist aber von Wolken verhüllt, sodass er ihn (sie) nicht sehen kann. Und selbst wenn er meint, den „Gipfel der Wahrheit“ erklommen zu haben, so kann er nicht sicher sein, ob er tatsächlich auf dem Gipfel steht, da er womöglich nur auf einer Nebenspitze angelangt ist, die immer noch weit vom eigentlichen Gipfel, der - wie die Wahrheit - objektiv existiert, entfernt liegt (“[I]f the climber tells us ‘I have some doubts whether I reached the actual summit‘, then he does, by implication, recognize the objective existence of the summit“, POPPER 1963, S. 226). WHITEHEAD (1974), S. 82. „Metaphysik [ist] völlig unausweichlich“ (SCHRAMM 2016b, S. 6; ähnlich ebd., S. 9; SCHRAMM 2016e, S. 330f.). Auch GREENSPAN ist der Ansicht, dass ein allgemeines Weltbild bzw. Konzept benötigt wird, wie die Welt (bei GREENSPAN: Finanzwelt) funktioniert, auch wenn er sich mit seiner Denkweise geirrt hat: “WAXMAN [Chairman of the committee]: Dr. GREENSPAN, […] our whole economy is paying its price. You feel that your ideology pushed you to make decisions that you wish you had not made? Mr. GREENSPAN: Well, remember, though, whether or not ideology is, is a conceptual framework with the way people deal with reality. Everyone has one. You have to. To exist, you need an ideology. The question is, whether it exists is accurate or not” (U.S. HOUSE COMMITTEE ON OVERSIGHT AND GOVERNMENT REFORM 2008). Während der Begriff „Metaphysik“ in amerikanischen Publikationen relativ verbreitet ist, wird er im deutschen Sprachraum eher negativ gesehen und mit der philosophischen Theologie des Mittelalters in Verbindung gesetzt (vgl. SCHRAMM 2016b, S. 9; SCHRAMM 2016e, S. 312f.). So fordert HABERMAS (1988, S. 36, 44) ein „nachmetaphysisches Denken“ ein. Hiergegen wendet MUTSCHLER (2002, S. 223) ein, dass „HABERMAS‘ […] Charakterisierung der Metaphysik […] zu plakativ [ist], um neuere metaphysische Entwürfe wie die von […] WHITEHEAD […] wirksam zu treffen“. Vgl. SCHRAMM (2016b), S. 6f., 9; SCHRAMM (2016e), S. 312f.; SCHRAMM (2014b), S. 14; SCHRAMM (2015a), S. 177.

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in Gesellschaft und Wirtschaft - im Paradigma „evolutiver Prozesse“ beschrieben und erklärt werden muss“22. Die These, dass wir in einer Welt leben und (Business) Metaphysics deshalb auch im Hinblick auf arbeitsplatzbezogene Fragen unausweichlich ist, lässt sich an einem einfachen Beispiel illustrieren: Absolvent A bewirbt sich um eine Stelle in Unternehmen U. Dazu erstellt A eine Bewerbungsmappe, welche er mit der Post an U sendet. Die für diese Bewerbungssituation eine Rolle spielenden Elemente sind in Abb. 2 dargestellt und werden im Folgenden kurz erläutert.

-- traditionell -- neu -

Ebene des Konkreten/ Wirklichen

ontologische Wirklichkeiten

Wie funktioniert die Wirklichkeit? AusgangsMetaphysische Komplexität bzw. Polydimensionalität in frage der sozialen (arbeitsplatzbezogenen) Realität:

Implikation

Abb. 2:

1. physische Dinge Bewerbungsmappe; Schreibtisch am Arbeitsplatz; Entfernung zum Arbeitsplatz + 2. mentale Dinge Idee, sich zu bewerben; Trauer bei Entlassung + 3. abstrakte Dinge Anzahl Bewerbungen vs. Anzahl Rückmeldungen + 4. Ontologie sozialer Tatsachen (SEARLE) Arbeitsverhältnis; Arbeitsrecht; „GmbH“; Gehalt; Streik gegen Arbeitsplatzabbau ↕ Willensfreiheit Aktiver Wille, (erneut) Arbeit zu suchen

Die Ebene des Konkreten bzw. Wirklichen23

Das Beispiel zeigt zunächst, dass für den Vollzug des Bewerbungsprozesses Willensfreiheit vorausgesetzt werden muss. A muss im gesellschaftlichen Umgang

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SCHRAMM (2016b), S. 57. Vgl. auch SCHRAMM (2016e), S. 318ff., 331ff. Quelle: Eigene Darstellung.

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aktiv seinen Willen ausüben24. Er muss sich entscheiden, wo, wann und wie er sich (ggf. erneut) bewerben will25. DAVID GRIFFIN, ein Prozesstheologe in der Tradition WHITEHEADs, nennt diesen freien Willen daher auch eine „Hardcore Common Sense Notion“26. Solange sich A nicht aktiv um Arbeit bemüht (oder anders formuliert: solange er sich nicht selbst dafür entscheidet, diverse Bewerbungen auf den Weg zu bringen), solange wird er in der realen (Arbeits-)Welt keine Stelle finden27. „Hardcore Common Sense Notions“ müssen als (nicht wissenschaftlich beweisbare, metaphysische) Annahmen im arbeitsplatzbezogenen Alltagshandeln als gegeben vorausgesetzt werden28, andernfalls wäre es nicht möglich, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen (oder überhaupt das eigene Leben auf Erden zu bestreiten). Zerlegt man den Bewerbungsvorgang nun in seine einzelnen ontologischen Wirklichkeiten29, so fällt aus ökonomischer Sicht zunächst auf, dass dieser für A mit ökonomischen Transaktionen (Kosten) verbunden ist: A muss die Bewerbungs-

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“There are lots of problems we do not have solutions to. The special problem of free will is that we cannot get on with our lives without presupposing free will” (SEARLE 2007, S. 11). Es wäre illusorisch zu glauben, ein Arbeitsplatz würde einem ohne eigenes Dazutun in den Schoß fallen. A kann sich also nicht zurücklehnen und sagen: „Ich bin Determinist. Ich glaube, alles wird von den Naturgesetzen kausal determiniert, vom Urknall bis heute. Eine passende Stelle wird deshalb schon auf mich zukommen“. Vgl. GRIFFIN (1991), S. 3. “These are notions that are universally presupposed in practice, even if they are not consciously present in experience, and even if they are verbally denied. They are to be clearly distinguished from most notions that pass for “common sense” colloquially understood, such as the notion that the earth is flat, or that molecules have no feelings. These culturally conditioned ideas - which I call “soft-core commonsense notions” - are not universally shared by all human beings of all times and places, and they can be denied without contradicting one’s own practice. Not so with hard-core commonsense ideas, such as causality […], freedom […], and a real world” (ebd.). Arbeitslosigkeit ist keine harmlose Täuschung, mit der sich im Sinne einer weichen „Softcore Common Sense Notion“ problemlos (weiter-)leben lässt, sondern sie tritt faktisch ein und beeinflusst die Lebensqualität von A negativ. Aus „Softcore Common Sense Notions“ resultieren dagegen keine unüberwindlichen Härten für das Leben (z. B. sieht es so aus, als würde sich die Sonne um die (stillstehende) Erde drehen; allerdings ist mittlerweile bekannt, dass dieser (traditionelle) Common Sense empirisch falsch ist; der Punkt ist nun: Wir sehen es nach wie vor falsch (nämlich so, als ob sich die Sonne um die Erde bewegen würde), wissen aber, dass wir es falsch sehen; zugleich haben wir keine Probleme damit, mit diesem Wissen (bzw. dieser Täuschung, nämlich: dem Sonnenuntergang am Abend und dem Sonnenaufgang am Morgen) zu leben). “The reason why such presumptions are imperative, […] is that we inevitably presuppose them in practice“ (GRIFFIN 2001, S. 29f.). Der Disziplin der Ontologie geht es darum, zu bestimmen, wie die Dinge auf der Welt sind (und was an Dingen existiert, also „dem, was es gibt“, SEARLE 2001, S. 13).

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mappe kaufen; er lässt Bewerbungsfotos von sich anfertigen; er muss seine Bewerbungsunterlagen bei der Post frankieren lassen; eventuell legt er sich ein neues Outfit für das Vorstellungsgespräch zu usw. Ontologisch, von der Sache her, ist die Polydimensionalität der betrachteten Situation damit aber nicht vollständig erfasst, da sie noch viele andere ontologische Wirklichkeiten beinhaltet30: Beispielsweise existiert eine physische Dimension31. Zudem enthält die Situation eine Dimension des Mentalen: A muss in seinem Kopf den Entschluss fassen (bzw. überhaupt auf die Möglichkeit kommen), sich bei U zu bewerben. Dieser Gedanke wird zwar vom Gehirn als physischem Organ produziert, der Inhalt des Gedankens ist aber nicht physischer, sondern mentaler Natur 32. Damit wird deutlich, dass die pluralen Interessen der Menschen immer über die metaphysische Dimension des Mentalen in die realen Situationen der Wirklichkeit laufen bzw. eingefädelt werden33. Darüber existiert eine abstrakte Dimension, welche sich z. B. auf Zahlen und Logik bezieht: A hat sich nur bei U beworben, weshalb er eine - wenn man so will - „zahlenmäßige Vorstellung“ von „eins“ im Kopf hat. Auf seine Bewerbung wird er im Idealfall auch nur eine Rückmeldung erhalten. Sobald er sich dazu entschließt, weitere Bewerbungen abzuschicken, wird diese „eins“ im Kopf durch andere Zahlen (z. B. durch eine „zwei“ oder „drei“) ersetzt. Genauso kann er nachrechnen, wie viele Rückmeldungen er noch zu erwarten hat. Diese Zahlen sind weder physische noch mentale, sondern - klassisch in der Philosophie - abstrakte Dinge. Zwar muss sich A diese Zahlen denken34, die (abstrakten) Zahlen existieren aber unabhängig davon, ob A (richtig oder falsch) an die Zahlen denkt oder nicht. Eine weitere, speziell von SEARLE seit Jahren verfolgte grundsätzliche Dimension, die weder physisch, mental, noch abstrakt ist, läuft unter der Bezeichnung „social

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„Wir haben also (mindestens) vier ontologische „Schubladen““ (SCHRAMM 2016b, S. 8). Vgl. im Folgenden ebd., S. 7f.; SCHRAMM (2016e), S. 336ff., 346; SCHRAMM (2015a), S. 181. So sind z. B. die Bewerbungsunterlagen physisch, andernfalls könnten sie nicht postalisch versendet werden (anders wäre es gewesen, wenn sich A online bei U beworben hätte). A denkt sich, es wäre eine gute Idee, sich zu bewerben, etwa um Geld zu verdienen, wobei der Geldverdienst nur ein mögliches Interesse von vielen ist (so kann es A auch darum gehen, durch Arbeit soziale Kontakte zu knüpfen oder sich persönlich weiterzuentwickeln). Interessen gehören vom Inhalt her zum Bereich des Mentalen, da Interessen inhaltlich gesehen Gedanken sind (dem entspricht als neuronales Korrelat ein physischer Vorgang im Gehirn, inhaltlich sind Interessen jedoch etwas Mentales, etwas, das zu unserem Bewusstsein gehört). Z. B.: „Ich habe von vier Bewerbungen erst eine Rückmeldung erhalten, also stehen noch drei Rückmeldungen aus“.

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ontology“, also unter der Ontologie sozialer Tatsachen (im Sinne einer gesellschaftlichen Ontologie)35. Ein nicht unwesentlicher Teil der in dieser Arbeit behandelten Aspekte und Problematiken fällt inhaltlich in den Bereich der Sozialontologie, wobei zu sehen ist, dass die sozial-ontologische Dimension erst mit der Gesellschaft aufgekommen ist. A bewirbt sich bei U, um Geld zu verdienen. Zudem muss er für seine Bewerbungsmappe Geld bezahlen. Auf solche ökonomischen Transaktionen wurde bereits oben verwiesen. Geld ist als zentrales Medium der Wirtschaft aber eine Erfindung der Gesellschaft36. Etwas ist nur dann und solange Geld, wie die Gesellschaft kollektiv anerkennt, dass es Geld ist37. Sobald Menschen in Zeiten einer Inflation beginnen, Zweifel zu bekommen und ihre Anerkennung zurückzuziehen (sich also fragen: „Ist das Stück Papier morgen noch etwas wert?“), handelt es sich irgendwann um kein Geld mehr, da das Geld entwertet ist. SEARLE sagt deshalb, dass die Dinge der vierten Schublade, nämlich der „social ontology“, „ontologisch subjektiv“ sind38. Zugleich ist Geld aber „epistemologisch objektiv“39, und zwar insofern, dass sich objektiv bestimmen lässt, was Geld ist und was nicht40. Geld lässt sich nicht einfach umdefinieren. Dass Geld

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Vgl. SEARLE (1997); SEARLE (2012); SCHRAMM (2016b), S. 8; SCHRAMM (2016e), S. 336ff. Vgl. SEARLE (2001), S. 151ff. Vgl. SCHRAMM (2016b), S. 52; SCHRAMM (2016e), S. 337. Geld ist in seiner Existenz und Gültigkeit von der kollektiven subjektiven Anerkennung abhängig: „Geld kann seine Funktion nicht dank seiner physikalischen Beschaffenheit allein ausüben“ (SEARLE 2001, S. 151). Vielmehr sind „die Einstellungen der Menschen notwendig […], um etwas als Geld, Regierung, politische Partei oder Abschlussprüfung zu konstituieren“ (SEARLE 2012, S. 34f.). Folglich wäre die Aussage „Der Euro ist Geld bis in alle Ewigkeit“ unwahr, da nicht auszuschließen ist, dass eine Inflation auftritt, die das Geld „Euro“ vernichtet. Daher gilt auch im Falle der sozialen Ontologie das, was im Kontext mit GREENSPAN bemerkt wurde: Es herrscht Ungewissheit, trotzdem sollte die Idee, fortwährend auf der Suche nach der objektiven Wahrheit zu sein, nicht von vornherein aufgegeben werden. Vgl. SEARLE (2012), S. 35f.; SEARLE (2006), S. 146; SEARLE (2004), S. 83f.; SCHRAMM (2016b), S. 8, 36; SCHRAMM (2016e), S. 337. Im Gegensatz dazu wäre z. B. ein Gebirge „ontologisch objektiv“, da es objektiv da ist, und zwar unabhängig davon, was wir denken, anerkennen oder subjektiv erfahren (vgl. SEARLE 2012, S. 36). Der Disziplin der Epistemologie geht es im Unterschied zur Ontologie nicht darum, zu bestimmen, wie die Dinge auf der Welt sind, sondern darum, wie Menschen zu den Erkenntnissen hingelangen, wie ihre Erkenntnisart bzw. der Modus ihrer Erkenntnis abläuft (also „dem, woher wir darum wissen“, SEARLE 2001, S. 13). Vgl. zur Unterscheidung zwischen Ontologie und Epistemologie auch CORSTEN (2011), S. 228ff. Vgl. SEARLE (2012), S. 35f.; SCHRAMM (2016b), S. 8; SCHRAMM (2016e), S. 338, 341. Der Unterschied zu bloßen subjektiven Gedanken, die Menschen privat in ihrem Kopf haben, ist dann der, dass der Euroschein - wenn dies alle subjektiv mental so denken - tatsächlich Geld ist, also „epistemologisch objektiv“ Geld ist, so wie auf der anderen Seite objektiv anerkannt werden muss, dass ein Mark-Stück objektiv kein Geld mehr ist. Und wer sich einbildet, dass die D-Mark noch Geld ist, der wird objektiv mit der harten Realität konfrontiert, dass die D-Mark kein Geld mehr ist und

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nichts Physisches ist, zeigt sich bereits daran, dass heute ein Großteil des Geldverkehrs digitalisiert abgewickelt wird. Geld hängt also nicht am physischen Geldstück oder -schein. Geld ist aber auch nichts Mentales: Zwar muss man im Gehirn denken bzw. mental anerkennen, was Geld ist und was nicht (insofern ist das Mentale auch bei der Sozialontologie im Spiel), der Gedanke selbst ist aber nicht das Geld41. Eine vergleichbare Argumentation lässt sich für weitere ontologische Dimensionen hervorbringen, die im betrachteten Beispiel eine Rolle spielen. So ist U, das selbst wiederum durch eine hohe metaphysische Komplexität gekennzeichnet ist, mit seiner jeweiligen Gesellschaftsform (z. B. GmbH, AG) ebenfalls eine „social ontology“, also eine menschliche Erfindung, die so lange besteht, wie sie anerkannt wird. Gleiches gilt für das Politik- und Wirtschaftssystem, von dem U ein Teil ist, das geregelte Lohnarbeitsverhältnis, um das sich A bewirbt, den Geschäftsführer von U, die Eigentumsrechte in U, sämtliche Patente von U oder bestimmte arbeitsrechtliche Regelungen (wie den Kündigungsschutz). Bereits diese Aufzählung vermittelt einen Eindruck der endlosen metaphysischen Komplexität gewisser Situationen, auf die SEARLE aufmerksam machen will. In der Realität hängt alles mit allem zusammen42, sodass sich die gesamte Welt an einer noch so banal und harmlos wirkenden Situation aufspannen ließe. Dennoch, und darin liegt eine zentrale Aussage, kumulieren sich all jene Dinge und Fragen, welche in der Wirklichkeit geschehen und relevant sind (ökonomische Transaktionen, mentale Fragen, physische sowie zahlenmäßig-abstrakte Dinge, die Welt der „social ontology“, konkrete Fragen zur Ausgestaltung der Stelle, die Finanzlage von U usw.), in der einen (z. B. Bewerbungs-)Situation. Für die vorliegende Thematik und den weiteren Verlauf der Arbeit ist nun folgende Überlegung wichtig: Würde man sich, so wie es neoklassische Ökonomen getan haben43, auf nur eine

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man sich nichts dafür kaufen kann. Die beschriebene Zuordnung („ontologisch subjektiv“/ „epistemisch objektiv“) gilt auch für das Marktsystem insgesamt: Dass sich Menschen und Unternehmen vom Marktsystem Regeln diktieren lassen und Wettbewerb betreiben, ist eine Erfindung der Menschheit (und damit „ontologisch subjektiv“). Zugleich muss aber epistemisch bekannt sein, dass der Wettbewerb nun läuft und dass diejenigen, die die Gesetze und Signale des Wettbewerbs ignorieren, (objektiv) damit zu rechnen haben, aus dem Wettbewerb auszuscheiden. Der Inhalt dessen, was gedacht wird - nämlich: Ist das Geld oder nicht? -, ist eine soziale Ontologie. Vgl. SCHRAMM (2014c), S. 397ff.; SCHRAMM (2017b), S. 7. Vgl. SCHRAMM (2016b), S. 19; SCHRAMM (2016e), S. 320ff. In diesem Zusammenhang weist ALBERT (1965, S. 421) in seinem Aufsatz „Modell-Platonismus“ darauf hin, „dass gerade die am stärksten in der Tradition der Neoklassik stehenden ökonomischen Denker, die methodisch zum

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Dimension beschränken (z. B. auf die ökonomische Transaktion bzw. den Zahlungsvorgang, die bzw. der in den Bereich der „social ontology“ fällt) und zugleich alle anderen (nicht-systemischen, nicht-ökonomischen) Dimensionen ausblenden, so wäre dies eine als Fehlschluss („Fallacy“) zu wertende Abstraktion oder Verkürzung des polydimensionalen Vorgangs (bzw. der metaphysischen Komplexität), der wirklich geschieht (bzw. die wirklich vorliegt) 44. Dieser Fehlschluss wird im Laufe der Arbeit an mehreren Stellen diskutiert45. Wie sich dabei zeigen wird, ist es nicht immer einfach, festzulegen, wann ein Fehlschluss vorliegt und wann nicht46. Um richtig verstanden zu werden, ist bereits hier zu betonen, dass kein Zweifel daran besteht, dass es sinnvoll, ja: unausweichlich ist, auszudifferenzieren und vom Komplexen zu abstrahieren. Alle Menschen, Wissenschaftler genauso wie Manager, müssen mit gedanklichen Modellen (Abstraktionen) arbeiten, um die Welt in den Griff und Begriff zu bekommen47. Die Welt lässt sich nur mit dem Rückgriff auf ausdifferenzierte Erkenntnisse erklären. Schon deshalb wäre es, wie ebenfalls noch genauer ausgeführt wird, andererseits nicht minder fehlschlüssig, die abstrakte (systemische, ökonomische) Dimension ausblenden zu wollen 48. Allerdings muss auch die konkrete, wirkliche Welt im Auge behalten werden, die heterogen, plural, „bunt“ und „schmutzig“ („messy“) ist49. Es muss beachtet werden, dass beide Ebenen, jene des abstrakten Modells oder (Regel-)Systems (z. B. des Funktionssystems Wirtschaft) und jene der konkreten Wirklichkeit, voneinander verschieden, aber gleichermaßen wichtig sind. Sonst entsteht die Gefahr, dass das abstrahierte Modell bzw. eine bestimmte Dimension entweder von vornherein ausgeblendet oder aber, was ebenso unzulässig ist, für die wirkliche Wirklichkeit

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Modell-Platonismus tendieren, gleichzeitig am meisten der Versuchung ausgesetzt sind, das ökonomische Denken gegen das Eindringen von Erkenntnissen aus dem Bereich anderer Sozialwissenschaften abzuschirmen und die theoretische Autonomie der Nationalökonomie zu verteidigen“. Vgl. SCHRAMM (2014b), S. 16; SCHRAMM (2015a), S. 180f.; SCHRAMM (2016d), S. 162. So sind neoklassische Ökonomen davon ausgegangen, dass das, was wirklich geschieht, das Marktmodell ist. Nun ist das Marktmodell für sich genommen richtig und wichtig, trotzdem ist das, was in der Wirklichkeit geschieht (und die Finanzkrise ist ein Beleg dafür), komplexer und „messier“ als das Modell. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.1.3.1, der sich mit dem „Fallacy of Misplaced Concreteness“ befasst. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.1.3.2, der sich mit der Abgrenzung zwischen Abwägungen und Fehlschlüssen befasst. Vgl. SCHRAMM (2016c), S. 150; SCHRAMM (2016d), S. 162. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.1.3.1, der sich mit dem „Fallacy of Disregarded Abstractness“ befasst. “The world is messy. […] Economists must […] seek to capture this messiness and ignorance in theories and arguments if we are to illuminate great questions“ (BRUTON 1997, S. ix). Ähnlich KRUGMAN (2009): “[E]conomists will have to learn to live with messiness. That is, they will have to […] accept that an elegant economic “theory of everything” is a long way off“.

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Übergeordneter Theorierahmen Aspekte der (Business) Metaphysics

gehalten wird, da jede einzelne ausdifferenzierte Wissenschaft sich herausnimmt zu glauben, besonders nah am vermeintlichen Kern der Sache zu sein. Das aber ist nicht der Fall, da sie (etwa die Naturwissenschaften) jeweils nur ein Detail herausgreifen und zu erklären versuchen, „how the world works (in detail)“50. Wer aber wissen will, wie die Dinge in der komplexen Wirklichkeit (im „Rest der Welt“) wirklich funktionieren und allgemein zusammenhängen („how the world works in general“)51, der muss sich, so SCHRAMMs These, präsent halten, dass die Wirklichkeit bzw. das wirkliche Alltagsgeschäft im Management keine rein betriebswirtschaftliche Angelegenheit, sondern polydimensional und metaphysisch komplex ist52. Anders formuliert: Er muss Metaphysik betreiben53 und die Wirklichkeit so modellieren, wie sie „in general“ funktioniert (und primär sind, wie noch zu erörtern sein wird, nicht die Spielregeln, sondern die Spielzüge). Als Konsequenz dieser Überlegungen fungieren in der Arbeit sowohl die Ebene des abstrakten Modells als auch die Ebene der konkreten Wirklichkeit (samt der mit beiden Ebenen

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SCHRAMM (2014b), S. 14; SCHRAMM (2015a), S. 177; SCHRAMM (2016d), S. 149; SCHRAMM (2016e), S. 313, 342. Damit ist bereits gesagt, dass die (Business) Metaphysics zunächst keine spezifizierten Handlungsanweisungen für den Managementalltag liefern kann und will. Sie liefert also kein „ManagementHandbuch“. Jedoch ist es möglich, und das wird von SCHRAMM fokussiert, den Bereich der Metaphysik unter verschiedenen Aspekten zu beleuchten und fortzuschreiben. Ziel ist es, herauszufinden, welche Erkenntnisse sich aus einer (Prozess-)Metaphysik im Hinblick auf businessbezogene (im vorliegenden Zusammenhang z. B. personalpolitische) Fragen ableiten lassen, wobei die Erkenntnisse der Metaphysik dann wiederum von den ausdifferenzierten Einzelwissenschaften konstruktiv verarbeitet werden sollten (z. B. indem bestimmte gesellschaftliche Haltungen aufgedeckt und/ oder ökonomisch verengte, kurzfristige und -sichtige Haltungen korrigiert werden). Vgl. SCHRAMM (2015a), S. 187. Und polydimensionale Probleme lassen sich auch nur polydimensional lösen. Alles andere wäre eine Abstraktion (so wie z. B. die neoklassische Ökonomik), nicht aber die heterogene Wirklichkeit. Bereits die Erkenntnis und das Präsent-Halten der Tatsache, dass das Abstrakte und das Konkrete verschiedene Bereiche sind, ist als Fortschritt zu werten. Abstraktionen sind nützlich und im täglichen Denken und Handeln unverzichtbar (vgl. dazu das Beispiel des Stadtplans bei SCHRAMM 2016b, S. 4f.; SCHRAMM 2016e, S. 339ff.; SCHRAMM 2014b, S. 15), dennoch muss klar sein, dass Abstraktionen nicht die Wirklichkeit wiedergeben und der Ausschluss bestimmter (wesentlicher) Dinge zu suboptimalen Ergebnissen führen kann. WHITEHEAD hat die Aufgabe der Philosophie dahin gehend definiert, dass sie Abstraktionen nicht generell kritisiert, sondern stattdessen (im Sinne von KANTs Kritik der praktischen Vernunft) das Zusammenspiel zwischen dem Abstrakten und Konkreten analysiert: „Wir können nicht ohne Abstraktionen denken [methodische Reduktionen sind also nützlich, vgl. Stadtplan]; deshalb ist es äußerst wichtig, in der kritischen Überprüfung der Abstraktionsmethoden wachsam zu sein [die komplizierte Wirklichkeit darf nicht zu abstrahierend oder reduktionistisch gedacht und beschrieben werden, da sie sonst verfehlt und Fehler gemacht werden]. Hier kann die Philosophie eingreifen, und sie muss es im Interesse des gesunden Fortschritts der Gesellschaft: es handelt sich um die Kritik der Abstraktionen [kurz gesagt: Das eine darf nicht mit dem anderen verwechselt werden]” (WHITEHEAD 1949, S. 75).

Übergeordneter Theorierahmen Aspekte der (Business) Metaphysics

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verbundenen Fehlschlüsse) als Generalschlüssel zur Erklärung, zum besseren Verständnis sowie teilweise auch zur Lösung arbeitsplatzbezogener Probleme. Im nun folgenden dritten Kapitel werden einige Grundlagen zum eigentlichen Betrachtungsgegenstand der Arbeit, dem Arbeitsplatz bzw. Arbeitsverhältnis, dargelegt, weitere grundsätzliche Ein- und Abgrenzungen des Untersuchungsfeldes vorgenommen und, damit zusammenhängend, erste Verknüpfungspunkte zur Ethik aufgezeigt.

3. Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit Auf der Grundlage des im vorigen Kapitel beschriebenen metaphysischen Gerüstes wird in diesem Kapitel zum einen das sachlich-thematische Problemfeld der Untersuchung weiter konkretisiert und für den Rahmen der Arbeit definiert, zum anderen, und damit zusammenhängend, werden erste grundsätzliche Anknüpfungspunkte zwischen arbeitsplatzbezogenen Fragen und der (Management-) Ethik erläutert, allerdings noch ohne nähere Bezüge zur Ethiktheorie herzustellen, deren Grundlagen erst im vierten Kapitel dargestellt werden. In Unterkapitel 3.1 wird im ersten Schritt das eigentliche Betrachtungsobjekt der Arbeit, der Arbeitsplatz bzw. das Arbeitsverhältnis, näher identifiziert und grundlegend in einen ethischen Kontext eingebettet. In diesem Zusammenhang sollen als wesentliche Rahmenbedingungen zum einen der Mensch mit seinem sozial anerkannten Bedürfnis nach einem Arbeitsplatz, zum anderen aber auch die ökonomischen Rahmenbedingungen, unter denen sich die Schaffung, der Erhalt und Abbau von Arbeitsplätzen in der polydimensioanelen Wirklichkeit vollzieht, betrachtet werden. Im zweiten Unterkapitel werden sodann mehrere relevante Aspekte rund um die juristische Einbettung und insbesondere systematische Unvollständigkeit von Arbeitsverträgen beleuchtet, wobei Letztere den Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für erste differenzierte ethische Reflexionen im Zuge eines Arbeitsplatzmanagements bildet, welche in Unterkapitel 3.3 angestellt werden. Neben den Begriffen der „Ambivalenz“ und „Kontingenz“, durch die zugleich ein gewisses Weltbild zum Ausdruck kommt, das der Arbeit zugrunde liegt, wird dabei auch auf die Theorie moralischer Interessen und Anreize eingegangen und ein Verständnis für das Erfordernis eines pluralen, situationsabhängigen Anreizmanagements vermittelt.

3.1

Ethik, Arbeit und Unternehmen im Dienste eines guten Lebens

Arbeit ist ein Teil des Lebens, der alle Menschen betrifft. Zugleich wird die Schaffung von Arbeitsplätzen durch unterschiedliche Rahmenbedingungen und Erwartungshaltungen beeinflusst, wodurch vielfältige ethische Fragestellungen, Problemfelder und Forderungen aufgeworfen werden, welche in diesem Unterkapitel erstmals thematisiert werden. Im Zentrum des ersten Abschnitts steht die Ver-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Wagner, Managementethik und Arbeitsplätze, Studien zur Ethik der Transaktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26382-9_3

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

knüpfung der beiden Themenfelder Ethik und (Erwerbs-)Arbeit. Dazu wird zunächst die Bedeutung von bezahlter Arbeit für das menschliche Leben, genauer für die Existenzsicherung und soziale Identität der Menschen in der westlich geprägten Gesellschaft, aufgezeigt. Auf den Identitätsbildungsprozess durch Arbeit wird in Abschnitt 3.1.2 gesondert eingegangen. Da Unternehmen eine Schlüsselrolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen zukommt, wird in Abschnitt 3.1.3 zudem erläutert, inwiefern sich die Prozesse der Schaffung und Erhaltung bzw. Sicherung von Arbeitsplätzen durch Unternehmen in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftlich-sozialer Verantwortung und wirtschaftlicher Rationalität bewegen.

3.1.1

Grundlegende Zusammenhänge

Die Ethik ist ein Thema, das alle Menschen interessiert, auch wenn ihnen das eventuell nicht bewusst ist. Kaum jemand wird sagen, er habe kein Interesse an einem gelingenden Leben. Darin aber liegt (mindestens seit ARISTOTELES) die zentrale Frage der Ethik54: Wie kann ich ein gelingendes Leben führen? Darüber hinaus geht es der Ethik auf übergeordneter Ebene um das Problem der sozialen Ordnung, darum also, wie eine im weiteren Sinne „gerechte“ (nachhaltige, solidarische) Gesellschaft bzw. Gemeinschaft erreichbar ist. Da Menschen gesellschaftlich-soziale Wesen sind, die normalerweise nicht alleine glücklich werden können, sollte es ein Ziel sein, das gelingende Leben gemeinsam zu meistern. Insofern ist Ethik wichtig und es gibt gute Gründe, sich als Individuum und Gesellschaft damit zu befassen. Und deshalb ist auf der Unternehmensebene auch eine Unternehmens- und Managementethik wichtig, denn bei dieser geht es um den Beitrag der Unternehmen zu einer gerechten Gesellschaft durch eine (nachhaltige) Wertschöpfung, welche den Menschen das gibt, was sie zum Leben brauchen. Die Zusammenhänge der drei angesprochenen ethischen Ebenen werden in Abb. 3 nochmals dargestellt.

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Hier ist die Gruppe der eudämonistischen Ethiken angesprochen, welche ihren Ursprung bei ARISTOTELES haben und zu denen z. B. der Utilitarismus zählt. Bei der eudämonistischen Ethik des Guten stehen Kategorien und Werte wie Ziel, Glück, Nutzen und Zufriedenheit im Zentrum. Das Motto ist: Menschen sollen etwas Positives von der Ethik haben. Die deontologischen Ethiken in der Tradition KANTs sind dagegen gerade nicht eudämonistisch, sondern stellen den Begriff der „Pflicht“ in den Mittelpunkt.

Ethik, Arbeit und Unternehmen im Dienste eines guten Lebens Das „gute Leben“ als zentrale Frage der Ethik - auf drei Ebenen Persönliche Ebene: Soziale/ gesellschaftliche Ebene: Wie kann ich ein gelingendes Leben führen? Wie können wir ein gelingendes Leben führen? Anknüpfungspunkte: Im Zentrum der aristotelischen Anknüpfungspunkte: Ethik steht Glück/ Glückselig- Durch Gestaltung der Spielrekeit (eudaimonia)55; (ethische geln lässt sich Verhalten der und dianoëtische) Tugenden Menschen in gesellschaftlich (arete) bilden dabei relevante erwünschte Richtung lenken Eigenschaften („relevantes (Ordnungsethik) Vermögen“) für glückliches + Leben; tugendhaftes Leben ist Tugendhaftes Handeln aus in56 eines, das Glück bringt ; an- nerer Überzeugung, Selbstverders formuliert: Glück entsteht pflichtung durch Vollzug tugendhafter Handlungen57 Abb. 3:

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Unternehmensebene: Wie können wir unsere Wertschöpfung gestalten, um Stakeholdern (der Gemeinschaft) zu einem gelingenden Leben zu verhelfen? Anknüpfungspunkte: Polydimensionale, auf Arbeitsplatz-Transaktionen bezogene Unternehmens-/ Managementethik

Verhältnis von Ethik, Arbeit und Unternehmen58

Unternehmen tragen durch ihre Geschäftstätigkeit zur Grundversorgung breiter Bevölkerungsschichten, zu Beschäftigung und Einkommen sowie einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung bei. Zu dem, was Menschen zum Leben brauchen, zählen Arbeitsplätze und die Einkommen, die sie in und mit Unternehmen (in-) direkt verdienen. Arbeit ist eine Voraussetzung für ein gutes Leben und soziale Anerkennung. Da Unternehmen Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, schaffen sie damit eine Voraussetzung für ein gutes Leben auf individueller und gesellschaftlicher Ebene. Umgekehrt können Stellenstreichungen massive negative Folgen bewirken. Daher besteht kein Zweifel, dass Ethik für Unternehmen und Manager wichtig ist und auch sie sich damit befassen sollten. Wie in Abschnitt 3.1.3 erstmalig gezeigt wird, bedeutet das wiederum nicht, dass Unternehmen in der Lage wären, beliebig viele Stellen zu schaffen, da die Arbeitsplatzschaffung an die ökonomische Systemlogik gebunden ist, der sich kein Unternehmen entziehen kann. Zudem agieren gerade große Unternehmen weltweit, sodass sie den Ort für Her-

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Vgl. HÖFFE (2005), S. 217. „Unter dem Begriff »für sich allein genügend« verstehen wir das, was rein für sich genommen das Leben begehrenswert macht und nirgends einen Mangel offenlässt. Wir glauben, dass das Glück dieser Begriffsbestimmung entspricht […]. […] So erweist sich denn das Glück als etwas Vollendetes, für sich allein Genügendes: es ist das Endziel des uns möglichen Handelns“ (ARISTOTELES 2013, S. 16). Vgl. ARISTOTELES (2013), S. 8, 17. Vgl. ARISTOTELES (2013), S. 29. Quelle: Eigene Darstellung.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

stellung und Vertrieb ihrer Produkte mehr oder weniger frei wählen können. Dennoch, und dies ist zentral, hängen Ethik, Unternehmen und Arbeit miteinander zusammen und sollten gemeinsam im Dienste eines guten Lebens stehen. Auch wenn dies als selbstverständlich erscheinen mag, so ist darauf hinzuweisen, dass, wenn hier von „Arbeit“ oder „Beschäftigung“ gesprochen wird, eine bezahlte, legale, menschenwürdige und gerechte Arbeit auf dem Arbeitsmarkt gemeint ist59. Trotz der Fokussierung auf Erwerbsarbeit ist nicht zu übersehen, welche Rolle den vielfältigen Formen unbezahlter Arbeit (z. B. Hausarbeit, Kindererziehung, Angehörigenpflege, ehrenamtliches Engagement) für das menschliche Zusammenleben und den Fortbestand der Gesellschaft zukommt. Um aber ökonomisch unabhängig zu sein und für den Lebensunterhalt aus eigener Kraft sorgen zu können, kommen viele Menschen nicht darum herum, ihre Arbeitskraft am Arbeitsmarkt gegen Gehalt oder Lohn zu verkaufen60. Die Bedeutung von bezahlter Arbeit für die Lebensqualität resultiert damit zum einen aus ihrer Funktion für die finanzielle Existenzsicherung61. Dabei spielen für die vorliegende Betrachtung eine mögliche (Nicht-)Befristung, die Karriereaussichten oder andere Qualitätsmerkmale der Stelle (wie die Höhe der Entlohnung o. Ä.) keine zentrale Rolle. Entscheidend ist zunächst nur, dass eine Freisetzung häufig zu Arbeitslosigkeit

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Es geht „nicht um Arbeit per se“ (FREY 1996, S. 9). Wie Arbeit beschaffen sein muss, um die genannten Attribute zu erfüllen, lässt sich nicht eindeutig sagen. „Steht der Begriff „menschenwürdige Arbeit“ für die menschenrechtlich begründeten Mindeststandards an Erwerbsarbeit, die in allen Kulturen und Gesellschaften eingehalten bzw. verwirklicht werden sollen, so kann man den Begriff „gerechte Arbeit“ auf ethische Mindeststandards beziehen, die in den Arbeitsverhältnissen einer bestimmten Gesellschaft [mit gewissem Wohlstandsniveau, Grundvorstellungen einer guten Gesellschaftsordnung] eingehalten bzw. verwirklicht werden sollen“ (EMUNDS 2008, S. 50). Vor dem Hintergrund erstaunt wenig, dass es bei jungen Frauen und Männern eine immer stärkere Orientierung hin zu bezahlter Erwerbsarbeit gibt, die zulasten unbezahlter (etwa Familien-)Arbeit geht. Junge Erwachsene wollen primär ihre Existenz sichern und finanziell unabhängig bleiben. Die 2012 zum dritten Mal durchgeführte WZB-Studie „Lebensentwürfe heute“ (vgl. ALLMENDINGER/ HAARBRÜCKER/ FLIEGNER 2013) zeigt, dass gerade jungen Frauen der Bereich Familie und Kinder zwar nach wie vor wichtig ist (Anstieg um rund 10 %), dass zugleich aber der Bereich der Erwerbstätigkeit („das auf eigenen Beinen stehen wollen“, „das viel Geld verdienen wollen“), der 2007 noch als gleichbedeutend empfunden wurde, stärker an Bedeutung zugelegt hat (um rund 30 %). Auch bei den Männern hat die Erwerbstätigkeit über die Zeit an Bedeutung gewonnen, zugleich ist der Wert einer eigenen Familie gesunken. Die Familie wird damit zunehmend zugunsten der Erwerbstätigkeit geopfert, was ein Indiz dafür ist, dass Deutschland von seinen Bewohnern nach wie vor als wenig kinderfreundlich erlebt wird. Vgl. BUß (2009), S. 26; FREY (1996), S. 9; CIULLA (2007), S. 109. Diese monetäre Komponente der Arbeit ist besonders für Personen mit einer schwachen Arbeitsmarktposition essenziell.

Ethik, Arbeit und Unternehmen im Dienste eines guten Lebens

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führt62. Da Arbeitslosigkeit, vor allem wenn sie länger andauert, den Einstieg in relative Armut implizieren kann63, steht primär das Ziel einer kontinuierlichen, d. h. möglichst unterbrechungslosen Erwerbsarbeit im Vordergrund. Wie oben bereits angedeutet, ist Arbeit darüber hinaus aber auch wichtig für die Selbst- und Fremdachtung, den Selbstwert, das Selbstvertrauen, die Selbstverwirklichung und das Kompetenzgefühl des Menschen64. Da sich Menschen auf dem Arbeitsmarkt selbst einbringen und ihre Arbeitskraft einsetzen müssen (anders gesagt: Da Mensch und Arbeitskraft untrennbar miteinander verbunden sind)65, ist der „Arbeitsmarkt […] kein Markt wie jeder andere“ 66 (wie etwa der Gütermarkt). Die in der Öffentlichkeit akzeptierte Beschäftigung ist ein zentrales Identitätsmerkmal des Menschen67, vor allem in den westlichen Gesellschaften. 62

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Eher unkritisch ist die Situation dann, wenn ein Arbeitnehmer schnell wieder eine neue Beschäftigung findet. Probleme entstehen für all jene, die nicht gleich einen Anschlussjob finden, wobei sich die Lage zuspitzt, wenn Kinder oder andere versorgungspflichtige Familienangehörige existieren, wenn Verbindlichkeiten bestehen, wenn der Partner über kein nennenswertes Einkommen und Vermögen verfügt, wenn neben dem Arbeitseinkommen auf kein anderes Einkommen (aus Vermietung, Zinsen o. Ä.) zurückgegriffen und auch aus dem persönlichen Umfeld keine Hilfe erwartet werden kann. Der finanzielle Druck kann wiederum zu familiären Konflikten und starken Schuld- und Schamgefühlen führen, da die geldverdienende Mutter oder „[d]er geldverdienende Vater […] die an ihn [bzw. sie] gestellte Erwartungshaltung nicht mehr im gewohnten Maß erfüllen“ (REUTER 2005, S. 81) kann. Vgl. HESS/ HARTENSTEIN/ SMID (1991), S. 181f.; EMUNDS (2008), S. 8. Arbeitslosigkeitsprobleme spiegeln sich auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene wider: Mit steigender Arbeitslosigkeit steigt die Ungleichheit in der Gesellschaft. Gerade Massenarbeitslosigkeit kann die Stabilität und den sozialen Frieden einer Gesellschaft längerfristig gefährden. Arbeitslosigkeit führt zudem auf der Einnahmenseite des Staates zu Ausfällen und einer Mehrbelastung der sozialen Haushalte (durch höhere Zahlungen für Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe). Vgl. KIESELBACH (2001), S. 37f.; KARMASIN (1996), S. 333; FREY (1996), S. 9. „Der Beruf [bzw. Arbeit] hat meistens einen in ihm [in ihr] selbst liegenden Wert“ (MÜLLER-VORBRÜGGEN 2005, S. 128). Arbeit wird daher gemeinhin als „ursprünglicher“ („originärer“) Produktionsfaktor gesehen (vgl. VON KNORRING/ BOSSERT 2006, S. 34). Die Bedeutung des Produktionsfaktors Arbeit lässt sich daran erkennen, dass der Anteil der Löhne und Gehälter am gesamten Volkseinkommen („Lohnquote“) 70 % beträgt (vgl. SCHWARZ 2008). BRANDES/ WEISE (1980), S. 13. Vgl. auch HEERTJE/ WENZEL (2002), S. 270f.; STADERMANN (2006), S. 376. Neben der Beschäftigung, die das zentrale ökonomische Identitätsmerkmal (1) darstellt, lassen sich noch mindestens fünf weitere, zum Teil miteinander in Beziehung stehende Identitätsquellen unterscheiden (vgl. HUNTINGTON 2004, S. 43, 48f.). Zu nennen sind: (2) Askriptive (zugeschriebene) Merkmale (lat. scribere: schreiben) wie das Alter und Geschlecht, die Ethnie, die Verwandtschaft oder die Vorfahren (Mythen und Legenden, die über Generationen hinweg weitergegeben wurden, finden unmerklich Eingang im Selbstverständnis des Einzelnen); (3) Kulturelle Identitätsquellen sind z. B. die Religion, Nationalität, Kultur und Sprache. Die kulturelle Dimension

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Sie ist in einem modernen Wirtschaftsland wie Deutschland die wichtigste Quelle des Selbstverständnisses68. Neben der Familie gibt es kaum etwas, was Menschen in ihren Überzeugungen, ihrem Erleben und Verhalten so prägt, wie ihre Arbeit (damit verbunden: ihre Arbeitsstätte, der Beruf, die Arbeitsgruppe, die Branche und Reputation des Arbeitgebers, ggf. die Gewerkschaftszugehörigkeit usw.). Arbeit, und das gilt auch für einfache, monotone Arbeit, ermöglicht Kommunikation mit anderen, sie schafft Wertschätzung (Anerkennung, Status) durch andere und sie vermittelt einen (für manche „den“) Lebenssinn. Arbeit hat zudem - neben der Gesundheit und Familie - Einfluss auf die Lebenszufriedenheit69. All das gilt selbst dann, wenn es sich nur um befristete Beschäftigung handelt 70. Gerade Arbeitslose können davon berichten, wie selbstwerterniedrigend sie ihre Situation empfinden, wobei sich Arbeitslosigkeit, gerade wenn sie länger andauert, auch negativ auf die soziale Einbindung (z. B. das Ehe- und Familienleben, den Bekanntenkreis, die Geselligkeit, das gesellschaftliche Engagement usw.) und das Selbstwertgefühl

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zeigt deutlich, dass Identität unter dem Aspekt des Anderen entsteht (vgl. dazu bereits die Definition des „Kultur“-Begriffs nach SCHEIN 2004, S. 17): Wir können unsere Identität nur bilden, wenn wir wissen, zu welcher Gruppe (Nationalität, Religion usw.) wir gehören. Zudem steht unser Selbst im Wechselspiel mit dem oder den Anderen (mit Menschen anderer Nationalitäten, Religionen usw.); (4) Regionale oder territoriale Aspekte der Identität sind z. B. das (Bundes-)Land, die Stadt, das Stadtviertel, die Nachbarschaft o. Ä., in dem (der) ein Mensch aufwächst; (5) Zu politischen Identitätsmerkmalen zählen u. a. Interessengruppen, Ideologien, Bewegungen sowie Parteizugehörigkeiten; (6) Zur sozialen Quelle der Identität gehören Freunde, Vereinszugehörigkeiten, Kollegen sowie generell die Milieuzugehörigkeit. Menschen haben verschieden geartete und ausgeprägte Berührungspunkte zu den obigen Faktoren (vgl. HUNTINGTON 2004, S. 49). Jemand, der sich stark mit seiner Arbeit identifiziert und religiös ist, kann dennoch politisch desinteressiert sein. Politik ist für diese Person keine zentrale Identitätsquelle. Vgl. SEDMAK (2009), S. 159. Die berufliche Identität ist in jenen (modernen) Gesellschaften die wichtigste Identitätsfacette, in denen die Wirtschaft eine privilegierte Stellung hat: „In einem Land, das geprägt ist durch Ordnung, Präzision, Gründlichkeit, Leistung, Sicherheit und Disziplin, nehmen Arbeit und Beruf einen zentralen Stellenwert für die Persönlichkeit des Menschen ein. […] Arbeit und Beruf entscheiden sehr stark darüber, was man von einem Menschen hält, welche Eigenschaften man ihm zuschreibt, ob man ihn für erfolgreich hält oder nicht“ (FREY 1996, S. 8; vgl. auch KIESELBACH/ LÖDIGE-RÖHRS 1991, S. 54; MÜLLER-VORBRÜGGEN 2005, S. 127; CIULLA 2007, S. 99; NOLL 2012, S. 266; RÖTTIG 1993, S. 12; EURICH/ BRINK 2003, S. 328). In traditionalen Gesellschaften kann dies anders sein. Vgl. NEUMANN/ SCHMIDT (2013), S. 6, 8ff., 16; GEISHECKER 2010. CLARK und OSWALD (2002, S. 1141) zeigen in ihren Untersuchungen, dass ein Stellenverlust die Lebenszufriedenheit sogar stärker negativ beeinflussen kann als eine Trennung oder Scheidung. Vgl. SCHÄFER/ SCHMIDT/ STETTES (2013), S. 37f.; NEUMANN/ SCHMIDT (2013), S. 9f.; BECKMANN/ BINZ/ SCHAUENBERG (2007), S. 19.

Ethik, Arbeit und Unternehmen im Dienste eines guten Lebens

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der Angehörigen Arbeitsloser auswirken kann71. Durch einen Arbeitsplatzverlust können enorme „nicht-pekuniäre Kosten auftreten, die […] - in monetären Größen ausgedrückt - teilweise ähnlich hoch ausfallen wie die [monetären] Einkommenseinbußen“72. Arbeitslosigkeit und das damit einhergehende Nicht-Gebrauchtwerden und Nicht-Nützlichsein sind folglich keine Entlastung, sondern eine Belastung73. Vor diesem Hintergrund leuchtet ein, dass arbeitsplatzbezogene Fragen 71

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„Auf die Familien der Entlassenen wirken in der Regel alle Auswirkungen [wirtschaftlich, psychologisch und sozial] gleichzeitig ein - je nachdem unterschiedlich stark und ausgeprägt“ (REUTER 2005, S. 80). Die Kinder Arbeitsloser werden selbst dann zu „Opfern-durch-Nähe“, wenn ihre Eltern bemüht sind, die negativen Folgen der Arbeitslosigkeit von ihnen fernzuhalten (vgl. STREHMEL 2005, S. 220ff.; ZENKE 1988a, S. 151ff.; ZENKE 1988b; KIESELBACH/ LÖDIGE-RÖHRS 1991, S. 56ff.; HESS/ HARTENSTEIN/ SMID 1991, S. 190; KIESELBACH 2001, S. 38). SCHÄFER/ SCHMIDT/ STETTES (2013), S. 37. Vgl. zu den nicht-pekuniären Kosten der Arbeitslosigkeit auch WINKELMANN/ WINKELMANN (1998); KNABE/ RÄTZEL (2008). „In unserer Gesellschaft wird arbeitend verbrachte Zeit häufig als sinnvoll verbrachte Zeit betrachtet. […] Überwiegt im Umkehrschluss nun die „sinnlose Zeit“, so ist das für alle Betroffenen […] eine starke psychologische Belastung“ (REUTER 2005, S. 84; vgl. zu diesem Gedanken auch MÜLLER-VORBRÜGGEN 2005, S. 128; KIESELBACH/ LÖDIGE-RÖHRS 1991, S. 56f.; RÖTTIG 1993, S. 48). Solche Probleme hat bereits die in den 1930ern durchgeführte Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ vor Augen geführt, welche „als erste große, auf teilnehmender Beobachtung beruhende empirische „Soziographie“ [gilt], d. h.: ein Tagebuch von Sozialdaten“ (BUß 2009, S. 24). Marienthal war ursprünglich ein kleines Fabrikdorf in Niederösterreich (vgl. JAHODA/ LAZARSFELD/ ZEISEL 1960, S. 11). Mitte 1929 brach die Textilindustrie in Marienthal im Zuge der Weltwirtschaftskrise zusammen. In der Folge mussten die Spinnerei, Druckerei, Bleiche und Weberei stillgelegt werden, wodurch ein Großteil der Bevölkerung arbeitslos wurde (vgl. ebd., S. 14, 19f.). In Marienthal gab es zu jener Zeit 1.486 Einwohner in 478 Haushalten. JAHODA und LAZARSFELD führten ab Herbst 1931 im direkten (vor allem privaten) Umfeld der Betroffenen aufwendige Beobachtungen und Untersuchungen durch, um die Folgen der Fabrikschließung unter verschiedenen Aspekten bewerten zu können (vgl. ebd., S. 4ff.). Hier können nur einige Ergebnisse der Studie genannt werden. Trotz des Alters der Studie bleibt ihr Aussagegehalt unverändert gültig. Der massenhafte Stellenverlust hat in Marienthal vielfältige problematische Folgeerscheinungen ausgelöst, so etwa: Änderungen in den Ernährungsgewohnheiten (reduzierter Konsum von Gemüse und diversen „Luxus“-Nahrungsmitteln (wie Schokolade, Kaffee), dafür höherer Konsum von billigem Mehl, vgl. ebd., S. 31f.); gesteigerte Disziplin bei der Geldeinteilung in Kombination mit Veränderungen im Konsumverhalten (vgl. ebd., S. 32ff.); Verschlechterung der Gesundheitsverhältnisse bei Jung und Alt (vgl. ebd., S. 35f., 84); nachlassende Beteiligung am gesellschaftlichen Leben, in Vereinen (zum Teil Vereinsauflösungen) sowie in politischen Organisationen (vgl. ebd., S. 37f., 41ff., 81); nachlassendes Engagement für die Allgemeinheit (vgl. ebd., S. 38f.); Rückgang der Zahl der Bibliotheksausleihen, trotz Wegfall der Leihgebühren (vgl. ebd., S. 39f. Insofern gilt ein Befund von LAZARSFELD und ZEISEL damals wie heute: „Es ist […] nicht so einfach, wie immer wieder angenommen wird, dass der Arbeitslose seine Zeit zur Weiterbildung [heute: zur Steigerung der Arbeitsmarktfähigkeit] verwenden könnte. Wenn man an seiner Situation nur das Zeithaben sieht und sonst nichts, mag man sich über das Abnehmen der Leselust wundern; wer die Gesamthaltung beurteilt […], wird in diesen Zahlen nur eine charakteristische Bestätigung der Grundhaltung der Arbeitslosen sehen“ (ebd., S. 40)); Rückgang der Zahl von Zeitungsabonnements (vgl. ebd., S. 40f.); im Vergleich zu Nachbargemeinden bescheidenere Weihnachtswünsche der Kinder sowie eine stärkere Diskrepanz zwischen Wunsch und Wunscherfüllung (vgl. ebd., S.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

nicht rein ökonomisch betrachtet werden können. Zur Vertiefung dieses Aspekts wird der Einfluss von Arbeit auf die menschliche Identität im nachfolgenden Abschnitt nochmals vertiefend behandelt.

3.1.2

Verhältnis von Arbeit und Identität

Um zu verstehen, warum ein erheblicher Teil der menschlichen Identität durch Arbeit entsteht und Arbeitslosigkeit tief in die Identität der Betroffenen eingreift, wird im Folgenden näher auf den Identitätsbildungsprozess eingegangen 74. Der klassische Identitätssoziologe und Begründer des symbolischen Interaktionismus MEAD (1863-1931) unterscheidet in seiner Theorie zwei verhaltensprägende und einander widerstreitende Identitätstypen: das kleingeschriebene „Ich“ („I“) und das großgeschriebene „ICH“ („Me“) 75. Das „Ich“ steht für das unverfälschte, undomestizierte Selbst (das „So-und-nicht-anders-sein“76) eines Individuums, für das also, was wir als charakteristisch und einmalig an unserer Mentalität, unserem Charakter und Temperament, unseren Bedürfnissen usw. ansehen (auch für das, was einem die Natur und die Eltern an genetischen Möglichkeiten gegeben haben)77. Wichtig ist festzuhalten, dass es sich bei diesem Identitäts-„Ich“ noch um keine Identität handelt78. Sobald sich Menschen in einer Umgebung befinden, kommt das domestizierte (gebändigte, gezügelte) Identitäts-„ICH“ zum Tragen79.

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60f.); gesteigerte berufliche Zukunftsängste bei Kindern (vgl. ebd., S. 62ff.); zunehmende Resignation und Abkapselung der Jugendlichen (vgl. ebd., S. 65); bei Männern ein drastischer Zerfall des Gefühls für eine sinn- und planvolle Zeiteinteilung und -verwendung (vgl. ebd., S. 68ff. „Das Nichtstun beherrscht den Tag“ (ebd., S. 75), dennoch werden „nicht einmal die wenigen Termine, die es noch gibt, […] genau eingehalten“ (ebd., S. 78)); zunehmende Konflikte zwischen den Partnern (vgl. ebd., S. 77f., 86ff.); nachlassende Bedeutung des Rhythmus zwischen Werk- sowie Sonn- und Feiertagen (vgl. ebd., S. 79). Allgemein kann festgestellt werden: „Die Identität ist das Selbstgefühl einer Gruppe oder eines Individuums. Sie ist ein Produkt des Bewusstseins, dass Individuen und Gruppen klare Eigenschaften besitzen, die sie als spezifische Einheiten von anderen Individuen oder Gruppen unterscheiden“ (HUNTINGTON 2004, S. 41). Vgl. MEAD (1988), S. 185ff., 216ff., 236ff.; MEAD (1987); BUß (2009), S. 160; BUß (2002), S. 50; KRAPPMANN (2005), S. 58f.; JÖRISSEN (2010), S. 92ff. BUß (2009), S. 160. Das undomestizierte Selbst kommt etwa dann zum Tragen, wenn Menschen für sich alleine sind oder sich in einer vertrauten Situation befinden, in der herzlich gelacht wird, man sich gehen lässt oder es zu impulsiven Charakter-, Mentalitäts- oder emotionalen Ausbrüchen kommt (nach der Art: „So bin ich nun mal“). Vgl. MEAD (1987), S. 241. Vgl. MEAD (1988), S. 217ff., 238ff.; MEAD (1987), S. 242.

Ethik, Arbeit und Unternehmen im Dienste eines guten Lebens

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Es repräsentiert das Handeln in einem Netzwerk von Institutionen, Regeln, Normen, Ansprüchen und dgl. „Jeder muss ständig neue Anforderungen („Me’s“) integrieren und sich an den Bildern anderer vergewissern“ 80. Das „ICH“ steht für den Menschen als sozialisiertes, kulturelles Wesen, „als Träger einer Rolle, die Entsprechung von Erwartungen“81. Es geht um die von außen gesteuerte, in Austauschprozessen mit anderen ablaufende Selbstdefinition des Menschen. Oder anders gesagt: Menschen achten darauf, wie sie in ihrer Umgebung von Mitmenschen wahrgenommen werden. So sind Menschen bei ihrer Arbeit (gegenüber Vorgesetzten, Kollegen) nicht völlig undomestiziert, sondern domestiziert (d. h. hier tragen sie ihr Selbst bzw. ihr Sein nicht ungezähmt nach außen). Das „Ich“ (personale Identität) und das „ICH“ (soziale Identität) bilden zusammen die Identität und das Selbstverständnis des Menschen82. Wichtig ist dabei, dass der Aufbau und die Entwicklung der persönlichen Identität soziologisch aus einem permanenten Wechselspiel zwischen dem „Ich“ und „ICH“ bestehen 83. Ein 80 81

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HETTLAGE (1997), S. 8. BUß (2009), S. 160. Vgl. auch BUß (2002), S. 50; MEAD (1987), S. 245f.; KRAPPMANN (2005), S. 39; PEUCKERT (2003), S. 291. Vgl. MEAD (1988), S. 243; BUß (2009), S. 160. Die menschliche Identität befindet sich permanent in einem Rückkopplungsprozess mit einem oder vielen anderen. Es gibt keine Identität, die für sich alleine existiert. MEAD spricht in diesem Kontext von den „signifikant Anderen“ (MEAD 1988, S. 196; vgl. auch JEPPERSON/ WENDT/ KATZENSTEIN 1996, S. 59). So sind für Kinder die „signifikant Anderen“ die Eltern. Das verdeutlicht, dass Menschen ihre Identität nur dann beschreiben können, wenn sie die Umgebung, in der sie leben, mitbeschreiben (vgl. MEAD 1988, S. 206). Sie müssen Bezug auf andere nehmen (vgl. BUß 2009, S. 159; BUß 2002, S. 50), indem sie erklären, wie andere auf sie wirken, wie sie andere in ihrem Selbstverständnis antizipieren und reflektieren und wie sie auf das Handeln anderer reagieren. Hiervon geht auch GOFFMAN (1922-1982) aus, der auf Basis von MEAD eine ähnliche Idee entwickelt hat. GOFFMAN trifft eine Unterscheidung zwischen persönlicher (oder personaler) und sozialer Identität. Die persönliche Identität ist nicht mit MEADs Identitäts-„Ich“ zu verwechseln, obwohl zwischen beiden Identitätstypen Parallelen bestehen. Die persönliche Identität bezieht sich auf die Annahme, dass jedes Individuum im Erwachsenwerden vielfältige Erfahrungen sammelt und im Zeitverlauf eine einzigartige Biografie entwickelt (vgl. GOFFMAN 1980, S. 72ff.; BUß 2009, S. 160; KRAPPMANN 2005, S. 73, 76; PEUCKERT 2003, S. 291; VON ENGELHARDT 2010, S. 127f.). Zu dieser Lebensgeschichte zählt alles, was Menschen an (Miss-)Erfolgen, Erfahrungen usw. gesammelt haben. Ähnlich wie MEADs Identitäts-„Ich“ ist auch die persönliche Identität von GOFFMAN auf das eigene domestizierte Selbst gerichtet. Im Unterschied zum „Ich“ von MEAD hängt GOFFMAN die persönliche Identität aber nicht an der Mentalität (am Charakter, den Gefühlen, dem Willen, den urwüchsigen Trieben und dgl.) eines Menschen auf, sondern an seiner individuellen Historie, am Status quo der Identitätsgeschichte. Darüber hinaus erfahren Menschen in jedem Moment ihres Daseins unterschiedliche, von außen an sie adressierte Anforderungen (Zumutungen, Rollen), die sie in einem Reflexionsprozess in ihre Gedanken einbeziehen müssen (vgl. BUß 2009, S. 160; KRAPPMANN 2005, S. 73; PEUCKERT 2003, S. 291). GOFFMAN spricht im Zusammenhang

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Mensch „soll divergierende Erwartungen in seinem Auftreten berücksichtigen und dennoch [über die Zeit] Konsistenz und [über diverse Situationen] Kontinuität behaupten“84. Dieser ständige Rückkopplungsprozess zwischen einem selbst und der Umwelt beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod, was zeigt, dass Identität keine feste Eigenschaft, sondern ein lebenslanger Prozess ist 85. Dennoch hat jeder Mensch, wenn von bestimmten, zum Teil vorübergehenden Rollen-Identitäten abgesehen wird, nur eine einzige „Gesamtidentität“86. Ebenso wichtig ist, dass sich Identität von außen nach innen entwickelt, also auf dem Umweg über Mitmenschen zustande kommt87. Identitätsbildung setzt die Fähigkeit voraus, sich mit den

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mit diesen Anforderungen von sozialer Identität (vgl. GOFFMAN 1980, S. 10ff.), welche im Grunde MEADs Identitäts-„ICH“ entspricht. Menschen treffen persönlich oder gedanklich andauernd auf andere Menschen, mit denen sie zusammen sein wollen oder müssen. Bei der sozialen Identität handelt es sich vereinfacht um jene ad hoc-Identität, bei der sich der Einzelne aus dieser externen Umgebung heraus (mit den Augen der relevanten Bezugsgruppen, z. B. Freunde, Kollegen) wahrnimmt. Die soziale Identität zielt auf die permanente Zuschreibung von Dingen, die im Hier und Jetzt von außen an Individuen adressiert werden. Die dritte, eigentliche Identitätsform bei GOFFMAN liegt in der „Ich“-Identität, die einen fortwährenden ausbalancierenden Prozess darstellt (vgl. GOFFMAN 1980, S. 132ff.; KRAPPMANN 2005, S. 208; PEUCKERT 2003, S. 291). Die „Ich“-Identität steht für die Gratwanderung zwischen sozialer und persönlicher Identität, zwischen dem also, wie Menschen sich in ihrer Lebensgeschichte bisher entwickelt haben, und dem, was in einem bestimmten Moment ihres Daseins an Zumutungen und Anforderungen an sie adressiert wird (vgl. BUß 2009, S. 161). Sie entspricht damit von der Logik her dem beschriebenen Wechselspiel zwischen „Ich“ und „ICH“ bei MEAD. Je besser einem Menschen die Gratwanderung und Abwägung zwischen sozialer und persönlicher Identität langfristig gelingt, desto eher wird er zufrieden und ausgeglichen sein (vgl. PEUCKERT 2003, S. 292). KRAPPMANN (2005), S. 56. Vgl. RENN/ STRAUB (2002), S. 16. „Normal, jedenfalls für die Gesellschaft, zu der wir gehören, ist die einheitliche Identität“ (MEAD 1988, S. 185). Wie angedeutet, ist die Identität eine Symbiose zwischen „Ich“- und „ICH“-Identität. Bei einer gut ausgebildeten Identität dürfte es daher zu keiner generellen Kollision zwischen den verschiedenen Rollen kommen, welche ein Mensch zu bestimmten Lebzeiten innehat (so sollten die Prinzipien der Eltern-Rolle denen der Manager-Rolle nicht völlig zuwiderlaufen). Es kann aber sein, dass eine Person als Manager zu Entscheidungen genötigt wird, die sie als Privatperson (von ihrem ethischen Selbstverständnis her) nicht getroffen hätte (vgl. dazu auch Abschnitt 5.1.1). Sie ist dann gezwungen, sich in ihrer Identität den Rollenanforderungen als Führungskraft zu beugen. Dennoch verfügt die Person nur über eine und nicht über zwei Identitäten (etwa eine sich von der Vateridentität unterscheidende Berufsidentität). Die Soziologie geht davon aus, dass Menschen eine Kernidentität herausbilden, aus der sie Entscheidungen treffen, und das unabhängig davon, ob diese Entscheidungen gegen ihre eigene Identität gerichtet sind oder nicht. Diese Kernidentität bildet sich (durch die Anforderungen in der Berufs- und Familienwelt, Mitgliedschaften in Vereinen und Interessengruppen usw.) immer weiter fort. Insofern ist denkbar, dass Führungskräfte eine bestimmte (z. B. Entlassungs-)Entscheidung heute anders beurteilen als in zehn Jahren. Vgl. MEAD (1988), S. 243; BUß (2009), S. 159f.; BUß (2002), S. 50; LUCKMANN (1979), S. 299; HUNTINGTON (2004), S. 43f. Die Identität eines Menschen wird „in reziproker sozialer Interaktion

Ethik, Arbeit und Unternehmen im Dienste eines guten Lebens

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Augen der Umgebung zu betrachten und die daraus resultierende Außensicht in das eigene Dasein zu übernehmen, indem auf die Erwartungen der anderen reagiert wird88. Dieser Übernahmeprozess läuft aber nicht passiv ab: „Es bedarf immer der aktiven und damit kreativen Interpretation der Äußerungen, Symbole und imaginierten Verhaltenserwartungen konkreter anderer oder konkreter Gruppierungen“89. Das „ICH“ ist die soziale Umwelt, welche als machtvolle Umgebung das eigenständige, undomestizierte „Ich“ (das „kreative Selbst, ohne Rückbezug zur Umgebung“90) im Identitätsbildungsprozess durch antizipierte Rollenerwartungen domestiziert. Dabei werden manche Menschen ihre Identität stärker aus dem „Ich“ (so wie sie sich selbst ursprünglich sehen), andere stärker aus dem „ICH“ (aus der Rolle oder Position, die sie einnehmen) ableiten 91. Generell sollte sich das „Ich“ aber nicht gegen das „ICH“ durchsetzen, da das „ICH“ die Basis für ein Leben in der sozialen Gemeinschaft ist92. Der Umstand, dass Menschen ihre Identität auf dem Umweg über Mitmenschen in einer Art „role-taking“-Prozess erhalten, ist auch im arbeitsplatzbezogenen Kontext von Relevanz. Ein Stellenverlust bewirkt, dass Menschen von einem Teil ihrer Umgebung abgekoppelt werden, wodurch der beschriebene Umweg über die Mitmenschen geblockt oder unterbrochen wird. In der Folge bildet sich eine Sackgasse, da es durch den Wegfall sozialer Beziehungen nur noch eingeschränkt möglich ist, die für die Identitätswahrung und Selbsterhaltung wichtigen Außensichten in sich aufzunehmen (sie zu reflektieren und auf sie zu reagieren). Durch diese

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geformt […], genauer: in kommunikativer sozialer Interaktion innerhalb relativ beständiger, emotional bedeutsamer sozialer Beziehungen” (LUCKMANN 2007, S. 235). Vgl. MEAD (1988), S. 180, 200f., 210f., 214, 236ff.; BUß (2009), S. 160; KRAPPMANN (2005), S. 39. MEAD entwickelt den Identitätsbildungsprozess analog dem Spiel eines Kindes, welches sich ebenfalls mit den Augen seiner Umgebung betrachtet und dadurch die Einstellungen eines anderen oder mehrerer anderer antizipiert (vgl. MEAD 1988, S. 191ff., 201ff., 238f.; MEAD 1987, S. 246). HETTLAGE (1997), S. 8. BUß (2009), S. 160. Vgl. BUß (2009), S. 160. Der Aufbau von Identität ist kein Charakter- oder Mentalitätsprozess, sondern ein biografischer bzw. gesellschaftlich-sozialer Prozess (vgl. MEAD 1988, S. 221; KRAPPMANN 2005, S. 40), ein „sozialer Prozess, der aus einem komplexen Gefüge von Erwartungen, antizipierten Erwartungen, Rollenübernahmen und Selbstdefinitionen besteht“ (BUß 2009, S. 160). Dennoch ist hinzuzufügen, dass Menschen sehr wohl das Bedürfnis haben können, sich temporär von ihrer Umgebung zurückzuziehen. Kritisch wird es aber, wenn aus einem einmaligen Rückzug ein permanenter Rückzug wird, wenn Menschen gedanklich also nicht mehr die Kraft haben, den Umweg über ihre Mitmenschen zu gehen und sich auf andere einzustellen. Dann liegt häufig eine Identitätsbeschädigung vor.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Sackgasse kann es zur beschriebenen Identitätsbeschädigung kommen, die umso stärker ausfällt, je größer die durch den Stellenverlust bewirkte Isolation und Ausgrenzung ausfällt. Letzteres wird neben der allgemeinen Arbeitslosenquote 93 (Wie normal ist Arbeitslosigkeit in der Gesellschaft?) durch vielfältige, in der Person liegende demografische, soziale und individuelle Faktoren determiniert (etwa die Arbeitsmarktfähigkeit, Erfahrungen im Umgang mit kritischen Lebensphasen, die Einstellung zu Arbeit und Leistung generell oder den familiären Rückhalt) 94. Der folgende Abschnitt soll ein Verständnis für das moralökonomische Spannungsfeld schaffen, in dem sich die Prozesse der Schaffung, Erhaltung (Sicherung) und des Abbaus von Arbeitsplätzen bewegen. Wie dabei deutlich werden wird, stellt es eine komplexe Herausforderung für Unternehmen dar, einerseits den ökonomischen Anforderungen gerecht zu werden (z. B. Kosten zu senken, Gewinn zu machen usw.) und andererseits einen ethisch integren und partnerschaftlichen Umgang mit arbeitsplatzbezogenen Anliegen zu pflegen.

3.1.3

Arbeitsplatzschaffung zwischen gesellschaftlicher Aufgabe und ökonomischen Handlungsrestriktionen

Arbeit stellt, wie in den beiden letzten Abschnitten verdeutlicht, eine Voraussetzung für ein gutes Leben dar. In diesem Abschnitt wird erläutert, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen einerseits zwar als ein gesellschaftlich-moralisches Anliegen an Unternehmen aufrechtzuerhalten ist, dass sie zugleich aber nicht jenseits der ökonomischen Logik stattfinden kann. Entscheidend bei dieser Überlegung ist der Umstand, dass Unternehmen im gesellschaftlichen Raum agieren und sich, wenn sie dauerhaft erfolgreich im Markt bestehen wollen, nicht von diesem abkoppeln, sondern ein Teil der Gesellschaft sein sollten. Unternehmen treten in der 93

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Die Arbeitslosenquote u ergibt sich als Quotient der Arbeitslosen und der Erwerbspersonen (vgl. 𝑈 𝑈 BLANCHARD/ ILLING 2009, S. 65, 179): 𝑢 ≡ = . Erwerbspersonen lassen sich aufteilen in 𝐿 𝑁+𝑈 die Gruppe der Erwerbstätigen (Beschäftigte) N, die eine Arbeit haben, und in die Gruppe der Arbeitslosen U, die keine Arbeit haben, aber aktiv nach Arbeit suchen: 𝐿 = 𝑁 + 𝑈. Bei den Erwerbstätigen kann es sich um abhängig Beschäftigte oder Selbstständige (mithelfende Familienangehörige eingeschlossen, z. B. im landwirtschaftlichen Betrieb) handeln. Vgl. KIESELBACH/ LÖDIGE-RÖHRS (1991), S. 54. Damit verbunden stellt sich die Frage, inwieweit es Menschen gelingt, „die Beschädigung des Identitätsprozesses dadurch zu kompensieren, dass in anderen sozialen Kontexten [z. B. im Ehrenamt] kongruenzstiftende Erfahrungen gesucht werden“ (ROGGE/ KIESELBACH 2009, S. 370).

Ethik, Arbeit und Unternehmen im Dienste eines guten Lebens

43

Öffentlichkeit als soziale Akteure bzw. „quasi öffentliche Institution“ 95 auf und haben in der Sozialen Marktwirtschaft eine soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft insgesamt, gegenüber der Region, in der sie ansässig sind, aber auch und im Speziellen gegenüber den bei ihnen an einem oder mehreren Standorten Beschäftigten. Diese Verantwortung haben sie, wie gleich noch ausgeführt wird, innerhalb der Möglichkeiten, welche ihnen gegeben sind, auszufüllen. Unternehmen sind jene Akteure, die Arbeitsplätze schaffen und so zum Glück, Einkommen und Wohlstand in der Gesellschaft beitragen können 96. Schon deshalb ist die Arbeitsplatzschaffung und die damit einhergehende Ermöglichung eines (Wieder-) Einstiegs ins Berufsleben eine gesellschaftliche Aufgabe von Unternehmen 97. Die Frage aber, inwieweit Unternehmen für die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen konkret verantwortlich sind, lässt sich nicht generell beantworten. Was gesagt werden kann, ist, „dass die Schaffung von Arbeitsplätzen moralisch erwünscht ist“98. Gleichzeitig ist zu bedenken: „Nur erfolgreiche Geschäfte schaffen sichere Arbeitsplätze“99. Es wäre insofern schädlich und naiv, von Unternehmen zu verlangen, sich gegen die Funktionslogik des Marktes zu stellen100. Unternehmen sind keine „Beschäftigungsgesellschaften“101. Folglich gibt es kein Recht auf Arbeit oder eine bestimmte Stelle102. Auch können nicht auf der einen Seite die Vorteile der Marktwirtschaft und des Wettbewerbs „einkassiert“, zugleich aber die mit der Marktwirtschaft verbundenen Zwänge und sozialen Risiken abgelehnt

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KARMASIN (1996), S. 332. Vgl. auch BIERHOFF (2002), S. 211. So auch der ehemalige Bundespräsident ROMAN HERZOG (1996): „Nur Unternehmer können erfolgreich neue Arbeitsplätze schaffen und nur so können wir auch die Arbeitslosigkeit in Deutschland, wenn überhaupt, überwinden“. Vgl. auch HOMANN (2014), S. 7; BLÜM (1998), S. 25. „Ab einer gewissen Unternehmensgröße ist [die Schaffung,] der Erhalt/ oder die Vernichtung von Arbeitsplätzen ein relevantes, nicht nur individuelleres, sondern auch betriebs- und volkswirtschaftliches, ja soziokulturelles Problem“ (KARMASIN 1996, S. 332). Vgl. auch DIETZFELBINGER (2015), S. 188. HOMANN (2014), S. 7. So der ehemalige Siemens-Chef KLAUS KLEINFELD in einem Interview mit dem Spiegel (2005). Man könnte (vereinfacht) auch sagen: Eine Mehrerfüllung des ökonomischen Ziels führt (im Sinne einer Zielkomplementarität) zur Mehrerfüllung des sozialen Ziels, eben indem Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden können. Vgl. HOMANN (2015), S. 49. BLICKLE (1994), S. 198f. Vgl. KOEHN (2002), S. 232; KIRCHGÄSSNER (1998), S. 27.

44

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

oder ignoriert werden (etwa indem von Unternehmen „blind“ verlangt wird, Stellen zu schaffen oder zu erhalten)103. Ebenso kann Gewinnerzielung nicht nur dann gesellschaftlich erwünscht sein, wenn sie Stellen schafft 104. Marktwirtschaftliche bieten im Gegensatz zu sozialistisch-planwirtschaftlichen Systemen keine gesicherten Arbeitsplätze105. Sie sind generell durch eine höhere Ungleichheit gekennzeichnet, die - solange sie das Resultat einer funktionierenden Marktwirtschaft darstellt - nicht als negativ zu werten ist106. Die Verantwortung, eine Erwerbstätigkeit für den eigenen Lebensunterhalt zu finden, liegt beim einzelnen Individuum107. Ob es in einem marktwirtschaftlichen System aber, welches nach dem Zweiten Weltkrieg gezielt implementiert wurde, zur Schaffung von Arbeitsplätzen kommt oder nicht, ist, mit Ausnahme gewisser Unschärfen, welche im Laufe der

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So auch LÜTGE (2005): „Der Arbeitsplatzabbau gehört zum System der Marktwirtschaft dazu. Wir können nicht die Vorteile der Marktwirtschaft haben wollen und gleichzeitig keine Arbeitsplätze abbauen dürfen. […] Nicht nur ökonomisch wäre es ineffizient, sondern auch ethisch nicht vertretbar, einen unproduktiven Arbeitsplatz künstlich erhalten zu wollen“. Vgl. auch HOMANN (2002d), S. 29; THIELEMANN/ WEIBLER (2007), S. 184. Stattdessen „gilt es, das System auch mit seinen inhärenten Härten - Wettbewerb, Firmenzusammenbrüche, Standortverlagerungen, Entlassungen, kurz und euphemistisch: “Strukturwandel” aufrechtzuerhalten“ (HOMANN 2014, S. 5). Ähnlich ZEIL (2014), S. 29. “If there were a right to […] work, governments would be ethically bound to invent “good“ or “satisfying“ jobs. But […] this duty is unenforceable“ (KOEHN 2002, S. 229). In den sozialistischen Planwirtschaften der DDR oder Sowjetunion gab es keine offene Arbeitslosigkeit, da allen Menschen ein (ökonomisch unter Umständen sinnloser) Arbeitsplatz zugewiesen und damit ein sicheres Einkommen und eine vollständige Erwerbsbiografie garantiert wurde (vgl. SIEG 2010, S. 11). Diese Arbeitsplatzgarantie ging mit dem Zwang einher, die vom Staat vorgesehene Arbeit auszuüben. In der (Sozialen) Marktwirtschaft dagegen herrscht zwar ein Recht auf freie Berufswahl, aber kein Recht auf Arbeit im gewählten Beruf. Menschen sind der Gefahr ausgesetzt, ihre Arbeit zu verlieren, sobald diese betriebswirtschaftlich unrentabel wird. Sie müssen sich dann selbst um eine neue Stelle bemühen, was ein Mindestmaß an Eigenverantwortlichkeit und Risikobereitschaft erfordert. Eine Debatte über unterschiedliche Wirtschaftsordnungen soll hier nicht geführt werden. Nur so viel: Ein garantierter Arbeitsplatz mag aus sozialer Sicht wünschenswert erscheinen. Wie der Zusammenbruch der zentral gelenkten planwirtschaftlichen Systeme im Osten aber gezeigt hat, sind Arbeitsplatzgarantien (ökonomisch) ineffizient, da sie nicht in der Lage sind, langfristig tragfähige und rentable Arbeitsplätze zu schaffen. Nicht nur die Arbeitskraft wird in planwirtschaftlichen Systemen unproduktiv vergeudet (in der DDR gab es zwar systembedingt keine offene, dafür aber eine massive verdeckte Arbeitslosigkeit durch personelle Überbesetzung, vgl. dazu WOLFGANG ET AL. 1990), auch die Wünsche der Kunden können nicht ansatzweise bedient werden. Um es kurz zu sagen: Derjenige, der ein höheres Risiko eingeht (z. B. indem er sich selbstständig macht, was wiederum zur Schaffung von Arbeitsplätzen und allgemeinem Wohlstand beitragen kann), darf im Erfolgsfalle auch eine höhere Verzinsung bzw. „Belohnung“ für sein Engagement erwarten, genauso wie er im Falle seines Scheiterns mit höheren Kosten zu rechnen hat. Vgl. NOLL (2012), S. 281.

Ethik, Arbeit und Unternehmen im Dienste eines guten Lebens

45

Arbeit noch erläutert werden, keine ethische, sondern eine ökonomisch-systemische, auf volkswirtschaftlicher Ebene angesiedelte Frage. Die einzelne Arbeitskraft ist als Humanressource zunächst nicht mehr als ein Mittel zum Zweck, wobei zu beachten ist, dass die Inputnachfrage auf den Faktormärkten eine derivative (abgeleitete) Nachfrage darstellt. Unternehmen fragen Arbeit in Form zusätzlicher Arbeitskräfte oder -stunden nicht um ihrer selbst willen nach, sondern erst die unternehmerische Entscheidung, Güter auf Gütermärkten anzubieten, führt zur Auslösung der Arbeitsnachfrage108. Aus funktional-wirtschaftssystemischer Sicht, also vom reinen System- und Marktmechanismus her, ist die Arbeitsplatzbereitstellung damit, zugespitzt gesagt, nicht mehr als ein nebenher anfallendes Abfallprodukt der eigentlichen Unternehmenstätigkeit 109. Insofern kann auch kein Bestandsschutz für Arbeitsplätze existieren. Dabei ist zu bedenken, dass die Existenz von Unternehmen in einem Konkurrenzwirtschaftssystem bzw. einer funktionierenden Marktwirtschaft immer einen gesellschaftlichen Hintergrund hat. Der Anstoß oder die Begründung, unternehmerisch tätig zu sein, liegt nicht in einem Naturrecht, Freiheitsrecht oder Gottesurteil, vielmehr gibt die Gesellschaft die Lizenz für unternehmerisches Handeln. Unternehmen haben den Zweck, das Wohl der Gesellschaft zu mehren bzw. Wohlstand für die Gesellschaft zu schaffen 110. Sie werden ins Rennen geschickt, um (innovative, preiswerte, hochwertige oder anders geartete) Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die die Konsumenten erfreuen. Die Marktwirtschaft ist also primär für den Konsumenten (Nachfrager, Zuschauer, kurz: „für uns alle“) konstruiert111. Um diesen (sozialen) Zweck zu erfüllen, sind Unternehmen gezwungen, kostenorientiert zu agieren und nach Nutzenkriterien zu entscheiden, womit bereits ein normatives Prinzip anklingt: Unternehmen müssen (auch) utilitaristisch vorgehen. Insoweit die Produktion Glück erzeugender Produkte Arbeitsplätze braucht, da diese Arbeitsplätze rentabel und pro-

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Vgl. MANKIW/ TAYLOR (2008), S. 433f. Diese Sichtweise wird im Folgenden noch an mehreren Stellen aufgegriffen und weitergehend bewertet. Vgl. GUTMANN (1994), S. 335ff.; HAX (2005), S. 7f. „Unternehmen sind Agenten gesellschaftlicher Wertschöpfung, nicht privater. Die Legitimation unternehmerischen Handelns kann nur in ihrem Beitrag zum Gemeinwohl bestehen“ (HOMANN 2015, S. 47). Unternehmen sind also nicht nur dazu da, den Shareholder-Value zu erhöhen. Gewinn (Profit) ist kein Selbstzweck, sondern ein Anreiz (Mittel zum Zweck), damit Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden (vgl. ebd.). „Wohlstand“ bedeutet im vorliegenden Kontext, dass der Einzelne seine individuellen Bedürfnisse, die ganz unterschiedlich sein können, befriedigen kann. „Märkte […] sind kein (End-)Zweck in sich selbst. Sie sind lediglich ein Mittel zum Zweck - und dieser Zweck sind die Menschen“ (SCHRAMM 2016a, S. 20). Vgl. auch SCHRAMM (2016d), S. 146.

46

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

duktiv sind, insoweit werden Stellen geschaffen (oder dürfen keine Stellen wegfallen), und insoweit sich diese Produkte automatisiert oder im Ausland kostengünstiger herstellen lassen (oder es Unternehmen nicht mehr gelingt, interessante Produkte auf den Markt zu bringen), insoweit fallen Stellen (hierzulande oder andernorts) weg. Damit dürfte deutlich geworden sein, dass Arbeitsplätze von der ökonomischen Systemlogik her nur dann geschaffen und erhalten werden, wenn ein finanzielles Plus durch sie erzielbar ist112. Die in Geldeinheiten bewertete Produktionsleistung (Wertgrenzprodukt) muss also mindestens den Kosten der Stelle und damit der Entlohnung des Stelleninhabers entsprechen113. Da die Arbeitsplatzschaffung in der Praxis durch diese System- bzw. Marktlogik determiniert wird, erscheint es auch nur bedingt möglich, für diesen Bereich des Arbeitsplatzmanagements typische oder geeignete managementethische Marschrichtungen (Strategien) zu entwickeln114. Plausibler dürfte es sein, im ersten Schritt von folgender Überlegung auszugehen: Sobald es dem Unternehmen gelingt, nach der skizzierten Systemlogik wirtschaftlich tragfähige Stellen zu schaffen, erfüllt es im Grunde automatisch eine gesellschaftliche Aufgabe und übernimmt gesellschaftliche Verantwortung115, da es zur Lebensqualität der Arbeitnehmer und (auf übergeordneter Ebene) zum Wohlstand der Gesellschaft beiträgt. Insofern ist es wichtig, die ethische Qualität unternehmerischen Handelns, auch der des Kerngeschäfts, zu erkennen116. Ob die Arbeitsplatzschaffung dabei vom Unternehmen selbst als ein Akt 112

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Genauso lässt sich auf (übergeordneter) juristischer Ebene sagen, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn der Faktor Arbeit (z. B. durch gesetzliche Mindestlöhne) nicht zu teuer ist, der Kündigungsschutz nicht zu streng ist und bürokratische Hürden abgebaut werden. Hierauf wird im Laufe der Arbeit noch eingegangen. Vgl. MANKIW/ TAYLOR (2008), S. 438ff.; ROSE (1975), S. 230; LACHMANN (2006), S. 112. Es lassen sich keine allgemeinen, auf ein breites Unternehmensspektrum übertragbare Regeln erarbeiten, aus denen klar hervorgeht, in welchen Fällen wie viele (Vollzeit-, Teilzeit-, (un-)befristete) Stellen geschaffen werden sollten. Daher wird in der Arbeit die ökonomische Systemlogik zunächst als Fundament dargestellt und ihre Bedeutung für arbeitsplatzbezogene Fragen erläutert, bevor im Anschluss einzelne Aspekte, welche die Unschärfe der Systemlogik kennzeichnen (z. B. die Behindertenproblematik), separat aufgegriffen werden. In diesem Zusammenhang passt auch die folgende Bewertung, zu der sich der Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands und die Deutsche Bischofskonferenz in einem gemeinsamen Wort bekannt haben: „Unternehmer, die sich mit ihrem Kapitaleinsatz und ihrer Entscheidungsfreudigkeit den Risiken des Wettbewerbes aussetzen und dabei Arbeitsplätze und Güter schaffen, verdienen auch unter moralischen Gesichtspunkten hohe Anerkennung“ (Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland 1997, S. 58). Vgl. auch HABERMANN (2001). Entsprechend resümiert HOMANN (2015, S. 46) in Bezug auf die CSR-Debatte: „[W]enn wir […] so tun, als ob nur das, was freiwillig über das Kerngeschäft hinaus im Sinne der gesellschaftlichen

Ethik, Arbeit und Unternehmen im Dienste eines guten Lebens

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gesellschaftlicher Verantwortung gesehen wird oder nicht, ist in dieser Perspektive nachrangig117. Entscheidend ist, dass Arbeitsplätze geschaffen werden. Voraussetzung für diese Argumentation ist aber, dass es sich, etwa was die Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit oder Bezahlung angeht, um anständige Arbeitsplätze handelt. Dennoch kann kein Unternehmen mehr Arbeitsplätze schaffen, als es zur Erstellung seiner Produkte benötigt. Zudem werden verantwortungsvolle, auf die Zukunft bedachte Unternehmen selbst bei guter Geschäftsentwicklung eine vorsichtige und vorausschauende Einstellungspolitik verfolgen (und eventuell auftretende Vakanzen vorrangig mit internen Bewerbern besetzen), um spätere soziale Härten und finanzielle Belastungen zu vermeiden. Allerdings, und folgender Zusatz ist managementethisch wichtig, ist die Arbeitsplatzschaffung noch in einem weiteren Sinne Teil der gesellschaftlichen Aufgabe von Unternehmen, wobei hier die moralische Dimension bzw. das moralische Interesse des Managements relevant wird: Es würde zu kurz greifen, davon auszugehen, dass das Wertgrenzprodukt der Arbeit zugleich eine moralische Rechtfertigung für die Verteilung, also die Schaffung, den Erhalt und Abbau von Stellen, liefern würde. Die mithilfe des Wertgrenzproduktes ermittelte Arbeitsnachfrage muss weder moralisch gerecht noch angemessen sein. Daher ist zu sehen, dass die beschriebene systemische Betrachtungsweise nicht nur viele Seiten des Lebens ausblendet, sondern in ihren Rändern auch Unschärfen aufweist (siehe die Klammer in Abb. 4).

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Verantwortung getan wird, das unternehmerische Tun moralisch rechtfertigt, dann transportieren wir im Umkehrschluss die Botschaft, dass das Kerngeschäft als solches unmoralisch ist, weil es nur den privaten Interessen der Shareholder dient“. Vgl. KOEHN (2002), S. 230f.

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

↑ Unschärfen in Systemlogik T = Schaffung von Arbeitsplätzen

↓ Arbeitsvertrag ↓

Schaffung Ausbildungsplätze, Beschäftigung Schwerbehinderter und anderer Problemgruppen

Fundament: VWL-Ebene; ökonomische System-/ Marktlogik Abb. 4:

Wie können negative Folgen aus zukünftig womöglich eintretendem Stellenabbau präventiv begrenzt werden?

Wie kann Arbeitsplatzverlust vermieden oder sozialverträglich gestaltet werden?





BWL-Ebene/ impliziter Arbeitsvertrag: Commitment mit Mitarbeitern (Bindung, Loyalität, Erwartungen) T = Personalentwicklung

T = Personalfreisetzung VWL-Ebene

↓ Lebenszyklus Mitarbeiter ↓

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Arbeitsplatzfrage auf der VWL-Ebene (grau) und BWL-Ebene (dunkelgrau)118

Die reine Systemlogik reicht also nicht aus, da die Unternehmensrealität zu komplex ist, um das Wertgrenzprodukt jedes einzelnen Arbeitnehmers differenziert ermitteln zu können. Und selbst wenn dies gelingen würde, so wäre damit keine Gewähr vorhanden, dass Unternehmen ihre arbeitsplatzbezogenen Transaktionen nur auf dieser Basis treffen. Arbeitsplätze stehen und fallen in der Praxis nicht nur mit ihrem Wertgrenzprodukt. Neben den genannten Komplexitätsgründen wäre dies deshalb unmöglich, da der Personalbestand wegen arbeitsrechtlicher Restriktionen im Normalfall nicht ad hoc, sondern nur über gewisse Zeiträume anpassbar ist. Vor allem aber ist denkbar, dass Unternehmen bzw. Manager ein moralisches Interesse haben und es als Teil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung sehen, Arbeitnehmer oder einzelne Arbeitnehmergruppen trotz eines geringen, neutralen oder begrenzt negativen Wertgrenzproduktes (temporär) weiterzubeschäftigen. Das gilt im Speziellen für benachteiligte Arbeitsmarktgruppen und in Bezug auf bestimmte Sonderanliegen, die bei der Arbeitsplatzschaffung bestehen können. Lenkt man den Blick weg von den Annahmen der Ökonomie hin zum Verhalten realer Menschen (Manager), so wird erkennbar, dass diese zwar in vielen (beruflichen und privaten) Situationen versuchen oder gezwungen sind, rational und eigennützig zu handeln, aber nicht immer und vollkommen. Ihr Menschenbild und ihre Vorstellungen vom richtigen Management weichen in der Regel von der Figur

118

Quelle: Eigene Darstellung.

Ethik, Arbeit und Unternehmen im Dienste eines guten Lebens

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des Homo oeconomicus als klassischem Verhaltensmodell der Wirtschaftswissenschaften ab119, sodass kein moralisch halbwegs integres Unternehmen seine Mitarbeiter beim ersten Auftragsrückgang entlassen wird, und dies unabhängig bestehender kündigungsschutzrechtlicher Regelungen. Genauso kann ein Unternehmen aus ethischen Motiven auf Teile der Rendite verzichten, um - mehr Ausbildungsplätze anzubieten, als eigentlich an Nachwuchskräften benötigt werden, was zunächst Kosten verursacht, sich eventuell aber als lohnende Investition erweisen kann. - in bestimmten Bereichen Menschen mit Behinderung, Langzeitarbeitslose, Migranten oder ältere Arbeitssuchende einzustellen, die als Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt gelten. - nur am Heimatstandort zu produzieren oder den Kindern der Mitarbeiter eine Einstellungsgarantie auszusprechen (um zwei bekanntere arbeitsplatzbezogene Sonderanliegen des Textilfabrikanten WOLFGANG GRUPP zu nennen)120, weil dies z. B. der persönlichen Vorstellung einer richtigen „Arbeitsplatz-Ethik“ des Eigentümers entspricht und/ oder weil dahinter eine durchdachte moralökonomische Strategie steckt121. Die Grenzproduktivitätstheorie kann die Schaffung von Arbeitsplätzen also nie vollständig beschreiben, sondern nur den grundlegenden (Funktions-)Mechanismus der ökonomischen Arbeitsnachfrage vorgeben, der aber von keinem Unternehmen ignoriert werden kann: Es wäre falsch, die Arbeitsplatzschaffung als primäre Aufgabe von Unternehmen anzusehen. Sie stellt zwar eine aus ethischer Sicht erstrebenswerte Maßnahme dar, dennoch kann es sich kein Unternehmen

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„Der Homo oeconomicus […] hat mit dem Homo, mit dem Menschen, eigentlich nicht viel zu tun. Er ist […] nichts anderes als ein Theoriekonstrukt zur Ableitung von Verhaltenstendenzen in bestimmten Situationen“ (HOMANN 2015, S. 52). GRUPP im ZEIT-Interview: „Ich […] fühle mich persönlich verpflichtet, die Arbeitsplätze in meinem Unternehmen zu sichern. […] Und wenn nun ein Mitarbeiter […] sagt, Herr GRUPP, meine Tochter möchte bei Trigema eine Ausbildung beginnen, dann habe ich auch eine moralische Verpflichtung gegenüber diesem Mitarbeiter, denn vor 20 Jahren habe ich ihn womöglich gebeten, […] bei mir zu arbeiten“ (BROST/ HAUCH-FLECK 2003). Vgl. dazu Unterabschnitt 8.1.3.2.

50

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

erlauben, den Personalbedarf aus moralischen Motiven hochzurechnen122. Arbeitsplätze sind kein Selbstzweck123. Folglich gibt es auch keine moralische Verpflichtung o. Ä., Arbeitsplätze zu schaffen124. Kein Unternehmen kann moralisch dafür verurteilt werden, dass es keine, zu wenige oder (im Inland ggf.) zu teure Stellen schafft. Gegenüber potenziell Beschäftigten besteht, mit Ausnahme der soeben erwähnten Beispiele, keine arbeitsplatzbezogene Verpflichtung. Derartige Verpflichtungen und ein moralisches Commitment 125 (Bindungen, Loyalität usw.) kommen erst auf der BWL-Ebene zustande (vgl. den rechten Teil in Abb. 4), in dem Moment also, in dem ein Arbeitsvertrag unterzeichnet ist und die abstrakte Marktlogik der VWL-Ebene der Polydimensionalität der Realität nicht mehr gerecht wird. Auf der BWL-Ebene müssen Unternehmen beachten, dass Arbeitsplatz-„Transaktionen“126, wie die Arbeitsplatzschaffung, mehrere Dimensionen haben, als nur die volkswirtschaftliche Basisdimension 127. Ökonomische Kennzahlen (Lohnkosten usw.) sind für die Unternehmensführung und -steuerung zwar

122 123

124 125

126

127

Vgl. dazu Abschnitt 6.1.2, der sich mit der Personalbedarfsplanung befasst. „Im bestehenden Wirtschaftssystem können Arbeitsplätze nur dann entstehen und erhalten bleiben, wenn mit ihrer Hilfe Gewinne erwirtschaftet werden können“ (EMUNDS 2008, S. 11). Vgl. HOMANN (2014), S. 7; NOLL (2012), S. 282. Commitment zielt allgemein auf die Fähigkeit von Managern ab, „sich glaubwürdig auf normative Grundlagen des eigenen Führungsverhaltens bzw. der Unternehmensverfassung festzulegen, wie sie in den grundlegenden Orientierungspunkten des Unternehmens: Vision, Mission Statement und Grundsätze (Werte, Prinzipien), zum Ausdruck kommt“ (SUCHANEK 2011, S. 284). Es ist damit zugleich ein Konstrukt der Mitarbeiterbindung. Im Standardmodell zur Beschreibung von Commitment von MEYER und ALLEN (1991) besteht Commitment aus drei Komponenten: (1) affektives Commitment (Frage: Wie stark fühlt sich ein Mitarbeiter emotional mit dem Unternehmen verbunden?), (2) normatives Commitment (Frage: Wie stark fühlt er sich dem Unternehmen als Ganzes (den persönlichen Beziehungen zu Kollegen, der Abteilung, Arbeitsgruppe usw.) gegenüber normativ verpflichtet bzw. „committet“? - messbar mit dem „Organizational Commitment Questionnaire“ von PORTER/ SMITH (1970)) - und (3) Commitment zur Bindung bzw. kalkulatorisches Commitment (ab einer bestimmten Dauer der Unternehmenszugehörigkeit verlassen Mitarbeiter das Unternehmen aus rationalen Kosten-Nutzen-Abwägungen heraus nicht mehr, da ihnen die Opportunitätskosten eines Wechsels zu hoch erscheinen). Hier klingt bereits an, dass in der vorliegenden Arbeit primär von einem Mikroansatz der Managementethik ausgegangen wird, der bei den einzelnen Transaktionen im Managementalltag ansetzt (was wirklich geschieht), und weniger von einem Makroansatz, der den Hebel an den gesellschaftlichen Ordnungsregeln ansetzt. Auf diesen zentralen theoretischen Baustein der Arbeit wird im siebten Kapitel eingegangen. Auch der VWL-Professor HAMM (2005, S. 97) stellt fest, „dass es neben den „pekuniären Kosten“ auch „nicht-pekuniäre Kosten“ der Arbeitslosigkeit gibt. Damit ist die rein ökonomische Sichtweise des Volkswirts zu eng - vielmehr ist eine interdisziplinäre [polydimensionale] Betrachtung notwendig, die zumindest Erkenntnisse der Sozialwissenschaften, der Medizin und der Psychologie zu berücksichtigen hätte“.

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

51

unabdingbar, sie reichen aber nicht aus, um arbeitsplatzbezogene Probleme adäquat zu erfassen. Wie im Laufe der Arbeit noch zu zeigen sein wird, gilt das auch im Zusammenhang mit Fragen aus den Bereichen der Personalentwicklung und freisetzung. Das nächste Unterkapitel 3.2 widmet sich der vertragstheoretischen Einordnung der Arbeitsbeziehung, bevor im darauffolgenden Unterkapitel 3.3 ausgewählte Aspekte thematisiert werden, die mit der Unvollständigkeit von Arbeitsverträgen und den daraus erwachsenden impliziten ethischen Erwartungen, Verpflichtungen und Ansprüchen zusammenhängen.

3.2

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

Nachdem im vorigen Unterkapitel 3.1 generelle theoretische Zusammenhänge zwischen Ethik und Arbeit dargestellt und wichtige Rahmenbedingungen im Kontext der Arbeitsplatzschaffung aufgezeigt wurden, widmen sich die kommenden Ausführungen der rechtlichen bzw. juristischen Dimension des Arbeitsverhältnisses und, damit verbunden, der systematischen Unvollständigkeit von Arbeitsverträgen. Anknüpfend an die Erläuterungen aus Kapitel 2 ist in diesem Zusammenhang nochmals daran zu erinnern, dass Verträge jeglicher Art zur Kategorie bzw. Dimension der Sozialontologie (im Sinne von SEARLE) gehören, die selbst wiederum (neben den Dimensionen des Physischen, des Mentalen und des Abstrakten) eine ontologische Dimension der polydimensionalen Wirklichkeit darstellt. Verträge (und damit auch Arbeitsverträge bzw. das Arbeitsverhältnis, genauso die Anerkennung eines Unternehmens als Arbeitgeber usw.) stellen also eine von den Menschen selbst geschaffene Wirklichkeit dar, die sich dann wiederum in einer Vielzahl einzelner Transaktionen reproduziert. Abschnitt 3.2.1 gibt zunächst einen knappen Überblick zur rechtlichen Einordnung von Arbeitsverträgen, bevor die Unterscheidung zwischen formalem (rechtlichem) und informalem (psychologischem) Arbeitsvertrag (Abschnitt 3.2.2) sowie die Entwicklungstendenzen im Verständnis und in der Wahrnehmung des psychologischen Arbeitsvertrags (Abschnitt 3.2.3) thematisiert werden.

52

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

3.2.1

Einbettung des Arbeitsverhältnisses in einen Rahmen juristischer Institutionen

Wie das gesamte Unternehmensgeschehen ist auch das Arbeitsverhältnis in einen Rahmen (arbeits-)rechtlicher Vorschriften bzw. Institutionen eingebettet (vgl. Abb. 5)128. Da im Arbeitsrecht im Gegensatz zum Zivil- (BGB) und Handelsrecht (HGB) aufgrund mangelnder Einigungsfähigkeit bis heute kein einheitliches (Arbeits-)Gesetzbuch existiert, verteilen sich arbeitsrechtliche Gesetze und Vorschriften auf eine Vielzahl einzelgesetzlicher Regelungen (z. B. Kündigungsschutz-, Arbeitszeit-, Urlaubs-, Entgeltfortzahlungs-, Mutterschutzgesetz), wobei neben diese formellen Regelungen viele andere Rechtsquellen und vertragliche Vereinbarungen (wie das GG, Tarifverträge zwischen den Tarifvertragsparteien, Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der Arbeitsvertrag zwischen

128

Vgl. HOMANN/ SUCHANEK (2005), S. 128. HOMANN und BLOME-DREES (1992, S. 23) fassen diesen institutionellen Rahmen weit und verstehen darunter „allgemeine, (relativ) dauerhafte Regeln für das Handeln. […] Für die moderne Wirtschaft sind dies insbesondere: Verfassung, Gesetze, also insbesondere das öffentliche Recht, […] Privatrecht und […] Strafrecht, […] die speziellen Bereiche des Wirtschaftsrechts wie das Gesellschaftsrecht, […] Arbeits- und Tarifrecht, […] Wettbewerbsrecht, Mitbestimmungsregeln und der gesamte Komplex der Unternehmensverfassung [als Spielregeln für die Spieler in der Marktwirtschaft], […] Haftungsregeln, schließlich bestimmte moralische und kulturelle Verhaltensstandards“. Das Arbeitsrecht fällt in den Bereich des Zivil- bzw. Privatrechts, welches das Rechtsverhältnis der Bürger untereinander regelt. Die Besonderheit dieses Privatrechts ist, dass es sich um ein Sonderprivatrecht handelt, da es die Arbeitgeber/-nehmer-Beziehung regelt. Es findet nur Anwendung auf den Arbeitgeber in seinem Rechtsverhältnis zum Arbeitnehmer (genauso wie das HGB, das auch ein Sonderprivatrecht ist, nur Anwendung auf Kaufleute findet). Da es im Arbeitsrecht neben Einzelpersonen auch Personenmehrheiten gibt, wird zwischen individuellem und kollektivem Arbeitsrecht unterschieden. Ersteres bezieht sich auf das Recht zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und -geber, zweiteres auf die Beziehung zwischen Arbeitgeber(n) und Gewerkschaften bzw. Betriebsrat (z. B. stehen den Gewerkschaften die Arbeitgeberverbände gegenüber). Wann jemand Arbeitgeber und -nehmer ist, ist im Gesetz nicht geklärt. Arbeitgeber ist, „wer aufgrund eines Arbeitsvertrags wenigstens einen Arbeitnehmer beschäftigt“ (SCHUNDER 2007, S. 286). Nach dem BAG ist Arbeitnehmer, „wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter [d. h. unselbstständiger] Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist“ (BAG Beschluss vom 26.09.2002 (5 AZB 19/01) NZA 2002, 1412). Ein Arbeitnehmer ist unselbstständig, da er dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unterliegt. Weisungsrecht bedeutet, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung“ (§ 106 Satz 1 GewO) bestimmen darf, wodurch arbeitsvertragliche Pflichten konkretisiert werden. Das Arbeitsrecht (im engeren Sinne) findet keine Anwendung auf Beamte, da das Beamtenverhältnis durch einen Verwaltungsakt (und nicht durch einen privatrechtlichen Vertrag) begründet wird.

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

53

Arbeitgeber und -nehmer) treten129. Dies verkompliziert die arbeitsrechtliche Beurteilung gewisser Sachverhalte. Zwischen den einzelnen Rechtsquellen und Vereinbarungen besteht eine Ranghierarchie in dem Sinne, dass „die Regeln der höheren Ebene Vorgaben für die Regeln der nachgeordneten Ebene darstellen, z. B. Verfassung - Privatrechtsordnung - privatrechtlicher Vertrag“130:

129

130

Vgl. BÄHRLE (2004), S. 17. Welche Regelung im Konfliktfall anzuwenden ist, lässt sich wegen der Vielzahl in Betracht kommender Regelungen häufig nicht ohne Weiteres beantworten (ebd.). Die Entwicklung des Arbeitsrechts wird darüber hinaus von der Auslegung der Rechtssätze von Arbeitsgerichten und der Rechtslehre sowie zunehmend durch Verordnungen der Europäischen Union bestimmt. HOMANN/ SUCHANEK (2005), S. 128. Der Aufbau der Rechtsquellen des Arbeitsrechts ist mit einer Pyramide vergleichbar, an deren Spitze das GG, darunter Gesetze, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, der Arbeitsvertrag und in der Basis die Weisungsrechte des Arbeitgebers liegen (vgl. MARSCHOLLEK 2014, S. 32f.; VON HOYNINGEN-HUENE 1997, S. 16). Dieses Rangverhältnis wird wegen der Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer durch das Günstigkeitsprinzip bestimmt, wonach „für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen unabhängig von ihrem Entstehungsgrund und ihrer Einordnung in die Normenhierarchie grundsätzlich Vorrang haben“ (OTTO 2008, S. 63; vgl. auch HROMADKA/ MASCHMANN 2015, S. 46f.; BÄHRLE 2010, S. 39f.). Eine rangniedrigere darf von einer ranghöheren Stufe also nur dann abweichen, wenn es zugunsten des Arbeitnehmers ist. Hierzu folgendes Beispiel: Laut Tarifvertrag (Stufe 3) liegt die Vollzeit-Arbeitszeit einer Berufsgruppe bei 38,5 Std./ Woche. Nach § 3 ArbZG (Stufe 2) beträgt die werktägliche Höchstarbeitszeit aber 8 Std., also maximal 48 Std./ Woche. Ein Arbeitnehmer schließt nun einen Arbeitsvertrag (Stufe 5) mit einer Arbeitszeit von 40 Std./ Woche ab. Sollte der Arbeitnehmer unter das Tarifvertragsgesetz fallen (und der Tarifvertrag wirksam sein), dann würde seine Arbeitszeit bei 38,5 Std./ Woche liegen, da ihn Stufe 5 schlechterstellen würde als Stufe 3, welche besser ist als Stufe 2. Würde er nicht unter den Tarifvertrag fallen, so läge seine Arbeitszeit bei 40 Std./ Woche.

54

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Hintergrund: Vertragstheoretische Betrachtung der Gesellschaft auf verschiedenen Ebenen 1. Gesellschaftsvertrag (Verfassung, Grundgesetz): Oberste Vertragsebene der Kooperation von Menschen Wirtschaftssystem (nicht im GG festgelegt): Marktwirtschaft 2. Arbeitsrechtliche Bestimmungen (Einzelgesetze): Rahmenbedingungen für Unternehmen a. Allgemeine Bestimmungen (u. a. BGB, HGB, Gewerbeordnung) b. Einzelgesetze für spezielle arbeitsrechtliche Bereiche Individuelles Arbeitsrecht Kollektives Arbeitsrecht Arbeitsvertrags- ArbeitsschutzTarifvertragsrecht Mitbestimmungsrecht recht recht ↓ 3. Tarifverträge ↓ 4. Betriebsvereinbarung ↓ 5. Arbeitsvertrag: Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer a. formal/ juristisch/ explizit: Lage und Dauer der Arbeitszeit, Höhe und Komponenten der Vergütung, Arbeitsort, Einordnung in die formale Unternehmensorganisation; Tätigkeitsgebiet und Aufgabenstellung, Reichweite von Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen b. informell/ psychologisch/ implizit: moralkulturelle, unausgesprochene und eng mit Unternehmenskultur verbundene Erwartungen aus Mitarbeiter- und Unternehmenssicht („Was tut man?“ - „Was tut man nicht?“) ↓ 6. Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) Abb. 5:

Institutionelle Einbettung des Arbeitsvertrags 131

Die oben angeführten Institutionen können auf allen Ebenen als Vertrag interpretiert werden132, durch den die individuelle Freiheit jeweils eingeschränkt, zugleich 131

132

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an HOMANN/ SUCHANEK (2005), S. 128; WIELAND (1996), S. 3. Vgl. HOMANN/ SUCHANEK (2005), S. 124 (FN 28). Vertragstheoretische Rekonstruktionen der Probleme in der Gesellschaft (spezieller: in der Wirtschaft) werden sowohl von Ökonomen, wie BUCHANAN (vgl. nachfolgende FN), als auch von Ethikern durchgeführt. Z. B. modelliert und interpretiert der Moralphilosoph RAWLS die Gesellschaft als einen Vertrag der Gesellschaftsmitglieder. Den Sinn des Gesellschaftsvertrags sieht er darin, dass die Gesellschaft so zum „Unternehmen der Zusammenarbeit [Kooperation] zum gegenseitigen Vorteil“ (RAWLS 1979, S. 105) wird, in dem „Menschen gemeinsam eine größere Menge von Gütern erzeugen“ (ebd., S. 106) können. Darin liegt auch der Sinn sämtlicher Verträge auf den unteren Ebenen. Die Definition des Gesellschaftsvertrags von RAWLS umfasst dabei ein ökonomisches und ein ethisches Element: Ersteres kommt durch das Stichwort „Vorteil“ zum Ausdruck. Die Gesellschaftsmitglieder haben einen Nutzen vom „Gesamtunternehmen“ Gesellschaft bzw. vom Gesellschaftsvertrag. Ihr Leben hat

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

55

aber auch erweitert wird 133. Gemäß der Theorie unvollständiger Verträge134 steht in der vorliegenden Betrachtung die Tatsache im Vordergrund, dass alle Verträge, vom Grundgesetz bis zum Arbeitsvertrag, nie vollständig spezifiziert 135, sondern

133

134

135

einen Gewinn durch andere Personen. Der ethische Aspekt kommt durch den „gegenseitigen“ Vorteil zum Tragen: Alle Gesellschaftsmitglieder sollen mit im Boot sitzen und im Sinne einer Winwin-Situation einen Nutzen vom Gesellschaftsvertrag haben. Der ökonomische Vertragstheoretiker BUCHANAN (1984) interpretiert die vertraglichen Festlegungen auf verschiedenen Ebenen aus zwei Perspektiven: Einerseits stellen sie eine Einschränkung der persönlichen Freiheit dar, da Verträge mit der Bindung einhergehen, sich in bestimmten Fällen auf gewisse Weise zu verhalten. Andererseits kann diese Freiheitseinschränkung dazu führen, dass Akteure einen größeren Nutzen erzielen und in der Gesamtbilanz an Freiheit gewinnen. BUCHANAN illustriert das (1) am Beispiel von ROBINSON CRUSOEs Wecker sowie (2) am Gesellschaftsvertrag zwischen CRUSOE und FREITAG: (Zu 1.) CRUSOE schließt mit sich selbst einen „Vertrag“, in dem er einen Wecker aufstellt, der seine Freiheit beschränkt, sobald er ihn am Morgen aus dem Schlaf klingelt (vgl. ebd., S. 133). Zugleich ermöglicht der Wecker CRUSOE einen größeren Freiheitsspielraum (Nutzen), da er ihn dazu anhält, bereits früh morgens Nahrung anzubauen, die seine Existenz sichert. Aus CRUSOEs Sicht ist es „vernünftig, Regeln zu befolgen, die das Individualverhalten wirksam regieren“ (ebd., S. 132). (Zu 2.) Durch Hinzutreten von FREITAG entsteht eine Zweipersonengesellschaft (vgl. ebd., S. 134). Dieser Gesellschaftszustand besteht aber nicht von Anfang an, vielmehr sind zunächst nur zwei Individuen auf der Insel, wobei nicht auszuschließen ist, dass sie sich gegenseitig bekämpfen („Krieg alle gegen alle“). Ein solches Verhalten wäre aber unproduktiv, da beide Inselbewohner viel Zeit aufwenden müssten, um sich voreinander zu schützen (BUCHANAN spricht, ähnlich wie HOBBES, im Falle dieses anarchischen Zustands vom „Naturzustand“, vgl. ebd., S. 78). Zur Überwindung der Dilemmasituation schließen beide eine Form von Gesellschaftsvertrag, dessen wichtigstes Element darin besteht, abzurüsten (in Anlehnung an den ersten Satz des GG soll gelten: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“). Auch im zweiten Fall kommt es damit zur vertraglichen Freiheitsbeschränkung, die aber einem beiderseitigen Freiheitsgewinn entspricht, da beide Parteien ihre Zeit nun produktiver nutzen können. Insofern entsteht die Gesellschaft durch einen Gesellschaftsvertrag, der aber, wie RAWLS angemerkt hat, eine Kooperation „zum gegenseitigen Vorteil“ (RAWLS 1979, S. 105) darstellen muss, damit niemand wieder aus dem Gesellschaftsvertrag austritt. Sollte es sich dennoch jemand erlauben, die im Gesellschaftsvertrag festgelegten Regeln zu brechen, dann ist damit zu rechnen, dass auch das andere Gesellschaftsmitglied in die Anarchie zurückkehrt. Von daher muss „[i]rgendein Zwangsmechanismus, ein Instrument oder ein Exekutivorgan […] zum ursprünglichen Vertrag hinzukommen“ (BUCHANAN 1984, S. 134). Vgl. zur Theorie unvollständiger Verträge, die ein noch recht junges Forschungsgebiet darstellt, GROSSMAN/ HART (1986); HART (1988); HART/ MOORE (2008); TIROLE (2009); SUCHANEK/ WALDKIRCH (1999). Vollständigkeit von Verträgen würde die Akteure in einen Zustand hundertprozentiger Erwartungssicherheit und Rationalität versetzen. Typische Zieldivergenzen zwischen Arbeitgeber und nehmer würden entfallen (vgl. JOST 2008, S. 484). Kein Akteur hätte einen Anreiz zu opportunistischem Verhalten. Durch die vollständige Informiertheit beider Vertragsparteien wären personalwirtschaftliche Funktionen (z. B. Personalentwicklung oder -freisetzung) „gar nicht erst begründbar, da die Entscheidung über den Einsatz von Personal [und alle weitergehenden Fragen] vollständig durch den Vertragsschluss vorweggenommen“ (EIGLER 1996, S. 85) würden.

56

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

im Sinne allgemeiner Rahmenbedingungen (Leitplanken, Grundpfeiler) systematisch unvollständig bzw. offen sind 136. Wie an späterer Stelle gezeigt wird, bildet diese Unvollständigkeit oder Offenheit von Arbeitsverträgen zugleich den Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für managementethische Fragen. Sie führt dazu, dass „Leistungen und Gegenleistungen nicht exakt bestimmt sind, […] die Erfüllung dieser Verträge nicht objektiv bzw. durch externe Instanzen feststellbar und daher nicht justiziabel […], und […] allgemein die Durchsetzung (etwa vor Gerichten) zu kostspielig ist“137. Neben der Unvollständigkeit von Informationen und der Höhe der Transaktionskosten, die den Abschluss vollständiger Verträge verhindern138, sprechen vor allem motivationale Gründe für die Sinnhaftigkeit unvollständiger Verträge. Es wäre also gar „nicht rational, alle Verträge vollständig zu machen“ 139. Das gilt besonders für Arbeitsverträge. Denkt man etwa an die Anstellung einer Putzkraft, so ist es in der Tat möglich, den Vertrag relativ vollständig auszugestalten, indem die Arbeitszeit, die Räume, das Putzgerät usw. vorgegeben werden. Der Grund dafür ist, dass der Handlungs- bzw. Entscheidungsrahmen bei Putztätigkeiten eher 136

137

138

139

Vgl. MILGROM/ ROBERTS (1992), S. 129ff. Die Unvollständigkeit oberer Regelungsebenen ist eine Voraussetzung, um auf der Ebene des einzelnen (z. B. Arbeits-)Vertrags ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten zu haben. LÜTGE (2007), S. 48; vgl. auch LÜTGE (2012), S. 97, 198; LÜTGE (2004), S. 15. Es existieren keine vollständigen Verträge. Viele Vertragsbestandteile sind juristisch (über die Vertragsformulierung) nicht festlegbar. Es ist also, um die Analogie zum Fußball aufzugreifen, nicht möglich, durch Spielregeln (VWL-Ebene: Wirtschaftsethik), die sinnvoll sind, die Spielzüge (der BWL-Ebene: Unternehmens-/ Managementethik) in jeder Hinsicht so zu kanalisieren, dass immer gesellschaftlich erwünschte Ergebnisse resultieren. Auf globaler Ebene zeigt dies z. B. das Auftreten der Finanz- und Eurokrise. Zwar gibt es Spielregeln, die bestimmte Fouls festlegen und verbieten, kein Schiedsrichter ist aber in der Lage, alle Regelverstöße auf dem Spielfeld zu erkennen. Zudem gibt es immer wieder neue „Tricks“ (Schwalbenvarianten, verdeckte Fouls usw.), mit denen Spieler die Unvollständigkeit der Spielregeln und damit die Nicht-Sanktionierbarkeit unerwünschter Spielzüge ausnützen können. Es kommt deshalb auf das moralische Interesse der Spieler und der Mannschaft an, Fair Play in den Spielzügen umsetzen zu wollen - oder eben nicht. In diesem Punkt sind Mannschaften (übertragen: Unternehmen und ihre Mitarbeiter) verschieden aufgestellt. Von daher stellt sich aus unternehmens- und managementethischer Sicht die Frage, wie die Unvollständigkeit von Verträgen konkret ausgefüllt wird. Vgl. im Folgenden LÜTGE (2004), S. 15; DONGES (1992), S. 50f.; HOMANN/ SUCHANEK (2005), S. 125ff.; SUCHANEK/ WALDKIRCH (1999), S. 16f.; BECKMANN/ PIES (2009a), S. 178. Die gesellschaftliche Grundfunktion von Verträgen kann nur darin bestehen, einzelne „Inseln der Verlässlichkeit in einem Ozean zukünftiger, unbekannter Kontingenzen herzustellen“ (SUCHANEK/ WALDKIRCH 1999, S. 13). LÜTGE (2004), S. 15; LÜTGE (2012), S. 189. „Die Unvollständigkeit der Verträge […] ist - richtig gemanagt - […] ein Produktionsfaktor“ (HOMANN/ LÜTGE 2004, S. 87).

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

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gering ausfällt. Anders verhält es sich bei Mitarbeitern mit hochqualifizierten Tätigkeiten und Führungsverantwortung. Sie werden gerade eingestellt, weil unbekannt ist, wie in gewissen (verzwickten) Situationen zu verfahren ist. Ihre Anstellung erfolgt mit der Intention, ihnen nicht alle Arbeitsschritte vorzugeben, sondern in der Hoffnung und dem Vertrauen, dass sie ihre individuellen Freiheitsräume (und damit die Unvollständigkeit des Vertrags) eigenständig im Sinne des Unternehmens und der Mitarbeiter ausfüllen und möglichst neue, unbekannte Ideen einbringen, auf die die Unternehmenseigentümer selbst nicht gestoßen wären 140. Infolgedessen ist es nicht nur bei Managern sinnvoll, „im Arbeitsvertrag nur allgemeinere Tätigkeitsfelder festzulegen und viele Details der konkreten Ausführung dem Arbeitnehmer selbst zu überlassen, sodass dieser seine Kenntnisse und Fähigkeiten jeweils situationsangemessen einsetzen kann“141. Nur so kann einer unproduktiven Arbeitshaltung („Bummelstreik“) vorgebeugt und die Voraussetzung für Wandel und Entwicklung im Unternehmen geschaffen werden142. Der folgende Abschnitt vertieft und ergänzt die bisherigen Ausführungen zur Unvollständigkeit von Arbeitsverträgen und geht darüber hinaus gezielt auf das Verhältnis von juristischem und psychologischem Arbeitsvertrag ein. Zudem werden, um ein vertieftes Verständnis zu gewinnen, einige Grundlagen der PrinzipalAgent-Theorie dargestellt.

3.2.2

Unvollständigkeit von Arbeitsverträgen

Der formal-juristische Arbeitsvertrag enthält Vereinbarungen über Rechte und Pflichten (bzw. Leistungen und Gegenleistungen) in Beschäftigungsverhältnissen, die sich ex ante relativ exakt (quasi vollständig) festlegen lassen, wie die Arbeitszeit und Vergütung, der Arbeitsort, die Position, der Kündigungsschutz oder Urlaubsanspruch. Ein Arbeitsverhältnis ist aber nicht nur auf den ökonomischen Tausch von Arbeitsleistung (Hauptpflicht Arbeitnehmer, § 611 BGB) und Vergütung (Hauptpflicht Arbeitgeber, § 612 BGB) reduzierbar, auch wenn darin der

140

141 142

Im Gegensatz zu Vergütungsbestandteilen o. Ä. lässt sich Kreativität aber (ähnlich wie das Verhandlungsgeschick eines Managers oder dessen Umgang mit den Stakeholdern) nicht vorab vertraglich festlegen. HOMANN/ SUCHANEK (2005), S. 127. Vgl. WIELAND (1996), S. 5.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Kern des Arbeitsvertrags liegt143. Die Arbeit bzw. der Arbeitsplatz beeinflusst das Leben eines Arbeitnehmers und dessen Familie tiefgreifend. Arbeitsbeziehungen sind im Normalfall zudem durch Komplexität und Langfristigkeit gekennzeichnet144, was dazu führt, dass zwischen Arbeitgeber und -nehmer vor und nach Vertragsschluss weitreichende Informationsasymmetrien bestehen 145. Deshalb sind weitere, weniger direkt greif- und (empirisch) messbare, durch die Unternehmenskultur146 gesteuerte Aspekte der Beziehung, wie „bestimmte Quanten oder Qualitäten an Teamgeist, Arbeitsfreude, Einsatzbereitschaft, Loyalität, Vertrauenswürdigkeit, Ehrlichkeit, Identifizierung mit der Firma, Firmentreue und Sozialverhalten am Arbeitsplatz“147, Bestandteil eines über den formalen Arbeitsvertrag hinausgehenden, nicht offen artikulierten impliziten (psychologischen, moralischen,

143

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147

Vgl. KRAMER/ PETER (2010), S. 30; HROMADKA/ MASCHMANN (2015), S. 199ff., 257ff.; DONGES (1992), S. 51; GROTE (2009), S. 140. Nach § 241 BGB sind Arbeitsverträge schuldrechtliche Verträge, in denen Leistungen (Arbeitnehmer: Arbeit; Arbeitgeber: Bezahlung) versprochen werden. Darüber hinaus können sich aus einem Schuldverhältnis Nebenpflichten ergeben. Diese werden aus den §§ 241 Abs. 2 und 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben) hergeleitet und beziehen sich auf jene „Pflichten, die nicht zur Hauptleistungspflicht gehören“ (HROMADKA/ MASCHMANN 2015, S. 232). Sie verpflichten die Vertragspartner, bei allen Entscheidungen die Interessen der anderen Seite zu berücksichtigen (vgl. BÄHRLE 2004, S. 127). Dabei kann es sich um Handlungsoder Unterlassungspflichten handeln, die teils einklagbar sind und von der Anbahnung bis über den Zeitpunkt der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hinaus bestehen. Die Nebenpflichten des Arbeitgebers werden als „Fürsorgepflichten“ zusammengefasst und umfassen u. a. eine Beschäftigungspflicht, Entgeltfortzahlung bei Krankheit, Einsicht in die Personalakte, Urlaubsgewährung, Schutz von Gesundheit (Leben, Persönlichkeit, Vermögen), Zeugniserteilung (einfaches oder - auf Wunsch - qualifiziertes Zeugnis nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO) und Verschwiegenheitspflichten (vgl. BÄHRLE 2004, S. 124f.; HROMADKA/ MASCHMANN 2015, S. 234f., 285ff.). Nebenpflichten des Arbeitnehmers (sog. „Treuepflichten“) umfassen u. a. Anzeige- und Nachweispflichten, Auskunfts- und Herausgabepflichten, Gehorsamspflicht, Rücksichtnahme, Stillschweigepflicht und ein strenges Wettbewerbsverbot während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (vgl. BÄHRLE 2004, S. 126f.; HROMADKA/ MASCHMANN 2015, S. 234f.). Genauso können Arbeitnehmer in dringenden Fällen verpflichtet sein, Überstunden zu leisten. Mitarbeiter mit langer Betriebszugehörigkeit haben vom Eintritt in das Unternehmen bis zum Ausscheiden häufig mehrere Stellen mit verschiedenen Tätigkeiten innegehabt und dabei womöglich mehrere Hierarchiestufen durchlaufen. Folglich lassen sich viele Aufgaben „nur allgemein beschreiben, viele Situationen […] nur begrenzt vorhersehen [und] viele Tätigkeiten […] nur begrenzt kontrollieren“ (HOMANN/ SUCHANEK 2005, S. 126). Vgl. dazu den Exkurs am Ende des Abschnitts. Auch die Unternehmenskultur steht für ein reziprokes Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Unternehmen: „Unternehmenskultur ist das implizite [d. h. nicht ausformulierbare, ohne physische Existenz vorhandene] Bewusstsein eines Unternehmens, das sich aus dem [kollektiven] Verhalten der Unternehmensmitglieder ergibt und das im Gegenzug das Verhalten der Individuen steuert“ (SCHOLZ 2014, S. 897). WIELAND (1996), S. 3f.

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

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sozialen) Vertragsverhältnisses („psychological contract“148), das ab dem Eintreten eines Mitarbeiters in das Unternehmen in den Köpfen der Beteiligten existiert und dadurch einen erheblichen Handlungs- und Interpretationsspielraum offenlässt. Solche subjektiven Deutungen, die vor allem aus mündlichen Absprachen und Ankündigungen sowie bestimmten Ereignissen und Verhaltensbeobachtungen im Unternehmen hervorgehen149, sind wesentlich, um die Beziehung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter erklären zu können. Der psychologische Vertrag wird von der Arbeitgeber- und -nehmerseite als interdependentes, reziprokes und dynamisches Vertrauens- und Tauschverhältnis interpretiert, das „im Zeitverlauf immer wieder neu ausgehandelt“150 wird und stetigen Veränderungen unterliegt151.

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151

Vgl. ROBINSON (1996); ROUSSEAU/ SCHALK (2000); ROUSSEAU (1995); KRAUS/ RAEDER (2008), S. 215ff.; RAEDER/ GROTE (2004), S. 141f.; RAEDER/ GROTE (2001), S. 353; RAEDER/ GROTE (2000), S. 6f.; GEORGE (2009); HILTROP (1995); HERRIOT/ PEMBERTON (1997); MILLWARD/ BREWERTON (2000); ANDERSON/ SCHALK (1998); BÖTTCHER (2011), S. 35; KLIMECKI/ LITZ (2002), S. 23f.; TORKA/ KEES LOOISE/ VAN RIEMSDIJK (2005), S. 526f.; DASER (2009), S. 127ff.; WEISS/ UDRIS (2001), S. 108; KALKOWSKI (2004), S. 256; KIRPAL/ MEFEBUE (2007), S. 9f.; WIELAND (1996), S. 6f., 158ff.; NOLL (2012), S. 285; VAN DER SMISSEN/ SCHALK/ FREESE (2013), S. 311; KAVANAGH (1982), S. 27f.; LICHTENBERG (1987), S. 201. Der Begriff „psychologischer Vertrag“ geht auf die 1960er Jahre zurück und wird verschiedenen Autoren zugeschrieben (vgl. ARGYRIS 1960 (“psychological work contract“ zwischen Vorarbeiter und Angestellten); LEVINSON ET AL. 1962 (psychologischer Vertrag als “unwritten contract“); SCHEIN 1965). Vgl. zur begrifflichen Entwicklung des psychologischen Vertrags DASER (2009, S. 129ff.). ROUSSEAU (1989, S. 123) beschreibt den psychologischen Arbeitsvertrag als “an individual’s beliefs regarding the terms and conditions of a reciprocal exchange agreement between that focal person and another party. Key issues here include the belief that a promise has been made and a consideration offered in exchange for it, binding the parties to some set of reciprocal obligations”. Ähnlich ROUSSEAU/ TIJORIWALA (1998), S. 679. Vgl. RAEDER/ GROTE (2001), S. 353; RAEDER/ GROTE (2000), S. 6. KLIMECKI/ LITZ (2002), S. 23. Vgl. auch OSTERLOH/ WEIBEL (2006), S. 88; NERDINGER (1997), S. 45. In diesem Tauschverhältnis sind die persönlichen Erwartungen und Ansprüche an den psychologischen Vertrag zwischen den Mitarbeitern sowie zwischen Mitarbeitern und Management nicht zwingend deckungsgleich (vgl. RAEDER/ GROTE 2004, S. 166ff.). Ähnlich wie der juristische ist auch der psychologische Vertrag zudem nicht beliebig einseitig änderbar, da „ein faires Geben und Nehmen erwartet wird“ (MINSSEN 2012, S. 44; vgl. auch RAEDER/ GROTE 2004, S. 142; BÖTTCHER 2011, S. 35; ROBINSON/ ROUSSEAU 1994, S. 255). Um Änderungen durchsetzen und den bestehenden Vertrag erhalten zu können, bedarf es der Zustimmung des anderen Partners, was die Relevanz von Transparenz, Kommunikation und Information für die Fortführung psychologischer Verträge zeigt (vgl. GEIßLER 2007, S. 28f.). Vgl. HILTROP (1995), S. 287; BRINKMANN/ STAPF (2005), S. 23f.; RAEDER/ GROTE (2000), S. 7; BÖTTCHER (2011), S. 35; WIELAND (1996), S. 5, 159; GEIßLER (2007), S. 28; GÖBEL/ ORTMANN/ WEBER (2007), S. 185. Zur Veränderung des psychologischen Vertrags und der aus diesem resultierenden impliziten Erwartungshaltungen kommt es dann etwa, wenn Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten (dann verschiebt sich der Wunsch der Mitarbeiter nach Finanzierung einer teuren Weiterbildung (neuen Aufgabenbereichen usw.) zeitlich nach hinten, genauso

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Dabei bestehen gegenseitige, auf Erwartungen und Versprechungen („normativen Zuschreibungen“152) beruhende Pflichtgefühle (keine rechtlich einklagbaren Pflichten), welche aufseiten beider Vertragspartner verschiedene subjektive (implizite), zukunftsgerichtete (Leistungs-) Vorstellungen, Erwartungen und Interpretationen hervorrufen, die wiederum in den Rädern unscharf sind 153. Grundsätzlich ist hierbei „nicht ausschlaggebend […], was der Versprechende, also das Unternehmen [oder der Mitarbeiter] meint, sondern […] was der Empfänger des Versprechens, der Arbeitnehmer [oder das Unternehmen] wahrnimmt und interpretiert“154. So erwarten die Arbeitnehmer nach dem traditionellen psychologischen Arbeitsvertrag („der guten alten Zeit“155) im Gegenzug für ihre starke Identifikation mit dem Unternehmen, ihren uneingeschränkten Arbeitseinsatz und die dem Unternehmen entgegengebrachte Treue eine Honorierung, die der Arbeitgeber idealiter (in normalen wie in Krisenzeiten) in Form von lebenslanger Arbeitsplatzsicherheit, Möglichkeiten des Aufstiegs und der beruflichen Weiterentwicklung, interessanten Arbeitsinhalten und einem soliden Einkommen erbringt 156. Aus Arbeitgebersicht steht hingegen die verhaltenssteuernde Komponente bzw. Wirkung des

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156

wie das Unternehmen akzeptieren muss, dass manche Mitarbeiter angespannt und mit nachlassender Leistung reagieren; zugleich rücken im Idealfall andere Faktoren des psychologischen Vertrags stärker in den Vordergrund, z. B. eine vertrauensvolle Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten). WIELAND (1996), S. 7. Vgl. ACKERMANN (2005), S. 256; DEERY/ WALSH/ IVERSON (2006), S. 167; ROBINSON/ ROUSSEAU (1994), S. 246; DASER (2009), S. 142; GUEST (1998), S. 651; WIELAND (1996), S. 7, 158; HÖLAND/ ZEIBIG (2007), S. 247; ROUSSEAU (1989), S. 124. ROBINSON/ KRAATZ/ ROUSSEAU (1994, S. 147) betonen, dass die aus dem impliziten Vertrag resultierende Anspruchshaltung der Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen mit der Zeit zunimmt: “The apparent trends suggest that employees' perceived obligations to their employers decline over time while the obligations they attribute to their employers increase“. MINSSEN (2012), S. 44. Ähnlich GÖBEL/ ORTMANN/ WEBER (2007), S. 185. Die „gute alte Zeit“ ist SCHOLZ (2011, S. 411f.) zufolge durch hoch motivierte Mitarbeiter gekennzeichnet, deren Sicherheitsbedürfnisse vom Unternehmen befriedigt werden. Aufgabe des Managements ist es, den Mitarbeitern ein Gefühl der Heimat und familiären Verbundenheit zu vermitteln. Vgl. ACKERMANN (2005), S. 257; KRAUS/ RAEDER (2008), S. 215; WIELAND (1996), S. 158; HILTROP (1995), S. 287; MINSSEN (2012), S. 44, 46f.; STAHLMANN/ WENDT-KLEINBERG/ WEYRATHER (2004), S. 384; KIRPAL/ MEFEBUE (2007), S. 10f. In ihrer Studie heben HERRIOT, MANNING und KIDD (1997, S. 156f.) zwölf Erwartungsbereiche der Mitarbeiter an das Unternehmen hervor: 1. Training (“adequate induction and training”), 2. Fairness (“of selection, appraisal, promotion and redundancy procedures”), 3. spezifische Bedürfnisse (“Allowing time off to meet personal or family needs”), 4. Kommunikation/ Absprache (“Consulting and communicating with

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

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psychologischen Vertrags im Mittelpunkt, durch die die eigentliche Transformationsleistung im Arbeitsprozess gesichert werden soll 157. Probleme zwischen Arbeitgeber und -nehmer werden kooperativ-kompromisshaft gelöst, da eine Einschaltung des Betriebsrats und der Gewerkschaften einem Versagen der Vertrauensbeziehungen gleichkommt158. Ein Wechsel des Arbeitgebers wird von beiden Seiten als problematisch erachtet, da dieser dem Gebot der gegenseitigen Treue und Rücksicht widersprechen würde159. Im Fokus steht eine auf Dauer angelegte Beschäftigungsbeziehung160, bei der die Personalentwicklung auf die Bedürfnisse des Arbeitgebers ausgerichtet ist, um die Mitarbeiter so für ihre aktuelle Position zu befähigen oder eine interne Karriere vorzubereiten161. Die eigentliche Erfüllung des psychologischen Vertrags ist davon abhängig, inwieweit den Erwartungen einer Vertragsseite durch das Angebot der jeweils anderen Vertragsseite subjektiv entsprochen oder sie sogar übererfüllt werden162. Im folgenden Exkurs werden die innerhalb der (ökonomischen) Prinzipal-Agent-Theorie unterschiedenen Typen von Informationsasymmetrien, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit stellenweise zurückgegriffen wird, dargestellt und im Hinblick auf ihre Bedeutung für arbeitsplatzbezogene Fragen knapp und beispielartig erläutert. In Abschnitt 3.2.3 folgen daraufhin kurze Erläuterungen zu den Ursachen und Folgen der generellen Veränderungstendenzen, denen der psychologische Arbeitsvertrag unterworfen ist.

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employees on matters which affect them”), 5. angenehmes Arbeitsumfeld (“Minimal interference with employees in terms of how they do their job”), 6. Menschlichkeit (“To act in personally and socially responsible and supportive way towards employees”), 7. Anerkennung (“Recognition of or reward for special contribution or long service”), 8. sichere Arbeitsumgebung (“Provision of a safe and congenial work environment”), 9. Gerechtigkeit (“Fairness and consistency in the application of rules and disciplinary procedures”), 10. gerechte Bezahlung (“Equitable with respect to market values and consistently awarded across the organization”), 11. faire Belohnungssysteme (“Fairness and consistency in the administration of the benefit systems”), 12. Arbeitsplatzsicherheit (“Organizations trying hard to provide what job security they can”). Vgl. KIRPAL/ MEFEBUE (2007), S. 10. Vgl. KALKOWSKI (2004), S. 256. Vgl. KLUYTMANS/ OTT (1999), S. 262. Der traditionelle psychologische Vertrag geht von unbefristeten Normalarbeitsverhältnissen aus und blendet atypische Beschäftigungsformen aus (vgl. RAEDER/ GROTE 2000, S. 7; KIRPAL/ MEFEBUE 2007, S. 11). Vgl. KRAUS/ RAEDER (2008), S. 215; ACKERMANN (2005), S. 257; KIRPAL/ MEFEBUE (2007), S. 8. Entsprechend hoch ist die Bedeutung des internen Arbeitsmarktes. In Unternehmen mit traditionellem Verständnis des psychologischen Vertrags wird „praktisch nur auf der […] „Einstiegsebene“ über den externen Arbeitsmarkt rekrutiert“ (KLIMECKI/ LITZ 2002, S. 23). Vgl. BÖTTCHER (2011), S. 35. Eine Übererfüllung würde z. B. dann vorliegen, wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern freiwillig eine Zusatzgratifikation oder bestimmte arbeitsmarktbefähigende Entwicklungsmaßnahmen gewähren würden, ohne dies zuvor explizit angekündigt zu haben (vgl. GEIßLER 2007, S. 28).

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Exkurs Anfang: Prinzipal-Agent-Theorie Vertrauen und Glaubwürdigkeit können im Alltagsgeschäft nicht vorbehaltlos vorausgesetzt werden, gerade dann nicht, wenn zwischen Arbeitgeber und -nehmer divergierende Interessen und Nutzenvorstellungen bestehen, aus denen Zielkonflikte resultieren. Damit ist eine der Grundannahmen der Prinzipal-Agent-Theorie angesprochen, bei der es sich um eine rein ökonomische Theorie handelt, die keinerlei moralische Verpflichtungen kennt 163. Die Prinzipal-Agent-Theorie behandelt arbeitsteilige ökonomische Leistungsbeziehungen (mit monetärem oder nicht-monetärem Entlohnungsanspruch) 164 zwischen den Vertragspartnern Auftraggeber bzw. Vertretener (Prinzipal) und Auftragnehmer bzw. Vertreter (Agent), die vor oder nach Vertragsschluss durch eine asymmetrische Informationslage gekennzeichnet sind. Dabei wird angenommen, dass der Prinzipal das Eintreten gewisser Situationen und das Verhalten des Agenten nicht vollkommen bzw. nicht kostenlos durchschauen kann, da er im Vergleich zu diesem schlechter informiert ist165. „Der Agent [...] kann seine Fähigkeiten, seine Anstrengung, seine Kenntnisse, seine Absichten und Motive besser beurteilen als der Prinzipal“166. Kennzeichnend für eine Prinzipal-Agent-Beziehung ist zudem, dass die Entscheidungen des Agenten nicht nur sein eigenes Wohlergehen, sondern auch das Nutzenniveau des Prinzipals beeinflussen. Letzteres ist für den Prinzipal riskant, da der Agent seinen diskretionären Handlungsspielraum zur Maximierung eigener Ziele ausnützen kann (und wird) und dabei eventuell nicht mehr im Interesse des Prinzipals agiert (mehr noch: Der Agent nimmt billigend in Kauf, den Prinzipal durch sein Handeln zu schädigen). Im hier interessierenden Arbeitsplatzkontext steht nun die 163

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Vgl. RICHTER (1994), S. 32; ARROW (1985), S. 38. Die Prinzipal-Agent-Theorie wurde entscheidend von COASE (1937) und WILLIAMSON (1985) geprägt. Die grundlegenden Verhaltensannahmen der Prinzipal-Agent-Theorie (begrenzte Rationalität, Nutzenmaximierung, Opportunismus) decken sich mit denen der Transaktionskostentheorie, welche in Abschnitt 7.2.1 behandelt wird. Vgl. zur Prinzipal-Agent-Theorie auch JENSEN/ MECKLING (1976); PRATT/ ZECKHAUSER (1985); ROSS (1973). Bei der Prinzipal-Agent-Theorie geht es nicht um „Gefälligkeiten, die ohne Hoffnung auf eine Gegenleistung erbracht werden“ (MEINHÖVEL 2005, S. 67). Vielmehr unterstellt sie, „dass der Agent [nur] durch finanzielle oder andere wirtschaftliche Anreize [also durch Kosten-/ Nutzenüberlegungen] dazu gebracht werden kann, […] den nächstbesten Gewinn oder Nutzen seines Prinzipals zu realisieren“ (RICHTER 1994, S. 32). Vgl. im Folgenden PICOT/ REICHWALD/ WIGAND (2003), S. 55f.; PICOT ET AL. (2012), S. 89f.; GÖBEL (2002), S. 98ff.; VOIGT (2009), S. 84ff., 116; RICHTER/ FURUBOTN (2003), S. 173ff.; MILLER (2008), S. 349; MARTIENSEN (2000), S. 119; MEINHÖVEL (2005), S. 65ff.; RICHTER (1994), S. 16f.; ARROW (1985), S. 37. GÖBEL (2002), S. 100.

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

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Beziehung zwischen Arbeitgeber und -nehmer im Fokus. Basis dieser AgencyBeziehung ist der Arbeitsvertrag, durch den Entscheidungsbefugnisse und Ausführungskompetenzen vom Prinzipal auf den Agenten übertragen werden. Die Übersicht in Abb. 6 klassifiziert Prinzipal-Agent-Probleme nach der Informationsasymmetrie, die zwischen Prinzipal und Agent vor und nach Vertragsschluss vorliegen kann, in drei Problemtypen. Wer Prinzipal und wer Agent ist, ist fallweise und je nach Informationsverteilung abweichend zu beurteilen. Letztlich kann jede Partei wegen einer schlechteren Informationslage in ihrem Nutzen durch das Handeln einer anderen, besser informierten Partei beeinflusst werden 167. Folglich sind die aus Arbeitsverträgen potenziell resultierenden Enttäuschungspotenziale symmetrisch168. Darüber hinaus ist Folgendes zu beachten: Solange die Arbeitsleistung betrachtet wird, agiert der Arbeitnehmer als Agent, der im Auftrag des Prinzipals (Arbeitgeber) Leistungen zu erbringen und diesem gegenüber einen Informationsvorsprung hat. Wird dagegen der Arbeitsplatz als solcher betrachtet, so verfügt der Arbeitgeber (Agent) über einen Informationsvorsprung gegenüber dem Arbeitnehmer (Prinzipal), da er als Stellenanbieter besser über die Eigenschaften der Stelle (etwa im Hinblick auf deren zukünftige Entwicklung und Relevanz) informiert ist169. Die skizzierte Informationslücke kann zunächst nur von der besser informierten Partei geschlossen werden, wobei im Falle des Arbeitsplatzes der Arbeitgeber als Schlüsselakteur auszumachen ist.

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Ein Akteur kann, je nachdem in welcher Beziehung er zu anderen Akteuren steht, gleichzeitig Prinzipal (z. B. zu seinem Mitarbeiter) und Agent (z. B. zu seinem Vorgesetzten) sein. Zudem steht ein Prinzipal (bzw. Agent) häufig mehreren Agenten (bzw. Prinzipalen) gleichzeitig in einer (nicht-)hierarchischen Beziehung gegenüber. Vgl. NOLL (2012), S. 273. Dieser Informationsvorsprung wird durch zwei weitere Aspekte beeinflusst: Zum einen verfügt der Arbeitgeber (bzw. Agent generell) über einen Darstellungsspielraum bezüglich der zu veröffentlichenden Informationen, der es ihm ermöglicht, den Prinzipal (Mitarbeiter) nicht vollständig oder nicht ehrlich zu informieren. Zum anderen kann das Management (zumindest in Konzernen) auf einen Pool an Expertenwissen aus diversen Stabsabteilungen zurückgreifen, woraus ein weiterer Wissensvorsprung resultiert, der Arbeitgeber und -nehmer intellektuell und rhetorisch auseinanderrückt.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit vor Vertragsschluss

Informationsasymmetrie Informationslage des P Problem

Hidden characteristics

Versteckte Eigenschaften des A Qualifikationsdefizite („dumm“) InformationsAdverse Selektion: problem/ Art Problem des P, wegen Indes opportuformationsdefizit ungünsnistischen Ver- tige (Negativ-)Auswahl zu haltens treffen Ursachen Informationsineffizienz Beispiele: P = AG A = AN

P = AN A = AG

Abb. 6:

nach Vertragsschluss Hidden action/ Hidden intention hidden information Versteckte (Nicht-)Aktionen Versteckte/ heimtückides A sche Absichten des A Anstrengungsdefizite Fairnessdefizite („faul“) („hinterlistig“) Moral Hazard: Hold up: Moralisches Risiko, dass A A nutzt Abhängigkeit des seinen InformationsvorP aus, der nicht auf ansprung zum eigenen Vorteil dere Vertragspartner ausausnutzt weichen kann Ressourcenplastizität Sunk Costs

(1) A täuscht nicht vorhandene Qualifikationen vor und verbirgt daraus resultierende Schwächen beim Bewerbungsgespräch geschickt

(3) P kann Arbeitseinsatz des A nur begrenzt beurteilen; da er A nicht vollständig überwachen kann oder will, wird es ihm erschwert, den tatsächlichen Aufgabenumfang zu bewerten (2) A stellt ausgeschrie(4) P kann bei drohendem bene Stelle attraktiver (ge- Stellenabbau nur bedingt haltvoller, sicherer) dar, prüfen, ob Abbau notwendig als sie es tatsächlich ist ist und versucht wird, weichere Alternativen zu finden

(5) P finanziert A eine Weiterbildung; nachdem diese absolviert ist, verlangt A ein höheres Gehalt (unter Androhung, das Unternehmen zu verlassen) (6) A nutzt Tatsache aus, dass P unternehmensspezifisches Humankapital anderswo nur begrenzt verwerten kann

Prinzipal-Agent-Probleme zwischen Arbeitgeber und -nehmer170

Jedem der in Abb. 6 aufgeführten Informationsprobleme werden von der Prinzipal-Agent-Theorie geeignete Problembewältigungsansätze zugeordnet, die der Interessenangleichung zwischen Prinzipal und Agent dienen und bestehende Informationsasymmetrien reduzieren sollen171. Sie werden nachfolgend kurz beschrieben, wobei die getroffene Zuordnung als idealtypisch zu verstehen ist, da die drei Grundtypen asymmetrischer Information in der Praxis häufig in Kombination auftreten, was ein entsprechendes Maßnahmenpaket erforderlich macht.

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Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an PICOT ET AL. (2012), S. 95; PICOT/ REICHWALD/ WIGAND (2003), S. 59; SPREMANN (1990), S. 572; GÖBEL (2002), S. 100. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Reduzierung von Informationsasymmetrien primär im Interesse des Prinzipals liegt, was wegen seiner mangelnden Informationslage logisch erscheint. Es gibt aber Fälle, in denen auch der Agent ein Interesse am Abbau gewisser Informationsasymmetrien hat (vgl. GÖBEL 2002, S. 104). Zum Teil wird dieser Abbau vom Agenten sogar aktiv unterstützt oder eingefordert. So legen engagierte Arbeitnehmer Wert darauf, von faulen Kollegen unterschieden und für ihr Verhalten am Arbeitsplatz honoriert zu werden.

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

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Das Problem der Hidden characteristics liegt in der Gefahr der ungünstigen Auswahl („Adversen Selektion“) der Vertragspartner 172. Es ist vor Vertragsabschluss relevant, etwa wenn es zu klären gilt, auf welchen Vertragspartner man sich einlassen sollte. Bezogen auf den untersuchten Anwendungsbereich könnte das bedeuten, dass ein Unternehmen Mitarbeiter mit unveränderlich schlechten Eigenschaften „anzieht“ (Beispiel 1) oder ein Bewerber sich für eine augenscheinlich verlockende, realiter aber uninteressante Stelle mit geringer Zukunftsperspektive bewirbt und entscheidet (Beispiel 2). Zentral ist die Frage, ob der Prinzipal die Eigenschaften des Agenten (bzw. der vom Agenten angebotenen Leistungen), die der Agent zu verheimlichen versucht, kennt oder nicht, ob er also gute und schlechte Mitarbeiter (bzw. Arbeitgeber, Stellen) vorab sortieren kann. Die einzige Möglichkeit für den Prinzipal, das Problem zu vermeiden, liegt darin, die Eigenschaften des Agenten vor Vertragsschluss zu identifizieren und den (Arbeits-)Vertrag mit dem Agenten erst gar nicht abzuschließen (konkret: den Agenten nicht einzustellen oder die Stelle beim Agenten nicht anzunehmen). Im Nachhinein kann die Fehlentscheidung allenfalls korrigiert oder (durch Kündigung durch den Prinzipal) rückgängig gemacht werden, was aber, wenn es überhaupt möglich ist, mit zeitlichen und finanziellen Aufwendungen verbunden ist. Damit stellt sich die Frage, wie das Informationsgefälle zwischen Prinzipal und Agent verringert werden kann173. Um sich vom Agenten einen besseren Eindruck zu verschaffen, kann der Prinzipal als schlechter informierte Partei zum einen ein „Screening“ durchführen und sich den Agenten genauer „anschauen“ 174: So können Unternehmen ihre Bewerber (z. B. in Assessment-Centern) Tests unterziehen oder zusätzliche Details über deren Qualifikation (z. B. Zeugnisse) einfordern, um Rückschlüsse auf fachliche und soziale Kompetenzen zu ziehen. Für Bewerber besteht u. a. die Option, sich online (in Foren, über Arbeitgeberrankings) oder bei 172

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Vgl. im Folgenden GÖBEL (2002), S. 101; PICOT ET AL. (2012), S. 92; PICOT/ REICHWALD/ WIGAND (2003), S. 57; KLEINE (1996), S. 43f.; SPREMANN (1990), S. 566f., 574f.; MILGROM/ ROBERTS (1992), S. 156ff.; VOIGT (2009), S. 85f.; RICHTER/ FURUBOTN (2003), S. 175; ERLEI/ LESCHKE/ SAUERLAND (2007), S. 110, 148ff.; MARTIENSEN (2000), S. 119f., 397ff.; HORSCH (2005), S. 86, 89ff. Denkbar wäre auch, das Eigeninteresse des Agenten durch geeignete Institutionen an das Interesse des Prinzipals anzunähern, z. B. indem sich der Agent bereit erklärt, gegenüber dem Prinzipal ein Garantieversprechen oder ein Rückgaberecht zu leisten (vgl. PICOT ET AL. 2012, S. 97). Vgl. im Folgenden GÖBEL (2002), S. 110f., 293ff.; MILGROM/ ROBERTS (1992), S. 154ff.; PICOT/ REICHWALD/ WIGAND (2003), S. 57f.; PICOT ET AL. (2012), S. 96f.; HORSCH (2005), S. 87ff., 91ff.; KLEINE (1996), S. 42, 44f.; ERLEI/ LESCHKE/ SAUERLAND (2007), S. 182f.; MARTIENSEN (2000), S. 120, 399f.; ARROW (1985), S. 42; MEINHÖVEL (2005), S. 75.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

(ggf. ehemaligen) Beschäftigten über das Unternehmen und die angebotene Stelle zu informieren. Umgekehrt läuft das „Signalling“ ab, bei dem der Agent als besser informierte Partei von sich aus glaubhaft entscheidungsrelevante Qualitäten an den Prinzipal signalisiert, welche ihn auszeichnen und aus der Masse anderer Agenten abheben175. Der Prinzipal nimmt die Signale des Agenten dann auf und bindet sie in seine Entscheidungsfindung mit ein. Ein weiterer Mechanismus zur Reduzierung der Informationsasymmetrie zwischen Agent und Prinzipal ist eine Art „Selbstsortierung“ („self selection“), die den Agenten durch eine geschickte Vertragsformulierung oder die Wahl aus einem differenzierten Vertragsangebot dazu zwingt, seine nur ihm bekannten Eigenschaften teils offenzulegen 176. Das Problem der „Hidden action“ bzw. „information“, das nach Vertragsschluss relevant wird, liegt darin, dass dem Prinzipal zwar die Handlungsergebnisse (Output) des Agenten bekannt sind, nicht oder nur bedingt aber die Einzelhandlungen (Input) des Agenten, welche zum Ergebnis geführt haben177. Der Prinzipal kann in der Folge nur begrenzt beurteilen, inwieweit das Handlungsergebnis durch (un)günstige exogene Effekte beeinflusst wurde. Daraus resultiert das Risiko des „Moral Hazard“, d. h. der Agent könnte dazu veranlasst werden, seinen Informationsvorsprung gegenüber dem Prinzipal zur Verfolgung eigener Ziele opportunistisch auszunutzen. Das wird ihm besonders dann gelingen, wenn sein diskretionärer Handlungs- und Entscheidungsspielraum groß ist und die Kontrollmöglichkeiten des Prinzipals gering sind. Zur Reduzierung der Informationsasymmetrie ist an ein verstärktes „Monitoring“ zu denken, mit dem der Prinzipal „das Verhalten des Agenten genauer einschätzen und unmittelbar sanktionieren“178 kann. Gän-

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Bewerber können z. B. auf Qualifikationen hinweisen (oder Arbeitsproben anbieten), Unternehmen können einen Einblick in die jeweilige Abteilung oder Informationen über ihre Weiterbildungsangebote geben. Bei der Stellenbesetzung kann dies dadurch geschehen, indem Unternehmen konkret überprüfbare Anforderungen in die Stellenausschreibung aufnehmen (z. B.: „Vertragsverhandlungen finden auf Englisch statt und ein Großteil der Vergütung ist erfolgsabhängig“) oder bereits beim Bewerbungsgespräch ankündigen, die Qualität der Arbeitsausführung regelmäßig zu testen. Vgl. im Folgenden GÖBEL (2002), S. 103, 112; PICOT ET AL. (2012), S. 93, 98; PICOT/ REICHWALD/ WIGAND (2003), S. 58; KLEINE (1996), S. 34ff.; ARROW (1985), S. 38f., 43ff.; SPREMANN (1990), S. 566, 571f.; VOIGT (2009), S. 86f.; RICHTER/ FURUBOTN (2003), S. 31, 162f., 174f., 584; ERLEI/ LESCHKE/ SAUERLAND (2007), S. 109f., 112ff.; MARTIENSEN (2000), S. 120; MILGROM/ ROBERTS (1992), S. 167f., 185f.; MEINHÖVEL (2005), S. 68; HORSCH (2005), S. 89ff.; RICHTER (1994), S. 16ff., 31. PICOT/ REICHWALD/ WIGAND (2003), S. 58.

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

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gige Maßnahmen und Instrumente eines solchen „Monitorings“ sind Zielvereinbarungen zwischen Prinzipal und Agent (ggf. in Verbindung mit genaueren Arbeitsanweisungen durch den Prinzipal), Kontroll-, Controlling- und Berichtssysteme, aber auch Anreiz- und Motivationssysteme (z. B. Erfolgsbeteiligungen), mit deren Hilfe das Verhalten des Agenten in die vom Prinzipal gewünschte Richtung gelenkt werden kann. Bei der ebenfalls nach Vertragsschluss entstehenden „Hidden intention“-Problematik kennt der Prinzipal die geheimen, womöglich heimtückischen Absichten des Agenten ex ante nicht, was transaktionsspezifische Investitionen (Vorleistungen) in diese Beziehung riskant macht179. Ab dem Moment, in dem der Prinzipal investiert hat, befindet er sich gegenüber dem Agenten in einem Abhängigkeitsverhältnis, in dem er in Höhe der Quasi-Rente erpressbar ist und nur noch ungünstig agieren kann („Lock-in-Effekt“)180. Die Gefahr, dass der Agent die Vorleistung und die damit einhergehende Fixkostensituation des Prinzipals opportunistisch ausnutzt, wird als „Hold-up“ (Raubüberfall) bezeichnet181. So wäre denkbar, dass ein Mitarbeiter, dem eine Schulung finanziert wurde, nach deren Abschluss von seinem Arbeitgeber - unter Androhung eines Vertragsbruchs (Kündigung) und Wechsel zur Konkurrenz - eine Beförderung einfordert (Beispiel 5)182. Hätte das Unternehmen die „Hold-up“-Strategie des Agenten früher durchschaut, so hätte es die Schulung nicht angeboten oder vorfinanziert. Nun aber ist es erpressbar und wird versuchen, den Mitarbeiter zu halten (vor allem dann, wenn es sich um einen schwer ersetzbaren Spezialisten handelt). Grundsätzlich würde das „Hold-up“Problem gar nicht entstehen, „wenn es möglich wäre, vollständige und vor Gerichten [kostenlos und] eindeutig verifizierbare Verträge abzuschließen“183. Da dies aber ausgeschlossen ist, muss sich der Prinzipal anderweitig absichern, um 179

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183

Vgl. GÖBEL (2002), S. 103, 138; PICOT/ REICHWALD/ WIGAND (2003), S. 59; PICOT ET AL. (2012), S. 93, 98f.; SPREMANN (1990), S. 566, 568ff.; MARTIENSEN (2000), S. 122, 289; HORSCH (2005), S. 89ff.; RICHTER (1994), S. 18f.; RICHTER/ FURUBOTN (2003), S. 100f., 155, 589; ERLEI/ LESCHKE/ SAUERLAND (2007), S. 206f. Transaktionsspezifische Investitionen sind durch ihre hohe Spezifizität irreversibel. Sie sind also entweder gar nicht mehr oder nur noch unter Inkaufnahme von Verlusten („Sunk Costs“) für andere Verwendungen einsetzbar. Vgl. dazu Unterabschnitt 7.2.1.2, der sich mit dem Konstrukt der Quasi-Rente befasst. Der Begriff „Hold-up“ geht auf GOLDBERG (1976) zurück. Oder er kündigt sofort, da er sich durch die Zusatzausbildung besser bei anderen Unternehmen bewerben kann. Dabei ist nicht auszuschließen, dass sich der Mitarbeiter eine solche Strategie bereits im Vorfeld zurechtgelegt und von Anfang an verschwiegen hat, weshalb er wirklich an der Teilnahme interessiert ist („Hidden intention“). PICOT ET AL. (2012), S. 93.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

sich vor heimtückischen Aktionen zu schützen. Ein Ansatz hierzu liegt darin, durch ein wie auch immer ausgestaltetes „Pfand“, das der Agent im Vorfeld zu leisten hat, „das einseitige in ein wechselseitiges [Bindungs- bzw.] Abhängigkeitsverhältnis“184 zu transformieren, in dem der Prinzipal die spezifische Investition zumindest vorübergehend nicht mehr alleine zu tragen hat 185. Die Bedeutung eines Pfands zur Begrenzung des „Hold-up“-Problems zeigt auch Beispiel 6, in dem Mitarbeiter als Prinzipale fungieren. Für Unternehmen ist es wichtig, Experten zu beschäftigen, die bestens mit den Produkten und Dienstleistungen vertraut sind. Solche Experten benötigen Spezialkenntnisse, die stetig zu erneuern und zu ergänzen sind. Im Folgenden wird der theoretische Extremfall unterstellt, dass es sich bei den notwendigen Weiterbildungen um rein unternehmensspezifische Humankapitalinvestitionen handelt, die bei anderen Arbeitgebern nicht einsetzbar sind. Zu fragen ist nun, unter welchen Bedingungen sich Mitarbeiter auf solche Weiterbildungstransaktionen einlassen. Aus ihrer Sicht handelt es sich um transaktionsspezifische Investitionen, durch die sie sich in eine Abhängigkeit zum Unternehmen begeben. In der Folge können sie ihre Erträge nur noch mit diesem Unternehmen erzielen und selbiges nur noch unter erhöhten Kosten verlassen, da die erworbenen Spezialkenntnisse in den Lohnverhandlungen mit anderen Arbeitgebern wertlos wären. Da das Unternehmen hierüber informiert ist, kann und wird es die Mitarbeiter ausbeuten186, etwa indem es ihre Löhne nicht mehr erhöht (oder gar senkt) und sich so die gesamte Quasi-Rente aneignet (diese ergibt sich als Differenz zwischen dem produktivitätsorientierten Lohn, der einem Mitarbeiter eigentlich zustehen würde, und dem Lohn, den er tatsächlich erhält). Wie das Beispiel zeigt, ist es für rationale Arbeitnehmer zu riskant, in ihr unternehmensspezifisches Humankapital zu investieren, da sie dadurch jegliche Handhabe gegenüber dem Arbeitgeber einbüßen und keine Chance mehr haben, den

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PICOT ET AL. (2012), S. 98. Dieses Pfand könnte so aussehen, dass der Mitarbeiter im skizzierten Beispiel von vornherein an den Schulungskosten beteiligt (Kapitalbeteiligung) oder über eine Rückzahlungsklausel dazu verpflichtet wird, die Kosten ganz oder teilweise zurückzuzahlen, sollte er das Unternehmen innerhalb eines festgelegten Zeitraums nach Absolvierung der Schulung aus eigenem Entschluss verlassen. Bei dieser Lösung hat der Prinzipal mehrere arbeitsrechtliche Vorschriften zu beachten (vgl. hierzu HROMADKA/ MASCHMANN 2015, S. 276, 552f.). Darüber hinaus können „[a]ls Pfand [...] z. B. Gegengeschäfte, Abnahmegarantien (sog. „take-or-pay“-Klauseln), [...] Hypotheken oder die Reputation des Agent fungieren“ (PICOT ET AL. 2012, S. 98). Vgl. HOMANN/ LÜTGE (2004), S. 100f.

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

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ihnen eigentlich zustehenden Lohn zu erhalten. Sie werden sich nur dann auf solche (aus Unternehmenssicht produktiven) Transaktionen einlassen, wenn sie irgendeine Sicherheit bzw. Art „Pfand“ angeboten bekommen, das sie vor dem opportunistischen Verhalten des Arbeitgebers schützt. Interessant in diesem Zusammenhang ist nun die (rein ökonomisch argumentierende) These von HOMANN, die auf dem Grundmuster der Transaktionskostenökonomik von WILLIAMSON aufbaut187: HOMANN sieht ein solches Pfand in der Unternehmensmitbestimmung (im Aufsichtsrat), mit der der Arbeitgeber - im Sinne eines „Geiselaustausch-Arrangements“188 - Teile seiner Entscheidungskompetenz an die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (sprich: Gewerkschaften) abtritt und dadurch die QuasiRente nicht mehr so leicht ausbeuten kann. Sobald Arbeitnehmer dieses Pfand in der Hand haben, kommt die Transaktion, dass sie sich in einem bestimmten Umfang auf unternehmensspezifische Humankapitalinvestitionen einlassen, zustande. Exkurs Ende

3.2.3

Wandel im Verständnis des psychologischen Arbeitsvertrags

Das Modell des traditionellen psychologischen Vertrags und das damit assoziierte unbefristete Normalarbeitsverhältnis189, so wie es nach wie vor in den Köpfen vie-

187 188

189

Vgl. dazu Unterkapitel 7.2, das sich mit der Transaktionskostenökonomik befasst. HOMANN/ LÜTGE (2004), S. 101. „Mitbestimmung lässt sich [...] interpretieren als ein Arrangement, das unternehmensspezifische Investitionen in Humankapital bei den [...] Arbeitnehmern ermöglichen soll: Weil sie mitbestimmen können, brauchen sie weniger Angst vor der Ausbeutung ihrer Investitionen durch den Arbeitgeber zu haben. Damit kann Mitbestimmung, damit kann „Verdünnung“ der Verfügungsrechte, [aus Sicht der Transaktionskostenökonomik produktiv und] effizient sein. Mitarbeiter tragen [...] u. U. bei Entscheidungen ein höheres Vermögensrisiko (Arbeitsplatz) als die Anteilseigner und haben [...] ein entsprechend stärkeres Interesse an einer guten Unternehmenspolitik, als der Property-Rights-Ansatz annimmt“ (ebd.). Ein Arbeitsverhältnis ist (ähnlich wie ein Miet- oder Darlehensvertrag) ein Dauerschuldverhältnis, das nach Vertragsschluss auf unbestimmte Dauer ausgelegt ist. Wenn ein Arbeitgeber nicht will, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit läuft, so muss er ihn bei Vertragsschluss befristen. Nach § 14 TzBfG darf der Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nur dann befristen, wenn ein sachlicher Grund dafür vorliegt, der sich beweisen lässt (z. B. Vertretung bei Schwangerschaft). In diesem Fall kann die Befristung so lange immer wieder verlängert werden, bis der Befristungsgrund wegfällt. Ohne sachlichen Grund können Arbeitsverhältnisse maximal auf zwei Jahre befristet werden (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Innerhalb der zwei Jahre kann die Befristung insgesamt dreimal verlängert werden (es wäre also z. B. möglich, Arbeitnehmer vier Mal hintereinander befristet zu je sechs Monaten einzustellen).

70

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

ler Arbeitnehmer verankert ist, kann heute nicht mehr als allgemeingültig angenommen werden190, auch wenn es sich in den vergangenen Jahrzehnten bewährt hat und - wenn etwa an große Stahl- oder Automobilkonzerne gedacht wird - ganzen Familienstrukturen über Generationen hinweg Sicherheit bieten konnte. Die Arbeitswelt hat einen tiefgreifenden Wandel erfahren. In Zeiten zunehmender Beschäftigungsunsicherheit, in denen es zu Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt kommt und in denen selbst namhafte, historisch gewachsene Unternehmen ihren Mitarbeitern keinen Arbeitsplatz auf Lebenszeit mehr bieten können und wollen191, ändern sich die Arbeits- und Austauschbeziehungen zwischen Arbeitgeber und -nehmer genauso wie individuelle Laufbahnmuster 192. Besonders stark bekommen diesen Wandel Geringqualifizierte und ältere Arbeitnehmer zu spüren, die immer häufiger von Jobverlust und atypischer Beschäftigung (geringfügiger und befristeter Arbeit, Leiharbeit, Minijobs usw.) betroffen sind 193. Solche durch Ungewissheit und Risiko geprägten Beschäftigungsformen tragen dazu bei, Arbeitsverhältnisse samt deren expliziten und impliziten Verpflichtungen (in Sachen Kündigungsschutz, Sozialleistungen, Lohnfortzahlung usw.) zu flexibilisieren und das Beschäftigungsrisiko insgesamt stärker auf den Arbeitnehmer zu verlagern 194.

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Die Bindungskraft des psychologischen Vertrags für unterschiedliche Beschäftigungsgruppen hängt nach KIRPAL und MEFEBUE (2007, S. 11) in erster Linie von der Art der Tätigkeit ab: Während „[d]er traditionelle psychologische Arbeitsvertrag […] [f]ür Beschäftigte in unteren und mittleren (Management-)Funktionen […], in Funktionen auf der mittleren Ebene ohne Managementbezug sowie für Fachspezialisten […] einen hohen Institutionalisierungsgrad aus[bildet] (relative Arbeitsplatzsicherheit, Karrierechancen, größere Autonomiespielräume) […] [, spielt er] [f]ür die einfachen Angestellten sowie die Facharbeiter […] [zwar] ebenfalls eine wichtige Rolle, verfügt aber über einen geringen Institutionalisierungsgrad (relative Arbeitsplatzsicherheit bei geringeren Karrierechancen und Autonomiespielräumen)“ (ebd.). Einen dauerhaften Anspruch auf Arbeit im Sinne einer Arbeitsplatzgarantie gab es faktisch noch nie. Arbeitsplatzsicherheit ist immer „relativ“. Vgl. dazu auch VON PIERER (1999), S. 70; KRAUSE/ KÖHLER (2012), S. 32; NOLL (2012), S. 282. Vgl. RAEDER/ GROTE (2001), S. 352; KIRPAL/ MEFEBUE (2007), S. 5. SCHOLZ und STEIN (2002, S. 298) gehen sogar so weit zu sagen, dass im Zuge der zunehmenden Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen „[d]er alte soziale Kontrakt zwischen Unternehmen und Mitarbeitern - Loyalität und lebenslange Beschäftigung nach dem Muster der klassischen Industriebetriebe - […] von beiden Seiten aufgekündigt“ ist. Zu ähnlichen Aussagen gelangen SATTELBERGER (2001), S. 116; BRÖCKERMANN (2005), S. 6. Vgl. KELLER/ SEIFERT (2006); DUFOUR/ HEGE (2004), S. 225; KRAUS/ RAEDER (2008), S. 210. Hinzuzufügen ist, dass im Zuge umfangreicher organisatorischer Restrukturierungen, die mit dem Abbau ganzer Hierarchiestufen einhergehen, häufiger auch auf mittleren Hierarchiestufen (z. B. im mittleren Management) in größerem Umfang Stellen abgebaut werden (vgl. WEISS/ UDRIS 2001, S. 105). Vgl. KRAUSE/ KÖHLER (2012), S. 16.

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

71

Insofern ist zu sehen, dass (gerade große) Unternehmen heute mit mehreren verschiedenen Beschäftigungssystemen operieren195, wodurch das traditionelle Verständnis des psychologischen Arbeitsvertrags (und die daraus resultierende implizite Erwartungshaltung: “job security in exchange for loyalty and hard work“ 196) ins Wanken gerät197. Unter Bedingungen einer zunehmenden Flexibilisierung von Beschäftigungsbeziehungen können Unternehmen ihren aus dem Arbeitsvertrag resultierenden impliziten Pflichten nur noch beschränkt nachkommen, sodass sich der psychologische Vertrag immer stärker einseitig auf die Unternehmensperspektive bezieht und von den Beschäftigten womöglich als Vertrauens- und Vertragsbruch gewertet wird198. Die Mitarbeiter gewinnen den Eindruck, mehr in das Unternehmen zu investieren, als sie daraus zurückerhalten. Eine solche Störung des Equity-Prinzips bzw. Verletzung der Reziprozitätsnorm kann bewirken, dass Commitment zerstört und auch die Arbeitnehmer ihren Teil des Vertrags nicht mehr einhalten, indem sie innerlich kündigen (Dienst nach Vorschrift leisten, sich krankmelden) oder das Unternehmen verlassen199. Dadurch werden die ursprünglich durch gemeinsame Wertvorstellungen geprägten „relationalen Komponenten des psychologischen Vertrags […] durch eine ökonomische Tauschbeziehung ersetzt“200, sodass für die

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Vgl. KRAUSE/ KÖHLER (2012), S. 14. „So sind geschlossene Stammbelegschaftspositionen häufig Teil primärer interner Arbeitsmärkte, während offene Randbelegschaftspositionen mit hoher Beschäftigungsinstabilität und niedrigen Einkommen an sekundäre externe Teilarbeitsmärkte angeschlossen sind“ (ebd.). HERRIOT/ STICKLAND (1996), S. 466. Vgl. dazu Abschnitt 3.2.2, der sich mit dem klassischen psychologischen Vertrag zwischen Arbeitgeber und -nehmer befasst. Vereinfachend könnte auch von „Phase 1“ der Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Beziehung gesprochen werden. Vgl. auch im Folgenden RAEDER/ GROTE (2004), S. 141, 148, 151; RAEDER/ GROTE (2003), S. 111; GROTE (2009), S. 142f.; WEISS/ UDRIS (2001), S. 104f., 108f.; BRINKMANN/ STAPF (2005), S. 23; DASER (2009), S. 141; STAHLMANN/ WENDT-KLEINBERG/ WEYRATHER (2004), S. 381, 384; KIRPAL/ MEFEBUE (2007), S. 5, 11, 13; SCHMITZ/ JEHLE/ GAYLER (2004), S. 69; TREVIÑO/ WEAVER (2003), S. 269; HILTROP (1995), S. 287; PFEIFER/ SOHR (2008), S. 382; MARR/ FLIASTER (2003), S. 55f.; KRAUS/ RAEDER (2008), S. 212; SATTELBERGER (2001), S. 116; BARUCH/ HIND (1999). Da Vertrauen nur eine „fallible ex ante Vermutung“ (OFFE 1996, S. 34.) und damit risikobehaftet ist, kann es von beiden Vertragspartnern gebrochen werden, ohne juristische Folgen befürchten zu müssen. KRÜGER (2005a, S. 36f.) stellt fest: „Wenn Unternehmen nicht zimperlich sind, kollektiv jene auszusortieren, die nicht zur Wettbewerbsfähigkeit […] beitragen, müssen sie sich an Mitarbeiter gewöhnen, die bei den ersten Anzeichen einer Krise ihre individuellen Chancen bei anderen Arbeitgebern suchen“. Ähnlich RÖTTIG (1993, S. 224). OSTERLOH/ WEIBEL (2006), S. 89.

72

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Mitarbeiter wieder verstärkt die explizite Komponente des Arbeitsvertrags ins Zentrum rückt. Ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Unternehmen können sich aber nur jene Mitarbeiter erlauben, die über einen höheren Marktwert verfügen 201. Zudem hängen die Reaktionen der Mitarbeiter auf einen wahrgenommenen Verstoß des psychologischen Vertrags von den zugrunde liegenden Kontextfaktoren ab202. Aus Unternehmenssicht stellt sich dennoch die Frage, wie der ursprünglich eingegangene psychologische Vertrag als Basis der innerbetrieblichen Kooperation tragfähig gehalten und an zukünftige Entwicklungen angepasst werden kann 203. Seit den 1990er Jahren, in denen in vielen Unternehmen ein tiefgreifender Wandel stattgefunden hat204, wird in diesem Kontext von der zunehmenden Bedeutung eines neuen psychologischen Vertrags gesprochen205. Dieser steht (idealtypisch) für die aktuelle und zukünftige „Phase 2“ der Arbeitgeber-/Arbeitnehmer-Beziehung. Einige zentrale Unterschiede zwischen klassischem und neuem Vertragsverständnis sind in Abb. 7 (jeweils in ihrer theoretischen Extremform) gegenübergestellt:

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Vgl. EGER/ NUTZINGER/ WEISE (1993), S. 93. Die Abwanderungskosten der Mitarbeiter hängen z. B. vom Alter und der Qualifikation des Beschäftigten sowie der Strukturstärke der Region ab. Sie umfassen aber auch „den Verlust an Beziehungen mit befreundeten Arbeitskollegen; Verlust an Aufstiegsmöglichkeiten […]; Entwertung des Humankapitals hinsichtlich betriebsspezifischer Qualifikationen; […] Kosten durch Umzug und […] Verlust nachbarschaftlicher Beziehungen; […] Suchkosten, eine neue Beschäftigung zu finden; Kosten, […] neue soziale Beziehungen aufzubauen“ (ebd.). So kann der „Verweis auf äußere Faktoren [wie veränderte Markt- und Wettbewerbsbedingungen] sowie das Gefühl, in Entscheidungsprozesse mit einbezogen und fair behandelt worden zu sein, […] das individuelle Interesse, dem Bruch mit Sanktionen zu begegnen, mindern“ (KIRPAL/ MEFEBUE 2007, S. 12). Auf beide Aspekte ist noch zurückzukommen (vgl. u. a. Unterabschnitt 6.3.4.2). Anzunehmen ist auch, dass eine erhöhte Arbeitsplatzunsicherheit, gesteigerte Flexibilitäts- und Mobilitätsanforderungen usw. von jüngeren Arbeitnehmern tendenziell seltener als „Vertragsbruch, sondern als Gegebenheit aktueller Arbeitsmarktentwicklungen oder -anforderungen interpretiert“ (ebd., S. 23) werden, da sie den neuen impliziten Vertrag bereits eher adaptiert haben. Vgl. auch MARR/ FLIASTER (2003), S. 71. Vgl. KRAUS/ RAEDER (2008), S. 212; RAEDER/ GROTE (2004), S. 147ff.; ANDERSON/ SCHALK (1998), S. 643; MARR/ FLIASTER (2003), S. 55; BÖTTCHER (2011), S. 37; KIRPAL/ MEFEBUE (2007), S. 26. Die Kernfrage aus Unternehmenssicht lautet: “How can we get and maintain the loyalty and commitment of our employees, when job security, promotion opportunities, and career entitlements are declining?” (HILTROP 1995, S. 288). Vgl. VOß/ PONGRATZ (1998), S. 133ff.; KIRPAL/ MEFEBUE (2007), S. 11; SATTELBERGER (2011), S. 9ff. Vgl. KLIMECKI/ LITZ (2002), S. 24. „Wie ein sogenannt neuer im Gegensatz zum traditionellen Kontrakt [jedoch] aussehen kann, wird […] sehr unterschiedlich definiert“ (RAEDER/ GROTE 2000, S. 7).

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag „Phase 1“: Alter/ klassischer psychologischer Vertrag: Arbeitsplatzsicherheit ↔ Loyalität



73

„Phase 2“: Neuer/ transaktionaler psychologischer Vertrag: Wettbewerbsfähigkeit ↔ Entwicklungschancen

Leitbild Beziehung zwischen Unt. und MA Unternehmerische, auf Selbstvertrauen und beiStabile und voraussagbare, durch Sicherheit, derseitigem Nutzen basierende sachrationale BeTradition, Fürsorge, soziale Rücksichtnahme ↔ ziehung; Flexibilität gegen Employability; keine und Verantwortung geprägte Beziehung dauerhafte Loyalität auf beiden Seiten Sicherheit und Bindung Arbeitsplatzsicherheit: Leistungsbereiten und Langfristige Beschäftigung auf derselben Stelle loyalen MA wird „lebenslange“ Beschäftigung unwahrscheinlich; positive Einstellung zu Mobi↔ (stabiles Einkommen, jährliche Gehaltserhölität; Notwendigkeit beruflicher Neuorientierung hung) garantiert nicht auszuschließen Kompetenz-/ Laufbahnentwicklung Primär unternehmensbezogene Spezialisierung Unt. bieten Beschäftigungsoptionen auf internem und interne Aufstiegsmöglichkeiten; berufliche Arbeitsmarkt; Eigenverantwortung für BeschäfEntwicklung orientiert sich an Anforderungen tigung, Employability und berufliche Laufbahn↔ des Arbeitgebers; Identität/ Wert des MA vom planung; berufliche Entwicklung orientiert sich Unt. definiert; Kontrolle der Karriere durch Aran persönlichen Fähigkeiten; Identität/ Wert des beitgeber MA vom MA selbst definiert Beziehung externer Arbeitsmarkt zunehmende Bedeutung des externen ArbeitsEher geschlossen; Pflege eines internen Arbeitsmarktes; keine Bevorzugung interner Bewerber; ↔ marktes mit klarer vertikaler Aufstiegslogik regelmäßiger Fluss von MA in und aus Unt. wird gefördert Flexibilität/ Unsicherheit Akzeptanz von Unsicherheit; Projektcharakter In eher geringem Ausmaß erwartet in den Dider Arbeit: Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ↔ mensionen Zeit, Ort und Funktion erwartet in den Dimensionen Zeit, Ort, Funktion, Beschäftigungsdauer und -form Verantwortung/ Leistungserwartung MA Maximale Leistung gem. Zielvereinbarung; höMaximale Leistung auf gegenwärtiger Position here Leistungsanforderungen; stärkere Ökono↔ entsprechend Arbeitszeitvereinbarung misierung der Beziehung; leistungsorientierte Vergütungsphilosophie Abb. 7:

206

Traditioneller vs. neuer psychologischer Arbeitsvertrag 206

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an RAEDER/ GROTE (2000), S. 8; KRAUS/ RAEDER (2008), S. 216; KLIMECKI/ LITZ (2002), S. 23; RAEDER/ GROTE (2004), S. 149f.; ANDERSON/ SCHALK (1998), S. 642; HILTROP (1995), S. 289f.; KRUYTMANS/ OTT (1999), S. 262; HERRIOT/ PEMBERTON (1997), S. 50ff.; NERDINGER (1997), S. 55; CARROLL/ BUCHHOLTZ (2008), S. 662.

74

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Wie die Gegenüberstellung in Abb. 7 verdeutlicht, treffen Arbeitgeber und -nehmer, je nachdem, wie eng der neue psychologische Vertrag definiert wird, nur noch als temporäre Transaktionspartner in einer instrumentellen, „durch marktinduzierte Notwendigkeiten gekennzeichnet[en]“207 und hochgradig inhaltlich spezifizierten Austauschbeziehung aufeinander, die von Beginn an als zeitlich befristet gesehen wird208. Genaue Handlungsanweisungen und Kontrollen der Arbeitsprozesse werden durch eigenverantwortliches Handeln und Ergebnisorientierung ersetzt209. Zugleich bezieht sich die Mitarbeiteridentifikation immer weniger auf das jeweilige Unternehmen, sondern stärker auf die Arbeitsaufgaben, die individuelle Leistung oder die eigene berufliche Entwicklungsperspektive 210. Ein weiteres Merkmal des neuen psychologischen Vertrags liegt im „Übergang von Verantwortung für die Beschäftigungssicherung von den Unternehmen zu den Beschäftigten“211. Die Arbeitnehmer haben ihr Beschäftigungsrisiko zunehmend selbst zu tragen, da ihnen der Arbeitgeber nicht mehr die Sicherheit der aktuellen Stelle garantiert, sondern - quasi als neue Basis der Beschäftigungsbeziehung - nur noch 207 208

209 210 211

KLIMECKI/ LITZ (2002), S. 24. Vgl. KLIMECKI/ LITZ (2002), S. 24. Ähnlich HILTROP (1995, S. 289): “A new psychological contract is emerging - one which is more situational and short-term“. Dazu passt die von ROUSSEAU vorgebrachte Unterscheidung zwischen transaktionalen (neueren) und relationalen (älteren) Verträgen, die als Extrempole auf einer Skala impliziter Verträge interpretierbar sind (vgl. ROUSSEAU 1995, S. 91ff.). Transaktionale Verträge haben einen stark ökonomischen Charakter, sind eher von kurzer Dauer und beziehen sich auf einen festgelegten spezifischen Tätigkeitsspielraum. Im Vordergrund steht die Arbeitskraft des Menschen. Andere Indikatoren, vor allem Identifikation und Commitment, sind von untergeordneter Bedeutung. ROUSSEAU nennt folgende Eigenschaften transaktionaler Verträge: “Specific economic conditions (e. g., wage rate) as primary incentive; […] [l]imited personal involvement in the job […]; […] [c]losed-ended time frame […]; […] [c]ommitments limited to well-specified conditions (e. g., union contract); […] [l]ittle flexibility […]; […] [u]se of existing skills […]; […] [u]nambiguous terms readily understood by outsiders” (ebd., S. 91, ähnlich S. 98). Relationale Verträge sind dagegen stabil, langfristig und inhaltlich eher unspezifisch (breit) angelegt. Sie zeichnen sich durch ein hohes Commitment aus und lassen sich z. B. in Familienunternehmen finden (oder wenn aus Wettbewerbsfähigkeitsgründen unternehmensspezifisches Know-how aufgebaut werden soll). ROUSSEAU nennt folgende Eigenschaften relationaler Verträge: “Emotional involvement as well as economic exchange […]; […] [w]hole person relations (e. g., growth, development); […] [o]pen-ended time frames […]; […] [b]oth written and unwritten terms […]; […] [d]ynamic and subject to change during the life of the contract; […] [p]ervasive conditions (e. g., affects personal and family life); […] [s]ubjective and implicitly understood” (ebd., S. 92, ähnlich S. 98). Relationale Verträge kennzeichnen den Zustand, wie er in der Vergangenheit für zahlreiche Unternehmen in Deutschland galt (vgl. MARR/ FLIASTER 2003, S. 84). Vgl. KRAUS/ RAEDER (2008), S. 218. Vgl. KIRPAL/ MEFEBUE (2007), S. 6. KRAUS/ RAEDER (2008), S. 214. Ähnlich RAEDER/ GROTE (2001), S. 352; GROTE (2009), S. 141; KLIMECKI/ LITZ (2002), S. 24.

Juristischer und psychologischer Arbeitsvertrag

75

ein Versprechen in Bezug auf ihre individuelle Arbeitsmarkt- bzw. Beschäftigungsfähigkeit abgibt212. Der zum Modewort avancierte „Employability“-Begriff steht für „die Fähigkeit, fachliche, soziale und methodische Kompetenzen unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um eine Beschäftigung zu erlangen oder zu erhalten“213. Die dem neuen psychologischen Vertrag zugrunde liegende Idee ist folglich, dass die Mitarbeiter durch ein höheres Kompetenz- und Flexibilitätsniveau dazu befähigt werden sollen, langfristig bei Bedarf eine andere Stelle im oder außerhalb des Unternehmens zu bekommen. Zugleich streben die Mitarbeiter danach (insofern ein streng opportunistisches Menschenbild unterstellt wird), während ihrer Zeit im Unternehmen möglichst viel allgemein verwertbare Lernerfahrung abzugreifen, um so den persönlichen Nutzen und die eigene Arbeitsmarktfähigkeit zu maximieren214. Bereits hier ist darauf hinzuweisen, dass in der Realität eine Mischung beider Vertragstypen - aus altem und neuem psychologischen Vertrag - vorliegt und ein reines Schwarz-Weiß-Denken zu kurz greift215. Empirische Untersuchungen und Beobachtungen bestätigen zwar, dass in der Praxis ein Wandel hin zum neuen psychologischen Vertrag stattgefunden hat (und wohl auch künftig stattfindet), jedoch lassen sich keine allgemeingültigen Regeln zu diesem Wandel aufstellen 216. Was gesagt werden kann, ist, „dass unterschiedliche Unternehmen im gleichen Zeitraum verschiedene Typen psychologischer Verträge pflegen“ 217 und die flexibili-

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So stellt VON PIERER (1999, S. 70), der ehemalige CEO der Siemens AG, fest: „Was wir bei Siemens unseren Mitarbeitern statt dessen [statt Arbeitsplatzgarantie] anbieten, ist „BeschäftigungsErtüchtigung“ - employability […]: Herausfordernde Aufgaben und die ständige Weiterqualifikation im Beruf“. RUMP/ EILERS (2017), S. 88. Vgl. auch WEINERT (2001), S. 23; KREIS (2007), S. 32. Wegen der verhältnismäßig guten Arbeitsmarktlage in Deutschland stellt der Bereich der Employability ein derzeit weniger beachtetes Thema dar. Dies kann sich aber (z. B. je nach wirtschaftlicher und politischer Entwicklung in Deutschland und Europa) im zeitlichen Verlauf ändern. Vgl. KLIMECKI/ LITZ (2002), S. 24. Vgl. ROUSSEAU (1995), S. 93; KRAUS/ RAEDER (2008), S. 217. „Die Abkehr von Garantie von Arbeitsplatzsicherheit und lebenslanger bzw. langfristiger Beschäftigung gilt […] nicht in gleichem Masse für alle […] Unternehmen“ (RAEDER/ GROTE 2000, S. 14) und Arbeitnehmertypen. Vgl. für weitere Informationen zu den 12 untersuchten, vorwiegend schweizerischen Unternehmen sowie zum Untersuchungsvorgehen RAEDER/ GROTE (2000), S. 11ff.; RAEDER/ GROTE (2001), S. 355f. KRAUS/ RAEDER (2008), S. 216; ähnlich VAN DER SMISSEN/ SCHALK/ FREESE (2013), S. 323. Vgl. auch die Untersuchungen von HALL/ MOSS (1998), S. 26ff.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

sierenden, auf Eigenverantwortung gründenden Elemente des neuen psychologischen Vertrags tendenziell das traditionelle Vertragsverständnis überlagern218, aber „ohne dass bisherige Inhalte vollständig ersetzt würden“ 219. Mit dem neuen psychologischen Vertrag ist eine speziell für geringqualifizierte und ältere Arbeitnehmer ernst zu nehmende Entwicklung angezeigt, gleichwohl werden die Leitlinien des traditionellen psychologischen Vertrags fortbestehen (müssen). Wie in den folgenden Ausführungen (etwa in Abschnitt 6.2.3 und Unterkapitel 8.2) dargelegt wird, erweist sich vor allem die Steigerung der Arbeitsmarktfähigkeit der Mitarbeiter als problematischer, als es zunächst den Anschein hat. Hierfür sind anreizbezogene Gründe aufseiten der Mitarbeiter und (insbesondere) der Unternehmen verantwortlich, auf die noch im Detail eingegangen wird. Das dritte Unterkapitel knüpft direkt an die bisherigen vertragstheoretischen Betrachtungen an und erweitert diese um die ethische Dimension. Der Umstand, dass sich in (Arbeits-)Verträgen Leistung und Gegenleistung nicht exakt festlegen lassen, (Arbeits-)Verträge also systematisch unvollständig sind (und mit diversen impliziten (Mitarbeiter-)Erwartungen einhergehen), bildet, wie im Folgenden in differenzierter Weise gezeigt wird, den eigentlichen Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für tiefergehende management- und unternehmensethische Überlegungen.

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219

In einer empirischen Untersuchung unter 541 Führungskräften zeigen TURNLEY und FELDMAN (1998), dass es in Unternehmen, die sich in Umbruchsituationen (z. B. Personalabbau, Neuorganisation, M&A) befinden, zur Abkehr von traditionellen Vertragsinhalten kommt: “Managers in restructuring firms were significantly more likely to perceive psychological contract violations in the areas of job security, input into decision making, opportunities for advancement, and amount of responsibility. Managers in restructuring firms were also significantly more likely to be looking for new jobs and were significantly less likely to be loyal to their employers” (ebd., S. 71). CAVANAUGH und NOE (1999) zeigen, dass Erfahrungen mit Umbruchsituationen bei den Mitarbeitern ein Umdenken in Richtung des neuen psychologischen Vertrags bewirken, sodass auf Dauer mehr Verantwortung für die eigene Berufsentwicklung übernommen und weniger Jobsicherheit eingefordert wird: “The greater the extent to which employees had experienced involuntary job loss, downsizing, or restructuring, the more congruent their beliefs were with the new psychological contract. These results support the view that work experiences play a major role in shaping the degree to which employees' beliefs are congruent with the relational components of the new psychological contract, particularly for commitment to type of work” (ebd., S. 337). Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen HALL und MOSS (1998, S. 27ff., vgl. vor allem Gruppe 2: “Sees the Forest“ und 3: “Comfortable in Woods“). KRAUS/ RAEDER (2008), S. 209, ähnlich ebd., S. 214f., 217; RAEDER/ GROTE (2004), S. 150; RAEDER/ GROTE (2001), S. 362. „[N]eue psychologische Verträge [sind] weder grundsätzlich noch vollständig umgesetzt, sondern ein Kontinuum von konservativen hin zu drastischen Formen zeichnet sich ab“ (RAEDER/ GROTE 2000, S. 37).

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 3.3

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Anknüpfungspunkte zwischen unvollständigen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen

Wie in Unterkapitel 3.2 erläutert, sind Arbeitsverträge wegen des Vorliegens von Informationsasymmetrien nur unvollständig spezifizierbar. Dieses unvollständige Element von Arbeitsverträgen, das wiederum direkt mit der metaphysischen Komplexität der Wirklichkeit zusammenhängt, hat, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll, eine starke moralische Dimension, was daran liegt, dass aus der Unvollständigkeit vielfältige (Fairness-)Erwartungen, Ansprüche und Forderungen erwachsen, die in unterschiedlichem Maße und auf unterschiedliche Weise ethisch ausgefüllt werden können. Hieraus resultiert zugleich die Bedeutung und Notwendigkeit (management-)ethischer Reflexionen. Damit verbunden gilt es zu hinterfragen, welche Auswirkungen für Unternehmen (sowie, aus einer erweiterten Perspektive heraus, für die gesellschaftliche Akzeptanz des Marktsystems generell) aus der Nichtbeachtung oder -einhaltung impliziter Arbeitsverträge resultieren können. Derartige Aspekte werden in den Abschnitten 3.3.1 und 3.3.3 behandelt. Dabei ist zu beachten, und das wird im Folgenden an mehreren Stellen deutlich werden, dass das operative Management nicht schwarz-weiß, sondern eine polydimensionale, in ein komplexes Geflecht unterschiedlicher Interessen eingebundene Angelegenheit ist, was dazu führt, dass die ethische Beurteilung von Unternehmens- und Managemententscheidungen im Wettbewerb vielfach Probleme bereitet. Oftmals besteht nicht nur die Option zwischen „ethisch verwerflich“ und „ethisch sauber“, sondern es bleibt unklar, was als moralisch (fair, sozial wünschenswert usw.) zu beurteilen ist und was nicht. Nichtsdestotrotz sind Entscheidungsträger im Geschäftsalltag gezwungen, arbeitsplatzbezogene Entscheidungen (teilweise auch ins Blaue hinein) zu treffen, bei denen mal mehr und mal weniger moralische, ökonomische oder andere Aspekte eine Rolle spielen und bei denen letztlich ungewiss bleibt, was die Zukunft bringen wird. Zwei Begriffe, die in diesem Kontext ihre Bedeutung entfalten und gerade im Hinblick auf eine Managementethik wichtig erscheinen, sind „Ambivalenz“ und „Kontingenz“. Sie hängen jeweils eng mit der Polydimensionalität der Wirklichkeit zusammen und werden in den Abschnitten 3.3.2 und 3.3.4 (u. a. anhand eines Fallbeispiels) näher erläutert. Der Umstand, dass die Wirklichkeit metaphysisch komplex ist, ist zugleich ursächlich dafür, dass Menschen verschiedenartige Interessen (z. B. ethische Interessen, religiöse Interessen, ökonomische Interessen usw.) bzw. Interessen in den verschiedenen Dimensionen der Welt haben (umgekehrt könnte ebenso gesagt werden: Interessen sind der subjektive Ausdruck der Polydimensionalität bzw.

78

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

metaphysischen Komplexität, die in der Realität angelegt ist). Vor diesem Hintergrund wird in Abschnitt 3.3.5 die Theorie moralischer Interessen und Anreize beleuchtet. Im Zuge dessen wird deutlich werden, dass es auch im Falle des Arbeitsplatzmanagements irrational wäre, moralische Anreize zu ignorieren, mit denen sich nicht nur moralische Interessen, die bei verschiedenen Adressaten im Unternehmen (wie dem Management) womöglich vorhanden sind, aktivieren, sondern - damit verbunden - in einigen Fällen auch betriebswirtschaftlich lohnende Effekte erzielen lassen.

3.3.1

„Relevante arbeitsplatzbezogene Inkonsistenzen“ und deren Auswirkungen auf die Akzeptanz des Wirtschaftssystems

Um eine nachhaltige Wertschöpfung zu betreiben, sind Unternehmen auf eine Vielzahl von Kooperationspartnern angewiesen. Die Herausforderung besteht darin, richtige Partner zu gewinnen und zu binden. Der zentrale interne Partner sind die Mitarbeiter, die, wie andere Partner (etwa die Kunden, Investoren oder Anwohner im Unternehmensumfeld) auch, immer wieder neu gewonnen werden müssen. Ein wichtiger Schritt, um potenzielle Mitarbeiter zur Kooperation mit dem Unternehmen zu bewegen oder bereits Beschäftigte zu halten, besteht darin, ihnen etwas hinreichend Attraktives zu versprechen (vgl. 1. in Abb. 8) 220. Im Alltag werden daher - explizit und implizit bzw. bewusst und unbewusst - in vielen Zusammenhängen kleine und größere sowie allgemeinere und konkretere Versprechen gegeben221, die, wie gezeigt, Teil des impliziten Arbeitsvertrags zwischen Arbeitgeber und -nehmer sind. Wie noch deutlich wird, sind Versprechen sowohl unter ethischen als auch ökonomischen Aspekten relevant. Wichtig ist aber zunächst die Feststellung, dass Versprechen aus Sicht der direkten Partner wertlos 220

221

Vgl. auch im Folgenden SUCHANEK (2012a), S. 248ff.; SUCHANEK (2012b), S. 3, 6; SUCHANEK (2010b), S. 2; SUCHANEK (2010c), S. 40; SUCHANEK (2012c), S. 57, 64; SUCHANEK (2011), S. 282; SEIFERT/ PAWLOWSKY (1998), S. 602. Wie attraktiv die Gegenleistung auszufallen hat, ist auch „eine Frage der relevanten Alternativen, insbesondere der Wettbewerbskonstellation” (SUCHANEK 2012c, S. 56). Hochqualifizierten Experten in gehobener Stellung muss, um sie ans Unternehmen zu binden und leistungswillig zu halten, eine attraktivere Gegenleistung geboten werden als Mitarbeitern, die einfache Tätigkeiten auf unteren Ebenen erbringen. Allgemeine Versprechen kommen z. B. in bestimmten Werten zum Ausdruck, die das Unternehmen nach außen kommuniziert (z. B.: „Wir stehen für Integrität, gute Mitarbeiterbeziehungen“ usw.). Typischerweise enthalten auch bereits Stellenanzeigen eine Vielzahl von Versprechen (z. B. die Aussicht auf einen sicheren Arbeitsplatz, eine angenehme Arbeitsumgebung, interessante Aufgaben usw.).

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen

79

sind (und sie zu keiner langfristigen Kooperation bewegen können), wenn sie dem Versprechensgeber nicht trauen können. Ein zentraler Kern von nachhaltiger Wertschöpfung und Unternehmensverantwortung liegt deshalb (neben der Einhaltung geltender Gesetze, Normen, Verträge) darin, Versprechen sinngemäß einzuhalten, also integer und berechenbar zu sein. Es geht um die „Bereitschaft und Fähigkeit des Vertrauensnehmers, die Interessen des Vertrauensgebers in angemessener Weise bei seinen Handlungen zu berücksichtigen“222. Vertrauenswürdigkeit (Nicht-Opportunismus) und Commitment im Verhalten und in der Kommunikation des Managements sind die Grundlagen eines jeden nachhaltigen Geschäfts, wobei Vertrauen im Wirtschaftsalltag auch durch Verträge bzw. das Rechtssystem hergestellt wird. Über dieses institutionelle Vertrauen hinaus bedarf es aber auch personelles Vertrauen. Unternehmen, die erfolgreich im Markt bestehen wollen, sind darauf angewiesen, dass ihnen all jene Menschen, die sie als Mitarbeiter und sonstige Kooperationspartner gewinnen wollen, vertrauen 223. Von daher sind „entsprechende Vertrauenserwartungen aufzubauen“224. Zugleich wird an dieser Stelle deutlich, dass Vertrauen nicht nur ein Thema der Ethik, sondern auch eine genuin ökonomische Ressource ist, welche mit der betrieblichen Wirklichkeit verknüpft ist225. Unternehmen müssen sich in einer Art Vertrauens- und Erwartungsmanagement im eigenen Interesse überlegen, wie sie mit Versprechen bzw. psychologischen Verträgen und den daraus resultierenden legitimen Erwartungen und Interessen umgehen 226. Damit dürfte erkennbar werden, dass Versprechen keine triviale Angelegenheit sind, zumal enttäuschten eine größere Bedeutung zugemessen wird als erfüllten Vertrauenserwartungen.

222 223 224

225

226

SUCHANEK (2012c), S. 58. Vgl. VON BROOCK/ SUCHANEK (2009), S. 3f.; SUCHANEK (2012b), S. 5; LAUFER (2007), S. 41f. SUCHANEK (2012a), S. 249. Vertrauenserwartungen können wiederum nur in einer angstfreien Umgebung gedeihen, in der sich die Mitarbeiter gut informiert fühlen (vgl. LAUFER 2007, S. 28). „Vertrauen ist […] eine unverzichtbare Voraussetzung für jede Kooperation - und insofern ein Vermögenswert“ (SUCHANEK 2010c, S. 40). Vgl. SUCHANEK (2012a), S. 250f.; SUCHANEK (2007), S. 135f.; SUCHANEK (2010b), S. 4; SUCHANEK (2010c), S. 42. Unternehmen muss bewusst sein, dass sich eine Nichteinhaltung von Versprechen (bzw. des psychologischen Vertrags) nicht nur negativ für die Vertrauensgeber auswirken kann (z. B. für die Mitarbeiter, die womöglich doch ihre Stelle verlieren), sondern auch für sie selbst. Insofern bedürfen Versprechen genauer Überlegungen darüber, was unter den gegebenen Umständen möglich ist und was nicht. Typische Fragen hierbei sind: Welchen Stakeholdern sollen in welcher Form welche Versprechen gemacht werden? Können diese Versprechen unter normalen Umständen eingehalten werden? Wurden infolge der eigenen Werte-Kommunikation überzogene Erwartungen geweckt? Sind gegebene Versprechen kompatibel miteinander (sichere

80

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit Stakeholder-Ansatz (vgl. 5.2) ↓

1.

→→→ Versprechen →→→ →→ Vertrauenssignale →→ Kooperationspartner Mitarbeiter ←←← Kooperation ←←← ↓ Kurzformel alltagstaugliche Managementethik: arbeitsplatzbezogene Versprechen sind zu halten ↓ Problem Anwendungsebene: Widerstände, Restriktionen, Konflikte ↓ legitime Frage: Kosten der Vertragserfüllung? ↓ Kosten zu hoch? Versprechensbruch: Erwartungen (MA) ≠ tatsächliches Verhalten (Unt.) ↓ Konsequenz: Inkonsistenz (z. B. Arbeitsplatzabbau/ Standortschließung/ -verlagerung) ↓ Einflussfaktoren: z. B. Medien ↓ Inkonsistenz nicht relevant? → Erhalt Ver8. Inkonsistenz relevant? → Schädigung trauensbeziehung zum Unternehmen Vertrauensbeziehung zum Unternehmen ↓ Konsequenz (übergeordnet): Generelle Akzeptanz in Marktsystem ↓ Ziel: Vermeidung relevanter Inkonsistenzen Unternehmen

2. 3. 4.

5. 6. 7. 9.

Abb. 8:

Arbeitsplatzbezogenes Vertrauensmanagement (Übersicht)227

Wie obige Ausführungen zeigen, lautet die Formel für Unternehmensverantwortung bzw. eine praxistaugliche (Management-)Ethik (vgl. 2. in Abb. 8): „Versprechen sind zu halten“228. Problematisch an diesem Wert ist, dass Unternehmen realiter nie alle Versprechen und Regeln hundertprozentig einhalten können (vgl. 3.

227 228

Arbeitsplätze für die Mitarbeiter, eine hohe Dividende für die Aktionäre usw.)? Welche Rahmenbedingungen können geschaffen werden, um eine Nichterfüllung von Versprechen zu vermeiden (z. B. Aufbau einer optimierten Personalplanung, um Personalüberhänge erst gar nicht entstehen zu lassen)? Wie können überzogene Erwartungen seitens der Stakeholder (z. B. die Annahme eines „Lebensarbeitsplatzes“ aufseiten der Mitarbeiter) gedämpft werden? Quelle: Eigene Darstellung. SUCHANEK (2012a), S. 252. „Verantwortliche Unternehmensführung bedeutet […] Organisation von Vertrauenswürdigkeit“ (SUCHANEK 2011, S. 282).

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen

81

in Abb. 8), auch wenn genau das aus Sicht der Kooperationspartner wünschenswert wäre229. Dabei liegt nahe, dass es einer realistischen, praxistauglichen Ethik, die nicht auf der Begründungsebene stehen bleiben will 230, widersprechen würde, eine strikte Versprechenseinhaltung einzufordern 231. Derartige Forderungen wären, wie noch an mehreren Stellen im achten Kapitel verdeutlicht wird, als Fehloder Trugschluss anzusehen (genauer: als Trugschluss der ausgeblendeten Abstraktheit bzw. „Fallacy of Disregarded Abstractness“) 232. Auf der Anwendungsebene können vielfältige Widerstände, Restriktionen und (Interessens-)Konflikte auftreten, die Unternehmen daran hindern, das, was sie für wichtig erachten, tatsächlich umzusetzen und mit Leben zu füllen233. Zu denken ist hier an Zeitrestriktionen (das Management bräuchte eigentlich mehr Zeit, um sich z. B. intensiver mit dem Stellenabbau zu befassen und zu besseren Lösungen für die Betroffenen zu gelangen), Geldrestriktionen (das Management würde mehr Stellen retten, notwendige finanzielle Ressourcen dazu fehlen aber) oder an aus dem Wettbewerb resultierende Zwänge (das Management würde auf Korruption verzichten/ von Entlassungen absehen, jedoch sind ihm die Hände gebunden, da die Wettbewerber auch bestechen/ Stellen abbauen/ Kinderarbeit in der Wertschöpfungskette haben o. Ä.). Solche erschwerenden Umstände bzw. Kosten der Versprechenserfüllung sind nicht nur den Entscheidern im Unternehmen, sondern zum Teil auch den Stakeholdern bekannt, die mit dem Unternehmen kooperieren234. Eine für die managementethische Praxis legitime Frage liegt deshalb darin, wie hoch die Kosten

229

230 231

232 233

234

So müssen Stellen abgebaut werden, obwohl kurz zuvor ein Entlassungsverzicht kommuniziert wurde; oder: bereits zugesagte Gehaltserhöhungen oder Weiterbildungen werden doch nicht genehmigt. Vgl. zur Begründungsebene Abschnitt 4.1.1, zur Anwendungsebene Abschnitt 4.1.2. Moralische Appelle dieser Art würden nur bewirken, dass sich Manager immer weiter von ethischen Fragen abwenden würden. „Management ohne ein «Handling von Erwartungen», ohne den offenen Raum von Ankündigungen, deren Erfüllung nicht garantiert werden kann, [ist] schlichtweg nicht denkbar“ (HEMEL 2008, S. 32; vgl. auch SUCHANEK 2012a, S. 253; VON BROOCK/ SUCHANEK 2009, S. 5; SUCHANEK 2011, S. 285f.). Vgl. dazu etwa Unterabschnitt 8.3.2.3. Dieser Aspekt wird in Abschnitt 8.1.2 im Kontext des dort entwickelten metaphysischen Analysegerüsts erneut aufgegriffen und als „Könnens-Defizit“ weitergehend diskutiert. Vertrauenswürdigkeit ist eine relationale und subjektive Eigenschaft (vgl. SUCHANEK 2012c, S. 57). Es können erhebliche Unterschiede darin bestehen, wann und weshalb Vertrauensgeber ihr Vertrauen verletzt sehen. So werten Arbeitnehmer, die über einen höheren Grad an ökonomischer Aufklärung verfügen, den Verlust ihrer Stelle unter Umständen weniger vorschnell als Vertrauensbruch, als dies ökonomische Laien tun (vgl. dazu die Ausführungen weiter unten). Zudem sind die Vertrauensgeber unterschiedlich gut über die Lage und den Handlungsspielraum des Unternehmens informiert, weshalb nie ausgeschlossen werden kann, dass überzogene Erwartungen an

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

der Versprechenserfüllung sind (vgl. 4. in Abb. 8). So kann es sein, dass es durch bestimmte Entwicklungen zu kostenintensiv (kompliziert, riskant) geworden ist, das ursprüngliche Versprechen einzuhalten, auch wenn naheliegt, dass die Vertrauensgeber durch eine solche Nichterfüllung in ihrer Vertrauenserwartung enttäuscht werden (vgl. 5. in Abb. 8). Jedoch werden sie diese Diskrepanz und Enttäuschung umso eher akzeptieren, wenn ihnen die Gründe der Nichteinlösung des Versprechens nachvollziehbar, glaubhaft und frühzeitig kommuniziert werden 235. Damit wird zwar in der Regel nicht erreicht, dass die Vertrauensgeber ihre eigentliche Situation besser finden (sie werden womöglich trotzdem entlassen), sie werden aber ein Stück weit versöhnt und ihr Vertrauen geht nicht ganz verloren. In diesem Fall sind aber die Unternehmen bzw. deren Vertreter in der Bringpflicht: Sie müssen klarstellen, was sie daran hindert (oder gehindert hat), ihre Versprechen umzusetzen, also so zu handeln, wie es die Ethik eigentlich nahelegt 236. Zudem sollten sie von vornherein zusehen, die Zahl („vertrauens-)„relevanter Inkonsistenzen“237 (bzw. Diskrepanzen, Widersprüche, Enttäuschungen, Konflikte) durch individuelle Selbstbindung möglichst gering zu halten. Nun stellt sich die Frage, wann von einer „relevanten Inkonsistenz“ gesprochen werden kann. Mit „Inkonsistenz“ ist zunächst der beschriebene Zustand eines Auseinanderfallens von Erwartung und Wirklichkeit gemeint, in dem die aus den Versprechungen des Unternehmens resultierenden Erwartungen bei den Stakeholdern untererfüllt werden (z. B. die Erwartung auf einen sicheren Arbeitsplatz, eine pünktliche Bezahlung). Entscheidend ist nun, dass nicht jeder Fall, in dem ein Versprechen gebrochen und Vertrauen nicht erfüllt wird, relevant ist (vgl. 7. in Abb. 8)238: Wenn ein Arbeitnehmer erlebt, dass sein Arbeitgeber durch externe Einflüsse in eine Krise gerät und er in der Folge seine Stelle verliert (oder: eine angekündigte Gehaltserhöhung, Weiterbildung o. Ä. doch nicht gewährt wird),

235

236 237 238

Unternehmen gerichtet werden. „Insofern gibt es zahlreiche Umstände, unter denen es zu Inkonsistenzen zwischen den Erwartungen des Vertrauensgebers einerseits und den (wahrgenommenen) Handlungen des Unternehmens andererseits kommen kann“ (SUCHANEK 2012a, S. 253). Vgl. HÖLAND/ ZEIBIG (2007), S. 248; BROCKNER ET AL. (1994), S. 406. Damit kommt zugleich zum Ausdruck, dass Vertrauen immer gewisse Handlungsfreiräume zum Fehlermachen oder Versagen schafft. Das bedeutet nicht, dass ein Unternehmen sein Versagen fest einplant, es kann im Versagensfalle aber bis zu einem gewissen Grad auf den Rückhalt und das Verständnis der Mitarbeiter zählen. „Sie erkennen dann, dass der Vorgesetzte seinen Grundsätzen treu geblieben ist und sie nicht bewusst getäuscht hat“ (LAUFER 2007, S. 45). Vgl. dazu Abschnitt 8.1.2. Vgl. SUCHANEK (2012a), S. 254; SUCHANEK (2012c), S. 61f.; SUCHANEK (2011), S. 285. Vgl. SUCHANEK (2012a), S. 253f.

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen

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dann wird er dieses Vorgehen in der Regel akzeptieren, wenn ihm die dafür ursächlichen Zusammenhänge nahegebracht werden239. Das gilt besonders, wenn vonseiten des Arbeitgebers von Anfang an keine übertriebenen Versprechen gemacht wurden240. Zwar liegt weiterhin eine Inkonsistenz zum ursprünglichen Versprechen vor, es handelt sich aber um keine relevante Inkonsistenz, da das Vertrauen zum Unternehmen erhalten bleibt241. Relevant wird eine Inkonsistenz dann, wenn die Vertrauensbeziehung zum Unternehmen irreversibel geschädigt wird (vgl. 8. in Abb. 8 sowie die späteren Ausführungen zum „Fallacy of Misplaced Concreteness“ in Kapitel 8)242. Es geht um „Situationen, in denen grundlegende normative Orientierungspunkte (Werte, Prinzipien, Grundsätze) im deutlichen Widerspruch stehen, genauer: so wahrgenommen werden, zu den tatsächlichen Entscheidungen bzw. Handlungen der Führung […]. Typischerweise handelt es sich hierbei um Konfliktfelder von Moral und Gewinn bzw. allgemeiner Moral und Eigeninteresse“243. Ein Bereich, der regelmäßig als relevante Inkonsistenz angesehen wird, sind Standortschließungen, -verlagerungen oder -zusammenlegungen von Unternehmen, umso mehr, wenn sie wegen einer - je nach angestrebter Zielmarke - zu niedrigen Rendite oder den zu hohen Arbeitskosten vor Ort ausgelöst werden 244. In den 239

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242 243

244

Hierzu bedarf es ausreichender Argumentationskompetenz, „denn es genügt […] nicht, Entscheidungen - z. B. über Personalabbau […] - allein mit rein betriebswirtschaftlichen Gründen zu belegen. Vielmehr muss […] auch die Konsistenz der Entscheidung mit den Unternehmenswerten sichtbar werden“ (SUCHANEK 2011, S. 287). Vgl. HEMEL (2008), S. 32. Im Gegenteil: In gewisser Weise versteht der Mitarbeiter eventuell sogar, dass alle am selben Strang ziehen und Verzicht üben müssen, wenn es die wirtschaftliche Situation des Unternehmens erfordert. Vgl. SUCHANEK (2012c), S. 61; SEIFERT/ PAWLOWSKY (1998), S. 604. SUCHANEK (2011), S. 285. Relevante Inkonsistenzen können nicht nur Kooperationen inner- und außerhalb des Unternehmens hemmen oder gar unterminieren, sondern auch einen Vertrauensbruch und Reputationsverlust bewirken (vgl. SUCHANEK 2012a, S. 254). Beispiele sind etwa: Harte Formen von Kinderarbeit und andere menschenunwürdige Arbeitsbedingungen bei ausländischen Zulieferern, Korruption, Bilanzfälschung, Verkauf von Kundendaten, Umweltverschmutzung, Verschweigen von Risiken (Alternativen, versteckten Kosten), Tierquälerei, harte Formen von Verbrauchertäuschung, Lohn-Dumping. Vgl. SUCHANEK (2015), S. 182, 285. Auf die Frage, ob es in Deutschland ein staatliches Entlassungsverbot für gut gehende Unternehmen geben sollte, sprachen sich 2012 33 % (Ostdeutschland: 44 %) der Befragten für und nur 47 % gegen ein solches Verbot aus, immerhin 20 % waren unentschieden (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2012, S. 44). Ebenso erstaunt, dass 2012 48 % (2005: 56 %, vgl. ebd., S. 48) der Befragten es als Mangel erachtet haben, dass unser Wirtschaftssystem keine Arbeitsplatzgarantie umfasst (zumal eine solche Garantie mit marktwirtschaftlichen Systemen ohnehin unvereinbar wäre). Vgl. dazu auch KRAUSE/ STRUCK (2008), S. 227f.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

kommenden Abschnitten folgen dazu noch Beispiele aus der Unternehmenspraxis245. Im Folgenden wird zunächst aufgezeigt, dass bestimmte arbeitsplatzbezogene Maßnahmen häufiger als Vertrauensbruch gewertet werden und in der Konsequenz (auf übergeordneter Ebene) zu einer nachlassenden gesellschaftlichen Akzeptanz des Wirtschaftssystems beitragen können. So wurde in einer im Jahre 2009 von ENSTE, HAFERKAMP und FETCHENHAUER durchgeführten Studie herausgefunden, dass die meisten ökonomischen Laien, und somit ein Großteil der Bevölkerung und Arbeitnehmer, Arbeitsplatzverlagerungen als negativ für Deutschland erachten246. Viele wollen den Verlust einer Stelle selbst dann nicht akzeptieren, wenn dafür andernorts fünf oder mehr neue Stellen entstehen 247. Es wird gemeinhin als moralisch verwerflich angesehen, Arbeitnehmer gegeneinander aufzurechnen, wobei für das Zustandekommen dieser Einschätzung auch die (Massen-)Medien mitverantwortlich sind (vgl. 6. in Abb. 8)248. In einer Demokratie sollen die Medien bzw. Journalisten eine Öffentlichkeit über arbeitsplatzbezogene Probleme herstellen und so weitergehende gesellschaftliche Debatten ankurbeln. 245

246

247

248

Am Beispiel des Unternehmens Nokia (vgl. Abschnitt 3.3.2) wird dabei auch auf die moralische Ambivalenz eingegangen, die arbeitsplatzbezogenen Entscheidungen (vor allem Stellenverlagerungen) inhärent sein kann. Vgl. ENSTE/ HAFERKAMP/ FETCHENHAUER (2009); FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010a), S. 57. Vgl. ENSTE/ HAFERKAMP/ FETCHENHAUER (2009), S. 73. Insofern es gelingt, eine neue Stelle hierzulande zu schaffen, finden dies 42 % der Befragten in Ordnung, 70 % (bzw. 66 %) akzeptieren es, wenn fünf (bzw. zehn) neue Stellen entstehen. Die Zustimmungsraten sinken, wenn die neuen Stellen im Ausland geschaffen werden (1 St.: 10 %, 5 St.: 17 %, 10 St.: 12 %). Ein Grund für diese Einschätzung könnte sein, dass die meisten Menschen eine Abneigung verspüren, anderen durch eine Handlung oder Entscheidung bewusst Schaden zuzufügen (sog. „do-no-harm“-Prinzip, vgl. ROYZMAN/ BARON 2002, S. 178; ENSTE/ HAFERKAMP/ FETCHENHAUER 2009, S. 64f.). Das „do-no-harm“-Prinzip besagt, “that it is wrong to harm some people in order to help others, even when the benefits outweigh the harm” (BARON 1995, S. 2). Nach JENNI/ LOEWENSTEIN (1997, S. 236) gilt dieses Prinzip besonders bei identifizierbaren Einzelpersonen oder Gruppen, die sich von der anonymen Masse abheben (z. B., weil sie ihre Stelle verlieren): “Identifiable victims seem to produce a greater empathic response, accompanied by greater willingness to make personal sacrifices to provide aid”. “Our findings suggest that the major cause of the identifiable victim effect is the relative size of the reference group compared to the number of people at risk” (ebd., S. 253). So „fällt es schwerer, der Schließung einer Fabrik im eigenen Wohnort trotz dafürsprechender wirtschaftlicher Aspekte zuzustimmen als der Schließung einer Fabrik in weiter Ferne“ (FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE 2010b, S. 13). Zudem sind die Gewinner und die positiven Folgen der Globalisierung allenfalls teilweise lokalisier- und erfassbar (vgl. NOLL 2012, S. 275). Vgl. auch HÜTHER/ ENSTE (2011), S. 229. Das gilt besonders, wenn „die Medien die Interpretationslinie der Gewerkschaften“ (SCHRÖDER 2013, S. 216ff.) unterstützen oder Informationen unterschlagen, manipulieren oder emotionalisiert aufbereiten. Diese Gefahr ist weniger bei journalistischen, in höherem Maße aber bei alternativen, politisch motivierten Medien gegeben.

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen

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Die Medien entscheiden damit in einer „mediatisierten Öffentlichkeit“, um HABERMAS‘ Ausdruck aufzugreifen249, mit darüber, wie ein Stellenabbau in den öffentlichen Gesprächskreislauf eingefädelt wird250. Durch die Art der Berichterstattung nehmen sie Einfluss darauf, inwieweit ein Stellenabbau als relevante Inkonsistenz aufgefasst wird. Bei besonderen Einzelereignissen kann es dabei zum sog. „Agenda-Setting-Effekt“251 kommen, der darin besteht, dass jene (politischen, gesellschaftlichen, sozialen) Themen, über die besonders häufig, detailliert und auffällig berichtet wird, die also auf der Medienagenda weit oben stehen, zugleich jene Themen sind, die auf der Prioritätenliste der Empfänger bzw. Rezipienten, der Publikums- oder Bevölkerungsagenda, weit oben stehen252. Der Selektionsprozess der Medien beeinflusst also den Selektionsprozess der Empfänger: Wenn die Medien, wie im Falle des Bochumer Nokia-Werkes geschehen, ausgiebig über Entlassungen trotz hoher Gewinne (oder: gleichzeitiger Zahlung von Rekordboni an das Management) berichten, dann sehen die Empfänger Entlassungen zumindest vorübergehend als ein (auch unter ethischen Aspekten) dringlicheres Problem 249

250 251

252

Die Öffentlichkeit kann in Anlehnung an HABERMAS in ihrer historischen Entwicklung in drei Phasen gesehen werden, nämlich einer repräsentativen, einer bürgerlich-kritischen und einer mediatisierten Öffentlichkeit (vgl. HABERMAS 1990, S. 58ff.). Letztere begann in den 1960er Jahren und spielt bis dato eine Rolle. Die mediatisierte Öffentlichkeit ist eine von den Massenmedien inszenierte Öffentlichkeit, in der die Themen, welche die Medien (auch aus kommerzieller Sicht) für wichtig erachten, in den öffentlichen Meinungsaustausch hineingespült werden und so die Lebenswelt kolonialisieren. Denkbar ist zudem, dass die Medien auf Themen aufspringen, die seitens gesellschaftlicher Akteure (wie NGOs, Parteien, Unternehmen, wissenschaftlicher Institute, Gewerkschaften, der Kirche) eingebracht und inszeniert werden (vgl. MAURER 2010, S. 86; RÖDEL 1996, S. 67). HABERMAS steht der Rolle der Massenmedien (bzw. damit verbunden: der mediatisierten Öffentlichkeit) daher kritisch gegenüber (vgl. HABERMAS 1990, S. 28, 261). Vgl. EMUNDS (2008), S. 72. Der Begriff „Agenda-Setting“ wurde von MCCOMBS und SHAW (1972) eingeführt. Ihre im Zusammenhang mit den US-Präsidentschaftswahlen 1968 aufgestellte und bestätigte Hypothese lautet: “While the mass media may have little influence on the direction or intensity of attitudes, it is hypothesized that the mass media set the agenda for each political campaign, influencing the salience of attitudes toward the political issue” (ebd., S. 177). COHEN formulierte bereits 1963 die theoretische Grundlage des “Agenda-Setting”-Effekts: “It [the mass media or press] may not be successful much of the time in telling people what to think, but it is stunningly successful in telling its readers what to think about” (COHEN 1963, S. 13). Die Aussage ist, dass die Medien das Weltbild der Empfänger „strukturieren“ (vgl. RÖSSLER 1997, S. 17f.). Daher ist eine wahrheitsgemäße Berichterstattung so wichtig. Vgl. RÖSSLER (1997), S. 16ff.; MAURER (2010), S. 10f., 26ff.; HUCK (2009), S. 17. So konnte HAGEN (2001) für das Thema Arbeitslosigkeit anhand einer auf drei ausgewählte Nachrichtenquellen (Nachrichtendienst der Deutschen Presseagentur, Tagesschau, BILD-Zeitung) bezogenen Zeitreihenanalyse (1992 bis 1997) „klare Belege für Agenda-Setting-Effekte […] auf die Wahrnehmung von Erwerbslosigkeit als nationales [gesellschaftliches] Problem in Deutschland“ (ebd., S. 227) liefern.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

an, als sie es ohnehin sind253. Der negativ behaftete Begriff „Entlassung“ nimmt folglich in den Gedanken und Gesprächen der Empfänger (mit ihren Partnern, Familien, Kollegen) eine noch wichtigere Stellung ein 254. Zugleich wird der Umstand, dass Unternehmen Arbeitsplätze schaffen (Löhne und Steuern zahlen, sich sozial engagieren usw.), immer weniger als nennenswerte, moralisch auszuzeichnende Tat, sondern nur noch als scheinbare Selbstverständlichkeit gesehen255. Entscheidend ist aber folgender Punkt: Der nach entsprechenden Medienberichten zum Teil ausgelöste öffentliche Sturm der Entrüstung zeigt, dass solche Vorgänge nicht nur von den Betroffenen, sondern auch von der (durch die Medien informierten) Öffentlichkeit als Vertrauensbruch erfahren werden, die Sozialkapital zerstören, implizite Verträge beschädigen und Unternehmen teuer zu stehen kommen können. Wie im folgenden Abschnitt am Fallbeispiel Nokia noch deutlich werden wird, gilt das umso mehr, wenn arbeitsplatzbezogene Maßnahmen, managementethisch gesehen, methodisch mangelhaft durchgeführt werden256. Durch den beschriebenen Vertrauensbruch schwindet aber nicht nur das Vertrauen in das ein-

253 254

255

256

Vgl. MAST (2013), S. 347. Dies ist nicht nur negativ zu werten: Dem Agenda-Setting-Effekt kommt eine wichtige Warnfunktion zu, indem er den Arbeitnehmern an realen Beispielen vor Augen führt, dass es keine absolute Arbeitsplatzgarantie gibt. Berichte über Stellenstreichungen und -verlagerungen können dazu beitragen, dass sich Arbeitnehmer nicht in einer Sicherheit wiegen, die faktisch nicht besteht. Zudem lassen sich über die Medien Menschen erreichen, die betriebswirtschaftlich desinteressiert oder uninformiert sind und über eine andersartige Aufbereitung arbeitsplatzbezogener Inhalte nur schwer erreichbar wären. Zugleich liegt ein Problem darin, dass viele Menschen nicht willens sind, mediale Inhalte kritisch zu überdenken und daraus Folgen für das eigene Handeln abzuleiten (z. B.: Was kann ich für mich tun, um notfalls sicherer mit einer Entlassung umzugehen?). Medieninhalte werden häufig nur unreflektiert konsumiert, was dadurch begünstigt wird, dass die Übergänge zwischen Information, Werbung (Kommerzialisierung) und Unterhaltung teilweise fließend sind (vgl. RÖDEL 1996, S. 67). Ferner ist zu sehen, dass die Medien nur einen nicht repräsentativen Ausschnitt der Realität vermitteln und das Bild (und die Stimmung) der Empfänger teils durch irrationale, vereinfachte und populistisch-klischeehafte Darstellungen verzerren (vgl. RÖSSLER 1997, S. 16). Dieser Aspekt geht mit der Tatsache konform, dass mit größerer Wahrscheinlichkeit über negative (auch spektakuläre) und gut visualisierbare Ereignisse berichtet wird (etwa einen Anstieg der Arbeitslosigkeit oder Stellenabbau), da diese von den Empfängern als interessanter erachtet und leichter aufgenommen werden (vgl. MAURER 2010, S. 85; MAIER/ STENGEL/ MARSCHALL 2010, S. 36). Vgl. NOLL (2012), S. 288. Es gilt das Motto: Was nicht wehtut, ist auch keine unternehmerische Moral. „Was […] das schwindende Mitarbeitervertrauen anbelangt, ist es oft die Art und Weise, wie die Veränderungen vollzogen werden […]. Insbesondere durch bewusste Desinformation und Täuschung verspielen Unternehmen ihre Glaubwürdigkeit“ (LAUFER 2007, S. 19).

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen

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zelne Unternehmen, sondern, was noch gravierender ist, die Akzeptanz des Marktsystems generell (vgl. 9. in Abb. 8)257. Jedenfalls ist anzunehmen, dass Unternehmen, die Arbeitsplätze nur volkswirtschaftlich (als Abfallprodukt der Marktkonkurrenz) sehen, dazu beitragen, dass immer größere Bevölkerungsteile politisch nach links abdriften und dem bestehenden Wirtschaftssystem die Legitimation entziehen, was (genauso ökonomisch) keinesfalls als zweckmäßig zu werten wäre. Auch für Deutschland zeigen Umfragen, dass die Soziale Marktwirtschaft (also nicht einmal die deregulierte amerikanische Kapitalismusform) mit ihrer starken sozialen Säule von rund der Hälfte der Bevölkerung als nicht zustimmungsfähig erachtet wird, und das, obwohl sie sie zu einem guten Leben befähigt258. Der bei Stellenkürzungen und vergleichbaren anderen Verzichtssituationen schnell erhobene Sozialdumping-Vorwurf zeigt, dass viele Menschen die Kräfte des Marktes, die moralische Ideale eigentlich fördern, statt sie zu behindern, unterschätzen259, was als Alarmzeichen zu werten ist. Nicht nur die Institution Unternehmen, gerade

257

258

259

Vgl. LIN-HI (2009), S. 4. Das heißt die Art, wie Unternehmen im Arbeitsplatzkontext operieren, wirkt sich (in Verbindung mit dem bestehenden Arbeitslosigkeitsniveau, dem zunehmenden Niedriglohnsektor usw.) auf Dauer auf die Akzeptanz des Wirtschaftssystems aus. Dabei liegt nahe, dass ein Akzeptanzentzug seitens der Gesellschaft wiederum negative Rückwirkungen auf die Unternehmen haben kann. Das Bild der Deutschen über die Soziale Marktwirtschaft (SM) und den Kapitalismus fällt miserabel aus. In einer repräsentativen Umfrage des Mannheimer Instituts für praxisorientierte Sozialforschung haben 1994 noch 20 % der Befragten auf die Frage, ob sich die SM bewährt hat, mit „nein“ (und 73 % mit „ja“) geantwortet (vgl. Bundesverband deutscher Banken 2010, S. 8). 2010 haben bereits 41 % mit „nein“ (und nur noch 48 % mit „ja“) geantwortet (auf ähnliche Zahlen kommt das Institut für Demoskopie Allensbach 2012, S. 47). Das zeigt, dass viele Deutsche die SM als inhumanes, unethisches System ansehen. 2013 haben 26 % mit „nein“ (und 67 % mit „ja“) gestimmt (vgl. Bundesverband deutscher Banken 2013). Ähnlich alarmierend ist, dass sich 2010 nur 23 % der Befragten für die Zukunft der SM „mehr Markt“ gewünscht haben (vgl. Bundesverband deutscher Banken 2010, S. 9; ähnlich Globescan 2009, S. 8: “Three in four (75 %) say that capitalism has issues that can be resolved through regulation and reform“). 58 % waren der Auffassung, dass „mehr soziale Absicherung“ benötigt würde. 2002 und 2006 waren beide Antwortoptionen noch gleichauf. Erst ab 2006 ging die Schere zwischen „weniger Markt“ und „mehr sozialer Absicherung“ auseinander, was auch mit den Hartzreformen zusammenhängen dürfte (vgl. SCHRAMM 2010c, S. 89), die zwischen 2003 und 2005 als Reaktion auf die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland durchgeführt wurden. Viele Ökonomen sind der Auffassung, dass die Hartzreformen zum Beschäftigungsanstieg und Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit beigetragen haben. Zugleich herrscht aber auch Einigkeit darüber, dass mit dieser Arbeitsmarktreform ein beachtlicher Niedriglohnsektor entstanden und die Lohnungleichheit angestiegen ist. Die obigen Ergebnisse zeigen aber, dass in Deutschland darüber debattiert werden muss, wie die Identifikation der Bevölkerung mit der SM erhöht werden kann. Vgl. FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010a), S. 52; HOMANN (2014), S. 7; HOMANN (2015), S. 54.

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die Gewinnerzielung von Unternehmen, welche die Grundlage zur Arbeitsplatzschaffung und -sicherung bildet, wird von einem relevanten Teil der Gesellschaft kritisch, gar als gesellschaftsschädigend gesehen260. Die Finanzkrise und das Fehlverhalten einzelner Manager haben diese Haltung bestärkt. Entscheidungen mit (für Arbeitnehmer, Anwohner oder andere Gruppen) unangenehmen Folgen werden oft monokausal auf die Gewinnerzielungsabsicht von Unternehmen zurückgeführt261. Zudem wird das Augenmerk auf die kurzfristigen, negativen und einen selbst oder das direkte Umfeld betreffenden Effekte gelegt, weniger auf langfristige und womöglich andernorts eintretende positive Wirkungen unternehmerischer Handlungen (oder Unterlassungen). Insofern kann (zugespitzt) gesagt werden: „Menschen in Deutschland mögen den Wettbewerb nicht […]. Und zwar schlicht deshalb, weil man im Wettbewerb [z. B. seine Arbeit] verlieren und im Vergleich zu anderen schlechter dastehen kann“262. Diese Aussage trifft verstärkt auf den arbeitsplatzbezogenen Kontext zu, in dem des Öfteren verkannt wird, dass „die (zeitweise) Arbeitskräftefreisetzung und Arbeitslosigkeit gleichsam der „Preis“ für ein ansonsten insgesamt vorteilhaftes institutionelles Design“263 ist. Die moralisch erwünschten Produktivitätsvorteile des Marktwettbewerbs lassen sich aber nur dann realisieren, wenn „echter“ Wettbewerb zwischen den Unternehmen herrscht264. Entlassungen mögen nach außen un-

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So haben 2008 55 % der Befragten auf die Frage, ob die folgende Meinung auch ihre persönliche Sicht widerspiegelt, mit „ja“ geantwortet: „Unternehmen geht es nur um den Gewinn. Sie denken vor allem an sich selbst und wollen ihre eigenen Interessen durchsetzen, egal, ob es anderen nützt oder schadet. Arbeitskräfte sind für Unternehmer nur Werkzeuge, um das eigene Ziel zu erreichen“ (Institut für Demoskopie Allensbach zitiert nach LIN-HI 2011, S. 7). Nur 31 % stimmten der Meinung zu: „Unternehmen sind Triebfedern der Wirtschaft. Sie bauen Betriebe auf und schaffen Arbeitsplätze. Von ihren Leistungen haben alle etwas. Das freie Unternehmertum ist die wichtigste Stütze der Marktwirtschaft“ (ebd.). Eine verbreitete Auffassung ist offenbar, dass unternehmerisches Handeln in seiner Gesamtheit betrachtet nicht im Interesse der Gesellschaft stattfindet. Das deckt sich damit, dass 77 % der vom Institut für Demoskopie Allensbach (2012, S. 23) befragten Bürger Manager für gierig halten. Vgl. LIN-HI (2009), S. 4f.; LIN-HI/ SUCHANEK (2011), S. 83. HOMANN (2015), S. 54. Man kann den Eindruck gewinnen, dass viele Menschen lieber ein niedrigeres, dafür aber für alle gleiches Wohlstandsniveau hinnehmen (vgl. ebd.). NOLL (2012), S. 282f.; ähnlich ebd., S. 288. Wettbewerb ist aber keine „Moralveranstaltung“, sondern läuft nach ökonomischen („value“) Gesetzen ab. Und obwohl der Wettbewerb an sich keine „Moralveranstaltung“ ist, kann insgesamt doch festgestellt werden, dass er moralisch erwünscht ist. Vgl. dazu kritisch THIELEMANN (2009, S. 5).

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moralisch wirken, aus einem weiter gefassten Blickwinkel stellen sie nichts anderes dar, als den Vollzug der moralischen Qualität von Marktwirtschaft 265. Es wäre falsch und polemisch, ein Wirtschaftssystem nur deshalb zu verurteilen, da es neben (vielen) Gewinnern auch Verlierer produziert und Stellen nicht per se sichert. Im nächsten Abschnitt (3.3.2) wird der Begriff der „Ambivalenz“, so wie er im Rahmen dieser Arbeit gebraucht wird, umfassend erläutert und an einem arbeitsplatzbezogenen Beispiel aus der Unternehmenspraxis konkretisiert. Wie sich dabei zeigen wird, ist der Moral Point of View in vielen Fällen durch eine Perspektivenpluralität gekennzeichnet, welche die managementethische Bewertung (arbeitsplatzbezogener) Entscheidungen erheblich verkomplizieren kann.

3.3.2

Ethische Ambivalenz von Standortverlagerungen

Das in diesem Abschnitt behandelte Fallbeispiel soll zweierlei Aspekte verdeutlichen. Zum einen zeigt es, dass mangelhaft geplante und ausgeführte arbeitsplatzbezogene Maßnahmen - im betrachteten Fall eine Arbeitsplatzverlagerung - zu der im vorigen Abschnitt diskutierten relevanten Inkonsistenz, also zum Vertrauensbruch zwischen Unternehmen und Mitarbeiter (oder Gesellschaft), führen können. Zugleich führt es die moralische Ambivalenz vor Augen, durch welche arbeitsplatzbezogene Maßnahmen regelmäßig gekennzeichnet sind und die zu einer Verkomplizierung der ethischen Beurteilung solcher Maßnahmen beiträgt. Generell ist zu beachten, dass eine Verantwortungszuschreibung bei Arbeitsplatzverlagerungen weder einfach noch eindeutig ist. Um ethische Aspekte von Verlagerungsmaßnahmen bewerten zu können, ist das Stichwort der „Ambivalenz“ von Bedeutung266. Oder umgekehrt gesagt: Arbeitsplatzverlagerungen stellen ein geeignetes Beispiel dar, das zur Verdeutlichung der moralischen Ambivalenz von

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Der Mechanismus der Marktwirtschaft provoziert Veränderungen und bringt es mit sich, dass Unternehmen geschlossen, verkleinert oder verlagert werden, während andere Unternehmen aufsteigen, was Arbeitsplätze schafft (vgl. LIN-HI/ SUCHANEK 2011, S. 84). Der aus dem Bereich der Psychoanalyse stammende Begriff „Ambivalenz“ (lat. ambo: beide; valere: gelten) zielt auf die Mehrdeutigkeit von Entscheidungen und Sachverhalten ab. Es lässt sich nie ganz klar festlegen, was (unternehmens- oder management-)ethisch richtig oder falsch ist. Ebenso ist unklar, was von Unternehmen ethisch verlangt werden kann. Die folgende Argumentation orientiert sich an SCHRAMM (2008c; 2008d; 2010b); LIN-HI (2011), S. 8ff.; HOMANN (2008).

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Unternehmensentscheidungen herangezogen werden kann267. Um diesen Gedanken zu verdeutlichen, orientieren sich folgende Ausführungen an einem Fall aus der Unternehmenspraxis, nämlich dem des finnischen Telekommunikationskonzerns Nokia268. Dazu werden zunächst einige Informationen wiedergegeben 269. Ohne Vorwarnung verkündete Nokia der Belegschaft am 15. Januar 2008 die Schließung der Produktionsstätte in Bochum und die Verlagerung der Arbeitsplätze, u. a. nach Cluj (Rumänien). Direkt betroffen waren zirka 2.300 Festangestellte, 800 Leiharbeiter sowie (indirekt) viele Mitarbeiter bei Zulieferbetrieben. Als Begründung nannte der Nokia-Aufsichtsratsvorsitzende die in Deutschland zum damaligen Zeitpunkt zehnfach höheren Arbeitskosten (2017: Deutschland: 34,50 Euro/ Std.; Rumänien: 6,10 Euro/ Std.)270, die trotz Anpassungsinvestitionen langfristig zur Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens führen würden271. Zudem sollten mit dem Werk in Rumänien neue Märkte in Südosteuropa bedient werden. Das Kostenargument, über das lange ökonomisch gestritten wurde, war ein Grund, weshalb die Werksschließung von den Mitarbeitern nur bedingt verstanden wurde und in der Öffentlichkeit für emotionale Empörung gesorgt hat. Einerseits war bekannt, dass die Arbeitskosten bei der Handyproduktion weniger als 5 % der Gesamtproduktionskosten ausmachen. Viele sahen darin ein (sachlich fragwürdiges)272 Argument, um die hierzulande höheren Arbeitskosten zu beschwichtigen.

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Wie noch zu zeigen sein wird, gilt das besonders, wenn bestimmte zeitliche Bedingungen erfüllt sind. Vor dem Verkauf der Handy- bzw. Smartphone-Sparte an Microsoft im April 2014 war Nokia einer der weltgrößten Mobiltelefonhersteller und zwischen 1998 bis 2011 Marktführer der Branche. Seit 2014/ 2015 werden die ehemaligen Nokia-Smartphones unter dem Markennamen „Microsoft Lumia“ verkauft, sodass der Markenname Nokia vom Smartphone-Markt verschwunden ist (vgl. Spiegel Online 2014). Vgl. neben online abrufbaren Zeitungs-/ Zeitschriftenartikeln auch LEHTONEN (2010); LIN-HI (2009), S. 1ff. Vgl. Destatis (2018). Angaben bezogen auf produzierendes Gewerbe und wirtschaftliche Dienstleistungen. Nach Angaben des damaligen Nokia-Personalvorstands ÄKRÄS in einem Interview mit der FTD wurden 6 % aller Nokia-Handys in Bochum hergestellt, das Werk habe jedoch 23 % der Gesamtarbeitskosten ausgemacht (vgl. WILLIAMSON 2008). So sieht LÜTGE (2012, S. 78f.) im geringen Personalkostenanteil keinen Grund, um „Mäßigung von Nokia [zu] verlangen“. Arbeitsplätze müssen sich rechnen, weshalb die Arbeitskosten (Lohnund Lohnzusatzkosten) immer ein relevanter Faktor sind. Das gilt speziell für Geringqualifizierte mit einfachen Tätigkeiten, deren Lohnkosten in Deutschland im internationalen Wettbewerb nicht

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Recherchen des Wirtschaftsmagazins Capital ergaben zudem, dass das Werk in Bochum 2007 ein Betriebsergebnis vor Zinsen in Höhe von 134 Mio. Euro erzielte, was einem Gewinn von zirka 90.000 Euro je Produktionsmitarbeiter entsprach. Angeheizt wurde die Debatte dadurch, dass Nokia seit 1989 zirka 88 Mio. Euro an Fördermitteln von Bund und Land (NRW) zur Arbeitsplatzschaffung erhalten hat273. Erst als das Land 2008 mit Klage drohte, zahlte Nokia 40 Mio. der geforderten 60 Mio. Euro zurück274. Der Standort war somit bis zuletzt profitabel, was den strategischen Charakter der Entscheidung untermauert275. Erschwerend kommt hinzu, dass Nokia von den Mitarbeitern ursprünglich als integrer Arbeitgeber mit einem guten Betriebsklima wahrgenommen wurde und sich auch stets selbst (z. B. auf der Homepage) als verantwortungsbewusstes Unternehmen präsentiert hat276. Ohnehin war Nokia der letztverbliebene Hersteller, der noch in Deutschland Handys produziert hat. Die Verlagerung wurde aber managementtechnisch (handwerklich) unprofessionell durchgeführt, was Vertrauen zerstört hat. So wussten die Beschäftigten von den bevorstehenden Entlassungen bis

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mithalten können. Zugleich reichen ökonomische Kennzahlen allein trotzdem noch nicht aus, um arbeitsplatzbezogene Probleme adäquat zu erfassen. Hierzu ist anzumerken, dass Nokia juristisch kein Vorwurf gemacht werden kann, da die Bindungsfrist für die Erhaltung der geförderten Arbeitsplätze 2006 auslief. Auch der Umstand, dass sich Unternehmen die besten Rahmenbedingungen für ihre Standorte aussuchen, kann ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden: „[W]enn die Politik oder wir als Gesellschaft es zulassen, dass wir die Rahmenbedingungen so unterschiedlich gestalten, dann müssen wir auch akzeptieren, dass die Unternehmen das […] für sich zu nutzen wissen“ (LÜTGE 2011; vgl. auch BALSER/ SCHÄFER 2007). Trotzdem lässt sich im vorliegenden Fall der Eindruck nicht ausräumen, dass Nokia gezielt Subventionen abgegriffen und nach dem Wegfall der Auflagen das Weite gesucht hat. Daher gilt es auch zu hinterfragen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um Subventionen für Unternehmensansiedlungen zu gewähren. So auch MARTIN SCHULZ (SPD): „Wir müssen uns die Frage stellen, ist es klug, die [Subventions-]Töpfe so zur Verfügung zu stellen? Da würde ich vom Grundsatz her sagen: Ja! Aber man darf die Förderkriterien nicht so stricken, dass sie zum Element der Gewinnmaximierung von weltweit wandernden Konzernen werden“ (WDR 2012). JÜRGEN RÜTTGERS (CDU), damaliger NRW-Ministerpräsident, hat in diesem Kontext den Begriff der „Subventionsheuschrecke” hervorgebracht (vgl. KNOP 2008). Zugleich wäre die Annahme, Unternehmen ließen sich durch staatliche Subventionen dauerhaft an einen Standort binden, ebenfalls verkürzt (vgl. LÜTGE 2012, S. 78). Die Rentabilität des deutschen Standorts war, genauso wie die Verlagerungsentscheidung insgesamt, auch innerhalb des Managements umstritten. Die Kritik an einer Standortverlagerung wäre vermutlich geringer ausgefallen, wenn das Bochumer Werk Verluste eingefahren und es keine andere Möglichkeit gegeben hätte, das Unternehmen auf Kurs zu halten. Es hätte sich dann, mit den Worten von THIELEMANN und ULRICH (2009, S. 50ff.) gesprochen, um eine Situation mit „Druck aus Not“ gehandelt, welche im Vergleich zu einer Situation mit „Druck ohne Not“ (ebd., S. 56ff.) ethisch einfacher zu bewerten ist. Vgl. auch THIELEMANN (2009), S. 2. Vgl. LEHTONEN (2010), S. 273f.; WILLIAMSON (2008).

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

zum Zeitpunkt der ersten Informationsveranstaltung praktisch nichts, zudem wurde ihnen und der Öffentlichkeit die Notwendigkeit der Maßnahme nicht nachvollziehbar erklärt277. Durch die geringe Vorlaufzeit bis zur Werksschließung waren die Mitarbeiter kurzfristig mit ihrem Arbeitsplatzverlust konfrontiert. Lange Zeit war darüber hinaus nicht erkennbar, dass sich Nokia darum bemüht hätte, den Stellenabbau sozial abzufedern, etwa durch eine stückweise oder zeitlich gestreckte Verlagerung. Da Nokia die aus den Entlassungen resultierenden Härten lange Zeit ignoriert hat, hatte das Unternehmen in der Folge einen Imageschaden zu erleiden, der sich nicht nur im allgemeinen Unternehmens- und Arbeitgeberimage, sondern auch in der Preis-Leistungs- und Qualitätswahrnehmung widerspiegelte278. Durch die öffentliche Kritik sah sich Nokia gezwungen, einem Interessenausgleich und Sozialplan in Höhe von 200 Mio. Euro zuzustimmen (einem der großzügigsten der deutschen Wirtschaftsgeschichte) 279, was etwa der dreifachen Summe entsprach, die Nokia angeboten hatte 280. Bei der ethischen Analyse von Standortverlagerungen ist zu sehen, dass die Gründe, die Unternehmen zu Verlagerungen bewegen können, vielfältig sind281. Auch die Frage, ob ein derartiger Schritt die richtige strategische Entscheidung ist und sich betriebswirtschaftlich rechnet, ist nicht ohne Weiteres zu beantworten, da jeder Fall anders gelagert ist. Zudem bleiben die realen Entscheidungsgrundlagen des Managements für Außenstehende unbekannt282. Jedoch, und das gilt unabhängig von den der Entscheidung zugrunde liegenden Motiven, müssen Unternehmen,

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Eine unzureichende Kommunikationspolitik wurde im Nachhinein sowohl von CEO KALLASVUO als auch vom damaligen Personalvorstand ÄKRÄS eingeräumt (vgl. WILLIAMSON 2008). Vgl. zur Bedeutung der Kommunikation im Fall Nokia auch LEHTONEN (2010). Vgl. VOß (2008). Vgl. WILLIAMSON (2008). 15 Mio. Euro entfielen auf die Transfergesellschaft, 185 Mio. auf Abfindungen. Vgl. FAZ.net (2008). Die Ergebnisse einer 2015 unter den Mitgliedsunternehmen durchgeführten DIHK-Umfrage zeigen, dass das Kostenmotiv (konkret: die hierzulande im Vergleich hohen Arbeits-, Bürokratie- und Energiekosten) von 23 % der auslandsaktiven Unternehmen als Auslöser für Produktionsverlagerungen angegeben wird (2014: 21 %, 2013: 20 %, 2003: 42 %, vgl. DIHK 2015, S. 3, 6ff.). 46 % verfolgen mit ihren grenzüberschreitenden Investitionen das Ziel, den Vertrieb und Kundendienst in Auslandsmärkten auszubauen (vgl. ebd., S. 10), 31 % streben die Erschließung neuer Märkte an, primär in den EU-15-Ländern, China und Nordamerika (vgl. ebd., S. 11f.). Die veröffentlichten Gründe müssen nicht den allein ausschlaggebenden Faktoren für die Entscheidung entsprechen. Genauso bleibt unter Controlling-Aspekten offen, wie rational die Entscheidung durchlaufen wurde.

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die über Standortschließungen und -verlagerungen zu entscheiden haben, bedenken, dass der betreffende Standort im Status quo zunächst einmal existiert und mit den Mitarbeitern eine Bindung besteht. Das bedeutet nicht, dass Stellenverlagerungen in einer globalen Wettbewerbswirtschaft ein Tabu wären und sich Unternehmen aus diesem Commitment nie mehr lösen könnten. Unternehmen können, wie an früherer Stelle betont, zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gezwungen sein, Arbeitsplätze (ggf. auch im Zuge von Auslandsverlagerungen) abzubauen283. Das gilt auch für solche Fälle, in denen sie aus strategischen Gründen, also vorausschauend, solange keine roten Zahlen geschrieben werden, Stellen verlagern, um (neue) Märkte zu erschließen, zu erweitern oder die Rentabilität zu erhöhen284. Hier ist nicht zu verschweigen, dass in der Praxis eine managementethische Grauzone besteht, in der sich nicht sicher festlegen lässt, wo die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit aufhört und wo ein kurzfristiges Gewinnstreben anfängt. Die konträren Auffassungen in diesem Punkt ändern aber (auch aus ethischer Sicht285) nichts daran, dass die Gewinnerzielung eine moralische Bedingung und Verpflichtung bleibt, wenn es um die Arbeitsplatzschaffung und -sicherung geht286. Zugleich ist zu sehen, dass wirtschaftliches Handeln in keinem moralfreien Raum stattfindet, in dem Gerechtigkeit keine Rolle spielt. Unternehmenstransaktionen haben häufig eine ethische Dimension287, welche es erfordert, die

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Vgl. SUCHANEK/ LIN-HI (2006), S. 6. Dagegen proklamiert FRANK-WALTER STEINMEIER (SPD): „Wo schwarze Zahlen geschrieben werden, darf man keine Arbeitsplätze abschreiben. Erst recht nicht in einer Zeit, wenn Nokia Rekordgewinne einfährt und seinen Marktanteil […] hochschraubt“ (NRZ 2008). Ähnlich THIELEMANN und ULRICH (2009, S. 58): „Dieses Geschäftsmodell der Ausübung von Druck ohne Not, also aus Maßlosigkeit oder Gier, widerspricht elementaren Grundsätzen integrer Unternehmensführung und steht im Widerspruch zum Geist der Sozialen Marktwirtschaft“. Betriebswirtschaftliche Unvernunft, wie eine Erhaltung des Bochumer Werkes bei gleichzeitigem Aufbau des Werkes in Cluj, um so die Anliegen der Arbeitnehmer beider Länder zu bedienen, kann und wird eine anwendungsorientierte Ethik nicht fordern. Ähnlich BDA (2006), S. 4. Vgl. MÜNCH (2011), S. 91. Das bestätigt eine Erhebung des Statistischen Bundesamts (Destatis 2008), wonach „wirtschaftsethische Probleme“ („z. B. soziale Verantwortung, Corporate Citizenship“, vgl. ebd., S. 50) von 50 % der befragten Unternehmen als sehr relevante (7,9 %) oder relevante (42,1 %) Verlagerungsbarriere erachtet werden (vgl. ebd., S. 10). Unternehmen, die bereits Verlagerungen durchgeführt haben, weisen dabei eine um 23,7 % geringere Chance auf, moralische Probleme als Barriere für Verlagerungen anzuführen (vgl. SCHRÖDER 2013, S. 210). Ein ähnliches Bild ergibt sich für Unternehmen, welche Verlagerungen planen (30,5 % geringere Chance), für Hightech-Unternehmen gegenüber den übrigen Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes (14,4 % geringere Chance) sowie für Mehrländer- gegenüber Einbetriebsunternehmen (19,4 % geringere Chance, vgl. ebd.).

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Betroffenen der Entscheidungen „mitzunehmen“, etwa indem arbeitsplatzbezogene Maßnahmen rechtzeitig angekündigt und sozial abgefedert werden 288. Letzteres kann besser oder schlechter gelingen, je nachdem, mit welchem Nachdruck nach Lösungen gesucht wird und welche Finanzmittel vorhanden sind. Entscheidend ist allerdings weniger die (ökonomische) Frage nach dem „Ob“ (ob es also überhaupt zu Verlagerungen kommen sollte), sondern die auf die ethische Dimension zielende (Gestaltungs-)Frage nach dem „Wie“ (wie mit den Mitarbeitern umzugehen ist, um ihnen ausreichend Wertschätzung entgegenzubringen)289. Analysiert man die ethische Seite von Standortverlagerungen, so ist zunächst der beklagenswerte Umstand hervorzuheben, dass die (häufig geringqualifizierten) Arbeitnehmer an dem Standort, an dem Stellen wegfallen, ihren Arbeitsplatz als Existenzgrundlage verlieren und, besonders wenn sie arbeitslos werden, verzweifelt sind290. Wie in Abschnitt 3.3.1 festgestellt, werden in solchen Fällen schnell globalisierungs- und kapitalismuskritische Äußerungen laut, genauso wie es zur Mobilisierung der Öffentlichkeit gegen das Unternehmen (in Form von Boykottaufrufen o. Ä.) kommen kann, die selbst von politischen Akteuren ausgehen kann291. Auch bei Nokia hat sich aber gezeigt, dass es, sobald es um die Umsetzung von Boykotten auf breiter Ebene geht, häufig zu einem einstellungskonträren Verhalten kommt292. Dieses gängige Problem vieler empirischer Untersuchungen

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„[E]in Unternehmen besteht nicht nur aus einer einzigen ökonomischen Dimension [...]. Vielmehr baut sich ein Unternehmen aus unterschiedlichen Dimensionen auf und muss nicht nur wirtschaftliche oder rechtliche, sondern eben auch moralische Aspekte wie etwa Ehrlichkeit und Transparenz in finanziellen Dingen oder respektvolle Loyalität mit den Mitarbeitern berücksichtigen“ (SCHRAMM 2008c). Auch das Nokia-Management hat durch eine einseitig ökonomisch-kennzahlenorientierte Sicht die Polydimensionalität der Realität und die mit den Mitarbeitern bestehenden Bindungen ignoriert bzw. unterschätzt (vgl. ebd.). Eine rein funktional-wirtschaftssystemische Sicht, nach der Arbeitsplätze ein Neben- oder Abfallprodukt der eigentlichen Unternehmensaufgabe (Entdeckung innovativer Produkte und Produktionsverfahren) sind, greift zu kurz, da es sich um Menschen (keine seelenlosen Maschinen) handelt, die die Arbeitsplätze innehaben. Unternehmen haben ihre Entscheidungen an betriebswirtschaftlichen Effizienzkriterien auszurichten, zugleich besteht eine moralische Verantwortung gegenüber den Beschäftigten. Insofern ist es „dringend geboten, dass die Verlierer, die den Preis [...] bezahlen, am Nutzen, der daraus gezogen wird, beteiligt werden, also entsprechende Unterstützungsleistungen bekommen“ (ULRICH 2008). Vgl. SCHRÖDER (2013), S. 208; EMUNDS (2008), S. 37; CARROLL/ BUCHHOLTZ (2008), S. 642. So gaben der damalige Verbraucherminister SEEHOFER (CSU) und der damalige SPD-Fraktionschef STRUCK ihre Nokia-Handys aus Solidaritätsgründen zurück. „Innerhalb von zwei Wochen ist der Nokia-Boykott zum Selbstläufer, zum Spaßfaktor […] geworden“ (SCHUMACHER ET AL. 2008). Vgl. zum „Attitude Behaviour Gap“ NEWHOLM/ SHAW

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tritt verschärft dann auf, wenn moralisch heikle Fragen betroffen sind 293. So ist es allgemein akzeptiert, eine positive Einstellung gegenüber solchen Unternehmen zu haben, die Stellen schaffen und sich gegenüber ausscheidenden Mitarbeitern sozial verantwortlich zeigen. Dagegen wird es eher ungern gesehen, positiv gegenüber Unternehmen eingestellt zu sein, die trotz Rekordgewinnen (womöglich ohne Abfederung) Stellen abbauen und ins Ausland verlagern 294. Da das so ist, werden viele Befragte auf die Frage, ob sie künftig vom Kauf eines Nokia-Handys absehen werden (oder sich vorstellen könnten, bei Nokia zu arbeiten), mit „nein“ geantwortet oder eine andere negative Haltung zum Ausdruck gebracht haben. Das reale Kauf- und Bewerbungsverhalten kann dennoch von dieser kundgetanen Haltung abweichen. Das gilt umso mehr, wenn die Produkte des Unternehmens im Vergleich zu Konkurrenzprodukten neuere Funktionen bieten, preislich attraktiver sind oder das Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird 295. Andererseits, und dieser Effekt ist globalisierungsethisch von Interesse 296, werden durch die Standortverlagerung im strukturschwachen Rumänien Arbeitsplätze geschaffen297, und zwar sowohl (direkt) bei Nokia als auch (indirekt) bei Zulieferern.

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(2007), S. 257; HEIDBRINK/ SCHMIDT (2011), S. 99f.; DE PELSMACKER/ DRIESEN/ RAYP (2005), S. 364ff.; BRAY/ JOHNS/ KILBURN (2011). Die Befragten erahnen, welche Art von Antwort der Fragende hören will, weshalb sie ihre Antwort von vornherein darauf ausrichten, auch wenn sie selbst anders über den Sachverhalt denken. Sie zeigen ein sozial erwünschtes, den gesellschaftlichen Normen entsprechendes Antwortverhalten. Vgl. auch JONKISZ/ MOOSBRUGGER/ BRANDT (2012), S. 59; DEVINNEY/ AUGER/ ECKHARDT (2011), S. 12; AßLÄNDER (2012), S. 267. Dieser Vergangenheitsorientierung liegt ein Denkfehler zugrunde, da der Gewinn als Erfolgsergebnis der vergangenen Geschäftsperiode noch nicht viel darüber aussagt, wie gut ein Unternehmen (oder Standort) für nachfolgende Geschäftsjahre aufgestellt ist (vgl. NOLL 2012, S. 284; SCHRÖDER 2013, S. 216). Im Zusammenhang mit Kaufentscheidungen sind die Untersuchungen von DEVINNEY zur Consumer Social Responsibility (CnSR) hervorzuheben, der zeigt, dass es nur bedingt aussagekräftig ist, Konsumenten über ihre Einstellung zu bzw. Kaufbereitschaft von Produkten zu befragen, die (im weiteren Sinne) „ethisch“ hergestellt wurden (vgl. DEVINNEY ET AL. 2006, S. 32, 35f.; DEVINNEY/ AUGER/ ECKHARDT 2011, S. 9f., 94ff.; AUGER ET AL. 2008, S. 190; AßLÄNDER 2012, S. 263ff.). Diese globalisierungsethische Komponente wird an folgender, von GOERGEN (2010, S. 136) aufgeworfenen Frage deutlich: „Zwingt uns die Globalisierung […] zu einer „Discount-Moral“? Sind wir gezwungen, unsere besonderen Verpflichtungen gegenüber den Nächsten zu vernachlässigen, weil wir uns dem moralischen Druck ausgesetzt sehen, den Anderen […] als moralischen Adressaten zu begreifen? […] Soll ich meine Entlassung […] klaglos hinnehmen, weil ich weiß, dass mein eingesparter Arbeitsplatz am anderen Ende der Welt drei mir völlig fremde Familien ernährt?“ Vgl. EMUNDS (2008), S. 9, 24ff., 30.

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Der „Zerstörung“ deutscher steht die „Schöpfung“ rumänischer Arbeitsplätze gegenüber298, woraus die Frage entsteht, inwieweit rumänische Arbeitsplätze (bzw. Arbeitsplätze in Entwicklungs- oder Transformationsländern) unter Umständen weniger wert sind, als deutsche Arbeitsplätze (bzw. inwieweit deutsche im Vergleich zu rumänischen Arbeitsplätzen vorzugswürdiger erscheinen)299. Oder ist es nicht so, dass in einem Land wie Rumänien, dessen Wohlstandsniveau unter dem der BRD liegt, Arbeitsplätze dringender benötigt werden300, um Anschluss an den Weltmarkt zu finden und die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung voranzutreiben? Der Würzburger Aktionärsaktivist WENGER stellt diesbezüglich fest: „Wer in nationalen Kategorien denkt, mag sich daran stören, dass die neuen Arbeitsplätze jenseits der deutschen Grenzen entstehen und nicht im Inland, die Ethik hat er dabei aber nicht auf seiner Seite. Es gibt kein ethisches Gebot, die Bekämpfung der Armut in unterentwickelten Ländern ausschließlich mildtätigen Einrichtungen […] vorzuenthalten“301. Mit seiner Aussage hat WENGER recht: „Es gibt mit Verweis auf eine universalistische Ethik keine Kommunal-, Regionaloder Nationalmoral, weder für Konsumenten, Urlauber oder Erwerbstätige“ 302. Zudem sind die verschiedenen Formen der karitativen Entwicklungshilfe, gerade wenn an Entwicklungsländer in Afrika, Asien oder Südamerika gedacht wird, nur ein Tropfen auf den heißen Stein, da sie zur Lösung volkswirtschaftlicher Prob-

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Vgl. THIELEMANN (2011), S. 9f.; THIELEMANN (1996), S. 303; EMUNDS (2008), S. 34. Vgl. zu SCHUMPETERs Prozess der schöpferischen Zerstörung die Fußnote weiter unten. „[D]ie ethische Basisfrage [lautet] [...]: Wem gegenüber muss er [hier: Nokia-Management] seine Entscheidung eigentlich rechtfertigen - nur gegenüber den deutschen Mitarbeiter(inne)n oder nicht auch gegenüber den potenziellen Mitarbeiter(inne)n in Rumänien?“ (SCHRAMM 2010b, S. 19). Ähnlich LICHTENBERG (1987), S. 204. Vgl. dazu die Argumentation der EMUNDS (2008), S. 73. WENGER (1996), S. 269f. Ähnlich HOMANN (2008): „Es gibt für Nokia aus ethischer Sicht [...] keinen Grund, die deutschen Arbeitnehmer gegenüber den rumänischen zu bevorzugen. Allerdings müssen [wie oben erwähnt] die Härten für die von Arbeitslosigkeit Betroffenen abgefedert werden“; HAMBRECHT (Ex-CEO von BASF) im ZEIT-Interview: „Ich bin Chef eines transnationalen Unternehmens und trage Verantwortung für die gesamte Belegschaft: Unsere Mitarbeiter in China oder anderswo sind mir genauso wichtig wie die in Deutschland“ (HOFFRITZ/ JUNGBLUTH 2009); ZALOHMA (Ex-CEO von Fernlich): „Der Mitarbeiter in Osteuropa kann nicht verstehen, warum wir die Produkte hier bauen […]. […] Die ökonomische Moral in diesem Land ist eine sehr lokale. Ich kann und darf keinen Unterschied machen zwischen einem deutschen und einem rumänischen Arbeitsplatz“ (Zeitungsartikel zitiert nach SCHRÖDER 2013, S. 216). Vgl. auch LÜTGE (2012), S. 78; FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010a), S. 57f. sowie die Argumentation von WENNEMER (Ex-CEO von Continental) in THIELEMANN/ ULRICH (2009, S. 52f.) und SCHRÖDER (2013, S. 219). NOLL (2012), S. 284.

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leme und Wohlstandsankurbelung breiter Bevölkerungsschichten nur wenig beitragen. Was Länder mit niedrigem Lohnniveau zur Entwicklung von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit benötigen, sind steigende Exportquoten und Weltmarktanteile, was nur möglich sein wird, wenn die komparativen Kostenvorteile dieser Länder genutzt werden, wenn sich also eine Industrie dort entwickelt und Stellen geschaffen werden303. Die bisherigen Erörterungen dürften gezeigt haben, dass Unternehmen durch ihre Auslandsaktivitäten zum wirtschaftlichen Aufschwung im jeweiligen Land beitragen können304, durch den wiederum weitere sozial wünschenswerte Effekte angestoßen werden: Sobald es wirtschaftlich bergauf geht, entsteht Druck auf die politischen Verhältnisse, Arbeitnehmer werden selbstbewusster und fordern höhere Löhne, gewerkschaftsähnliche Organisationen entstehen, nebenbei werden Forderungen nach Reformen der sozialen Sicherung und besseren Arbeitsstandards laut. Stellenverlagerungen können unter den genannten Umständen insofern als sozial wünschenswert erscheinen, sozusagen als Chance für „nachholende Gerechtigkeit“305. So konfliktträchtig die mit Verlagerungen einhergehenden Transferverluste auch sein mögen, sie dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Arbeitsplätze überall gleich viel wert sind 306. Falls es also so etwas wie „ein moralisches Recht auf Zugang zur Erwerbsarbeit“307 geben sollte, so gilt dieses Recht im Sinne des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, der gemeinhin als ethische Grundlage angesehen werden kann, für alle Menschen gleichermaßen.

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Ähnlich wie zu Zeiten des Wiederaufbaus in Deutschland, als mehrere amerikanische Unternehmen (wie HP, Ford, GM) in deutsche Arbeitsplätze investiert haben (vgl. NAEF 2010, S. 50; DIETZFELBINGER 2015, S. 207f.). Das gilt besonders, wenn die „Aktivitäten nicht nur kleinen Teilgruppen der Erwerbstätigen [i.S. sektoraler Wohlstands-/ Wachstumsinseln] zugute kommen, sondern sich auf den gesamten Arbeitsmarkt des Ziellandes positiv auswirken“ (EMUNDS 2008, S. 25), wenn also indirekte Beschäftigungseffekte angestoßen werden können. Da Nokia in Rumänien unter Umständen nicht nur schneller wachsen, sondern auch mehr Menschen zu Arbeit verhelfen kann, ist es „[n]ach der Lehre der komparativen Kostenvorteile [...] für Nokia sogar moralisch geboten, die Produktion nach Rumänien zu verlagern“ (MÜNCH 2011, S. 92). Vgl. HEINRICH/ RICHTER (2002), S. 256. Eine ähnliche Interpretation resultiert, wenn Stellen von vornherein im Ausland geschaffen werden. Dann kann von „Potenzialverlusten“ gesprochen werden (vgl. ebd.). EMUNDS (2008), S. 43. Deshalb kommt es künftig noch stärker darauf an, dass in den „ethische[n] und politische[n] Debatte[n] über die Wirkungen der Offshoring- [Outsourcing-]Aktivitäten deutscher Unternehmen [...] auch die Überlebensinteressen der Armen in den Entwicklungs- und in den ärmeren Transformationsländern zur Sprache kommen“ (ebd., S. 76).

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Ausgeblendet bleibt zudem häufig das volkswirtschaftliche Argument, dass Investitionen in Produktionsstandorte in sich entwickelnden Ländern, gerade für ein exportstarkes Land wie Deutschland, langfristig positive Wechselwirkungen für den heimischen Arbeitsmarkt und die heimische Wirtschaft haben können 308. Auslandsinvestitionen sind nicht zwingend als vertane Chance für Entwicklungen im eigenen Land zu werten, speziell dann nicht, wenn die Kaufkraft anderer Länder steigt und hierzulande mehr Produkte nachgefragt werden309. Viele Menschen tendieren aber dazu, in starren Größen zu denken, die als Nullsummenspiel nur anders verteilt werden310. Dynamische Effekte (Sekundärwirkungen) werden vernachlässigt311. Solche „Fixed-Pie-Annahmen“312 müssen nicht zutreffen, da Arbeitsplätze im Normalfall nicht eins zu eins ins Ausland umverteilt werden. Oftmals fehlt es an der Vorstellungskraft, dass durch dynamische (Sekundär- und Wachstums-)Effekte langfristig beide Seiten profitieren können 313. In diesem Zusammenhang wird auch vom „Anti-Foreign-Bias“314 gesprochen, der die menschliche Neigung andeutet, den Nutzengewinn einer anderen Gruppe mit dem Nutzenverlust der eigenen Gruppe gleichzusetzen, wobei es sich bei der „Outgroup“ z. B. um Stelleninhaber im Ausland handeln kann. Eine solche arbeitsplatzchauvinistische Denkweise erinnert an frühere Stammesgesellschaften, die als verwandtschaftliche Einheiten in einer Gemeinschaft lebten und anderen Gemeinschaften gegenüber traditionell kritisch gegenüberstanden. Sie ist in der heutigen globalisierten Gesellschaft aber nicht mehr haltbar 315. Letztlich besteht kein Grund, deutsche gegenüber ausländischen Arbeitnehmern zu bevorzugen oder umgekehrt.

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Vgl. PIES (2005), S. 355. Vgl. LUDWIG-MAYERHOFEN (2005), S. 207. Vgl. RUBIN (2003), S. 157f. Vgl. ENSTE/ HAFERKAMP/ FETCHENHAUER (2009), S. 64. “The fixed-pie assumption of the distributive model represents a fundamental bias in human judgement. That is, negotiators have a systematic intuitive bias that distorts their behavior: They assume that their interests directly conflict with the other party’s interests. The fundamental assumption of a fixed-pie probably results from a competitive society that creates the belief in a win-lose situation” (BAZERMAN 1983, S. 216). Vgl. auch ENSTE/ HAFERKAMP/ FETCHENHAUER (2009), S. 63; FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010a), S. 56; NERDINGER/ BLICKLE/ SCHAPER (2008), S. 130. Vgl. HAFERKAMP ET AL. (2009), S. 530; WAGENAAR/ SAGARIA (1975); EMUNDS (2008), S. 38. Vgl. CAPLAN (2008), S. 36f.; CAPLAN/ COWEN (2004), S. 406; FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010b), S. 9f.; ENSTE/ HAFERKAMP/ FETCHENHAUER (2009), S. 63; ROOS (2007), S. 30; KEMP (2007); SCHWARTZ-SHEA/ SIMMONS (1991). Vgl. dazu die Argumentation von PETER ULRICH in ENGLISCH (2008).

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen

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Ein weiterer Faktor, der eng mit Verlagerungsaktivitäten zusammenhängt und die Ambivalenz des Arbeitsplatzmanagements verdeutlicht, liegt im Konsumentenbewusstsein und veränderten Lebens- und Konsumgewohnheiten. So ist zu sehen, dass zum Kreis der Beteiligten bzw. Verantwortlichen von Verlagerungen auch die Konsumenten zählen. Sie üben einen hohen Kostendruck aus und sind kaum bereit, mehr zu bezahlen, um dadurch zur Erhaltung von Stellen beizutragen 316. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die folgende (ökonomische) Argumentation von HOMANN verkürzt, wenngleich nicht falsch: „Arbeitsplätze stehen immer zur Disposition. Unternehmerisches Handeln ist daran zu messen, ob und wie weit es der Allgemeinheit und nicht den Arbeitsplatzbesitzern dient“ 317. Der skizzierte Gegensatz zwischen der Allgemeinheit (z. B. den Konsumenten) und den Arbeitsplatz-„Besitzern“ ist realiter so nicht anzutreffen, da Menschen, wie in Abschnitt 4.1.2 noch vertieft wird, gleichzeitig mehrere Rollen einnehmen, aus denen gegenläufige Interessen resultieren können318. Aus Aktionärssicht liegt der Hauptzweck des Unternehmens in der Verzinsung319. Für Konsumenten wiederum ist es nützlich, attraktive und günstige Produkte zu erwerben. Zugleich ist es für den Großteil der Aktionäre und Konsumenten aber ebenso wichtig, Arbeitsplatzbesitzer zu sein320, sodass es in der Realität zur Verquickung diverser Dimensionen kommt, die durch die menschliche Ebene (Commitment) noch verworrener wird.

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Vgl. NOLL (2012), S. 276; SCHRAMM (2010b), S. 19f. Genauso wenig scheinen sich viele Kunden (auf globaler Ebene) nicht an den menschenverachtenden Arbeitsbedingungen in der SmartphoneProduktion zu stören. HOMANN (2008). THIELEMANN (2009, S. 5) vergleicht HOMANNs Argumentation daher mit einer Milchbubenrechnung: „Wir sind zwar alle Konsumenten, und in dieser Rolle profitieren wir in der Regel von den „Segnungen“ des Wettbewerbskampfes zwischen den Produzenten bzw. den Beschäftigten […]. Doch sind wir notwendigerweise auch alle Produzenten, denn ansonsten erzielen wir (von Transferzahlungen abgesehen) kein Einkommen und verfügen über keine Kaufkraft. […] Derjenige Personenkreis [aber], der durch den Produzentenwettbewerb in die Arbeitslosigkeit getrieben wird und darum über ein entsprechend niedrigeres Einkommen verfügt, profitiert vom angeblich generell und pauschal „wohltätigen“ Wettbewerb auch als Konsument nicht“. Das Management ist angehalten, Kostensenkungspotenziale aufzudecken und eine attraktive Rendite zu erwirtschaften. Für den Großteil der Arbeitnehmer liegt der Hauptzweck ihres arbeitgebenden Unternehmens in der Bereitstellung eines sicheren Arbeitsplatzes (und das unabhängig davon, ob sie am Unternehmen beteiligt sind, die Produkte des Unternehmens selbst erwerben usw.).

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Weiterhin ist folgender Umstand nicht zu übersehen: Ein Gros der Gesellschaft akzeptiert es und profitiert kurzfristig davon, dass es Bereiche gibt, in denen Menschen zunehmend an den Rand des Arbeitsmarktes gedrängt werden 321. Häufig wird ignoriert, dass, wenn gewisse Bereiche des täglichen Lebens „billig“ sein sollen, in der Folge alle Produktionsfaktoren dieser Bereiche „billig“ sein müssen, auch Arbeit. Sollte es Nokia durch die Verlagerung also gelungen sein, Handys günstiger zu verkaufen, so muss dazugesagt werden, dass die Verlagerung auch auf das Kaufverhalten der Verbraucher zurückzuführen ist. Unabhängig davon ist zu bedenken, dass an der moralischen Legitimität von Stellenverlagerungen nach Deutschland weitaus weniger Zweifel erhoben werden, was den Vorwurf auslösen kann, mit zweierlei Maß zu messen und eine Doppelmoral zu vertreten. Es liegt nahe, dass die bisherigen Überlegungen für viele Unternehmen, die Stellen ins Ausland verlagern, nicht im Fokus stehen, da sie ihre Entscheidungen primär nach betriebswirtschaftlichen Kriterien ausrichten werden. So wäre es naiv zu glauben, das Nokia-Management hätte ein moralisches Interesse daran gehabt, Rumänien einen wirtschaftlichen Aufschwung und Arbeitsplätze zu bescheren 322. Dass das nicht so war, wird noch an der weiteren Entwicklung des Falles deutlich. Dennoch ist zu sehen, dass die Wirkung der ökonomisch motivierten Entscheidung aus Sicht Rumäniens objektiv sozial wünschenswert ist oder sein kann. Faktisch haben die wirtschaftlich Benachteiligten Arbeitsplätze bekommen, während die Bevorzugten Arbeitsplätze verloren haben323. Es kann deshalb von einer gewissen Form der Entwicklungshilfe gesprochen werden, quasi einer Entwicklungshilfe ohne innere Intention. Der Umstand, dass manche Unternehmen (z. B. der Bekleidungs- und Elektroindustrie) am neuen Standort unmenschliche Arbeitsbedingungen ausnutzen und die Menschenrechte in vielen Zielländern ohnehin nicht gesichert sind, wird an dieser Stelle ausgeblendet 324. Sie ändert nichts an 321

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Vgl. dazu auch Unterabschnitt 8.2.2.2. Nach dem Motto: „Schön ist das nicht, aber die sollen mal schauen, wie sie damit klarkommen“. Zu denken ist hier z. B. an einfache Dienstleistungen wie Paketzustellung, Reinigung, Lagerei und Transport. In diesem Sinne stellt AßLÄNDER (2009, S. 54) fest: „Investitionen in einen bestimmten Standort sind nicht mehr bestimmt durch das „Gefühl einer moralischen Verpflichtung“ oder eine bestimmte „Gruppenzugehörigkeit“, sondern werden allein anhand von Kosten-Nutzen-Überlegungen getroffen“. Nokia hat, ohne es zu beabsichtigen, zur Stärkung des wirtschaftlichen Wohlstands in Rumänien beigetragen. Die komparativen Kostenvorteile der Entwicklungsländer sollten genutzt werden, da sie die Eintrittskarte dieser Länder in den Weltmarkt darstellen. Das bedeutet aber nicht, jedwede Arbeitsbedingungen vor Ort (bis hin zu Kinderarbeit, sexueller Belästigung von Frauen usw.) dulden zu

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 101 den sozialen und ethischen Effekten, welche Arbeitsplatzverlagerungen haben können. Folglich ist der Fall Nokia bzw. sind Standortverlagerungen allgemein ambivalent, sodass ihre ethische Beurteilung schwerfällt. Zudem besteht, wie hier geschehen, das Erfordernis, die moralische Perspektive zu splitten, um unterschiedliche Effekte bewerten zu können. Wie bei anderen Entscheidungen gibt es auch bei Arbeitsplatzverlagerungen nicht die Wahl zwischen den beiden Alternativen „ethisch verwerflich“ und „ethisch korrekt“. Realistischer dürfte es sein, von ethischen Grauzonen auszugehen, deren Wahrnehmung von der subjektiven Perspektive des Betrachters (seinen Interessen, Absichten usw.) abhängt. Bis zu dieser Stelle wurde das Argument starkgemacht, dass die Verlagerung nach Rumänien ethisch wünschenswert oder vorzugswürdig sein kann, da die Stellen dort unter wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Aspekten dringender benötigt werden325. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es bei Nokia bereits drei Jahre nach der Ansiedlung in Rumänien erneut zu Standortverlagerungen gekommen ist (2012 nach Indien, 2013 nach Vietnam)326. Nokia ist also weiter Richtung Asien gezogen, wo das Lohnniveau noch niedriger war, wo erneut Subventionen lockten und ein Markt vorübergehend attraktiv erschien327. Vor diesem Hintergrund ist aus

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müssen. Unternehmen haben vielmehr eine Fürsorgepflicht und für menschenwürdige Arbeitsplätze zu sorgen (vgl. HOMANN 2008; EMUNDS 2008, S. 74). Dies war auch die Sichtweise der Menschen vor Ort, wie folgende Aussage eines ehemaligen Mitarbeiters aus Cluj verdeutlicht: „Wir dachten Nokia würde uns als Firma aus dem Westen ein besseres Lebensniveau ermöglichen. Deshalb hatten wir uns so gefreut, als der Konzern nach Jucu kam“ (MÜLLER 2011). Am 29. September 2011 gab Nokia bekannt, Nokia-Village in Cluj (zirka 2.200 Arbeitsplätze, geplant bis zu 15.000; Investition 60 Mio. Euro) zu schließen, um die Produktion nach Asien (China, Südkorea, Indien, Vietnam) zu verlagern (vgl. KNOP 2011; WDR 2012). Wie schon bei der Werksschließung in Bochum erklärte Nokia erneut, dass es nicht mehr wettbewerbsfähig sei. Außerdem lägen die neuen Standorte strategisch günstiger bei den relevanten Hauptabsatzmärkten für Geräte einfacher Bauart sowie den Produzenten der Zulieferteile. Die Löhne wurden der Belegschaft bis einschließlich März 2012 weitergezahlt, im April 2012 folgte eine Abfindung in Höhe von drei bis sieben Monatslöhnen (durchschnittlicher Nettolohn im Werk Cluj: 170-240 Euro/ Monat; zum Vergleich: durchschnittliche Abfindung im Werk Bochum 2008: 86.000 Euro/ Mitarbeiter). Nokia hat seine Mitarbeiter in Cluj zwar über dem Mindest-, aber unter dem durchschnittlichen Nettolohn gezahlt, der bei zirka 320 Euro/ Monat lag (vgl. LAUER 2010). Mit vom EU-Globalisierungsfonds finanzierten Fortbildungsprogrammen wurden die Arbeiter ab Dezember 2011 (u. a. zu Köchen, Gärtnern, Kraftfahrern und Lagerarbeitern) umgeschult (vgl. ROSER 2011). NGOs schätzen die Subventionen und Steuerbegünstigungen („Tax Holidays“), welche Nokia allein in Indien erhalten hat, auf 100 Mio. Euro (vgl. WDR 2012). Die ethische Bewertung der Maßnahme wird dadurch erschwert, dass sich die unternehmensinternen und -externen Rahmenbedingungen zwischen 2008 und 2012 verändert haben. Nokia hatte 2011 und 2012 hohe Verluste zu

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

heutiger Sicht nach der tatsächlichen moralischen Ambivalenz der Managemententscheidung aus 2008 zu fragen. Analog zur ersten könnte auch bei der zweiten Verlagerung argumentiert werden, dass Arbeitsplätze in Rumänien nicht vorzugswürdiger sind als Arbeitsplätze in Indien und Vietnam 328. Unter diesem Aspekt wäre die Verlagerung erneut ambivalent oder sozial wünschenswert. Unabhängig davon ist denkbar (und teils wohl auch geschehen), dass Nokia als eine Art Initiator weitere Investoren an den Standort Cluj locken konnte, die Stellen schaffen oder erhalten und so die ursprüngliche Ambivalenz-Logik 1.0 (als „Ambivalenz 2.0“329 bzw. „3.0“330) fortführen konnten.

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verzeichnen (2011: 1,16 Mrd. Euro, 2012: 3,1 Mrd. Euro). Es bestand der Druck, weitere Kosten einzusparen. Neben der Wirtschafts- und Finanzkrise ab Herbst 2008 spielte hier der Umstand eine Rolle, dass Nokia nach Expertenmeinung wichtige technologische Trends nicht früh genug erkannt hat (vgl. Spiegel Online 2011). Jedoch gilt auch hier, was bereits im Zusammenhang mit der ersten Verlagerung angedeutet wurde: Außenstehende sind nur eingeschränkt in der Lage, die Rationalität der (zweiten) Verlagerung zu beurteilen. Es wäre im Nachhinein zu einfach, Fehlentwicklungen allein auf Managementfehler zurückzuführen. Zudem würde es eine Doppelmoral darstellen, Nokia einerseits vorzuwerfen, den Smartphone-Markt verschlafen zu haben, gleichzeitig aber den Stellenabbau anzuprangern. Zugleich ist die skizzierte Entwicklung ein Beleg für die „schöpferische Zerstörung“ (vgl. SCHUMPETER 1980, S. 134ff.) des Marktwettbewerbs: „Der fundamentale Antrieb, der die kapitalistische Maschine in Bewegung setzt und hält, kommt von den neuen Konsumgütern, den neuen Produktions- und Transportmethoden, den neuen Märkten, den neuen Formen der industriellen Organisation, welche die kapitalistische Unternehmung schafft“ (ebd., S. 137). Es handelt sich um einen Prozess, „der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revolutioniert, unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft“ (ebd., S. 138). Es könnte auch gesagt werden: Der Marktwettbewerb trägt eine Ambivalenz in sich: Für die Kunden ist der erbarmungslose Markt von Vorteil, da sie in immer kürzeren Zyklen neue Produkte kaufen können. Die Wettbewerbswirtschaft ist damit, ähnlich wie ein Fußballspiel, so konstruiert, dass sie für den Nachfrager (Zuschauer) - nicht für den Anbieter - einen hohen Nutzen (ein spannendes Spiel) generieren soll. Ihre Kehrseite ist aber, dass Unternehmen, die Trends zu spät erkennen, zugrunde gehen, wodurch Stellen wegfallen. Spätestens hier wird deutlich, dass zur Produzenten- oder Anbieterseite doch auch die Arbeitnehmer gehören. Im Gegenteil: In Ländern wie Indien oder Vietnam, deren Wohlstandsniveau nochmals unter dem von Rumänien liegt, ist die Arbeitsplatzschaffung sogar ein noch dringlicheres Anliegen als im Falle von Rumänien. Auch SCHRAMM (2010b, S. 20) stellt die Frage: „Sollten die Arbeitsplätze womöglich nicht in Rumänien neu entstehen, sondern [von vornherein] in [der] Subsahara-Afrika, wo die Armut noch ungleich größer ist?“ Anfang 2012 wurde das Nokia-Werk in Cluj vom italienischen Haushaltsgerätehersteller DeLonghi gekauft (vgl. manager magazin 2012). Ob und wie viele Mitarbeiter dabei übernommen wurden, ist unbekannt. Laut IHK-Informationen (Dokument-Nr. 132269) waren 2014/ 2015 in der Region Cluj allein „über 70 deutsche Firmen vertreten. Der Wert des Investitionsvolumens belief sich im Jahr 2013 auf schätzungsweise über 500 Millionen Euro“. Bei der „Ambivalenz 3.0“-Logik sind zwei idealtypische Szenarien denkbar. Im hier betrachteten Fall ist Szenario 1 angesprochen: In Asien sind Stellen entstanden und in Rumänien konnten, trotz Abwanderung von Nokia, Stellen erhalten oder (durch Neuansiedlungen) geschaffen werden. Da

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 103 Andererseits stellt sich die Frage nach den Nettoeffekten für Cluj und den Wirtschaftsstandort Rumänien insgesamt. Es ist zu vermuten, dass die Menschen in Cluj infolge der erneuten Verlagerung praktisch wieder auf den Zustand vor der Nokia-Ansiedlung zurückgefallen sind, was zeigt, dass die ursprüngliche Argumentations- und Ambivalenz-Logik, die von einem Aufschwung für Cluj bzw. Rumänien ausgegangen ist, im Nachhinein nur noch bedingt zutrifft und in ihrer Gültigkeit an Bedingungen geknüpft ist: Eine Region wie Cluj erhofft sich von Unternehmensansiedlungen steigende Gewerbesteuereinnahmen, neue Arbeitsplätze und bessere Ausbildungschancen für Kinder und Jugendliche. Ein Land wie Rumänien erhofft sich einen möglichst langfristigen, über Jahrzehnte andauernden Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung. Letztlich war das nur drei Jahre andauernde Engagement von Nokia aber zu kurz, um gesellschaftlich-politische und wirtschaftliche Nettoeffekte in Gang zu setzen331. Vielmehr ist sogar davon auszugehen, dass die in den drei Jahren nur geringfügig gestiegenen Steuereinnahmen kaum ausreichend waren, um die Investitionen, welche Cluj in der Hoffnung auf eine langfristige Ansiedlung von Nokia vorgenommen hat, zu amortisieren 332. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich auf Dauer auch andere Investoren vom Vorgehen des Nokia-Managements leiten lassen und selbst Arbeitsplätze aus Rumänien abgezogen (oder erst gar nicht dort investiert) haben. In diesem Fall wäre infrage zu stellen, inwieweit die ursprüngliche „Ambivalenz 1.0“-Logik noch greift (oder ob nicht sogar Schaden für den Standort entstanden ist)333. Eine gewisse Mittel- oder Langfristigkeit des Unternehmensengagements ist damit als Bedingung für die Gültigkeit der beschriebenen Ambivalenz-Logik anzusehen.

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die Verlagerungsaktivitäten von Nokia sowohl in Rumänien als auch in Indien und Vietnam soziale Effekte hatten, kann aus Sicht dieser Länder von einer Win-win-Situation gesprochen werden. Dadurch, dass in Deutschland bereits 2008 Stellen verloren gingen, bleibt es in der Gesamtschau aber bei einer ambivalenten Situation (Ambivalenz 3.0). „[K]urzfristige [...] Aktivitäten, bei denen ein Unternehmen jeweils nur die aktuell in einem Land vorhandenen Kostenvorteile nutzt und weiterzieht, sobald ein anderes Land günstigere Konditionen zu bieten scheint, wirken sich kaum positiv und nicht selten sogar negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung des Ziellandes aus“ (EMUNDS 2008, S. 60, vgl. auch ebd., S. 74). Vgl. WDR (2012). Die Region Cluj hat die Ansiedlung von Nokia eigenen Angaben zufolge mit rund 33 Mio. Euro subventioniert. U. a. wurde in die Infrastruktur investiert (z. B. wurde ein Bahnhof sowie ein ganzer Industriepark mit Zugangsstraßen, Gas-, Wasser- und Stromleitungen errichtet). Damit ist Szenario 2 angesprochen: Deutsche und rumänische Arbeitnehmer haben ihre Stellen verloren, zugleich sind in Indien und Vietnam neue Stellen entstanden. Da die Verlagerungsaktivitäten von Nokia damit zumindest in Indien und Vietnam einen sozialen Effekt hatten, bleibt es in der Gesamtschau bei einer ambivalenten Situation (Ambivalenz 3.0), auch wenn es mittlerweile zwei Verlierer und einen Gewinner gibt.

104

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Andernfalls ist es nicht möglich, nachhaltige Effekte zu bewirken, welche dann auch objektiv ethisch positiv zu werten wären334. Außerdem würde die Gefahr bestehen, dass das (eigentlich legitime) Argument des „dynamischen Marktes“ und „globalen Wettbewerbs“ zunehmend zum Totschlagargument verkommt, da es bis zu einem gewissen Punkt irgendwo auf der Welt immer möglich sein wird, noch günstiger zu produzieren. Abschnitt 3.3.3 beleuchtet die Auswirkungen und Probleme, welche aus einer Nichteinhaltung bzw. Ignoranz impliziter Arbeitsverträge (und der aus diesen hervorgehenden ethischen Erwartungen) entstehen können. Zur Fundierung der in diesem Kontext angestellten Überlegungen werden grundlegende metaethische Reflexionen angestellt, anhand derer sich die logische Struktur und intuitive Verständlichkeit der von verschiedenen Gruppen hervorgebrachten ethischen Argumentationen analysieren lässt.

3.3.3

Governance unvollständiger Verträge als Kernanliegen der Unternehmens- und Managementethik

Sowohl Ökonomen als auch Ethiker gehen häufig vertragstheoretisch vor und rekonstruieren gesellschaftliche Zustände nach dem Muster von Verträgen. Wie gezeigt, gibt es in Verträgen Bestandteile, die unvollständig bleiben, da sie sich juristisch, über die Vertragsformulierung, nicht festlegen lassen. Auch im Arbeitsvertrag sind Leistung und Gegenleistung nur zum Teil exakt spezifiziert. Die Wirtschaft bzw. Unternehmen sind insofern von unvollständigen, durch Ambiguität und Kontingenz335 gekennzeichneten Verträgen durchzogen, wobei im Folgenden gezeigt wird, welche Rolle der Moral bei der Unvollständigkeit von Verträgen zukommt336. Es gilt zu klären, was die Unvollständigkeit von Arbeitsverträgen mit 334

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Im Gegenteil: „Wenn ein Unternehmen zur Wahrnehmung von nichts als Kostenvorteilen an einem Standort Arbeitsplätze schlagartig abbaut, um sie am anderen Standort wieder zu etablieren, dann handelt es sich um eine Form von Umverteilung. Das Unternehmen strebt einen Nutzen an, der aber unmittelbar auf Kosten der bisherigen Mitarbeiter geht. Es wird also ein gewichtiges und legitimes Anliegen der Mitarbeiter hart getroffen, weil es unter Umständen um die Existenz dieser Menschen geht“ (PETER ULRICH in ENGLISCH 2008). Vgl. dazu Abschnitt 3.3.4, der sich mit dem Begriff der „Kontingenz“ befasst. Wegen der Unvollständigkeit von Verträgen besteht erst die Möglich- und Notwendigkeit, ethisch zu handeln, da Transaktionen, welche unter vollständiger Information zustande kämen, keine ungelösten moralischen Fragen aufwerfen würden (vgl. WIELAND 2001a, S. 12). Ähnlich HOMANN/

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 105 ethischen Erwartungen zu tun hat und wie beide zusammengeführt werden können337. Eine Annahme ist, dass die Ethik einen nützlichen Beitrag zum Problem unvollständiger Verträge leisten kann338. Bringt man den Beitrag auf eine Formel, so könnte man sagen: Die (Management- und Unternehmens-)Ethik dient der bzw. erörtert die Governance (lat. gubernare: das Schiffsruder führen) unvollständiger Verträge. Die Frage ist, wie und unter welchen Bedingungen das Management das Unternehmen zu steuern hat, sodass daraus ein produktiver Umgang mit der Unvollständigkeit von Verträgen resultiert339. Wie bereits mit dem Fallbeispiel Nokia angedeutet wurde und wie noch zu zeigen sein wird, tritt ein unethischer Zustand dann ein, wenn von Unternehmen aufseiten der Belegschaft oder anderen Stakeholdern falsche Erwartungen geweckt werden. Ob Arbeitnehmer aber in moralisch heiklen Situationen, die mit einer Arbeitsplatzgefährdung einhergehen, ethisch korrektes Verhalten vom Arbeitgeber erwarten können, ist, abstrakt gesprochen, zunächst eine Frage der Existenz moralischer Güter. Unter moralischen Gütern sind „personale Werte und Wertschätzungen wie Ehrlichkeit, Loyalität, Offenheit, Fairness, Würde und so weiter [zu] verstehen, die [einzelnen, Gruppen oder allen Mitarbeitern unter Bedingungen der Knappheit] gemeinsam mit wirtschaftlichen Gütern zugewiesen werden“340 - oder

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LÜTGE (2004, S. 87): „Eigenständiges „moralisches“ Verhalten von Unternehmen […] ist dort sinnvoll zu fordern, wo die systematische Offenheit von Verträgen [und die daraus resultierende Ausbeutungsgefahr durch eigeninteressierte Akteure] kompensiert werden muss. Moral - […] Fairness, Integrität, Vertrauen etc. - hat die Aufgabe, die durch unvollständige Verträge verursachte Unsicherheit aufzufangen und die damit verbundenen Kosten von Interaktionen zu senken“. Vgl. auch HOMANN (2002c), S. 161; HOMANN/ BLOME-DRESS (1992), S. 125f.; LÜTGE (2012), S. 98, 189; LÜTGE (2007), S. 48f.; LÜTGE (2004), S. 15; WIELAND (2001b), S. 104f.; LUCKE/ LÜTGE (2011), S. 307; GÖBEL (2013), S. 80. Es liegt ein systematisches Problem vor: Da Verträge unvollständig sind, gilt es zu klären, wie sich diese Unvollständigkeit managen lässt. Die Annahme ist, dass es sinnvoll erscheint, hierbei auch die Unternehmens- und Managementethik ins Kalkül zu ziehen. Andernfalls würden Gestaltungsoptionen verschenkt werden. Vgl. HOMANN/ LÜTGE (2004), S. 88; HOMANN (1997b), S. 189. „Wenn es gelingt, unvollständige Verträge mit Hilfe einer entsprechenden Unternehmenskultur und Unternehmensethik produktiv zu machen, sind diese Unternehmen am Markt im Vorteil. [...] Ethik ermöglicht Flexibilität, und Ethik bestimmt, wieviel produktive Unvollständigkeit von Verträgen sich ein Unternehmen leisten kann“ (ebd., S. 191). Oder kurz gefragt: Wie ist das zu managen („handlen“), was in Verträgen nicht explizit festgehalten ist? WIELAND (1996), S. 7, ähnlich S. 20, 30. Vgl. auch WIELAND (1993, S. 16): „Wird ein Vertrag gehalten, auch wenn er durch eine der beiden Parteien zu ihrem Vorteil kostenlos gebrochen werden könnte, dann alloziiert diese Partei moralische Güter, und die andere Partei erhält sie“. Ein Unternehmen alloziiert das moralische Gut Fairness an den Vertragspartner Mitarbeiter, indem es

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

nicht341. Von dieser (Nicht-)Zuweisung hängt die Qualität und Verlässlichkeit impliziter Verträge maßgeblich ab, da sie erst dessen „implizite[...] Erwartungen und Versprechungen aktivieren“342. Dabei ist der Begriff „wirtschaftliches Gut“ nicht zu eng auszulegen. Auch beim Arbeitsvertrag und der mit diesem festgelegten Entlohnung handelt es sich, je nach Auslegung, um ein wirtschaftliches Gut 343. Zu beachten ist außerdem, dass „[m]oralische Güter [...] zusammen und nicht separierbar mit wirtschaftlichen Gütern erworben [werden], [gerade] weil [...] formale Verträge unvollständig sind“344. Auf den hiesigen Kontext bezogen bedeutet das, dass Arbeitsplatzsicherheit weder über den Markt als Zusatzkomponente zur Entlohnung hinzuerworben345, noch rechtlich bindend eingefordert werden kann 346. Stattdessen müssen die Arbeitnehmer darauf hoffen, dass ihnen in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag und der Entlohnung auch moralische Güter vom Unternehmen zugewiesen werden, welche den psychologischen Arbeitsvertrag und die hinter diesem stehenden impliziten Erwartungen aktivieren 347.

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implizite Vertragsleistungen (z. B. Bemühungen zum Stellenerhalt) erbringt, welche es kostenlos brechen könnte. Dieser Zuweisungsaspekt von Achtung fällt bei den Mitarbeitern als wirtschaftlicher Ertrag an (Vermeidung von Einbußen aus Stellenverlust). Für das Unternehmen fallen Opportunitätskosten an, nämlich der entgangene Gewinn aus Opportunismus. Diese Kosten sind zugleich als Investition in das Statusgut Vertrauenswürdigkeit zu werten, das Bestandteil seines Reputationskapitals ist. Vgl. WIELAND (1996), S. 14, 213. WIELAND (1996), S. 7. Vgl. auch ebd., S. 11. Arbeitsverträge stellen „Güter [dar], die knapp und quantifizierbar sind und deren Verteilung über Marktoperationen gesteuert werden“ (WIELAND 1996, S. 20). WIELAND (1996), S. 162, ähnlich S. 7. Vgl. auch WIELAND (1993), S. 17f.; ARROW (1974), S. 23. Moralische Güter haben ohnehin keinen Marktpreis. Vgl. WIELAND (1996), S. 7, 162. Eine äquivalente Argumentation resultiert aus Unternehmenssicht für die Leistungen der Mitarbeiter: Auch sie erbringen die „Gütergruppen“ Arbeitsleistung (Arbeitszeit = wirtschaftliches Gut) und Arbeitseinsatz (Fleiß, Pünktlichkeit = moralische Güter) in einem Leistungspaket (vgl. WIELAND 1996, S. 7, 19f.). So erstellt ein Schreiner nicht eine Vitrine und (als separate Nebenprodukte) zusätzlich noch Fleiß und Pünktlichkeit. Sein Fleiß und seine Pünktlichkeit sind integrale Bestandteile des Produktionsprozesses. Diese Aktivierung kann sich wiederum positiv auf die Integrität diverser arbeitsplatzbezogener Transaktionen auswirken (etwa indem Stellen doch nicht oder integer abgebaut werden). Dies ist aber nicht zwingend der Fall, sondern von den zu erwartenden Folgen abhängig, die durch die Aktivierung moralischer Güter ausgelöst werden. WIELAND (1996, S. 8, 159) weist deshalb darauf hin, dass moralische Güter psychologische Verträge nicht nur aktivieren, sondern auch beschränken. Nur so kann die Leitdifferenz Aufwand/ Ertrag aufrechterhalten und vermieden werden, bei rein tugendethischen Ansätzen stehen zu bleiben (vgl. dazu auch Abschnitt 7.3.2). Es wäre also, um beim Beispiel des Stellenabbaus zu bleiben, nicht sinnvoll, die impliziten Erwartungen des psychologischen Vertrags (z. B. Loyalität) per se einseitig zu aktivieren und einzufordern (z. B. durch einen rigorosen Entlassungsverzicht). Aus konsequentialistischer Sicht kann es geboten sein, die Loyalität zu den Mitarbeitern zu beschränken oder zu beenden.

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 107 Das Problem ist nun, dass eine Zuweisung bzw. Aktivierung moralischer Güter nicht vorausgesetzt werden kann, da nicht auszuschließen ist, dass mindestens ein Vertragspartner den psychologischen Arbeitsvertrag durch einen Vertrauensmissbrauch verletzt348. Ein Beispiel hierfür ist der Stellenabbau bei Hewlett-Packard aus 2001, der im Folgenden skizziert wird349: Nachdem HP 2001 durch rückläufige Absatzzahlen, harten Preiskampf und die immer geringeren Margen in der Branche in eine wirtschaftliche Schieflage geraten ist, wurden u. a. die 5.500 Mitarbeiter (inklusive Management) der Böblinger Niederlassung schriftlich durch die Konzernspitze gebeten, sich an einem freiwilligen, anonymen Gehaltsverzicht zu beteiligen, um so zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen beizutragen350. Obwohl das Böblinger HP-Management mit gutem Beispiel vorangegangen ist, indem es auf 15 % der Bezüge verzichtet hat, und sich auch drei Viertel der Mitarbeiter der Aktion angeschlossen haben, wurde bereits am Folgetag von der Konzernspitze verkündet, dass Tausende von Arbeitsplätzen, in Deutschland zunächst 300, abgebaut werden. Im Hinblick auf folgende Überlegungen ist anzumerken, dass nicht angezweifelt wird, dass es für den Stellenabbau plausible, auf ökonomischen Kennzahlen beruhende Gründe gab. Die Teilnahme an einem Gehaltsverzicht muss nicht automatisch mit dem dauerhaften Erhalt einer Stelle einhergehen, da Arbeitsplätze auch kurzfristig unrentabel werden können. Eben deshalb kann es in Arbeitsverträgen keine formalen, juristisch durchsetzbaren Festlegungen geben, die Arbeitsplatzsicherheit oder einen integren Umgang mit Entlassungen garantieren. Die Arbeitnehmer sind, wie angedeutet, bei Vertragsschluss auf Vermutungen angewiesen, was den zukünftigen Umgang ihres Arbeitgebers mit dem impliziten Teil des Arbeitsvertrags angeht - oder um in obiger Terminologie zu bleiben: ob es zur Zuweisung und Aktivierung moralischer Güter kommt 351. Der Gedanke, auf den es

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Ob es zur Zuweisung kommt, hängt, wie noch gezeigt wird, auch vom moralischen Interesse der Akteure ab. Vgl. Handelsblatt (2001a); SCHOLZ (2003), S. 94ff. Vgl. SCHOLZ (2003), S. 96. Bewerber haben z. B. die Möglichkeit, sich über das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten eines Arbeitgebers (etwa im Zusammenhang mit Entlassungen) zu informieren. Inwieweit solche Informationen die Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber beeinflussen, hängt vom moralischen Interesse, aber auch von den Chancen ab, die sich Bewerber auf dem Arbeitsmarkt generell aus-

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nun aber ankommt, ist folgender: Das Vorgehen von HP hätte nicht so heftig und ruckartig ausfallen müssen, wenn HP sensibler mit der moralökonomischen Dimension impliziter Arbeitsverträge und Verhaltenserwartungen umgegangen wäre. Aus moralischer Sicht ist dabei hervorzuheben, dass ein Stellenabbau vor allem dann als ungerecht erlebt wird, wenn für die Betroffenen der Eindruck entsteht, dass unternehmensseitig keine Anstrengungen unternommen werden, um den aus dem impliziten Arbeitsvertrag resultierenden Pflichten nachzukommen. Im betrachteten Fall kommt hinzu, dass HP lange Zeit stark mit hohen kulturellen Werten gearbeitet hat, denen durch mehrere, fast propagandistisch wirkende Rituale (wie regelmäßige Feste, Urlaube oder das gemeinsame HP-Frühstück) starker Ausdruck verliehen wurde352. Von daher liegt die Vermutung nahe, dass das Vorgehen der HP-Führung den ehemaligen Mitarbeitern einen gehörigen Schock versetzt haben muss. Das gilt vor allem für all jene, die sich am Gehaltsverzicht beteiligt haben353. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, inwieweit HP den Mitarbeitern gegenüber lange Zeit nicht nur eine heile, sich am traditionellen psychologischen Arbeitsvertrag orientierende Welt vorgelebt (ketzerisch formuliert: vorgegaukelt) hat, welche so nie existent war. Es liegt nahe, dass die Mitarbeiter aus der Teilnahme am Solidarverzicht die Erwartung abgeleitet haben, dass ihre Stellen dadurch sicherer geworden sind, auch wenn hierüber kein expliziter Vertrag bestand. Was HP nicht wahrnahm oder ignorierte, war, dass durch den Solidarverzicht ein auf moralischen Werten beruhender, impliziter Vertrag zustande gekommen war, aus dem

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rechnen. Unabhängig davon muss ein in der Vergangenheit gezeigtes (Fehl-)Verhalten nicht zwingend ein Indikator für zukünftiges Verhalten sein, gerade dann nicht, wenn Unternehmen aus Fehlern gelernt haben oder ein Wechsel im Management stattgefunden hat. Vgl. Handelsblatt (2001b). Zum sog. „HP-Way“, der auf die Gründer BILL HEWLETT und DAVID PACKARD zurückgeht, gehör(t)en u. a.: Kooperativer Führungsstil, Sicherheit für die Mitarbeiter, totales Vertrauen, Anrede mit Vornamen, Ehrlichkeit und Respekt, Loyalität und kompromisslose Integrität, Verzicht auf Statussymbole, offene Kommunikation, weitgehender Verzicht auf Gewerkschaften. Der Umstand, dass so viele Mitarbeiter am Solidarverzicht freiwillig mitgewirkt haben, ist als Indiz für eine intakte Unternehmenskultur zu werten, die bei HP zum Zeitpunkt des Stellenabbaus vorgelegen haben muss. Für das verbleibende Viertel der Mitarbeiter, die wegen der entstehenden Einbußen nicht an der Aktion mitgewirkt haben, könnte argumentiert werden, dass auch sie ihren Teil des psychologischen Vertrags nicht erfüllt haben, wobei hier mehrere Sonderfälle denkbar sind, auf die nicht im Detail eingegangen werden soll. So kann es sein, dass sich Mitarbeiter zwar gerne in solidarischer Absicht an der Aktion beteiligt hätten, dazu aber wegen ihres begrenzten finanziellen Spielraums nicht in der Lage waren. Umgekehrt ist vorstellbar, dass sich Mitarbeiter nur aus Angst vor Repressalien von Kollegen der Aktion angeschlossen haben (vgl. WOLFF 2001, S. 32).

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 109 zwar keine direkten (das Vorgehen war legal), aber indirekte Verpflichtungen hervorgingen: Die Mitarbeiter verhalten sich solidarisch und verzichten auf Gehalt oder Urlaub, im Gegenzug werden ihre Stellen erhalten oder Bemühungen angestellt, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Der Umstand, dass am Tag nach der Solidaritätsentscheidung Tausende von Entlassungen verkündet wurden, ohne die Gründe klar anzugeben, führte aus Mitarbeitersicht intuitiv zur Verletzung des psychologischen Vertrags354. Der daraus resultierende „normative Konflikt“355 kann nicht nur eine Schädigung der Arbeitsatmosphäre und des Teamgeists, sondern auch der Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen bewirken, da sie den Eindruck bekommen, instrumentalisiert worden zu sein, um die Unternehmensperformance zu steigern (nach dem Motto: Der Ehrliche ist der Dumme)356. Zugleich wurde ihnen der Blick dafür versperrt, sich auf die realen Gegebenheiten im Unternehmen und den generell stattfindenden Wandel vom „alten“ zum „neuen“ psychologischen Vertrag einzustellen. Die Qualität des Managements hängt aus ethischer Sicht daher u. a. davon ab, inwieweit es den psychologischen Kontrakt in sein Kalkül aufnimmt, und zwar unabhängig davon, ob es die impliziten Mitarbeitererwartungen (hinsichtlich Loyalität, Integrität usw.) für berechtigt hält. Entscheidend ist nur, ob derartige Erwartungen existieren oder nicht. Dies gilt auch für andere vergleichbare Fälle: Man 354

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Denn: Als es darauf ankam, wurde die Unvollständigkeit des Vertrags gerade nicht durch die unternehmensethische Tradition ausgefüllt. Vgl. SCHRAMM (2007c), S. 114ff.; KAUFMANN (1997), S. 156. Im vorliegenden Fall kommt es zu einem normativen Konflikt, weil das eigeninteressierte Handeln des Unternehmens auf das moralische Interesse der Belegschaft (an Fairness usw.) trifft. Korrekterweise ist hinzuzufügen, dass die Mitarbeiter auch ein (vom moralischen Interesse unabhängiges) Eigeninteresse am Erhalt ihrer Stellen (und damit an der Solidaraktion) haben. Insofern hat WIELAND (1996, S. 6) Recht: „Die Einhaltung des impliziten Arbeitsvertrages zählt“. Unternehmen sollten implizite Fairnesserwartungen nicht ignorieren, zumal diese auch betriebswirtschaftlich relevant sein können. Arbeitnehmer haben ein Interesse an einer integren Unternehmensatmosphäre, die zugleich essenziell für produktives Arbeiten ist. Folglich „zählt“ umgekehrt auch die Nichteinhaltung des impliziten Vertrags (bzw. die Nichtbeachtung der impliziten Mitarbeitererwartungen), nämlich in der Hinsicht, dass es sich ökonomisch negativ auswirken kann, wenn Vertrauenskapital verspielt wird und Mitarbeiter mit Leistungsentzug reagieren. Ethisch spricht vieles dafür, dass der Eindruck der Ungleichbehandlung durch ein alternatives Abstimmungsverfahren begrenzbar gewesen wäre. Zu denken ist hier z. B. an eine Kollektiventscheidung, bei der nach Erreichen der erforderlichen Ja-Stimmen (in Höhe von 50 oder 75 %) alle Mitarbeiter auf Lohn oder Urlaub verzichtet hätten (wobei zu sehen ist, dass die Umsetzung solcher Alternativansätze teils durch arbeitsrechtliche und tarifvertragliche Normen blockiert wird). Die Anonymität der Aktion hat jedenfalls bei vielen Mitarbeitern ein Ungerechtigkeitsgefühl erzeugt, gerade wenn jene Kollegen entlassen wurden, die auf Gehalt oder Urlaub verzichtet haben.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

denke an ein Unternehmen, das (ähnlich wie Nokia) trotz schwarzer Zahlen ein Werk kurzfristig schließt. Dabei sei unterstellt, dass das Werk erst kurz zuvor, womöglich unter Gewährung öffentlicher Mittel, eröffnet oder ausgebaut wurde, dass in großem Umfang Personal eingestellt oder aus anderen Bereichen integriert wurde usw. Für die Beschäftigten waren solche Investitionen, wie im Falle von HP, mit der Erwartung verbunden, dass ein langfristiges Interesse am betreffenden Werk bestehen muss357. In der Folge haben sie sich auf eine dauerhafte Beziehung zum Arbeitgeber eingestellt, was weitreichende Folgen haben kann (z. B. Umzug zum Arbeitsort, Umschulung der Kinder, Finanzierung von Wohneigentum). Der Punkt ist nun: Auch in diesem Fall ist es zweitrangig, inwiefern die Erwartungen der Mitarbeiter berechtigt sind358. Sobald das Management erahnt oder weiß, dass von den Mitarbeitern bestimmte Erwartungen entwickelt werden, müssen diese Erwartungen aus Gerechtigkeitsgründen aufgegriffen (Frage: Worin liegen die impliziten Erwartungen der Mitarbeiter?), ggf. in die richtige Bahn gelenkt und berücksichtigt werden. Bei ungerechtfertigten Erwartungen ist den Mitarbeitern klarzumachen, dass ihre Erwartungen nicht oder nur partiell erfüllbar sind. Hierzu müssen die Erwartungen vom Management aber zunächst berücksichtigt und „gehandlet“ werden. Keinesfalls darf das Ziel darin bestehen, den Mitarbeitern das Bild einer sich fernab des Wettbewerbs befindlichen Welt zu vermitteln, in der ihre Stellen dem Anschein nach auf alle Zeit sicher sind. Ein solches Verhalten wäre höchst unethisch359. Integrer ist es, eine Unternehmensatmosphäre zu schaffen, in der ein realistisches Gefühl dafür vermittelt wird, dass die Mitarbeiter zwar für das Unternehmen wichtig sind und man als verlässlicher Interaktionspartner bemüht ist, Stellen zu erhalten, dass man sie aber auch entlassen wird, wenn es die Umstände erfordern. Zum Abschluss des Abschnitts folgt eine Zusammenfassung des Gedankengangs aus metaethischer Perspektive 360. 357

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Ebenso sind sie davon ausgegangen, dass das Management für die am Standort produzierten Güter und Dienstleistungen ein ausreichend großes Absatzpotenzial für die Zukunft prognostiziert hat. Das gilt selbst dann, wenn bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte absehbar sein müssen, dass die Stellen, etwa aufgrund des schrumpfenden Marktes in der Branche, unsicher geworden sind. Vgl. TITTLE (2010), S. 286. Die Meta- macht im Unterschied zur normativen Ethik keine inhaltlichen Pro- und Contra-Aussagen darüber, wie Menschen leben sollen und welches Handeln sittlich gut oder schlecht ist (vgl. GÖBEL 2013, S. 29f.; zur „These der normativen Neutralität metaethischer Aussagen“ vgl. SCHWARTZ 1984, S. 19ff.). Sie debattiert also nicht über Sachfragen wie: Was soll die Norm des Handelns sein? Was ist das normative Kriterium (Durchschnittsnutzen, Maximin-Prinzip usw.)? Was soll konkret getan werden? Was ist gerecht (richtig, unparteilich)? Die Metaethik beleuchtet stattdessen von oben (deshalb „Meta“), was Moral ist, wie Argumentationen in der Ethik ablaufen, wie sie gerechtfertigt werden (bzw. ob eine Rechtfertigung überhaupt möglich ist), wie rational

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 111 In der Sprache der Metaethik ausgedrückt sollte der Versuch unternommen werden, die moralische Vorleistung des Lohnverzichts mit der Rettung von Arbeitsplätzen zu belohnen (= präskriptives, wertendes, empfehlendes, vorschreibendes Bedeutungselement)361. Eben darin lag die implizite Erwartungshaltung aus dem unvollständigen Arbeitsvertrag. Hinter dieser wertenden Stellungnahme, die eine persönliche Ansicht widerspiegelt, steht - quasi als Rechtfertigung - eine generelle, unbestreitbare ethische Positionierung (in HAREs Worten: eine moralische Prinzipienentscheidung362), welche viele, wenn auch nicht zwingend alle Mitarbeiter intuitiv vertreten363. „Sie hält die letzte [nicht weiter begründbare] Stelle im Prozess der Rechtfertigung einer Entscheidung inne“ 364. Im betrachteten Fall handelt es sich z. B. um den Aspekt der Gegenseitigkeit und die damit einhergehende Forderung nach einem (halbwegs) ausgeglichenen Verhältnis von Geben und Nehmen: Es ist im Prinzip falsch, zu nehmen, ohne zurückzugeben 365. Der Schritt, auf den HARE hinaus will (und der die Schlussfolgerung darstellt), liegt in der logischen Universalisierbarkeit ethischer Sätze366: Wenn man sich, wie im vorliegenden Fall, die Prinzipienentscheidung zu eigen gemacht hat, dass zwischen Geben und Nehmen ein ausgeglichenes Verhältnis hergestellt werden soll, dann folgt daraus, dass es nicht in Ordnung bzw. moralisch problematisch ist, einen Mitarbeiter zu entlassen, der sich an der Solidaraktion beteiligt hat, während andere Mitarbeiter, die sich davor gedrückt haben, ihre Stelle behalten. Für das ethische Empfinden ist es wichtig, dass logisch universalisiert wird. Dabei ist zu beachten, dass nach dem Universalisierungsprinzip gleiche oder hinreichend ähnliche Fälle als logische

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sie sind (gibt es Argumentationsbrüche?) und welche Prämissen ihnen zugrunde liegen (was wird als selbstverständlich vorausgesetzt?). Insofern ist die Klärung metaethischer Fragen in gewisser Weise die Voraussetzung, um sich den Problemen der normativen Ethik überhaupt sinnvoll zuwenden zu können (vgl. SCHWARTZ 1984, S. 19ff.). Vgl. zur Metaethik auch DÜWELL/ HÜBENTHAL/ WERNER (2011), S. 27ff.; SCHRAMM (2003), S. 118. RICHARD M. HARE (1919-2002), der wohl bekannteste Vertreter der Metaethik, unterscheidet in jeder Aussage ein deskriptiv-beschreibendes (z. B. „Das Fahrrad ist blau“) und ein auf Werturteilen basierendes präskriptiv-empfehlendes Bedeutungselement (z. B. „Ich halte es für richtig, das Fahrrad zu kaufen“, vgl. HARE 1983a, S. 144ff., 199ff.; HARE 1983b, S. 31ff.; HARE 1992, S. 63ff.; HALLICH 2000, S. 65ff.; SCHWARTZ 1984, S. 36ff.). Vgl. HARE (1983a), S. 81ff. Die ethische Grundposition lautet: „[L]etztlich ruht alles auf einer Prinzipienentscheidung” (ebd., S. 96). Vgl. HARE (1983a), S. 91. SCHWARTZ (1984), S. 86. Vgl. auch ebd., S. 80. Warum das von Menschen intuitiv so gesehen wird, kann viele Gründe haben, die nicht weiter interessieren. Dennoch neigt SCHRAMM (2007c, S. 120) „zu der Auffassung, dass [...] in solchen intuitiven Vorstellungen oder Erfahrungen - und nicht etwa in ethischen Prinzipien - die ursprünglichste Quelle der Moral zu suchen ist“. Vgl. HARE (1974); HARE (1992), S. 166ff.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Folge konsequent gleichzubehandeln sind. Es ist also zwingend, zu universalisieren367: Wenn sich z. B. die Mitarbeiter A, C und E am Gehaltsverzicht beteiligt haben, dann wäre es falsch, zu sagen, dass nur A und C aus Gegenseitigkeitsgründen ihre Stelle vorrangig behalten sollten, da es sich bei E deskriptiv um denselben Fall handelt368. Andernfalls würde nach HARE eine mit Blick auf die moralische Prinzipienentscheidung irrationale Argumentation vorliegen, die zum Vorwurf berechtigt, eine Doppelmoral zu pflegen369. Es ist also möglich, und hierin liegt ein Gedanke von HARE, auch über ethische Fragen rational zu debattieren, indem zuerst geprüft wird, ob der gleiche Sachverhalt vorliegt, und indem dann versucht wird, gleiche Fälle tatsächlich gleichzubehandeln. Hinzugefügt sei, dass sich die Universalisierungslogik bei konsequenter Anwendung auch gegen einen Menschen selbst richten kann370. Trotzdem ist davon auszugehen, dass die logische Universalisierungsforderung dem Denkmuster vieler Menschen intuitiv entspricht und die Entwicklung der Gerechtigkeitsvorstellungen vom Kindesalter an mitbeeinflusst371. Nicht anders ist zu erklären, warum Arbeitnehmer empfindlich reagieren, sobald sich ein Gefühl der willkürlichen Ungleichbehandlung einschleicht, 367 368 369

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Vgl. HARE (1992), S. 167; SCHWARTZ (1984), S. 39f.; HOMANN/ BLOME-DRESS (1992), S. 128. Vgl. HARE (1983b), S. 25, 31f. „Verstöße gegen die These der Universalisierbarkeit sind logischer, nicht moralischer Natur. Wenn jemand sagt: ‚Ich sollte so und so handeln, aber kein anderer sollte in einer relevant ähnlichen Lage ebenso handeln‘, dann macht er sich nach meiner These eines Missbrauchs des Wortes ‚sollte‘ schuldig; implizit widerspricht er sich damit selbst“ (HARE 1983b, S. 47; ähnlich HARE 1992, S. 63). Das Universalisierungsprinzip ist als Idealvorstellung zu verstehen, die realiter nicht immer umsetzbar ist oder umgesetzt wird. Es wäre aber falsch, diesen Umstand per se als moralisch negativ zu werten. Auch wenn es ein hehres Ziel ist, gewisse Ungleichheiten abbauen zu wollen, so muss man (auch im Arbeitsplatzkontext) doch akzeptieren, dass „[v]iele Unterschiede zwischen Menschen und auch zwischen ihrer Lebenssituation [...] naturgegeben und deswegen nicht moralisch negativ zu beurteilen [sind]; sie entziehen sich vielmehr der moralischen Beurteilung“ (HAUSSMANN 2001, S. 185). HARE bringt zur Verdeutlichung dieses Gedankens u. a. das Beispiel des Weltbilds bzw. der „Moralvorstellung“ eines Nazis (vgl. HARE 1983b, S. 129f.; SCHRAMM 2003, S. 119f.): Ein Nazi, der sich der Moral verschrieben hat, Juden von der Welt zu schaffen, müsste, wenn sich herausstellt, dass er selbst Jude ist, und sich nicht widersprechen will, selber freiwillig in die Gaskammer wandern, was eher unrealistisch ist. Nur dann aber würde er korrekt universalisieren und keinen logischen Fehler begehen, da er deskriptiv Gleiches gleichbehandelt (vgl. HARE 1983b, S. 129). Es läge dann eine „Fanatiker-Reaktion“ vor (vgl. ebd., S. 130; SCHRAMM 2003, S. 119). Das Beispiel lässt zugleich die Grenzen der praktischen Umsetzbarkeit der Universalisierungsforderung erahnen. So würde der betrachtete Nazi als „Mitläufer“ (SCHRAMM 2003, S. 119) vermutlich entweder eine Ausnahme fordern, was logisch nicht korrekt wäre und einem Argumentationsbruch entsprechen würde. Oder aber er würde von seiner Prinzipienentscheidung bzw. selektiven Moral abrücken und eine universale Moral und Menschenwürde vertreten, welche für alle Menschen - auch für ihn als Jude - gilt. Vgl. SCHRAMM (2003), S. 120.

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 113 obwohl eigentlich „derselbe Fall“ vorliegt. Aus Unternehmenssicht bleibt wiederum kontingent, ob sich die Einhaltung (als Ausdruck von ethisch korrektem Verhalten bzw. Moral) oder Nichteinhaltung psychologischer Verträge (als Ausdruck von Unmoral) betriebswirtschaftlich auszahlt. Was dieses Thema betrifft, existieren im Rahmen der Management- und Unternehmensethik abweichende Auffassungen. Im Grunde muss das Verhältnis in jedem Fall neu geklärt werden. Da sich der philosophische Begriff der „Kontingenz“ durch die gesamte Arbeit zieht, wird er im nachfolgenden Abschnitt genauer dargestellt.

3.3.4

Moralökonomische Kontingenz

Kontingenz (lat. contingere: sich ereignen) meint im philosophischen Sinne bei ARISTOTELES (384-322 v. Chr.) etwas, das in unterschiedlichen Lebenssituationen und -bereichen möglich sein kann, aber auch nicht oder anders möglich sein kann: Es „kann [...] sein: was einerseits vermögend [möglich] ist zu sein, ist auch vermögend, dies nicht zu sein, andererseits, was vermögend ist, nicht zu sein, ist auch vermögend, dies zu sein“372. Genauso „kann etwas nicht gehen, das vermögend ist zu gehen, und kann etwas gehen, das vermögend ist, nicht zu gehen“ 373. Etwas ist kontingent, wenn ungewiss ist (und erst herausgefunden werden muss), wie es sein wird. Auf managementethische Fragen übertragen bedeutet Kontingenz so viel wie Ungewissheit über die betriebswirtschaftlichen Effekte ethisch (1) integrer und (2) unintegrer Unternehmensentscheidungen374. Es ist ungewiss (kontingent), wie sich (Un-)Moral (Ehrlichkeit, Integrität) und Gewinn zueinander verhalten. 372 373

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ARISTOTELES (2007), S. 225. ARISTOTELES (2007), S. 225. Vgl. auch LUHMANN (1977, S. 187): „Kontingenz bezeichnet [...] etwas Wirkliches (einschließlich wirklich Möglichem), sofern es auch anders möglich ist“. ARISTOTELES wollte sich mit seinem kontingenten Möglichkeitsverständnis explizit von dem zu seiner Zeit ebenfalls vorfindbaren megarischen Möglichkeitsverständnis abgrenzen: „Jene Lehren [der Megariker] aber machen Vermögen und Verwirklichung zu ein und demselben und suchen daher eine nicht geringe Verschiedenheit zu beseitigen“ (ARISTOTELES 2007, S. 225). Nach dem „Möglichkeits“-Begriff der Megariker ist „[a]lles, was möglich ist, [...] wirklich und zwar notwendigerweise. Alles, was nicht wirklich ist, ist [dagegen] nicht möglich und zwar notwendigerweise“ (VOGT 2011, S. 45). HOFFMANN (2005, S. 65) macht zudem darauf aufmerksam, dass die Begriffe „Kontingenz“ und „Zufall“ im wechselseitigen Verhältnis zueinanderstehen: „Der Bereich, in dem sich der Zufall realisiert, muss [...] kontingent sein oder Kontingenzen ermöglichen. Die Kontingenz ist insoweit Bedingung der Möglichkeit des Zufalls in der Form der Koinzidenz. Zufall ist realisierte Kontingenz“. Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 1ff.; SCHRAMM (2008a), S. 121; SCHRAMM (2010d), S. 218ff.; SCHRAMM (2016e), S. 350f.; PAINE (2000), S. 325; PALAZZO (2010), S. 79; WIELAND (2001a), S.

114

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Analog dazu dürfte es sinnvoll sein, auch den mittlerweile allgegenwärtigen, dennoch sehr vagen („Container“-)Begriff der „Corporate Social Responsibility“ (CSR)375 im Rahmen eines moralökonomischen Kontingenzansatzes zu sehen 376: (1) Bis auf Grobprognosen ist im Vorhinein oftmals kontingent (ungewiss), ob ethisch integres Verhalten (CSR) Kosten verursacht (moralökonomische Konflikthypothese/ konkurrierende Zielbeziehung: Moral „+“ → Gewinn „–“)377, zu Null herauskommt (indifferente Zielbeziehung: Moral „+“ → Gewinn „±“) oder ob sich Moral, wie von den amerikanischen Business Ethics-Vertretern häufig unterstellt378, als Win-win-Situation langfristig rechnet (moralökonomische Harmoniehypothese bzw. positiver Kompatibilitätsfall/ komplementäre Zielbeziehung: Moral „+“ → Gewinn „+“)379, z. B. weil die Reputation gegenüber den Stakeholdern positiv beeinflusst (oder ein kostenintensiver Skandal vermieden) wird. „Einfache Lösungen wie „es lohnt sich, stets werteorientiert und verantwortlich zu han-

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22; WIELAND/ GRÜNINGER (2000), S. 159; PEUS ET AL. (2010), S. 195f.; TALAULICAR (2006), S. 100ff.; ARLOW/ GANNON (1982), S. 238ff.; ULLMANN (1985), S. 550ff.; MARCUS/ GOODMAN (1986), S. 217f. “CSR” ist ein unklarer Begriff, wobei hier folgende (alte) Definition der EU-Kommission zugrunde gelegt wird: “Most definitions of corporate social responsibility describe it as a concept whereby companies integrate social and environmental concerns in their business operations and in their interaction with their stakeholders on a voluntary basis. Being socially responsible means not only fulfilling legal expectations, but also going beyond compliance and investing “more” into human capital, the environment and the relations with stakeholders” (European Commission 2001, S. 8). Die neuere CSR-Definition der EU-Kommission von 2011 umfasst auch das Shared-ValueKonzept, was aber eher zur weiteren Verunklarung der Problematik beiträgt (vgl. Abschnitt 5.1.1). Z. B. zeigen WIELAND und HECK (2012, S. 41) in ihrer Studie, dass „keine eindeutig belegbare, kausale und richtungsbestimmte Zusammenhänge von CSR und Unternehmenserfolg hergestellt werden [können]. Zudem scheint der Versuch einer Separierung von Erträgen und Zurechnung auf CSR-Investitionen aus Komplexitätsgründen für einen Großteil von Unternehmen praktisch kaum umsetzbar zu sein“. Als Alternative schlagen sie deshalb u. a. die Berechnung einer „CSR-Quote“ vor, welche das Verhältnis des CSR-Aufwands zum Umsatz eines Unternehmens wiedergibt (vgl. dazu ebd., S. 28ff.). Vgl. TALAULICAR (2006), S. 66ff.; SCHRAMM (2010d), S. 219; AßLÄNDER (2011b), S. 123. Vgl. dazu Abschnitt 5.1.1, der sich mit der ökonomischen Argumentation von FRIEDMAN befasst. Nicht gemeint sind hier Fälle, in denen Unternehmen von vornherein klar ist, dass sie sich bestimmte ethische Initiativen nicht leisten können. Die moralökonomische Konflikthypothese entspricht gewissermaßen der Meinung der Straße (kurz gesagt: „Wirtschaft ist unethisch und Moral hat da keine Chance“). Vgl. TALAULICAR (2006), S. 49. Vgl. TALAULICAR (2006), S. 55ff.; SCHRAMM (2010d), S. 219; SCHRAMM (2006b), S. 16. Die Erreichung des einen Ziels wirkt sich positiv auf die Erreichung des anderen Ziels aus (z. B. sind Umsatz und Gewinn typischerweise komplementäre Ziele). Ethisch integre Unternehmensentscheidungen rechnen sich jedoch oft nicht sofort, sondern sind als zukunftsorientierte Investitionen bzw. Wettbewerbsstrategien aufzufassen.

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 115 deln“ sind [...] ebenso falsch wie die Behauptung, es bestehe ein zwingender Gegensatz von Moral und Eigeninteresse bzw. Gewinn“380. SCHRAMM bringt in diesem Kontext das Beispiel einer familienfreundlichen Personalpolitik 381. Eine derartige unternehmensethische Initiative verursacht einerseits Kosten (z. B. zur Errichtung eines Betriebskindergartens), kann andererseits aber auch (kaum quantifizierbare382) ökonomische Vorteile bringen, etwa indem es gelingt, die Fluktuation und Fehlzeiten zu senken, die Arbeitszufriedenheit zu steigern oder weibliche Fach- und Führungskräfte anzulocken. Welcher Effekt überwiegt, lässt sich erst im Anschluss an einen Trial-and-Error-Prozess sagen383. Genauso ist ungewiss, wie viel ethisch integres Verhalten (und daraus resultierende Mehrkosten) sich Unternehmen leisten können, umso mehr dann, wenn sich Wettbewerber nicht um moralische Bedenken kümmern. Die Aufgabe des Managements liegt darin, Wege zu finden, wie sich moralische Interessen und Ziele (wie eine integre Unternehmensführung, Verzicht auf Kinderarbeit) und betriebswirtschaftliche Ziele bzw. Rahmenbedingungen (Markt, Wettbewerb) im Geschäft moralökonomisch tragfähig und nachhaltig vereinbaren lassen. Hierin liegt der eigentliche Syllogismus bzw. Schluss(-folgerungs-)Mechanismus384, also die primäre management- und

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SUCHANEK (2011), S. 8. Aus der von TALAULICAR (2006, S. 89ff.) stammenden Zusammenstellung von empirischen Studien über die Jahre 1972 bis 2004 zum Verhältnis von ethischer (Moral) und ökonomischer Performance (Gewinn), geht hervor, dass sich für jeden der genannten Zusammenhänge (negativ, positiv, „zu Null“) Studien finden lassen (vgl. auch WIELAND/ HECK 2012, S. 9f.), wodurch die Kontingenzannahme bestätigt wird. Der Großteil der von TALAULICAR einbezogenen Studien geht aber von einem positiven Zusammenhang beider Variablen aus. Da Studien dieser Art in der Regel von Personen angefertigt werden, die ein Interesse an Fortschritten im Bereich CSR (Management- und Unternehmensethik usw.) haben, sind Effekte der sozialen Erwünschtheit nicht auszuschließen (z. B. bei der Interpretation, ab wann sich Moral rechnet oder was als moralische Maßnahme anzusehen ist). Das ändert aber nichts daran, dass es sich um ein durchwachsenes Feld handelt und der positive Kompatibilitätsfall eher den Normalfall im Kapitalismus darstellt (andernfalls müsste ohnehin sofort für einen Wechsel des Wirtschaftssystems plädiert werden). Wie bereits ADAM SMITH erkannte, führt der Marktwettbewerb (die unsichtbare Hand des Marktes) normalerweise dazu, dass auch moralisch desinteressierte Akteure den Kunden etwas Gutes tun und ihnen attraktive Produkte anbieten wollen. Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 4f.; SCHRAMM (2010d), S. 222f. Vgl. SCHRAMM (2010d), S. 223. Dem Kontingenzansatz geht es daher nicht darum, „einen generell positiven oder […] negativen Zusammenhang zwischen Ethik und Erfolg nachweisen zu wollen“ (TALAULICAR 2006, S. 100). Vgl. auch PAINE (2000), S. 326. WIELAND (2001a, S. 22) weist darauf hin, dass „Ökonomie und Ethik in der Wirtschaft [...] füreinander sowohl eine Ermöglichungs- als auch eine Restriktionsfunktion darstellen, die rekursiv miteinander vernetzt sind“. Vgl. HOMANN/ SUCHANEK (2005), S. 169, 172.

116

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

unternehmensethische Aufgabe, wobei entscheidend ist, dass im Management ein Interesse daran besteht, sich dieser Aufgabe step-by-step annähern zu wollen385. Der „Kontingenz“-Begriff ist auch für die spätere Systematisierung managementethischer Ansätze relevant. Vorgreifend soll hier auf einen zentralen Unterschied hingewiesen werden: Im Gegensatz zu der auf Dilemmasituationen basierenden ökonomischen Theorie der Moral von HOMANN und dem darauf aufbauenden Managementethikansatz von PIES ET AL. (vgl. dazu Unterkapitel 7.1), geht der polydimensionale Kontingenzansatz nicht davon aus, dass Unternehmen, welche ethisch integer agieren, per se von Konkurrenten ausgebeutet werden. Gleichwohl wird die Existenz von Dilemmasituationen, in denen eine Wirtschafts- bzw. Ordnungsethik unverzichtbar erscheint, nicht geleugnet 386. Da die Spielzüge des operativen Alltagsgeschäfts aber nicht nur in Dilemmasituationen stattfinden387, muss Moral nicht zwingend am Rahmencode des Wirtschaftssystems „± Zahlen“ scheitern, sondern sie kann sich auch als Investition erweisen 388. Alles andere würde einer ökonomischen Verkürzung der heterogenen empirischen Realität gleichkommen. Zugleich ist vor übertriebenen, nicht begründbaren Erwartungen zu warnen: Die in Unternehmensveröffentlichungen (z. B. CSR-Broschüren) häufiger zum Ausdruck kommende Haltung, ethisches Engagement würde sich als eine Art Business Case immer und überall auszahlen, ist nicht nur zu bezweifeln, sie erweist sich auch als Harmoniefiktion389. Moral (CSR usw.) ist ein kontingentes 385

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Auch die Orientierung an Vorbildern und Best-Practice-Beispielen stellt ein probates Mittel dar, um sich an erfolgreiche moralökonomische Strategien heranzutasten und die Deutung kontingenter Situationen zu erleichtern (die Entscheidungsträger müssen - vereinfacht gesprochen - erkennen, dass bestimmte, bislang nicht vergegenwärtigte Handlungsmuster womöglich zum ökonomisch günstigen Ausgang führen können). Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 18ff.; SCHRAMM (2008e), S. 62; SCHRAMM (2006b), S. 16. Wäre die Situationslogik in Wettbewerbssituationen immer ein Gefangenendilemma, so wäre eine genuine Unternehmens- und Managementethik, welche auf der Ebene der Spielzüge des Alltagsgeschäfts von Unternehmen und des Managements angesiedelt ist, gar nicht möglich. Vgl. dazu Kapitel 7. Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 6; LUHMANN (1984), S. 247; LUHMANN (2004), S. 103f. Die Situationslogik in Wirtschaftsmärkten wird durch den Rahmencode „Zahlen/ Nichtzahlen“ bestimmt, den kein Akteur auf Dauer ignorieren kann. Der „Investitions“-Begriff wird hier so verwendet, wie es in der Ökonomik üblich ist, nämlich als heute auferlegter Verzicht, der sich in Zukunft unter Umständen nicht nur für einen selbst (als verantwortlich handelnden Akteur) lohnt, sondern auch anderen in irgendeiner Form zu einem gelingenden Leben verhilft. Vgl. PALAZZO (2010), S. 79. In diesem Sinne geht VOGEL (2005, S. 45) davon aus, dass der oft unterstellte „Market for Virtue“ (Markt für tugendhafte Bestrebungen) zwar existiert und auch Kunden in diesem Markt zu finden sind, es sich aber um einen begrenzten Markt handelt: “The belief that corporate virtue pays is both attractive and influential. […] Unfortunately, a review of

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 117 Feld, das sich als unbequemer, kostenintensiver Faktor erweisen kann. In den meisten Fällen muss die Harmonie zwischen ethisch integrem Verhalten und unternehmerischem Nutzen mühsam erkämpft werden 390. (2) Wie beim ethisch integren Verhalten bleibt ebenso kontingent, ob sich Unmoral, also die Nichtwahrnehmung oder -beachtung moralischer Werte und Ziele kostenpflichtig (z. B. umsatzmindernd) auswirkt, etwa weil das Unternehmen (nach öffentlichkeitswirksamen Kampagnen durch NGOs, einer Skandalisierung in den Medien) so lange durch die Konsumenten durch Kaufentzug abgestraft wird, bis es geeignete Anpassungsmaßnahmen ergreift. Genauso ist aber denkbar, dass die Öffentlichkeit und Kunden nichts (Genaues) über die Hintergründe des moralischen Fehlverhaltens erfahren, sich nicht darüber informieren oder - trotz guter Informationslage - nicht weiter dafür interessieren391.

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the evidence, including academic studies of the relationship between profitability and responsibility and the relative performance of SRI, finds little support for the claim that more responsible firms are more profitable. But this does not mean that there is no business case for virtue. It is rather to suggest that any such claim must be more nuanced. CSR does make business sense for some firms in specific circumstances”. CSR kann ein Business Case sein, es gibt aber auch Fälle, in denen es sich (noch) nicht rechnet. Sinnvoller ist es daher, das soziale und ethische Engagement von Unternehmen als Prozess oder kompliziertes Feld zu begreifen, in dem es darum geht, ökonomische und soziale Ziele in Übereinstimmung zu bringen. Ziel sollte es sein, durch geeignete Tradeoffs schrittweise eine „Kohärenz von ökonomischer und moralischer Performance“ herzustellen (SCHRAMM 2010d, S. 224; vgl. auch PALAZZO 2010, S. 79). In einem solchen „Kontingenzmanagement“ (vgl. SCHRAMM 2010d, S. 219) ist Wert darauf zu legen, die mit CSR verbundenen praktischen Fragen (Wie ist CSR implementierbar? Wie viel CSR ist realisierbar? Steckt da, wo CSR draufsteht, substanzielle CSR drin?) zu lösen, um so die Zahl der Fälle, in denen sich Ethik rechnet, dauerhaft zu erhöhen. Hierin liegt eine zentrale Managementherausforderung: Wie kann die Polydimensionalität von Transaktionen angesichts der Kontingenz so wahrgenommen werden, dass integre Transaktionen resultieren, die sich rechnen? „Warum sonst sind Unternehmen wie Exxon, Walmart, Philip Morris oder Lidl [die teils Bußgelder für ihr Fehlverhalten zahlen mussten] extrem profitabel - auch langfristig betrachtet - und zur gleichen Zeit stehen diese Namen als die Metaphern für das was moralisch aus den Fugen gerät im global gedehnten Business?“ (PALAZZO 2010, S. 79f.). Wie dargestellt, gibt es für Unternehmen verschiedene Optionen, mit der Unvollständigkeit von Verträgen umzugehen. Der Überwachungsskandal bei Lidl im Jahre 2008 (vgl. dazu GRILL/ ARNSPERGER 2008) hat gezeigt, dass Unternehmen versuchen können, die Unvollständigkeit von Arbeitsverträgen mit einer rigorosen Überwachung der Mitarbeiter auszufüllen. Lidl hat (plakativ gesagt) einen Teil seiner Mitarbeiter monodimensional als Opportunisten bzw. Homines oeconomici konzeptioniert, die nur die Sprache der Kosten verstehen. Nun mag eine solche Sichtweise des Managements überzogen erscheinen, zugleich muss konstatiert werden, dass sich Lidl seit Jahren auf Erfolgskurs befindet. Dieser Erfolg ist aber kontingent. Unternehmen mit einem Interesse an einer produktiven Unternehmensatmosphäre sollten versuchen, sowohl den (über Kontrolle und finanzielle Anreize führenden)

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Da nicht sicher gesagt werden kann, inwieweit sich ökonomische (Economic Point of View) und moralische Ziele (Moral Point of View) in verschiedenen Fällen vereinen lassen, ist es auch nicht möglich, Moral für ökonomische Zwecke zu instrumentalisieren392. Es würde keinen Sinn machen, managementethische Anstrengungen nur deshalb - quasi „vorsätzlich“, als Investition und PR-Tool - zu unternehmen, „weil“ oder „damit“ diese sich rechnen. Was sich als erfolgreiches Geschäftsmodell erweist, ist kontingent. Die zentrale Frage bleibt daher, welche Strategie und welches Geschäftsmodell ein Unternehmen bevorzugt. Da von vornherein weder gilt „good ethics is bad business, noch [...] good ethics is good business“393, muss sich ein Unternehmen bereits im Vorhinein, aus genuin moralischem Interesse heraus, die Frage stellen, wie es sich eine ethisch integre Wirtschaft vorstellt und welchen Beitrag es dazu leisten kann und will394. Hierzu bedarf es moralisch interessierte Förderer im Management, die mit Nachdruck Mittel und Wege suchen, um managementethische Ideen zu realisieren.

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ökonomischen Weg als auch den Weg der Unternehmens- und Managementethik (mit Vertrauensaufbau, Fairness, Gegenseitigkeit) miteinander zu verbinden. Es sollte versucht werden, die Unvollständigkeit von Verträgen durch den Aufbau einer ethisch integren Unternehmenskultur zu befördern. Vgl. SCHRAMM (2006b), S. 15; SCHRAMM (2008a), S. 121; WIELAND (2001a), S. 19ff.; PALAZZO (2000), S. 40f. SCHRAMM (2004a), S. 5f.; ähnlich SCHRAMM (2008a), S. 122. Insofern erscheint es auch nur wenig sinnvoll, zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Querschnittsanalyse (als Momentaufnahme) den ökonomischen Erfolg (= Untersuchungsvariable 1) und das ethische Engagement (= UV 2) von Unternehmen zu erfassen. Es ist nämlich möglich, dass ein Unternehmen (auch) deshalb ökonomisch erfolgreich ist, weil es sich ethisch integer verhält (was z. B. von den Kunden durch eine gesteigerte Kaufbereitschaft honoriert wird). Es kann aber auch eine umgekehrte Kausalität vorliegen (vgl. WIELAND/ HECK 2012, S. 9; WIELAND/ HECK 2013, S. 20): Da das Unternehmen ökonomischen Erfolg hat, ist es überhaupt erst in der Lage, moralische Interessen mit Leben zu füllen. Beides ist denkbar. Um Kausalaussagen über die Ursache-Wirkungs-Beziehung von Moral und ökonomischem Erfolg zu treffen, wäre es notwendig, Längsschnittanalysen durchzuführen. Dazu müsste in einer prozessualen Betrachtung analysiert werden, in welchem Zeitraum sich ein Unternehmen (wie und unter wessen Verantwortung) ethisch engagiert hat und inwieweit dadurch der ökonomische Erfolg beeinflusst wurde. Allerdings bliebe selbst bei einem solchen Periodenvergleich offen, ob und inwieweit ein Anstieg oder Rückgang der ökonomischen Performance (neben dem ethischen Engagement) noch auf andere Einflussgrößen zurückzuführen ist. Vgl. SCHRAMM (2006b), S. 16f. Bei der Management- und Unternehmensethik geht es daher weniger darum, ethische Anstrengungen nur in der Hoffnung auf ökonomischen Nutzen zu verfolgen. Wichtiger sind die dahinterstehenden Grundsatzfragen, die sich dann stellen, wenn Akteure über moralische Interessen verfügen (z. B.: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Wie wollen wir mit der Unvollständigkeit von Verträgen umgehen?).

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 119 Zum Abschluss des Kapitels wendet sich Abschnitt 3.3.5 der Theorie moralischer Interessen und Anreize zu, welche zur Beschreibung, Erklärung und dem vertieften Verständnis der Polydimensionalität und metaphysischen Komplexität der Realität relevant erscheint.

3.3.5

Theorie moralischer Interessen und Anreize

In diesem Abschnitt wird ein Verständnis dafür geschaffen, weshalb es in der heterogenen Wirklichkeit plausibel und notwendig erscheint, neben dem Vorhandensein von ökonomischen Interessen und Anreizen auch von der Existenz moralischer Interessen und Anreize auszugehen. Der erste Unterabschnitt wendet sich dazu zunächst der faktischen Verschiedenartigkeit von Interessen zu, die mitursächlich dafür ist, dass das Verhalten von Menschen auf Märkten - und damit auch im arbeitsplatzbezogenen Kontext - (je nach verfolgter Interessenlage) unterschiedlich ausfällt. Im Zentrum der Betrachtung steht dabei die Unterscheidung zwischen ökonomischen (Eigennutz-)Interessen und moralischen (Fairness-)Interessen. In Unterabschnitt 3.3.5.2 werden daraufhin die Unterschiede zwischen moralischen und ökonomischen sowie zwischen intrinsischen und extrinsischen Anreizen dargelegt. Im Weiteren wird aufgezeigt, inwiefern durch die Schaffung geeigneter Anreize (ökonomischer bzw. moralischer Art) eine Aktivierung (ökonomischer bzw. moralischer) Interessen bewirkt werden kann, insofern beim betreffenden Akteur die jeweiligen Interessen vorhanden sind. Wie dabei deutlich werden wird, können moralische Anreize unter diesem Gesichtspunkt als Mechanismen zur Aktivierung und Stabilisierung von Moral angesehen werden. Im letzten Unterabschnitt (3.3.5.3) werden weitergehende Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Aktivierung moralischer Anreize (auch vor dem Hintergrund bestehender Erkenntnisse der Verhaltensökonomik) stellen, behandelt. Damit verbunden wird die Notwendigkeit eines multidimensionalen, pluralen Anreizmanagements für verschiedene lokale Situationen vor Augen geführt.

3.3.5.1 Theorie moralischer Interessen Im vorigen Abschnitt wurde erläutert, dass es kontingent ist, ob sich die Beachtung impliziter Verträge bzw. von Moral rechnet. Ebenso ist kontingent, und dieser Aspekt wird nun relevant, ob ein Unternehmen der Verantwortung, mit der es durch

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

den impliziten Vertrag konfrontiert wird, nachkommt, ob also eine „Zuweisung moralischer Güter“, um die Terminologie aus Abschnitt 3.3.3 aufzugreifen, überhaupt stattfindet. Neben ökonomischen Nutzenerwägungen, die für Wirtschaftsunternehmen immer eine Rolle spielen, hängt Letzteres von der Individualmoral des Managements ab395. Die Frage ist, ob eine „moralinduzierte Bereitschaft“ 396 im Sinne eines genuin „moralischen Interesses“397 besteht, eine integre, von Eigennutzinteressen abstrahierende Unternehmenskultur aufzubauen, in der Machtasymmetrien, wie sie zwischen Arbeitgebern und (vor allem niedrigqualifizierten) Arbeitnehmern auftreten398, nicht ausgenutzt werden. Unternehmen als kollektiven Akteuren kann nur dann ein moralisches Interesse übertragen werden, wenn das Management über eine entsprechende Identität und Weltanschauung verfügt. Zudem muss, um Schein und Widersprüchlichkeit auszuschließen, neben den ökonomischen Rahmenbedingungen klar sein, worin die zu verfolgenden mo-

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Vgl. GÖBEL (2013), S. 79ff. Moralisch heikle Entscheidungen, wie sie im Kontext eines Stellenabbaus auftreten, werden im Normalfall auf oberster Führungsebene gefällt, weshalb jede Form einer organisierten Ethik in Unternehmen von oben auszugehen hat (vgl. WIELAND 2004, S. 25f.). PALAZZO (2006, S. 6) weist treffend darauf hin, dass „je größer der Einfluss eines Akteurs innerhalb der Organisation [ist], desto größer [...] die mit ethischer Inkompetenz verbundenen Risiken“ sind. Zugleich sollte die Stellung des mittleren und unteren Managements nicht unterschätzt werden: Für viele Arbeitnehmer wird der Arbeitgeber als solcher durch den direkten Vorgesetzten (z. B. Gruppen-/ Bereichs-/ Abteilungsleiter) repräsentiert, da ihnen das Topmanagement unbekannt ist. Auch die Wahrnehmung von Kündigungen hängt wesentlich vom Verhalten der direkten Vorgesetzten ab, obwohl diese auf viele Entscheidungen, welche letztlich zu Kündigungen führen, keinen Einfluss nehmen können. GÖBEL/ ORTMANN/ WEBER (2007), S. 183: „Interaktion und Kooperation [...] kommen ohne Normen der Reziprozität und eine „Ethik der Gabe“ [im Sinne moralischer Vorleistungen, Vertrauensvorschüssen und einer späteren moralbasierten Erwiderung] nicht aus“. Vgl. SCHRAMM (2007c), S. 117ff.; SCHRAMM (2008a), S. 113ff.; HOERSTER (2003), S. 175ff. Da Interessen inhaltlich auf verschiedene Zielvorstellungen gerichtet sein können, wäre es falsch, den „Interessen“-Begriff auf egoistische Eigennutzinteressen zu beschränken (vgl. SCHRAMM 2008a, S. 114; SCHRAMM 2015b, S. 109). Vielmehr ist er auch für moralische Fragen zu öffnen (vgl. SCHRAMM 2004a, S. 16). „Moralische Interessen sind nicht verkappte ökonomische Interessen, sondern [„echte“] genuin moralische Interessen, denen auch nur als solchen empirische Relevanz zukommt“ (SCHRAMM 2008a, S. 121; ähnlich HOERSTER 2003, S. 176). Ein moralisches Interesse ist also nicht nur eine Restriktion („Verzicht“, „Kosten“), sondern es kann, und dieser Aspekt geht in der theoretisch-ökonomischen Rekonstruktion von Moral unter, als attraktive Größe erlebt werden, die durch moralische Anreize befördert werden kann. Der Begriff des „moralischen Interesses“ tritt bereits bei KANT auf: „Da das Gesetz selbst in einem moralisch-guten Willen die Triebfeder sein muss, so ist das moralische Interesse ein reines sinnenfreies Interesse der bloßen praktischen Vernunft“ (KANT 1977b, S. 200 f.; vgl. auch KANT 1977c, S. 323f.). Dennoch wird das Verhältnis von Moral und Interesse häufig nicht als Einheit, sondern differenziert gesehen (vgl. SCHRAMM 2008a, S. 113; vgl. exemplarisch z. B. HEGSELMANN/ KLIEMT 1997, S. 20). Vgl. GÖBEL (2013), S. 78, 182.

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 121 ralischen Interessen und ethischen Ziele genau liegen. In diesem Punkt sind Unternehmen aber verschieden aufgestellt. Ein moralisches Interesse an einer integren Gestaltung arbeitsplatzbezogener Maßnahmen kann vorliegen, muss es aber nicht399. So hat das Beispiel HP gezeigt, dass Führungskräfte nicht zwingend den Willen haben, moralische Vorleistungen zu erbringen bzw. zu erwidern, um den impliziten Arbeitsvertrag moralisch auszufüllen400. Moralökonomische Probleme, wie sie im Arbeitsplatzkontext auftreten, umfassen aber, wie es das Wort bereits besagt, immer auch moralische Wertfragen, die sich nicht nur mit ökonomischen Werten verarbeiten lassen401. Das genuin moralische Interesse ist daher relevant, wenn es darum geht, ob ein Stellenabbau nur ökonomisch wahrgenommen, oder ob auch die aus dem impliziten Vertrag resultierende moralische Dimension erkannt wird402. Ist das Management „moralisch stumm“ 403, dann ist damit die Voraussetzung einer fruchtbaren Managementethik (und der mit dieser verbundenen organisationalen Strukturen) nicht gegeben404. Das gilt sowohl was deren Implementierung anbelangt, genauso aber, wie sie im Unternehmensalltag mit Leben gefüllt wird. Andererseits wäre es verkürzt, Managern nur ökonomische Interessen und Eigennutzstreben als treibende Kräfte ihres Handelns zu unterstellen. GARY S. BECKER,

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Vgl. SCHRAMM (2007c), S. 117; HOERSTER (2003), S. 170. Im Falle von HP (vgl. Abschnitt 3.3.3) liegt eine „Nichtzuweisung“ bzw. „-aktivierung“ moralischer Güter vor: Den Mitarbeitern wurde bis zum Entlassungszeitpunkt das wirtschaftliche Gut Entlohnung zugewiesen, das ihnen aus dem formalen Arbeitsvertrag ohnehin zugestanden hätte. Trotz Teilnahme am Gehaltsverzicht (und damit gleicher Ausgangslage) wurden aber viele Mitarbeiter entlassen, was zeigt, dass im Entscheidungsverfahren von HP das moralische Gut Fairness (Gerechtigkeit) nicht allen Mitarbeitern zuteilwurde. Dazu ist anzumerken, dass CARLY FIORINA (ex HP-CEO) in ihrer Biografie (vgl. FIORINA 2006), die ein Jahr nach ihrem Ausscheiden veröffentlicht wurde, vielfach die Bedeutung von ethischen Werten u. ä. in der Unternehmensführung hervorhebt. Vgl. SCHRAMM (2007c), S. 119; PRIDDAT (2010), S. 107. Manager können ihre Aufgaben nie monodimensional (mit nur einem Wertetypus) bestreiten. Die Frage der Managementethik ist daher, wie ökonomische und moralische Werte (Interessen) unter Wettbewerbsbedingungen vereinbar sind. Managementethisch ist es weder sinnvoll, Management ohne Ethik zu betreiben, noch ist es ratsam, Ethik ohne Management zu betreiben. Die handlungsleitende Funktion moralischer Grundwerte und Intentionen erfolgt zumeist unbemerkt, was durch den informellen Charakter der Moral bedingt ist. Dabei hängt die Wirkungsrichtung und -intensität von Moral von der Wahrnehmung der Situation ab, denn „Wahrnehmung ist die Quelle der Moral“ (HAUSKELLER 2001, S. 164). PALAZZO (2006), S. 6. Vgl. dazu Abschnitt 7.3.3, der sich mit den Faktoren „IS“ und „OKK“ in WIELANDs Governanceethik befasst.

122

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

der wohl bedeutendste Vertreter des Economic Approach405 bzw. Homo oeconomicus neuerer Machart, stellt in seiner Nobelpreisrede diesbezüglich fest: “Unlike MARXian analysis, the economic approach I refer to does not assume that individuals are motivated solely by selfishness or material gain. […] Along with others, I have tried to pry economists away from narrow assumptions about selfinterest [in den 70ern war BECKER hiervon noch weit entfernt. Nach einer konzeptionellen Änderung seines Ansatzes erklärt er aber:]. Behavior is driven by a much richer set of values and preferences. The analysis assumes that individuals maximize welfare as they conceive it [so, wie sie es wahrnehmen], whether they be selfish, altruistic [moralisch, indem die Interessen anderer mitberücksichtigt werden], loyal, spiteful, or masochistic. Their behavior is forward-looking, and it is also assumed to be consistent over time. In particular, they try as best they can to anticipate the uncertain consequences of their actions“406.

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Der ökonomische Ansatz von BECKER geht, ähnlich wie andere ökonomische Ansätze, davon aus, dass sich Menschen grundsätzlich in Knappheitssituationen befinden (vgl. BECKER 1993b, S. 2; KIRCHGÄSSNER 2008, S. 12; ULRICH 2006, S. 168; PIES 1993, S. 96). Es muss also ständig neu entschieden werden, was mit der knappen Zeit anzufangen ist (so können Arbeitnehmer in ihrer Freizeit zum Ausbau ihrer Arbeitsmarktfähigkeit EDV-Kurse besuchen oder die Zeit mit der Familie verbringen). Dabei ging BECKER ursprünglich davon aus, dass die Maximierung des Eigennutzens bzw. die Homo oeconomicus-Logik „auf alles menschliche Verhalten anwendbar ist“ (BECKER 1993b, S. 7; vgl. auch SCHRAMM 1996, S. 234). Die Kategorie, mit der BECKER in seinem Ansatz arbeitet, sind die Opportunitätskosten als Nutzenentgang der zweitbesten Alternative. Diese Opportunitätskosten beeinflussen das menschliche Verhalten in verschiedener Weise und können sowohl monetär als auch nichtmonetär sein (z. B. psychische, nervliche, zeitliche Kosten). BECKER würde also, genauso wie HOMANN, fragen, wie die Situation eines Akteurs aussieht und was bzw. wie hoch seine (Kosten-)Nachteile sind, wenn er sich in einer moralisch erwünschten Weise verhalten möchte. Sind die Opportunitätskosten wegen fehlender geeigneter Rahmenbedingungen zu hoch, dann kann er sich (zumindest in Dilemmasituationen) nicht moralisch verhalten. Formalisiert lässt sich BECKERs Schema mit der Funktion ∆𝑉 = 𝑓(𝑃̅ , ∆𝑅) ausdrücken (vgl. PIES 1993, S. 95; SCHRAMM 1996, S. 232, 238f.). Das Verhalten (Handeln) V eines Individuums ist eine Funktion der Präferenzen P (z. B.: Was sind die individuellen Zielvorstellungen einer Person?) und der - für die Wirtschaftsethik im Vordergrund stehenden - Restriktionen R (Welche situativen Rahmenbedingungen hat eine Person zu beachten?), wobei BECKER nach dem klassischen ökonomischen Ansatz der 1960er/ 70er Jahre davon ausgegangen ist, dass alle Menschen nicht nur dieselben Eigennutzpräferenzen haben, sondern jene Präferenzen, eben weil sie bei allen gleich sind, auch stabil und unveränderlich sind (vgl. BECKER 1993b, S. 4; STIGLER/ BECKER 1977, S. 76; PIES 1993, S. 94ff.; KIRCHGÄSSNER 2008, S. 26, 38ff.). Das Verhalten der Menschen hängt also nur von den geltenden Restriktionen ab. Der Hebel, um Verhaltensänderungen zu induzieren („as-if“ der Akteur eigentlich andere Präferenzen hätte), ist nicht das Individuum, sondern die Änderung der Situationslogik. BECKER (1993a), S. 385f. Vgl. auch SCHRAMM (1996), S. 240. Menschen versuchen, die effektivsten Wege und geeignetsten Mittel zur Zielumsetzung zu wählen. Das gelingt ihnen nicht immer, da sie nicht vollständig rational sind. Gleichwohl ist die Wahrscheinlichkeit, dass der falsche

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 123 Wie das Zitat zeigt, gesteht BECKER es zu, dass alle Akteure durch ein Set inhaltlich unterschiedlicher Präferenzen407 gekennzeichnet sind408, welche nicht nur monetär sein oder auf den eigenen Vorteil abzielen müssen, sondern auch moralischer Art sein können409. Die Nutzenmaximierung bezieht sich nur auf den formalen Homo oeconomicus-Aspekt, nicht inhaltlich auf die verschiedenen Präferenzen410.

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Hebel gewählt wird, umso größer, wenn nur eine Hebel-Kategorie in Betracht gezogen wird, nämlich Eigennutzanreize (und keine moralischen Anreize). Mit „Präferenzen“ meint BECKER keine individuellen Geschmacksvorlieben, sondern fundamentale naturale Präferenzen, also „grundlegende Aspekte des Lebens, wie Gesundheit, Prestige, Sinnenfreude, Wohlwollen, oder Neid [Frieden, Glück usw.]“ (BECKER 1993b, S. 4; vgl. auch SCHRAMM 1996, S. 236f.). Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme konstanter Grund-, Basis-, Fundamental- oder Meta-Präferenzen plausibel: Alle Menschen sind an Frieden, Glück, Schmerzfreiheit usw. interessiert. Ebenso plausibel ist, dass sie diese Präferenzen auch in 50 Jahren oder später noch haben werden. Anzumerken ist noch, dass „Wohlwollen“ weniger im moralisch-freundschaftlichen Sinne zu verstehen ist, da es aus Homo oeconomicus-Sicht um Präferenzen geht, welche ein Mensch anstrebt. Es geht um das Wohlwollen oder den Respekt, das bzw. den ein Mensch durch andere erfahren will. Vgl. SCHRAMM (1996), S. 240. In den 1970er Jahren hat BECKER noch eine andere, weniger überzeugende Auffassung vertreten (vgl. SCHRAMM 2004a, S. 14f.; SCHRAMM 2015b, S. 108; LOSSE 2012). Der Anspruch von BECKER in seinem Hauptwerk war es, mit dem Economic Approach jedwedes menschliche Verhalten zu prognostizieren bzw. zu erklären, egal, auf welchem Gebiet das Verhalten stattfindet (also nicht nur auf Märkten, sondern z. B. auch in Sachen Paarungsverhalten, Familie, Heirat, Scheidung, Ausbildung, Religion usw.): “I am saying that the economic approach provides a valuable unified framework for understanding all human behavior [...]. [A]ll human behavior can be viewed as involving participants who maximize their utility from a stable set of preferences [...] in a variety of markets [normale Güter-/ Dienstleistungsmärkte, aber auch marktähnliche Plätze bzw. Pseudomärkte, wie Heirats- und Religionsmärkte]“ (BECKER 1976, S. 14; vgl. zu BECKERs Theorie der Fruchtbarkeit, Familie und Heirat BECKER 1993b, S. 187ff.). Im Gegensatz zum Zitat im Haupttext ging BECKER ursprünglich davon aus, dass alle Menschen in allen Lebensbereichen über dieselben unveränderlichen Eigennutz-Basispräferenzen verfügen (vgl. STIGLER/ BECKER 1977, S. 76; SCHRAMM 1996, S. 236). In den 1970ern hat er aber erkannt, dass es Fälle gibt, in denen sich die Präferenzen doch verändern. Etwaige Unterschiede erklärte er in Anlehnung an MARSHALL (1923, S. 94) mit einer Art Humankapitaltheorie, u. a. am Beispiel des Musikgeschmacks (vgl. dazu STIGLER/ BECKER 1977, S. 77f.; BECKER 1993b, S. 25f.; BECKER/ MICHAEL 1993, S. 161f.; SCHRAMM 2004a, S. 15; SCHRAMM 1996, S. 237). Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 12. Abgesehen von elementaren Basispräferenzen können die Präferenzen verschiedener Art sein und sich im Zeitverlauf auch ändern. Vgl. SCHRAMM (2015b), S. 108. Alle Menschen verfolgen ihre Interessen möglichst effektiv. Diese konzeptionelle Erweiterung des „Präferenz“-Begriffs führt dazu, dass die ursprüngliche, auf stabilen Präferenzen basierende Verhaltensfunktion (vgl. Fußnote oben) nicht mehr ausreicht. Stattdessen bedarf es zweier Analysen: Erstens ist zu prüfen, welche Präferenzen die Menschen haben, um zweitens Aussagen darüber zu treffen, welches Verhalten wahrscheinlich ist (oder welche Rahmenbedingungen zu setzen sind, um ein bestimmtes Verhalten zu erzeugen). Hier wird sich dann zeigen, dass sich das Verhalten der Menschen faktisch unterscheidet: Menschen mit moralischen Präferenzen werden in bestimmten Situationen anders als primär eigeninteressierte Menschen handeln. Insofern bedarf es separater Analysen der Präferenzen (des Wertewandels

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Die folgende, von SCHRAMM stammende Abbildung verdeutlicht das Verhältnis von ökonomischen und moralischen Interessen (vgl. Abb. 9), wobei zu beachten ist, dass sich ökonomische (Eigennutz-)Interessen und moralische Interessen nicht widersprechen, sondern miteinander in Wechselwirkung stehen. Wie schon bemerkt, sollte das Management, um die Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu sichern, über einen angemessenen Aktivierungsgrad beider Interessen verfügen, da bei dauerhaften Verlusten kein Raum mehr für moralisch hehre Prinzipien bleibt411. Eine Herausforderung liegt in der Wettbewerbswirtschaft darin, moralische Ziele ökonomisch tragfähig umzusetzen bzw. in betriebswirtschaftliche Ziele zu transferieren. materiale Ebene: ökonomische (= Eigennutz-)Interessen Vorteilsinhalte, Präfe(= ökonomisch2) renzen („tastes“), Op→ „engstes“ Ziel: (genuin) nicht-monetäre portunitätsnutzen monetäre Interesmoralische Interessen Interessen ← sen, z. B. auf Nutzen/ EigeninteMärkten resse (= ökonomisch1) Medium Macht/ Einfluss, ErFairness, Ehrlichkeit, Loyalität, Geld, Kapital folg, Prestige/ AnseWürde, Integrität, Vertrauen, hen Aufrichtigkeit, Dignität Ziele aus UnternehUnt.größe, MarktanMitarbeiterzufriedenheit, menssicht Gewinn-, Umsatz-, teile, Marktmacht, Schaffung Arbeits- und AusbilRenditestreben Reputation, Einfluss dungsplätze, Arbeitsplatzsiauf Gesetzgebung cherheit, integrer Stellenabbau ↓ ↓ formale Ebene: Zweckrationalität bei der Interessenverfolgung (= ökonomisch3) “maximize welfare as they conceive it”; “they try as best they can” Abb. 9:

Ökonomische und moralische Interessen im Economic Approach412

Auf der materialen (inhaltlichen) Ebene finden sich Opportunitätsnutzen und damit diverse anzustrebende Interessen, Präferenzen und Ziele, welche ökonomischer oder moralischer Art sein können. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich bei den ökonomischen Eigennutzinteressen im engsten Sinne um rein monetäre

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usw.), sodass auch Faktor P auf das Verhalten übergreifen kann (∆𝑉 = 𝑓(∆𝑃, ∆𝑅), vgl. dazu SCHRAMM 1996, S. 240). Vgl. SCHRAMM (2010a), S. 324f. Kein Unternehmen kann auf Dauer eine Ethik der roten Zahlen „fahren“. Quelle: SCHRAMM (2004a), S. 13 - abgeändert. SCHRAMM hat mit diesem Schema versucht, das obige Zitat von BECKER auszubauen und dabei seiner persönlichen moralökonomischen Sichtweise Ausdruck zu verleihen.

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 125 (Eigen-)Interessen (ökonomisch1), in einer weiter gefassten Sicht um nichtmonetäre Eigennutzinteressen413. Letztere befördern zwar den eigenen Nutzen und die eigenen Interessen, sind aber weder altruistischer noch monetärer Art. Beide Interessentypen zusammengenommen nennt SCHRAMM „ökonomisch2“, was dem normalen „Opportunitätsnutzen“-Begriff entspricht. Nun ist zu sehen, dass reale Menschen keine Homines oeconomici sind, die als Kalkulationsmaschinen rein rational entscheiden und nur über Eigennutzinteressen verfügen414. Die inhaltliche Ebene umfasst daher noch einen weiteren Typus menschlicher Interessen, nämlich wertrationale (z. B. moralische, kulturelle, religiöse, ästhetische) Interessen415. So kann es, wie obiges Beispiel zeigt, sein, dass sich ein Manager altruistisch verhalten möchte (also gewisse Fairness- oder Verpflichtungsinteressen hat) und einen genuinen Vorteil darin erkennt, sich bei Entlassungen in die Lage der Betroffenen zu versetzen (ihnen zuzuhören, ihre Ängste zu erspüren usw.). Moralisch ist ein solches Interesse deshalb, weil es nicht erzwingbar ist und der Akteur für sich selbst keinen Vorteil daraus erwartet 416. Es kann sich sogar gegen die monetären Eigennutzinteressen richten. Bei moralischen Interessen geht es nicht nur um den eigenen Nutzen, sondern um den Nutzen und die Interessen der anderen, sprich um Altruismus (lat. alter: der andere) 417. Ein derartiges moralisches Bewusstsein (Demut, Einfühlungsvermögen) ist nicht erlernbar, sondern erfolgt aus eigenem Antrieb heraus. Moral wird deshalb nicht als Restriktion des Handlungsspielraums erlebt, sondern als „attraktive Größe“ 418.

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Vgl. auch im Folgenden SCHRAMM (2004a), S. 13; SCHRAMM (2008a), S. 117f. Vgl. FEHR/ SULZBERGER (2014), S. 195. Vgl. SCHRAMM (2008a), S. 118. Vgl. SCHRAMM (2008a), S. 115; HOERSTER (2003), S. 177. Ein Mensch kann z. B. nur deshalb daran interessiert sein, in einer solidarischen Gesellschaft zu leben, um nicht selbst von Armutskriminalität bedroht zu werden. Dann würde die Maximierung des persönlichen (Eigen-)Nutzens im Fokus stehen. Zugleich gibt es Menschen, die eine solidarische Gesellschaft deshalb vorziehen, da sie der Auffassung sind, dass eine Gesellschaft nur dann integer ist, wenn niemand hungern muss (für alle eine medizinische Grundversorgung besteht usw.). Dann würde es sich um ein altruistisches, moralisches Interesse handeln, bei dem auch der Nutzen anderer in die persönliche Nutzenfunktion aufgenommen wird. Es geht um Vorteile, die sich unparteilich auf die Interessen aller richten. Der Punkt ist nun: In beiden Fällen führt die Interessenbefriedigung zu einem Wohlgefühl („warm glow“), die Nichtbefriedigung (das Leben in der gespaltenen, unsolidarischen Gesellschaft) zu einem Unwohlsein. Diese Effekte stellen sich bei allen Interessen gleichermaßen ein, was aber nicht bedeutet, dass beide Interessen inhaltlich gleich wären. SCHRAMM (2004a), S. 13. Eine „attraktive Größe“, die den Weg für neue Optionen und Perspektiven eröffnet.

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Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Auf der formalen, auf Zweckrationalität abzielenden Ebene geht der Economic Approach davon aus, dass alle individuellen und kollektiven Akteure ihre unterschiedlichen persönlichen Ziele und Interessen - moralische Interessen eingeschlossen - so rational (ökonomisch, zweckmäßig, effektiv, effizient) wie möglich verfolgen und zu maximieren versuchen (ökonomisch3)419. Jeder Mensch hat eine Art formale stabile Basispräferenz420, ein formales Interesse daran, das zu erreichen, was er erreichen will. In dieser formalen Annahme findet sich der ökonomische Gedanke und damit der Homo oeconomicus in BECKERs Ansatz wieder421. Inhaltlich können die Interessen zwischen den Akteuren aber verschieden sein. Wäre das nicht so, dann bräuchte es keine verschiedenen Begriffe - wie „moralisch“ oder „ökonomisch“ - mehr. In einem weiteren Schritt wird im folgenden Unterabschnitt 3.3.5.2 eine Kategorisierung verschiedener Anreize vorgenommen und die Relevanz derselben für die vorliegende Themenstellung aufgezeigt.

3.3.5.2 Theorie moralischer Anreize Wie in Unterabschnitt 3.3.5.1 gezeigt, gibt es Anhaltspunkte für die Existenz genuin moralischer Interessen. Die Frage ist nun, unter welchen Bedingungen eine Aktivierung solcher Interessen wahrscheinlicher wird. Ein Ansatzpunkt hierbei sind moralische und ökonomische Anreize, die durch ihre kanalisierende Funktion ein bestimmtes Verhalten wahrscheinlicher machen können (anders gesagt: die Interessen aktivieren, sofern das betreffende Interesse vorhanden ist). Sie werden in diesem Unterabschnitt näher betrachtet. Im Unterschied zu HOMANN und anderen Theoriekonzepten gehen SCHRAMM und WIELAND davon aus, dass moralische Anreize als Mechanismen zur Aktivierung und Stabilisierung von Moral immaterieller, intrinsischer Natur sind, also nicht nur auf ökonomische Anreize zurückführbar sind422. Moralische Anreize aktivieren eine Welt sozialer, gesellschaftlicher Normen, deren Ziel es ist, „funktionskonformes Verhalten zu stärken und zu 419

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421 422

Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 12f.; SCHRAMM (2008a), S. 118f.; SCHRAMM (2015b), S. 109. Das erscheint schon deshalb plausibel, gerade weil es sich um die „Interessen“ der Akteure handelt. Auch SCHRAMM (2004a, S. 15) macht „den Vorschlag [...], den economic approach so anzusetzen, dass die stabile Präferenz schlicht durch die homo-oeconomicus-Annahme abgedeckt wird“. Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 12f. Vgl. WIELAND (2005b), S. 264. Nach WIELAND (1999, S. 62f.) geht die „spezifische Wirksamkeit von Moral in der Unternehmung [...] nicht aus ihrer ökonomischen Kalkulation, sondern [...] aus den nichtintentionalen Eigenschaften moralischer Anreize selbst“ hervor. Die Governanceethik geht davon aus, dass Akteure eine „emotional-moralische Motivation“ (WIELAND 2005a, S. 131)

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 127 belohnen und die Abweichung davon zu blockieren und zu bestrafen“ 423. Sobald Menschen moralische Interessen haben, kann versucht werden, eine Umgebung zu schaffen bzw. einen Anreiz zu produzieren, der dieses moralische Interesse aktiviert. Bei moralischen Anreizen handelt es sich um „Werte wie Achtung, Anerkennung, Regeleinhaltung, Gehorsam, Loyalität, Wertschätzung, Dankbarkeit, Pflichterfüllung, Prinzipienkonsistenz - die entweder im sozialen Tausch auf einen Akteur durch einen anderen Akteur für konformes Verhalten zugewiesen [Fremdreferenz] oder durch Selbstbeobachtung selbst zugewiesen werden [Selbstreferenz moralischer Anreize]“424. Dagegen repräsentieren bzw. aktivieren ökonomische Anreize die Welt des Marktes, die ARIELY wie folgt kennzeichnet: “There’s nothing warm and fuzzy about it. The exchanges are sharp-edged: wages, prices, rents, interest and cost-and-benefits“425. Zur Einordnung moralischer und ökonomischer bzw. intrinsischer und extrinsischer Anreize eignet sich das folgende Schema in Abb. 10. Es ist, gerade was die grau hinterlegten Inhalte anbelangt, so mehr oder weniger lückenhaft in den Köpfen der Menschen vorhanden. intrinsisch (subjektiv, Interessen)

ökono- materielle (Einkommen, Gü- immaterielle (Nutzen, Eigeninmisch ter, Preise) teresse, Identifikation) mora- immaterielle (Achtung, immaterielle (habitualisierte lisch Missachtung, Anerkennung) Pflichten, Normen, Tugenden)

Aktivierung

An- extrinsisch (objektiv, reize Tatsachen)

ökonomische Interessen: Welt des Marktes moralische Interessen: Welt sozialer Normen

Zuordnung/ Intention innere Motivation/ Bedürfnisbefriedigung

Ökonomie Abb. 10: Anreizmatrix426

423 424 425 426

haben und es nicht nur „ökonomische Anreize seien, die moralisches Verhalten induzierten“ (WIELAND 2005b, S. 252), sondern „auch moralische, psychologische, soziale oder rechtliche Anreize in Betracht gezogen werden“ (ebd.) müssen. „[M]oralische Anreize [sind] aber auch genuin moralische Anreize. Das heißt: Sie sind keine ökonomischen Anreize (= Opportunitätsvorteile), sondern differieren von ökonomischen Anreizen in inhaltlicher [ontologischer] Hinsicht“ (SCHRAMM 2004a, S. 16). WIELAND (2005b), S. 260. WIELAND (2005b), S. 269. ARIELY (2008), S. 68. Quelle: WIELAND (2005b), S. 265 - abgeändert.

128

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Allgemein wird davon ausgegangen, dass ökonomische Anreize extrinsisch sind. Ein typisches Beispiel für materiell extrinsische Anreize sind monetäre Anreize, wie ein höheres Gehalt, das den Mitarbeitern von außen in der Hoffnung zugebilligt wird, dass daraus Anreize für eine gesteigerte Leistungsbereitschaft resultieren. Bei moralischen Anreizen wird angenommen, dass sie aus einem intrinsischen (subjektiven) moralischen Interesse (nicht aus Opportunitätsvorteilen) hervorgehen427. Moralisches Handeln erfolgt um seiner selbst willen428. Wie stark das moralische Interesse ausgeprägt ist, kann je nach Person und Organisation abweichen. Eine weitere Kategorisierung betrifft moralische Anreize, die extrinsisch (von außen) an individuelle oder kollektive Akteure zugewiesen werden. Dabei ist zu bedenken, dass eine Zuweisung moralischer Anreize nur bei Personen und Organisationen möglich ist, nicht aber in Funktionssystemen. So reagiert der Markt nicht auf moralische Anreize, da er über keine moralische Identität verfügt, die sich aktivieren ließe. Als ökonomisches System „sieht“ der Markt nur mit der Brille monetärer Anreize (+/- Zahlen). Sobald Personen involviert sind und es um Identität - sei es individuelle Identität oder Corporate Identity - geht, kann mit moralischen Anreizen gearbeitet werden. Dabei ist vorstellbar, dass Akteure ohne äußere Anreize nicht oder kaum bereit sind, moralisch zu handeln. Extrinsische moralische Anreize können in den Fällen, in denen Akteure über moralische Interessen verfügen, eine steuernde Wirkung entfalten und ein integres Verhalten aktivieren. Wie mehrere Untersuchungen aus dem Bereich der „Behavioral Economics“429 zeigen, lassen sich durch ökonomische und moralische Anreize jeweils verschiedene In-

427

428 429

Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 16. Auch moralische Anreize sind echte Anreize, d. h. der jeweilige Akteur handelt „nicht aus unbefleckter Selbstlosigkeit; vielmehr verspricht er sich etwas davon“ (SCHRAMM 2004a, S. 15f.). Den Anreiz für diese moralische Motivation sieht WIELAND im Streben nach gegenseitiger Wertschätzung (durch andere und vor sich selbst), also der „Befriedigung des Bedürfnisses nach Selbstachtung [von innen: Kann ich Achtung vor mir selber haben?] und Fremdachtung [von außen: Respektieren mich andere?]“ (WIELAND 2005b, S. 271). Bei moralischen Anreizen geht es also immer um moralische Identität und moralische Integrität. Vgl. WIELAND (1999), S. 64; DECI (1975), S. 23; CALDER/ STAW (1975), S. 599. “Behavioral Economics is concerned with a wide range of factors - cultural, institutional, psychological, and social - that influence human decision making. [...] Factors such as social norms, morals, perceptions of justice, various attitudes, and particular beliefs can influence the way people behave, even sometimes if their behavior is not in their own immediate self-interest“ (JAMES 2006, S. 597f.; vgl. MACFADYEN/ MACFADYEN 1986, S. 2f. für eine weitere gängige Definition). Wie die Definition zeigt, sind es nicht nur ökonomische Eigennutzfaktoren, die das menschliche Verhalten auf der Wirklichkeitsebene beeinflussen, sondern ein Set diverser Faktoren, das auch aus sozialen Normen, moralischen (religiösen, Gerechtigkeits-)Vorstellungen usw. besteht.

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 129 teressen aktivieren, wobei zu beachten ist, dass ökonomische und moralische Anreize kollidieren und moralische Interessen durch ökonomische Anreize verdrängt werden können430. Zudem gibt es Situationen, in denen moralische Anreize, die moralische Interessen aktivieren, vergleichsweise besser als monetäre Anreize funktionieren. Moralische Anreize sind häufig auch ohne finanzielle Mittel in der Lage, gewisse Verhaltensweisen oder Leistungen zu erzeugen. Was in der normalen Lebens- oder Unternehmenswelt das wirksamere Anreizmanagement darstellt, ist fallabhängig und vorab nur schwer einzuschätzen431. In der Realität herrscht ein „Hin und Her“ von ökonomischen und moralischen Anreizen, weshalb fallweise zu prüfen ist, mit welcher Art von Anreizen eine Situation effektiver in die gewünschte Richtung gesteuert werden kann. Es ist denkbar, ein Ziel mit ökonomischen, moralischen oder einer Mischung aus beiden Anreizen zu erreichen. Da die (normale Lebens- und Unternehmens-)Welt heterogener ist, als es die klassische ökonomische Theorie modelliert, ist davon auszugehen, dass es auch im wirtschaftlichen Bereich effektiv sein dürfte, zur Induzierung eines gewünschten Verhaltens auf moralische Anreize zu setzen432. Der Gedanke eines situationsspezifischen, multidimensionalen Anreizmanagements wird im folgenden Unterabschnitt (u. a. unter Einbezug verhaltensökonomischer Erkenntnisse) weiter ausgeführt.

3.3.5.3 Aktivierung moralischer Anreize Um Aussagen darüber zu treffen, wie Menschen auf ökonomische Anreize reagieren, welche Rolle aber auch moralischen Vorstellungen zukommt, liefern die Experimente um den Verhaltensökonomen ARIELY interessante Erkenntnisse. Er bringt Probanden u. a. in die Versuchung, zu betrügen, und testet hierbei, wie sie auf ökonomische und moralische Anreize reagieren 433. Dabei zeigt er, dass es oft 430

431 432

433

FREY und OSTERLOH (2002, S. 9f.) sprechen in diesem Fall vom „crowding-out effect“ (Verdrängungseffekt). Dass moralische und ökonomische Anreize eine unterschiedliche Wirkung haben können, zeigen mehrere bekannte Studien aus dem Bereich der Behavioral Economics (vgl. etwa das Experiment an einer israelischen Kindertagesstätte von GNEEZY/ RUSTICHINI 2000 sowie die Untersuchung von TITMUSS 1976 zum Blutspendemarkt in den USA und Großbritannien). Vgl. dazu auch SCHRAMM (2015b, S. 98). Vgl. WIELAND (1999), S. 64; WIELAND (2005b), S. 260, 277. “Money, as it turns out, is very often the most expensive way to motivate people. Social norms are not only cheaper, but often more effective as well” (ARIELY 2008, S. 86). So wurde von ARIELY, MAZAR und AMIR unter Studenten ein standardisierter Test mit 50 MCFragen durchgeführt (vgl. ARIELY 2008, S. 198ff.; SCHRAMM 2015b, S. 101ff.). Pro richtiger Antwort wurden 0,10 Dollar ausbezahlt. Die Ergebnisse waren von den Probanden zunächst auf ein

130

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

eine Mischung aus ökonomischen Eigennutzinteressen und moralischen Interessen sowie Identitätsvorstellungen ist, welche das Verhalten der Akteure bestimmt. Das heißt, sowohl die Welt der moralischen als auch der ökonomischen Interessen kann als Anreiz eingesetzt werden434. Durch seine Testergebnisse widerlegt er die Annahmen der klassischen ökonomischen Theorie435: Zwar handeln die Probanden in seinen Experimenten eigennutzorientiert (so verführen ökonomische Interessen Menschen zum Schummeln), aber nur in begrenztem Maße (geschummelt wird so weit, wie man es vor sich selbst rechtfertigen kann) 436. Diese Erkenntnis dürfte auf eine Vielzahl von Akteuren und Situationen übertragbar sein. Menschen haben ein moralisches Interesse an einer integren Identität. Daher erscheint es, wie in Unterabschnitt 3.3.5.1 gezeigt, zweckmäßig, zwei verschiedene aktivierende

434

435

436

Arbeitsblatt und am Ende auf einen Auswertungsbogen zu übertragen. Beide Formulare mussten nach 15 Minuten bei der Prüfungsaufsicht abgegeben werden. Neben der Kontrollgruppe gab es drei Testgruppen mit verschiedenen Schummeloptionen: Gruppe 1 konnte die richtigen Antworten durch Vormarkierungen auf dem Auswertungsbogen erkennen und so vor dem Gang zur Aufsicht Falschantworten korrigieren. Vor der Abgabe sollte die Anzahl der „richtig“ beantworteten Fragen nur auf dem Auswertungsbogen notiert werden. Obwohl auch in diesem Fall beide Formulare abzugeben waren, erfolgte die Kontrolle und Auszahlung nur auf Basis der Angabe auf dem Auswertungsbogen. Hätte der Aufseher die Aufgabenblätter untersucht, so wäre der Betrug aufgeflogen. Gruppe 2 musste nur den Auswertungsbogen bei der Aufsicht abgeben und konnte das Originalaufgabenblatt vor Abgabe zerschreddern. Falschantworten waren nicht mehr nachweisbar. Gruppe 3 konnte beide Formulare zerschreddern und sich direkt an der Gelddose bedienen. Im Ergebnis wurden von der Kontrollgruppe Ø 32,6 Fragen richtig beantwortet (= Ø Wissensstand der Probanden). Von den drei Testgruppen wurden (nur) rund 36 „richtige“ Antworten abgegeben. Das zeigt: Die Probanden haben sich zwar eigennützig besser dargestellt, jedoch in geringerem Ausmaß als erwartet. Vgl. SCHRAMM (2015b), S. 102. Es gibt auch Menschen, die moralisch unsensibel sind. Sobald aber ein moralisches Interesse vorausgesetzt werden kann, ist es möglich, moralische Anreize in Form von Erwartungen zu setzen. Zugleich gibt es die Welt ökonomischer Interessen, die sich mit ökonomischen Anreizen aktivieren lässt. Mit dem Aufsatz „Crime and Punishment: An Economic Approach“ brachte BECKER eine Analyse zur ökonomischen Theorie der Kriminalität mit dem Ziel hervor, “to develop optimal public and private policies to combat illegal behavior“ (BECKER 1974, S. 77). Im Zentrum steht die Frage, welcher Nutzen durch eine beliebige Betrugsform generierbar ist, unter Beachtung der Wahrscheinlichkeit, geschnappt zu werden. Als Hauptmotiv für kriminelles Handeln führt er an: “Some persons become ‘criminals’ […] not because their basic motivations differs from that of other persons, but because their benefits and costs differ“ (ebd., S. 46). Verkürzt bedeutet das, dass kriminelle Handlungen bei niedrigem Aufdeckungsrisiko (günstigem Kosten-/ Nutzenverhältnis) auch zwingend vollzogen werden. Diese Annahme widerspricht den Ergebnissen des oben skizzierten Experiments von ARIELY: Probanden von Testgruppe 3 hätten sich - ohne erwischt zu werden - so viel Geld nehmen können, wie es der Maximalzahl richtig beantwortbarer Fragen entsprochen hätte. Eben das haben sie aber nicht getan. Vgl. SCHRAMM (2015b), S. 102. “Something held them back - something inside them” (ARIELY 2008, S. 201f.). Was die Akteure zurückhält, ist das innere Zusammenspiel von moralischen Interessen und Eigennutzinteressen.

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 131 Kräfte zu unterscheiden: ökonomische (Eigennutz-)Interessen und moralische Interessen. ARIELY spricht im Kontext der Aktivierung moralischer Interessen auch vom „personal fudge factor“437, der als persönlicher „Schummelfaktor“ bzw. innere moralische Hürde zu interpretieren ist. Der personal fudge factor zeigt den Widerstreit zwischen ökonomischen Eigennutz- und moralischen Selbstachtungsinteressen. Bis zum Erreichen dieses Faktors können Akteure ihr Handeln noch vor sich selbst moralisch rechtfertigen, darüber hinaus nicht mehr. Moralische Grenzen werden demnach nur innerhalb eines Spielraums überschritten, sodass Akteure im Normalfall nie ganz unkontrolliert agieren werden. Es gibt also eine moralische Identität (als Form der Selbstachtung), die als moralischer Anreiz funktioniert. Die Frage ist, wie der personal fudge factor, den sich Akteure zubilligen, durch äußere Anreize reduziert werden kann438: Wie lassen sich Rahmenbedingungen schaffen, die als moralischer Anreiz wirken und moralische Interessen aktivieren? Ein Ziel in moralisch heiklen Situationen sollte es nämlich sein, die moralische Identität der Akteure zu wecken, um ihr Handeln positiv zu beeinflussen. Eine Reduzierung des personal fudge factors ist z. B. durch eine Erinnerung an moralische Instanzen (wie die Zehn Gebote) möglich 439. Dieses moralische „Wachrütteln“, wobei in Anlehnung an THALER und SUNSTEIN auch von einem 437 438

439

Vgl. ARIELY (2010); SCHRAMM (2015b), S. 102. Im Gegensatz dazu zeigen GNEEZY/ RUSTICHINI (2000), dass der personal fudge factor durch marktähnliche Anreize auch erhöht oder gar zerstört werden kann. Durch die Einführung einer Geldstrafe für säumige Eltern an einer israelischen Kindertagesstätte wurden moralische Anreize in die Welt des Marktes überführt, in der der moralische Faktor nicht mehr zählt, da Menschen nur noch auf ökonomische Anreize (+/- Zahlen) reagieren. ARIELY, MAZAR und AMIR haben hierzu ein ähnliches Experiment durchgeführt (vgl. ARIELY 2008, S. 206ff.; SCHRAMM 2015b, S. 102f.): Auf einem Aufgabenblatt wurden 20 Matheaufgaben gestellt, die nach fünfminütiger Bearbeitung abzugeben waren. Die Testpersonen wurden vor der Bearbeitung in zwei Teilgruppen eingeteilt: Gruppe 1 sollte versuchen, zehn wichtige Bücher aus dem Studium zu notieren, Gruppe 2 sollte die Zehn Gebote aufschreiben. Im Anschluss wurden die Aufgaben bearbeitet. Auch bei diesem Versuch gab es neben der Kontroll- jeweils eine zweite Gruppe, die das Aufgabenblatt bereits vor Abgabe entsorgen und der Aufsicht die Anzahl der „richtig“ beantworteten Aufgaben direkt mitteilen konnte. Bei der Kontrollgruppe gab es keinen Unterschied in den Ergebnissen, und zwar unabhängig davon, ob die Bücher des Studiums oder die Zehn Gebote in Erinnerung gerufen wurden. Das erstaunt wenig, da beide Testgruppen vermutlich gleich intelligent waren. Es wurden Ø 3,1 Aufgaben richtig gelöst. In der Gruppe, die über eine Betrugsmöglichkeit verfügte, ergaben sich aber Unterschiede: Probanden, die sich an die Bücher des Studiums erinnerten, haben geschwindelt (Zuwachs auf Ø 4,1 „richtige“ Antworten), während jene, die an die Zehn Gebote gedacht haben, das nicht getan haben.

132

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

moralischen „Nudge“ (Schubser) gesprochen werden kann, führt dazu, dass sich Menschen (zumindest vorübergehend) ehrlich und moralisch verhalten 440. Dabei muss es sich nicht zwingend um ein aus der Religion stammendes moralisches Gebot handeln. Auch Probanden, die nicht religiös waren und keines der Zehn Gebote kannten, haben dennoch wahrgenommen, dass es sich um moralische Gebote handelt441. Wichtig ist nur, dass es zur Erinnerung an moralische Gebote kommt, und das, möglichst kurz bevor Entscheidungen gefällt oder Aufgaben angegangen werden. Dadurch kann es gelingen, die moralische Identität bzw. das moralische Interesse der Akteure zu aktivieren 442. Für eine Ethik des Arbeitsplatzmanagements sind die bisherigen Feststellungen in mehrerlei Hinsicht relevant. Eine Herausforderung dürfte es sein, auch bei arbeitsplatzbezogenen Fragen auf ein plurales, differenziertes moralökonomisches Anreizmanagement hinzuwirken443. Je nach lokaler Situation kann es dann sinnvoll sein, verstärkt ökonomische Anreize zu setzen (bzw. deren Potenziale aufzuzeigen) oder moralische Anreize zu wecken, um das moralische Interesse, über das Manager womöglich verfügen, zu aktivieren. Welches Vorgehen die bessere Wirkung zeigt, hängt von den Umständen ab. Keinesfalls genügt es aber, nur (in Anlehnung an die klassische ökonomische Theorie) auf ökonomische oder monetäre

440

441

442

443

Vgl. THALER/ SUNSTEIN (2008), S. 6, 8; SCHRAMM (2015b), S. 104ff. Ein „Nudge“ ist als verhaltenssteuernder Schubs in eine gesellschaftlich und ethisch erwünschte Richtung zu verstehen. Als „Nudge“ kommt alles infrage, was das Verhalten beeinflusst, wobei zu beachten ist, dass „Nudges“ keinen Zwang darstellen, sondern kleinere moralische Anreize, welche, insofern vorhanden, moralische Interessen im Rahmen eines plural differenzierten Anreizmanagements aktivieren sollen. Im Gegensatz zu realen Menschen würde ein Homo oeconomicus nicht auf „Nudges“, sondern nur auf ökonomische Anreize reagieren. Vgl. ARIELY (2008), S. 208. Auch ein zweiter Versuch, in dem vor der Aufgabenbearbeitung ein frei erfundener „Ehrenkodex“ zu unterzeichnen war, brachte keine Abweichung zur Kontrollgruppe (vgl. ebd., S. 212f.). Insofern kann folgende Aussage bezüglich der Existenz und Wirksamkeit moralischer Anreize bestätigt werden: „Moralische Anreize sind moralisch codierte Wertschätzungen, welche die Werte [moralische Interessen], um derentwillen man geschätzt werden will oder sich selbst schätzt, in Erscheinung treten lassen, mit Leben erfüllen und damit bestätigen“ (WIELAND 2005b, S. 271.). Es kann also gelingen, Menschen mit ökonomischen und moralischen Anreizen zu einem gewünschten Handeln zu bewegen. Dementsprechend ist zu prüfen, ob es sich bei den identifizierten Anreizalternativen um alle Alternativen handelt oder ob nicht noch weitere Optionen bestehen, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Ein Konzept, das explizit darauf hinweist, dass es viele Arten von Anreizen bzw. Möglichkeiten gibt, Menschen „anzuschubsen“, ist das erwähnte „Nudge“-Konzept von THALER/ SUNSTEIN (2008, S. 3).

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 133 Anreize zu setzen. Zur Verdeutlichung wird die Situation eines drohenden Stellenabbaus herausgegriffen. Anreize (1) ökonomisch

extrinsisch (objektiv, Tatsachen) Personal Organisational materielle: Ökonomisches Potenzial eines sozialverträglichen Stellenabbaus: aufzeigen!

intrinsisch (subjektiv, Interessen) Personal Organisational immaterielle: aufzeigen!

immaterielle: (Miss-)Achtung, Anerken(2) nung im beruflichen/ privaten Umfeld: be- immaterielle: aktivieren/ erhöhen! moralisch wusst machen! Abb. 11: Anreizmatrix im Arbeitsplatzmanagement444

(1) Ökonomische Anreize sind in mehrerlei Hinsicht relevant, wenn es darum geht, ob es zum Stellenabbau kommt und wie dieser abläuft445. Dabei ist die Perspektive des Ob und des Wie zu unterscheiden: Die Gründe, die zum Stellenabbau führen (und über das Ob entscheiden), setzen sich unterschiedlich zusammen. Sie sind aber für die moralische Bewertung arbeitsplatzbezogener Maßnahmen mit ausschlaggebend446. Dringende Anpassungen lassen sich in existenzgefährdeten Unternehmen häufig nicht ohne Stellenstreichungen realisieren. In solch alternativlosen Fällen bleiben zusätzliche moralische Anreize, selbst bei Vorhandensein moralischer Interessen beim Management, wirkungslos, da - trotz möglicherweise erfolgreicher Aktivierung moralischer Interessen - wegen ökonomischer Zwänge kaum Spielraum für Moral besteht447. In tragischen Situationen muss festgelegt 444 445

446

447

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an WIELAND (2005b), S. 265. Die Relevanz und Wirksamkeit ökonomischer Anreize ergibt sich für Unternehmen generell „aus der ökonomischen Leitcodierung für Organisationssysteme der Wirtschaft“ (WIELAND 1999, S. 62). ORLANDO (2003, S. 34) verdeutlicht diesen Gedanken am Beispiel eines Vermieters, der vor folgender Überlegung steht: “Imagine that I own an apartment [enterprise] which I have rented to a couple for ten or fifteen years […]. I discover that I can make more money by dividing up the apartment and renting it to college students [by cutting jobs to boost profitability]. My intuition is that I have a responsibility to the people who rent from [work for] me. At the very least, I should assure the couple, […] that I will not have them leave until they have procured similar housing elsewhere at similar cost [until they have found new jobs]. […] Moreover, the purpose of the money will have a bearing on the moral status of the act. The act is far easier to justify if it is needed to pay for my wife’s extended medical care [to save other jobs which are being threatened], than if it merely allows me to buy a longer sail-boat”. Auch WIELAND (2005b, S. 267) weist darauf hin, „dass die Kenntnis und Bejahung moralischer Überzeugungen oder Einstellungen noch keineswegs zu einem moralischen Handeln führen“ muss.

134

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

werden, wer entlassen wird, obwohl den Verantwortlichen häufig bewusst ist, wie hart dies für die Betroffenen ist448. Anders verhält es sich, wenn ein Stellenabbau zwar auch als Instrument zur Kostensenkung eingesetzt werden soll, den Mitarbeitern aber die Notwendigkeit der Maßnahme nicht klar kommuniziert wird oder aus anderen Gründen unplausibel erscheint449. Eine ähnliche Situation tritt ein, wenn die Prüfung alternativer Kostensenkungspotenziale nur notgedrungen, aufgrund gesetzlicher Bestimmungen 450 erfolgt oder erst gar nicht versucht wird, derartige Potenziale auszuschöpfen. In solchen Fällen liegt der Verdacht nahe, dass sich das Management (bewusst oder unbewusst) zu einseitig von ökonomischen Anreizen oder eventuell vom Vorgehen der Konkurrenz leiten und in der Folge wichtige moralische Aspekte außer Acht lässt451. Es nimmt womöglich gar nicht mehr wahr, dass seine Entscheidungen, auch wenn sie juristisch zulässig sind, in ihrer Wirkung doch moralisch fragwürdig sind und für die Mitarbeiter mit schmerzlichen Folgen verbunden sein können452. Hier kann versucht werden, das Management im Zuge eines pluralen Anreizmanagements durch die Aktivierung moralischer Anreize zu einem integren Verhalten zu bewegen453. Die Voraussetzung einer solchen Anreizaktivierung ist 448 449 450

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452

453

Vgl. für eine genauere Einordnung tragischer (Freisetzungs-)Situationen Abschnitt 8.3.2. Vgl. dazu Abschnitt 3.3.2, der sich mit dem Fallbeispiel Nokia befasst. Vgl. dazu Abschnitt 6.3.3, der sich mit den Anforderungen an sozial gerechtfertigte Kündigungen befasst. Vgl. CASCIO (2005), S. 44. Aus dieser Sicht läuft auch eine einseitig extensive (und damit unproduktive) Sozialpolitik Gefahr, bei Arbeitgebern und -nehmern falsche Anreize zu setzen. Ein Übermaß an staatlicher Fürsorge und eine Vernachlässigung des Subsidiaritätsprinzips können auf Arbeitgeber demotivierend wirken, dann vor allem, wenn sie sich von ihrer moralischen Pflicht zu solidarischem Handeln zunehmend befreit fühlen. Zugleich ist folgender Aspekt zu bedenken: Da Menschen risikoscheu sind und Risikounsicherheit als Nutzen mindernd empfinden, ist es aus Effizienzgründen und im Sinne einer „produktiven Sozialpolitik“ (vgl. KLEINHENZ 1992, S. 52ff.) sinnvoll, verschiedene Formen von Versicherungen zu installieren, um ihren Nutzen zu erhöhen und das Eingehen gewisser Lebensrisiken zu fördern (vgl. HOMANN/ PIES 1996, S. 220). Da Arbeitslosigkeit ein größeres Lebensrisiko darstellt, verbessert „die Arbeitslosenversicherung […] die Voraussetzungen dafür, dass jede Arbeitskraft auf den am besten passenden Arbeitsplatz gelangt“ (MANKIW/ TAYLOR 2008, S. 692). Folglich ist das optimale Niveau der Arbeitslosenunterstützung nicht Null (so wie es etwa der Sichtweise neoliberaler Ökonomen entsprechen würde), sondern ein positiver Betrag. „Gesetze müssen daher ergänzt werden von der Selbstverpflichtung der Verantwortlichen, […] die Gesetze […] auch dem Sinn nach einzuhalten“ (GÖBEL 2003, S. 185). Es wird bewusst von „pluralem Anreizmanagement“ gesprochen: Managementethisch reicht es nicht aus, nur moralische Anreize bei Managern wecken zu wollen, zumal dies teilweise kaum erfolgversprechend sein dürfte. Eine praxistaugliche Managementethik versucht daher, auch die positiven ökonomischen Potenziale, welche z. B. ein sozialverträglicher Stellenabbau bewirken

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 135 aber, dass das Management über ein moralisches Interesse verfügt, welches sich durch entsprechende Anreize aktivieren lässt. (2) Aus der Warte einer alltagstauglichen Managementethik sollten Manager so entscheiden, dass sie ihre Entscheidungen später nicht bereuen müssen. In diesem Kontext ist zu sehen, dass Manager, wie alle Menschen, innerhalb eines sozialen Netzwerkes agieren. Das gilt im Berufsleben genauso wie im Privaten. Dabei wird ihnen eine moralisch codierte Wertschätzung für den von ihnen praktizierten Stellenabbau von außen zugeschrieben, was unter Einbeziehung des jeweiligen Handlungskontextes und der subjektiven Präferenzen des Managers ein moralischer Anreiz sein kann. Mit „von außen“ ist zum einen die Gesellschaft gemeint, aber auch das berufliche Umfeld, also interne und externe Kollegen, ausscheidende und verbleibende Mitarbeiter, der Betriebsrat oder andere Stakeholder 454. Wichtig ist nun, dass moralische Fehltritte im Zuge eines Stellenabbaus (z. B. der Umstand, dass Mitarbeiter in irgendeiner Form belogen oder getäuscht wurden) mit dem Ausscheiden der Betroffenen nicht automatisch abgegolten sind, sondern einer Führungskraft lange Zeit anhaften können, was für moralisch interessierte Akteure abschreckend sein dürfte. In Bezug auf extrinsische moralische Anreize besteht für die Managementethik kein direkter Handlungsbedarf. Missachtung (durch böse Blicke, Aus-dem-Weg-Gehen usw.) vollzieht sich durch (non-)verbale kommunikative Prozesse, die direkt zwischen Menschen ausgetauscht werden. Sie bedürfen keines speziellen Managementinstrumentariums, um wirksam zu werden. Die Managementethik ist nur in der Hinsicht gefordert, dass sie im Unternehmen und über dessen Grenzen hinweg auf eine möglichst transparente Kommunikationsstruktur hinwirken sollte455.

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455

kann, dem Management zu verdeutlichen. Positive Effekte treten etwa dann ein, wenn es durch einen integren Umgang mit den Ausscheidenden gelingt, den verbleibenden Mitarbeitern Ängste zu nehmen und so ein vertrauensvolles, produktives Arbeitsklima aufrechtzuerhalten. Das gilt umso mehr, als sich einmal eingetretene Störungen eines intakten Betriebsklimas nur noch schwer rückgängig machen lassen (vgl. ARIELY 2008, S. 77). Es ist daher sinnvoll, auch im Arbeitsplatzmanagement gezielt ökonomische Anreize zu aktivieren, gerade dann, wenn Chancen bestehen, ökonomische Vorteile mit moralisch erwünschten Effekten für die Belegschaft zu vereinen. In anderen Fällen kann es dagegen notwendig sein, die Belegschaft vor negativen (fehlgeleiteten, einseitigen) ökonomischen Anreizen des Managements zu bewahren. Das soziale Netzwerk einer Führungskraft umfasst darüber hinaus das nähere soziale Umfeld (die Familie, den Bekanntenkreis usw.), vor dem das Handeln ebenfalls moralisch zu legitimieren ist. Da über Art und Weise eines Stellenabbaus primär auf der Führungsebene entschieden wird, wäre es zudem wünschenswert, wenn extrinsische moralische Anreize stärker auch direkt unter Mana-

136

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

Bezüglich intrinsischer moralischer Anreize ist zu sehen, dass Manager, wie gezeigt, über ein sehr unterschiedlich ausgeprägtes genuin moralisches Interesse verfügen. Managementethisch stellt sich deshalb eine doppelte Herausforderung: Zunächst sollte das moralische Interesse so früh und weit wie möglich aktiviert werden, um auf einen integren Umgang mit arbeitsplatzbezogenen Fragen hinzuwirken. Aufbauend darauf kann versucht werden, den personal fudge factor des Managements zu reduzieren. Als innere moralische Hürde ist dieser maßgebend dafür, welche Formen des Stellenabbaus noch als moralisch korrekt eingestuft werden und welche nicht mehr. Ziel einer Reduzierung des personal fudge factors ist es folglich, im Bedarfsfall auf sozialverträglichere Maßnahmen hinzuwirken. Dies erscheint geboten, wenn Akteure erst in Folge einer tiefgreifenderen Aktivierung ihres moralischen Interesses erkennen, dass der geplante bzw. praktizierte Stellenabbau in der bisherigen Form moralisch zu kurz greift. Bei zunehmender Unternehmensgröße liegt hier ein Problem in der unpersönlichen Beziehung zwischen Topmanagement und Belegschaft. Dabei steht die strategisch-abstrakte Perspektive des Managements im Spannungsverhältnis zur individuums- bzw. ichbezogenen Natur, über die einzelne Mitarbeiter verfügen (vgl. Abb. 12).

Führungskraft

Belegschaft

einzelner Mitarbeiter

Abb. 12: Perspektivenvergleich Management vs. einzelner Arbeitnehmer456

Das Management läuft dadurch Gefahr, zu irrationalem Handeln verleitet zu werden457. So fällt es leichter, Menschen zu schädigen, wenn die Umstände, unter denen dies geschieht, abstrakt, unpersönlich und spielerisch sind. Je stärker die persönliche Beziehung zwischen den Akteuren ist, desto größeres Unbehagen bereitet eine Schädigung. Übertragen bedeutet das, dass ein Stellenabbau mit zunehmender Abstraktheit der Beziehung (und zunehmendem Entscheidungsdruck) zwar nicht unbedingt leichter fällt, es aber wahrscheinlicher wird, dass moralische

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gern zugewiesen werden würden (etwa durch Hinweise auf moralische Missstände im Zuge arbeitsplatzbezogener Maßnahmen im oder außerhalb des Unternehmens). Dies würde nicht zuletzt dem generellen Ruf des Managements zugutekommen. Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. KOSLOWSKI (1988), S. 33.

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 137 Grenzen übertreten werden. Da der Blick auf das Einzelschicksal in der breiten Masse der Belegschaft verloren geht, kommt es tendenziell zur Erhöhung des personal fudge factors458. Jedenfalls ist anzunehmen, dass sich viele Stellenabbauentscheidungen schwerer treffen ließen (und wohl auch anders ausfallen würden), wenn das Management über das Schicksal jedes einzelnen Arbeitnehmers separat zu entscheiden hätte459. Eine gängige Möglichkeit, um moralische Interessen auf der Führungsebene zu aktivieren, liegt darin, moralische Argumente (im Sinne einer Gewissensmobilisierung) appellmäßig an die Werte der Entscheidungsträger zu richten 460. Derartige „[m]oralische Argumente können [zwar] als real wahrgenommene Fakten […] nicht wegdiskutieren [gerade dann nicht, wenn bestimmte Entscheidungen von den Beteiligten angesichts der vorliegenden Faktenlage als rationalste Lösung wahrgenommen werden], sie können aber die „Frames“ beeinflussen, nach denen vermeintliche Fakten als tatsächliche Fakten wahrgenommen und bewertet werden“461. Eine weitere, darauf aufbauende Möglichkeit liegt in der Implementierung moralischer Instanzen im Führungsprozess. Auf diese Weise kann es (theoretisch) gelingen, moralische Gebote in den Wahrnehmungsbereich des Managements einzuschleusen, um es so (bestenfalls kurz vor heiklen arbeitsplatzbezogenen Entscheidungen) daran zu „erinnern“, an welchen Werten es sein Handeln ausrichten sollte oder wollte462. Die Begriffe „moralische Instanz“ und „moralisches Gebot“ sollten dabei nicht zu eng gefasst werden. Ziel ist es, bereits präven-

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459

460 461 462

Die Mitarbeiter fühlen sich fremdbestimmt, da sie die Entscheidungen - trotz Mitbestimmungsmöglichkeiten - aus ihrer Sicht nicht wirksam beeinflussen können. Zugleich ist eine Beteiligung aller Mitarbeiter unmöglich. Dann nämlich würde der einzelne Mitarbeiter als Mensch mit Gefühlen hinter den jeweiligen Arbeitsplätzen erkannt werden, nicht die Belegschaft als kollektive und abstrakte Einheit. Vgl. SCHRÖDER (2013), S. 222f. SCHRÖDER (2013), S. 223. Die Idee ist, das Management kurz vor arbeitsplatzbezogenen Entscheidungen auf Moral aufmerksam zu machen, indem ihm die eigenen, zumeist selbst unterzeichneten Verhaltensstandards vor Augen geführt werden. In diesem Sinne stellt ARIELY (2008, S. 213) fest: “[I]f we are reminded of morality at the moment we are tempted, then we are much more likely to be honest. […] From our experiences, it is clear that oaths and rules must be recalled at, or just before, the moment of temptation”. Auch extrinsische moralische Anreize können zur Reduzierung des personal fudge factors beitragen. Das gilt gerade dann, wenn Managern - z. B. im Gespräch mit den von Stellenabbau Betroffenen, Mitarbeitervertretern oder anderen Gruppen - die Folgen von Entlassungen bewusst gemacht werden. Zwar liegt in einem solchen Falle kein moralisches Gebot im engeren Sinne vor, trotzdem kann hierdurch die moralische Identität geweckt werden.

138

Das Arbeitsverhältnis als Betrachtungsgegenstand der Arbeit

tiv ein Interesse bzw. einen Willen für einen integren Umgang mit arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen zu wecken. Dazu erscheint es notwendig, den Sinn und die Grundausrichtung eines anerkannten deontologischen Fundaments 463 in unternehmerische Standards und Handlungsabläufe zu implementieren und so „im komplexen betrieblichen Alltag konkret sichtbar werden zu lassen“ 464. Dabei ist zu beachten, dass diese Idee im Grunde bereits in der Praxis umgesetzt wird. WIELAND hat hierfür den Begriff des „organisationalen moralischen Anreizes“465 eingeführt. So haben gerade große und mittlere Unternehmen heute in der Regel bestimmte Verhaltensstandards (Code of Ethics, Grundwertekataloge, Unternehmensleitbilder, Führungsgrundsätze) implementiert466, welche zum Teil offen im Unternehmen aushängen, um so die identitätsbestimmenden und handlungsleitenden Werte in den allgemeinen Gesprächskreislauf des Unternehmens einzufädeln. Sie sollen als „Absichts- und Willenserklärung [...] ein Selektionskriterium für

463

464 465 466

Um die Folgen verschiedener Formen eines Stellenabbaus moralisch zu bewerten, können abstrakte Prinzipien wie die Goldene Regel, der kategorische Imperativ von KANT oder konkretere Moralregeln wie die Zehn Gebote (2. Mose 20) herangezogen werden. SUCHANEK (2010a), S. 202. WIELAND (1999), S. 64. Z. B. enthält die online abrufbare „Ethik-Charta“ des Babynahrungsherstellers Hipp (2006) u. a. Angaben über das angestrebte Verhalten gegenüber den Mitarbeitern in kritischen arbeitsplatzbezogenen Fragen. So heißt es unter 2.9 zum Thema Entlassungen: „Regel: Entlassungen werden bei Hipp, soweit möglich, vermieden. Sie werden nur dann vorgenommen, wenn alle anderen [sozialverträglichen, antizipativen] Wege der Problemlösung zwischen Unternehmen und Mitarbeitern wie z. B. Kurzarbeit, Versetzung, Umschulung [...] etc. nicht (mehr) in Betracht kommen. Grund: Entlassungen können den betroffenen Mitarbeiter in schwerwiegende finanzielle und familiäre Probleme stürzen [Basis: moralischer Anreiz]. Deshalb kann sich das Betriebsklima durch die dauernde Gefahr einer unerwarteten Kündigung bei den Mitarbeitern schnell verschlechtern [Basis: ökonomischer Anreiz]. Außerdem entstehen dem Unternehmen erhebliche Kosten, wenn häufig neue Mitarbeiter eingeführt und angelernt werden müssen [Basis: ökonomischer Anreiz]. Folge: Der Umgang mit Entlassungen ist von Führungskräften mit höchster Feinfühligkeit zu handhaben [Hipp hat anerkannt, dass die sozialverträgliche Lösung der Arbeitsplatzfrage eine eigenständige, originäre Managementaufgabe bildet, die neben andere Managementaufgaben (z. B. die ökonomische Aufgabe: Unternehmensrentabilität) tritt]. Weder dürfen zu viele Mitarbeiter eingestellt werden, da dies Entlassungen nach sich ziehen muss [der Personalbedarf kann nicht künstlich hochgerechnet werden], noch sollte mit Entlassungen aus kurzfristigen Motiven [zur kurzfristigen Gewinnmaximierung] leichtfertig umgegangen werden [hier zeigt sich der Vorteil inhabergeführter Unternehmen: Hipp (in Person: CLAUS HIPP) entscheidet auf kurzen Wegen über sein eigenes Geld, nicht über das der Shareholder. Das erleichtert es, auch in Bezug auf arbeitsplatzbezogene Anliegen dem selbst gewählten Slogan „Dafür stehe ich mit meinem Namen“ gerecht zu werden]. Insbesondere bei geplanten Rationalisierungsmaßnahmen sind durch eine rechtzeitige Befristung von Neueinstellungen [also durch antizipative Maßnahmen] spätere Entlassungen zu vermeiden“. In Punkt 2.10 werden ferner konkrete Angaben zu den Entlassungsmethoden getroffen.

Anknüpfungspunkte zwischen Arbeitsverträgen und ethischen Erwartungen 139 Entscheidungen in Konfliktsituationen“467 darstellen. Nun soll nicht verschwiegen werden, dass solche Verhaltensstandards in ihrer Wirkung relativ schwach sind. Sie tragen als kleiner Anreiz zwar zur temporären Erhöhung der Aufmerksamkeit beim Management bei (wobei offenbleibt, wie lange der Anreiz Wirkung zeigt und ab wann es wieder neuer Anreize bedarf), dennoch werden sie bei harten Entscheidungen oftmals keine durchschlagende Wirkung haben. Gleichwohl würde man Gestaltungsmöglichkeiten verschenken, wenn man nicht die gesamte Palette von Anreizen ausschöpfen würde. Sobald moralische Interessen beim Management vorhanden sind, sollte versucht werden, diese durch moralische Anreize zu aktivieren. Kapitel 4 wendet sich dem Moral Point of View und damit der für die Arbeit relevanten ethischen Hintergrundtheorie zu, welche im Besonderen für die im achten Kapitel vorgenommene Konzeptionierung eines theoretischen bzw. metaphysischen Analysegerüsts sowie für die eigentliche (management-)ethische Analyse arbeitsplatzbezogener Situationstypen von Bedeutung ist.

467

WIELAND (2004), S. 24.

4. Der Moral Point of View: Normative Ethiktheorien als inhaltliche Leitlinien einer Managementethik Arbeitsplatzbezogene Maßnahmen, die rechtlich zulässig und ökonomisch sinnvoll sind, können von den Mitarbeitern oder der Öffentlichkeit trotzdem moralisch abgelehnt werden. Die Frage, wie sich ethische Interessen und Ideale in der Praxis umsetzen lassen und welches Handeln im Einzelnen ethisch angemessen ist, lässt sich also nicht ohne Weiteres beantworten. Dennoch müssen Unternehmensverantwortliche auf der Basis ihres ethischen Grundwissens in verschiedenen Handlungsfragen zu akzeptablen Entscheidungen gelangen. Vor diesem Hintergrund ist es zweckmäßig (aber auch für das Management als Rechtfertigungshilfe und Richtungsorientierung hilfreich), ausgewählte, zum Teil widerstreitende normative Ethikkonzepte zu betrachten, da diese Ethikmodelle - ebenso wie Menschen - zu abweichenden, wenn auch nicht konkreten Ergebnissen gelangen468, was das ethisch Gute oder Richtige, also die in realen Fällen angemessene moralische Entscheidung ist469. Die Analyse der Entscheidungsalternativen und -konsequenzen aus mehreren ethischen Perspektiven kann den Blick für neue Möglichkeiten öffnen, welche bislang unbekannt waren oder für nicht realisierbar gehalten wurden470. Ebenso könnte man fragen: Inwieweit lässt sich die arbeitsplatzbezogene 468

469

470

„Die Aufgabe der Ethik besteht darin, normative Orientierungen für vernünftige Entscheidungen oder Handlungen zu geben bzw. moralische Erwartungen, Argumentationen und Urteile über Handlungen, deren Voraussetzungen und Folgen anzuleiten. Dabei wäre es gerade im Kontext von Führungsfragen eine Überforderung der Ethik, von ihr ganz konkrete Empfehlungen zu erwarten“ (SUCHANEK 2011, S. 280). Zudem sind Managemententscheidungen immer auch von persönlichen Ansichten über Gut und Böse (Richtig und Falsch, Recht und Schlecht usw.) durchzogen (vgl. GILBERT 2000, S. 12). Die Begriffe „Ethik“ und „Moral“ werden häufig synonym verwendet, obwohl sie nicht deckungsgleich sind (vgl. FISCHER ET AL. 2008; HÖFFE 2013, S. 10f.; TUGENDHAT 2003, S. 32ff.). Der Begriff „Moral“ beschreibt die faktisch existierenden und gelebten (informalen Spiel- bzw. Moral)Regeln und Normen, die von den meisten Menschen (in ihrem Denken, von ihrem Gefühl her) in einer Kultur oder Gesellschaft als richtig (fair, unparteilich) erachtet werden. Dabei existieren je nach Kultur inhaltlich verschiedene Moralvorstellungen und -überzeugungen, die im Zeitverlauf einem Wandel unterliegen können. Zudem prallen innerhalb einer pluralistischen Gesellschaft verschiedene Moralvorstellungen aufeinander, die z. B. auf persönlichen, religiösen oder politischen Überzeugungen beruhen. Bei der Ethik geht es um die Reflexion über bestehende Moralvorstellungen. Sie bezieht sich auf das „Geschäft“, über das Pro und Contra verschiedener Moralen zu argumentieren und zu diskutieren: Ist also z. B. eine bestimmte Moralvorstellung bzw. -regel überhaupt (noch) überzeugend und begründbar? Ist sie womöglich nicht doch unfair, diskriminierend oder ökonomisch kontraproduktiv? Damit ist zugleich gesagt, dass Ethik ohne Moral nicht praktisch thematisier- und diskutierbar ist. Vgl. GILBERT (2000), S. 13.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Wagner, Managementethik und Arbeitsplätze, Studien zur Ethik der Transaktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26382-9_4

142

Der Moral Point of View

Realität verbessern (bzw. ist es plausibel, hilfreich), wenn das forciert wird, was in diesen Konzepten gesagt wird?471 Und: Welche ethische „Denke“ ist für gewisse arbeitsplatzbezogene Fälle „richtig“, hilfreich oder weiterführend? 472 Bevor im zweiten Unterkapitel mit RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie und dem Utilitarismus sowie im dritten Unterkapitel mit SENs Befähigungsansatz drei Ethikkonzeptionen vorgestellt werden, welche verschiedene (und teils widerstreitende), für den weiteren Verlauf der Untersuchung wichtige normative Orientierungsmuster liefern, sollen in Unterkapitel 4.1 zunächst die Gründe erläutert werden, warum es bei der Umsetzung des Moral Point of View (eine analoge Argumentation wird für den Economic Point of View geführt) zweckmäßig erscheint, mehrere Ebenen zu unterscheiden, mit denen (im Sinne einer Art Stückwerk-Technologie) schrittweise von der Welt der ethischen Ideale in die Realität der normalen Alltags- und Geschäftswelt herabgestiegen wird.

4.1

Drei Ebenen bei der Umsetzung des Moral Point of View

In der Realität können Menschen ihre ethischen Ideale nur in abgestufter Form realisieren. Bei der Frage, wie sich ethische Ideale bzw. der Moral Point of View in lokalen Management-Situationen umsetzen lassen, erscheint es daher moraltheoretisch erforderlich, drei Ebenen zu unterscheiden 473: Eine Ebene der grundsätzlichen Begründung („Justification“, vgl. Abschnitt 4.1.1), eine Ebene der fallbezogenen Anwendung („Application“, Abschnitt 4.1.2) und eine Ebene der Wirklichkeit bzw. realen Implementierung („Implementation“, Abschnitt 4.1.3)474. Alle 471

472

473

474

Bringen einen die in den Konzepten proklamierten Inhalte ein Stück weiter im Umgang mit arbeitsplatzbezogenen Problemen? Falls ja, so würde das für die Praxistauglichkeit der jeweiligen ethischen Konzepte sprechen. Ein solches Vorgehen ist, wie im ersten Unterkapitel erläutert wird, typisch für die Anwendungsebene, auf der widerstreitende ethische Ideale aufeinandertreffen (vgl. Abschnitt 4.1.2). Ob eine bestimmte, moralisch angemessene Entscheidung letztlich zum Tragen kommt, kann wiederum nur auf der Implementierungsebene entschieden werden (vgl. Abschnitt 4.1.3). Vgl. im Folgenden SCHRAMM (2011a), S. 181ff.; SCHRAMM (2010b), S. 20; SCHRAMM (2004b), S. 6ff.; SCHRAMM (2014c), S. 384, 405ff.; SCHRAMM (2012), S. 24ff. Im Gegensatz zur hier vorgenommenen Einteilung unterscheiden etwa HABERMAS (1991) und WIELAND (1999) nur eine Begründungs- und Anwendungsebene, wobei die Anwendungsebene bei HABERMAS (und GÜNTHER 1988) der hier betrachteten (ethischen) Anwendungs-, bei WIELAND der hier betrachteten (polydimensionalen) Implementierungsebene entspricht. Im Folgenden wird aber gezeigt, warum es moraltheoretisch sinnvoll ist, eine Unterscheidung zwischen Anwendungs- und Implementierungsebene zu treffen. Einer der ersten, der die Unterscheidung zwischen Begründungs- und Anwendungsebene systematisch entwickelt hat, ist GÜNTHER (1988). Er stellt

Drei Ebenen bei der Umsetzung des Moral Point of View

143

drei Ebenen werden in den weiteren Abschnitten des Unterkapitels erläutert, voneinander abgegrenzt und hinsichtlich ihrer Relevanz für arbeitsplatzbezogene Fragen grundlegend diskutiert. In Unterkapitel 8.1 fungieren sie als wichtige theoretische und konzeptionelle Bausteine im Zuge der Entwicklung des zur eigentlichen managementethischen Analyse herangezogenen metaphysischen Analyserahmens. Anzumerken ist, dass es, analog zu den ethischen Umsetzungsebenen des Moral Point of View, in einer weiteren Perspektive denkbar wäre, ein ähnliches Phasenschemata für eine ökonomische Weltsicht (den Economic Point of View), eine naturwissenschaftliche Weltsicht (Scientific Point of View) oder jede weitere wissenschaftliche Disziplin bzw. Dimension zu entwickeln und durchzudeklinieren. Außer dem ethischen sind also noch viele andere Begründungsdiskurse denkbar, auf bzw. mit denen ideale Ziele formuliert werden. Auch hierauf wird in den folgenden drei Abschnitten an geeigneter Stelle Bezug genommen.

4.1.1

Grundsätzliche Begründungsebene

Die Begründungsebene ist als Ebene der idealen ethischen Prinzipien jene Ebene, „auf der [theoretische] Zielvorstellungen formuliert [werden], die die Richtung heraus, „dass es zwei verschiedene Tätigkeiten sind, eine Norm zu rechtfertigen, indem man zeigt, dass es Gründe welcher Art auch immer dafür gibt, sie anzunehmen, oder eine Norm auf eine Situation zu beziehen, indem man fragt, ob und wie sie auf die Situation passt, ob es nicht andere Normen gibt, die in dieser Situation vorzuziehen wären“ (ebd., S. 25). In diesem Kontext ist zudem POPPERs Unterscheidung zwischen utopischer („holistischer“) und „Stückwerk“-Sozialtechnik zu erwähnen: „Während der Stückwerk-Ingenieur sein Problem angehen kann, ohne sich bezüglich der Reichweite seiner Reform festzulegen, kann der Holist dies nicht tun, denn er hat von vornherein entschieden, dass eine vollständige Umformung der Gesellschaft möglich und notwendig ist“ (POPPER 2003, S. 61). Der utopische Zugang, der „»die Gesellschaft als Ganzes« nach einem feststehenden Gesamtplan ummodeln“ (ebd., S. 60) will, entspricht der hier als Begründungsebene bezeichneten Perspektive. Wie es die Bezeichnung bereits verheißt, ist es aber (auch im arbeitsplatzbezogenen Kontext) utopisch, anzunehmen, dass sich die ethischen Ideale der Begründungsebene (z. B. die Annahme, menschliches Leben habe einen unendlichen Wert) eins zu eins in der Wirklichkeit umsetzen lassen. POPPER hält deshalb fest, „dass in der Praxis die holistische Methode sich als unmöglich herausstellt“ (ebd., S. 61). Stattdessen muss schrittweise von absoluten ethischen Idealen und Gerechtigkeitsvorstellungen in die Realität des (Geschäfts-)Alltags „hinabgestiegen“ und eine ethische Stückwerk-Technologie betrieben werden, um ethische Verbesserungen zu erzielen. Diesem Gedanken wird durch die Unterscheidung zwischen Begründungs-, Anwendungs- und Implementierungsebene Rechnung getragen. Im Gegensatz zum Utopisten, der moralische Maximalforderungen anstrebt, ist der Stückwerk-Ingenieur - genauso wie ein Anhänger der hier vorgeschlagenen Deutung - „nicht dafür, dass die Gesellschaft als Ganzes neu geplant wird“ (ebd., S. 59), sondern er versucht, bestimmte Werte und Ideale in der Realität „schrittweise durch kleine Eingriffe zu erreichen, die sich dauernd verbessern lassen“ (ebd., S. 59).

144

Der Moral Point of View

bestimmen, in der wir nach Lösungen suchen sollen (Heuristik)“475. Es werden gewisse ethische Ideale gesetzt bzw. begründet, die jeweils wiederum konkrete Ideale nach sich ziehen476. Analog zu den reinen Moralidealen der ethischen Begründungsebene würden auf der Begründungsebene eines ökonomischen Phasenschemas nur die reinen „ökonomischen Effizienzideale“477 sowie, damit verbunden, das Marktmodell mit seinem abstrakten Angebots-Nachfrage-Mechanismus im Zentrum stehen, die als attraktiv und erstrebenswert erachtet werden478. Im vorliegenden Unterkapitel stehen die drei Umsetzungsebenen jedoch aus ethischer Sicht im Vordergrund, wobei es hier als Fortschritt zu werten ist, bestimmte, gezielt hohe ethische Ideale (wie Würde, Fairness, Solidarität, Humanität, absolute Gerechtigkeit, Unparteilichkeit479) auf der Begründungsebene festzusetzen und

475 476

477

478

479

SCHRAMM (2010b), S. 21f. Z. B. kann das ethische Ideal „Humanität“ in konkretere Einzelideale wie Gendergerechtigkeit oder „kein Hunger (keine Sklavenarbeit, Kinderarbeit usw.) auf der Welt“ aufgedröselt werden. Beim ökonomischen Ideal der Kosteneffizienz geht es nicht nur um monetäre, sondern (allgemeiner) auch um Opportunitätskosten, welche bei HOMANN - wie zuvor schon bei GARY S. BECKER die moderne Ökonomik auf der individuellen (Mikro-) und strukturellen (Makro-, z. B. Markt-) Ebene definieren (vgl. HOMANN 1988, S. 54). Die Effizienzideale der ökonomischen Begründungsebene (etwa Gewinn-/ Nutzenmaximierung) nehmen viele Menschen (zumindest in den westlichen Industriegesellschaften) unreflektiert als selbstverständlich gegeben hin. Gleichwohl kann es traditionelle Lebensentwürfe geben, bei denen das nicht so ist. Was Unparteilichkeit bedeutet, ist umstritten. Später werden daher zwei (widerstreitende) Richtungen der Ethik vorgestellt: zum einen der Utilitarismus, zum anderen Ethiken in der Tradition KANTs, wie RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie. Generell gilt, dass der Moral Point of View in der modernen Ethik in der unparteilichen Berücksichtigung der Interessen aller von einer Maßnahme Betroffenen besteht. Die erste Modellierung eines modernen, auf einer objektiven Logik beruhenden Unparteilichkeitsstandpunktes geht auf ADAM SMITH zurück. Sie wird bis heute von allen bedeutenden Ethikansätzen vorausgesetzt und in irgendeiner Form rekonstruiert (z. B. von KANT, der der erste der modernen Ethiker war, der die Unparteilichkeitslogik ins Zentrum gerückt hat: allgemein zustimmungsfähiges Gesetz; HABERMAS: unbegrenzte und herrschaftsfreie Diskursgemeinschaft; RAWLS und HARSANYI: Urzustand mit dem Gedankenexperiment des Schleiers des Nichtwissens). SMITH war einer der frühesten Vertreter eines modernen Standpunktes bezüglich der Frage des Kerns der Moral bzw. der Unparteilichkeit (und damit der Logik des modernen Moral Point of View). Statt einer Orientierung an aus der Kultur oder Religion stammenden Normen erfolgte die theoretische Rekonstruktion der Logik bzw. Objektivität des Moral Point of View in SMITHs „Theory of Moral Sentiments“ durch die Figur des „impartial spectator“, deren Logik von der Struktur her auf einer hypothetischen Gottessimulation beruht (vgl. SMITH 1759/2002, S. 129; SCHRAMM 2014c, S. 402ff.). Beim „impartial spectator“ handelt es sich um einen wohlwollenden unparteilichen Beobachter, der mit seinem allumfassenden (theistisch: göttlichen) Blickwinkel die Wahrheit vollumfänglich erblicken und die Interessen aller in einer lokalen Entscheidungssituation Beteiligten (sowohl inhaltlich als auch in ihrer Intensität und Existenzialität) berücksichtigen kann und will. „[A]ls die entscheidende normative Urteilsinstanz ist [er] sozialisiertes Gewissen und individualisierte aufgeklärte Öffentlichkeit zugleich“ (MEDICK 1973, S. 220).

Drei Ebenen bei der Umsetzung des Moral Point of View

145

sich als Leitlinien der moralischen Vorstellung vor Augen zu halten. Ein Beispiel für ein solches Moralprinzip ist die Würde des Menschen, die in Art. 1 GG (unveränderlich) für unantastbar erklärt wird. Idealiter ist man davon überzeugt (zumindest wird es als moderne moralische Errungenschaft erachtet), dass die menschliche Würde unantastbar ist, auch wenn aus der Wirklichkeit bekannt ist, dass sie in vielerlei Hinsicht „antastbar“ ist. Der Moralphilosoph, der in diesem Kontext zuerst zu nennen ist, ist IMMANUEL KANT. Um die Besonderheit der menschlichen Würde zu zeigen, führt er folgende Unterscheidung zwischen „Preis“ und „Würde“ ein: „Im Reich der Zwecke [Ziele] hat alles entweder einen Preis [relativen Wert], oder eine Würde [absoluten Wert]. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes, als Äquivalent, gesetzt werden [z. B. Geld, darin liegt der Kern beim Tausch Produkt gegen Geld]; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde“480. Die Würde ist über allen Preis erhaben, weshalb es unmöglich ist, den Preis eines Menschenlebens zu nennen, da es, und dies sollte im Allgemeinen der inneren Überzeugung entsprechen, als ethisches Ideal über allen Preis erhaben ist. Jeder Mensch hat (unabhängig von Geschlecht, Herkunft usw.) eine 480

KANT (1977a), S. 68. Zum besseren Verständnis der Unterscheidung seien ein paar Bemerkungen zum Begriff „Werte“ angefügt. Eine oft zitierte Definition stammt von KLUCKHOHN. Er erachtet Werte als „Auffassung vom Wünschenswerten, die explizit oder implizit sowie für ein Individuum oder für eine Gruppe kennzeichnend ist und welche die Auswahl der zugänglichen Weisen, Mittel oder Ziele des Handelns beeinflusst“ (KLUCKHOHN 1951, S. 395, Übersetzung aus HONECKER 1993, Sp. 1256). Werte fungieren als richtungsweisende Leitplanken. Sie stehen für das, was Menschen aus Erfahrung schätzen (z. B. Wohlstand, Integrität, Familie). Die konkreten Inhalte von Werten sind nie von vornherein klar, sondern „erschließen sich in kommunikativen Situationen und Handlungen, deren Akteure sich wechselseitig Einverständnis über deren Geltung signalisieren“ (SCHULZ 2008, S. 29). Da Werte im Zeitverlauf einem Wandel unterliegen (vgl. HONECKER 1993, Sp. 1259ff.) und kein klares gesellschaftliches Werte-Ranking existiert, muss in der lokalen Situation (z. B. im Konflikt zwischen Arbeitgeber und -nehmer) erst erörtert werden, was gewisse Werte (wie Gerechtigkeit) bedeuten. Managementethische Probleme resultieren daher bereits aus der Polydimensionalität des „Werte“-Begriffs (vgl. die Zusammenstellung von SCHRAMM 2006b, S. 12; SCHRAMM 2008a, S. 57ff.). So bewegt sich das Management zwischen mindestens zwei Wertetypen: ökonomische Werte (Shareholder-Value, vgl. Unterkapitel 5.1) und moralische Werte (wie Fairness, Angemessenheit, Transparenz). KANT hat mit seiner Unterscheidung zwischen relativem und absolutem Wert zur ethischen Erweiterung des Begriffs beigetragen. Nach KANT (1977a, S. 68) hat ein Mensch „nicht bloß einen relativen Wert, d. i. einen Preis, sondern einen innern [unbedingten, unvergleichbaren] Wert, d. i. Würde“. Wie das Zitat zeigt, kommt der Begriff „Wert“ bei KANT im ökonomischen und ethischen Sinne vor: Er bezeichnet den relativen Wert als Preis (Frage: Welchen (Tausch-)Wert haben zwei Dinge relational zueinander?) und den - von irgendwelchen Relationen losgelösten - absoluten, „qualitativ einzigartigen“ Wert als Würde. Dabei wird die Würde des Menschen bei KANT kategorisch zugeschrieben.

146

Der Moral Point of View

A. „Grundsätzliche“ Begründungsebene (Justification level): Begründung ethischer Ideale und Prinzipien (wie Menschenwürde oder Gerechtigkeit) Bedeutung für arbeitsplatzbezogene Fragestellungen: → →

Das psychische und ökonomische Wohlergehen eines jeden einzelnen (aktuellen und potenziellen) Arbeitsplatzinhabers ist über allen Preis erhaben/ unverrechenbar Menschen mit unternehmerischer Begabung (Unternehmer, Manager) sollten alles in ihrer Macht Stehende tun, um (global) ausreichend viele (menschenwürdige Vollzeit-)Arbeitsplätze zu schaffen

Moralische Ebene

Würde, welche unverkäuflich ist. Auf der Begründungsebene, als einer Art idealen Zielebene, auf der ethische Zielvorstellungen festgehalten werden, ist dem beizupflichten: Es ist im Prinzip richtig und eine Errungenschaft der modernen Moralkultur, dass jeder Mensch eine unverrechenbare Würde hat.

Abb. 13: Ethische Stückwerktechnologie (Ebene 1: Begründungsebene)481

Den obigen Gedankengang gilt es im weiteren Verlauf der Arbeit zu präzisieren, also auf den vorliegenden Kontext zu übertragen und im Hinblick auf ausgewählte arbeitsplatzbezogene Fragen fortzuführen. Unter dem Hinweis darauf, dass auf derartige Aspekte und Verknüpfungen in Kapitel 8 noch ausführlich und differenziert zurückzukommen sein wird 482, sei dazu an dieser Stelle im Einzelnen nur Folgendes ausgeführt: Im Lichte der oben angestellten ethischen Betrachtung kann man durchaus zur Auffassung gelangen, dass dem einzelnen Arbeitsplatz zwar indirekt ein Preis zuordenbar ist (nämlich in Höhe der Arbeitskosten als Summe aus Bruttolohn und Lohnnebenkosten), nicht aber der Würde und dem Wohl des hinter der Stelle (potenziell) stehenden Beschäftigten. Man könnte deshalb sagen, dass jeder, der eine Stelle hat (oder sucht), dieselbe unverrechenbare Würde, dasselbe Recht auf einen gewissen Mindestlebensstandard und damit dasselbe Recht auf Arbeit hat483. Der Zugewinn an Lebensqualität und -sicherheit durch Arbeit ist (idealiter) über allen Preis erhaben bzw. von absolutem Wert. Die Unterscheidung zwischen dem quantitativen Preis der Stelle und dem qualitativ-wahrgenommenen „Preis“ des dahinter stehenden Menschen ist aus ethischer Sicht zentral: Auf der 481 482

483

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an SCHRAMM (2011a), S. 181. Vgl. dazu im besonderen Abschnitte 8.1.1, 8.2.1 und 8.3.1. Darüber hinaus sei auf Abschnitt 7.3.2 verwiesen, der sich mit der reinen Tugendethik befasst. Diesen Gedanken bringt auch KOEHN (2002, S. 226) zum Ausdruck: “Various ethicists have contended that people have a right to work. People have a right to self-respect […]. Insofar as work is a major source of people’s self-respect and dignity […], the right to self-respect entails the right to work”.

Drei Ebenen bei der Umsetzung des Moral Point of View

147

Begründungsebene sollte dem Unternehmen jede einzelne Stelle nicht nur einen Betrag in Höhe des Wertgrenzproduktes, sondern im Prinzip unendlich mehr wert sein, „da auf dieser Ebene alle gesellschaftlich erreichbaren Logiken “unbedingt“, weil autonom, sind“484. Das Unternehmen müsste sich moralisch und sozial dazu verpflichtet fühlen, keine Stellen mehr abzubauen, sondern stattdessen sämtliche Ressourcen dafür aufwenden, um auf lokaler, nationaler und globaler Ebene viele, gar unendlich viele menschenwürdige Stellen zu schaffen - oder, wenn man Stellenstreichungen zulassen würde, alle für die Mitarbeiter daraus resultierenden Folgen hundertprozentig kompensieren, noch bevor sie eintreten485. Damit ist ein ethisches Ideal skizziert, an dem festzuhalten ist, auch wenn zum Kreis derer, denen ein Unternehmen „bei einer ethisch verantworteten Entscheidung idealiter verpflichtet ist“486, nicht nur die Belegschaft zählt. In der Realität sind Unternehmen gezwungen, Preise für einzelne Stellen (und damit: Arbeitnehmer, Menschen) festzulegen. Dennoch sind die Preise nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern nur ein unumgänglicher Kompromiss (nie aber das ethische Ideal). Aus dieser Perspektive sind die von Stellenabbau Betroffenen (sowie alle anderen Stakeholder) berechtigt, Stellenstreichungen ethisch kategorisch abzulehnen und eine Einhaltung aller auf der Begründungsebene geltenden Moralprinzipien, wie Gerechtigkeit oder die Würde und unverrechenbare Gleichwertigkeit aller Menschen, einzuklagen. Der nächste Abschnitt wendet sich der zweiten (ebenso rein ethischen) Umsetzungsebene des Moral Point of View zu, nämlich der Anwendungsebene.

4.1.2

Fallbezogene Anwendungsebene

Auf der zweiten Ebene, die eine erste Wirklichkeitsannäherung darstellt, ist zu konstatieren, dass in vielen lokalen (Anwendungs-)Situationen ein Widerstreit zwischen unterschiedlichen moralischen Zielen (Werten) der Begründungsebene bestehen kann487, da Unternehmen ihr Handeln vor mehreren Stakeholdern zu rechtfertigen haben und sich vielfältigen moralischen Appellen ausgesetzt sehen,

484 485

486 487

WIELAND (1999), S. 86. Eine solche Kompensation könnte dadurch erfolgen, indem alle von einem Stellenabbau Betroffenen direkt in eine gleichwertige Stelle versetzt und sämtliche durch den Stellenverlust zu erleidenden (persönlichen und finanziellen) Einbußen kompensiert werden. SCHRAMM (2010b), S. 20. Vgl. SCHRAMM (2010b), S. 21. Vgl. im Folgenden auch SCHRAMM (2012), S. 26f.; SCHRAMM (2014c), S. 405f.

148

Der Moral Point of View

mit denen versucht wird, sie „auf Ziele zu verpflichten, die als deckungsgleich mit dem Allgemeininteresse hingestellt werden können“488. Welche Interessen zu den moralisch akzeptierten Allgemeininteressen zählen, lässt sich nicht eindeutig beantworten, was eine Bewertung arbeitsplatzbezogener Maßnahmen erschwert. Es tritt die Notwendigkeit ein, Entscheidungen zu treffen, die zwar der Ideallösung der Begründungsebene widersprechen, die aber immer noch besser als die denkbar schlechteste Lösung des Problems sind. Aufbauend auf der als Idealnorm anzusehenden Begründungsebene ist daher auf der Anwendungsebene zu fragen, was die reale, realistische Moral im konkreten Fall ist489. Was ist moralisch vergleichsweise „besser“ oder angemessener in der lokalen Anwendungssituation, die zu entscheiden ist? Oder: Welcher der konfligierenden Werte ist der „richtige“ moralische Wert, den es zu verfolgen gilt? Auf der Anwendungsebene eines parallel konstruierten ökonomischen Phasenschemas rücken dagegen lokale Anwendungssituationen in den Blick, in denen das reine Marktmodell im Hier und Jetzt aus gewissen (z. B. sozialpolitischen, wirtschaftspolitischen) Gründen nicht mehr durchzuhalten ist490. Beim ethischen Phasenschema ist zu beachten, dass es sich, wie schon beim Begründungs-, auch beim Anwendungs- bzw. Applikationsdiskurs um eine rein ethische Ebene handelt, bei der unter dem Leitbild einer Moraldebatte andere (etwa ökonomische) Aspekte der polydimensionalen Wirklichkeit außen vor gelassen werden. Mit Blick auf das Arbeitsplatzmanagement ist zu sehen, dass die Frage, welche ethischen Ideale in der lokalen Anwendungssituation zählen, die Bewertung alternativer arbeitsplatzbezogener Maßnahmen erschweren und zu Konflikten innerhalb und zwischen den relevanten Stakeholdern führen kann. Die dafür ursächlichen Faktoren und Gründe werden hier zunächst nur in ihren Grundzügen umrissen, bevor sie in den Unterkapiteln 8.2 (speziell in den Unterabschnitten 8.2.2.1 und 8.2.2.3) und 8.3 (speziell in Abschnitt 8.3.2) dann umfassend inhaltlich „gefüllt“ und auf die Bereiche der Personalentwicklung und -freisetzung, auf denen in der vorliegenden Untersuchung ein besonderer Schwerpunkt liegt, bezogen

488 489 490

SCHRÖDER (2013), S. 223. Vgl. SCHRAMM (2011), S. 182. Die Leitdifferenz des Anwendungsdiskurses lautet „richtig oder falsch“. Es müsste also ein Widerstreit zwischen zwei idealen ökonomischen Kosteneffizienzgesichtspunkten diagnostiziert werden, womit dann die Frage aufgeworfen wird: Was ist in der lokalen Situation das ökonomisch Richtige oder Bessere?

Drei Ebenen bei der Umsetzung des Moral Point of View

149

werden. Zur Verdeutlichung werden im Folgenden zunächst einige typische solcher Beziehungen vorgestellt (1 - 4), in denen teils widerstreitende moralische Ziele aufeinandertreffen (vgl. Doppelpfeile in Abb. 14). Am Ende des Abschnitts wird zudem der Frage nachgegangen, wie mit den zu lösenden ethischen Widerstreiten umzugehen ist. A. „Grundsätzliche“ Begründungsebene (Justification level) B. „Fallbezogene“ Anwendungsebene (Application level): Wo liegt im konkreten Falle eines Widerstreits zwischen unterschiedlichen ethischen Idealen die anwendungsrelevante („realistische“) Moral? Bedeutung für arbeitsplatzbezogene Fragestellungen: → Widerstreitende ethische Ideale mit Arbeitsplatzbezug finden sich in Beziehung zwischen (1)/ (4) aktuelle Arbeitsplatzinhaber ↔ weitere Stakeholder (z. B. Kunden) (2) aktuelle Arbeitsplatzinhaber ↔ Shareholder (3a) aktuelle Arbeitsplatzinhaber ↔ potenzielle Arbeitsplatzinhaber (Inl-/ Ausland)

Stakeholder

(3b)

Geschlecht, Alter*, Qualifikation, Krankheit/ Behinderung*

Dauer Betriebszugehörigkeit*, Berufserfahrung

(3a) ↔

Potenzielle Arbeitsplatzinhaber Ausland (Osteuropa vs. Afrika)

↕ Familienstand, Unterhaltsverpflichtungen* Aktuelle Arbeitsplatzinhaber Inland**

Ethnischer Hintergrund

Arbeiter, Angestellte, Führungskräfte/ leitende Angestellte, Auszubildende/ Praktikanten

Motivation/ Leistungsbereitschaft, ... Zielsetzungen ↕ weitere: (1) Kunden** ↔ (4) Gesellschaft** * Kriterien der Sozialauswahl ** Mehrfachrollen (Gefahr intrapersonaler moralischer Konflikte) Abb. 14: Ethische Stückwerktechnologie (Ebene 2: Anwendungsebene)491

491

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an SCHRAMM (2011), S. 181.



(2) Shareholder**

Potenzielle Arbeitsplatzinhaber Inland

Moralische Ebenen (real)

(3b) aktuellen Arbeitsplatzinhabern mit verschiedenen Eigenschaften

150

Der Moral Point of View

(1) Es ist moralisch richtig, dass das Wohl der Arbeitnehmer (und damit deren Arbeitsplätze) idealerweise über allen Preis erhaben ist und Unternehmen jedweden „Preis“ wert sein sollte. Jedoch haben Unternehmen ihre Entscheidungen in der lokalen Anwendungssituation nicht nur vor den Arbeitnehmern zu rechtfertigen, mit denen ein Commitment besteht, sondern vor mehreren Anspruchsgruppen. So wäre denkbar, dass Unternehmen die aus einem Stellenabbau resultierenden Kosteneinsparungen an ihre Kunden weitergeben. Dann wäre zu prüfen, wo in diesem Anwendungsfall, also nach Hinzutreten einer kundenbezogenen ethischen Idealvorstellung, die realistische Moral liegt, denn: Im Grunde ist es sozialmoralisch wünschenswert, wenn auch weniger Betuchte in die Lage kommen, sich bestimmte Produkte zu leisten. Welchem moralischen Ziel letztlich der Vorrang einzuräumen ist, der mitarbeiter- oder der kundenbezogenen Gerechtigkeitsvorstellung, ist selbst im betrachteten einfachen Beispiel keineswegs klar. Solche widerstreitenden moralischen Ziele finden sich nun nicht nur in der Relation zwischen Arbeitnehmer und Kunde, vielmehr gibt es eine Reihe von Beziehungskonstellationen, in denen vorab unklar ist, welches ethische Ideal bzw. wessen Anliegen bedient werden sollen. (2) Zu denken ist an die moralisch legitimen Interessen der Shareholder an einer adäquaten Rendite ihres eingesetzten Kapitals492. Eine Wertsteigerung für Aktionäre ist aber kaum erzielbar, wenn Unternehmen unproduktive Arbeitsplätze subventionieren (oder unnötige Weiterbildungsmaßnahmen finanzieren) müssen 493. Zwar trifft es nach dem Stakeholder-Ansatz zu, “that the corporate manager has no naturally greater duty to shareholders than to workers“494, das ändert aber nichts daran, dass Manager ihr Handeln auch an den Interessen der Shareholder auszurichten haben. Zugleich gehen die Auffassungen über das Ausmaß eben jener Verpflichtung weit auseinander, sodass auch hier keine allgemeingültigen Aussagen möglich sind. Darüber hinaus prallen bereits innerhalb der Stakeholder-Gruppe Mitarbeiter diverse ethische Ideale aufeinander: (3a) Dies gilt z. B. für die Beziehung zwischen aktuellen und potenziellen Stelleninhabern. Einerseits ist es eine moralische Zielvorstellung, dass Unternehmen 492 493

494

Vgl. dazu das Beispiel zum Unternehmen Swisscom bei FORSTMOSER (2010, S. 114). „Die Vorstellung, ein in der Vergangenheit erzieltes Ergebnis müsse dazu verwandt werden, unwirtschaftliche Beschäftigung zu subventionieren, ist irrig“ (JUNGBLUTH 2008). Ähnlich WIEMEYER (1988), S. 222. ORLANDO (2003), S. 33. Vgl. dazu Unterkapitel 5.2, das sich mit dem Stakeholder-Ansatz befasst.

Drei Ebenen bei der Umsetzung des Moral Point of View

151

vorhandene Stellen quasi bedingungslos schützen. Zugleich ist es moralisch wünschenswert, auch anderen Menschen einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz und damit ein höheres Maß an Lebensstandard und Selbstverwirklichung zu ermöglichen. Zu denken ist hier umso mehr an potenzielle Stelleninhaber in Entwicklungsländern oder all jene Gruppen mit schlechteren Arbeitsmarktchancen (z. B. ältere und geringqualifizierte Arbeitssuchende, Behinderte)495. Man wird sich schnell einigen können, dass es ein ethisches Ideal ist, solche Menschen in Beschäftigung zu bringen. Eine Gesellschaft, in der Benachteiligte vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen bleiben, ist nicht wünschenswert. Andererseits, und hier zeigt sich der beschriebene Widerstreit, wäre es (auch moralisch) unangemessen, das besagte ethische Ideal nur zulasten der heimischen Arbeitnehmer auszutragen. (3b) Zum Widerstreit ethischer Ideale kommt es bei betriebsbedingten Kündigungen nicht nur in den Außen-, sondern auch Innenbeziehungen des Unternehmens. Diese Situation tritt in der Regel dann ein, wenn der Versuch unternommen wird, die Intensität der Betroffenheit und Schutzwürdigkeit der Beschäftigten von bzw. vor Entlassungen zu vergleichen. Als Beispiel seien hier die Kriterien der Sozialauswahl genannt, durch die bestimmte Arbeitnehmergruppen gezielt vor arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen geschützt werden sollen. Auch sie geben Menschen einen Preis, da festgelegt werden muss, wessen Entlassung moralisch angemessener ist: So haben Arbeitnehmer in höherem Alter, mit längerer Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten oder einer Schwerbehinderung einen höheren Preis, als junge (kinderlose) Arbeitnehmer. Letztere sind zwar nicht zwingend minder leistungsfähig, sie können aber nur begrenzt von solchen Schutzmaßnahmen profitieren, da unterstellt wird, dass sie schnell wieder Arbeit finden. Nun ist nicht zu bestreiten, dass den unter die Sozialauswahl fallenden Beschäftigten zurecht eine hohe Schutzwürdigkeit zuzusprechen ist. Daher genießen sie real, auf der Implementierungsebene, auch eine rechtlich bevorzugte Stellung. Dennoch bleibt es dabei, dass die Sozialauswahl als „Verteilungsregel“496 von Stellen dem moralischen Prinzip der Gleichwertigkeit aller Menschen widerspricht. Da jeder Mensch eine gleiche Würde hat, bleibt es moralisch wünschenswert, alle Arbeitnehmer gleichermaßen vor einem Stellenverlust zu bewahren.

495 496

Vgl. dazu Abschnitt 3.3.2, der sich mit dem Thema der Ambivalenz befasst. SCHRAMM (2004b, S. 8) diskutiert die Notwendigkeit solcher Verteilungsregeln auf dem Gebiet der Organtransplantation.

152

Der Moral Point of View

Es dürfte deutlich geworden sein, dass sich ethische Ideale als Orientierungspunkte der moralischen Vorstellung auch im Arbeitsplatzkontext nie abschließend benennen, eingrenzen oder in eine Rangfolge bringen lassen, da es auf der Anwendungsebene sowohl unter den Stelleninhabern selbst, als auch in deren Verhältnis zu anderen Stakeholdern vielfältige widerstreitende Ideale gibt. Zudem ist als Pendant dazu zu sehen, dass Arbeitnehmer in mehreren Stakeholder-Beziehungen gleichzeitig in Verbindung zu Unternehmen bzw. zum Arbeitgeber stehen und dabei unterschiedliche, teils widersprüchliche Interessen verfolgen. Arbeitnehmer sind nicht nur Stelleninhaber (mit einem Interesse an Arbeitsplatzsicherheit), sondern auch Konsumenten (mit dem Interesse an günstigen Produkten) und ggf. Anleger (mit dem Recht auf Dividende auf das investierte Kapital)497. Zugleich ist es für Konsumenten und Anleger wichtig, einen möglichst sicheren Arbeitsplatz zu haben498, sodass es in der Realität zur Verquickung verschiedener Rollen und Dimensionen kommt. Arbeitnehmer befinden sich damit bereits in ihrer eigenen Rolle in einem persönlichen Widerstreit zwischen mehreren ethischen Idealen, den sie durch ihr eigenes Verhalten in begrenztem Maße mitbeeinflussen können 499. (4) Zudem ist jeder Arbeitnehmer Teil der Gesamtgesellschaft, die ein Interesse daran hat, dass (gerade multinationale) Unternehmen einen Beitrag zur Entwicklungshilfe und damit zur Gerechtigkeit in anderen Ländern leisten 500. Höhere Weltmarkt- und Exportanteile lassen sich aber nur durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze vor Ort erzielen, was in der Gesamtbilanz auf Kosten heimischer Arbeitsplätze gehen kann, aber nicht muss. Wie oben angekündigt, soll zum Ende des Abschnitts darauf eingegangen werden, wie mit den skizzierten ethischen Widerstreiten umzugehen ist. Da die arbeitsplatzbezogene Wirklichkeit durch eine plurale Situationslandschaft gekennzeich-

497 498

499

500

Vgl. dazu Abschnitt 3.3.2, der sich mit dem Fallbeispiel Nokia befasst. „Ohne erwerbstätige Arbeit brechen alle anderen wirtschaftlichen Rollen des Menschen [als Investor, Kunde usw.] früher oder später in sich zusammen“ (RÖTTIG 1993, S. 40). Es bleibt offen, ob ein Arbeitnehmer bereit ist, zur Schaffung und zum Erhalt heimischer Arbeitsplätze auf teurere, in Deutschland produzierte Güter umzusteigen, ob er bereit ist, nachhaltigere Finanzanlagen zu tätigen, die eventuell eine niedrigere Rendite versprechen (dafür aber womöglich zur Arbeitsplatzsicherung beitragen), oder ob er bereit ist, sich an einem freiwilligen Gehaltsverzicht zu beteiligen. Jeder Mensch bzw. Arbeitnehmer hat seine persönliche Auffassung darüber, was er als realistische Moral ansieht. Das gilt sowohl für entwickeltere osteuropäische Länder als auch z. B. für arme ländliche Gebiete in Afrika.

Drei Ebenen bei der Umsetzung des Moral Point of View

153

net ist, in der je nach Situationskonstellation eine abweichende ethische Beurteilung geboten sein kann, erscheint es in diesem Zusammenhang nicht ohne Weiteres möglich, generelle Entscheidungskriterien zu entwickeln (dieser Aspekt wird sich durch die gesamte Untersuchung ziehen und insbesondere im achten Kapitel nochmals deutlich werden). Demzufolge kann als Entscheidungskriterium, wie mit dem aufgezeigten Widerstreit ethischer Ideale verfahren werden soll, nur ein allgemeines formales Prinzip in Betracht kommen. Ein relevantes Kriterium im Umgang mit widerstreitenden ethischen Idealen ist das (Mindest-)Anspruchsniveau, das Entscheider an das Ergebnis ihrer Handlungen in Bezug auf einzelne ethische Ideale, die in der lokalen Situation eine Rolle spielen, stellen. Um diesen Gedanken zu explizieren, sind zwei Hinweise wichtig: Zum einen ist nochmals zu betonen, dass das auf der Anwendungsebene letztlich im Fokus stehende ethische Ideal nur dann bestimmbar ist, wenn die lokale Situation in ihrer Gesamtheit betrachtet wird501. Auch ist zu sehen, dass häufig nicht nur ein, sondern - nach entsprechenden Abwägungsprozessen - mehrere zusammenhängende und wechselseitig abhängige ethische Ideale anvisiert werden. KANTs Lügenverbot bildet insofern einen Extremfall ab502, da man sich eindeutig entscheiden muss, welchem ethischen Ideal (Ehrlichkeit vs. Erhalt menschlichen Lebens) man folgen möchte503. Die meisten realen Situationen sind jedoch sehr viel heterogener geartet. Sie erfordern es zwar, sich in eine bestimmte Richtung zu positionieren, sie 501

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503

Dieser Gedanke wird in Abschnitt 8.1.2 im Kontext der Erläuterungen zur Figur des „impartial spectator“ weitergeführt. „Die größte Verletzung der Pflicht des Menschen gegen sich selbst [...] ist [...] die Lüge. [...] Die Lüge ist Wegwerfung und gleichsam Vernichtung seiner Menschenwürde“ (KANT 1977c, S. 562). Auch wenn KANTs Kritik an der Lüge hart formuliert ist, so würden ihr im Prinzip doch viele Menschen (auf der Begründungs- und Anwendungsebene) zustimmen: Wahrhaftigkeit ist in der Gesellschaft ein wichtiger moralischer Wert. Der Satz „Du sollst nicht lügen“ erscheint gut begründbar. Kritisch zu hinterfragen ist dagegen folgende Vorstellung: Selbst wenn eine Lüge dem Lebensschutz dienen soll, indem man „einen eben itzt mit Mordsucht Umgehenden [Mörder] durch eine Lüge an der Tat verhindert, so [...] ist [es] [...] ein heiliges, unbedingt gebietendes, durch keine Konvenienzen einzuschränkendes Vernunftgebot [...] in allen Erklärungen wahrhaft (ehrlich) zu sein“ (KANT 1977d, S. 639). „Jeder Mensch [...] hat [...] die strengste Pflicht zur Wahrhaftigkeit in Aussagen [...], sie mag nun ihm selbst oder anderen schaden“ (ebd., S. 641). Das Beispiel zeigt: Im konkreten Anwendungsfall geht es nicht nur um den Wert der Ehrlichkeit, sondern es gibt noch andere wichtige moralische Werte (z. B. „Schutz des Lebens“). In vielen Anwendungssituationen sind Menschen gezwungen, abzuwägen, welcher Wert wichtiger ist. So werden sich vernünftige Menschen in dieser Situation für den Schutz des Lebens aussprechen, was impliziert, dass es Anwendungssituationen gibt, in denen es moralisch richtig erscheint, zu lügen. Die Wahl des einen Ideals zieht unweigerlich den Ausschluss des anderen Ideals nach sich. Dazu kommt, dass die Emotion für diese Ehrlichkeit geradezu aberwitzig erscheint, sodass von vornherein klar ist, zugunsten welchen ethischen Ideals die Wahl ausfällt.

154

Der Moral Point of View

stellen die Entscheider aber nicht immer vor tragische Entweder-oder-Entscheidungen. Oftmals ist auch nicht ohne Weiteres klar, für welche ethischen Ideale sich ein Akteur entscheiden sollte. Das macht es erforderlich, Kompromisse zu schließen, indem z. B. einem ethischen Ideal der Vorrang eingeräumt, zugleich aber versucht wird, auch anderen ethischen Idealen in irgendeiner Form gerecht zu werden. Zur groben Erläuterung eines solchen Kompromisses wird noch einmal das unter (1) skizzierte Beispiel herangezogen, das mit den beiden ethischen Idealen „Arbeitsplatzsicherheit“ und „bezahlbare Produkte“ zwar vereinfacht 504, aber anschaulich ist: Die Annahme ist, dass sich ein Unternehmen entscheidet, Mitarbeiter zu entlassen, um die daraus resultierende Kostenersparnis an seine Kunden weiterzugeben. Zur Klarstellung sei unterstrichen, dass hier der Frage nachgegangen wird, wie sich die Situation anwendungsethisch darstellt505: Dabei ist festzustellen, dass es sich im beschriebenen Fall um eine individuelle unternehmerische Entscheidung handelt, die sich an subjektiven Kriterien orientiert und von außen kaum nachvollziehbar ist. Die Entscheidung hätte ebenso zugunsten des ethischen Ideals „Arbeitsplatzsicherheit“ ausfallen können. Zugleich positioniert sich das Unternehmen durch seine Entscheidung klar auf der Anwendungsebene, da es dem ethischen Ideal „bezahlbare Produkte“ den Vorrang einräumt506. Allerdings kann es sein, und darauf kommt es nun an, dass das Unternehmen das ethische Ideal „bezahlbare Produkte“ nicht um jeden Preis, sondern nur dann zum primären ethischen Ideal macht, wenn als Nebenbedingungen gewisse Anspruchsniveaus bzw. Minimalbedingungen erfüllt sind, die sich auf konkurrierende ethische Ideale richten. Eine solche Nebenbedingung kann z. B. festlegen, dass, falls Stellen wegfallen, wodurch das Ideal „Arbeitsplatzsicherheit“ konterkariert wird, dies nur unter Einhaltung gewisser Mindeststandards geschehen soll. Ein sozialverträglicher Stellenabbau fungiert dann als Abstufung des ethischen Ideals „Arbeitsplatzsicherheit“. Andernfalls, wenn die Nebenbedingung nicht erfüllt werden 504

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Der Großteil der Unternehmen wird seine Preise nicht aus moralischen Gründen herabsetzen, sondern deshalb, um neue Kunden zu Gewinnen und die Absatzzahlen zu steigern. Die Frage ist: Worin liegen mögliche anwendungsethische Bestandteile der Situation, wohlwissend, dass ein aktualer (wirklicher) Manager diese Ebene bzw. diesen Blickwinkel nur bedingt einnehmen wird? Vgl. dazu vertiefend Abschnitte 8.1.2 und 8.3.2. Das Unternehmen hält es für ethisch richtig, etwas für ärmere Käuferschichten zu tun. Für dieses ethische Ideal ist es bereit, ein anderes ethisches Ideal zu brechen, denn faktisch müssen Mitarbeiter entlassen werden.

Drei Ebenen bei der Umsetzung des Moral Point of View

155

kann, etwa weil Entlassungen (wegen finanzieller oder zeitlicher Restriktionen) nur abrupt und ohne Abfederung vollzogen werden können507, müsste das ethische Ideal „bezahlbare Produkte“ zurückgestellt oder aufgeschoben werden, eben weil die lokale Situation auf der Anwendungsebene in ihrer Gesamtheit zu betrachten ist. Der Preis für das ethische Ideal „bezahlbare Produkte“ wäre den Entscheidern dann zu hoch, da nicht einmal die Integrität des Stellenabbaus (als Nebenbedingung) gewährleistet wäre. „Bezahlbare Produkte“ würden aus Unternehmenssicht zwar weiterhin ein ethisches Ideal darstellen, allerdings nicht mehr das letzten Endes zu verfolgende (und auf der Implementierungsebene praktisch umzusetzende) ethische Ideal. Eine finale Entscheidung über das auf der Anwendungsebene primär zu verfolgende ethische Ideal kann also nur in einer Abwägung mit den anderen für die Entscheider relevanten ethischen Idealen gefällt werden. Um zur „besseren“ oder „realistischen“ Moral des konkreten Anwendungsfalls zu gelangen, kommen Unternehmen nicht darum herum, manche Werte und ethischen Ideale lokal einzuschränken oder zugunsten anderer moralischer Ziele auszutauschen508, auch wenn das zulasten von Arbeitsplätzen geschieht. Eine vollkommene (unverrechenbare) Gleichwertigkeit aller Stelleninhaber ließe sich (gerade in finanziell angeschlagenen Unternehmen) nur dadurch erreichen, indem alle Mitarbeiter entlassen werden würden. Ein solches Vorgehen würde einer realistischen Moral aber widersprechen. Zudem werden ethische Ideale im Normalfall nicht um jeden Preis verfolgt bzw. jene Ideale, die im Anwendungsdiskurs nicht als primäre ethische Ideale betrachtet werden, nicht einfach fallen gelassen509. Vielmehr ist es so, dass gewisse Minimalbedingungen oder -niveaus der zurückgestellten ethischen Ideale zur Abfederung berücksichtigt werden (sollten), damit ein bestimmtes anderes ethisches Ideal als das im Vordergrund stehende Ideal festgelegt werden kann. Diese Bedingungen hängen von der jeweiligen Anwendungssituation ab und können demzufolge mannigfaltiger Art sein. Ein weiterer Aspekt, der in der Wirklichkeit den Umgang mit widerstreitenden ethischen Idealen verkompliziert, liegt darin, dass es Kausalzusammenhänge zwischen den Phänomenen und Wirkungen gibt, die 507

508 509

Dieser Fall wird in Unterabschnitt 8.3.2.3 in Szenario A3 (als tragische Situation zweiten Grades) verdeutlicht. Vgl. SCHRAMM (2004b), S. 9; SCHRAMM (2010b), S. 21f. Auch hier bildet die Fragestellung der Lüge bei KANT einen Extremfall: Unter den Bedingungen des Szenarios würden die meisten Menschen dazu übergehen, das ethische Ideal der „Ehrlichkeit“ vollständig gegen das des „Erhalts menschlichen Lebens“ einzutauschen.

156

Der Moral Point of View

aus der (Nicht-)Berücksichtigung ethischer Ideale resultieren. Diese hinter ethischen Idealen stehenden Effekte sind zugleich ein weiterer Beleg dafür, wie wichtig es ist, die aktualen Implementierungsbedingungen in ihrer Gesamtheit bereits im Anwendungsdiskurs einzubeziehen. Das ethische Ideal „Arbeitsplatzsicherheit“ (dasselbe gilt für das Ideal der „Arbeitsplatzschaffung“) kann von Unternehmen nur dann langfristig erreicht werden, wenn die angebotenen Leistungen qualitativ und preislich den Vorstellungen der Nachfrager entsprechen. Andernfalls kommt es zur Gefährdung der Unternehmensexistenz und die Wahrscheinlichkeit einer positiven Ausprägung des ethischen Ideals „Arbeitsplatzsicherheit“ schwindet. Der folgende dritte Abschnitt dieses Unterkapitels widmet sich der dritten Umsetzungsebene des Moral Point of View, nämlich der heterogen-polydimensionalen Implementierungsebene.

4.1.3

Aktuale Implementierungsebene

Die bisherige Zweiebenenunterscheidung reicht zur Beschreibung realer arbeitsplatzbezogener Situationen nicht aus. Es genügt nicht, nur einen Begründungsund Anwendungsdiskurs zu führen. Die eigentliche Herausforderung stellt sich auf der Implementierungs- bzw. Umsetzungsebene, welche auf die konkrete physische Wirklichkeit abzielt510. Bei der Implementierungsebene geht es nicht mehr um die ethische Frage nach richtig oder falsch, stattdessen handelt es sich um jene Ebene, auf der empirisch festgelegt wird, was geschieht bzw. Wirklichkeit wird. Die Frage ist: Wie sieht eine geeignete Strategie aus (welche Anreize sind zu setzen), um das ethisch „Richtige“ zu erreichen? Analog dazu würde eine ökonomische Rekonstruktion der Implementierungsebene für einen ökonomisch denkenden Individual- oder Kollektivakteur zur Frage führen, wie sich die ökonomisch effizienteste Lösung konkret umsetzen (und sich dem ökonomischen Anwendungsziel näherkommen) lässt. Dabei ist zu sehen, dass das Organisationssystem Unternehmen eine polydimensionale Veranstaltung ist 511. Unter den realen Hand-

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Vgl. im Folgenden SCHRAMM (2014c), S. 406ff.; SCHRAMM (2012), S. 23; SCHRAMM (2011a), S. 182f.; SCHRAMM (2010b), S. 22; SCHRAMM (2002a), S. 153, 158f.; SCHRAMM (2008a), S. 57, 61; SCHRAMM (2008b), S. 217; SCHRAMM (2006b), S. 12f. Ähnlich WIELAND (1996, S. 75): „Ökonomische Organisationen codieren polykontextural und polylingual unter der Restriktion einer funktionsspezifischen Leitcodierung“. Vgl. dazu Unterabschnitt 7.3.4.2, der sich mit dem Begriff der „Polylingualität“ befasst.

Drei Ebenen bei der Umsetzung des Moral Point of View

157

lungsbedingungen ökonomischer Organisationen sind nicht mehr nur die moralische, sondern noch weitere konkurrierende Dimensionen, (Macht-)Interessen und Faktoren (etwa der Handlungs- und Zeitdruck im Management512) mitursächlich dafür, was wirklich (aktual) geschieht. Wie in Kapitel 8 sowohl allgemein (vgl. Abschnitt 8.1.2) als auch am Beispiel der Personalentwicklung (vgl. Abschnitt 8.2.2) und -freisetzung (vgl. Abschnitt 8.3.2) gezeigt wird, sind auf der Implementierungsebene daher nicht nur Situationen vorstellbar, in denen es zur faktischen Implementierung der realen Moraloption des Anwendungsdiskurses kommt, was im Allgemeinen der wünschenswerten Konstellation entspricht, sondern auch solche, in denen Unternehmen der Moraloption nicht gerecht werden können oder wollen. Gerade der letztgenannte Fall des Nicht-Wollens bzw. des Wollens-Defizits erweist sich, wie noch zu zeigen sein wird, als aus managementethischer Perspektive besonders heikel. In diesem Abschnitt soll zunächst lediglich eine grundlegende Einordnung und Abgrenzung der Implementierungsebene erfolgen, wobei zu sehen ist, dass die Implementierungsebene (im Gegensatz zur Begründungs- und Anwendungsebene) keine rein moralische, sondern eine polydimensionale Ebene ist, deren Umsetzung auch „in das Gebiet der Spezialkompetenz ausdifferenzierter Einzelwissenschaften“513 fällt. Moralische Werte bzw. Ziele haben bei den lokalen Sachentscheidungen keine Dominanz mehr. Nicht mehr allein der Moral Point of View spielt eine Rolle, sondern auch der Economic (Technical oder Political) Point of View514. Im vorliegenden Kontext ist z. B. an Teilbereiche der BWL (wie das

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Vgl. SUCHANEK (2011), S. 279. Rationale und ethisch verantwortbare Entscheidungen erfordern es, unter mehreren Alternativen die angemessenste zu wählen, wobei sich der Ausgang einer Entscheidung nicht immer voraussagen lässt. Ethisches Fehlverhalten in der Wirtschaft entsteht, gerade auch im Bereich des illegalen Verhaltens, häufig durch Zeitdruck (dieser führt dazu, dass das Management unter Erfolgsdruck gerät, sich nicht ausreichend über eine Sache informiert, nicht ausreichend kommuniziert, Risiken übersieht oder nicht erfährt, wie andere über eine Sache denken usw.). Fehler entstehen zudem dadurch, dass die körperliche Präsenz der Entscheider fehlt. SCHRAMM (2010b), S. 22. „Einzelwissenschaftliche Theorien sind durch eine […] eingeschränkte, „abstrakte“, Fragestellung konstituiert, die den Sinn anderer, ebenso eingeschränkter Fragestellungen nicht bestreitet; sie können daher auch nur für die jeweilige Fragestellung Gültigkeit beanspruchen“ (HOMANN 2015, S. 45). „Faktisch büßt hier die Moral ihren kategorischen Charakter ein“ (SCHRAMM 2011a, S. 182). Wer eine anwendbare Management- und Unternehmensethik propagiert, muss sehen, dass auf der Anwendungs- und der Implementierungsebene Abstufungen und Abweichungen von ethischen Idealen unvermeidlich sind: „[A]ls Anwendungsethik muss sie [die Ethik] nicht nur transdisziplinär argumentieren, sondern […] realisieren, dass hier Gleichheit im Sinne von Gleich-Gültigkeit aller

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Der Moral Point of View

A. „Grundsätzliche“ Begründungsebene (Justification level) B. „Fallbezogene“ Anwendungsebene (Application level) C. „Aktuale“ Implementierungsebene (Implementation level): In der Wirklichkeit zählen nicht nur ethische Ideale, sondern auch ökonomische (juristische, politische, technische und andere) Ansprüche. Ob und wie sehr Moral zum Zuge kommt, hängt vom Einzelfall ab. Zentrale Frage der Implementierungsebene: Wie kann das, was auf Anwendungsebene als das vergleichsweise moralisch „Richtigste“ identifiziert wird, unter Beachtung bestehender ökonomischer, rechtlicher und politischer Rahmenbedingungen (strategisch) umgesetzt werden? Ziel ist es, Moral (z. B. bei Entlassungen) „umzusetzen“. Bedeutung für arbeitsplatzbezogene Fragestellungen: → Neben der moralischen sind vor allem die juristische und ökonomische Dimension relevant: Arbeitsrechtliche Normen Ökonomische Dimension („[C]ompliance with law is a Rahmenbedingung arbeitsMoralische Dimension 516 must“ ) platzbezogener Maßnahmen → Unternehmen sind gezwungen, Arbeitsplätze - und damit die dahinterstehenden Arbeitnehmer - mit relativem Wert bzw. Preis zu versehen → Abseits moralisierender Maximalpositionen stellen sich zwei Fragen:

Polydimensionale Ebene (actual)

HRM) zu denken, die selbst eine Disziplin im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften darstellt. Die Chancen auf eine Implementierung ethischer Ziele können aber erhöht werden, wenn es gelingt, dass sich die Realisierung ethischer Ziele (der Anwendungsebene) auch betriebswirtschaftlich lohnt. Die juristische Dimension (und die damit verbundene Gesetzestreue: „Legal Compliance“ 515) gilt als Grundbedingung einer glaubhaften Management- und Unternehmensethik (vgl. Abb. 15, links). Ihre Berücksichtigung bei arbeitsplatzbezogenen Entscheidungen ist eher eine Frage der strategischen Klugheit, welche noch keine moralische Motivation voraussetzt. Unternehmen, die nicht bereit sind, sich an arbeitsrechtliche Vorschriften zu halten, haben vermutlich ohnehin kein Interesse daran, die ihre Mitarbeiter tangierenden ethischen Ideale aufzudecken oder zu verfolgen.

• Wie lässt sich Wert (Preis) einer Stelle ethisch und ökonomisch veranschlagen? • Wo liegt die angemessene (Preis-)Grenze für den Abbau und die Verlagerung von Stellen? Abb. 15: Ethische Stückwerktechnologie (Ebene 3: Implementierungsebene)517

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beteiligten und akzeptierten Entscheidungswerte [ökonomische, juristische Werte] herrscht“ (WIELAND 1999, S. 84). „Legal Compliance“ bedeutet so viel wie „in Übereinstimmung sein mit den bestehenden externen Gesetzen“. Der Fokus bzw. der eigentlich umzusetzende Wert liegt also auf der Gesetzestreue. Das Motto reiner „Legal Compliance“-Programme lautet (vereinfacht): Was legal ist, ist ethisch, was illegal ist, ist unethisch. PAINE (1997), S. 95. Although: “[T]he law is quite limited as a guide to responsible behavior” (ebd.). Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an SCHRAMM (2011a), S. 181.

Drei Ebenen bei der Umsetzung des Moral Point of View

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Wie in Abschnitt 3.1.3 am Beispiel der Arbeitsplatzschaffung ausgeführt, stellt die ökonomische Dimension eine fundamentale Rahmenbedingung für Unternehmen dar518. Bestand hat im Wettbewerb nur das, was ökonomisch tragfähig umgesetzt werden kann. In welchem Ausmaß die moralische Dimension als relevant erachtet wird, hängt damit auch davon ab, wie gut ein Unternehmen finanziell dasteht. Moralisch hehre Ziele sind in zahlungsunfähigen Unternehmen nicht realisierbar. Folglich ist die ökonomische Dimension auch im vorliegenden Kontext als ermöglichende (z. B. bei der Stellenschaffung) und zugleich begrenzende Rahmenbedingung (z. B. beim Stellenabbau) einzubeziehen. Selbst dann, wenn den Entscheidern die Relevanz der moralischen Dimension bewusst ist, ist nicht auszuschließen, dass sich Moral in der lokalen Situation doch nicht wie gewünscht realisieren lässt519. Sobald Stellen unrentabel werden, entsteht eine Knappheitssituation, in der entschieden werden muss, wer es „wert“ ist, seine Stelle zu behalten und wer nicht520. Das Management muss sich dann in einer Art Ausbalancierungsprozess darüber klar werden, was es für einen Stellenerhalt zahlen kann und will 521. Hierbei müssen alle Entscheider abwägen, was sie vor ihrem Gewissen vertreten können. Letzten Endes lässt sich durch die lokale Einschränkung des Postulats der unverrechenbaren Gleichwertigkeit also doch nicht vermeiden, Arbeitnehmern bzw. Arbeitsplätzen einen Preis zu geben, und das trotz der Tatsache, dass man dem Wohl der hinter den Arbeitsplätzen stehenden Menschen idealiter einen unvergleichlichen (unendlichen, unverrechenbaren) Wert zuschreiben würde 522.

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FREEMAN (2004, S. 232) erklärt hierzu: “Surely there are lots of ways to run a firm. [But:] All of these ways have to ultimately generate profits”. So können Unternehmen doch gezwungen sein, Stellen zu verlagern, wenn es ihnen nicht gelingt, steigende (Arbeits-)Kosten an die Nachfrager weiter zu verrechnen, gegenüber den Shareholdern zu rechtfertigen o. Ä. Daraus resultiert die heikle Frage, wie sich der „Wert“ einer Stelle ermitteln lässt und wie die dahinter stehende Kalkulation (Cost-Benefit-Analyse) im Hinblick auf ökonomische und ethische Aspekte auszubalancieren ist. In Abhängigkeit des moralischen Interesses der Akteure und der zugrunde liegenden ökonomischen Situation wird jedes Unternehmen hier eine individuelle Grenze festlegen, welche von den Betroffenen (der Gesellschaft usw.), insofern sie die Entscheidungen nachvollziehen können, als mehr oder weniger angemessen empfunden wird. Typische Fragen sind dann: „„In welchem Maße sollen Shareholder Zugeständnisse machen müssen?“ Wie will man im Diskurs zwischen Anspruchsgruppen „gerade noch einträgliche“ Renditen bestimmen? Darf die Geschäftsleitung einfach aufgrund strategischer Voraussicht die Entscheidung treffen, Arbeitsplätze zu verlagern? Oder darf erst verlagert werden, wenn Verluste drohen oder bereits aufgelaufen sind?“ (NOLL 2012, S. 280). Vgl. SCHRAMM (2004b), S. 9; SCHRAMM (2006b), S. 14.

160

Der Moral Point of View

Trotz der gerade geschilderten Schwierigkeiten können moralische Werte aber auf der Begründungs- und Anwendungsebene berücksichtigt worden sein. Zwar ist zu akzeptieren, dass die moralische Dimension in der Realität nur begrenzt zur Geltung kommen kann, diese Nicht-Anwendbarkeit oder Relativierung bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass moralische Prinzipien (wie das der unverrechenbaren Würde) und begründete Gerechtigkeitsvorstellungen ihre Gültigkeit oder ihren ethischen Status verlieren (also ungültig oder unbegründet werden) 523, so wie es strenge Moralisten (Ethiker, Theologen) befürchten könnten, für welche die skizzierte Anwendungsebenenunterscheidung - und damit eine gewisse Aufweichung der Kernmoral der modernen Kultur - womöglich ein Problem darstellt. Die im Zusammenhang mit der Arbeitsplatzfrage genannten Idealvorstellungen, wie die „Verpflichtung“ der Unternehmen zur Arbeitsplatzschaffung und -erhaltung, müssen nicht zwingend implementierbar sein, um ethisch begründet werden zu können. Eine (arbeitsplatzbezogene) Managementethik kann, wie jede Ethik, nur dann fruchtbare Ergebnisse liefern, wenn Begründungs- und Anwendungsebene parallel präsent gehalten und im konkreten Einzelfall so weit wie möglich mit Leben gefüllt werden. Nur mit einer Trennung zwischen Begründungs-/ Anwendungsund Implementierungsebene lassen sich ethische Zielvorstellungen formulieren. Die Managementaufgabe besteht darin, diese Trennung - ggf. mit anderen Worten - transparent zu managen. Die Mitarbeiter müssen spüren, dass sich das Unternehmen über sämtliche auf der Begründungsebene und im Kontext mit der Arbeitsplatzfrage im Fokus stehenden ethischen Ideale bewusst ist und sie als praktische Suchanweisung begreift524. Wenn Unternehmen ohne jeden Versuch der sozialen Abfederung Stellen abbauen, so haben sie die Intention der Begründungsebene entweder nicht erkannt oder einfach ignoriert, dass Gerechtigkeit (in Form der Schaffung, Erhaltung und des sozialverträglichen Abbaus von Arbeitsplätzen) ge-

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„[D]ie moralische Idealität dieser [moralischen] Normen [ist] (mehr oder weniger) unabhängig vom aktuellen Status-Quo, und die (weit weniger ideale) Wirklichkeit kann diese moralischen Ideale nicht ihrer (idealen) Existenz berauben“ (SCHRAMM 2014c, S. 408; vgl. im Folgenden auch SCHRAMM 2005b, S. 173; SCHRAMM 2004b, S. 10; WIELAND 1999, S. 24, 84; WIELAND 2001a, S. 26). Trotz der Notwendigkeit eines Ethical Piecemeal Engineering ist man weiterhin der Auffassung, dass alle Menschen die gleiche Würde haben, auch wenn ihrer Würde in gewissen Situationen nicht gleichermaßen oder hundertprozentig entsprochen werden kann. Konkret: „Ja wir wissen, dass es eine moralische Vorstellung der Gesellschaft ist, dass wir als Unternehmen für die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen verantwortlich sind. Wir sind idealiter davon überzeugt, dass die Würde jedes einzelnen Mitarbeiters unantastbar und unverrechenbar ist. Daher versuchen wir, beide Ideale in unseren Entscheidungen zu berücksichtigen, wissen aber auch, dass es nicht immer vollumfänglich gelingen wird“.

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

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meinhin als ethische Zielvorstellung gesehen wird. Darüber hinaus sollten Unternehmen signalisieren, dass Bemühungen angestellt werden, um widerstreitende ethische Ideale auf der Anwendungsebene (zwischen den Mitarbeitern oder zwischen den Mitarbeitern und anderen Stakeholdern) unvoreingenommen aufzudecken. Darin liegt eine Voraussetzung, um - auch aus Mitarbeitersicht - eine realistische Moral identifizieren zu können und für alle Beteiligten Transparenz und Nachvollziehbarkeit über Entscheidungsstrukturen zu schaffen. Das nun folgende Unterkapitel 4.2 wendet sich den relevanten ethiktheoretischen Grundlagen des Moral Point of View und dabei gleich mehreren normativen Ethikkonzeptionen zu, welche zugleich die moraltheoretische Basis der späteren managementethischen Analyse in Kapitel 8 bilden. Neben der Gerechtigkeitstheorie von RAWLS wird dabei auch auf die utilitaristische Ethik (klassisch nach BENTHAM und MILL sowie in der moderneren Version nach HARSANYI) eingegangen, bevor sich Unterkapitel 4.3 zuletzt dem Befähigungsansatz (Capability Approach) von SEN zuwendet.

4.2

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

Im Zentrum der Analyse von Unterkapitel 4.2 steht die Frage, was überhaupt als ethisch richtig (vernünftig) oder problematisch anzusehen ist. Ein derartiger Zwist in der normativen Ethik ist in vielerlei gesellschaftlichen Debatten wiederzufinden, selbst wenn diese häufig gar nicht offenkundig als ethische Debatten wahrgenommen werden. Auch arbeitsplatzbezogene Fragen zeigen, dass normative Prinzipien im operativen Unternehmensgeschäft von Bedeutung sind. So ist es etwa im Zuge eines Stellenabbaus nicht ungewöhnlich, dass einige (eher arbeitgeber- und managementnahe) Akteure vorrangig für utilitaristische Kriterien plädieren, während andere (eher arbeitnehmernahe) Gruppen gerechtigkeitstheoretische Argumente und Kriterien in den Fokus rücken525. Beide Ansätze bzw. Positionen, die gerechtigkeitstheoretische und die utilitaristische Ethik, werden in den Abschnitten 4.2.1 und 4.2.2 daher allgemein eingeführt, bevor sie im achten Kapitel in umfassender Form in das dort entwickelte metaphysische Theoriegerüst integriert und schließlich in die eigentliche managementethische Analyse arbeitsplatz-

525

Vgl. dazu Unterkapitel 5.3.

162

Der Moral Point of View

bezogener Problemfelder einbezogen (und miteinander in Beziehung gesetzt) werden. In Abschnitt 4.2.3 wird darüber hinaus der moralphilosophischen Frage nach dem Verhältnis zwischen dem (Regel-)Utilitarismus und dem kategorischen Imperativ von KANT nachgegangen.

4.2.1

RAWLSsche Gerechtigkeitstheorie

In diesem Abschnitt wird auf den gerechtigkeitstheoretischen Ansatz des Moralphilosophen JOHN RAWLS eingegangen, bei dem es sich um die wohl bedeutendste Gerechtigkeitstheorie des 20. Jahrhunderts handelt 526. Der Ansatz „lässt sich in zwei Hauptteile zerlegen“527: Zunächst soll die Konstruktion rund um den Urzustand und den Schleier des Nichtwissens betrachtet werden (die Exposition des Gedankenexperiments), bevor im Anschluss beleuchtet wird, was die Menschen im Urzustand nach Auffassung von RAWLS als konsensfähig erachten würden. RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie wendet sich an alle Menschen, die ein moralisches Interesse haben und sich fragen, worin die in einem konkreten Problemfall gerechte Lösung liegt. Um gerechte Regeln für die Gesellschaft zu identifizieren, arbeitet RAWLS mit einem fiktiven Gedankenexperiment, das moralisch interessierte Akteure durchlaufen können, um an dessen Ergebnis abzuleiten, was von einem unparteilichen Standpunkt aus gesehen moralisch richtig bzw. gerecht ist. Das Gedankenexperiment beruht auf der Modellierung und Simulation eines Unparteilichkeitsblickwinkels (und damit der Logik des modernen Moral Point of View). Ursprünglich erfunden wurde das Experiment des Schleiers des Nichtwissens von JOHN C. HARSANYI528. Obwohl RAWLS seinen Schleier des Nichtwissens

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Vgl. RAWLS (1979); RAWLS (1992); RAWLS (1998). RAWLS (1979), S. 74. “[A] value judgment on the distribution of income would show [...] impersonality to the highest degree if the person who made this judgment had to choose a particular income distribution in complete ignorance of what his own relative position […] would be within the system chosen” (HARSANYI 1953, S. 434f.). HARSANYI und RAWLS haben lange Zeit darüber gestritten, wer von ihnen das Gedankenexperiment erfunden hat. Da HARSANYI seine Variante zwei bzw. vier Jahre vor RAWLS veröffentlicht hat, spricht einiges dafür, dass HARSANYI der Erfinder ist: “My equiprobability model was first published in 1953, and was extended in 1955. [...] Later JOHN RAWLS again independently proposed a very similar model […]. But while my own model served as a basis for a utilitarian theory, RAWLS derived very nonutilitarian conclusions from it” (HARSANYI 1977a, S. 634).

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

163

(„veil of ignorance“) erst 1957 veröffentlicht hat, wird ihm das Gedankenexperiment praktisch alleine zugeschrieben529. Der Ausgangspunkt des Modells liegt in der Vorstellung, dass die Menschheit nochmals am Nullpunkt der Evolution beginnen könnte. An diesem Nullpunkt würden sich alle Menschen, die später in der Menschheitsgeschichte leben, versammeln und über sämtliche institutionellen Spielregeln und Gerechtigkeitsgrundsätze, die sie sich für ihr Leben in der Gesellschaft geben wollen, debattieren530. Die Kernfrage (mit KANT gesprochen) lautet also: Welche Spielregeln könnten ein allgemein zustimmungsfähiges Gesetz werden? Den theoretischen Zustand am Nullpunkt der Geschichte, in dem es darum geht, durch eine Art Fairnesstest konsensfähige Spielregeln zu finden, nennt RAWLS „Urzustand“ („original position“531, nicht zu verwechseln mit dem Zustand der HOBBES‘schen Anarchie, auf den sich BUCHANAN stützt und der von einem unproduktiven Naturzustand ausgeht, in dem jeder gegen andere für seine Vorteile kämpft)532. Zentrale Eigenschaft des Urzustands ist der Schleier des Nichtwissens533. Die Annahme ist, dass die Menschen im Urzustand über wichtige, das Allgemeinwissen betreffende Dinge (wie Kapitalismus, Markt- und Planwirtschaft, Diktatur, Sozialismus, Demokratie, gewisse Sozialstaatsorganisationsformen usw.), die sie auch selbst betreffen, Bescheid wissen sollten, da sie sonst keine Ahnung hätten, worüber sie debattieren und welche Optionen situationsabhängig infrage kommen 534. Was sie im Urzustand nicht haben (sollen), sind Informationen zur eigenen Person, also persönliche Daten: Niemand weiß im Urzustand, wer er später (bezüglich Geschlecht, Hautfarbe, Konfession, Vermögen, Gesundheitszustand usw.) in der Gesellschaft sein wird535. Jedes Individuum kann mit derselben Wahrscheinlichkeit in ein Le-

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Vgl. RAWLS (1957), S. 653ff.; RAWLS (1958), S. 164ff. Der Gedanke ist, „dass diejenigen, die sich zu gesellschaftlicher Zusammenarbeit vereinigen wollen, in einem gemeinsamen Akt die Grundsätze wählen, nach denen Grundrechte und -pflichten und die Verteilung der gesellschaftlichen Güter bestimmt werden” (RAWLS 1979, S. 28). Vgl. auch RAWLS (1998), S. 424. RAWLS (1979), S. 29. Vgl. MÜLLER (1997); SCHRAMM (2004c), S. 5ff. In RAWLS‘ Urzustand gibt es keinen Krieg aller gegen aller. Vgl. RAWLS (1979), S. 29, 159ff.; RAWLS (1992), S. 90. Vgl. SCHRAMM (2005c), S. 6. „Vor allem kennt niemand seinen Platz in der Gesellschaft, seine Klasse oder seinen Status; [...] seine natürlichen Gaben, seine Intelligenz, Körperkraft usw. Ferner kennt niemand seine Vorstel-

164

Der Moral Point of View

ben hineingeboren werden, womit die Basis für eine unparteiliche Bewertung geschaffen ist. Die Unparteilichkeit ist in den Schleier des Nichtwissens integriert, sodass alle Akteure hinter dem Schleier eigennützig darüber entscheiden können, wie ihr Wohlstand maximiert werden kann536. Sozial gerecht ist nach RAWLS letztlich jenes Arrangement, welches im Urzustand hinter dem Schleier des Nichtwissens beschlossen wird537. Wichtiger ist nun, was die Menschen im Nullpunkt der Geschichte beschließen, welche inhaltlichen Spielregeln (Gerechtigkeitsgrundsätze, normativen Bewertungskriterien) sie also als konsensfähig erachten werden 538. RAWLS geht von einem risikoaversen Verhalten im Urzustand aus 539, was nachvollziehbar erscheint, da unter den erläuterten Umständen denkbar ist, dass einzelne Menschen von gewissen Spielregeln, die später eventuell eingeführt werden, profitieren können, während andere, die bezüglich der Spielregeln ungünstiger geboren werden, als Verlierer dastehen und auf der schlechtesten Position landen. So könnte eine Spielregel etabliert werden, die einen Ausschluss von Frauen aus dem Arbeitsleben vorsieht. Nun mag eine solche Spielregel unbedrohlich wirken, wenn man als Mann zur Welt kommt, kritisch wird sie aber für all jene, die weiblich geboren werden. RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie unterstellt daher zunächst eine „Gleichverteilung [...] als Maßstab [...], weil sie zum Ausdruck bringt, wie Menschen zueinanderstehen, wenn sie als freie und gleiche moralische Personen vorgestellt werden“540. Sein Ansatz stellt somit eine - wenn auch, wie noch gezeigt wird, nicht strikte - egalitaristische (lat. aequalitas: Gleichheit) Gerechtigkeitskonzeption dar,

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lung vom Guten, die Einzelheiten seines vernünftigen Lebensplanes, […] die Besonderheiten seiner Psyche wie seine Einstellung zum Risiko oder seine Neigung zu Optimismus und Pessimismus. Darüber hinaus setze ich noch voraus, dass die Parteien die besonderen Verhältnisse in ihrer eigenen Gesellschaft nicht kennen, d. h. ihre wirtschaftliche und politische Lage, den Entwicklungsstand ihrer Zivilisation und Kultur. Die Menschen im Urzustand wissen auch nicht, zu welcher Generation sie gehören“ (RAWLS 1979, S. 160). Vgl. auch SCHRAMM (2005c), S. 6. Das Gedankenexperiment simuliert gewissermaßen die „moral preference“ der Unparteilichkeit. Vgl. RAWLS (1992), S. 90. Vgl. dazu auch Abschnitt 8.1.1, in dem für mehrere normative Ethikkonzeptionen die auf der Begründungsebene existierenden normativen Bewertungskriterien identifiziert werden. Im Lichte der Gerechtigkeitstheorie entscheiden risikoaverse Parteien im Urzustand nach der Maximin-Regel (maximum minimorum, Maximum der Minima). Diese „ordnet die Alternativen nach ihren schlechtesten möglichen Ergebnissen“ (RAWLS 1979, S. 178), geht also vom Worst Case aus. Es wird dann jene Entscheidung gefällt, deren zu erwartender Nutzen im späteren Leben selbst bei Eintritt der misslichsten Lage immer noch höher ist als der zu erwartende ungünstigste Nutzen aller anderen Entscheidungen (vgl. ebd.). RAWLS (1998), S. 395.

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

165

da Gleichheit die Grundlage und den Maßstab für Gerechtigkeit bildet541. Die Verteilung, wer z. B. als Frau geboren wird, ist „das Ergebnis der Lotterie der Natur, und das ist unter moralischen Gesichtspunkten willkürlich“542. Rein moralisch (auf der Begründungsebene) besteht daher kein Grund, dass Frauen Einschränkungen im Leben in Kauf nehmen müssen. Folglich würde nach RAWLS jeder, der sich im Urzustand vorstellt, später weiblich geboren zu werden, ein Veto einlegen, da ihm die obige Spielregel ungerecht und zu riskant erscheint 543. Stattdessen würden die Menschen hinter dem Schleier des Nichtwissens schon aus Vorsichtsgründen „notgedrungen eine Wahl unter allgemeinen Gesichtspunkten vornehmen“544, also für unparteiliche Regeln (und damit für eine Gleichberechtigung von Frauen und Männern) votieren545. Differenziert argumentiert RAWLS beim Thema der Einkommens- und Besitzverteilung. Sein Vorschlag ist das Differenzprinzip, das eine für einen Philosophen eher ökonomische Betrachtung darstellt, da es „einen Grundsatz der Wechselbeziehung von Gerechtigkeit und ökonomischer Effizienz formuliert“546, also auch Leistungsanreize in die Gerechtigkeitstheorie einbezieht. Bisher wurde argumentiert, dass die Natur den Menschen mit verschiedenen Gaben ausgestattet hat, wobei manche vom Schicksal womöglich weniger begünstigt sind als andere. Wie gezeigt, könnte mit RAWLS hervorgebracht werden, dass es ungerecht ist, wenn ein Teil der Menschen vom Schicksal begünstigt ist, der andere aber nicht. Daher erscheint es „naheliegend [...], dass alle sozialen Grundgüter, einschließlich Einkommen und Besitz, gleich verteilt sein sollten“547. Sobald

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Vgl. RAWLS (1998), S. 70; SCHRAMM (2007a), S. 13f.; SCHRAMM (2004c), S. 8; KERSTING 2003, S. 118. RAWLS (1979), S. 94. Da man als Frau geboren werden könnte, wird man aus gerechtigkeitstheoretischer Sicht gegen diese Form der Diskriminierung votieren, da sie dem Leitprinzip der moralischen Gleichwertigkeit aller widerspricht. KERSTING (2000), S. 74. Vgl. RAWLS (1979), S. 217; SCHRAMM (2005c), S. 6. Das, was rationale Wähler hinter dem Schleier des Nichtwissens beschließen, ist insofern ein Stück weit durch den Schleier des Nichtwissens vorgezeichnet. KERSTING (2000), S. 106. Vgl. auch SCHRAMM (2007a), S. 14. RAWLS (1998), S. 395. Vgl. auch RAWLS (2006), S. 78. Unter gesellschaftlichen Grundgütern versteht RAWLS (1979, S. 112) „Dinge, von denen man annimmt, dass sie ein vernünftiger Mensch haben möchte, was auch immer er sonst noch haben möchte. [...] Wer mehr davon hat, kann sich allgemein mehr Erfolg bei der Ausführung seiner Absichten versprechen, welcher Art sie auch sein mögen“. Er unterscheidet fünf Rubriken an Grundgütern: (1) Grundrechte und -freiheiten; (2) Freizügigkeit und freie Berufswahl; (3) Befugnisse und Zugangsrechte zu gewissen Ämtern/ Positionen; (4) Einkommen und Besitz sowie (5) soziale Grundlagen der Selbstachtung (vgl. RAWLS 1992, S. 95; RAWLS 1998, S. 275; POGGE 1994, S. 68).

166

Der Moral Point of View

wir „jedoch organisatorische Erfordernisse und wirtschaftliche Effizienz in Rechnung stellen“548, also ökonomische Überlegungen in Entscheidungen einbeziehen, erachtet RAWLS es als „unvernünftig, bei einer [absoluten] Gleichverteilung stehenzubleiben“549. Diese als Differenzprinzip bezeichnete Maxime spiegelt sich in der Sozialen Marktwirtschaft wider: Auch hier wird versucht, Unternehmen profitabel zu führen, was Arbeit und für alle mehr Wohlstand schafft, als es etwa in planwirtschaftlichen Systemen der Fall wäre. Durch die Einbindung sozialer Sicherungssysteme gelingt es zudem, dass auch Behinderte, die nur beschränkt arbeitsmarktfähig sind, ein sicheres Auskommen haben. Ein solcher Mechanismus wird aber nur so lange toleriert, wie die Umverteilung auf Benachteiligte (bzw. Besteuerung Leistungsstarker) nicht überspannt wird, da sonst das Risiko besteht, die Arbeitsanreize der Starken zu mindern. Deshalb werden soziale und ökonomische Ungleichheiten zugelassen, aber nur so lange, „wie sie jedermanns Lage verbessern (einschließlich der Lage der am wenigsten Begünstigten)“ 550. Leistungsstarke sollen mehr Einkommen erhalten und Besitz akkumulieren dürfen, diese „Ungleichverteilung ist [aber] nur insofern […] gerechtfertigt, wie sie notwendig ist, die Aussichten der Minderbegünstigten auf lange Sicht zu verbessern“ 551. Sobald „dieses Ungleichheitsmaß überschritten [wird], [...] muss die Ungleichheit durch Umverteilung vermindert werden“552. Schwierig zu beantworten ist, wo die richtige Grenze für ein solches Differenzprinzip liegt 553. Gleichwohl bleibt RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie gerade in jenen Fällen hilfreich, in denen keine tragischen Entscheidungen zu fällen sind. Wenn man, um beim Beispiel des Sozial-

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RAWLS (1998), S. 395. RAWLS (1998), S. 395. Da im Urzustand für ein möglichst florierendes Wirtschaftssystem votiert werden sollte, würde RAWLS eine sozialistische Gesellschaft aus ökonomischen Gründen als nicht erstrebenswert erachten. RAWLS (1998), S. 395; ähnlich ebd., S. 382f.; RAWLS (2006), S. 78. Zu den am wenigsten Begünstigten „gehören [...] Menschen, deren Familien- und Klassenherkunft ungünstiger ist als die anderer, deren (verwirklichte) natürliche Fähigkeiten sie schlechter stellen, und deren Leben einen weniger glücklichen Verlauf genommen hat“ (RAWLS 1979, S. 118). Anzumerken ist, dass das Differenzprinzip insofern nicht der Realität entspricht, als Regeln de facto nie „zum größten [...] Vorteil für die am wenigsten Begünstigten“ (RAWLS 1998, S. 395) entwickelt werden. Häufig wird pragmatischer vorgegangen: So wird z. B. geschätzt, was Arbeitslose als Existenzminimum für ein menschenwürdiges Leben benötigen. Dabei werden die Regeln aber nicht zum größten Vorteil der Arbeitslosen ausgelegt, sondern pauschal der Hartz-IV Regelsatz vergeben. KERSTING (2003), S. 119. KERSTING (2003), S. 119. Vgl. dazu exemplarisch die Argumentation zur „Augenzwangslotterie“ bei KERSTING (2000, S. 121f.).

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

167

transfers zu bleiben, einzelnen sozialen Gruppen, die schicksalsbedingt arbeitsunfähig sind, durch Umverteilungen helfen kann, so ist dies oftmals möglich, ohne eine Leistungsanreizminderung der Begünstigten befürchten zu müssen. Wie noch gezeigt wird, gewinnt die Gerechtigkeitstheorie unter dieser Annahme auch an Praxisrelevanz für eine Ethik des Arbeitsplatzmanagements. Anders verhält es sich dagegen bei tragischen Entscheidungen. Hier ist man gezwungen, eine utilitaristische Sichtweise (als Gegenposition) einzunehmen. Bevor diese im Anschluss näher betrachtet wird, soll zum Abschluss des Abschnitts noch auf einen fragwürdigen Aspekt in RAWLS‘ Theorie hingewiesen werden. RAWLS sieht in seinem Ansatz „die Gesellschaft als ein [Kooperations-]Unternehmen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil“554 an. Eine solche auch von anderen Wirtschaftsethikern zitierte Gesellschaftsdefinition berechtigt zur Frage, ob bei RAWLS (streng gesehen) nicht ein ökonomischer „Gesellschafts“-Begriff vorliegt. Würden sich Menschen nur deshalb zur Gesellschaft zusammenschließen, um daraus (im Sinne von BUCHANAN) „potential gains from trade“ zu erzielen, so hätten sie keine moralische Sicht eingenommen. Nach einer solchen begründet sich eine integre Gesellschaft nicht (nur) durch Kooperationsrenditen, sondern durch eine Vorstellung, wie Menschen ihr Miteinander gestalten sollen (die Vorstellung etwa, anderen respektvoll zu begegnen und ihre Würde zu achten). Damit ist nicht gesagt, dass Kooperationsrenditen, welche in vielen Fällen auch erzeugt werden, für die Gesellschaftsdefinition irrelevant wären. Trotzdem schuldet man in einer Gesellschaft auch denjenigen moralischen Respekt, von denen keine Kooperationsrendite zu erwarten ist. Daher verwundert es in dem Kontext noch mehr, dass RAWLS nur „volle und aktive Gesellschaftsmitglieder“555 als Personen für den Urzustand zulässt. All jene, die nicht in den „Bereich des Normalen“556 fallen, können somit über die Spielregeln der Gesellschaft auch nicht mitentscheiden557. 554

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RAWLS (1979), S. 105. Unsere Spielregeln (z. B. in welchem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem wir leben wollen) werden uns nicht vorgegeben, sondern wir sollten sie gemeinsam beschließen. Nach ökonomischen Aspekten würde man z. B. eine Marktwirtschaft wählen. RAWLS (1998), S. 384. Diese Ergänzung findet sich nur in einer Fußnote. „Die Probleme besonderer medizinischer Betreuung und der Behandlung geistig Behinderter wird außer Betracht gelassen“ (ebd., S. 38). RAWLS (1998), S. 93, 384. KERSTING (2000, S. 162) merkt deshalb an: „RAWLS’ Gerechtigkeitstheorie ist eine Gerechtigkeitstheorie für rational agierende aktive Wirtschaftsbürger. Wo die Kooperationsgemeinschaft endet, wo keine Verhältnisse wechselseitig vorteilhafter Zusammenarbeit mehr anzutreffen sind,

168

Der Moral Point of View

Warum RAWLS diese (aus Sicht einer christlichen Ethik nicht akzeptable) Einschränkung vornimmt, ist nur schwer erklärbar 558. Er ignoriert damit, dass immer ein Risiko bleibt, später doch nur als (im weiteren Sinne) nichtaktiver Mensch geboren zu werden. Zudem wäre sein Experiment gerade hilfreich, um sich in die Lage nichtaktiver Gesellschaftsmitglieder (wie „Arbeitslose, Arbeitsunfähige, Rentner, Kranke und geistig, psychisch und körperlich Behinderte“ 559) zu versetzen. Es kann nur vermutet werden, dass RAWLS diese Eingrenzung in Anlehnung an seine „ökonomische“ Gesellschaftsdefinition vornimmt: Wenn von vornherein festgelegt wird, dass die Gesellschaft nur dazu da ist, ein „Unternehmen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil“560 zu sein, dann werden nichtaktive Gesellschaftsmitglieder, solche Gesellschaftsmitglieder also, die zu keiner Kooperation fähig sind, nicht gebraucht, „da sie nichts anzubieten haben, das zu erwerben andere interessiert sein könnten“561. Mit ihnen kann letztlich keine oder nur eine geringe Kooperationsrendite erzielt werden. „Dies ist [...] eine erkennbar ökonomische Prämisse“562. Und so bleibt es dabei, dass ein rein auf die Erzielung von Win-win-Situationen ausgerichteter „Gesellschafts“-Begriff zu kurz greift, da Kooperation nicht nur aus ökonomischen Motiven erfolgt. Es sollten, wie hier unterstellt, die Interessen aller Menschen im Urzustand beachtet werden563. „[D]ie hypothetischen Beratungen und Entscheidungen müssen [...] einer fairen, niemanden bevorzugenden oder benachteiligenden Beratungs- und Entscheidungssituation entsprechen“564. Nur dann liegt ein moralischer „Gesellschafts“-Begriff vor. In Abschnitt 4.2.2 wird der Utilitarismus behandelt, der als bedeutendste teleologische, konsequentialistische Ethikkonzeption gilt und eine starke Gegenposition zu RAWLS' gerechtigkeitstheoretischem Ansatz markiert.

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verliert die Verteilungsgerechtigkeit RAWLSschen Zuschnitts ihre Zuständigkeit“. Ähnlich: „Bei RAWLS haben wir [...] eine [aus aktiven Mitgliedern bestehende] Betriebsversammlung [...] des Kooperationsunternehmens Marktgesellschaft“ (ebd., S. 167) vor uns. Auch SCHRAMM (2004c, S. 9) „weiß letztlich nicht, warum RAWLS diese Einschränkung [...] vornimmt“. Ähnlich SCHNABL (2005), S. 365. KERSTING (2000), S. 161. RAWLS (1979), S. 105. KERSTING (2000), S. 161. SCHRAMM (2010c), S. 99. Vgl. SCHRAMM (2004c), S. 10. KERSTING (2000), S. 70.

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

169

4.2.2 Utilitaristische Ethik 4.2.2.1 Annahmen und Grundprinzipien des klassischen Utilitarismus Beim Utilitarismus (engl. utilitarianism565) handelt es sich, wie es die Bezeichnung („utility“, lat. utilitas: Nutzen) bereits andeutet, um ein normatives Ethikkonzept, bei dem das Prinzip des Glücks bzw. Nutzens (als absolute Größe) 566 als Grundlage der Moral im Mittelpunkt steht, all das also, „was dazu beiträgt, Glückserfahrung, Interessenbefriedigung und den Genuss eines lebenswerten Lebens zu ermöglichen“567. Er lässt sich deshalb als eine eudaimonistische Ethik verstehen 568. Da der Utilitarismus Nutzen befördern möchte und keine kategorisch verbotenen Dinge kennt, dürfte er dem (im Vergleich zu KANTischen Ethiken) von Ökonomen präferierten Ethikansatz entsprechen569. Die ökonomisch geprägte Argumentation des Utilitarismus zeigt sich in der Bilanzierung von Nutzen, auf welche noch eingegangen wird, aber auch in einer starken Zukunftsorientierung und einem „Denken in langfristigen Entwicklungstendenzen“570. „[D]er Utilitarismus rekonstruiert die moralisch richtige Handlung als Resultat einer rationalen Wahl zwischen alternativen Möglichkeiten“571. Dabei kann der klassische Utilitarismus im Folgen-, Nutzen- und Sozialprinzip konkretisiert werden572, die als Bewertungskriterien von Handlungsalternativen zusammenhängen und nachfolgend jeweils kurz erläutert werden: 565

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“Utilitarianism is a general term for any view that holds that actions and policies should be evaluated on the basis of the benefits and costs they will impose on society. In any situation, the “right” action or policy is the one that will produce the greatest net benefits or the lowest net costs” (VELASQUEZ 2006, S. 61). Vgl. BIRNBACHER (2002), S. 96. BIRNBACHER/ HOERSTER (2000), S. 198. Folglich ist das Subjekt des Nutzens im Utilitarismus immer das Individuum (vgl. BIRNBACHER 2007, S. 218). Nutzenüberlegungen und -abwägungen sind nicht nur fester Bestandteil des täglichen Entscheidungsverhaltens (vgl. HARSANYI 1977a, S. 638), sondern auch vorteilhaft. So hält MACKIE (1983, S. 158) fest: „Es scheint vernünftig, dass die Moral, wenn sie handlungsanleitend sein soll, etwas mit dem Glück der Menschen zu tun hat. Es scheint ganz natürlich, dass man nach Lebensfreude verlangt und Schmerz oder Unglück meidet; und es scheint auch einsichtig, dass man diese gegeneinander abwägt und […] Schmerz in Kauf nimmt, um in den Genuss […] an Lebensfreude zu gelangen“. Ähnlich NASHER (2009), S. 83f. Vgl. NASHER (2009), S. 19. Vgl. FREY/ HUMBERT/ SCHNEIDER (2007), S. 362. BIRNBACHER (2007), S. 220. HÖFFE (2008), S. 10. Vgl. SCHRAMM (2008b), S. 218f.; HÖFFE (2008), S. 11; FREY (1986), S. 153; NEUBERGER (2002), S. 740.

170

Der Moral Point of View

(1) Der Utilitarismus ist eine teleologische (gr. telos: Ende, Ziel, Zweck; logos: Lehre) Ethik573. Durch das Folgenprinzip (Teleologieprinzip) sind im Hinblick auf die moralische Beurteilung einer Entscheidung, Handlung, Unterlassung oder (rechtlichen und anderen gesellschaftlichen) Regel nur die absehbaren Folgen für alle empfindungsfähigen Betroffenen relevant, nicht die Motive und Gesinnungen der Entscheider574. Im Gegensatz zum Deontologie- gibt es beim Folgenprinzip keine in sich verbotene oder ethisch unbegründbare Handlung (was bei entsprechender Auslegung an KANTs kategorischen Imperativ erinnert) 575. Betrachtet werden nur die Nutzen-Konsequenzen einer Handlung. Nun liegt nahe, dass Menschen auf die Folgen ihres Handelns achten. Dennoch gibt es Situationen, in denen ein rein folgenorientiertes Handeln den Anstoß zu öffentlichen Debatten geben kann, so auch im arbeitsplatzbezogenen Kontext. Mit KANT, dessen deontologische Ethik anti-utilitaristisch ist, könnte argumentiert werden, dass es (im Sinne eines allgemeinen Gesetzes) kategorisch verboten ist, Menschen in einem Rechtsstaat Schaden zuzufügen576. Zur Schädigung kommt es etwa, wenn Unternehmen Arbeitsplätze abbauen. Mit dem idealen Argument der unantastbaren und unverrechenbaren Würde auf der Begründungsebene dürfte aber niemand entlassen werden577, was unweigerlich zur Gefährdung von Unternehmensexistenzen führt. Dennoch würde aus deontologischer Sicht die Pflicht bestehen, von einer solchen Schädigung abzusehen, da sich die moralische Richtigkeit oder Falschheit einer

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Vgl. BOGAI (2007), S. 237. Vgl. SCHRAMM (2008b), S. 218; HÖFFE (2008), S. 10; BIRNBACHER/ HOERSTER (2000), S. 199; BIRNBACHER (2007), S. 220; NASHER (2009), S. 14. Der „Folgen“-Begriff ist weit gefasst und umfasst neben den „zeitlich später eintretenden [...] auch die gleichzeitig eintretenden Wirkungen einer Handlung sowie die Handlung und ihre Umstände [z. B. physischer und psychischer Art] selbst“ (BIRNBACHER 2002, S. 95). Vgl. dazu Abschnitt 4.2.3, der sich mit dem kategorischen Imperativ KANTs befasst. Vgl. NASHER (2009), S. 15ff. „Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ, und, wehe dem [...] welcher die Schlangenwindungen der Glückseligkeitslehre durchkriecht, um etwas aufzufinden, was durch den Vorteil, den es verspricht, ihn von der Strafe, oder auch nur einem Grade derselben entbinde, nach dem pharisäischen Wahlspruch: »es ist besser, dass ein Mensch sterbe, als dass das ganze Volk verderbe«; denn, wenn die Gerechtigkeit untergeht, so hat es keinen Wert mehr, dass Menschen auf Erden leben“ (KANT 1977c, S. 453). WERHANE (2012, S. 51) weist darauf hin, dass sich aus KANTischer Perspektive bereits die Auswahl der zu Entlassenden als problematisch erweisen würde: “[B]eing without a job [...] undermines human dignity. […] And choosing who must be laid off is itself non-KANTian. This is because ‘good reasons’ for layoffs cannot be purely disinterested. If each of us is to be treated with equal respect as a human being, then reasons such as […] ‘the job is obsolete or redundant’ are not good reasons for keeping some employees and firing others”.

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

171

Handlung durch die Handlungsmerkmale und nicht durch deren Folgen bestimmt578. Ein Utilitarist würde dagegen von den Folgen her argumentieren: Da kein per se-Verbot besteht, Stellen abzubauen, würde er folgern, dass es sich wegen der absehbaren langfristigen Folgen für das Unternehmen und die verbleibenden Mitarbeiter lohnt, Stellen abzubauen. Jede Entscheidung für oder gegen eine (Entlassungs-)Handlung ist dabei einzelfallabhängig und kann im selben Unternehmen unter anderen Bedingungen anders ausfallen 579. (2) Das zweite, namensgebende Urprinzip des Utilitarismus ist das Nutzen- bzw. „Utilitäts“-Prinzip, das als Kriterium zur Folgenbeurteilung herangezogen wird 580. Entscheidend im Utilitarismus ist der (Glücks-)Nutzen, den eine Handlung oder Regel (im Vergleich zur Alternativhandlung, -regel) erzeugt. Diesbezüglich stimmt auch die Grundaussage der beiden Begründer des traditionellen Utilitarismus BENTHAM (1748-1832) und MILL (1806-1873) überein581: Moralisch richtig ist jene Handlung, die das „größte Glück der größten Zahl“ 582 - moderner formuliert: den höchsten Durchschnittsnutzen (Nutzen pro Gesellschaftsmitglied) für alle Betroffenen - erzeugt583. Der (soziale) Nutzen einer Handlung bemisst sich im 578 579

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Vgl. BIRNBACHER/ HOERSTER (2000), S. 199. Vgl. GILBERT (2000), S. 9. So wäre ebenso denkbar, dass ein Utilitarist (unter Einbezug der Finanzlage und Zielsetzung) dem Unternehmen eine bessere Zukunft voraussagt, wenn es auf einen Stellenabbau verzichtet, z. B. weil in naher Zukunft ein wirtschaftlicher Aufschwung und ein steigender Personalbedarf zu erwarten ist. Vgl. SCHRAMM (2008b), S. 218; HÖFFE (2008), S. 10. BENTHAM hat mit seinem Werk „An Introduction to the Principles of Morals and Legislation“ (vgl. BENTHAM 1789/2008), das er 1780 (Privatdruck) bzw. 1789 veröffentlichte, den klassischen Utilitarismus begründet. „Unter dem Prinzip der Nützlichkeit ist jenes Prinzip zu verstehen, das schlechthin jede Handlung in dem Maß billigt oder missbilligt, wie ihr die Tendenz innezuwohnen scheint, das Glück der Gruppe, deren Interesse in Frage steht, zu [...] befördern oder zu verhindern“ (ebd., S. 56). Ähnlich MILL (1863/2008, S. 85): „Die Auffassung, für die die Nützlichkeit [...] die Grundlage der Moral ist, besagt, dass Handlungen insoweit und in dem Maße moralisch richtig sind, als sie die Tendenz haben, Glück [als Ausdruck für Nutzen] zu befördern, und insoweit moralisch falsch, als sie die Tendenz haben, das Gegenteil von Glück zu bewirken“. It is “the greatest happiness of the greatest number that is the measure of right and wrong“ (BENTHAM 1789/1992, S. 229). „Zeitgenössische Utilitaristen vertreten durchweg nicht mehr das [...] Nutzensummenprinzip des klassischen Utilitarismus, sondern das Durchschnittsnutzenprinzip“ (HOMANN 1988, S. 210). Nach dem Nutzensummenprinzip wäre es beispielsweise eine moralische Verpflichtung, möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen, denn: Je mehr Köpfe es gibt, desto mehr Lebensnutzen wird ermöglicht. Das ist aber kontraintuitiv, da eine Überbevölkerung zur Senkung der Nutzensumme führen würde. Sinnvoller erscheint es daher, den Durchschnittsnutzen einer gegebenen Zahl von Menschen heranzuziehen. Auf das Durchschnittsnutzenprinzip wird noch im Kontext mit HARSANYIs “equiprobability model for moral value judgements“ (vgl. HARSANYI 1977a, S. 631ff.) eingegangen.

172

Der Moral Point of View

Utilitarismus nicht „nach dem Nutzen für den Handelnden selbst, sondern nach dem Nutzen für alle von der Handlung betroffenen […] Wesen“584. Dieser Nutzen muss gemessen und im Sinne einer Cost-Benefit-Analyse bilanziert werden: So wie in der handelsrechtlichen Bilanz Vermögen (Aktiva) und Schulden (Passiva) in Kontenform gegenübergestellt werden, so wird beim Utilitarismus der Schaden von Einzelnen mit dem Nutzen der größten Zahl verrechnet. Um jene Handlung wählen zu können, welche das größte Glück stiftet, müssen „die von der Handlung erwarteten Freuden und Leiden hinsichtlich [...] Intensität, [...] Dauer, [...] Gewissheit oder Ungewissheit, [...] Nähe oder Ferne, [...] Folgenträchtigkeit, [...] Reinheit und [...] Ausmaß[...]“585 näher analysiert werden. Anschließend kann die eigentliche Nutzenbilanzierung erfolgen, in der Freude und Leid addiert werden 586, wobei naheliegt, dass Nutzenbilanzierungen wegen methodischer Schwierigkeiten nur als regulative Idee umsetzbar sind587: Denn wie sollen, um ein Beispiel zu nennen, „die Frustrationen wegrationalisierter Arbeitsloser mit der Freude der Empfänger

584 585 586

587

BIRNBACHER/ HOERSTER (2000), S. 198. PIEPER (2000), S. 271. BENTHAM (1789/2008, S. 81) hält fest: „Man addiere die Werte aller Freuden auf der einen und die aller Leiden auf der anderen Seite [...] - und zwar in Bezug auf jedes Individuum [...]. Man ziehe [dann] die Bilanz [von positiver und negativer Nutzenseite]; befindet sich das Übergewicht auf der Seite der Freude, so ergibt sich daraus für die betroffene Gesamtzahl oder Gemeinschaft von Individuen eine allgemein gute Tendenz der Handlung; befindet es sich auf der Seite des Leids, ergibt sich […] eine allgemein schlechte Tendenz“. Uneinig waren sich BENTHAM und MILL über die Ausgestaltung der Nutzenbilanzierung (vgl. BIRNBACHER 2002, S. 98f.; HÖFFE 2008, S. 21ff.; MATHIS 2009, S. 132; BOGAI 2007, S. 237). BENTHAMs Ziel war eine objektiv berechenbare Ethik im Sinne einer kalkulierenden moralischen Wissenschaft. Seine Nutzenbilanz war rein quantitativ ausgerichtet, ohne qualitative Bewertungsunterschiede zwischen den Nutzenarten zu machen. Dieses zunächst liberal wirkende Vorgehen kann sich aber als problematisch erweisen, gerade wenn unsoziale Interessen (“preferences based on clearly antisocial attitudes, such as sadism, resentment, or malice“, HARSANYI 1977b, S. 30) einbezogen werden. Zu denken ist etwa an einen sadistischen Arbeitgeber, der Freude daran hat, Mitarbeiter durch Kündigungsandrohungen zu schikanieren und daraus einen Nutzen von zehn Einheiten generiert. Wäre es nun so, dass die Mitarbeiter als Opfer nur einen Negativnutzen von acht Einheiten zu erleiden hätten, so würde BENTHAM daraus folgern, dass der Arbeitgeber zur beschriebenen Schikane moralisch verpflichtet ist, da in der Nutzenbilanz ein Plus von zwei Einheiten erreicht wird. Eine solche Interpretation ist aber nicht intuitiv (vgl. HÖFFE 2008, S. 20f.). Kein Normaldenkender dürfte einen Sinn darin erkennen, warum ein Sadist moralisch verpflichtet sein sollte, seine Opfer zu quälen, wenn dadurch die Nutzensumme steigt. MILL war dagegen der Auffassung, dass nicht jede Nutzenart gleichwertig ist (vgl. MILL 1863/2008, S. 87), vielmehr müssten qualitative Unterschiede zwischen den Nutzentypen bzw. Bedürfnisbefriedigungen gemacht werden, um sicherzustellen, dass in die Nutzenbilanz nur integre Freuden aufgenommen werden. In diesem Sinne hält er fest: „Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedengestelltes Schwein [z. B. ein Sadist, dessen perverser Nutzen von minderer Qualität ist]“ (ebd., S. 89). Vgl. HÖFFE (2008), S. 42f., 50.

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

173

höherer Dividenden verrechnet werden?“588 Nicht nur, dass exakte quantitative Daten über das Wohlergehen der Betroffenen beider Gruppen fehlen, auch der intra- und interpersonale Nutzenvergleich ist problembehaftet589. Aufgrund dieser Kontingenz ist bei der Nutzenmessung und -bilanzierung nur ein ordinales Vorgehen möglich, bei dem alle Handlungs- oder Regelalternativen gemäß ihres ungefähren Nutzenniveaus in eine Rangfolge gebracht werden, der exakte quantitative Nutzenunterschied aber unbekannt bleibt590. Wird dennoch eine kardinale Nutzenmessung angestrebt, so ist diese erheblich abstrahiert. (3) Dem Sozialprinzip geht es zusammenfassend um die höchste Gesamtnutzenwirkung, d. h. um das unparteiliche gesellschaftliche Wohl aller von einer Handlung oder Regel Betroffenen (Universalismus)591. Jene Handlung, die den höchsten Durchschnittsnutzen bzw. maximalen Nutzenanstieg pro Kopf erbringt, ist moralisch richtig. Es zählt das „größte Glück der größten Zahl“, die Unparteilichkeit des größten Durchschnittsnutzens. In RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie zählt hingegen die Unparteilichkeit des größten Vorteils für die Schlechtestgestellten. Sowohl der Utilitarismus als auch die Gerechtigkeitstheorie bilden insofern einen Moral Point of View ab, der aber zu verschiedenen Ergebnissen führt. Welches Unparteilichkeitskriterium in der lokalen Situation angemessener ist, muss in jeder Situation neu geprüft werden. Eine wichtige Entwicklung, die der Utilitarismus in der ersten Hälfte des Jahrhunderts durchlaufen hat, ist die vom Handlungs- (auch extremer oder Aktutilitarismus) zum Regelutilitarismus592. Wie erläutert, ist im Utilitarismus jene Handlung moralisch vorzuziehen, die den größten absehbaren Nutzen stiftet, wobei zu fragen ist, ob unter einer Handlung eine einzelne oder eine Art von Handlungen zu verstehen ist593. Im klassischen Utilitarismus von BENTHAM und MILL bezieht sich

588 589 590 591

592

593

KERSTING (2001), S. 101. Ähnlich MATHIS (2009), S. 136; ORLANDO (2003), S. 40. Vgl. HÖFFE (2008), S. 42f. Vgl. MATHIS (2009), S. 137; KERSTING (2001), S. 100. Vgl. SCHRAMM (2008b), S. 218f.; HÖFFE (2008), S. 11. Das bedeutet, dass ein „Akteur weder sich selbst noch die ihm Nahestehenden gegenüber Fremden privilegieren darf“ (BIRNBACHER 2007, S. 220). Vgl. HARSANYI (1977a), S. 626; SCHRAMM (2008b), S. 219; HÖFFE (2008), S. 30ff; PIEPER (2000), S. 271; VELASQUEZ (2006), S. 68ff. HARROD (1936) hat 1936 erstmals auf die Vorteile des Regel- gegenüber dem Handlungsutilitarismus aufmerksam gemacht. Die Terminologie geht auf BRANDT (1959, S. 380ff.) zurück. Vgl. SMART (1956/2008), S. 167.

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Der Moral Point of View

die moralische Pflicht zur Wohlergehens- bzw. Nutzenmaximierung auf jede Einzelhandlung, weshalb von einem Handlungsutilitarismus gesprochen wird594. Es zählt der aus einer Handlung für alle Betroffenen zu erwartende Nutzen, nicht die Qualität der Handlung selbst595. Das Prinzip des Handlungsutilitarismus, in jeder Handlung den Nutzen zu maximieren, ist aber nicht nur unpraktikabel596, es kann auch kontraintuitive Folgen haben597: So wäre für Handlungsutilitaristen keine Form des Investierens möglich, da Investitionen (z. B. in das Know-how der Mitarbeiter) einen vorübergehenden Nutzenverzicht darstellen, der in der Hoffnung erfolgt, zum späteren Zeitpunkt höhere Erträge zu erzielen598. Ein solcher Nutzenverzicht, der sowohl lang- als auch kurzfristig Sinn machen kann, wäre aber unmöglich, wenn die Nutzenmaximierungsmaxime auf jede Handlung bezogen werden würde. Es könnte deshalb argumentiert werden, dass unbefristete Normalarbeitsverhältnisse aus handlungsutilitaristischer Sicht keine Existenzberechtigung hätten, wenn es im Zuge einer strikten „Hire-and-Fire“-Politik gelänge, Mitarbeiter exakt gemäß des tatsächlichen Arbeitsanfalls zu beschäftigen und so den kostenbezogenen Nutzen jeder einzelnen (Arbeits-)Handlung zu maximieren. Diese Denkweise widerspricht jedoch dem allgemeinen Moralverständnis. Mit dem Regelutilitarismus können derart nachteilige Effekte in der praktischen Anwendung umgangen werden, da das utilitaristische Prinzip nicht direkt auf die Richtigkeit einzelner Handlungen, sondern auf moralische Handlungsregeln (Sekundärregeln, „moral codes/ rules“) angewendet wird, die die Handlungen determinieren und so (indirekt) mittel- und langfristig zum größten Nutzen führen 599. „[M]oralisch richtig [...] nach dem Regelutilitarismus ist [...] jene Handlung, die mit solchen Handlungsregeln konform geht, die, als Regeln befolgt, das Maximum an Wohlergehen befördern („Was wäre, wenn jeder so handelte?“)“600. Für den

594

595 596 597

598 599

600

Vgl. BIRNBACHER (2002), S. 99; NASHER (2009), S. 31f.; MACKIE (1983), S. 157ff.; HARSANYI (1977a), S. 626; HARSANYI (1977b), S. 30f.; PRECHTL (1999), S. 624. Vgl. HARSANYI (1983), S. 234. Vgl. BIRNBACHER/ HOERSTER (2000), S. 200f. Vgl. BRANDT (2008), S. 189; MACKIE (1983), S. 174. Solche Konsequenzen trugen Anfang des 20. Jahrhunderts dazu bei, dass der Utilitarismus „als plumpe hedonistische Theorie galt, die vom Aussterben bedroht“ (NASHER 2009, S. 32) war. Vgl. SCHRAMM (2008b), S. 219. Vgl. SMART (1956/2008), S. 168; BIRNBACHER (2002), S. 99f.; NASHER (2009), S. 33f. Sekundärregeln sind „spezifischere abgeleitete Regeln [...], die jeweils für bestimmte Situationstypen bestimmte Handlungsweisen vorschreiben“ (BIRNBACHER/ HOERSTER 2000, S. 201). HÖFFE (2008), S. 31. Vgl. auch VELASQUEZ (2006), S. 69.

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

175

Handlungsutilitaristen dienen solche Sekundärregeln nur als Faustregeln zur Abschätzung der Handlungsfolgen601. Der Regelutilitarist nimmt dagegen von vornherein eine andere Sichtweise ein. Ihn interessiert, durch welche Regel der Gesamtnutzen in einer Situation maximiert werden kann, unter der Annahme, dass alle Akteure der Regel unbeschränkt Folge leisten. Da für den Regelutilitaristen nicht jede Einzelhandlung nutzenmaximierend sein muss, kann das Risiko moralischer Fehlurteile reduziert werden. Zudem kann es, um auf obiges Beispiel zurückzukommen, sinnvoll sein, zu sparen oder in die Mitarbeiterqualifikation zu investieren (also zeitweise Nutzen zu verweigern), um im Anschluss einen größeren Nutzen zu erzielen. Wichtig ist nur, dass eine Handlung, um in einer Situation als moralisch richtig zu gelten, der richtigen moralischen (d. h. der den Nutzen maximierenden) Regel entspringen muss602. Auch wenn durch den Regelutilitarismus das Risiko moralischer Fehlurteile reduziert wird, so ist er dennoch nicht unproblematisch. Zum einen ist es weder möglich noch praktikabel, einen Regelkatalog zu entwickeln, dem alle denkbaren Handlungskonstellationen zuordenbar sind603. In jedem Moment geschehen in der Gesellschaft unendlich viele Handlungen, die bis dato von keiner Regel erfasst werden, da es hierfür keiner Regel bedarf oder die Regel (kurz gesagt) zu spät kommt. Unter diesen Umständen müssen handlungsutilitaristische Entscheidungen getroffen und das Nutzenprinzip direkt auf einzelne Transaktionen angewendet werden. Zum anderen verlangt der Regelutilitarist eine verbindliche Befolgung der sich im Allgemeinen als nützlich erweisenden Sekundärregeln auch dann, wenn die Regelbefolgung in der lokalen Situation suboptimale Folgen erwarten lässt604. Auch hier erscheint es auf der Anwendungsebene folglich unabdingbar, die moralische Verpflichtung zur strikten Sekundärregelbefolgung zu lockern und das Utilitätsprinzip direkt auf einzelne Handlungen anzuwenden605. 601 602

603 604

605

Vgl. HÖFFE (2008), S. 35f.; BIRNBACHER/ HOERSTER (2000), S. 201; CARNAU (2011), S. 114. Vgl. STRIFLER (2009), S. 21; SMART (1956/2008), S. 168; HARSANYI (1977b), S. 32; HARSANYI (1983), S. 234. Vgl. MATHIS (2009), S. 131. Vgl. BIRNBACHER/ HOERSTER (2000), S. 201; BIRNBACHER (2002), S. 99. Denn: „Eine Abweichung von der jeweiligen Regel ist unter keinen Umständen erlaubt“ (NASHER 2009, S. 35; vgl. auch ebd., S. 40). Es ist „im Einzelfall [...] die Handlung zu wählen, die vernünftigerweise das größte Gemeinwohl verspricht“ (NASHER 2009, S. 37). NASHER hält in diesem Kontext auch fest: „Es gibt nicht nur die zwei Alternativen ‚Regel befolgen‘ oder ‚Regel nicht befolgen‘, sondern es ist durchaus denkbar und für das Ziel der allgemeinen Glückseligkeit förderlich, wenn Abweichungen von Regeln möglich sind“ (ebd., S. 38). Vor allem sollte nicht übersehen werden, dass derjenige, der von einer

176

Der Moral Point of View

Im nächsten Unterabschnitt folgt die Darstellung einer konkreten und aktuelleren utilitaristischen Theorie, nämlich der des Ökonomen HARSANYI, auf den auch das bereits im vorigen Abschnitt im Zusammenhang mit der RAWLSschen Gerechtigkeitstheorie eingeführte Gedankenexperiment zurückgeht.

4.2.2.2 Utilitarismus von HARSANYI Das utilitaristische Modell von HARSANYI606, einem der bekanntesten modernen Utilitaristen, gründet auf dem im Kontext mit RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie als Schleier des Nichtwissens vorgestellten Gedankenexperiment, das HARSANYI 1953 erstmals selbst veröffentlicht hat607. Auch HARSANYI unterstellt in seinem “equiprobability model of moral value judgements” 608 (Gleichwahrscheinlichkeitsmodell), dass kein Individuum im Nullpunkt der Geschichte (Urzustand) seine zukünftige Gesellschaftsposition (1-n) kennt und „in Übereinstimmung mit der LAPLACE'schen Regel“609 mit derselben Wahrscheinlichkeit mit jeder Position rechnen muss (1/n)610. Dies stellt sicher, dass die Wahl der Entscheider für eine gesellschaftliche Regel frei ist von “morally irrelevant selfish considerations“611

606

607

608 609 610

611

Regel abweicht, nicht zwangsläufig am Gehalt der Regel an sich rüttelt, sondern mit größerer Wahrscheinlichkeit negative Konsequenzen abwehren möchte (vgl. ebd., S. 44). Der Ökonom JOHN HARSANYI (1920-2000) wurde 1994 für seine spieltheoretischen Arbeiten mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. Seine ethische Theorie basiert auf drei Denktraditionen: Zum ersten auf der Idee von SMITH, die moralische Bewertung einer Situation aus der Sicht eines “impartial but humane and sympathetic observer“ (HARSANYI 1977a, S. 623; vgl. auch SMITH 1759/2002; LUTERBACHER-MAINERI 2008, S. 126ff.) vorzunehmen, zum zweiten auf dem Universalisierungsprinzip von KANT (1977a) und zum dritten auf der utilitaristischen Tradition von BENTHAM, MILL, SIDGWICK und EDGEWORTH, “which made maximization of social utility the basic criterion of morality - social utility being defined either as the sum, or the arithmetic mean, of the utility levels of all individuals in the society“ (HARSANYI 1977a, S. 624). Neben der Differenzierung von Handlungs- und Regelutilitarismus, die HARSANYI als zentrale Entwicklung des klassischen Utilitarismus erachtet (vgl. ebd., S. 626), greift er auf die bayesianische Entscheidungstheorie zurück: “[T]he modern theory of rational behavior under risk and uncertainty, usually described as Bayesian decision theory [...] is a very crucial ingredient of my theory“ (HARSANYI 1977a, S. 627; ähnlich ebd., S. 623; HARSANYI 1978). Vgl. HARSANYI (1977a), S. 634; HARSANYI (1953), S. 434f.; HARSANYI (1955), S. 316; SCHRAMM (2002b), S. 116. HARSANYI (1977a), S. 631ff.; HARSANYI (1977b), S. 28. HINSCH (2002), S. 73. Vgl. HARSANYI (1978), S. 227; HOMANN (1988), S. 222; SCHRAMM (2008b), S. 219; SCHUBERT (2006), S. 248. HARSANYI (1977a), S. 632. Ähnlich HARSANYI (1953), S. 434f.

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

177

und den Präferenzen aller Individuen “the same a priori weight“ 612 zukommt. Anders als RAWLS lehnt HARSANYI eine Anwendung des Maximin-Prinzips im Urzustand aber ab613. Seine Argumentation beruht dagegen auf zwei inhaltlich verschiedenen Präferenz- bzw. Interessensarten614: Einerseits den vom Homo oeconomicus bekannten persönlichen Eigennutzpräferenzen („personal/ subjective preferences“), wie ein höheres Einkommen (Macht, Karriere, Anerkennung usw.), die jeder Mensch in gewissem Maße anstrebt, und andererseits moralischen „Unparteilichkeits“-Präferenzen („moral/ ethical preferences“), welche darauf abzielen, auch die Interessen anderer unparteilich zu beachten 615. Zur Verdeutlichung beider von Natur aus andersartigen Klassen von Präferenzurteilen zieht HARSANYI den Vergleich zwischen kapitalistischem und sozialistischem Wirtschaftssystem heran616. Das Zahlenbeispiel in Abb. 16 soll seinen Gedankengang unterstreichen: Frage: Welche Spielregel in Sachen Wirtschaftssystem ist utilitaristisch wünschenswert? Gesellschaftliche Position 1 2 3 4 Individuum i Einkommenshöhe (Nutzen) 1.000 GE 500 GE 100 GE 70 GE Kapitalismus: 𝑈𝑖𝐾 Einkommenshöhe (Nutzen) 60 GE 60 GE 60 GE 60 GE Sozialismus: 𝑈𝑖𝑆

5 0 GE 60 GE

Abb. 16: Alternativen im Gleichwahrscheinlichkeitsmodell: Kapitalismus und Sozialismus617

Betrachtet wird eine Fünfpersonengesellschaft, die im Urzustand darüber verhandelt, welches Wirtschaftssystem im späteren Leben installiert werden soll. In einer 612 613

614

615

616

617

HARSANYI (1976), S. 48. Ähnlich ebd., S. 63, FN 10. “If you took the maximin principle seriously then you could not ever cross a street (after all, you might be hit by a car); […] If anybody really acted this way he would soon end up in a mental institution” (HARSANYI 1976, S. 40; HARSANYI 1975, S. 595). Vgl. auch HARSANYI (1977a), S. 634f.; HINSCH (2002), S. 67ff.; SCHUBERT (2006), S. 247f.; FRITSCH (1983), S. 174. Vgl. HARSANYI (1977b), S. 27; HARSANYI (1953), S. 434; HARSANYI (1976), S. 3f., 13f., 45f.; HARSANYI (1977a), S. 635, 644f.; HARSANYI (1978), S. 226. Ethik ist nur für jene Akteure interessant, die eine moralische Präferenz haben, also daran interessiert sind, dass Dinge gerecht ablaufen (dass unparteilich entschieden wird usw.). Wer (wie der Homo oeconomicus) kein solches Interesse hat, denkt nur an seine eigenen Interessen. Die „personal preferences“ lassen sich parallelisieren mit KANTs hypothetischem Imperativ, die „moral preferences“ mit KANTs kategorischem Imperativ (vgl. dazu insbesondere auch Abschnitt 4.2.3). 1 𝐾/𝑆 𝐾/𝑆 𝑊𝑗 = ∑𝑛𝑖=1 𝑈𝑖 . Vgl. HARSANYI (1976), S. 45; HARSANYI (1977a), S. 631f.; HOMANN 𝑛 (1988), S. 221. Eigene Darstellung. „GE“ steht für „Geldeinheiten“. Zwischenlösungen wie eine Soziale Marktwirtschaft werden hier aus Vereinfachungsgründen ausgeblendet.

178

Der Moral Point of View

deregulierten kapitalistischen Gesellschaft (ohne Sozialstaat) sind mehrere Positionen mit verschiedenen Konditionen der Einkommensverteilung denkbar, die bereits im Urzustand bekannt sind. So werden in Bezug auf das zukünftige Arbeitsleben glücklichere Akteure im späteren Leben vordere Positionen einnehmen, während jene Akteure, die in der Schicksalslotterie die Niete ziehen, auf Position fünf landen und (z. B. krankheitsbedingt) auf dem Arbeitsmarkt leer ausgehen. Theoretisch könnte es sich bei Position fünf auch um Geringqualifizierte handeln, deren Stellen betriebsbedingt wegfallen. Jede Position kann mit derselben Wahrscheinlichkeit eintreten. In der sozialistischen Gesellschaft werden solche Einkommensunterschiede abgelehnt. Nach der sozialistisch-kommunistischen Tradition ist das Einkommen gemäß der Maxime „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“618 zu verteilen, wobei ein Pauschalbetrag von je 60 GE unterstellt wird, der den Mitgliedern der sozialistischen Gesellschaft zukommt. Dabei bleibt das Problem bestehen, dass Leistungsträger auf vorderen Positionen ihre Anstrengungen als Reaktion auf die enorme Umverteilung bzw. Besteuerung erwartungsgemäß reduzieren werden, sodass das Sozialprodukt im Vergleich zur kapitalistischen Gesellschaft fällt. Dennoch wäre Position fünf in der sozialistischen Gesellschaft weniger tragisch, da jeder Mensch, also auch derjenige, der nichts (mehr) erwirtschaften kann, nach seinen Bedürfnissen entlohnt wird, sodass alle Gesellschaftsmitglieder gleichgestellt (bzw. gleich „arm“) sind. Nun zur Frage, welches Gesellschaftsmodell die Akteure im Urzustand wählen würden. Unter Beachtung der eingangs genannten Annahmen würden sie nach HARSANYI versuchen, das arithmetische Mittel der Summe ihrer individuellen Nutzenniveaus (Einkommen) zu maximieren619. Mit der sozialen Wohlfahrtsfunktion lässt sich berechnen620, dass der Durchschnittsnutzen des kapitalistischen im Vergleich zum sozialistischen System höher ausfällt 621. HARSANYIs Utilitarismus

618 619

620

621

MARX/ ENGELS (1973), S. 21. Vgl. auch PRIDDAT (2008), S. 33. Vgl. HARSANYI (1977a), S. 632f.; HARSANYI (1977b), S. 28; HARSANYI (1976), S. 45; HOMANN (1988), S. 222. “[A]ccording to Bayesian decision theory, he [individual j] would have to choose the social situation yielding him a higher expected utility, which in this case would mean choosing the situation providing a higher average utility level to the individual members of the society” (HARSANYI 1976, S. 67). Vgl. HARSANYI (1977a), S. 632f.; HARSANYI (1978), S. 228; HARSANYI (1979), S. 294f. Es gilt: 𝑊𝑗 = sozialer Nutzen Individuum j; 𝑈𝑖 = Nutzen Individuum i. 1

1

5

5

Kapitalismus: 𝑊𝑗𝐾 = ∗ 1.670 = 334 > Sozialismus: 𝑊𝑗𝑆 = ∗ 300 = 60.

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

179

würde folglich zum Veto gegen den Sozialismus führen, auch wenn ein Gesellschaftsmitglied dadurch mit einem Nulleinkommen endet622. Wie die Unterscheidung zwischen persönlicher und moralischer Präferenz aber auch zeigt, würde es zu kurz greifen, zu meinen, HARSANYI ginge es um eine ökonomisch-eigeninteressierte Nutzenmaximierung. Er geht vielmehr differenziert vor: Personen können das auf freiem Wettbewerb beruhende Wirtschaftssystem der kapitalistischen Marktwirtschaft nur deshalb bevorzugen, weil sie wissen, dass sie in diesem System wohlhabend sein werden623. Ökonomisch-spieltheoretisch entspricht es der dominanten Strategie, dass rationale Individuen als Homines oeconomici versuchen, ihren Nutzen zu maximieren624. Die Frage ist, was Individuen motiviert, die Rolle des sozialen Nutzenmaximierers einzunehmen, wenn der soziale Nutzen zwar groß ist, sie selbst aber als Verlierer enden. Hier kommt nach HARSANYI der Unterschied zwischen persönlicher und moralischer Vorteilspräferenz zum Tragen. So wäre denkbar, dass eine Person von ihren Eigeninteressen abstrahiert und das kapitalistische System mit Blick auf das Gemeinwohl präferiert, da es zum „größten Glück der größten Zahl“ führt. Diese Präferenz hätte sie selbst dann, wenn sie wüsste, im Kapitalismus auf Position fünf (z. B. als Hartz IV-Empfänger) zu landen625. Nur dann würde im Utilitarismus eine auf moralischen Präferenzen beruhende ethische Entscheidung vorliegen, welche „die allgemeinen Vor- und Nachteile im Blick hat“626. Aus dieser moralischen Präferenz heraus ist es für utilitaristische Ethiker, auch wenn sie selbst eigennützig die Niete ziehen, moralisch verpflichtend, für jenes System zu votieren, das den vergleichsweise höheren Durchschnittsnutzen für alle erzeugt. Wie Abb. 16 zeigt, haben vier Personen im Kapitalismus mehr Nutzen als im Sozialismus, nur Person fünf steht schlechter da.

622

623 624

625

626

HARSANYI würde eine Entscheidung zugunsten des Sozialismus sogar als unmoralisch erachten, weil das BSP bzw. der maximal erzielbare Durchschnittsnutzen dadurch willentlich unterschritten wird. Vgl. HARSANYI (1977a), S. 631; HOMANN (1988), S. 221. “[N]obody would call it a moral value judgment because it would be obviously a judgment based primarily on self-interest [eine persönliche, auf Eigeninteresse beruhende Vorteilspräferenz]“ (HARSANYI 1977a, S. 631). Vgl. HARSANYI (1977a), S. 631f. Das moralische Testverfahren zur Wahl geeigneter moralischer Standards lautet: “Would I prefer to live in a society conforming to standard A or in a society conforming to standard B? - assuming I would not know in advance what my actual social position would be in either society but rather would have to assume to have an equal chance of ending up in any one of the possible positions” (ebd., S. 634). HOMANN (1988), S. 221. “Then, he [individual j] would clearly satisfy the impartiality and impersonality requirements to the fullest possible degree” (HARSANYI 1978, S. 227).

180

Der Moral Point of View

Die Entscheidung fällt damit vom Kriterium des Durchschnittsnutzens her 4:1 zugunsten des Kapitalismus aus. Hätten alle fünf an der Abstimmung im Urzustand Beteiligten eine utilitaristische Ethik im Kopf, so wäre das Ergebnis 5:0, da alle, auch der Verlierer auf Position fünf, dem Kriterium des „größten Glücks der größten Zahl“ (4>1) zustimmen würden. Der Unterschied zwischen einer ethischen und individuell rationalen Entscheidung dürfte somit geklärt sein. Die Darlegungen zur Gerechtigkeitstheorie haben gezeigt, dass RAWLS einer Verrechnung des Nutzens einer einzelnen Person zugunsten anderer Personen nicht zustimmen würde627. Er sieht es als Problem des Utilitarismus, dass dieser „die Verschiedenheit der […] Menschen nicht ernst“628 nimmt und dem Einzelnen gegenüber keine Gerechtigkeit widerfahren lässt629. Aus RAWLS‘ Sicht hätten risikoaverse Akteure in der „original position“ deshalb wohl keine Wahl zwischen Kapitalismus und Sozialismus getroffen, sondern ein Veto eingelegt, um im Worst Case nicht auf Position fünf zu landen630. Zwar würden sie ein Wettbewerbssystem nach wie vor einem System vorziehen, in dem alle Gesellschaftsmitglieder gleichgestellt sind, sie würden aber vorsichtshalber (und als Bedingung für die Wahl des Kapitalismus) eine solidarische Umverteilung (z. B. in Form eines Mindesteinkommens) zugunsten der Schlechtestgestellten als notwendig erachten 631. Sollte eine solche Mittellösung nicht erzielbar sein, so dürfte ihre Wahl nach dem Maximin-Prinzip auf den Sozialismus fallen, der ihnen auch im Worst Case einen sicheren Mindestlebensstandard garantiert. Zugleich darf die Umverteilung nach dem Differenzprinzip nicht zu stark ausfallen, um die Anreize leistungsstarker Akteure nicht zu gefährden632. Es müssen also weiterhin Ungleichheiten zugelassen werden, sodass von einer Präferenzfrage gesprochen werden kann: RAWLS plädiert 627 628 629

630

631 632

Vgl. SCHRAMM (2008b), S. 225. RAWLS (1979), S. 45. Um des höheren Durchschnittsnutzens willen werden einzelne Menschen womöglich verrechnet, was im oberen Beispiel dazu führt, dass das ärmste Gesellschaftsmitglied in der Gesamtbilanz auf Position fünf untergeht. Vgl. SCHRAMM (2002b), S. 121. Wie HARSANYI räumt auch RAWLS den Interessen aller Individuen der Gesellschaft das gleiche Gewicht ein. Jedoch wird „[d]ie Gleichheit des Gewichts [...] von HARSANYI im Sinne eines endlichen Gewichts und von RAWLS im Sinne eines unendlichen Gewichts verstanden“ (HOMANN 1988, S. 227). Bei HARSANYI haben alle Positionen das gleiche Gewicht (sie werden miteinander verrechnet, am Ende entscheidet der Durchschnittsnutzen), bei RAWLS haben die Benachteiligten ein Vetorecht. Vgl. SCHRAMM (2002b), S. 121; HINSCH (2002), S. 58, 70. Da es „unvernünftig [wäre], bei einer Gleichverteilung stehenzubleiben“ (RAWLS 1998, S. 395), werden Einkommensungleichheiten aus ökonomischen Gründen zugelassen.

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

181

im übertragenen Sinne für ein System, wie es in der BRD mit Einführung der Sozialen Marktwirtschaft umgesetzt wurde633. Dieses führt zu einem geringeren Sozialprodukt, bietet dafür aber ein Auffangnetz für Position fünf (z. B. ALG I für Kurz- und ALG II bzw. Hartz IV für Langzeitarbeitslose). Wer im Leben abstürzt, kann auf die Solidarität der anderen zählen (was realiter wiederum volkswirtschaftlich positive Effekte erzeugen kann, selbst wenn die Unterstützung durch andere nicht benötigt wird). Eine solche Form der Einkommensverteilung dürfte dem Gerechtigkeitsverständnis vieler Menschen entsprechen634. Zudem ist zu sehen, dass der vorliegende Fall keine tragische Situation darstellt, da eine Umverteilung möglich ist (und das Risiko, das von dieser Umverteilung auf eine Reduzierung der Leistungsanreize ausgeht, durch ihre Ausgestaltung beeinflussbar ist). HARSANYI als strenger Durchschnittsnutzen-Utilitarist würde dagegen eine rein kapitalistische Gesellschaft für moralisch richtig halten, die zwar den Nutzen der Masse der Menschen maximiert, was sozial ist, Position fünf aber als Verlierer dastehen lässt und insgesamt durch eine starke Polarisierung gekennzeichnet ist. Um die bisherigen Erläuterungen inhaltlich zu vertiefen, werden im folgenden Abschnitt die beiden von HARSANYI unterschiedenen Präferenzarten, nämlich Eigennutz- und Unparteilichkeitspräferenzen, den beiden Imperativen von KANT, dem hypothetischen und kategorischen Imperativ, gegenübergestellt, miteinander in Beziehung gesetzt und voneinander abgegrenzt.

4.2.3

Abgrenzung zwischen (Regel-)Utilitarismus von HARSANYI und kategorischem Imperativ von KANT

Dieser Abschnitt widmet sich nun zum Abschluss von Unterkapitel 4.2 einer spezifischen moralphilosophischen Frage, nämlich der nach möglichen Überschneidungen zwischen dem (Regel-)Utilitarismus635 und KANTs kategorischem Imperativ. Auch KANT leitet mit dem kategorischen Imperativ universalisierte Regeln

633

634 635

Im Vergleich dazu sind angloamerikanische Länder gerade in Sachen gesetzlicher Kündigungsschutz oder Gesundheitssystem „utilitaristischer“ als die BRD. „Schon hieraus ist ersichtlich, dass RAWLS seine Theorie der Gerechtigkeit in Opposition zum (in den anglophonen Ländern USA und Großbritannien weit verbreiteten) utilitaristischen Denken verfasst hat“ (OSCHEK 2007, S. 123). Vgl. SCHRAMM (2010c), S. 109; STRAUBHAAR (2006), S. 751. Vgl. dazu Unterabschnitt 4.2.2.1, der sich mit dem Regelutilitarismus befasst.

182

Der Moral Point of View

konsequenzialistisch (Durchschnittsnutzen)

Abb. 17:

Imperative KANTs - Der Mensch als Bürger zweier Welten: (1) kategorischer Imperativ → moralische Regeln, Einsicht in die Richtigkeit der Moral („pur“) (2) hypothetischer Imperativ → ökonomische Mittel-Zweck-/ Ziel-Beziehungen („Klugheitsregeln“) (3) „personal preferences“ → persönliche, auf Eigeninteresse beruhende Vorteilspräferenz (4) „moral preferences“ → moralische „Unparteilichkeits“-Präferenzen

Zweckrationalität (Economic Point of View)

deontologisch (Intention)

Unparteiliche Berücksichtigung Interessen aller relev. Stakeholder (Moral Point of View)

Regel-/ Handlungsbewertung

ab, deren Einhaltung er als allgemeine Gesetze kategorisch einfordert. Im Folgenden wird am Beispiel von HARSANYIs Utilitarismus herausgestellt, dass beiden Ansätzen aber entgegengesetzte Annahmen bezüglich der „moralischen Verpflichtung“ zur Regelbefolgung zugrunde liegen. Hingegen kann, auch wenn es nicht offensichtlich ist, gezeigt werden, dass hinsichtlich des Economic Point of View eine Parallelität zwischen beiden Ansätzen besteht. Abb. 17 gibt einen Überblick über die nachfolgende Argumentation:

Utilitarismus (HARSANYI)

KANTische Ethik und Utilitarismus von HARSANYI - Überschneidung und Abgrenzung636

Da Menschen nach KANTs anthropologischem (gr. ánthropos: Mensch; logos: Lehre) Verständnis Bürger zweier Welten sind, hat er eine Unterscheidung zweier Arten von Imperativen entwickelt637: Einerseits sind Menschen Bürger einer im weiteren Sinne ökonomischen „Welt der Klugheit“, in der gewisse Klugheitsregeln gelten und ökonomische Eigennutzinteressen im Fokus stehen. Andererseits

636 637

Quelle: Eigene Darstellung. „[W]enn wir uns als frei denken, so versetzen wir uns als Glieder in die Verstandeswelt, und erkennen die Autonomie des Willens, samt ihrer Folge, der Moralität; denken wir uns aber als verpflichtet, so betrachten wir uns als zur Sinnenwelt und doch zugleich zur Verstandeswelt gehörig“ (KANT 1977a, S. 89). Imperative definiert KANT wie folgt: „Die Vorstellung eines objektiven Prinzips, sofern es für einen Willen nötigend ist, heißt ein Gebot (der Vernunft) und die Formel des Gebots heißt Imperativ [im Sinne kluger Ratschläge]“ (KANT 1977a, S. 41). „Alle Imperativen nun gebieten entweder hypothetisch, oder kategorisch“ (ebd., S. 43).

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

183

sind sie aber auch moralfähig und Bürger einer moralischen Welt, in der unparteiliche moralische Regeln und Interessen gelten. KANTs hypothetischer Imperativ (Feld 2) steht für die „Welt der Klugheit“, der ökonomischen Zweckrationalität und des Managens von Eigennutzinteressen. Wie bei Menschen vorausgesetzt werden kann, dass sie nach Glück, Nutzen und Wohlergehen (KANT spricht von „Glückseligkeit“638) streben, so kann auch im Unternehmenskontext interpretiert werden, dass Unternehmen danach trachten, ihr Glück zu maximieren. Hier sei der Hinweis angefügt, dass unternehmerisches Glück - wie beim Menschen - nicht nur materiell (als Gewinnmaximierung) zu verstehen ist, sondern auch in qualitativen Kriterien zum Ausdruck kommen kann (z. B. in einem guten Betriebsklima, einer starken Marktstellung o. Ä.). Entscheidend ist nur, dass, ganz egal, welche Ziele bzw. Zwecke inhaltlich angestrebt werden (bzw. um welche Form des Glücks es sich handelt), es vernünftig erscheint, sie rational und mit zweckmäßigen Mitteln zu verfolgen. KANT bringt genau diesen Gedanken in einem weiteren Schritt zum Ausdruck, wenn er darauf verweist, dass es die „praktische Vernunft [...] bedingt, [...] das Interesse der Neigungen unter dem sinnlichen Prinzip der Glückseligkeit [zu] [...] verwalten[...]“639. Mit Blick auf arbeitsplatzbezogene Fragen besteht kein Zweifel, dass Gewinne eine zentrale Form des „Glücks“ sind, auf das Unternehmen angewiesen sind, um Stellen zu schaffen und zu sichern. Um Gewinne zu erzielen, müssen Unternehmen darauf bedacht sein, rechtzeitig attraktive Produkte auf den Markt zu bringen und zugleich geeignete Mitarbeiter in der richtigen Anzahl zu beschäftigen. Befolgen Unternehmen derartige (Klugheits-)Regeln, so werden sie dem Ziel der Ge-

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Nach KANT (1977a, S. 25) „haben alle Menschen schon von selbst die […] Neigung zur Glückseligkeit“. KANT (1977b), S. 251. Hypothetische Imperative haben immer eine Wenn-Dann-Struktur. Menschen haben (trotz abweichender Interessen) in der Regel das Ziel, Dinge zu erreichen, welche sie glücklich machen. Sie müssen sich daher Gedanken darüber machen („Geschäft“), was geeignete Mittel sind, um ihrem persönlichen (Glückseligkeits-)Ziel näherzukommen. Die Instrumente zu ihrem Zweck bzw. Ziel liefert ihnen die Vernunft („Um gesund zu bleiben, muss ich mich gesund ernähren“). Anders gesagt: Das Geschäft dahinzukommen, wo man hinkommen will, verwaltet („managt“) die praktische Vernunft. Die Vernunft gibt den Ratschlag, sich auf eine gewisse Art zu verhalten. Sobald man sein Ziel erreicht hat, ist man glückselig. Zu bedenken ist, dass es auf der Ebene des hypothetischen Imperativs nur um Eigennutzinteressen geht. Hypothetisch ist zudem, inwieweit die Verfolgung der klugen Ratschläge tatsächlich wirksam zur Zielerreichung bzw. Interessenbefriedigung führt.

184

Der Moral Point of View

winnerzielung (und damit ihrem „Glück“) mit größerer Wahrscheinlichkeit näherkommen, als wenn sie das nicht tun. Eben diese Zweck-Mittel- bzw. Wenn-dannBeziehung ist namensgebend für den hypothetischen Imperativ, denn dieser „sagt [...] nur, dass die Handlung zu irgend einer möglichen oder wirklichen Absicht gut sei“640. Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Flächendeckende Untersuchungen bei relevanten Zielgruppen zeigen, dass sich das Thema der sozialen Unternehmensverantwortung in den letzten Jahren zum einstellungsrelevanten Kriterium entwickelt hat641. Folglich bestehen für Unternehmen Anreize, sich gegenüber zu entlassenden Beschäftigten integer zu zeigen. Wenn ein Unternehmen nun Mitarbeiter nur deshalb integer entlässt, weil es antizipiert, dass potenzielle Bewerber (der Rest der Belegschaft, die Kunden oder Teile der Öffentlichkeit) andernfalls einen schlechten Eindruck vom Unternehmen gewinnen würden, dann handelt es nicht aus einem genuin moralischen Willen heraus, sondern versucht vielmehr, aus eigeninteressierten Klugheitsüberlegungen heraus Schaden von sich abzuwenden 642. Zugespitzt könnte auch gesagt werden, dass es sich um eine Investition in den Betriebsfrieden und das öffentliche Bild des Unternehmens handelt 643. Ein moralisch überzeugtes Unternehmen, das einen endogenen Moral Point of View einnimmt, hätte dagegen nicht nur eigene Interessen im Blick, sondern würde sich unparteilich in die Lage der Betroffenen versetzen, um deren Anliegen zu erspüren und möglichst niemandem Schaden zuzufügen. KANT spricht in diesem Fall vom kategorischen Imperativ (Feld 1), der Welt genuin moralischer Interessen, dem moralischen Grundprinzip seiner Vernunftethik. Der kategorische ist im Unterschied zum hypothetischen Imperativ nicht von Zielen und Bedingungen (wie der Reaktion der Stakeholder) abhängig, sondern apodiktisch (lat. apodieticus: unstreitig, bestimmt), d. h. er gilt ausnahmslos, um free riding zu vermei-

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KANT (1977a), S. 43. Im Trendence Absolventenbarometer 2015 haben 67,9 % der Befragten (abschlussnahe Studierende aus wirtschaftswissenschaftlichen Fächern) CSR als wichtigen Faktor bei der Arbeitgeberwahl angegeben (teilnehmende Hochschulen: 112; Anzahl Antworten: 14.850; vgl. trendence Institut 2015). Dabei ist die Bedeutung von CSR bei der Arbeitgeberwahl bis 2011 angestiegen (2006: 60,1 %; 2010: 66,7 %; 2011: 73,3 %), seitdem hat sie wieder leicht abgenommen (2012: 68,9 %; 2013: 69,1 %; 2014: 68,6 %; 2015: 67,9 %). Die sozialverträgliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist also „weder aus Pflicht, noch aus unmittelbarer Neigung, sondern bloß in eigennütziger Absicht geschehen“ (KANT 1977a, S. 23). Hinzugefügt sei, dass eine solche durch Eigeninteresse motivierte (und strategisch durchdachte) Investition in die Zufriedenheit der Stakeholder nicht illegitim ist. Das Unternehmen hat zwar nicht unparteilich-moralisch gehandelt, die Handlung an sich ist dennoch nicht abzuwerten.

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

185

den: „Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger [KANT hat keine inhaltlich konkreten Moralvorstellungen festgelegt, sondern mit dem kategorischen Imperativ einen formalen Test vorgeschlagen], und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime [Grundregel, Richtschnur], durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde [ein Gesetz, das von allen Seiten Zustimmung erhalten könnte]“644. Ob eine Regel ein allgemein zustimmungsfähiges Gesetz werden könnte, wird also zunächst gemeinsam festgelegt. Sobald eine Einigung erzielt ist, gilt das Gesetz in der Anwendung kategorisch. Würde etwa zur Debatte stehen, ob eine Regel implementiert werden kann, welche (ähnlich der „employment-at-will“-Doktrin der USA) besagt, „Personal kann beliebig von heute auf morgen entlassen werden“, so würde KANT argumentieren, dass diese Regelung deshalb kein allgemein zustimmungsfähiges Gesetz werden kann, da alle heutigen und künftigen Arbeitnehmer dagegen votieren würden. Selbst Angehörige des Managements, die in ihrer eigenen Rolle eher geneigt wären, der Regel zuzustimmen, würden, wenn sie sich in die Lage der Arbeitnehmer versetzen würden, aus moralischen Gründen und Vorteilserwägungen 645 nicht zustimmen. Da die Regel unter allen „vernünftigen Wesen“646 nicht allgemein zustimmungsfähig (nicht demokratisch, verallgemeinerbar) ist, wäre sie für KANT nicht ethisch universalisierbar. Sie könnte kein allgemeines Gesetz werden, da sie den Moral- bzw. Wollens-Test des kategorischen Imperativs, bei dem alle von einer Handlung bzw. Regel Betroffenen nach ihrer Zustimmung gefragt werden, nicht bestehen

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KANT (1977a), S. 51. Dies ist die Gesetzesformel des kategorischen Imperativs, da von einem Gesetz geredet wird, das allgemein zustimmungsfähig sein soll. Die Selbstzweckformel lautet dagegen: „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“ (ebd.). Dazu ist anzumerken: Auch moralisch interessierte Unternehmen nutzen ihre Mitarbeiter als Mittel für eigene Ziele (Zwecke), da sie ein Interesse daran haben, mit ihnen Geld zu verdienen. Im Normalfall nutzen sie sie aber nicht nur für ihre Ziele, sondern bringen ihnen auch Respekt entgegen, indem sie einen moralischen Standpunkt einnehmen und sich in ihre Lage versetzen. Sie behandeln sie also „niemals bloß als Mittel“, sondern auch als eigenwürdige Wesen (als Selbst-/ Eigenzweck). Solche Vorteilserwägungen kommen in folgendem Argument von KANT (1977a, S. 54) zum Ausdruck: „Denn ein Wille, der dieses [o. g. Kündigungsgesetz] beschlösse, würde sich selbst widerstreiten, indem der Fälle sich doch manche eräugnen können, wo er [der betroffene Arbeitnehmer] anderer [z. B. seines Arbeitgebers] Liebe und Teilnehmung bedarf, und wo er, durch ein solches aus seinem eigenen Willen entsprungenes Naturgesetz, sich selbst alle Hoffnung des Beistandes [z. B. eine soziale Abfederung], den er sich wünscht, rauben würde“. KANT (1977a), S. 36.

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Der Moral Point of View

würde647. Der hypothetische Imperativ ermöglicht es hingegen, Personal auch kurzfristig und ohne soziale Abfederung zu entlassen. Nun erscheint die erläuterte Differenzierung zwischen hypothetischem und kategorischem Imperativ zunächst naheliegend: Unternehmen haben ökonomische Eigennutzinteressen, die sie durch zweckrationales Handeln umzusetzen versuchen. Zugleich verfügen sie über gewisse moralische Interessen. Diese Doppelung ist typisch für den Bereich der Managementethik und entspricht auch im arbeitsplatzbezogenen Kontext keinem moralisierenden Wunschdenken. Das Problem von KANTs Ethik liegt aber, wie in Abschnitt 4.1.2 dargelegt, in der fehlenden Unterscheidung von Begründungs- und Anwendungsdiskurs, die in seiner rigoros moralisierenden Auffassung zum Lügenverbot zum Ausdruck kommt 648. Der Umstand, dass KANT keine direkte Anwendungsdiskussion vorsieht, führt dazu, dass sein Ansatz für anwendungsorientierte Entscheidungen (vor allem tragischer Art) kaum handlungsleitende Erkenntnisse liefern kann. In komplizierten Situationen ist es unumgänglich, nochmals darüber nachzudenken, inwieweit es sinnvoll und moralisch vertretbar erscheint, bestimmte Regeln anzuwenden oder nicht. Eine Vorstellung wäre, dass KANT es (auf der reinen Begründungsebenen-Debatte) mit dem Argument der unantastbaren Würde des Menschen als deontologische Pflicht angesehen hätte, gar keine Mitarbeiter zu entlassen649, wobei diese

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„Einige Handlungen sind so beschaffen, dass ihre Maxime ohne Widerspruch nicht einmal als allgemeines Naturgesetz gedacht werden kann; weit gefehlt, dass man noch wollen könne, es sollte ein solches werden [Konsistenz-Test]. Bei andern ist zwar jene innere Unmöglichkeit nicht anzutreffen [Konsistenz-Test bestanden], aber es ist doch unmöglich, zu wollen, dass ihre Maxime zur Allgemeinheit eines Naturgesetzes erhoben werde, weil ein solcher Wille sich selbst widersprechen würde [Wollens-Test nicht bestanden]“ (KANT 1977a, S. 54f.). Ein Stellenabbau würde den Konsistenz-Test des kategorischen Imperativs (erwartungsgemäß) bestehen, da es logisch denkbar ist, Personal zu entlassen, unabhängig davon, ob die Entlassung integer erfolgt oder nicht. Anders verhält es sich mit dem Wollens-Test: Wird nur der Entlassungsakt an sich betrachtet, dann kann eigentlich niemand wollen können, dass ein anderer seine Stelle (unfreiwillig) verliert. Vgl. dazu Abschnitt 4.1.2, der sich mit KANTs Lügenbeispiel befasst. Die Kritik an KANT hängt mit dem kategorischen Imperativ zusammen, bei dem, wie gezeigt, der (Wollens- bzw. Selbst-) Test im Zentrum steht, ob eine Regel begründet vertreten werden kann oder nicht (wobei Regeln, denen nicht alle zustimmen, nicht rational begründbar sind). Das Problem ist, dass KANT beim Begründungsdiskurs von allgemeinen Regeln stehen bleibt und davon ausgeht, dass hier beschlossene Regeln auch auf der Anwendungsebene kategorisch zu gelten haben (vgl. SCHRAMM 2014c, S. 405f.). Ebenso wäre denkbar, dass KANT arbeitsplatzbezogene Probleme nicht als moralische, sondern als rechtliche, politische oder andersgeartete Frage angesehen hätte. Ein Stellenabbau wäre für ihn

Gerechtigkeitstheorie und Utilitarismus als Gegenspieler

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Sichtweise zugleich zur Frage führt, wie stark die Würde durch einen Stellenverlust überhaupt angegriffen wird. Eine Diskussion darüber soll hier nicht geführt werden650. Jedoch ist es so, dass ein (wie auch immer geartetes) Entlassungsverbot, das für KANT als universalistische Maxime bzw. allgemeines Gesetz womöglich zählen würde, nur auf der ethischen Begründungsebene denkbar ist 651. Im operativen Management gibt es viele weitere Pflichten, Restriktionen und moralische Werte, die neben und zum Teil anstatt der von KANT beachteten Idealwerte (wie Gerechtigkeit, Würde) ins Zentrum der Entscheidungsfindung rücken und im lokalen Anwendungsfall die reale und angemessene Moral determinieren652. Auf der Anwendungsebene kann es sogar moralisch geboten sein, Arbeitsplätze abzubauen (dieser Aspekt wird vor allem in Abschnitt 8.3.2 vertiefend aufgegriffen). Zugleich ändert das aber nichts an der Tatsache, dass die Selbstbestätigung, die Menschen durch Arbeit erfahren, idealiter über allen Preis erhaben ist (und eine Arbeitsplatzschaffung und -erhaltung Unternehmen aus der Perspektive von KANTs Moraltheorie im Grunde jedweden Betrag wert sein müsste). Auf der Anwendungsebene kommt es aber auch auf die Kosten der Arbeitsplätze an, da sie die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens in erheblichem Maße beeinflussen. Zu resümieren ist, dass KANT, obwohl er im Vergleich zum Utilitarismus ein anderes Konzept verfolgt, mit seinen beiden Imperativen eine in Teilen ähnliche Unterscheidung trifft. HARSANYIs „personal preferences“ (Feld 3) fallen bei genauem Hinsehen inhaltlich mit KANTs hypothetischen Imperativen zusammen, die auch „ökonomische“ Rational- und Wirtschaftlichkeitsprinzipien mit dem Ziel darstellen, Glückseligkeit (Wohlergehen, Nutzen, Reichtum) zu steigern. Wie gezeigt,

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dann vermutlich auch kein so direkter Verstoß gegen die Menschenwürde, wie die Lüge ein Verstoß gegen die eigene Würde wäre. Nur so viel: Es ließen sich sicher gute Argumente finden, dass Entlassungen oder bestimmte Entlassungspraktiken - zumindest aus Betroffenensicht - der Würde zuwiderlaufen können. Zugleich gibt es Menschen, die einen Jobverlust als neue Chance begreifen und sich dadurch in keiner Weise in ihrer Würde angegriffen fühlen. Wohl niemand möchte in einer Gesellschaft leben (oder in einem Unternehmen arbeiten), in der (bzw. dem) man von heute auf morgen entlassen werden kann. Auf der Anwendungsebene kann die Existenz von Entlassungen dagegen nie zum moralischen Problem werden. So auch LAFER (2005, S. 278): “At the heart of every capitalist employment relationship is the employer’s coercive power to fire, demote, or discipline employees. [...] Thus, [...] there is no [...] business that can meet this first, most basic test of KANTian ethics“. Es „ist nicht ausgeschlossen - was KANT allerdings nicht zulässt -, [...] dass es eine echte Pflichtenkollision geben kann [...] und [...] eine konkrete Abwägung [der] [...] Pflichten erforderlich“ (HÖFFE 2007, S. 200) wird.

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Der Moral Point of View

besteht aus Sicht des hypothetischen Imperativs kein Zweifel daran, dass angeschlagene Unternehmen („Zweck“ = Bestandssicherung) effizienter wirtschaften müssen, was das Mittel „Stellenabbau“ erfordern kann. Das Rationalprinzip könnte (vereinfacht) lauten: „Wenn das Überleben eines maroden Unternehmens gesichert werden soll, dann ist zu empfehlen, den Personalkostenblock zu senken“. Die Folgen einer Nichtbeachtung des Imperativs sind entsprechend: „Wenn das Management nicht bereit ist, den Personalkostenblock zu senken, dann wird es die Unternehmensexistenz gefährden“. Ein solches, den Economic Point of View betreffendes Rationalprinzip, fällt bei KANT nur in den Bereich des hypothetischen Imperativs, der vom kategorischen Imperativ (Moral Point of View) zu trennen ist653. Bei Letzterem geht es nicht um nutzenbezogene Mittel-Zweck-Relationen, sondern darum, sich als Manager (ähnlich einem „Moralheiligen“) quasi kategorisch der Moral verpflichtet zu sehen und, so die Annahme, für integre arbeitsplatzbezogene Handlungen ökonomische Nachteile in beliebiger Höhe in Kauf zu nehmen. Das liegt daran, weil die moralische Beurteilung von Handlungen bei KANT nicht konsequenzialistisch, an den kausalen Folgen erfolgt, sondern deontologisch, an der Intention und Natur der Handlung selbst 654: Entlassungen sind nicht deshalb moralisch verwerflich, da das Leiden der Betroffenen verwerflich ist, sondern weil die beabsichtigte Entlassungshandlung an sich moralisch verwerflich ist. Das handlungsleitende ethische Kriterium des Utilitarismus sind dagegen die Konsequenzen bzw. der Nutzen einer Handlung (Regel), womit der Unterschied zwischen kategorischem Imperativ und „moral preferences“ von HARSANYI (Feld 4) ersichtlich wird. Zwar stimmen KANT und HARSANYI darin überein, dass der Vergleichspunkt des Moral Point of View, ähnlich wie in anderen modernen Ethiken, in der unparteilichen Beachtung der Interessen aller liegt (und es nicht um Eigennutz geht), Uneinigkeit herrscht aber darüber, wie mit den unparteilichen Interessen umzugehen ist bzw. wie diverse Handlungen (Regeln) hinsichtlich der unparteilichen Interessen zu werten sind. Nach HARSANYIs „moral preferences“ würden Personen die moralische Bewertung des Stellenabbaus nur universalistisch im Hinblick auf das Gemeinschaftswohl vornehmen. Sie würden Entlassungen dann präferieren, wenn diese in der Gesamtbilanz zum höchsten 653

654

„In diese Klasse [von Imperativ] gehören die Vorschriften der Moral und nach KANT nur diese“ (BAYERTZ 2006, S. 58). Vgl. KANT (1977a), S. 27. „Der gute Wille [bzw. eine Handlung] ist nicht durch das, was er [bzw. sie] bewirkt, [...] sondern allein durch das Wollen, [...] an sich, gut, und, für sich selbst betrachtet, ohne Vergleich weit höher zu schätzen, als alles, was durch ihn [bzw. sie] [...] zu Stande gebracht werden könnte“ (ebd., S. 19).

Befähigungsansatz (Capability Approach) von SEN

189

Durchschnittsnutzen bzw. „größten Glück der größten Zahl“ führen würden. Das gilt selbst dann, wenn sie wüssten, selbst zu den Betroffenen zu zählen. Die moralische Qualität der Entlassungshandlung ist dabei unerheblich. Nur in diesem Fall würde es sich im Utilitarismus um eine auf moralischen Präferenzen (Moral Point of View) beruhende ethische Entscheidung handeln. Unterkapitel 4.3 geht mit SENs Befähigungsansatz (Capability Approach) auf eine weitere normative Ethiktheorie ein, welche in das in Kapitel 8 entwickelte metaphysische Analysegerüst integriert und zur managementethischen Analyse arbeitsplatzbezogener Fragen (insbesondere im Kontext der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung) herangezogen wird.

4.3

Befähigungsansatz (Capability Approach) von SEN

Im Folgenden werden zentrale Aspekte des Capability Approach, der zu Beginn der 1980er Jahre im Kontext entwicklungspolitischer Fragen entstanden ist 655, vorgestellt und gezeigt, warum es die Vertreter des Ansatzes für notwendig erachten, gesellschaftliche Zustände an den individuellen „capabilities“ der Gesellschaftsmitglieder zu bewerten. Der Ansatz geht auf AMARTYA SEN656 zurück und wurde vor allem von MARTHA NUSSBAUM657 weiterentwickelt. Wie der Name andeutet, stellt der Befähigungsansatz eine normative Ethiktheorie dar, die als Basis der Moral nicht den Nutzen, das Einkommen oder gewisse (Grund-)Güter einer Person ins Zentrum rückt, sondern ihre individuelle 658 Befähigung (Realfreiheit, praktisches Vermögen, Verwirklichungschance, Entfaltungsmöglichkeit) 659, ein an der 655

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Der entwicklungspolitische Hintergrund des Capability Approach wird nicht vertieft, da er für die betrachtete Frage irrelevant und „auf den deutschen Kontext - wo rechtsstaatliche Institutionen etabliert sind und Armut in anderen Größenordnungen existiert als etwa südlich der Sahara - nur bedingt übertragbar ist“ (SCHOLTES 2005, S. 23). Erstmals vorgetragen wurde der Capability Approach von SEN 1979 in seiner “Tanner Lecture on human values“ mit dem Titel: “The Standard of Living“ (SEN 1979a). 1998 hat SEN den Wirtschaftsnobelpreis erhalten. Vgl. NUSSBAUM (1999, 2000, 2003, 2006); NUSSBAUM/ SEN (1993). Der Capability Approach ist normativ individualistisch und richtet sich vom Ziel her auf jede einzelne Person (vgl. SCHOLTES 2005, S. 29; BARTELHEIMER 2009, S. 51). Strukturelle Rahmenbedingungen (z. B. durch den Staat oder Unternehmen) werden daran gemessen, inwieweit sie den Einzelnen zu einem guten Leben befähigen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das im dritten Armuts- und Reichtumsbericht auf SENs Capability Approach zurückgreift, spricht von „Teilhabe- und Verwirklichungschancen“, die es durch sozialstaatliches Handeln anzugleichen gilt (vgl. BMAS 2013, S. 23f., 436).

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Der Moral Point of View

eigenen Vorstellung ausgerichtetes Leben zu führen und in gewissen Lebenslagen jene Dinge zu verfolgen, die ihr wirklich wichtig sind 660. Armut wird folglich als eingeschränkte Handlungs- und Wahlfreiheit im Hinblick auf ein anderes, höher geschätztes Leben interpretiert661. Sozialstaatliche und politische Maßnahmen (Institutionen, Regeln) sind daher von der Idee her (idealiter662) von vornherein so zu gestalten, dass sie den Einzelnen dazu befähigen, seine persönlichen Selbstverantwortungspotenziale auszuschöpfen bzw. zu aktivieren663. Eine mit dem Menschenwürdeprinzip verbundene Annahme ist dabei 664, dass alle Gesellschaftsmitglieder der Verwirklichung einer selbstbestimmten Lebensführung und aktiven Teilnahme am sozialen Leben eine hohe intrinsische Bedeutung beimessen665. Die Vertreter des Ansatzes fordern daher, „dass in einer Gesellschaft ein decent [für die gesellschaftlichen Verhältnisse angemessenes] minimum an konditionalen Gütern [...] so zur Verfügung gestellt werden muss, dass die für eine [dauerhaft] eigenverantwortliche Lebensführung (functioning) […] notwendigen Befähigungen (capabilities) auch für die am wenigsten von der sozialen Ordnung Begünstigten erreichbar sind“666 und ihnen eine Teilhabe an den verschiedenen Lebens- bzw. (systemtheoretisch gesprochen:) Funktionsbereichen der Gesellschaft erlauben667. 660

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“It is a question of what the persons can do or can be […]. Freedom is the issue” (SEN 1984, S. 86). Vgl. auch SEN (2010), S. 110, 259; SEN (1993), S. 30f.; ROBEYNS (2005), S. 94; ALKIRE (2005), S. 117; JACKSON (2011), S. 61f.; OTTO/ SCHERR/ ZIEGLER (2010), S. 154; OTTO/ ZIEGLER (2008), S. 11. SEN (2000a, S. 25; 2010, S. 281; 1993, S. 46ff.) verweist in diesem Kontext auf ARISTOTELES, der in seiner Nikomachischen Ethik nicht den Eigenwert, sondern den abgeleiteten Wert von Wohlstand hervorhebt: „[D]er Reichtum ist gewiss nicht das gesuchte oberste Gut. Er ist nur ein Nutzwert: Mittel für andere Zwecke. Daher kann man eher [...] Lust und Ehre [...] als Endziele auffassen, denn sie werden um ihrer selbst willen geschätzt“ (ARISTOTELES 2013, S. 10). Vgl. LEßMANN (2009), S. 416f., 429. Der Capability Approach ist eine regulative Idee. Niemand kann für alle Menschen dieselben Befähigungen schaffen. SEN geht es um schrittweise, paretosuperiore Verbesserungen, nicht (etwa wie RAWLS) darum, eine vollständige Gerechtigkeitstheorie zu liefern (vgl. SEN 2004b, S. 337). Selbst wenn es gelänge, den Ansatz in Reinform umzusetzen, so würde SEN seine Theorie trotzdem nicht als Garant für volle Gerechtigkeit erachten. Vgl. SCHRAMM (2006a), S. 34. Vgl. OTTO/ SCHERR/ ZIEGLER (2010, S. 154) sowie zum „Menschenwürde“-Begriff SCHERR (2002), S. 37f. Handlungsfreiheit wird im Capability Approach „als oberstes Ziel und [...] wichtigstes Mittel der Entwicklung“ (SEN 2000a, S. 50) angesehen. Vgl. auch SCHOLTES (2005), S. 24; OTTO/ SCHRÖDTER (2008), S. 71f. DABROCK/ RIED (2009), S. 34. Ähnlich DABROCK (2001), S. 205. Der Sozialethiker DABROCK hat den Capability Approach in den deutschen Begriff „Befähigungsgerechtigkeit“ überführt. Vgl. detailliert DABROCK (2012). Der Capability Approach bildet die „jeweilige Lebenssituation der Menschen [...] multidimensional ab“ (LEßMANN 2009, S. 416), was zu Komplexität führt, zugleich aber plausibel ist, da Gesellschaften polykontextural verfasst sind. In Anlehnung an LUHMANNs Systemtheorie (1984) sind

Befähigungsansatz (Capability Approach) von SEN

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„Was zählt, ist die Befähigung zum Gedeihen“668, und das in jeder Dimension, in der menschliches Leben stattfindet. Kurz gesagt: Dinge sind dann subsidiär geregelt, sobald Menschen durch geeignete gesellschaftliche Spielregeln zu einem aus ihrer Sicht gelingenden Leben befähigt werden669. Der aus der Katholischen Soziallehre stammende Begriff der „Subsidiarität“ (lat. subsidium: Hilfe, Beistand) steht für Hilfe zur Selbsthilfe670, für Befähigung zur Eigenverantwortung, wobei SCHRAMM für einen „strukturellen Befähigungsbegriff der Subsidiarität“ 671 plädiert. Sämtliche Strukturen sind präventiv so zu gestalten, dass Anreize zu richtigem und eigenverantwortlichem Verhalten gesetzt werden.

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mehrere funktional ausdifferenzierte gesellschaftliche Subsysteme zu unterscheiden, die durch spezifische binäre Leitcodierungen und Medien gekennzeichnet sind (vgl. LUHMANN 1990, S. 75ff.) und jeweils verschiedene Befähigungen erforderlich erscheinen lassen (vgl. DABROCK 2010, S. 49; SCHOLTES 2005, S. 42). LUHMANN (1997, S. 631) weist zudem darauf hin, dass die „Mehrfachabhängigkeit von Funktionssystemen [FS] den Exklusionseffekt verstärkt. [...] Wer nicht lesen und schreiben kann [FS Bildung], hat kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt [FS Wirtschaft], und man kann ernsthaft diskutieren [...], ihn vom politischen Wahlrecht [FS Politik] auszuschließen“. JACKSON (2011), S. 62. Vgl. SCHRAMM (2007d), S. 200. Vgl. dazu auch Abschnitt 8.2.1, der sich weitergehend mit dem Subsidiaritätsprinzip der Katholischen Soziallehre befasst. „Befähigungsgerechtigkeit ist […] als Weiterentwicklung des Subsidiaritätsprinzips zu verstehen, das nicht nur zu den grundlegenden Prinzipien katholischer Soziallehre zählt, sondern auch in der evangelischen Sozialethik anerkannt ist“ (KÖRTNER 2017, S. 29; vgl. auch KOSTKA 2017, S. 113; SCHRAMM 2010c, S. 101). Dazu ist zu bemerken: Das Subsidiaritätsprinzip wird in der Arbeit im übertragenen Sinne gebraucht. Die übliche und ursprüngliche Verwendungsweise des Begriffs „Subsidiaritätsprinzip“ zielt auf ein sozial- und gesellschaftspolitisches Organisationsprinzip bzw. -kriterium ab. Nach dem Subsidiaritätsprinzip der Katholischen Soziallehre, das seine klassische Formulierung in der Sozialenzyklika Quadragesimo anno von Papst Pius XI. aus dem Jahre 1931 gefunden hat, bildet die Subsidiarität die zentrale Leitvorstellung, das zentrale „Grundgesetz“ (NELL-BREUNING 1932, S. 145) bzw. „Baugesetz“ (NELLBREUNING 1990a, S. 79ff.) bei der Umsetzung sozialer Gerechtigkeit in der Gesellschaft (vgl. auch NELL-BREUNING 1972, S. 113). Der Leitgedanke ist dabei, dass die Organisation der Gesellschaft ordnungspolitisch so zu regeln ist, dass der Einzelne zur größtmöglichen Eigenverantwortlichkeit (wieder-)befähigt wird. Diese traditionelle Argumentation der Katholischen Soziallehre findet sich sogleich inhaltlich, wenn auch nicht explizit auf das Subsidiaritätsprinzip bezogen, in modernen normativen Theorien der Befähigungsgerechtigkeit (wie dem hier betrachteten Befähigungsansatz von SEN) wieder. Zur Rechtfertigung und Geltung des Subsidiaritätsprinzips wird im Allgemeinen das Kriterium der Effizienz hervorgehoben (vgl. SCHRAMM 1999, S. 14ff.), wobei sich Effizienz in der Katholischen Soziallehre vom Zweck her (teleologisch) als soziale Effizienz am Wohle der jeweils betroffenen Personen und der Erreichung moralisch erwünschter Ergebnisse bemisst. Zu sehen ist noch, dass es nicht „die“ Katholische Soziallehre schlechthin gibt, sondern ein Spektrum zwischen eher linksliberalen und eher marktfreundlich-konservativen Auslegungen existiert. Zu letzterer Gruppe dürfte etwa der HOMANN-Schüler CLEMENS DÖLKEN zählen, der den Effizienzaspekt im Subsidiaritätsprinzip stärker in Richtung einer ökonomischen Effizienz auslegt (vgl. DÖLKEN 1992, S. 269). SCHRAMM (2010c), S. 118. Ein zeitliches Subsidiaritätsverständnis im Sinne eines „Feuerwehr“oder „Notbehelfs“-Begriffs, nach dem der Staat erst dann helfen soll, wenn sich Menschen nicht

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Der Moral Point of View

Es wird deutlich, dass im Capability Approach neben der Schaffung negativer (zugestandener) Freiheit die Ermöglichung positiver und aktivierender Wahlfreiheit („kooperative, kommunikative und verantwortliche Freiheit“ 672 zu etwas) ein zentrales Kriterium zur Bewertung der moralischen Qualität politischer Maßnahmen darstellt673. Freiheiten sind im Capability Approach aber nicht als unbegrenzte Freiheiten zu interpretieren674. Das liegt zum einen an der Endlichkeit natürlicher Ressourcen, zum anderen resultiert eine moralische Begrenzung aus dem Anspruch, dass „capabilities“ idealiter für alle Menschen verfügbar sein sollten. Daher sollte niemand auf Kosten anderer leben. Betont sei auch, dass gerade deutsche Vertreter des Ansatzes Eigenverantwortlichkeit nicht nur als freie Möglichkeit gestärkt sehen wollen, sondern sie gemäß „dem ethischen Kriterium einer Gegenseitigkeit im Geben und Nehmen“675 als individualethische Pflicht einfordern: Der Capability Approach klagt gleiche „Rahmenbedingungen zur Eigenverantwortungsfähigkeit“676 ein, Rahmenbedingungen also, um etwas für sich selbst zu tun. Nach dem Prinzip der Befähigungsgerechtigkeit sind solche Regelungen gerecht, welche Menschen zu einem eigenständigen und -verantwortlichen Leben befähigen. Jeder soll seine individuellen Fähigkeiten entfalten können. Die höhere Ebene (der Staat) soll ihnen erst dann unter die Arme greifen, wenn sie sich nicht mehr selbst helfen können.

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mehr selbst helfen können (vgl. dazu GÖBEL 2006), hält er für unzureichend (vgl. SCHRAMM 2010c, S. 118f.): Z. B. stellt eine Radarkontrolle nichts anderes dar, als eine „subsidiäre Anreizstruktur“ für richtiges Verhalten, die installiert wird, bevor die Verkehrssicherheit gefährdet wird. Dasselbe gilt für die Regeln des Marktes. So sind in Sachen Umweltschutz die Rahmenbedingungen vorab so auszurichten, dass sich ein Filtereinbau für die Unternehmen „lohnt“. DABROCK (2001), S. 206. Vgl. auch BERLIN (1969), S. 131ff. Vgl. SEN (2000a), S. 29; SCHOLTES (2005), S. 24ff.; LEßMANN (2009), S. 420. Der Capability Approach geht von einem zweigeteilten Freiheitsverständnis aus (vgl. BARTELHEIMER 2009, S. 51): Freiheit umfasst „neben der Abwesenheit von Hindernissen [, Zwängen usw. = negative Freiheit] auch die Anwesenheit von realen Möglichkeiten [und Chancen zu etwas = positive Freiheit]“ (SCHOLTES 2005, S. 26). Negative Freiheit lässt sich als Verfahrens- oder Prozessfreiheit bezeichnen (vgl. SEN 2000a, S. 28f.; SEN 2010, S. 256f., 397f.; BERLIN 1969, S. 122). Sie ist „prozedural konnotiert“ (SCHOLTES 2005, S. 26) und bezieht sich auf die Grundfreiheiten, welche Menschen in ihrem Handeln und Entscheiden von der Gesellschaft oder vom Sozialstaat eingeräumt bekommen (z. B. politische Partizipationsrechte, persönliche Eigentumsrechte, Rede-, Meinungs-, Versammlungsfreiheit). Positive Freiheit ist „konsequentialistisch konnotiert“ (SCHOLTES 2005, S. 26) und richtet sich, wie bemerkt, auf den Chancenaspekt der Freiheit, d. h. auf das Spektrum an Gelegenheiten, das Menschen aktiv verfolgen können. Vgl. SCHRAMM (2011b), S. 35. SCHRAMM (2006a), S. 39. DABROCK (2002), S. 184.

Befähigungsansatz (Capability Approach) von SEN

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Eine wichtige Unterscheidung im Capability Approach ist jene zwischen „capabilities“ und „functionings“677. Funktionen beziehen sich als „einzelne Dimensionen der gesamten Freiheit“678 auf das tatsächliche Sein, auf konkrete Handlungen, Lebensumstände und -zustände, die ein Mensch real umsetzt und für sein Leben als wertvoll ansieht (“things a person may value doing and being“ 679). Sie „drücken den Zustand konkreter Lebensqualität aus” 680 und reichen von “elementary things as being adequately nourished, being in good health, avoiding escapable morbidity and premature mortality, [working, being literate, able to travel] etc., to more complex achievements such as being happy [and respected], having self-respect, taking part in the life of the community, and so on” 681. Um bestimmte Kombinationen und Qualitäten von Funktionen zu erreichen, bedarf es eines geeigneten Sets an Befähigungen, was verdeutlicht, dass Befähigungen für das Ausmaß einer Funktionen-spezifischen realen Freiheit zentral sind682. Dem Capability Approach geht es hierbei nicht um theoretische, sondern um reale, erreichbare Befähigungen683. Zudem sind “capabilities [...], by definition, limited to functionings of value; they exclude evil or harmful functionings“684. SEN weist auch darauf hin, dass eine größere Wahlmöglichkeit zwischen alternativen Freiheiten nicht zwingend zu einer erstrebenswerten Ausweitung der Gesamtfreiheit des Menschen beitragen muss685. 677

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Vgl. SEN (1979a), S. 36f.; ALKIRE (2005), S. 118; ROBENYS (2005), S. 95; OTTO/ ZIEGLER (2008), S. 11. „Functionings“ werden im Folgenden als „Funktionen“ übersetzt, wobei kein mechanistisches Menschenbild impliziert wird (vgl. HEINRICHS 2006, S. 180). SCHOLTES (2005), S. 28. SEN (1999), S. 75. Vgl. auch SEN (1984), S. 84; SEN (1993), S. 31; SEN (1997), S. 39; SEN (2000a), S. 29; SEN (1996), S. 57. BOGAI (2007), S. 241. SEN (1997), S. 39. Vgl. auch SEN (1993), S. 36f.; SEN (1996), S. 57; SEN (1985a), S. 197f.; SEN (1984), S. 85f.; ROBEYNS (2005), S. 95; ALKIRE (2005), S. 118f.; OOSTERLAKEN (2009), S. 92; SCHRAMM (2011b), S. 35. Vgl. SCHOLTES (2005), S. 28. „Die Idee von Entscheidungsfreiheit wird in Form einer Auswahlmenge modelliert, der „Menge an Verwirklichungschancen“ („capability set“), in welcher alle Lebenssituationen enthalten sind, die für die jeweilige Person auf Grund ihrer Ressourcenausstattung und ihrer persönlichen Eigenschaften erreichbar sind“ (LEßMANN 2009, S. 417). Vgl. auch SEN (1997), S. 40; SEN (1984), S. 84f.; SEN (1993), S. 30; SEN (1996), S. 57; SEN (1979a), S. 36; ROBEYNS (2005), S. 100. Vgl. SEN (1997), S. 31; ALKIRE (2005), S. 121; OTTO/ ZIEGLER (2008), S. 11. ALKIRE (2005), S. 121. Vgl. SEN (1997), S. 59, 63; SEN (1996), S. 58. Das gilt etwa dann, wenn es sich um zusätzliche Freiheiten handelt, die eine Person nicht schätzt oder sie sogar daran hindern, ein unbehelligtes Leben zu führen. Dem Capability Approach kommt es daher nicht nur auf die Anzahl, sondern auch auf die Qualität der wählbaren Alternativen an (vgl. SEN 1990, S. 470). In der praktischen Umsetzung erweist sich die Messung beider Parameter (Quantität und Qualität) als kompliziert.

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Der Moral Point of View

Ein zur Verdeutlichung des Unterschieds zwischen Funktionen und Befähigungen gängiges Beispiel ist das des Fahrrads 686. Der Besitzer eines Fahrrads, welches eine Ressource darstellt, kann, indem er das Fahrrad als Transportmittel einsetzt, das Ziel bzw. die Funktion Mobilität (Freiheit) erreichen, die seinen Nutzen steigert. Bereits hier zeigt sich, dass für das Erreichen einer bestimmten Funktion die Verfügbarkeit einer für den jeweiligen Akteur geeigneten Ressourcenausstattung als Voraussetzung anzusehen ist, wobei für den Capability Approach im hiesigen Fall die Transporteigenschaft des Fahrrads (nicht dessen Farbe, Material) das maßgebliche Charakteristikum bildet, da sie die Funktion Mobilität ermöglicht und das Potenzial an individuellen Verwirklichungschancen repräsentiert687. Nun wäre denkbar, dass sich eine Person zwar im Besitz des Fahrrads befindet, sie aber nicht in der Lage ist, es einzusetzen, da ihr die Befähigung bzw. Freiheit fehlt, es zu fahren. Ihr bleibt damit die Funktion Mobilität (durch die Ressource Fahrrad) verwehrt, was das Erfordernis im Capability Approach unterstreicht, Informationen über persönliche Eigenschaften und konkrete Lebensumstände der Menschen einzuholen688. Diesem Erfordernis wird der Capability Approach durch die Unterscheidung einiger grundlegender Kategorien von Umwandlungsfaktoren („Conversion Factors“) gerecht, durch die die Transformation von Ressourcen, welche Menschen zur Verfügung stehen, in Funktionen und daraus resultierenden Nutzen, beeinflusst wird. In Anlehnung an ROBEYNS lassen sich persönliche, soziale und umweltbezogene Umwandlungsfaktoren unterscheiden 689.

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Vgl. SEN (1998a), S. 30; SEN (1983), S. 160. Vgl. ROBEYNS (2005), S. 98f.; OOSTERLAKEN (2009), S. 94. „Güter sind in dieser Perspektive kein Selbstzweck, sondern Mittel für Verwirklichungschancen“ (SCHOLTES 2005, S. 32). Zu beachten ist, dass Güter in der Regel mehrere Funktionen erfüllen bzw. initiieren, die personen- und situationsabhängig variieren können (vgl. SEN 1996, S. 57; SEN 1985b, S. 9). Vgl. OTTO/ SCHRÖDTER (2008), S. 69. Das Beispiel zeigt zugleich, dass Befähigungen nicht gegeneinander austausch- oder substituierbar sind (vgl. DABROCK 2010, S. 33; NUSSBAUM 2006, S. 166f.). Mangelnde Befähigungen in einem Lebensbereich sind in der Regel nicht durch Befähigungen in anderen Bereichen ausgleichbar. Vgl. ROBEYNS (2005), S. 99; ähnlich OOSTERLAKEN (2009), S. 92. SEN geht davon aus, dass der „Gebrauch [, den] wir [...] jeweils von einem bestimmten Güterbündel oder [...] Einkommensniveau machen können, [...] von einer Reihe zufälliger Umstände ab[hängt], die sowohl persönlicher als auch sozialer Art sein können“ (SEN 2000a, S. 89; ähnlich SEN 1993, S. 33). Genauer differenziert SEN (2000a, S. 89ff.) fünf Gruppen von Umwandlungsfaktoren, die sich in ähnlicher Form auch bei ROBEYNS wiederfinden: (1) persönliche Eigenheiten; (2+3) Unterschiede in den Umweltbedingungen und im sozialen Klima; (4) Unterschiede in relativen Aussichten (z. B. gesellschaftliche Stellung als Voraussetzung zur Teilnahme am Gemeinschaftsleben); (5) Verteilung innerhalb der Familie (z. B. eine Einkommensverteilung, die Gruppen innerhalb der Familie bevorzugt oder benachteiligt).

Befähigungsansatz (Capability Approach) von SEN

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Dass der Capability Approach - auch im Vergleich zu anderen Ethiktheorien - der Individualität einzelner Menschen gerecht wird, demonstriert SEN auf differenzierte Weise. Zum einen zeigt er die Defizite auf, die aus einer rein outputorientierten, d. h. nur an den tatsächlichen Verwirklichungen der Menschen ausgerichteten Bewertung des Gerechtigkeitspotenzials sozialer Strukturen resultieren690. Selbst in Fällen, in denen Menschen bezüglich ihrer realisierten Funktionen der Lebensführung gleichgestellt sind, können immer noch große Unterschiede in der moralischen Qualität der Gleichstellung bestehen, die auf verschiedene Befähigungen zurückzuführen sind691. Es genügt daher nicht, menschliches Wohlergehen nur an der verwirklichten Lebenssituation zu bewerten692. Ob eine Befähigung verwirklicht wird, ist für den Capability Approach dagegen irrelevant, denn dieser „zielt [...] weder darauf [ab], den AkteurInnen von außen zu oktroyieren, was sie als das Gute zu verstehen hätten, noch darauf, ihren Handlungs- und Daseinsfreiraum [...] zu verengen“693. Menschen steht es frei, Befähigungen nicht zu nutzen694. Genauso stellt es eine normale Erscheinung dar, dass Menschen je nach individuellen Lebensentwürfen und trotz ähnlicher Verwirklichungschancen abweichende Bündel von Funktionsweisen wählen695. Eben diese „Freiheit, die eigene Lebensführung selbst auszuwählen“696 und zu bestimmen, ist kennzeichnend für das liberale Freiheitsverständnis des Capability Approach697. 690 691

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Vgl. SEN (2000a), S. 95; SCHOLTES (2005), S. 30; DABROCK (2010), S. 24. Als Beispiel vergleicht SEN die Situation zweier Hungernder (vgl. SEN 1985a, S. 201f.; 2000a, S. 95; 1993, S. 40, 45; 1979a, S. 37): Der eine befindet sich in einer freiwilligen (z. B. religiös motivierten) Fastenkur, der andere leidet an Unterernährung, da er in einem Dürregebiet Afrikas lebt und unfreiwillig nichts zu essen hat. Auch wenn die tatsächlich umgesetzte Funktion „Unterernährung“ (bzw. Nicht-Funktion „Sättigung“) in beiden Fällen identisch ist, so liegt der Unterschied in der persönlichen realen (Wahl-)Freiheit, auf die der Capability Approach abstellt: Der, der fastet, kann essen, lehnt es aber ab, während der, der unfreiwillig an Hunger leidet, sich ausreichend ernähren würde, es aber mangels realer Verwirklichungschance nicht kann, was als Benachteiligung zu werten ist. Daher gilt: „Wie [...] Unterschiede in „Funktionen“ der Lebensführung (z. B. Erwerbstätigkeit oder Nichterwerbstätigkeit [...]) zu bewerten sind, hängt [...] davon ab, ob diese Unterschiede Ergebnis einer persönlichen Wahl sind […] oder ob sie auf ungleiche Verwirklichungschancen zurückgehen, die durch öffentliches Handeln anzugleichen sind“ (BARTELHEIMER 2009, S. 51). Vgl. auch DABROCK (2010), S. 24f. Vgl. LEßMANN (2009), S. 416. Was zählt, sind die „objektiven Realfreiheiten [z. B. die Freiheit, sich ausreichend zu ernähren] - und nicht bestimmte Funktionsweisen als solche“ (OTTO/ ZIEGLER 2008, S. 11). OTTO/ ZIEGLER (2008), S. 11. Vgl. auch SCHOLTES (2005), S. 43. Vgl. DABROCK (2010), S. 33. Es kommt lediglich auf die Ermöglichung der Befähigung an. Vgl. ROBEYNS (2005), S. 101f.; VOLKERT (2005), S. 12f. SEN (2010), S. 265. Vgl. JACKSON (2011), S. 62; OTTO/ ZIEGLER (2008), S. 11; SCHOLTES (2005), S. 29; VOLKERT (2005), S. 13.

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Der Moral Point of View

Darüber hinaus sieht SEN den Umstand, dass Menschen in Abhängigkeit der obigen Umwandlungsfaktoren abweichende Bedürfnisse haben können, um ein ähnliches Nutzenniveau zu erzielen, als Hauptgrund dafür an, input- bzw. ausstattungsorientierte Gerechtigkeitsansätze, wie RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie, „mit Skepsis zu betrachten“698. Nach SEN genügt es nicht, im Zuge eines Stellenabbaus nur den Einkommensaspekt zu beachten699. Wie weiter oben am Beispiel des Fahrrads gezeigt wurde, kann die Bereitstellung einer gleichen Grundgüterausstattung (im Sinne eines fixen „Hartz IV-Pakets“) nur in einer homogenen Gesellschaft, in der allen Akteuren dieselbe Fähigkeit zur Nutzung der Grundgüter gegeben ist, zu Chancengleichheit und einem einheitlichen Maß an Lebensfreude führen700. In der Realität liegt diese Voraussetzung aber nicht vor, woraus folgt, dass bestimmte Funktionen, die die Lebensqualität verbessern, nicht nur durch den Besitz und die Eigenschaften der Ressource determiniert werden, sondern auch durch das Set an Befähigungen der Ressourcenbesitzer701. Arbeitslosigkeit führt zum Verlust von Verfügungsrechten und zur Einschränkung persönlicher Entwicklungsmöglichkeiten702. Zudem trägt sie zur Entwertung des Erfahrungswissens und zum Abbruch sozialer Kontakte bei. Die Theorie der Grundgüter kann daher „keine ausreichende Garantie für wirklich genossene Freiheiten“703 bieten, da sie „den Einzelnen [zwar] als Einzelnen, aber nicht konsequent in seiner Individualität“ 704 beachtet (hierzu bedarf es eventuell zusätzlicher Sozialbetreuung, Sonderförderung o. Ä.). SEN führt zur Verdeutlichung das Beispiel eines Behinderten an, der wegen seiner körperlich-geistigen Verfassung mehr Ressourcen („einen größeren Korb von Grundgütern“705) benötigt, um ähnliche Chancen im Leben wie ein Gesunder zu haben706. Sein Umwandlungsverhältnis zur Realisierung gewisser Lebenspläne 698

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SEN (2010), S. 288. „Indem RAWLS der Metrik der Grundgüter eine derart herausgehobene Stellung gibt, spielt er die Tatsache herunter, dass unterschiedliche Menschen aufgrund persönlicher Eigenschaften oder unter dem Einfluss ihrer geographischen und sozialen Umwelt oder durch ihre relative Benachteiligung [...] sehr unterschiedliche Chancen haben, allgemeine Ressourcen (etwa Einkommen und Vermögen) in Befähigungen [...] umzuwandeln“ (ebd., S. 289). Vgl. auch SEN (1997), S. 81f.; SEN (1996), S. 57; SEN (1985a), S. 198ff.; SEN (2010), S. 94f.; SEN (1998a), S. 364ff. Vgl. BOGAI (2007), S. 241. Vgl. SEN (1998a), S. 366; DABROCK (2010), S. 24. Vgl. OTTO/ SCHERR/ ZIEGLER (2010), S. 155; ROBEYNS (2005), S. 99. Vgl. BOGAI (2007), S. 241. HEINRICHS (2006), S. 184. SCHOLTES (2005), S. 29. SEN (2000a), S. 95. Vgl. SEN (2010), S. 284; SEN (2000a), S. 94f.; SEN (1996), S. 58f.; OOSTERLAKEN (2009), S. 92; DABROCK (2001), S. 206.

Befähigungsansatz (Capability Approach) von SEN

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ist also schlechter. Der Befähigungsansatz trägt diesem Gedanken (zumindest auf theoretischer Ebene) Rechnung, indem er die aus der Komplexität des menschlichen Lebens resultierenden Probleme vielfach beschreibt und anerkennt 707. Bei RAWLS hingegen, der eine geschlossene Gerechtigkeitstheorie mit einem klaren, auf aktive Bürger begrenzten Verteilungsmuster anstrebt, wird er ignoriert 708. Zwar nimmt RAWLS SENs Kritik auf und ist sich der Dringlichkeit seines Anliegens bewusst709, er weicht ihm aber aus710, da er unterstellt, dass die moralischen, physischen und intellektuellen Fähigkeiten aller Menschen ausreichen, um uneingeschränkt kooperative Gesellschaftsmitglieder zu sein711. Sollte der geistige oder körperliche Zustand eines Einzelnen krankheits- oder unfallbedingt doch herabgemindert werden, so müsse auf der Ebene der Gesetzgebung „ein hinreichend flexibler Index aufgestellt werden [...], der zu [...] gerechten und fairen Urteilen führt“712. Der Verweis auf derartige nachträgliche Sonderregelungen greift SEN zufolge aber zu kurz, da es realiter vielfältige Härtefälle gibt, welche nicht von

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Auf dem Einband seines 2010 erschienenen Werkes „Die Idee der Gerechtigkeit“ (SEN 2010) wird folgendes Beispiel angeführt: „Drei Kinder streiten darüber, wem von ihnen eine Flöte gehören sollte. Das erste Kind hat Musikunterricht gehabt und kann als einziges Flöte spielen. Das zweite ist arm und besitzt keinerlei anderes Spielzeug. Das dritte Kind hat die Flöte mit viel Ausdauer selbst angefertigt“. Nun ist zu fragen, wie in diesem Fall eine gerechte Verteilung aussieht, da jedes Kind Ansprüche auf die Flöte geltend machen kann. SEN lässt solche Fragen weitgehend offen. Das Beispiel zeigt aber, dass SEN die vielfältigen (Verteilungs-)Probleme der Menschen ins Zentrum rückt, was seinen Ansatz ansprechend macht: Das eigentliche Ziel liegt häufig in den Befähigungen der Menschen. Das Problem besteht darin, dass SEN sich durch sein detailliertes Vorgehen quasi zwangsläufig konzeptionell verheddert und (im Gegensatz zu RAWLS) nicht in der Lage ist, ein handhabbares Modell mit konkreten Lösungsvorschlägen zu unterbreiten. Stattdessen müsste eine Theorie der Gerechtigkeit nach SEN letztlich ebenso komplex sein, wie das menschliche Leben selbst. Damit wird zugleich deutlich, dass keine Theorie in der Lage ist, alle Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Jede Theorie weist gewisse Defizite auf. “The Difference Principle will give him neither more nor less on grounds of his being a cripple“ (SEN 1998a, S. 365). So stellt RAWLS (1998a, S. 277) fest: „SEN [hat] sicher recht, dass es unfair wäre, denselben Index für alle zu verwenden“. Ähnlich: „Eine Ausnahme [für die Angemessenheit einer Gleichverteilung von Grundgütern] mag [der] Fall [...] sein, der Krankheiten und Unfälle betrifft, die dazu führen, dass Bürger unter das Minimum geraten. Was diesen Fall betrifft, stellt SEN überzeugend in Zweifel, ob ein Index von Grundgütern hinreichend flexibel sein könne, um gerecht und fair zu sein“ (ebd., S. 280). „Ich glaube, dass ich für meine begrenzten Zwecke nicht weiter auf diese tiefgehenden Probleme einzugehen brauche“ (RAWLS 1998a, S. 277). Ähnlich ebd., S. 280. Vgl. RAWLS (1998a), S. 277f. Vgl. dazu Abschnitt 4.2.1. RAWLS (1998a), S. 280.

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Der Moral Point of View

Anfang an absehbar sind und die weder ignoriert noch als moralisch irrelevant abgetan werden können713. SENs kritische Einwände gegen den Utilitarismus gründen (ähnlich wie bei anderen Autoren) darauf, dass dieser durch seine interpersonelle Nutzenverrechnung dem Einzelnen nicht nur in seiner Individualität, sondern generell nicht gerecht werden kann714. Neben dem fehlenden Gerechtigkeits- bzw. Umverteilungsprinzip („Indifferenz gegenüber Verteilungsfragen“715) hebt SEN hervor, dass der Utilitarismus sowohl Rechten und Freiheiten als auch anderen nicht-nutzenbezogenen Belangen keinen intrinsischen Wert beimisst, was wegen der Mehrdimensionalität menschlichen Lebens als unzureichend erscheint716. Auch weist er auf die Gefahren hin, die aus einer im Zeitverlauf eintretenden psychischen Konditionierung der Akteure resultieren können717. So sind Arme und Unterdrückte geneigt, ihre Erwartungen und Ansprüche an ein menschenwürdiges Leben auf keiner objektiven, sondern pessimistisch-resignativen, ihren widrigen Umständen angepassten und damit subjektiv verzerrten Bewertungsbasis vorzunehmen 718. Das Risiko solcher „adaptiven Präferenzen“719 ist, dass sich Menschen mit ihrer Situation zufriedengeben, dabei aber ihre objektiv benachteiligte Lage unterschätzen und ihre tatsächlichen Verwirklichungschancen einschränken. Insofern leuchtet ein, dass eine „auf

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Vgl. SEN (1998a), S. 366. „Die Varianten in den Umwandlungschancen kann man nicht als eine Frage «besonderer Bedürfnisse» abtun“ (SEN 2010, S. 289). Gerade „Behinderungen [...] sind so […] unterschiedlich, dass es […] nötig ist, den Informationsschwerpunkt auf Funktionsweisen und Befähigungen zu verlagern, wenn man über soziale Vorkehrungen und Realisierungen nachdenkt“ (ebd., S. 289f.). Vgl. SCHRAMM (2011b), S. 35. SEN (2000a), S. 80. Vgl. SEN (2000a), S. 80; SEN (1993), S. 32f.; SEN (1996), S. 50ff.; LEßMANN (2009), S. 421. „SEN [ist] davon überzeugt, dass das menschliche Leben mehrdimensionaler ist als diese einzige utilitaristische „Währung“ [Nutzen] für das menschliche Glück annimmt“ (SCHRAMM 2011b, S. 35). “Within the general notion of the living standard, divergent and rival views of the goodness of life co-exist in an unsorted bundle“ (SEN 1979a, S. 1). Vgl. SEN (2000a), S. 80f.; SEN (1996), S. 51f. Kurz gesagt: Optionen, die sie nicht kennen, fordern sie nicht ein. „Schon aus purem Selbsterhaltungstrieb neigen Benachteiligte dazu, sich mit ihrer Misere zu arrangieren, und daher mag es ihnen am nötigen Mut mangeln, um radikale Veränderungen zu fordern, und möglicherweise passen sie ihre Wünsche und Erwartungen anspruchslos dem an, was sie für machbar halten“ (SEN 2000a, S. 81). Vgl. auch SEN (2000b), S. 29f.; SEN (1996), S. 52; SEN (1985a), S. 197; SEN (1985b), S. 29; NUSSBAUM (1999), S. 40; NUSSBAUM (2003), S. 33; OTTO/ SCHERR/ ZIEGLER (2010), S. 153; SCHOLTES (2005), S. 30; HEINRICHS (2006), S. 36f. Das Risiko ist, dass “people tend to adjust their aspirations to their possibilities“ (ELSTER 1996, S. 109).

Befähigungsansatz (Capability Approach) von SEN

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Basis der subjektiven Situiertheit“720 bzw. Kontextgebundenheit erfolgende Bewertung gesellschaftlicher Zustände nicht ausreicht. Der Capability Approach basiert daher im Unterschied zum Utilitarismus nicht auf der subjektiv verzerrten Wahrnehmung der Lebensbedingungen der Menschen 721, sondern stellt auf ihre „objektive (‚gegenständliche‘) reale Handlungsfähigkeit“722 ab (was Menschen wirklich tun (können)), um so die reale Lage des Einzelnen identifizieren und seine Freiheit erweitern zu können. Anders als der Utilitarismus beachtet der Capability Approach zudem, dass Menschen nicht nur eigennützig nach ihrem Wohlergehen streben 723. SEN bringt das durch die beiden Kategorien „Well-being“ (Wohlbefinden) und „Agency“ (Handlungsfreiheit) zum Ausdruck724, die “distinguishable and separate, but thoroughly interdependent“725 sind. Wie gezeigt, stehen im Capability Approach Befähigungen im Sinne von Freiheiten („freedoms“) im Zentrum, über welche Akteure realiter verfügen und die es ihnen über die Umsetzung gewisser Funktionen ermöglichen, sich selbst zu verwirklichen und einen hohen Istzustand des Wohlergehens („Well being achievement“726) in persönlicher, sozialer und ökonomischer Hinsicht zu erzielen. Es liegt damit ein offener „Vorteils“-Begriff zugrunde. Auf diese Freiheit bezieht sich der „Well-being freedom“, die Freiheit, persönliches Wohlergehen

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SCHOLTES (2005), S. 30. Der Utilitarismus würde, vereinfacht dargestellt, die Nutzendaten heranziehen, die von den Menschen genannt werden. Z. B. könnte ein hungernder Mensch auf einer Skala von null bis zehn, wobei null „keinen Nutzen“ und zehn den „höchstmöglichen Nutzen“ wiedergibt, seine konkreten Lebensumstände immer noch mit fünf Nutzenpunkten (also „mittelmäßig“) bewerten, obwohl sein Nutzen faktisch geringer ist. SCHOLTES (2005), S. 30. Zentral ist „die Schaffung von Bedingungen [...], unter denen die Menschen eine echte Chance haben, die Lebensweise zu beurteilen, die ihnen [objektiv] zusagen würde. [...] Überlegungen dieser Art machen es erforderlich, die Informationsbasis zu erweitern, vor allem aber die Verwirklichungschancen zu berücksichtigen, die die Menschen benötigen, um das von ihnen mit Gründen geschätzte Leben zu führen“ (SEN 2000a, S. 81). Auch wenn dieser Vorschlag auf der Anwendungsebene an seine Grenzen stößt, so ist er als Leitidee doch festzumachen: Im menschlichen Leben gibt es Zustände, die zwar hingenommen werden, aber inakzeptabel erscheinen. So gibt es Menschen, die unterdrückt werden, aber nie gelernt haben, Widerspruch zu leisten. Rein faktisch ist ihr Leben nicht in Ordnung. Und genau diesen Umstand versucht SEN herauszustellen. Vgl. SEN (1997), S. 56; SEN (1985a), S. 186. Vgl. SEN (1985a); SEN (1993), S. 35; SEN (1998b), S. 40ff., 58f. SEN (1997), S. 57. Vgl. auch BIESECKER/ KESTING (2003), S. 415. Vgl. SEN (1993), S. 36. Keinesfalls genügt es, „Wohlergehen (well-being) […] nur als ökonomische Größe im Sinn materieller „Wohlhabenheit“ oder „Fülle“ zu definieren“ (SCHRAMM 2011b, S. 34).

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und persönlichen Nutzen anzustreben727. Während der Utilitarismus hier aber stehen bleibt728, hat SEN eine allgemeinere Auffassung von Freiheit im Sinne, die er als „Agency freedom“ bezeichnet: „Agency“ umfasst nach SEN „alle Ziele, die sich eine Person mit Grund setzt, also nicht nur die Steigerung des eigenen Wohlbefindens, sondern womöglich auch andere Zwecke“729. So kann es ein Mensch in der Eltern-, Politiker- oder Managerrolle für richtig halten, nicht nur das eigene, sondern auch das Wohlergehen der Familie, Gemeinschaft oder Mitarbeiter zu fördern730, was sein eigenes „Well-being“ verbessern kann, aber nicht muss. Letzteres ist keine Voraussetzung für das Vorhandensein von Agency-Zielen731. Wichtig für den Capability Approach ist, dass Menschen neben der Freiheit, persönlich ein hohes Maß an Wohlergehen zu erlangen, auch über die Freiheit verfügen sollten, sich für solche Ziele und Werte einzusetzen, die sie für andere Menschen (Tiere oder die Natur) verwirklicht sehen wollen732, denn: “A person‘s „agency freedom“ refers to what the person is free to do and achieve in pursuit of whatever goals or values he or she regards as important“733. Hierzu passt, dass SEN in seinem 1974 erschienenen Aufsatz “Rational fools: A Critique of the Behavioral Foundations of Economic Theory“734 betont, dass der klassische Homo oeconomicus nicht mehr ist, als eine wirklichkeitsferne Karikatur, welche menschliche Bindungen usw. ausblendet735. Reale Menschen sind biologische und analoge Wesen, die psychische Probleme entwickeln können. Sie sind keine „Rational-Clowns“ im Sinne monodimensionaler Rechenmaschinen, die nur Eigennutzinteressen haben und ihre Entscheidungsalternativen völlig rational „managen“. Viele Entscheidungen sind nicht kalkulierbar. Menschliches Verhalten speist sich aus vielen Quellen zu-

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Vgl. SEN (1985a), S. 203. “The utilitarian treatment of the person suffers from a failure to distinguish between these different aspects [well-being and agency], and from trying to motivate normative evaluation on the basis of the well-being aspect” (SEN 1998b, S. 59). SEN (2010), S. 315. Vgl. auch SEN (1985a), S. 203; SEN (1993), S. 35ff. Vgl. ALKIRE (2005), S. 122; OOSTERLAKEN (2009), S. 92. Vgl. SEN (1997), S. 56; SEN (1998b), S. 43; ALKIRE (2005), S. 122; SCHOLTES (2005), S. 31; BIESECKER/ KESTING (2003), S. 415f.; OTTO/ SCHRÖDTER (2008), S. 70f. Im Gegenteil: Die Verfolgung von Agency-Zielen kann fallabhängig sogar negative Folgen für das eigene Wohlbefinden haben (vgl. SEN 1985a, S. 206f.). Vgl. TOENS (2003), S. 169; SCHOLTES (2005), S. 31. SEN (1985a), S. 203. SEN (1977). Der Homo oeconomicus in seiner einfachen Form ist für SEN ein nicht ernst zu nehmender „sozialer Depp” (vgl. SEN 1977, S. 335f.). Vgl. auch ZSOLNAI (2002), S. 46f.

Befähigungsansatz (Capability Approach) von SEN

201

sammen, wobei es zur Bewertung von Handlungsalternativen im Alltag neben Rationalität auch des Einsatzes von Gefühlen (Intuition, Inspiration, Sensibilität usw.) bedarf. Die Offenheit des „Ziel“-Begriffs ist auch Gegenstand der innerhalb des Capability Approach geführten Debatte, ob es eine vordefinierte Liste mit elementaren Verwirklichungschancen für ein erfülltes Leben geben sollte, so wie sie von NUSSBAUM vorgelegt wird 736. Generell ist der Capability Approach für sämtliche Vorstellungen eines guten Lebens (samt der damit zusammenhängenden Befähigungen) offen, unabhängig davon, ob sie sich auf die Kategorie „Well-being“ oder „Agency“ beziehen. Im Unterschied zu NUSSBAUM lehnt SEN eine vordefinierte Liste ab, da sich neben der Auswahl geeigneter Verwirklichungschancen, die in eine solche Liste aufzunehmen wären, auch die Reihung (und damit Wertung) der Elemente als problematisch erweisen kann737. Welche Verwirklichungschancen im lokalen Fall relevant und durch die Sozialpolitik o. Ä. zu fördern sind, hängt SEN zufolge vom Untersuchungszweck sowie den zugrunde liegenden sozialen Bedingungen und daraus resultierenden Prioritäten ab 738. SEN betont zudem, dass 736

737

738

Die von NUSSBAUM vorgelegte Liste umfasst zehn aus verschiedenen Lebensbereichen stammende, zum Teil zusammenhängende Grundfähigkeiten bzw. -freiheiten, zu denen Gesellschaften ihre Bürger befähigen sollten, um deren Wohlergehen zu sichern (vgl. NUSSBAUM 2006, S. 76ff.; 2000, S. 78ff.; 1999, S. 200ff.): (1) „Leben“ (z. B. Fähigkeit, ein Leben in normaler Länge zu führen); (2) „körperliche Gesundheit“ (z. B. Fähigkeit, in Gesundheit zu leben, sich ausreichend/ gesund zu ernähren, sicher untergebracht zu sein); (3) „körperliche Integrität“ (z. B. Fähigkeit, mobil zu sein; Sicherheit vor sexuellen/ gewalttätigen Übergriffen; Freiheit, selbst über Fortpflanzung zu bestimmen); (4) „Sinn, Vorstellungskraft und Denken“ (z. B. Fähigkeit, seine Sinne und Vernunft auf menschliche Weise zu nutzen, seine Fantasie und sein Denkvermögen einzusetzen, um kreativ tätig zu werden; Rede- und Religionsfreiheit); (5) „Gefühle/ Emotionen“ (z. B. Fähigkeit, Liebe, Trauer und Dankbarkeit zu empfinden); (6) „Praktische Vernunft“ (z. B. Fähigkeit, sich kritisch mit der eigenen Lebensplanung zu befassen, einem Beruf nachzugehen, sich politisch zu engagieren); (7) „Beziehungen/ Zugehörigkeit“ (a. z. B. Fähigkeit, mit anderen Menschen zu leben und sich in ihre Probleme hineinzudenken, Freundschaften zu pflegen; b. z. B. Fähigkeit, sein Selbstbewusstsein und -wertgefühl zu entwickeln, sich gegen Diskriminierung zu wehren); (8) „Andere Spezies“ (z. B. Fähigkeiten im Umgang mit Tieren und Pflanzen); (9) „Spiel“ (z. B. Fähigkeit, zu lachen, zu genießen, sich zu erholen); (10) „Kontrolle über die eigene Umwelt“ (a. „politische Kontrolle“: z. B. Fähigkeit, an politischen Entscheidungen zu partizipieren; b. „materielle Kontrolle“: z. B. Eigentumsrechte, Recht auf menschenwürdige Arbeit). NUSSBAUM (1999, S. 202) sieht alle zehn Grundfähigkeiten als Voraussetzung für ein gutes Leben an. Zudem betont sie, dass ihre Liste „bewusst allgemein gehalten“ (ebd.) und für alternative Variationen und Spezifikationen offen ist (vgl. NUSSBAUM 2006, S. 76). Vgl. SEN (2004a), S. 78; ROBEYNS (2005), S. 106; ALKIRE (2005), S. 119; LEßMANN (2009), S. 422. Vgl. SEN (2004a), S. 79.

202

Der Moral Point of View

Debatten über die Bedeutung und Reichweite einzelner Verwirklichungschancen öffentlich geführt werden sollten, um so eine allgemein akzeptierte Mehrheitsmeinung herauszubilden739. Folgedessen würde er es als Fehler erachten, “to build a mausoleum for a “fixed and final” list of capabilities usable for every purpose and unaffected by the progress of understanding of the social role and importance of different capabilities”740. Nachdem im vierten Kapitel nun relevante Grundlagen zur Dreiebenenunterscheidung bei der Umsetzung des Moral Point of View dargestellt wurden und eine ausführliche Auseinandersetzung mit diversen moraltheoretischen Ansätzen erfolgt ist, wendet sich das folgende Kapitel dem Economic Point of View und dabei mehreren aus unternehmens- und managementethischer Perspektive relevant erscheinenden Aspekten im Zusammenhang mit dem (auf monetär-ökonomischen Interessen beruhenden) Shareholder- und (auf heterogenen Interessen beruhenden) Stakeholder-Ansatz zu.

739 740

Vgl. SEN (2004a), S. 80; SEN (2000a), S. 100; OOSTERLAKEN (2009), S. 93. SEN (2004a), S. 77. Gleichwohl gesteht er zu, dass es einige grundlegende Verwirklichungschancen („basic capabilities“) gibt, welche auf keiner Liste fehlen dürften (vgl. ebd., S. 79). Vgl. auch SEN (1993), S. 41; SEN (1996), S. 57; NICHOLS/ DONG (2012), S. 193.

5. Der Economic Point of View: Shareholder-Value- vs. Stakeholder-Ansatz In einer arbeitsteiligen Wirtschaft gibt es unterschiedliche Akteure mit unterschiedlichen und zum Teil widersprüchlichen Interessen und Zielen. Für Unternehmen ist es daher unumgänglich, sich mit der (Legitimations-)Frage auseinanderzusetzen, welche oder wessen Interessen die Zielsetzung und Politik bestimmen sollen. Stand bis in die 1990er Jahre noch primär die Shareholder-Value-Maxime im Vordergrund, so vollzieht sich seit einigen Jahrzehnten ein (auch aus ethischer Perspektive bedeutsamer) Wandel bzw. eine Art Gegenbewegung hin zu einer zunehmend Stakeholder-geprägten Sichtweise, in der neben den Shareholdern auch anderen Anspruchsgruppen ein legitimes Interesse zugesprochen wird, in der Unternehmensordnung Berücksichtigung zu finden. Zur Anknüpfung an das zweite Kapitel sei darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass jemand ein Stakeholder (bzw. Shareholder) ist und als solcher anerkannt wird, aus metaphysischem Blickwinkel eine Sozialontologie („social ontology“) darstellt, was wiederum damit zusammenhängt, dass die Transaktionen der Stakeholder und Shareholder mit dem Unternehmen auf diversen (unvollständigen) Verträgen beruhen. Im fünften Kapitel folgt nun eine Analyse des Shareholder-Value- und Stakeholder-Konzeptes aus management- und unternehmensethischer Sicht741. In Unterkapitel 5.1 richtet sich der Blick auf den Shareholder-Value-Ansatz (und hierbei speziell auf die neoklassischen Positionen von FRIEDMAN und WENGER), in Unterkapitel 5.2 primär auf den FREEMANschen Stakeholder-Ansatz. Wie dabei deutlich werden wird, erweisen sich viele Diskussionen um den richtigen Ansatz - Shareholder-Valueoder Stakeholder-Ansatz - als verfehlt, da beide Ansätze in der lokalen Anwendungssituation, in der es konkrete (arbeitsplatzbezogene) Probleme zu lösen gilt und zu einem polydimensionalen Widerstreit mannigfaltiger Interessen kommt, wegen verschiedener Erfordernisse, Abhängig- und Verantwortlichkeiten, Rollen und Wechselwirkungen nie vollkommen isoliert voneinander verfolgt werden können. Aufbauend auf den Erkenntnissen der beiden vorherigen Unterkapitel 4.2

741

Nicht näher eingegangen wird auf die Berechnung des Shareholder-Value, die nach dem EntityAnsatz (auch „Brutto-Prinzip“ genannt) erfolgen kann, auf dem das Konzept von RAPPAPORT beruht (vgl. RAPPAPORT 1995, S. 54ff.), oder auf dem Equity-Ansatz (sog. „Netto-Prinzip“; vgl. zu beiden Ansätzen SCHIERENBECK/ LISTER 2002, S. 104f.; LAUX 2006, S. 403, 419ff.; STIEFL/ VON WESTERHOLT 2008, S. 26f.; PAPE 2004, S. 96ff.).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Wagner, Managementethik und Arbeitsplätze, Studien zur Ethik der Transaktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26382-9_5

204

Der Economic Point of View

und 4.3 zur normativen Ethik werden in Unterkapitel 5.3 weitergehende Überlegungen zur moralphilosophischen Orientierung der Gesellschaft (und damit zur breiten Bevölkerung) als Gesamt-Stakeholder angestellt.

5.1

Shareholder-Value-Ansatz

Große produzierende Unternehmen sind heute meist managergeführte Unternehmen742, welche (in der Regel mit einem Börsengang) in ihrer Kapitalstruktur durch externe Eigenkapitalgeber versorgt werden müssen, um ihre Geschäfte durchführen und sich weiterentwickeln zu können. Diese Entwicklung hat in den letzten Jahrzehnten überhaupt erst dazu geführt, dass Interessenkonflikte zwischen Kapitaleignern und Managern entstanden sind. Stark ausgeprägt ist dieses Schema bei der Publikums-AG, in der es einerseits das Management gibt, welches das Unternehmen operativ führt, andererseits viele Eigenkapitalgeber, die sich nicht in die Unternehmensgeschicke einbringen, auch wenn alle Verfügungsrechte743 am Unternehmen in der Hand der Eigentümer konzentriert sind744. Der durch RAPPAPORT in den 1980ern geprägte Shareholder-Value-Ansatz steht für eine Geschäftspolitik, in der das Management sein Handeln ausschließlich (interessenmonistisch745)

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Während bei KMU Kapitaleigner und Management häufig zusammenfallen, liegt in größeren Unternehmen meist eine Trennung zwischen jenen Akteuren vor, die das Unternehmen ursprünglich gegründet, zunächst geführt und das notwendige Kapital aufgebracht haben, und denjenigen, die es zu einem späteren Zeitpunkt (ggf. mit-) führen (vgl. STRUNZ/ DORSCH 2009, S. 20f.; SCHUMANN/ MEYER/ STRÖBELE 2011, S. 129f.). Die Property-Rights-Theorie (vgl. ALCHIAN/ DEMSETZ 1973; FURUBOTN/ PEJOVIČ 1972; PICOT ET AL. 2012, S. 57ff.) unterscheidet vier Verfügungsrechte im Sinne von Teilrechten, die Akteure haben können: Das Recht, die (1) Ressource (Sachgut, Dienstleistung, Idee, Recht) zu nutzen (usus); (2) Erträge bei Verwendung der Ressource einzubehalten bzw. die Pflicht, Verluste auf sich zu nehmen (usus fructus); (3) Ressource zu verändern (abusus); (4) Ressource zu veräußern und Erlöse daraus einzunehmen (ius abutendi). In der AG liegt die eigentliche Entscheidungshoheit in allen zentralen Fragen bei der Hauptversammlung als Gremium der Eigentümer. Da sich bei vielen Publikumsgesellschaften ein Großteil der Aktien im Streubesitz zahlreicher Property-Rights-Träger befindet, müssen viele Entscheidungen de facto vom Vorstand als geschäftsführender Instanz getroffen werden. Die Verfügungsrechte des Vorstands sind im Vergleich zu denen der Eigentümer eingeschränkt, umfassen aber das Recht auf Nutzung der Unternehmensressourcen, da es sonst unmöglich wäre, das Unternehmen zu führen (vgl. JONES/ BOUNCKEN 2008, S. 437). Die Legitimationsfrage wird im Shareholder-Value-Ansatz zugunsten einer interessenmonistischen Unternehmensordnung aufgelöst, sodass „nur ein Interesse, [nämlich] [...] das der Kapitaleigner [...] für die Steuerung der Unternehmenstätigkeit verbindlich ist“ (GERUM/ MÖLLS 2009, S. 227). Vgl. auch GÖBEL (2002), S. 218.

Shareholder-Value-Ansatz

205

am Wert der Aktien der Shareholder (Eigentümer, Anteilseigner, Aktionäre, Gesellschafter) zu orientieren hat746. Er fußt damit auf dem Konzept der wertorientierten Unternehmensführung bzw. -steuerung747. Dabei ist klarzustellen, dass „Wertorientierung“ im Grunde das Gegenteil von dem meint, was mit „Werteorientierung“ ausgedrückt werden soll748: Letzteres bedeutet, vereinfacht ausgedrückt, sich Gedanken darüber zu machen, welche gesellschaftlichen und menschlichen Werte es gibt, zugleich aber auch den Versuch anzustellen, diese Werte in seine Überlegungen und Handlungen einfließen zu lassen (also z. B. Freundlichkeit, Ehre, Fleiß, Nächstenliebe oder Engagement als Werte, auf die man in irgendeiner Weise hinarbeiten kann). Eine wertorientierte Unternehmenssteuerung steht dagegen für eine geldorientierte Steuerung. Sie fällt in den Bereich des Denkens, in dem alle anderen (nicht-ökonomischen) Werte, insofern sie nicht dem Shareholder-Value dienlich sind, ignoriert werden749, da eine Konzentration auf den „Wert“ Geld erfolgt750. Wertorientierung meint also eine starke (gar Über-) Betonung des quantitativ751-finanziellen Unternehmensziels und damit zugleich eine weniger starke Betonung aller anderen qualitativen (sachlichen, ökologischen, sozialen) Ziele. 746

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Vgl. RAPPAPORT (1995), S. 1; WENGER/ KNOLL (1999), S. 433ff.; BAUM/ COENENBERG/ GÜNTHER (2007), S. 274. Dabei wird unterstellt, dass zwischen den Shareholdern und dem Management (sowie weiteren Stakeholdern) Interessenunterschiede bestehen, die wegen der begrenzten Kontrollmöglichkeiten der Shareholder dazu führen können, dass „Agenten [z. B. Manager] nicht immer im besten Interesse der Eigentümer handeln“ (RAPPAPORT 1995, S. 6). RAPPAPORT nennt vier Faktoren, die das Management veranlassen sollen, eine an den Zielen der Shareholder orientierte Haltung einzunehmen: (1) Kapitalbeteiligung am Unternehmen; (2) Anbindung des Anreizund Entlohnungssystems an Shareholder-Rendite; (3) Übernahmedrohung durch anderes Unternehmen; (4) lebendige Konkurrenz auf internem und externem Arbeitsmarkt für Manager (vgl. ebd., S. 7ff.). Vgl. SCHIERENBECK/ LISTER (2002), S. 3, 77. Die wertorientierte Unternehmenssteuerung hat sich hierzulande erst in den vergangenen rund 25 Jahren stärker verbreitet. Während ab Ende der 1960er Jahre im Zuge der Abkehr von tayloristischen Arbeitsformen soziale Ziele bzw. Werte aufgekommen sind und der Blick auf den Menschen im Unternehmen an Bedeutung gewann (vgl. OECHSLER 2006, S. 291f.; OECHSLER/ PAUL 2015, S. 3; bekannte, im Kontext mit der Gestaltung der Arbeitswelt stehende Bereiche sind: Humanisierung der Arbeit, betriebliche Kindergärten und Kantinen, Pensionsrückstellungen und Betriebsrente usw.), ist in den 1970er und 1980er Jahren der Umwelt- und Naturschutzgedanke ins Zentrum des Interesses getreten (vgl. ENGELFRIED 2011, S. 14). Viele der primär auf die Nutzenmehrung der Shareholder ausgerichteten Ansprachen, die CEOs in den 90ern auf Hauptversammlungen gehalten haben, wären insofern vermutlich in den 60ern und 70ern noch lautstark ausgepfiffen worden. Ähnlich ZINKANN (2010), S. 97f. Vgl. PEPELS (2005), S. 212. Vgl. SCHRAMM (2008a), S. 56. Quantitativ deshalb, weil der Sachverhalt „Geld“ bereits quantifiziert ist und in Euro und Cent gemessen wird.

206

Der Economic Point of View

Die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung interessierende „ökonomische Ethik“ hinter dem Shareholder-Value-Konzept (im Verhältnis zu den Shareholdern) wird in den beiden folgenden Abschnitten am Beispiel von FRIEDMAN und WENGER demonstriert.

5.1.1

Ökonomische „Ethik“ hinter dem Shareholder-Value-Ansatz am Beispiel von FRIEDMAN

Der marktliberale neoklassische Ökonom MILTON FRIEDMAN752 hat sich in seiner monodimensional ökonomisch ausgelegten Argumentation strikt gegen eine nicht zur Profitabilität beitragende soziale und moralische Unternehmensverantwortung ausgesprochen753. Nach FRIEDMAN kann Verantwortung nur von handelnden Menschen mit Sinn und Verstand, nicht aber vom Markt oder von Organisationen als unpersönlichen juristischen Konstrukten, Mechanismen und Strukturen übernommen werden, zumal z. B. „der Markt“ im Vergleich zu Individuen auch nicht im eigentlichen Sinne bestraft werden kann754. Er macht Moral deshalb nur an Individuen fest, da alles andere für ihn einer Falschzuordnung entsprechen würde 755. FRIEDMAN nimmt damit in der Frage der moralischen Verantwortungszuschreibung und -übernahme eine zur heute verbreiteten Moralauffassung konträre Hal-

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Der 1970 im NYTM veröffentlichte Aufsatz “The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits“ (vgl. FRIEDMAN 2007) gehört, auch wegen seines Titels, zu den am häufigsten zitierten Aufsätzen der Unternehmens- bzw. Managementethik. Und das, obwohl MILTON FRIEDMAN (1912-2006, Wirtschaftsnobelpreis 1976) selbst davon ausging, dass es gar keine Unternehmensbzw. Managementethik gibt. Vgl. FRIEDMAN (1971), S. 175. Soziale Verantwortung (CSR, Stakeholder-Kooperation, ethisches Engagement) erachtet FRIEDMAN nur insoweit für zulässig, als es der Erreichung ökonomischer Ziele dient. Die innere Intention solcher Maßnahmen ist für ihn dagegen irrelevant, da es ihm nur um ein „window-dressing“ geht (vgl. ebd.). Vgl. auch SCHRAMM (2014), S. 2; PEUS ET AL. (2010), S. 195; KAVANAGH (1982), S. 28. Der Markt setzt sich aus vielen Einzelakteuren mit verschiedenen Vorstellungen zusammen, sodass bei Fehlentwicklungen kein Akteur eindeutig schuldig gesprochen werden kann. Als komplexer, anonymer Mechanismus kann sich der Markt nicht moralisch richtig oder falsch „verhalten“. Insofern wäre es nicht sinnvoll, Gerechtigkeit vom Markt einzufordern. Es ist nur möglich, und hier liegt das Anliegen der Wirtschaftsethik, die institutionellen Spielregeln des Marktes so zu gestalten, dass dieser zu allgemein konsensfähigen Ergebnissen führt. “If a building can’t have responsibility what does it mean to say that a corporation can’t? A corporation is simply a artificial legal structure […], it’s neither moral nor immoral. […] But the people who are engaged in it, […] they all have moral responsibilities” (Zitat aus der Dokumentation „The Corporation“, vgl. BAKAN/ ACHBAR/ ABBOTT 2003; ähnlich FRIEDMAN 2007, S. 173).

Shareholder-Value-Ansatz

207

tung ein. So hebt PAINE hervor, dass die Übernahme von Verantwortung für Moralprobleme nicht nur eine Angelegenheit einzelner Individuen (z. B. Manager) ist, auch wenn diese Position in der Vergangenheit häufiger von Unternehmensvertretern vorgetragen wurde756. Vielmehr geht sie davon aus, dass Unternehmen eine soziale Verantwortung zugeschrieben wird, welche sie durch die Gestaltung der internen Anreiz- und Organisationsstrukturen, Vergütungssysteme, Abläufe und Regeln wahrnehmen und steuern können. Die Annahme ist, dass Organisationsstrukturen das Verhalten der Individuen mitformen (“Organizations Shape Individuals‘ Behavior“757), wobei die Gestaltung der Mechanismen Aufgabe des Managements ist758. FRIEDMAN hingegen sieht die einzige „soziale“ Verantwortung von Unternehmen darin, unter Einhaltung der geltenden Vorschriften den Profit (seit den 1980ern könnte man sagen: Shareholder-Value)759 zu maximieren: 756

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“Many managers think of ethics as […] a confidential matter between individuals and their consciences [Moral als Sache des individuellen Herzens, der Vernunft]. These executives are quick to describe any wrongdoing as an isolated incident, the work of an rogue employee. […] Ethics, after all, has nothing to do with management [or: “it has only to do with individual managers”]“ (PAINE 1994, S. 106). Vgl. auch WIELAND (2001a), S. 19; PEUS ET AL. (2010), S. 195; STAFFELBACH (2010), S. 79; CARROLL/ BUCHHOLTZ (2008), S. 644; WEISS (2003), S. 15f. PAINE (1994), S. 107. Sowohl das „building” als auch die „corporation“ werden von Menschen geschaffen. Im Gegensatz zu Organisationen sind Gebäude aber durch bestimmte, in die Organisationsstruktur verankerte Anreize gekennzeichnet, die das Verhalten ihrer Mitglieder kanalisieren (so setzt ein Unternehmen, das jährlich jene 10 % der Mitarbeiter entlässt, die den geringsten Wertschöpfungsbeitrag leisten, eben solche Anreize). Insofern kann auf dieser Basis ein Urteil darüber gefällt werden, inwieweit solche Strukturen (bzw. das Handeln der juristischen Person als Ganzes) als richtig oder falsch, (kontra-)produktiv oder (un-)ethisch zu werten sind. Zwar sind es Individuen, von denen die Anreize ausgehen, jedoch kondensieren und sedimentieren sich diese Anreize in den Strukturen und im moralischen Verhalten des gesamten Unternehmens. Dass Unternehmen als solche zur Rechenschaft gezogen werden können, zeigt sich daran, dass in den USA (seit Inkrafttreten der Federal Sentencing Guidelines 1991) und einigen europäischen Ländern (z. B. Frankreich) ein Unternehmensstrafrecht besteht. Auch wenn hierzulande bislang keine Übertragung des Strafrechts auf juristische Personen erfolgt ist, so haben Unternehmen doch damit zu rechnen, für das Fehlverhalten ihrer Organe und Vertreter im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG mit einer Geldbuße von bis zu einer Mio. Euro belegt zu werden. Wichtig ist zudem der Verweis in § 30 Abs. 3 OWiG auf § 17 Abs. 4 OWiG, nach dem „[d]ie Geldbuße [...] den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen [soll]. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden“. Ein Beispiel hierfür ist die Siemens AG, die 2008 im Zuge ihrer Korruptionsaffäre zu einem Bußgeld von 395 Mio. Euro verurteilt wurde. Zudem muss die Gesellschaft ein Interesse daran haben, dass Manager ihre Gestaltungsaufgabe ernst nehmen und die Strukturen so ausrichten, dass ein ethisch integres Verhalten resultiert. Dieser Aspekt war in den 1990er Jahren mit ausschlaggebend für die Überlegungen der US-Regierung, ein Unternehmensstrafrecht einzuführen. RAPPAPORT, der Erfinder der Shareholder-Value-Theorie, hat im Grunde dieselbe Doktrin vertreten, wie zuvor bereits FRIEDMAN („to make as much money as possible“). So ist bei RAPPAPORT

208

Der Economic Point of View

“[A] corporate executive is an employee of the owners of the business. He has direct responsibility to his employers. That responsibility is to conduct the business in accordance with their desires, which generally will be to make as much money as possible”760. Manager sind als Agenten also nur den Anteilseigern gegenüber verantwortlich761. Dabei ist FRIEDMAN insofern zuzustimmen, als dass die Marktwirtschaft (bzw. Wirtschaftsmaschinerie im Ganzen), deren Herzstück das Gewinnmaximierungsprinzip ist, einen sozialen Effekt hat und auch ethisch zu rechtfertigen ist: Sie erzeugt Wohlstand, führt zu Innovationen, kostengünstigen Produktionsverfahren usw. - kurz: sie erbringt für die meisten Menschen Nutzen (wäre das nicht so, dann müsste ohnehin für ein alternatives Wirtschaftssystem votiert werden) 762. Daher

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(1995, S. 1) „die Erhöhung des Wertes des von den Eigentümern investierten Kapitals die fundamentale Zielsetzung eines Unternehmens“. FRIEDMAN (2007), S. 173. Ähnlich FRIEDMAN (1971), S. 175. Vgl. BEVC (2007), S. 126. Die eigentliche „soziale“ Verantwortung (Treuepflicht) des Managements besteht gegenüber den Shareholdern (Prinzipalen), denen das Unternehmen gehört. Sie haben ihr Kapital dem Management als ihren Angestellten (Agenten) anvertraut, um es zu mehren. Eine anderweitige Geldverwendung der Agenten für ethische Zwecke (Einstellung von Behinderten, integrer Stellenabbau o. Ä.) würde einer Kapitalveruntreuung bzw. Art Besteuerung gleichkommen (vgl. SUCHANEK 2004, S. 109ff.; ORLANDO 2003, S. 38). Den Shareholdern selbst steht es dagegen frei, ihr Geld für ethische Zwecke einzusetzen. Eine Besteuerung darf aber nur durch den Staat erfolgen (wobei FRIEDMAN selbst den Staatsapparat massiv zurückgefahren hätte, vgl. das Interview “Take it to the Limits: MILTON FRIEDMAN on Libertarianism“), nicht durch Unternehmen: “[I]f he [the executive] does this, he is in effect imposing taxes, on the one hand, and deciding how the tax proceeds shall be spent, on the other“ (FRIEDMAN 2007, S. 175). Therefore, “[h]e becomes in effect a public employee” (ebd.). Der freie Markt besteht FRIEDMAN zufolge aus dem freien Tausch zwischen Verkäufer (Produzent) und Käufer (Konsument), der ohne Eingriffe und Zwang abzulaufen hat. Weitere Werte oder soziale Verantwortlichkeiten wären aus Sicht eines liberalen Marktwirtschaftlers deplatzierte Fremdkörper, die direkt unter Käufer und Verkäufer auszuhandeln sind: “The political principle that underlies the market mechanism is unanimity [Konsens zwischen Vertragspartnern]. In an ideal free market resting on private property, no individual can coerce any other, all cooperation is voluntary“ (ebd., S. 178). Kritisch ist hier, dass FRIEDMAN von einer Idealisierung des freien Marktes ausgeht. Er ignoriert, dass reale Märkte auch ruinöse Wettbewerbsprozesse hervorbringen können (so würde es in einem idealen freien Markt keine Korruption geben). Der ideale Markt ist häufig nur in „verschmutzter“ Form real. Unternehmen agieren in keiner lückenlosen Rahmenordnung (vgl. PIES/ BECKMANN/ HIELSCHER 2011, S. 18), sondern in einem realen Markt, in dem Probleme zwischen Gewinn und Moral entstehen. Dabei ist zu bedenken, dass Verträge unvollständig sind und Gesetze nur einen (teils umgehbaren) Rahmen vorgeben. Vgl. HOMANN (2014); HOMANN/ BLOME-DRESS (1992), S. 49. Das belegt der Umstand, dass die letzte Hungersnot in Deutschland 1847 registriert wurde. „Das BIP pro Kopf […] betrug in jetzigen Preisen gerechnet 1950 5.150 Euro, 2008 waren es knapp 30.000 Euro je Einwohner [2013: 33.300 Euro]“ (ZEIL 2014, S. 28).

Shareholder-Value-Ansatz

209

muss jedes realistisch ausgestaltbare Wirtschaftssystem im Kern ein Kapitalismus sein. Worauf es mehr ankommt, ist die Frage, welche Spielregeln in der Marktwirtschaft gesetzt werden. Ungeachtet dessen ist zu sehen, dass im „ShareholderValue-System“, das durch einen hohen Druck vonseiten der Aktionäre und eine anonyme Abwicklungsform gekennzeichnet ist (Fondsmanagern geht es um den Wertzuwachs von Aktien, nicht um das Unternehmen hinter den Aktien) 763, die Profiterzielung das Oberziel bildet, auch wenn einzelne Shareholder, die (etwa als Kleinanleger) bei ihrer Bank Aktien kaufen, hierfür nicht monodimensional profitorientiert sein müssen. Viele Fondsanleger sind ohnehin nur begrenzt darüber informiert, in welche Unternehmen und Projekte sie genau investieren764. Das Gesagte ändert aber nichts daran, dass eine AG Shareholder-Value erzeugen muss. Dennoch, und dies ist metaphysisch und managementethisch relevant, greift FRIEDMANs Argumentation zu kurz. Gewinnerzielung ist zwar das Leitmotiv der Unternehmen in einer freien Marktwirtschaft, es gibt aber „auch verfehlte Formen der Gewinnmaximierung“765 im Sinne eines ökonomistischen (empiristischen) Fehlschlusses766. Das wird deutlich, wenn man bedenkt, dass Unternehmen des Öfteren vor Situationen stehen, in denen sie ihren Gewinn kurzfristig auf Kosten 763

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In diese Richtung zielte auch der damalige SPD-Vorsitzende FRANZ MÜNTEFERING in einem Interview mit der Bild am Sonntag vom 17. April 2005: „Manche [anonymen] Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten - sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter“. Vgl. ORLANDO (2003), S. 44; NOLL (2012), S. 272; SCHUMPETER (1980), S. 230. SUCHANEK (2004), S. 113. Eine „typische Form eines [unternehmensethischen] Fehlschlusses ist der empiristische Fehlschluss, bei dem aus der Analyse von [empirischen Handlungsbedingungen - Frage: Was können wir tun?] (2) normative Empfehlungen abgeleitet werden, ohne dass [moralische Ideale/ Grundnormen - Frage: Was wollen wir?] (1), die normativen Grundlagen, offengelegt bzw. begründet werden“ (SUCHANEK 2007, S. 34; vgl. auch HOMANN/ SUCHANEK 2005, S. 115). Beim ökonomistischen Fehlschluss, der aus den Argumenten neoliberaler Ökonomen herauszuhören ist, werden moralisch erwünschte Ziele missachtet, da rein ökonomisch argumentiert wird. Ein moralistischer (normativistischer) Fehlschluss würde darin begründet liegen, dass von moralischen Idealen direkt, d. h. ohne Rücksicht auf empirische Bedingungen (ökonomische oder wettbewerbliche Rahmenbedingungen), normative Folgerungen (Frage: Was sollen wir tun?) auf der Anwendungs- und Implementierungsebene abgeleitet werden (vgl. SUCHANEK 2007, S. 31; HOMANN/ SUCHANEK 2005, S. 115; HÖFFE 2013, S. 13). Dieser Fehlschluss wird in Unterabschnitt 8.1.3.1 als „Fallacy of Disregarded Abstractness“ eingeführt. Durch den moralistischen Fehlschluss kann es zur moralischen Überforderung der im Wettbewerb stehenden Akteure und in der Folge zur Selbsteliminierung der Moral kommen (vgl. SUCHANEK 2007, S. 32f.; NOLL 2012, S. 284). So auch JOSEPH RATZINGER (1986, S. 56): „Eine Moral, die [...] die Sachkenntnis der Wirtschaftsgesetze überspringen zu können meint, ist nicht Moral, sondern Moralismus, also das Gegenteil von Moral“.

210

Der Economic Point of View

anderer Stakeholder steigern können. Solche Gelegenheiten werden häufig wahrgenommen, ohne daraus direkt negative Folgen befürchten zu müssen. Nahe liegt aber, dass Unternehmen, die dazu übergehen, sämtliche sich ihnen bietenden Gewinnsteigerungsoptionen zu nutzen (und damit „abseits der goldenen »Mitte« der Markttugend“767 operieren), irgendwann einen Punkt erreichen werden, an dem sie ihre „license to operate“ infolge ihrer wiederholten Pflichtverletzungen verlieren, und zwar nicht nur immateriell bzw. moralisch (was für FRIEDMAN kein relevantes Argument wäre, da er die Gewinnmaximierung moralisch im Recht sieht), sondern auch materiell bzw. ökonomisch, wenn der Kooperationswillen relevanter Stakeholder (etwa das Kaufinteresse der Konsumenten) ins Wanken gerät oder gar wegbricht768. Die gesamte wirtschaftliche Evolution sorgt dafür, dass im Prinzip mehrheitlich gute und integre Unternehmer überbleiben. Den Gedanken eines balancierten Verhältnisses von Gewinn und sozialer Verantwortung greift FRIEDMAN aber (wie andere liberale Ökonomen) - zumindest vordergründig - nicht ausreichend auf, obwohl das (auch unter pragmatischen Aspekten) sinnvoll wäre. Der Umstand, dass das Management als Agent der Eigentümer agiert, liefert jedenfalls keine Rechtfertigung für einen beliebigen Umgang mit arbeitsplatzbezogenen moralischen Fragen769. Zum anderen beinhaltet FRIEDMANs Argumentation, wie SCHRAMM es auf den Punkt bringt, einen „Taschenspielertrick“770. Dies wird deutlich, wenn man obiges

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SCHRAMM (2017a), S. 177. Vgl. dazu Abschnitt 7.3.1, der sich mit ARISTOTELES‘ Tugendkonzept befasst. Letzterer Fall tritt vor allem dann auf, wenn dem Unternehmen auch ein juristisches Verfahren anhängig ist. Es gilt, “that moral duties “transfer through“ from principal to agent […]. Thus, an act of downsizing cannot be morally justified in virtue of the fact that it is done in the interests of the shareholders […], since if it is wrong for the shareholders to perform that act, then it is equally wrong for the manager” (ORLANDO 2003, S. 38). SCHRAMM (2012), S. 31. Ein ähnlicher Taschenspielertrick ist beim Ökonomen ALBACH zu identifizieren, der zu dem ökonomistisch verkürzten Schluss gelangt, dass die BWL als solche mit Ethik gleichzusetzen wäre: „Die Behauptung „Guter Manager = Betriebswirtschaftslehre plus Unternehmensethik“ ist falsch. Richtig ist [...]: „Guter Manager = guter Betriebswirt [These 1]““ (ALBACH 2005a, S. 810). Darauf stellt er folgende Bedingung für These 1 auf: „Das erwerbswirtschaftliche Prinzip impliziert nur in einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung ethisch gerechtfertigtes Handeln. Ordnungsethik verweist insoweit auf die Pflicht des Staates, Gesetze zu erlassen und für ihre Einhaltung zu sorgen, die ethisch gerechtfertigtes Handeln nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip nahe legen oder gar erzwingen [These 2]“ (ebd., S. 813). Die BWL ist also nur dann mit Unternehmensethik gleichzusetzen, wenn der Staat im Vorfeld seine moralische Verantwortung erfüllt und geeignete Rahmenregeln erlassen hat. Die ethische Verantwortung liegt,

Shareholder-Value-Ansatz

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Zitat von FRIEDMAN genauer betrachtet. Hier fällt auf, dass FRIEDMAN es zwar als einzige soziale Verantwortung des Managements ansieht, “to make as much money as possible [...]”, dass er zugleich aber auf die Bedeutung der Einhaltung der Gesetze und „ethischen Üblichkeiten“ hinweist: “[...] while conforming to the basic rules of the society, both those embodied in law and those embodied in ethical custom“771. Dabei bleibt unklar, was er unter „ethischen Üblichkeiten“ (Gepflogen-, Gewohnheiten) genau versteht772, trotzdem führt er durch die Hintertür das ein, was er zu Beginn des Satzes noch bestritten hat, nämlich die Notwendigkeit der Einbeziehung managementethischer Fragen (z. B.: Was sind „ethische Üblichkeiten“? Was wird von Unternehmen bei Entlassungen (ethisch) erwartet? Was sollte arbeitsrechtlich festgeschrieben werden? Was ist gute Sitte?)773. Die eigentliche Kunst des Managements bzw. das Geschäft der Managementethik liegt darin, sich in der Polydimensionalität aus ökonomischen Erfordernissen, gesetzlichen Ansprüchen und ethischen Erwartungen zurechtzufinden. Insofern sind Managementtransaktionen auch bei FRIEDMAN, selbst wenn dies zunächst untergeht, keine rein am Shareholder-Value (also der Gewinn- und Kostenseite) orientierten, sondern polydimensionale Prozesse. Ausgehend von dieser Polydimensionalität resultieren weitere Fragen, so etwa, wie vorzugehen ist, wenn es zum Widerstreit zwischen Gewinn und Moral im operativen Management kommt. Denn solange sich moralisches Handeln auszahlt oder zu Null herauskommt, liegt es - wie FRIEDMAN feststellt - nahe, es umzusetzen (sei es instrumentell, weil es sich rechnet, oder sei es, weil die Intention für moralisches Handeln bereits vorlag). In dieser

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ähnlich wie in HOMANNs Ansatz, den ALBACH (2005b, S. 20) als geeignet ansieht, nicht im operativen Management (vgl. Abschnitte 7.1.2 und 7.1.3). Manager sind nur für die Gewinnmaximierung verantwortlich. Sobald Letztere zu moralischen Problemen führt, bedarf es geeigneter Ordnungsregeln durch den Staat, was der klassischen Idee des Ordoliberalismus entspricht. Eine solche Vorstellung ist, wie im Kontext mit FRIEDMAN gezeigt, theoretisch richtig (Ordnungsethik ist wichtig, um Managemententscheidungen so zu kanalisieren, dass ökonomisch gewinnbringendes auch gesellschaftlich erwünschtes Tun ist), in der praktischen Umsetzung erweist sie sich aber als idealisiert, da der Staat - siehe die Finanzkrise - in der realen Welt überfordert ist, jene Spielregeln zu setzen, die zu den gewünschten Ergebnissen führen. Mit seiner Einschränkung (These 2) gibt ALBACH unter der Hand zu verstehen, dass Economic und Moral Point of View nicht identisch sind, sondern nur unter der genannten Bedingung zu identischen Ergebnissen führen. BWL ohne Unternehmensethik (Moral, CSR usw.) ist etwas anderes als BWL mit Unternehmensethik. FRIEDMAN (2007), S. 173f. Anzunehmen ist, dass er zu den „ethischen Üblichkeiten“ all das zählen würde, was dazu beitragen könnte, die Wirtschaftsmaschinerie aufrechtzuerhalten (also z. B. die Einhaltung von Verträgen). Vgl. SCHRAMM (2012), S. 32. Es legt sich der Verdacht nahe, dass FRIEDMAN eigentlich einen Shareholder-Value-Ansatz „fahren“ wollte (was auch der Ideologie entspricht, die das Managementdenken jahrzehntelang geprägt hat), sich aber darüber bewusst war, dass die Probleme des Managements polydimensional gelagert sind.

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Der Economic Point of View

Hinsicht ist auch dem (Creating) Shared-Value-Konzept von PORTER und KRAMER zuzustimmen774. Managementprobleme entstehen dann, wenn Moral kostet und es darum geht, festzulegen, wie sich eine Moralstrategie rentabler machen lässt, wo Schnittmengen zwischen ökonomischen und moralischen Zielen liegen, oder, wenn sich beides nicht als Win-win-Situation vereinen lässt, ob auf Moral zu verzichten ist. Hierin liegt die Kunst „ethischer Üblichkeiten“ und der Unterschied zwischen der abstrakten Idee der Wirtschaftsmaschinerie und der polydimensionalen Realität, den die Neoklassik ignoriert 775: Die neoklassische Theorie unterstellt, dass der abstrakte Marktmechanismus, der vor Eingriffen und Regulierungen verschont zu bleiben hat, bereits der Wirklichkeit entspricht. Das heißt, das 774

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Das Shared-Value-Konzept wurde 2011 als eine Art Neuerfindung des Kapitalismus eingeführt (vgl. PORTER/ KRAMER 2011, S. 64), mit dem das bestehende CSR-Konzept zugleich überwunden werden sollte (vgl. ebd., S. 66, 76). Wie FRIEDMAN gehen auch PORTER und KRAMER davon aus, dass sich die Gewinnerzielung von Unternehmen im Rahmen der Gesetze und „ethischen Üblichkeiten“ zu bewegen hat (vgl. ebd., S. 75), sodass die Moralprobleme der operativen Mikroebene von vornherein nicht Teil des Konzeptes sind. Manager, die „Shared-Value“ schaffen wollen, müssen vorab versuchen, mögliche Moralprobleme (bzw. den Widerstreit zwischen Gewinn („value“) und Moral („values“)) „subjektiv“ zu lösen. Anders als FRIEDMAN gehen sie aber nicht davon aus, dass Profitmaximierung für sich genommen zum Wohle der Gesellschaft ist. Das Konzept basiert dagegen auf der Idee, dass das Profitstreben der Unternehmen so ausgerichtet sein sollte, dass es sich (im Win-win-Sinne) zum Nutzen der Gesellschaft auswirkt: Durch das Kerngeschäft soll „Value“ für das Unternehmen und die Gesellschaft erzeugt werden, wobei „Value“, wie dem Titel des Ansatzes zu entnehmen ist, für ökonomische Werte steht (z. B. könnte es sich um eine Einkommenssteigerung für Kaffeebauern handeln, die von einer Metaebene aus betrachtet positiv zu werten wäre). Die Schaffung moralischer Werte ist, wie ausgeführt, als Voraussetzung des Konzeptes vorgelagert und wird den einzelnen Managersubjekten überlassen. PORTER und KRAMER basieren ihre Argumentation dabei auf der Metapher der unsichtbaren Hand von SMITH, womit zugleich gesagt ist, dass auch der CSV-Ansatz rein ökonomisch ist: Es liegt im Eigeninteresse der Unternehmen, Shared-Value-Situationen zu erzeugen. Noch wichtiger ist aber, dass hier eine Idealisierung der faktischen Problemlage vorgenommen wird, da akute Spannungsfelder zwischen Gewinn und Moral ignoriert werden. In der Managementrealität gibt es Widerstreite zwischen betriebswirtschaftlichen und moralischen Zielen, sodass sich Optionen bieten, Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit (der Konsumenten oder Arbeitnehmer) zu erzielen. Spätestens dann aber, wenn betriebswirtschaftliche und gesellschaftliche Interessen nicht „shared“ sind, wenn Profit auf Kosten der Moral (bzw. „Value“ auf Kosten von anderen) geht, müssen sich Unternehmen damit befassen, wie sie mit dem Widerstreit zwischen „Value“ und „Values“ umgehen sollen. Moralisch desinteressierte Manager kommen hier zu anderen Entscheidungen als solche mit genuin moralischen Interessen. Es gibt also einen Tradeoff zwischen ökonomischen und moralisch-sozialen (Gesellschafts-)Interessen, der nicht ignoriert werden kann (“CSV ignores the tensions between social and economic goals“, CRANE ET AL. 2014, S. 132, 136, 152). Insofern werden die Schwierigkeiten, die sich in der (kontingenten, polydimensionalen) Praxis aus unternehmens- und managementethischer Sicht ergeben, im CSV-Ansatz wegdefiniert. Jedenfalls wäre es verkehrt, davon auszugehen, dass der Markt immer zu Shared-Value-Lösungen hinführen würde. Irgendeine Form von Wertemanagement (CSR o. Ä.) erscheint am Ende doch unausweichlich. Vgl. SCHRAMM (2014), S. 4; SCHRAMM (2016b), S. 37f.

Shareholder-Value-Ansatz

213

Eigenrecht des Konkreten wird in einem neoklassischen Modellplatonismus übersprungen776. Dieser Fehlschluss wird in Unterabschnitt 8.1.3.1 als „Fallacy of Misplaced Concreteness“ eingeführt und noch ausführlicher behandelt. Ähnlich irritierend wirkt es, wenn FRIEDMAN das mögliche Selbstverständnis und Rollenbild einer Führungskraft als Privatperson aufzeichnet. Während er es einer Führungskraft in ihrer Managerrolle untersagt, soziale Verantwortung zu übernehmen, gesteht er es ihr privat zu, to “have many other responsibilities that he recognizes or assumes voluntarily - to his family, his conscience, his feelings of charity, his church, his clubs, his city, his country. He may feel impelled by these responsibilities to devote part of his income to causes he regards as worthy, to refuse to work for particular corporations [and so on]“777. Nun ist nicht zu bestreiten, dass Führungskräfte in einem Wirtschafts- und Wettbewerbssystem in ihrer Managerrolle teils anders denken und handeln (müssen), als in ihrer Rolle als Privatperson778. Die Moral des Marktes ist eine andere als die der Familie 779. So macht es einen Unterschied, ob Maßnahmen der sozialen Verantwortung - wie im Falle der Managerrolle - durch das Kapital der Shareholder oder - wie im Falle der Rolle als Privatperson (oder eigentümergeführter Unternehmen) - aus eigener Tasche finanziert werden780. Dennoch scheint die von FRIEDMAN skizzierte Doppelrolle781, in welche er Manager drängt, unrealistisch zu sein782. Es mag Führungskräfte geben, die in ihrer Managerrolle, salopp gesprochen, ihr Gewissen ausschalten und rein 776 777 778 779

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Vgl. SCHRAMM (2016b), S. 46f.; ALBERT (1965). FRIEDMAN (2007), S. 174. Vgl. DAHRENDORF/ ABELS (2010), S. 34f. ROTHE (2007, S. 315) bringt diesen Gedanken im Arbeitsplatzkontext wie folgt zum Ausdruck: „Familien bauen kein Personal ab, wenn das Familieneinkommen [oder die „Leistungsfähigkeit“ eines Mitglieds] abnimmt. Sie halten zusammen, solange es geht [Beziehungsaspekt im Fokus]. Hingegen wird in heutigen Unternehmen Personal abgebaut, um Gewinne zu erzielen oder um Verluste zu vermeiden, auch dann wenn die Existenz des Unternehmens nicht bedroht ist [Sach-/ Leistungsaspekt im Fokus; Menschen als Mittel zum Zweck]“. Vgl. hierzu auch Unterkapitel 5.3. Ein mittelständischer Familienunternehmer kann aus einem Verantwortungsgefühl heraus zugunsten der heimischen Beschäftigung auf Renditeteile verzichten. Dabei verfügt er über sein Geld. Niemand kann von einer AG aber verlangen, ihr Handeln nicht am Wert ihrer Aktien (und damit am Interesse der Risikoträger) auszurichten, da solche Forderungen an der Geschäftsgrundlage einer AG vorbeigehen würden (vgl. JUNGBLUTH 2008). Eine ähnliche Argumentation wird im Kontext mit WILLIAMSON vorgetragen (vgl. 7.2.1.2). Auch das zweite Beispiel im obigen Zitat (“He may feel impelled…“) erscheint nicht ganz schlüssig. Einerseits weist FRIEDMAN darauf hin, dass Manager es aus Gewissensgründen ablehnen können, für gewisse Unternehmen zu arbeiten (etwa weil diese durch unmoralische Praktiken aufgefallen sind). Zugleich legt er es denselben Managern nahe, ihr Handeln bei einem Arbeitgeber monodimensional ökonomisch am Profit auszurichten.

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Der Economic Point of View

profitorientiert agieren (Mitarbeiter ausbeuten, „feuern“ usw.), während sie gleichzeitig in ihrer Elternrolle (als Vereinsmitglied o. Ä.) soziale Verantwortung praktizieren. Ein reines Schwarz-Weiß-Denken greift aber auch hier zu kurz 783. Viele Manager wollen es vermeiden, in den Fokus der Öffentlichkeit zu geraten und sich für Praktiken rechtfertigen zu müssen, die sie womöglich selbst nicht in Ordnung finden. Zudem dürften nicht wenige von ihnen ein moralisches Interesse daran haben, auch im beruflichen Bereich Entscheidungen zu treffen, welche mit dem eigenen Gewissen vereinbar sind 784. Folglich wäre es nicht plausibel, eine Teilbarkeit der Moral zu unterstellen und Managementtransaktionen von Anfang an vom Wirkungsbereich des persönlichen Gewissens auszuschließen. Es bleibt erstaunlich und zum Teil widersprüchlich, warum FRIEDMAN als „neoliberaler“ Ökonom, wobei der Begriff „neo-liberal“ heute nicht mehr ganz treffend ist785, dem Staat eine so hohe Rolle bei der Konfliktlösung zwischen Gewinn und Moral zuspricht. FRIEDMAN unterscheidet zwischen der Mikroebene Individuum und der Makroebene Staat. Die (mittlere) Unternehmensebene als moralische Instanz lässt er, obwohl wir in einer Organisationsgesellschaft leben786, außen vor, da Unternehmen, um ihre Aufgabe „richtig“ zu erfüllen (und nicht dem Sozialismus zu verfallen), nur als Profitfunktionäre zu agieren haben 787. Dabei müsste sich FRIEDMAN eigentlich auch im hiesigen Kontext stärker für die Freiheit des Individuums und eine Deregulierung aussprechen, wohingegen er das gesamte Gewicht, d. h. all das, was an sozialen, ökologischen o. ä. Problemen geregelt werden soll, zentral auf einen über alles erhabenen Staat verlegt788, um so das Funktionieren

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„In der Realität wird es marktorientiert miteinander umgehende Familien ebenso geben wie familienorientierte Unternehmen. Und doch ist grundlegend festzuhalten, dass es ganz unterschiedliche Handlungs- und Wertorientierungen in Familien und marktorientierten Unternehmen gibt“ (ROTHE 2007, S. 320). Vgl. auch Unterkapitel 5.3. Vgl. GARMER (2003), S. 16; HUPPENBAUER (2011). HEUSER (2010) stellt in diesem Kontext fest: „Merkwürdig, wie der Ausdruck »Neoliberalismus« seine Bedeutung verändert hat. Die Neoliberalen, das waren eigentlich die Gründer der Sozialen Marktwirtschaft [in der BRD, hierher stammt auch der Begriff „Soziale Marktwirtschaft“], heute aber soll der Begriff oft solche Leute bezeichnen, die dieser sozialen Marktwirtschaft den Rücken kehren wollen“. Die „Transaktion“ ist eine Transaktion der Organisation, welche durch Spielregeln, aber auch andere Ebenen (individuelle Gerechtigkeitsvorstellungen, Moralkulturen usw.) beeinflusst wird. Vgl. dazu Abschnitt 7.3.3. Vgl. FRIEDMAN (2007), S. 173. Die hier getroffene Unterscheidung und Abwägung zwischen „mehr Markt“ und „weniger Staat“ (oder umgekehrt) ist vereinfachend und nicht als trennscharf zu verstehen, da zwischen Markt und

Shareholder-Value-Ansatz

215

der Gesellschaft zu gewähren789. Von einem liberalen Standpunkt her ist kaum zu begreifen, was FRIEDMAN mit dieser Zentralisierung bzw. Ausschließlichkeit bewirken möchte790: Weshalb will er es Unternehmen oder Managern verwehren, auch selbst einen moralischen Eigenbeitrag zu leisten? 791 Die Praxis zeigt, dass viele, nicht alle, Unternehmen bereit sind, Verantwortung für arbeitsplatzbezogene Belange ihrer Mitarbeiter (nicht nur als „window-dressing“) zu übernehmen, und das, ohne ein direktes Abwandern der Aktionäre oder Kunden befürchten zu müssen792. Damit verbunden ist zu fragen (wobei auch dieser Gedanke aus FRIEDMANs monodimensionaler Sicht einer Zweckverfehlung bzw. unzulässigen Verwässerung des freien, rein auf den Kundennutzen ausgerichteten Marktsystems gleichkommen würde), ob es nicht sogar liberaler und Ausdruck einer Dezentralisierung von Moral wäre, wenn Unternehmen von sich aus einen gemäßigteren Gewinn akzeptieren würden, um dadurch Arbeitsplätze erhalten, integer abbauen oder sich aktiv am Ausbildungssystem beteiligen zu können. Zwar bleibt es uner-

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Staat noch mehrere andere (formelle und informelle) Regulierungsinstanzen bestehen (vgl. MIKLHORKE 2008, S. 163). Hier ist kritisch anzumerken, dass es „den Staat“ schlechthin nicht gibt. Wir alle sind letztlich Teil des Staates. Eigentlich „haben Unternehmen bzw. Manager ein vitales Interesse daran, nicht in staatlichen Vorschriften zu ersticken“ (SUCHANEK 2004, S. 120). Mit „Eigenbeitrag“ ist nicht nur jene Marktlösung gemeint, bei der Moral als integraler Bestandteil des Produktes und kaufentscheidender Faktor mitverkauft wird. Dieser Fall liegt vor, wenn es Kunden gibt, die es wertschätzen, dass Unternehmen z. B. respektvoll mit den Arbeitsplätzen ihrer Mitarbeiter umgehen (indem sie nur hierzulande produzieren, auf Verlagerungen in Niedriglohnländer verzichten oder - wie der Textilhersteller Trigema - den Kindern der Mitarbeiter eine Stelle garantieren usw.). Sollte es Kunden geben, die dies als moralisch wünschenswert ansehen, so werden einige davon bereit sein, höhere Preise für die „Moral-Produkte“ des Unternehmens zu zahlen, sodass ein spezifischer Markt für solche Produkte existiert. Um richtig verstanden zu werden: Auch im Markt für Moral-Produkte ist das oberste Ziel der Profit, da es keinen eigenständigen Markt der Moral gibt. Moral und das durch Moral erzeugte Image kann nur Instrument des Profits sein. Vereinfacht könnte ein Hemd von Trigema (oder hessnatur) als Beispiel für ein arbeitsplatzbzw. ökologiebezogenes Moral-Produkt herangezogen werden. Trigema-Kunden sind bereit, höhere Preise für ein Hemd zu bezahlen. Wichtig ist: Im Gegensatz zu FRIEDMANs monodimensional volkswirtschaftlicher Sicht spricht aus polydimensionaler, liberaler Sicht nichts gegen eine solche Lösung. Auf dem freien Markt können Unternehmen von der Position der Profitmaximierung abrücken und moralische Aspekte in ihr Handeln einbeziehen (genauso können sie ihre moralischen Bemühungen an die Kunden kommunizieren usw.). Auch wenn der Markt für Moral-Produkte bisher noch klein ist, so ist es als liberal zu werten, wenn Kunden zwischen mehreren Angeboten wählen können. Es greift zu kurz, zu meinen, nur der erbarmungsloseste Wettbewerb könne „des Verbrauchers bester Freund“ sein. „Weniger Wettbewerb“ muss also nicht zur Verwässerung oder Schädigung des Marktsystems führen, so wie es FRIEDMAN unterstellen würde.

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Der Economic Point of View

lässlich, Moral, wie von FRIEDMAN nahegelegt, über formale Regeln zu organisieren. Der Staat hat de facto die Verantwortung, (moralökonomisch begründete) arbeitsrechtliche Gesetze zu erlassen, welche - zumindest theoretisch, in einer idealen Welt - zu gewünschten, d. h. aus Arbeitnehmersicht sozial verträglichen (integren) und zugleich ökonomisch tragfähigen Ergebnissen führen. Das Problem liegt aber (auch im Arbeitsplatzkontext) darin, dass sich viele gesellschaftlich unerwünschte und moralisch fragwürdige Ergebnisse des Wettbewerbs nicht allein über den ordoliberalen „Hebel“ (und damit völlig wettbewerbsneutral), sondern nur über mehrere kleinere „Hebel“ verhindern oder ins Positive verändern lassen, da (arbeitsrechtliche) Regelwerke in der realen Welt systematisch unvollständig und ergänzungsbedürftig sind. Oder anders gesagt: Das Erwerbsstreben der Unternehmen schafft und sichert Arbeitsplätze, es führt zugleich aber auch zu immer neuen, teils nicht generalisierbaren arbeitsplatzbezogenen Problemen auf nationaler und internationaler Ebene, die durch die Ordnungsethik allein nicht (ausreichend) erfasst werden können. Um die Defizite (auch Schlupflöcher, Ambivalenzen, Grauzonen, Interpretationsspielräume) existierender Gesetze, Verordnungen und Richtlinien auszugleichen, erscheint es daher zweckmäßig und auch erforderlich, an der einzelnen Transaktion anzusetzen und Moral in das freiwillige Engagement von Unternehmen und Individuen (Manager) einzubinden. Die ökonomische Ethik hinter dem Shareholder-Value-Konzept lässt sich darüber hinaus am Beispiel der (ebenfalls typisch neoliberalen) Argumentation des Würzburger Ökonomen (und Aktionärsaktivisten) WENGER verdeutlichen, auf die im nachfolgenden Abschnitt 5.1.2 näher eingegangen wird.

5.1.2

Ökonomische „Ethik“ hinter dem Shareholder-Value-Ansatz am Beispiel von WENGER

WENGERs Argumentation ist managementkritisch angelegt. Seine Kritik zielt darauf, dass das Management vieler Unternehmen den Shareholder-Value nicht ausreichend bediene, sondern vorrangig eigene Interessen verfolge 793. Im Folgenden

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Vgl. WENGER/ KNOLL (1999), S. 441f., 449. Ein Problem in der Disziplinierung des Managements durch Aktionäre sieht WENGER darin, dass ein Großteil der Aktien vieler Publikumsgesellschaften von anderen Unternehmen oder institutionellen Anlegern (Banken, Versicherungen, Investmentgesellschaften) gehalten wird, die nicht ihr eigenes Kapital verwalten bzw. investieren. Daraus

Shareholder-Value-Ansatz

217

wird gezeigt, welche Fehler WENGER dem Management zur Last legt und weshalb er ein so überzeugter Anhänger des Shareholder-Value-Ansatzes ist. Generell stellt er fest, dass es aus Shareholder-Sicht „nur [...] darauf [ankommt], in welchem Umfang er [...] sein Vermögen [...] vermehren kann. [...] Diesen Maßstab fassen [aber] viele einheimische Bankherren [Manager] [...] nur mit sehr spitzen Fingern an; Unterordnung unter Aktionärsinteressen ist für deutsche Konzernmanager, die sich nicht als Angestellte der Aktionäre sehen [eben das tut WENGER: Manager sind Agenten, Shareholder Prinzipale], sondern als Herren der von ihnen geleiteten Unternehmen, [...] etwas [...] Unangenehmes. So ist es nicht verwunderlich, dass gegen die drohende Degradierung des gehobenen Bankangestellten [Managements] eine selbstgestrickte Ethik [eines Nicht-Shareholder-Values] bemüht wird. Danach führt kurzfristige Profitmaximierung zum Raubbau an den Ressourcen der Volkswirtschaft, Pflichten zu sozialer Rücksichtnahme gegenüber Arbeitnehmern werden verletzt, und überhaupt droht das Gemeinwesen zu leiden, wenn alles nur unter das Diktat des schnöden Mammons [Shareholder-Value] gestellt wird. All das ist natürlich Unfug“794. Wie das Zitat zeigt, stellt die Shareholder-Value-Maximierung für WENGER die einzig sinnvolle Unternehmenszielgröße dar. Als Unfug bezeichnet er sämtliche Einwände gegen den Shareholder-Value deshalb, da Shareholder einen im Vergleich zu den Stakeholdern längeren, im Prinzip unendlich langen Zeithorizont haben795. Das mache es nachhaltig, die Managementstrategie am Shareholder-Value auszurichten796. Dieser Auffassung ist zunächst auch zuzustimmen: Moralisch desinteressierten Managern kann es in der Tat egal sein, wenn nach ihrem Ausscheiden im Unternehmen Stellen abgebaut werden797. Anders verhalte es sich im

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entstünden „für die Entscheidungsträger eine Reihe von Anreizen, die der Maximierung des Werts der Eigenkapitaltitel abträglich sind“ (WENGER/ KNOLL 2002, S. 720). WENGER (1996), S. 268. Zudem seien alle Ansprüche und Rechte der Stakeholder „in einer Marktwirtschaft [...] durch die herrschende Rechtsordnung und das Funktionieren des Preissystems geschützt“ (WENGER/ KNOLL 1999, S. 437). Es „ist festzuhalten, dass der Aktionär den längsten Zeithorizont [...] hat, denn er kann seine Aktie vererben [was im Grunde nur für Kleinaktionäre gilt. Viele AGs haben fast nur institutionelle Investoren]. Hingegen scheidet das Management [...] ebenso wie der [...] Arbeitnehmer spätestens mit Erreichen der Altersgrenze aus [Ende des Zeithorizonts] und braucht sich für das, was danach passiert, [...] nicht mehr zu interessieren“ (WENGER 1996, S. 268). Das Management und die Eigentümer haben eine unterschiedliche Partizipation am Unternehmensrisiko. Kapitalgeber sind mit ihrem Vermögen am Unternehmen beteiligt. Wirtschaftliche Entwicklungen sind für sie direkt vermögenswirksam, sodass sie, insofern es sich nicht um Hed-

218

Der Economic Point of View

Falle der Aktionäre. Die Annahme, ein Aktionär habe nur einen kurzen Zeithorizont und wolle bzw. könne sich von heute auf morgen von seinen Aktien trennen, ändere „nichts daran, dass der Aktionär stärker an der Zukunft des Unternehmens interessiert sein muss als alle anderen Beteiligten am Unternehmensgeschehen [...]. Die Verkaufsmöglichkeit an der Börse verkürzt also den Zeithorizont der Aktionäre keineswegs; sie hat nur zur Folge, dass auch die [theoretisch alle] Zukunftseinschätzungen [zukünftiger] anderer [...] Aktionäre mitberücksichtigt werden [müssen]“798. Shareholder haben bei ihren strategischen Entscheidungen in der Gegenwart also im Gegensatz zum Management und den Mitarbeitern die gesamte Zukunft ins Kalkül zu ziehen799. Bildlich gesprochen geht WENGER von einer sich unendlich in die Zukunft fortschreibenden Kaufs- und Verkaufskette aus. Soll heißen: Wer heute vor der Frage steht, ob und welche Aktien er kaufen soll, muss sich, da er die Aktien morgen womöglich wieder verkaufen wird, bereits heute Gedanken darüber machen, zu welchen Konditionen die Aktien wieder verkauft werden können800. Genauso muss derjenige, der diese Aktien morgen kaufen soll bzw. will, in seine strategische Planung einbeziehen, wie die Bedingungen übermorgen (usw.) sein werden, d. h., auch er muss eine unendliche Zukunft einbeziehen. Aus dem skizzierten unendlichen Zeithorizont folge nun aber nicht, so

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gefonds handelt, in der Regel an einer Kapitalsicherung und langfristigen Wertsteigerung interessiert sind. Manager sind nicht zwingend langfristig orientiert. Führungskräfte, die wissen, dass sie das Unternehmen bereits nach wenigen Jahren verlassen werden, haben (kurz gesagt) nicht viel davon, das Unternehmen langfristig erfolgreich zu machen. Für sie erscheint die kurz- und mittelfristige Ertragslage, auch mit Blick auf den eigenen Wert auf dem Arbeitsmarkt, unter Umständen wichtiger. WENGER (1996), S. 269. WENGERs Argumentation ist mit Blick auf die Realität ökonomisch verengt. Untersuchungen der Behavioral Finance sowie nicht zuletzt die Finanzkrise haben gezeigt, dass das Verhalten von Finanzmarktakteuren auch durch Irrationalitäten geprägt ist (vgl. RUDOLPH 2006, S. 145; HÄCKER 2009, S. 82). Ein Beleg hierfür ist das Herdenverhalten von Aktionären, das sich dann zeigt, wenn Aktionäre ihre Entscheidung, Aktien zu (ver-)kaufen, nicht auf der Grundlage ihres individuellen Informationsstandes und ihrer persönlichen Beurteilungsfähigkeit treffen, sondern darauf basieren, dass andere Aktionäre oder Banken diese Aktien (ver-)kaufen (das wiederum kann irrationale Folgen auf den Aktienkurs haben und zu einer Finanzblase führen; vgl. zum Herdenverhalten BIKHCHANDANI/ HIRSHLEIFER/ WELCH 1992). Ein solches Herdenverhalten muss nicht zwingend irrational sein, z. B. dann nicht, wenn andere Akteure über bessere Informationen oder mehr Sachkompetenz verfügen. Ziel ist es, den Zeithorizont des Managements an den unendlichen Zeithorizont der Aktionäre anzuhängen. Ein Aktionär kann seine Aktien wiederum nur an jemanden verkaufen, der davon ausgeht, dass die Aktien im Wert steigen werden. Auch das muss der Aktionär, wenn er Aktien verkaufen will, mit ins Kalkül ziehen.

Shareholder-Value-Ansatz

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WENGER, dass Shareholder daran interessiert sein müssen, Unternehmen langfristig zu erhalten. Vielmehr gebe es „Bedingungen, unter denen Kühe [Unternehmen mit guter Marktposition] gemolken werden, und [...] Bedingungen, unter denen Kühe [abgewirtschaftete Unternehmen] geschlachtet werden [...]. Ob dabei dann Arbeitsplätze [...] wegfallen, kann in einer Marktwirtschaft kein Kriterium dafür sein, ob die Verfolgung von Aktionärsinteressen unethisch ist oder nicht“ 801. WENGERs Haltung im Kontext der Stellenschaffung und -streichung lässt sich damit, abstrakt gesehen, mit einer „selbstlaufenden Wohlstandsmaschinerie“ vergleichen, in der zwei Zahnräder ineinandergreifen und die wie folgt funktioniert (vgl. Abb. 18): überbezahlte Arbeitnehmer „etwas genommen“

Arbeitslosigkeit

Arbeitslose

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2

„etwas gegeben“

Arbeitnehmer

„Sonderinteresse“

Abb. 18: Arbeitsplatzschaffung und -abbau nach der ökonomischen Ethik des Shareholder-ValueAnsatzes802

Zunächst betont WENGER, dass „Belegschaften [...] ein Sonderinteresse an möglichst hohen Löhnen [hätten], weshalb die Interessen der Allgemeinheit bei den

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WENGER (1996), S. 269. Hier ist generell anzumerken, dass sich nicht sicher sagen lässt, wie der Aktienkurs auf Entlassungen reagiert. Einerseits hängt „[d]ie Reaktion der Aktionäre [...] von ihrem Kenntnisstand und ihren Erwartungen ab: Wenn sie von der Nachfrageschwäche oder den Kostenproblemen [im Unternehmen] wussten, dann sind diese Kenntnisse längst in ihre Entscheidung für die Aktie eingeflossen. Die Probleme sind eingepreist. Die Lösungen dieser Probleme [z. B. Entlassungen zur Fixkostensenkung] werden dann honoriert an der Börse; zumindest dann, wenn sie überzeugen und etwas überraschend zu jenem Zeitpunkt kommen. Die Aktienkurse steigen dann nach der Meldung von Entlassungen in die Höhe“ (VON PETERSDORFF 2007; vgl. auch DIETZFELBINGER 2015, S. 220f.). Andererseits ist aber auch der Fall denkbar, dass „[d]ie Aktionäre [...] die Verkündung eines Restrukturierungsprogramms aus heiterem Himmel [trifft]. Dann sehen sie in der Regel zu, das Papier flink an optimistischere, ahnungslose oder dumme Zeitgenossen loszuschlagen. Die Kurse sinken“ (VON PETERSDORFF 2007). Quelle: Eigene Darstellung.

220

Der Economic Point of View

Aktionären viel besser aufgehoben“803 wären. Sollte es zum Stellenabbau kommen, und darin kommt die Wohlstandsmaschinerie und neoklassische Marktequilibrium-Logik zum Ausdruck, dann würde „[f]reigesetztes Kapital [...] dort abfließen, wo Arbeitskräfte gemessen an ihrer Produktivität überbezahlt sind [und] [...] umgekehrt [...] dort zufließen, wo bisher Arbeitslose und Unterbezahlte auf bessere Beschäftigungschancen warten“804. Vereinfacht gesprochen wird überbezahlten Arbeitnehmern also etwas genommen (sie geraten in Zahnrad 1), indem sie z. B. weniger Lohn erhalten oder entlassen werden. Zugleich wird Arbeitslosen oder Geringverdienern im In- oder Ausland, die bereit sind, für den betreffenden Lohn zu arbeiten, etwas gegeben (sie geraten in Zahnrad 2), indem sie wieder arbeiten können, mehr Lohn bekommen, Aufstiegschancen haben o. Ä. Das heißt selbst wenn eine Shareholder-Value-Orientierung pur zu Betriebsschließungen führen würde, so wäre „das [...] ganz und gar nicht unethisch“ 805, sondern immer noch im Sinne eines ethischen Zweckes, da zugleich andere Unternehmen emporsteigen und gegründet werden. Das Problem dieser abstrakt-mechanischen Argumentation liegt darin, dass die Realität im Gegensatz zur „sauberen“ volkswirtschaftlichen Marktideal komplexer (bzw. heterogener, pluraler, organischer, „messier“) ist und die Prozesse der wirklichen Welt, auch im Arbeitsplatzkontext, nie derart mechanisch ablaufen. Auf diesen relevanten Unterschied zwischen Abstraktion und Wirklichkeit macht SCHRAMM mit seinen Ausführungen zur (Business) Metaphysics aufmerksam 806: Ökonomen, jedenfalls neoklassische Ökonomen, sind geneigt, die Wirklichkeit mit einem Modellideal zu verwechseln807. Selbiges ist auch bei WENGER der Fall. Ein problemadäquates Vorgehen, das nicht in theoretischen Pseudolösungen und bloßem „Modell-Platonismus“808 verharren will, muss beachten, dass die Wirklichkeit kein Modell ist, sondern von divergierenden, konfligierenden Interessen 803 804 805 806

807 808

WENGER (1996), S. 269. WENGER (1996), S. 269. WENGER (1996), S. 269. Vgl. dazu Kapitel 2. „Diese „saubere“, „rein ökonomische“ Welt mit […] rationalen „Spielregeln“ […] wäre zwar vernünftig, konkret wird es sie aber […] nicht geben (können). Denn anders als eine ideale ökonomische Welt ist die konkrete Welt der Wirklichkeit „messy““ (SCHRAMM 2014b, S. 17). Ähnlich SCHRAMM (2016d), S. 156. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.1.3.1, der sich mit dem „Fallacy of Misplaced Concreteness“ befasst. Die Neoklassik unterstellt, dass das Marktmodell bereits der Wirklichkeit entspricht und - so zumindest die Sicht bis zur Finanzkrise - von Regulierungen verschont bleiben sollte: „Der neoklassische Denkstil […] verbindet die Neigung zum Modell-Platonismus mit der Tendenz, die theoretische Ökonomie als auch autonome Wissenschaft gegen die fundamentalen Sozialwissenschaften

Shareholder-Value-Ansatz

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und Neigungen durchzogen ist. Menschen sind nicht auf mechanisch, fehlerfrei, rational und emotionslos arbeitende Zahnräder reduzierbar, welche sich beliebig austauschen lassen, sobald sie im System nicht mehr richtig funktionieren. Folglich können Stellen, unabhängig der bestehenden arbeitsrechtlichen Regelungen, nicht beliebig abgebaut werden, da es um menschliche Schicksale geht - denn: nicht nur Aktionäre sind Risikoträger, sondern auch Arbeitnehmer 809 - und damit zu rechnen ist, dass Beschäftigte verstimmt reagieren (es zu Fluktuation, Dienst nach Vorschrift usw. kommt). Vor diesem Hintergrund greift zudem auch WENGERs Missachtung psychologischer Verträge zu kurz: Für ihn stellen „[i]mplizite Kontrakte [...] keine Kontrakte, sondern bloße [überzogene] Verhaltenserwartungen [der Arbeitnehmer oder Gewerkschaften dar], die enttäuscht werden können und dürfen, wenn die Beendigung einer Geschäftsbeziehung [ökonomisch] vorteilhaft erscheint. Eine Außerkraftsetzung des Shareholder-ValuePrinzips zum Schutze impliziter »Ansprüche«, die in Wahrheit nicht mehr sind als Hoffnungen, würde somit lediglich die Wahlfreiheit der Individuen einschränken [ausgegangen wird hierbei von überzogenen Arbeitnehmer-/ Gewerkschaftsinteressen, die implizit da sein mögen, aber die Maschinerie stören und wie Sand im Getriebe wirken]“810. Was WENGER und KNOLL in ihrer ökonomisch verengten Argumentation übersehen, ist, dass eine Shareholder-Value-Maximierung ohne Einbeziehung psychologischer Verträge nicht möglich erscheint811. Nachdem in diesem Unterkapitel ausgewählte theoretische Grundlagen zum Shareholder-Value-Ansatz vorgestellt wurden, beschäftigt sich das zweite Unterkapitel des fünften Kapitels mit der - wie noch deutlich werden wird: konkurrierenden - Stakeholder-Theorie.

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[...] abzuschirmen [das Eigenrecht des Konkreten wird in einem Modell-Platonismus übersprungen, was einem „Fallacy of Misplaced Concreteness“ entspricht]“ (ALBERT 1965, S. 417). Wenn ein Unternehmen zugrunde geht, dann droht den Mitarbeitern die Arbeitslosigkeit. Ob letztlich die (mehrdimensionalen) Verluste der Aktionäre oder der Arbeitnehmer größer sind, lässt sich nicht eindeutig sagen. So auch ORLANDO (2003, S. 36): “It is strange [...] to think that the worker who loses his job has not absorbed any costs of mismanagement. […] While the worker’s investment in a corporation is not of the same sort as the shareholder’s, it constitutes a risk nevertheless, and so the worker’s position is not dissimilar to that of the shareholder. The only difference between the risks taken by the two parties is one of degree, and the degree of that risk will depend upon the particular situation of each individual“. WENGER/ KNOLL (1999), S. 440. Vgl. dazu die weitergehenden Ausführungen in Unterkapitel 5.2.

222 5.2

Der Economic Point of View Stakeholder-Ansatz

In der Unternehmensführung hat in den letzten Jahren ein gewisser Wandel von einer stark Shareholder- hin zu einer eher Stakeholder-orientierten Sichtweise stattgefunden, wodurch ethische Fragen an Bedeutung gewonnen haben 812. Der Umstand, dass sich mittlerweile fast alle Unternehmen (offiziell) den StakeholderAnsatz auf die Fahnen geschrieben haben, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der durch die Shareholder erzeugte Druck weiterhin groß ist 813, wohingegen der Druck durch die Stakeholder unternehmensabhängig verschieden ausfallen dürfte. Insofern ist zu beachten, dass auch der Stakeholder-Ansatz unterschiedlich und teils widersprüchlich aufgebaut und interpretiert wird 814. In Abschnitt 5.2.1 werden zunächst kurze Erläuterungen zum „Stakeholder“-Begriff gegeben und ein Verständnis dafür vermittelt, weshalb der Ansatz als Grundlage für eine erfolgreiche Identitätsbildung und -entwicklung in Unternehmen anzusehen ist. Wie sich dabei zeigen wird, ist die „Unternehmensidentität [...] Ausdruck eines gesellschaftlichen Prozesses“815, sodass es Unternehmen auf Basis des Shareholder-Ansatzes allein unmöglich wäre, eine ausgewogene, gesellschaftlich akzeptierte und stabile Identität zu entwickeln. In Abschnitt 5.2.2 wird zudem der StakeholderAnsatz nach FREEMAN, einem der prominentesten Vertreter des Stakeholder-Denkens, erläutert.

5.2.1

Grundlegende Zusammenhänge

Der Begriff „Stakeholder“, der 1963 am Stanford Research Institute (SRI) als Gegenbegriff bzw. Generalisierung zu „Stockholder“ (heute: „Shareholder“) entwickelt wurde816, kommt von „to have a stake“, was übersetzt so viel bedeutet wie

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Ein solcher Eindruck entsteht zumindest, wenn man den Websites, Imagebroschüren und Aussagen der CEOs großer Unternehmen Glauben schenken mag. Vgl. LAUFER (2007), S. 17; THIELEMANN/ WEIBLER (2007), S. 189f. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Stakeholder-Ansatz „zu den grundlegenden Konzeptionen [zählt], an denen keine Wirtschafts- und Unternehmensethik vorbeikommt“ (SCHRAMM 2008e, S. 39; SCHRAMM 2008a, S. 78). Ähnlich STAFFELBACH (2010), S. 79. BUß (2009), S. 161. Vgl. FREEMAN (1984), S. 31. Die Shareholder sind eine Gruppe der Stakeholder. Stakeholder wurden vom SRI ursprünglich definiert als “those groups without whose support the organization would cease to exist” (ebd.).

Stakeholder-Ansatz

223

Einfluss oder Anspruch auf etwas haben817. Stakeholder sind Personen oder Gruppen, welche im oder gegenüber dem Unternehmen Ansprüche geltend machen können818. Sie haben (in-)direkte (nicht-)finanzielle Interessen am Unternehmen und werden durch dieses beeinflusst und/ oder können es selbst (positiv oder negativ) beeinflussen819. Die individuellen Zielsysteme der relevanten Stakeholder sind somit konstituierend für das Zielsystem des Unternehmens 820, das sich ständig weiterentwickelt und dessen Zusammensetzung nirgendwo voll dokumentiert ist821. Für Stakeholder ist von Interesse, wie im Unternehmen gewirtschaftet und wie es geführt wird. Dabei können interne (z. B. Shareholder, Management, Mitarbeiter) und externe Stakeholdern (z. B. Kunden, Lieferanten, Fremdkapitalgeber, Konkurrenten, Medien, NGOs, Öffentlichkeit) unterschieden werden, zwischen denen verschiedenste Beziehungen bestehen können822. Im betrachteten

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Vgl. CARROLL/ BUCHHOLTZ (2008), S. 83f.; WEISS (2003), S. 34f.; BESCHORNER (2011b), S. 163. Im deutschen Sprachgebrauch wird synonym von Anspruchs- und Interessengruppen gesprochen. Nach einer 2004 durchgeführten Online-Umfrage der Economist Intelligence Unit (2005, S. 7) unter 136 Führungskräften wird den Shareholdern (46 %) nach den Kunden (65 %) und Mitarbeitern (61 %) die drittgrößte Bedeutung unter allen Stakeholdern beigemessen. Die exponierte Stellung der Kunden und Mitarbeiter resultiert aus ihrer Bedeutung für den ökonomischen Unternehmenserfolg. Als Folge des demografischen Wandels ist zu erwarten, dass die Relevanz der Mitarbeiter (und hier vor allem der Fachkräfte) weiter steigen wird. Vgl. zum Bedeutungsgrad verschiedener Stakeholder-Gruppen auch JESCHKE (1993, S. 189). Vgl. LAUX/ GILLENKIRCH/ SCHENK-MATHES (2014), S. 47. Das wiederum impliziert, dass die Ziele von Unternehmen bzw. deren Zielsysteme (als „hierarchisch geordnete Menge der in einem Betrieb gewählten Zielvorstellungen“ (SCHWEITZER 2004, S. 64)) eine Kompromisslösung darstellen, die u. a. von den Eigentümerstrukturen abhängt (vgl. TROßMANN 1998, S. 18). Vgl. TROßMANN (1998), S. 11, 18; KIRSCH (1977), S. 161. Weiter kann zwischen “definitional“ (“primary”) und “instrumental“ (“secondary”) Stakeholdern unterschieden werden (vgl. FREEMAN ET AL. 2004, S. 15ff.; FREEMAN ET AL. 2010, S. 24; CLARKSON 1995, S. 105ff.; CARROLL/ BUCHHOLTZ 2008, S. 85ff.; WEISS 2003, S. 34): „„Definitional stakeholder” [DS] sind verantwortliche Vertragspartner im Sinne des Wertschöpfungsprozesses, während die „instrumental stakeholder” [IS] keine Vertragspartner sind, sondern diese positiv oder negativ beeinflussen können“ (WIELAND 2008a, S. 25; vgl. auch ebd., S. 22). DS haben per definitione „einen Stake“ am Unternehmen: “For instance, in most businesses, customers, suppliers, communities, financiers, and employees all have a clear stake in the firm [z. B. aus Verträgen resultierende Festbetragsansprüche, welche Unternehmen mit Arbeitnehmern, Fremdkapitalgebern usw. haben]” (JONES/ WICKS/ FREEMAN 2002, S. 31). DS sind in der Marktwirtschaft für das Überleben und Wachstum des Unternehmens unverzichtbar und stehen mit diesem vertraglich in Verbindung. IS sind in der Regel nur mittelbar (zum Teil auch unmittelbar) mit dem Unternehmen verbunden und können je nach Sachlage „einen Stake“ gegenüber dem Unternehmen geltend machen (z. B. Konkurrenten, Verbraucherschutzverbände, NGOs, Medien). Sie können Einfluss auf das Unternehmen ausüben, sind zumeist aber nicht direkt rechtlich, vertraglich oder wirtschaftlich mit diesem verankert. Im Vergleich zu den DS ist ihre Bedeutung aus Unternehmenssicht daher geringer (vgl. Economist Intelligence Unit 2005, S. 7). Sie treten vor allem dann

224

Der Economic Point of View

Kontext steht primär die Stakeholder-Gruppe Mitarbeiter im Zentrum, da sie durch arbeitsplatzbezogene Entscheidungen (von der Arbeitsplatzschaffung bis zum Abbau) direkt betroffen ist823. Was die Identitätsbildung anbelangt, so sind viele Prozesse der personalen Identitätsbildung, auf die in Abschnitt 3.1.2 bereits eingegangen wurde, auf den Unternehmenskontext übertragbar 824: Unternehmen verfügen über eine personale Identität (in der MEAD‘schen Terminologie: ein Identitäts-„Ich“), d. h. über ein unverfälschtes (undomestiziertes) Selbst, eine spezifische, historisch gewachsene Geschichte, einen gewissen Geist, den sie hervorgebracht und geprägt haben825. Dabei müssen sich Unternehmen in einem permanenten, teils aufwendigen826 Prozess mit den Ansprüchen der relevanten Stakeholder auseinandersetzen, um so ihre Rolle in der Gesellschaft (ihre soziale Identität, ihr „soziales Ich“) herauszufinden827. BUß spricht in diesem Kontext vom reflexiven Prozess der Identitätsbildung, womit er meint, dass das Bild des Unternehmens (ähnlich wie beim Menschen) rückgekoppelt ist auf eine Außensicht: „Reflexiver Prozess“ heißt also, dass kein Unternehmen seine Identität bzw. sein kulturelles Eigenbild im Alleingang konzipieren kann. Vielmehr muss es immer wieder aus seiner Rolle heraustreten und sich von außen, mit den Augen der Öffentlichkeit (der Stakeholder, allen voran der Mitarbeiter) betrachten, um so ein Gespür für die Interessen, Bedürfnisse, Ziele und Werte der anderen zu entwickeln828. Die Öffentlichkeit bzw. öffentliche Wahrnehmung und Meinung ist der Sparringspartner des Unternehmens,

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in Erscheinung, wenn Unternehmen Handlungen vollziehen (wollen), die ihrem öffentlichen Ansehen schaden. Vgl. RYDELL/ WIGBLAD (2012), S. 155. Vgl. BUß (2009), S. 161. „Identität ist […] bildhafter Ausdruck von Kontinuität und Historie, in welcher nicht Modetrends […] die Szene unternehmerischen Handelns beherrschen, sondern ein dauerhaft etablierter Wertund Entscheidungskodex, dessen Bild - historisch gefärbt - sich in der Öffentlichkeit als dauerhaft wirksames Sediment ablagert“ (BUß 2007b, S. 83). Diese Identität ist nicht mit der Corporate Identity zu verwechseln, bei der es um das „plakative“ Erscheinungsbild eines Unternehmens in der Öffentlichkeit (und bestimmte designorientierte Konzepte) geht. Man denke z. B. an die Aufarbeitung des Korruptionsskandals bei Siemens oder den Abgasskandal bei VW. Vgl. BUß (2009), S. 163; BUß (2007b), S. 81; KRAPPMANN (2005), S. 78. Vgl. BUß (2009), S. 162. Unternehmen müssen anhand der Stakeholder-Reaktionen ein Gespür dafür entwickeln, ob sie gewisse Ansprüche ausreichend erfüllt haben oder nicht. Experimentelle Studien von FEHR/ GÄCHTER (2000, S. 164) zeigen, dass Menschen ein als unfair empfundenes Verhalten bestrafen, auch wenn sie dafür eigene Kosten in Kauf nehmen müssen. Diese Form reziproken Verhaltens hängt mit der Unvollständigkeit von Verträgen zusammen. Für Unternehmen (genauso für die Gesellschaft insgesamt) ist es daher wichtig, zu beachten, was Menschen für

Stakeholder-Ansatz

225

der zur Identitätsbildung und -bindung gebraucht wird. Ziel des Unternehmens sollte es damit sein, immer wieder neu in einen fiktiven Dialog mit sich selbst einzutreten829, um so die eher ökonomisch geprägte Binnensicht („Wir kommen um Entlassungen nicht herum“) und eher normativ geprägte Außensicht („Entlassungen sind zu vermeiden“) aneinander „reiben“ zu lassen. Ein solches „Reiben lassen“ bedeutet nichts anderes als das, was GOFFMAN als Balance zwischen „personaler“ und „sozialer Identität“ beschrieben hat 830. Sobald diese Balance aus dem Gleichgewicht gerät, etwa weil die arbeitsplatzbezogenen Anliegen der Mitarbeiter doch ignoriert werden, kommt es zur Verzerrung und Schädigung der Unternehmensidentität. Wie gezeigt, ist die Identitätsbildung von Unternehmen (wie im Falle der personalen Identität) ein fortwährender Prozess (typische Fragen sind: Wen beziehen wir ein? Welche Ansprüche wollen wir bedienen?)831, wobei sich die Gesellschaft ständig ändert. Ebenso ändert sich das soziale, ökonomische, rechtliche und technologische Umfeld, in dem Unternehmen agieren. Daher stehen sie fortlaufend vor der Frage, wie sie sich mit den von der Gesellschaft an sie gerichteten (Wert-)Ansprüchen auseinandersetzen sollen - oder anders gesagt: wie sie sich in die augenblicklichen Identitätsofferten, welche ihnen die Gesellschaft je nach Situation anbietet, einfädeln sollen832. Dabei ist zu sehen, dass viele Unternehmen in gewisser Weise ähnlich sind: Sie haben einen bestimmten, zum Teil ähnlichen Organisati-

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richtig und falsch halten. Wenn Arbeitnehmer das Handeln ihres Arbeitgebers als unfair erleben, dann werden sie in vielen Fällen innerlich kündigen, das Unternehmen verlassen oder ihre empfundene Ungerechtigkeit auf andere Weise kompensieren (etwa indem sie weniger arbeiten oder etwas mitgehen lassen). Vgl. BUß (2009), S. 162. Ein solcher Dialog trägt dazu bei, ein immer besseres Verständnis dafür zu entwickeln, auf sich selbst zu reagieren. Ob es zu einem solchen Dialog kommt und wer darin einbezogen wird, ist auch eine Frage der Identität des Managements (Wie tickt es weltanschaulich? Hat es moralische Interessen?). Vgl. BUß (2009), S. 162. Die Identität eines Unternehmens hat nur einen gewissen Stand erreicht und kann durch (auf den ersten Blick unbedeutsame) Ereignisse, die heute stattfinden, morgen bereits wieder ein wenig anders sein. Vgl. BUß (2009), S. 162. „Offerten“ sind als Gesprächsangebot einer Stakeholder-Gruppe zu interpretieren (z. B.: „Du (Unternehmen) kannst mit mir (Belegschaft, Gesellschaft usw.) darüber reden, ob Du Mobiltelefone zukünftig weiterhin in Deutschland herstellst oder nicht. Sollen wir (Belegschaft, Gesellschaft usw.) mit Dir (Unternehmen) über die Moral diskutieren?“). Allein durch Diskussionen verändert sich etwas in den Köpfen der beteiligten Mitarbeiter, des Managements und letztlich im Selbstverständnis des gesamten Unternehmens.

226

Der Economic Point of View

onsaufbau (z. B. eine Matrixorganisation), sie müssen Erfolge vorweisen (Gewinne erzielen, neue Produkte entwickeln, ihre Produktivität steigern usw.), sie sollen aber auch Arbeitsplätze schaffen und sichern, Umweltschutz realisieren und dergleichen mehr. Der Punkt ist, dass jedes Unternehmen trotz solcher Ähnlichkeiten eine spezifische Identität hat, die sich in einem kreativen, balancierenden Prozess weiterentwickelt und in der spezifischen Form der Antwort des Unternehmens auf das zeigt, was von außen an Ansprüchen an es adressiert wird 833. Die Unternehmensidentität kommt damit in den Transaktionen zum Ausdruck: Unternehmen A reagiert durch seine historisch geprägte Identität anders auf arbeitsplatzbezogene Anliegen als Unternehmen B (es baut in derselben Situation womöglich weniger Stellen ab, es bindet seine Beschäftigten stärker in Entscheidungen mit ein o. Ä.). Die jeweilige Art der Reaktion, wie kreativ ein Unternehmen also versucht, sich in die Wahrnehmung der Gesellschaft einzufädeln, ist zentral für die Weiterentwicklung der Identität und spezifischen Kultur des Unternehmens. Unternehmen, die nicht wahrnehmen oder ignorieren, dass der Identitätsbildungsprozess ein unbegrenzter, kreativ-balancierender Prozess ist, laufen Gefahr, zum Spielball der Öffentlichkeit zu werden, der nur noch reagieren, aber nicht mehr agieren kann834. Im nun folgenden Abschnitt 5.2.2 wird der Stakeholder-Ansatz des Philosophen FREEMAN vorgestellt und dabei auch auf die (unter moralischen Gesichtspunkten interessanten) konzeptionellen Entwicklungen und Veränderungen eingegangen, die der Ansatz durchlaufen hat.

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Vgl. BUß (2009), S. 162ff.; KRAPPMANN (2005), S. 52. Bei einem Menschen würde man sagen: Die Art, wie jemand auf bestimmte Ereignisse reagiert, macht sein spezifisches Selbstverständnis aus. Das wiederum kann, wie das Beispiel des Drogeriekonzerns Schlecker im Jahre 2012 gezeigt hat, zum Niedergang des Unternehmens und Verlust aller Arbeitsplätze führen. Das Unternehmen Schlecker war, kurz gesagt, viele Jahre lang nicht ausreichend bereit, sich in einen kreativ-balancierenden Prozess der Identitätsbildung zu begeben. Schlecker hat sich also gerade nicht permanent in das eingefädelt, was von innen (z. B. vonseiten der Mitarbeiter, die mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden waren, der Betriebsräte, die systematisch gemobbt wurden usw.) und außen (der Kunden, die kein ansprechendes Verkaufskonzept vorfanden) an das Unternehmen herangetragen wurde.

Stakeholder-Ansatz 5.2.2

227

Die Unternehmensführung im Mittelpunkt: Stakeholder-Ansatz nach FREEMAN

FREEMAN hat den Stakeholder-Ansatz stark vorangetrieben. In seinem Grundlagenwerk kommt er zu folgender Definition des „Stakeholder”-Begriffs: “A Stakeholder in an organization is (by definition) any group or individual who can affect or is affected by the achievement of the organization’s objectives” 835. Dabei ging FREEMAN zu Beginn seiner Auseinandersetzungen mit dem Konzept von einem primär (erfolgs-)strategischen Verständnis aus, das in gewisser Weise dem Shareholder-Value-Ansatz nahesteht836: “I believe that first we must understand the weaker sense of „stakeholder legitimacy“: if you want to be an effective manager, then you must take stakeholders into account. […] The point of strategic management is in some sense to chart a direction for the firm. Groups which can affect that direction and its implementation must be considered in the strategic management process”837. Wie das Zitat zeigt, liegt der Kern des strategischen StakeholderKonzeptes darin, dass es aus Unternehmenssicht strategisch klug ist, StakeholderInteressen zu berücksichtigen, auch wenn das Unternehmen bzw. Management selbst keine moralischen Interessen hat838. Das gilt gerade in Bezug auf jene Stakeholder, welche die Unternehmens- und Shareholder-Interessen beeinflussen und 835

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FREEMAN (1984), S. 46. Vgl. auch JONES/ WICKS/ FREEMAN (2002), S. 19, 30f. FREEMAN weist zudem darauf hin, dass die durch eine Unternehmensentscheidung Betroffenen eventuell auch erst zu einem späteren Zeitpunkt Einfluss auf die Erlangung der Unternehmensziele nehmen können: “Groups which 20 years ago had no effect on the actions of the firm, can affect it today, largely because of the actions of the firm which ignored the effects on these groups. Thus, by calling those affected groups “stakeholders“, the ensuing strategic management model will be sensitive to future change“ (FREEMAN 1984, S. 16). FREEMAN hätte in seiner Definition insofern von vornherein sagen können, “who can actually or potentially affect“ (GOODPASTER 1991, S. 59) the organization. Vgl. SCHRAMM (2008e), S. 41; SCHRAMM (2008a), S. 79; WIELAND (2008a), S. 20. ELMS/ JOHNSON-CRAMER/ BERMAN (2011), S. 1, 13; LANGTRY (1994), S. 432; WALDKIRCH (2008), S. 7. FREEMAN (1984), S. 45f. Ähnlich in der Rückschau FREEMAN (2004, S. 229): “[O]ur view was that if a group of individual could affect the firm (or be affected by it, and reciprocate) then managers should worry about that group in the sense that it needed an explicit strategy for dealing with the stakeholder”. Vgl. GOODPASTER (1991), S. 57f., 62; LAFER (2005), S. 276f. In diesem Sinne hat auch SVENDSEN den Stakeholder-Ansatz als „Profiting-Strategie“ ausgearbeitet. Unternehmen können mehr Profit erzielen, wenn sie auf Stakeholder-Interessen Rücksicht nehmen (und mit Arbeitnehmerprotesten, Ökoaktivisten usw. rechnen): “[O]ne way to succeed in a highly competitive globalized economy is to cooperate. […] [C]ollaborative stakeholder relationships are key [to success]” (SVENDSEN 1998, S. 1). “[F]or many companies, stakeholder relationships […] may […] be a source of competitive advantage” (ebd., S. 2). “Some corporations […] already […] recognize that positive relationships with stakeholders can pay off” (ebd., S. 5). Vgl. auch SCHRAMM (2008e), S. 39f.

228

Der Economic Point of View

den Unternehmenserfolg (durch Arbeitsniederlegungen, Boykotte o. Ä.) beeinträchtigen können. Im vorliegenden Stakeholder-Ansatz geht es insofern nicht um Ethik, sondern, wie es die Bezeichnung nahelegt, um strategischen Erfolg („Profiting“): Die Unternehmen achten auf einen integren Umgang mit den arbeitsplatzbezogenen Anliegen der (potenziellen und aktuellen) Mitarbeiter, auf ein sozial verantwortliches Handeln der Lieferanten im Rahmen der Beschaffung, sie engagieren sich in ihrem sozialen Umfeld, in das sie eingebunden sind, usw. All das erfolgt in der strategischen Absicht und unter der Voraussetzung, dass es gelingt, den Umsatz und Gewinn dadurch zu steigern (oder jedenfalls nicht zu schmälern). FREEMAN hat sein Konzept aber bereits vier Jahre später (im Jahre 1988) über die strategische Frage hinaus in Richtung einer stärkeren Beachtung moralischer Ansprüche im Management geöffnet839. Mit dieser Öffnung zu einem polydimensionalen Stakeholder-Konzept wird er dem Umstand gerecht, dass es in Unternehmen immer unterschiedliche Interessen gibt: So geht er einerseits, wie beschrieben, weiterhin davon aus, dass es aus strategischen Erwägungen (ökonomischem Interesse) heraus klug sein kann, Rücksicht auf die Stakeholder zu nehmen. Diese Annahme wird z. B. im diskursethischen Stakeholder-Konzept von PETER ULRICH zu stark ausgeklammert840. Sie erscheint aber plausibel, da kein Unternehmen an der

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Vgl. EVAN/ FREEMAN (1993) zum ursprünglich 1988 erschienenen Aufsatz “A Stakeholder Theory of the Modern Corporation: KANTian Capitalism”. Diese Ausweitung liegt in der Hinsicht nahe, da FREEMAN kein Ökonom, sondern Philosoph ist. Von daher ist denkbar, dass er (im Inneren) schon immer der Auffassung war, dass ethische Aspekte im Stakeholder-Management eine Rolle spielen sollten. Vgl. auch SCHRAMM (2008e), S. 44f.; ULRICH (2008), S. 487f.; ELMS/ JOHNSON-CRAMER/ BERMAN (2011), S. 14ff.; WALDKIRCH (2008), S. 7. Das auf HABERMAS‘ Diskursethik gründende normativ-kritische Stakeholder-Konzept von ULRICH bildet ein moralisierendes Gegenmodell zum strategischen Stakeholder-Konzept bzw. zu „Profiting-Strategien“ (vgl. ULRICH 2001, S. 43ff.; MAAK/ ULRICH 2007, S. 176ff.; ULRICH 2008, S. 474ff.; ULRICH 2004, S. 30; THIELEMANN/ ULRICH 2009, S. 41; SCHUON 1995, S. 194; sowie zur Diskursethik HABERMAS 1991, S. 12ff.; HABERMAS 1983, S. 76ff.; HABERMAS 1974, S. 137f.). Nach ULRICH ist jedwede Unternehmenspolitik in Anlehnung an das Ideal einer deliberativen Demokratie bzw. Politik als Runder Tisch vorstellbar: An diesem Tisch ist es aber nicht so, dass, wie zu erwarten wäre, im Zentrum das Unternehmen mit seinen Property-Rights (Verfügungsrechten über Kapital, Arbeitskraft usw.) und um den Tisch herum relevante Stakeholder angesiedelt sind, die vertragliche oder andere Ansprüche an das Unternehmen stellen. Vielmehr stellt sich ULRICH den Ablauf von Stakeholder-Dialogen so vor, dass im Zentrum des Tisches die Unternehmensentscheidung steht, der Führung aber nur die Rolle eines Mitdiskutierenden zukommt. Daraus resultiert ein „Grundverständnis der Unternehmung als einer pluralistischen Wertschöpfungsveranstaltung, [...] deren Handeln [...] der pluralistischen Legitimation vor allen Beteiligten und Betroffenen bedarf“ (ULRICH 2008, S. 474). Ein Unternehmen stellt damit, auch wenn es privatrechtlich verfasst ist, eine Art öffentliches „Dauer-Dialog-Forum“ dar, in dem offene, kritisch-argumentative,

Stakeholder-Ansatz

229

Leitdifferenz „Aufwand/ Ertrag“ vorbeikommt 841. Unternehmen müssen Gewinne bzw. Shareholder-Value erzielen, um im Markt zu bestehen842. Das gelingt ihnen aber nur, wenn sie mit den relevanten Stakeholdern kooperieren und strategische, sich rechnende Beziehungen mit ihnen aufbauen 843. Genau hierin liegt (auch für

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hierarchie-, macht- und vorurteilsfreie Diskurse stattfinden, in denen alle Stakeholder gleichberechtigt mit dem Management diskutieren können, wie Entscheidungen zu treffen sind und inwieweit ihre Ansprüche zumutbar erscheinen. Dabei ist rein moraltheoretisch (auf der Begründungsebene) nicht zu bestreiten, dass die durch eine bestimmte Unternehmenspolitik Betroffenen moralische Ansprüche haben. Auch ist es vom Moral Point of View her wünschenswert, wenn alle nicht nur strategisch relevante - Stakeholder durch eine diskursive Infrastruktur befähigt werden, ihre Anliegen selbstbestimmt in Diskurse einzubringen. Diskursive Strukturen sind als Voraussetzung einer jeden Unternehmens- und Managementethik zu sehen. Das Problem liegt aber darin, dass ULRICH kaum Aussagen trifft, wie Stakeholder-Dialoge auf der Anwendungsebene umgesetzt werden können. Die Frage nach pragmatischen Regelungen für konkrete Praxisprobleme lässt er unbeantwortet (vgl. GÖBEL 2013, S. 135; NOLL 2012, S. 280f.). Zu bedenken ist zudem, dass bei vielen lokalen Entscheidungen gar nicht alle Stakeholder relevant sind, da das betrachtete Problem uninteressant für sie ist (vgl. SCHRAMM 2008e, S. 59; WIELAND 2008a, S. 22). Vgl. SCHRAMM (2008e), S. 41, 44f., 60; SCHRAMM (2008a), S. 90. So auch FREEMAN (2004, S. 232): “[T]here are lots of ways to run a firm [But:]. All of these ways have to ultimately generate profits and satisfy some set of stakeholders”. Es sollte also (als Rahmenbedingung) kein Stakeholder-Ansatz der roten Zahlen vorliegen. Angesichts dessen ist auch der Shareholder-Value-Ansatz nicht verkehrt: Das Anliegen der Shareholder liegt darin, Einkommen aus den Unternehmensüberschüssen zu beziehen. Unternehmen, die sich an den Shareholder-Interessen ausrichten, müssen daher Anstrengungen unternehmen, um ökonomisch erfolgreich zu sein. Zugleich, so die Vertreter des Ansatzes, profitieren von diesem Erfolg auch andere Stakeholder (in Form von erhöhter Arbeitsplatzsicherheit, innovativen Produkten durch Forschungsbemühungen usw., vgl. zur „ökonomischen Ermöglichungshypothese“ TALAULICAR 2006, S. 70ff.). Der Haken ist aber, dass eine reine Fokussierung auf Shareholder-Interessen nicht zugleich zum besten Ergebnis für alle anderen Stakeholder führen kann: So werden Manager, deren Ziel es ist, den Gewinn zu maximieren, teilweise versuchen, ihre Kunden mit möglichst geringem Aufwand zufriedenzustellen. Ebenso werden sie kaum daran interessiert sein, Ausbildungsplätze zu schaffen, Stellen integer abzubauen o. Ä. Sie werden zwar bemüht sein, als relevant angesehene Stakeholder weitgehend zufriedenzustellen (da bekannt ist, dass unzufriedene Kunden abwandern, enttäuschte Mitarbeiter ihre Leistung reduzieren usw.), sie werden ihre Anliegen aber nicht in den Vordergrund rücken oder gleichberechtigt berücksichtigen. Die Trennung zwischen Shareholder-Value- und Stakeholder-Ansatz hat daher eher eine theoretische als praktische Bedeutung. Auf der Anwendungsebene kann sich das Management nie per se für oder gegen einen der Ansätze entscheiden. Es kann seine Geschäftspolitik weder nur an den Shareholder-Interessen ausrichten, noch kann es die Shareholder-Interessen den Interessen anderer Stakeholder völlig unterordnen. Realistischer sind Mischformen, bei denen einer der Ansätze (eventuell vorübergehend) eine gewisse Dominanz aufweist (vgl. FIEDLER 2007, S. 63). Das ändert zugleich nichts daran, dass die Auffassungen darüber, ob es sich bei beiden Ansätzen um konkurrierende Ansätze handelt, auseinandergehen. Hier wird davon ausgegangen, dass beide Ansätze vom theoretischen Grundgedanken her konkurrierend sind (auch SCHRAMM (2008e, S. 39; 2008a, S. 78) geht von einer „Theoriekonkurrenz“ aus). Zwar geht es beiden Ansätzen um die Frage, für wen Unternehmen Nutzen schaffen sollen und was sich auf Dauer besser auszahlt, der

230

Der Economic Point of View

FREEMAN) das entscheidende Argument für den Stakeholder-Ansatz: Das reale Geschäft („how business really works“844) läuft nicht nur abstrakt über Marktsignale, so wie es der ökonomischen bzw. volkswirtschaftlichen Denkweise entspricht, sondern es erfordert, sich im Gewirr verschiedener, teils widersprüchlicher Stakeholderinteressen zurechtzufinden. Die eigentliche Herausforderung des Managements liegt darin, die mannigfaltigen Interessen der Stakeholder zu harmonisieren, also in eine (mehr oder weniger) allseits akzeptierte Richtung zu lenken und möglichst für alle beteiligten Stakeholder so viel Wert wie möglich zu schaffen845. Oder mit den Worten des Ökonomen JOHN KAY ausgedrückt: Für realwirtschaftliche Unternehmen846, die Produkte und Dienstleistungen anbieten, ist Profitstreben (Shareholder-Value) nie direkt (als fester Orientierungsanker), sondern nur in Form eines indirekten, „paradoxen“ Profitstrebens ansteuerbar, also auf dem Umweg („Obliquity“) über den Markt und die Stakeholder (zufriedene Angestellte, attraktive Produkte, enge und langfristige Lieferantenbeziehungen, einen vertrauensvollen Umgang mit der Öffentlichkeit usw.) 847. Ein möglicher Umweg liegt zudem im integren Umgang mit arbeitsplatzbezogenen Fragen. Der Shareholder-Value ist damit nur die Wirkung einer Ursache 848, sodass sich die (rein an Marktdaten bzw. am abstrakten Marktmodell orientierte) Argumentation der Vertreter des Shareholder-Value-Ansatzes zumindest der Tendenz nach als fehlschlüssig erweist849. Andererseits erscheint es nicht weniger plausibel, moralische Aspekte in Stakeholder-Beziehungen einzubinden, um so zu einem universellen, polydimensiona-

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Unterschied ist aber, dass der Shareholder-Value-Ansatz von vornherein Anspruchsgruppen ausschließt, welche im Stakeholder-Ansatz mitberücksichtigt werden. FREEMAN/ HARRISON/ WICKS (2007), S. 3. Vgl. FREEMAN ET AL. (2010), S. 22f., 26f.; FREEMAN (2009), S. 22f.; FREEMAN/ MOUTCHNIK (2013), S. 6f. Eine Ausnahme bilden Finanzmärkte, in denen das eigentliche „Produkt“ bereits Geld ist und die durch ihre abstrakten (virtuellen) Funktionsmechanismen tendenziell direkte, umwegfreie Maximierungsprozesse gestatten. Vgl. KAY (2011), S. 30ff. Erfolgreiche Unternehmen sind nach KAY nicht solche, die sich nur dem Shareholder-Value verschrieben haben, sondern solche, die einen hohen Shareholder-Value auf Umwegen zu erreichen versuchen (über attraktive Produkte, einen integren Umgang mit den Mitarbeitern o. Ä.). „Der Weg zum Profit ist ein indirekter [ein Beschluss der Art „Das Management soll den Shareholder-Value maximieren“ ist nicht greif- und umsetzbar]“ (ebd., S. 38). Eine ähnliche Argumentation findet sich bei SAUTTER (2012), S. 17f. Und die Ursache ist, dass das Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich ist. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.1.3.1, der sich mit dem „Fallacy of Misplaced Concreteness“ befasst.

Wie tickt der Stakeholder „Gesellschaft“?

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len Stakeholder-Ansatz zu gelangen. FREEMAN erklärt hierzu, dass er es für notwendig erachte, “to revise this [strategic] concept along essentially KANTian lines. That is, each of these stakeholder groups has a right not to be treated as a means to some end, and therefore must participate in determining the future direction of the firm in which they have a stake” 850. “Thus, property rights are not absolute, especially when they conflict with important rights of others. The right to property does not yield the right to treat others as means to an end. Property rights are not a license to ignore KANT’s principle of respect for persons” 851. Unternehmen haben also sehr wohl Verfügungsrechte, welche es ihnen gestatten, auf eine gewisse Art zu handeln852. Verfügungsrechte ändern aber nichts daran, und hierin liegt ein ethischer Aspekt, dass Unternehmen die Würde der Menschen (be-)achten müssen. So wollen die hinter der Arbeitskraft stehenden Menschen anständig behandelt werden, in einem angenehmen Umfeld arbeiten, nicht andauernd um ihre Stelle bangen müssen oder bei der Arbeit kontrolliert werden. Auf der Grundlage der Ausführungen in Unterkapitel 4.2 zu diversen normativen Ethiktheorien sowie den Darlegungen in diesem Unterkapitel zum StakeholderAnsatz werden im folgenden Unterkapitel 5.3 Überlegungen zur generellen moralphilosophischen Orientierung und den damit verbundenen Erwartungshaltungen verschiedener Stakeholder-Gruppen (dabei insbesondere der Gesellschaft als einer Art „Gesamt-Stakeholder“) angestellt.

5.3

Wie tickt der Stakeholder „Gesellschaft“?

Damit das Management im Rahmen arbeitsplatzbezogener Maßnahmen moralisch richtig handeln, auf Stakeholder-Erwartungen reagieren und sich auch in die Lage der Stakeholder versetzen kann, muss es verstehen, wie die Gesellschaft „tickt“, 850 851

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EVAN/ FREEMAN (1993), S. 255. Vgl. auch PEUS ET AL. (2010), S. 195. EVAN/ FREEMAN (1993), S. 258. The main argument “of a stakeholder approach based on KANTian principles […] [is] that we are required to treat people “as ends unto themselves”” (FREEMAN 2004, S. 234). Z. B. sichern sie sich über Arbeitsverträge Verfügungsrechte an Arbeitskraft. Diese „umfassen das Recht, Arbeitskraft produktiv zu ge- oder verbrauchen, worin folgende Rechte eingeschlossen sind: a) das Recht auf Verausgabung von Arbeitskraft durch den Arbeiter; b) das Recht, das (die) Handlungsmuster des Arbeiters zu bestimmen (Autorität) und c) das Recht auf Aneignung des Teils der Produktion, der dem Tätigwerden des Arbeiters zu verdanken ist“ (SCHMIDTCHEN 1981, S. 195).

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Der Economic Point of View

wie also verschiedene Stakeholder, allen voran die Mitarbeiter und Öffentlichkeit, auf heikle Situationen reagieren. Normale Bundesbürger verfügen nicht über das ökonomische Fachwissen von Wirtschaftsexperten853. Ihre Kenntnisse und Vorstellungen über wirtschaftliche Funktionsmechanismen setzen sich aus alltäglichen, teils emotionsgeladenen Erfahrungen und wenig strukturierten Wissensfragmenten zusammen854. Wenn daher von Nicht-Ökonomen, ökonomischen Laien oder „der Gesellschaft“ gesprochen wird, dann geht es darum, „wie sich Menschen ohne wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung ökonomische Phänomene wie [...] Arbeitslosigkeit“855 oder einen Stellenabbau erklären. Es ist davon auszugehen, dass Menschen, die sich nicht mit Ökonomie im engeren Sinne befassen, eine etwas andere Art von Gerechtigkeitsempfinden haben als ökonomische Experten (z. B. Volks-, Betriebswirte). So werden Stellenverlagerungen und -streichungen von Ökonomen „weniger als Bedrohung denn als Beitrag zu effizienter Ressourcenallokation auf den Märkten und als „heilsamer Zwang“ für die Politik angesehen, eine prinzipienfeste und diskriminierungsfreie Ordnungspolitik zu betreiben“856. Während für Ökonomen und Manager Sach- und Effizienzaspekte (Frage: Wie werden Ziele erreicht?) einen zentralen Maßstab zur Entscheidungsbeurteilung bilden (effiziente Ergebnisse können für den Einzelnen Verluste mit sich bringen und sind insofern nicht notwendigerweise fair) 857, ziehen ÖkonomieLaien eher Gerechtigkeitsaspekte als Bewertungsmaßstab und Entscheidungsregel heran858. Sie argumentieren und urteilen eher emotional und moralisierend. Auch folgen sie weniger den Sachzwängen des Wettbewerbs, sondern sind am Status

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Vgl. FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010a), S. 50; ENSTE/ HAFERKAMP/ FETCHENHAUER (2009), S. 60. Vgl. KIRCHLER (2011a), S. 167. ROOS (2007), S. 25. NOLL (2012), S. 262. Zugleich wäre es falsch, anzunehmen, dass sich Fairness und Effizienz immer widersprechen müssten. Vgl. FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010a), S. 51ff.; NOLL (2012), S. 261f. Maßnahmen werden akzeptiert, wenn sie in guter Absicht getroffen werden und zu einer subjektiv als gerecht empfundenen (Gleich-)Verteilung führen. Das zeigt sich z. B. daran, dass Ökonomie-Laien einer Mindestlohneinführung, Obergrenzen für Managergehälter oder dem Ausbau des Kündigungsschutzes, der eine verringerte Einstellungsbereitschaft der Unternehmen bewirken kann, tendenziell positiv gegenüberstehen. Langfristige Folgen bestimmter Maßnahmen blenden sie eher aus (z. B. den Beitrag zur Chancengerechtigkeit und zum Wachstum durch Stellenverlagerungen, Gefahren eines Stellenabbaus durch Mindestlöhne oder einer Fachkräfteabwanderung durch Gehaltsobergrenzen, vgl. ENSTE/ HAFERKAMP/ FETCHENHAUER 2009, S. 67ff.). Vgl. auch CAPLAN/ COWEN (2004), S. 405.

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quo orientiert859 und haben Präferenzen für eine gemäßigtere Dynamik, Mobilität und Flexibilität860. Bei der Beurteilung wirtschaftlichen Handelns sind Normalbürger oftmals ihrer Intuition erlegen und finden auf Anhieb das richtig und gerecht, was ihnen ihr Bauchgefühl sagt861. Was ökonomisch sinnvoll erscheint, steht für sie weniger im Fokus. Bevor im Folgenden thematisiert wird, wie sich die moralphilosophische Orientierung von Wirtschaftsexperten und ökonomischen Laien unterscheidet, wird in einem Exkurs auf den (kaum beachteten) Wandel im Verständnis des „Gerechtigkeits“-Begriffs eingegangen. Exkurs Anfang: Gerechtigkeit Der Begriff der „Gerechtigkeit“ wurde bei ARISTOTELES ursprünglich als ethische Tugend gedeutet, und zwar als vollständige Tugend 862: „Gerechtigkeit [...] ist [...] 859

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Auch die Prospect Theory von KAHNEMAN/ TVERSKY (1979), die wohl bekannteste Theorie der Behavioral Economics, zeigt, dass reale Menschen im Gegensatz zum Homo oeconomicus, der als Abstraktion des Menschen völlig rational und frei von Verlustängsten kalkulieren würde, Verlustsituationen irrational wahrnehmen und eine ausgeprägte Verlustaversion haben (hier ist zu ergänzen, dass das klassische Modell des Homo oeconomicus gerade deshalb nützlich ist, weil es die bestehende Situationslogik und Anreizsituation hundertprozentig objektiv, also frei von Gefühlen, Emotionen und dgl. abbildet; reales menschliches Verhalten richtet sich zwar ebenfalls nach dieser Situationslogik, aber eben nicht immer und nicht nur). Eine logische Folge der Verlustaversion ist der „Status quo“-Bias (vgl. SAMUELSON/ ZECKHAUSER 1988; KAHNEMAN/ KNETSCH/ THALER 1991, S. 197f.; KAHNEMAN/ TVERSKY 1991, S. 1042ff.; ENSTE/ HAFERKAMP/ FETCHENHAUER 2009, S. 65): Wenn (Arbeitsplatz-)Verluste in stärkerem Maße wahrgenommen werden als Gewinne, so überrascht es nicht, wenn Menschen geneigt sind, negative Änderungen abzulehnen und den gegenwärtigen Zustand (Status quo) beibehalten zu wollen. Vgl. NOLL (2012), S. 262. Vgl. GIGERENZER (2008), S. 11; HAIDT (2001), S. 814. Zugleich ist eine klare Abgrenzung zwischen Ökonomen und Nicht-Ökonomen nicht möglich. Eine wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung allein ist noch kein Garant, um ökonomische Zusammenhänge ganzheitlich zu verstehen. So stellen FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010b, S. 16) in ihren Untersuchungen fest, dass „selbst Personen, die sich beruflich mit Wirtschaft beschäftigen und diese sogar anderen Menschen näherbringen sollen - etwa Lehrer und (Wirtschafts-)Journalisten - [...] in ihren Meinungen nicht mit Ökonomen“ übereinstimmen. Da der Zusammenhang zwischen Bildung und ökonomischem Verständnis nicht ohne Weiteres ermittelbar ist, sind hier nur Tendenzaussagen möglich. Nach einer Untersuchung von CAPLAN (2001, S. 423) wird ökonomisches Denken durch fünf Faktoren positiv beeinflusst: “[P]eople tend to agree with economists (1) if they are well educated, (2) […] are male, (3) […] recently experienced income growth, (4) […] expect income growth, or (5) […] have a higher degree of job security”. Da sich diese Faktoren mit dem typischen Manager-Profil überschneiden, ist anzunehmen, dass sich Manager in ihren Entscheidungen von ähnlichen Annahmen leiten lassen wie Ökonomen. Das wiederum ist nicht zuletzt auch auf ihre häufig vorausgegangene wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung zurückzuführen. Vgl. FRÖHLICH (2006), S. 39; LUTZ-BACHMANN (2002), S. 53; SCHLEISSHEIMER (2003), S. 222; HÖFFE (1996), S. 227. Bereits in PLATONs Politeia nimmt die Gerechtigkeit unter den vier Kardinaltugenden (neben Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit, vgl. PLATON 1987, S. 151) die oberste

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Trefflichkeit in vollkommener Ausprägung […]. […] Gerechtigkeit [...] ist [...] nicht ein Teil der ethischen Werthaftigkeit, sondern die Werthaftigkeit in ihrem ganzen Umfang“863. Umgekehrt erachtet ARISTOTELES Ungerechtigkeit „nicht [als] ein Teil der Minderwertigkeit, sondern [als] die Minderwertigkeit [oder Schlechtigkeit] in ihrem ganzen Umfang“864. Gleich zu Beginn des fünften Buches der Nikomachischen Ethik stellt er fest, dass „Gerechtigkeit“ und „Ungerechtigkeit“ mehrdeutige Begriffe sind865, wobei er zwei Formen gerechten Verhaltens unterscheidet, nämlich Gesetzestreue („legale Gerechtigkeit“) und Gleichheitsstreben866: Menschen verhalten sich gerecht, wenn sie Gesetze einhalten867. Da Gesetze den gesamten Lebensbereich betreffen und zum „gemeinsame[n] Vorteil für das gesamte Volk“868 beitragen sollen, wird diese Gerechtigkeitsform als allgemeine (universelle) Gerechtigkeit bezeichnet 869. Gerecht sind für ARISTOTELES zudem Menschen, die auf eine gleichmäßige Güterverteilung („bürgerliche Gleichheit“) achten, wohingegen ungerechte Menschen darauf bedacht sind, sich viele, aus ihrer Sicht Glück erzeugende Güter anzueignen und alle Übel von sich fernzuhalten870. Hier spricht ARISTOTELES von partikularer Gerechtigkeit. ARISTOTELES hat die Tugend der Gerechtigkeit deshalb als „vollkommene Tugend“ angesehen, weil sie nicht (nur) auf das Selbst, sondern „auf den anderen bezogen ist“871. Ein Mensch kann Gerechtigkeit „nicht nur bei sich, sondern auch in der Beziehung zu anderen Menschen verwirklichen“872, indem er sich fragt:

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Stellung ein, da sie als Grundlage der anderen Tugenden fungiert. Gerechtigkeit bedeutet, „das seinige tun und sich nicht in vielerlei mischen“ (ebd.). ARISTOTELES (2013), S. 122. ARISTOTELES (2013), S. 122. Vgl. ARISTOTELES (2013), S. 120. Vgl. auch KLOPFER (2008), S. 127; FRÖHLICH (2006), S. 38; HÖFFE (1996), S. 227. In dieser Unterscheidung räumt ARISTOTELES der Gesetzestreue den Vorrang gegenüber der Achtung der Gleichheit ein. Letztere verhält sich zur Gesetzestreue nur „wie der [bzw. ein] Teil zum Ganzen - jede Verletzung der Gleichheit ist nämlich eine Verletzung des Gesetzes, aber nicht jede Verletzung des Gesetzes ist eine Verletzung der Gleichheit“ (ARISTOTELES 2013, S. 124). Vgl. ARISTOTELES (2013), S. 120f. ARISTOTELES (2013), S. 121. Vgl. dazu 3. im fünften Buch der Nikomachischen Ethik. Vgl. ARISTOTELES (2013), S. 120f. Vgl. dazu 4.-9. im fünften Buch der Nikomachischen Ethik. ARISTOTELES (2013), S. 122. Vgl. dazu auch LUTZ-BACHMANN (2002), S. 55; FRÖHLICH (2006), S. 39. ARISTOTELES (2013), S. 122.

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„Was können andere gerechterweise von mir erwarten?“873 Da es leichter fällt, gegenüber sich selbst tugendhaft zu sein, hat derjenige Mensch nach ARISTOTELES den „besten Charakter“, der „seine Vorzüge nicht zu seinen Gunsten, sondern [exklusiv] für andere gebraucht“874. Jemand ist ein gerechter Mensch, wenn er die Ansprüche anderer uneigennützig befriedigt. Das Verhalten, das er in diesem Fall zeigt, wird als (soziale) Tugend bezeichnet. Damit drängt sich der Eindruck auf, dass das aktuelle Verständnis von sozialer Gerechtigkeit, so wie es in den Köpfen vieler Menschen verankert ist, ARISTOTELES‘ Gerechtigkeitsverständnis zumindest partiell zuwiderläuft. Die Frage ist heute, spitz formuliert, häufig nicht mehr: „Was kann ich für andere tun?“ (bzw.: „Was kann die Gesellschaft von mir erwarten?“), sondern: „Was können andere für mich tun?“ (bzw.: „Was kann ich von der Gesellschaft erwarten?“). Aussagen der Art „Ich bin ein gerechter Mensch, wenn…“ klingen nach dem heutigen Sprachgebrauch eher veraltet. Dies zeigen auch öffentliche Debatten. Wenn von Gerechtigkeit die Rede ist, dann denken viele sofort an Themen wie Arbeitsplatzschaffung, Erhöhungen der Löhne oder des Hartz-IV-Regelsatzes. Gerechtigkeit wird nicht primär als Sache empfunden, zu deren Verwirklichung man sich verpflichtet fühlt, sondern als Anspruch, den es einzufordern gilt875. Exkurs Ende Die Frage, wie sich die moralphilosophische Orientierung von Ökonomen und ökonomischen Laien unterscheidet, ist nicht eindeutig klärbar, jedoch lassen sich Vermutungen anstellen876, für deren Richtigkeit eine hohe Wahrscheinlichkeit be-

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Oder: Wie kann ich den Nutzen der anderen erhöhen? Genauso können sich Unternehmen heutzutage fragen: Was können Beschäftigte von uns erwarten? Oder: Was können wir tun, um die durch einen Stellenabbau erzeugte Nutzeneinbuße gering zu halten? ARISTOTELES (2013), S. 122. Vgl. auch HÖFFE (1996), S. 227. Zwar entspricht es der allgemeinen Vorstellung der Bevölkerung in der BRD, dass Menschen, vor allem wenn sie sich nicht selbst helfen können, etwas von der Gesellschaft „erwarten können“. Gleichwohl hat sich die Haltung in Bezug auf einen gerechtigkeitsbezogenen Eigenbeitrag im Laufe der Zeit ins Negative gewandelt. Dafür spricht bereits, dass viele Menschen nicht gewillt sind, Hilfe zur Selbsthilfe anzunehmen, so wie es auch im Arbeitsplatzkontext deutlich wird, etwa wenn es um den Erhalt oder Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit geht (vgl. Unterabschnitt 8.2.2.3). Wer sich aber selbst nicht helfen will, wer also gegenüber sich selbst nicht gerecht wird, der tut sich vermutlich schwer damit, von sich aus anderen zu helfen (d. h. anderen gegenüber gerecht zu sein). Ein geeigneter Ansatz, um sich ein Bild über die moralphilosophische Orientierung von (Nicht-) Ökonomen zu machen, basiert auf dem Vergleich der beiden Sozialsysteme „Unternehmen“ und

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steht. FETCHENHAUER ET AL. (2010a) leiten aus ihren Befunden zum Gerechtigkeitsempfinden von (Nicht-)Ökonomen ab, dass sich beide Gruppen neben ihrem Menschenbild auch „in ihrer moralphilosophischen Orientierung unterscheiden“877. Während „die meisten Menschen - und somit auch die meisten ökonomischen Laien - einer deontologischen Ethik folgen“878 würden, dominiere „[i]m volkswirtschaftlichen Denken [...] die Moralphilosophie des Utilitarismus“ 879. Letzterer Einschätzung ist direkt zuzustimmen. Der Utilitarismus, bei dem es um Nutzenbilanzierung geht, wird von der Mehrheit der Ökonomen präferiert (insofern sie überhaupt eine Ethik „fahren“ bzw. vertreten) 880.

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„Familie“ (vgl. ROTHE 2007). Die Familie bildet für viele Menschen den Lebensmittelpunkt, wobei familiäre Beziehungen und Strukturen Eigenschaften aufweisen, welche allgemein als wertvoll gelten. Nun ist zu fragen, ob sich solche Eigenschaften auch im System Unternehmen wiederfinden oder auf dieses übertragen lassen. Generell ist zu sehen, dass in Familien Personen im Mittelpunkt stehen, unabhängig davon, wie leistungsstark sie sind (vgl. SIMON 2005, S. 20). Auch bei wirtschaftlichen Engpässen oder im „Insolvenz“-Falle werden in der Familie keine „betriebsbedingten Kündigungen“ ausgesprochen (vgl. ebd., S. 27). Krisen (wie der Stellenverlust eines Angehörigen) lassen Familien in der Regel nicht zerbrechen, sondern schweißen sie noch enger zusammen (wobei hinzuzufügen ist, dass ein Stellenverlust familiäre Beziehungen durchaus stark belasten kann). Insofern legt sich die Vermutung nahe, dass ökonomische Laien geneigt sein könnten, familiäre Beziehungs- und Entscheidungsstrukturen auf Unternehmen zu übertragen und als Maßstab für ein moralisch integres Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis anzusehen. Wer so denkt, läuft Gefahr, die Funktionslogik der Wirtschaft und Komplexität unternehmerischen Handelns zu verkürzen. In der Marktwirtschaft sind Unternehmen aus sachlichen Gründen gezwungen, Stellen abzubauen (vgl. ROTHE 2007, S. 316). „Im Betrieb [...] zählt an erster Stelle die Sache. Personen kommen tendenziell nur als Beitrag zur Sache vor und fallen gerade [...] deswegen auf, weil sie sich aus der Sache nicht ohne weiteres bereits ergeben“ (BAECKER 2003, S. 127). Die Beziehung zum Arbeitnehmer kann gegenüber ökonomischen Erfordernissen nie eine vorrangige Rolle haben. Zentral bleibt folglich die „unterschiedliche Gewichtung des Beziehungs- und des Sachaspektes“ (ROTHE 2007, S. 320) bzw. Leistungsaspektes, welche das Unterscheidungsmerkmal zwischen der Familien- und Unternehmensmoral bildet. Hier wiederum sind vielfältige Überschneidungen denkbar (vgl. ebd.): So können zwischen Familienmitgliedern strikte Sach- und Leistungsbeziehungen bestehen, genauso wie in KMU ein familiäres Mitarbeiter-VorgesetztenVerhältnis vorherrschen kann (vgl. hierzu bereits Abschnitt 5.1.1). Dennoch steht auch in KMU der Sachaspekt im Vordergrund. Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass sich die Kommunikation (vgl. BAECKER 2003, S. 127f.), Wertorientierung und moralischen Leitlinien der Systeme Familie und Unternehmen unterscheiden (müssen). Ökonomische Laien tun sich aber, so die Vermutung, schwerer, ein Gespür für die Unterscheidung zwischen Beziehungs- und Leistungsmoral zu entwickeln. FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010a), S. 58. FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010a), S. 53. FETCHENHAUER/ ENSTE/ KÖNEKE (2010a), S. 58. Entscheidendes Kriterium ist der maximale Durchschnittsnutzen bzw. das „größte Glück der größten Zahl“. Vgl. hierzu bereits Unterabschnitt 4.2.2.1.

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Zu hoch gegriffen wäre es aber, zu behaupten, Ökonomie-Laien würden in ihren Entscheidungen nur einer deontologischen, KANTischen Ethik folgen. Im Alltag gibt es oftmals Situationen, welche Normalbürger nicht (nur) nach den zugrunde liegenden Motiven, sondern auch im Hinblick auf deren Folgen bewerten. Realistischer ist daher, anzunehmen, dass die meisten Menschen einen ethischen „Mischmasch“ vertreten, der durch verschiedene, teils situative Faktoren und Ansichten bestimmt wird881. Das gilt auch für arbeitsplatzbezogene Fragen: Zwar sind hier Tendenzen erkennbar, dass viele Menschen vom Grundsatz her davon ausgehen, dass es, KANTisch gesagt, kategorisch verboten sei, „unschuldige“ Mitarbeiter zu entlassen882. Typische Reaktionen kurz nach Bekanntgabe anstehender Entlassungen bekräftigen den Eindruck, dass der Diskurs in der Öffentlichkeit moralisch aufgeladen ist. Insofern ist anzunehmen, dass verschiedene Akteursgruppen (teils unbewusst) verschiedene normative Ethiken im Hinterkopf haben, wenn es zum Diskurs um arbeitsplatzbezogene Maßnahmen kommt. Gleichwohl ist zu beachten, dass der situative Kontext, der zu Entlassungen führt (genauso die Gestaltung der Entlassungen selbst), in jedem Falle anders ist. Zudem unterscheiden sich Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Persönlichkeit (Ansichten, Qualifikationen usw.)883. All diese Aspekte sind für die moralische Bewertung und empfundene Gerechtigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen relevant. Sie beeinflussen, wie das individuelle Wahrnehmungsverhältnis zwischen deontologischer und utilitaristischer Ethik im lokalen Fall ausfällt. Sie bestimmen also, ob Entlassungen von den Betroffenen und der Öffentlichkeit ausschließlich deontologisch bewertet werden (nach dem Motto: „Das gehört sich nicht“), oder ob sie bereit sind, den der Maßnahme zugrunde liegenden utilitaristischen Nutzenaspekt in ihre moralische Bewertung einzubeziehen. Wenn Menschen (wie im Falle von Nokia) kaum Verständnis für Entlassungen aufbringen können884, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen und Vertrauen verloren geht, dann sind sie geneigt, ihre (berechtigten)

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Fragen sind etwa: „Wie stelle ich mir ein gelingendes Leben und ein gutes gesellschaftliches Zusammenleben vor?“ Oder: „Wie können wir mehr Solidarität und mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft erreichen?“ Ob KANT das tatsächlich gesagt hätte, ist ungewiss. Vgl. dazu Abschnitt 4.2.3. „[V]iele der alltäglichen Managemententscheidungen [werden] in der Regel in moralisch schwer zu beurteilenden Bereichen getroffen [...]. So mag die ein oder andere Personalentscheidung [...] als […] gerecht oder ungerecht empfunden werden; aber in aller Regel handelt es sich dabei um subjektive Einschätzungen, die oftmals durch die persönlichen Befindlichkeiten der Betroffenen verzerrt werden“ (AßLÄNDER 2011a, S. 391). Vgl. zum Fallbeispiel Nokia Abschnitt 3.3.2.

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Der Economic Point of View

moralischen Vorstellungen und Interessen (und damit zugleich die schlechten Motive und vermeintlich böse Absicht der Handlung bzw. Unterlassung) ins Zentrum zu rücken und intuitiv, ohne weitere rationale Überlegungen anzustellen, einer deontologisch gefärbten Ethik zu folgen. Den eigentlichen Zweck der Maßnahme (für das Unternehmen, verbleibende Kollegen, neue Stelleninhaber oder andere Akteure) blenden sie dann von vornherein aus. Das tun sie aber weniger, weil sie die KANTischen Tugenden verinnerlicht haben, sondern weil sie die Situation, neuroökonomisch gesprochen, im Gehirn auf verschiedene Art bzw. in verschiedenen Gehirnarealen verarbeiten. Anders verhält es sich, wenn Arbeitnehmer das Gefühl haben, gerecht behandelt zu werden und eingebunden zu sein885. Dann sind sie eher bereit, den Nutzen der mit einer Maßnahme verfolgten Ziele nachzuvollziehen. Es kommt daher darauf an, moralische Gerechtigkeits- und unternehmerische Effizienzaspekte in der Kommunikation und im Handeln miteinander zu verzahnen 886. Wenn sich die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens durch einen Stellenabbau steigern lässt, dabei aber zugleich versucht wird, den berechtigten Interessen der Benachteiligten Rechnung zu tragen, dann wird ein solches Vorgehen von einem Teil der Betroffenen und der Öffentlichkeit auch toleriert, da sich das persönliche Schicksal mit Blick auf die Gesamtsituation relativiert. Zugleich kann die Bereitschaft steigen, sich dem Gemeinwohl, d. h. dem Interesse der breiten Masse der Belegschaft, unterzuordnen. Das zeigt: Selbst wenn Entlassungen im allgemeinen Bewusstsein als unmoralisch gelten, so können sie vom utilitaristischen Konsequenzenkalkül her doch sinnvoll sein. Sobald ökonomische Laien durch einen vertrauensvollen und partizipativen Umgang befähigt werden, die Logik gewisser

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Ein Überblick über zentrale Einflussfaktoren, welche die Gerechtigkeitswahrnehmung im Falle von Entlassungen beeinflussen, wird in Unterabschnitt 6.3.4.2 gegeben. Zu diesem Ergebnis gelangt auch die Untersuchung von SCHMITT ET AL. (2008) zum „Post Citizenship Behavior“ (PCB) von betriebsbedingt Gekündigten. Dieses fasst „alle Einstellungen und Verhaltensweisen von ehemaligen Mitarbeitern gegenüber ihrem früheren Arbeitgeber [...] zusammen“ (ebd., S. 103), wobei sich das PCB aus zwei Komponenten zusammensetzt: dem Verzicht auf Vergeltung (z. B. in Form von Rachehandlungen wie übler Nachrede) und Loyalität (z. B. als Kunde des Ex-Arbeitgebers oder in Form eines Wiedereinstiegs). Ein Ergebnis der Untersuchung war, dass es „[f]ür Führungskräfte von Unternehmen [...] entscheidend [ist], dass unternehmerische Kompetenz (Verantwortlichkeit für das Management) und moralische Kompetenz (gerechter Kündigungsprozess) aus der Sicht der Belegschaft Hand in Hand gehen [müssen], und dass Mitarbeiter auf wahrgenommene Defizite in diesen beiden Kompetenzbereichen sensibel reagieren“ (ebd., S. 109).

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Maßnahmen zu erkennen, folgen sie sehr wahrscheinlich nicht mehr nur einer deontologisch gefärbten, sondern auch einer utilitaristischen Ethik. Gleichzeitig wird ein Beitrag dazu geleistet, dass Vertrauen erhalten bleibt. Diese wichtige Unterscheidung in der Wahrnehmung ist vielen Unternehmen nicht bewusst. Jedenfalls ist die Annahme, Nicht-Ökonomen würden sämtliche langfristigen Folgen arbeitsplatzbezogener Maßnahmen per se ignorieren, nicht mehr als eine Tendenz, welche zwar zutreffen, aber keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben kann. Unabhängig davon ist nochmals zu betonen, dass durch die hier getroffene Unterscheidung zwischen Ökonomen und Nicht-Ökonomen nicht zum Ausdruck kommen soll, (genuin) moralische Vorstellungen von Nicht-Ökonomen würden nur auf „ökonomischem Analphabetismus“ beruhen, um den Ausdruck von HOMANN zu nutzen887. Vielmehr handelt es sich zumindest teilweise um ethisch berechtigte Interessen, die man aber, was entscheidend ist, in der heterogenen (Wirtschafts-) Wirklichkeit nicht absolut setzen kann, sondern mit anderen (z. B. ökonomischen) Interessen, Anforderungen und Bedürfnissen in Einklang bringen muss. Das nachfolgende Kapitel 6 liefert einen grundlegenden Überblick über das zur Verfügung stehende personalwirtschaftliche Instrumentarium, welches (mit Blick auf die vorliegende ethische Forschungsfrage) im Umgang mit arbeitsplatzbezogenen Aufgaben und Problemen relevant erscheint und in Teilen dann auch in die im achten Kapitel vorgenommene managementethische Analyse einfließen wird.

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Vgl. HOMANN/ SUCHANEK (2005), S. 410f.

6. Die aus managementethischer Sicht (arbeitsplatz-) relevanten Standardaufgaben entlang des Mitarbeiterflusssystems im Personalmanagement Ein Ziel der Arbeit ist es, Managern Perspektiven für ein ethisch verantwortbares und zugleich betriebswirtschaftlich zumutbares Handeln für verschiedene arbeitsplatzbezogene Fragen aufzuzeigen. Um diesem Ziel gerecht zu werden, ist es erforderlich, das vorhandene betriebswirtschaftliche Instrumentarium der Personalwirtschaft, so wie es in der Unternehmenspraxis zum Einsatz kommt, grundlegend zu erläutern. Es stellt das notwendige Handwerkszeug im alltäglichen Arbeitsplatzmanagement dar, das im Verlauf der Arbeit weiter vor dem Hintergrund ethischer Aspekte und bestehender gesellschaftlicher Wertvorstellungen betrachtet, kategorisiert und bewertet wird. Dabei ist generell zu sehen, dass das Personal bzw. die Humanressource, und das nicht erst im Zuge des demografischen Wandels, den Haupterfolgsfaktor moderner arbeitsteiliger Unternehmen bildet888. Diese Erkenntnis hat in vielen Unternehmen sukzessive zur Einsicht geführt, das Personalmanagement, anders als in der Vergangenheit, weniger als administrativ geprägte Verwaltungsinstanz, sondern stärker als strategischen Erfolgsfaktor (als „Human Resource Management“889) auszulegen890. Hierbei werden die Arbeitneh-

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Vgl. DRUMM (2008), S. 197; RINGLSTETTER/ KAISER (2008), S. 3. Da Humanressourcen ein eher breites Einsatzspektrum bzw. eine geringe Aufgabenspezifität (vgl. WRIGHT/ MCMAHAN/ MCWILLIAMS 1994, S. 312; das gilt besonders für gut ausgebildete Mitarbeiter, die eventuell bereits an mehreren Stellen im Unternehmen Erfahrungen sammeln konnten), zugleich aber eine hohe Unternehmensspezifität aufweisen (und durch ihre soziale Einbettung nur schwer für andere Unternehmen zugänglich sind), ist ihr Potenzial als nachhaltiger Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu physischen und technologischen Ressourcen tendenziell hoch (vgl. HOLTBRÜGGE 2015, S. 29f.). Die Mitarbeiter stellen insofern eine wertvolle Ressource in bzw. für Unternehmen dar. Das, was Unternehmen ausmacht (und es ermöglicht, dass neue Produkte und Produktionsverfahren entstehen), liegt in den Anstrengungen der Mitarbeiter begründet, die selbst wiederum in diverse organisationale Strukturen eingebettet sind. In international ausgerichteten Unternehmen wird es üblicher, vom angloamerikanischen Begriff des „Human Resource Managements“ (HRM) zu sprechen. Zum Teil wird der Eindruck vermittelt, „HRM unterscheide sich vom Personal-Management dadurch, dass die strategische Komponente der Personalarbeit beinhaltet sei“ (BERTHEL/ BECKER 2013, S. 21). Vgl. zum Wandel im Selbstverständnis und in der Außenwahrnehmung des HRM HOLTBRÜGGE (2015), S. 1ff.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 72f.; HAUER/ SCHÜLLER/ STRASMANN (2002), S. 25ff., 40f., 47; ULRICH (1999), S. 33ff., 42ff.; GÜNTHER (2014), S. 37ff. Hier sei nur Folgendes angemerkt: Bis in die 1960er Jahre hinein stand die Rolle des Personalmanagers als Personalverwalter im Vordergrund. In der Regel handelte es sich um administrativ und operativ (auf den einzelnen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Wagner, Managementethik und Arbeitsplätze, Studien zur Ethik der Transaktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26382-9_6

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

mer zunehmend als Gesamtressource gesehen, die einen Beitrag zu Wertschöpfung und Wettbewerbsvorteilsgenerierung leisten. Irrationale Entscheidungen im Personalbereich können die sachlichen891, sozialen und formalen Unternehmensziele, welche den wirtschaftlichen Erfolg zum Ausdruck bringen (operationale Maßgrößen sind z. B.: Rentabilität, Produktivität, Liquidität), negativ beeinflussen. Eine Voraussetzung für rationale Entscheidungen im Personalbereich liegt in der anforderungsgerechten Personalbereitstellung, was weitreichende Planungsbemühungen erfordern kann. Neben den Grundzügen der Personal(-bedarfs-)planung, welche in Unterkapitel 6.1 dargelegt werden, befasst sich das Kapitel in den Unterkapiteln 6.2 und 6.3 eingehend mit theoretischen Grundlagen und konkreten Methoden der Personalentwicklung und insbesondere -freisetzung. Letztere beiden Bereiche weisen eine hohe Relevanz für die Problemstellung der Arbeit auf

891

Mitarbeiter) ausgerichtete Sachbearbeitertätigkeiten mit Fokus auf die Produktivität und Rechtmäßigkeit personeller Maßnahmen. Dieses tradierte Bild, das bis heute den Ruf der Personalabteilungen mitbestimmt, hat ab den 1980ern dazu geführt, dass das Personalwesen unter Rechtfertigungsdruck geraten ist, auch was die generelle Existenzberechtigung des Bereichs betrifft. In Verbindung mit dem zu jener Zeit ohnehin aufgekommenen Trend hin zur Konzentration der Unternehmen auf erfolgsrelevante Kernkompetenzen kam es dazu, dass die wahrgenommene Bedeutung der durch das Personalwesen erbrachten Leistungen nachgelassen hat und Teile davon auf externe Dienstleister ausgelagert wurden. Ab den 1990er-2000er Jahren setzte sich zunehmend das Bewusstsein durch, dass die Mitarbeiter als strategische Ressource das Fundament zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen bilden. Dadurch wurde es notwendig, das HRM stärker an die allgemeine strategische Ausrichtung sowie Planung und Zielsetzung des Unternehmens zu binden. Zukünftig wird es darauf ankommen, den Fokus des HRM noch gezielter auf erfolgsrelevante Kompetenzfelder zu legen, aber auch die Tätigkeit des Personalwesens enger mit der Unternehmenstätigkeit zu verbinden und ihren Nutzwert für interne und externe Kunden herauszustellen. Um die Personalarbeit aber neben den notwendigen rechtlichen und verwalterischen Aufgaben stärker im strategischen Geschäftskontext ansiedeln und für wertschöpfende Aktivitäten einsetzen zu können, bedarf es der Etablierung eines neuen Rollenverständnisses des Personalmanagers bzw. neuer Aufgabenschwerpunkte im HR-Bereich (ein solches multiples Rollenkonzept stammt etwa von DAVE ULRICH, der in seinem Business Partner-Konzept vier Rollen unterscheidet, welche in ihrer Gesamtheit ein professionelles HRM ausmachen; vgl. ULRICH 1996, S. 23ff.; CLAßEN/ KERN 2010; WUNDERER/ DICK 2007, S. 225ff.). Zugleich ist zu sehen, dass viele der traditionellen (Routine-)Aufgaben des Personalwesens, die nur wenig zur Unternehmensperformance beitragen, nicht an Bedeutung verloren haben. Jedoch besteht das Erfordernis, ihre Abläufe kosteneffizienter zu gestalten. Vgl. dazu die Ergebnisse der erstmals 2007 von der Boston Consulting Group (BCG) und der European Association for People Management (EAPM) durchgeführten Umfrage „Creating People Advantage“, bei der personalverantwortliche Manager befragt wurden, worin sie zentrale Aufgabenbereiche des HRM vor dem Hintergrund ihrer zukünftigen Relevanz und der aktuell vorhandenen Kompetenzen in diesen Bereichen sehen (vgl. STRACK ET AL. 2014, S. 9; STRACK ET AL. 2011, S. 8; STRACK ET AL. 2009, S. 3). Was sind die Kernaufgaben des Unternehmens im Rahmen seiner Leistungsprozesse (so etwa die Produktion von Gütern und Dienstleistungen bestimmter Art, Güte und Menge, an Ort j, bis Zeitpunkt t usw.)?

Strategische Personal(-bedarfs-)planung

243

und liefern als klassische Aufgabenfelder des Personalmanagements das erforderliche betriebswirtschaftliche Rüstzeug für die eigentliche managementethische Analyse unterschiedlicher arbeitsplatzbezogener Problemstellungen. Dementsprechend werden beide Bereiche im achten Kapitel - die Personalentwicklung in Unterkapitel 8.2, die Personalfreisetzung in Unterkapitel 8.3 - erneut aufgegriffen und dort unter dem ethischen Blickwinkel sowie vor dem Hintergrund des entwickelten metaphysischen Theoriegerüstes kritisch weiter diskutiert und vertieft.

6.1

Strategische Personal(-bedarfs-)planung als Voraussetzung für integre arbeitsplatzbezogene Entscheidungen

Das Vorhandensein und die Ausgestaltung der Personalplanung haben weitreichende Konsequenzen auf arbeitsplatzbezogene Transaktionen, die von der Schaffung über den Erhalt bis hin zum Abbau oder zur Verlagerung von Arbeitsplätzen reichen892. Wie im Folgenden deutlich wird, ist eine langfristig und systematisch betriebene Personalplanung als Voraussetzung für ein ökonomisch rationales und zugleich sozialverträgliches Handeln im Personalbereich anzusehen. Um die diesbezüglichen Hintergründe besser nachvollziehen zu können, widmet sich der erste Abschnitt des Unterkapitels zunächst dem strukturierten Prozess und den Zielen der Personalplanung, bevor im zweiten Abschnitt einzelne Kernbereiche der Personalplanung dargestellt und hinsichtlich ihrer Relevanz für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand diskutiert werden. Im Anschluss wird in Abschnitt 6.1.3 ein Verständnis für das Erfordernis einer strategischen Ausrichtung der Personalplanung vermittelt.

6.1.1

Grundlagen der Personalplanung

Die Personalplanung ist ein strategisch wichtiges Aufgabengebiet der Unternehmensplanung, das personalwirtschaftliches Handeln in die Zukunft projiziert, um Unternehmen und Mitarbeiter auf zukünftige Erfordernisse vorzubereiten893. Ihre 892

893

Daher sind auch die Öffentlichkeit und Körperschaften des öffentlichen Rechts (Gemeinden, Bundesagentur für Arbeit) an einer strukturierten Personalplanung interessiert (vgl. HENTZE/ KAMMEL 2001, S. 88f.). Vgl. auch im Folgenden RKW (1996), S. 2; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 175ff.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 224f. Für Unternehmen waren „[p]ersonelle Engpässe, steigende Personalkosten und

244

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

Aufgabe liegt darin, „sicherzustellen, dass die benötigten Mitarbeiter zur rechten Zeit, am rechten Ort sowie in entsprechender Anzahl und Qualifikation zur Verfügung stehen [„Prüffunktion“]“894. Ein Unternehmen, das infolge einer improvisierten Personalplanung zu wenige oder zu viele (dazu noch unter- oder überqualifizierte) Mitarbeiter beschäftigt, kann kaum Erfolg haben, da es sich schwertun wird, sein Personal anforderungs- und eignungsgerecht einzusetzen895. Insofern erstaunt umso mehr, dass die (strategische) Personalplanung im Vergleich zur klassischen Absatz-, Produktions- und Investitionsplanung nach wie vor weniger verbreitet ist896. Je nach Komplexitätsgrad kann eine Personalplanung gedanklich,

894 895

896

eine zunehmend arbeitsteilige und mechanisierte Produktionsweise [...] Anfang bis Mitte der 60er Jahre die entscheidenden Ursachen einer dann einsetzenden praktischen personalplanerischen Arbeit“ (MAG 1998, S. 36). In den 1960ern lag die Arbeitslosigkeit hierzulande bei 1 %. In der Anfangsphase standen daher (anreizbedingt) die Personalbeschaffungs- und -einsatzplanung im Zentrum (vgl. FINZER 1992, S. 36f.). 1973/ 74 ist die Arbeitslosigkeit infolge der ersten Ölkrise, begleitet von einem massiven Lohnkosten- und Zinsanstieg, um 1 Mio. angestiegen, was die Bedeutung der Freisetzungsplanung erhöht hat (vgl. MAG 1998, S. 34f.). Ein zentraler Beitrag zur gesellschaftspolitischen Etablierung der Personalplanung ging von den im Juli 1971 vorgelegten Thesen der sozialpolitischen Gesprächsrunde des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung aus (getragen von Vertretern des DGB, der BDA sowie der DAG, vgl. SCHMIDT 1975, S. 415ff.; MAG 1998, S. 37f.). OECHSLER/ PAUL (2015), S. 176. Gleichzeitig wird sich beim Personal infolge der andauernden (körperlichen oder geistigen) Überoder Unterforderung am Arbeitsplatz eine Enttäuschung und Demotivation einstellen. Vgl. MAG (1998), S. 50. Die Ergebnisse neuerer Studien zeigen, dass inzwischen rund zwei Drittel der Unternehmen einen Personalplan haben (vgl. BMAS-Studie in Kooperation mit dem IAB (vgl. BELLMANN ET AL. 2014, S. 48): 50-99 Mitarbeiter: 58 %; 100-249 MA: 66 %; 250-499 MA: 79 %; >500 MA: 80 %). Gleichwohl kann eine systematische, umfassende und fachbereichsübergreifende Planung im Personalbereich (speziell in KMU) nicht vorbehaltlos vorausgesetzt werden (vgl. KOLB 2010, S. 610; MAG 1998, S. 51; STIEHLER/ SCHABEL 2014, S. 14). Aus einer Studie der Haufe Akademie und der Hochschule RheinMain aus 2009, in der bundesweit 104 Personalfachkräfte (primär mittelständischer Unternehmen) zur Personalplanung befragt wurden, geht hervor, dass nur 61 % der befragten Unternehmen eine strategische Unternehmensplanung (bis fünf Jahre) durchführen (vgl. WICKEL-KIRSCH/ KNORR 2009, S. 8), welche gemeinhin als Fundament der Personalplanung gilt. Zudem erstaunt, dass in über 30 % der Fälle keine Abstimmung zwischen Unternehmens- und Personalplanung erfolgt (vgl. ebd., S. 9). Hierin liegt ein Auslöser für unintegre und kostenintensive personalpolitische ad-hoc-Maßnahmen (z. B. kurzfristige Entlassungen) in konjunkturellen Flauten. Wenn ein Abgleich zwischen den Planungen stattfindet, so erfolgt dieser in 36 % der Fälle „top-down“ (von der Unternehmens- zur Personalplanung), nur 9 % der Unternehmen lassen Erkenntnisse der Personal- in die Unternehmensplanung einfließen (beiderseitige Anpassung: 24 %). Die Einschätzung von fast 40 % der Unternehmen, dass die für die Personalplanung aufgewendete Zeit sehr unterschiedlich ausfällt (vgl. ebd., S. 11), ist als Hinweis auf eine aus akutem Entscheidungsdruck heraus betriebene Personalpolitik zu deuten (vgl. bereits SEMLINGER 1987, S. 342). Für nur 20 % der Unternehmen ist die Qualifizierungsstruktur der Mitarbeiter bei der Personalplanung relevant, was für eine an der Mitarbeiterzahl orientierte Auslegung der Personalplanung spricht (vgl. WICKEL-KIRSCH/ KNORR 2009, S. 12; 52 % erachten den qualitativen Aspekt als zukunftsrelevant, vgl. ebd., S. 18). Falls eine qualitative Personalplanung

Strategische Personal(-bedarfs-)planung

245

schriftlich und PC-gestützt erfolgen897, wobei auf eine mit dem operativen Personalcontrolling harmonisierte Datenbasis zu achten ist. Die Personalplanung unterliegt nicht nur mehreren rechtlichen Grundlagen, sie ist auch eine jener HRMAktivitäten, welche Auswirkungen auf das Rating nach Basel II hat898. Die beiden Wortteile „Personal“ und „Planung“ liefern bereits Hinweise auf den Inhalt der Personalplanung. Als Personal werden alle „in abhängiger Stellung arbeitenden Menschen bezeichnet, die innerhalb einer institutionell abgesicherten Ordnung eine Arbeitsleistung gegen Entgelt erbringen“ 899. Ein Großteil der Unternehmensangehörigen kann damit Gegenstand der Personalplanung sein900, wobei die Personalplanung nicht nur als kollektive, die Belegschaft in ihrer Gesamtheit umfassende, sondern auch als individuelle Planung zu verstehen ist, welche den Werdegang einzelner Mitarbeiter unter Beachtung ihrer Bedürfnisse plant und begleitet901. Der Begriff der „Planung“ ist dabei nicht mit dem „Prognose“-Begriff zu verwechseln. Prognosen sind „Wahrscheinlichkeitsaussagen über das Auftreten von Ereignissen (Wirkungen, Daten) in der Zukunft, die auf Beobachtungen und theoretischen Aussagen beruhen“902. So können Unternehmen einen Markteintritt samt der dazugehörigen Personalien planen, wohingegen die Nachfrage z. B. nur prognostizierbar ist. Prognosen sind aber in der Hinsicht Teil der Planung, als dass jede Planung auf Prognosen fußt903. Generell ist Planung „ein [1.] von Personen getragener, [2.] rationaler, [3.] informationsverarbeitender Prozess zum [4.] Erstellen eines Entwurfs, welcher Maßnahmen für das [5.] Erreichen von Zielen [6.]

897 898

899 900

901 902 903

erfolgt, so bezieht sich diese in über 80 % der Fälle auf einen kurzfristigen Zeitraum von bis zu einem Geschäftsjahr (vgl. ebd., S. 17). Auch die quantitative Personalplanung wird in nur 19 % der Unternehmen für einen Planungszeitraum von über zwei Jahren durchgeführt (vgl. ebd., S. 16). Diesen begrenzten Planungshorizont bestätigen auch andere Studien (vgl. BELLMANN ET AL. 2014, S. 48; STIEHLER/ SCHABEL 2014; DONKOR/ LOHMANN/ KNORR 2012; STRACK ET AL. 2010, S. 22; STRACK ET AL. 2012, S. 12). Vgl. FINZER (1992), S. 42; WICKEL-KIRSCH/ KNORR (2009), S. 20. Vgl. GUTMANN/ TERSCHÜREN (2004), S. 9; BREITSCHUH/ WÖLLER (2007), S. 90; ZANTOW/ DINAUER (2011), S. 144. Vgl. zu den rechtlichen Grundlagen der Personalplanung RKW (1996), S. 597ff. (Teil IX); MAG (1998), S. 12ff.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 191ff.; Bertelsmann-Stiftung (1999), S. 47ff.; HORSCH (2000), S. 15f.; BISANI (1995), S. 177; KOLB (2010), S. 623f. OECHSLER (2006), S. 1. Nicht zum Personal zählen Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer, die per Dienstvertrag angestellt sind. Vgl. GUTMANN/ TERSCHÜREN (2004), S. 16; BISANI (1995), S. 179. SCHWEITZER (2005), S. 57. Vgl. MACHARZINA/ WOLF (2015), S. 408f.

246

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

vorausschauend festlegt“904. Bei genauer Betrachtung der Definition zeigt sich, dass auch jede Personalplanung folgelogisch - von Personen durchgeführt wird (1): Diese Personen sollten wegen der Bedeutsamkeit der Personalplanung dem Management angehören oder organisatorisch nahestehen. In Kleinunternehmen kann es sich um eine „Hinterkopf“-Planung des Inhabers handeln, mit zunehmendem Umfang der Führungsaufgabe bietet sich „eine sachliche Delegation innerhalb des Führungsbereichs an“905. Die mit der Führungsfunktion Personal verbundenen Planungsaufgaben sind demnach zweckmäßigerweise als Fachstab, bei entsprechender Unternehmensgröße als Zentralabteilung bzw. -bereich vorzusehen, der an die Gesamtunternehmensleitung oder ein personalverantwortliches Mitglied der Unternehmensleitung angebunden sein kann906. - rational (bewusst, zielgerichtet) und geordnet ablaufen sollte (2): Planung ist als elementarer Teilprozess in den Führungsprozess des Unternehmens eingebettet (vgl. Abb. 19)907:

904 905 906

907

SCHWEITZER (2005), S. 18. TROßMANN/ BAUMEISTER/ WERKMEISTER (2003), S. 2. Vgl. TROßMANN/ BAUMEISTER/ WERKMEISTER (2003), S. 6; MAG (1998), S. 28. Obige Studie der Haufe Akademie ergab, dass die Personalplanung in 52 % der mittelständischen Unternehmen in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsleitung fällt. 35 % gaben die Personalabteilung als zuständige Instanz an (vgl. WICKEL-KIRSCH/ KNORR 2009, S. 10). Die Einführung einer Personalplanung erfordert nicht zwingend hochkomplexe Planungssysteme, sodass sie im Grunde von jedem Unternehmen betrieben werden kann (vgl. Bertelsmann-Stiftung 1999, S. 48). Kleine Unternehmen „stehen zusätzlich vor der Notwendigkeit, durch rasche Anpassung, flexible Disposition und ähnliches einen strategischen Wettbewerbsvorteil gegenüber Großunternehmen zu erlangen“ (SCHOLZ 1989, S. 58). Vgl. WILD (1982), S. 32. Der Führungsprozess lässt sich in die drei Phasen „Planung, Realisation (Verwirklichung) und Kontrolle (Überwachung)“ (KOSIOL 1962, S. 56) differenzieren.

1. Führungsphase: Planung (Entscheidungsvorbereitung) oberste Zielvorstellungen (= Ausgangspunkt): formale/ wertmäßige Ziele, sachliche Ziele, ethische/ soziale Ziele  (a) Zielbildung  (b) Rechtzeitige Problemfeststellung   (c) Alternativensuche (d) Prognose   (e) Rationale Alternativenbewertung und Entscheidungsakt:  (f) Ergebnis des Planungsprozesses: Plan/ Planungssystem  (g) Durchsetzung des Plans:  2. Führungsphase: Realisation (Verwirklichung)  (h) Vorgabe Sollwerte/ Plangrößen (aus f) (i) Ermittlung Istwerte/ Vergleichsgrößen   (j) Soll-Ist-Vergleich  (k) Abweichungsanalyse

247

   Rückkopplungsinformationen   

   Vorkopplungsinformationen   

Strategische Personal(-bedarfs-)planung

3. Führungsphase: Kontrolle (Überwachung)

Abb. 19: Planung, Realisation und Kontrolle als zusammenhängende Phasen im Führungsprozess908

Wie jede Planung lässt sich auch die Personalplanung (samt deren Teilplanungen) in Phasen zerlegen, für die eine rationale Abfolge existiert. Im Einzelnen handelt es sich dabei um „die Phasen Zielbildung, Problemfeststellung, Alternativensuche, Prognose, Bewertung und Entscheidung“909, welche sachlich zu durchlaufen sind. Gerade umfangreichere Planungsprozesse laufen nicht einseitig linear, sondern zyklisch ab, sodass es in allen Planungsphasen nötig werden kann, auf frühere Phasen zurückzuspringen, um diese zu komplettieren oder zu präzisieren (vgl.

908

909

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an SCHWEITZER (2005), S. 25f.; WILD (1982), S. 37ff.; KÜPPER ET AL. (2013), S. 131ff.; HAHN/ HUNGENBERG (2001), S. 46. Zur zweiten Führungsphase ist anzumerken, dass sich die Realisation im Gegensatz zur Planung und Kontrolle nicht direkt beeinflussen lässt. Die Realisation ist keine Führungsaufgabe (daher gestrichelt gekennzeichnet), sondern Gegenstand der Führung. Sie ist so hinzunehmen, „wie sie wird“, und „wie sie wird“, kann durch Maßnahmen der (Personal-)Planung beeinflusst werden. SCHWEITZER (2005), S. 25.

248

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

Abb. 19: „Rückkopplungsinformationen“). Zeigt sich etwa in der Bewertungsphase, dass erarbeitete Personaleinsparungsmaßnahmen (mit Blick auf das Einsparpotenzial, das zu erwartende Leistungsniveau der Restbelegschaft, die Sozialverträglichkeit o. Ä.) ungeeignet erscheinen, so ist nach geeigneten Alternativmaßnahmen zu suchen, die Problemfeststellung zu überprüfen 910 oder die Zielsetzung zu revidieren. In jedem Fall bedarf es einer korrigierenden Rückkopplung, genauso wie das Ergebnis (Soll-Ist-Vergleich, z. B.: Um wie viel Prozent wurden die Personalkosten reduziert?), der Fortschritt (Soll-Wird-Vergleich, z. B.: Wurden alle freizusetzenden Mitarbeiter bereits identifiziert/ informiert?) und sämtliche Prämissen personalpolitischer Maßnahmen (Wird-Ist-Vergleich, z. B.: Kann infolge des zwischenzeitlichen Auftragsanstiegs ein Teil der Entlassungen vermieden werden?) zu kontrollieren sind 911. - ein Informationsverarbeitungsprozess zur Gewinnung eines (Personal-)Plans bzw. Planungssystems ist (3)912: Dabei gibt es eine Vielzahl interner und externer Rahmenbedingungen und Informationsquellen, die Einfluss auf Personalplanungsprozesse nehmen913. Personalplanung bedeutet zunächst aber nicht 910

911

912

913

Häufiger sind einzelne Problemsymptome offenkundig sichtbar, die Problemursachen aber unbekannt. Deshalb ist zu prüfen, wie Probleme zusammenhängen und worin das Ursprungsproblem liegt. So hat ein Unternehmen, dessen Produkte von mangelhafter Qualität sind, mit diversen Folgeproblemen zu kämpfen, welche im Vergleich zum Ursprungsproblem eventuell deutlicher zutage treten (z. B. schlechte Absatzzahlen, unfreiwillige Lagerbestände, hohe Fixkosten bei ausbleibenden Umsätzen, Personalüberdeckung). Gelingt es rechtzeitig, das Ursprungsproblem zu beheben, dann ist davon auszugehen, dass sich auch die Folgeprobleme unter Zuhilfenahme geeigneter Maßnahmen in Griff bekommen lassen. Falsch wäre es dagegen, zuerst bei den Folgeproblemen anzusetzen (etwa indem Lagerkapazitäten erhöht oder Beschäftigte entlassen werden). Ebenso wichtig wie die Einteilung in ursprüngliche und folgende Probleme ist jene in drängende und nicht drängende Probleme. Auch Probleme, die abgeleiteter Art sind, können drängend sein. So ist im vorliegenden Beispiel das Finanzproblem zwar „nur“ ein abgeleitetes Problem der mangelnden Qualität, dennoch muss es zuerst gelöst werden, und zwar bevor das Unternehmen seine vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann und Arbeitsplätze gefährdet werden. Vgl. KÜPPER ET AL. (2013), S. 258ff.; MACHARZINA/ WOLF (2015), S. 432ff. Generell gilt: „Planung ohne Kontrolle ist [...] sinnlos, Kontrolle ohne Planung unmöglich“ (WILD 1982, S. 44). Unternehmen führen laufend Planungen durch, welche im Planungssystem ineinandergreifen. Ein Planungssystem ist eine systematische Gesamtheit einzelner Planungen (vgl. WALL 1999, S. 11ff.; HAHN/ HUNGENBERG 2001, S. 77). Die zentralen Merkmale einer Planung (Reichweite, Differenziertheit, Genauigkeit/ Feinheit und Präzision der Planung sowie die Beachtung von Interdependenzen zwischen Teilplänen) lassen sich in sachlicher und zeitlicher Hinsicht interpretieren (vgl. TROßMANN 1992, S. 124f.). Eine vorausschauende Personalplanung erfordert es, die Rahmenbedingungen zu beachten, die das HRM und die Unternehmenstätigkeit generell beeinflussen, wobei eine Abgrenzung zwischen externen und internen Faktoren nicht trennscharf möglich ist (folgende, stark vereinfachte Aufzählung orientiert sich an STOCK-HOMBURG 2013, S. 19ff.; RINGLSTETTER/ KAISER 2008, S. 25ff.;

Strategische Personal(-bedarfs-)planung

249

mehr, als einen Personalplan zu erstellen. Ein solcher ist ein Entwurf, der bestimmte personalbezogene Größen und konkrete Maßnahmen für die Zukunft festlegt914. - zu unterschiedlichen Entwürfen führt (4), welche je nach Anspruchsgruppe (Management, Mitarbeiter, Gewerkschaften usw.) teilweise verschieden bewertet werden. - auf das Erreichen von vorgegebenen Zielen abstellt (5)915. Vor der Planung sind Überlegungen darüber anzustellen, was erreicht werden soll. Dabei sind bei der

914

915

LINDNER-LOHMANN/ LOHMANN/ SCHIRMER 2016, S. 9ff.; WUNDERER/ DICK 2007, S. 7ff.; ULRICH 1999, S. 35ff.; HOLTBRÜGGE 2015, S. 71ff.; OECHSLER/ PAUL 2015, S. 85ff.; KLIMECKI/ GMÜR 2005, S. 140ff.). Übergeordnete (externe), die Makroumwelt betreffende Faktoren sind nicht oder kaum vom Unternehmen beeinflussbar (zu denken ist an: globale, teils unvorhersehbare Ereignisse/ Entwicklungen - z. B. Finanz-/ Eurokrise, Katastrophen; Konjunktur und wirtschaftliche Entwicklung - z. B. Wirtschaftswachstum/ -krise, Internationalisierung der Wirtschaft; Bildungswesen im Land des Unternehmensstandortes - z. B. Transferierbarkeit des Wissens, Substitutionsbeziehung Wirtschaft/ Bildung; Aktivitäten/ Stärke/ Forderungen der Interessenverbände z. B. der Gewerkschaften bezüglich Bezahlung und Arbeitszeit; rechtliche Regelungen und Compliance/ politische Entwicklung - z. B. europäisches/ internationales Arbeitsrecht, Auswirkungen Corporate Governance Kodex auf Personalarbeit; individueller und gesellschaftlicher Wertewandel (etwa im Hinblick auf Gen Y, Z) - z. B. Folgen auf Motive, Bedürfnisse, Karriere-/ Partizipationserwartungen zukünftiger Arbeitnehmergenerationen; Chancen und Risiken der Technologieentwicklung/ Automatisierung/ Robotik/ IuK-Technologie - z. B. Wandel im Kommunikationsverhalten, zunehmende Bedeutung sozialer Netzwerke, Nutzungspotenziale von Big Data, zunehmende Entlokalisierung des Arbeitsplatzes; demografische, arbeitsmarktbezogene Entwicklungen - z. B. Arbeitskräfteverfügbarkeit/ Wettbewerb auf Arbeitsmarkt, Wandel in Belegschaftskonstellationen, Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen). Unternehmensspezifische (interne), die Mikroumwelt betreffende Faktoren, die ebenso für den Wandel und die Gestaltung des HRM zentral sind, können vom Unternehmen mitbeeinflusst werden (zu denken ist an: unternehmensbezogene Merkmale - z. B. Unternehmensstrategie (Internationalisierungs-, Wettbewerbsstrategie), Arbeitgeberattraktivität; unternehmensspezifische Situation auf Absatzmarkt und daraus resultierende Beeinflussung des Personalbedarfs - z. B. Marktdynamik/ Wettbewerbsintensität, technologische Dynamik, Internationalisierungsgrad, Änderungen im Konsumentenwahlverhalten (etwa Wandel vom Consumer zum Prosumer), neue intelligente Geschäftsmodelle (etwa durch Dienstleistungsverträge); Substitutionspotenzial - z. B. Outsourcing von Teilleistungen, Zugang zu Zeitarbeitskräften; Unternehmenskultur - z. B. Auswirkungen für aktuelle Personalpolitik, Selektionsfunktion bei Ansprache/ Auswahl neuer Mitarbeiter). Ein (Personal-)Plan „legt konkret fest, warum (Problem), wer (Ausführender), was (Ziel, Ergebnis), bis wann (Termin), womit (Mittel, Ressourcen) und wie (Maßnahmen) zu tun hat (Bestandteile eines Plans)“ (KOLB 2010, S. 611). Ein Personalplan ohne Maßnahmen wäre kein Plan, eben weil er nichts festlegt. Ziele sind als „angestrebte zukünftige [Soll-]Zustände“ (KIRSCH 1977, S. 157) zentrale Leitgrößen eines jeden Führungsprozesses (vgl. WILD 1982, S. 37). Strategien beschreiben demgegenüber (umrissartig) den Weg zu den Zielen (vgl. KIRSCH 1997, S. 457). Ziele lassen sich nach den Kriterien Inhalt, Ausmaß, Zeitbezug und sachlicher Geltungsbereich differenzieren (vgl. HEINEN 1992, S. 98ff.; STAEHLE 1999, S. 440; WILD 1982, S. 51), die bei der Zielformulierung zu beachten

250

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

Ergebnisbeschreibung nicht nur jene Zielgrößen einzubeziehen, welche die Interessen des Entscheidungsträgers tangieren, sondern auch Ziele anderer relevanter Stakeholder. So wird ein Unternehmer, der primär am Gewinn orientiert ist, aus sozialmoralischen Gründen im Zuge der Personalplanung eventuell auch das (für seine Mitarbeiter relevante) Ziel „Anzahl der Beschäftigten“ in seine Nutzenfunktion aufnehmen und es in gewissem Maße in Kauf nehmen, auf Gewinne zu verzichten, um Arbeitsplätze zu erhalten, Ausbildungsplätze zu schaffen o. Ä.916 - vorausschauend (zukunftsbezogen) ist (6). Abschließend wird ein Überblick über zentrale Arbeitgeberinteressen an der Personalplanung gegeben. Die durch die Personalplanung erzielten Informationen sollen dazu beitragen917, - das vorhandene Arbeitskräftepotenzial (Qualifikationen) bestmöglich auszuschöpfen. - Personalressourcen auch zukünftig zieladäquat einzusetzen, indem Schwächen in der Mitarbeiterstruktur (quantitative und/ oder qualitative Personalüber-/ unterversorgung) frühzeitig erkannt werden: Hierin liegt eine Voraussetzung für ein gutes Betriebsklima und die Mitarbeitermotivation. Nur wenn der Qualifizierungsbedarf erkannt und erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden, kann die Innovationsfähigkeit des Unternehmens ge-

916

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sind, um eine vernünftige Zielverfolgung sicherzustellen. Darüber hinaus existieren mehrere Anforderungen an Ziele, welche mit den Zielkriterien direkt zusammenhängen. Nach dem „SMART“-Prinzip sollten Ziele „s“pecific, „m“easurable, „a“chievable, „r“ealistic („r“esult-based) und „t“imely („t“ime specific) formuliert werden (vgl. EYER/ HAUSSMANN 2014, S. 37ff.; STOCK-HOMBURG 2013, S. 384f.; HOLTBRÜGGE 2015, S. 232). Der Zielinhalt sollte („s“) spezifisch (konkret, exakt, verständlich), das Zielausmaß und der Zielerreichungsgrad im weiteren Sinne („m“) „messbar“ (operational, überprüfbar) sein. Eine weitere Anforderung an Ziele ist ihre („a“) Erreichbarkeit (Ausführ-, Beeinflussbarkeit), da von unerreichbaren Zielen keine motivationsfördernde Wirkung ausgeht. Zudem sollten Ziele („r“) ergebnisbezogen (an Kennzahlen festgemacht, unternehmenszielbezogen) und („t“) terminiert (auf gewisse Zeiträume) festgelegt sein. Vgl. LAUX/ GILLENKIRCH/ SCHENK-MATHES (2014), S. 46. Wirtschaftsunternehmen werden nicht wegen ihrer sozialen Beiträge für die Gesellschaft (z. B. zur Arbeitsplatzschaffung) gegründet (vgl. Abschnitt 3.1.3). Soziales Handeln findet daher häufig nicht in der Zielformulierung, sondern in selbst auferlegten entscheidungsrelevanten Nebenbedingungen seinen Niederschlag (vgl. ebd.; BRÜHL 2012, S. 20): So kann ein Unternehmen versuchen, den Gewinn um x % zu steigern, jedoch unter der Nebenbedingung, dass Entlassungen vermieden werden. Die folgende Aufzählung beruht in abgewandelter Form auf Zusammenstellungen von RKW (1996), S. 4f.; HORSCH (2000), S. 4f.; BISANI (1995), S. 177; BOSCH/ KOHL (1995), S. 24ff.

Strategische Personal(-bedarfs-)planung

-

-

-

918

251

sichert und zugleich ein Beitrag zur Risikovermeidung und Steigerung der Produktivität und Produktqualität geleistet werden. Zudem ist das Unternehmen in geringerem Maße vom externen Arbeitsmarkt abhängig, was seinen Handlungsspielraum erhöht. leistungsfähige und talentierte Mitarbeiter effizienter einzusetzen und weiter zu fördern. Personalbeschaffungskosten zu vermeiden: dann nämlich, wenn es durch innerbetriebliche Personalbeschaffungsmaßnahmen gelingt, Stellen mit eigenen Mitarbeitern zu besetzen. Personalfreisetzungskosten zu reduzieren: Umso früher eine Personalüberdeckung erkannt wird, desto eher gelingt es, antizipative Freisetzungsmaßnahmen zu ergreifen. die Gesamtpersonalkosten einer Abrechnungsperiode kontrollieren und in ihrer Entwicklung beurteilen und prognostizieren zu können. das Know-how externer Experten (z. B. von Unternehmens- und Personalberatern) besser einschätzen und effizienter nutzen zu können. die Kommunikation zu vereinfachen: Die Personalplanung trägt zur Erhöhung der Nachvollziehbarkeit und Transparenz arbeitsplatzbezogener Maßnahmen bei. Unternehmen können relevante Anspruchsgruppen zeitnah über arbeitsplatzbezogene Probleme informieren und in konstruktive Verhandlungen mit ihnen eintreten. Damit wird ein Beitrag zur Konfliktvermeidung und Sicherung der Handlungsfähigkeit geleistet. Auch wenn das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats an der Personalplanung eher schwach ausfällt, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Einflusspotenzial bei einigen generellen Personalentscheidungen umfassend ist918. Wichtig ist, dass Unternehmensleitung und Betriebsrat gleichermaßen vom Nutzen einer kooperativen Personalplanung überzeugt sind. Die Personalplanung ist weder eine reine „Arbeitnehmerplanung“ noch eine (als Rationalisierungsinstrument zu verstehende) „Arbeitgeberplanung“. Nur unter der Voraussetzung einer umfassenden und gesetzmäßigen Beteiligung der Arbeitnehmervertreter lassen sich arbeitsplatzbezogene Konflikte umgehen.

Vgl. KOLB (2010), S. 624. Beispielsweise sind hier zu nennen: §93 BetrVG (interne Ausschreibung von Arbeitsplätzen), §99 BetrVG (Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen: Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung), §102 BetrVG (Mitbestimmung bei Kündigungen).

252

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

- auf zukünftige, auch aus demografischen Veränderungen resultierende Herausforderungen des Personalmanagements schneller zu reagieren919: Gerade junge, hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte werden infolge der niedrigen Geburtenraten zunehmend knapper (und damit teurer), sodass sich viele Unternehmen auf einen Bewerbermangel einstellen müssen und darauf angewiesen sein werden, durch eine Längerbeschäftigung bereits vorhandener (älterer) Mitarbeiter ihre Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren. Einige typische, teilweise eng miteinander verzahnte Handlungsfelder in diesem Kontext, die vor allem auf das Finden und Halten (hoch-)qualifizierter Mitarbeiter abzielen, sind 919

Die Bevölkerung in Deutschland verändert sich im Wesentlichen in zweierlei Hinsicht. Die beiden zentralen Phänomene können als Schrumpfung und Alterung der Gesellschaft umschrieben werden. Der erste Entwicklungstrend liegt in der sich kontinuierlich verringernden Bevölkerungszahl, wobei hier anzumerken ist, dass die Annahmen der Bevölkerungsvorausberechnungen, die vor den jüngsten Migrationsentwicklungen gemacht wurden, aus heutiger Sicht nur noch bedingt aussagekräftig sind (z. B. wird in der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung aus 2015 von einem Rückgang der Bevölkerungszahl bis 2060 auf 67,6 bis 73,1 Mio. ausgegangen, vgl. Destatis 2015c, S. 6; neuere Schätzungen gehen dagegen davon aus, dass die Bevölkerungszahl auch stabil bleiben könnte). Sicher ist nur, dass die anhaltend hohe Zuwanderung und mittlerweile wieder leicht gestiegene Geburtenrate (2015: 1,5 Kinder/ Frau) einen Einfluss auf die Gesellschaftsgröße und -struktur haben, der sich aber noch nicht zuverlässig bewerten lässt. Ein zweiter demografischer Megatrend betrifft das schleichende Älterwerden der Gesellschaft und damit einhergehende Veränderungen im Altersaufbau. So wird der Anteil der Bevölkerung im Kernerwerbsalter (20 bis unter 65 Jahre), die heute den Großteil der Erwerbstätigen stellt, von 61 % (Stand 2013) bis 2060 auf 51 % fallen (vgl. ebd., S. 19). Im gleichen Zeitraum wird der Anteil der 65- bis unter 80Jährigen sowie der mindestens 80-Jährigen von 15 % auf 20 % bzw. von 5 % auf 13 % steigen (vgl. ebd.). Verbunden mit der zunehmenden Lebenserwartung wird das Durchschnittsalter der Bevölkerung so von 45 auf 50 bis 52 Jahre steigen (vgl. ebd.). Die Gruppe der älteren Erwerbsbevölkerung wird damit auf lange Sicht relativ und absolut zunehmen, die jüngere abnehmen. In der Folge kommt es in den Unternehmen zu immer stärker komprimierten bzw. gestauchten und (bei einfacher Fortschreibung) zunehmend homogen-alterszentrierten Belegschaftsstrukturen (zirka 45 Jahre und älter), denen immer weniger jüngere Arbeitnehmer gegenüberstehen und die (ohne nachhaltige Anpassungen) schlagartige Rekrutierungs- und Ruhestandswellen bewirken. Die skizzierten demografischen Entwicklungen führen dazu, dass die grafische Darstellung der Bevölkerungsstruktur in Deutschland seit Langem nicht mehr der idealtypischen Pyramide entspricht, in der Kinder die stärksten Jahrgänge stellen und die Zahl der Älteren infolge der Sterblichkeit gleichmäßig abnimmt. Während zu Zeiten des Deutschen Reichs (1910) noch eine solche Pyramide vorlag, hat sich der Bevölkerungsaufbau bis heute immer mehr zu einem (durch die beiden Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise zerrütteten) „Tannenbaum“ entwickelt (vgl. Destatis 2015c, S. 11), dessen Bauch sich allmählich nach oben verschiebt (dabei zeigt sich das Phänomen der Bevölkerungsschrumpfung am reduzierten Flächeninhalt der Pyramide, das der -alterung an der Verlagerung der Fläche nach oben). Letzterer steht für die geburtenstarken Jahrgänge der späten 1950er1960er Jahre („Baby-Boomer“), die im Laufe der 80er Jahre ins Erwerbsleben eingetreten sind und heute in vielen Unternehmen eine starke Belegschaftsgruppe bilden, welche sich als großer Block auf den Ruhestand zubewegt (vgl. KLAFFKE 2017, S. 213f.; DELLER ET AL. 2008, S. 57ff.).

Strategische Personal(-bedarfs-)planung -

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253

„Talent-Management“920, „Diversity-Management“921, „Generation-Management“922 sowie, eng damit zusammenhängend,

Vgl. ENAUX/ HENRICH (2011), S. 9ff.; VON HEHN (2016), S. 3ff.; RITZ/ SINELLI (2011); FISCHER/ WEBER/ ZIMMERMANN (2015); FARGEL (2011), S. 32ff.; LACKNER (2014), S. 171ff.; SCHAPER (2009); BRANDENBURG/ DOMSCHKE (2007), S. 148ff.; LANG (2014), S. 217ff. Für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit ist es von strategischer Bedeutung, talentierte Mitarbeiter in der Belegschaft zu identifizieren oder ins Unternehmen zu holen, sie zu halten, zu entwickeln, gegenseitig zu vernetzen und ihre Potenziale letztlich nutzbar zu machen bzw. in Leistung umzuwandeln. Das gilt umso mehr, wenn es sich um im globalen Wettbewerb stehende, ggf. sogar kleine oder mittlere, abseits der großen Ballungsgebiete angesiedelte Unternehmen handelt (vgl. BRANDENBURG/ DOMSCHKE 2007, S. 129). „Talentmanagement [...] bezeichnet die Gesamtheit personalpolitischer Maßnahmen in einem Unternehmen zur langfristigen Sicherstellung der Besetzung kritischer Rollen und Funktionen“ (HEYSE/ ORTMANN 2008, S. 11). Es richtet sich auf besonders knappe und erfolgsrelevante Kompetenzen, für die es einen relativ hohen quantitativen Bedarf im Unternehmen gibt (vgl. ebd.). Vgl. VEDDER (2006); LANGHOFF (2009), S. 229ff.; HANSEN (2017), S. 13ff.; ARETZ/ HANSEN (2002), S. 7ff. Viele Unternehmen stehen gerade in konjunkturellen Aufschwungsphasen vor dem Problem einer zunehmenden Fach- und Führungskräfteknappheit. Im Sinne des Diversity Managements sind daher (unter Zuhilfenahme eines zielgruppenadäquaten Personalmarketings) alle verfügbaren Arbeitskräftepotenziale - z. B. „hinsichtlich Geschlecht, Ethnie, Alter, körperlicher Behinderung und sexueller Orientierung (auch Primärdimensionen genannt) sowie hinsichtlich Herkunft, Familienstand, religiöser Einstellung und Lebensstil ([…] auch als Sekundärdimensionen bezeichnet)“ (LANG 2014, S. 36) - bereichs- und hierarchieübergreifend auszuschöpfen und bislang geltende Beschränkungen potenzieller Erwerbspersonen zu lockern. Es gilt, personelle Vielfalt nicht nur zuzulassen, sondern (durch Vorleben der Führungsebene, die Formulierung von Leitlinien usw.) aktiv zu fördern, um mögliche Heterogenitätsprobleme abzubauen und bestehende Unterschiede zwischen den Mitarbeitern (unter einer gemeinsamen Unternehmenskultur) gezielt positiv nutzen zu können. Entsprechend definiert COX (1994, S. 11) „Managing Diversity“ als “planning and implementing organizational systems and practices to manage people so that the potential advantages of diversity are maximized while the potential disadvantages are minimized“. Vgl. KLAFFKE (2014); LANG (2014), S. 93ff. Aus dem Umstand, dass in den Unternehmen im Durchschnitt immer größere Anteile an älteren Mitarbeitern (über 50 Jahre) arbeiten werden, entstehen neue Aufgaben im Rahmen des HRM, mit denen sich u. a. das Generation-Management bzw. -Development befasst. So erscheint es zur Sicherung der Lern-, Denk- und Leistungsfähigkeit (bzw. -bereitschaft) sowie Flexibilität älterer Arbeitnehmer essenziell, auch sie noch stärker als bisher nach dem Prinzip des lebenslangen Lernens kontinuierlich und unter Beachtung ihrer persönlichen Lernpräferenzen in die Personalentwicklung einzubinden (vgl. BMAS 2014, S. 7, 45; PREIßING 2010, S. 145f., 156ff.; FRERICHS/ NAEGELE 1998, S. 240f., 246ff.; BEHREND 2001, S. 66ff.; DELLER ET AL. 2008, S. 30). Zudem ist durch geeignete Nachfolgeregelungen und ein rechtzeitiges Wissensmanagement auf einen adäquaten Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den älteren und jüngeren Mitarbeitern hinzuwirken. Da mit zunehmendem Alter die körperliche Belastbarkeit nachlässt, gewinnt darüber hinaus der Erhalt und Ausbau der Beschäftigungsfähigkeit aus gesundheitlicher Perspektive an Relevanz. Als Folge daraus hat sich das Health-/ Gesundheitsmanagement zu einem wichtigen Thema in den Unternehmen und in der wissenschaftlichen Forschung entwickelt, das wiederum eng mit dem Bereich der Work-Life-Balance verknüpft ist. Dabei ist nach Optionen zu suchen, wie ältere Mitarbeiter präventiv durch eine abwechslungsrei-

254 -

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement „Work-Life-Balance“923.

Eine wesentliche Besonderheit demografischer Entwicklungen liegt generell darin, dass ihre prozesshaften Folgen einerseits zwar weitestgehend absehbar sind (und nicht schlagartig von heute auf morgen eintreten), dass andererseits aber geeignete Anpassungsstrategien in der betrieblichen Personalpolitik, die auf den vorhandenen Altersstrukturen aufbauen, nur träge wirken und daher bereits rechtzeitig zu planen und einzuleiten sind. In welchen Handlungsfeldern ein Unternehmen aktiv werden sollte, kann nur auf Basis fundierter Zweckmäßigkeits- bzw. Kosten-Nutzen-Abwägungen entschieden werden. - das genuin moralische Interesse der Unternehmensleitung in konkretes, für sämtliche Mitarbeiter spürbares Handeln umzusetzen. Die Personalplanung transferiert mitarbeiter- bzw. arbeitsplatzbezogene moralische Ziele in betriebswirtschaftliche Prozesse und Zahlen, um Ethik so nachhaltig im Unternehmen

923

che und ergonomische Arbeitstätigkeits- und Arbeitsplatzgestaltung, eine bedürfnisgerechte Arbeitszeitgestaltung und geeignete Programme der Gesundheitsförderung über die gesamte Erwerbsspanne hinweg motiviert und körperlich-physisch (Stichwort: Rückenprobleme) sowie psychisch-mental (Stichwort: Stress, Burn-out, Depression) gesund und leistungsfähig gehalten werden können (vgl. zum betrieblichen Gesundheitsmanagement ULICH/ WÜLSER 2015, S. 25ff.; BADURA/ WALTER/ HEHLMANN 2010, S. 337ff.; UHLE/ TREIER 2015, S. 361; NEUNER 2016, S. 79ff.; STRUHS-WEHR 2017, S. 175ff.; HUBER 2000, S. 74f.; LANGHOFF 2009, S. 119ff., 148, 337; KROLL 2012, S. 30ff.; BRANDENBURG/ DOMSCHKE 2007, S. 178ff., 187ff.). Vgl. KÜHL (2016), S. 16ff.; KAISER/ RINGLSTETTER (2010); KASTNER (2004). Jeder Mensch hat im Berufs- und Privatleben mehrere Rollen einzunehmen, durch welche er (u. a. zeitlich, finanziell) eingebunden ist und die nicht immer reibungslos miteinander vereinbar sind. Unternehmen können versuchen, die hieraus für die Mitarbeiter resultierenden und als belastend empfundenen Inter- und Intrarollenkonflikte dadurch abzumildern, indem sie diverse Formen flexibler Arbeitszeitmodelle (Vertrauensarbeitszeit, Gleitzeit, Langzeitarbeitskonten o. Ä.) implementieren. Um den Mitarbeitern aber eine ausreichende zeitliche Souveränität und genügend Freiraum für Erholung und Regeneration sowie andere Verpflichtungen einräumen zu können, muss vorab geklärt sein, was das Thema Work-Life-Balance für Mitarbeiter je nach Lebensphase bedeutet. Andernfalls ist es nicht möglich, bei verschiedenen Arbeitnehmergruppen eine ausreichende Balance zwischen Berufs- und Lebenshintergrund herzustellen und einen positiven Beitrag zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft zu erzeugen (vgl. RUMP/ WILMS/ EILERS 2014, S. 19ff.; GÜL/ BOES/ KÄMPF 2016; MICHALK/ NIEDER 2007, S. 55ff.). So ist die karrierebedingte zeitliche Verschiebung des Kinderwunsches, die in einer stressbedingten Kinderlosigkeit enden kann, ein Thema, das für die jüngere Erwerbsbevölkerung relevant ist. Gleichzeitig oder mit zeitlicher Verzögerung kann die Pflege der Eltern zu einer Herausforderung werden, welche die Work-LifeBalance tangiert. Für ältere Arbeitnehmer (über 55 Jahre) rücken dagegen verstärkt andere Bereiche (etwa ein zunehmender Bedarf an Freizeit, Erholung, Regenerierung) in den Vordergrund, die für eine gelungene Work-Life-Balance relevant erscheinen und denen durch geeignete Arbeitszeitmodelle zu begegnen ist.

Strategische Personal(-bedarfs-)planung

255

zu implementieren. Sie erweist sich damit als ein aus managementethischer Sicht fundamentales Steuerungsinstrument für arbeitsplatzbezogene Anliegen. Der nun folgende Abschnitt 6.1.2 liefert einen kurzen Überblick über die wichtigsten Teilbereiche der Personalplanung.

6.1.2

Teilbereiche der Personalplanung

Da die Umsetzung arbeitsplatzbezogener Maßnahmen über den gesamten Lebenszyklus des Unternehmens hinweg - von der Gründung bis zur möglichen Liquidation - häufig einen längeren zeitlichen Vorlauf benötigt, sind Unternehmen gezwungen, sich frühzeitig mit Personalplanungsfragen zu befassen924. Im Laufe des Abschnitts werden jene funktional gegliederten Teilbereiche der Personalplanung vorgestellt, die entlang des Mitarbeiterflusssystems 925, das die rationale Abfolge des Lebenszyklus eines Mitarbeiters im Unternehmen widerspiegelt, relevant erscheinen. Der angesprochene Zeitfaktor ist dabei letztlich für jedes der aufgezeigten Personalplanungsfelder relevant. (1) Personalbedarfsplanung: Als Schnittstelle zur Unternehmensplanung bildet die Personalbedarfsplanung den Ausgangspunkt der Personalplanung sowie aller weiteren personellen Folgeplanungen926. Ihre Aufgabe ist es, auf Basis der getroffenen Unternehmensentscheidungen festzustellen, wie viele Stellen und Mitarbeiter quantitativ und mit welchen Qualifikationen und Kompetenzen zukünftig benötigt werden, um die angestrebte Unternehmensstrategie und -politik bis zu einem gewissen Zeitpunkt umsetzen zu können. Die Bedarfsplanung ist dazu auf eine breite, interne (Mikro-) und externe Faktoren (Makroumwelt) umfassende Informationsgrundlage angewiesen927, auf deren Basis es möglich ist, mithilfe geeigneter Schätzverfahren (u. a. durch Befragung in den Fachabteilungen) und

924

925 926

927

Vgl. DRUMM (2008), S. 197, 202; BISANI (1995), S. 169; HORSCH (2000), S. 1; KRIEG/ EHRLICH (1998), S. 50f. Vgl. STOCK-HOMBURG (2013), S. 17. Vgl. im Folgenden RKW (1996), S. 19; Bertelsmann-Stiftung (1999), S. 41; STOCK-HOMBURG (2013), S. 94; JUNG (2010), S. 890; BOSCH/ KOHL (1995), S. 44; MAG (1998), S. 63; KOLB (2010), S. 614ff.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 177f. Die Personalplanung wird oft auf die Personalbedarfsplanung reduziert (vgl. KROPP 2001, S. 847). Vgl. dazu Abschnitt 6.1.1.

256

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

Kennzahlenmethoden Prognosen über den künftigen Bruttopersonalbedarf (Personal-Sollbestand) in quantitativer, qualitativer, zeitlicher und räumlicher Hinsicht anzustellen928. Mit der Personalbedarfsplanung wird versucht, eine möglichst optimale Personaldeckungsquote zu erzielen, um die Produktivität zu stärken. Mit Blick auf diese Arbeit ist zu sehen, dass von bzw. mit der Personalbedarfsplanung keine moralisch wünschenswerten Effekte ausgehen (bzw. verwirklicht werden) können, sondern nur von einzelnen personellen Folgeplanungen, welche durch die Personalbedarfsplanung ermöglicht werden. Kein Unternehmen kann es sich, wie in Abschnitt 3.1.3 erläutert, erlauben, den Personalbedarf aus rein ethischen Motiven hochzurechnen. Mit der Personalbedarfsplanung, dasselbe gilt für -beschaffungs- und -einsatzplanungen, werden primär ökonomische Ziele verfolgt. Dass die Personalbedarfsplanung nach der ökonomischen Systemlogik funktioniert, zeigt sich bereits daran, dass sie als Kalkulationsschema darstellbar ist (vgl. Abb. 20). Dabei löst die aus dem Vergleich von Personal-Istbestand (und dessen erwarteter zukünftiger Entwicklung, deren Ermittlung sich als kompliziert erweist) und Personal-Sollbestand resultierende Unter- (Bruttobedarf > Istbestand: positiver Nettopersonalbedarf) oder Überdeckung (Bruttobedarf < Istbestand: negativer Nettopersonalbedarf) einen Planungsbedarf auf weiteren Entscheidungsfeldern aus. So ist die Personalbedarfsplanung mit der -beschaffungs- (Gewinnungsbedarf extern), -entwicklungs- (Gewinnungsbedarf intern bzw. als Pendant: Freisetzungsbedarf intern) und -freisetzungsplanung (Freisetzungsbedarf extern) verbunden. Der für die Zukunft prognostizierte Bruttopersonalbedarf (t1) bildet den Ausgangspunkt zur Berechnung des Nettopersonalbedarfs. Von diesem ist der Personal-Istbestand (in t0) abzuziehen. Sichere und geschätzte Personalabgänge sind zu addieren, vorgesehene und geschätzte Personalzugänge zu subtrahieren:

928

Die zeitliche Dimension sollte die voraussichtliche Dauer eines Personalbedarfs einschließen, um entscheiden zu können, ob unbefristete oder (z. B. bei Projekten) befristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden sollen.

Strategische Personal(-bedarfs-)planung

257

Vereinfachtes Kalkulationsschema zur (quantitativen) Personalbedarfsplanung: (1) Ausgangspunkt: für die Zukunft prognostizierter Bruttopersonalbedarf (t 1) - (2) aktueller Personal-Istbestand nach Stellenbesetzungsplan (t0) + (3) Abgänge (zwischen t0 und t1) ≙ Erhöhung des Nettopersonalbedarfs  planmäßige/ sichere Abgänge: z. B. durch Pensionierung  statistisch erfassbare Abgänge aus Mitarbeiterdatenbanken: unternehmenstypische statistische Fluktuationsrate; Invalidität, Tod  Abgänge als Auswirkungen getroffener Dispositionen - (4) feststehende Zugänge (zwischen t0 und t1) ≙ Reduzierung des Nettopersonalbedarfs  z. B. durch vertragliche Verpflichtungen, Beförderungen, Versetzungen, übernommene Auszubildende, Wechsel von Teil- in Vollzeit, männliche und weibliche Rückkehrer aus Erziehungsurlaub = (5) Zielgröße: Nettopersonalbedarf (t1)  Null: kein Handlungsbedarf  Positiv: Unterdeckung → Ersatzbedarf → Personaleinstellung  Negativ: Überdeckung → Freisetzungsbedarf → Personalfreisetzung Abb. 20: Quantitative Ermittlung des Nettopersonalbedarfs929

Während mit der Personalbedarfsplanung primär ökonomische Ziele verfolgt werden, treten bei der Personalentwicklungs- und -freisetzungsplanung verstärkt „[s]oziale oder humane [und damit ethische] Gesichtspunkte [...] an die Seite von technischen, organisatorischen und ökonomischen Gesichtspunkten“ 930. Sie stellen daher aus managementethischer Sicht wichtige Planungsbereiche im Kontext arbeitsplatzbezogener Fragen dar. Im Zuge der Personalfreisetzungsplanung kommt zudem verstärkt die juristische Dimension ins Spiel. (2) Personalbeschaffungsplanung: Beschaffungsmaßnahmen sind dann systematisch zu planen und umzusetzen931, wenn in der Personalbedarfsplanung (z. B. in einer Expansionsphase) ein positiver Nettobedarf für die Zukunft ermittelt wurde und die aktuell Beschäftigten, die sich eventuell noch weiterentwickeln lassen, 929 930

931

Quelle: BERTHEL/ BECKER (2013), S. 307f. - abgeändert. MAG (1998), S. 11. Die Anwendung des Schemas erfolgt typischerweise zunächst auf der Ebene einzelner Unternehmenseinheiten. Zur Ermittlung von Gesamtbedarfsgrößen und zur Berücksichtigung möglicher Interaktionen zwischen diversen Bereichen erfolgt im Anschluss eine Aggregation auf das Gesamtunternehmen. Sollte in einem Bereich ein positiver und in einem anderen ein negativer Nettopersonalbedarf ermittelt werden, so können unter Umständen interne Personalbeschaffungs- und -freisetzungsmaßnahmen vollzogen werden, um so einen Gesamtausgleich (ohne externe Freisetzungen und Beschaffungen) zu erzielen. Die Personalbeschaffung kann langfristige Investitionen bewirken, deren Wirtschaftlichkeit sorgfältig zu prüfen ist (vgl. OLFERT 2015, S. 127). Vgl. zu den vier Kernphasen im Personalbeschaffungsprozess STOCK-HOMBURG (2013), S. 120f., 146ff.; STOCK-HOMBURG (2010), S. 679.

258

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

nicht ausreichen, um den zukünftigen Personalbedarf quantitativ, qualitativ oder räumlich zu decken. Eine Personalknappheit lässt sich „(1) durch Beschaffung von Personal auf dem externen oder [...] internen Arbeitsmarkt, (2) durch Ausbildung und (3) durch Fortbildung von noch nicht qualifizierten Mitarbeitern“ 932 beheben. Externe Beschaffungsmaßnahmen erlauben es, durch neues, ggf. aus anderen Fachbereichen stammendes Know-how neue Impulse ins Unternehmen zu bringen933. Die interne Personalgewinnung (etwa ein betriebsinterner Aufgabenwechsel durch Versetzung) eröffnet vorhandenen Mitarbeitern berufliche Weiterbildungs- und Aufstiegsoptionen934. Insbesondere der demografische Wandel stellt für die Personalbeschaffungsplanung eine zunehmende Herausforderung dar 935. (3) Personalausbildungs- und -entwicklungsplanung936 (vgl. im Detail Unterkapitel 6.2): Die Personalentwicklungsplanung legt auf Basis des bestehenden Qualifikationspotenzials fest, wie Mitarbeiter inner- und außerbetrieblich aus- und weitergebildet werden sollen, um den künftigen qualitativen Personalbedarf strategiekonform sicherzustellen und einen Beitrag zur Mitarbeiterzufriedenheit zu leisten937. Die Personalentwicklung sollte zur Förderung der fachlichen, sozialen und interkulturellen Kompetenzen beitragen938. Wie angedeutet, kann die Personalentwicklung(-splanung) als Substitut der Personalbeschaffung(-splanung) angesehen werden, da es fallweise möglich ist, den zukünftigen Nettobedarf eines Bereichs dadurch zu decken, indem Mitarbeiter anderer, eventuell outgesourcter Bereiche (nach Absolvierung geeigneter Entwicklungsmaßnahmen) an eine andere Stelle 932 933

934

935 936 937 938

DRUMM (2008), S. 197. Dabei sind zwei Herangehensweisen zu unterscheiden (vgl. JUNG 2011, S. 144ff.): Einerseits kann sich ein Unternehmen bei der Mitarbeitersuche passiv verhalten, indem es die Bundesagentur für Arbeit bei der Stellenbesetzung heranzieht, nur auf Initiativbewerber reagiert oder Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen (wie randstad, Adecco, Manpower) einsetzt („Personalleasing“). Andererseits kann es, gerade wenn dringend ein größerer Personalbedarf besteht, auch aktiv Initiative ergreifen (z. B. indem Stellenausschreibungen in Printmedien oder auf Online-Jobbörsen getätigt werden). Vgl. RKW (1996), S. 19; JUNG (2011), S. 151ff.; MAG (1998), S. 82ff. Neben möglichen Kostenund Zeitvorteilen gegenüber externen sind interne Personalbeschaffungsmaßnahmen zudem mit einem geringeren Fehlbesetzungsrisiko behaftet, da die betreffenden Mitarbeiter bereits im Unternehmen bekannt sind und entsprechende Daten, (Ziel-)Vereinbarungen, (Leistungs- und Vorgesetzten-)Beurteilungen usw. vorliegen. Zu bedenken ist aber, dass die interne Personalbeschaffung auf im Unternehmen verfügbare Mitarbeiter beschränkt ist und damit keine quantitativen Probleme lösen kann. Insofern ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Beschaffungsform unter zeitlichen, motivationsbezogenen, aufwands- und risikobezogenen Aspekten sinnvoller erscheint. Vgl. RIDDER/ HEYNER (2011, S. 73) sowie die Ausführungen in Abschnitt 6.1.1. Im Folgenden abgekürzt durch „Personalentwicklungsplanung“. Vgl. RKW (1996), S. 20. Vgl. MEFFERT/ BURMANN/ KIRCHGEORG (2008), S. 883f.

Strategische Personal(-bedarfs-)planung

259

oder in andere Geschäftsfelder versetzt werden 939, was wiederum direkt mit der Personaleinsatzplanung zusammenhängt. Solche Prozesse benötigen aber, ebenso wie externe Stellenbesetzungen, ein Mindestmaß an Zeit. Generell wird es zukünftig, sowohl was die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit als auch die Arbeitsmotivation betrifft, noch entscheidender sein, alle Mitarbeitergenerationen (inklusive der zunehmend dominierenden Gruppe „45+“) gleichermaßen in die Entwicklungsplanung einzubinden. Der Umstand, dass die Personalentwicklung, insofern sie nicht nur auf unternehmensspezifisches Humankapital gerichtet ist, auch zur Erhöhung der Arbeitsmarktfähigkeit der Mitarbeiter beiträgt (man denke z. B. an Sprach-, EDV- und BWL-Kurse bis hin zum Executive-MBA), wird noch gesondert diskutiert940. Bereits hier ist festzuhalten, dass der Bereich der Arbeitsmarktfähigkeit bzw. -befähigung in der wissenschaftlichen sowie praxisbezogenen Literatur häufig relativ einseitig (positiv) dargestellt wird und bestehende dysfunktionale Effekte eher vernachlässigt werden. Die Entwicklungsplanung steht in enger Verbindung zur: (4) Personaleinsatzplanung: Diese regelt, welche Mitarbeiter zukünftig auf welcher Stelle im Leistungsprozess tätig sein bzw. mit welchen Arbeitsgebieten und -aufgaben betraut werden sollten, um ihre Qualifikations- und Arbeitskraftreserven optimal auszuschöpfen, ihren Neigungen zu entsprechen und einer geistigen und körperlichen Über- oder Unterforderung entgegenzuwirken941. Kurzfristig organisiert sie die zeitliche und kapazitätsmäßige Disposition der Arbeitskräfte zu den Stellen (unter Beachtung von Urlaubsplänen, Krankmeldungen, unvorhergesehenen Änderungen des Arbeitsanfalls usw.), mittel- und langfristig sorgt sie für eine qualitative Anpassung der Mitarbeiterfähigkeiten an die Arbeitsanforderungen (Schnittstelle zur Entwicklungsplanung) sowie der Arbeitsplätze und -bedingungen an die Arbeitskräfte. Durch demografische Veränderungen sieht sich die Einsatzplanung verstärkt mit der Aufgabe konfrontiert, älteren Mitarbeitern geeignete Tätigkeiten zuzuweisen, welche gesundheitliche Schwächen umgehen oder abbauen, zugleich aber ihr erfahrungsbasiertes Wissen und ihre sozialen Kompetenzen fördern und unerfahrenen Kollegen zugänglich machen. Weiterhin sind Einsatzmodelle zu entwickeln, die Frauen und Müttern eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (über Gleitzeit, den Übergang von Voll- auf Teilzeit, Arbeit 939 940 941

Vgl. CONRADI (1983), S. 4f. Vgl. dazu Abschnitt 6.2.3 sowie insbesondere Unterkapitel 8.2. Vgl. im Folgenden RKW (1996), S. 20; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 179; JUNG (2010), S. 944ff.; BOSCH/ KOHL (1995), S. 24, 46; BARTSCHER/ HUBER (2007), S. 83.

260

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

von zu Hause o. Ä.) ermöglichen. Die Einsatzplanung sollte einer Überforderung am Arbeitsplatz und der damit einhergehenden Gefahr eines chronischen Erschöpfungssyndroms (Burn-Out) entgegenwirken942. (5) Personalfreisetzungsplanung (vgl. im Detail Unterkapitel 6.3): Eine direkte Verbindung zwischen Personalbedarfs- und -freisetzungsplanung besteht im Falle des negativen Nettobedarfs, der dann eintritt, wenn der zukünftig benötigte Personalbedarf bzw. -Sollbestand (etwa wegen einer kritischen Wirtschaftslage, geänderten Zielsetzung, gesteigerten Produktivität bei stagnierenden oder sinkenden Absatzzahlen) verglichen zum aktuell verfügbaren Mitarbeiterbestand geringer ausfällt. Personal sollte und kann im Normalfall aber nicht ad hoc abgebaut werden, da weitreichende gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen zu beachten sind. Die Aufgabe einer langfristig orientierten Freisetzungsplanung liegt daher u. a. darin, in Verhandlungen mit den Mitarbeitern und deren Vertretern einzutreten, um einen ökonomisch tragbaren und ethisch integren Stellenabbau zu gewährleisten. Die Freisetzungsplanung sollte, wenn immer möglich, antizipativ erfolgen, um soziale Härten für alle Betroffenen, negative Folgen für den Arbeitsmarkt einer Region und Zusatzkosten im Zuge der Freisetzung zu vermeiden. (6) Personalkostenplanung: Die Personalbedarfsplanung liefert den quantitativen Rahmen für die Personalkostenplanung, welche wiederum „den gesamten Kostenrahmen für das Personalmanagement“943 ermittelt, der am Ende in die Kosten- und Gewinnplanung auf Gesamtunternehmensebene einfließt. Da der Personalkostenblock je nach Wirtschaftszweig und Branche den Großteil der Unternehmensgesamtkosten ausmacht (und hierzulande vergleichsweise hoch ausfällt)944, stellt die 942

943 944

STOCK-HOMBURG (2013, S. 794) definiert Burn-out in Anlehnung an MASLACH/ JACKSON (1986, S. 134) als „Zustand der Erschöpfung verbunden mit einer negativen (zynischen) Einstellung zur eigenen Tätigkeit sowie der Wahrnehmung reduzierter eigener Leistungsfähigkeit“. Burn-out ist heute ein stark diskutiertes Thema, auch in Bezug auf die ökonomischen Folgen. Es hängt direkt mit den Bereichen „Work-Life-Balance“ und Gesundheitsmanagement zusammen. KOLB (2010), S. 614. Vgl. auch ebd., S. 621; DRUMM (2008), S. 235f. Zu den Kosten des Personaleinsatzes (vgl. EISELE 2002, S. 654ff.; FRIEDL 2010, S. 93) zählen Löhne (Fertigungs- und Hilfslöhne der Arbeiter), Gehälter (Arbeitsentgelt der Angestellten), gesetzliche Sozialkosten (Arbeitgeberanteile zur Kranken-, Renten-, Pflege-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung), freiwillige Sozialkosten (direkt/ primär: z. B. Pensionen, Essenszuschuss, Zuschuss für ÖNV-Karte; indirekt/ sekundär: z. B. Kosten für Betriebskindergarten) sowie sonstige Personalkosten (z. B. Vergütung der Umzugskosten, Kosten für Inserate). „Arbeitgeber in der deutschen Privatwirtschaft bezahlten im Jahr 2014 durchschnittlich 31,80 Euro für eine geleistete Arbeitsstunde [Rang 8 im EU-Vergleich]. […] Im Verarbeitenden Gewerbe, das besonders stark im internationalen Wettbewerb steht, […] durchschnittlich 37,00 Euro [Rang 4; zum Vergleich

Strategische Personal(-bedarfs-)planung

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Personalkostenplanung eine im Hinblick auf mögliche Outsourcing- und Verlagerungsentscheidungen dringliche Planungsaufgabe dar. Ihr Ziel ist es u. a., Personalkostenentwicklungen für einen gewissen Planungszeitraum zu erfassen und mit der geplanten Leistungsfähigkeit des Unternehmens, der Ertragskraft, abzugleichen945. Da die Personalkostenrechnung (wie die Kostenrechnung als Planungsund Kontrollinstrument generell) vor allem für kurzfristige operative Entscheidungen geeignet ist, sollte sie für langfristige Entscheidungen mit strategischem Charakter durch eine Investitionsrechnung ersetzt werden 946. Die Personalkostenplanung bezieht sich generell nicht nur auf die Kosten des Personaleinsatzes, sondern auch auf die Wirtschaftlichkeit des Personalbereichs und die dort erbrachten Leistungen (wie Personalbeschaffung, -einstellung, -entwicklung, -verwaltung und betreuung) selbst947. Daraus resultieren wiederum Schnittstellen zu bekannten Instrumenten des (Personal-)Controllings, etwa in Form von Kostenvorgaben für das Personalbudget. Im Folgeabschnitt wird die Notwendigkeit einer strategischen Ausrichtung der Personalplanung erläutert, bevor Unterkapitel 6.2 die Grundlagen der Personalentwicklung behandelt.

6.1.3

Notwendigkeit einer strategischen Personalplanung

Die Einführung in die Teilbereiche der Personalplanung hat gezeigt, dass Personalplanungsmaßnahmen nicht losgelöst voneinander angestellt werden können, sondern ein integratives Vorgehen vonnöten ist. Zu sehen ist hierbei, dass die Personalplanung auf unvollständigen Informationen basiert und mit Unsicherheit behaftet ist948: „Vielfältige Prognoseprobleme, Diskontinuitäten, unvorhergesehene

945

946 947 948

Polen: 8,20 Euro (Rang 24); Rumänien: 4,20 Euro (Rang 27); Bulgarien: 3,20 Euro (Rang 28)]“ (Destatis 2015b). Vgl. OECHSLER/ PAUL (2015), S. 180. Das wiederum setzt die Kenntnis des quantitativen Personalbedarfs nach verschiedenen Mitarbeitergruppen voraus. Zudem wird die Personalkostenplanung oft auf Fortführungsbasis durchgeführt, d. h. sie orientiert sich an Vorjahreszahlen und schreibt diese fort (vgl. KOLB 2010, S. 620f.). Vgl. DRUMM (2008), S. 236; KÜPPER (1990), S. 253. Vgl. KOLB (2010), S. 621, 623; BARTSCHER/ HUBER (2007), S. 90. Vgl. HORSCH (2000), S. 3; LIEBEL/ OECHSLER (1994), S. 29. Da sich die Personalplanung immer auch aus der Unternehmensplanung ableitet, ist nicht auszuschließen, dass Fehler aus anderen Teilplanungen „mitgeschleppt“ und in der Personalplanung nicht mehr (vollumfänglich) korrigiert werden können (vgl. JONAS 2009, S. 16).

262

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

und unvorhersehbare Ereignisse in den Entwicklungen führen dazu, dass die Personalplanung [...] auch auf kurze Frist ungenau“949 ist und vom Ideal eines perfekten Steuerungsinstruments abweicht. Der Anspruch, der von der Personalplanung an das Management ausgeht, ist damit hoch. Das Erfordernis besteht darin, ein Planungsverständnis zu entwickeln, das es durch eine weite Zukunftsperspektive „gestattet, Schubladenprogramme (Krisenpläne) zu entwickeln, um nicht in kurzfristige Sachzwänge „hineinzuschlittern“, die dann eine kooperative [integre] Problemlösung […] behindern“950. Notwendig erscheint eine Personalplanung, mit der kritische, die Arbeitsplatzsicherheit betreffende Zukunftszustände systematisch erfasst werden können, um so einen großen Handlungsspielraum zur Problemlösung zu wahren und das Risiko von Planungsfehlern unter Zeitdruck zu reduzieren. Grundlage hierfür ist der Aufbau einer strategisch ausgelegten, im Sinne eines Führwarnsystems arbeitenden Personalplanung951. Danach ist die Personalplanung in das strategische HRM eingeordnet, das selbst nicht losgelöst von den allgemeinen Unternehmenszielen, -strategien und der Unternehmenspolitik sein sollte, sondern darin eingebettet (vgl. Abb. 21)952. Idealtypisch sollten personalpolitische (Planungs-)Maßnahmen also aus der Unternehmensplanung bzw. den allgemeinen Zielen und Strategien abgeleitet werden und mit diesen interagieren953. Die strategische Personalplanung bildet dann, insofern ein dreistufiges hierarchisches Planungssystem unterstellt wird 954, den Rahmen der detaillierteren 949 950

951

952

953 954

OECHSLER (2006), S. 162. KROPP (2001), S. 850. Unternehmen, deren Planungszeitraum fünf, zehn oder mehr Jahre umfasst, können kritische Marktveränderungen vorausschauend in Planungen einbringen (und „handlebar“ machen), wohingegen Unternehmen, welche nur für ein Jahr planen, derartige Entwicklungen womöglich gar nicht oder zu spät erkennen. Gleichzeitig, und hier liegt ein gewisser Zwiespalt, ist ein langer im Gegensatz zu einem kurzen Planungszeitraum mit einer Vielzahl von Unsicherheiten behaftet, was Planungsvorgänge ungenauer macht. Vgl. Bertelsmann-Stiftung (1999), S. 43f.; HORSCH (2000), S. 1; LING (1989), S. 51. Auf welchen Zeitraum sich die strategische Personalplanung beziehen sollte, ist nicht generell beantwortbar. LIEBEL/ OECHSLER (1994, S. 27f.) gehen beispielsweise von folgenden zeitlichen Planungshorizonten aus: kurzfristig/ operativ (ein Monat bis ein Jahr), mittelfristig/ taktisch (ein bis fünf Jahre), langfristig/ strategisch (drei bis zwanzig Jahre). Vgl. OECHSLER/ PAUL (2015), S. 175f.; LIEBEL/ OECHSLER (1994), S. 27; Bertelsmann-Stiftung (1999), S. 43. Vgl. HORSCH (2000), S. 6ff.; WIMMER/ NEUBERGER (1998); RKW (1996), S. 26. Planungssysteme sind in der Regel mehrstufig aufgebaut, wobei sich die einzelnen Planungsstufen planungshierarchisch einteilen lassen (vgl. im Folgenden WILD 1982, S. 166ff.). Eine solche Planungshierarchie weist darauf hin, dass es zum einen höherstufige (grundsätzliche) und zum anderen niedrigerstufige (abgeleitete) Pläne geben muss, die sich auf das kurzfristige Alltagsgeschehen und einzelne Feinheiten innerhalb des gröberen Plans beziehen. Häufig wird von einem dreistufigen hierarchischen Planungssystem ausgegangen, das eine Einteilung in drei Planungsebenen

Strategische Personal(-bedarfs-)planung

263

taktischen Personalplanung, die als Brücke zur operativen Personalplanung versucht, personalwirtschaftliche Programme mittelfristig umzusetzen 955. Eine Anforderung an die Personalplanung liegt zudem darin, visionäre strategische Rahmenplanungen in einem prozesshaften Vorgehen im jeweiligen Geschäftsjahr möglichst flexibel in (problemorientierte, kurzfristig wirksame) operative Feinpläne zu überführen, die konkrete Handlungsanweisungen und Entscheidungen in den einzelnen Teilbereichen des Personalmanagements (z. B. der Personalentwicklung) beinhalten. Ein möglicher Ansatz hierzu liegt im Konzept der rollenden (rollierenden, gleitenden) Planung. Letztere gestattet es, den Anforderungen an eine hohe Flexibilität der Planung gerecht zu werden und den Konflikt zwischen lang- und kurzfristiger Planung einzugrenzen956. Die aus der Einbindung der Personalplanung in das Planungssystem des Gesamtunternehmens resultierenden Konsequenzen lassen sich methodisch in zweierlei Richtung analysieren 957:

955

956

957

(strategische, taktische und operative Planung) vorsieht. Genauso denkbar wäre aber auch eine zweistufige Einteilung in (strategische) Grob- und (operative) Feinplanung oder die Unterscheidung von vier (z. B. strategisch, taktisch 1, taktisch 2, operativ) oder mehr Planungsebenen. Auch müssen strategische Planungen nicht immer langfristig und operative Planungen per se kurzfristig sein, da der Unterschied zwischen beiden Planungen nicht (allein) in der Fristigkeit, sondern in der Rangigkeit liegt. Eine Charakterisierung der Planungsstufen sollte daher (idealiter) nicht rein klassifikatorisch (nach festgelegten zeitlichen Grenzen) erfolgen, sondern typologisch, anhand der Ausprägung verschiedener Merkmale (z. B. sind strategische Planungen zumeist wenig differenziert und detailliert, eher langfristig und primär im normativen (Zielsetzungs-)Bereich angesiedelt, ohne den Fokus auf konkrete Durchführungsoptionen zu legen; vgl. im Detail PFOHL/ STÖLZLE 1997, S. 87). Auch operative Fragen können einen langfristigen Charakter haben (man denke etwa an die kurzfristige Ersatzeinstellung einer Reinigungskraft, welche zugleich eine langfristige Entscheidung darstellt, gerade wenn bedacht wird, dass normale Beschäftigungsverhältnisse nach Ablauf der Probezeit nur noch schwer kündbar sind; die Einstellungsentscheidung war dennoch operativ, nicht strategisch). Zugleich sind Situationen denkbar, bei denen aus dem einfachen Alltagsgeschehen heraus strategische Entscheidungen gefällt werden (etwa wenn das Unternehmen das Ausscheiden der Reinigungskraft als kurzfristigen Anlass für eine Grundsatzentscheidung nutzen und festlegen würde, statt einer erneuten Stellenbesetzung die gesamte Gebäudereinigung langfristig auf externe Dienstleister outzusourcen). Vgl. HENTZE/ KAMMEL (2001), S. 94f. Hierfür sind häufig Führungskräfte auf mittlerer Leistungsebene (z. B. Personalleiter) verantwortlich (vgl. ebd.). Vgl. zur rollenden Planung WILD (1982), S. 178; TROßMANN (1992); SCHWEITZER (2005), S. 48ff.; HENTZE/ KAMMEL (2001), S. 95f.; RKW (1996), S. 12; RIEG (2015), S. 99. Vgl. BERTHEL/ BECKER (2013), S. 225f.; RÖTHIG (1986), S. 204ff.; RKW (1996), S. 26; MAG (1998), S. 217ff.; BOSCH/ KOHL (1995), S. 34ff.; Bertelsmann-Stiftung (1999), S. 44.

264

Unternehmensplanung (UP)

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement (1) → → derivativ/ abgeleitet (PP folgt UP) → → ← ← PP als gleichberechtigter Teil der UP → → (2) ← ← originär (UP folgt PP) ← ←

Personalplanung (PP)

Abb. 21: Einbindung der Personalplanung in das Planungssystem des Gesamtunternehmens958

(1) Zum einen hängt die Personalplanung als nachgelagerte Planungsform von den Ergebnissen anderer Unternehmensplanungsbereiche ab, hier primär von der finanzwirtschaftlichen (z. B. Gewinn- und Kostenplanung), der güterwirtschaftlichen bzw. produkt-/ marktbezogenen (z. B. Beschaffungs-, Produktions-, Logistik-, Absatzplanung) sowie der Planung unterstützender Bereiche (z. B. Verwaltungs-, Forschungs-, Entwicklungsplanung)959. Dabei übernimmt die Personalplanung im Sinne einer „Folgeplanung mit Prüffunktion“960 Daten dieser Teilplanungen und leitet daraus Folgen für den Personalbereich ab. So kann ein Unternehmen im Zuge der Leistungsprogrammplanung vor der Frage stehen, ob es sein Leistungsprogramm um gewisse Dienst- oder Sachleistungen ausdehnen oder reduzieren soll. Eine solche strategische Entscheidung hat in der Regel Auswirkungen auf die Anzahl und Fähigkeiten der benötigten Mitarbeiter. Ähnlich verhält es sich im Falle organisatorischer Veränderungen (z. B. beim Auf- oder Abbau von Hierarchieebenen), der (Nicht-)Einführung neuer Produktionstechniken oder des Aufund Abbaus neuer Betriebsstätten (im Zuge der Investitionsplanung). (2) Sobald das Personal zum Planungsengpass wird, kommt es zur Umkehr der Richtung der Planungsabhängigkeit. GUTENBERGs „Ausgleichs- oder Engpassgesetz der Planung“ zufolge müsste dann die Personalplanung den Ausgangspunkt der Unternehmensplanung bilden961. Angesichts der steigenden Arbeitskräfteknappheit würde es zu kurz greifen, anzunehmen, dass die Personalplanung nur 958 959

960 961

Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. OECHSLER/ PAUL (2015), S. 175; Bertelsmann-Stiftung (1999), S. 45; LIEBEL/ OECHSLER (1994), S. 27; KROPP (2001), S. 849; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 225. KOLB (2010, S. 613) hält fest: „Die letzten Rezessionen haben deutlich gezeigt, dass die Personalplanung in der betrieblichen Praxis offensichtlich meist eine abgeleitete und damit nachgeordnete Planung ist“. Der Finanzplanung kommt wegen ihrer restriktiven Wirkung auf alle Personalplanungsfelder die Bedeutung einer Rahmenbedingung zu (vgl. DRUMM 2008, S. 201). Das gilt speziell für die für die vorliegende Arbeit zentralen Felder der Personalbedarfs-, -entwicklungs- und -freisetzungsplanung. Bertelsmann-Stiftung (1999), S. 45. Vgl. GUTENBERG (1983), S. 164. Sobald ein komplexes Planungssystem in sachliche Teilpläne unterteilt ist, stellt sich die Koordinationsaufgabe, eine Reihenfolge der sukzessiven Planung zu bestimmen, mit dem Ziel, die Gesamtzahl der Planungsdurchläufe zu minimieren. Dazu folgendes

Strategische Personal(-bedarfs-)planung

265

einseitig an den Unternehmenszielen und Teilplanungen anderer Bereiche ausgerichtet werden sollte. Das gilt speziell für KMU, für die es zunehmend schwieriger werden dürfte, an jene qualifizierten Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt zu gelangen, welche für die Erreichung der Unternehmensziele und zur Strategieumsetzung erforderlich sind. Zugleich müssen Unternehmen Anstrengungen unternehmen, um qualifizierte Fachkräfte, in die bereits investiert wurde, zu halten. Während größere Unternehmen für gefragte Arbeitnehmer (wie Jungakademiker, die sich höhere Aufstiegschancen errechnen) tendenziell attraktiver erscheinen, werden KMU verstärkt gezwungen sein, verfügbare Humanressourcen als Rahmenbedingung der strategischen Unternehmensführung zu akzeptieren962. Die Personalplanung kann insofern auch einen restriktiven Charakter haben, indem sie das Management zwingt, Teile der Strategie- und Zielbildung des Unternehmens aus dem Personalmanagement abzuleiten.

962

Beispiel: Unternehmen U betreibt (im Sinne der klassischen Ablauffolge der Güterproduktion) nur eine Beschaffungs-, Fertigungs- und Absatzplanung. U setzt zudem nur menschliche Arbeit in der Fertigung ein, sodass sich die Beschaffungsplanung rein auf den Produktionsfaktor Arbeit bezieht. Es herrscht Einigkeit, dass alle drei Teilplanungen logisch miteinander zusammenhängen. Unklar ist die Reihenfolge der Sukzessivität. So wird häufig „[i]n marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystemen, in denen [...] Unternehmungen [...] das Absatzrisiko tragen, [...] die Koordinationssequenz „Absatzplanung → Produktionsplanung → Beschaffungsplanung“ für realistisch angesehen“ (MAG 1999, S. 45). Hier gestaltet sich der Absatz schwieriger als die Beschaffung, was etwa im Konsumgüterbereich des Öfteren zutrifft und es sinnvoll erscheinen lässt, die sukzessive Planung beim Absatz zu beginnen. Denkbar wäre aber auch, dass U zwar Know-how-intensive Produkte und Dienstleistungen absetzen will und könnte, infolge der demografischen Entwicklung aber erforderliche Mitarbeiter nicht akquirieren kann. Hier würde sich die Personalbeschaffung als Engpass erweisen, sodass es notwendig wäre, die Koordinationssequenz der sukzessiven Planung an der Beschaffung auszurichten. Es gilt also: „Kurzfristig reguliert der Engpass die Gesamtplanung auf sich ein“ (GUTENBERG 1983, S. 165), während mittel- bis langfristig versucht werden sollte, den Engpass zu beseitigen („einzuregulieren“, ebd.). Dabei kann jeder Funktionsbereich zum Engpass werden, wobei in der Realität teilweise noch hinzukommt, dass mehrere Engpässe gleichzeitig vorliegen (z. B. Engpässe im Absatz- und Finanzbereich). Denkbar ist zudem, dass Engpässe in einzelnen Funktionsbereichen zu Planungsbeginn gar nicht erkennbar sind. Daher erscheinen, wie erwähnt, mehrere hintereinander durchzuführende und korrigierende Planungsdurchläufe unumgänglich. Eine relevante Frage für solche Unternehmen wird sein, welche Wettbewerbsposition und -vorteile mit den bereits beschäftigten (oder realistischerweise akquirierbaren) Mitarbeitern realisiert werden können (vgl. MAG 1998, S. 229; BOSCH/ KOHL 1995, S. 34). Rückblickend standen viele deutsche Unternehmen in den 1960er Jahren genau vor derselben Situation.

266

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

Eine strategisch ausgerichtete Personalplanung sollte als integrierter Bestandteil der Unternehmensplanung zudem in der Lage sein, vorgelagerte (originäre) Beiträge für andere Teilplanungen im Unternehmen zu liefern963. Diese Beitragsfunktion zeichnet sich dadurch aus, dass nicht der Personalbedarf (und die mit diesem verbundene Prüffunktion der Personalplanung), sondern bestimmte, als wünschenswert erachtete Wirkungen der Personalplanung („hinsichtlich Beschäftigung, Qualifikation, Arbeitsqualität und Partizipationsmöglichkeiten“ 964) zum eigenständigen Planungsgegenstand gemacht werden, um so personalwirtschaftliche Zusammenhänge in die Unternehmensplanung einzubringen oder bislang unentdeckte personelle Potenziale (oder einzelne Aspekte einer sinnvollen, personalwirtschaftlich wünschenswerten Arbeitsplatzgestaltung) aufzuzeigen 965. Ziel ist es, die Personalplanung als „wettbewerbsvorteilsgenerierende dynamische Fähigkeit“966 zu verstehen, welche einen Erfolgsbeitrag leisten kann. Eine solche Sichtweise erfordert es, Beschäftigte und deren Vertreter „immer wieder neu im Prozess von abgestuften Mitbestimmungsprozessen auf Arbeitsplatz-, Abteilungs-, Betriebs- und Unternehmensebene“967 an der Formulierung der Personalplanungsziele teilhaben zu lassen. Welche Realisierungschancen diese Ziele haben, ist dann wiederum vom hierarchischen Rang des Personalbereichs im Unternehmen, ebenso aber von der Macht der Arbeitnehmervertreter abhängig, welche sich vor allem auf die Mitbestimmungsgesetze (und deren Möglichkeiten zur Stärkung und Durchsetzung von Interessen) stützt968. Generell sollte versucht werden, beide personalplanerischen Aspekte, die derivative Prüf- und die originäre Beitragsfunktion, bei der Konzeption und Weiterentwicklung einer geschlossenen, integrierten Personalplanung fruchtbar zu machen969.

963 964 965

966 967 968

969

Vgl. OECHSLER (2006), S. 160; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 176. WÄCHTER (1980), S. 99. Vgl. Bertelsmann-Stiftung (1999), S. 45; LIEBEL/ OECHSLER (1994), S. 27; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 176; LING (1989), S. 50ff. Eine als originäre Ziel- und Maßnahmenplanung verstandene Personalplanung bringt „eine eigenständige Zieldimension in den Gestaltungsraum der Personalplanung [...]. Mit der Einbeziehung von Zielen in die Personalplanung wird das restriktive Demand-Supply-Paradigma [der derivativen Personalplanung] verlassen: die Ableitung von Planungsfeldern greift über den quantitativ orientierten Bedarf-Angebots-Vergleich hinaus. Damit koppelt sich die Personalplanung über die Personalpolitik an die Unternehmenspolitik an; sie wird letztlich Bestandteil der strategischen Führung“ (RÖTHIG 1986, S. 207). RIDDER/ HEYNER (2011), S. 73. WÄCHTER (1980), S. 101. Vgl. WÄCHTER (1980), S. 101. Vgl. zu den Spielvarianten der Interessendurchsetzung KROPP (2001), S. 675. Vgl. Bertelsmann-Stiftung (1999), S. 46; RÖTHIG (1986), S. 207.

Bereich Personalentwicklung

267

Wie bereits im vorigen Abschnitt 6.1.2 angeführt, stellen die Personalentwicklung und -freisetzung (bzw. Personalentwicklungs- und -freisetzungsplanung) die aus managementethischer Perspektive zentralen personalwirtschaftlichen Anknüpfungspunkte und Planungsfelder im Kontext arbeitsplatzbezogener Fragen dar. Aus diesem Grund wendet sich die Untersuchung im folgenden Unterkapitel 6.2 zunächst ausgewählten Grundlagen der Personalentwicklung zu.

6.2

Bereich Personalentwicklung

Ohne kompetente Mitarbeiter sind Unternehmen nicht in der Lage, Erfolge zu erzielen und, damit zusammenhängend, Arbeitsplätze zu schaffen oder zu sichern. Eine originäre Aufgabe des Human Resource Managements liegt daher darin, Mitarbeiter so zu qualifizieren, dass sie ihre Aufgaben am Arbeitsplatz möglichst gut erfüllen können. In diesem Unterkapitel werden einige theoretische Grundlagen zur Personalentwicklung vorgestellt, welche für ein generelles Verständnis dieser Phase des Mitarbeiterflusssystems von Bedeutung sind. Zunächst wird in Abschnitt 6.2.1 ein allgemeiner Überblick über den Ablauf der Personalentwicklung gegeben, bevor in Abschnitt 6.2.2 eine grundlegende Kategorisierung und Darstellung der Maßnahmen im Bereich der Personalentwicklung erfolgt. Wie sich im späteren Verlauf der Arbeit zeigen wird, erscheint aus managementethischer Perspektive speziell der (moralökonomische) Tradeoff zwischen unternehmensspezifischer und arbeitsmarktgerechter bzw. -befähigender Personalentwicklung (und der dahinterstehende „Employability“-Gedanke) von Relevanz, der in seinen Grundzügen erstmals im letzten Abschnitt des zweiten Unterkapitels (6.2.3) vor Augen geführt wird, welcher sich mit den unternehmens- und mitarbeiterbezogenen Zielen der Personalentwicklung beschäftigt.

6.2.1

Ablauf der Personalentwicklung

Allgemein werden „[a]ls Personalentwicklung [...] alle Maßnahmen bezeichnet, die ein Unternehmen nutzt, um Mitarbeiter für die Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Herausforderungen zu qualifizieren - sofern diese Maßnahmen zielorientiert und geplant erfolgen“970. Dabei stellt die Personalentwicklung, ähnlich 970

HUNGENBERG/ WULF (2015), S. 344.

268

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

wie die gesamte Personalplanung, einen strukturierten Prozess dar, der mehrere operative Tätigkeiten umfasst und dessen Ausgangspunkt die Entwicklungsziele (vgl. Abb. 22: 3.) bilden, welche in Abschnitt 6.2.3 noch thematisiert werden. Anhand von Abb. 22 wird zunächst der Ablauf der Personalentwicklung skizziert und ein Überblick über zentrale Entwicklungsmaßnahmen bzw. -methoden gegeben. Eine Fähigkeits- bzw. Deckungslücke (6), deren Abbau das Ziel der Personalentwicklung bildet, liegt dann vor, wenn die aktuellen oder prognostizierten Anforderungsprofile971, welche an Mitarbeiter gestellt werden (5; Frage: Was müssen bestimmte Mitarbeiter (z. B. bis Jahresende) können/ wissen?), zum Planungszeitpunkt nicht mit den aktuellen oder prognostizierten Fähigkeitsprofilen (7; Frage: Was können/ wissen Mitarbeiter heute?) in Einklang stehen 972. Der zur Identifizierung der Deckungslücke eingesetzte Abgleich wird als Profilvergleichsmethode oder „Job Man Fit“-Ansatz bezeichnet973. Deckungslücken lassen sich oftmals nur unscharf definieren, da es in der Regel nicht gelingt, die Ausprägungen der Anforderungs- und Fähigkeitsprofile eindeutig zu umschreiben. Anzunehmen ist aber, dass sich die Deckungslücke jener Mitarbeiter, die einfache Tätigkeiten auf unteren Hierarchieebenen verrichten, tendenziell eindeutiger ermitteln lässt, da sich die Anforderungen an ihre Tätigkeit genauer beschreiben lassen und ihr Handlungsrahmen zumeist kleiner ausfällt974. Aus einer positiven Deckungslücke resultiert wiederum ein Entwicklungsbedarf bzw. -volumen (8), den bzw. das es zu decken gilt. Negative Deckungslücken können als Fähigkeitsreserve interpretiert und in der weiteren Personalentwicklungsplanung zunächst vernachlässigt werden975. Die Ermittlung von Deckungslücken sollte kontinuierlich periodisch und nicht nur sporadisch oder anlassbezogen erfolgen 976.

971 972

973 974 975

976

Vgl. BECKER (2010), S. 368. Vgl. SCHOLZ (2014), S. 576; DRUMM/ SCHOLZ (1988), S. 172f.; DRUMM (2008), S. 340, 343ff.; DRUMM (1982), S. 54f., 57f.; CONRADI (1983), S. 4; BÜHNER (2005), S. 97ff. Vgl. BÜHNER (2005), S. 106; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 436. Vgl. DRUMM/ SCHOLZ (1988), S. 174. Vgl. DRUMM (1982), S. 57. Die Ausschöpfung von Fähigkeitsreserven fällt in den Aufgabenbereich der internen Personalbeschaffung (vgl. DRUMM 2008, S. 344). Vgl. DRUMM (2008), S. 342.

Bereich Personalentwicklung

269

Informatorische Grundlage: (1.) Tätigkeitsfeldanalyse: Personalbedarfsplanung



(2.) Individuelle lebensplanorientierte Entwicklungsziele (Korrektiv/ Ergänzung der Deckungslücke)

(3.) Entwicklungsziele als (4.) Entwicklungsobjekte als Anknüpfungspunkte → HRM-Subziele für PE-Maßnahmen ↓ ↓ (5.) Aus jew. Stellen re(6.) Positive individuell sultierende Anforde(7.) Ist-Qualifikation (-Fähig→ Fähigkeits-/ De← rungsprofile/ -muskeitsprofile/ -muster) ckungslücke ter an MA ↓ (8.) Entwicklungsvolumen (9.) Entwicklungs-/ Leistungspotenzial der MA; Lernmotivation (10.) moralische Dimension (11.) ökonomische Dimension (Unternehmensressourcen) (12.) Festlegung der Entwicklungsmaßnahmen ↓ (13.) Durchführung der internen und externen Entwicklungsmaßnahmen ↓ (14.) Erfolgskontrolle der Entwicklungsmaßnahmen Abb. 22:

Ablauf der Personalentwicklungsplanung977

Eine Deckungslücke lässt sich dadurch schließen, indem neue Mitarbeiter mit den benötigten Fähigkeiten eingestellt werden978. Alternativ können Entwicklungsmaßnahmen (wie Schulungen) zum Einsatz kommen (12). Bei der (methodischen, zeitlichen, personellen) Festlegung solcher Maßnahmen sind diverse moderierende Variablen zu beachten. Ein Schritt liegt dabei in der Prüfung der Entwicklungsmöglichkeiten bzw. Lernfähigkeit der Mitarbeiter, dem „Entwicklungspotenzial“ (9)979. Während sich das Fähigkeitsprofil auf die gegenwärtige Leistung 977

978

979

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an SCHOLZ (2014), S. 575; DRUMM/ SCHOLZ (1988), S. 169; DRUMM (2008), S. 339, 341f., 345f.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 435ff.; RINGLSTETTER/ KAISER (2008), S. 209. Diese Option ist unumgänglich, sobald die Deckungslücke zu groß ist oder Qualifizierungsmaßnahmen nicht mehr greifen. Vgl. im Folgenden SCHOLZ (2014), S. 577; DRUMM/ SCHOLZ (1988), S. 173f.; DRUMM (2008), S. 341; DRUMM (1982), S. 55f.; OECHSLER (2006), S. 500; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 460; TOUET (1997), S. 20ff.; BECKER (2010), S. 368; BÜHNER (2005), S. 97ff., 104f.; LATTMANN (1994), S.

270

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

und die aktuell bei den Mitarbeitern vorhandenen Fähigkeiten (Wissen, Können) bezieht980, geht es beim Entwicklungspotenzial um die Fähigkeitsobergrenze, darum also, wohin sie durch Personalentwicklung bis zum Planungshorizont gebracht werden können981, wenn sie - unter Beachtung ihrer individuellen (Entwicklungs-)Ziele (2) - auch selbst dazu bereit und ausreichend motiviert sind 982. Gängige Beurteilungsmethoden liegen z. B. in Experten- und Vorgesetztenbeurteilungen (etwa auf Basis von Verhaltensbeobachtungen unter verschiedenen Bedingungen) sowie in der Durchführung von Assessment Centern. Die Ergebnisse der Potenzial- können gemeinsam mit denen der Qualifikationsanalyse in einem HRMbzw. Mitarbeiterportfolio visualisiert werden, um so einen besseren Eindruck über die (eventuell Nicht-)Ausgewogenheit des Mitarbeiterstamms zu gewinnen 983.

980

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983

42ff., 137ff.; PFOHL (2004), S. 404; MEIER (2005), S. 107; KROPP (2001), S. 503; SCHULER/ PROCHASKA (1999), S. 190ff. Zur Qualifikationsanalyse können mehrere Ansätze herangezogen werden, etwa eine Dokumentenanalyse (z. B. der Personalakte, vgl. HUMM 1978, S. 37ff.), eine Analyse früherer Mitarbeiterbeurteilungen (Persönlichkeits-, Verhaltens- und Leistungsbeurteilungen, vgl. ebd., S. 59ff.) sowie verschiedene Formen von Mitarbeiterbefragungen und -gesprächen (vgl. ebd., S. 74ff.). Vgl. auch SCHULER/ PROCHASKA (1999), S. 186ff. Das Entwicklungspotenzial lässt sich noch schwerer als die gegenwärtige Leistung bewerten, da sich sowohl die betrachtete Stelle (bezüglich ihrer Anforderungen) als auch der Mitarbeiter (bezüglich seiner Fähigkeiten, Interessen, Motivationen) ändern können, was eine Extrapolation bisheriger Leistungen in die Zukunft erschwert. Die Aktivierung eines bestimmten Leistungspotenzials setzt Motivation voraus, weshalb eigentlich „auch das Motivationspotential eines Mitarbeiters auszuweisen wäre“ (DRUMM 1982, S. 55), was aber kaum möglich erscheint, „da weder zuverlässige Erfassungs- und vor allem Prognosemethoden, noch zuverlässige Methoden zur gezielten Entwicklung eines erwünschten zukünftigen Motivationspotentials zur Verfügung stehen“ (ebd.). Die Lernmotivation des Entwicklungsadressaten muss daher z. B. im persönlichen Gespräch herausgehört werden. Vgl. OECHSLER/ PAUL (2015), S. 461; ODIORNE (1984), S. 10ff.; PAPMEHL (1999), S. 63ff.; WUNDERER/ SCHLAGENHAUFER (1994), S. 69ff.; BÜHNER (2005), S. 107; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 482f.; SATTELBERGER (1995), S. 299; WUNDERER/ JARITZ (2007), S. 147; RINGLSTETTER/ KAISER (2008), S. 138ff. Mit einem Mitarbeiterportfolio wird versucht, Mitarbeiter gemäß den Dimensionen (1. y-Achse:) „zukünftiges Leistungsvermögen/ Entwicklungspotenzial“ und (2. xAchse:) „aktuelle Leistungsfähigkeit“ zu systematisieren und vier Fähigkeitsclustern zuzuordnen (1. + 2. gering: „Unkraft“; 1. hoch/ 2. gering: Nachwuchskraft; 1. gering/ 2. hoch: Fachkraft/ Arbeitstier; 1. + 2. hoch: Spitzenkraft; Bezeichnungen übernommen aus FOPP 1982, S. 334). Die aktuelle Leistung kann das Unternehmen als „interne Größe“ durch Entwicklungs- und Motivationsmaßnahmen beeinflussen. Dagegen ist das Entwicklungspotenzial als „externe Größe“ gegeben. Es kann vom Unternehmen (etwa durch eignungsdiagnostische Verfahren im Zuge der Personalauswahl) nur identifiziert und vorselektiert, nicht aber beeinflusst werden. Das bedeutet, dass (mit großer Wahrscheinlichkeit) aus einer Un- keine Nachwuchskraft und aus einer Fach- keine Spitzenkraft gemacht werden kann (Bewegung im Portfolio nach oben), da beide Mitarbeitergruppen nicht über das hierfür notwendige Potenzial verfügen. Unternehmen können durch Personalentwicklung aber Einfluss darauf nehmen, in welchem Ausmaß das Potenzial der Mitarbeiter ausgeschöpft und so mehr Leistung gebracht wird (Bewegung im Portfolio nach rechts). So kann eine

Bereich Personalentwicklung

271

Sollte das Entwicklungspotenzial eines Mitarbeiters kleiner als die Deckungslücke sein, so ist er von den betreffenden Entwicklungsmaßnahmen auszuschließen und ggf. zu versetzen984. Zum anderen spielen das moralische Interesse des Managements (10) sowie verfügbare finanzielle, sachliche und personelle Ressourcen (11) eine Rolle, wenn es darum geht, festzulegen, welche Entwicklungsmaßnahmen für welche Mitarbeiter zu ergreifen sind 985. So liegt nahe, dass aufstrebende, finanzstarke Unternehmen eher in der Lage sind, adäquate Maßnahmen bei einem hohen Entwicklungsbedarf zu ergreifen, als krisengebeutelte Unternehmen, deren Entwicklungsbedarf in erster Linie aus massiven Umstrukturierungen hervorgeht. Nur wenn ein Unternehmen die oben skizzierten Rahmenbedingungen - Deckungslücke/ Entwicklungsvolumen: In welchem Umfang müssen welche Fähigkeiten entwickelt werden? Und: Welche Maßnahmen sind geeignet, um die Deckungslücke rechtzeitig (ganz oder teilweise) abzubauen? - Entwicklungspotenzial: Was bringen die Mitarbeiter an Potenzial und Motivation mit, um sie dahin zu bringen, dass sie die Entwicklungsziele umsetzen? Und: Welche Maßnahmen schöpfen das Potenzial der Mitarbeiter aus, ohne sie zu überfordern? - Unternehmensressourcen: Welche Ressourcen stehen zur Verfügung? Und: Welche Maßnahmen sind finanziell tragbar und bieten den besten oder einen angemessenen Ertrag im Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln (bzw. Produktions- und Transaktionskosten)? - Individuelle Entwicklungsziele der Mitarbeiter: Welche Maßnahmen werden von den Mitarbeitern akzeptiert, welche ggf. präferiert? klar herausarbeitet, kann es zur Auswahl und Durchführung der Maßnahmen übergehen (13). Unternehmen ohne eine gesonderte Personalentwicklungsabteilung oder Weiterbildungszentren sind dabei häufig auf externe Entwicklungsangebote

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Nachwuchskraft, die über ein hohes Potenzial verfügt, schon im frühen Stadium identifiziert und durch gezielte Förderung womöglich zur Spitzenkraft entwickelt werden. Hier liegt das Ziel des Talentmanagements. Ebenso kann versucht werden, eine Un- zur Fachkraft zu entwickeln. Wie bei anderen Portfolioanalysen ist auch im Mitarbeiterportfolio (mit Ausnahme der Unkräfte) ein ausgewogenes (Mitarbeiter-)Spektrum für den Unternehmenserfolg förderlich. Vgl. DRUMM/ SCHOLZ (1988), S. 168; DRUMM (2008), S. 341; BÜHNER (2005), S. 106. Im Extremfall kann es sogar zur Freisetzung kommen. Ist das Entwicklungspotenzial des Mitarbeiters dagegen größer, so kommt er als Kandidat für weitergehende Entwicklungsmaßnahmen und eine anspruchsvollere Stelle infrage. Vgl. SCHOLZ (2014), S. 578f.; DRUMM (2008), S. 345.

272

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

angewiesen, deren Auswahl sich als kompliziert erweisen kann, da sie nicht von vornherein explizit auf die konkrete Deckungslücke zugeschnitten sind 986. Nach Abschluss der Entwicklungsmaßnahmen ist zwingend eine Erfolgskontrolle durchzuführen (14), in der durch Soll-Ist-Vergleiche (Vorher-Nachher-Messungen) und Abweichungsanalysen geprüft wird, inwieweit die Fähigkeits- bzw. Leistungssteigerung, welche Inhalt der Maßnahme war, tatsächlich eingetreten ist 987. Ist die Deckungslücke nicht ausreichend abgebaut worden, so ist zum einen die Eignung der Entwicklungsadressaten zu hinterfragen, zum anderen sind eventuelle Mängel der bislang zum Einsatz gekommenen Maßnahmen zu identifizieren, um im Anschluss - im Sinne eines Regelkreises - bessere oder anders angewendete Folgemaßnahmen festzulegen. Sämtliche Kontrollen des Entwicklungserfolgs sollten generell unter Kosten- und Nutzenaspekten erfolgen und über eine rein qualitative Selbsteinschätzung der Teilnehmer hinausgehen988. Im zweiten Abschnitt folgt eine kurze Darstellung der wichtigsten Maßnahmen der Personalentwicklung.

6.2.2

Maßnahmen der Personalentwicklung entlang des Lebenszyklus des Mitarbeiters

Im Folgenden wird ein Überblick über Maßnahmen im Entwicklungsbereich gegeben, wobei die Kategorien Bildung und Förderung zu unterscheiden sind989. Zur 986 987

988

989

Vgl. DRUMM (1982), S. 59; DRUMM/ SCHOLZ (1988), S. 175; DRUMM (2008), S. 350. „Dabei ist die Kontrollphase im Gesamtkonzept Personalentwicklung bisher noch am wenigsten weit entwickelt. Sie wird vielfach vernachlässigt“ (MENTZEL 2012, S. 259). Vgl. zur Kontrolle bzw. Evaluation der Personalentwicklung HENTZE/ KAMMEL (2001), S. 398ff.; OECHSLER (2006), S. 529; NEUBERGER (1994), S. 271ff.; GÖTZ (2001); DRUMM (2008), S. 354ff.; DRUMM/ SCHOLZ (1988), S. 176ff.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 519ff.; BECKER (2005), S. 200ff. Vgl. MENTZEL (2012), S. 260. Es sollte also klar sein, welchen Ressourceneinsatz eine Maßnahme verursacht hat und wie wirtschaftlich sie abgelaufen ist (Kosten- bzw. Wirtschaftlichkeitskontrolle). Zu prüfen ist aber auch, welchen ökonomisch oder monetär quantifizierten Nutzen sie im Ergebnis gestiftet hat (Rentabilitätskontrolle). Dieser Schritt dürfte in der Praxis aber bis auf Ausnahmen nur schwer umsetzbar sein, da Personalentwicklungsmaßnahmen im Grunde nie eindeutig monokausal mit Änderungen des Unternehmenserfolgs verknüpfbar sind (vgl. DRUMM 2008, S. 354; DRUMM 1982, S. 59; OECHSLER 2006, S. 529). Das gilt speziell für jene Maßnahmen, mit denen versucht wird, weiche Qualifikationen (z. B. Führungskompetenzen) zu entwickeln und bei denen es sich bereits schwierig gestaltet, die Deckungslücke eindeutig zu beschreiben. In der Literatur finden sich verschiedene Ansätze zur Systematisierung von Entwicklungsmaßnahmen. Folgende Ausführungen orientieren sich primär an STOCK-HOMBURG (2013, S. 204ff.).

Bereich Personalentwicklung

273

Förderung zählen jene Aktivitäten, die auf die Position innerhalb des Unternehmens und das berufliche Weiterkommen einzelner Mitarbeiter gerichtet sind 990. Sie umfasst zwei Handlungsfelder: Zum einen das Nachfolgemanagement, das mit der Personalbedarfsplanung zusammenhängt und dazu dient, Mitarbeiter durch Entwicklungsmaßnahmen auf die Anforderungen frei werdender und erneut zu besetzender Positionen vorzubereiten991. Zum anderen dient Förderung der beruflichen Karriereplanung und -entwicklung und beinhaltet als solche langfristige Maßnahmen, um Personen strukturiert für eine horizontale, durch die Aufgaben und Arbeitsinhalte dominierte Fach- und Expertenkarriere (ohne größere Führungsverantwortung im jeweiligen Bereich) 992, eine vertikale Führungs- oder eine Karriere innerhalb von Projektstrukturen weiterzuentwickeln 993. Durch Bildung, welche den Großteil der Personalentwicklung ausmacht, sollen Qualifikationen vermittelt werden, die unmittelbar auf eine (auch kurzfristige) Leistungssteigerung der Mitarbeiter abzielen994. Sie lässt sich in Aus- und Weiterbildung untergliedern995, wobei das Lebenszyklusmodell in diesem Kontext als Orientierungshilfe fungieren kann: Mitarbeiter durchlaufen vom Eintritt ins bis zum Ausscheiden aus dem Unternehmen mehrere, fließend ineinander übergehende Phasen, für die verschiedene Entwicklungsansätze geeignet erscheinen 996. Zu Beginn des beruflichen Werdegangs, wenn ein Mitarbeiter ins Unternehmen („into-the-Job“) einsteigt, kann eine Ausbildung (Anlern- oder Berufsausbildung) stehen, die in der Regel eine mittlere inhaltliche Nähe zur späteren Tätigkeit aufweist und den erstmaligen Einsatz in einer Berufstätigkeit ermöglichen soll 997. Managementethisch interessiert hier u. a., inwieweit Unternehmen an der beruflichen 990 991 992

993

994 995

996

997

Vgl. MENTZEL (2012), S. 2. Vgl. STOCK-HOMBURG (2013), S. 123ff., 265f. Zu denken ist z. B. an Fachexperten aus dem naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich, die primär daran interessiert sind, sich weiterzuentwickeln und eine Laufbahn in einer Fachposition zu beschreiten. Vgl. STOCK-HOMBURG (2013), S. 266ff.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 479ff.; STAEHLE (1999), S. 888ff.; DRUMM (2008), S. 282f.; HOLTBRÜGGE (2015), S. 149ff.; DOMSCH (2003). Vgl. MENTZEL (2012), S. 2. Vgl. STOCK-HOMBURG (2013), S. 207; BECKER (2013), S. 4, 306; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 448ff. Vgl. SATTELBERGER (1995), S. 291ff. LANG (2014, S. 98) unterscheidet in diesem Zusammenhang exemplarisch fünf Lebensphasen, die er jeweils einer bestimmten Altersklasse der Mitarbeiter zuordnet: Ausbildung (15-25 J.), Erfahrungsaufbau (26-35 J.), Leistungsentfaltung (36-45 J.), Erfahrungssicherung (46-55 J.), Erfahrungstransfer (56-65 J.). Vgl. auch im Folgenden STOCK-HOMBURG (2013), S. 214ff.; KLIMECKI/ GMÜR (2005), S. 207ff.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 449ff.; SCHOLZ (2014), S. 579ff.; HOLTBRÜGGE (2015), S. 139f.,

274

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

Grundausbildung mitwirken können und wollen, ob sie also z. B. bereit sind, Lehrangebote zu entwickeln und Ausbildungsplätze zu schaffen, und das eventuell sogar über den absehbaren Eigenbedarf oder die durchschnittliche Ausbildungsquote hinaus. Unter eine Ausbildung fallen (im weiteren Sinne) auch Schüler- und Studentenpraktika, auch wenn diese zeitlich vor einem möglichen Unternehmenseintritt liegen. Zudem kann mit Hochschulen kooperiert und an dualen Studiengängen mitgewirkt werden. Darüber hinaus fallen Patenschafts- sowie Career- und Trainee-Programme (mit Versetzungen an andere Standorte im In- oder Ausland) in den Ausbildungsbereich998. Das Gegenstück zu „into-“ sind „out-of-the-Job“Maßnahmen, bei denen es darum geht, wie Mitarbeiter zu qualifizieren sind, wenn sie (geplant) in den Ruhestand oder entlassungsbedingt (ungeplant) in den Arbeitsmarkt eintreten999. Für die vorliegende Arbeit ist zudem das sog. „Outplacement“ (z. B. Umschulungen, Bewerbungstrainings, Unterstützung bei Existenzgründung) relevant, auf das im Rahmen der Ausführungen zur Personalfreisetzung(splanung) noch einzugehen sein wird. Outplacement-Maßnahmen bilden ein kurzfristiges Pendant zum Employability-Management, das den Erhalt und Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit als kontinuierlichen Prozess begreift. Weiterbildung vollzieht sich dann, wenn Mitarbeiter bereits eine gewisse Zeit im Unternehmen beschäftigt sind 1000. Sie kann in edukations-, erfahrungs- und feedbackbasierte Methoden eingeteilt werden. Edukationsbasierte Methoden werden

998

999

1000

145; Kolb (2010), S. 491ff.; RINGLSTETTER/ KAISER (2008), S. 208f.; MENTZEL (2012), S. 7; HUNGENBERG/ WULF (2015), S. 347f.; HUBER (2010), S. 158f.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 438ff. Maßnahmen, die dazu dienen, Mitarbeiter auf den Einsatz im Job vorzubereiten, sind für die vorliegende Thematik weniger relevant, da sie nicht auf den Arbeitsplatz (bzw. das Beschäftigungsverhältnis) an sich, sondern auf die Aufgabenerfüllung bezogen sind. Arbeitsplatzbezogene Analysen rücken jene Maßnahmen ins Zentrum, die den (ggf. erstmaligen) Einstieg in ein Beschäftigungsverhältnis erlauben, also arbeitsmarktbefähigend wirken. Vgl. RINGLSTETTER/ KAISER (2008), S. 208f.; HOLTBRÜGGE (2015), S. 139, 145; CONRADI (1983), S. 25. Der Bezug zur Tätigkeit ist bei „out-of-the-Job“-Maßnahmen folglich eher gering. Die Begriffe „Weiterbildung“ und „Fortbildung“ werden hier synonym verwendet, auch wenn mit Fortbildungen häufiger eine Bildungsmaßnahme assoziiert wird, die mit einer Abschlussprüfung endet (vgl. KROPP 2001, S. 264). Nach §1 Abs. 3 und 4 BBiG sind Weiterbildungen Maßnahmen, die zum einen dazu dienen, die berufliche Handlungsfähigkeit (Fertigkeiten, Kenntnisse) zu erhalten und zu erweitern. Zum anderen sollen sie zum beruflichen Aufstieg verhelfen. Anzumerken ist, dass mit steigender Unternehmensgröße und zunehmendem Qualifikationsniveau der Beschäftigten nicht nur die Weiterbildungsaktivität und der Organisationsgrad der Weiterbildungsmaßnahmen zunehmen (vgl. SEYDA/ WERNER 2014, S. 3; BILGER/ STRAUß 2015, S. 30f.; BEHRINGER/ SCHÖNFELD 2010; DOBISCHAT/ SEIFERT 2001, S. 94ff.; MARTIN/ WEBER 1982, S. 91), sondern auch die Zahl und Breite der eingesetzten Verfahren (vgl. HELL ET AL. 2006a, S. 18; GRÜNEWALD/ MORAAL/ SCHÖNFELD 2003, S. 89f.).

Bereich Personalentwicklung

275

als klassische Bildungsmaßnahmen meist separiert („off-the-Job“) vom Arbeitsplatz des Lernenden, inner- oder außerbetrieblich und zum Teil unter Beteiligung externer Experten (wie Kammern, Verbänden, Privatunternehmen) vermittelt. Sie haben eher eine schulisch-wissensvermittelnde als eine fähigkeitsorientierte Ausrichtung1001. Zu denken ist an Vorträge in Schulungen, Workshops, auf verschiedene Qualifikationen und Fertigkeiten ausgerichtete Trainings, Fallstudien, Planund Rollenspiele, Managementprogramme (wie Executive-MBAs) sowie zur Kategorie des E-Learning zählende Verfahren. Wegen ihrer theoretischen Auslegung stehen edukationsbasierte Methoden nicht direkt mit der Mitarbeitertätigkeit in Verbindung, was die Frage nach dem Gebrauchswert solcher Maßnahmen für konkrete Anforderungen am Arbeitsplatz aufwirft 1002. Eine Herausforderung für edukationsbasierte Ansätze liegt daher künftig umso mehr darin, Wege aufzuzeigen, wie sich der Transfernutzen gewisser Maßnahmen steigern und überprüfen lässt. Erfahrungsbasierte Methoden sollen im Sinne von Learning-by-doing dazu beitragen, gelerntes Wissen am jeweiligen Arbeitsplatz konkret anwenden zu können1003. Das kann durch stellengebundene „on-the-Job“-Maßnahmen geschehen, welche im direkten Arbeitsumfeld stattfinden und auf die Tätigkeit bezogene Inhalte vermitteln1004. Neben Einarbeitungsmaßnahmen (praktische und theoretische Unterweisung), die eine fachliche und sachliche Integration ins Unternehmen ermöglichen, lassen sich auch Projektmitarbeiten (zusätzlich zum normalen Geschäft) oder folgende organisatorischen Maßnahmen einsetzen: Job-Enlargement (quantitative Erweiterung des Aufgabenspektrums um vom Anforderungsniveau her gleichwertige (vor- und/ oder nachgelagerte) Aufgaben, die u. a. für den Ge-

1001

1002

1003 1004

Vgl. im Folgenden STOCK-HOMBURG (2013), S. 228ff.; MÖHRLE (2005), S. 753f.; HOLTBRÜGGE (2015), S. 139, 141ff.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 450ff.; SCHOLZ (2014), S. 585ff.; HUBER (2010), S. 159ff.; LANG (2014), S. 20f.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 498f., 512ff.; RINGLSTETTER/ KAISER (2008), S. 208f.; KLIMECKI/ GMÜR (2005), S. 207, 214f.; KOLB (2010), S. 497ff.; MENTZEL (2012), S. 200ff.; HUNGENBERG/ WULF (2015), S. 350f.; BÜHNER (2005), S. 116f.; STAEHLE (1999), S. 887. Bei rein unternehmensspezifischen Humankapitalinvestitionen läge der Transfernutzen theoretisch bei 100 %. Vgl. MÖHRLE (2005), S. 754. Vgl. im Folgenden STOCK-HOMBURG (2013), S. 238ff.; MENTZEL (2012), S. 183ff.; HUNGENBERG/ WULF (2015), S. 341f., 348; BÜHNER (2005), S. 111f.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 446ff.; KLIMECKI/ GMÜR (2005), S. 183f., 207, 209ff.; HOLTBRÜGGE (2015), S. 139f., 145; SCHOLZ (2014), S. 582; LANG (2014), S. 20f.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 470ff., 498ff.; RINGLSTETTER/ KAISER (2008), S. 208f.; KOLB (2010), S. 493ff.

276

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

samtzusammenhang einer Aufgabe sensibilisieren soll), Job-Enrichment (qualitative Aufgabenbereicherung um übergeordnete und anspruchsvollere Analyse-, Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollaufgaben, die zur Ausweitung der Verantwortungs- und Entscheidungskompetenz führt) sowie - gerade in größeren Unternehmen - Job-Rotation (systematisch gesteuerter1005, strukturierter und zeitlich (z. B. auf ein halbes Jahr) befristeter Wechsel von Tätigkeitsfeldern und Funktionsbereichen, um durch eine quantitative und/ oder qualitative Aufgabenerweiterung Erfahrung und Wissen in anderen Bereichen und Positionen zu sammeln). Eng mit „on-the-Job“-Maßnahmen hängen Assistenztätigkeiten zusammen. Sie werden häufiger von Mitarbeitern ausgeführt, bevor sie die eigentliche Position übernehmen (z. B. stellvertretender Abteilungsleiter, ggf. Urlaubsvertretungen), weshalb auch von „along-the-Job“-Maßnahmen gesprochen wird1006. Bei „nearthe-Job“-Maßnahmen erfolgt eine Weiterbildung nicht direkt im Job, sondern in einem arbeitsplatzähnlichen Umfeld, das einen starken räumlichen, zeitlichen und inhaltlichen Bezug zur Arbeitstätigkeit und zum Arbeitsplatz aufweist 1007. Eine typische Maßnahme ist z. B. eine Lernstatt, die eine freiwillige, aus einem Arbeitsbereich stammende Lerngruppe darstellt, welche unter Beisein eines Moderators Erfahrungen austauscht, Verbesserungsvorschläge erarbeitet, über vorgegebene oder selbst gewählte Themen diskutiert und gezielt Qualifikationen trainiert, die auf konkrete Situationen der Tätigkeit bezogen sind 1008. Neben bereichsübergreifenden Qualitätszirkeln1009 ist zudem an Planspiele zu denken, bei denen Beschäf-

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Mitarbeiter A wechselt z. B. seinen Arbeitsplatz mit Mitarbeiter B, dieser wiederum mit C, um so eine größere Überschneidung bzw. Überlappung (Redundanz) bestehender Rollenbilder zu bewirken. Aus ökonomischer Sicht werden Redundanzen (im Sinne von Doppelarbeit) eher negativ gesehen. Zu bedenken ist aber, dass Unternehmen für den Preis der Redundanz eine höhere Flexibilität in der Einsatzfähigkeit der Mitarbeiter zurückerhalten. Vgl. HOLTBRÜGGE (2015), S. 139, 141; HUBER (2010), S. 160. Vgl. im Folgenden STOCK-HOMBURG (2013), S. 245ff.; HOLTBRÜGGE (2015), S. 139, 141, 145; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 452ff.; LANG (2014), S. 20ff.; BÜHNER (2005), S. 114ff.; RINGLSTETTER/ KAISER (2008), S. 208f.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 499, 506ff.; KLIMECKI/ GMÜR (2005), S. 207, 213f.; KOLB (2010), S. 501f.; KIRCHLER (2011b), S. 548; HUNGENBERG/ WULF (2015), S. 349f.; HUBER (2010), S. 159. Das Lernstatt-Konzept (Wortkombination aus Lernen und Werkstatt) wurde in den 1970ern vor allem von BMW und Hoechst vorangetrieben, um die zunehmende Zahl ausländischer Arbeitskräfte besser fachlich und sozial zu integrieren und Sprachprobleme direkt am Arbeitsplatz zu lösen (vgl. RISCHAR/ TITZE 2002, S. 125). Die Qualitätszirkelbewegung geht auf die japanische Automobilindustrie zurück. „Unter Qualitätszirkel sind organisatorische Kleingruppen zu verstehen, deren Mitglieder der gleichen Hierarchieebene angehören, und die sich auf freiwilliger Basis regelmäßig zur gemeinsamen Diskussion

Bereich Personalentwicklung

277

tigte in Simulationen mit gewissen Aufgaben konfrontiert werden und so entsprechende (z. B. analytische, systemische, Entscheidungs-, Steuerungs-) Kompetenzen erwerben sollen. Feedbackbasierte Entwicklungsmethoden haben einen beurteilenden, beratenden und unterstützenden Charakter. Sie setzen an persönlichen Fähigkeiten an und basieren auf einer Rückkopplung, die Mitarbeitern („parallel-to-the-Job“) ihre Stärken und Schwächen aufzeigen soll, damit sie sich in ihrer Arbeit und Persönlichkeit weiterentwickeln können1010. Neben Coaching-Maßnahmen, welche „auf eine Förderung von Selbstreflexion und Selbstwahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung [abzielen], um so Hilfe zur Selbsthilfe zu geben“1011, sind auch Assessment Center und längerfristig angelegte Mentoring-Programme den feedbackbasierten Methoden zuzuordnen1012. Mentoring wird typischerweise bei jüngeren Mitarbeitern eingesetzt1013. Dabei übernehmen berufserfahrene Kollegen und Vorgesetzte eine fördernd-beratende Rolle, die es den Mitarbeitern erlauben soll, in einer persönlichen Beziehung Ratschläge zu erhalten, die sie bei der Gestaltung ihrer beruflichen Karriere weiter voranbringen können 1014. Studien zur Einsatzhäufigkeit von Personalentwicklungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen zeigen, dass alle drei Ansätze in der Praxis Anwendung finden. Der Tendenz nach werden edukations- und erfahrungsbasierte Ansätze am häufigsten praktiziert, auch wenn die Angaben darüber, welcher Ansatz häufiger zur Anwendung kommt, je nach Studie abweichen1015. Zudem kann tendenziell festgestellt

1010

1011 1012

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1014 1015

arbeitsbezogener Probleme treffen, um Lösungsvorschläge zu erarbeiten, an deren Realisation sie dann mitwirken“ (CORSTEN 1987, S. 197). Vgl. im Folgenden STOCK-HOMBURG (2013), S. 250ff.; MÖHRLE (2005), S. 753f.; RINGLSTETTER/ KAISER (2008), S. 208f.; HUNGENBERG/ WULF (2015), S. 349. RIMSER (2008), S. 48. Mentoring und Coaching (durch qualifizierte Coaches) werden auch den Instrumenten zur Förderung von Mitarbeitern zugeordnet (vgl. OECHSLER/ PAUL 2015, S. 462ff.; SCHOLZ 2014, S. 1185ff.; BECKER 2013, S. 658ff.). Vgl. MÖHRLE (2005), S. 756. Mentoring findet zumeist außerhalb der eigentlichen Arbeitstätigkeit statt. Vgl. ZIEGLER (2009), S. 8ff. In einer Studie von HELL ET AL. (2006a) unter 125 Unternehmen konnten mehrere Entwicklungsverfahren herausgestellt werden, die in fast allen Unternehmen eingesetzt wurden. Diese Verfahren sind der edukations-, erfahrungs- und feedbackbasierten Personalentwicklung mehr oder weniger eindeutig zuordenbar. Zu nennen sind inner- und außerbetriebliche Weiterbildungsmaßnahmen (94,4 % bzw. 93,6 %, edu.), Vorgesetztenbeurteilungen (92,8 %, feed.), Zielvereinbarungsgespräche (90,4 %, feed.) sowie Team- und Projektarbeit (84,8 %, erf.). Daneben wurden, wenn

278

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

werden, dass ältere Mitarbeiter erfahrungs- und feedbackbasierte im Vergleich zu edukationsbasierten Methoden bevorzugen1016. Abschnitt 6.2.3 skizziert zum Abschluss des zweiten Unterkapitels wesentliche Zielvorstellungen, die mit Maßnahmen der Personalentwicklung verbunden sind. Im Zuge dessen wird auch auf grundsätzliche Zielkonflikte und Diskrepanzen zwischen den arbeitgeber- und arbeitnehmerseitigen Interessen an der Personalentwicklung hingewiesen, welche zugleich den Aufhänger für die im achten Kapitel (genauer: in Unterkapitel 8.2) angestellten weiterführenden managementethischen Untersuchungen im Zusammenhang mit der arbeitsmarktbefähigenden Funktion der Personalentwicklung bilden.

6.2.3

Ziele der Personalentwicklung aus Sicht des Unternehmens und der Mitarbeiter

Als Überleitung zur späteren managementethischen Analyse im achten Kapitel wird im vorliegenden Abschnitt ein Blick auf wesentliche Ziele geworfen, welche Unternehmen und Mitarbeiter typischerweise mit der Personalentwicklung verfolgen. In Abb. 23 wird eine Auswahl der Ziele beider Gruppen aufgezeigt, wobei

1016

auch weniger häufig, Coaching und Supervision (58,4 %, feed.), multimediales Lernen bzw. ELearning (42,4 %, edu.), Job Rotation (41,6 %, erf.), gruppendynamische Trainings (40,8 %, erf.), Vorgesetztenbeurteilungen durch Mitarbeiter (40,0 %, feed.), Sabbaticals, MBA- und Promotionsprogramme (31,2 %, edu.), selbst gesteuertes Lernen (28,8 %, erf./ edu.) sowie das 360°-Feedback (26,4 %, feed.) eingesetzt (vgl. ebd., S. 15, 19). Die Studie belegt ein breit gefächertes Maßnahmenspektrum, wobei eine gewisse Ballung im Bereich edukationsbasierter Ansätze festzustellen ist. Die speziell auf Weiterbildungsmaßnahmen bezogene Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), welche alle drei Jahre durchgeführt wird, zeigt noch deutlicher, welch zentrale Rolle den erfahrungsbasierten Ansätzen (speziell dem „Lernen in der Arbeitssituation“) in den Unternehmen zukommt (vgl. SEYDA/ WERNER 2014, S. 4). Demnach ist der Anteil der Unternehmen, die informelle Weiterbildung in Form von Informationsveranstaltungen, Lernen im Prozess der Arbeit und selbst gesteuertem Lernen anbieten, mit 80,8 % leicht höher als der Anteil jener Unternehmen, die im Bereich der edukationsbasierten Weiterbildung (in Form eigener und externer Lehrveranstaltungen) aktiv sind (77,9 %). Dadurch werden frühere Ergebnisse bestätigt (vgl. LENSKE/ WERNER 2009, S. 5; SEYDA/ WERNER 2012, S. 4). Das gilt zumindest für ältere Mitarbeiter in Führungspositionen (vgl. MÖHRLE 2005, S. 756; Corporate Leadership Council 2001), wobei anzunehmen ist, dass diese Erkenntnis auf ältere Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung übertragbar ist. Edukationsbasierte Methoden hingegen werden von jüngeren Mitarbeitern tendenziell bevorzugt (vgl. ebd.), was daran liegen kann, dass sie schulisches Lernen noch eher gewohnt sind.

Bereich Personalentwicklung

279

die aufgeführten Punkte (mit Ausnahme der Oberziele) nicht als allgemein feststehend, sondern als exemplarisch zu sehen sind. Unternehmen und Mitarbeiter können je nach Situation und Zwecksetzung verschiedene Ziele mit der Personalentwicklung verfolgen, die im Einzelfall und zur Ableitung konkreter Maßnahmen genauer zu spezifizieren sind 1017.





 

   

  

Ziele der Personalentwicklung aus Sicht der Unternehmen Mitarbeiter Oberziel: Sicherung Bestand an qualifizierten MA; 1. (Kern-)Zielgruppe: Aufbau strategische Ressource (aggregierte Größe)  Erhaltung, Anpassung und Ausbau zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, Innovatipersönlicher und fachlicher Qualifionskraft und des Geschäftserfolgs; damit verbunden: kation an Stellenanforderungen; Aktivierung/ Vervollkommnung ungeSicherstellung bestmöglicher MA-Einsatz gemäß nutzter/ unbekannter Kenntnisse und fachlicher und persönlicher Kompetenz; KompeFähigkeiten tenzausbau; Steigerung Effizienz und Effektivität der Arbeitsleistung; Nutzung/ Ausbau von Leistungsre Korrektur möglicher Über-/ Unterforserven; Vorbereitung auf höherwertige Tätigkeiten/ derung bei aktueller Tätigkeit (ggf. Erkennung von Aufstiegsoptionen kombiniert mit Übernahme anderer/ zusätzlicher Aufgaben) Nachwuchsförderung aus eigenen Reihen: Qualifizierte MA (früh) binden, entwickeln und halten  Steigerung Motivation und Zufrie↔ denheit (Wertschätzungsgefühl durch Erhöhung Anpassungsfähigkeit der MA hinsichtlich  Förderung) veränderter (int. und ext.) Rahmenbedingungen: MA ↔ sollen durch Zusatzqualifikationen flexibel auf neue  Ermöglichung der Übernahme anSituationen reagieren und diese selbstständig erkenspruchsvollerer Aufgaben und größenen/ bewerten können rer Verantwortung (auch als Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung, Steigerung Eigenverantwortlichkeit und SelbstorgaSelbstverwirklichung) nisation der MA; Erhöhung innerbetriebliche Kooperation  Haltung oder Steigerung des Arbeitseinkommens, der erreichten Stellung, Verbesserung Sozialverhalten der MA des Prestiges Aufdeckung von Fehlbesetzungen  Risikominderung: Sicherung des ArSteigerung Arbeitszufriedenheit/ -motivation (nach beitsplatzes und Verbesserung der innen gerichtetes Personalmarketing); Steigerung Aufstiegs-/ Karrierechancen innerIdentifikation der MA mit Unternehmen und dessen halb des Unternehmens Zielen (Commitment); Entwicklung der Wertvorstel↕ lungen der MA Steigerung Arbeitgeberattraktivität/ -image auf Ar- 2. Zielgruppe („Employability“): beitsmarkt (nach außen gerichtetes Personalmarke Verbesserung Aufstiegs- und Karrier↔ ting) echancen außerhalb des Unterneh Senkung MA-Fluktuation/ Steigerung MA-Bindung mens: Erhöhung des individuellen ↔ Steigerung Unabhängigkeit von externem ArbeitsWertes auf Arbeitsmarkt (wirkt zumarkt gleich mobilitätsbefähigend)

Abb. 23: Doppelter Zielcharakter der Personalentwicklung1018

1017 1018

Die in Abb. 23 aufgeführten Ziele sind teilweise nicht überschneidungsfrei. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an STOCK-HOMBURG (2013), S. 209f.; SEYDA/ WERNER (2014), S. 8f.; STAEHLE (1999), S. 874f.; MENTZEL (2012), S. 10ff.; JUNG (2010), S. 923.

280

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

Es könnte der Eindruck aufkommen, als würden die in Abb. 23 aufgeführten Ziele, Erwartungen und Interessen quasi harmonisch (komplementär) gegenüberstehen und ein Interessenausgleich zwischen Unternehmen und Mitarbeitern problemlos vonstattengehen. Aus motivations- und anreizbezogenen Gründen sollte es in der Tat ein Anliegen des Managements sein, auf einen solchen Interessenausgleich hinzuwirken, indem die mit der Personalentwicklung verbundenen unternehmensseitigen Ziele mit den persönlichen und beruflichen Zielen der Mitarbeiter (soweit wie möglich) verzahnt werden1019. Dennoch greift der Eindruck einer Interessenharmonie zu kurz. Dabei spielt der Umstand eine Rolle, dass im Zuge der Personalentwicklung zunächst primär die Zielsetzungen des Unternehmens im Vordergrund stehen1020. Die Entscheidung, in welchem Umfang Personalentwicklung betrieben (Budgetrahmen) und welche Ziele damit verfolgt werden (Verwertungsabsicht), ist, wie bei anderen Investitionen, eine unternehmerische Grundsatzentscheidung, welche vom Management als oberstem Träger der Personalentwicklung getroffen wird1021. Und hier zeigt sich, dass Unternehmen mit ihren Entwicklungsaktivitäten vor allem auf den Erfolg gerichtete personalpolitische Motive verfolgen 1022. Die entwicklungsbezogenen Ziele der Mitarbeiter können oft nur insoweit Beachtung finden und bedient werden, als sie der Erreichung der generellen Unternehmensziele - etwa der Steigerung der Produktivität, Innovationskraft usw. - förderlich sind oder zumindest nicht schaden (etwa wenn es um einen Kompetenzausbau oder eine Steigerung der Arbeitszufriedenheit geht) 1023. Aus managementethischer

1019 1020

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1023

Vgl. MENTZEL (2012), S. 9, 12f.; HENTZE/ KAMMEL (2001), S. 347. NEUBERGER bringt diesen Gedanken durch seine abstrakte Definition der Personalentwicklung wie folgt zum Ausdruck: „PE ist die Umformung des unter [auf folgendes Stichwort kommt es an:] Verwertungsabsicht zusammengefassten Arbeitsvermögens“ (NEUBERGER 1994, S. 3). Ähnlich DRUMM (1982), S. 50: „[U]nter Personalentwicklung [wird] die Verbesserung desjenigen Teils der Fähigkeiten des Personals verstanden, der zur Verfolgung der Unternehmensziele eingesetzt werden kann“. Vgl. MENTZEL (2012), S. 14f. Für den Vollzug der Personalentwicklung ist dann die Personalabteilung zuständig. Vgl. dazu die Ergebnisse der IW-Weiterbildungserhebung 2014 (SEYDA/ WERNER 2014, S. 8f.): Für die befragten (weiterbildungsaktiven) Unternehmen stehen folgende Ziele im Fokus: Ausbau der Mitarbeiterkompetenzen (88,5 %); Beitrag zur betrieblichen Wertschöpfung und zum Geschäftserfolg (84,4 %); Steigerung der Leistungsfähigkeit und Produktivität der Mitarbeiter (83,2 %); Erhöhung der Motivation und Arbeitszufriedenheit (79,4 %); Steigerung der Innovationsfähigkeit (74,8 %); Steigerung der Mitarbeiterbindung (71,1 %). Vgl. STAEHLE (1999), S. 873.

Bereich Personalfreisetzung

281

Sicht muss daher die Frage der Zielbeziehung, danach also, wie die mit der Durchführung der Personalentwicklung verfolgten bzw. erhofften Ziele des Unternehmens und der Mitarbeiter zueinanderstehen, differenziert betrachtet werden: Idealtypisch sollten die Ziele zwischen Unternehmen und Mitarbeitern, wie angedeutet, komplementär (oder zumindest nicht konfliktär) sein, was bezüglich der ersten Mitarbeiterzielgruppe in Abb. 23 der Fall zu sein scheint. Hier ist anzunehmen, dass sich die allgemeinen, auf den Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit bezogenen Unternehmensziele mit den persönlichen (motivationalen, karriereorientierten) Mitarbeiterzielen ergänzen und vereinen lassen, sodass im Hinblick auf solche Ziele ein gewisser „positiver Kompatibilitätsfall“ vorliegt. Bezüglich der zweiten Mitarbeiterzielgruppe, die eng mit dem Bereich der Arbeitsmarktfähigkeit („Employability“) zusammenhängt (und damit eher auf eine allgemeine Wissenserweiterung abzielt), ist dagegen weniger sicher, ob und inwieweit Unternehmensund Mitarbeiterziele kompatibel miteinander sind1024. Zumindest reicht es, wie in Abschnitt 8.2.2 noch ausführlicher herausgearbeitet wird, nicht aus, das Thema Arbeitsmarktfähigkeit einseitig positiv zu deuten, so wie es in der wissenschaftlichen und praxisbezogenen Literatur zum Teil der Fall ist. In Unterkapitel 6.3 wird der Bereich der Personalfreisetzung behandelt, der vor allem im Kontext von Unternehmungskrisen ins Zentrum des Interesses gerät und wegen der in vielen Fällen umfassenden negativen Auswirkungen für die Betroffenen vielfältige ethische Fragen aufwirft.

6.3

Bereich Personalfreisetzung

Nachfolgend werden die personalpolitischen Grundlagen behandelt, welche für die managementethische Analyse diverser Freisetzungsszenarien in Unterkapitel 8.3 notwendig erscheinen1025. Wie deutlich werden wird, unterscheiden sich Freisetzungsmaßnahmen in ihrer zeitlichen (z. B. Fristigkeit, Wirkungsdauer), örtlichen (z. B. Unternehmensbereich A/ B), quantitativen (z. B. Freisetzungsvolu-

1024 1025

Vgl. MENTZEL (2012), S. 12. An relevanten Stellen werden daher Verweise auf nachfolgende (Unter-)Abschnitte im achten Kapitel hergestellt, in denen die hier abstrakt-theoretisch vorgestellten Freisetzungsszenarien und maßnahmen in ihren Grundzügen erneut aufgegriffen und aus managementethischer Sicht bewertet und weitergeführt werden.

282

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

men) und qualitativen Freistellungswirkung (z. B. Qualifikationsstruktur verbleibender Mitarbeiter), ihrer ökonomischen (z. B. Personalkosten, Arbeitsleistung verbleibender Mitarbeiter) und sozialen bzw. moralischen Effizienz (z. B. Auswirkungen auf freizusetzende Mitarbeiter), der Wirkung auf das (Unternehmens-, Arbeitgeber-)Image, dem Grad ihrer (ethischen und rechtlichen) Begründ- und Durchsetzbarkeit (gegenüber der Belegschaft, Öffentlichkeit usw.) sowie in ihrer Reversibilität1026. Im Freisetzungsbereich geraten die Interessen der Arbeitgeber und -nehmer häufiger in Konflikt miteinander, insbesondere dann, wenn der Versuch unterbleibt, entstehende negative Folgen sozialverträglich abzufedern. Das Management bewegt sich im Zuge der Freisetzung daher in einem Spannungsfeld zwischen ökonomischer und ethischer Dimension, was es erfordert, von der Auswahl der Freizusetzenden bis hin zur Freisetzungsdurchführung moralökonomische Zielkompromisse zu finden1027. Die Wahl der Freisetzungsmaßnahmen und der Ablauf des Freisetzungsprozesses werden dabei neben den konkreten Sachzwängen auch durch den in der jeweiligen Situation real bestehenden Handlungsdruck determiniert. Im ersten Abschnitt dieses Unterkapitels erfolgen zunächst eine kurze Darstellung der wichtigsten theoretischen Grundlagen der Personalfreisetzung sowie eine Einordnung derselben in das Mitarbeiterflusssystem. In den darauffolgenden Abschnitten 6.3.2 und 6.3.3 folgen Erläuterungen zur antizipativen (zukunftsorientierten) und reaktiven (vergangenheitsorientierten) Personalfreisetzung, bevor im vierten Abschnitt Fragen im Zusammenhang mit der Verantwortungs- und Schuldzuschreibung sowie mit der Gerechtigkeitswahrnehmung bei unterschiedlichen Formen von Entlassungen thematisiert werden.

6.3.1

Grundlagen der Personalfreisetzung

Der Fortbestand eines Unternehmens ist auf Dauer gefährdet, wenn es Mitarbeiter bei voller Kostenlast (weiter-)beschäftigt, obwohl diese, etwa als Folge einer 1026 1027

Vgl. SCHREIBER (1992), S. 320ff.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 514f. Vgl. EIGLER (1996), S. 128; JUNG (2011), S. 325; RKW (1996), S. 229; MARR/ STEINER (2003), S. 73; SCHREIBER (1992), S. 30ff. DRUMM (2008, S. 255) unterscheidet hierbei zwei Entscheidungsregeln: Zum einen kann bei der Wahl der zulässigen Freisetzungsmaßnahmen in Bezug auf die negativen sozialen Folgen für ausscheidende Mitarbeiter ein gewisses Mindestanspruchsniveau festgelegt und auf dieser Basis eine kostenminimale Vorgehensweise gewählt werden. Alternativ kann in Abhängigkeit der Liquiditäts- und Finanzlage des Unternehmens ein bestimmtes tragbares Kostenniveau festgelegt und auf dieser Basis versucht werden, die sozialverträglichste Form des Personalabbaus auszuwählen.

Bereich Personalfreisetzung

283

schlechten Auftragslage (ohne Aussicht auf baldige Besserung), keiner ökonomisch sinnvollen Aufgabe nachgehen können. Unternehmen sind daher, um ihre kurzfristige Zahlungsfähigkeit sichern und die mittel- bis langfristige Wettbewerbsfähigkeit durch Investitionen aufrechterhalten (und damit vorhandene Stellen schützen) zu können, gezwungen, personelle Überkapazitäten durch Freisetzungen anzupassen1028. Die Transaktion Freisetzung (oder Freistellung) in Form der Änderung oder Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse stellt die abschließende Phase innerhalb des Mitarbeiterflusssystems dar. Sie „umfasst die Reduzierung personeller Kapazitäten zur Vermeidung und/ oder Beseitigung von Personalüberdeckungen, unter Einbezug der hiermit verbundenen sozialen, betrieblichen und gesellschaftlichen Folgen“1029. Der Fokus der Freisetzung liegt dabei, soweit möglich, in der Planung von Verwendungsalternativen für nicht mehr benötigte Stellen und dem auf diesen Stellen eingesetzten Personal 1030. Wesentliche Ziele der Personalfreisetzung liegen in der Senkung der Personalkosten, der Reduzierung der Personalkapazität und der Steigerung der Personalleistung 1031. Angesichts struktureller Veränderungen in der Wirtschaft und eines partiellen Wandels weg vom klassischen hin zum neuen psychologischen Vertrag 1032, nach dem unbefristete Normalarbeitsverhältnisse seltener werden (und Arbeitnehmer tendenziell öfter mit einem Stellenwechsel oder -verlust konfrontiert sind), gewinnt die Personalfreisetzung an alltäglicher Bedeutung 1033. Die Ursachen für Freisetzungen sind vielfältig. Im betrachteten Kontext stehen nicht personen- (z. B. durch Erkrankung, mangelnde körperliche oder geistige

1028

1029 1030 1031

1032 1033

Vgl. KAMMEL (2005), S. 13. Ziel ist eine „Verstetigung der Beschäftigung“ (OECHSLER/ PAUL 2015, S. 508). SCHREIBER (1995), S. 408. Vgl. DRUMM (2008), S. 249. Vgl. MARR/ STEINER (2003), S. 148f. Festzustellen ist, dass im Rahmen der Freisetzung „ein „Denken in Köpfen“ [Ziel: Reduzierung der Arbeitnehmerzahl] ausgeprägter als ein „Denken in Kosten“ ist“ (ebd., S. 150; ähnlich SCHÜTTE 2009, S. 26; OECHSLER/ PAUL 2015, S. 509), woraus das Risiko entsteht, dass antizipative Freisetzungsmethoden ohne Personalabbau zugunsten härterer Maßnahmen (wie Entlassungen) vernachlässigt werden. Vgl. dazu Abschnitt 3.2.3. Vgl. RIDDER (2013), S. 116; SCHREIBER (1995), S. 408; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 391; HERMANN (2001), S. 21. Dieser Aspekt ist schon deshalb riskant, da er die Bereitschaft der Unternehmen, Mitarbeiter im Zuge der Freisetzung über gesetzliche Vorgaben hinaus zu unterstützen, negativ beeinflussen kann. Sobald Freisetzungen zum Massenphänomen mutieren, „ist kaum [mehr] damit zu rechnen, dass ein Verzicht auf [...] [abfedernde] Maßnahmen [...] mit nennenswerten Reputationsverlusten einhergehen wird“ (FRICK 2004, S. 1319).

284

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

Eignung bzw. Leistungsfähigkeit verursachte) oder verhaltens- (z. B. durch Arbeitsverweigerung oder Unpünktlichkeit verursachte), sondern betriebsbedingte Ursachen im Fokus, welche auf innerbetrieblichen Faktoren (wie einer Produktionsum- oder -einstellung, Outsourcing, Rationalisierung, Hierarchieabbau) beruhen oder in wirtschaftlich schwierigen Zeiten durch außerbetriebliche Faktoren (wie einen Umsatz- und Gewinnrückgang) ausgelöst werden und eine Änderung der Personalbedarfsstruktur erfordern1034. Eine solche Änderung muss nicht zwingend zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen und zahlenmäßigen Reduzierung des Personalbestands (durch Aufhebungsverträge oder - als Ultima Ratio - arbeitgeberseitige Entlassungen) führen, „sondern besagt nur, dass ein weiteres Verbleiben des Stelleninhabers auf seiner jetzigen Stelle auszuschließen ist“1035. Auch bestandsneutrale, interne qualitative (zeitliche oder örtliche) Änderungen bestehender Arbeitsverhältnisse stellen Freisetzungsformen dar1036. Der Freisetzung obliegt zunächst nur „die Aufhebung der Zuordnung eines Stelleninhabers zu seiner Stelle“1037, sodass der Arbeitnehmer im Anschluss erneut dem internen (z. B. durch eine Umsetzung oder Umwandlung von Voll- in Teilzeitstellen) oder externen Arbeitsmarkt zugeführt werden kann. Im Gegensatz zu internen führen externe Freisetzungen zu einer Personalbestandsreduktion, sodass von einem Personalabbau bzw. einer Personaleinsparung (-einschränkung, -entlassung) gesprochen werden kann, der bzw. die für das Unternehmen temporär zwar Kosten (etwa für Abfindungen) verursacht, dafür aber einen abgeschlossenen Vorgang darstellt. Ein Personalabbau kann sich fallabhängig kurzfristig oder über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren vollziehen, er kann sich auf einen kleinen oder großen Belegschaftsteil beziehen und er kann nur einzelne Einheiten umfassen oder sich gleichmäßig über mehrere Bereiche verteilen. 1034

1035

1036

1037

Vgl. BÖCKLY (1995), S. 247ff.; WELSLAU/ HAUPT/ LEPSIEN (2003), S. 279ff.; PULTE (2005), S. 51ff.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 522ff. Auf personenbedingte Kündigungsgründe hat ein Arbeitnehmer keinen Einfluss. Er kann seine Arbeitspflichten nicht erfüllen, jedoch liegt keine Pflichtverletzung vor, sondern es liegt in seiner Person begründet. Die Abgrenzung zu verhaltensbedingten Kündigungsgründen kann sich dabei als kompliziert erweisen. Solche liegen vor, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund von gesteuertem Verhalten fahrlässig bzw. vorsätzlich gegen seine (z. B. Leistungs-, Schutz-, Neben-)Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstößt. Verhaltensbedingte Kündigungen setzen in der Regel eine vorangegangene Abmahnung voraus. SCHOLZ (2014), S. 613. Ähnlich SCHREIBER (1992), S. 23; GAUGLER/ HUBER/ RUMMEL (1974), S. 207; EIGLER (1996), S. 124; BRÖCKERMANN (2005), S. 1; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 507. Vgl. SCHREIBER (1995), S. 408; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 388; KAMMEL (2004), S. 1344. Damit wird deutlich, dass eine Freisetzung mehr ist als nur eine beschönigende Umschreibung für eine Entlassung. HENTZE/ GRAF (2005), S. 353.

Bereich Personalfreisetzung

285

Für die Betroffenen und ihre Angehörigen („Opfer-durch-Nähe“1038) kann ein Stellenabbau je nach Kontextfaktoren (z. B. Arbeitsmarktlage) und individuellen Merkmalen (z. B. Qualifikationsniveau, Alter, Familienstand, Gesundheitszustand, Erfahrungen im Umgang mit beruflichen Veränderungen) zu erheblichen finanziellen Nachteilen sowie psychischen, sozialen und gesundheitlichen Problemen führen, welche sich mit steigender Arbeitslosigkeitsdauer verstärken1039. Ferner können durch Trennungsprozesse, gerade wenn diese langwierig sind und nicht professionell und integer ablaufen, negative Reaktionen bei den übrigen Beschäftigten hervorgerufen werden1040. Das wiederum ist kritisch, wenn man bedenkt, dass der Unternehmenserfolg im Anschluss an einen Stellenabbau stark vom Befinden und von der Leistungsfähigkeit (und dem Leistungswillen) der restlichen Mitarbeiter abhängt. Sobald diese den Eindruck gewinnen, dass erbrachte Leistungen doch nichts für das Unternehmen wert sind oder für die eigene Lebensplanung wichtige Informationen gezielt vorenthalten werden, werden sie, da es ihnen bei erneuten Stellenstreichungen genauso wie ihren Kollegen ergehen kann, misstrauisch reagieren und „Rückschlüsse [...] auf [die] Werte, Normen und Einstellungen sowie die impliziten Grundsätze des Unternehmens“1041 ziehen. Bei jenen Mitarbeitern, welche die Freisetzung ihrer Kollegen subjektiv als ungerecht empfinden, kann es dabei nicht nur zu Betroffenheits- und Schuldgefühlen1042, sondern auch zu einer rückläufigen Arbeitsmoral und Zufriedenheit kommen. Zugleich schwindet das Vertrauen in die Aussagen und Entscheidungen des Managements. Zur weiteren Belastung des Betriebsklimas kommt es dann, wenn im Zuge des Stellenabbaus keine bestehenden Aufgabenbereiche wegfallen oder verringert werden, da Befürchtungen eintreten, permanenter Mehrarbeit (in Form von Überstunden) und einer erhöhten physischen und psychischen Arbeitsbelastung ausgesetzt zu sein. In der Folge kann es (je nach Leistungsvermögen der Mitarbeiter) zu Versagensängsten kommen. Denkbar ist auch, dass Mitarbeiter versuchen, 1038 1039 1040

1041 1042

Vgl. KIESELBACH (1988). Vgl. dazu Abschnitt 3.1.1. Vgl. BROCKNER (1988); BROCKNER (1992); FOWKE (1998); WEISS/ UDRIS (2001); KRÜGER (2005a), S. 37f.; BERNER (1999); BECKMANN (1998); ANDRZEJEWSKI/ REFISCH (2015), S. 357ff., 420ff.; KRAUTGARTNER (2011); SCHÜTTE (2009), S. 23f.; JAEGER (2004), S. 228f.; ANDRZEJEWSKI (2004), S. 255; PITSCH (2002), S. 55ff.; HOFMANN/ THEYMANN (2002), S. 26. Im Angelsächsischen wird auch von „Survivors“ gesprochen. ANDRZEJEWSKI/ REFISCH (2015, S. 357) erachten diese Bezeichnung jedoch als „ungeeignet, da sie […] die Verabschiedeten als »Tote« darstellt, was wiederum deren Wahrnehmung »Wir sind out = tot« unterstützt“. KIESELBACH (2001), S. 42. Es kommen Zweifel auf, ob man nicht selbst etwas gegen den Stellenverlust der Kollegen hätte tun können.

286

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

ihre Leistung in Rangeleien mit Kollegen zu steigern, um so die eigene Position zu wahren. Riskant für den Unternehmensfortbestand ist darüber hinaus die Negativauslese der Mitarbeiter, welche dann eintritt, wenn (hoch-)qualifizierte Mitarbeiter das Unternehmen von sich aus verlassen, während weniger qualifizierte und leistungswillige Beschäftigte zugleich im Unternehmen verbleiben1043. Alle Effekte tragen zusammengenommen dazu bei, dass die Veränderungsfähigkeit des angeschlagenen Unternehmens eingeschränkt wird und anvisierte Einsparungen nur beschränkt realisiert werden können1044. Die Basis der Freisetzungsplanung bildet das Ergebnis der quantitativen und qualitativen Personalbedarfsplanung, welche den ersten Schritt im Mitarbeiterflusssystem darstellt und aus entsprechenden Umfeldszenarien abgeleitet wird 1045. Personelle Überdeckungen können in quantitativer, qualitativer, zeitlicher und örtlicher Hinsicht auftreten. Von einem negativen Netto-Personalbedarf geht ein Freisetzungsvolumen aus, wobei in einer Planperiode für eine gewisse Personalkategorie gilt: Ist-Personalbestand > zukünftiger Bruttopersonalbedarf = negativer Nettopersonalbedarf. Die Freisetzungsplanung setzt ein, wenn (antizipativ) auf die Zukunft gerichtet ein geringerer Personalbedarf festgestellt wird, als aktuell an Mitarbeitern verfügbar ist. Mit einer solch eher langfristig orientierten Freisetzung, deren Spielraum für vorbeugende Maßnahmen größer ist, ist aber nur ein Bereich der Freisetzungsplanung sowie der Situationen und Ursachen abgedeckt, die zu Freisetzungen führen. Einige Freisetzungsursachen sind nicht oder kaum plan- und prognostizierbar. Je nach Zeitpunkt, an dem sich das Unternehmen mit der Thematik befasst, wird im Rahmen der Freisetzung(-splanung) daher zwischen einem zukunftsorientiert-antizipativen bzw. proaktiven (Freisetzungsursachen werden weitsichtig prognostiziert, um Überkapazitäten zu vermeiden oder durch mittel-/ langfristig wirkende Maßnahmen zu reduzieren) und einem kurzfristigen,

1043 1044

1045

Vgl. BERTHEL/ BECKER (2013), S. 395. Das Fraunhofer Institut (2003) konnte in einer Studie zudem zeigen, dass die mit einem Personalabbau verfolgten Kostensenkungsziele in rund der Hälfte der Unternehmen nicht erreicht werden. Vgl. dazu auch SCHÜTTE (2009), S. 24. Vgl. im Folgenden DRUMM/ SCHOLZ (1988), S. 146ff.; DRUMM (2008), S. 249; EIGLER (1996), S. 125; JUNG (2011), S. 314, 317; SCHOLZ (2014), S. 613f., 619; HENTZE (1991), S. 258, 264; SCHREIBER (1992), S. 42ff., 53, 320; SCHREIBER (1995), S. 409; KAMMEL (2004), S. 1344, 1353f.; HENTZE/ GRAF (2005), S. 350, 354; NICOLAI (2014), S. 408; OLFERT (2015), S. 110; HOLTBRÜGGE (2015), S. 101f.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 388, 391; STOCK-HOMBURG (2013), S. 280; RKW (1996), S. 207ff., 228; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 508ff.

Bereich Personalfreisetzung

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vergangenheitsorientiert-reaktiven Vorgehen (Überkapazität wird beseitigt, nachdem Personalüberschuss aufgekommen ist) unterschieden. Letzteres hat hierzulande in Zeiten mit geringem Wirtschaftswachstum eine große Rolle gespielt und wird es auch zukünftig, speziell für niedrigqualifizierte Arbeitnehmer, tun1046. Wie noch zu sehen sein wird, unterscheiden sich die antizipative und reaktive Freisetzungsplanung hinsichtlich ihrer ökonomischen und sozialen Effekte 1047. Die Idealvorstellung liegt in der antizipativen Plan- bzw. Vorhersehbarkeit der Freisetzungsursachen1048, welche, insofern eine mittel- bis langfristige, in die Unternehmens- und Personalplanung integrierte Freisetzungsplanung vorhanden ist, in einigen Fällen auch unterstellt werden kann (zu denken ist an saisonale Personalbedarfsschwankungen in der Bauindustrie, geplante Werksverlagerungen und -schließungen, Fusionen und Akquisitionen, Bemühungen hin zur Lean Organisation, Umstellungen durch veränderte Produkt-/ Leistungsprogramme). Zugleich ist zu bedenken, und damit ist die reaktive Freisetzung angesprochen1049, dass in Unternehmen teils eigentlich planbare Entwicklungen, wie eine Schrumpfung gewisser Märkte und Branchen, deshalb nicht (rechtzeitig) antizipiert werden, da die zugrunde liegende Unternehmens- und Personalplanung (aufgrund fehlender Pla-

1046

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1049

Eine Befragung des IFO-Instituts unter 1.100 Unternehmen im Jahre 2004 ergab, dass in Deutschland lange Zeit, gerade mit steigender Unternehmensgröße und bei niedrigqualifizierten Mitarbeitern, betriebsbedingte Entlassungen zur Personalkostensenkung im Fokus standen (vgl. KNOCHE 2004, S. 14, 16f.). In den letzten Jahren scheint sich aber ein Wandel in Richtung eines weicheren Personalabbaus (durch Nutzung der natürlichen Fluktuation, Aufhebungsverträge und Vorruhestandsregelungen, Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge) vollzogen zu haben (vgl. DRUMM 2008, S. 249; MARR/ STEINER 2003, S. 155). Das gilt zumindest in Bezug auf erfahrene, hochqualifizierte Mitarbeiter, in die bereits investiert wurde. So erachten fast zwei Drittel der befragten Unternehmensvertreter (branchenunabhängig) die betriebsbedingte Freisetzung Hochqualifizierter als weniger sinnvoll, falls es in Zukunft erneut zu wirtschaftlichen Problemen kommen sollte (vgl. KNOCHE 2004, S. 18). Das erscheint nicht nur mit Blick auf den drohenden Fachkräftemangel, sondern auch deshalb verständlich, da im anschließenden Konjunkturaufschwung wichtige Mitarbeiter fehlen können. „Im Hinblick auf niedrig qualifizierte Mitarbeiter ist die Kündigungsbereitschaft dagegen über alle Branchen und Größenklassen hinweg ungebrochen. Hier wäre im Fall erneuter wirtschaftlicher Probleme der Personalabbau durch betriebsbedingte Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse durchweg eine positiv eingeschätzte Option“ (ebd.). Darüber hinaus hängen die Folgeüberlegungen bei einer Freisetzung stark von der Art, dem Umfang und der Dauer des zugrunde liegenden Arbeitsrückgangs ab (vgl. JUNG 2011, S. 314f.). Vgl. dazu (Unter-)Abschnitte 6.3.2 und - im Kontext der managementethischen Analyse - 8.3.2.3: Bereich „A“. Vgl. dazu (Unter-)Abschnitte 6.3.3 und - im Kontext der managementethischen Analyse - 8.3.2.3: Bereich „B“.

288

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

nungserfahrung, fehlendem Problembewusstsein) nicht ausgereift und die Informationsbasis in der Folge mangelhaft ist1050. Auch werden wichtige Struktur-, Wirtschafts-, Branchen- und Arbeitsmarktdaten sowie technologische Trends oftmals nicht ausreichend auf Risiken und Chancen hin analysiert. In solchen Fällen liegt ein vom Unternehmen selbst mitzuverantwortendes Planungsdefizit vor, das dazu führt, dass eigentlich prognostizierbare Freisetzungsursachen nicht erkannt werden und das Unternehmen nicht in der Lage ist, festzulegen, wie überzählige Mitarbeiter bis zum Planungshorizont abgebaut oder versetzt werden sollen. Darüber hinaus können in einem dynamischen Wettbewerbsumfeld Entwicklungen zur Senkung des Beschäftigungsgrades und der Ressourcenauslastung führen, die trotz ausgereifter Unternehmens- und Personalplanung nicht langfristig plan- und prognostizierbar sind, da sie durch unvorhersehbare interne (z. B. Forderungsausfall, Großkundenverlust, Liquiditätsengpass) oder externe Einflüsse (z. B. Wirtschafts- und Finanzkrise, Nachfrageänderungen, Innovationen bei der Konkurrenz, verstärkter Wettbewerbsdruck, unvermuteter Konjunkturrückgang, Marktschrumpfung oder -zusammenbruch, Rohstoffmangel) ausgelöst werden1051. Beide Konstellationen (intern und extern) hängen in der Regel zusammen und führen - schon wegen des mangelnden zeitlichen Spielraums für eine antizipative Freisetzungsplanung - zu reaktivem Freisetzungsbedarf und damit zu Maßnahmen, die mit sozialen Härten einhergehen. Den Extremfall bildet hierbei eine Insolvenz (allgemein: (Teil-)Stilllegung) des Unternehmens, bei der alle oder der Großteil der Mitarbeiter in die Freisetzungsplanung eingehen und die von keinem Unternehmen geplant wird1052. Andere, sich zum Teil wechselseitig beeinflussende, sachlich und zeitlich zusammenhängende Gründe, welche häufig keine totale, sondern eine partielle Freisetzung erforderlich machen 1053, sind 1050

1051

1052

1053

Vgl. DRUMM (2008), S. 249. „Ziele, Gegenstände und Methode der Personalfreisetzungsplanung setzen einen ausgebauten Planungskontext in Form von mittel- bis langfristiger Produktions-, Absatz-, Beschaffungs-, technologischer Verfahrens- sowie Investitions- und Finanzplanung mit strategischem Akzent voraus“ (ebd., S. 252). Vgl. auch BISANI (1995), S. 313; SCHREIBER (1992), S. 44ff. Vgl. STOCK-HOMBURG (2013), S. 282; RIDDER (2013), S. 130; SCHREIBER (1992), S. 25; KAMMEL (2004), S. 1344f.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 507. Dasselbe gilt für eine (Teil-)Stilllegung wegen Vernichtung des Unternehmens, z. B. aufgrund höherer Gewalt. Aufzählung in Anlehnung an DRUMM (2008), S. 250f.; HENTZE/ GRAF (2005), S. 357; ROHLEDER (2003), S. 129; HUBER (2010), S. 169f.; BRÖCKERMANN (2009), S. 878; JUNG (2011), S. 314f.; RIDDER (2013), S. 116; RKW (1996), S. 207; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 389f.; SCHREIBER (1992), S. 101ff.; KAMMEL (2004), S. 1345f.; HENTZE (1991), S. 262ff.; GAUGLER/ HUBER/ RUMMEL (1974), S. 208f.

Bereich Personalfreisetzung

289

- anhaltende Beschäftigungsrückgänge, welche in einer rückläufigen Konjunkturentwicklung, strukturellen Schrumpfungs- und Änderungsprozessen von Märkten oder Branchen sowie Änderungen des Kundenverhaltens begründet liegen1054. - (un-)befristete Verknappungen nicht substituierbarer Ressourcen (inklusive Kapital). - Änderungen der Arbeitsmethoden und des Technologieniveaus (etwa in Form einer zunehmenden Automatisierung, Digitalisierung, Algorithmisierung), durch die neue Anforderungen an Beschäftigte resultieren und die es sowohl im Produktions- als auch seit mehreren Jahren im Dienstleistungssektor erlauben, Rationalisierungen umzusetzen und einfache (sowie zunehmend qualifizierte) menschliche Arbeit durch Technik zu substituieren. Die Folgen der prognostizierten vierten industriellen Revolution (bekannt als Industrie bzw. Arbeit 4.0) auf den Arbeitsmarkt sind nur schwer voraussehbar. Mit einiger Sicherheit sind aber Änderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation (samt einer Neuzuordnung von Mitarbeiter, Aufgabe und Sachmitteln) und in der Folge Freisetzungsbedarfe zu erwarten. - Umstellungen im Leistungsprogramm (z. B. Verkleinerung des Produktionsprogramms, ggf. in Verbindung mit distributionspolitischen Entscheidungen wie einer Reduzierung der Zahl der Außendienstmitarbeiter). Diese führen nicht zwingend dazu, dass der Mitarbeiterbestand reduziert werden muss. Sie erfordern es aber eventuell, den Bestand in bestimmten Bereichen aufzustocken und in anderen zu reduzieren. Wenn es dabei nicht gelingt, Mitarbeiter zu qualifizieren und intern zu versetzen (z. B. weil interne Verwendungspotenziale fehlen), dann kann es zum Personalabbau durch Kündigung in den Bereichen kommen1055. 1054

1055

So verlieren mehrere ältere Industrien wegen struktureller Änderungen in der Wirtschaft und technologischen Änderungen (wie der zunehmenden Verbreitung digitaler Medien) an Relevanz und leiden unter Rückgängen im Produktions- und Absatzvolumen. Da sich derartige Trends in einer zunehmenden Dienstleistungsgesellschaft verstärken werden, wäre es als Aufgabe einer antizipativen Personalbedarfs- und -freisetzungsplanung zu sehen, solche Entwicklungen (samt der daraus resultierenden Gefahren) zu erkennen, um das Unternehmen (durch Diversifikation, Produktinnovationen o. Ä.) rechtzeitig in neue strategische Bahnen zu lenken, Mitarbeiter zu qualifizieren oder langfristig den drohenden Personalbedarfsrückgang zu berücksichtigen. Gründe für das Scheitern interner Versetzungen liegen in unüberwindbaren Kenntnis- und Fähigkeitsdefiziten sowie Lernbarrieren. Sie stellen personenspezifische Freisetzungsursachen auf der individuellen Ebene dar.

290

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

- die aus einer strategischen Neuausrichtung resultierenden Rationalisierungsund Reorganisationsbestrebungen in Form von Outsourcing, neuen Gruppenarbeitskonzepten oder dem Abbau von Funktionen, Organisationsstrukturen und Hierarchieebenen nach dem Muster einer schlanken und flachen („Lean“) Organisation1056. - durch Standortkonkurrenz bedingte Produktionsverlagerungen in Länder mit geringen Lohn- und Transportkosten (neuen Absatzpotenzialen, Steuervorteilen) sowie, gerade in Branchen mit hohem Wettbewerbsdruck, Fusionen und Unternehmensaufkäufe, wie sie bei Banken oder in der Automobilindustrie regelmäßig stattfinden1057. Gängige, für diverse Situationskonstellationen infrage kommende Maßnahmen der antizipativen und reaktiven Freisetzung werden in den beiden folgenden Abschnitten vorgestellt, wobei die jeweilige Zuordnung der Maßnahmen nur ein Grundgerüst der relevanten Methoden darstellt. Unter Beachtung der spezifischen Situationskonstellation (z. B. je nach Unternehmens- und Personalstrategie, Unternehmensgröße, -organisation und -kultur, Branche, Anzahl und Art der Mitarbeiter) und des konkreten Freisetzungsfalls ist denkbar, dass gewisse Maßnahmen nicht anwendbar sind, abgelehnt werden, wirkungslos bleiben oder sogar weiter destabilisierend wirken. Ebenso ist denkbar, Maßnahmen, die typischerweise im Rahmen der antizipativen Freisetzung zum Einsatz kommen, im Zuge der reaktiven Freisetzung einzusetzen (oder umgekehrt). Die Unterscheidung in antizipative und reaktive Anpassungsstrategien wird in Unterabschnitt 8.3.2.3 im Rahmen der abschließenden managementethischen Analyse erneut aufgegriffen und als Strukturierungskriterium verschiedener Freisetzungsszenarien herangezogen. In Abschnitt 6.3.2 wird zunächst auf die antizipative Freisetzung eingegangen.

1056

1057

Hierdurch kam es in den vergangenen Jahren zum Wegfall von Belegschaftsgruppen und zu Freisetzungsbedarf auf der Ebene des mittleren Managements (vgl. BISANI 1995, S. 307). Sie führen dazu, dass, je nachdem, wo die kompetenteren Mitarbeiter vermutet werden, aus einem oder beiden bzw. allen beteiligten Unternehmen Mitarbeiter freigesetzt werden. Im Vergleich zu den vorgenannten Gründen, die einen Freisetzungsbedarf primär auf unteren und mittleren Hierarchieebenen hervorrufen, liegt eine Besonderheit von Fusionen und Aufkäufen darin, dass sie auf allen Ebenen einen Freisetzungsbedarf auslösen können.

Bereich Personalfreisetzung 6.3.2

291

Maßnahmen der antizipativen Personalfreisetzung

Die Heterogenität der im vorigen Abschnitt genannten internen und externen Freisetzungsursachen zeigt, dass es zum Abbau von Personalüberhängen eines differenzierten Instrumentariums bedarf1058. Da die antizipative Freisetzungsplanung vor Eintritt der Freisetzungsursache ansetzt, kann sie auf eine Vielzahl von Verwendungsalternativen zurückgreifen1059. Je früher ein Unternehmen Personalüberhänge erkennt und je ausgiebiger es sich mit deren Ursachen befasst, desto flexibler kann es reagieren und desto mehr Freisetzungsmaßnahmen kann es ergreifen. Anzunehmen ist zudem, dass (ähnlich wie bei der Personalentwicklung) mit zunehmender Unternehmensgröße ein immer breiteres Maßnahmenspektrum zum Einsatz kommt1060. Das Management wird durch die §§ 1 Abs. 2 Ziff. 1b KSchG (Weiterbeschäftigung auf anderem Arbeitsplatz) und 17 Abs. 2 KSchG (Informations- und Beratungspflicht mit dem Betriebsrat) in Verbindung mit § 102 Abs. 3 Ziff. 3 BetrVG indirekt zur antizipativen Freisetzungsplanung und damit zur Entlassungsvermeidung angehalten. Basis für eine funktionierende antizipative Freisetzungsplanung ist eine ausgereifte Personalbedarfs- und -bestandsplanung, welche jeweils auf einer fundierten Personaldaten- und Stellendatenbasis beruhen. Wie noch deutlich wird, ist die reaktive Freisetzungsplanung auch ohne oder mit einer sehr geringen Datenbasis realisierbar. Umso mehr ein Unternehmen auf die Flexibilisierung des Personaleinsatzes achtet, umso besonnener es sich (auch bei guter Geschäftsentwicklung) bei der Einstellungspolitik verhält und je früher es personelle Überdeckungen erkennt, desto eher ist es in der Lage, sich mittel- bis langfristig auf gewisse Freisetzungsursachen (wie einen Strategiewechsel, geplante Restrukturierungen usw.) einzustellen und in Abstimmung mit dem Betriebsrat solche Maßnahmen zu ergreifen, die im Vergleich zu reaktiven Freisetzungsformen nicht nur ökonomisch (durch den Wegfall von Abfindungszahlungen oder Forderungen aus Sozialplänen), sondern wegen ihrer höheren Sozialverträglichkeit auch moralisch vorzuziehen sind 1061. So lassen sich Interessenkonflikte zwischen Arbeitgeber- und -nehmerseite reduzie-

1058 1059

1060 1061

Vgl. KOLB (2010), S. 175. Vgl. STOCK/ HOMBURG (2013), S. 285; JUNG (2011), S. 314; DRUMM (2008), S. 249; DRUMM/ SCHOLZ (1988), S. 146, 159; HENTZE (1991), S. 259; SCHREIBER (1992), S. 116ff., 161ff. Vgl. MARR/ STEINER (2003), S. 131, 156f., 164, 181. Vgl. DRUMM/ SCHOLZ (1988), S. 146; BRÖCKERMANN (2012), S. 372.

292

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

ren und die Unternehmensflexibilität erhöhen. Ein zunehmender Detaillierungsgrad der antizipativen Freisetzungsplanung geht allerdings zugleich mit einem Anstieg der Transaktionskosten einher. Dem ist entgegenzusetzen, dass (öffentlichkeitswirksame Massen-)Entlassungen sowie kosten- und zeitintensive Arbeitsgerichtsprozesse durch antizipative Freisetzungsplanungen teils vermieden und die Mitarbeiter(-vertreter) früher informiert und beratend in den Freisetzungsprozess involviert werden können1062. Das steigert die Akzeptanz und wirkt sich positiv auf die Motivation der Restbelegschaft und das allgemeine Ansehen des Unternehmens aus. Zu den antizipativen Freisetzungsmaßnahmen zählen: - sämtliche Alternativen der reaktiven Freisetzungsplanung1063, vor allem bei zunehmender Dauer und Intensität einer Krise. - die Nutzung oder Förderung der natürlichen Fluktuation, bei der Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausscheiden, weil sie in den Ruhestand treten, arbeitsunfähig werden (oder sterben), Wehr- oder Zivildienst leisten oder auch selbst kündigen, da sie bei anderen Arbeitgebern bessere Aufstiegschancen sehen. Falls die fluktuationsbedingt frei gewordenen Stellen nicht den wegfallenden Stellen entsprechen, sind (durch Entwicklungsmaßnahmen flankierte) Umsetzungen zu ergreifen1064. Zu kombinieren ist die natürliche Fluktuation mit einem absoluten, d. h. bereichs- und positionsübergreifenden Einstellungsstopp (es erfolgen keinerlei Einstellungen, um den Ersatz- und/ oder Neubedarf zu decken), einem relativen Einstellungsstopp (es erfolgen Ersatzeinstellungen, wodurch der quantitative Anpassungseffekt gering ist) oder einem auf gewisse Mitarbeitergruppen, Berufe, Qualifikationen, Bereiche, Standorte o. Ä. bezogenen qualifizierten Einstellungsstopp (jeweils inklusive der Umsetzung verbleibender Mitarbeiter)1065. Bei zeitlich überschaubaren Überdeckungen 1062

1063 1064 1065

Die aus einem Stellenabbau für Beschäftigte resultierenden Härten können entschärft und Probleme für spezielle (z. B. ältere, geringqualifizierte) Mitarbeitergruppen früher angegangen werden. Zugleich verbessert sich die Planbarkeit für die Beschäftigten (z. B. können sie sich schneller um eine neue Stelle oder um Maßnahmen zum Ausbau ihrer Arbeitsmarktfähigkeit bemühen, geplante Kaufentscheidungen neu überdenken). Darüber hinaus können zuständige Arbeitsämter rechtzeitig über anstehende Entlassungen größeren Umfangs informiert und so ungünstige regionale Beschäftigungsentwicklungen eingeschränkt werden. Zudem wird eine frühe Zusammenarbeit mit ansiedlungsbereiten Unternehmen erleichtert. Vgl. dazu Abschnitt 6.3.3, der sich mit den Maßnahmen der reaktiven Freisetzung befasst. Vgl. SCHERM/ SÜß (2010), S. 38. Vgl. im Folgenden STOCK/ HOMBURG (2013), S. 302; BISANI (1995), S. 311; HENTZE/ GRAF (2005), S. 357; NICOLAI (2014), S. 413; ROHLEDER (2003), S. 131; HOLTBRÜGGE (2015), S. 158; BRÖCKERMANN (2012), S. 350, 374; BRÖCKERMANN (2009), S. 879; SCHANZ (2000), S. 359f.;

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kommt eine verzögerte Wiederbesetzung von Stellen als zeitlich befristeter Einstellungsstopp infrage1066. Beide Strategien sind wenig kostenintensiv und tragen dazu bei, die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse passiv zu reduzieren. Sie werden von den Beschäftigten als sozial gerecht erachtet und wirken sich kaum Image schädigend aus. Die Anpassungseffekte treten aber nur schrittweise und - je nach Fluktuationsquote und Arbeitsmarktlage - häufig zu langsam ein, um Personalüberdeckungen zeitnah ausgleichen zu können1067. Eine Voraussetzung aller internen Weiterverwendungsoptionen ist daher, dass vakante Stellen terminlich und hinsichtlich ihres Anforderungsprofils bekannt sind. Zur Abschätzung der Wirkungsdauer dieser Maßnahme hilft es, wenn exakte Fluktuations- sowie quantitative und qualitative (das Alter, aber auch Qualifikationen usw. umfassende) Personalbestandsstatistiken und Kennzahlen im Unternehmen vorliegen. Einstellungsstopps können, insofern sie nicht an einen Leistungsverzicht gekoppelt sind, zur Mehrbelastung der Restbelegschaft führen. Die Fluktuation kann zudem durch fluktuationsfördernde Angebote (etwa finanzielle Anreize, Umschulungen, Outplacementberatungen) gefördert werden1068. Zu bedenken ist, dass sich lange absolute Einstellungsstopps nachteilig auf das Image und (wegen der mangelnden Steuerbarkeit des Instruments) die Qualifikations- und Altersstruktur auswirken können1069. Einstellungsbeschränkungen sollten daher vor dem Hintergrund der Unternehmensziele getroffen und zugleich darauf geachtet werden, dass in erfolgskritischen Bereichen mit hohem Zukunftspotenzial (z. B. im Forschungs- und Entwicklungsbereich) der Ersatz an qualifizierten Kräften sichergestellt ist. Falls die frei ge-

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HUBER (2010), S. 171f.; JUNG (2011), S. 324; RIDDER (2013), S. 120f.; BÜHNER (2005), S. 84; RKW (1996), S. 217, 229ff.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 400f.; BÖCKLY (1995), S. 187ff.; SCHREIBER (1992), S. 343ff.; SCHREIBER (1995), S. 410; KAMMEL (2004), S. 1350f.; HENTZE (1991), S. 268; MARR/ STEINER (2003), S. 72f. Während Einstellungsstopps zur dauerhaften Personalbestandsreduktion führen, stellt die verzögerte Wiederbesetzung eine temporäre Freisetzung dar, welche so lange beibehalten wird, bis eine Situation überwunden ist. Zudem ist die Fluktuation in allgemeinen Krisenzeiten und einer kritischen Arbeitsmarktlage je nach Branche und Mitarbeiterstruktur automatisch eher rückläufig. Vgl. MARR/ STEINER (2003), S. 71; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 401. Gerade wenn potenzielle Bewerber abgeschreckt werden oder jüngere qualifizierte Mitarbeiter mit guten Arbeitsmarktchancen freiwillig ausscheiden, gerät das (idealerweise) ausgewogene Verhältnis von Älteren und Jüngeren aus dem Gleichgewicht und Nachwuchskräfte fehlen. Zudem müssten bei generellen Einstellungsstopps interessante Bewerber abgewiesen werden, womit eventuell für die Zukunft wichtige Schlüsselpositionen unbesetzt bleiben. Absolute Einstellungsstopps sollten daher nur vorübergehend zum Einsatz kommen.

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wordenen Stellen wichtig für die Leistungsziele und deshalb weiterhin zu besetzen sind, ist es erforderlich, Mitarbeiter intern zu versetzen. Dazu sind die zu versetzenden Mitarbeiter auszuwählen. Darüber hinaus muss ihre aktuelle Qualifikation, insofern ihre Fähigkeitsprofile bekannt sind, bei Bedarf entsprechend angepasst werden. - der Abbau der Rand- zugunsten der Stammbelegschaft. Neben der Fluktuationsförderung durch eine Nichtverlängerung von Zeitverträgen nach § 1ff. BeschFG (was für den einzelnen Mitarbeiter, der keine Anschlussbeschäftigung findet, einer Freisetzung gleichkommt) zählt hierzu die (unkomplizierte) Nichtverlängerung oder Kündigung von Personalleasingverträgen, über welche Leihmitarbeiter nach dem AÜG beschäftigt sind 1070, um als Personalpuffer Fehlzeiten von Mitarbeitern der Stammbelegschaft oder - in volatilen Branchen - zeitlich begrenzte, unvorhersehbare oder saisonale Produktionsspitzen aufzufangen1071. Beide Maßnahmen gehen als einseitiger Akt vom Unternehmen aus, verursachen geringe Kosten, sind kurzfristig wirksam und lassen sich relativ „geräuscharm“1072 vollziehen. Ihre Wirksamkeit hängt vom Ausmaß ab, in dem befristet Angestellte oder Leihmitarbeiter beschäftigt werden. Zugleich betreffen sie Mitarbeitergruppen, die bereits während ihres Beschäftigungsverhältnisses - trotz gleicher oder ähnlicher Tätigkeit - oftmals (bezüglich der Lohnansprüche, gewährter Zusatzgratifikationen usw.) benachteiligt werden und deren Arbeitsmarktchancen geringer sind1073. Zudem kann im Rahmen der betrachteten Maßnahmenkategorie festgelegt werden, Auszubildende nach Ausbildungsabschluss nicht zu übernehmen oder auf Aushilfskräfte, Praktikanten und Werkstudenten von vornherein zu verzichten1074. 1070

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Den eigentlichen Arbeitsvertrag schließen Leiharbeiter mit dem Leasing-Geber, nicht -Nehmer. Entsprechend werden auch die Sozialversicherungsbeiträge vom Zeitarbeitgeber abgeführt, genauso wie der Urlaubsanspruch des Leiharbeiters gegenüber dem Zeitarbeitgeber besteht. Vgl. STOCK/ HOMBURG (2013), S. 302; HOLTBRÜGGE (2015), S. 157; BISANI (1995), S. 311; HUBER (2010), S. 171; JUNG (2011), S. 319, 324f.; RIDDER (2013), S. 121; RKW (1996), S. 229, 231f.; MARR/ STEINER (2003), S. 71f.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 400ff.; BÖCKLY (1995), S. 189ff.; SCHREIBER (1992), S. 354ff.; KAMMEL (2004), S. 1352; HENTZE (1991), S. 269; LINDEMANN/ SIMON (2008), S. 2797; NICOLAI (2014), S. 413f. Unternehmen haben mit weniger öffentlicher Kritik und negativer Presse zu rechnen, wenn sie 500 Leiharbeiter statt 500 regulär Beschäftigte entlassen. Nach einer Studie des RWI verdienen z. B. Zeitarbeiter (bei gleicher Qualifikation und im selben Job) in der Regel rund die Hälfte von dem, was regulär Beschäftigte erhalten (vgl. LANDMANN/ THODE 2012, S. 25ff.). Ein solches Vorgehen kann sich im Falle des Wiederanstiegs des Personalbedarfs als riskant erweisen, da die mit dem Unternehmen bereits vertrauten Auszubildenden womöglich nicht mehr

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- die Fluktuationsförderung durch eine einstufige oder gleitende Pensionierung vor dem Renteneintrittsalter (oft in Verbindung mit betrieblicher Altersvorsorge), insofern Beschäftigte hierzu bereit sind, die Altersstruktur 1075 im Unternehmen es zulässt und der Wissenstransfer auf jüngere Mitarbeiter, welche neues Fachwissen mitbringen, durch Mentoring-Strukturen o. Ä. gesichert ist1076. Während einstufige Pensionierungen abrupt zu einem fixen Zeitpunkt durchgeführt werden, erfolgen gleitende Pensionierungen stufenweise 1077. - die Fluktuationsförderung durch Aufhebungsverträge, bei denen Mitarbeitern als Alternative zur Kündigung nach gegenseitigem Einvernehmen zu einem festgelegten Zeitpunkt eine Abfindung (als materieller Anreiz) dafür gewährt wird, dass sie freiwillig kündigen und das Unternehmen sofort oder zu einem fixen Termin verlassen1078. Wie Kündigungen müssen auch Aufhebungsverträge nach § 623 BGB schriftlich geschlossen werden1079. Die Zustimmung der

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verfügbar sind und auf neue Mitarbeiter ausgewichen werden muss. Zudem können Maßnahmen dieser Art das Image des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt negativ beeinflussen. Über ein höheres Pensionierungspotenzial verfügen Unternehmen oder Abteilungen mit einer alterszentrierten Altersstruktur. Vorzeitige Pensionierungen können somit auch einer Belegschaftsüberalterung entgegenwirken. Zugleich ist im Zuge des demografischen Wandels ein Trend zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu erkennen. Dieser Trend wird dadurch gefördert, dass die gesetzliche Förderung der Altersteilzeit Ende 2009 ausgelaufen ist. Vgl. STOCK/ HOMBURG (2013), S. 296; JUNG (2011), S. 325f.; BISANI (1995), S. 311; HOLTBRÜGGE (2015), S. 158f.; BÜHNER (2005), S. 84; RKW (1996), S. 229, 233ff.; MARR/ STEINER (2003), S. 71; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 403f.; BRÖCKERMANN (2012), S. 383; HENTZE/ GRAF (2005), S. 377f.; SCHREIBER (1992), S. 350ff; HENTZE (1991), S. 269. Besonders wichtig ist ein solcher Wissenstransfer dann, wenn unternehmensspezifisches Wissen von Bedeutung ist oder wenn es z. B. um eine Fortführung langjähriger Kundenbeziehungen geht. Im Falle eines gleitenden Modells wird die Arbeitszeit samt der Arbeitsaufgaben über einen über mehrere Jahre andauernden Zeitraum kontinuierlich heruntergefahren. Im (häufiger eingesetzten) Blockmodell werden dagegen zwei Zeitblöcke gleichen Umfangs (ein Vollzeitarbeits- und ein Freistellungblock) gebildet. Vgl. STOCK/ HOMBURG (2013), S. 296; HOLTBRÜGGE (2015), S. 158; DRUMM (2008), S. 262; MARR/ STEINER (2003), S. 71, 75; KROPP (2001), S. 328; OLFERT (2015), S. 534f.; NICOLAI (2014), S. 416; BISANI (1995), S. 312; BRÖCKERMANN (2012), S. 351f., 378; SCHANZ (2000), S. 360f.; HUBER (2010), S. 172; JUNG (2011), S. 326; SCHOLZ (2014), S. 620f.; RIDDER (2013), S. 121; BÜHNER (2005), S. 84; SCHREIBER (1995), S. 415; RKW (1996), S. 229, 236ff.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 400, 402f.; KOLB (2010), S. 178; BÖCKLY (1995), S. 195ff.; SCHREIBER (1992), S. 346ff.; KAMMEL (2004), S. 1351f.; HENTZE/ GRAF (2005), S. 385. Bedingung für das Zustandekommen von Aufhebungsverträgen ist der beiderseitige Wille, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Nach § 123 Abs. 1 BGB kann bei einer widerrechtlichen Drohung durch den Arbeitgeber ein Aufhebungsvertrag durch den Arbeitnehmer angefochten werden (etwa wenn er zur Unterschrift genötigt wurde). Wird das Schriftformerfordernis nicht eingehalten, so wird der Aufhebungsvertrag nichtig (§ 125 BGB). Zur Kündigung ist anzumerken: Mündlich erklärte Kündigungen durch den Arbeitgeber

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

Mitarbeiter zur Auflösung des Arbeitsvertrags (und der damit einhergehende Verzicht auf Schutzrechte) wird durch die Abfindung in gewissem Sinne „erkauft“1080. Die Personalstruktur kann so unabhängig vom allgemeinen Kündigungsschutz und den Beteiligungsrechten des Betriebsrats relativ zielgenau, kurzfristig, geräuschlos und zu kalkulierbaren Kosten (unter Umgehung von Sozialplänen) im Hinblick auf die Alters- und Qualifikationsstruktur sowie das Leistungsniveau gewisser Mitarbeiter(-gruppen) beeinflusst werden. Für Arbeitnehmer bieten Aufhebungsverträge den Vorteil, sich aus ungekündigter Position heraus um eine neue Stelle bewerben zu können 1081. Da keine Kündigungsfristen zu beachten sind, können die Personalkosten häufig mit sofortiger Wirkung reduziert werden1082. Durch zu zahlende Abfindungen können Aufhebungsverträge kurzfristig aber zu einer hohen Kostenbelastung führen, weshalb sie für Unternehmen nur dann interessant sind, wenn eine Stellenweiterbesetzung auf Dauer teurer ist als die Abfindungszahlung, deren Höhe u. a. vom Trennungsgrund, vom Mitarbeiteralter, von der Betriebszugehörigkeitsdauer und der Höhe des letzten Arbeitsentgelts abhängt. Zu beachten ist ferner, dass Aufhebungsverträge gerne von qualifizierten und flexiblen Arbeitnehmern in Anspruch genommen werden, welche die Abfindung quasi „abgreifen“ (obwohl sie das Unternehmen womöglich sowieso verlassen hätten) und im Anschluss schnell wieder eine neue Beschäftigung finden. - die gleitende Überführung der Mitarbeiter in eine Selbstständigkeit, ggf. in Verbindung mit dem Verkauf einzelner Unternehmensteile oder Geschäftsbereiche

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sind zwar unwirksam (§ 125 BGB), Arbeitnehmer können aber wirksam mündlich kündigen, da § 623 BGB (Schriftform der Kündigung) nicht denjenigen schützen will, der die Kündigung ausspricht, sondern primär den Arbeitnehmer als Vertragspartner. Mit Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags verzichten Arbeitnehmer auf alle Schutzrechte, welche ihnen im Falle der Kündigung zugestanden hätten (vgl. BRÖCKERMANN 2005, S. 6f.). Beim Aufhebungsvertrag besteht weder ein allgemeiner noch besonderer Kündigungsschutz. Zudem ist die sozialversicherungsrechtliche Komponente mit in Erwägung zu ziehen, da die Abfindungssumme zu versteuern ist. Auch haben Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen (dasselbe gilt, wenn sie kündigen oder ihre Arbeitslosigkeit anderweitig selbst verschulden), mit der Auferlegung einer zwölfwöchigen Sperrzeit zu rechnen (vgl. MARSCHOLLEK 2014, S. 183), bevor sie Arbeitslosengeld erhalten (§ 159 SGB III). Dabei wird die Sperrzeit auf die zwölfmonatige Anspruchszeit des Arbeitslosengeldes angerechnet (sodass ein Arbeitslosengeldanspruch nur noch für neun Monate besteht). Das ändert aber nichts daran, dass sie zunächst einmal, ähnlich wie bei einer Kündigung, ihre materielle Existenzgrundlage verlieren und unter Umständen für längere Zeit in die Arbeitslosigkeit abrutschen. Zudem können durch die Zweiseitigkeit der Maßnahme der Betriebsfrieden gewahrt und Imageverluste durch Kündigungen vermieden werden.

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(z. B. Management Buy-out Lösung), was primär bei qualifizierten Mitarbeitern möglich ist, die relativ vollständige und abgeschlossene Leistungen erbringen und sich eine selbstständige Tätigkeit zutrauen. - die zeitlich begrenzte Ausleihe an andere Unternehmen nach dem AÜG 1083. Diese erlaubt es Unternehmen, die sich temporär in einer Krise befinden, kurzbis mittelfristig Personalkosten einzusparen. Die Stammbelegschaft bleibt erhalten, da Arbeitsverhältnisse im Unterschied zu Placement-Maßnahmen, bei denen Mitarbeiter dauerhaft in anderen Unternehmen untergebracht werden, nicht aufgelöst werden1084. Zentrale Voraussetzungen liegen in der Aufnahmebereitschaft anderer Unternehmen sowie im Mobilitätswillen und der ohne größeren Fortbildungsaufwand gegebenen Einsetzbarkeit der Kompetenzen der Freizusetzenden. - die mit einer Lohnkürzung einhergehende (permanente) Verkürzung der regulären individuellen Arbeitszeit einzelner Mitarbeiter oder Mitarbeitergruppen1085. Arbeitszeitverkürzungen sind dann möglich, wenn Arbeitsaufgaben oder Stellen teilbar sind. Sie führen bei gleichbleibendem Personalbestand zur Kostensenkung und Reduktion der quantitativen Leistung. Ihre Effektivität hängt vom Kürzungsumfang, dem Anteil der von der Kürzung Betroffenen sowie davon ab, ob ein vollständiger oder partieller Gehaltsausgleich zu leisten ist1086. Durch ihren langfristigen, einkommenswirksamen Charakter kann eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung (z. B. im Gegensatz zu einem temporären Überstundenabbau) für die Mitarbeiter schneller zu finanziellen Belastungen und sozialen Härten führen. Der Betriebsrat kann durch sein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG eine Arbeitszeitverkürzung verhindern. 1083 1084

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Vgl. DRUMM (2008), S. 264. Im Vergleich zur Reduzierung der Mitarbeiterzahl entsteht für das ausleihende Unternehmen der Vorteil, dass keine Abfindungen zu zahlen sind. Sobald der Personalbedarf wieder ansteigt, kann auf bereits mit dem Unternehmen und der jeweiligen Stelle vertraute Mitarbeiter zurückgegriffen werden. Hierin liegt auch die Motivation der drei nachfolgenden Punkte. Vgl. HENTZE/ GRAF (2005), S. 375f.; BISANI (1995), S. 310; BRÖCKERMANN (2012), S. 375f.; HUBER (2010), S. 170; JUNG (2011), S. 322f.; RIDDER (2013), S. 119; RKW (1996), S. 220ff.; MARR/ STEINER (2003), S. 76; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 398ff.; SCHREIBER (1992), S. 362f.; LINDEMANN/ SIMON (2008), S. 2795f.; BÖCKLY (1995), S. 316ff. Viele Tarifverträge enthalten diesbezüglich Regelungen oder erlauben den Abschluss entsprechender freiwilliger Betriebsvereinbarungen. Zudem sind Modelle denkbar, bei denen Unternehmen über einen befristeten Zeitraum hinweg eine teilweise Kompensation der durch eine Arbeitszeitverkürzung auftretenden Gehaltseinbuße leisten.

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

- die allgemeine oder einzeln ausgehandelte Variation der Lage des Urlaubs, z. B. in Form einer Vorverlegung in beschäftigungsschwache Zeiten 1087. Bei der Urlaubsgestaltung sind nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG die Beteiligungsrechte des Betriebsrats und Vorschriften des Urlaubsrechts zu beachten (§ 7 BurlG: Zeitpunkt, Übertragbarkeit, Urlaubsabgeltung). Dasselbe gilt bei der Gewährung von Betriebsurlaub (Werksferien), bei dem Unternehmen (mit Ausnahme einzelner Verwaltungsbereiche sowie Not- und Wartungsdienste) temporär ganz oder teilweise schließen und der Belegschaft in jener Zeit Erholungsurlaub gewährt wird1088. - der Abbau angesammelter Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto (im Rahmen von Gleitzeitmodellen) durch längere Freizeitblöcke1089 sowie der (über den Abbau von Zeitsalden hinausgehende) Aufbau von Arbeitszeitschulden. - das sog. „Insourcing“, also die Erstellung von Produktions- und Dienstleistungen durch eigene Mitarbeiter, welche (z. B. in Zeiten einer guten Auftragslage) auf Fremdfirmen outgesourct oder schon immer zugekauft wurden, insofern es rechtlich, technisch, personell bzw. Know-how-mäßig und unter Kostenaspekten möglich erscheint1090. Ähnliche Möglichkeiten, um kurzfristig eingetretene, zeitlich begrenzte oder saisonale Absatz- und Auftragsrückgänge auszugleichen, ohne Personal abbauen oder die Arbeitszeit begrenzen zu müssen, liegen in einer erweiterten Lagerhaltung, im Vorziehen von Reparatur-, Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Erneuerungsarbeiten sowie in einer kurzfristigen Produktdiversifizierung1091. 1087

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Vgl. KROPP (2001), S. 329f.; NICOLAI (2014), S. 415; OLFERT (2015), S. 510; BISANI (1995), S. 309; ROHLEDER (2003), S. 130; BRÖCKERMANN (2012), S. 375; BRÖCKERMANN (2009), S. 879; HUBER (2010), S. 170; JUNG (2011), S. 323; RKW (1996), S. 224; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 397; SCHREIBER (1992), S. 336f.; HENTZE (1991), S. 266; DRUMM (2008), S. 264f.; MARR/ STEINER (2003), S. 76. Vgl. REINECKE in KÜTTNER (2010), S. 906f.; LINDEMANN/ SIMON (2008), S. 2796. Die Akzeptanz eines Abbaus von Arbeitszeitkonten dürfte auch aufseiten der Arbeitnehmervertreter hoch sein, da dadurch die Vergütung gleich bleibt und ein Stellenabbau vermieden oder zeitlich hinausgezögert werden kann (vgl. LINDEMANN/ SIMON 2008, S. 2795). Vgl. BRÖCKERMANN (2012), S. 374; BRÖCKERMANN (2009), S. 879; JUNG (2011), S. 320; RKW (1996), S. 212ff.; MARR/ STEINER (2003), S. 81; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 393; BÜHNER (2005), S. 82; SCHREIBER (1992), S. 339ff.; HENTZE (1991), S. 266; SCHÜTTE (2009), S. 28; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 513. Wegen der Ungewissheit zukünftiger Entwicklungen fällt die Planung solcher vorbeugenden arbeitserhaltenden und -schaffenden Maßnahmen schwer und ist daher eher in Ausnahmefällen sinnvoll. Der Freisetzungsbedarf besteht zudem weiter, sobald solche (außerhalb des Personalbereichs liegenden) Maßnahmen ausgeschöpft sind.

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- antizyklische Weiterbildungsmaßnahmen, die in Zeiten einer schlechten Auftragslage stattfinden, um qualifizierte und engagierte Mitarbeiter halten und auf bessere wirtschaftliche Zeiten (ggf. in alternativen Einsatzbereichen) vorbereiten zu können1092. - die dauerhafte oder temporäre, freiwillige oder durch eine Änderungskündigung (nach § 2 KSchG) erzielte Umwandlung von Voll- in Teilzeitstellen (oder Job-Sharing-Arbeitsverhältnisse)1093. Finanzielle Anreize zu solchen Formen der Arbeitszeitverkürzung werden dadurch geschaffen, indem das Arbeitsentgelt in geringerem Maße als die Arbeitszeit gesenkt wird. - die Gründung von Beschäftigungsgesellschaften (auch Qualifizierungs-, Personalentwicklungs-, Transfergesellschaften). Sie schaffen eine Alternative zur Arbeitslosigkeit (oder zögern diese zeitlich hinaus) und sollen durch die Auswahl geeigneter Instrumente soziale Härten bei großen Freisetzungen vermeiden helfen1094. Beschäftigungsgesellschaften kommen primär bei tariflichen Mitarbeitern zum Einsatz (teils wird vom „Outplacement des kleinen Mannes“ gesprochen), welche im Falle betriebsbedingter Kündigungen sozialverträglich aufgefangen, finanziell abgesichert und beim Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis (idealerweise) individuell begleitet werden sollen. Die Finanzierung erfolgt durch den früheren Arbeitgeber und die Agentur für Arbeit. Die Arbeitnehmer schließen dazu mit ihrem alten, teils insolventen Arbeitgeber freiwillig

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Vgl. OLFERT (2015), S. 513; HUBER (2010), S. 171; HENTZE (1991), S. 266; SCHÜTTE (2009), S. 28. Die Bundesagentur für Arbeit beteiligt sich unter bestimmten Voraussetzungen an den Weiterbildungskosten (§§ 77ff. SGB III), was zur Entlastung der Unternehmen führt. Der Betriebsrat hat nach § 98 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen. Vgl. KROPP (2001), S. 330; NICOLAI (2014), S. 415f.; OLFERT (2015), S. 510f.; BISANI (1995), S. 309; ROHLEDER (2003), S. 131; HUBER (2010), S. 170; JUNG (2011), S. 323; RKW (1996), S 224f.; KOLB (2010), S. 177; SCHREIBER (1992), S. 337ff.; KAMMEL (2004), S. 1349; HENTZE (1991), S. 267; BRÖCKERMANN (2012), S. 375. Bei einer Änderungskündigung kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet dem Arbeitnehmer zugleich an, es zu geänderten Konditionen (in Bezug auf die Vergütung und Arbeitszeit, den Arbeitsort usw.) fortzusetzen. Arbeitnehmer haben nach den §§ 6 und 8 Abs. 1 TzBfG einen gesetzlichen Anspruch, von einem Vollzeit- in ein Teilzeitverhältnis zu wechseln. Umgekehrt besteht der Anspruch nicht. Vgl. im Folgenden HENTZE/ GRAF (2005), S. 386; KROPP (2001), S. 328; NICOLAI (2014), S. 423f.; NICOLAI (2005), S. 94f.; BRÖCKERMANN (2012), S. 377; RKW (1996), S. 240ff.; KOLB (2010), S. 180f.; LINDEMANN/ SIMON (2008), S. 2803f.; KANIA in KÜTTNER (2010), S. 709f.; GÄNßBAUER (2002); LEISTER (2010); WELSLAU/ HAUPT/ LEPSIEN (2003), S. 176ff.; ANNUß/ LEMBKE (2012), S. 121ff.; JAEGER (2004), S. 232ff.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 538ff.; BÖCKLY (1995), S. 293ff.

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einen Aufhebungsvertrag1095, um aus dem Unternehmen auszutreten und nahtlos mit der Beschäftigungsgesellschaft einen neuen, nach § 14 Abs. 2 TzBfG auf zwei Jahre befristeten Vertrag abzuschließen („dreiseitiger Vertrag“), der auch ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis darstellt1096. Eine Beschäftigungsgesellschaft kann als interne betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit vom entlassenden Unternehmen selbst gegründet oder alternativ auf bereits bestehende, (über-)regional arbeitende Beschäftigungsgesellschaften externer Träger zurückgegriffen werden1097. Die Mitarbeiter einer Beschäftigungsgesellschaft werden nicht, wie es die Bezeichnung impliziert, direkt beschäftigt1098. Ihre ehemalige Stelle existiert nicht mehr. Vielmehr sollen sie ihre Arbeitszeit nutzen, um sich für neue Beschäftigungen zu qualifizieren, weiterzubilden und zu bewerben, um eine rasche Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu erreichen oder die Basis für eine Selbstständigkeit zu schaffen. Beschäftigungsgesellschaften unterstützen sie dabei, indem sie ihre Eigeninitiative ankurbeln und (je nach Unterstützungsvolumen) neben einer pädagogisch-psychologischen Betreuung ein breites, auf die berufliche Neuorientierung und individuellen Bedürfnisse ausgerichtetes Maßnahmenbündel bieten1099. Um derartige Maßnahmen mitarbeiterspezifisch abstimmen

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Ob Arbeitnehmer das Angebot einer Beschäftigungsgesellschaft nutzen, hängt von ihrer Interessenlage sowie davon ab, als wie attraktiv sie die Beschäftigungsgesellschaft empfinden. Arbeitnehmer, die nicht bereit sind, über einen Aufhebungsvertrag aus dem Unternehmen auszuscheiden, müssen damit rechnen, betriebsbedingt gekündigt zu werden. All jene, die über einen Aufhebungsvertrag (ggf. unter Gewährung einer Abfindung) ausscheiden, aber nicht in die Beschäftigungsgesellschaft wechseln, werden arbeitslos. Vgl. VOELZKE in KÜTTNER (2010), S. 712; ANNUß/ LEMBKE (2012), S. 126. Nach § 7 Abs. 2 SGB IV sind betriebliche Bildungsmaßnahmen, die in einer Beschäftigungsgesellschaft im Fokus stehen, dem Begriff einer Beschäftigung (gegen Arbeitsentgelt) gleichgestellt, womit die Grundlage einer Sozialversicherungspflicht gegeben ist. Das abgebende Unternehmen trägt also weiterhin die Remanenzkosten (z. B. Sozialversicherungsbeiträge). Bei der Anbieterauswahl ist „auf die Gewährleistung eines Betreuungsschlüssels von mindestens 1:50, den Einsatz von qualifizierten Beratern, eine hohe Vermittlungsquote [...], einschlägige Erfahrung in der jeweiligen Branche und hinreichende Verankerung im regionalen Arbeitsmarkt zu achten“ (ANNUß/ LEMBKE 2012, S. 125). Ihnen wird also keine mit dem ursprünglichen Betriebszweck zusammenhängende Tätigkeit angeboten. „Dazu gehören Kontaktanbahnung zu potenziellen Arbeitgebern, Arbeitnehmerüberlassung, Organisation von Probearbeitsverhältnissen, Betriebspraktika, Nutzung von Job Rotation, neutrale Auswahl von Bildungsangeboten nach individuellem Bedarf [vom EDV-Seminar bis zur Umschulung] und ausschließlich sachlichen Kriterien“ (NICOLAI 2005, S. 94).

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zu können, sind im Vorfeld entsprechende Feststellungsmaßnahmen durchzuführen, mit denen u. a. die Qualifikationen, Fähigkeiten, Interessen, beruflichen Ziele und speziellen Probleme der Mitarbeiter ermittelt, aber auch relevante Arbeitsmärkte und regionsspezifische Besonderheiten untersucht werden. Großes Augenmerk wird dabei auf jene Mitarbeiter gelegt, deren Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt (wegen ihres Alters, fehlender oder veralteter Qualifikationen usw.) schwerer fällt. Die Vermittlungsquote von Beschäftigungsgesellschaften wird in der Praxis mit 60 % und mehr angegeben, wobei fallweise Abweichungen möglich sind1100. Fachkräfte und Hochqualifizierte weisen höhere Vermittlungsquoten als Ältere und Geringqualifizierte auf. Letztere benötigen eine intensivere Betreuung1101. Im Falle einer Nichtvermittlung durch die Beschäftigungsgesellschaft haben die betroffenen Arbeitnehmer weiterhin Anspruch auf eine reguläre Förderung und Arbeitslosenunterstützung durch die Arbeitsagentur. Während ihrer Zugehörigkeit zur Beschäftigungsgesellschaft erhalten Beschäftigte in der Regel Transferkurzarbeitergeld (§ 216b SGB III), das durch den Arbeitgeber (je nach Leistungsfähigkeit) aufgestockt wird, sodass das ursprüngliche Nettoentgelt gesichert bleibt1102. Solche Leistungen werden gemäß § 112 BetrVG im Sozialplan festgeschrieben1103. Durch den Einsatz von Beschäftigungsgesellschaften und die damit verbundene einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen kann der bisherige Arbeitgeber Kündigungsschutzprozesse, Gehaltszahlungspflichten gegenüber Mitarbeitern, lange Kündigungsfristen, eine negative Außenwirkung und die bei betriebsbedingten Kündigungen normalerweise erforderliche Sozialauswahl umgehen1104. Dadurch wird der Verkauf eines sanierungsbedürftigen Unternehmens(-teilbereichs) vereinfacht, da der potenzielle

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Vgl. BISSELS/ JORDAN/ WISSKIRCHEN (2009), S. 865. Vgl. GALONSKA (2014), S. 34. Trotz Übernahme des Transferkurzarbeitergelds durch die Agentur für Arbeit „bleibt [...] ein erheblicher „Restbetrag“, den das Unternehmen zu tragen hat: die Remanenzkosten (Sozialversicherung, Bezahlung von Feier- und Urlaubstagen, eventuelle Aufstockungen des Transfer-KuG), mögliche Infrastrukturkosten, anteilige Qualifizierungskosten, Ausgaben für Personalverwaltung und […] die Beratungskosten über die Laufzeit der Transfergesellschaft“ (NICOLAI 2005, S. 94). Wie lange die Leistungen angeboten werden, hängt von der Laufzeit der Beschäftigungsgesellschaft ab. Da Beschäftigungsgesellschaften den Mitarbeitern vorübergehend zudem ein höheres Maß an Zukunftsgewissheit vermitteln, können sie Produktivitätsabfälle vor einer Schließung vermeiden helfen.

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

Erwerber das Unternehmen ohne die bisherigen Arbeitsverhältnisse übernehmen kann, was bei einem Betriebsübergang auf einen neuen Inhaber (nach § 613a BGB) normalerweise der Fall wäre. Der nächste Abschnitt befasst sich mit der reaktiven Personalfreisetzung, welche im Normalfall dann zum Einsatz kommt, wenn die oben erläuterten antizipativen Freisetzungsmaßnahmen nicht mehr ausreichen, um vorhandene Personalüberdeckungen zu reduzieren.

6.3.3

Maßnahmen der reaktiven Personalfreisetzung

Nachdem im vorigen Abschnitt die antizipative Personalfreisetzung dargestellt wurde, beschäftigt sich dieser Abschnitt nun mit der reaktiven Personalfreisetzung. Reaktive sind im Vergleich zu antizipativen Freisetzungsmaßnahmen anzahlmäßig begrenzter. Sie werden dann vollzogen, wenn eine Freisetzungsursache bereits eingetreten ist, welche nicht vorhersehbar war oder nicht vorhergesehen wurde1105. Wegen ihres geringeren Planungsaufwands sind reaktive Maßnahmen methodisch einfacher und verursachen geringere Transaktionskosten 1106. Sie treten häufig kurzfristig und (etwa im Insolvenzfalle) in größerem Umfang auf, was sich negativ auf die Qualifikations- und Altersstruktur im Unternehmen auswirken kann, da ältere Mitarbeiter durch die Sozialauswahlkriterien geschützt werden 1107. Dass Mitarbeiter über 50 Jahre dennoch stärker von Freisetzungsmaßnahmen betroffen sind, liegt daran, dass sie für einige freiwillige Maßnahmen (wie vorzeitiger Ruhestand, Altersteilzeit, Aufhebungsverträge) die einzige oder eine typische Zielgruppe bilden1108. Reaktive Maßnahmen sind in der Regel mit erheblichen finanziellen Folgen (z. B. Sozialplanzahlungen) verbunden, welche das Konkursrisiko ertrags- und finanzschwacher Unternehmen weiter erhöhen1109. Zugleich sind 1105 1106

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Vgl. DRUMM/ SCHOLZ (1988), S. 146; SCHREIBER (1992), S. 43f. Vgl. DRUMM (2008), S. 251f. Hohe Fehlsteuerungskosten fallen aber an, wenn Mitarbeiter durch Fehler in der Bedarfsplanung verfrüht entlassen und später wieder erneut eingestellt werden müssen (vgl. EIGLER 1996, S. 137). Vgl. SCHREIBER (1995), S. 412. Jüngere Mitarbeiter dagegen, die über neues Wissen verfügen und womöglich sehr leistungsfähig sind (sog. „High Potentials“), sind leichter betriebsbedingt kündbar, was aus ökonomischer Sicht kontraproduktiv sein kann (vgl. KAMMEL 2005, S. 14; OECHSLER/ PAUL 2015, S. 514). Vgl. MARR/ STEINER (2003), S. 141ff. Vgl. DRUMM (2008), S. 249; HENTZE/ GRAF (2005), S. 372; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 514f.

Bereich Personalfreisetzung

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sie für Betroffene in geringerem Maße sozialverträglich, wodurch das Arbeitsklima und die Unternehmenskultur negativ beeinflusst werden können. Maßnahmen der reaktiven Freisetzung sind: - der häufig praktizierte Abbau von Mehrarbeit (durch Reduzierung von Überstunden, Sonderschichten, Sonn- und Feiertagsarbeit in Kombination mit der Aufhebung von Überstundenregelungen) sowie die Einführung von Kurzarbeit (vgl. zur Zulässigkeit § 19 KschG)1110. Beide zeitlichen Anpassungsmaßnahmen (teils wird von „Arbeitszeitmanagement“ gesprochen) tragen dazu bei, personelle Überdeckungen samt Personalkosten (z. B. durch den Wegfall tariflicher Zuschläge für Überstunden, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit) schnell und wirksam zu verringern. Sie wurden von der Industrie zu Beginn der Wirtschaftskrise in massivem Umfang zur Entlassungsvermeidung eingesetzt 1111. Erst mit längerer Dauer der Krise wurde dazu übergegangen, den Personalstamm durch betriebsbedingte Entlassungen abzubauen. Ein Überstundenabbau bringt den Mitarbeitern mehr Freizeit und wirkt sich somit positiv auf ihren Gesundheitszustand (und damit auf ihre Fehlzeiten) aus 1112. Er ist arbeitsrechtlich problemlos umsetzbar, da dem Betriebsrat nach § 92 BetrVG nur ein Informations- und Beratungsrecht zusteht. Mitarbeiter, die sich daran gewöhnt haben, ihr Einkommen durch Überstunden zu steigern, reagieren eventuell unzufrieden und verlassen das Unternehmen. Durch Kurzarbeit kann die betriebsübliche Arbeitszeit und Kostenbelastung im Gesamtunternehmen (bereichsweise oder für einzelne Mitarbeitergruppen) vorübergehend reduziert werden, ohne die Aufbau- und Ablauforganisation gravierend ändern oder Kündigungen aussprechen zu müssen1113. Eine Einführung von Kurzarbeit erscheint dann sinnvoll, wenn ungefähr absehbar ist, wie lange die Unterbeschäftigung andauert.

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Vgl. im Folgenden STOCK/ HOMBURG (2013), S. 292f.; JUNG (2011), S. 321f.; HENTZE/ GRAF (2005), S. 376ff.; HENTZE (1991), S. 268; NICOLAI (2014), S. 415; OLFERT (2015), S. 509; BISANI (1995), S. 309f.; BRÖCKERMANN (2012), S. 373, 376f.; BRÖCKERMANN (2009), S. 879; HUBER (2010), S. 170; RIDDER (2013), S. 118f.; RKW (1996), S. 216ff., 229; MARR/ STEINER (2003), S. 76, 158f.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 398f.; SCHREIBER (1992), S. 330ff.; HOLTBRÜGGE (2015), S. 160f.; KAMMEL (2004), S. 1348f.; LINDEMANN/ SIMON (2008), S. 2796f.; KRÜGER (2005b), S. 24f.; SCHOLZ (2014), S. 619f.; KOLB (2010), S. 177. Vgl. OECD (2012), S. 52ff. Ein höherer Überstundensockel besteht vorrangig in jenen Bereichen, in denen keine personelle Überbesetzung vorliegt, sodass Mitarbeiter unterbeschäftigter Bereiche über geeignete Qualifikationen verfügen müssen, um die Arbeitsaufgaben voll ausgelasteter Bereiche erledigen zu können. Auch das Sozialversicherungsniveau bleibt für die Mitarbeiter erhalten.

304

Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

Sie unterliegt der Mitbestimmung durch den Betriebsrat (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und ist bei der Arbeitsagentur schriftlich anzuzeigen 1114. Die Intention von Kurzarbeit ist es, schnell wieder zur Normalarbeitszeit zurückzukehren. - dauerhafte oder temporäre, vertikale (über Hierarchiestufen hinweg) oder horizontale Versetzungen (innerhalb einer Hierarchiestufe) auf vakante Stellen, die mit steigender Unternehmensgröße häufiger auftreten und kraft Weisungsrecht oder über eine Änderungskündigung erfolgen 1115. Versetzungen kommen dann infrage, wenn in gewissen Bereichen ein Freisetzungsbedarf auftritt und zugleich oder in absehbarer Zeit in anderen Bereichen ein bekannter Personalneuoder -ersatzbedarf mit nahezu identischem oder höherem Anforderungsprofil besteht1116. Durch Versetzungen lassen sich Kündigungen vermeiden, sie erfordern aber ein hohes Maß an Transparenz. Eher problemlos sind Umsetzungen auf Stellen mit ähnlichen Aufgaben. Falls die Qualifikationsanforderungen der

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Bei Einführung einer hundertprozentigen Kurzarbeit muss der Arbeitgeber nicht mehr das Arbeitsentgelt, sondern nur die (auf 80 % reduzierten) Sozialversicherungsbeiträge entrichten, wobei die Hälfte der Beiträge von der Arbeitsagentur übernommen wird. Unfreiwillige Vergütungseinbußen für die von Kurzarbeit Betroffenen werden, insofern zumutbare, wirtschaftlich günstigere Alternativen (wie Versetzung, Weiterbildung, Überstundenabbau, Einstellungsstopps) ausgeschöpft wurden, von der Arbeitsagentur in Form von Kurzarbeitergeld teilweise kompensiert (vgl. zu den Voraussetzungen für Kurzarbeitergeldzahlungen §§ 169-182 SGB III). Das verbessert die Kostensituation für das Unternehmen und steigert die Akzeptanz von Kurzarbeit bei der Belegschaft. Nach § 178 SGB III deckt das Kurzarbeitergeld 60 % (Kinderlose) bzw. 67 % (Empfänger mit Kindern) des entgangenen Nettolohns ab und wird für maximal sechs (§ 177 Abs. 1 SGB III) bzw. (seit der Finanzkrise) in Ausnahmefällen für maximal 24 Monate gewährt (§ 182 Abs. 1 Nr. 3 SGB III). In einigen Branchen wird das Kurzarbeitergeld tariflich aufgestockt. Kurzarbeit kann dazu führen, dass junge, qualifizierte Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, da ihr effektives Einkommen sinkt (und das Unternehmen als krisenbehaftet gilt), was sich negativ auf die Alters- und Qualifikationsstruktur auswirken kann (vgl. BISANI 1995, S. 310; RKW 1996, S. 220). Vgl. im Folgenden DRUMM (2008), S. 265; HENTZE/ GRAF (2005), S. 379; NICOLAI (2014), S. 414; OLFERT (2015), S. 512f.; BRÖCKERMANN (2012), S. 373; BRÖCKERMANN (2009), S. 879; HUBER (2010), S. 170f.; RKW (1996), S. 231ff.; MARR/ STEINER (2003), S. 78, 82f., 160f.; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 396f.; KOLB (2010), S. 177f.; SCHREIBER (1992), S. 356ff.; SCHREIBER (1995), S. 410; KAMMEL (2004), S. 1347ff.; HENTZE (1991), S. 268; EIGLER (1996), S. 140f. Nach § 95 Abs. 3 BetrVG handelt es sich bei einer Versetzung um „die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist“. Versetzungen, welche ohne umfassende Unterrichtung und Zustimmung des Betriebsrats (§§ 92, 99 BetrVG) oder ohne Zustimmungsersatz durch ein Arbeitsgericht (§ 99 Abs. 4 BetrVG) erfolgen, sind unwirksam. Die Betroffenen sollten die für eine neue Stelle erforderlichen Qualifikationen bereits besitzen oder vielfältig einsetzbar sein. Die Zahl der vakanten Stellen sollte mindestens der Zahl der freizusetzenden Stellen entsprechen.

Bereich Personalfreisetzung

305

neuen Stelle (in begrenztem Maße) höher sind, muss die Qualifikation der Mitarbeiter, insofern sie fähig und willens dazu sind, angepasst werden, was Entwicklungskosten und Zeitverluste verursacht. Sollte das Anforderungsprofil der neuen Stelle niedriger sein, so kann es dazu kommen, dass sich Mitarbeiter unterfordert fühlen und wegen ihrer niedrigeren hierarchischen Stellung nicht mehr mit dem Arbeitgeber oder ihrer Arbeit identifizieren 1117. Folglich leidet eventuell ihre Leistungsbereitschaft und Motivation sowie die Qualität der verrichteten Tätigkeiten. Darüber hinaus können durch Versetzungen und dadurch bewirkte Änderungen in der Zusammensetzung von Arbeitsteams informale soziale Strukturen zwischen den Mitarbeitern zerstört werden, welche für die interne Kommunikation wichtig sind 1118. Versetzungen sollten daher auf einfachere Positionen beschränkt bleiben und nur als Ausnahme (z. B. als Übergangslösung oder vor dem Ruhestand) in Betracht gezogen werden. - Entlassungen wegen dringender betrieblicher Erfordernisse, die unter ethischsozialen Aspekten den Härtefall der personellen Anpassung darstellen und bei massiven externen Einflüssen eingesetzt werden 1119. Die Aufhebung von Arbeitsverhältnissen wird durch diverse individuelle (z. B. KschG) und kollektive (z. B. BetrVG) Vorschriften sowie tarifvertragliche Regelungen geregelt, deren Nichtbeachtung lange Arbeitsgerichtsprozesse auslösen und eine Aufhebung der Freisetzung erfordern kann1120. Eine Voraussetzung für Entlassungen liegt,

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Solche Effekte werden verstärkt, wenn Mitarbeiter durch Versetzungen weitere Nachteile (längere Arbeitswege, Umzüge o. Ä.) in Kauf zu nehmen haben. Auch ist nicht auszuschließen, dass Versetzungen von den „unversetzten“ Mitarbeitern als ungerecht gegenüber den versetzten Kollegen empfunden werden und in der Folge auch ihre Arbeitsmotivation sinkt. Vgl. im Folgenden DRUMM (2008), S. 257f.; HENTZE/ GRAF (2005), S. 381; KROPP (2001), S. 326f.; NICOLAI (2014), S. 417; OLFERT (2015), S. 441, 515ff., 529f.; BISANI (1995), S. 312; HOLTBRÜGGE (2015), S. 159ff.; BRÖCKERMANN (2012), S. 353ff., 362f.; 373f., 379ff.; JUNG (2011), S. 327, 334f., 345ff., 352ff.; SCHOLZ (2014), S. 201f., 624ff.; RIDDER (2013), S. 121ff.; BÜHNER (2005), S. 86ff.; RKW (1996), S. 243ff.; MARR/ STEINER (2003), S. 71; BERTHEL/ BECKER (2013), S. 383, 394, 405ff.; KOLB (2010), S. 183ff.; BÖCKLY (1995), S. 225, 229ff., 243ff., 257ff., 266ff., 277ff.; SCHREIBER (1992), S. 317ff., 324ff., 369f., 381ff.; LINDEMANN/ SIMON (2008), S. 2801; SCHÜTTE (2009), S. 22f., 26; HOFMANN/ THEYMANN (2002), S. 25; KAMMEL (2004), S. 1346f., 1351; HENTZE (1991), S. 272; ROHLEDER (2003), S. 134; WELSLAU/ HAUPT/ LEPSIEN (2003), S. 282ff.; PULTE (2005), S. 53; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 523f., 531ff.; SCHANZ (2000), S. 361f.; KAMMEL (2005), S. 14; HASE/ NEUMANN-COSEL/ RUPP (2004), S. 27ff. Zu unterscheiden ist zwischen ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen. Letztere können fristlos erfolgen. Bei ordentlichen Kündigungen haben Arbeitgeber und -nehmer bestimmte Fristen einzuhalten, welche sich für den Arbeitgeber mit steigender Dauer des Beschäftigungsverhältnisses verlängern (§ 622 Abs. 2 BGB). Außerordentliche Kündigungen können nach § 626 Abs. 1

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

insofern das KSchG anwendbar ist, darin, dass die durch den Arbeitgeber vorausgegangene Kündigung (als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung)1121 nach § 1 Abs. 2 KschG sozial gerechtfertigt ist und der Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört wurde1122. Der Betriebsrat kann gegen eine

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BGB nur dann erfolgen, wenn ein wichtiger Grund dafür vorliegt. Das ist der Fall, wenn die schädigende Handlung des Arbeitnehmers oder -gebers so gravierend ist, dass dem Kündigenden nicht mehr zugemutet werden kann, die ordentliche Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. des Monats oder zum Monatsende abzuwarten (z. B. berechtigen Straftaten oder der begründete Verdacht auf Straftaten zur außerordentlichen Kündigung, sog. „Bienenstich-Rechtsprechung“). Sie sind gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nur innerhalb einer Zweiwochen-Frist zulässig. Der Fristlauf beginnt, sobald der Arbeitgeber Kenntnis über die schädigende Handlung erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Die Regelungen des KSchG beziehen sich nur auf ordentliche Kündigungen und gelten für jene Arbeitnehmer, deren „Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat“ (§ 1 Abs. 1 KSchG). Einschränkungen gelten für kleine Unternehmen, in denen in der Regel maximal fünf bzw. zehn Vollzeitbeschäftigte arbeiten (wobei Auszubildende nicht und Teilzeitbeschäftigte nach einem festen Verrechnungsschlüssel reduziert mitgezählt werden, vgl. § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG). Für sie besteht gemäß § 23 Abs. 1 KSchG kein Kündigungsschutz. Ob das KSchG bei fünf oder zehn Mitarbeitern Anwendung findet, hängt vom Zeitpunkt ab, zu dem die zu Kündigenden ihre Beschäftigung aufgenommen haben (vgl. dazu § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG). Ein Arbeitsverhältnis kann durch keine (z. B. im Todesfall des Arbeitnehmers, Befristung), eine (z. B. ordentliche und außerordentliche Kündigung) oder zwei Willenserklärungen enden (z. B. Aufhebungsvertrag). Sozial gerechtfertigt sind Kündigungen dann (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn sie personen-, verhaltensoder betriebsbedingt sind, wenn sie nicht gegen die Auswahlrichtlinien des § 95 BetrVG verstoßen und es trotz zumutbarer Umschulungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen keine andere Weiterbeschäftigungsoption auf anderen Stellen oder in einem anderen Betrieb gibt. Auch ein Überstundenabbau kann dabei eine Rolle spielen. Falls mehreren vergleichbaren Mitarbeitern aus einem dringenden betrieblichen Erfordernis heraus gekündigt werden soll, so sind nach § 1 Abs. 3 KSchG die Kriterien der Sozialauswahl (Betriebszugehörigkeitsdauer, Lebensalter, Unterhaltsverpflichtungen für Kinder oder mittellose Eltern, Schwerbehinderung) gleichgewichtig einzubeziehen. Eine Kündigung wird jenen Mitarbeitern ausgesprochen, die im Vergleich zu ähnlichen Kollegen (z. B. hinsichtlich Berufsgruppe, Tätigkeit, Qualifikation) am wenigsten hart von den genannten Gerechtigkeitserwägungen betroffen (bzw. am wenigsten auf ihre Stellen angewiesen) sind. Ausgenommen von der Sozialauswahl sind besonders wertvolle „Arbeitnehmer [...], deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt“ (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG). Letzteres gilt nur für einzelne Arbeitnehmer. Zudem muss der Arbeitgeber beweisen, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Exklusion vorliegt. Die Sozialauswahl erfolgt nicht im Unternehmen, sondern im Betrieb (vgl. zur Abgrenzung zwischen Unternehmen und Betrieb MARSCHOLLEK 2014, S. 291). Ein besonderer Kündigungsschutz besteht für Betriebsratsmitglieder sowie Jugend- und Auszubildendenvertreter (§§ 15, 17 KSchG, 103 BetrVG), werdende Mütter und Personen in Elternzeit (§ 9 MuSchG, § 18 BEEG), Wehr- und Zivildienstleistende (§ 2 Abs. 1 ArbPlSchG, § 78 Abs. 1 Nr. 1 ZDG), Auszubildende (§§ 15, 22 BBiG), Abgeordnete (§ 2 Abs. 3 AbgG, 48 GG) und Schwerbehinderte (§§ 85 ff. SGB IX).

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ordentliche Kündigung schriftlich innerhalb einer Woche Bedenken anmelden (§ 102 Abs. 2 BetrVG) und ihr gemäß Abs. 3 widersprechen 1123. Auch Massenentlassungen unterliegen den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats1124. Wegen der Auswirkungen auf den regionalen Arbeitsmarkt sind Arbeitgeber bei Massenentlassungen gegenüber der örtlichen Arbeitsagentur zur schriftlichen Anzeige verpflichtet1125. Massenentlassungen können das Betriebsklima und Ansehen des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt stark schädigen1126. Zugleich erlauben sie (je nach Auswahl der Entlassenen) eine Steigerung der Arbeitsproduktivität und hohe Lohneinsparungen, auch wenn durch Abfindungs- und Sozialplankosten die Liquidität zunächst belastet wird. Massenentlassungen sind meist das Ergebnis einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG (z. B. Einschränkung, Stilllegung oder Verlegung eines Unternehmens(-bereichs), Zusammenschlüsse, Einführung neuer Fertigungsverfahren, Änderung der Organisation oder des Unternehmenszwecks). Sie erfordern es, mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich zu verhandeln und einen Sozialplan auszuarbeiten (§ 112 BetrVG)1127. 1123

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Ein solcher Widerspruch führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer aber für den Zeitraum des gesamten Kündigungsschutzprozesses weiterbeschäftigen (vgl. § 102 Abs. 5 BetrVG). Das hängt damit zusammen, dass die Anhörung des Betriebsrats kein Mitbestimmungsrecht (= oberste Stufe: Der Betriebsrat hat in allen sozialen Angelegenheiten Mitbestimmungsrechte, wobei §112 BetrVG das wichtigste Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats darstellt) ist, sondern nur ein Mitwirkungsrecht (= mittlere Stufe), bei dem der Betriebsrat zwar pro forma angehört werden muss, die Entscheidungsbefugnis aber beim Arbeitgeber liegt. Allerdings handelt es sich deshalb nicht nur um ein Informationsrecht (= unterste Stufe), da der Betriebsrat vor der Kündigung angehört werden muss. § 17 Abs. 1 KSchG legt über Schwellenwerte fest, wann Massenentlassungen vorliegen. Diese Anzeige hat u. a. die Zahl der zu Entlassenden sowie eine Stellungnahme des Betriebsrats zu beinhalten. Durch die Anzeige wird eine einmonatige Sperrfrist ausgelöst (§ 18 Abs. 1 KSchG). Zudem kann der Unternehmensfortbestand durch den Abgang qualifizierter Leistungsträger gefährdet werden. Im Interessenausgleich, bei dem der Betriebsrat ein Mitwirkungsrecht hat, geht es darum, in einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat festzulegen, welche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Betriebsänderung bis wann (zeitlicher Ablauf), wie und von wem (personell, organisatorisch, technisch), in welchen Bereichen (betroffene Stellen, Abteilungen) und in welchem Umfang realisiert werden sollen. Dabei ist auch über die Zahl der Betroffenen und über flankierende Maßnahmen (z. B. Umschulungen und Versetzungen, Abbau von Überstunden, Leiharbeitern) zu verhandeln. Ziel ist es, die aus den negativen Folgen einer Betriebsänderung resultierenden widerstreitenden Interessen zwischen den Parteien in Einklang zu bringen. Ob und wie negative Folgen wirtschaftlich kompensiert werden, ist Gegenstand des Sozialplans, nicht des Interessenausgleichs. Kommt Letzterer nicht zustande, so können „der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen“ (§ 112 Abs. 2 Be-

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

- Ein Instrument, um als Unternehmen über gesetzliche Anforderungen hinaus Verantwortung für die Zukunft freizusetzender Mitarbeiter zu übernehmen, liegt im Outplacement (teils wird von New- oder Replacement gesprochen), d. h. im sozialverträglichen Herausplatzieren von Mitarbeitern aus dem Unternehmen zu neuen Arbeitgebern1128. Als Maßnahme der beruflichen Neuorientierung setzt Outplacement eine einvernehmliche Trennung (z. B. auf Basis eines Aufhebungsvertrages) voraus. Das „Ziel von Outplacement ist die Entwicklung eines von beiden Seiten als fair angesehenen Konzeptes des Austritts aus der Organisation sowie die Erleichterung des Übergangs in eine neue Beschäftigung“1129. Outplacement ist gerade bei Großunternehmen im verarbeitenden sowie Banken- und Versicherungsgewerbe verbreitet. Entwickelt wurde es in den 1960er Jahren in den USA, seit den 80ern findet es hierzulande sowie speziell in Großbritannien, Frankreich und den Beneluxländern Beachtung1130. Ur-

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trVG). Bleibt das ergebnislos oder ungenutzt, kann vom Unternehmen oder Betriebsrat die Einigungsstelle angerufen werden (§ 112 Abs. 2, 76 BetrVG). Unterlässt der Arbeitgeber den Versuch, einen Interessenausgleich zu erzielen, so kann er (nach Klage einer der Entlassenen beim Arbeitsgericht) gezwungen werden, einen Nachteilsausgleich in Form von Abfindungen zu leisten (§ 113 Abs. 3 BetrVG). Durch Sozialpläne sollen wirtschaftliche Nachteile, die Entlassene durch Betriebsänderungen zu erleiden haben, materiell abgemildert werden (vgl. zu den typischen Sozialplanleistungen (wie Abfindungen usw.) MAY 2006, S. 313). Sie haben den Bedingungen und Härten des Einzelfalls Rechnung zu tragen, müssen aber nach § 112 Abs. 3 BetrVG wirtschaftlich tragbar sein. Nachteile für spezifische Mitarbeitergruppen (z. B. Behinderte, Auszubildende, Ältere) sind besonders zu berücksichtigen. Nach § 112 BetrVG stehen dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bei der Ausarbeitung von Sozialplänen zu. Vgl. im Folgenden HENTZE/ GRAF (2005), S. 389; KROPP (2001), S. 327; OLFERT (2015), S. 537ff.; BISANI (1995), S. 314f.; HOLTBRÜGGE (2015), S. 162; BRÖCKERMANN (2012), S. 368f.; HUBER (2010), S. 173; JUNG (2011), S. 357ff.; SCHOLZ (2014), S. 617f.; MAYRHOFER (1987), S. 157ff.; MAYRHOFER (1989), S. 56ff.; RIDDER (2013), S. 123ff.; SCHREIBER (1995), S. 415f.; KOLB (2010), S. 179f.; BÖCKLY (1995), S. 213ff.; SCHREIBER (1992), S. 349; MAYRHOFER (1992), S. 1524ff.; STOEBE (1993), S. 780ff.; STOEBE (1982), S. 127; PULL (2008), S. 234ff., 252; VON RUNDSTEDT (1999), S. 344, 346ff.; HERMANN (2001), S. 20, 24ff., 38ff., 51, 58ff.; SAUER (1991), S. 37f., 48ff., 75, 84ff.; SAUER (1992), S. 194, 201f., 206, 212; BERG-PEER (2003), S. 15ff., 21ff., 121ff.; ANDRZEJEWSKI/ REFISCH (2015), S. 250ff., 376; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 535ff.; BDU (2014); HOFMANN (2004), S. 268ff., 273ff.; HEMMER (1997), S. 281; FRICK (2004), S. 1319ff.; DERSCHKA (1983), S. 119; KIESELBACH (2006), S. 56f.; PICKMAN (1994), S. 107; MAYRHOFER/ RUNDSTEDT (1991), S. 42; European Commission (1999); NICOLAI (2005), S. 92, 94; NICOLAI (2014), S. 418; LINGENFELDER/ WALZ (1989), S. 258ff.; BINDL (1995), S. 26; HAARI (1999); KRÜGER (2005b), S. 29; KIESELBACH (2001), S. 46; RAUSCH (2004), S. 27; SCHULZ/ SCHUPPERT (1987), S. 760f.; FELDMAN/ LEANA (2000), S. 69ff.; WEISS/ UDRIS (2001), S. 106; HOFMANN/ THEYMANN (2002), S. 27; BACKES-GELLNER/ LAZEAR/ WOLFF (2001), S. 113. KIESELBACH (2001), S. 46. Von 2006 auf 2007 ist der Umsatz im Outplacement-Beratungsmarkt in Deutschland von 47 auf 50 Mio. Euro gestiegen (vgl. BDU 2008, S. 5f.), von 2012 auf 2013 von 68 auf 74 Mio. Euro (vgl.

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sprünglich kam Outplacement - als individuelles, zeitlich limitiertes oder unbegrenztes Einzel-Outplacement - bei Trennungen von Managern zum Einsatz, die das Unternehmen aus betriebsbedingten oder persönlichen Gründen verlassen haben1131. Durch neutrale und prozessorientierte Beratungen, welche je nach Umfang bereits vor der Freisetzung ansetzen und bis zum Ablauf der Probezeit beim Folgearbeitgeber andauern, sollen die Mitarbeiter unter Einsatz geeigneter Instrumente bei der beruflichen Neuorientierung sowie der Suche und Auswahl einer neuen Stelle, die ihren Qualifikationen, Erfahrungen und Bedürfnissen entspricht, begleitet werden1132. Zudem sollen durch Qualifizierungsmaßnahmen methodische und fachliche Kompetenzlücken geschlossen werden, um die Arbeitsmarktfähigkeit auszubauen. Outplacement wird bei massiven betriebsbedingten Entlassungen zum Teil auch tariflichen Mitarbeitern der mittleren und unteren Ebene angeboten, dann aber als mehrtägiges, inhaltlich reduziertes und kostengünstigeres Gruppen-Outplacement1133. Die Ver-

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BDU 2014, S. 3). Der Outplacement-Markt ist damit nach wie vor relativ überschaubar. Aktuell sind zirka 50 spezialisierte Beratungsgesellschaften im Markt aktiv (vgl. ebd., S. 5). Bedeutende Kundensegmente der letzten Jahre liegen - bedingt durch die Energiewende - im Energie- und bedingt durch die Finanzkrise - im Bankensektor (vgl. ebd., S. 4, 10). Bei zeitlich befristeten Outplacement-Programmen wird vom Berater keine Garantie übernommen, den Kandidaten bis in eine neue Position zu begleiten (vgl. BDU 2014, S. 7, 12). 2012 wurden 24 % des Umsatzes im Outplacement-Markt mit zeitlich unbefristeten Einzel-, 68 % mit zeitlich befristeten Einzel- und 8 % mit Gruppen- Outplacements erzielt (vgl. ebd., S. 4f.). Was die Dauer der befristeten Einzelberatung anbelangt, so geht der Trend weg von den kürzeren (3- oder 6-Monats-) hin zu längeren (9- oder 12-Monats-)Programmen. 2012 hatte der Durchschnittskandidat eines Einzel-Outplacements ein Alter von 44 Jahren und ein Bruttojahreseinkommen von zirka 100.000 Euro; 65 % der Betreuten waren männlich, gleichwohl dürfte der Anteil weiblicher Kandidaten zukünftig steigen (vgl. ebd., S. 12f.). Den Mitarbeitern wird es ermöglicht, sich (ähnlich wie bei einer Beschäftigungsgesellschaft) noch während der Restlaufzeit ihres Arbeitsvertrags zu bewerben. Dabei sollen die aus der Freisetzung resultierenden materiellen und psychosozialen Belastungen durch eine Fortgewährung der Bezüge bis zum Vertragsende (oder bis eine neue Anstellung gefunden wurde), ggf. durch eine Abfindung sowie durch ganzheitliche Betreuungsangebote eingedämmt und zugleich verhindert werden, dass die Betroffenen arbeitslos werden. Das Umsatzverhältnis zwischen Einzel- und Gruppenoutplacements liegt bei zirka 11:1 (vgl. BDU 2014, S. 5), wobei die Zahl der in Gruppen-Outplacements Betreuten in den letzten Jahren gesunken ist (vgl. ebd., S. 8). Die Teilnahme an Gruppen-Outplacements ist als Transfermaßnahme (wegen Betriebsänderungen) gemäß § 216a SGB III mit bis zu 2.500 Euro förderfähig. Die Kosten für Outplacement-Maßnahmen werden häufig auf die Abfindungen der Betroffenen angerechnet. Während das Honorar beim Einzel-Outplacement meistens an das Jahreseinkommen des Kandidaten gekoppelt ist (der Durchschnittswert lag 2012 bei 22 %, vgl. BDU 2014, S. 7), werden Gruppenberatungen häufig pro Tag und Berater abgerechnet (vgl. VON RUNDSTEDT 1999, S. 351). Was die Kosten des Gruppen-Outplacements betrifft, so zeigt „[d]ie Praxis [...], dass sich mit einem

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

mittlungsquoten durch Outplacement werden von spezialisierten Outplacement-Beratungen als hoch angegeben1134, was aus Gründen des Eigenmarketings, aber auch deshalb plausibel erscheint, da sich Outplacement-Maßnahmen bisher primär auf Mitarbeitergruppen mit hohen Vermittlungschancen am Arbeitsmarkt bezogen haben (und im Falle des Einzel-Outplacements Mandate mit geringen Erfolgsaussichten abgelehnt werden können) 1135. Unternehmen verfolgen mit Outplacement aber nicht nur altruistische, sondern auch Eigennutzinteressen. Aus ökonomischer Sicht soll es zur Senkung der Freisetzungskosten beitragen, indem die Restlaufzeit von Arbeitsverträgen verkürzt, der Trennungs- bzw. Restrukturierungsprozess beschleunigt, Abfindungszahlungen reduziert und arbeitsrechtliche Konflikte (wie Kündigungsschutzklagen) verhindert werden1136. Ob sich Outplacement am Ende rechnet, ist kontingent1137. Damit ist zugleich gesagt, dass die Bereitschaft zum Angebot von Outplacement auch vom Vorhandensein entsprechender moralischer Interessen abhängt1138. Der eigentliche mitarbeiterbezogene Outplacement-Betreuungsprozess beginnt, nachdem alle Betroffenen gemeinsam durch ihre(n) direkten Vorgesetz-

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Gesamtbetrag von 5.000 Euro je Teilnehmer ein hochwertiges Gruppenoutplacement mit langer Laufzeit und entsprechenden Ergebnissen umsetzen lässt“ (NICOLAI 2005, S. 93). Beim unbefristeten Einzel-Outplacement z. B. mit 95 % (vgl. BDU 2008, S. 7). 2012 fanden 77 % der durch (Einzel- und Gruppen-)Outplacements betreuten Kandidaten eine neue Beschäftigung (vgl. BDU 2014, S. 14). Auch sagen Vermittlungsquoten noch nichts zu den Merkmalen der neuen im Vergleich zur alten Stelle aus. Laut BDU (2014, S. 14) konnten 2012 42 % der Outplacement-Kandidaten ihre (hierarchische) Position verbessern, bei 9 % kam es zur Verschlechterung, weitere 49 % haben sich weder verbessert noch verschlechtert. Letzteres gilt besonders, wenn die Bereitschaft der Mitarbeiter, einen Aufhebungsvertrag zu akzeptieren, durch Outplacement erhöht werden kann. Zudem können Imageverluste begrenzt, die Freisetzungsabwicklung für den Vorgesetzten erleichtert und ein Beitrag zur Sicherung eines positiven Arbeits- und Unternehmensklimas geleistet werden. Damit verbunden können qualifizierte Leistungsträger mit guten Arbeitsmarktchancen besser gehalten oder später einfacher angeworben werden. Derartige positive (ökonomische) Effekte treten wegen ihrer teils langfristigen Wirkung aber nur dann ein, wenn das Unternehmen nicht unmittelbar vor der Schließung steht, weshalb zumeist jene Unternehmen ein größeres Interesse an Outplacement haben, die davon ausgehen, noch länger im Markt zu bestehen (vgl. dazu die Ausführungen von PULL (2008, S. 248ff.) zum „Arbeitgeber-Signalling“- und „Gift Exchange“-Ansatz). Vgl. zur Kosten-Nutzen-Abwägung von Outplacement-Maßnahmen HERMANN (2001), S. 42; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 536ff. Untersuchungen belegen, dass die Übernahme sozialer Verantwortung ein wesentliches Motiv von Unternehmen ist, Outplacement-Beratungen anzubieten (vgl. SCHMEISSER 2008, S. 220f.).

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ten über die anstehende Trennung informiert wurden, eine schriftliche Zusammenfassung der zentralen Informationen erhalten haben und ihre Personalakte sowie finanziell-rechtlichen Ansprüche ausgewertet wurden. Je nach Vorstellung des Auftraggebers und Konzeption des Auftragsnehmers sind mehrere Ausprägungen denkbar, wobei die mit Outplacement zusammenhängenden Beratungsleistungen vom Grundsatz her auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhen sollten1139. Outplacement (speziell Einzel-Outplacement) stellt keine reine Arbeitsvermittlung dar, welche ohne Mithilfe des Stellensuchenden abläuft. Dem Klienten werden eine Reihe von Dienstleistungen angeboten und Methoden vermittelt, die es ermöglichen sollen, für sich selbst neue Perspektiven zu erarbeiten. Im Folgenden wird ein grober Überblick über den typischen Ablauf eines Einzel-Outplacements gegeben1140. Im Allgemeinen sollte Outplacement es den Mitarbeitern gestatten, - die psychosozialen Spannungen eines Stellenabbaus zu bewältigen (→ „Trauerarbeit“/ Affektbewältigung): Der erste Schritt liegt darin, die Mitarbeiter (unter Einbeziehung ihrer sozialen Umwelt) durch die frühe Einschaltung eines branchenerfahrenen Experten1141, der sich mit dem unternehmensund mitarbeiterspezifischen Freisetzungshintergrund vertraut gemacht hat, in Auffanggesprächen darin zu unterstützen, die psychosozialen Freisetzungsfolgen zu verarbeiten und Selbstvertrauen zurückzugewinnen 1142. Sobald die Mitarbeiter den ersten Schock überwunden, die emotionalen Folgen der Trennung aufgearbeitet und verstanden haben, dass ihr Arbeitgeber sie auf ihrem weiteren Weg unterstützt, geht es darum, zur Zukunftsplanung überzugehen und den Nutzen von Outplacement für eine berufliche Neuorientierung in Informationsgesprächen aufzuzeigen.

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Vgl. zum Subsidiaritätsprinzip Unterkapitel 4.3 sowie Abschnitt 8.2.1. Vgl. im Folgenden VON RUNDSTEDT (1999), S. 347ff.; SAUER (1991), S. 74ff., 86, 89ff., 169; SAUER (1992), S. 206ff.; OECHSLER/ PAUL (2015), S. 535; HERMANN (2001), S. 23f., 50ff.; BERGPEER (2003), S. 54, 121ff. Outplacement-Maßnahmen sind strukturell und inhaltlich nicht an feste Konzepte gebunden, sondern im Sinne der Bedürfnisse des Auftraggebers zu entwickeln (vgl. KIESELBACH 2006, S. 57; HOFMANN 2004, S. 274, 277). Eine Checkliste, die die Wahl eines geeigneten Outplacement-Beraters vereinfachen soll, findet sich bei RAUSCH (2004, S. 28). Vgl. zu den Anforderungen an Berater auch SAUER (1991), S. 92ff.; SAUER (1992), S. 213. Zu dieser Orientierungsphase gehört auch, die Trennungsursachen zu analysieren und Lehren aus in der Vergangenheit gezeigtem (Fehl-)Verhalten zu ziehen (vgl. STOEBE 1993, S. 785).

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

- ihren eigenen „Standort“ zu bestimmen und im gesamten Bewerbungsprozess professionell begleitet zu werden, um so zu einem überzeugenden Selbstbzw. Eigenmarketing zu gelangen (→ methodische/ fachliche Unterstützung vor Vertragsschluss): Ein Baustein liegt in der Zusammenstellung und Analyse des bisherigen Werdegangs (Wofür war der Mitarbeiter verantwortlich? In welchen Bereichen hat er Erfahrungen gesammelt?), der objektiven (auf Selbst- und Fremdeinschätzungen basierenden)1143 Erstellung von Erfahrungs-, Qualifikations- und Stärken-Schwächen-Profilen (samt Bilanz bisheriger (Miss-)Erfolge) sowie der Zusammenstellung der Persönlichkeitsmerkmale der Mitarbeiter in einem Persönlichkeitsprofil. Auf der Grundlage einer solchen Bestandsaufnahme ist es dann möglich, erste Eignungsprofile zu erstellen und die Chancen und Wettbewerbsvorteile auf dem Arbeitsmarkt abzuleiten1144. Bewerbungs-, Interview- und Kommunikationstrainings sollen darüber hinaus zur überzeugenden Selbstpräsentation im Vorstellungsgespräch beitragen1145. Parallel dazu werden die Mitarbeiter bei der Erstellung ihrer Bewerbungsunterlagen und Lebensläufe (Referenzen usw.) unterstützt. - Methoden und Techniken kennenzulernen, mit denen sich geeignete Arbeitgeber und Stellen identifizieren und bewerten lassen sowie, je nach Kontaktnetzwerk des Kandidaten und Beraters, direkt mit potenziellen Zielunternehmen in Kontakt zu treten (→ methodische/ fachliche Unterstützung bei/ nach Vertragsschluss): In die Bewerbungskampagne fließen alle Informationen und identifizierten Stellen mit ein. Mit den Kandidaten werden sämtliche Instrumente abgesprochen, die für eine Kontaktaufnahme mit potenziellen Arbeitgebern geeignet erscheinen (z. B. Veröffentlichung von Suchanzeigen, schriftliche Bewerbungen)1146. Im Idealfall erhalten die Kandidaten mehrere 1143

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Fremdeinschätzungen können z. B. durch Vorgesetzte oder Kollegen erfolgen, die in der Lage sind, über das Verhalten des Kandidaten (z. B. in Stresssituationen) eine Beurteilung abzugeben. Um ein breites Spektrum an Berufsperspektiven zu identifizieren, gilt es, gemeinsam mit den Kandidaten die infrage kommenden Branchen, Tätigkeitsfelder und Positionen aufzudecken und in die Analyse aufzunehmen. In einer systematischen Karriereberatung und -planung werden die Mitarbeiter zudem bei der Entwicklung und Formulierung ihrer beruflichen Ziele unterstützt. Auch die Option der Selbstständigkeit wird auf Wunsch geprüft. Dabei können z. B. Gesprächs- und Verhandlungstechniken in Rollenspielen eingeübt oder die Körperhaltung mit Videoaufzeichnungen analysiert werden. Rund 30 % der in Einzel-Outplacements betreuten Kandidaten gelangen über ihr persönliches Kontaktnetzwerk zu einer neuen Stelle (vgl. BDU 2008, S. 9). Dabei spielen auch berufsbezogene Social-Media-Netzwerke (wie XING und LinkedIn) eine zunehmende Rolle (vgl. BDU 2014, S. 9). Zugleich zeigt diese Zahl, dass Einzel-Outplacements ein typisches Instrument darstellen, das auf der Führungsebene zum Einsatz kommt. Arbeitnehmer mittlerer und unterer Ebenen dürften

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Arbeitsangebote, welche in einer Entscheidungsanalyse (bezüglich der Konditionen, Tätigkeitsinhalte usw.) auszuwerten sind. Falls es zu Absagen kommt, ist die Bewerbungsstrategie auf Schwachstellen hin zu überprüfen. Insofern ein Angebot den Vorstellungen des Kandidaten entspricht und es zum Vertragsabschluss kommt, wird der Mitarbeiter auf Wunsch bis zum Ende der Probezeit (oder darüber hinaus) bei der Integration am neuen Arbeitsplatz begleitet und gecoacht1147. Die im Gruppen-Outplacement eingesetzten Maßnahmen und Instrumente unterscheiden sich in ihrer Art und Intention nicht generell von denen des EinzelOutplacements1148. Auch beim Gruppen-Outplacement sollen Beschäftigte eine qualifizierte Trennungsberatung erhalten und bei der Stellensuche begleitet werden. Allerdings ist denkbar, dass der Berater beim Gruppen-Outplacement auch arbeitsvermittelnd tätig wird, indem er relevante Zielarbeitgeber in einem mit den Klienten abgestimmten Umkreis kontaktiert, um unveröffentlichte Stellen zu identifizieren oder Kontakt zu öffentlichen Arbeitgebern, Zeitarbeitsund Arbeitsvermittlungsfirmen herzustellen1149. Eine genaue Beschäftigung mit jedem Einzelfall ist in Gruppen-Outplacements nur begrenzt möglich1150. Insofern hängt ihr Erfolg vom Kooperationswillen der Arbeitssuchenden ab. Die Trennungsberatung im engeren Sinne kann in eine kollektive und eine sich anschließende individuelle Phase aufgeteilt werden1151. Das Ziel der mehrtägigen kollektiven Seminare und Schulungen liegt in der allgemeinen „Vermittlung

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seltener über ein derartiges Kontaktnetzwerk verfügen (zum Vergleich: 22 % der Kandidaten im Einzel- und Gruppen-Outplacement gelangten 2013 über ihr persönliches Netzwerk zu einer neuen Stelle, vgl. BDU 2014, S. 8). Vgl. BDU (2014), S. 7. Im Falle des Scheiterns während der Probezeit wird auf Wunsch ein Wiedereinstieg in die Beratung ermöglicht. „Der Inhalt dieser Seminare entspricht den einzelnen Beratungsschritten der Individual-Beratung, hat aber im Vergleich zur individuellen Betreuung überwiegend informatorischen Charakter“ (HERMANN 2001, S. 60). Vgl. HERMANN (2001), S. 61. Als Folge der höheren Teilnehmerzahl in den Beratungen und der kürzeren Beratungsdauer sind Gruppen-Outplacements im Beratungsumfang, in der Beratungstiefe und -individualität eingeschränkt. Während es beim Einzel-Outplacement zudem stärker auf die psychologische Betreuung der Kandidaten ankommt, steht beim Gruppen-Outplacement eher die Unterstützung bei der Stellensuche und effektive Vermittlung des Rüstzeugs für eine erfolgreiche Bewerbungskampagne im Fokus. Es ist auch denkbar, mehrere Gruppen- und Einzelberatungen abwechselnd aufeinander folgen zu lassen.

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

von Fähigkeiten zur Selbstanalyse sowie von Know-how für eine erfolgsversprechende Neubewerbung“1152. Die Mitarbeiter, denen eine Freisetzung bevorsteht, sollen durch methodische und fachliche Hinweise befähigt werden, ihre Zukunft zu planen, eine Strategie zur Selbstvermarktung zu entwickeln und etwaige Ängste vor einer Kontaktaufnahme auf dem Arbeitsmarkt abzubauen. Hierzu gehört es, gemeinsam mit ihnen Überlegungen anzustellen über 1153 - ein verändertes berufliches Selbstverständnis. „Sie sollen [...] verstehen, dass die erfolgreiche Suche nach einem neuen Arbeitsplatz im Wesentlichen von ihrer persönlichen Initiative, ihrer eigenen Flexibilität und ihrem individuellen Ideenreichtum abhängt“1154. - die Identifizierung der für sie infrage kommenden (ggf. alternativen) Wirtschaftszweige, Arbeitgeber und Funktionen, 1152

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LINGENFELDER/ WALZ (1989), S. 260. Da Gruppen-Outplacements kein Frontalunterricht vor passiv Zuhörenden darstellen sollen, sind die Beschäftigten zur Mitarbeit bei der Gruppenberatung anzuregen (vgl. BINDL 1995, S. 26f.), etwa indem zwischen den Seminarblöcken oder während des Seminars diverse, sich auf bereits vermittelte Inhalte beziehende Aufgaben gestellt werden (z. B. eine Kurzbewertung eigener Stärken und Schwächen, die Erstellung eines Lebenslaufs), die gemeinsam mit den anderen Teilnehmern auf Verbesserungspotenziale hin überprüft werden. Die Kandidaten können so erkennen, dass „Schwächen ihrer eigenen Berufsbiografie auch bei anderen vorkommen und kein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg in eine neue berufliche Aufgabe sein müssen“ (vgl. BERG-PEER 2003, S. 136). Um eine effiziente Kommunikation zu sichern (und Hemmungen zu vermeiden), ist bei der Gruppenzusammensetzung darauf zu achten, dass nur solche Kandidaten zusammengefasst werden, deren Freisetzung aus ähnlichen Gründen erfolgt ist und die hinsichtlich ihres beruflichen Hintergrundes über eine ähnliche Ausgangslage verfügen. „So finden sich [...] an- und ungelernte gewerbliche Mitarbeiter in einer Workshopgruppe wieder, Sach- und Fachbearbeiter in einer nächsten und Mitarbeiter mit begrenzten Führungsaufgaben, wie [...] Gruppenleiter oder Meister, wieder in einer anderen Gruppe“ (BINDL 1995, S. 26). Neben der Gruppenhomogenität hängt die Qualität des Gruppen-Outplacements von der Gruppengröße ab. Sie sollte acht bis zwölf Teilnehmer nicht übersteigen (vgl. RAUSCH 2004, S. 27; VON RUNDSTEDT 1999, S. 348). Zum anderen ist entscheidend, wie gut Form, Inhalte und Methodik des Seminars auf die jeweiligen Anforderungen der Zielgruppen zugeschnitten sind. Vgl. im Folgenden LINGENFELDER/ WALZ (1989), S. 260; SAUER (1991), S. 86f.; BERG-PEER (2003), S. 130, 141ff., 149ff., 156ff.; HERMANN (2001), S. 60. VON RUNDSTEDT (1999), S. 349. Ohne ein ausreichendes Maß an Eigenverantwortung („Selbsthilfe“) wird sich kein Vermittlungserfolg einstellen. Die Ergebnisse einer in der Schweiz unter 70 Outplacement-Teilnehmern und -Nichtteilnehmern durchgeführten empirischen Langzeitstudie zeigen darüber hinaus, dass „die Charakteristika der Bewerber [z. B. im Hinblick auf ihre Berufsausbildung, letzte Tätigkeit, durchlaufenen Weiterbildungen, persönlichen Merkmale wie Alter und Gesundheit] einen weitaus stärkeren Einfluss auf die Flexibilität bei der Stellensuche [haben,] als die Teilnahme an dem Gruppen-Outplacement“ (HAARI 1999, S. 466f.). Ein Outplacement kann insofern keinen Ersatz für langfristige und kontinuierliche (z. B. Personalentwicklungs-) Maßnahmen darstellen (vgl. ebd., S. 467).

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- geeignete Instrumente und Strategien zur Analyse und Beschreibung eigener Stärken, Schwächen, Weiterbildungsdefizite, bisher erbrachter Leistungen und verbuchter Erfolge, - den Prozess der Entwicklung individueller Bewerbungs- und Selbstvermarktungsstrategien sowie der Anfertigung vollständiger und aussagefähiger Bewerbungsunterlagen1155, - die Suche und Analyse von Stellenangeboten, die Formulierung und Platzierung von Suchanzeigen, den Kontaktaufbau mit potenziellen Arbeitgebern sowie ggf. eine Mobilisierung und Nutzung des eigenen beruflichen und privaten Kontaktnetzwerks, - das richtige äußere und argumentative Auftreten im Vorstellungsgespräch. In der zeitlich deutlich kürzeren und teils freiwilligen individuellen Beratungsphase, die sich über ein Sprechstundensystem o. Ä. abwickeln lässt, haben Mitarbeiter (ähnlich wie im Einzel-Outplacement) die Möglichkeit, sich hinsichtlich ihrer Zielvorstellungen, Eigenschaften (z. B. Alter, Qualifikation, begrenzte Mobilitätsbereitschaft) und Probleme (z. B. bestehende Ängste, Zweifel) nochmals persönlich mit dem Berater auszutauschen und ihre ggf. bereits erarbeiteten Bewerbungsstrategien und -unterlagen durchsehen zu lassen1156. Im ersten Unterabschnitt des nachfolgenden (inhaltlich heterogenen) Abschnitts 6.3.4 soll ein Verständnis dafür geschaffen werden, dass eine Vermischung des „Verantwortungs“- und „Schuld“-Begriffs auch im arbeitsplatzbezogenen Kontext verfehlt ist und an den eigentlichen Problemen vorbeiführt. In diesem Zusammenhang wird in einem kurzen Exkurs auch auf den Begriff der „Attribution“ eingegangen.

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Die oben zitierte Studie von HAARI (1999, S. 471) zeigt, dass „[d]ie Teilnehmer an OutplacementMaßnahmen [...] aufgrund besserer Bewerbungsunterlagen häufiger eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch [erhalten] und [...] dadurch eher einen neuen Arbeitsplatz [finden] als die Nichtteilnehmer“. Vgl. dazu auch HOFMANN (2004, S. 279). Ferner können ein Sekretariatsservice und eine Art Bewerberzentrale eingerichtet werden, um die Mitarbeiter in generellen Fragen, bei der Durchsicht der Bewerbungsunterlagen oder der Stellensuche (z. B. in Form einer Jobbörse) sowie im Kontaktaufbau zu potenziellen Arbeitgebern punktuell zu unterstützen und ihnen einen zentralen Anlauf- und Informationspunkt zu bieten (vgl. VON RUNDSTEDT 1999, S. 349).

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

6.3.4 Fragen der Schuld und Gerechtigkeit im Kontext von Entlassungen 6.3.4.1 Zur Schuldfrage bei Entlassungen: Abgrenzung der Begriffe „Verantwortung“ und „Schuld“ Unternehmen bzw. Manager, die sich dazu entschließen, Personal abzubauen, haben damit zu rechnen, dass ihr Handeln massiver Kritik unterzogen und ihnen quasi kategorisch die Schuld an Entlassungen zugewiesen wird (nach dem Motto: „Schuld sind die da oben“) 1157. Daher erscheint es hilfreich, sich den Unterschieden zwischen den Begriffen „Verantwortung“ und „Schuld“ gesondert zuzuwenden, zumal die Ausdrücke „verantwortlich sein“ und „schuldig sein“ nicht bedeutungsgleich sind. So ist es möglich, für zukünftiges Handeln verantwortlich zu sein, wohingegen sich Schuld nur auf bereits geschehene Handlungen beziehen kann1158. Dass die Begriffe „Verantwortung“ und „Schuld“ dennoch vielfach undifferenziert verwendet werden, liegt daran, dass sich die Zuschreibung (Attribution) von Verantwortung und Schuld zumeist in keinem vollkommen rationalen, sondern einem durch Missverständnisse, Verzerrungen, Vorurteile usw. geprägten Prozess vollzieht. Bevor eine Abgrenzung beider Begriffe vorgenommen wird, werden zum besseren Verständnis der folgenden Überlegungen in einem kurzen Exkurs zunächst Grundbetrachtungen zum Begriff der „Attribution“ vorangestellt. Exkurs Anfang: Attribution Bei Attributionen handelt es sich um kausale Erklärungsansätze (Zuschreibungen), warum (Ursache) bestimmte Dinge (Ereignisse, Zustände) auf gewisse Weise geschehen oder nicht geschehen1159. Als gängige, grundsätzliche Denkprozesse sind Attributionen weniger im wissenschaftlichen, sondern eher im alltäglichen Sinne (als Alltagslogik oder -kausalität) zu verstehen1160: Personen nehmen wahr, dass ihr eigenes oder das (Leistungs-)Handeln und Verhalten anderer positive oder negative Effekte (z. B. Erfolg oder Misserfolg) nach sich zieht. Bei dieser Wahrnehmung bleiben sie aber nicht stehen, vielmehr suchen und bilden sie diverse Arten vereinfachender, teils falscher, vorurteilsbelasteter Erklärungen und Schlussfolgerungen, wie es zu den Folgen kommen konnte. Jener Vorgang wird 1157 1158 1159

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Vgl. zu dieser typischen Unternehmensschelte PIES (2005, S. 355). Vgl. SCHÜTZ/ HOGE (2003), S. 458; AUHAGEN (1999), S. 35, 40, 44; AUSTIN (1975), S. 179. Vgl. WISWEDE (2007), S. 84. Der Begriff „Attribution“ wurde ursprünglich durch HEIDER (1958) begründet. Durch WEINER (1972) erfolgten zentrale Erweiterungen der Attributionstheorie. Vgl. WEINER (1994), S. 1.

Bereich Personalfreisetzung

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als „Attribuierung“ bezeichnet. Nach dem klassischen zweidimensionalen Attributionsschema von WEINER ET AL. (1971) können derartige Erklärungsvorgänge intern oder extern gesucht werden und zugleich stabiler oder instabiler Art sein 1161. Aus der Zweiteilung von Kausalattributionen resultieren vier Felder, denen je ein Ansatz zugeordnet werden kann, aus dem hervorgeht, wie Menschen sich selbst die Ergebnisse ihres Handelns erklären (vgl. Abb. 24):

2. zeitliche Stabilität

1. Personenabhängigkeit/ Verortung/ Lokalität („locus“) Persönlichkeitstypus 1: internal 2: external Ability Task difficulty stabil (Fähigkeit, Intelligenz, Begabung) (objektive Aufgabenschwierigkeit) Effort Luck instabil (Anstrengung, Fleiß, Belastung) (Glück, Zufall)

Abb. 24: Attributionsschema1162

Dimension eins zielt auf die Unterscheidung nach der Herkunft der Kausalität 1163, wobei zwischen interner und externer Attribution differenziert werden kann 1164. Bei der internen Attribution werden bestimmte Ergebnisse auf Faktoren zurückgeführt, welche in der Person selbst begründet liegen (z. B. Fähigkeiten, Eigenschaften, Stimmungslage). Bei der externen Attribution werden außerhalb der Person liegende Faktoren (z. B. situative Anforderungen, andere Akteure) verantwortlich gemacht1165. Internalität und Externalität stellen nach heutiger Auffassung unabhängige Dimensionen dar1166. Dimension zwei fragt danach, ob das, was 1161 1162 1163 1164 1165

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Vgl. WEINER ET AL. (1971); WEINER (1986), S. 44ff. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an WEINER ET AL. (1971); WEINER (1986), S. 46f. Vgl. WEINER (1986), S. 44. Vgl. HEIDER (1958), S. 82; ROTTER (1966), S. 1; ROTTER (1990), S. 489. So wird ein Prüfling, dem eine Klausur gut gelungen ist, seinen Erfolg im Falle der internen Attribution auf seine Fähigkeiten oder seinen Lernaufwand zurückführen, wobei für vorliegende Betrachtung nicht von Belang ist, ob der Prüfling objektiv über herausragende Fähigkeiten verfügt. Ebenso wäre denkbar, dass ein Prüfling objektiv zwar (in einer Leistungs- und Fähigkeitsdiagnose) über besondere Fähigkeiten verfügt, aus gewissen Gründen aber (z. B. Scham) nicht der Ansicht ist, dass die Erreichung positiver Ergebnisse auf seine Fähigkeiten zurückzuführen ist. Umgekehrt gibt es Fälle, in denen Misserfolge wegen einer verfehlten Selbsteinschätzung nicht auf mangelnde Fähigkeiten zurückgeführt werden. Bei der externen Attribution würde der Prüfling das gute Abschneiden dagegen nicht seinen persönlichen Fähigkeiten oder Anstrengungen, sondern außerhalb seiner Person liegenden Gründen zuschreiben (z. B. dem Schwierigkeitsgrad der Klausur). Vgl. KALICKI (2003), S. 382. So kann ein Prüfling einen Klausurerfolg seiner guten Vorbereitung (internale Attribution) und zugleich dem geringen Schwierigkeitsgrad der Klausur (externale Attribution) zuschreiben.

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

als Ursache für ein Ergebnis angesehen wird, als im Zeitablauf konstant oder variabel erachtet wird1167. Mit der später hinzugekommenen dritten Dimension, der Kontrollier- bzw. Steuerbarkeit, wird danach differenziert, ob Ursachen durch eine Person willentlich kontrollierbar sind oder nicht. So sind persönliche Fähigkeiten als Ursache für das Ergebnis eines Verhaltens oder Handelns intern bedingt (die Person selbst betreffend) und stabil, da unterstellt wird, dass die Grundfähigkeiten einer Person eine (relativ)1168 zeitstabile Eigenschaft darstellen, die dauerhaft auftritt und durch die Person nicht im engeren Sinne kontrollierbar ist 1169. Exkurs Ende Bezüglich der Abgrenzung der Begriffe „Verantwortung“ und „Schuld“ ist zu sehen, dass die Zuschreibung von Verantwortung eine, nicht aber die einzige Voraussetzung für eine Zuweisung von Schuld (und Kritik) ist 1170. Damit verbunden ist zu beachten, dass Verantwortung im Gegensatz zu Schuld für sich genommen nicht, wie oft der Eindruck erweckt wird, negativ behaftet, sondern neutral oder positiv konnotiert ist1171. Zunächst ist zu fragen, ob ein Akteur für eine Handlung oder Unterlassung verantwortlich ist oder war 1172. Für eine Schuldzuweisung wäre darüber hinaus zu klären, ob und welchen Schaden er verursacht hat 1173 sowie ob er in der Lage ist oder war, eine ausreichende Erklärung oder Rechtfertigung zu geben, um das infrage stehende (Nicht-)Handeln oder den erzeugten Schaden zu

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Vgl. WEINER (1986), S. 46ff.; WEINER (1972), S. 208; WEINER (1994), S. 1. Menschen können im Laufe der Zeit vorhandene Fähigkeiten verlernen und neue Fähigkeiten dazulernen. Besondere Anstrengungen in Form einer guten Klausurvorbereitung wären dagegen zwar ebenfalls intern (die Person hat selbst gelernt), zugleich aber instabil, da der Lernaufwand variierbar ist. Anstrengungen sind zudem kontrollierbar, da eine Person frei entscheiden kann, wie sehr sie sich anstrengen will. Bei der Aufgabenschwierigkeit handelt es sich dagegen um einen außerhalb der Person liegenden (externen, nicht kontrollierbaren) Faktor, der bei Betrachtung derselben Aufgabe konstant ist. Vgl. SHAVER (1985), S. 67; KELLER (1996), S. 71. Ein (individueller oder kollektiver) Akteur kann nur dann für etwas beschuldigt oder kritisiert werden, wenn er für den betreffenden Sachverhalt verantwortlich ist. Vgl. SCHÜTZ/ HOGE (2003), S. 460; ROPOHL (1996), S. 73; AUHAGEN (1999), S. 26, 40. Es ist problemlos denkbar (und auch erwünscht), für positiv bewertete Ereignisse Verantwortung zu tragen. Auch eine absichtlich begangene Unterlassung kann verantwortungsrelevant sein: Wenn es das Management in einer Krise versäumt, rechtzeitig kostensenkende Maßnahmen (wie Entlassungen) einzuleiten, obwohl dies auf wirksame Weise möglich gewesen wäre, dann hat es eine solche Nicht-Handlung zu verantworten. Denn: “[P]eople are never [or: normally not] blamed for doing good“ (SHAVER 1985, S. 3).

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legitimieren1174. Zur Schuldzuweisung kommt es also dann, wenn ein Akteur im Konfliktfall aus Sicht eines anderen Akteurs ein Fehlverhalten nur lücken- oder unglaubhaft rechtfertigen kann (oder das gezeigte Verhalten aus Sicht des Beurteilenden von vornherein gar nicht als erklär- und rechtfertigbar erachtet wird). Der Begriff „Verantwortung“ ist dabei in seiner Bedeutung nur schwer zu definieren1175. Verantwortung hängt mit einer (Nicht-)Handlung zusammen. Sie stellt keinen konkreten, direkt beobachtbaren Gegenstand dar, sondern ist als theoretisches Konstrukt zu betrachten1176. Falsch wäre es, einzelne Handlungen (z. B. Entlassungen) per se als (un-)verantwortlich zu deuten, da „Handlungen erst in Bezug auf ihren sittlichen, situationalen und personalen Kontext die Prägung „verantwortlich“ oder „unverantwortlich““1177 bekommen. Der „Verantwortungs“-Begriff ist zur Verdeutlichung daher strukturell in mehrere Teile zu gliedern. ROPROHL geht von einer siebenstelligen Relation aus1178, die er in folgender „7WFrage“ beschreibt: „(A) WER [Verantwortungssubjekt: Individuum, Korporation, Gesellschaft] verantwortet (B) WAS [Verantwortungsobjekt: (Nicht-)Handlung, Sprechakt, Produkt], (C) WOFÜR [(un-)vorhersehbare1179 Nah-, Fern-, Spätfolgen], (D) WESWEGEN1180 [normativer Bezug: moralische Regeln und gesellschaftliche Werte (= nicht gesetzlich kodifizierte Verantwortungsgründe), Gesetze 1174

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Vgl. SCHÜTZ/ HOGE (2003), S. 460; KELLER (1996), S. 71; SHAVER (1985), S. 67, 162; SHAVER/ DROWN (1986), S. 701; MIKULA (1993), S. 230. In „Verantwortung“ steckt dem Wortsinn nach „Antwort geben“ (lat. respondere; ursprünglich als Rechtsausdruck im Sinne von Antworten bzw. Sich-Verteidigen oder -Rechtfertigen vor Gericht; vgl. STEGMAIER 2008, S. 563ff.). Verantwortung ist auf ein Gegenüber bezogen und verweist auf Kommunikations- bzw. Dialogsituationen. AUHAGEN (1999, S. 37) definiert Verantwortung als „ein soziales Phänomen unter Menschen mit dem Charakter eines Interpretationskonstruktes. Verantwortung ist […] mit mindestens drei Relationen beschreibbar: für etwas, gegenüber jemandem, im Hinblick auf eine Instanz verantwortlich sein. Verantwortung schließt Aspekte der Moral, der Handlung und der Berücksichtigung der Handlungsfolgen ein: Ein Mensch handelt verantwortlich, wenn er unter der Berücksichtigung ethisch-moralischer Gesichtspunkte handelt und bereit ist, für die Folgen […] seines Handelns einzustehen. Verantwortung kann sowohl zugeschrieben als auch erlebt werden“. Vgl. AUHAGEN (1999), S. 24. Daher ist auch die Verantwortungszuschreibung ein interpretativer, in einen sozialen Kontext eingebetteter Prozess, in dem es zu abweichenden Sichtweisen zwischen handelndem und beurteilendem Subjekt kommen kann (vgl. KELLER 1996, S. 71ff.). AUHAGEN (1999), S. 27. Ein abweichender sechsteiliger Relationsbegriff findet sich bei LENK/ MARING (2001, S. 570). MAX WEBER grenzt den „Verantwortungs“-Begriff auf vorhersehbare Handlungsfolgen ein: Verantwortung bedeutet, „dass man für die (voraussehbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen hat“ (WEBER 1973, S. 175). Ohne einen normativen Bezugspunkt ist es nicht sinnvoll möglich, über Verantwortung nachzudenken oder zu sprechen (vgl. AUHAGEN 1999, S. 27, 30). Bei positiv empfundenen Handlungen

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Arbeitsplatzrelevante Standardaufgaben im Personalmanagement

(= rechtliche Verantwortung, Haftung)], (E) WOVOR [sanktionierende/ urteilende/ mahnende Instanz: eigenes Gewissen, Urteil anderer (formell: z. B. Arbeitgeber; informell: z. B. öffentliche Meinung), ordentliches Gericht], (F) WANN [prospektiv (vor der Handlung = aktuelles Verständnis), prozessbezogen (während der Handlung), retrospektiv (nach der Handlung = traditionelles Verständnis)] und (G) WIE [aktiv (= moderne Verantwortungsethik), virtuell, passiv (= traditionelle juristische Sicht)]“1181. In welchem Grade ein Akteur in einer Situation für etwas verantwortlich gemacht werden kann (und inwieweit er sich selbst verantwortlich fühlt), hängt von mehreren eng miteinander zusammenhängen Dimensionen der Verantwortung ab 1182. Insofern zumindest ein Minimum an Bewusstsein beim Handelnden vorausgesetzt werden kann1183, kommt eine Verantwortungszuschreibung dann infrage, wenn - das betrachtete Ereignis oder die betreffende Handlung persönlich, direkt und unmittelbar (mit-)verursacht wurde (→ Dimension der Kausalität („causal dimension“); Attribution personaler Verursachung). Für Dinge, die ein Akteur nicht verursacht hat und nicht beeinflussen konnte, kann er nicht verantwortlich

1181

1182

1183

wird die persönliche Verantwortung des Handelnden tendenziell weniger (kritisch) hinterfragt. Fragen nach der Intention einer Handlung drängen sich oft erst dann auf, wenn der Handelnde aus Beurteilersicht gegen normative Regeln, Rationalitätsvorstellungen oder Alltagsroutinen verstoßen hat (vgl. KELLER 1996, S. 73). ROPOHL (1996), S. 74. Vgl. auch ROPOHL (1993), S. 155ff.; ROPOHL (1994), S. 112. ROPOHL ordnet die 7W-Fragekomponenten samt deren Merkmalsausprägungen (je drei an der Zahl) in einer morphologischen Matrix an (vgl. ROPOHL 1996, S. 75, 81). Alle sieben Elemente der Verantwortungsrelation (WER, WAS usw.) sind dabei in den Zeilen der ersten Spalte der Matrix aufgeführt. Durch Verknüpfung je einer Merkmalsausprägung der 7W-Fragen sind drei hoch sieben (= 2.187) verschiedene, teils widersprüchliche Verantwortungstypen bestimmbar, welche gezielt weitergehend untersucht werden können. Ein Verantwortungstyp, der in öffentlichen Debatten häufiger gemeint ist, wenn es darum geht, die Verantwortung der Unternehmen im Umgang mit Entlassungen zu beschreiben, ist folgender: Das Management (WER) verantwortet die Handlung „Entlassung“ (WAS) für (un-) voraussehbare Folgen (WOFÜR: z. B. Einkommensverlust, psychische Belastung) wegen gesellschaftlicher Werte und moralischer Regeln (WESWEGEN: z. B. Wertschätzung für geleistete Arbeit, Mitarbeiter als Menschen mit Würde) vor dem eigenen Gewissen (WOVOR 1) und dem Urteil anderer (WOVOR 2: z. B. Mitarbeiter, Öffentlichkeit) im Voraus (WANN: vor der Entlassung durch Informierung der Betroffenen) und aktiv. Vgl. im Folgenden SHAVER (1985), S. 84ff.; SHAVER (1975), S. 94; MIKULA (1983), S. 229f.; SCHÜTZ/ HOGE (2003), S. 458ff.; BRANDSTÄTTER (1998), S. 19; KELLER (1996), S. 73; HEIDER (1958), S. 112ff. Verantwortliches Handeln kann nur von solchen Wesen ausgeübt werden, die über ein Bewusstsein verfügen. „In diesem Sinne wird Tieren [genauso Steinen oder Pflanzen, die keine Nervenzellen besitzen] verantwortliches Handeln nicht zugestanden“ (AUHAGEN 1999, S. 29).

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gemacht werden1184. Zu bedenken ist auch, dass viele Ereignisse und Zustände gleichzeitig mehrere Verursachungsquellen haben, die sich im Nachhinein nicht klar voneinander trennen lassen. So liegt, um den Bezug zur vorliegenden Untersuchung konkret zu halten, in der modernen Wirtschaft ein Geflecht vager Zuständigkeiten und geteilter Verantwortlichkeiten vor, in dem die (moralische) Verantwortung für arbeitsplatzbezogene Fragen zwischen den Akteuren „verschwimmt“1185. Jeder Akteur kann, muss oder sollte in irgendeiner Form Einfluss und/ oder Kontrolle auf arbeitsplatzbezogene Ereignisse ausüben, sei es, weil es von ihm erwartet wird, sei es, weil er dazu explizit oder implizit verpflichtet ist, sei es, weil er sich Vorteile davon verspricht, oder sei es, weil er anderweitige (z. B. moralische) Interessen daran hat. Somit ist die Frage, wer etwa dafür verantwortlich ist, dass Menschen ihre Stelle verlieren oder nicht mehr in den Arbeitsmarkt zurückfinden, vielfach nicht klar beantwortbar. Über die Ursachenattribution hinaus sind für eine Verantwortungszuschreibung noch weitere Elemente relevant. Sie determinieren das Ausmaß der zugeschriebenen (und selbst empfundenen) Verantwortung1186. So wird ein Akteur umso stärker verantwortlich gemacht, je besser eine Handlung für ihn kontrollierbar (2) und die aus der Handlung resultierenden Folgen vorhersehbar waren (3), aber auch desto mehr Absicht (4) hinter der Handlung steckt. - das Handeln des Akteurs kontrolliert abgelaufen ist und durch Eingreifen hätte anders gehandelt bzw. das infrage stehende Geschehen, für das Verantwortung zu übernehmen ist, hätte vermieden werden können (→ Dimension des Zwangs bzw. der Freiwilligkeit („coercion dimension“); Attribution von Kontrollierbarkeit)1187. Zum Entscheidungspunkt müssen also frei wählbare Handlungsalternativen vorgelegen haben1188. Kontrollierbarkeit einer Ursache bedeutet nicht 1184

1185 1186 1187

1188

Bei der stellvertretenden Verantwortung kann eine Verantwortungszuschreibung auch ohne direkte (Mit-)Verursachung, auf der Basis rollenspezifischer Erwartungen, erfolgen (vgl. HAMILTON 1978, S. 322; LENK 1993, S. 117). Unternehmen (genauso Eltern oder Politiker) können fallweise im Sinne einer Haftung für das (Fehl-)Verhalten ihrer Mitarbeiter (Kinder, Untergebenen bzw. Ausführenden) verantwortlich gemacht werden. Ob und inwieweit sie diese Verantwortung selbst empfinden und übernehmen, ist fallweise verschieden und hängt von weiteren Faktoren ab. Vgl. zum Phänomen der Verantwortungs(-zer-)teilung SUCHANEK (1999). Vgl. BRANDSTÄTTER (1998), S. 20; AUHAGEN (1999), S. 31; SCHÜTZ/ HOGE (2003), S. 459. Auch WEINER stellt in seiner Attributionstheorie (neben der Lokalitäts- und Stabilitätsdimension) die Dimension der Kontrollierbarkeit heraus, wenn es um die Verantwortungszuschreibung geht (vgl. WEINER 1994, S. 2). Für unvermeidbare Ereignisse, erzwungenes Verhalten oder Handeln aus dem Affekt heraus werden Akteure normalerweise nicht verantwortlich gemacht (vgl. SCHÜTZ/ HOGE 2003, S. 459; AUHAGEN 1999, S. 27f.).

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nur, dass die Ursache willentlich in eine bestimmte Richtung gesteuert werden kann, sie impliziert auch persönliche (moralische) Verantwortung. Insofern sind „[d]ie Konzepte der Kontrollierbarkeit und der Verantwortlichkeit [...] miteinander verflochten. Wenn [...] eine Ursache - wie zum Beispiel mangelnde Anstrengung - für eine Person [oder ein Unternehmen] willentlich kontrollierbar oder veränderbar ist, dann wird die Person für einen durch mangelnde Anstrengung [„Wollen“] bedingten Misserfolg auch verantwortlich gemacht. Ein durch mangelnde Fähigkeit [„Können“] verursachter Misserfolg wird dagegen als unkontrollierbar angesehen, was die Person von der Verantwortung für das negative Ergebnis entbindet“1189. Eine entsprechende Interpretation ist auf den vorliegenden Kontext übertragbar: Der Umstand, dass das Management die Entscheidung über das Ob und Wie von Entlassungen kontrollieren kann, führt in der allgemeinen Wahrnehmung dazu, dass ihm die Verantwortung für (sowie - im Sinne einer normativ-wertenden Verantwortungszuschreibung - die Schuld an) Entlassungen zugeschrieben wird1190. Zudem zeigt sich, „dass Verantwortlichkeit (Kontrollierbarkeit) positiv mit Ärger und negativ mit Mitleid korreliert“1191: So kann, um obiges Beispiel aufzugreifen, die mangelnde Fähigkeit des Prüflings als Versagensursache konzeptionell mit Entlassungen verglichen werden, welche in einer allgemeinen Wirtschaftskrise oder externen Schocks begründet liegen und dazu beitragen sollen, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. In beiden Fällen liegen (mehr oder minder) unkontrollierbare Situationen vor, für die weder der Prüfling noch das Management voll verantwortlich gemacht werden. Sie werden eher akzeptiert bzw. als gerecht empfunden1192 und lösen teils sogar emotional-affektive Reaktionen (Mitleid, Sorge) aus, die mit einer gesteigerten Hilfsbereitschaft

1189

1190

1191 1192

WEINER (1994), S. 2, ähnlich ebd., S. 5, 15. Das Verantwortlichkeitsprinzip (nach dem „Accountability Principle“ von KONOW 1996, S. 13ff.; KONOW 2000, S. 1073ff.) hängt eng mit der Attributionstheorie zusammen und baut auf ihr auf. Eine Verteilung ist nach dem Verantwortlichkeitsprinzip dann gerecht, wenn sie (in Anlehnung an die Equity-Theorie) den erbrachten Einsatz bzw. Input (= diskrete Variable) und zugleich den unverschuldeten oder naturgegebenen Möglichkeitsspielraum beachtet (= externe Variable). Vgl. PFEIFER/ SOHR (2008), S. 388. Anders formuliert: Mit dem (Nicht-)Zuspruch von Verantwortung für das negativ bewertete Ereignis „Entlassung“ geht häufig zugleich eine Kategorisierung des Unternehmens bzw. Managements als integer (gut, unschuldig) oder uninteger (böse, schuldig) einher (vgl. WEINER 1994, S. 2). WEINER (1994), S. 13, ähnlich ebd., S. 15ff. Vgl. auch WEINER/ PERRY/ MAGNUSSON (1988). Vgl. dazu Unterabschnitt 6.3.4.2.

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einhergehen1193. Eine mangelnde Anstrengung des Prüflings als Versagensursache ist attributionstechnisch dagegen mit Situationen vergleichbar, in denen Unternehmen bei guter Geschäftslage (im Zuge der Einführung neuer Produktionstechnologien, der Umsetzung interner Verbesserungsvorschläge o. Ä.) betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, sich aber nicht darum bemühen, hieraus resultierende Härten integer abzufedern. In beiden Fällen liegen kontrollierbare, auf internen Ursachen beruhende Situationen vor, für die der („faule“) Prüfling und das (monodimensional ökonomisch agierende) Unternehmen mitverantwortlich sind und auch mitverantwortlich gemacht werden1194. Derart zustande kommende Entlassungen werden nicht nur als weniger gerecht empfunden1195, sie rufen auch affektive Reaktionen wie Wut und Ärger hervor und bewirken häufig eine reduzierte Hilfs- und Kooperationsbereitschaft1196. - ein Akteur die positiven und negativen Folgen seines Handelns überlegt und bewusst in Kauf genommen oder als Ziel beabsichtigt hat (→ Dimension der Intentionalität („dimension of intentionality”); Attribution von Absicht). - die positiven und negativen Folgen des Handelns (auch aus ethischer Sicht) absehbar und dem Akteur bewusst waren (→ Dimension des Wissens um die Handlungsfolgen („knowledge of consequences“); Attribution von Vorhersehbarkeit). Ein Akteur wird nur bedingt verantwortlich gemacht, wenn davon ausgegangen werden kann, dass er über die Folgen seines Handelns ahnungslos war oder die Folgen nicht vorhersehbar waren1197. Zu beachten ist, dass es nicht 1193

1194

1195

1196

1197

Für den Fall, dass ein negatives Ereignis durch (im weiteren Sinne) „mangelnde Fähigkeit“ zustande gekommen ist, lässt sich der Bewertungsprozess durch folgende Sequenz beschreiben (vgl. WEINER 1994, S. 6): Fähigkeitsmangel → keine persönliche Verantwortung → Mitleid → keine oder geringere Bestrafung (z. B. durch sinkende Arbeitsmotivation bei den Verbleibenden, öffentliche Protestaktionen, Gerichtsverfahren) → gesteigerte Hilfsbereitschaft (z. B. durch freiwilligen Lohn- und Gehaltsverzicht). Das Ausmaß des empfundenen Mitleids ist dabei umso stärker und die Akzeptanz der Situation umso größer, je weniger der Akteur selbst als Verursacher für sein Schicksal gesehen wird. So auch STEPHAN/ STRUCK/ KÖHLER (2006a, S. 35) im Entlassungskontext: „Dem Verantwortlichkeitsprinzip entsprechend ist die Beurteilung der Entlassungsgründe davon abhängig, ob und in welchem Umfang die Ursachen durch die Entscheidungsträger kontrollierbar sind“. Vgl. KAHNEMAN/ KNETSCH/ THALER (1986), S. 733, 739; PFEIFER/ SOHR (2008), S. 384, 391f.; KRAUSE/ PFEIFER/ SOHR (2006), S. 35f., 53f.; PFEIFER (2006), S. 26ff.; STEPHAN (2006), S. 3f.; CHARNESS/ LEVINE (2000), S. 386f., 389f.; BROCKNER (1992), S. 10f.; GERLACH ET AL. (2006), S. 11, 17f. Der entsprechende Bewertungsprozess ist mit folgender Sequenz beschreibbar: Anstrengungsmangel → persönliche Verantwortung → Ärger → Bestrafung → verringerte Hilfsbereitschaft (vgl. WEINER 1994, S. 6, 14). Vgl. SCHÜTZ/ HOGE (2003), S. 459.

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nur darauf ankommt, ob sich der Akteur den Folgen bewusst war, sondern genauso, ob ihm die Folgen (durch größere Sorgfalt, Kontrolle, Übung o. Ä.) hätten bewusst sein müssen1198. Eine Zuschreibung von Verantwortung reicht, wie oben angedeutet, für eine Zuweisung von Schuld nicht aus. Die negative Konnotierung des „Schuld“-Begriffs impliziert, dass ein Akteur dann für schuldig erklärt wird, wenn sein (Nicht-)Handeln implizite oder explizite normative Erwartungen (Verhaltensnormen) anderer, urteilender Akteure verletzt und ein (physischer oder psychischer) Schaden entstanden ist1199. Über den Schadensumfang hinaus richtet sich das Ausmaß der Schuldzuweisung an der Glaubwürdigkeit und Konsistenz der vorgebrachten Rechtfertigung für das gezeigte Verhalten aus 1200. Unternehmen, die gute Gründe für Entlassungen vorbringen können, werden zwar für das (nach wie vor negative) Entlassungsereignis verantwortlich gemacht (es liegt weiterhin eine Inkonsistenz vor, um bei der Terminologie aus Abschnitt 3.3.1 zu bleiben), sie bekommen aber keine oder weniger Schuld dafür zugeschrieben (da keine relevante Inkonsistenz vorliegt). In der Folge können sie ihre moralische Glaubwürdigkeit bewahren und moralische Kritik sowie Sanktionen (Streiks o. Ä.) vermeiden. Nun ist es in der Regel so, dass Akteure, deren Handeln der Kritik unterzogen wird, diverse Erklärungen anführen, um ihr Handeln zu rechtfertigen oder zu entschuldigen. Eine Entschuldigung besteht AUSTIN zufolge darin, „dass man zugibt, es sei keine gute Handlung gewesen, aber argumentiert, dass es nicht ganz gerecht oder richtig ist, unverblümt zu sagen: X tat A“ 1201. Nach REHBEIN ist „[d]ie Entschuldigung […] eine kommunikative Handlung, in der jemand […] zugibt, dass die inkriminierte Handlung schlecht war (er entschuldigt sich), aber […] nicht die 1198

1199

1200 1201

Daraus wird die Kompliziertheit der Verantwortungsproblematik deutlich: Praktisch jedes Handeln hat Folgen, welche nicht absehbar sind und vom Akteur auch nicht unbedingt beabsichtigt werden. Zudem bestehen häufig Überschneidungen zwischen den vorher- und unvorhersehbaren Folgen einer Handlung. Sie machen es praktisch unmöglich, abzuschätzen, ob ein Akteur durch größere Anstrengungen in der Lage gewesen wäre, die Folgen seines (Nicht-)Handelns vorherzusehen. Insofern lässt sich oftmals kaum sagen, ob der Akteur die Folgen wirklich nicht vorhergesehen (oder einfach ignoriert) hat (vgl. ROPOHL 1996, S. 78). Vgl. SCHÜTZ/ HOGE (2003), S. 461f. Im Allgemeinen gilt: Je größer der entstandene Schaden, desto größer die Schuldzuweisung (so wird einem Unternehmen, das hohe Gewinne erzielt und zugleich Mitarbeiter entlässt, eine größere Schuld zugesprochen, wenn es 2.000 statt 100 Mitarbeiter entlässt). Vgl. SHAVER (1985), S. 172; SCHÜTZ/ HOGE (2003), S. 460; BRANDSTÄTTER (1998), S. 20. AUSTIN (1975), S. 178.

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volle Verantwortung für die Handlung übernimmt. Sie ist verbunden mit der Aufforderung an den Geschädigten […], den Täter seinerseits aus der Verantwortung zu entlassen, (d. h. ihn zu entschuldigen)“1202. Beide Definitionen zeigen, dass bei Entschuldigungen vom Handelnden akzeptiert wird, dass es sich um eine (negative) Handlung handelt, welche Anlass zu Kritik bietet. In diesem Reuekriterium liegt, wie noch deutlich wird, ein Unterschied zur Rechtfertigung1203. Ein weiterer Unterschied ist, und hierin liegt das Hauptmerkmal der Entschuldigung, dass die Verantwortung für die Handlung ganz oder teilweise geleugnet wird 1204, indem der vermutete oder unterstellte Ursachenzusammenhang bestritten wird 1205. Bei Entschuldigungen gibt es also Unrecht, aber keinen Schuldigen 1206. Im arbeitsplatzbezogenen Kontext sind Entschuldigungen vonseiten der Unternehmen möglich, aber untypisch1207. Sowohl geplante als auch bereits vollzogene Entlassungen werden meist nicht entschuldigt, sondern gerechtfertigt. 1202 1203 1204

1205

1206 1207

REHBEIN (1972), S. 306. Vgl. LIEDTKE (2003), S. 79f. Vgl. KELLER (1996), S. 74; AUSTIN (1975), S. 179; SCOTT/ LYMAN (1968), S. 47. Die diversen Arten der Leugnung hängen eng mit den oben eingeführten Dimensionen der Verantwortungszuschreibung zusammen. SEMIN und MANSTEAD (1983, S. 91f.) unterscheiden in Anlehnung an SCOTT/ LYMAN (1968) und TEDESCHI/ RIESS (1981) vier Formen der Leugnung (und damit vier Formen von Entschuldigungen): (1) Leugnung der Absicht bzw. Folgen der Handlung (Aussage: „Das habe ich nicht vorhergesehen“: z. B. unvorhergesehene Folgen durch bestimmte Umgebungsbedingungen oder Mangel an Wissen, Information, Aufmerksamkeit), (2) Leugnung der (freien) Willentlichkeit der Handlung (Aussage: „Das wollte ich überhaupt nicht tun“: z. B. körperliche Ursachen (wie Krankheit, Medikamenteneinfluss, Müdigkeit), psychische Ursachen (wie Wahn, emotionale Reaktionen, Zwang), fehlende Autorität), (3) Leugnung der Täterschaft/ Kausalität (z. B. Verwechslung: „Das war ich nicht“ oder retrograde Amnesie: „Ich kann mich an nichts mehr erinnern“), (4) Appell an mildernde Umstände (Aussage: „Ich bin nicht alleine schuldig“: z. B. Reaktion auf das Verhalten eines anderen (Sündenbock)). Eine zu häufige Heranziehung der gleichen (oder einer ähnlichen) Entschuldigung kann als Ausrede aufgefasst werden. In der Folge werden Fehlhandlungen als unentschuldbar betrachtet und der Handelnde auch dafür verantwortlich gemacht (vgl. REHBEIN 1972, S. 309). Vgl. WEYERS (2004), S. 102. Im Falle einer Entschuldigung würde ein Unternehmen zwar eingestehen, dass getätigte Entlassungen - von der Sache her, bezüglich der Auswahl der entlassenen Arbeitnehmer, des Entlassungsprozesses - falsch waren (z. B.: „Viele Betroffene wurden zu spät informiert - dafür entschuldigen wir uns!“), es wäre aber nicht bereit, die volle Verantwortung für das gezeigte Handeln zu übernehmen (z. B. „Die Entlassungsentscheidung musste unter Zeitdruck gefällt werden. Zudem haben gleichzeitig wichtige Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Da waren Fehler nicht zu vermeiden“). Eine solche Entschuldigung nach der Handlung stellt den Normalfall dar: Der „Täter“ reagiert auf seine Tat. Seltener sind vorgreifende Entschuldigungen, bei denen die Absicht, falsch bzw. schlecht zu handeln (und Regeln zu übergehen), bereits vor der Tat angekündigt wird, um sich gewisse Handlungen quasi selbst zu „gestatten“. Zugleich macht der Akteur auch bei der vorgreifenden Entschuldigung deutlich, dass er keine oder zumindest nicht die volle Verantwortung für sein Handeln übernehmen wird (vgl. REHBEIN 1972, S. 306).

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Eine Rechtfertigung wiederum liegt nach AUSTIN dann vor, wenn ein Akteur eingesteht, dass er „genau diese Sache [...] getan hat, aber [...] argumentiert, dass diese Handlung entweder im allgemeinen oder zumindest unter diesen speziellen Umständen gut oder richtig oder vernünftig oder erlaubt war“1208. Bei einer Rechtfertigung sind Akteure zwar bereit, Verantwortung für eine Handlung zu übernehmen, sie streiten zugleich aber ganz oder teilweise ab, dass die Handlung kritisierbar ist (kurz gesagt: ein Akteur ist vorhanden, es gibt aber kein Unrecht) 1209. Daher fordern sie mit ihrer Rechtfertigung (wobei ebenso von einer Verteidigung der Handlung gesprochen werden könnte) „vom Geschädigten die Akzeptierung und die Übernahme der Gründe, die zu der Handlung führten“ 1210. Eine solche Konstellation liegt üblicherweise auch Entlassungen zugrunde. Zur Verdeutlichung werden nachfolgend einige Beispiele für Rechtfertigungen angeführt, so wie sie vonseiten der Unternehmen typischerweise im Entlassungskontext vorgebracht werden. Zu denken ist an1211: - eine Minimierung der Folgen der Handlung. Hierzu zählen Formen der Uminterpretation, Umkategorisierung oder Verneinung von Unrecht (z. B. durch die Behauptung, skizzierte Handlungseffekte seien falsch, zu einseitig oder zu drastisch dargestellt worden): „Ja, wir haben Stellen abgebaut, aber nicht in böser Absicht. Zum einen ist bekannt, dass wir die Produktion in den letzten Jahren infolge der mangelnden Nachfrage drosseln mussten. Zum anderen ist der Schaden für alle Betroffenen geringer, als es den Anschein hat: Wegen der niedrigen Arbeitslosigkeit in der Branche (Region o. Ä.) werden sie schnell wieder in Beschäftigung kommen. Der Stellenabbau wurde zudem sozial abgefedert. Auch konnten bereits 30 % der Beschäftigten an andere Unternehmen vermittelt werden“. - den sozialen Vergleich mit anderen Akteuren, der mit dem Verweis auf eine Ungleichbehandlung einhergeht:

1208 1209

1210 1211

AUSTIN (1975), S. 178. Ähnlich REHBEIN (1972), S. 310. Vgl. KELLER (1996), S. 74; AUSTIN (1975), S. 178; SCOTT/ LYMAN (1968), S. 47; WEYERS (2004), S. 102. Deshalb dürfen Rechtfertigungen nicht mit einer Unterkategorie von Entschuldigungen verwechselt werden. REHBEIN (1972), S. 311. SEMIN und MANSTEAD (1983, S. 92ff.) unterscheiden in Anlehnung an SCOTT/ LYMAN (1968) und TEDESCHI/ RIESS (1981) acht Formen von Rechtfertigungen. Hierzu gehört neben den sieben beispielhaft angeführten auch die Berufung auf das Vergeltungsprinzip. Vgl. auch KELLER (1996), S. 74.

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„Ja, wir haben Stellen abgebaut. In den letzten Jahren sahen sich aber auch namhafte Konkurrenten gezwungen, Stellen ins kostengünstigere Ausland zu verlagern. Warum wird gerade unser Unternehmen zur Rechenschaft gezogen? Immerhin zählen wir zu den letzten in Deutschland verbliebenen Herstellern der Branche“. - die Berufung auf (a.) eine höhere Autorität, von der Befehle ausgehen/ (b.) Expertenurteile: a. „Das Topmanagement in den USA hat [als höhere Autorität] entschieden, dass die am deutschen Standort produzierten Geräte zukünftig direkt in Südostasien gefertigt werden sollen“. b. „In den vom Beratungsunternehmen B durchgeführten (z. B. Gemeinkostenwert-)Analysen konnten erhebliche Rationalisierungspotenziale in den Bereichen y und z identifiziert werden. Uns wurde klar kommuniziert, dass die notwendige Verschlankung der Prozesse nicht ohne einen massiven Stellenabbau ablaufen kann“. - einen Appell an den Nutzen: „Durch technischen und organisatorischen Fortschritt können wir eine größere Produktionsmenge mit weniger Arbeit erzeugen. Niemand kann von uns erwarten, unproduktive Arbeitsplätze zu erhalten“. Oder: „Die Entlassungen stellen eine taktische Maßnahme dar, mit der andere Stellen gerettet werden können“. Eine Berufung auf utilitaristische Prinzipien kann je nach zugrunde liegender Interpretation in Verbindung mit den folgenden drei (eng zusammenhängenden) Rechtfertigungsformen gebracht werden: - die Berufung auf Selbsterfüllung oder ichbezogene Ziele: „Sämtliche Handlungen sind in Übereinstimmung mit meinem Gewissen geschehen“. - die Berufung auf Werte als Orientierungspunkte des Handelns (z. B. moralische Werte wie Gerechtigkeit oder Treue; religiöse Werte wie Nächstenliebe oder Gottesvertrauen; politische Werte wie Toleranz): „Ich habe aus innerer Überzeugung heraus so gehandelt“. - die Berufung auf das Erfordernis zur Wahrung des Selbstbildes/ der eigenen Reputation: „Um meine Glaubwürdigkeit zu wahren, musste ich so handeln“. Oder:

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„Ja, wir haben Arbeitnehmer entlassen. Als Manager habe ich Verantwortung für alle Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen müssen. Eine ebenso große Verantwortung habe ich aber für die Zukunft der im Unternehmen verbleibenden Mitarbeiter [vgl. 4.]. Auch ihnen gegenüber fühlen wir uns verbunden und verpflichtet [was zugleich zeigt, dass auch die Berufung auf Solidarität zur Rechtfertigung einer Handlung herangezogen werden kann]. Als verantwortungsvoller Manager komme ich daher nicht darum herum, solche harten Entscheidungen zu treffen. Natürlich könnte ich mich aus meiner Verantwortung stehlen und mir eingestehen, dass mir ein solcher Schritt im Moment zu hart ist (nach dem Motto: So, wie es in den letzten Jahren gelaufen ist, so wird es noch ein paar Jahre gut gehen). M. E. wäre ein solches Handeln aber unverantwortlich. Probleme müssen dann angegangen werden, wenn sie sich stellen. Alles andere würde meinem Verständnis von guter Führung widersprechen. Daher kann ich mit bestem Gewissen sagen, dass der Stellenabbau notwendig war“ (vgl. 5., 6., 7.). Obige Beispiele haben zweierlei gemein: Zum einen wird die Verantwortung für Entlassungshandlungen nicht abgestritten, sondern (womöglich zwangsläufig) übernommen, zum anderen werden die Entlassungen nicht oder nur bedingt als falsch erachtet1212. Dabei ist zu sehen, dass Führungskräfte Entlassungen nicht nur aus der Sicht der Beschäftigten bewerten können, die primär ihr eigenes Schicksal im Auge haben. Vielmehr sehen sie Entlassungen (durch ihre „ManagementBrille“) auch in anderen, vor allem strategischen Zusammenhängen, unter deren Einbeziehung es notwendig sein kann, Entlassungen auszusprechen. Solche polydimensionalen Zusammenhänge werden von den Arbeitnehmern, deren Vertretern oder der breiten Öffentlichkeit oftmals nicht (ausreichend) wahrgenommen oder ignoriert1213. Im folgenden Unterabschnitt 6.3.4.2 werden mehrere essenzielle Einflussfaktoren thematisiert, die die Gerechtigkeitswahrnehmung von Entlassungen beeinflussen.

1212

1213

Mit „falsch“ ist nicht gemeint, dass ein Unternehmen bzw. Manager es nicht wahrnehme oder sich nicht darüber bewusst wäre, wie schmerzhaft Entlassungen für die Betroffenen sein können. Vgl. dazu Unterkapitel 5.3.

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6.3.4.2 Einflussfaktoren auf die Gerechtigkeitswahrnehmung von Entlassungen Die bisherigen Ausführungen legen nahe, dass es aus Unternehmenssicht ethisch und ökonomisch geboten erscheint, sich mit den Faktoren zu befassen, die mitverantwortlich dafür sind, ob und inwieweit arbeitsplatzbezogene Maßnahmen von den Arbeitnehmern und der Öffentlichkeit als gerecht empfunden werden oder nicht. Eine Beachtung derartiger Faktoren kann (muss nicht) 1214 dazu beitragen, vorschnelle und emotionsgeladene Schuldzuschreibungen zu vermeiden und das utilitaristische Urteilsvermögen1215 all jener zu schärfen, die persönlich von solchen Maßnahmen betroffen sind oder sich davon betroffen fühlen. Folgende Aufzählung enthält mehrere relevante Faktoren, durch welche die Gerechtigkeitswahrnehmung im Zuge von Entlassungen beeinflusst wird 1216. Einige dieser Faktoren wurden bereits im Laufe der Arbeit genannt und sollen hier nochmals kurz gebündelt zusammengefasst werden. (1) Kommunikationsbemühungen des Unternehmens und Entlassungsursache Menschen wollen sich ernst- und mitgenommen fühlen, sie wollen würde- und respektvoll behandelt werden und über ihre Emotionen sprechen können. Insofern 1214

1215 1216

Jeder Mensch hat eine andere Auffassung von „gerecht“ und „ungerecht“. Auch unterscheiden sich Menschen in ihrer Ungerechtigkeitssensibilität, die eine relativ stabile Persönlichkeitseigenschaft darstellt (vgl. SCHMITT ET AL. 2008, S. 109). Daher wäre es illusorisch zu meinen, es ließen sich allgemeingültige Handlungsanweisungen für den Umgang mit Entlassungen entwickeln, um bei allen Beteiligten ein Gerechtigkeitsgefühl auszulösen. Vgl. dazu Unterkapitel 5.3. Folgende Aufzählung orientiert sich an den Ergebnissen des 2004 in Deutschland durchgeführten Projekts „Arbeit und Gerechtigkeit: Die Akzeptanz von Lohn- und Beschäftigungsanpassungen in Deutschland“, dessen Ziel es war, herauszufinden, unter welchen Bedingungen betriebsbedingte Kündigungen und Lohnanpassungen als gerecht erachtet werden. Basis der Untersuchung war eine repräsentative Telefonbefragung unter 3.039 Personen (Alter zwischen 20 und 60 Jahren; je zur Hälfte aus West- und Ostdeutschland; vgl. STEPHAN/ STRUCK/ KÖHLER 2006a, S. 28f.; KRAUSE/ STRUCK 2008, S. 225). Die Probanden wurden u. a. zu ihrer Gerechtigkeitseinschätzung im Kontext verschiedener hypothetischer Entlassungs- und Lohnkürzungsszenarien sowie zu persönlichen Erfahrungen in beiden Bereichen befragt. Knapp 47 % (bzw. 24 %) der Befragten in Ostund knapp 35 % (bzw. 26 %) der Befragten in Westdeutschland gaben an, zwischen 1999 und 2004 Erfahrungen mit Entlassungen (bzw. Lohnkürzungen) im eigenen betrieblichen Umfeld gemacht zu haben. Sowohl Entlassungen als auch insbesondere Lohnkürzungen werden von der Mehrzahl der Befragten (unabhängig von eigenen Erfahrungen) als ungerecht erachtet (vgl. KRAUSE/ PFEIFER/ SOHR 2006, S. 51, 56, 60f.), wobei das Ausmaß der empfundenen Ungerechtigkeit durch die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen beeinflusst werden kann. So sind „Entlassungen und Lohnkürzungen [...] „legitim“, wenn sie wirtschaftlich unvermeidbar sind, sozial abgefedert werden und im Laufe des Arbeitsverhältnisses implizit erworbene Ansprüche berücksichtigen“ (STEPHAN 2006, S. 5).

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verwundert es nicht, dass Entscheidungen mit negativen Folgen (z. B. ein Stellenverlust, Gehaltskürzungen) der Norm der interaktionalen bzw. informatorischen (prozeduralen) Gerechtigkeit folgend dann eher mitgetragen und als gerecht empfunden werden, wenn die Kriterien, Motive und Ziele der Entscheidungen rechtzeitig, persönlich, umfassend und transparent (d. h. täuschungsfrei, verständlich) kommuniziert werden1217. Wenn ein Unternehmen, um ein einfaches Beispiel zu geben, die Energiewende als Grund für erforderliche Umstrukturierungsmaßnahmen angibt, dann aber vorrangig Stellen in jenem Werk abgebaut werden, welches (mit Blick auf die dort erzeugten Produkte und Leistungen) überhaupt nicht von der Energiewende betroffen ist, so führt ein solches Vorgehen erwartungsgemäß zu offenen Fragen und Spannungen. Zudem sollten sämtliche Informationen sachlich (ohne persönliche Schuldzuweisungen) und durch die Unternehmensführung oder den direkten Vorgesetzten weitergegeben werden. Fehlinformationen sollten schnellstmöglich korrigiert sowie auf Rückfragen umgehend reagiert werden 1218. Nur wenn alle Betroffenen frühzeitig (schriftlich und mündlich) darüber informiert sind, was auf sie zukommt, haben sie und ihre Angehörigen die Möglichkeit, sich (auch psychisch) auf anstehende Veränderungen größerer Tragweite einzustellen und entsprechend umzuorientieren. Wann bzw. in welcher zeitlichen Phase1219 die Belegschaft bei Unternehmensschließungen oder vergleichbaren Vorfällen informiert werden sollte, kann nicht 1217

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Vgl. BROCKNER ET AL. (1990); BIES (1987); BIES/ SHAPIRO/ CUMMINGS (1988), S. 390ff.; ROUSSEAU/ ANTON (1988), S. 275, 284; CHARNESS/ LEVINE (2000), S. 390; BROCKNER (1992), S. 12; PFEIFER/ SOHR (2008), S. 384, 391f.; KRAUSE/ PFEIFER/ SOHR (2006), S. 35; BIERHOFF (2006), S. 146f.; GREENBERG (1993), S. 84f.; KAMMEL (2005), S. 16; BRÖCKERMANN (2012), S. 371. Dadurch, dass die (wirtschaftliche) Notwendigkeit von Entlassungen in KMU durch die Mitarbeiter besser nachvollzogen und durch die persönliche Nähe zum Vorgesetzten einfacher kommuniziert werden kann, fallen die Negativreaktionen auf Entlassungen und dgl. mit abnehmender Unternehmensgröße tendenziell geringer aus (vgl. KRAUSE/ STRUCK 2008, S. 236; STRUCK/ KRAUSE/ PFEIFER 2008, S. 113). Vgl. KRÜGER (2005a), S. 39. RYDELL und WIGBLAD (2012, S. 146f.) unterscheiden im Zusammenhang mit Unternehmens(teil-)schließungen vier aufeinanderfolgende Phasen: In der „awareness phase“ erwächst im Unternehmen ein Bewusstsein dafür, dass bestimmte (interne oder externe) Entwicklungen kostensenkende Umstrukturierungsmaßnahmen mit personellen Folgen unvermeidbar werden lassen. Die konkrete Gestalt der Maßnahmen ist zu jenem Zeitpunkt noch unbekannt. Die „investigation phase“ setzt dann ein, sobald der Bewusstseinsprozess in den Entschluss mündet, einen Zeitplan für die (Teil-)Schließung des Unternehmens aufzustellen. In der Untersuchungsphase werden alle relevanten Alternativen - vom Teilerhalt bis zur Liquidation des Unternehmens - unter ökonomischen, moralischen und juristischen Aspekten abgewogen, wobei die Anhörungs- und Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten sind. Sie endet mit der (öffentlichen) Ankündigung der

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genau festgelegt werden, da je nach Fall ein unter juristischen, ökonomischen und moralischen Aspekten anderes Vorgehen notwendig oder angebracht sein kann1220. Aus gerechtigkeitsethischer Sicht und vor dem Hintergrund von SENs Befähigungsansatz lässt sich sagen, dass die Informationsweitergabe vor der öffentlichen Bekanntgabe der Schließung und zumindest so früh erfolgen sollte, dass sich alle Betroffenen auf die Änderungen einstellen und ggf. durch begleitende Abfederungsmaßnahmen bei der beruflichen Neuorientierung unterstützt werden können1221. Kein Mitarbeiter sollte gezielt für längere Zeit in Unkenntnis gelassen werden1222. Ängste vor einem Arbeitsplatzverlust gehen häufig nicht nur mit einer reduzierten Arbeitsleistung einher 1223, sie stellen auch einen der größten Stressoren im Arbeitsleben überhaupt dar, sodass der Übergang in die Arbeitslosigkeit von vielen Menschen sogar als Erleichterung erlebt wird. Das Management sollte unter diesem Gesichtspunkt daher bereits in der Bewusstseinsphase auf eine vertrauensbildende Zusammenarbeit mit den Betroffenen, deren Vertretern und weiteren relevanten Stakeholdern hinwirken1224. Zugleich ist aus utilitaristischer Sicht

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Schließung und wird in der Regel von einer Verhandlungsphase („negotiation phase“) gefolgt, deren Dauer nicht ohne Weiteres voraussagbar ist. Die Phase zwischen dem Ende der Verhandlungsphase und der finalen Schließung kann als „countdown phase“ bezeichnet werden. Sie bildet mit der Verhandlungsphase die Vorankündigungsfrist der Schließung. „Manche Autoren und Berater fordern, dass die Beteiligung so früh wie möglich erfolgen soll. Andere warnen davor, die Betroffenen zu früh zu informieren und einzubinden“ (KOLB 2010, S. 544). Diese Situation kann mit der Frage verglichen werden, wann ein Sterbenskranker über seine Erkrankung aufgeklärt werden sollte: Möglichst früh (im Sinne der Tradition der ars moriendi, der spätmittelalterlichen „Kunst des Sterbens“), damit er sich auf den Tod vorbereiten kann? Oder sollte man ihn, so wie es der heutigen Auffassung eher entspricht, bis zum letzten Atemzug bewusst im Glauben lassen, dass sich seine Situation wieder zum Besseren wenden wird? Das gilt umso mehr, wenn der lokale Arbeitsmarkt nicht in der Lage ist, ausreichend Arbeitsplätze für die zu vermittelnden Arbeitnehmer anzubieten. Zugleich können Gerüchte und Missverständnisse reduziert und einer sinkenden Arbeitsmotivation vorgebeugt werden. Auch die Bindung der übrigen Mitarbeiter und das öffentliche Bild des Unternehmens werden positiv beeinflusst (vgl. HAUFF 2007, S. 42f.; KRAUSE/ STRUCK 2008, S. 223, 234f.; STRUCK/ KRAUSE/ PFEIFER 2008, S. 111f.; NOLL 2012, S. 285; HÖLAND/ ZEIBIG 2007, S. 250). Der Worst-Case tritt ein, wenn Mitarbeiter (wie im Falle der Schlecker-Insolvenz im Jahre 2012) erst aus den Medien (oder über Flugblätter auf dem Firmengelände) über Entlassungen informiert und/ oder ihnen die wahren Gründe dafür vorenthalten werden. In solchen Fällen zeigt sich „nicht nur die Hilflosigkeit der zuständigen Manager, sondern noch viel mehr ihre menschliche Feigheit, ihre fachliche Unfähigkeit und ihre charakterliche Unempfindlichkeit den eigenen Mitarbeitern gegenüber“ (RÖTTIG 1993, S. 197). Die Befunde zum Verhältnis zwischen Arbeitsplatzunsicherheit und Arbeitsleistung geben kein eindeutiges Bild ab (vgl. KIESELBACH/ KUHN 2009, S. 45f.). Hierzu gehört es, dass möglichst „„oberhalb“ gesetzlich-tariflicher Zwänge [...] informiert“ (KAMMEL 2005, S. 15) wird, nicht unterhalb. „Entscheidungen sollten […] unter dem Gesichtspunkt des Interessenausgleichs der verschiedenen Akteure getroffen werden“ (ebd.).

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zu bedenken, dass sich eine sehr frühe (und damit vom Grundsatz her vertrauensbildend wirkende) Bekanntgabe der (Teil-) Schließung auch als problematisch erweisen kann, dann nämlich, wenn Mitarbeiter innerlich kündigen und nur noch „Dienst nach Vorschrift“ leisten1225. Zudem besteht das Risiko einer vorzeitigen Abwanderung von Leistungsträgern, was die Überlebensfähigkeit des Unternehmens weiter hemmt. Es liegt somit eine ethisch heterogene Situation vor, welche es erfordert, geeignete Kompromisse bzw. Mittelwege zu finden. Ferner kann auf Basis der Attributionstheorie gezeigt werden, dass die Gerechtigkeitswahrnehmung auch dadurch beeinflusst wird, ob Entlassungen durch externe Ursachen (unkontrollierbare Veränderungen der Unternehmensumwelt, z. B. einen generellen Konjunktureinbruch) bewirkt werden oder eine Folge bewusst getroffener, kontrollierbarer Entscheidungen darstellen (also auf internen Ursachen beruhen, etwa Rationalisierungen, neuen Produktionstechniken o. Ä.)1226. Entlassungen werden eher akzeptiert, wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die über eine reine Produktivitäts- und Gewinnsteigerung hinausgehen1227. (2) Erworbenes Humankapital: Allgemeines vs. unternehmensspezifisches Humankapital Arbeitnehmer verfügen zum Entlassungszeitpunkt (je nach Tätigkeitsart, Anzahl der Berufsjahre, erfolgter Personalentwicklung usw.) über ein gewisses Set an Humankapital. Entlassungen von Arbeitnehmern mit unternehmensspezifischem Humankapital, welches mit steigender Unternehmenszugehörigkeitsdauer akkumuliert wird und primär für den internen Arbeitsmarkt wertvoll ist, werden wegen der relativ geringeren Wiederbeschäftigungschancen solcher Arbeitnehmer als ungerechter erlebt als Entlassungen von arbeitsmarktfähigen Arbeitnehmern, die über ein höheres Maß an allgemeinem Humankapital verfügen, das auch bei anderen Arbeitgebern produktiv einsetz- und verwertbar ist (und deren Kosten im Falle einer Entlassung bzw. eines Arbeitgeberwechsels demzufolge geringer ausfallen)1228. Mit Outplacement und ähnlichen Maßnahmen wird daher versucht, die 1225

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Dieses Problem wird dadurch verschärft, wenn etwa bei einem Unternehmensverkauf jene Mitarbeiter, die wissen, dass sie ihren Job verlieren werden, ihre aus dem In- oder Ausland stammenden Nachfolger anlernen müssen. Vgl. SCHMITT ET AL. (2008), S. 108. Vgl. PFEIFER/ SOHR (2008), S. 396; KRAUSE/ STRUCK (2008), S. 239. Vgl. PFEIFER/ SOHR (2008), S. 385f., 392; KRAUSE/ PFEIFER/ SOHR (2006), S. 36f., 54; PFEIFER (2006), S. 26ff.; GERLACH ET AL. (2006), S. 13, 18; CHARNESS/ LEVINE (2000), S. 388, 391. Die Akzeptanz eines sonst vergleichbaren Entlassungsszenarios stieg um 15 %, wenn der Entlassene in der Lage war, seine Kenntnisse auch in anderen Unternehmen einzusetzen (vgl. STEPHAN 2006,

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Arbeitsmarktfähigkeit im Nachhinein (quasi im Schnelldurchlauf) zu erhöhen, um so einen Beitrag zur Akzeptanz von Entlassungen zu leisten. (3) Dauer der Betriebszugehörigkeit Arbeitgeber haben sich gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG bei betriebsbedingten Kündigungen bei der Auswahl der zu Entlassenden an den Sozialauswahlkriterien (Betriebszugehörigkeitsdauer, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) zu orientieren. Ziel sollte es sein, vorrangig jene Mitarbeiter zu entlassen, deren soziale Schutzbedürftigkeit im Verhältnis am geringsten ausfällt. Bezüglich der Betriebszugehörigkeit konnte gezeigt werden, dass Entlassungen von Arbeitnehmern mit kürzerer Zugehörigkeitsdauer als gerechter empfunden werden1229. Es scheint also Überschneidungen zwischen den normativen Wertvorstellungen und gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen zu geben, sodass Unternehmen, die sich um die Einhaltung der Sozialauswahlkriterien bemühen, davon ausgehen können, dass die wahrgenommene (prozedurale) Gerechtigkeit von Entlassungen dadurch positiv beeinflusst wird1230.

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S. 3f.). Da der Akquisition von unternehmensspezifischem Humankapital häufig die (implizite) Zusage bezüglich einer erhöhten Arbeitsplatzsicherheit (diversen Aufstiegschancen, Gehaltssteigerungen o. Ä.) vorausgeht, um Arbeitnehmer zu derartigen Humankapitalinvestitionen zu bewegen, würde es im Nachhinein einem Bruch des impliziten Arbeitsvertrags und einer Verletzung des Equity-Prinzips gleichkommen, wenn diese Mitarbeiter vorrangig entlassen werden würden. Die Equity-Theorie geht davon aus, dass Personen im Rahmen von Austauschbeziehungen ihren erbrachten Input (im Arbeitsverhältnis: z. B. Erfahrungen, Fähigkeiten, Verantwortung, Engagement, Zeit) und erhaltenen Outcome (z. B. Bezahlung, Unterstützung und Wertschätzung durch Vorgesetzte, Unternehmensklima, Arbeitszufriedenheit) mit dem Einsatz- und Ertragsverhältnis anderer Referenzpersonen im jeweiligen Umfeld (z. B. Kollegen, Arbeitnehmer anderer Unternehmen) vergleichen (vgl. ADAMS 1963; ADAMS 1965). Gerechtigkeit wird empfunden, wenn zwischen Einsatz- und Ertragsverhältnis (sowohl in Bezug auf die eigene Person als auch in Bezug auf andere Personen) keine größeren Abweichungen bestehen. So stieg die Akzeptanz eines sonst ähnlichen Entlassungsszenarios um über 10 %, wenn der zu Entlassende statt zehn nur zwei Jahre im Unternehmen beschäftigt war (vgl. STEPHAN 2006, S. 3f.). Das hinter der Betriebszugehörigkeit stehende „so genannte Senioritätsprinzip („last in, first out“) begünstigt sowohl das Beitragsprinzip [gerechte Zu- oder Verteilung muss sich an den Beiträgen der Gruppenmitglieder ausrichten] als auch das Bedarfsprinzip [gerechte Zu- oder Verteilung muss sich an den grundlegenden Lebensbedürfnissen der Gruppenmitglieder orientieren], weil es gleichzeitig die erbrachten Leistungen für das Unternehmen [Beitragsprinzip] und die schlechteren Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmer berücksichtigt [Bedarfsprinzip]“ (PFEIFER/ SOHR 2008, S. 386; vgl. auch ebd., S. 392; KRAUSE/ PFEIFER/ SOHR 2006, S. 37, 54; ROUSSEAU/ ANTON 1988, S. 277, 282). Vgl. PFEIFER/ SOHR (2008), S. 397; KRAUSE/ PFEIFER/ SOHR (2006), S. 67, 69; STRUCK/ KRAUSE/ PFEIFER (2008), S. 116; BROCKNER (1992), S. 13; BROCKNER ET AL. (1990), S. 393ff.

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(4) Soziale Abfederung von Entlassungen Die konkrete Ausgestaltung von Entlassungen ist maßgeblich dafür, ob und inwiefern den Bedürfnissen der Entlassenen (und damit dem Bedarfsprinzip) entsprochen werden kann. „Sanfte“ (integre bzw. sozialverträgliche) Entlassungen, bei denen Arbeitgeber den Arbeitnehmern als Ausgleich für ein mögliches Abrutschen in die Arbeitslosigkeit oder als Anerkennung für gezeigte Treue eine großzügige finanzielle Entschädigung (Abfindung, Sozialplan) gewähren und/ oder versuchen, sie (z. B. durch Beschäftigungsgesellschaften oder Outplacement) bei der Vermittlung in neue Arbeit zu unterstützen, werden als gerechter empfunden als Entlassungen, bei denen die mit dem Stellenverlust verbundenen Härten nur oder nicht einmal so weit kompensiert werden, als es arbeitsrechtlich vorgeschrieben ist1231. Das Unternehmen sollte signalisieren, dass es sich für alle Betroffenen verpflichtet fühlt und darum bemüht ist, gleiche Fälle auch gleich zu behandeln. Für die distributive Fairness spielt es zudem eine Rolle, welche Maßnahmen allen und welche nur ausgewählten Mitarbeitern (etwa auf höheren Ebenen oder leistungsschwachen Mitarbeitern) angeboten werden. (5) Sichtbare Bemühungen zur Entlassungsvermeidung im Vorfeld Entlassungen werden als gerechter empfunden, wenn der Arbeitgeber im Vorfeld Bemühungen angestellt hat, um diese (durch Einsparungen in anderen Bereichen, kollektive Arbeitszeitverkürzung, Nutzung der natürlichen Fluktuation, Kurzarbeit, den Aufbau neuer Produktfelder) zu vermeiden, auch wenn der Versuch gescheitert ist1232. In derartigen Vermeidungsbemühungen kommt die eigentliche Problemlösungskompetenz (und nicht zuletzt Sozialkompetenz) des Managements zum Ausdruck. Nur knapp ein Viertel der Befragten bewertet Entlassungen als gerecht, bei denen im Vorfeld keine Vermeidungsbemühungen angestellt wurden und zugleich auch keine Einbindung der Mitarbeiter erfolgt ist 1233. Hat sich 1231

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Vgl. PFEIFER/ SOHR (2008), S. 386f., 392; KRAUSE/ PFEIFER/ SOHR (2006), S. 37f., 55; PFEIFER (2006), S. 26ff.; KRAUSE/ STRUCK (2008), S. 230; GERLACH ET AL. (2006), S. 12, 18; CHARNESS/ LEVINE (2000), S. 387, 390; BROCKNER (1992), S. 13f.; ROUSSEAU/ ANTON (1988), S. 277, 282; BROCKNER ET AL. (1987); BROCKNER ET AL. (1990), S. 393ff.; BECKE (2008), S. 284; HÖLAND/ ZEIBIG (2007), S. 248, 250. Fast zwei Drittel der Befragten gaben im betrachteten Referenzszenario an, sozialverträgliche Entlassungen (mit großzügiger Abfindung und Hilfe bei der Stellensuche) als gerecht zu erachten. Das entspricht einer Akzeptanzsteigerung um grob 30 % im Vergleich zu harten, am gesetzlichen Mindeststandard orientierten Entlassungen (vgl. STEPHAN 2006, S. 3f.). Vgl. KRAUSE/ PFEIFER/ SOHR (2006), S. 38f., 55, 62; PFEIFER (2006), S. 31f.; KRAUSE/ STRUCK (2008), S. 229, 232; BROCKNER ET AL. (1987), S. 526; BROCKNER ET AL. (1990), S. 393ff.; BROCKNER (1992), S. 10; HÖLAND/ ZEIBIG (2007), S. 247f.; KAVANAGH (1982), S. 22f. Vgl. zum betrachteten Referenzszenario STEPHAN (2006, S. 3).

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der Arbeitgeber um eine Vermeidung bemüht, so werden Entlassungen von rund der Hälfte der Befragten (45 %) als gerecht eingestuft1234. Dieser Umstand deckt sich nicht nur mit den Erwartungen der Mitarbeiter aus dem - zunehmend durch neue Elemente überlagerten, aber weiterhin gültigen traditionellen - psychologischen Arbeitsvertrag („langfristige Arbeitsplatzsicherheit gegen Loyalität und Commitment“)1235, sondern auch mit den Kündigungsschutzbestimmungen, wonach Kündigungen nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie wegen dringender betrieblicher Erfordernisse unvermeidbar erscheinen (Ultima-Ratio-Prinzip). (6) Partizipation der Mitarbeiter und des Betriebsrats Menschen fühlen sich übergangen, wenn Entscheidungen, welche sie betreffen (und dazu noch von großer Bedeutung sind), über ihren Kopf hinweg gefällt (oder wenn Entscheidungen bei neuer Informationslage nicht adäquat korrigiert) werden. Folglich werden Entlassungen als gerechter empfunden, wenn die Mitarbeiter und der Betriebsrat gemäß den gesetzlichen Vorschriften am Entlassungsprozess beteiligt werden und ihre Meinung frühzeitig äußern können 1236. Zu einer solchen Beteiligung gehört die rechtzeitige Kommunikation mit allen Beteiligten (vgl. 1.)1237, aber auch ein offenes Ohr für alternative (z. B. im Zuge eines Zero-BaseBudgeting1238 entwickelte) Kostensenkungsvorschläge vonseiten der Mitarbeiter1239. Die aktive Mitwirkung des Betriebsrats an Entlassungen gestattet zudem

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Vgl. STEPHAN (2006), S. 3. Für die Gerechtigkeitsbewertung von Lohnkürzungen resultiert ein ähnliches Bild. Insgesamt „zeigt sich, dass es vielen Unternehmen gelingt, [...] Negativreaktionen zu vermeiden, wenn sie im Sinne der Verpflichtungen des alten psychologischen Vertrages handeln“ (HAUFF 2007, S. 43). Vgl. PFEIFER/ SOHR (2008), S. 388f., 395f.; KRAUSE/ PFEIFER/ SOHR (2006), S. 40f., 55, 62; PFEIFER (2006), S. 27ff.; KRAUSE/ STRUCK (2008), S. 222; STEPHAN/ STRUCK/ KÖHLER (2006b), S. 15; HÖLAND/ ZEIBIG (2007), S. 248f. So erachtet ein knappes Drittel der Befragten Entlassungen als gerecht, bei denen Arbeitnehmer und deren Vertreter in die Entscheidungsprozesse des Managements eingebunden waren (vgl. STEPHAN 2006, S. 3). Vgl. BROCKNER (1992), S. 11. Beim Zero-Base-Budgeting (ZBB) handelt es sich um eine Analyse- und Planungstechnik, welche Anfang der 1960er Jahre von PHYRR bei Texas Instruments entwickelt wurde (vgl. PHYRR 1970, S. 111; PHYRR 1977, S. 169; MEYER-PIENING 1989, S. 2277ff.; SPIES 1981, S. 259; FANDEL ET AL. 2009, S. 420f.; HUBER 1987, S. 54; STIBBE 2009, S. 61; WEGMANN 1982, S. 152f.; BÜHNER 2004, S. 348). So können bislang unbekannte Kostensenkungspotenziale identifiziert, Entlassungen vermieden oder deren Akzeptanz gesteigert werden, da Mitarbeiter den Handlungsspielraum des Managements eventuell besser nachvollziehen können (vgl. BROCKNER 1992, S. 14; CASCIO 2005, S. 48). Auch externe Unternehmensberater greifen in der Regel auf diverse Erfahrungen und Ideen der

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eine Verringerung der zwischen Arbeitgeber und -nehmer bestehenden Informations- und Machtasymmetrien1240. (7) Symbolische Mitbeteiligung der Führungsebene an Kosteneinsparungen Im Sinne der distributiven Gerechtigkeit ist auf eine konsistente und gerechte Verteilung der Lasten aus arbeitsplatzbezogenen Entscheidungen zu achten. Arbeitnehmer erwarten, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten alle im selben Boot sitzen, andernfalls kommt es zur Verletzung des impliziten Vertrags. Entlassungen werden eher akzeptiert, wenn die Entscheidungsträger selbst keine persönlichen Vorteile (etwa in Form von „Kahlschlagprämien“)1241 aus ihren Entscheidungen ziehen und, damit zusammenhängend, auch selbst von den Folgen ihrer Entscheidung getroffen werden1242, etwa durch den Verzicht auf jährliche Erfolgsprämien oder Einbußen in den fixen Vergütungsbestandteilen 1243. Das gilt umso mehr,

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Mitarbeiter zurück, wenn sie im Zuge einer Sanierung oder Restrukturierung ins Unternehmen gerufen werden. Vgl. KRAUSE/ STRUCK (2008), S. 222f. Dadurch wird die Kontrollierbarkeit der Situation für die Arbeitnehmer erhöht, zugleich können sie vor einem willkürlichen oder eigeninteressierten Handeln des Managements geschützt werden. Auch deshalb hat der Betriebsrat u. a. bei der Sozialauswahl (z. B. § 102 Abs. 3 BetrVG) und der Aufstellung eines Sozialplans erzwingbare Mitbestimmungsrechte (§ 112 BetrVG). So auch der ehemalige Bundespräsident HORST KÖHLER (2007): „[W]er in schwierigen Phasen […] Angestellte entlassen muss, der […] sollte sich zweimal fragen, ob es in solchen Situationen angemessen ist, sich selbst gleichzeitig großzügige Gehaltssteigerungen zu gönnen“. Vgl. PFEIFER/ SOHR (2008), S. 388, 394; KRAUSE/ PFEIFER/ SOHR (2006), S. 40, 55; STEPHAN (2006), S. 3f.; KRAUSE/ STRUCK (2008), S. 222, 230; GERLACH ET AL. (2006), S. 14, 18f.; BROCKNER (1992), S. 12f.; CHARNESS/ LEVINE (2000), S. 387f., 391; HÖLAND/ ZEIBIG (2007), S. 248; CASCIO (2005), S. 45; STEINMANN (2001), S. 119; LEVENTHAL (1980), S. 41. Andernfalls kommt es zum Bruch der Bias-Suppression-Regel (vgl. PFEIFER/ SOHR 2008, S. 388), da die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung der Entscheidungsträger womöglich nicht mehr neutral abläuft, sondern durch ökonomische Eigeninteressen überlagert wird. Darüber hinaus führt eine Vorteilsgewährung für das Management bei gleichzeitiger Abstrafung der Mitarbeiter zur Verletzung der Reziprozitätsnorm, wodurch die wahrgenommene Gerechtigkeit weiter sinkt. Ein nicht unerheblicher Teil der Führungskräftevergütung besteht aus erfolgsabhängigen Bestandteilen (wobei häufig bereits bloße Ankündigungen eines Stellenabbaus einen kurzfristigen Kursanstieg bewirken können, was wiederum zum Vergütungsanstieg des Managements führen kann). Wenn bestimmte Ziele also nicht erreicht werden, so fällt die Vergütung automatisch geringer aus. Dieses Argument wird auch von Unternehmensvertretern vorgebracht, um einem Gehaltsverzicht im engeren Sinne, nämlich des fixen Vergütungsbestandteils, vorzubeugen. Insofern fordert WESTPHAL (2003, S. 242): „Eine echte, positive Signalwirkung setzt [...] ein tatsächlicher, freiwilliger Verzicht auf zumindest einen Teil des Fix-Gehalts. [...] Solidarität der gesamten Führungsmannschaft kommt zum Ausdruck, wenn alle gleichermaßen ihr [fixes] Einkommen um denselben prozentualen Anteil reduzieren, um damit zumindest rechnerisch einigen Mitarbeitern die weitere Beschäftigung zu ermöglichen“.

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wenn nachweisbare Fehlentscheidungen des Managements zum Stellenabbau geführt haben1244. Neben einem freiwilligen Gehaltsverzicht ist hier auch an Änderungen des Organisationsdesigns zu denken1245. (8) Persönliche Faktoren (vgl. dazu Unterabschnitt 8.2.2.2): Personen, die sich im Falle betriebsbedingter Kündigungen gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausrechnen, bewerten verschiedene Entlassungsszenarien insgesamt mit höherer Wahrscheinlichkeit als gerecht als solche Personen, die sich nur geringe Chancen ausmalen1246. Damit legt sich nahe, dass Entlassungen von Personen mit höherem Bildungsabschluss (und damit größeren Wiederbeschäftigungschancen sowie einem tendenziell besseren ökonomischen Verständnis) und höherem Einkommen als gerechter erachtet werden. Das nun folgende siebte Kapitel befasst sich mit der Managementethik, deren übergeordnetes Ziel darin besteht, moralische Interessen und ökonomische (Eigennutz-)Interessen im Managementalltag in einem längeren Prozess aneinander anzunähern bzw. beide Dimensionen miteinander in Einklang zu bringen. Dabei werden zwei grundsätzliche Zugänge zur Managementethik vorgestellt und problematisiert: zum einen der Makroansatz, der an den ordnungspolitischen Spielregeln der Gesellschaft ansetzt, zum anderen der Mikroansatz, bei dem die einzelnen Transaktionen im Managementalltag im Fokus stehen.

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Vgl. ORLANDO (2003), S. 44. So kann ein Unternehmen, um seine Zukunftsaufgaben effizienter zu erfüllen und Personalkosten einzusparen, beschließen, teils jahrzehntelang gewachsene Organisationsstrukturen aufzubrechen und die interne Kontroll- bzw. Leitungsspanne zu vergrößern (etwa indem Vorgesetzte eines gewissen Bereichs statt drei bis zu sechs Mitarbeiter unterstellt haben). Inwieweit durch eine solche Maßnahme die Koordination der Arbeit der Mitarbeiter erleichtert oder erschwert wird, soll hier nicht erörtert werden. Wichtig ist nur, dass durch eine Vergrößerung der Kontrollspanne und den Wegfall von Instanzen und Hierarchien Stellen auf der Ebene der (niedrigen) Vorgesetzten wegfallen. Um bei radikalen Veränderungen mit gutem Beispiel voranzugehen und die Glaubwürdigkeit des Gesamtprojekts zu befördern, ist es wichtig, die Unternehmensspitze von Anfang an in die Restrukturierungsmaßnahmen mit einzubeziehen (zumindest insoweit, als es für den Fortbestand des Unternehmens sinnvoll erscheint). Eine weitere Möglichkeit könnte darin bestehen, ausgewählte Führungskräfte, die vor dem Ruhestand stehen, vorzeitig ausscheiden zu lassen und gleichzeitig den jüngeren Kräften mehr Verantwortung zu übertragen. Vgl. im Folgenden PFEIFER/ SOHR (2008), S. 388f., 391, 396; KRAUSE/ PFEIFER/ SOHR (2006), S. 46f., 50, 59, 64; KRAUSE/ STRUCK (2008), S. 231; BROCKNER (1992), S. 15.

7. Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz Ausgangspunkt des Kapitels ist die Frage, wie eine theoretisch-konzeptionelle Annäherung an die Managementethik möglich ist. Zwei zentrale, in ihrem Vorgehen aber verschiedene und in ihrem metaphysischen Weltbild im Grunde konkurrierende Positionen sind makro- und mikroorientierte Konzeptionen, die im Laufe des Kapitels dargestellt und hinsichtlich ihrer Eignung für arbeitsplatzbezogene Fragen diskutiert werden. Wie dabei deutlich werden wird, und so viel sei vorweggenommen, stellt sich vor allem der Mikroansatz als für die vorliegenden Zwecke (aber auch allgemein) geeignetere Rahmenkonzeption heraus, um sich den arbeitsplatzbezogenen Problemen im Management anzunähern und Lösungsansätze aufzuzeigen. Das hängt damit zusammen, dass der Mikroansatz besser in der Lage ist, die faktischen Gegebenheiten - was tatsächlich geschieht - und faktische metaphysische Komplexität der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung bzw. im Unternehmen generell zu erfassen (Letztere wurde bereits im zweiten Kapitel ausführlich thematisiert). Das vorliegende Kapitel ist wie folgt strukturiert: Unterkapitel 7.1 wendet sich zunächst dem Makroansatz einer Managementethik zu, der an den abstrakten Ordnungsregeln (Gesetzen) orientiert ist, welche das Verhalten der Wirtschaftsakteure prägen. Oder kurz gesagt: Im Makroansatz kanalisieren die Spielregeln im Sinne eines fixen Rahmens die Spielzüge. Das zweite Unterkapitel widmet sich den theoretischen Grundlagen des Mikroansatzes einer Managementethik, wobei speziell auf WILLIAMSONs transaktionskostenökonomische Theorie eingegangen wird, die essenzielle theoretisch-konzeptionelle Elemente für den Mikroansatz liefert. Der Mikroansatz geht von den einzelnen Managementtransaktionen aus und beruht damit von vornherein auf einer anderen metaphysischen Betrachtungsweise. Metaphysisch primär im Mikroansatz sind einzelne Transaktionen, welche wiederum, und hier liegt ein wichtiger Aspekt, hochgradig plural sind und durch diverse Determinanten und Faktoren beeinflusst werden. Eine der Determinanten liegt in den staatlichen, gesetzlichen Spielregeln, die aber, wie noch herausgearbeitet wird, für sich genommen nicht ausreichen. Im Unterschied zum Makroansatz stellt der ordnungspolitische Rahmen im Mikroansatz daher nur einen von mehreren handlungsleitenden und kanalisierenden Einflussfaktoren dar, durch welchen das Verhalten der Akteure und damit die konkreten polydimensionalen Transaktionen im Alltagsgeschäft determiniert werden. Ein weiterer relevanter Faktor (neben anderen Faktoren) liegt in der individuellen Tugend der Entscheidungsträger, in der Frage also, ob und inwieweit Entscheidungen auf der © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Wagner, Managementethik und Arbeitsplätze, Studien zur Ethik der Transaktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26382-9_7

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Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Ebene des einzelnen Managers oder Unternehmers durch tugendhaftes Verhalten mitbestimmt werden. Angesichts dessen werden in Unterkapitel 7.3 zunächst die Grundlagen zur ARISTOTELISCHEN Tugendethik und, darauf aufbauend, mit der Governanceethik von WIELAND eine differenzierte („starke“) Tugendethikkonzeption vorgestellt. Letztere basiert auf dem Mikroansatz (Transaktionen werden also als das metaphysisch Primäre angesehen) und erscheint durch ihre plurale, durch vier Determinanten bestimmte Governancefunktion direkt anknüpfungsfähig für eine praxistaugliche Managementethik.

7.1

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen: Makroorientierte Managementethik

Der im Folgenden vorgestellte Ansatz einer makroorientierten Managementethik basiert konzeptionell auf dem älteren ordnungsethischen (ordoliberalen) Konzept von HOMANN1247. Die Anwendung auf managementethische Fragen erfolgte erst durch PIES und Mitarbeiter, deren Konzept der ordonomischen Ethik auf der Logik von HOMANN aufbaut1248. Im ersten Abschnitt des Unterkapitels wird daher zunächst auf die Grundlinien von HOMANNs ordnungsethischem Ansatz eingegangen, bevor in Abschnitt 7.1.2 verschiedene Ebenen und konzeptionelle Bausteine der ordonomischen (Management-)Ethik erläutert werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Ansatz folgt im dritten Abschnitt. Darin wird deutlich, dass eine Metaphysik, welche davon ausgeht, dass das Primäre die Rahmenregeln (und einzelne Ereignisse bzw. Transaktionen im Geschäftsalltag lediglich Marionetten der Rahmenregeln) sind, nur eingeschränkt dazu geeignet ist, die metaphysische Komplexität und das plurale, durch verschiedene Faktoren beeinflusste wirkliche Geschehen der Realität zu erfassen. Der letzte Abschnitt des Unterkapitels wendet sich schließlich der ökonomischen Vertragstheorie BUCHANANs zu, deren Grundmethodik auch von HOMANN in seiner ökonomischen Theorie der Moral einbezogen wird. Dabei wird (u. a. an einem Beispiel im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach § 71 1247

1248

Vgl. HOMANN/ BLOME-DREES (1992), S. 20ff.; HOMANN/ KIRCHNER (1995a); HOMANN (1999); SCHRAMM (2011), S. 170. Erstmals eingeführt wurde der Begriff „Ordonomik“ von PIES (2007). Ordonomik kombiniert als Kunstwort die Begriffe „Ordnung“ („ordo“) und „Gesetz“ bzw. „Gesetzmäßigkeit“ („nomos“) (vgl. PIES 2009a, S. 4). Das unterstreicht, dass die „Gesetzes-Ordnung“ der entscheidende Hebel der ordonomischen Managementethik ist.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

341

SGB IX) aufgezeigt, dass BUCHANANs Konzept einer ökonomischen Vertragstheorie zwar ein (fortschrittliches) Gegenkonzept zur traditionellen Wohlfahrtsökonomik darstellt, zugleich aber nicht mit der Moral oder mit Gerechtigkeit gleichgesetzt werden kann.

7.1.1

Ordnungsethik und Gefangenendilemma als methodische Ausgangsbasis der ordonomischen Managementethik nach PIES ET AL.

Würden sich Menschen - unabhängig ihrer Art, sozialen Stellung, Herkunft, Bildung, Erziehung usw. - in ihrem Verhalten stets an integren Grundsätzen orientieren, so bestünde kein ethischer Handlungsbedarf. Da das aber nicht der Fall ist und Moralappelle oft wirkungslos bleiben (zumal anzunehmen ist, dass Menschen bestimmte Gründe haben, sich nicht an gewisse Moralregeln zu halten), plädiert HOMANNs Ordnungsethik (allgemein: der Makroansatz) dafür, moralische Geltungsansprüche in die für alle verbindlichen Gesetze, im Sinne allgemeiner Spielregeln1249, zu implementieren: „Der systematische Ort der Moral in der Marktwirtschaft ist die Rahmenordnung, die Struktur, die politisch gestaltet wird“ 1250. Der Hebel des Makroansatzes, um das marktwirtschaftliche System im Bedarfsfall

1249

1250

Vgl. HOMANN/ PIES (1991a), S. 609ff. Im Gegensatz zur amerikanischen Business Ethics, welche eher im Bereich der Unternehmensethik angesiedelt ist, erfolgt im deutschsprachigen Raum üblicherweise eine Unterscheidung zwischen Wirtschafts- und Unternehmensethik. Sowohl in der Wirtschafts- als auch in der Unternehmensethik geht es um die Begründung und Umsetzung moralischer Interessen, und das auf eine möglichst ökonomisch tragfähige Art. Die Wirtschaftsethik repräsentiert dabei die Ethik der VWL-Ebene. Sie fragt danach, wie wirtschaftspolitische Ordnungsregeln (national, EU-weit, global) auszugestalten sind, damit die Spielzüge der Unternehmen (Konsumenten usw.) in moralisch erwünschter Weise ausfallen. Die Unternehmensethik steht als Ethik der BWL-Ebene dagegen für die Ebene der Spielzüge der Unternehmen. HOMANN (2002e, S. 4ff.) bringt dazu ein Beispiel aus dem Bereich des Fußballs, das auf den Unternehmenskontext (U) übertragbar ist: Auch beim Fußball gibt es Spielzüge und -regeln, um Fouls zu vermeiden. Innerhalb der Spielregeln (U: gesetzlicher Rahmen) haben die Spieler (U: Unternehmen) die Chance, durch intelligente Spielzüge (U: Entwicklung innovativer Produkte) Tore zu schießen (U: Gewinne zu erzielen). „Grundlage des Wettbewerbs in den Spielzügen ist der Konsens über die Spielregeln, und diese Regeln werden durch eine Erzwingungsinstanz (Gesetze, Justiz, Kartellamt) [Fußball: gelbe/ rote Karte durch Schiedsrichter] durchgesetzt“ (ebd., S. 5). HOMANN (1993), S. 34f. Durch die Verankerung der Moral in der Rahmenordnung erscheint sie „nicht mehr als Motiv oder Tugend, sondern als (rechtliche) Restriktion“ (ebd., S. 35). Jede Spielregeländerung entspricht einer Änderung der Situationslogik, in der die Spieler (Akteure) stehen. Erst wenn diese Bedingungen gegeben sind, können moralisch interessierte Unternehmer ihrem eigentlichen Ziel, das sie womöglich im Auge haben, näher kommen. Andernfalls würden sie in Dilemmasituationen sofort aus dem Markt gedrängt werden.

342

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

ethischer zu gestalten, liegt also in den Spielregeln, welche vom Staat oder anderen Instanzen erlassen und auf die Spielzüge der einzelnen Akteure heruntergebrochen werden1251. Jede Form einer Ausgestaltung der Spielregeln sollte dabei so erfolgen, dass für alle Vorteile generiert werden, da eine Implementierung der betreffenden Spielregeln andernfalls kaum sinnvoll wäre1252. Entscheidend ist nun, dass mit geeigneten Regelwerken selbst bei jenen Akteuren ein gesellschaftskompatibles Verhalten erzeugt werden kann, die sich von sich aus nicht moralisch verhalten würden. Da durch Regeln verborgene Vorteile erzeugt werden, lassen sie es bereits aus Eigeninteresse (Vorteilsstreben) angeraten erscheinen, regelkonform zu handeln1253. Der Anknüpfungspunkt des makroorientierten Ansatzes liegt damit (im Gegensatz zum Mikroansatz) nicht in den alltäglichen Managementtransaktionen und der Moral einzelner Individuen begründet, sondern in den ordnungspolitischen Spielregeln. Durch Regeländerungen sollen gesellschaftlich unerwünschte Wettbewerbsergebnisse (wie Massenarbeitslosigkeit) beseitigt und das „auf dysfunktionale Wettbewerbsanreize“1254 zurückzuführende ruinöse (Konkurrenz-) Verhalten des Managements kanalisiert werden. Das theoretische Grundmodell, auf dem HOMANNs ökonomische Ordnungsethik beruht und das sich durch das gesamte Konzept durchzieht, ist das spieltheoretische Modell des Gefangenendilemmas1255. Alle Wettbewerbs- bzw. Marktsituationen funktionieren HOMANN und PIES zufolge nach dem Muster des Gefangenendilemmas1256. Dieses lässt sich an folgendem Beispiel skizzieren: Unternehmen A und B stehen wegen der zunehmenden Digitalisierung ihrer Produktionsprozesse vor der Frage, wie sie den Personalbestand kurzfristig an sich ändernde Gegebenheiten des Unternehmens- und Marktumfeldes anpassen können, wobei zwei Optionen in Betracht kommen: Zum einen können Mitarbeiter im Sinne einer „Hire-

1251

1252

1253 1254 1255

1256

„Wirtschaftsethik in der Marktwirtschaft ist paradigmatisch Ordnungsethik“ (HOMANN 2002d, S. 30). Vgl. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 322; SCHRAMM (2004a), S. 19. Ein Gesetz verändert einerseits die Auszahlungen der Akteure (z. B. in Form von Bestrafungen), andererseits müssen Gesetze, um als konsensfähig gelten zu können, für alle Vorteile bringen, da sie sonst nicht lange Bestand haben können. Es geht also um allgemeine Vor- und Nachteile, um ökonomische (eigennutzorientierte) Kategorien im weiteren Sinne. Vgl. dazu Abschnitt 7.1.4, der sich mit dem „as-if“-Verhalten befasst. PIES (2009c), S. 241. Vgl. HOMANN/ PIES (1991a); HOMANN/ BLOME-DREES (1992), S. 29ff.; SCHRAMM (2011), S. 170; BENDIXEN (2009), S. 191; AßLÄNDER (2011b), S. 118f. Vgl. HOMANN (2015), S. 51.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

343

and-Fire“-Politik von heute auf morgen (ohne Abfindung) entlassen werden, womit ein schneller und kostengünstiger, jedoch zugleich harter Personalabbau gegeben wäre. Zum anderen besteht die Option, den Stellenabbau durch Transfergesellschaften, Abfindungen oder Outplacement-Beratungen integer und sozialverträglich zu gestalten. Modelliert man die zugrunde liegende Situation spieltheoretisch mit dem Gefangenendilemma, so resultiert folgende Darstellung: Unternehmen B

Sozialverträglicher Personalabbau „Hire-and-Fire“

Unternehmen A

Sozialverträglicher Personalabbau

„Hire-and-Fire“

2

4

Q. IV

Q. I

2

1 1

Q. III 4

3 Q. II 3

Abb. 25: Arbeitsplatzdilemma im Basisspiel des operativen Managements1257

Da ein integrer Personalabbau zumindest kurzfristig Kosten verursacht, ist absehbar, dass aus ökonomischer Sicht ein Zustand eintreten wird, in dem beide Unternehmen für eine „Hire-and-Fire“-Politik (und damit gegen abfedernde Maßnahmen) votieren werden. Im Einzelnen lassen sich vier Fälle unterscheiden, die jeweils zu abweichenden Auszahlungen in Geldeinheiten (GE) für die Unternehmen führen: Sollte A im Alleingang Personal integer abbauen, so kann B bzw. der Rest der Konkurrenz nach der Logik des Gefangenendilemmas den Markt räumen und Wettbewerbsvorteile erringen. B erwirtschaftet dann die Maximalauszahlung von 4 GE (Q. I). A hingegen hat zwar sozial gehandelt, kann aber nur eine Auszahlung von 1 GE realisieren, da es z. B. die Schulungskosten der Entlassenen auf seine Produktpreise überwälzen muss, welche von der Konkurrenz nicht zu tragen sind. Gleiches gilt im umgekehrten Falle, wenn nur B sozialverträglich Personal abbaut 1257

Quelle: Eigene Darstellung.

344

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

(Q. III). In beiden Fällen nehmen die Unternehmen „Wettbewerbsnachteile in Kauf, die ruinös sein könnten“1258. Sollten sich beide Unternehmen für einen integren Abbau entscheiden (Q. IV), so fällt ihre Auszahlung mit je 2 GE (um 1 GE) geringer aus, als wenn sich beide dagegen entschieden hätten (Q. II)1259. Ein rationales Unternehmen wird daher gegen einen sozialverträglichen Abbau votieren (durch „Hire-and-Fire“ kann es seine Auszahlung von 2 auf 4 GE steigern), gesetzt den Fall, dass sich die Konkurrenz dafür entscheidet. Doch selbst wenn von der Konkurrenz kein integrer Abbau praktiziert wird, so liegt die „best-response“1260 dennoch in einer „Hire-and-Fire“-Politik, da ein Unternehmen seine Auszahlung so von 1 auf 3 GE steigern kann. Die Dilemmastruktur führt unausweichlich dazu, dass „es für eine einzelne Firma unmöglich [ist], dieses von allen prinzipiell erwünschte Resultat allein, durch ihr vorbildhaftes Verhalten [...] herbeizuführen sie wird dann durch die Defektion der anderen ausgebeutet“1261. Oder anders formuliert: Ein moralinteressierter Unternehmer, der „aus moralischen Motiven […] eine Erhöhung seiner Kosten in Kauf nimmt, wird mit [...] wirtschaftlichem Ruin bestraft“1262, da ethische Vorleistungen generell von anderen ausgebeutet werden. Die dominante Strategie für alle an diesem gesellschaftlich unerwünschten1263 Dilemma Beteiligten liegt folglich in einer „Hire-and-Fire“-Politik (Q. II), wobei zu 1258 1259

1260 1261 1262

1263

HOMANN/ PIES (1991a), S. 611. Das hängt erneut damit zusammen, dass die Unternehmen die Kosten der Abfindungen auf ihre Produktpreise überwälzen müssen, was sich negativ auf das Kaufverhalten und in der Folge auf ihre Auszahlungen auswirkt. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 323. HOMANN (1997b), S. 195. HOMANN (2002e), S. 4. Vgl. auch HOMANN/ PIES (1991a), S. 610; VON GRUNDHERR (2014), S. 322. Dilemmasituationen sind ambivalent und können nicht nur gesellschaftlich unerwünscht, sondern auch erwünscht sein (vgl. NALEBUFF 1998, S. 90). So ist etwa die Korruptionsvermeidung ein Beispiel für ein gesellschaftlich erwünschtes Dilemma im Bereich des Marktwettbewerbs (vgl. HOMANN/ PIES 1991a, S. 610): Da die Unternehmen einer Branche ein Interesse an hohen Absatzpreisen haben, besteht die aus ihrer Sicht ideale Strategie darin, sich bezüglich der Preise gegenseitig abzusprechen und ein Kartell zu bilden. Noch attraktiver für einzelne Unternehmen erscheint es, alle anderen Unternehmen kooperieren und ihre Preise oberhalb des Marktpreises ansetzen zu lassen, selbst aber die Produkte leicht unter dem Kartellpreis anzubieten und den Markt so zu räumen. Da alle Unternehmen über diese Option Bescheid wissen (und sie umzusetzen versuchen), bricht das Kartell zusammen und der Wettbewerb bleibt erhalten. Im gesellschaftlich erwünschten Dilemma kommt es also „[e]rst dadurch, dass die Anbieter gegen ihre kollektiven Interessen verstoßen [...], [...] zu den von den Konsumenten erwünschten Wettbewerbsergebnissen“ (ebd.). Alle Unternehmen sollen im Dilemma bleiben und Umsätze nur dadurch erzielen können, indem sie zugunsten der „Zuschauer“ konkurrieren und attraktive Wettbewerbsprodukte auf den Markt bringen. Sollte es ihnen doch gelingen, zu kooperieren, dann müsste das Kartellamt für eine Aufrechterhaltung der Dilemmastruktur (und damit des Wettbewerbs) sorgen. Damit „handelt es sich beim

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

345

sehen ist, dass integre Maßnahmen einzelner Unternehmen sogar zur Verschlechterung der Situation der verbleibenden Beschäftigten führen würden, da auch sie beim Ausscheiden des Unternehmens aus dem Markt ihre Stellen verlieren würden. Nicht nur das Unternehmen, auch die Moral hätte sich dann selbst eliminiert. Das Gefangenendilemma führt, wie deutlich wurde, zu ethischen Problemen, aus denen sich Unternehmen nur durch makroinduzierte Ordnungsregeln befreien können. In Dilemmasituationen, in denen (generell) keine Kontingenz herrscht1264, erweist sich nur der ordnungspolitische Rahmen (Wirtschaftsethik) als geeigneter Ansatzpunkt1265. Da die Unternehmen wegen der entstehenden Kosten nicht bereit sind bzw. nicht bereit sein können, freiwillig integre Maßnahmen zu ergreifen, ist es erforderlich, dass der Staat die Auszahlungsverhältnisse durch geeignete Makro-Hebel derart verändert1266, dass die attraktivere (dominante) Strategie wegen der ordnungspolitischen Neuordnung in einem sozialverträglichen Personalabbau besteht und alle Unternehmen so von Q. II zu Q. IV „geleitet“ werden. Eine Implementierung von Arbeitsmarktreformen (samt entsprechender Sanktionsmechanismen) soll dazu beitragen, dass eine „Hire-and-Fire“-Politik zum ungeeigneten, da zu kostenintensiven Flexibilisierungsinstrument für die Unternehmen wird. Im nächsten Abschnitt wird der aus drei Hauptschritten bestehende konzeptionelle Aufbau der ordonomischen Managementethik erläutert.

7.1.2

Aufbau der ordonomischen Managementethik

Das managementethische Programm von PIES ET AL. besteht aus drei Bausteinen, welche im Folgenden näher erläutert werden: das soziale Dilemma, die orthogonale Positionierung und das managementethische Drei-Ebenen-Schema. Wie bei HOMANNs Ordnungsethik bilden auch bei PIES‘ ordonomischer Ethik Dilemmasi-

1264 1265 1266

Wettbewerb um ein Dilemma, das die Marktwirtschaften westlichen Typs gezielt etabliert haben“ (ebd.). Vgl. dazu Abschnitt 3.3.4, der sich mit dem Begriff der „Kontingenz“ befasst. Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 19. Gemeint sind sozialpolitisch motivierte Eingriffe in den Arbeitsmarkt (in den Bereichen Kündigungsschutz, Sozialplanpflicht, Mitbestimmung o. Ä.).

346

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

tuationen in den Innen- und Außenbeziehungen des Unternehmens die Ausgangsbasis1267. Alle Markt- und Wettbewerbssituationen, also auch im Arbeitsplatzkontext, werden als Dilemmasituationen modelliert1268. Damit geht die ordonomische Ethik davon aus, dass Unternehmen ohne Vorliegen geeigneter ordnungsethischer Regelwerke keine Chance haben, aus Dilemmata auszubrechen, da moralische Vorleistungen im Wettbewerb ausgebeutet werden. Das Dilemma, in dem Unternehmen stecken, „kann nur dadurch gelöst werden, dass man sich klugerweise entschließt, ein anderes Spiel zu spielen“1269, also eine Neudefinition der Spielregeln vorzunehmen. Spielregeländerungen beeinflussen wiederum die Anordnung der Auszahlungsverhältnisse und die dominante Strategie der Unternehmen 1270. Die Frage, nach welchem Schema Spielregeländerungen ausgestaltet bzw. Dilemmasituationen aufgelöst werden sollten, um zu wirkungsvollen Spielregeln zu gelangen, bildet einen weiteren Fokus der ordonomischen Ethik. Als geeignete Semantik (gr. semainein: zum Zeichen gehörig)1271, d. h. als geeignetes inhaltliches Denkmuster für Spielregeländerungen, sieht PIES die orthogonale Positionierung an1272. Seine Argumentation beruht auf der Annahme, dass die gesellschaftliche Moralkommunikation (und damit viele managementethische Probleme) bislang 1267

1268

1269 1270

1271

1272

Vgl. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 323; PIES (2009a), S. 8f. „Wettbewerb stürzt die Konkurrenten immer in ein soziales Dilemma“ (PIES 2009b, S. 17). Vgl. PIES (2011, S. 15) für ein arbeitsplatzbezogenes Beispiel: „Analog liegt ein moralistischer Denkfehler dort vor, wo Unternehmen in einer Konjunkturkrise appellativ aufgefordert werden, auf kurzfristige Entlassungen um des Gemeinwohls willen zu verzichten [ein moralistischer Denkfehler liegt genau genommen dann vor, wenn eine Konjunkturkrise eine Dilemmasituation darstellt; das kann sein, muss es aber nicht]. Das typische Resultat besteht darin, dass solche Appelle nicht befolgt werden, so dass von ihnen kein Beitrag ausgeht, das zugrunde liegende Anliegen die Vermeidung sozialer Härten durch Arbeitslosigkeit - wirksam zur Geltung zu bringen. Vermieden wird dieser Denkfehler hingegen, wenn Unternehmen durch eine Kurzarbeiterregelung mit Anreizen ausgestattet werden, ihre Belegschaft im Konjunkturabschwung länger zu halten. Zur Vermeidung moralistischer Denkfehler […] ist es ratsam, […] davon auszugehen, dass wirtschaftliche Akteure ihr Verhalten nicht […] auf Zuruf ändern können, sondern nur dann, wenn man ihnen die richtigen Anreize gibt und […] institutionell [durch Spielregeln] dafür sorgt, dass Verhaltensweisen, die das moralische Anliegen befördern, im Wettbewerb nicht bestraft werden“. PIES (2009a), S. 12. Vgl. PIES (2009a), S. 9, Abb. E-4. Insoweit orientiert sich die ordonomische Ethik zunächst an den Erkenntnissen der Ordnungsethik: Dilemmasituationen können nur durch Spielregeländerungen behoben werden. Die Semantik stellt auf die inhaltliche Bedeutung von Wörtern und Sätzen ab, wohingegen es der Grammatik (Syntax, gr. syntaxis: Zusammenordnung, Lehre vom Satzbau) um die Form geht, darum also, wie die Grundelemente einer Sprache zu zulässigen, formal korrekten Wörtern und Sätzen zusammengesetzt werden können. Vgl. PIES (2009a), S. 11; PIES (2009b), S. 2; PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 321.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

347

als Konflikt zweier Parteien gesehen werden, zwischen denen unvereinbare Interessengegensätze in Bezug auf Gewinnstreben und Moral bestehen 1273. Dabei zerren die Ökonomisten das Tau eigeninteressiert in die Richtung des Gewinns, die Moralisten dagegen in die Richtung der schützenswerten Fremdinteressen bzw. Moral, wobei sich jede Gruppe nur auf Kosten der jeweils anderen besserstellen kann, da „die Moralkommunikation nicht auf Konsens, sondern auf Dissens programmiert“1274 ist (vgl. Abb. 26, links). Gewinnstreben (Eigeninteresse)

Gewinnstreben (Eigeninteresse) Win

Economic Point of View

Orthogonale Positionierung → Konsens

Moral Point of View Moral (legitime Fremdinteressen)

Win

Tradeoff → Dissens

Moral (legitime Fremdinteressen)

Abb. 26: Verhältnis von Gewinnstreben und Moral: Tradeoff vs. orthogonale Positionierung1275

Der Moral Point of View wird nur in südöstlicher, der Economic Point of View nur in nordwestlicher Richtung gesucht. Ein solcher Werte-Tradeoff, der „die konfligierenden Parteien [...] mit dem Anreiz konfrontiert [...], den eigenen Wert zu übertreiben“1276, lässt sich in vielen politisch-gesellschaftlichen Debatten (zum Arbeitsmarkt, Gesundheitssystem usw.) diagnostizieren. Hier sind „Interessengruppen [...] geübt darin, die öffentliche Kommunikation professionell in ihrem Sinn zu manipulieren“1277, um die angestrebte Kompromisslösung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Zur Überwindung solch unfruchtbarer Wertestreitigkeiten 1273 1274 1275 1276 1277

Vgl. PIES (2009c), S. 235f. PIES (2009c), S. 236; PIES (2009a), S. 5. Quelle: PIES (2009c), S. 236 - abgeändert. PIES (2009a), S. 6. PIES (2009a), S. 6.

348

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

schlägt PIES vor, sich bei der Lösungssuche nicht innerhalb des Werte-Tradeoffs zu positionieren, sondern jenseits davon, in nordöstlicher Richtung. Nur so können Win-win-Potenziale, die sich durch einen höheren Gewinn, mehr Moral und mehr Stabilität auszeichnen, ausgeschöpft werden (vgl. Abb. 26, rechts): „[D]ie Methode der „orthogonalen Positionierung“ [...] propagiert einen Wechsel der Blickrichtung um 90° und lädt dazu ein, die Konfliktlösung nicht innerhalb des Tradeoffs, sondern jenseits des Tradeoffs [in Richtung orthogonale Positionierung] zu suchen“1278. Ziel ist es, den auf einem festen handlungstheoretischen Nullsummendenken basierenden Wertekonflikt zwischen Eigeninteresse und Moral in einen veränderbaren situationstheoretischen Interessenkonflikt zu transferieren, um so „die zugrunde liegenden Denk- und Handlungsblockaden zu überwinden und das vernachlässigte gemeinsame Interesse in den Vordergrund zu rücken“ 1279. Das dritte Element der ordonomischen Ethik, das die orthogonale Positionierung systematisch mit Dilemmastrukturen verbindet und dabei den Weg zur Managementethik öffnet, bildet das Drei-Ebenen-Schema1280. Es unterscheidet drei Ebenen, auf denen drei Arten von Spielen differenziert werden: Regelbefolgungsspiel (Basisspiel: operatives Geschäft), Regelsetzungsprozess (Metaspiel: „über“ dem Alltagsgeschäft werden von der Politik als Makroebene Regeln gesetzt) und Regelfindungsdiskurs (Meta-Metaspiel: Semantik, welche Regel gesetzt werden sollte)1281. Nachfolgend werden alle drei Ebenen vorgestellt und im Hinblick auf managementethische Fragen im Zusammenhang mit dem Abbau von Arbeitsplätzen untersucht1282. Abb. 27 verdeutlicht als Gesamtschema die Anwendung der drei Ebenen auf eine Managementethik.

1278 1279 1280 1281 1282

PIES (2009a), S. 7. PIES (2009a), S. 22. Vgl. PIES (2009a), S. 11; PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 325f. Vgl. PIES (2009a), S. 11. Das Basisspiel wird bei PIES immer als Dilemma modelliert. Vgl. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 325; PIES (2009a).

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

349

Input RezeptionsKompetenz

Ebene 4

Ebene 3 Strategisches Management Ebene 2

Metaspiel

StakeholderDialog VermittlungsKompetenz

GovernanceKompetenz

Ebene 1 Operatives Management

MetaMetaspiel OrientierungsKompetenz

Output

Basisspiel

Wertschöpfung durch Kooperation mit Stakeholdern zum wechselseitigen Vorteil (Win-win) Management des Unternehmens

Stakeholder des Unternehmens

Abb. 27: Unternehmensethische Kompetenzen für das strategische Management korporativer Akteure1283

Ebene 1 (operatives Management): Basisspiel (→ Optimierungskompetenz) Das Regelbefolgungs- bzw. Basisspiel bezieht sich als Marktspiel auf das operative Management und damit auf sämtliche Interaktionen im normalen Alltagsgeschäft bei gegebenen Spielregeln1284. Auf dieser Ebene sind zwei Punkte hervorzuheben: 1. Ausgangssituation: soziales Dilemma (paretoinferiores Nash-Gleichgewicht) Der gesamte Ansatz ist, wie hingewiesen, nach dem Muster des Gefangenendilemmas modelliert. Im Basisspiel werden demnach Situationen betrachtet, in denen „das Potenzial einer wechselseitigen Besserstellung bisher nicht ausgeschöpft wird“1285, so etwa der Umstand, dass die dominante Strategie der Unternehmen in einer (gesellschaftlich unerwünschten) „Hire-and-Fire“-Politik

1283 1284 1285

Quelle: PIES (2009c), S. 249 - abgeändert. Vgl. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 325; PIES (2009a), S. 11. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 322.

350

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

liegt. Wäre das nicht so, dann gäbe es keine Notwendigkeit, sich für Regeländerungen einzusetzen1286. Moralische Vorleistungen „kosten“ also1287. 2. Ziel: Managementaufgabe: Optimierung/ Gewinnmaximierung Das Basisspiel kann im vorliegenden Ansatz nur so funktionieren, dass unternehmerisches Handeln im Wertschöpfungsprozess generell am Gewinnmaximierungsprinzip ausgerichtet wird. Unternehmensethik wird also aus wirtschaftsethischer und marktorientierter Perspektive heraus entwickelt. So weisen PIES ET AL. als starke Verfechter des Marktwettbewerbs darauf hin1288, dass „[i]m ordonomischen Theoriedesign [...] die Unternehmensethik [bzw. Managementethik] in eine Wirtschaftsethik eingebettet und deshalb marktwirtschaftskonform [ist]. [...] Dabei wird durchgängig in Rechnung gestellt, dass Unternehmen im Wettbewerb stehen und dass sie ihre Existenz [...] aufs Spiel setzen, wenn sie in ihrem Gewinnstreben nachließen“1289. Es wird deutlich, dass eine marktkonforme Managementethik „[i]m situativ auftretenden Konflikt zwischen Gewinn und Moral [...] nicht mehr darauf setzen [kann], diesen Konflikt durch dauerhaften Verzicht auf Gewinn zu entschärfen“ 1290, da dies zum 1286

1287

1288

1289 1290

Präzisierend sei hinzugefügt: Das Basisspiel des operativen Managements wird bei PIES immer bzw. erst dann als Dilemma modelliert, sobald ein Widerstreit zwischen Gewinn und Moral auftritt. Solange ein reibungslos funktionsfähiger Marktmechanismus (und damit ein solcher Konflikt nicht) vorliegt, besteht keine Notwendigkeit, den New-Governance- bzw. Regelsetzungsprozess zu starten, da das bestehende Basisspiel fortgeführt werden kann. Sie „kosten“ aber (auch bei PIES) nur dann, wenn ein Dilemma oder ein Widerstreit zwischen Gewinn und Moral vorliegt. PIES ET AL. heben die moralische Vorzugswürdigkeit des Wettbewerbssystems stark hervor: „Die Marktwirtschaft hat global zu einem ungeahnten Zuwachs an Wohlstand geführt. Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der wissenschaftlichen Diskussion gerät die Außergewöhnlichkeit dieser Entwicklung zuweilen aus dem Blickfeld. In einem welthistorisch bisher einmaligen Umfang profitieren Menschen auf breiter Front, und zwar nicht nur materiell [z. B. in Bezug auf das Pro-Kopf-Einkommen], sondern auch immateriell [z. B. in Bezug auf ihre Lebenserwartung]“ (PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN 2009, S. 319). Auch HOMANN beschwört an vielen Stellen die segensreichen Effekte des Wettbewerbs und der Marktwirtschaft „pur“ (vgl. HOMANN 2015, S. 47). Für ihn „ist der Wettbewerb […] ein hoch elaboriertes Instrument zur Verwirklichung der Solidarität aller“ (ebd., S. 49). Aufgrund der Verdienste der Marktwirtschaft (des Gewinnprinzips, des Codes „Zahlen/ Nichtzahlen“) ist für PIES ET AL. klar, dass jedwede Managementethik nur als „marktwirtschaftliche Managementethik“ aufgezogen werden kann, in der ethische Ziele und Vorstellungen (in Sachen Kündigungsschutz, Umweltschutz usw.) über die oder innerhalb der Marktlogik erschlossen werden müssen. Das Gewinnprinzip steht in einer Marktwirtschaft nicht zur Disposition. Insofern ist klar, dass die Regel, nach der das Basisspiel funktioniert, die Gewinnmaximierung ist. PIES (2009c), S. 246. Ähnlich PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 320. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 320. Stattdessen „kann es nur darum gehen, Anreizarrangements zu (er-)finden, die eine Kompatibilität zwischen Gewinn und Moral herbeiführen und

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

351

Auseinanderklaffen von Management- und Wirtschaftsethik und damit zum Ausscheiden der Unternehmen aus dem Markt führen würde. Aufgabe der ordonomischen Managementethik ist es damit, der Marktlogik neue Anwendungsfelder zu erschließen bzw. die Marktlogik in neuen Anwendungsfeldern zu nutzen. Es ist nach Lösungen zu suchen, welche nicht gegen, sondern mit der Marktlogik arbeiten. Wie noch deutlich wird, dienen die nachfolgenden strategischen Theorieebenen genau diesem Ziel. Angesichts dessen würde es z. B. sinnvoll erscheinen, zum Schutz von Arbeitsplätzen (oder zur Durchsetzung eines sozialverträglichen Stellenabbaus) marktwirtschaftliche Instrumente einzusetzen, so wie es etwa im Bereich des Umweltschutzes durch diverse Abgaben, Steuern und handelbare Nutzungsrechte geschieht1291. So könnte, um ein vereinfachtes Beispiel zu geben, eine Art „Sozialplanpflicht“, die vorsieht, allen von Entlassung Betroffenen pauschal eine Abfindung in Höhe des letzten Jahresgehalts zu zahlen, als ein solches marktwirtschaftliches Instrument gesehen werden. Die Integrität des Personalabbaus wäre dann ab dem Zeitpunkt der Einführung der Regel wettbewerbsneutral in den Markt eingebettet und das Erfordernis individueller Vorleistungen würde entfallen. Da HOMANN und PIES im Wettbewerb nur von Dilemmasituationen ausgehen, würden derartige Lösungen unausweichlich erscheinen. Ebene 2 (strategisches Management): Metaspiel (→ Governancekompetenz) Auf der Basisspiel-Ebene gibt es für einzelne Unternehmen keinen Ausweg aus gesellschaftlich unerwünschten Zuständen, da moralische Vorleistungen im Dilemma zum systematischen Wettbewerbsnachteil gegenüber der moralisch indifferent handelnden Konkurrenz führen. Um solche Dilemmasituationen zwischen Gewinn und Moral zu lösen, ist es nach PIES erforderlich, „ein anderes Spiel zu spielen“1292 und von der Ebene des Basis- auf die des Metaspiels zu wechseln. Es bedarf also eines anderen Problemlösungsmodus. Gegenstand der Metaebene ist die Sozialstruktur1293. Das heißt Manager, die Managementethik betreiben wollen, müssen einen Beitrag dazu leisten, dass die Spielregeln, welche im Basisspiel des

1291 1292 1293

so die Logik der Marktwirtschaft nicht außer Kraft setzen, sondern forciert in Kraft setzen“ (ebd., S. 321). Vgl. PIES (2009b), S. 24. PIES (2009a), S. 12. „Ein anderes Spiel spielen“ bedeutet, dass man andere Spielregeln benötigt. Vgl. PIES (2009a), S. 11; PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 328. „[A]uf der Ebene der „Sozialstruktur“ [geht es] darum, das kontra-produktive Lose-Lose-Dilemma in eine Win-Win-Situation zu transformieren[...], die bewirkt, dass das operative „Basisspiel“ wieder exklusiv als ökonomische Optimierungsstrategie gespielt werden kann“ (SCHRAMM 2011a, S. 172).

352

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Alltagswettbewerbs gelten, so geändert werden, dass moralische Anliegen der Mitarbeiter und anderer Stakeholder auf der Ordnungsebene gelöst werden. Hierzu benötigen sie jedoch „Governancekompetenz“, um „[n]eben [...] Governance-Prozessen organisationsinterner Regelsetzung [...] auch [...] an New-Governance-Prozessen gesellschaftlicher Regelsetzung konstruktiv teilzunehmen“1294. Die Maxime lautet in beiden Fällen: „Nicht bessere Spielzüge im gegebenen Spiel [sie würden zum Untergang des Unternehmens führen], sondern bessere Regeln (und Anreize) für ein anderes [gemeinsames] Spiel“1295, um dieses „wechselseitig vorteilhaft steuern“1296 zu können. PIES ET AL. unterscheiden daher zwei Arten von Managementaufgaben: operatives und strategisches Management1297. Im Gegensatz zum Basisspiel, bei dem die Optimierung betriebswirtschaftlicher Spielzüge des Alltagsgeschäfts bei gegebenen Spielregeln im Zentrum steht, geht es beim strategischen Management (auf der Meta- und Meta-Metaebene) um den Prozess, in dem Unternehmen bzw. Manager - „im eigenen Interesse!“1298 - selbst „Ordnungsverantwortung in Regelsetzungsprozessen und Regelfindungsdiskursen“1299 übernehmen, um gesellschaftlich unerwünschte Marktprozesse auszuschalten und Fehlanreize zu korrigieren1300. Das Metaspiel soll dafür sorgen, dass 1294

1295 1296 1297 1298 1299 1300

PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 328. Die Steuerungsinstrumente des internen Regelsetzungsprozesses können zum einen formaler Art sein. Zu denken ist an „Bindungsmechanismen [...], angefangen vom Vertragsrecht über Betriebsverfassungen und freiwillige Zertifizierungen bis hin zur Mitgliedschaft in Berufsverbänden oder Branchenvereinbarungen“ (BECKMANN/ PIES 2009b, S. 212). Sie können zudem informaler Art sein. In diesem Fall handelt es sich um freiwillige Selbstverpflichtungen (wie Verhaltenskodizes, Codes of Ethics, Wertemanagementsysteme), „mit denen sich Unternehmen auf moralische Grund- oder Leitsätze, Verfahrensrichtlinien und Standards festlegen“ (BECKMANN/ PIES 2009a, S. 163), um sich so gegenüber allen Stakeholdern selbst zu binden. Im einseitigen Gefangenendilemma kann gesellschaftliche Ordnungsverantwortung von einzelnen Unternehmen durch individuelle Selbstbindung wahrgenommen werden: Dabei „kann jener Spieler, der über die asymmetrische Ausbeutungsoption verfügt, [...] durch Einsatz eines Pfands [...] die Ausbeutungsstrategie für sich so unattraktiv machen, dass sein Kooperationsangebot für andere glaubwürdig wird“ (BECKMANN/ PIES 2009b, S. 204). Im mehrseitigen Dilemma erfordert die gesellschaftliche Regelsetzung ein koordiniertes Handeln mehrerer Unternehmen (kollektive Bindung), etwa durch „Branchenvereinbarungen, gemeinsame Standardsetzung oder Integritätspakte. Das Stichwort lautet: Corporate Citizenship“ (PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN 2009, S. 328). PIES (2009a), S. 12f. BECKMANN/ PIES (2009b), S. 203. Vgl. im Folgenden PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 323ff. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 325. BECKMANN/ PIES (2009b), S. 217. „Gelöst werden kann das Problem [der Dilemmata] nur durch ein Umschalten auf den zweiten Problemlösungsmodus: durch ein strategisches Situationsmanagement, das die Regeln und damit

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

353

aus dem dilemmatischen Basisspiel ein wettbewerbsneutrales Spiel wird, indem die Spielregeln des Basisspiels gemäß den gesellschaftlichen Zielvorstellungen überarbeitet und/ oder neue Spielregeln eingeführt werden1301. Wie erläutert, kommt es dadurch zur Änderung der Auszahlungsverhältnisse für alle Unternehmen, sodass es betriebswirtschaftlich attraktiver wird, z. B. einen integren Stellenabbau zu praktizieren (und etwaige Strafen zu vermeiden). Hier wird zugleich deutlich, weshalb die ordonomische Ethik ein makroorientiertes Konzept darstellt: Die Moral spielt sich nicht im Basisspiel, also in den Spielzügen des operativen Managements ab, sondern wird allein über entsprechende Spiel- bzw. Ordnungsregeln implementiert. Die Managementethik bezieht sich bei PIES ET AL. primär auf das strategische Management, nicht auf das Alltagsgeschäft 1302. Um auf der Metaebene (als praktischer Ebene) aber richtige Spielregeln einzufordern, müssen sich „[d]ie Kompetenzen von [ethikinteressierten] Managern [...] auf [die „richtige“] Sozialstruktur [Meta-Ebene] und Semantik [Meta-Meta-Ebene] beziehen“1303. Das theoretische Denkmuster wiederum, nach dem sämtliche Spielregeln eines gewissen Gesellschaftszustands geändert werden sollten, damit nicht nur eine, sondern (im Win-win-Sinne) beide konkurrierenden Parteien „gewinnen“, kommt auf der dritten Ebene im sog. „Meta-Metaspiel“ zum Ausdruck. Ebene 3 (strategisches Management): Meta-Metaspiel (→ Orientierungskompetenz) Auf der obersten Ebene des Drei-Ebenen-Schemas liegt das Meta-Metaspiel, dessen Ziel es ist, „sich im Diskurs über jene Regeln zu verständigen, die im gemeinsamen Interesse liegen könnten“1304 (dieser moderne Gedanke könnte auch wie folgt formuliert werden: die Spielregeln sollen von allen gemeinsam entwickelt

1301

1302 1303

1304

die Anreize neu justiert, so dass eigeninteressierte Akteure ihre Handlungen [betriebswirtschaftlichen Spielzüge] neu ausrichten und sich wechselseitig besserstellen“ (PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN 2009, S. 323). Sobald also moralische Probleme im Basisspiel auftreten, ist es erforderlich, eine Ebene höher zu gehen und eine Änderung der Spielregeln einzuleiten (daher „ordonomische Ethik“ bzw. „Makro-Ansatz“: der entscheidende Hebel liegt in den Spielregeln). Dadurch wird verhindert, dass einzelne Wettbewerber durch Trittbrettfahren den anderen gegenüber Vorteile erlangen können. So auch bereits HOMANN/ PIES (1991a, S. 612): „Solche allgemeinen Regeln sind wettbewerbsneutral, weil sie für alle Wettbewerber gelten, und sie sind marktkonform, besonders dann, wenn sie lediglich das Ziel [...] festsetzen, die Wahl der Mittel aber weiterhin den Beteiligten überlassen“. Vgl. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 323. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 324. Die Ordonomik zielt „auf Interdependenzen - und […] Diskrepanzen - zwischen Sozialstruktur (Sein, Institutionen) und Semantik (Bewusstsein, Ideen)“ (PIES 2009b, S. 2). PIES (2009a), S. 11.

354

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

werden). Als eine Art theoretische Ebene bringt das Meta-Metaspiel eine generelle Semantik (d. h. die bzw. den richtige(n) Denkinhalte, Denkrahmen, Auffassung, Idee) zum Ausdruck, welche für den praktischen Regelsetzungsprozess auf der zweiten Ebene im Metaspiel heranzuziehen ist, um gute Lösungen aus Dilemmasituationen zu finden. Wie dargelegt, sieht PIES in der orthogonalen Positionierung (als „methodische[r] Verpflichtung zur Suche nach paretosuperioren Regel-Reformen“1305) den geeigneten Ansatz, um solche Spielregeländerungen voranzutreiben. Die orthogonale Positionierung ermöglicht es, Spielregeln so zu ändern, dass für alle Beteiligten eine Win-win-Situation entsteht, welche sich durch eine bessere ökonomische Performance (Gewinn) und mehr Moral auszeichnet1306. Damit das Management im Zuge seiner ethischen Bemühungen die Spielregeln im Sinne der orthogonalen Positionierung ändern kann, muss es in einen Dialog („Regelfindungsdiskurs“) mit den Stakeholdern (einschließlich Konkurrenten)1307 eintreten, um mit ihnen geeignete institutionelle Arrangements auf nationaler oder globaler Ebene zu finden1308. Hierzu bedarf es kollektiver Lernprozesse, um „Rezeptionskompetenz“ bzw. eine Sensibilität für verschiedene, teils „inkommensurable“1309 (nicht vergleichbare, in ihrem Verhältnis irrationale) Sichtweisen anderer Stakeholder zu entwickeln. Auch sollte dem Management klar sein, worin die Stärken des Unternehmens liegen, mit welchen Stakeholdern es kooperieren möchte und wie das Unternehmen selbst für andere Stakeholder zum verlässlichen Partner werden kann1310. Solche Verständigungsprozesse mit den Stakeholdern sind dabei in zweifacher Richtung zu führen1311:

1305 1306

1307

1308 1309 1310

1311

HOMANN/ LÜTGE (2004), S. 73. „Wenn es [...] gelingt, die Unternehmer [z. B. durch weitreichende Schutzbestimmungen des Arbeitsrechts] mit […] Anreizen zu versorgen, dann werden sie in ihrem wohlverstandenen eigenen Interesse versuchen, [...] die Fremdinteressen anderer Akteure [wie der Mitarbeiter] zu schützen. Das aber bedeutet, dass [...] der „moral point of view“ mutualistisch zu interpretieren [ist]: als wechselseitige Besserstellung (Win-Win)“ (PIES 2009a, S. 22). Vgl. PIES (2009c), S. 248. Konkurrenten kommen „als Partner für kollektive Selbstbindungen in Frage“ (ebd.). Vgl. PIES/ BECKMANN/ HIELSCHER (2011), S. 20f. PIES (2009c), S. 249. Vgl. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 325. Ziel ist es dabei, „das abstrakte Formalziel des Gewinnstrebens inhaltlich so zu konkretisieren, dass das Unternehmen im Markt strategisch positioniert wird“ (ebd., S. 325f.). Vgl. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 326.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

355

In Input-Dialogen erhalten Stakeholder die Möglichkeit, dem Management ihre Anliegen und Interessen vorzutragen. Um weitere Win-win-Potenziale auszuschöpfen, gilt es, etwaige Interessenkonflikte und daraus resultierendes Defektionspotenzial abzubauen und gemeinsame Interessen „im Sinne einer Konsensstrategie zur Wertschöpfung im gegenseitigen Vorteil“1312 weiter auszubauen. Die Entwicklung einer Rezeptionskompetenz für arbeitsplatzbezogene Anliegen könnte (vereinfacht) wie folgt aussehen: Auf der einen Seite stehen die Unternehmen. Sie können es sich nicht erlauben, mehr Mitarbeiter zu beschäftigen, als tatsächlich benötigt werden1313. Andererseits haben viele Menschen noch immer das Idealbild eines „Lebensarbeitsplatzes“ vor Augen, sodass auch hier ein Fall vorzuliegen scheint, in dem es notwendig ist, sowohl das Unternehmen bzw. Management als auch gewisse Stakeholder für die Anliegen (z. B. Arbeitsplatzsicherheit, integrer Stellenabbau) und Handlungsbedingungen (z. B. Notwendigkeit zur Gewinnerzielung und Wettbewerbsfähigkeit) der jeweils anderen Seite zu sensibilisieren. Erst hierauf aufbauend kann versucht werden, das „semantische Konfliktfeld“1314 (bestehende Interessenkonflikte) abzubauen. So könnte sich das Management dazu verpflichten, im Verhaltenskodex (präventiv) allgemeine Angaben darüber zu machen, wie es mit möglicherweise in der Zukunft erforderlichen Organisationsanpassungen und den daraus für die Belegschaft resultierenden Folgen umgehen möchte1315. Konkret könnte es, wenn auch nicht rechtlich bindend, festlegen, partnerschaftliche und sozialverträgliche Lösungen im Umgang mit den Mitarbeitern zu suchen1316. Auch wenn das für sich genommen noch nicht viel aussagt, so kann das Management durch eine solche informale Selbstverpflichtung doch zur Steigerung der Transparenz und Erwartungssicherheit aufseiten der Beschäftigten beitragen. Zugleich setzt es positive Leistungsanreize, sodass in der Gesamtbilanz eine Win-win-Situation entstehen kann: Das Risiko der Mitarbeiter

1312 1313 1314

1315

1316

PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 327. Vgl. dazu vertiefend Abschnitte 3.1.3 und 6.1.2. Semantische Konfliktfelder sind „auf die fehlende Akzeptanz - in Verbindung mit unzureichenden Kenntnissen über ökonomische Wirkungszusammenhänge - von Marktmechanismen zurückzuführen“ (LIN-HI/ SUCHANEK 2011, S. 83). Sie „sind dadurch gekennzeichnet, dass im Namen von CSR Forderungen […] artikuliert werden, deren Erfüllung durch Unternehmen langfristig faktisch gesellschaftlichen Interessen zuwider laufen würde. Insofern weisen semantische Konfliktfelder das Merkmal von normativistischen Fehlschlüssen […] auf“ (ebd.). Derart ließe sich der Arbeitsvertrag als unvollständige „formale Institution gezielt ergänzen“ (BECKMANN/ PIES 2009a, S. 179). Vgl. dazu Unterabschnitt 3.3.5.3, in dem die „Ethik-Charta“ des Babynahrungsherstellers Hipp zitiert wird.

356

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

im Krisenfall wird durch die Selbstbindung gesenkt, zugleich profitiert das Unternehmen infolge der gestiegenen Arbeitszufriedenheit von einer höheren Qualität der erzeugten Produkte und Dienstleistungen, einer niedrigeren Kündigungsneigung o. Ä. Es ist also denkbar, ein solches Moralversprechen als Produktionsfaktor einzusetzen. Damit dies aber dauerhaft gelingt, darf sich das moralische Versprechen im Ernstfall nicht als „Cheap Talk“ erweisen. Andernfalls läuft das Unternehmen Gefahr, die produktiven Reaktionen der Mitarbeiter zu entkräften und in einem Lose-Lose-Szenario zu enden. Darüber hinaus benötigt das Management „Vermittlungskompetenz“1317, um in Output-Dialogen „funktionale Problemlösungen in unterschiedliche Semantiken zu übersetzen, damit unternehmerisches Handeln - organisationsintern und organisationsextern - [...] so kommuniziert wird, dass [...] die Kooperationspartner für eine Zusammenarbeit zum wechselseitigen Vorteil“1318 weiterhin bereit oder zu gewinnen sind. Es dürfte deutlich geworden sein, dass das managementethische Grundkonzept von PIES ET AL. keinen genuin moralischen Anspruch verfolgt, sondern als „Investitionsethik“1319 auf eigennutzbasierten und (makro-)ökonomischen „Klugheitsargumenten“1320 beruht, in der die Stakeholder-Interessen primär um den Gewinn willen Berücksichtigung finden. Im Mittelpunkt der ordonomischen Managementethik steht ein im ökonomischen Sinne „wert“schöpfender Moralbegriff, der als Produktionsfaktor „gut fürs Geschäft“1321 ist und durch eine wechselseitige Besserstellung zur Generierung von Win-win-Potenzialen beiträgt1322. Diese Aspekte werden in der im nächsten Abschnitt erfolgenden kritischen Auseinandersetzung mit dem Ansatz vertieft.

7.1.3

Kritische Anmerkungen zur ordonomischen Managementethik

Die ordonomische Managementethik von PIES ET AL. basiert, wie bereits erwähnt, auf HOMANNs ordnungsethischem Konzept und steht damit in der Tradition des

1317 1318 1319 1320

1321 1322

Vgl. PIES (2009c), S. 250. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 327. Vgl. PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 323. Vgl. PIES (2009c), S. 257. „[D]er Macro-Ethical Approach [ist] eigentlich ein Macro-Economic Approach: Moral wird als Win-Win definiert“ (SCHRAMM 2011a, S. 172). PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 323. Vgl. PIES (2009c), S. 247.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

357

Ordoliberalismus, weshalb sich folgende Anmerkungen auf beide Konzepte beziehen. Positiv zu werten ist, dass der Ansatz von PIES ET AL. bezüglich seiner ordnungsethischen Zielrichtung konsequent ausgearbeitet ist1323. Gegen den Grundansatz der Ordnungsethik, moralische Geltungsansprüche in die für alle geltenden Gesetze im Sinne von Spielregeln zu implementieren, ist nichts einzuwenden1324. Da nicht alle Akteure über eine genuine Moral verfügen, ist es weiterführend, moralischen Zielen ökonomische Anreize anzuheften, um so auch moralisch desinteressierte Akteure mit ins Boot zu bekommen (metaphysisch gesprochen: um die Mikroereignisse in eine gewünschte Richtung zu lenken). Auch die Situationslogik von Dilemmastrukturen ist ein relevanter Gesichtspunkt, an dem Unternehmen nicht vorbeikommen1325. In Dilemmasituationen, die im Managementalltag des Öfteren auftreten, gibt es für individualmoralisches Handeln keine Chance und daher keine Alternative zur Verfolgung einer makroorientierten Managementethik1326. Nachvollziehbar ist ebenso, dass Spielregeln für alle Akteure Vorteile erzeugen sollten, da es unvernünftig wäre, keine Win-win-Situationen anzustreben1327. Die von der orthogonalen Positionierung vorgegebene Orientierung an Win-win-Situationen erscheint insofern von der Sache her (als Heuristik) plausibel, auch wenn in der Anwendungspraxis fraglich sein dürfte, ob es überhaupt immer möglich ist, orthogonal positionierte Lösungsvorschläge zu definieren und zu erreichen. Dennoch ist es (im Sinne einer allgemeinen Denk- oder Suchrichtung) erstrebenswert, Regelarrangements zu finden, durch welche arbeitsplatzbezogene Probleme der Marktlogik erschlossen werden und die zugleich nicht nur der Moral dienen, sondern auch betriebswirtschaftliche Vorteile bringen.

1323 1324 1325 1326

1327

Vgl. SCHRAMM (2011), S. 170, 173. Vgl. dazu auch WIELAND (2001a), S. 29. Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 17. Der Managementethik bleibt im Dilemma nichts anderes übrig, als „die ‚Ausbeutungsstrategie‘ der bad guys durch geeignete Spielregeln stillzulegen, d. h. deren fehlendes moralisches Interesse durch zweckmäßige Institutionen zu kompensieren […], um so compliance (= Regelbefolgung) zu erreichen“ (SCHRAMM 2004a, S. 19). Dilemmasituationen stellen aber nur die halbe Wahrheit dar. Häufiger liegen im operativen Management Kontingenzsituationen vor (vgl. Abschnitt 3.3.4). Das gilt auch im arbeitsplatzbezogenen Kontext: Es kann sein, dass sich ein integrer Stellenabbau rechnet und produktive Effekte bei den aktuellen oder verbleibenden Mitarbeitern hervorruft, es muss aber nicht so sein. „Für den methodischen Zuschnitt der Unternehmensethik [bzw. Managementethik] bedeutet dies, dass es zweckmäßig ist, beide Typen empirischer Entscheidungssituationen, die für Unternehmen relevant sind, methodisch [in einem „Kontingenzmanagement“] ins Kalkül zu nehmen“ (ebd.). Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 19; SCHRAMM (2014c), S. 391; PIES/ HIELSCHER/ BECKMANN (2009), S. 322.

358

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Zu bezweifeln ist, ob es einer genuinen Moral bedarf, um die Vorteilhaftigkeit von Win-win (wechselseitiger Besserstellung) zu erkennen. Im Grunde handelt es sich hierbei um eine Frage der ökonomischen Klugheit, die mit dem Moral Point of View wenig zu tun hat. Ein Kritikpunkt des Ansatzes liegt daher in der ökonomischen Theorie der Moral. Sie wurde von HOMANN und PIES ab 1994 entwickelt und liefert zugleich die Grundlage der ordonomischen Ethik1328. Das Interesse von HOMANN und PIES liegt dabei in der Beantwortung der Frage, was Moral ist, wobei beide, ähnlich wie der Vertragstheoretiker BUCHANAN, dessen ökonomische Vertragstheorie in Abschnitt 7.1.4 erläutert wird, zur Auffassung gelangen, dass es eine genuine Moral nicht gibt, sondern alle Moral auf „individuellem Vorteilsstreben“1329 (Eigennutzinteresse) beruht und sich „in terms of economics“ 1330 rekonstruieren lässt. Wie sich zeigen wird, ist auch BUCHANAN der Ansicht, dass Moral nur existiert, wenn sie ökonomisch begründbar ist. Die von HOMANN und PIES vorgenommene Rekonstruktion hat folglich mit dem wahren Wesen von Moral und Verhalten der Menschen nur wenig zu tun1331. Als „Intelligenzfrage“1332 stellt sie auf vernünftige Spielregeln ab, welche den meisten (bei HOMANN: allen) Menschen Vorteile stiften, ökonomisch nützliche Tauschgeschäfte antreiben und so zur Erzielung hoher Kooperationsrenten beitragen sollen. Da hinter den Spielregeln keine genuine Moral steht, wäre der managementethische Aufbau von PIES ET AL. - schon wegen der erzielbaren Auszahlungen - ebenso auf einen Kreis von Managern (mit KANT gesagt: ein „Volk von Teufeln“) übertragbar, der (bzw. das) völlig eigennützig und moralfrei agiert 1333. Einzige Voraussetzung für deren Zustimmung wäre eine staatliche Überwachung der Spielregeln samt Sanktionierung. Zustände, in denen sich alle (konkurrierenden) Akteure besserstellen, gelten als moralisch wünschenswert. Wie dargestellt, ist es bereits eine Intelligenzfrage oder „kluges Geschäft“, solchen Arrangements zuzustimmen. Darüber hinaus bleibt aber fraglich, ob es zur Erstellung des dahinterliegenden Regelwerkes nicht auch genuiner Moral bedarf. Insofern ist anzuzweifeln, dass es sich um eine reine Intelligenzfrage handelt, oder anders formuliert, dass sich Economic Point of View 1328 1329 1330

1331 1332 1333

Vgl. HOMANN/ PIES (1994); PIES (2009c), S. 234. HOMANN (2002a), S. 254. Vgl. auch HOMANN/ LÜTGE (2004), S. 20; SCHRAMM (2004a), S. 15. HOMANN/ LÜTGE (2004), S. 19. Nicht zu leugnen ist, dass sich gewisse Moralregeln nicht nur ethisch, sondern auch ökonomisch rekonstruieren lassen (so lässt sich das vierte der Zehn Gebote „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“ auch als Investition in die eigene Rente umdeuten). Zu bezweifeln ist aber, dass das immer so ist. Vgl. BENDIXEN (2009), S. 193. Vgl. SCHRAMM (2014c), S. 388, 391; SCHRAMM (2015a), S. 176. Ein solch „unmoralisches Management“ wird bei AßLÄNDER (2011a, S. 390) beschrieben.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

359

(Positivsummenspiele: Win-win, Handeln wegen der eigenen Rente) und Moral Point of View (Moral) ontologisch gleichsetzen lassen1334. Zum einen ist es ein verkehrter Gedanke, dass moralisch wünschenswerte Ziele immer mit ökonomisch wünschenswerten Zielen einhergehen müssen. Dass Moral nicht nur ein „Komplex von Normen und Regeln“1335 ist, dem es um Gewinn und Kooperationsrenten geht, belegen viele Beispiele des täglichen Lebens (etwa aus dem Bereich der Familie). Dieser Gedanke ist aber auch deshalb fragwürdig, da es zwei separate Ausdrücke gibt: „ökonomisch“ (im Sinne von Vorteil, Geschäft, Eigennutzinteresse, Effektivität, Effizienz, Egoismus) und „moralisch“ (im Sinne von Unparteilichkeit, Fairness, Integrität, Altruismus)1336. Demnach sollten auch Unterschiede zwischen den beiden Ausdrücken bestehen. Das Problem wird an folgenden Aussagen von PIES deutlich:

1334

1335 1336

Vgl. SCHRAMM (2011), S. 173, 175. „Diese Reduktion von Moral auf Win-Win (Positivsummenspiele) verwechselt die evolutionäre Genese von Moral mit ihrem gültigen Inhalt“ (ebd., S. 173). Zwar sieht auch HOMANN im „Homo oeconomicus [...] auf keinen Fall ein „Menschenbild“ in dem Sinne, dass er eine Aussage über „den Menschen“ [...] und ihre „Eigenschaften“ oder Motivationsstrukturen in der ganzen Breite ihrer Existenz machen würde“ (HOMANN/ SUCHANEK 2005, S. 371), sondern „ein theoretisches Konstrukt, das auf […] Dilemmastrukturen[…] zugeschnitten ist“ (ebd.). Dennoch läuft er mit seiner Annahme Gefahr, den Homo oeconomicus vom Analyseinstrument auf das wahre Menschenbild zu übertragen und Moral so auf Dauer zurückzudrängen. Dass sich Moral und Eigeninteresse (Vorteilskalkulation) ontologisch unterscheiden, zeigt bereits das Beispiel des Krämers bei KANT (1977a, S. 23): Der rein ökonomisch interessierte Krämer wird seine Kunden deshalb nicht über den Tisch ziehen, da er befürchtet, dass diese in der Folge zur Konkurrenz abwandern. Aus Angst um seine Rendite (Rente) wird er angemessene Preise setzen. An Moral ist er dennoch uninteressiert. Der Punkt ist, dass das äußere Verhalten eines moralischen Krämers gleich ausfallen kann. Auch er wird angemessene Preise setzen. Der Unterschied liegt in der zugrunde liegenden Motivation: Der moralische Krämer will seine Kunden nicht abzocken, da er ein solches Vorgehen - und hier zeigt sich die Existenz von genuiner Moral - als unanständig empfindet (etwa wenn er sich in die Lage der Kunden versetzt). Ein ähnliches Argument kann in Bezug auf die mit einer Handlung einhergehenden Gefühle angeführt werden. Menschen fühlen sich bereits beim Gedanken an bestimmte Handlungen wohl oder unwohl. Sobald sie irgendein Interesse haben, und jenes Interesse befriedigt wird, stellt sich bei ihnen ein Gefühl der inneren Befriedigung („warm-glow“) ein. Wenn eine moralische Führungskraft z. B. in ihrem Bestreben erfolgreich war, eine große Zahl von Stellen zu retten, dann zieht sie daraus ein gutes Gefühl und Gewissen, da sie weiß, etwas erreicht und sich fair verhalten zu haben. Aus demselben Grund wird sich der moralische Krämer abends seelenruhig schlafen legen. Wichtig ist, dass sich der „warmglow“-Effekt bei der Befriedigung eines jeden anderen Bedürfnisses oder Interesses genauso einstellt, da er vom konkreten Bedürfnisinhalt unabhängig ist. Wenn ein ökonomisch interessierter Finanzmarktspekulant von einer Krise profitiert, während andere durch die Krise ihre Arbeit verlieren, so verspürt auch er einen „warm-glow“. Dennoch haben beide Akteurstypen inhaltlich abweichende Interessen, welche ihrem Handeln zugrunde liegen (vgl. Unterabschnitt 3.3.5.1). HOMANN/ LÜTGE (2004), S. 12. Vgl. SCHRAMM (2011), S. 173; SCHRAMM (2014c), S. 391.

360

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

- „[V]on Akteuren im Wettbewerb [...] kann durchaus erwartet werden, dass sie die legitimen Fremdinteressen anderer Akteure berücksichtigen, sofern dies in ihrem eigenen (wohlverstandenen) Interesse liegt“1337. - „Die Unternehmensethik [Managementethik] fragt [...], wie - [...] ausgehend vom Status-quo - die Berücksichtigung schützenswerter Fremdinteressen zur Förderung des Eigeninteresses (noch besser) in Dienst genommen werden kann“1338. Der Moral Point of View besteht aus altruistischer Sicht eigentlich darin, auch die Interessen anderer Akteure zu beachten. Zudem ist zu fragen, was unter legitimen oder schützenswerten Fremdinteressen zu verstehen ist, zumal „legitime“ Fremdinteressen im Grunde genau jene Interessen sind, die der Moral Point of View schützen will. Insofern wird der Moral Point of View doch ein Stück weit („unter der Hand“) in das Konzept eingeschmuggelt. Wichtig wäre gerade zu erfahren, welche Fremdinteressen illegitim und bei Managemententscheidungen daher nicht schützenswert sind. Oftmals ist es nämlich notwendig, auch die Interessen derer zu beachten, die zu keiner Win-win-Situation bzw. Kooperationsrente beitragen können. Das gilt etwa für Menschen, die wegen ihrer Lebensumstände (z. B. Alter, Behinderung, Krankheit) oder misslichen Lebenslage (z. B. Arbeitslosigkeit) hilfsbedürftig sind und mit denen temporär oder dauerhaft keine oder nur eine beschränkte Kooperation möglich ist. So haben Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze wegfallen, ein Interesse daran, bei der Stellensuche unterstützt zu werden. Ebenso sind Schulabgänger darauf angewiesen, dass Unternehmen Ausbildungsplätze schaffen. Zugleich bleibt aber offen, wie solche Akteure den Unternehmen aus ihrer aktuellen Lage heraus zu Win-win-Situationen verhelfen sollen, da genau das im Makro-Managementethikansatz notwendig erscheint, damit ihre Interessen als schützenswert und legitim erachtet werden. Wie zu erahnen ist, wird ihnen das kaum gelingen. Im Gegenteil: Die Kooperationsrente des Gekündigten, ausgedrückt als Differenz zwischen Wertgrenzprodukt und Lohnsumme, ist bis zu seinem Ausscheiden Null oder negativ (darin dürfte der Hauptgrund für seine Entlassung begründet liegen). Ähnliches gilt für den Schulabgänger, der keine Berufserfahrung vorweisen kann und dessen Ausbildung zunächst Kosten verursacht. Doch bedeutet das zwangsläufig, dass solche Interessen für Unternehmen illegitim und in keiner Weise über arbeitsrechtliche Vorschriften hinaus schützenswert sind? Eine Antwort darauf ist in zweierlei Richtung zu suchen: 1337 1338

PIES (2009c), S. 256. PIES (2009a), S. 23.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

361

Vom ökonomischen Standpunkt (Economic Point of View) her, wie ihn HOMANN und PIES vertreten, wären die Interessen des Arbeitnehmers und Schulabgängers in der Tat nur deshalb schützenswert, weil im Falle einer Nichtbeachtung der Verlust künftiger Kooperationsrenten zu befürchten wäre. Ein rationaler Arbeitgeber würde daher ins Kalkül ziehen, dass er, wenn er Mitarbeiter nicht integer entlässt (oder zu wenige Ausbildungsplätze schafft), mit negativen Reaktionen der Öffentlichkeit, der übrigen Beschäftigten sowie potenzieller Bewerber zu rechnen hätte. Um zukünftige Win-win-Potenziale aber nicht zu gefährden, wird er sich dafür entscheiden, Mitarbeiter abzufinden und bei der Vermittlung in ein neues Arbeitsverhältnis zu unterstützen. Genauso wird er ausreichend Ausbildungsplätze schaffen. In diesem Fall würde eine rein ökonomische und damit zu kurz greifende Argumentation zugrunde liegen. Aus Sicht des Moral Point of View hingegen würde eine Missachtung der Interessen der vom Personalabbau Betroffenen oder der potenziellen Bewerber als unfair gelten. Ihr Interesse an der Schaffung, Erhaltung oder dem integren Abbau von Arbeits- bzw. Ausbildungsplätzen würde vom Unternehmen auch dann als schützenswert erachtet werden, wenn sich dadurch keine Kooperationsrenten erzielen ließen. Das liegt daran, dass es beim Moral Point of View nicht um Kooperationsrenten, sondern um die Unparteilichkeit und Fairness von Beziehungen geht. Es handelt sich damit um eine Frage des Anstands (bzw. der Haltung), jenen Mitarbeitern, die eventuell über Jahre hinweg Verantwortung getragen haben, den Schutz und Respekt zu gewähren, den sie verdienen. Das Unternehmen ist aus genuin moralischer Überzeugung heraus bereit, sich in die Lage der Mitarbeiter (bzw. Bewerber) hineinzuversetzen und die Interessen all derer, die hinter den Arbeitsplätzen stehen (bzw. einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz suchen), zu beachten. Eine derartige Verantwortungsübernahme erfolgt aber nicht (nur) in der Absicht, keine Kooperationsrenten (Win-win) gefährden zu wollen, sondern aus moralischen Motiven, weil es sich um Menschen handelt, denen es mit Respekt zu begegnen gilt1339. Damit dürfte klar geworden sein, dass Economic und Moral 1339

ROBERT WRIGHT stellt einen Zusammenhang zwischen der Win-win-Logik, die er als „non-zerosum“-game bezeichnet (Nicht-Nullsummen-/ Positivsummenspiel: “games in which correlations can be positive“; vgl. WRIGHT 2006 sowie zum Ursprung der Begrifflichkeiten VON NEUMANN/ MORGENSTERN 1944), und der Moral („moral truth“) her. Sein Argument ist, dass beide Perspektiven in der Art zusammenhängen, dass die moralische Erkenntnis der gleichen Würde aller Menschen auf Erfahrungen mit Win-win-Kooperationen zurückgeführt werden kann. Hierfür bringt er mehrere Beispiele, welche vom antiken Griechenland bis hin zur Gegenwart reichen (vgl. WRIGHT 2006; SCHRAMM 2014c, S. 386ff.; SCHRAMM 2015a, S. 175). Was WRIGHT verdeutlichen will, ist,

362

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Point of View von verschiedenen Gründen ausgehen, wann und warum gewisse Interessen schützenswert sind oder nicht. Das aber bedeutet nicht zugleich, dass es unmöglich wäre, beide Perspektiven miteinander in Einklang zu bringen. Dennoch ist eine völlige Transformation des Moral in den Economic Point of View weder möglich noch erstrebenswert. Vorige Ausführungen haben gezeigt, dass es bei einer Managementethik nicht damit getan ist, nur auf der Regelebene Verantwortung wahrzunehmen. Hierauf zielt der ordonomische Managementethikansatz von PIES ET AL. aber ab. Er fokussiert die gesamte Managementethik auf das strategische Management, als eine Sache der Sozialstruktur und Semantik. Das operative Management ist nur insoweit „(management-)ethisch“, als es versuchen sollte, sämtliche Finanzmittel möglichst effizient, also gewinnmaximierend einzusetzen. Das Ziel der Governancekompetenz ist es, Win-lose- in Win-win-Situationen zu verwandeln. Die Kompetenzen ethisch orientierter Manager beziehen sich nicht auf das Basisspiel. HOMANN und PIES setzen damit die einseitige Ansicht voraus, dass das operative Alltagsgeschäft rein ökonomisch abläuft. Dabei ist ihnen in der Hinsicht zuzustimmen, dass der ökonomischen Dimension in allen Managemententscheidungen die Rolle einer zwingenden Rahmenordnung (Leitcodierung) zukommt 1340. Gleichwohl sind viele wichtigere Entscheidungen des operativen Managements nicht nur

1340

dass die Globalisierung und die diversen Formen ökonomischer Arbeitsteilung und Kooperation (z. B. die Marktwirtschaft) einen Beitrag zur Reduzierung gegenseitiger Fremdheit und zur Anerkennung der Menschenwürde über Völkergrenzen hinweg geleistet haben. Die Menschheit hat im Laufe der Geschichte erkannt, dass hinter wirtschaftlichen Kooperationen nicht nur Win-win-Situationen stehen, die es auszuschöpfen gilt, sondern auch ein (ontologisch zu unterscheidender) genuin moralischer Inhalt: “[C]apitalism has been a constructive force, and more fundamentally, it’s a non-zero-sumness that has been a constructive force in expanding people’s realm of moral awareness […]. [T]he non-zero-sum dynamic […] has driven us to the verge of a moral truth [moralische Wahrheit durch Geschäftetreiben], which is the fundamental equality of everyone. […] As it has moved global, moved us toward a global level of social organization it has driven us toward moral truth” (WRIGHT 2006). In der Genese von Moral war der Kapitalismus also wichtig, sodass Moral und Economic Point of View in ihrer empirischen Entstehung zusammenhängen. Das bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass die Entstehung von Moral inhaltlich dasselbe wäre, wie die Wahrheit, Gestalt und der Inhalt von Moral (vgl. SCHRAMM 2014c, S. 388, 390f., 394f.; SCHRAMM 2015a, S. 175f.), nämlich das Sich-in-die-Lage-anderer-hineinzuversetzen. Wenn PIES Win-win als wahre Moral ansieht, so ist dies eine Vermischung von Moral und Economic Point of View. Angemerkt sei, dass WRIGHT keine Angaben darüber macht, warum es sich um eine moralische „Wahrheit“ (und nicht etwa nur um eine moralische „Erfindung“) handelt. Hier setzt SCHRAMM (2014c, S. 395ff.; 2017b, S. 8ff.) mit seiner auf WHITEHEAD und HARTSHORNE basierenden metaphysischen Argumentation an (vgl. dazu Unterabschnitt 7.3.4.2). Vgl. SCHRAMM (2004a), S. 17; WIELAND (2001a), S. 21; WIELAND (1996), S. 76.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

363

monolingual-ökonomischer Natur, also nur in der Sprache des Economic Point of View verfasst. Eine rein auf das Meta- und Meta-Metaspiel ausgerichtete Managementethik, welche lediglich nach dem Prinzip der ökonomischen Optimierung abläuft, greift daher zu kurz und unterschlägt die realen Handlungsoptionen des Managements in Kontingenzsituationen1341. Häufig dürfte es zudem nicht gelingen, die Marktwirtschaft für moralische Belange in Dienst zu nehmen, sodass ethisches Handeln auch auf der Ebene des operativen Managements (im Basisspiel) gefordert ist. Wenn Manager vor der Frage stehen, ob sie den Betriebsrat frühzeitig informieren und in Entscheidungsfindungsprozesse einbeziehen (oder: in welchem Umfang sie ausscheidende Mitarbeiter bei der Jobsuche unterstützen) sollen, dann geht es hierbei nicht primär um Kooperationsrenten (Win-win-Potenziale). Nicht jedes Problem ist in eine Investition mit positiver Rendite „ummünzbar“. Auch ist es im akuten Problemfall in der Regel unmöglich, auf Spielregeländerungen (das Metaspiel) zu warten, welche über bestehende arbeitsrechtliche Vorgaben hinausgehen. Staatliche Gesetze spielen in der konkreten operativen Situation nur insoweit eine Rolle, als sie den Unternehmen eine Rahmenordnung (in Sachen Kündigungsschutz o. Ä.) vorgeben1342. Kein Unternehmen kann sich auf Spielregeln zurückziehen, die es zur betreffenden Frage womöglich gar nicht gibt. Das eigentliche Problem liegt demzufolge im Widerstreit zwischen ökonomischer und moralischer Perspektive. Manager sind persönlich gefordert, sich mit den vorliegenden Umständen und der konkreten Situation auseinanderzusetzen und kurzfristig Entscheidungen zu treffen.

1341 1342

Vgl. SCHRAMM (2011), S. 174; WIELAND (2005a), S. 109; SCHRAMM (2004a), S. 20. Jedes Regelwerk ist unvollständig und befindet sich in einem Entwicklungsprozess. Gesetze kommen zumeist erst dann ins Spiel, wenn Probleme bereits virulent sind. Da es einer Ordnungsethik nie gelingen kann, alle moralischen Gefahrenquellen zu eliminieren, muss sie durch Moral flankiert werden. Um über bestehende Gesetzeslücken und Zeitverzögerungen hinwegzukommen, ist es erforderlich, (etwa über die Erziehung) in die Moralkultur zu investieren. „Der Begriff der „Moralkultur“ verweist [...] auf die handlungsrelevanten Vorstellungen davon, was in einem Kulturkreis als richtig oder falsch angesehen wird“ (SCHRAMM 2008a, S. 27). Er zielt auf Rituale (kulturell geprägte Verhaltenserwartungen im Umgang miteinander), Werte (Zielvorstellungen von Erstrebenswertem) und Normen (konkrete Verhaltensstandards oder Spielregeln, die die Erreichung eines Wertes konkretisieren bzw. realisieren sollen, z. B. Höflichkeit zur Realisierung des Wertes Harmonie) ab. Anders gesagt: Es gibt verschiedene, ökonomisch relevante Vorstellungen darüber, was man als richtig oder falsch ansieht, was man tun oder lassen sollte und in welcher Form solche kulturellen Vorstellungen das Wirtschaftsleben sowie die alltägliche Unternehmenspraxis und -führung beeinflussen (wie z. B. im Unternehmen miteinander umgegangen wird oder arbeitsplatzbezogene Probleme gelöst werden).

364

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Hierfür müssen sie sich einen Eindruck verschaffen, welche Maßnahmen ökonomisch vertretbar sind und was vonseiten der Mitarbeiter (des Betriebsrats usw.) moralisch gefordert wird. Zugleich sei hervorgehoben, dass die arbeitsrechtlichen Spielregeln als allgemeine Leitplanken dennoch wichtig sind. Dasselbe gilt für organisationale Regeln und Richtlinien innerhalb von Unternehmen. Spielregeln sind aber nur ein relevanter Faktor, da sie nicht in der Lage sind, das Management auf der Mikroebene von den moralökonomischen Entscheidungen der einzelnen lokalen Transaktion zu entlasten. Da das operative Management (in PIES‘ Worten: das Basisspiel) nicht monodimensional betriebswirtschaftlich (auf Optimierung, Gewinnmaximierung usw.) ausgelegt ist, so wie es im Shareholder-Konzept unterstellt wird, sondern polydimensional, genügt es nicht, es nur als Effekt oder Marionette der Spielregeln anzusehen1343. Vielmehr bedarf es der umfassenden Betrachtung der Spielzüge, weshalb SCHRAMM und WIELAND in ihren Ansätzen die Transaktionsperspektive einer Managementethik hervorheben (vgl. Unterkapitel 7.2)1344. Zum Abschluss des Abschnitts ist noch zu bemerken, dass HOMANN in einem frühen, im „Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften“ erschienenen Aufsatz von 1990, also zwei Jahre bevor er seine finale ordnungsethische Konzeption festgelegt hat, unter gewissen Umständen doch auch eine „vorübergehende Individualmoral“ (im Basisspiel) zulässt. So stellt er folgende generelle These auf: „Innerhalb von […] Wettbewerbsprozessen tritt die Individualmoral hilfsweise und vorübergehend genau da ein, wo Markt und Wettbewerb nicht funktionieren. Dabei mag es sein, dass es eine […] Rahmenordnung noch nicht gibt, dass bei gegebener Rahmenordnung Wettbewerbsprozesse nicht […] funktionieren, dass das Sanktionssystem unzulänglich ist u. a. m. [...] In all diesen Fällen ist der einzelne bzw. das einzelne Unternehmen gefordert, moralische Gesichtspunkte im Rahmen des Möglichen geltend zu machen“1345. Das Problem sieht HOMANN also darin, dass Spielregeln, wie ausgeführt, lückenhaft sind. Das Ziel in einer Konkurrenzwirtschaft muss daher sein, solche Lücken durch Einführung neuer bzw. verbesserter

1343

1344

1345

„Anders als der Markt, der jedes Ereignis in Preisen kodieren muss, um es kommunizieren zu können, müssen Unternehmen in der Lage sein, relevante Ereignisse in vielen Sprachspielen Ökonomie, Technik, Recht, Verfahren, Moral - gleichzeitig oder selektiv zu bewerten und zu verarbeiten“ (WIELAND 2001b, S. 106f.). Wie in Unterabschnitt 7.2.1.1 gezeigt wird, ist es ein metaphysischer Grundzug jeglicher Wirklichkeit, dass das Primäre („Basishafte“) in der einzelnen (Mikro-)Transaktion liegt. HOMANN (2002d), S. 36.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

365

(wettbewerbsneutraler) Spielregeln, die zugleich den systematischen Ort der Moral bilden, auszugleichen. Eine solche Zielsetzung ist wünschenswert, realiter aber nicht immer umsetzbar, worüber sich HOMANN auch im Klaren ist: „Ich meine, dass man vom einzelnen (Unternehmen) verlangen kann, dass es in Fällen, die ihn bzw. es nicht allzu viel kosten, trotz der Wettbewerbssituation einmal mit einer moralisch motivierten Vorleistung anfängt, um zu sehen, ob die Konkurrenten mit entsprechenden Reaktionen antworten oder ob sie diese Vorleistung ausbeuten. [...] Dies ist die Strategie Tit-for-Tat […]: Ein Akteur beginnt mit einer […] moralischen Vorleistung, und handelt in allen weiteren Aktionen so, wie der Partner auf diese erste Aktion geantwortet hat. Defektiert der Partner, beutet er diese Vorleistung aus, dann schaltet der Akteur auf die alte Wettbewerbsstrategie zurück, antwortet der Partner mit einem Verhalten gemäß den moralischen Intentionen [ziehen Konkurrenten also moralisch mit oder ergeben sich andere Wettbewerbsvorteile], dann antwortet der erste ebenso“1346. HOMANN weicht hier von seiner späteren Basisannahme, nämlich: alle Wettbewerbssituationen sind Dilemmasituationen, partiell ab, da er eingesteht, dass es vorkommen kann, dass Unternehmen B die moralische Vorleistung von A nicht ausbeutet. Nun ist HOMANN zuzustimmen, dass individuelle Moral gerade dann gefordert ist, solange kein geeignetes Regelwerk existiert, welches das Verhalten der Akteure in eine moralisch erwünschte Richtung kanalisiert. Und richtig ist auch, dass moralische Initiativen nicht mit dauerhaften Wettbewerbsnachteilen für Unternehmen verbunden sein dürfen. Trotzdem ist HOMANNs Vorstellung einer hilfsweisen Moral im Sinne einer „Tit-for-Tat“-Strategie so nicht beizupflichten, da sie dem Wesen von genuiner Moral widerspricht und gleichzeitig die realen Handlungsbedingungen im operativen Management verkennt. Moralisches Handeln und Moralvorstellungen sind kein vorübergehendes Phänomen, das nur so lange existiert, bis geeignete Rahmenregeln umgesetzt sind. Das zeigt sich etwa daran, dass Unternehmen bereit sein können, sich unabhängig der oder auch über die bestehende Rahmenordnung hinaus zu engagieren. Moralvorstellungen lassen sich nicht ein- und ausschalten, sondern determinieren das Denken (z. B. darüber, was als fair und unparteilich angesehen wird) und Handeln eines Akteurs grundsätzlich. Damit ist nicht gesagt, dass sich Moralvorstellungen nicht ändern könnten oder immer eins zu eins umsetzbar wären. Gleichwohl hat die Existenz genuin moralischer Interessen nichts mit dem Vorliegen einer Rahmenordnung oder eines Sanktionssystems zu tun. Zuallererst muss der Wille bestehen, moralisch zu handeln, unabhängig davon, ob 1346

HOMANN (2002d), S. 38.

366

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

eine Rahmenordnung existiert oder nicht. Und: Nur weil sich gewisse Moralprinzipien auf der Anwendungs- oder Implementierungsebene nicht umsetzen lassen, etwa weil sie zu viel kosten oder ausgebeutet werden, bedeutet das noch nicht, dass die betreffenden Prinzipien ethisch unbegründet oder ungültig wären. Interessant im oben zitierten Aufsatz ist nun auch die von HOMANN als Einzelfall herausgestellte arbeitsplatzbezogene Entscheidungssituation. Dabei greift er ein Unternehmen heraus, das vor der Frage steht, ob es „Arbeitskräfte freisetzen [soll], wenn es genau weiß, dass diese Arbeitskräfte auf Jahre hinaus […] keinerlei Chance haben werden, wieder einen Arbeitsplatz zu finden?“1347. Seine Argumentation lautet nun: „In diesem Fall stehen ökonomische Erfordernisse und moralische Anforderungen scheinbar in direktem Widerspruch zueinander, und es wird dem Unternehmen bzw. den Managern […] die Aufgabe zugewiesen, eine Entscheidung zu treffen, und die müssen sie vor ihrem Gewissen moralisch verantworten [Frage: Müssen sie das nicht immer?]. Der systematische Kern dieses Falles ist darin zu sehen, dass gehandelt werden muss, bevor die Rahmenordnung geändert werden kann […], was nur in diesem besonderen Fall wirtschaftsethisch gestattet ist. Es handelt sich […] um die »Beichtvaterperspektive«. Der einzelne muss sein Handeln verantworten, und es hilft ihm in der konkreten Situation nicht, wenn er auf die Änderung der Rahmenordnung verwiesen wird, die bestenfalls erst viel später erfolgt, oft aber gar nicht möglich ist [Frage: Ist genau das bei Managementscheidungen nicht häufig so?]. Für unsere Überlegungen entscheidend ist, dass es sich hier um eine systematisch andere Frage handelt […]. Hier geht es darum, wie der einzelne seine Entscheidungen moralisch verantworten kann, bislang ging es um die Frage, wie die Wirtschaft einer moralischen Kontrolle und Verantwortung unterstellt werden kann“1348. HOMANN sieht die Besonderheit des beschriebenen Falles in der persönlichen Face-to-face-Beziehung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter. Entlassungsentscheidungen haben, und darin ist ihm zuzustimmen, zunächst nicht primär mit Wirtschaftsethik (den Spielregeln des Marktes) zu tun. Vielmehr müssen Manager ihre Entscheidung, ob (wie und wann) sie Mitarbeiter entlassen, vor den Betroffenen und sich selbst verantworten 1349. HOMANN erkennt damit, dass es in (einzelnen) akuten Problemfällen keinen Sinn 1347 1348 1349

HOMANN (2002d), S. 39. HOMANN (2002d), S. 39. Ähnlich ebd., S. 54f. Es handelt sich um eine auf der Ebene der „Individualethik und Individualmoral“ (HOMANN 2002d, S. 39) angesiedelte (managementethische) Frage, die im Grunde nichts mit „der moralischen Verantwortung der Wirtschaft“ (ebd., S. 40) zu tun hat.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

367

ergibt, auf Spielregeländerungen (bei PIES ET AL.: das Metaspiel) zu warten, sodass man sagen kann, dass HOMANN - zumindest im Falle arbeitsplatzbezogener Probleme auf der Ebene des operativen Managements (des Basisspiels: Sollen wir entlassen - ja oder nein?) - auch die Transaktionsperspektive einer mikroorientierten Managementethik zulässt. Das widerspricht aber zum einen dem Vorgehen, das PIES ET AL. später in ihrer ordonomischen Managementethik propagieren. Zum anderen bleibt unklar, warum es sich beim skizzierten arbeitsplatzbezogenen Fall „um eine systematisch andere Frage“ handeln soll. Zwar leuchtet ein, dass Mitarbeiter, denen eine Entlassung droht, ihren Arbeitgeber nicht im Sinne des typischen Markt-Dilemmas ausbeuten können (eine Ausnahme wäre, wenn die Gewerkschaften zum Streik aufrufen und dem Unternehmen so schaden würden). Insofern ist bei einem solchen unternehmensinternen Problem die Individualmoral vonseiten des Unternehmens bzw. Managements gefordert. Dennoch sind Regelwerke und Sanktionssysteme nicht nur im betrachteten Fall, sondern immer in irgendeiner Form unzulänglich. Zudem wird es immer Länder geben, in denen (zu) laxe Gesetze gelten. Das Management ist im operativen Alltagsgeschäft andauernd mit (arbeitsplatzbezogenen, aber auch anderen sozialen, umweltbezogenen und gesellschaftlichen) Fragen konfrontiert, in denen die ökonomische und moralische Dimension in Widerstreit zueinander geraten, zugleich aber innert kurzer Zeit bei gegebener Rahmenordnung Entscheidungen zu fällen sind (zumal es für viele Entscheidungen keine klaren gesetzlichen Regelungen gibt). Die von HOMANN als „Beichtvaterperspektive“ beschriebene Rolle stellt daher keinen Einzel-, sondern eher den Normalfall dar, der sich nicht nur gegenüber den Mitarbeitern, sondern auch gegenüber anderen Marktpartnern einstellen kann. Unternehmen müssen ihr Handeln im Hier und Jetzt vor den Kunden, der Gesellschaft, NGOs usw. verantworten. Bei dem von HOMANN als Einzelfall dargestellten Widerspruch zwischen ökonomischen und moralischen Ansprüchen handelt es sich damit um eine typische Situationsbeschreibung, welche sich im operativen Management andauernd vorfinden lässt, sodass es ein Fehler wäre, die Reichweite von Spielregeln zu überschätzten. Angesichts dessen erscheinen die an späterer Stelle des siebten Kapitels behandelten Vorgehensweisen von SCHRAMM und WIELAND, bei denen die Spielregeln (bei WIELAND: der Faktor „FI“) nur einen möglichen Hebel darstellen, um der Realität gerecht zu werden, praxisnäher. Der letzte Abschnitt des ersten Unterkapitels (7.1.4) wendet sich der ökonomischen Vertragstheorie BUCHANANs zu, welche, wie u. a. an einem Beispiel aus dem Bereich der Schwerbehindertenbeschäftigung verdeutlicht wird, auf einem im

368

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Vergleich zur traditionellen Wohlfahrtsökonomik entgegengesetzten Grundzugang zur Frage nach der Wahl des geeignetsten, effizientesten ökonomischen bzw. Wirtschaftssystems beruht, was wiederum in verschiedenerlei Hinsicht (z. B. mit Blick auf das von BUCHANAN gewählte ökonomische Zustimmungskriterium zum Gesellschaftsvertrag) ethisch relevant erscheint.

7.1.4

Zum Ableitungsmechanismus zwischen Regeln und Gerechtigkeit bei BUCHANAN

JAMES BUCHANAN1350 geht es in seiner ökonomischen Vertragstheorie nicht darum, dass vorgegebene Regeln widerspruchsfrei zu akzeptieren sind 1351. Entscheidend ist für ihn, herauszufinden, ob Optionen bestehen, sich mit allen Beteiligten vom Status quo ausgehend einstimmig auf neue (paretosuperiore) Regeln zu einigen, die alle im Sinne einer Win-win-Situation besserstellen1352. Denn: „Regeln

1350

1351

1352

BUCHANAN (1919-2013, Wirtschaftsnobelpreis 1986) hat sein Studium der Wirtschaftswissenschaften als Sozialist gestartet, wurde aber bereits sechs Wochen nach Studienbeginn überzeugter liberaler Marktwirtschaftler (vgl. PIES 1996, S. 3). Von da an ging er dazu über, die Dinge, von denen er überzeugt war (wie Demokratie, liberale Gesellschaft, Marktwirtschaft usw.), rein ökonomisch zu begründen. Vgl. zur Person ALBERT (2013). Im Gegensatz zur Wohlfahrtsökonomik als neoklassischem Modell der Ökonomik setzt BUCHANAN den Menschen kein bestimmtes, auf Effizienz getrimmtes Wirtschaftssystem (im Sinne einer Markt-, Wohlfahrts- oder Wohlstandsmaschine) vor, welches zwar den höchsten Output erzielt, eventuell aber gar nicht ihren Vorstellungen eines gelingenden Lebens entspricht (und zudem keine Rücksicht auf Verlierer nimmt). Sein ökonomischer Ansatz ist vertragstheoretisch aufgebaut. Für ihn stehen die Menschen in der Gesellschaft als autonome Individuen mit divergierenden (z. B. ökonomischen, moralischen, religiösen) Interessen und Werten im Zentrum, die im Gesellschafts- bzw. Kooperationsvertrag festlegen, wie sie ihr Politik- und Wirtschaftssystem ausgestalten wollen (etwa als Verknüpfung von Marktwirtschaft und Sozialstaat). Als politischer Ökonom hat BUCHANAN keine feste Vorstellung davon, was Menschen wollen sollen (vgl. BUCHANAN 1959, S. 127). Vielmehr horcht er in die Gesellschaft hinein, um herauszufinden, was von den Bürgern in der Demokratie politisch gewollt ist (“what people want“, ebd., S. 137). Das, was gewollt ist, fließt dann in den Gesellschaftsvertrag ein, den die Menschen - zumindest theoretisch abschließen (faktisch werden sie in eine Gesellschaft hineingeboren) und der zu gewissen Spielregeln führt. Dieser der Wohlfahrtsökonomik entgegengesetzte Ansatz stellt sicher, dass das aus Sicht der Menschen effiziente (nicht effizienteste) Gesellschaftssystem resultiert (vgl. SCHRAMM 2008b, S. 222). Die unparteiliche Beachtung der Interessen aller Gesellschaftsmitglieder lässt BUCHANANs Ansatz demokratisch und Ethik-nah erscheinen. Wie gleich deutlich wird, handelt es sich aber um keinen ethischen Ansatz. Vgl. BUCHANAN (1984), S. 23, 84, 118ff.; SCHRAMM (1994), S. 173, 187f.; SCHRAMM (2008b), S. 222. Regeln müssen nicht zwingend durch den expliziten Konsens aller Betroffenen legitimiert sein, um als gerecht gelten zu können. Es genügt, wenn bei deren Auswahl und Vereinbarung

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

369

für menschliches Zusammenleben werden uns nicht einfach von einer höheren Macht mitgegeben“1353. Gerecht handelt, wer diese Regeln nicht verletzt, wobei für BUCHANAN selbst ein Sklavereivertrag als legitimer Vertrag infrage kommt, um gegenseitige Besserstellungen zu erzielen1354. Das gilt zumindest dann, wenn „die „Schwachen“ damit einverstanden sind, für die „Starken“ Güter zu produzieren im Austausch gegen ein wenig mehr als die nackte Existenz, die ihnen unter anarchistischen Verhältnissen nicht sicher ist“1355. Das zeigt, dass die Vorteile, um Grundlage eines kollektiven Konsenses sein zu können, zwar sehr wohl Vorteile für alle sein müssen, ethische Mindeststandards werden aber nicht (moralisch) eingefordert1356. „Ein Sklavereivertrag würde, wie die anderen Verträge auch, individuelle Rechte festlegen, und im Ausmaß seiner gegenseitigen Anerkennung wäre die Gewähr für wechselseitige Vorteile gegeben, wenn als Folge davon die Aufwendungen für Verteidigung und Eroberung zurückgingen“ 1357. Nach BUCHANAN würde es für einen Sklaven keinen Sinn ergeben, gegenüber dem Starken, der die Macht im Status quo hat, Gerechtigkeit einzufordern (etwa indem er darauf hinweist, unter welch unwürdigen Umständen er zu leben hat), da es unter anarchischen Zuständen ohne Recht und Moral jederzeit sein kann, dass der Starke dem Sklaven, wohlwissend, dass man sich auf keine Ordnungsinstanzen geeinigt hat, androht, ihn zu töten1358. Da ein solcher Fall aus Sklavensicht den Worst Case bilden würde, wird er dem Vertrag notgedrungen zustimmen 1359, da er weiß, dass er sich unter den gegebenen Bedingungen bei einer Verweigerung des Regelsystems nur noch schlechter stellen kann1360.

1353 1354

1355 1356 1357 1358 1359

1360

allgemein anerkannte (abstraktere) Metaregeln, welche auf vorgelagerter Ebene angesiedelt sind, befolgt wurden (vgl. BRENNAN/ BUCHANAN 1993, S. 139f.). BUCHANAN (1984), S. XI. Vgl. BRENNAN/ BUCHANAN (1993), S. 129. Da BUCHANAN (anders als RAWLS) aus Realitätsgründen in seiner Konstruktion des Naturzustands auf die moralische Vor-Prämisse des Schleiers des Nichtwissens verzichtet, unterscheiden sich Menschen bei ihm im Naturzustand in vielerlei Hinsicht (vgl. GROßE KRACHT 2001, S. 180). Er nennt u. a. folgende Punkte: Körper- und Vorstellungskraft, Mut, Urteilsvermögen, Intelligenz, Präferenzen und Fähigkeit zu Sozialverhalten (vgl. BUCHANAN 1984, S. 15). Vgl. zu BUCHANANs „Schleier der Unsicherheit“ BRENNAN/ BUCHANAN (1993, S. 37ff.). BUCHANAN (1984), S. 86. Vgl. SCHRAMM (2008b), S. 222. BUCHANAN (1984), S. 86. Vgl. BUCHANAN (1984), S. 85f. Vgl. auch SCHRAMM (1994), S. 188f. Vgl. SCHRAMM (2008b), S. 222f.; ANZENBACHER (1998), S. 103. Die Zustimmung des Schwachen zum Sklavereivertrag ist auch für den Starken von Vorteil, da er sich die vom Schwachen produzierten Güter aneignen kann. Das gilt aber nur so lange, wie der Schwache am Leben ist (vgl. BUCHANAN 1984, S. 86). Vgl. REIS (2003), S. 349.

370

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Nun ist nachvollziehbar, dass Menschen mangels Alternative bereit sein können, schwächere Positionen einzunehmen1361. Dennoch ist zu fragen, ob es nicht einen vor- oder übergeordneten, genuin moralischen Gerechtigkeitsmaßstab gibt1362, der durch Sklavereiverträge aus heutiger Sicht verletzt wird, obwohl der Sklave der Regelung vermutlich, wenn auch nicht zwingend 1363, zustimmt. In der Regel wird eine Abkehr von Sklaverei, wie jeder Beitrag zur Stärkung der Menschenrechte, als moralischer Fortschritt gewertet, sodass fraglich ist, ob der Sklavereivertrag, wie von BUCHANAN unterstellt, unter den gegebenen Bedingungen gerecht ist. Verkürzt könnte BUCHANANs Argumentation wie folgt zusammengefasst werden: Sowohl der Starke als auch der Sklave haben dem Sklavereivertrag ihre Zustimmung erteilt. Außer den beiden Betroffenen gibt es, abgesehen von externen Instanzen wie Gott, der die Weltordnung vorgegeben hat, keine andere Autorität, die in der Lage wäre, eine Ungerechtigkeit im skizzierten gesellschaftlichen Zustand festzustellen oder -zulegen1364. Was gerecht ist, muss bei BUCHANAN also zuerst in Regeln festgelegt werden: „Regeln sind der Gerechtigkeit logisch vorgeordnet“1365. Bevor keine (Eigentums-, Menschen- oder andere) Rechte und Regeln festgelegt wurden, gibt es keine Rechts- und damit moralische Gerechtigkeitsinstanz. Anders gesagt: Der Sklavereivertrag und Regeln allgemein sind gerecht,

1361

1362

1363

1364

1365

Wenn von der teils brutalen Realität ausgegangen wird (rechtsfreier Naturzustand: Krieg aller gegen alle), dann ist nach jenen (Win-win-)Situationen Ausschau zu halten, die für alle zweckdienlich sind und alle gemeinsam besserstellen. Dabei sind kleine Fortschritte besser als gar keine Fortschritte. Hier ist wiederum offen, ob es einen solchen vorgeordneten Gerechtigkeitsmaßstab überhaupt gibt und, darauf aufbauend, woher dieser kommen könnte. Und selbst wenn bekannt wäre, dass z. B. Gott einen solchen Maßstab erschaffen hat, so bliebe immer noch offen, wie Gottes Regeln konkret aussehen. BUCHANAN ignoriert, dass Menschen nicht nur ökonomische Zustimmungskriterien zum Gesellschaftsvertrag haben. So wäre denkbar, dass der Sklave ein moralisches Kriterium (sein moralisches Interesse) ins Zentrum rückt und eine Beschäftigung in der Sklavereigesellschaft deshalb ablehnt, da er lieber frei und arm (hungernd oder tot) ist, statt ökonomisch rational zu handeln und sich einem unwürdigen System zu unterwerfen. Der Umstand, dass es immer wieder „Helden“ gibt, die aus Fairnessinteressen hohe Kosten auf sich nehmen, um ein moralisches Ideal zu verfolgen (ein experimentelles Beispiel dazu liefern GÜTH/ SCHMITTBERGER/ SCHWARZE 1982 mit ihrem Ultimatumspiel), geht in BUCHANANs monodimensionaler Begründung unter. Das Kriterium dafür, dass der Sklave dem eigenen Sklavenvertrag zustimmt, ist rein ökonomischer Natur. Was zählt, und hier ist Kritik zu üben, ist das ökonomische Kriterium des höheren Einkommens, die Besserstellung durch ein gewisses Arrangement. Dass ein Sklavereivertrag gegen die Menschenwürde verstößt und ethisch inakzeptabel ist, blendet BUCHANAN aus. Vgl. HOMANN/ PIES (1991b), S. 94; HOMANN (1989), S. 119; GROßE KRACHT (2001), S. 180f.; MÜLLER (2004), S. 83; ANZENBACHER (1998), S. 102; GOLDSCHMIDT/ LENGER (2011), S. 300. BRENNAN/ BUCHANAN (1993), S. 128.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

371

vorgeordnet Handeln → Gerechtigkeit → Regeln → (Status quo, t0) = (-sinstanz) ↓ ↓ wir sind neuen Spielregeln/ Regeln sind gerecht, Spielregeländerungen auf der wenn alle Beteiligten Spur ihnen zustimmen

Handeln (Intention, t1) ↓ moralische/ gerechte Spielzüge durch Regeleinhaltung



finde: Regeln

wenn alle ihnen zustimmen. Die Zustimmung erfolgt aber nicht, weil der Sklavereivertrag (die Regeln) an sich gerecht sind, vielmehr wird aus der Zustimmung die Gerechtigkeit abgeleitet1366.

Abb. 28: Ableitungsmechanismus „Regeln → Gerechtigkeit“ (Status quo in t 0)1367

BUCHANAN ist in der Hinsicht beizupflichten, dass Regeln, denen alle zustimmen, besser und im Durchschnitt gerechter sind, als Regeln, welche einer Partei aufgedrängt werden müssen1368. Gleichwohl ist der von BUCHANAN beschriebene Ableitungsmechanismus zu undifferenziert. Schon rein von der Wortbedeutung her ist fraglich, ob „Gerechtigkeit“ im vorliegenden Kontext überhaupt der passende Ausdruck ist, denn „„[g]erecht“ lobt eine Verteilung [eigentlich] nicht, weil sie freiwillig [bei BUCHANAN teils sogar unfreiwillig] akzeptiert wird, sondern weil sie nach einem Muster verteilt, das alle [oder viele] in gleicher [oder ähnlicher] Weise berücksichtigt“1369. Auch sind Regeln, und darauf wird gleich näher eingegangen, nach dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden nicht immer kategorisch der Gerechtigkeit vorgeordnet1370. Sobald davon ausgegangen wird, dass „[a]llein das Vorhandensein von Regeln genügt, um [...] gerechtes von ungerechtem Handeln unterscheidbar zu machen“1371, würde das bedeuten, dass Gerechtigkeit nichts anderes darstellt, als ein definierbares Konstrukt oder eine Art Erfindung. Dagegen spricht aus ethischer Sicht aber, dass moralinteressierte Akteure häufig (umgekehrt) auf der Suche nach Gerechtigkeit sind. Menschen haben gewisse Gerechtigkeitsvorstellungen und befürworten daher in der Folge ausgewählte Regeln. 1366 1367 1368 1369 1370

1371

Vgl. BUCHANAN (1986), S. 126. Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. STEMMER (2000), S. 233. STEMMER (2000), S. 233. Auch BUCHANAN ist sich bewusst, dass „die [von ihm nicht geteilte] Vorstellung weitaus gebräuchlicher [ist], dass Regeln aus einer Gerechtigkeitsidee abzuleiten sind, als umgekehrt, dass durch Regeln gerechtes Verhalten definiert wird“ (BRENNAN/ BUCHANAN 1993, S. 139). BRENNAN/ BUCHANAN (1993), S. 131.

372

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Diesen Regeln stimmen sie zu, da sie mit ihren Gerechtigkeitsvorstellungen übereinstimmen, andernfalls würde der Großteil von ihnen den Regeln nicht zustimmen. In vielen Situationen müssen die Wahrheit und Gerechtigkeit also erst gefunden werden, um sie (gewisse moralkulturelle Vorstellungen) im Regelsystem festschreiben und auf der Anwendungsebene mit Leben füllen zu können:

Handeln (Status quo, → Gerechtigkeit t0) ↓ wir sind Gerechtigkeit auf der Spur aktuelle Entwicklungen, Erfahrungen: z. B. Arbeitslosigkeit Schwerbehinderte



Regeln



Handeln (Intention, t1)





neue Spielregeln/ Spielregeländerungen

moralische/ gerechte Spielzüge



finde: Gerechtigkeit

Kollektive und individuelle Vorstellungen von Gerechtigkeit: 1. Erziehung und Bildung, Rest der Gesellschaft usw. 2. übergeordneter Gerechtigkeitsmaßstab (z. B. von Gott)

Abb. 29: Ableitungsmechanismus „Gerechtigkeit → Regeln“ (Status quo in t0)1372

So hat die Menschheit in den Jahrtausenden ihrer Entwicklung (u. a. im Kontext der Sklaverei) zunehmend erkannt, was gerecht ist und was nicht 1373. Zudem steht der einzelne Mensch in seinen diversen Rollen (als Bürger, Manager usw.) immer wieder selbst vor der Überlegung, wie gerechte Regeln im Umgang miteinander zu gestalten sind. Jeder Mensch entwickelt (mit der Erziehung, Bildung usw.) individuelle Vorstellungen von gerechten Regeln, für die er Gründe hat und die er vor sich selbst verantworten muss1374. Voraussetzung hierfür ist der Wille, sich in die Lage anderer Menschen und Lebewesen hineinzuversetzen und die Welt aus 1372 1373

1374

Quelle: Eigene Darstellung. Das, was normalerweise als (un-)gerecht empfunden wird, unterliegt der Sozialisation, wobei auch diese Annahme einen vorgeordneten Gerechtigkeitsmaßstab voraussetzt: Vor 2000 Jahren wurde es in der Gesellschaft gemeinhin als selbstverständlich und gerecht erachtet, dass Unterschichten schwere Arbeiten und Sklavendienste (im Sinne einer Helfer- und Dienergesellschaft) zu verrichten hatten (teilweise ging die Vorstellung sogar so weit, dass zur Unterschicht Zugehörige allein wegen ihrer Schichtzugehörigkeit von sich aus dem Sklavereivertrag zugestimmt hätten). Aus heutiger Sicht erscheint ein solches Gerechtigkeitsverständnis hingegen undenkbar. BUCHANAN würde hier vermutlich erwidern, dass die Gerechtigkeitsvorstellungen, welche Menschen von ihren Eltern (Lehrern usw.) übernommen haben, nicht richtig sein müssen. Da Gerechtigkeitsauffassungen zudem nicht starr oder unantastbar sind, besteht jederzeit die Möglichkeit, sie zu hinterfragen.

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

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ihren Augen zu betrachten1375. Fehlt diese Bereitschaft, dann ist der in Abb. 29 dargestellte Ableitungsmechanismus „Gerechtigkeit → Regeln“ nicht realisierbar. Zur Präzisierung des Gedankengangs wird ein mit dem Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) zusammenhängendes Beispiel herangezogen. Betrachtet wird ein Unternehmen, das vor der Frage steht, ob es Schwerbehinderte einstellen soll oder nicht1376. Bei dieser Entscheidung bzw. Transaktion ist zu beachten, dass private und öffentliche Unternehmen mit über zwanzig Beschäftigten nach § 71 SGB IX mindestens 5 % ihrer Arbeitsplätze an Schwerbehinderte zu vergeben haben 1377. Unternehmen, die diese Beschäftigungsquote nicht erfüllen können oder wollen (etwa weil sie hohe Investitionen in behindertengerechte Arbeitsplätze befürchten), sind nach § 77 SGB IX verpflichtet, für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz eine Ausgleichsabgabe zu leisten, die je nach Erfüllungsgrad der Pflichtquote 320 Euro (0-1,99 %), 220 Euro (2-2,99 %) oder 125 Euro je Monat (3-4,99 %) betragen kann. Wie zu erkennen ist, werden durch die juristische Dimension ökonomische Anreize gesetzt, wobei gilt: „Wer sich für eine behindertenfreundliche Beschäftigungspolitik einsetzt, zahlt weniger“. Wichtig ist nun, dass mit der Implementierung einer solchen Regel (im Sinne von Abb. 29) versucht wurde, allgemein vorherrschende Gerechtigkeitsvorstellungen aufzugreifen und verbindlich festzuschreiben. In der Gesellschaft besteht ein moralisches Interesse daran, dass Maßnahmen ergriffen werden, um Schwerbehinderten den Einstieg und - wenn man an die Regeln der Sozialauswahl denkt - Verbleib im Arbeitsmarkt zu erleichtern, zumal Schwerbehinderte überdurchschnittlich häufig von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind1378. Genauso entspricht es z. B. den Präferenzen der Menschen, dass

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Worauf hier nicht eingegangen wird, ist der Umstand, dass eine solche Bereitschaft nicht vorausgesetzt werden kann. Um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass gewisse Zustände, so wie sie sich zum Zeitpunkt x darbieten, verkehrt und intolerabel sind, ist es unabdingbar, andere Menschen und Lebewesen im Sinne einer persönlichen Wertentscheidung als gleichwertig anzusehen. Das ist (und war auch schon früher) häufig aber nicht der Fall. Das Beispiel ließe sich gleichermaßen auf die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen usw. übertragen. Für kleinere Unternehmen gelten einige Sonderregelungen (vgl. etwa § 71 Abs. 1 Satz 3 SGB IX), die hier nicht weiter interessieren. Zudem können Unternehmen nach § 140 SGB IX ihre zu leistende Ausgleichsabgabe dadurch senken, indem sie Aufträge an anerkannte Behindertenwerkstätten vergeben. Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2015), S. 4, 12. Typische Zielberufe arbeitsloser Schwerbehinderter liegen in den Bereichen Objektschutz (z. B. Pförtner), Büro und Sekretariat, Gebäudetechnik (z. B. Hausmeistertätigkeiten) sowie Metallbearbeitung/ Mechatronik/ Elektronik (vgl. ebd., S. 10). 2014 lag die Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen bei 181.000 (vgl. ebd., S. 8). Zwischen

374

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

ein Kündigungsschutz besteht. Der damit eingeschlagene Ableitungsmechanismus führt von der Gerechtigkeitsvorstellung zur Regel (vgl. Abb. 29) und nicht, wie es BUCHANANs Annahme entspricht, von der Regel zur Gerechtigkeit (vgl. Abb. 28).

Handeln Gerechtig(Vergangenheit, → → keit t0) ↓ wir waren Gerechtigkeit auf der Spur

Regeln ↓ neue Spielregeln/ Spielregeländerungen



Handeln (Status quo, t1) ↓ Rückblickend: Regeln/ Moral ausgehebelt; der Gerechtigkeit nicht nähergekommen



finde: Gerechtigkeit

Ein Problem besteht nun darin, dass „amoralische“ (individuelle und kollektive) Akteure geneigt sein können, bestehende Regeln zu ihren Gunsten auszulegen, mit der metaphysisch relevanten Folge, dass der eigentlich intendierte moralische Zweck der Regeln verfehlt wird. Das heißt „das, was konkret [...] geschieht, ist […] „more messy“ als die „saubere“ abstrakte Welt einer mechanischen, also perfekten Spielregelbefolgung“1379. Um das Problem deutlicher zu machen, ist es hilfreich, eine rückblickende Perspektive einzunehmen (Status quo: t 1):

Abb. 30: Ableitungsmechanismus „Gerechtigkeit → Regeln“ (Status quo in t1)1380

So wäre denkbar, dass sich ein Arbeitgeber die bei einer Nichterfüllung der Pflichtquote fällige Ausgleichsabgabe wie folgt zurechtlegt (wobei die Praxis zeigt, dass der folgende Gedanke nicht abwegig ist) 1381: „Bei unseren 80 Mitarbeitern müssten wir mindestens vier Schwerbehinderte beschäftigen (≙ 5 %). Im

1379

1380 1381

2007 und 2014 ist die Zahl der über 55-jährigen schwerbehinderten Arbeitslosen um 54 % angestiegen (Arbeitslose insg.: 23 %), wohingegen in den Altersklassen zwischen 15 und 25 (mit 15 %; Arbeitslose insg.: 36 %) sowie zwischen 25 und 55 Jahren (mit 17 %; Arbeitslose insg.: 29 %) Rückgänge zu verzeichnen waren (vgl. ebd.). Dass der Anstieg bei den älteren Altersgruppen stärker und der Rückgang bei den jüngeren Altersgruppen schwächer ausfällt als bei den Arbeitslosen insgesamt, ist als Zeichen zu werten, dass es neben der Altersstruktur noch andere Faktoren geben muss, die sich restriktiv auf eine Eingliederung von Schwerbehinderten ins Arbeitsleben auswirken. Da knapp zwei Fünftel der schwerbehinderten Arbeitslosen 55 Jahre und älter sind (Arbeitslose insg.: ein Fünftel) wirkt sich das Auslaufen vorruhestandsähnlicher Regelungen zudem stark auf die Anzahl der arbeitslosen Schwerbehinderten aus (vgl. ebd., S. 9). SCHRAMM (2014), S. 2. Vgl. auch SCHRAMM (2016b), S. 38, 44, 57; SCHRAMM (2015a), S. 180; SCHRAMM (2016d), S. 153, 156. Quelle: Eigene Darstellung. Laut einer Untersuchung des DGB bleiben „[f]ast zwei Drittel (61 Prozent) der beschäftigungspflichtigen deutschen Arbeitgeber [...] unter der Pflichtquote von fünf Prozent. Beinah ein Drittel

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

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Grunde besteht aber eine (unausgesprochene) Preisvereinbarung. Da wir uns entschlossen haben, keine Stellen mit Schwerbehinderten zu besetzen, resultiert für uns eine jährliche Abgabe von 3.840 Euro pro Arbeitsplatz (12 Monate a 320 Euro) bzw. jährliche Gesamtabgabe von 15.360 Euro für alle vier (unbesetzten) Arbeitsplätze. Wir sind bereit, diesen „Preis“ zu zahlen. Damit „erkaufen“ wir uns das Recht (property right), keine Schwerbehinderten zu beschäftigen“1382. Interessant an obiger „Freikauf-Argumentation“ sind nun zwei Punkte: Zum einen ist ihr rein ökonomisch nicht zu widersprechen. Das Unternehmen zahlt (im Sinne einer ökonomistisch verengten Markt-Lösung) die Strafe und macht sich so die Regeln des SGB IX zu Eigen. Mit der Ausgleichsabgabe erkauft es sich quasi das „moralische Recht“, keine Schwerbehinderten einstellen zu müssen, womit man zugleich zum Problem gelangt, das aus einem derartigen ökonomisch-juristischen Anreiz resultiert1383. So drängt sich der Eindruck auf, dass eine solche Logik der „Preis-Verleihung“ nicht die gesamte Wahrheit wiedergibt, da dem eigentlichen (moralischen) Sinn des Gesetzes (und dem damit einhergehenden Wunsch der Gesellschaft), Schwerbehinderten den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, widersprochen wird1384. Objektiv betrachtet ist es so, dass Unternehmen,

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(31 Prozent) - es sind überwiegend private Arbeitgeber - beschäftigen keine Behinderten oder weniger als ein Prozent“ (DGB 2012). Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamts lag die Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten 2010 im Durchschnitt bei 4,5 % (öffentlicher Dienst: 6,3 % (≙ Übererfüllung); Privatwirtschaft: 4 % (≙ Untererfüllung)). Würde sich das betrachtete Unternehmen dazu entschließen, einen (zwei, drei oder vier) Schwerbehinderte(n) einzustellen, so läge die jährliche Ausgleichsabgabe bei 11.520 Euro (zwei: 5.280 Euro (2*12*220 Euro), drei: 1.500 Euro (1*12*125 Euro) oder 0 Euro = Beschäftigungspflicht erfüllt). Durch die Beschäftigungsquote und Ausgleichsabgabe werden ökonomische Anreize aktiviert, die eine Verdrängung moralischer Anreize bewirken können. In einem Umfeld moralischer Anreize würde es als unanständig gelten, Schwerbehinderte nicht einzustellen. In einem Umfeld ökonomischer Anreize erkennen und nutzen Unternehmen dagegen die Option, sich die Nicht-Beschäftigung Schwerbehinderter zu „erkaufen“. Das gilt umso mehr, wenn ihnen der dafür zu entrichtende „Preis“ als niedrig erscheint. Da die Welt plural ist und es verschiedene, teils widerstreitende Interessen gibt, welche Akteure haben können, sollte ein Anreizmanagement polydimensional aufgestellt sein (vgl. Unterabschnitte 3.3.5.2, 3.3.5.3). Unternehmen bzw. Manager hätten dann, wie skizziert, ein moralisches Interesse daran, in der Öffentlichkeit als integer dazustehen. Zugleich kann es sinnvoll sein, ökonomische Anreize zu setzen, die ökonomische Interessen aktivieren. Trotz der Probleme, die ökonomische Anreize für die Beschäftigung Schwerbehinderter mit sich bringen, liegt nahe, dass viele Unternehmen ohne Beschäftigungsquote erst recht keine Einstellungen vornehmen würden. Zugleich wäre es naiv zu meinen, mit der Beschäftigungsquote allein ließe sich das Handeln der Unternehmen in eine gewünschte Richtung lenken. Vgl. ILG (2010). Der Gedanke wird noch deutlicher, wenn der Hintergrund des betrachteten Problems von einer höheren bzw. abstrakten ethischen (Begründungs-)Ebene betrachtet (bzw. auf die

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Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

welche es pauschal vorziehen, die Strafe bzw. den ökonomischen Preis zu zahlen, statt Schwerbehinderten eine Chance zu geben und sie zu beschäftigen, ungerecht handeln, da sie ein moralisches Gebot brechen und den Unterschied zwischen Moral und Ökonomie übergehen. Die moralische Dimension der Situation wird durch den Geldzahlungsvorgang ausgeblendet 1385. Jedenfalls sollte das Gerechtigkeitsgefühl der Akteure bei Zahlung der Ausgleichsabgabe zumindest tangiert werden. Ist das nicht der Fall, dann wurde der moralische Sinn der Regel nicht verstanden. Eine ähnliche Argumentation lässt sich im Falle einer Regeländerung oder -verschärfung anbringen1386. So besteht kein Zweifel daran, dass in den Fällen, in denen sich Akteure nicht dem Sinn nach an bestehende Regeln halten, oft keine andere Wahl besteht, als der Gerechtigkeit härtere Regeln vorzuordnen. Das gilt gerade dann, wenn Regeln nicht zu der Gerechtigkeit führen, die aus ethischer Perspektive erhofft wurde und den Regeln daher so nicht zugestimmt werden kann. Zu bedenken ist aber, dass Unternehmen, die erst infolge einer Regelverschärfung (etwa in Form einer Erhöhung der Ausgleichsabgabe) die Beschäftigungsquote einhalten, weiterhin nicht (im Sinne des Wortes) moralisch handeln, auch wenn nun mehr Gerechtigkeit herrscht. In Anlehnung an BECKERs „rotten-kid“-Theorem1387 und andere Vertreter der Chicago School (wie MILTON FRIEDMAN1388)

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Ebene von Metaregeln verlagert) wird: Es geht dann nicht mehr um den lokalen Fall („Unternehmen A zieht es vor, die Ausgleichsabgabe zu zahlen, statt Schwerbehinderte einzustellen“), sondern um den Sinn der jeweiligen Regeln überhaupt. So liegt die tiefere Begründung im vorliegenden Fall in der moralkulturellen Vorstellung, dass Schwerbehinderten eigentlich (idealiter) eine uneingeschränkte und gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zusteht, auch im Arbeitsmarkt. Vgl. für ein ähnliches Beispiel („Geldbuße im Straßenverkehr“) auch SCHRAMM (2016d), S. 146ff.; SCHRAMM (2016c), S. 156. Eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe für Unternehmen, die ihrer Beschäftigungspflicht nicht nachkommen, fordert z. B. der DGB (2012). Vgl. zum „rotten-kid“-Theorem BECKER (1974); BECKER (1991), S. 277ff.; BECKER (1993b), S. 282ff.; SCHRAMM (1996), S. 241ff.; SCHRAMM (2015b), S. 107. Ohne auf das rotten-kid-Theorem näher einzugehen, sei hier nur folgende Anmerkung gemacht: Mit dem rotten-kid-Theorem will BECKER das „as-if“-Verhalten von Akteuren aufzeigen. Das selbstsüchtige rotten-kid fällt seine (Kooperations-)Entscheidung, dem Familienoberhaupt (head) bei der Ernte zu helfen, unter der Rahmenbedingung (Budgetrestriktion), dass der head aufgrund seiner altruistischen Haltung (etwa Vaterliebe) erwartungsgemäß die Hälfte seiner Ernte an das rotten-kid transferiert und in der Folge seine Ausbeute höher ausfällt. Wäre die altruistische Haltung des heads schwächer ausgeprägt, so käme es zu keiner Kooperation (und das rotten-kid hätte auch kein „as-if“-Verhalten gezeigt). Die gleich skizzierte „as-if“-Argumentation illustriert FRIEDMAN (1953, S. 19) an einer quasi wissenschaftlichen Hypothese zur Dichte von Blättern an Bäumen: “I suggest the hypothesis that the leaves are positioned as if each leaf deliberately sought to maximize the amount of sunlight it receives”. Die meisten Blätter wachsen an Stellen, an denen die Sonneneinstrahlung am stärksten

Arbeitsplatzbezogene Dilemmasituationen

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lässt sich sagen: Die Unternehmen verhalten sich nur so, als ob („as-if“) ihnen Schwerbehinderte am Herzen liegen würden1389. Faktisch können sie ihrer eigentlichen Präferenz zu den ursprünglichen Konditionen nicht mehr nachgehen, sodass es ihnen zu teuer geworden ist, keine Schwerbehinderten zu beschäftigen. In realen Unternehmens-Transaktionen ist, wie im folgenden Unterkapitel noch weiter erläutert wird, die Grenze zwischen moralischen Interessen, ökonomischen Interessen und betriebswirtschaftlichen Erfordernissen nur schwer bestimmbar. Auch lässt sich nicht genau sagen, wie und in welchem Maße Gesetze die Gestalt von Transaktionen beeinflussen. So gibt es Unternehmen, die Schwerbehinderte deshalb beschäftigen, da sie an deren Schicksal interessiert sind. Andere tun es, um der Zahlung der Ausgleichsabgabe zu entgehen. Zugleich können mehrere Gründe für eine Nichteinhaltung der Quote vorliegen. So gibt es Unternehmen, die für eine freie Stelle niemand Geeigneten finden oder bei denen trotz bester Absicht betriebswirtschaftliche, organisatorische, räumliche oder andere Gründe eine Erreichung der Quote erschweren oder verhindern. Andere Unternehmen wiederum beschäftigen keine Schwerbehinderten, da sie wegen der besonderen Kündigungsschutzregelungen (§§85 ff. SGB IX) von Anfang an eine Zahlung der Ausgleichsabgabe bevorzugen. Daher gilt auch hier die metaphysische Basisentscheidung: Primär ist nicht die Spielregel, sondern das wirkliche Ereignis (bzw. die

1389

ist. Sie verhalten sich im übertragenen Sinne als Homines oeconomici, die ihr Wohlergehen („Rente an Sonnenlicht“) maximieren wollen. Die Blätter werden dabei als rational maximierende Akteure modelliert, was von der Grundannahme her zwar unrealistisch ist, aber zu richtigen Vorhersagen führt. Man tut also so, als ob man es mit rational maximierenden Akteuren zu tun hätte. Das zeigt, dass durch eine Restriktions- eine Verhaltensänderung bewirkt werden kann (∆𝑉 = 𝑓(𝑃̅ , ∆𝑅), vgl. PIES 1993, S. 95), wobei das Gesagte auch im umgekehrten Falle gilt: Zu denken ist an ein moralisch gesinntes Unternehmen, das behindertengerechte Arbeitsplätze einrichten will. Da es in der Folge teurer wäre als Konkurrenten, die sich nicht um Schwerbehinderte kümmern, wäre es (unter Annahme der Dilemmalogik) letztlich doch gezwungen, sich so zu verhalten, als ob ihm Behinderte egal wären, obwohl das faktisch nicht zutrifft (vgl. SCHRAMM 2004a, S. 14). Was mit dem Homo oeconomicus-Konstrukt nach Auffassung von BECKER untersucht wird, sind nicht die Eigenschaften und Motive wirklicher Akteure (Welche Präferenzen haben sie? Von welchem Menschenbild wird ausgegangen?), sondern die Eigenschaften von Handlungssituationen bzw. der Situationslogik (vgl. ZINTL 1989, S. 62, 64; SCHRAMM 1996, S. 234, 241; SCHRAMM 2015b, S. 125; PIES 1993, S. 94). Die Handlungssituation definiert sich rein dadurch, ob eine Beschäftigungsquote existiert oder nicht und wie sich Unternehmen in Abhängigkeit der (Nicht-) Existenz der Quote verhalten. Sollte eine Quote existieren oder eingeführt werden, was einer Veränderung der Situationslogik entspricht, dann verändert das die Rahmenbedingungen, sodass auch moralisch desinteressierte Unternehmen Schwerbehinderte einstellen. Tun sie es trotzdem nicht, weil sie sich um die Logik der Situation nicht kümmern, dann werden sie bestraft und, falls ihnen der Strafsatz zu hoch ist, ihre zukünftige Einstellungspolitik neu überdenken.

378

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

einzelne Entscheidung), das (bzw. die) von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird1390. Es wäre falsch, anzunehmen, mit abstrakten Spielregeln wäre die Wirklichkeit bereits eingefangen. Vielmehr entscheidet die konkrete Wirklichkeit auf der Mikroebene1391, ob Spielregeln virtuell bleiben oder konkret werden. Die Beschäftigungsquote bleibt so lange abstrakt, bis sie in den Transaktionen des Unternehmens als wirklichem Akteur reproduziert wird (bis es also zum „habit“ wird, Schwerbehinderte zu beschäftigen) 1392. Der Punkt ist aber: Sämtliche Effekte lassen sich benennen, nicht jedoch klar voneinander trennen, da sich die Transaktion „Beschäftigung von Schwerbehinderten“ in der polydimensionalen Realität in einer metaphysisch komplexen moralökonomischen Grauzone vollzieht (vgl. Abb. 31), deren Gestalt unvorhersehbar ist. Im Bereich der Arbeitsplatzschaffung ist es daher, und das gilt für alle Arbeitnehmer, nicht möglich, präformierte Situationstypen samt managementethisch angemessener Handlungsstrategien zu entwickeln.

ja

moralisches Interesse/ Gerechtigkeitsge„As-if“-Verhalten: fühl: vs. Ökonomische Kosten zu hoch, um keine Unternehmen liegt Schicksal schwerbehinSchwerbehinderten zu beschäftigen derter Menschen wirklich am Herzen

nein

Frage: Wird Beschäftigungsquote für Schwerbehinderte eingehalten? Falls ja oder nein: Warum?

„Freikauf“-Argumentation (BUCHANAN): betriebswirtschaftliche/ organisatorische/ Unternehmen zahlt Ausgleichsabgabe und räumliche/ branchenbezogene Faktoren vs. erkauft sich „moralisches Recht“, keine sprechen (ggf. trotz moralischem Interesse) Schwerbehinderten beschäftigen zu müssen gegen Einhaltung der Beschäftigungsquote (Spielregel bleibt virtuell)

Abb. 31: Managementethischer Graubereich in realen Beschäftigungstransaktionen1393

Im nächsten Schritt werden in Unterkapitel 7.2 die relevanten theoretischen Grundlagen des auf den einzelnen (Management-)Transaktionen im Geschäftsalltag beruhenden Mikroansatzes einer Managementethik erläutert, der neben dem gerade behandelten Makroansatz einen weiteren grundsätzlichen Zugang zur Managementethik darstellt und dann auch im Mittelpunkt der folgenden Untersuchungen der Arbeit stehen wird.

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1392 1393

Vgl. SCHRAMM (2016b), S. 44. Diese Mikroebene wiederum ist polydimensional kontingent gefasst und darf deshalb nicht nur ökonomistisch verengt gesehen werden (wie etwa im Modell von WILLIAMSON). Vgl. dazu auch Unterabschnitt 7.3.4.1. Quelle: Eigene Darstellung.

Arbeitsplatzbezogene Kontingenzsituationen 7.2

379

Arbeitsplatzbezogene Kontingenzsituationen: Mikroorientierte Managementethik

Die Darlegungen zur ordonomischen Ethik von PIES ET AL. haben gezeigt, dass diese durch ihre makroökonomische Win-win-Orientierung den Blick für die Polydimensionalität einzelner Managemententscheidungen verliert. Zudem bilden Spielregeln nicht das ab, was wirklich in Unternehmen geschieht. Das vorliegende Unterkapitel widmet sich nun dem Mikroansatz der Managementethik, der wesentlich auf Arbeiten von WIELAND (1999, 2001a, 2005a) basiert und im deutschen Sprachraum auch durch SCHRAMM (2011) vertreten wird. Der Mikroansatz setzt nicht (nur) an den fixen Meta- bzw. ordnungspolitischen Spielregeln der Gesellschaft an1394, welche letztlich nur eine Form von kanalisierenden Faktoren darstellen, sondern an den einzelnen polydimensionalen Transaktionen des operativen Managements im Geschäftsalltag1395. Er basiert damit auf einer anderen Vorstellung, wie die Dinge in der Welt prinzipiell funktionieren: Metaphysisch primär ist das Mikrogeschehen, das, wie noch zu zeigen sein wird, durch diverse Determinanten bestimmt wird. Der im Kontext mit Transaktionen zentrale ökonomische Ansatz ist die Transaktionskostenökonomik von WILLIAMSON, auf deren Kernaussagen und -elemente in Abschnitt 7.2.1 eingegangen wird 1396, bevor im zweiten Abschnitt eine kritische Betrachtung der Transaktionskostenökonomik erfolgt, in der vor allem auf die (aus managementethischer Sicht missfallende) ökonomistische Verengung des „Transaktions“-Begriffs abgehoben wird.

1394

1395 1396

Korrekterweise ist zu ergänzen: Spielregeln haben im Ansatz von HOMANN und PIES die oberste Priorität, sind aber nicht vollkommen fix, sondern werden von der bzw. durch die Demokratie aktiv gestaltet und immer wieder neu ausgerichtet. „Fix“ meint, dass Spielregeln den festen Rahmen bilden, der die Handlungen determiniert. “The transaction is made the basic unit of analysis“ (WILLIAMSON 1996a, S. 193). WILLIAMSON (Wirtschaftsnobelpreis 2009) gilt als Begründer der Transaktionskostenökonomik. Sein Werk „Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus“ (vgl. WILLIAMSON 1985, 1990) liefert eine zusammenfassende Darstellung des Ansatzes. Klarzustellen ist, dass der Ansatz bei der Transaktion in der üblichen Ökonomik keine (management-)ethische Bewandtnis hat. Die Transaktions-„kosten“-ökonomik, die erstmals Transaktionen als Basiseinheit ins Zentrum gerückt hat, ist rein ökonomisch gefasst. Eine kontrastierende polydimensionale Fassung des „Transaktions“Begriffs, so wie sie von SCHRAMM propagiert wird, findet sich beim Miterfinder des Transaktions(Ethik-)Ansatzes, nämlich JOHN ROGERS COMMONS, auf den sich auch WILLIAMSON bezieht.

380 7.2.1

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz Transaktionskostenökonomik als zentraler ökonomischer Ansatz im Zusammenhang mit der Transaktion

Der erste Abschnitt des Unterkapitels wendet sich zunächst den Ursprüngen und theoretischen Grundlagen der Transaktionskostentheorie zu, so wie sie insbesondere von RONALD COASE und OLIVER WILLIAMSON ausgearbeitet wurde. Dabei wird im ersten Unterabschnitt 7.2.1.1 auf die auf COASE (und dessen 1937 erschienenen Aufsatz „The Nature of the Firm“) zurückgehende transaktionskostentheoretische Begründung der Existenz von Unternehmen Bezug genommen. In Unterabschnitt 7.2.1.2 richtet sich die Betrachtung sodann auf WILLIAMSONs Transaktionskostentheorie, welche an die Arbeiten von COASE (und COMMONS) anknüpft und sich schwerpunktmäßig mit der Analyse der Mechanismen innerhalb der Organisation befasst. Im Zentrum der WILLIAMSONschen Transaktionskostentheorie steht, wie noch herausgearbeitet wird, die Identifikation effizienter, ökonomisch vorteilhafter Koordinationsformen bzw. institutioneller Arrangements für verschiedene Transaktionen, wobei die Analyse der Transaktionskosten solcher Koordinationsformen nach WILLIAMSON auf dem Auftreten verschiedener Verhaltensannahmen (beschränkte Rationalität, Opportunismus) und Umweltfaktoren (Faktorspezifität, Unsicherheit) in Geschäftsbeziehungen basiert.

7.2.1.1 Transaktionen und Transaktionskosten Neben der Agenturtheorie (Prinzipal-Agenten-Theorie) und der Theorie der Verfügungsrechte (Property-Rights-Theorie) bildet die Transaktionskostentheorie das Grundgerüst der Neuen Institutionenökonomik1397. Der Ursprung der Transaktionskostenökonomik, deren mikroanalytisches Analyseobjekt einzelne Transaktionen sind, geht auf die 1930er Jahre und hier primär auf Werke von JOHN ROGERS COMMONS (1934) und RONALD HARRY COASE (1937) zurück1398. COMMONS war der erste Wissenschaftler, der im Rahmen der ökonomischen Analyse den Leistungsaustausch bzw. Transaktionen ins Zentrum gerückt hat 1399. Dabei hebt er die 1397

1398

1399

Vgl. im Folgenden RICHTER/ FURUBOTN (2003); EBERS/ GOTSCH (2006); GÖBEL (2002); WILLIAMSON (1990), S. 1; WILLIAMSON (1996b), S. 1; LEIPOLD (2006), S. 47. COASE erhielt 1991 den Wirtschaftsnobelpreis für das nach ihm benannte COASE-Theorem, welches er in seinem Aufsatz „The Problem of Social Cost“ (1960) entwickelte. “Meanwhile I was trying to find what could be the unit of investigation which would include these three constitutions of conflict, dependence, and order. […] I worked out the conclusion that they

Arbeitsplatzbezogene Kontingenzsituationen

381

ökonomische, ethische und rechtliche Dimension der Transaktion als gleichbedeutend hervor, was den Ansatz anschlussfähig für eine Transaktionsethik macht. Alle „drei an sich abstrakte und in sich monodimensionale Dimensionen“ 1400 kommen in Transaktionen zusammen und werden konkret wirklich: “A transaction [...] is the ultimate unit of economics, ethics and law“1401. Im Gegensatz zu WILLIAMSON, der Transaktionen als ökonomisch-technischen Leistungsaustausch beschreibt, bei dem die physische Leistungsübergabe im Fokus steht 1402, ist in COMMONS’ „Transaktions“-Begriff die mit jener Übergabe verbundene Übertragung von Verfügungsrechten über Güter und Dienstleistungen primär 1403. Während COMMONS den „Transaktions“-Begriff erstmalig als Basiseinheit der ökonomischen Betrachtung eingeführt hat, war es COASE‘ Anliegen, das Bewusstsein innerhalb der ökonomischen Grundlagenforschung dafür zu schärfen, dass das neoklassische Modell der vollkommenen Konkurrenz, in dem Güter und Dienstleistungen sofort transaktionskostenfrei austauschbar sind, kein geeignetes Modell zur Erklärung der Unternehmensrealität darstellt1404. Den Ausgangspunkt der Transaktionskostenökonomik bildet der von COASE 1937 publizierte Aufsatz „The Nature of the Firm“, in dem er analysiert, warum sich in Marktwirtschaften Unternehmen als hierarchisch organisierte Einheiten (im Sinne kleiner, intern fast planwirtschaftlich organisierter „Einzelwirtschaften“) zur Steuerung von Transaktionen herausgebildet haben1405. Das erstaunt umso mehr, als eigentlich der Preismechanismus des Marktes als Koordinationsinstrument fungiert und im Prinzip alle Transaktionen über den Markt ablaufen könnten1406.

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were found combined together only in the formula of a transaction […]. So I made the transaction the ultimate unit of economic investigation, a unit of transfer of legal control” (COMMONS 1934, S. 4). Vgl. auch WILLIAMSON (1996b), S. 3. SCHRAMM (2016b), S. 52. Vgl. auch SCHRAMM (2016e), S. 345f. COMMONS (1924), S. 68; ähnlich COMMONS (1934), S. 58. Bei WILLIAMSON (1990, S. 1) findet eine Transaktion dann statt, „wenn ein Gut oder eine Leistung über eine technisch trennbare Schnittstelle hinweg übertragen wird“, wobei die Schnittstelle jenen Punkt markiert, an dem eine Tätigkeitsphase (Handlung, Transaktion) endet und eine andere beginnt. “[T]ransactions are not the “exchange of commodities”, but the alienation and acquisition, between individuals, of the rights of property and liberty created by society, which must therefore be negotiated between parties concerned before labor can produce, or consumers can consume, or commodities can be physically exchanged” (COMMONS 1931, S. 652). Vgl. COASE (1988), S. 6; EIDENMÜLLER (2005), S. 98. Vgl. COASE (1937), S. 390. Vgl. COASE (1937), S. 388.

382

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Als Hauptgrund für die Existenz von Unternehmen stellt COASE die bei der Marktnutzung vor (1. ex-ante) und nach (2. ex-post) Vertragsschluss anfallenden Transaktionskosten heraus1407, welche bei der Anbahnung (1.: Such- und Informationskosten), der Formulierung, dem Abschluss (1.: Verhandlungs- und Entscheidungskosten) und der Kontrolle (2.: Überwachungs-, Durchsetzungs-, Anpassungskosten) von Verträgen bzw. Leistungstransfers zwischen Akteuren in Marktbeziehungen verursacht werden1408. In Abhängigkeit der relevanten Transaktionsmerkmale, gerade im Hinblick auf die Häufigkeit ihrer Durchführung, ihre Spezifizität und Unsicherheit, ist es möglich, dass eine interne Koordination („make“, Leistungserstellung im Unternehmen, durch Schaffung spezifischer Stellen und Abteilungen) geringere Transaktionskosten verursacht 1409, als eine Nutzung des Preismechanismus des Marktes bei Fremdbezug („buy“) 1410: “The main reason why it is profitable to establish a firm would seem to be that there is a cost of using the price mechanism“1411. Bei anderen Transaktionen kann es günstiger sein, sie über

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Da es nach WILLIAMSON (1990, S. 33) „unmöglich [ist], die gesamte Verhandlungstätigkeit in der Vorvertragsphase, also ex-ante, unterzubringen“, hebt er (im Unterschied zur Verfügungsrechteund Agenturtheorie) die Bedeutung der ex-post Institutionen des Vertrages sowie der ex-post anfallenden Transaktionskosten hervor (vgl. WILLIAMSON 1996b, S. 2; EBERS/ GOTSCH 2006, S. 278). Verallgemeinert sind „Transaktionskosten die Betriebskosten eines Wirtschaftssystems“ (ARROW 1969, S. 48). Vgl. RICHTER/ FURUBOTN (2003), S. 58ff.; EBERS/ GOTSCH (2006), S. 278; MACHARZINA/ WOLF (2015), S. 57. Zu den Transaktionskosten zählen auch „schwer quantifizierbare Nachteilskomponenten“ (PICOT/ DIETL 1990, S. 178), wie aufgewendete Zeit und Mühe. COASE (1937, S. 390f.) differenziert folgende Transaktionskosten: “The [...] cost [...] of discovering what the relevant prices are [Anbahnungs-/ Informationskosten]“ sowie “costs of negotiating and concluding a separate contract for each exchange transaction which takes place on a market [Verhandlungs-/ Durchsetzungskosten]”. WILLIAMSON weist zudem darauf hin, dass ex-ante- und ex-post-Transaktionskosten in wechselseitiger Beziehung zueinanderstehen (vgl. WILLIAMSON 1990, S. 24). RICHTER/ FURUBOTN (2003, S. 61f.) unterteilen Unternehmenstransaktionskosten in zwei Kategorien: Zum einen in (primär fixe) Kosten zur Einrichtung, Erhaltung und Änderung der Organisationsstruktur (z. B. Investitionen in die Produktionstechnologie). Zum anderen fallen (primär variable) Kosten für den laufenden Betrieb der Organisation an. Dabei kann es sich um Informationsund Überwachungskosten (z. B. zur Kontrolle des Managements durch die Eigentümer (Corporate Governance) oder der Leistung der Angestellten) sowie um physisch-logistische Übertragungskosten handeln (z. B. für den innerbetrieblichen Transport oder die Lagerung). Die Alternative „buy“ erfordert es, sich laufend über günstigste Angebote zu informieren (Ausschreibungen zu tätigen usw.), was zeit- und kostenintensiv ist. Statt Leistungen andauernd über den freien Markt zu beziehen, kann es daher sinnvoller sein, sie in das Unternehmen zu integrieren und intern hierarchisch abzuwickeln. Solche Fragen stellen sich sowohl in Produktions- als auch in Dienstleistungsunternehmen (vgl. MARTIENSEN 2000, S. 276). COASE (1937), S. 390. Den Begriff „Transaktionskosten“ verwendet COASE in seinem Aufsatz an keiner Stelle. Neben den “costs of using the price mechanism“ spricht er von “marketing costs“ (ebd., S. 394).

Arbeitsplatzbezogene Kontingenzsituationen

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Märkte abzuwickeln, da die internen Transaktionskosten über den externen Markttransaktionskosten liegen. COASE weist auch darauf hin, dass die internen Transaktionskosten mit zunehmender Zahl integrierter Markttransaktionen überproportional ansteigen können1412. Unternehmen befinden sich daher in einem ständigen Lernprozess, in dem sie herausfinden müssen, welche Transaktionskosten (Markt vs. Unternehmen) geringer sind und welche Unternehmensgröße am günstigsten für sie ist1413. Das optimale Ausmaß der vertikalen Integration ist COASE zufolge dann erreicht, wenn die Kosten einer zusätzlichen Transaktion im Unternehmen den Kosten einer Abwicklung über den Markt entsprechen1414. In Unterabschnitt 7.2.1.2 werden die Grundlagen zur Transaktionskostenökonomik von WILLIAMSON (und hierbei vor allem zu den der Theorie zugrunde liegenden Verhaltensannahmen und Prämissen bei der Steuerung vertraglicher Beziehungen und Risiken) aufgearbeitet.

7.2.1.2 Annahmen über das Verhalten der involvierten Transaktionsakteure und die Charakteristika der Transaktion Während COASE erklären wollte, warum Unternehmen existieren und bestimmte Transaktionen über den Markt und andere wiederum hierarchisch (über den Anweisungsmechanismus der Organisation) abgewickelt werden, ging WILLIAMSON, der zweite wichtige Transaktionskostenökonomik-Vertreter, einen Schritt weiter1415. Basis ist die Feststellung, dass „die Erforschung der ökonomischen Institutionen des Kapitalismus bislang keinen bedeutenden Raum“ 1416 in den Sozialwissenschaften einnahm. Ein Ziel von WILLIAMSON ist es daher, das Unternehmen, aufbauend auf den Erkenntnissen von COASE, als „Black Box“ zu öffnen und seine 1412 1413

1414 1415

1416

Vgl. COASE (1937), S. 394. Die Unternehmensgröße bestimmt sich nach COASE nach der Anzahl der Transaktionen, welche es durchführt: “A firm becomes larger as additional transactions [...] are organised by the entrepreneur and becomes smaller as he abandons the organisation of such transactions“ (COASE 1937, S. 393). Vgl. COASE (1937), S. 395; OUCHI (1980), S. 129f. Vgl. SCHRAMM (2011), S. 176f. Auch WILLIAMSON geht in Anlehnung an COMMONS von einzelnen Transaktionen als Basiseinheit der Analyse aus (vgl. WILLIAMSON 1990, S. 1, 3, 47). Zudem baut er auf der Idee von COASE auf, Unternehmen und Märkte in Abhängigkeit der jeweiligen Transaktionskosten „als alternative Möglichkeiten ökonomischer Organisation zu verstehen“ (ebd., S. 4). WILLIAMSON (1990), S. 17.

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internen betriebswirtschaftlichen Mechanismen aus Transaktionskostensicht zu untersuchen („how will such internal transactions be organized?“1417). Dabei konzentriert er sich primär auf die Frage, wie Transaktionen, welche sich bezüglich ihrer kostenrelevanten Eigenschaften unterscheiden, gewissen institutionellen Arrangements („Beherrschungs- und Überwachungssystemen“)1418 zugeordnet werden sollten, um die mit der Wertschöpfung verbundenen Kosten, als Summe aus Produktions- (Kosten ausgetauschter Güter und Dienstleistungen) und Transaktionskosten (Abwicklungs- und Organisationskosten), zu minimieren1419. Er setzt in seinem Ansatz also vertragstheoretisch an1420, wobei er, wie noch gezeigt wird, in Anlehnung an “MACNEIL's three-way classification of contract“1421 drei Formen von Vertragsbeziehungen unterscheidet: klassische, neoklassische und relationale Verträge1422. Worum es ihm geht, ist die Steuerung von Vertragsbeziehungen im Geschäftsalltag (z. B. zwischen Management und Mitarbeitern)1423. Das Problem bei Verträgen besteht allgemein darin, dass sie Risiken unterworfen sind und „die Erfüllung der Vertragsvereinbarungen durch eine der Parteien unsicher bzw. fragwürdig“1424 ist. Als Rahmenthema rückt WILLIAMSON daher die 1417

1418 1419

1420

1421 1422 1423

1424

WILLIAMSON (1975), S. 82: “Both intermode (acquisition) and intramode (organization form) issues are posed” (ebd.); vgl. auch WILLIAMSON (1990), S. 17. Diesen Anspruch hebt WILLIAMSON auch in einem Interview hervor, das er nach der Verleihung des Nobelpreises 2009 gegeben hat: “I have to start with how economics used to look at how organizations work, and they mainly just emphasized the existence of firms rather than the mechanisms in firms. And firms were often referred to as a black box into which you introduced inputs like labor and capital and components and somehow processed them and goods and services came out the other end”. Vgl. dazu auch die Ausführungen am Ende des Unterabschnitts. Vgl. WILLIAMSON (1979), S. 245; WILLIAMSON (1990), S. 25; EBERS/ GOTSCH (2006), S. 277. Ob die Kosten, welche eine Aktivität verursacht, Transaktions- oder Produktionskosten darstellen, ist immer auch vom jeweiligen Kontext abhängig, in dem die betreffende Aktivität betrachtet wird (vgl. MARTIENSEN 2000, S. 276). Weder die Produktions- und noch weniger die Transaktionskosten lassen sich in der Praxis hundertprozentig exakt quantifizieren oder verursachungsgerecht zurechnen, was aber insofern unproblematisch ist, als es der Transaktionskostenökonomik in erster Linie nicht um die absolute Höhe der Kosten geht. Vielmehr versucht sie, anhand eines relativen Vergleichs der Kostenhöhen das kostengünstigste institutionelle Arrangement für eine Transaktion zu ermitteln (vgl. EBERS/ GOTSCH 2006, S. 280; PICOT/ DIETL 1990, S. 183). Vgl. WILLIAMSON (1996b), S. 1; SCHRAMM (2011), S. 176. Das Denken in Verträgen ist kennzeichnend für die moderne Institutionenökonomik (vgl. RICHTER 1994, S. 16). Vgl. WILLIAMSON (1979), S. 248; MACNEIL (1978), S. 854ff. Vgl. WILLIAMSON (1986), S. 102ff. Vgl. WILLIAMSON (1994), S. 80. WILLIAMSON „geht davon aus, dass jedes Problem, das [direkt oder indirekt] als Vertragsproblem formuliert werden kann, sich sinnvoll [mikroanalytisch] unter dem Aspekt der Transaktionskosteneinsparung [in einem Institutionenvergleich] untersuchen lässt“ (WILLIAMSON 1990, S. 20, vgl. auch S. 47). ERLEI/ LESCHKE/ SAUERLAND (2007), S. 200.

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Frage in den Fokus, wie sich die Governance vertraglicher Risiken steuern lässt: “[T]he study of governance is concerned with the identification, explication, and mitigation of all forms of contractual hazards“1425. Konkret trifft er in seiner Untersuchung zwei Verhaltensannahmen1426, durch welche sich die Vertragspartner in Geschäftsbeziehungen, die in Vertragsbeziehungen münden sollen, auszeichnen (und die von Anfang an jede ethische Option aus dem Konzept ausschließen): Erstens geht er davon aus, dass Akteure (z. B. Manager) nur begrenzt rational handeln können. Im Gegensatz zu den Annahmen der Neoklassik und des Homo oeconomicus sind sie also nie in der Lage, alle verfügbaren Informationen einzuholen und im Sinne einer vollkommen rationalen Kalkulationsmaschine zu verarbeiten1427. Da es unter solchen Umständen unmöglich ist, vollständige Verträge abzuschließen, müssen alle Vertragspartner mit unvorhersehbaren Störungen sowie möglichen Vertragsanpassungen rechnen1428. Andererseits unterstellt er ihnen opportunistisches Verhalten (als nicht moralkompatible Verhaltensannahme) 1429. Für die Managementpraxis und Ausbildung von Nachwuchsführungskräften kritisch ist in diesem Kontext, dass WILLIAMSON betont, dass beide Annahmen für ihn nicht nur (mit dem Homo oeconomicus vergleichbare) Modellannahmen darstellen1430, sondern er davon ausgeht, dass Menschen in Geschäftsbeziehungen tatsächlich opportunistisch und eingeschränkt rational agieren 1431. Zur Verdeutlichung verweist er auf COASE, der feststellt: „Die moderne institutionalistische Wirtschaftstheorie sollte den Menschen, so wie er ist, erforschen“1432. WILLIAMSON stimmt dem „so wie er ist“ zu, indem er für die Transaktionskostenökonomik festlegt: „Um die menschliche Natur, so wie wir sie kennen, zu charakterisieren, greift die Transaktionskostentheorie zu begrenzter Rationalität und Opportunismus“1433. Dabei ist in Bezug auf die Opportunismus-Annahme zu betonen, dass WILLIAMSON nicht nur 1425 1426 1427 1428

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WILLIAMSON (1996a), S. 5. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 34. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 51f.; WILLIAMSON (1975), S. 21ff.; WILLIAMSON (1996b), S. 6f. Selbst in dem (unrealistischen) Fall, dass beide Vertragspartner über alle zukünftigen Ereignisse vollständig informiert wären, würde man wegen der unendlich hohen Vertragsaushandlungskosten auf vollständige Verträge verzichten (vgl. ERLEI/ LESCHKE/ SAUERLAND 2007, S. 202). Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 54f.; WILLIAMSON (1975), S. 26ff.; WILLIAMSON (1996b), S. 6f. Eine dritte, weniger bekannte Verhaltensannahme liegt darin, dass sich die Akteure risikoneutral verhalten (vgl. WILLIAMSON 1990, S. 326; EBERS/ GOTSCH 2006, S. 280). Der Homo oeconomicus bildet nur eine Situationslogik ab (vgl. ZINTL 1989, S. 64; SCHRAMM 1996, S. 234; SCHRAMM 2016b, S. 25f.). Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 49f.; WILLIAMSON (1996b), S. 5f.; SCHRAMM (2011), S. 177. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die kritischen Anmerkungen in Abschnitt 7.2.2. COASE (1984), S. 231. WILLIAMSON (1990), S. 50. Ähnlich ebd., S. 76.

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von einer normalen Verfolgung des Eigeninteresses im Homo oeconomicus-Sinne ausgeht1434. Unter Opportunismus versteht er vielmehr eine starke „Verfolgung des Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von List [...], [...] Lügen, Stehlen und Betrügen“1435 sowie raffinierte (aktive und passive) Formen der Täuschung, welche sowohl ex ante als auch ex post erfolgen können1436. Zu beachten ist ferner die Annahme, dass Menschen nur in Geschäftsbeziehungen bzw. operativen Managementtransaktionen opportunistisch handeln: “[C]ertain personal relations are treated in a nearly noncalculative way. [...] The upshot is that personal/ trust relations [1] and commercial/ calculative risk relations [2] differ in kind“1437. Personen müssen rein menschlich sowie im Familien- und Freundeskreis (1) nicht opportunistisch sein, in ihrer Funktion als Manager (2) werden sie aber in eine Opportunisten-Rolle schlüpfen, um sich nicht selbst über den Tisch ziehen zu lassen. Auch WILLIAMSONs Annahme einer beschränkten Rationalität, die er in Anlehnung an SIMON als “intendedly rational, but only limitedly so“1438 versteht, ist (im Unterschied zu SIMON) auf den Opportunismus der Vertragspartner bezogen. Sobald zwei Partner eine Geschäftsbeziehung miteinander eingehen und vertraglich regeln wollen, rechnen beide mit dem opportunistischen Verhalten ihres Gegenübers, da Integrität nicht als Möglichkeit vorgesehen ist 1439. Ihr Problem ist aber, dass sie nur eingeschränkt darüber informiert sind, auf welche opportunistischen Strategien das Gegenüber zurückgreifen wird 1440. Es herrscht Unsicherheit, woraus die Frage resultiert, wie sich das Management vor dem opportunistischen Verhalten des Geschäftspartners, das aus irgendeiner Form von „strategischem Verschweigen, Verschleiern oder Verzerren“1441 besteht, in der Ausgestaltung von Verträgen schützen kann. 1434 1435 1436

1437 1438

1439

1440 1441

Der Homo oeconomicus ist eine „kühle“, allerdings nicht hinterhältige Kalkulationsmaschine. WILLIAMSON (1990), S. 54. Hierzu gehören „die unvollständige oder verzerrte Weitergabe von Informationen, [...] vorsätzliche Versuche irrezuführen, zu verzerren, verbergen, verschleiern oder sonstwie zu verwirren“ (WILLIAMSON 1990, S. 54). WILLIAMSON (1994), S. 97. Vgl. auch WILLIAMSON (1993), S. 484; SCHRAMM (2011), S. 177. SIMON (1959), S. xxiv. Menschen versuchen zwar, sich rational zu verhalten, im Gegensatz zur neoklassischen Rationalitätsannahme gelingt ihnen das aber nie vollkommen. Sie sind nicht „hyperrational“ (vgl. RICHTER/ FURUBOTN 2003, S. 5; EBERS/ GOTSCH 2006, S. 279). „[T]ransaction cost economics describes it [bounded rationality] […] as opportunism - to include self-interest seeking with guile [Gehässigkeit, Niedertracht]“ (WILLIAMSON 1996a, S. 224). Vgl. auch WILLIAMSON/ WACHTER/ HARRIS (1975), S. 258f. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 66f. WILLIAMSON (1990), S. 66. Vgl. auch EBERS/ GOTSCH (2006), S. 285f.

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Zum Abschluss des Unterabschnitts folgt eine kurze Erläuterung der Einflussgrößen (Dimensionen), durch die Transaktionen charakterisiert werden. Nach WILLIAMSON differieren Transaktionen im Hinblick auf das Ausmaß ihres transaktionsspezifischen Investitionsbedarfs (Faktorspezifizität, „asset specificity“), ihrer Unsicherheit („uncertainty“) und Durchführungshäufigkeit („frequency“) 1442. Neben der angesprochenen Verhaltensunsicherheit, die auf den Opportunismus der Vertragspartner zurückzuführen ist, weist WILLIAMSON in Anlehnung an KOOPMANS (1957) darauf hin, dass Unsicherheit auch bezüglich der situativen Bedingungen einer Transaktion und deren künftiger Entwicklung bestehen kann1443. Diese Unsicherheitsform, die den Zustand der (Um-)Welt allgemein betrifft und von den Vertragspartnern nicht vorherseh- und beeinflussbar ist, wird als parametrische Unsicherheit („primary uncertainty“ 1444) bezeichnet1445. Sie resultiert u. a. aus zufälligen Naturereignissen (z. B. dem Wetter) oder unvorhersehbaren Änderungen der Verbraucherpräferenzen1446. Unsicherheit führt zum Anstieg der (ex-ante- und ex-post-)Transaktionskosten, wobei der Effekt umso stärker ausfällt, je mehr für die Transaktionspartner auf dem Spiel steht, d. h. je höher die Faktorspezifizität einer Investition ist1447. Sowohl im Falle der Verhaltens- als auch der parametrischen Verhaltensunsicherheit könnten sämtliche Unsicherheitsfaktoren vollständig erfasst und vertraglich berücksichtigt werden, wenn alle Transaktionspartner über keine begrenzte Rationalität verfügen würden 1448. Die Rahmenbedingung, welche WILLIAMSON in seiner Transaktionskostenökonomik als am wichtigsten erachtet, ist die, dass Transaktionen bzw. Geschäftsbeziehungen durch Faktorspezifizität gekennzeichnet sind1449: “Asset specificity has reference to the degree to

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1448 1449

Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 59; WILLIAMSON (1996b), S. 13; WILLIAMSON (1985), S. 52, 242; ERLEI/ JOST (2001), S. 41ff.; EBERS/ GOTSCH (2006), S. 281. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 65; WILLIAMSON (1996b), S. 15f. KOOPMANS (1957), S. 163. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 65; EBERS/ GOTSCH (2006), S. 282f.; MARTIENSEN (2000), S. 285. Vgl. KOOPMANS (1957), S. 163. „Sekundäre“ Unsicherheit ergibt sich nach KOOPMANS aus mangelnder Kommunikation zwischen den Transaktionspartnern (vgl. ebd., S. 162f.), z. B. weil sie keine Möglichkeit hatten, sich gegenseitig abzustimmen. Sie geht WILLIAMSON aber nicht weit genug, da sie, anders als die „Verhaltensunsicherheit“, nur „unschuldiger oder nicht-strategischer Natur“ (WILLIAMSON 1990, S. 65) ist und damit den Bereich des strategisch-opportunistischen Verhaltens, der für WILLIAMSON eine Grundannahme darstellt, nicht berücksichtigt. Vgl. EBERS/ GOTSCH (2006), S. 283. Unsicherheit ist bei geringen transaktionsspezifischen Investitionen weniger problematisch, da ein Tausch des Transaktionspartners problemlos möglich ist. Vgl. GÖBEL (2002), S. 142; ERLEI/ JOST (2001), S. 42. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 60ff.; WILLIAMSON (1996b), S. 13f.; EBERS/ GOTSCH (2006), S. 281f.; ERLEI/ LESCHKE/ SAUERLAND (2007), S. 204ff.

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which an asset can be redeployed to alternative uses and by alternative users without sacrifice of productive value“1450. Besonders hoch ist die Faktorspezifizität bei transaktionsspezifischen Einzweckinvestitionen, die nicht mehr rückgängig gemacht (und anderweitigen Verwendungen nur unter hohen Einbußen zugeführt) werden können1451. Dabei differenziert WILLIAMSON sechs Formen der Faktorspezifizität: standortspezifische Investitionen; anlagenspezifische Investitionen; spezifische Humankapitalinvestitionen (vgl. dazu Abschnitt 8.2.3); Reputationsinvestitionen (Markennamenspezifizität); abnehmerspezifische Investitionen (Widmungsspezifizität); terminspezifische Investitionen (temporäre Spezifizität) 1452. Das Problem (hoch-)spezifischer Investitionen liegt generell darin, dass sie, im Gegensatz zu unspezifischen (Mehrzweck-)Investitionen, tendenziell zwar zur Produktionskostensenkung beitragen, gleichzeitig aber „zu einer restriktiven [„eingeschlossenen“] Bindung an den [Transaktions-] Partner (“lock-in”-Effekt)“1453 und so zu höheren Transaktionskosten führen können 1454. WILLIAMSON bezieht sich bei seiner Erklärung der Faktorspezifizität auf einen Aufsatz von KLEIN, CRAWFORD und ALCHIAN, deren Argumentation am Beispiel eines Auftragseinzelfertigers des Anlagenbaus (A) verdeutlicht werden kann 1455: A hat mit jeder Auftragsannahme hohe Investitionen zu tätigen, um eine spezifische, auf die Erfordernisse des jeweiligen Kunden (K) ausgerichtete Anlage zu entwickeln. Die Investition ist dabei auf die Bedürfnisse von K zugeschnitten, woraus eine besondere Abhängigkeit zu K resultiert1456. Würde K vom Kauf abspringen, so müsste A versuchen, die Anlage bei einem anderen Kunden (K2) unterzubringen, was erneut mit irreversiblen Kosten („sunk costs“, z. B. für neue Vertragsanbahnungen) verbunden wäre 1457. In dem Fall, dass sich kein anderer Abnehmer für die Anlage mehr findet, hätte sie nur noch Schrottwert. KLEIN ET AL. 1450 1451

1452 1453

1454 1455

1456

1457

WILLIAMSON (1991), S. 281; WILLIAMSON (1996a), S. 59. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 37, 61f.; LEIPOLD (2006), S. 49; SCHRAMM (2011), S. 177; HOMANN (2002d), S. 38. Vgl. WILLIAMSON (1991), S. 281; WILLIAMSON (1985), S. 55. WILLIAMSON (1990), S. 61. Vgl. auch WILLIAMSON (1996b), S. 32; RICHTER (1994), S. 19; RICHTER/ FURUBOTN (2003), S. 194, 579f.; ERLEI/ JOST (2001), S. 41. Vgl. MARTIENSEN (2000), S. 312; EBERS/ GOTSCH (2006), S. 281f. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 64; KLEIN/ CRAWFORD/ ALCHIAN (1978), S. 298ff.; PIES (2001), S. 106. „[A] condition of bilateral dependency builds up as asset specificity deepens” (WILLIAMSON 1991, S. 282). Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 61f.; EBERS/ GOTSCH (2006), S. 281f.; RICHTER (1994), S. 18. „Die Differenz zwischen dem Wert vor der Einbringung und dem Wert der nächstbesten Verwendung

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bringen den Sachverhalt dadurch zum Ausdruck, indem sie der Anlage für jeden der drei Fälle einen Wert bzw. Preis zuteilen1458, wobei der Wert der Anlage am höchsten ist, wenn sie bei dem Kunden zum Einsatz kommt, für den sie ursprünglich konstruiert wurde. Vorliegend ist das bei K der Fall, wobei W 1 dem Wert entspricht, der zwischen A und K ausgehandelt wurde. Kommt die Anlage (im suboptimalen Fall) bei K2 zum Einsatz, so reduziert sich ihr Wert auf W2, was dem Preis entspricht, der sich mit einem anderen Kunden aushandeln lässt. WS steht für den Schrottwert, sodass gilt: W1>W2>WS. Den Preisunterschied zwischen W1 und W2 bezeichnet WILLIAMSON in Anlehnung an KLEIN ET AL. als (ausbeut- oder approbiierbaren Teil der) Quasi-Rente1459. Die Quasi-Rente folgt der Überlegung, dass K den A im Rahmen des nicht vereinbarten Verhaltensspielraums opportunistisch ausbeuten kann (Hold-up-Gefahr), etwa indem er versucht, A durch Abwanderungsdrohungen zu Preiszugeständnissen zu bewegen 1460. Ausgehend vom ursprünglich vereinbarten Preis W1 könnte ihm das maximal genau oder knapp bis zu jenem Preis gelingen, zu dem A selbst zu K2 abwandert. K hätte sich dann die gesamte Quasi-Rente seines Transaktionspartners angeeignet. Das zeigt, dass mit zunehmender Faktorspezifizität die Höhe der Quasi-Rente und damit die Anreize der Transaktionspartner steigen, „die Abhängigkeit des anderen opportunistisch auszunützen, um sich so viel wie möglich von dessen Quasi-Rente anzueignen“1461. Den beschriebenen Zusammenhang werden viele Akteure trotz beschränkter Rationalität antizipieren, sodass zahlreiche (eigentlich vorteilhafte) Transaktionen von vornherein unrealisiert bleiben 1462. Um der Gefahr einer opportunistischen Ausbeutung der Quasi-Rente, wie sie hier erläutert wurde, zu begegnen, bedarf es geeigneter Schutzmechanismen und Vertragsklauseln. Die schrittweise Annäherung an eine solche „Governance of außerhalb der Partnerschaft (Opportunitätskosten) nach Einbringung stellen die sunk costs dar“ (MARTIENSEN 2000, S. 284), sodass folgende Formel für die Faktorspezifizität (FS) resultiert: 𝐸𝑖𝑛𝑏𝑟𝑖𝑛𝑔𝑢𝑛𝑔𝑠𝑘𝑜𝑠𝑡𝑒𝑛−𝑂𝑝𝑝𝑜𝑟𝑡𝑢𝑛𝑖𝑡ä𝑡𝑠𝑘𝑜𝑠𝑡𝑒𝑛 𝐹𝑆 = (vgl. ebd.). Eine vollkommene Faktorspezifizität (FS 𝐸𝑖𝑛𝑏𝑟𝑖𝑛𝑔𝑢𝑛𝑔𝑠𝑘𝑜𝑠𝑡𝑒𝑛

1458

1459

1460 1461 1462

= 1) liegt vor, wenn eine Investition in einer anderen Verwendung wertlos ist. Vgl. im Folgenden KLEIN/ CRAWFORD/ ALCHIAN (1978), S. 298ff.; ERLEI/ LESCHKE/ SAUERLAND (2007), S. 204ff. “The quasi-rent value of the asset is the excess of its value over its salvage value, that is, its value in its next best use to another renter. The potentially appropriable specialized portion of the quasi rent is that portion, if any, in excess of its value to the second highest valuing user” (KLEIN/ CRAWFORD/ ALCHIAN 1978, S. 298). Vgl. auch RICHTER/ FURUBOTN (2003), S. 589. Vgl. MARTIENSEN (2000), S. 303; PICOT/ DIETL (1990), S. 179. EBERS/ GOTSCH (2006), S. 292. Vgl. auch LEIPOLD (2006), S. 49; PICOT/ DIETL (1990), S. 197. Vgl. VOIGT (2009), S. 88.

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Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Contractual Relations“1463 erfolgt zum Abschluss des Unterabschnitts, wobei Abb. 32 mehrere Formen der Vertragsausgestaltung aufzeigt, die in Abhängigkeit des (Nicht-)Vorhandenseins der für die Transaktionskostenökonomik zentralen Verhaltensannahmen - beschränkte Rationalität und Opportunismus - sowie der Faktorspezifizität laut WILLIAMSON möglich bzw. nötig erscheinen1464. Ein ausreichendes Mindestmaß an (Verhaltens- und Umwelt-)Unsicherheit wird in allen Fällen unterstellt1465: Verhaltensannahme

Transaktionsmerkmale

Beschränkte Rationalität nein

Opportunismus nein

Faktorspezifizität ja/ nein

nein

ja

ja

ja

ja

nein

ja

ja

ja

ja

nein

ja

ja

ja

ja

ja

Unsicherheit ja

Geeigneter Vertragstyp Vertragsutopie Vollständiger Vertrag → Vorausschauende Planung Unvollständiger Vertrag → Ggs. Versprechungen (Generalklausel) „Vertrag“ als einmaliger Tausch → Konkurrenz/ Wettbewerb „Beherrschungs-/ Überwachungsvertrag“ → governance structure (Spielregeln)

Abb. 32: Zuordnung von Vertrags- zu Transaktionstypen in Abhängigkeit vertragsrelevanter Eigenschaften1466

Sieht man vom paradiesischen, zugleich aber utopischen Zustand ab, in dem vollkommene Rationalität und keinerlei opportunistisches Verhalten vorliegt, so unterscheidet WILLIAMSON vier Vertragsformen, die er als (1) Welt der Planung, (2) Welt des Versprechens, (3) Welt der Konkurrenz und (4) Welt der Beherrschung und Überwachung (außergerichtlichen Regelung) bezeichnet1467. Für den Fall, dass den Akteuren vollkommene Rationalität und Informiertheit unterstellt wird, könnten vollständige Verträge geschlossen werden, da alle vertragsrelevanten Probleme bereits ex ante, also noch vor Vertragsschluss, durch vorausschauende 1463 1464 1465

1466

1467

Vgl. WILLIAMSON (1979); SCHRAMM (2011), S. 177. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 34ff. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 81. “To simplify the exposition, I will assume uncertainty exists in some intermediate degree and focus initially on frequency and the degree to which the expenses incurred are transaction-specific“ (WILLIAMSON 1979, S. 246). Quelle: WILLIAMSON (1990), S. 35, 76; MARTIENSEN (2000), S. 287; PICOT/ DIETL (1990), S. 180 - abgeändert. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 34.

Arbeitsplatzbezogene Kontingenzsituationen

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Planung geregelt werden1468. Opportunistisches Verhalten ist deshalb bei unbegrenzter Rationalität der Akteure ohne Bedeutung 1469. Würde dagegen eine begrenzte Rationalität und Faktorspezifizität, aber kein opportunistisches, sondern kooperatives und integres Verhalten unterstellt werden, dann wäre es möglich, Verträge auf Versprechungen (Treu und Glauben) und allgemeinen Regeln basieren zu lassen1470. Solche Verträge wären selbstdurchsetzend, da es keiner dritten Partei zur Durchsetzung bedarf. Anders verhält es sich in Situationen, in denen Akteure begrenzt rational und opportunistisch sind, jedoch keine Faktorspezifizität vorliegt. Je geringer die Faktorspezifizität ist, desto leichter fällt es, Investitionen umzuschichten. Da es im Extremfall einer fehlenden Faktorspezifizität möglich ist, Geschäftsbeziehungen verlustfrei (ohne „sunk costs“) abzubrechen und neue Geschäftsbeziehungen kostenlos aufzubauen, wird auch kein spezieller Vertrag benötigt, um die Ausbeutungsrisiken, um die es WILLIAMSON geht, abzusichern1471. Die Abwicklung erfolgt komplett über den Wettbewerb. Auch wenn ein solcher Fall des Öfteren gegeben ist, so liegt die für WILLIAMSON in der wirklichen Realität relevante Konstellation in jeder Transaktion darin, dass beschränkte Rationalität, opportunistisches Verhalten und Faktorspezifizität als Situationseigenschaften bzw. Verhaltensprämissen zugleich vorliegen 1472. Wie am Beispiel des Anlagenbauers skizziert, liegt das Kernproblem dieses Falles darin, dass derjenige Transaktionspartner, der keine faktorspezifischen Investitionen in die Beziehung eingebracht hat, die Quasi-Rente des anderen Partners nach Vertragsschluss ausbeuten kann (Hold-up-Gefahr). Damit wird deutlich, dass sich das Vertragsverhältnis nach Durchführung einer transaktionsspezifischen Investition stark verändert, weshalb WILLIAMSON von einer „fundamentalen Transformation“1473 spricht.

1468 1469 1470

1471 1472 1473

Vgl. MARTIENSEN (2000), S. 287. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 75; EBERS/ GOTSCH (2006), S. 279. Alle Vertragspartner wüssten, dass das Wort des Gegenübers im Sinne des ehrbaren Kaufmanns zählen und keine Ausbeutungsgefahr bestehen würde, weshalb sie sich auf eine Generalklausel, wie etwa die folgende, einigen würden: „Ich erkläre mich bereit, alle relevanten Informationen ehrlich [und rechtzeitig] bekanntzugeben und [...] Maßnahmen im Sinne einer gemeinsamen Gewinnmaximierung vorzuschlagen bzw. an solchen mitzuwirken, deren Erträge ohne Widerrede entsprechend dem hier vereinbarten Verteilungsschlüssel aufgeteilt werden“ (WILLIAMSON 1990, S. 55). Vgl. auch MARTIENSEN (2000), S. 287f. Vgl. MARTIENSEN (2000), S. 288. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 48. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 70ff.; WILLIAMSON (1996b), S. 16f., 28f.; MARTIENSEN (2000), S. 310; ERLEI/ LESCHKE/ SAUERLAND (2007), S. 206; RICHTER/ FURUBOTN (2003), S. 193f., 580. Die „fundamentale Transformation“ zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt: Vor Abschluss des Arbeitsvertrages herrscht Konkurrenz und beide Parteien (Unternehmen und Bewerber) können

392

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Während sich beide Transaktionspartner ursprünglich in einer Konkurrenzsituation (Governancestruktur: Markt) befunden haben, in der sie ihren Transaktionspartner verlustfrei wechseln konnten, „befinden sie sich nach der fundamentalen Transformation in einer Situation, die einem bilateralen Monopol ähnelt“1474 und in der ein Wechsel nur unter Akzeptanz von „sunk costs“ möglich ist. Nach WILLIAMSON ist es daher mit steigender Faktorspezifizität umso angebrachter, das Vertragsmodell der Konkurrenz durch das der Kontrolle zu ersetzen, indem geeignete Governance-Strukturen bzw. Beherrschungs- und Überwachungssysteme zur Absicherung der Transaktionen geschaffen werden 1475. Dabei analysiert er neben den beiden grundlegenden institutionellen Alternativen Markt und Hierarchie auch diverse Misch- bzw. Hybridformen, welche eine Antwort auf die Frage nach dem passendsten vertikalen Integrationsgrad sein können. Mangels Relevanz für die vorliegende Arbeit werden diese verschiedenen Koordinationsformen im Folgenden nicht behandelt1476. In Abschnitt 7.2.2 folgt eine kritische Würdigung der WILLIAMSONschen Transaktionskostenökonomik aus managementethischer Perspektive.

1474 1475

1476

ihre Geschäftspartner frei wählen. Nach Vertragsschluss sind Arbeitnehmer gezwungen, sich spezifisches Humankapital anzueignen, das im Extremfall nur beim betreffenden Arbeitgeber von Wert ist (sie lernen „on the job“). Zugleich nimmt die Abhängigkeit des Arbeitgebers als Finanzier der Maßnahmen von der Verfügbarkeit genau solcher Arbeitskräfte zu (vgl. RICHTER/ FURUBOTN 2003, S. 185), sodass beide Vertragsparteien in eine zweiseitige Abhängigkeit bzw. „bilaterale Monopolsituation eingeschlossen“ (ebd., S. 194) sind: „Was also zunächst ein Bietprozess mit einer großen Zahl von Teilnehmern war, wird in der Folge effektiv zu einer Situation bilateralen Angebots“ (WILLIAMSON 1990, S. 70). MARTIENSEN (2000), S. 310. Vgl. WILLIAMSON (1990), S. 48. Der organisatorische Imperativ von WILLIAMSONs Transaktionskostenökonomik lautet dabei: „Organisiere Transaktionen so, dass die begrenzte Rationalität sparsam eingesetzt wird, die Transaktionen aber gleichzeitig vor den Risiken des Opportunismus geschützt werden“ (ebd., S. 36). Dazu nur so viel: Um beurteilen zu können, welches spezifische Beherrschungs- und Überwachungssystem zweckmäßigerweise eine gewisse Transaktion stützen sollte, ist neben der Faktorspezifizität die Transaktionshäufigkeit, also die Frequenz, mit der eine Transaktion durchgeführt wird, ein relevantes Kriterium (vgl. WILLIAMSON 1990, S. 69, 82, 89; ERLEI/ JOST 2001, S. 43). Die Transaktionshäufigkeit entscheidet darüber, in welchem Umfang Transaktionspartner Fixkostendegressionen, Skalen- und Synergieeffekte (d. h. sinkende Produktions- und Transaktionskosten pro Transaktionseinheit) erzielen können (vgl. EBERS/ GOTSCH 2006, S. 283).

Arbeitsplatzbezogene Kontingenzsituationen 7.2.2

393

Kritische Anmerkungen zur Transaktionskostenökonomik vor dem Hintergrund eines polydimensionalen Transaktionsverständnisses

Bei der kritischen Beurteilung der Transaktionskostenökonomik ist zu sehen, dass es sich, wie es die Bezeichnung sagt, um kein ethisches, sondern ein ökonomisches Konzept handelt1477. Der aus Sicht der vorliegenden Arbeit zentrale Vorteil der Transaktionskostenökonomik liegt in ihrem transaktionsbezogenen Ansatz 1478. Wie an anderer Stelle betont, ist es weder möglich noch sinnvoll, eine Managementethik rein makroanalytisch über die Spielregelebene zu steuern. Daher ist WILLIAMSONs generelle Herangehensweise, Transaktionen als „[f]ragmentierte [lokale, abgeschlossene] und temporalisierte Basis“1479-Einheit der Analyse zu machen, auch bei der Konzeptionierung einer Managementethik fruchtbar 1480. Transaktionen sind der „konkret wirkliche […] „Stoff“ […], aus dem die Wirtschaft gemacht ist“1481. Darüber hinaus bedarf es im Zuge der Entwicklung einer anwendungsrelevanten Managementethik weiterer Überlegungen bezüglich der Gestalt der Transaktion. Es geht also darum, wie man Transaktionen ontologisch konzeptualisiert1482, wobei WILLIAMSONs Transaktionskostenökonomik und die Managementethik in diesem Punkt auseinandergehen, obwohl das nicht so sein müsste. Während COASE und WILLIAMSON unterstellen, dass Transaktionen monodimensional „ökonomisch codiert“1483 sind und opportunistisch verfolgt werden, geht das mikroorien-

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Die moralische Dimension der Transaktion bleibt bei ihm außerhalb der Betrachtung, was theorietechnisch nachvollziehbar ist, „weil alle Theorie aus der Reduktion von Komplexität besteht“ (WIELAND 2016, S. 308). „Die Transaktion ist die Basiseinheit der Analyse“ (WILLIAMSON 1990, S. 47). WIELAND (2005a), S. 21. Vgl. auch SCHRAMM (2011a), S. 165f., 177ff. Der Vorteil einer Konzentration auf einzelne Transaktionen liegt darin, dass die Transaktion als Analysebasiseinheit „die diversen Dimensionen (ökonomisch, juristisch, moralisch) [...] verbindet“ (SCHRAMM 2011a, S. 180) und damit das abbildet, was wirklich im Unternehmen geschieht (vgl. Abschnitt 7.3.3). Auch Verträge werden nur dann lebendig, wenn sie sich in konkreten Transaktionen umsetzen. Andernfalls bleiben sie abstrakt. Eine Transaktionsperspektive erlaubt es zudem, direkte Verbindungen zu den Beteiligten und Betroffenen der Transaktion (Mitarbeiter, Banken, Gesellschaft usw.) sowie weiteren relevanten (in-)formalen Einflussgrößen herzustellen. SCHRAMM (2015a), S. 183. Diese Annahme geht ursprünglich auf COMMONS (1934, S. 58) zurück. Vgl. im Folgenden SCHRAMM (2011a), S. 166ff. Deutlich wird das an einem Beispiel, das SCHRAMM (2011a, S. 167; 2014a, S. 5) beschreibt: WILLIAMSON (2010, S. 673) verweist zu Beginn seiner Nobelpreisrede aus 2009 auf ein Zitat von COMMONS (1932, S. 4), mit dem er die Transaktion als Grundeinheit seiner Analyse darstellt: “The

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Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

tierte Verständnis der Managementethik davon aus, dass management- bzw. arbeitsplatzbezogene Transaktionen auf der operativen BWL-Ebene eine polydimensionale Natur besitzen, in der die ökonomische, juristische und ethische Dimension empirisch korreliert sind 1484. Dieser Unterschied in der Betrachtung der Transaktion wird nachfolgend erläutert. Denn trotz der Tatsache, dass die Transaktionskostenökonomik ein ökonomisches Konzept darstellt, ist es zur Konzeptualisierung des Ansatzes nicht zwingend erforderlich, ein ökonomistisch verengtes Transaktionsverständnis zugrunde zu legen. Die Ausgangsfrage, welche sich COASE (1937) in seinem Aufsatz „The Nature of the Firm“ gestellt hat, war auf das Wesen der Firma im Kontrast zum Wesen des Marktes bezogen. Hier besteht kein Zweifel, dass der Ansatz bei den Transaktionskosten „das Fundament einer allgemeinen Organisationslehre“ 1485 bildet und wichtige Hinweise liefert, wie Transaktionen geeigneten institutionellen Arrangements („Beherrschungs- und Überwachungssystemen“) zugeordnet werden sollten1486. Kritisch ist, dass WILLIAMSON (wie schon COASE) sowohl bei der Betrachtung des Marktes als auch des Unternehmens nur auf die Transaktionskostenhöhe,

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ultimate unit of activity … must contain in itself the three principles of conflict, mutuality, and order. This unit is a transaction”. Im Vergleich zum Originalaufsatz lässt WILLIAMSON in seinem Zitat aber genau jene Passage aus, welche den für die Managementethik relevanten pluralen Transaktions-Charakter zum Ausdruck bringt. So lautet das Originalzitat von COMMONS (1932, S. 454): “The ultimate unit of activity which correlates law, economics and ethics must contain in itself the three principles of conflict, mutuality, and order”. Während COMMONS in seiner Transaktionsdefinition den ökonomischen, ethischen und juristischen Aspekt vereinigt, betrachtet WILLIAMSON Transaktionen exklusiv aus der Transaktionskostenperspektive. Diese Auslassung des ethischen Aspektes hängt mit den vorgenannten Verhaltensannahmen (begrenzte Rationalität, Opportunismus) zusammen, welche er in seinem System trifft. Ähnlich verkürzt WILLIAMSON COMMONS’ Gegenseitigkeitsgedanken auf den Aspekt einer wechselseitigen Gewinn- oder Kooperationsrente, wenn er hervorhebt: “Indeed, the commons Triple of conflict, mutuality, and order prefigures the concept of governance as herein employed - in that governance is the means by which to infuse order, thereby to mitigate conflict and realize mutual gain” (WILLIAMSON 2010, S. 674). Seine Ausführungen dürften auf eine ökonomische Verengung dessen hinauslaufen, was COMMONS ursprünglich ausdrücken wollte: Es ist nämlich keineswegs klar, dass Gegenseitigkeit nur als gegenseitige Kooperationsrente („ökonomische mutuality“) zu verstehen ist. Es kann sich genauso um eine moralische Gegenseitigkeit („ethische mutuality“) handeln, z. B. in Form von Achtung, die Menschen einander schulden. Das Problem vieler Managemententscheidungen besteht zudem gerade im Konflikt zwischen ökonomischen Zielen und „ethischer mutuality“. Bei WILLIAMSON kommt insofern von vornherein keine Managementethik in den Blick, da opportunistische Manager und Unternehmer die ethische Dimension gar nicht kennen (vgl. Unterabschnitt 7.2.1.2). PICOT/ DIETL (1990), S. 183. Vgl. dazu Unterabschnitt 7.2.1.2.

Arbeitsplatzbezogene Kontingenzsituationen

395

also die monetär-ökonomische Dimension der Transaktion abhebt1487. Daraus entsteht der Eindruck, als wäre die Kosten- und Gewinnperspektive nicht nur für das Wesen des Marktes, sondern auch für das der Unternehmung allein bestimmend1488. Eine solche Gleichsetzung von formaler (legaler) Struktur und konkretem Unternehmen ist aber erkennbar ein Fehlschluss, da die Natur der Unternehmenstransaktion und des Marktes jeweils ontologische Unterschiede aufweisen1489: Märkte sind monodimensionale Gebilde. Sie operieren ausschließlich in der Sprache des Geldes (der Kosten, Preise). Diesbezüglich ist auch WILLIAMSON zuzustimmen. Organisationen, in denen Menschen Mitglieder sind, bestehen aber nicht nur aus monetär codierten Marktrelationen (und haben nicht nur den Markt und die Kostenseite als Rahmenbedingung), sondern entwickeln sich aus einem Geflecht polydimensionaler Transaktionen1490. Letztere verlangen es vom Management ab, auch andere Sprachen (wie eine juristische sowie ethische Sprache) zu beherrschen und anzuwenden. 1487

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Zwar werden „Markt“ und „Unternehmen“ von der Sache her unterschieden, beide Institutionen werden aber rein transaktionskostenökonomisch betrachtet (vgl. z. B. COASE 1992, S. 714). Hierbei ist zu sehen, dass einschlägige Firmentheorien Organisationen monodimensional ökonomistisch als Marktersatz modellieren (so etwa ALCHIAN/ DEMSETZ 1972, S. 783: „The firm serves as a highly specialized surrogate market“; ähnlich ebd., S. 793, 795; JENSEN/ MECKLING 1976, S. 310f.). Vgl. auch SCHRAMM (2016e), S. 324ff.; PLUMPE (2006), S. 76. In Unterabschnitt 8.1.3.1 wird auf diesen Fehlschluss („Fallacy of Misplaced Concreteness“) eingegangen. SCHRAMM (2007b, S. 8ff.; 2008e, S. 48ff.; 2008e, S. 82f., 86f.; 2011a, S. 184f.; 2014a, S. 5; 2016b, S. 31ff.; 2016e, S. 326ff., 351ff.; 2015a, S. 184f., 187) verdeutlicht den Zusammenhang zwischen einem Unternehmen und den Transaktionen, die es durchführt, in Anlehnung an den Philosophen WITTGENSTEIN (1989) am Beispiel des Spinnens eines Fadens, wobei ebenso von einer Kette oder einem Netzwerk gesprochen werden könnte. WITTGENSTEIN (1989, S. 278) hält (in einem anderen Zusammenhang) fest: „[...] [W]ie wir beim Spinnen eines Fadens Faser an Faser drehen. Und die Stärke des Fadens liegt nicht darin, dass irgend eine Faser durch seine ganze Länge läuft, sondern darin, dass viele Fasern einander übergreifen“. Vorige Aussage liefert nicht nur ein allgemein philosophisches Bild darüber, wie die menschliche Identitätsbildung (bzw. menschliches Leben, die Evolution des Universums generell) funktioniert, sie ist auch auf den Unternehmenskontext übertragbar. In einer evolutionären Welt reiht sich eine Transaktion an die andere, sodass ein Faden wirklicher Ereignisse entsteht (wobei solche Ereignisse letztlich das einzige sind, was wirklich geschieht). Den bis zu einem gewissen Zeitpunkt aus unendlich vielen Fasern (Transaktionen) gesponnenen Faden setzt SCHRAMM ontologisch mit dem Unternehmen als Ganzem (auch seiner Identität und Geschichte) gleich, die noch nicht gesponnenen Fasern interpretiert er als potenzielle (zukünftige) Unternehmenstransaktionen bzw. -ereignisse. Unternehmen bestehen damit aus einem Netzwerk von sich immer weiter spinnenden Transaktionen. Wie lange der fortlaufende Transaktionsfaden wird, ist ungewiss, da einzelne Transaktionen immer wieder abbrechen oder fortgeführt werden können. Der Umstand, dass der Faden reißen kann, lässt sich als Transaktionskontingenz interpretieren. Zwar reißt der Faden erfolgreicher Unternehmen in der Regel nicht von heute auf morgen ab, dennoch gibt es keine hundertprozentige betriebswirtschaftliche Sicherheit, dass ein Unternehmen morgen noch existiert. Sobald Unternehmen aus dem Markt ausscheiden,

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Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Die Entscheidungsprobleme des Managements sind also polydimensional. Alles andere würde einer ökonomistischen Verengung des Problemfeldes entsprechen. Das ist deshalb bedeutsam, da sich viele arbeitsplatzbezogene Fragen, die neben der juristischen auch von der genuin ethischen Dimension abhängen, mit WILLIAMSONs Transaktionsverständnis nicht adäquat abbilden lassen. Aus transaktionskostenökonomischer Sicht steht hier nur im Fokus, bei welchem Ausmaß der Häufigkeit und Spezifizität der zu erbringenden Leistung es sich (unter dem Aspekt der Transaktionskosten, also ökonomisch) rentiert, Arbeitsplätze zu schaffen oder abzubauen. Mit der Stellenschaffung und -streichung einhergehende juristische und ethische Fragen liegen außerhalb ihres Analysebereichs. Realiter können Arbeitnehmer aber nicht nur als Kostenfaktoren betrachtet werden, auch wenn die ökonomische Dimension eine vom Management zwingend zu berücksichtigende Rahmenbedingung (systemtheoretisch: „Leitcodierung“) darstellt 1491. Der Großteil der Manager verhält sich in Geschäftsbeziehungen nicht rein opportunistisch1492. Auch haben Manager im Normalfall nicht nur ökonomische, sondern -

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endet der Spinnprozess und die Fäden des Netzwerks zerstreuen sich wieder. Im Spinnprozess, in dem Fasern aneinandergedreht werden, liegt der Prozesscharakter der Wirklichkeit des operativen Geschäfts begründet, in dem reale Transaktionen abgewickelt werden. Zugleich wird in diesem Drehen die Fragmentierung (lokale Abgeschlossenheit) der Ereignisse deutlich. Ein gegenwärtiges Ereignis ist abgeschlossen, sobald dessen Faser eingedreht ist. Die Temporalität (das Kommen und Gehen) der Ereignisse zeigt sich daran, dass sich keine Faser über die Gesamtlänge des Fadens erstreckt. Ein Beispiel für eine konkrete Faser (eine potenzielle Transaktion) wäre die Entlassung eines Mitarbeiters, die selbst wiederum polydimensional aus ökonomischen (z. B. Abfindungszahlungen), juristischen (z. B. Kündigungsschutz) und moralischen Aspekten (z. B. dem Leid der Entlassenen) „gedreht“ ist. Vgl. WIELAND (2001a), S. 21. Metaphysisch könnte man sagen: Menschen haben wirtschaftlichen (und damit arbeitsplatzbezogenen) Vorgängen bewusst eine Leitcodierung gegeben. Oder: Unternehmen und Arbeitsplätze sind eine gesellschaftliche Erfindung (eine „Sozialontologie“, also „ein Produkt des menschlichen Geistes“, vgl. SEARLE 2012, S. 46), bei der der ökonomische Aspekt (Code „Zahlen“/ „Nichtzahlen“) im Zentrum steht. GHOSHAL und MORAN weisen darauf hin, dass es für die Managementpraxis zentral ist, mit welchen Modellen und Theorien (und damit: Hintergrundannahmen) die Managementrealität modelliert wird. Dabei stellen sie fest, “that academic research related to the conduct of business and management has had some very significant and negative influences on the practice of management” (GHOSHAL 2005, S. 76; ähnlich GHOSHAL/ MORAN 1996, S. 39) und warnen zugleich vor einer “Tyranny of Theory” (GHOSHAL/ BARTLETT/ MORAN 1999, S. 11): “Instead of providing remedies, academic prescriptions mostly have tightened the squeeze on managers and companies. They are part of the problem” (ebd.). Festzustellen ist, dass gängige Managementtheorien, die an Studierende (sowie Manager in Business Schools, MBA-Programmen) vermittelt werden, „ethikfreie“ Ansätze darstellen, die die Wirklichkeit (notwendigerweise) abstrahieren und modellseitig keinen Spielraum für alternative (ethische) Verhaltensweisen offenlassen. Ein Beispiel hierfür ist die von GHOSHAL (2005, S. 84f.; GHOSHAL/ MORAN 1996) kritisierte Transaktionskostenökono-

Arbeitsplatzbezogene Kontingenzsituationen

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wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität - moralische Interessen1493, welche sich darin zeigen, dass sie ihre Mitarbeiter als Menschen ernst nehmen (ihnen mit Respekt begegnen, sie im persönlichen Gespräch motivieren usw.). Zugleich haben sie gesetzliche Vorgaben im täglichen Umgang mit der Belegschaft zu befolgen, wodurch das Wesen arbeitsplatzbezogener Transaktionen ebenfalls determiniert wird. Damit ist die konkrete Gestalt der Transaktion ein Produkt bzw. eine Funktion dieser ökonomischen, moralischen sowie anderen Interessen und rechtlichen Vorgaben, aufgrund derer die Transaktion generiert wird1494. Um der beschriebenen Mehrdimensionalität operativer Managementtransaktionen zu entsprechen, erscheint es ratsam, wenn nicht geboten, an COMMONS‘ Aussage als Grundannahme und „systematische[r] Basiskonzeption“1495 einer Managementethik festzuhalten: “[T]he ultimate unit of activity, which correlates law, economics, and ethics, must contain in itself the three principles of conflict, dependence, and order”1496.

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mik nach WILLIAMSON. Vor diesem Hintergrund darf es aber, so die Argumentation, nicht verwundern, wenn derart ökonomisch monodimensional modellierte Theorien samt den zugrunde liegenden Negativannahmen von den Studierenden ernst genommen und im Berufsleben im operativen Management ausgelebt werden (vgl. GHOSHAL 2005, S. 76). Das zeigt, welche verzerrende Wirkung solche Theorien auf die ethische Praxis haben können (“TCE is “bad for practice““, GHOSHAL/ MORAN 1996, S. 13), wobei GHOSHAL und MORAN das größte Risiko (im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung) darin sehen, dass aus einem modellierten Verhalten bzw. Menschenbild reales Verhalten entsteht (vgl. GHOSHAL 2005, S. 85; GHOSHAL/ MORAN 1996, S. 14, 21, 27, 39). Insofern kommt hier zugleich eine betriebswirtschaftliche Frage zum Ausdruck, denn: Sobald unterstellt wird, dass alle Akteure Opportunisten sind, werden realistischere und kostengünstigere Handlungsoptionen (wie Investitionen in den Aufbau einer loyalen Unternehmensatmosphäre) vergeben. Die Ignoranz positiver menschlicher Werte erfordert es, aufwendige Sicherungs- und Verteidigungsmaßnahmen zu treffen, wodurch die Transaktionskosten - ähnlich einer Misstrauensspirale - steigen. Eine zunehmende Kontrolle der Mitarbeiter kann zudem bewirken, dass sie sich nicht mehr respektiert fühlen und, sozusagen als Ausgleich für das vom Arbeitgeber entgegengebrachte Nichtvertrauen, nur noch Dienst nach Vorschriften leisten, ihren Arbeitgeber hinters Licht zu führen versuchen usw. Der resultierende Negativkreislauf sieht wie folgt aus: Misstrauen/ vermuteter Opportunismus → Monitoring/ Transaktionskosten → tatsächliche bzw. stärkere opportunistische Einstellung → stärkeres Monitoring/ höhere Transaktionskosten → noch stärkere opportunistische Einstellung → usw. Vgl. dazu Abschnitt 3.3.5.1, der sich mit der Theorie moralischer Interessen befasst. Vgl. SCHRAMM (2011a), S. 181. SCHRAMM (2015a), S. 182. Mit dem Terminus „systematische Basiskonzeption“ meint SCHRAMM das, was er unter dem Logo der (Business) Metaphysics zu erörtern versucht. Daher „kann man […] COMMONS als exemplarischen Haftpunkt einer auf der „Business Metaphysics“ beruhenden „Transaction Ethics“ heranziehen“ (ebd.). Vgl. auch SCHRAMM (2016e), S. 344; SCHRAMM (2016b), S. 47. COMMONS (1934), S. 58.

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Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Vor dem Hintergrund, dass in der vorliegenden Arbeit (und speziell bei der Konzeptionierung und Identifizierung eines geeigneten Managementethikansatzes) der Fokus mikroorientiert auf einzelne Managemententscheidungen gelegt wird, kommt der persönlichen Dimension, also der individuellen Integrität bzw. Tugend der an den jeweils betrachteten Transaktionen beteiligten Menschen (Managern) eine herausragende Bedeutung zu, weshalb im folgenden Unterkapitel 7.3 die Hintergründe des „Tugend“-Begriffs und der Tugendethik dargestellt werden. Dabei wird deutlich werden, dass die individuellen Tugenden der einzelnen Personen einerseits zwar als eine notwendige Voraussetzung oder Ermöglichungsbedingung für das Zustandekommen und aktive Existieren (management-)ethischer Reflexionen fungieren, dass sie für sich allein genommen aber nicht ausreichen, um zu einer tragfähigen und praxistauglichen Managementethikkonzeption zu gelangen.

7.3

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

In der Wirtschaftsethik wird bisweilen erklärt, Tugendethiken seien heute im Gegensatz zu früher nicht mehr relevant. In modernen, funktional ausdifferenzierten Gesellschaften sei von der Tugend- auf die Ordnungsethik (also auf Spielregeln, Anreize usw.) umzustellen1497. Wenn individuelle Tugenden und der moralische Heroismus des Einzelnen in kapitalistischen Wirtschaftssystemen aber nicht mehr angemessen sind, so ist zu fragen, wie im Arbeitsplatzkontext auftretende moralische Probleme zu lösen sind, speziell dann, wenn selbige nicht (noch nicht oder nicht im erforderlichen Umfang) durch die gesetzliche Rahmenordnung abgedeckt sind. Zwar ist das Erfordernis einer Ordnungsethik, welche es gestattet, über geeignete Rahmenbedingungen richtige Anreize zu setzen, unbestritten1498. Dennoch dürften viele Probleme ohne die individuelle Seite, also ohne eine Tugendethik, kaum in den Griff zu bekommen sein, da die Ordnungsethik, wie dargelegt, nie alle Umstände erfassen kann1499. Es genügt also nicht, alles auf die moralische Verantwortung des Staates zu schieben (nach dem Motto: Der Staat soll geeignete Rahmenregeln schaffen, damit sich alle Akteure exklusiv der Shareholder-Value-

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Vgl. HOMANN (1993), S. 34f.; HOMANN (2002e), S. 15. Vgl. HOMANN/ BLOME-DREES (1992), S. 20ff.; HOMANN/ KIRCHNER (1995a), S. 195ff.; HOMANN (1999), S. 327ff. Auf diese Weise kann ein gesellschaftskompatibles Verhalten auch bei jenen Akteuren erzeugt werden, die sich von sich aus nicht moralisch verhalten würden. Vgl. dazu Abschnitt 7.1.3.

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

399

Maximierung zuwenden können), da es letztlich gerade auf die konkreten Menschen im Unternehmen (einzelne Unternehmer, Führungskräfte usw.) ankommt, da nur sie in der Lage sind, bestehende gesetzliche Rahmenregeln mit Leben zu füllen, unternehmensinterne Regeln und Strukturen zu setzen und persönlich ethische Verantwortung im alltäglichen Umgang mit den Mitarbeitern (sowie speziell im Falle des Auftretens arbeitsplatzbezogener Probleme) zu übernehmen. Demzufolge erscheint jedwede Form einer Managementethik ergänzungsbedürftig durch tugendethische Akzente, welche im Sinne einer Initialzündung die moralische Identität der verantwortlichen Entscheidungsträger berühren (und - im Optimalfall - aktivieren), sofern das möglich ist. Der einleitende Abschnitt des Unterkapitels befasst sich zunächst näher mit der Tugendethik nach ARISTOTELES und dem etwas „verstaubt“ klingenden und teils negativ behafteten „Tugend“-Begriff1500. In Abschnitt 7.3.2 wird sodann die Unterscheidung zwischen reinen („schwachen“, monodimensionalen) und differenzierten („starken“, pluralen) Tugendethikkonzeptionen präzisiert. Hierbei wird aufgezeigt, dass insbesondere differenzierte Ansätze, welche zwar die Bedeutung der Initiativfunktion individueller Moral (neben anderen Funktionen) erkennen, zugleich aber von keinem absoluten Primat der Ethik ausgehen, in der Lage sind, sinnvolle Implikationen für die Ausrichtung und Konzeptionierung einer Managementethik zu geben. Im letzten Abschnitt des Unterkapitels wird als Beispiel für eine differenzierte Form der Tugendethik WIELANDs Governanceethik vorgestellt, bei der es sich um eine unternehmensethische Konzeption mit starkem Managementfokus handelt. Im Zuge dessen werden in einem separaten Unterabschnitt auf Basis der zuvor gewonnenen Erkenntnisse zum Mikroansatz der Managementethik sowie den Erläuterungen zum Stakeholder-Ansatz (Kapitel 5) diverse Überlegungen zu einem transaktionsbezogenen Stakeholder-Ansatz in Anlehnung an die Governanceethik diskutiert.

7.3.1

Traditionelles Konzept der Tugend

Der Begriff „Tugend“ hängt mit dem Verb „Taugen“ zusammen und stammt vom altdeutschen Wort „tugunt“1501. Die Kernfrage bei der Tugend ist, ob eine Sache zu etwas taugt, also nützlich ist, im übertragenen Sinne aber auch, ob eine Person etwas taugt. Tugendhafte Menschen sind dabei nicht auf die etwas kleinbürgerlich 1500 1501

Vgl. zum Wandel des „Tugend“-Begriffs BOLLNOW (2009), S. 127f.; SCHNIEWIND (2003), S. 51ff. Vgl. WASSERZIEHER (1952), S. 406 sowie im Folgenden auch SCHRAMM (2017a, S. 168ff.).

400

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

und typisch „deutsch“ anmutenden Sekundärtugenden (wie Pünktlichkeit, Fleiß, Genauigkeit, Sparsamkeit)1502 beschränkt. Es geht um nützliche Fähigkeiten und Eigenschaften des Menschen, welche es im Sinne eines „Vermögens“ gestatten, gewisse Lebenssituationen und Aufgaben meistern und insgesamt ein gutes (besseres) Leben führen zu können1503. Pragmatischer ausgedrückt: Jemand der Tugend hat, taugt etwas. Je stärker solche Haltungen (lat. habitus) bei Menschen ausgeprägt sind, desto mehr taugen sie. Ein Schreiner, der die Fähigkeit hat, einen Tisch zu schreinern, hat die Tugend des Schreiners, er taugt zum Schreinern. Genauso ist ein Manager dann ein (nicht nur im moralischen Sinne) tugendhafter Manager, wenn er gut managen (also ein Unternehmen konsequent führen, voranbringen und dauerhaft stärken) kann. ARISTOTELES (384-322 v. Chr.), der wichtigste Philosoph der Tugend, unterscheidet dianoëtische (verstandesmäßige, von dianoia: Verstand) und ethische (charakterliche) Tugenden 1504, wobei es beider Arten von Tugenden bedarf, um (ethisch) richtige Handlungen und Entscheidungen hervorbringen zu können. „Die ersteren [...] gewinnen Ursprung und Wachstum vorwiegend durch Lehre, weshalb sie Erfahrung und Zeit brauchen, die letzteren sind das Ergebnis von Gewöhnung“1505. Im sechsten Buch der Nikomachischen Ethik stellt er fünf dianoëtische Tugenden dar: nous (intuitiver Verstand, Vernunft), sophia (philosophische Weisheit), episteme (wissenschaftliche Erkenntnis), phronesis (Klugheit, sittliche Einsicht) und techne (praktisches, technisches oder künstlerisches Können) 1506. Episteme, nous und sophia beziehen sich auf das Erkennen ewiger, unveränderlicher Wahrheiten, auf Dinge, „die der Mensch nicht beeinflussen kann, auf das, was notwendig so ist, wie es ist“ 1507. Hiermit sind etwa Personen mit einem guten Verständnis für naturwissenschaftliche Zusammenhänge gemeint1508. Die beiden anderen dianoëtischen Tugenden 1502

Vgl. SCHNIEWIND (2003), S. 51. Die rein theoretische Betrachtung von Tugenden reicht daher nicht aus. Diesen Anspruch erhebt auch ARISTOTELES (2013, S. 36), wenn er fordert: „Der Teil der Philosophie, mit dem wir es hier zu tun haben, ist nicht […] rein theoretisch - wir philosophieren […] nicht, um zu erfahren, was ethische Werthaftigkeit sei, sondern um wertvolle Menschen zu werden. Sonst wäre dieses Philosophieren ja nutzlos. Daher müssen wir unser Augenmerk auf das Gebiet des Handelns richten, auf die Frage, wie wir die einzelnen Handlungen gestalten sollen“. 1504 Vgl. ARISTOTELES (2013), S. 34. WIELAND (2006, S. 5) weist darauf hin, dass ethische und nichtethische Tugenden „nur analytisch, aber nicht in der Praxis der Menschen voneinander getrennt werden können und füreinander Voraussetzungen bilden“. 1505 ARISTOTELES (2013), S. 34. 1506 Vgl. ARISTOTELES (2013), S. 156ff.; KLOPFER (2008), S. 138ff. 1507 SCHWAABE (2010), S. 63. Ähnlich SCHLEISSHEIMER (2003), S. 81. 1508 Z. B. ein Kosmologe, dessen Tugenden etwas beim Erkennen des Kosmos taugen. 1503

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

401

richten sich dagegen auf „veränderliche[…] Gegebenheiten des täglichen Lebens“1509. Phronesis zielt auf Fähigkeiten im politischen sowie (im übertragenen Sinne) ökonomischen Bereich ab1510, auf Menschen, die im entscheidenden Moment motiviert sind, aber auch Führungsqualitäten, eine hohe Überzeugungsfähigkeit und ausgereifte kommunikative Fähigkeiten besitzen. Bei techne stehen das „praktische Können“1511 und damit kreative und technisch-produktive Potenziale des Menschen (z. B. eines Ingenieurs) im Vordergrund. Auch hier gilt, worauf bereits hingewiesen wurde, nämlich dass (dianoëtische) Tugenden kein Selbstzweck sind, sondern den Nutzen haben, Menschen zu Glückseligkeit zu befähigen1512. Wichtig im hiesigen Kontext sind ethische Tugenden, wobei ARISTOTELES eine Vielzahl ethischer Tugenden unterscheidet1513. Da bis heute keine Rangfolge von Tugenden (oder Werten) existiert, bleibt ungewiss, welche Tugenden unter den konkreten Umständen wirklich nützlich sind1514. Daher sind ARISTOTELES‘ rund 2.500 Jahre alten Tugendlisten auch nicht einfach auf die moderne Gesellschaft übertragbar. Eine zweckmäßige Annahme besteht aber darin, dass ethische Tugenden immer eine Mitte (mesotes) zwischen den schlechten Extremen Mangel (elleipsis) und Übermaß (hyperbole) bilden1515. So ist die Tugend der Tapferkeit 1516 die vernünftige Mitte zwischen Feigheit (Ängstlichkeit) und Übermut (Tollkühnheit) oder Großzügigkeit1517 die Mitte zwischen Geiz und Verschwendungssucht. ARISTOTELES geht es also nicht darum, dass Menschen sich immer passiv verhalten sollten. Ethik bedeutet für ihn nicht nur Verzicht (wobei Ethik durchaus Verzicht bedeuten kann)1518 oder zwangsläufig gegen eigene Interessen handeln zu 1509 1510

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1514 1515 1516 1517 1518

SCHLEISSHEIMER (2003), S. 81. „Bei der Einsicht in Dingen des Gemeinwesens ist zu unterscheiden die Einsicht in Dingen der Gesetzgebung [...] und [...] Einsicht in Dingen der Staatsführung [...] - diese ist als in den Einzelfällen klar sehend zu betrachten und deren Wesen ist Handeln und Beraten“ (ARISTOTELES 2013, S. 164). Vgl. ARISTOTELES (2013), S. 158. „[E]ntscheidend für das echte Glück ist die Verwirklichung sittlicher Vollkommenheit [Tugend], während das Gegenteil zum Unglück führt“ (ARISTOTELES 2013, S. 25). Vgl. dazu Abschnitt 3.1.1. ARISTOTELES untersucht u. a. die folgenden ethischen Tugenden: Tapferkeit, Mäßigkeit, Großzügigkeit, Freigiebigkeit, Hochsinnigkeit, Sanftmut, Gewandtheit, Freundlichkeit, Wahrhaftigkeit (vgl. KLOPFER 2008, S. 101). Vgl. SCHRAMM (2005a), S. 8; WIELAND (2006), S. 7. Vgl. ARISTOTELES (2013), S. 44. Vgl. ARISTOTELES (2013), S. 46. Vgl. ARISTOTELES (2013), S. 87. So kann ein Unternehmen auf Teile des Gewinns verzichten, um Schaden von den Mitarbeitern abzuwenden.

402

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

müssen. Das praktische Leben zeigt aber, dass Extreme nicht immer lebensdienlich sind, sondern häufig die goldene Mitte als angemessenes Maß angesehen werden kann. Hier liegt zugleich der Unterschied zu den dianoëtischen Tugenden, bei denen es kein solches schädliches Übermaß gibt1519. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer Untersuchung von BUß ET AL. (2007a), wonach ethische Tugenden im Selbstverständnis deutscher Spitzenmanager eher eine nachrangige Stellung einnehmen1520. Als wertvoll erachten sie vor allem dianoëtische Tugenden wie Klugheit, Vernunft, Erkenntnis oder Weisheit. Ethische Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Freundlichkeit, Hochherzigkeit oder Hochsinn, die für den sozialen Umgang miteinander, also etwa die Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung (und damit für arbeitsplatzbezogene Fragen) relevant sind, spielen dagegen eher eine nachgeordnete Rolle1521. Tugenden sind zudem keine Eigenschaft von Geburt an, sondern „Fähigkeiten“, die Menschen durch Gewöhnung und Ausübung erwerben müssen1522. So wie ein Handwerker seine spezifische Tugend (Tauglichkeit) über die Zeit hinweg erlernen muss, so verhält es sich mit ethischen Tugenden: Mit zunehmender Lebenserfahrung und Gewohnheit (ethos) fällt es Menschen leichter, Unterschiede zwischen Extremhaltungen zu erkennen und zu bewerten. Sobald sie eine derartige Fähigkeit als Tugendkapital akkumuliert haben, handeln sie spontan, zwanglos und automatisch tugendhaft. SCHRAMM bezeichnet diese formale Funktion der Tugend, bestimmte wünschenswerte Handlungen mit Leichtigkeit zu vollziehen, als „self-enforcement des Guten“1523. Aber nicht nur das Gute, auch das Schlechte macht einen Teil der Wirklichkeit des Menschen aus1524. Die zu Tugenden getroffenen Aussagen sind daher auf Untugenden, also schlechte Gewohnheiten (wie Vertuschung, mangelnde Transparenz) übertragbar. Auch hier kann es im Laufe der Zeit zur Gewöhnung an unmoralische Praktiken kommen, gerade dann, wenn das Unrechtsbewusstsein der Handelnden schwindet. Sobald auf der Führungsebene ein unpersönlicher Umgang mit den

1519 1520 1521 1522

1523 1524

Dianoëtische Tugenden sind „um so wertvoller [...], je höher ihr Grad ist“ (RÖD 2009, S. 181). Vgl. BUß (2007a), S. 172ff. Vgl. BUß (2007a), S. 173. 71 % der Befragten sahen die Tugend der Gerechtigkeit als relevant an. „[E]s ist unsere Natur, fähig zu sein sie [die Tugenden] aufzunehmen, und dem vollkommenen Zustande nähern wir uns dann durch Gewöhnung“ (ARISTOTELES 2013, S. 34). SCHRAMM (2005a), S. 8. Ein solches Versagen zeigt sich u. a. an der Gewinngier, die für große Bilanzfälschungsskandale in den USA (vgl. zum Fall Enron SCHRAMM 2005a) oder die Finanzkrise nach 2007 mitverantwortlich gemacht werden kann.

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

403

Mitarbeitern zur Regel wird, besteht das Risiko, dass Verantwortliche immer weniger moralische Skrupel haben und es zu einem „self-enforcement der Unmoral“ kommt. Die Tauglichkeit von Tugenden funktioniert insofern im Guten wie im Schlechten. Damit es aber überhaupt zu einem solchen „self-enforcement“ kommen kann, bedarf es sowohl im Falle der Tugend als auch der Untugend der Bereitschaft (bzw. des Vorhandenseins eines moralischen oder sonstigen Interesses) und der individuellen Fähigkeit (also eines wie auch immer gearteten Humankapitals), gute oder schlechte Handlungen mit Leichtigkeit zu vollziehen 1525. Für das vorliegende Thema bedeutet das: „Wer [personalverantwortliche Manager] hohe moralische Ansprüche sich selbst oder anderen [den Mitarbeitern] gegenüber zur Geltung bringt, aber bedauerlicherweise über keine angemessenen [Finanz-, Know-how-]Ressourcen der Realisierung verfügt, ist genauso wenig tugendhaft wie jemand, der zwar über alle diese Ressourcen verfügt, dem es aber an einer wirklichen Bereitschaft, sie für die Zwecke der Tugend [z. B. in Form eines integren Stellenabbaus] einzusetzen, mangelt“1526. Im zweiten Abschnitt des dritten Unterkapitels wird ein Verständnis für die Unterscheidung zwischen einer reinen („schwachen“) und differenzierten („starken“) Tugendethik sowie für die Bedeutung der Initiativfunktion individueller Moral bzw. von individuellen Tugenden vermittelt, bevor im dritten Abschnitt auf die WIELANDsche Governanceethik eingegangen wird.

7.3.2

Reine vs. differenzierte Tugendethik

Die Einführung in das Thema Tugend dürfte erahnen lassen, welche Bedeutung dem Tugend-Aspekt für managementethische Fragen zukommt. Im Folgenden werden daher einige Überlegungen zur Anwendbarkeit diverser Tugendethikkonzeptionen angestellt. Wie sich zeigen wird, sind gerade differenzierte und mehrdimensionale tugendethische Ansätze in der Lage, die moralischen und ökonomischen Anforderungen im Arbeitsplatzmanagement zu rekonstruieren. Als besonders geeigneter Ansatz wird u. a. auf WIELANDs Governanceethik eingegangen, eine in der Tradition von ARISTOTELES stehende Tugendethik1527. 1525 1526 1527

Vgl. SCHRAMM (2005a), S. 9. Ähnlich WIELAND (2006), S. 4. WIELAND (2006), S. 4. Vgl. WIELAND (2001a); WIELAND (2005a), S. 76.

404

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Relevant ist zunächst die Unterscheidung zwischen reiner („schwacher“) und differenzierter („starker“) Tugendethik1528. Als reine Tugendethik wird ein ethisches Konzept bezeichnet, das nur auf individuelle Tugenden setzt 1529. Ausschlaggebend ist die Individualmoral des Einzelnen, nicht die Gesetze, die Moralkultur 1530 oder organisationale Unternehmensstrukturen. Mit Blick auf arbeitsplatzbezogene Fragen könnte der Anhänger einer reinen Tugendethik zur folgenden Argumentationslogik gelangen: Zunächst könnte er betonen, dass es Unternehmen sind, die Arbeitsplätze schaffen und so zum Wohlstand der Gesellschaft beitragen können1531. Wenn sich eine Person dazu entscheidet, als Unternehmer (Manager) tätig zu werden, so muss sie ein Faible und entsprechende Begabungen dafür haben, zu „unternehmen“ und zu „managen“. Aus der naturgegebenen Begabung, ein Unternehmen führen zu können, wird auf die moralische Verpflichtung abgestellt, Stellen zu schaffen und zu erhalten. Bereits dieses Gedankenspiel zeigt das Problem rein tugendethischer Ansätze: Selbst wenn Manager den Willen verspüren, quasi kategorisch Stellen zu schaffen, bedeutet das nicht zugleich, dass sie über die hierfür notwendige fachliche Kompetenz verfügen oder das Unternehmen ein solches Vorhaben finanziell tragen kann. Was eher zu erwarten ist, ist eine rasch eintretende Überforderung individueller Tugenden. Die reine Tugendethik ist daher, so wünschenswert sie sein mag, nicht mehr als ein „theoretischer Grenzfall [...], dem nur geringe gesellschaftliche Relevanz zukommt“1532. Ihre Effektivität und Effizienz ist so gering, dass sie kaum zu moralisch integren Transaktionen beitragen kann. Gleichwohl bleibt die Bedeutung der Initiativfunktion individueller Moral bestehen. Es gibt niemand anderen als Individuen, vorliegend primär Unternehmer und Manager, die versuchen können, moralische Anliegen im Unternehmen (durch die Schaffung geeigneter Strukturen usw.) aktiv anzugehen1533. Folgendes Beispiel, das mit einer ökonomischen Betrachtung beginnt, soll dies illustrieren:

1528 1529 1530

1531 1532

1533

Vgl. WIELAND (2005a), S. 83f.; SCHRAMM (2005a), S. 11ff. Vgl. WIELAND (2001a), S. 17f.; WIELAND (2005a), S. 83. (Moral-)Kulturen selbst sind nicht „tugendhaft“ (vgl. SCHRAMM 2005a, S. 12f.). Vgl. dazu Abschnitt 7.1.3, der sich mit dem Begriff der „Moralkultur“ befasst. Dieser Aspekt wurde bereits in Abschnitt 3.1.3 diskutiert. WIELAND (2005a), S. 83. Ähnlich WIELAND (2001a), S. 13; WIELAND (2004), S. 14; WIELAND (2006), S. 3; SCHRAMM (2005a), S. 12; HOMANN (1997), S. 16. Auch Gesetze sind, genauso wie Organisationsstrukturen, nie in der Lage, von sich aus zu agieren. Moralische Initiativen müssen von Individuen angetrieben, also von Politikern (der Öffentlichkeit, den Mitarbeitern) eingefordert und von einzelnen Managern auf den Weg gebracht werden.

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

405

Ökonomen bewerten wirtschaftliches Handeln am Maßstab der (Allokations-)Effizienz1534. Gemäß dem Pareto-Kriterium1535 gilt ein Zustand als effizient bzw. paretooptimal, „wenn niemand mehr besser gestellt werden kann, ohne dass ein anderer schlechter gestellt wird“1536. Nun sei angenommen, ein Unternehmen strebe zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Shareholder-Value-Steigerung nach erhöhter Effizienz, was durch diverse Kostensenkungsprogramme (u. a. einen Stellenabbau) erreicht werden soll. Abb. 33 zeigt die Nutzenmöglichkeitskurve (U1) der von diesem Vorhaben tangierten Stakeholder 1537: Gesamtnutzen Beschäftigte 3.000 Anzahl verbleibender Arbeitsplätze

B

2.600

orthogonale Positionierung

C

2.500

A

2.000

Nutzenmöglichkeitskurve

U1 U2 Gesamtnutzen Shareholder 1,5 2,0 3,5 Steigerung Shareholder-Value (in %) Abb. 33: Nutzenmöglichkeitskurve1538

U1 bildet alle paretooptimalen Verteilungskombinationen zwischen dem Nutzenniveau der Arbeitnehmer und Shareholder ab. Der Nutzen der Beschäftigten (yAchse) hängt vereinfacht vom Erhalt ihrer Stelle, der der Anleger (x-Achse) vom Shareholder-Value ab1539. Beide Ziele stehen auf den ersten Blick in Konkurrenz

1534 1535

1536 1537

1538 1539

Vgl. KOSLOWSKI (1994), S. 167; SAMUELSON/ NORDHAUS (2007), S. 406. Benannt nach dem Ökonomen VILFREDO PARETO (1848-1923), der das Konzept erstmalig vorgestellt hat. LACHMANN (2006), S. 177. Die Nutzenmöglichkeitskurve „stellt bei gegebenen Faktorbeständen in einer Gesellschaft alle realisierbaren Pareto-Optima dar und hat einen zum Ursprung hin konkaven Verlauf“ (LACHMANN 2006, S. 177). Quelle: Eigene Darstellung. Ebenso wäre denkbar, im Falle eines wirtschaftlich gesunden Unternehmens den Nutzen zusätzlicher (ggf. schwerbehinderter) Arbeits- oder Ausbildungsplatzinhaber auf der y-Achse abzutragen.

406

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

zueinander, da die Erreichung des einen Ziels auf Kosten des anderen Ziels geht. Wie in Abschnitt 7.1.2 ausgeführt, halten PIES sowie HOMANN und LÜTGE dieses „dualistische Trade-off-Schema des Denkens für eine grundlegende Schwäche des verbreiteten Denkens über Marktwirtschaft und Ethik“ 1540, da es rein kategorial immer zu Verlierern und so zur Anheizung gesellschaftlicher Konflikte führt. Zur Überwindung des Dualismus zwischen Effizienz und Gerechtigkeit schlagen sie daher vor, die konkurrierende in eine komplementäre Zielbeziehung zu überführen, was wiederum zur Verschiebung von U1 nach U2 führt1541. Dabei ist dieser Empfehlung in der Hinsicht zuzustimmen, dass auch im Arbeitsplatzkontext häufiger Möglichkeiten bestehen, um Effizienz und Gerechtigkeit im Sinne der orthogonalen Positionierung (in nordöstlicher Richtung) miteinander zu vereinen, sodass nicht zwingend ein Tradeoff zwischen beiden Zielen vorliegen muss1542. Zudem ist daran zu erinnern, was zum Moral-Gewinn-Verhältnis generell ausgeführt wurde: In vielen Fällen ist kontingent, ob Moral „kostet“, zu Null herauskommt oder sich am Ende sogar rechnet1543. Auch im vorliegenden Fall ist nicht eindeutig, wie beide Ziele in Beziehung zueinanderstehen. Schwierig wird es aber, wenn es nicht gelingt, komplementäre Lösungen zu finden. Spätestens dann muss sich das Management zwischen Effizienz (etwa in Form eines harten und kurzfristigen Stellenabbaus) und Gerechtigkeit (etwa in Form eines Verzichts oder der integren Ausgestaltung des Stellenabbaus) entscheiden und seine ethische Positionierung offenlegen. In diesem Fall bleibt es bei der ursprünglichen Nutzenmöglichkeitskurve U1, wobei Folgendes zu bedenken ist: Auch wenn jeder Punkt auf U 1 eine paretoeffiziente Verteilung darstellt, so müssen solche Allokationen zwischen Stellenerhalt und Shareholder-Value-Steigerung (gerade aus Arbeitnehmersicht) nicht gerecht sein. Zur Illustration sei angenommen, das Unternehmen habe die in Abb. 34 angeführten Optionen herausgearbeitet (z. B. A: Durch den Wegfall von 1.000 Stellen kann der Shareholder-Value um 3,5 % gesteigert werden):

1540 1541

1542

1543

HOMANN/ LÜTGE (2004), S. 72. Vgl. HOMANN/ LÜTGE (2004), S. 73. Eine komplementäre Zielbeziehung würde vorliegen, wenn eine Steigerung des Shareholder-Value mit dem Erhalt oder der Schaffung von Arbeitsplätzen einherginge (oder umgekehrt). „Aus wirtschaftsethischer Perspektive [...] kommt es [...] darauf an, diesen Tradeoff durch eine orthogonale Positionierung zu überwinden und die situativ fehlende Kompatibilität von eigeninteressiertem Gewinnstreben und moralischen Anliegen institutionell herzustellen“ (PIES 2009, S. 7). Vgl. dazu Abschnitt 3.3.4.

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

abzubauende Arbeitsplätze Shareholder-Value-Steigerung

A (effizient) 1.000 ↕ 3,5 % + -

B (effizient) 400 ↕ 2,0 % Economic Point of View Moral Point of View

407 C (ineffizient) 500 ↕ 1,5 % +

Abb. 34: Tradeoff zwischen Shareholder-Value-Steigerung und Arbeitsplatzabbau1544

Unter den gegebenen Bedingungen würde der Großteil der Arbeitnehmer Alternative B vorziehen, der Großteil der Shareholder dagegen Alternative A. Nach dem Shareholder-Value-Ansatz würde nur A infrage kommen. Da es sich bei A und B trotz der enormen Ungleichverteilung um effiziente Allokationen handelt (beide liegen auf U1), würde die Entscheidung des Unternehmens vom relativen Wohlfahrtsgewicht abhängen, das es den Beschäftigten und Shareholdern jeweils beimisst. Jede Wahl zwischen A und B stellt somit eine „Werturteilsfrage [dar], die man rein ökonomisch nicht beantworten kann“1545. Nun ist zu fragen, wie sich die Lage ändern würde, wenn die real umsetzbaren Entscheidungsoptionen auf A und C beschränkt wären. Da Ökonomen in ihrem Handeln primär von Faktoren wie Effizienz und Wachstum, nicht aber von Gerechtigkeit o. Ä. ausgehen, würden sie A wählen und die Verluste der Beschäftigten billigend in Kauf nehmen. Der Punkt ist nun: Auch wenn A effizient und C ineffizient ist, so kann die Entscheidung in realen Unternehmen dennoch zugunsten von C ausfallen, da C die Arbeitnehmer besserstellt. Selbst wenn das Management bereit oder gezwungen ist, zur Effizienzsteigerung einen Stellenabbau vorzunehmen, so bedeutet das nicht zugleich, dass ein solcher in beliebiger Art und beliebigem Umfang akzeptiert und praktiziert wird. Vielmehr ist denkbar, dass aus moralischen Interessen heraus auch dem Mitarbeiternutzen ein hinreichendes Gewicht beigemessen und Effizienz zumindest partiell (konkret: eine um 2 % geringere Shareholder-Value-Steigerung) gegen Gerechtigkeit (konkret: 500 erhaltene Stellen) substituiert wird. Auf diese Weise wird den Erwartungen an eine gerechte Nutzenverteilung zwischen den 1544

1545

Quelle: Eigene Darstellung. Es handelt sich um ein konstruiertes Beispiel. In der Praxis sind viele weitere Faktoren (Ziele, Restriktionen, Bedingungen usw.) zu berücksichtigen, welche den Handlungsspielraum des Unternehmens beeinflussen und es erschweren, derart konkrete Handlungspakete zu schnüren. KRUGMAN/ WELLS (2010), S. 422. So auch KOSLOWSKI (1994, S. 167): „Der Begriff der wirtschaftlichen Effizienz als Handlungsmaxime vermag dem Individuum die Wahl zwischen Zwecken und Werten nicht abzunehmen. Wir bedürfen für die Entscheidung darüber, was wir eigentlich wollen, Wertvorzugsregeln“.

408

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Akteuren entsprochen, auch wenn das nicht immer problemlos und konfliktfrei möglich ist. Im Grunde liegt damit eine Gewissensentscheidung vor, welche jedes Unternehmen anders fällen wird1546. Dennoch sagt Effizienz (als Input-OutputVerhältnis) noch nichts über die Ziele des Unternehmens aus, sodass festzuhalten bleibt: Unternehmen können in begrenztem Maße zum Wohle ihrer Mitarbeiter ineffiziente arbeitsplatzbezogene Transaktionen ergreifen und tun dies in der Praxis teilweise auch, sofern entsprechende moralische Interessen bei den relevanten Entscheidungsträgern vorhanden sind und sich durchsetzen können. Der nächste Abschnitt wendet sich WIELANDs Governanceethik zu, bei der es sich um eine im gerade beschriebenen Sinne „starke“ Tugendethik handelt, welche von der einzelnen moralökonomischen Unternehmensentscheidung (Transaktion) ausgeht, die durch mehrere Einflussfaktoren (darunter die Initiativfunktion der Moral bzw. individuelle Tugend) determiniert wird.

7.3.3

WIELANDs Governanceethik als differenzierte - anwendungsrelevante und polylinguale - Tugendethik

Wie im vorigen Abschnitt gezeigt, reicht die „individuelle Seite“, welche als Ermöglichungsbedingung des moralischen Handelns von bzw. in Unternehmen gilt, nicht aus. Daher wird im Falle einer differenzierten („starken“, anwendungsrelevanten) Tugendethik, wie der Governanceethik von WIELAND, die Moral des Einzelnen (individuelle Tugend, IS) durch andere Faktoren und Mechanismen gestützt1547. Abb. 35 führt die hierbei infrage kommenden institutionellen und organisationalen Ressourcen auf. Wie deutlich wird, können sich Selbst- und Fremdbindungsmechanismen „sowohl […] auf individuelle und kollektive Akteure und formale und informale Institutionen beziehen“ 1548.

1546

Vgl. KIESELBACH (2001), S. 41. WIELANDs Governanceethik ist eine „starke“ Tugendethik, „weil sie [...] den Zusammenhang von moralischer Haltung und potenzieller Fähigkeit als immanente ethische Qualität von Selbst- und Fremdsteuerungsregimes konzipiert“ (WIELAND 2005a, S. 103). 1548 WIELAND (2005a), S. 93. 1547

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik Akteure individuelle

409

Institutionen kollektive

Selbstbindung Hebel 1: IS Hebel 2: OKK Tugend Verhaltensstandards Religiosität/ Integritätsmanagement Überzeugungen

formelle

informelle

Fremdbindung Hebel 3: FI Hebel 4: IF Gesetze/ Verfahren Kulturstandards (→ Ordnungsethik/ moralische Empörung Institutionenökonomik)

Abb. 35: Selbst- und Fremdbindungsmechanismen in der Governanceethik1549

Von der Governancefunktion Tmi = f (a ISi, b FIij, c IFij, d OKKi) werden einzelne Transaktionen abgebildet1550, das also, was wirklich (konkret, physisch) als Mikroeinheit im Unternehmen geschieht. Transaktionen (bzw. „die moralische Dimension einer gegebenen und abgrenzbaren wirtschaftlichen Transaktion“ 1551) stellen die mikroanalytische Basiseinheit der Analyse dar. Dabei handelt es sich um situationsabhängige, fragmentierte (lokale, abgeschlossene) und temporalisierte (kommende und wieder gehende) Ereignisse und Prozesse 1552. Zur Konzeption des „Transaktions“-Begriffs greift die Governanceethik auf Vorstellungen von LUHMANNs Systemtheorie zurück, welche selbst auf den Prämissen der Prozessphilosophie von WHITEHEAD beruht1553. WHITEHEADs metaphysisches Grunddenken lässt sich grob mit der Frage umschreiben: „Wie funktioniert die

1549 1550

1551 1552

1553

Quelle: WIELAND (2005a), S. 93 - abgeändert. Vgl. WIELAND (2001a), S. 9ff.; WIELAND (2005a), S. 29ff.; WIELAND (2016), S. 300; SCHRAMM (2005a), S. 11; SCHRAMM (2008a), S. 77; BESCHORNER (2011a), S. 128. Das jeweilige Vorzeichen der Koeffizienten a, b, c und d gibt Auskunft darüber, in welcher Weise die vier Governancemechanismen (IS, FI, IF, OKK) in einer Transaktion auf die moralische Dimension der Transaktion wirken (-1 = negative Wirkung, 0 = keine Wirkung, +1 = positive Wirkung). WIELAND (2005a), S. 32. Vgl. WIELAND (2005a), S. 21; WIELAND (2008b), S. 11; SCHRAMM (2011a), S. 179; SCHRAMM (2012), S. 27; SCHRAMM (2008e), S. 45; HEIPCKE (1964), S. 13, 53; HAMPE (1998), S. 63. LUHMANN bewegt sich im gleichen Gedankengebäude wie der Mathematiker und Kosmologe WHITEHEAD: Evolvierende „Prozesse [...] bestehen [materialiter] aus irreversiblen Ereignissen. Sie können nicht rückwärts laufen. [...] Prozesse kommen dadurch zustande [...], dass konkrete selektive Ereignisse zeitlich aufeinander aufbauen, aneinander anschließen“ (LUHMANN 1984, S. 74). Ähnlich LUHMANN (2011, S. 45): „Die basale Einheit eines autopoietischen [von griech. autos = selbst, poiein = machen] Systems [z. B. des Wirtschaftssystems] hat die Zeitform eines Ereignisses, also eines [einer Situationslogik bzw. Codierung - beim Wirtschaftssystem: „Zahlen“/ „Nichtzahlen“ - unterliegenden] Vorfalls, der zwischen „vorher“ und „nachher“ einen Unterschied macht“. Vgl. auch SCHRAMM (2011a), S. 179f.; SCHRAMM (2008e), S. 51ff.; SCHRAMM (2008a), S. 83.

410

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Welt?“1554 Dabei ging WHITEHEAD bereits in den 1920er Jahren davon aus, dass sich die Welt, ähnlich einem sich fortspinnenden Faden (Netzwerk, Spinnennetz)1555, aus einzelnen Elementarereignissen bzw. Energieprozessen zusammensetzt, so wie sie in der Quantenphysik untersucht werden 1556: “'Actual entities' [wirkliche Einzelwesen] - also termed 'actual occasions' [physikalische Mikroereignisse/ -prozesse auf der Quantenebene] - are the final real things of which the world is made up. There is no going behind actual entities to find anything […] more real”1557. Auch WHITEHEAD hat die „actual entities“ bzw. „occasions”, welche SCHRAMM und WIELAND in Bezug auf den wirtschaftlichen Bereich nicht mehr als Ereignis bzw. „event“, sondern als Transaktion bezeichnen, von Beginn an als fragmentiert1558 und temporalisiert1559 konzipiert. Er geht sogar so weit, Na-

1554

1555

1556 1557

1558 1559

Vgl. zu seinem Hauptwerk „Process and Reality“ WHITEHEAD (1985), zur deutschen Übersetzung WHITEHEAD (2008). WHITEHEAD ging von einem pluralen Wirklichkeitsverständnis aus, in dem mehrere Interessen zu berücksichtigen sind: Es „muss [...] eines der Motive einer vollständigen Kosmologie sein, ein Schema von Ideen zu entwerfen, in dem die ästhetischen, moralischen und religiösen Interessen mit jenen Begriffen von der Welt in Verbindung gebracht werden, die ihren Ursprung in den Naturwissenschaften haben“ (WHITEHEAD 2008, S. 22). Vgl. dazu Abschnitt 7.2.2. Auch COMMONS beruft sich auf WHITEHEAD und geht davon aus, dass Firmen Netzwerke einzelner Transaktionen sind, welche immer weitergesponnen werden: “These going concerns [laufende(s) Geschäft/ Anliegen] and transactions are to economics what WHITEHEAD’s “organic mechanism” and “event[s]” are to physics” (COMMONS 1934, S. 96). Nach COMMONS existieren Firmen nicht nur als abstrakte juristische Einheit, vielmehr ist ihre Wirklichkeit durch das Zusammenkommen unendlich vieler Transaktionen geprägt (vgl. ebd., S. 53). COMMONS ist sich also des ontologischen Unterschieds zwischen abstrakter und konkreter Existenz bewusst und verfällt keinem „Fallacy of Misplaced Concreteness“ (vgl. SCHRAMM 2016b, S. 46ff., 52ff.). Folglich „kann man […] COMMONS als exemplarischen Haftpunkt einer auf der „Business Metaphysics“ beruhenden „Transactions Ethics“ heranziehen“ (SCHRAMM 2015a, S. 182; vgl. auch SCHRAMM 2016b, S. 47; SCHRAMM 2016e, S. 344, 347; WIELAND 2016, S. 295ff.). Vgl. SCHRAMM (2016b), S. 28f., 31; SCHRAMM (2016e), S. 332; SCHRAMM (2014c), S. 397. WHITEHEAD (1985), S. 18. Die Konstitution einer „actual entity“ bzw. „occasion” ist eine „werdende“: „Dass wie ein wirkliches Einzelwesen wird, begründet, was dieses wirkliche Einzelwesen ist; [...] Sein »Werden« liegt seinem »Sein« zugrunde. Dies ist das »Prinzip des Prozesses«“ (WHITEHEAD 2008, S. 66; vgl. auch SCHRAMM 1991, S. 37f.; SCHRAMM 2016b, S. 31f.; SCHRAMM 2016e, S. 333f.; SCHRAMM 2014c, S. 386; WIELAND 2016, S. 291; HEIPCKE 1964, S. 52). Zugleich ist eine „actual entity“ bzw. „occasion” als „Synthese aller vorgängigen ‚actual entities‘“ (SCHRAMM 2008e, S. 52) offen für bzw. Einfluss nehmend auf neues Werden (vgl. SCHRAMM 1991, S. 38): „Es liegt [...] in der Natur eines »Seienden«, dass es ein Potential für jedes »Werdende« ist. Das ist das »Prinzip der Relativität«“ (WHITEHEAD 2008, S. 65). Vgl. WHITEHEAD (2008), S. 76, 471, 514. „[W]irkliche Einzelwesen »vergehen stetig«“ (WHITEHEAD 2008, S. 76). Auch LUHMANN (1984, S. 28) geht von einer „radikalen Verzeitlichung [Temporalität] des Elementbegriffs“ aus: „Ereignisse sind [...] zeitpunktfixierte Elemente. Sie kommen nur einmal und nur in einem für ihr Erscheinen nötigen Kleinstzeitraum [...] vor“ (ebd., S. 102). Vgl. auch SCHÜTZEICHEL (2003), S. 54.

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

411

turgesetze (z. B. Naturkonstanten wie die Lichtgeschwindigkeit oder Gravitationskonstante) auf eine unendliche Ereignisabfolge zurückzuführen 1560. Es sind also nicht die Naturgesetze selbst, die der Welt als unveränderliche Figur von Anfang an als schöpferische Tat Gottes zugrunde liegen1561, sondern, und darin liegt ein metaphysischer Grundzug jeglicher Wirklichkeit, primär ist das Mikroereignis (als kleinstes Elementarereignis), das die Naturgesetze reproduziert, die sich in riesigen Zeiträumen selbst wieder verändern können (sozusagen als „Angewohnheiten“ der Ereignisse). Dieses kosmologische Weltbild ist auf Unternehmen übertragbar: Ein Unternehmen wäre dabei eine Gesellschaft von Ereignissen (ökonomischen Transaktionen)1562, dessen (ebenfalls änderbare) Strukturen wären die Angewohnheiten („habits“), welche von den Organisationsmitgliedern über ihre 1560

1561

1562

“People make the mistake of talking about ‚natural laws‘. There are no natural laws. There are only temporary habits of nature” (WHITEHEAD in PRICE 2001, S. 363). WHITEHEAD geht, wie zuvor schon CHARLES S. PEIRCE, von einer radikal evolutionären Vorstellung aus. Die Naturgesetze sind nicht als ein mit dem Urknall absolutistisch gegebener Rahmen zu betrachten, innerhalb dem sich alle physikalischen Vorgänge zu bewegen haben. Primär sind, und darin liegt eine metaphysische Basisentscheidung, welche sich disziplinübergreifend fortführen lässt, die konkreten Transaktionen, das also, was im Universum geschieht (inklusive unserer Entscheidungen) und darüber bestimmt, was die Regel ist. Naturgesetze sind als Gewohnheiten der physischen Natur („habits of nature“) dagegen evolutionär (was verdeutlicht, dass Natur-„Gesetze“ eigentlich der falsche Ausdruck ist): Wir alle, auch physische Geschehnisse vom Urknall an, „gewöhnen“ uns gewisse Dinge an (z. B. hat sich das Licht in den letzten Mrd. Jahren daran „gewöhnt“, in einer bestimmten Geschwindigkeit zu fliegen), welche mit der Zeit wie Konstanten erscheinen. Insofern ist es wahrscheinlich, dass sich Naturgesetze mit zunehmendem Alter nicht mehr verändern. Vgl. auch SCHRAMM (2016b), S. 24, 44; SCHRAMM (2016e), S. 353; SCHRAMM (2015a), S. 183f., 187f.; HAMPE (1998), S. 64, 81f. So die klassische theologische Vorstellung im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit: Der Potentat Gott hat bei der Schöpfung die Naturgesetze so festgelegt, dass z. B. die Lichtgeschwindigkeit bei rund 300.000 km/ Sekunde liegt. Warum das so ist, ist unbekannt. Komplexe und beständige Dinge, welche im Gegensatz zu Ereignissen über längere Zeit bestehen („[d]ie wirklichen Dinge (real actual things), die von Dauer sind [z. B. Organisationen, aber auch Elektrone, Atome, Moleküle], [...] nicht [...] einzelne Vorgänge (actual occasions)“, WHITEHEAD 2000, S. 367), bezeichnet WHITEHEAD als societies bzw. Gesellschaften (vgl. WHITEHEAD 2008, S. 85; SCHRAMM 2008e, S. 52; SCHRAMM 2011a, S. 185; SCHRAMM 2016b, S. 32ff.; SCHRAMM 2016e, S. 332f.). Worauf es ihm bei seiner Gesellschaftsdefinition „ankommt, ist, dass sie sich selbst erhält, mit anderen Worten: dass sie selber der Grund ihres Daseins ist“ (WHITEHEAD 2000, S. 366). Gesellschaften sind ein Kollektiv (Nexus, System) von „actual entities“ bzw. „occasions” (von kooperierenden Mikroprozessen: Solche Mikroprozesse sind als „Elementarteilchen“ oder „Basisbausteine“ der Welt selbst wiederum als „innerliche“ (mentale, aktive) Prozesse mit freiem Willen zu verstehen), das von gewissen Ordnungsregeln oder -prinzipien durchzogen ist (vgl. WHITEHEAD 2000, S. 365f.; KLOSE 2008, S. 231). Kennzeichnend für diese gesellschaftliche Ordnung ist, dass ihr ein zeitlich beständiges „Formelement“ bzw. „definierendes Charakteristikum“ inhärent ist, das die konkrete Zusammensetzung der Gesellschaft konstituiert und sich über die Transaktionen der society (d. h. über deren „actual entities“ bzw. „occasions”) immer weiter „vererbt“ (vgl. WHITEHEAD 2000, S. 366; KOUTROUFINIS 2009, S. 130).

412

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Transaktionen reproduziert werden1563. Oder anders gesagt: Unternehmen haben eine Struktur, die sie definieren. Solange die Struktur von den Mitarbeitern (Kunden, der Gesellschaft usw.) kollektiv anerkannt wird, bleibt das Unternehmen in seiner Form bestehen. Da die menschliche Realität aber prozesshaft ist (es also keine von Gott oder der Natur vorgegebenen Rahmenregeln gibt), kann jederzeit eine Änderung oder ein Verfall der Struktur eintreten. Der Umstand, dass WIELAND mit seiner Governancefunktion einzelne Transaktionen ins Zentrum rückt, zeigt, dass für ihn (als Betriebswirt) nicht die Begründungsebene im Fokus steht, auf der allgemeine moralische Ziele und Ideale (von Philosophen, Theologen usw.) formuliert werden1564, sondern die Unternehmensrealität, in der Werte in den Organisationsaufbau verankert und durch geeignete Systeme aktiv gemanagt werden müssen1565. Konkret kann es sich bei einer Transaktion um den Beschluss handeln, betriebsbedingte Kündigungen durchzuführen, wobei „m“ für die moralische Dimension der Entscheidung steht. Von Interesse ist nun, wodurch es - auf der reinen Tugendethik aufbauend - wahrscheinlicher

1563

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Als Grund hierfür ist zu sehen, dass Transaktionen - im Gegensatz zu physikalischen Elementarereignissen, welche ohne menschliches Zutun geschehen - nicht von selbst erfolgen können, sondern von Menschen durchgeführt werden müssen. Vgl. WIELAND (2001a, S. 25f.) sowie Abschnitt 4.1.1. Dazu schlägt WIELAND mit dem Wertemanagementsystem (WMS) ein bereits mehrfach in kleinen und vor allem großen Unternehmen (wie Fraport, Daimler und Siemens) erprobtes Tool zur Umsetzung einer Ethikmanagementstrategie vor. Unter WMS versteht WIELAND unternehmensspezifisch ausgerichtete Instrumente, die dazu beitragen sollen, „die handlungs- und entscheidungsleitenden Werte eines Unternehmens auf die verschiedenen Ebenen des Managements [...] herunterzubrechen und entweder in die vorhandenen Standardinstrumente zu integrieren oder aber dort, wo nötig, spezifische Instrumente des Wertemanagements zu kreieren und zu implementieren“ (WIELAND 2004, S. 26f.). Das WMS ist prozesshaft aufgebaut und umfasst vier Stufen. Sie sollen hier nur kurz skizziert werden (vgl. dazu im Detail ebd., S. 23ff.): (1) „Kodifizierung“ der handlungsleitenden Werte, welche die Corporate Identity bestimmen sollen (typischerweise umfassen Codes of Conduct (Codes of Ethics, Grundwertekataloge, Leitlinien) eine Mischung verschiedener (moralischer, Leistungs-, Kommunikations- und Kooperations-)Werte); (2) institutionalisierte „Kommunikation“ der kodifizierten Werte nach außen („institutionalisiert“ meint, dass Werte nur dann glaubwürdig in die Öffentlichkeit kommuniziert werden können, wenn im gleichen Zuge erläutert wird, was die tatsächlichen (d. h. sicht- und spürbaren) Folgen hieraus für das operative Alltagsgeschäft sind); (3) „Implementierung“ („Managen“) der Werte bzw. des WMS im Unternehmensalltag (durch geeignete - auf interne, wertorientierte Selbstverpflichtung abzielende Werte- bzw. Integrity-Programme und - auf Gesetzestreue im jeweiligen Land gerichtete - LegalCompliance-Programme, wobei Letztere die Voraussetzung bilden, um ein Werteprogramm ernsthaft betreiben zu können); (4) „Organisation“ des WMS (Festlegung, welche Personen (Komitees, Gremien) in welcher Form für das Compliance- und Werteprogramm verantwortlich sind, wobei das Management fest nach dem Top-Down-Prinzip mit dem WMS verankert sein muss).

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

413

wird, dass solche wirtschaftlichen Transaktionen an moralischer Integrität gewinnen. WIELAND unterscheidet hierzu neben den „Individuellen Selbstbindungen“ (IS = Hebel 1), welche auf das individuelle Moralverhalten der Akteure (Tugenden und Werte) zurückzuführen sind, drei weitere Faktoren, die die Governanceethik von der reinen Tugendethik abheben und als Stellschrauben („Köche“) Einfluss darauf nehmen, wie integer (Management-)Transaktionen realiter ausfallen1566. Sie werden im Folgenden hinsichtlich ihrer Relevanz für arbeitsplatzbezogene Fragen beleuchtet. Hebel 2: Organisations-Koordinations- und Kooperationsmechanismen (OKK) Eine realistisch durchhaltbare Managementethik hängt von der positiven Ausprägung der IS und OKK ab1567. Wie jede Organisation sind auch Unternehmen durch gewisse Anreize und Strukturen geprägt, die vom Management verbindlich gesetzt werden. Sie kanalisieren das Verhalten der Organisationsmitglieder als interne Spielregeln in eine gewünschte Richtung und verleihen ihm als juristischer Person ein wirtschaftliches und ethisches „Gesicht“. Die Bedeutung der Existenz wirksamer OKK im Arbeitsplatzkontext hebt EDZARD REUTER im übertragenen Sinne treffend hervor, wenn er feststellt, dass „unsere Verantwortung für die Arbeitsplätze […] nicht eine durch die Gewerkschaften aufgezwungene Belastung ist, sondern [...] als eigenständige, als originäre Mitverantwortung und damit als Aufgabe, als Herausforderung angenommen werden muss“1568. Damit kommt zum Ausdruck, dass es in Unternehmen die (Basis-) Dimension einer ökonomischen Aufgabe gibt: Erfolg (Gewinn, Rentabilität) ist für den Fortbestand eines jeden Unternehmens essenziell. Es genügt aber nicht, Arbeitsplätze nur (aus wirtschaftssystemischer Sicht) als Neben- oder Abfallprodukt der eigentlichen Unternehmensaufgabe zu sehen1569. Der Umstand, dass Arbeitsplätze nie vollkommen sicher sind, heißt nicht, dass sie sich beliebig abbauen lassen. Auch der Verweis darauf, dass sich die BRD für den Weg der Sozialen Marktwirtschaft entschieden hat, reicht nicht aus, um Unternehmen aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Der ordnungspolitische Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft trägt dazu bei, einzelne

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Vgl. WIELAND (2001a), S. 9, 12f.; WIELAND (2005a), S. 29f.; WIELAND (2006), S. 5; SCHRAMM (2001), S. 10. Dabei lässt sich nicht vorweg sagen, wie „man den Hebel zur Realisierung der moralischen Dimension von Tm [...] zweckmäßigerweise ansetzen könnte“ (SCHRAMM 2007b, S. 19). Vgl. WIELAND (2001a), S. 9f., 14f., 17; WIELAND (2005a), S. 30, 41. In Dilemmasituationen bedarf es zusätzlich auch einer positiven Ausprägung der FI. REUTER (1988), S. 178. Vgl. zu dieser Haltung WENGER (1989, S. 453) sowie Abschnitt 5.1.2.

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Lebensrisiken (wie Arbeitslosigkeit, Krankheit o. Ä.) abzufedern, allerdings nur finanziell. Daher ist es im Sinne einer „Zwischenlösung“ unabdingbar, den sozialverträglichen Umgang mit der Arbeitsplatzfrage als eigenständige Unternehmensaufgabe zu sehen, welche es zu managen (d. h. zu planen, steuern und kontrollieren) gilt. Dieses Managen findet in einem Graubereich statt, da sich in der Managementethik keine Patentrezepte erarbeiten lassen. Jedes Unternehmen muss für sich herausfinden, wie es mit arbeitsplatzbezogenen Fragen umgeht und wo eine angemessene Balance zwischen ökonomischen und moralischen Anforderungen liegt. Derartige Abwägungen können, je nachdem, wie kompetent sie angegangen werden und wie das Unternehmen finanziell dasteht, besser oder schlechter gelingen. Da es aber primär Unternehmen sind, die Arbeitsplätze schaffen können, ist es auch als Managementaufgabe zu sehen, moralische Anforderungen an arbeitsplatzbezogene Transaktionen zu operationalisieren und zu implementieren. Das gilt gleichermaßen für die Schaffung, den Erhalt und Abbau von Arbeitsplätzen. Für jeden Bereich sind organisationale Strukturen, Leitlinien und Instrumente auf der Unternehmensebene zu entwickeln, um ihre Integrität zu sichern und den moralischen Anliegen der aktuellen, ausscheidenden sowie potenziellen Mitarbeiter zu genügen. Wenn sich ein Unternehmen z. B. dafür entscheidet, eine Mindestquote für die Beschäftigung Schwerbehinderter einzuführen oder bereits im Vorfeld eines Personalabbaus gezielte Weiterbildungsangebote und Beratungsdienstleistungen anbietet, dann handelt es sich hierbei um typische Maßnahmen, welche in den Bereich „OKK“ fallen. Ein arbeitsplatzbezogenes Gegenmodell bietet das Fallbeispiel Enron 1570. Der 2001 wegen Bilanzbetrugs in Konkurs gegangene Energiekonzern hatte zwar (wie alle größeren amerikanischen Unternehmen) einen „Code of Conduct“ bzw. „Code of Ethics“, die realen Strukturen im Unternehmen wichen aber von den darin propagierten Werten stark ab. Deutlich wird das u. a. an den halbjährlich abgehaltenen „rank-and-yank“- (Sortierungs- und Eliminierungs-)Sitzungen1571. Dazu 1570

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Vgl. SCHRAMM (2005a); FISCHERMANN (2002); FOX (2003); RÜGEMER (2004, S. 82ff.) sowie den Dokumentarfilm „Enron: The Smartest Guys in the Room“ aus 2005. Der Fall zeigt, dass Integrität (Moral) ein Vermögenswert und „Produktionsfaktor“ sein kann. Umgekehrt formuliert: Er zeigt, dass Nicht-Integrität (Unmoral, eine Ignoranz moralischer Werte) sogar zur Vernichtung ökonomischer Werte führen kann. Vergleichbare Strukturen lassen bzw. ließen sich in anderen (primär amerikanischen) Unternehmen finden. Bekannte Beispiele sind Exxon Mobil, Microsoft, Ford, Infineon (hierzulande unter dem ehemaligen CEO ULRICH SCHUMACHER) oder General Electric, dessen damaliger CEO JACK WELCH als Pionier des „rank-and-yank“-Verfahrens gilt (vgl. KWOH 2012). Vgl. auch BREDESON

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wurde der ökonomische Leistungsbeitrag der Mitarbeiter in eine Rangfolge gebracht. In der Folge wurden systematisch jene 10-20 % der Angestellten entlassen (hierfür steht „yank“, was „herausreißen“ bedeutet), welche am Ende des Rankings standen. Dadurch wurde die bei Enron zu seiner Zeit ohnehin vorherrschende, als „bossism“1572 bezeichnete Kultur der Arroganz und intellektuellen Einschüchterung weiter verschärft. Den Entlassenen wurde ein Raum mit PC angewiesen, in dem sie sich kurzzeitig auf Stellensuche begeben konnten. Zudem wurde ein Teil der Gehälter der aussortierten Mitarbeiter (als monetärer Anreiz) auf jene Kollegen übertragen, die am meisten Profit generiert haben. Sozialverträgliche Lösungen wurden nicht angestrebt, stattdessen wurde reiner Sozialdarwinismus praktiziert. Der Punkt ist nun, dass solche „rank-and-yank“-Sitzungen nichts anderes als eine interne Spielregel (und damit eine (negative) OKK, OKK i, d = -1) darstellen, durch welche das Verhalten im Unternehmen geformt wurde: Der Arbeitsplatzverlust (bzw. dessen Androhung) wurde systematisch genutzt, um weitere Anreize für besonders leistungsfähige und gewissenlose Mitarbeiter zu schaffen. Zugleich wurde der Spielraum für individuelle Moral immer dünner. Beides zeigt, dass es sich um eine in die Unternehmensorganisation strukturell verankerte Form eines Arbeitsplatzmanagements gehandelt hat. Hebel 3: Formale Institutionen (FI) Formale Institutionen (FI), wobei Institutionen nicht mit Organisationen zu verwechseln sind1573, beziehen sich auf die formale Gesetzgebung (so ist der Bundestag eine Organisation, die institutionelle Spielregeln beschließt) 1574. Auch FI haben eine moralische Dimension, da sie als verbindliche (wettbewerbsneutrale)

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(2011, S. 118), der in einem (fiktiven) Szenariobeispiel eine Unterteilung der Mitarbeiter in „stars“, „solid workers“, „acceptable workers“ und „underperformers“ vornimmt. So Senator CLELAND in einer seiner Fragen an die Whistleblowerin WATKINS beim Hearing vor dem Committee on Commerce, Science and Transportation (2002, S. 37). Organisationen (wie Unternehmen, Vereine, Hochschulen, Kirchen) sind soziale Gebilde mittlerer Ebene, bei denen sich Menschen zu einem gewissen Zweck zusammenschließen und „Mitglied“ im weiteren Sinne werden. Sie sind zu verstehen als „Governance-Strukturen, mit denen Individuen versuchen, innerhalb des gegebenen gesellschaftlichen Institutionengefüges die sich bietenden Opportunitäten effizient zu nutzen“ (vgl. WIELAND 2003, S. 32f.). Bei Institutionen handelt es sich um Rahmenregeln (um „ein intelligibles Set von Ereignisrelationen, denen normative Macht zugebilligt wird“, WIELAND 2003, S. 32), welche dem Verhalten des Einzelnen vorgesetzt werden (z. B. Marktfreiheit, Gesetze, Property Rights), wobei Institutionenökonomen formale und informale Institutionen unterscheiden (vgl. NORTH 1992, S. 3f.; WIELAND 2003, S. 32). Institutionen haben kein Ziel (wie Organisationen), sondern erfüllen eine handlungsleitende gesellschaftliche Funktion (vgl. WIELAND 2003, S. 33). Vgl. WIELAND (2001a), S. 9, 13f.; WIELAND (2005a), S. 30.

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Strukturen das Verhalten der Akteure belohnen oder bestrafen und so in eine gewünschte Richtung lenken1575. Das deutsche Arbeitsrecht weist, sowohl was das einzelne Arbeitsverhältnis (Individualarbeitsrecht) als auch die rechtliche Beziehung des Kollektivs der Arbeitnehmer gegenüber dem einzelnen Unternehmen (Kollektivarbeitsrecht) anbelangt1576, einige Besonderheiten auf, wobei ein zentraler Aspekt im weitreichenden und - was die Verfahrensvorschriften betrifft - diffizilen Kündigungsschutz liegt1577. Die Kündigungsschutzvorschriften für reguläre Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland zählen zu den strengsten unter den 34 OECD-Staaten1578. Daran wird deutlich, welche Bedeutung den FI hierzulande für arbeitsplatzbezogene Fragen zukommt 1579. Unterschiede bestehen vor allem zum angloamerikanischen Rechtsraum. Während in den USA, wo der individuelle Kündigungsschutz von regulärer Beschäftigung traditionell eher gering ausfällt1580, die employment-at-will-Doktrin gilt1581, welche es Arbeitgebern erlaubt, Mitarbeiter ohne Begründung fristlos zu kündigen, sind Kündigungen in Deutschland nur dann wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt sind (§ 1 Abs. 2 KSchG)1582. Freisetzungen können also nicht aus freien Stücken erfolgen, sondern sind auf unvermeidbare Fälle beschränkt. Dabei wirken die Anhörungspflicht des Betriebsrats vor einer Kündigung (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG), der teils (z. B. bei betriebsbedingten Kündigungen nach § 1a KSchG) gegebene Abfindungsanspruch sowie andere formale Vorkehrungen bei der Einleitung und Durchführung von Kündigungen insgesamt auf einen präventiven Kündigungsschutz hin, der zu 1575

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Auf diese Weise „fungieren sie [FI, dasselbe gilt für IF] tendenziell als self-enforcement der Realisierung (un)moralischer bzw. (un)moralkonformer Werte“ (SCHRAMM 2005a, S. 13). Vgl. auch WIELAND (2003), S. 33f. Vgl. dazu Abschnitt 3.2.1. Vgl. CASCIO (2005), S. 42. Das KSchG „institutionalisiert [→ FI] Gerechtigkeitserwartungen von Arbeitnehmern in Bezug auf den Bestandsschutz ihres Arbeitsverhältnisses und gibt den Erwartungen materiell- und verfahrensrechtlichen Ausdruck“ (HÖLAND/ ZEIBIG 2007, S. 250). Als ein „Bestandsschutzgesetz“ (ARNOLD in THÜSING/ LAUX/ LEMBKE 2011, S. 583) versucht das KSchG, die Arbeitnehmerinteressen an der Fortführung und die Arbeitgeberinteressen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aneinander anzugleichen. Vgl. OECD (2014), S. 15; OECD (2013), S. 86; VENN (2009), S. 7f. Dabei ist zu beachten, dass die Arbeitsplatzsicherheit in Deutschland trotz der hohen Regulierungsdichte am Arbeitsmarkt als geringer eingeschätzt wird als in den meisten anderen Ländern Europas (vgl. ENSTE/ HARDEGE 2006, S. 8). Eine höhere Regulierung scheint das subjektive Sicherheitsempfinden also nicht zwingend zu erhöhen, sondern kann ihm sogar entgegenwirken. Vgl. EICHHORST/ PROFIT/ THODE (2001), S. 170; OECD (2013). Diese geht auf ein Urteil des Supreme Court of Tennessee von 1884 zurück. Vgl. zur employmentat-will-Doktrin auch CARROLL/ BUCHHOLTZ (2008), S. 667; MCCALL/ WERHANE (2010), S. 603ff.; WEISS (2003), S. 215ff. Vgl. dazu Abschnitt 6.3.3.

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stabilen und langfristigen Beschäftigungsverhältnissen beitragen soll 1583. Die Unternehmenspraxis zeigt aber, dass FI alleine nicht in der Lage sind, ein tugendkonformes Verhalten der Unternehmen sicherzustellen und den Bedürfnissen der Beschäftigten gerecht zu werden. Unabhängig davon kann der Kündigungsschutz (je nach Ausmaß) auch zur Erhöhung der strukturellen Arbeitslosigkeit führen und damit negative Wirkungen für Arbeitnehmer haben 1584. Jedenfalls wäre es falsch, zu meinen, ein „Mehr“ an FI würde den aktuellen und potenziellen Arbeitnehmern zwangsläufig arbeitsplatzbezogene Vorteile bringen. Der Aspekt, der hier primär hervorgehoben werden soll, ist der, dass in Deutschland ein deutlicheres Setzen auf FI als Hebel zu erkennen ist (FI = +1), als es etwa in den USA der Fall ist 1585. Hebel 4: Informale Institutionen (IF) Institutionen, die nicht in Gesetzen festgelegt sind, sondern die Menschen im Kopf haben und eine Kultur prägen, werden in der Institutionenökonomik als informale Institutionen (IF) bezeichnet1586. IF stehen für „religiöse oder moralische Überzeugungen einer gegebenen Kultur“1587. Was ist also (moral-)kulturell üblich und wird in einem Kulturkreis als richtig angesehen? Wichtig sind dabei die Wechselwirkungen und das Zusammenspiel zwischen formalen und informalen Institutionen1588: Eine Moralkultur, welche in ihren Grundzügen eigentlich wirtschaftliches Handeln (etwa durch eine produktive Arbeitskultur) befördern würde, kann sich nur dann günstig auf die ökonomische Entwicklung auswirken, wenn geeignete formale Institutionen existieren (wenn also z. B. ein freier Markt zugelassen wird). Andernfalls können die ökonomisch förderlichen Elemente einer Kultur, die auch zur Schaffung produktiver Arbeitsplätze beitragen, nicht genutzt werden. FI sind 1583 1584

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Vgl. KIRSTEIN/ KITTNER/ SCHMIDTCHEN (2001), S. 96f. Vgl. BLANCHARD/ ILLING (2009), S. 197. Ein strenger Kündigungsschutz macht den Arbeitsmarkt träge, da er es den Unternehmen erschwert, sich bei Absatz- und Produktionsrückgängen von Mitarbeitern nach der Probezeit zu trennen (vgl. BRÖCKERMANN 2005, S. 6). Damit kommt es nicht nur zum Anstieg der Entlassungs-, sondern auch der erwarteten Einstellungskosten, sodass die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen sinkt (so ist u. a. die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Spanien, Frankreich und anderen EU-Ländern zu erklären). Insofern „wirken Arbeitsmarktregulierungen häufig als eine Einstellungsbremse. Sie sichern zwar die Insider (Beschäftigten), sie verschlechtern aber die Situation der Outsider (Arbeitslosen)“ (HAMM 2005, S. 91). Ähnlich HAX (2005), S. 48. Diese Sichtweise ist in der Hinsicht zu relativieren, als dass Deregulierung auch eine Art darstellt, Dinge zu entscheiden bzw. zu „regulieren“ (etwas nicht in FI aufzunehmen, kann sozusagen auch als FI gedeutet werden). Vgl. NORTH (1992), S. 43f., 164. WIELAND (2001a), S. 9. Vgl. auch ebd., S. 14; WIELAND (2005a), S. 30; BERGER (1991), S. 24. Vgl. SCHRAMM (2008a), S. 74ff.

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aus managementethischer Sicht daher mindestens ebenso wichtig wie IF. Ähnlich wie LINDENBERG1589 verwendet auch NORTH den Ausdruck „frame“ zur Beschreibung des Einflusses von IF auf menschliche Interaktionen: „[S]owohl formgebundene Beschränkungen - wie von Menschen erdachte Regeln [FI] - als auch formlose Beschränkungen [IF] - wie [kulturelle] Gepflogenheiten [...] sind [...] der Rahmen für menschliche Interaktion“1590. 1589

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LINDENBERG erachtet es als soziologische Kernansicht, dass die Situationsdefinition das Verhalten beeinflusst (vgl. LINDENBERG 1990, S. 742). Der Ausdruck „Situationsdefinition“ taucht erstmals in den 1920ern im THOMAS-Theorem auf (vgl. THOMAS 1965, S. 114; THOMAS/ THOMAS 1928, S. 572; SCHRAMM 2008a, S. 162; ESSER 1999, S. 32ff.). Letzteres besagt, dass es keine vollkommen objektive Realitätswahrnehmung gibt. Die objektiv gleiche Situation wird von verschiedenen Menschen (z. B. wegen ihrer Kulturzugehörigkeit) abweichend wahrgenommen und führt in der Folge zu verschiedenen Entscheidungen bzw. Realitäten (vgl. ESSER 2004, S. 113; ESSER 1999, S. 37; KRONEBERG 2005, S. 345f.). Bei sämtlichen komplexeren Situationen umfasst die Situationswahrnehmung also ein konstruktivistisches Element. LINDENBERG bezeichnet die Situationsdefinition als „framing“: ““[F]rame“ [...] is used to refer to a way in which the experience of a situation is organized, to the “definition of the situation““ (LINDENBERG 1993, S. 11). Oder: “[A] situation is framed by a goal (and the relevant goal criterion) in the sense that that goal will select the relevant alternatives and thereby “define” the situation” (LINDENBERG 1990, S. 743). Der Rahmen definiert die Situation, indem er relevante Alternativen sichtbar macht und selektiert. „Framing“ stellt einen Auswahlprozess dar. So dürfte ein in der Marktwirtschaft bei jeder Geschäftstransaktion anzutreffendes „goal“ darin liegen, dass die beteiligten Manager ein (wie auch immer geartetes) ökonomisches Interesse haben. Allein der Markt zwingt sie dazu, die Welt durch eine ökonomische „Brille“ zu sehen. Neben dem ökonomischen Rahmen gibt es noch andere Rahmen („goals“), welche bei arbeitsplatzbezogenen Transaktionen relevant sind, z. B. der moralkulturelle Rahmen des jeweiligen Landes, in dem das Unternehmen ansässig ist. Dieser Rahmen definiert, wie die Situation „Entlassung“ bzw. diverse Entlassungsszenarien von den Arbeitnehmern (der Öffentlichkeit usw.) wahrgenommen werden. Genauso haben Manager, je nachdem, welcher Kultur sie angehören (oder sich zugehörig fühlen), eine(n) - teils vom lokalen Unternehmensstandort abweichende(n) - kulturell-weltanschauliche(n) Rahmen bzw. identitätssemantische „Brille“, mit dem bzw. der sie (Entlassungs-)Situationen abstecken und sehen (vgl. SCHRAMM 2008a, S. 63, 162f.). Ein solcher kultureller Rahmen bestimmt, welche Situationsmerkmale das Management als real ansieht und als entscheidend definiert. Wenn also, um ein Beispiel zu nennen, das US-amerikanische General Motors-Management über Werksschließungen bei der deutschen Opel-Tochter berät, dann ist zu bedenken (und bei einer Vorab-Analyse der Situationsdefinition zu erahnen), dass die Auffassungen (Absichten, Ansprüche usw.) beider Parteien durch die jeweilige Moralkultur mitdeterminiert werden. US-Manager, die deregulierte Arbeitsmärkte und ein weniger umfassendes soziales Sicherungssystem gewohnt sind, werden gewisse Entlassungspraktiken und Rahmenbedingungen womöglich von vornherein anders wahrnehmen, also eine andere Situationsdefinition vornehmen, als deutsche Manager und Arbeitnehmer, von denen Sozialpartnerschaft, Konsens, Bündnisse für Arbeit usw. als Maßstab angesehen werden. Auch arbeitsplatzbezogenen Entscheidungen ist also eine Situationsdefinition vorgeschaltet, welche die Präferenzen, Sichtweisen und Erwartungen der Akteure bezüglich der relevanten Alternativen strukturiert und sämtliche Entscheidungen mitdeterminiert (vgl. ESSER 2004, S. 110). NORTH (1992), S. 4. Die Kultur beeinflusst als Rahmenordnung, wie Situationen (z. B. Geschäftstransaktionen) definiert, wahrgenommen und interpretiert werden (vgl. ebd., S. 51; SCHRAMM 2008a, S. 73f.).

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Im vorliegenden Kontext ist die Beobachtung interessant, dass arbeitsplatzbezogene Fragen hierzulande ein Thema von hoher Brisanz sind, über das in der Öffentlichkeit rege debattiert wird1591. Angeheizt wird die Diskussion zusätzlich, wenn wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen vor der Entscheidung stehen, Stellen abzubauen oder zu verlagern. Trotz der Tatsache (oder genau deswegen), dass solche Maßnahmen eher gängig sind, gelten sie in gewissen Kreisen der Gesellschaft als unmoralisch. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in Deutschland jährlich Tausende Stellen geschaffen werden1592. Wie ist das zu erklären? Um die Bedeutung (moral-)kultureller Einflüsse für die Bewertung arbeitsplatzbezogener Maßnahmen zu skizzieren, liefert (wie schon bei den FI) ein kurzer Vergleich zwischen Deutschland und den USA erste Hinweise. So ist bekannt, dass in den USA im Gegensatz zu Deutschland ein Verlust oder Wechsel des Arbeitsplatzes tendenziell üblicher ist und weniger tragisch gesehen wird 1593. Jedenfalls ist man hierzulande von der Hire-and-Fire-Mentalität der USA weit entfernt. Arbeitsplatzsicherheit ist für den Großteil der Beschäftigten von hoher Priorität1594. Ähnliches gilt für die Mobilitätsbereitschaft: So dominiert in Deutschland 1591 1592

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Vgl. dazu bereits Kapitel 1. Laut Statistischem Bundesamt (2008, S. 21; ZWANIA 2008) haben deutsche Unternehmen mit über 100 Beschäftigten zwischen 2001 und 2006 188.600 Arbeitsplätze ins Ausland verlagert (Grundlage war eine freiwillige Befragung von 20.000 Unternehmen des produzierenden und Dienstleistungsgewerbes, ohne Kredit- und Versicherungsgewerbe). Im gleichen Zeitraum wurden von den verlagernden Unternehmen 105.500 neue Stellen hierzulande geschaffen (entspricht über 55 % der verlagerten Stellen). Entscheidend für das Verhältnis von ausgelagerten zu geschaffenen Stellen ist neben der Unternehmensbranchenzugehörigkeit vor allem die für die jeweiligen Stellen erforderliche Qualifikation (so wurden 125.000 Stellen von Geringqualifizierten verlagert, aber nur 37 % davon wieder im Inland von den betreffenden Unternehmen ersetzt; der Ersetzungsgrad bei Stellen mit höherer Qualifikation lag dagegen bei 94 %, in wissensintensiven Bereichen in Dienstleistungsunternehmen bei 120 %). Amerikaner verlieren ihre Arbeit zwar mit höherer Wahrscheinlichkeit, durch die höhere Flexibilität des amerikanischen Arbeitsmarktes ist die durchschnittliche Arbeitslosigkeitsdauer in den USA aber kürzer als in Kontinentaleuropa (wegen der schlechten sozialen Absicherung ist der Druck auf Arbeitslose in den USA ohnehin groß, schnell wieder in Beschäftigung zu kommen). Die durchschnittliche Arbeitslosigkeitsdauer ist in den USA in den vergangenen Jahren aber krisenbedingt gestiegen (USA 2014: 33,7 Wochen; 2013: 36,5; 2012: 39,4; 2008: 17,9; 2000: 12,6; 1990: 12,0 (Onlinequelle Bureau of Labor Statistics); zum Vergleich: in Deutschland liegt die durchschnittliche abgeschlossene Dauer seit 2009 bei zirka 37 Wochen, vgl. Bundesagentur für Arbeit 2016, S. 46). Vgl. SCHÄFER/ SCHMIDT/ STETTES (2013), S. 36; KRAUSE/ STRUCK (2008), S. 227; DRESSLER/ FRIEDERICH (2005), S. 52ff. Dass Arbeitsplatzsicherheit bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung oberste Priorität hat, zeigt z. B. die unter 32.000 Arbeitnehmern aus 28 Ländern durchgeführte „Global Workforce Study 2012/ 2013“ von Towers Watson (vgl. BALLHAUSEN ET AL.

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„noch immer eine Mobilitätskultur, die mehr auf Sesshaftigkeit denn auf Mobilität ausgerichtet ist“1595. Ein berufsbedingter Wohnortwechsel und lange Arbeitswege werden (gerade von Niedrigqualifizierten mit geringem Einkommen) 1596 als belastend empfunden. Es liegt daher der Verdacht nahe, dass, trotz gewisser Annäherungstendenzen1597, arbeitsplatzbezogene Fragen sowie deren moralische Bewertung in den kulturellen Grundüberzeugungen beider Gesellschaften unterschiedlich verankert sind. Die deutsche Moralkultur ist auf Unsicherheitsvermeidung gerichtet (zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa nur an den umfassenden Kündigungsschutz, die hohe Gewerkschaftsmacht oder die weitreichenden Systeme der sozialen Sicherung)1598. Unsicherheit wird von vielen Deutschen weniger als Chance denn als Gefahr gesehen, welche Stress und Angst auslöst. Dagegen schlägt sich der amerikanische Arbeitnehmer, plakativ gesagt, selbst durch die Prärie und versucht, sein arbeitsplatzbezogenes Schicksal auf eigene Faust zu lösen1599. Unsicherheit wird also eher als Chance begriffen. Wichtig ist nun: Wenn

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2012). Ein Ergebnis war, dass die Arbeitsplatzsicherheit für deutsche Arbeitnehmer über alle Altersklassen hinweg das Hauptmotiv bei der Arbeitgeberwahl (noch vor dem Gehalt) ist (vgl. ebd., S. 8ff.). Sie ist im internationalen Vergleich zudem ein wichtiger Treiber für die Mitarbeiterbindung (vgl. ebd., S. 15). Zu ähnlichen Ergebnissen und Aussagen gelangen FUCHS (2006), S. 12, 14, 20ff.; SIROTA/ GREENWOOD (1971), S. 60; BRADTKE-HELLTHALER (2008), S. 125ff. SCHNEIDER/ LIMMER/ RUCKDESCHEL (2002), S. 20. Vgl. auch ebd., S. 207; HUNSDIEK/ TAMS (2006), S. 58. Vgl. Forschungsinstitut für Ordnungspolitik (2000), S. 5, 9. Höher qualifizierte Berufe gehen häufig mit gesteigerten Mobilitätsanforderungen einher, was vielen Höherqualifizierten bereits bei der Berufswahl bewusst sein dürfte (vgl. HAAS/ HAMANN 2008). Für einkommensschwache Arbeitnehmer kann ein berufsbedingter Wohnortwechsel dagegen eine risikoreiche Investition darstellen (vgl. HAAS 2013, S. 270). Zudem kann Pendeln als Belastung erlebt werden, wenn Verdienst und (monetäre sowie psychische) Kosten in einem extrem ungleichen Verhältnis zueinanderstehen (ebd.). Dennoch werden viele Geringqualifizierte größere Arbeitswege akzeptieren müssen, zumal ihre Beschäftigungsverhältnisse häufig zeitlich befristet oder von unbestimmter Dauer sind. Auch in den USA gibt es (u. a. in Verbindung mit der Occupy-Bewegung) einen Zuwachs an Kundgebungen für mehr Arbeitnehmerrechte (Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung usw.). Zugleich ist in Deutschland eine Zunahme an atypischer Beschäftigung zu verzeichnen. Der Niedriglohnsektor ist hierzulande weiter groß (im Osten erhielten 2014 41,2 % der Beschäftigten einen Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle von 10 Euro, im Westen waren es 13,1 %), wobei zu beachten ist, „dass über die Hälfte der Geringverdiener über ein (Fach)Abitur und/ oder eine Ausbildung verfügt“ (vgl. SCHANK/ SCHNABEL/ STEPHANI 2008, S. 12). Beschäftigte in Niedriglohnsektoren müssen mehrere Jobs annehmen, um ein ausreichendes (Familien-)Einkommen zu erzielen. Überhaupt gab es in den letzten 25 Jahren eine Annäherung zwischen den traditionell eher wenig und den traditionell eher stark regulierten Arbeitsmärkten (vgl. VENN 2009, S. 10). Vgl. BUß (2005), S. 600. Das puritanische Arbeitsethos ist in den USA heute noch stark (vgl. Pew Research Center 2012, S. 15; SCHRAMM 2008a, S. 143ff.), der Unsicherheitsvermeidungsgrad dagegen (im Vergleich zu Deutschland) schwächer ausgeprägt (von 74 Staaten: USA Rang 62, Deutschland Rang 43, vgl. HOFSTEDE 2006, S. 234). Die USA (gefolgt von Australien, Großbritannien) weisen zudem den

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die deutsche Gesellschaft bis zu einem gewissen Punkt ein Mehr an Sicherheit einem Mehr an Bruttosozialprodukt (Beschleunigung, Effizienz usw.) vorzieht 1600, dann wäre es auch aus Managementsicht ein ökonomistischer (empiristischer) Fehlschluss (vgl. Abschnitt 5.1.1), solche kulturellen Einflüsse bzw. Ansprüche gänzlich zu ignorieren, auch wenn sie aus rein ökonomisch-marktmäßiger Sicht kontraproduktiv sind. Gleichzeitig ist es nur begrenzt möglich, allgemeingültige und geschlossene Aussagen für bestimmte Kulturkreise zu treffen. Dagegen sprechen mindestens zwei Argumente: Zum einen ist zu beobachten, dass es speziell in internationalen Unternehmen (mit Auslandsstandorten) sowie im Zuge von Fusionen zur Mischung diverser Kulturen kommt, die eine klare (moral-)kulturelle Ein- und Zuordnung erschwert. Für das Unternehmen und seine Mitarbeiter können daraus kulturelle und arbeitsrechtliche Konflikte resultieren. Gerade deutsche Arbeitnehmer dürften es als Bedrohung empfinden, wenn die Internationalisierungsprozesse der Unternehmen zur Aufweichung der traditionell stärker auf Konstanz und Sicherheit gerichteten Arbeitsbeziehungen führen1601. Zum anderen wird die Debatte um den

1600

1601

höchsten Grad an Individualismus in der Gesellschaft auf (Deutschland Rang 18, vgl. ebd., S. 105). Ein Indiz hierfür ist bereits der Aufsteigermythos „vom Tellerwäscher zum Millionär“. Zu beachten ist, dass auch der Deutsche individualistisch eingestellt ist, jedoch in einer anderen Prägung als der Amerikaner (vgl. BUß 2005, S. 596ff.; Identity Foundation 2009): Individualismus heißt hierzulande, dass Menschen ihre persönlichen Interessen und Bedürfnisse selbst wahrnehmen können müssen. Zudem muss im Idealfall jeder jederzeit die Chance haben, seine Verpflichtungen zu dosieren. „Der deutsche Individualismus ist im Gegensatz zu Amerika wagnisscheu“ (BUß 2005, S. 600). Individualismus und Unabhängigkeit sind zwei Seiten einer Medaille, wobei Unabhängigkeit in Deutschland eng mit Freiheit verknüpft ist. In Amerika zielt Individualismus dagegen stärker auf Selbstbewährung (nicht Selbstkultivierung): Menschen haben Verantwortung für andere, sie haben aber eine Verpflichtung, sich im Leben im Vergleich zu anderen (auch im Verhältnis zum Staat) in irgendeiner Form zu bewähren. Zieht man den geschilderten Kontrast im Selbstverständnis der Individuen in die Betrachtung ein, so wird erahnbar, dass Amerikaner eher geneigt sein dürften, diverse Formen der Arbeitslosen-/ Sozialhilfe (im Hartz IV-Sinne) kategorisch als „Regierungs-Almose“ abzulehnen, da die Ursachen für Misserfolg zunächst in der eigenen Person gesucht werden. Dagegen fühlt sich „[d]er [deutsche] Arbeitnehmer [...] als Person, die durch Recht, Gesetz, Gewerkschaft und Fürsorgezumutung an den Staat vor Risiken geschützt ist“ (ebd., S. 600). Deutsche sind im Falle von Pech und Misserfolg geneigt, im weiteren Sinne „Strukturen“ (z. B. beim Arbeitgeber) verantwortlich zu machen. Zudem wird der Staat eher als (um-)verteilende und fürsorgende Instanz gesehen. Man könnte auch sagen: Wenn die Gesellschaft Fortschritt nicht nur im materiellen (oder ökonomisch-naturwissenschaftlich-technischen) Sinne, sondern auch als gesellschaftlichen und sozialen Fortschritt versteht. Vgl. HILDEBRANDT/ WOTSCHACK/ KIRSCHBAUM (2009), S. 201.

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Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Abbau und die Verlagerung von Stellen auch innerhalb des deutschen Kulturkreises kontrovers geführt. Während in puncto Kinder- oder Zwangsarbeit und deren moralischer Bewertung ein bundeseinheitlicher Konsens besteht, hängt die Beurteilung arbeitsplatzbezogener Maßnahmen wegen des persönlichen Bezugs zur Sache stärker von der eigenen Position und Betroffenheit ab. So haben etwa leitende Angestellte, die sich aufgrund ihrer Ausbildung (Erfahrung, Mobilitätsbereitschaft o. Ä.) gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausrechnen, ein anderes Sicherheitsbedürfnis als Arbeiter und einfache Angestellte, deren Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt erschwert ist1602. Beide Punkte deuten auf das hohe Maß an Situationsabhängigkeit hin, das es erschwert, IF im Rahmen einer Ethik des Arbeitsplatzmanagements adäquat zu berücksichtigen. Die Anwendungsrelevanz der IF dürfte sich daher, so die Spekulation, eher aus länder- und kulturübergreifender Perspektive heraus ergeben. Der sich globalisierende Handlungsrahmen, dem vor allem multinationale Unternehmen gegenüberstehen, führt dazu, dass Legitimität nicht mehr nur auf lokaler Ebene, sondern „für eine globale moralische Kultur zu generieren“1603 ist. Transaktionen in einer globalisierten Gesellschaft legitimieren und erfordern eine zunehmend globale Moral, wodurch die traditionell national geprägten Pflichtzuweisungen (z. B. der Gewerkschaften) an Unternehmen bezüglich der Arbeitsplatzschaffung und -sicherung zunehmend unter Druck geraten dürften1604. Die ethische Bewertung solcher Maßnahmen wird zukünftig stärker davon abhängen, ob es Unternehmen gelingt, menschenwürdige Arbeit auch in Entwicklungs- und Transformationsländern zu schaffen. Viele werden diesen Wandel als weitere Erosion der individuellen Moral werten. Dieser Eindruck dürfte jedoch dadurch überbewertet werden, dass es sich bei der Globalisierung der Kapitalmärkte und Unternehmen (mit Standortverlagerungen ins Ausland usw.) um ein jüngeres Phänomen handelt, mit dem viele Menschen nicht ausreichend vertraut sind. Die Reichweite der Moral fällt daher gerade in Bezug auf arbeitsplatzbezogene Belange noch gering aus. Das könnte sich zukünftig ändern, wenn mehr Arbeitnehmer den sich globalisierenden Arbeitsmarkt zunehmend als normaler erleben. Genauso werden künftige Manager-Generationen immer besser mit den aus der Globalisierung resultierenden moralischen Problemen umgehen lernen. Insofern existiert 1602 1603

1604

Vgl. dazu Unterkapitel 5.3. WIELAND (2005a), S. 37. Vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 3.3.2 zur ethischen Ambivalenz von Standortverlagerungen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch HOMANNs (2008) Argumentation in Abschnitt 3.3.2.

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

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auch in Bezug auf arbeitsplatzbezogene Fragen ein gewisser „Markt der Tugend“, der die internationale Vernetzung und Anerkennung von Arbeitnehmern befördert, zu einer stärkeren Kenntnisnahme der (Armuts- und Arbeitsmarkt-)Probleme anderer Länder und Kulturen und so insgesamt zur größeren durchschnittlichen Universalität der Moral führt1605. Wie angedeutet, basiert eine solche „arbeitsplatzbezogene Vernetzung“ auf Spekulationen. Ein Jobverlust wird für Betroffene immer ein wahrer „Verlust“ bleiben, unabhängig davon, wodurch er verursacht wird (wer davon profitiert usw.). Zudem ist denkbar, dass in Sachen Globalisierung irgendwann eine (menschliche Belastbarkeits-)Grenze erreicht wird, an der die Globalisierung und die daraus resultierenden arbeitsplatzbezogenen (Überrollungs-)Effekte wieder eine Rückbesinnung auf das Vertraute bzw. eine Art Gegenbewegung in Richtung Lokalität und Heimat auslösen1606. In Anlehnung an BUß könnte man auch von einer „regionalen arbeitsplatzbezogenen Identität“ sprechen1607. Das damit zum Ausdruck kommende Bedürfnis nach Orientierung (auch Stabilität, Übersichtlichkeit, Sicherheit, Tradition, lokaler Verwurzelung, Eigenständigkeit, Identitätswahrung usw.) muss freilich nicht bei allen Menschen gleichermaßen auftreten. In Unterabschnitt 7.3.4.1 werden die zentralen Erkenntnisse zu WIELANDs Governanceethik zunächst nochmals kurz zusammengefasst und auf einige (auch im 1605 1606

1607

Vgl. BAURMANN (2000), S. 657. Entsprechend wird auch von „Glokalisierung“ gesprochen, einer durch ROBERTSON geprägten, in diversen Kontexten verwendeten Wortkonstruktion, welche sich aus den Begriffen bzw. Spannungsfeldern „Globalisierung“ und „Lokalisierung“ zusammensetzt (vgl. GIULIANOTTI/ ROBERTSON 2006, S. 172; SWYNGEDOUW 1997, S. 141f.; WAGNER 2001, S. 15ff.; BUß 2009, S. 293; BUß 2002, S. 20f., 31). ROBERTSON sieht das Lokale als Aspekt des Globalen an und hebt den Aspekt der gegenseitigen Durchdrungenheit von Globalität und Lokalität hervor (vgl. ROBERTSON 1998, S. 200ff.). Unter dem Blickwinkel der Glokalisierung bewegen sich arbeitsplatzbezogene Transaktionen im Spannungsfeld zwischen globaler Ausrichtung (Stellenschaffung in Ländern mit Entwicklungsbedarf bei gleichzeitiger Nutzung der Lohnkostenvorteile vor Ort) und lokaler Verwurzelung (Standort- und Arbeitsplatzsicherheit, Ortsgebundenheit usw.). Da Unternehmen nie losgelöst von der lokalen Kultur agieren, kommen sie, ähnlich wie bei der Ausrichtung ihrer Produkt- und Marketingpolitik, auch im Arbeitsplatzkontext nicht darum herum, globale arbeitsplatzbezogene Transaktionen an lokale Rahmenbedingungen („frames“) und Sichtweisen („Brillen“) anzupassen. Für BUß (2002, S. 27) stellt regionale Identität einen Ordnungswert dar, der „als eigener Mikrokosmos gedeutet werden [kann]. Er schafft Grenzen nach außen, differenziert, klassifiziert, grenzt ab, definiert Präferenzen bei der Wahl zwischen Handlungsalternativen und ordnet die Komplexität von Informationen. Die regionale Identität fungiert als eine Art kultureller Erkennungscode. Sie stiftet Sinn“.

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Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Hinblick auf das im achten Kapitel entwickelte metaphysische Theoriegerüst und die dort erfolgende managementethische Analyse) zentrale Aspekte verdichtet.

7.3.4 Zusammenfassung 7.3.4.1 Reproduktion der vier Governance-Faktoren in der wirklichen Transaktion Wie aus den bisherigen Ausführungen bereits deutlich wurde, sind die ontologischen Einheiten, welche im Hier und Jetzt wirklich existieren („what exists“1608 bzw. „dem, was es gibt“1609) bzw. geschehen, einzelne Transaktionen1610. Dieser Aspekt ist zugleich metaphysisch relevant. Als logische Folge hieraus resultiert, dass alle informalen und formalen Regeln (bei WIELAND: IF, FI) nur dadurch reproduziert und zu Wirklichkeit werden, wenn die mit der jeweiligen Regel intendierten Transaktionen auch realiter stattfinden 1611. Wenn Unternehmen im Zuge betriebsbedingter Kündigungen die bereits erlassenen Regeln der Sozialauswahl ignorieren (reale Transaktion: Entlassung unter Ignoranz von Alter, Familienstand usw.) oder es vorziehen, eine Ausgleichsabgabe zu zahlen, statt Schwerbehinderte einzustellen (reale Transaktion: Zahlungsvorgang), dann bleibt der Faktor „FI“

1608 1609 1610

1611

SEARLE (1998), S. 5. SEARLE (2001), S. 13. Vgl. auch im Folgenden SCHRAMM (2012), S. 27f.; SCHRAMM (2014a), S. 3; SCHRAMM (2016b), S. 7; SCHRAMM (2016d), S. 152; SCHRAMM (2015a), S. 183; SCHRAMM (2008e), S. 46f. Sämtliche Argumente der Governancefunktion „(IS, FI, IF, OKK) bleiben [...] so lange abstrakt, bis sie sich in konkreten Transaktionen reproduzieren, „inkarnieren“, konkretisieren“ (SCHRAMM 2014a, S. 3; vgl. auch WIELAND 2016, S. 301; SCHRAMM 2016b, S. 5, 49, 56; SCHRAMM 2016d, S. 152; SCHRAMM 2016e, S. 345). Alle vier Governancemechanismen produzieren durch ihr Zusammenwirken also nicht nur T(m), sondern reproduzieren sich auch selbst über T(m) (vgl. SCHRAMM 2007b, S. 17). Ontologisch kommt es auf diese Reproduktionsfunktion an: Wenn sich ein Unternehmen im Verhaltenskodex (OKK) zum Prinzip der Chancengleichheit bei allen personalpolitischen Methoden verpflichtet (oder sich auferlegt, Personalanpassungen sozialverträglich zu gestalten), sich real aber (z. B. beim Einstellungs- bzw. Entlassungsprozess) nicht daran hält (z. B. weil es doch nur Männer einstellt oder ausscheidende Mitarbeiter nicht integer entlässt), dann existiert diese OKK (zumindest in Bezug auf beide genannten Bereiche) auch nicht, da sie in den lokalen, operativen Transaktionen nicht reproduziert wird. Verhaltensstandards sind generell irrelevant, wenn von ihnen keine verhaltenssteuernde Wirkung ausgeht (vgl. auch HEMEL 2008, S. 35ff.). Ziel sollte es sein, einen für alle Beteiligten nachvollziehbaren, konsistenten und berechenbaren Zusammenhang zwischen formalen Verhaltenspräferenzen und tatsächlichem Verhalten sicherzustellen, und zwar sowohl während als auch bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Die Handlungsaufforderung lautet: „Werte müssen erlebbar gemacht werden“ (SUCHANEK 2010a, S. 202).

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

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abstrakt, da sich die eigentliche Identität bzw. Realität der Regel nicht in den Transaktionen widerspiegelt1612. Dasselbe gilt etwa, wenn Unternehmen auf der Homepage (in Imagebroschüren usw.) den Bedeutungsgehalt von CSR-Maßnahmen hervorheben. Sämtliche auf der Homepage oder sonst wie publizierten Inhalte werden erst dann relevant bzw. existieren faktisch erst dann, wenn sie in den Transaktionen wirklich werden, wenn also CSR bzw. die moralische Dimension neben anderen Dimensionen im operativen Management eine Rolle spielt. Zwar wird die Unternehmensidentität im Code of Conduct oder ähnlichen Unternehmensrichtlinien festgelegt, hierbei handelt es sich aber zunächst nur um ein virtuelles Ziel. Die individuelle Selbstbindung und tatsächliche Identität des Unternehmens zeigen sich bzw. entstehen erst aus den konkreten Prozessen und (Arbeitsplatz-)Transaktionen. In Anlehnung an WIELANDs Governancefunktion ist daher festzustellen, dass sich die aus arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen resultierenden moralischen Probleme nicht ohne Organisationsstrukturen (OKK), ohne formale Institutionen (FI), ohne Beachtung des moralkulturellen Hintergrunds (IF), aber auch nicht ohne Tugend, also die individuelle Selbstbindung der Akteure (IS) vermeiden oder lösen lassen1613. Alle vier Faktoren sind „mögliche „Orte“ von Tugend(en) oder Untugend(en)“1614, die das Verhalten als Tugendäquivalente in eine moralisch (un-)erwünschte Richtung lenken können. Der Großteil der Akteure bewegt sich zwischen den Extremen. Dabei sollte es in der Realität nach WIELAND keinen Vorrang einer Entscheidungslogik vor der anderen geben (d. h. kein Primat der Moral (z. B. ULRICH: Moral → gesellschaftliche Politik → Ökonomie) oder des Ökonomischen (z. B. BUCHANAN)1615). Nur wenn Moral und Economic Point of View faktisch 1612

1613

1614 1615

Vgl. dazu das Beispiel „Stopp bei Rot! [= soziale Ontologie]“ bei SCHRAMM (2016b, S. 4, 37f., 44, 49; 2016c, S. 151ff.; 2016d, S. 153, 156; 2016e, S. 339, 354; 2015a, S. 183f.). Erst wenn es für wirkliche Menschen zur Gewohnheit wird, bei Rot anzuhalten, ist das Gesetz (hier: StVO) wirklich und konkret geworden. Zuvor handelt es sich bei der StVO nur um eine abstrakte Möglichkeit. Insofern wäre es ein Trugschluss („Fallacy of Misplaced Concreteness“, vgl. Unterabschnitt 8.1.3.1), das Abstrakte mit dem Konkreten (hier: Wirklichkeit im Straßenverkehr) gleichzusetzen (vgl. SCHRAMM 2014a, S. 3; 2016b, S. 1ff., 16f., 26, 37f., 55). Vgl. SCHRAMM (2005a), S. 14. Die weiteren Faktoren (FI, IF, OKK) dürfen also nicht negativ („1“) sein und damit gegen die erwünschten Effekte eines moralischen Verhaltens wirken. Sie sollten zumindest eine neutrale („0“) oder unterstützende Funktion („+1“) haben (vgl. ebd.). Die Governancestrukturen „bilden zwar füreinander funktionale Äquivalente, aber keine vollständige Substitutionsmöglichkeit“ (WIELAND 2005a, S. 39; ähnlich WIELAND 2016, S. 300). SCHRAMM (2005a), S. 12. Vgl. dazu Abschnitt 7.1.4.

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Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

„gleich-gültig“ sind, kann ein im Vergleich zur „schwachen“ Tugendethik durch Effektivität und Effizienz geprägtes Tugendethikkonzept resultieren1616. Zu beachten bleibt jedoch, dass individuelle Initiative (IS) weder durch Gesetze (FI) erzwungen noch durch Organisationsstrukturen (OKK) ersetzt werden kann1617. Insofern ist festzuhalten: Auch wenn die Governanceethik kein Patentrezept zur Lösung ethischer Konflikte liefert, so trägt ihr differenzierter Ansatz dazu bei, die individuellen Tugenden der Entscheidungsträger in Richtung einer integren Lösung arbeitsplatzbezogener Maßnahmen zu lenken. Die Ausführungen des siebten Kapitels haben gezeigt, dass sich die aus metaphysischer Sicht bedeutende Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter Ebene sowohl in den Ansätzen von HOMANN und PIES als auch im Ansatz von WIELAND wiederfindet1618. HOMANN unterscheidet zwischen virtuellen Spielregeln (Ebene des Abstrakten) und wirklichen Spielzügen (Ebene des Konkreten), wobei für HOMANN die Spielregeln entscheidend sind, durch welche die Spielzüge determiniert werden. Solche Spielregeln sind für die Spieler in der Wirklichkeit zwar handlungsleitend, dennoch sind sie nur eine Dimension, die in der heterogenen Wirklichkeit lokal eine Rolle spielt1619. Das liegt daran, dass Menschen verschiedene Interessen haben, die zusammenkommen und -wirken (so haben Menschen nicht nur ein Interesse an einer Spielregelbefolgung, sondern auch finanzielle und moralische Interessen, sie wollen im Leben weiter vorankommen usw.). Zudem werden sämtliche Spielregeln, wie dargelegt, nur dann wirklich, wenn sich Menschen in ihren Spielzügen daran halten. Eine ähnliche Differenzierung trifft WIELAND: Konkret ist bei WIELAND die einzelne Transaktion, wohingegen alle vier Einflussfaktoren der Governancefunktion so lange abstrakt bleiben, bis sie in 1616 1617

1618 1619

Vgl. WIELAND (2006), S. 4; WIELAND (2016), S. 305f. „Weil [...] nicht alles durch Gesetze geregelt werden kann, sollte man [...] die moralisch qualifizierten Verhaltensmöglichkeiten individueller und kollektiver Akteure innerhalb der bestehenden Regeln im Auge behalten (= individualethische und/ oder unternehmensethische Strategie)“ (SCHRAMM 2006b, S. 16). Für das Zustandekommen moralischer Transaktionen muss sich eine Führungskraft also, salopp formuliert, „aufraffen“ und persönlich klarstellen: „Ich habe ein Interesse am integren Umgang mit den ausscheidenden Kollegen. Hierfür bin ich bereit, Mehrkosten in Kauf zu nehmen. Und womöglich schaffen wir es ökonomisch sogar, dass sich unser Engagement rechnet oder zu Null herauskommt“. Nur so können moralisch integre Transaktionen zustande kommen. Vgl. SCHRAMM (2016b), S. 4f.; SCHRAMM (2015a), S. 180; SCHRAMM (2016d), S. 156. „Hat man […] nur die abstrakte Spielregel im Blick, so hat man vom Rest der vielen konkreten Dinge, die faktisch auch eine Rolle spielen in der Welt, wie sie wirklich funktioniert, eben „abstrahiert““ (SCHRAMM 2014b, S. 14).

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

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der einzelnen Transaktion wirklich eine Rolle spielen. Im Unterschied zu HOMANNs Makro- steht in WIELANDs Mikroansatz aber die konkrete Transaktion im Fokus, nicht das „Reservoir“, aus dem sich Transaktionen zusammensetzen. Auf Basis der Ausführungen zum Stakeholder-Ansatz in Unterkapitel 5.2 sowie der im bisherigen Verlauf des siebten Kapitels gewonnenen Erkenntnisse zur mikroorientierten Managementethik und Governanceethik werden in Unterabschnitt 7.3.4.2 Überlegungen zu möglichen Abwandlungen des traditionellen (akteursorientierten) Stakeholder-Ansatzes bzw. Stakeholder-Managements hin zu einer verstärkt transaktionsorientierten Perspektive angestellt.

7.3.4.2 Die Transaktion im Mittelpunkt: Stakeholder-Ansatz nach SCHRAMM und WIELAND als Ergänzung zu FREEMAN Auf Basis der Darlegungen zur Mikro-Managementethik wird der StakeholderAnsatz in diesem Unterabschnitt aus einer ontologisch abgewandelten Perspektive betrachtet, welche nicht als Gegensatz oder Korrektur, sondern als Ergänzung zu FREEMANs Ansatz zu sehen ist1620. SCHRAMM hebt hierzu in Anlehnung an WIELANDs Governanceethik hervor, dass der klassische Stakeholder-Ansatz primär akteursorientiert ist1621, wobei im Mittelpunkt das Unternehmen bzw. Management als Entscheidungsträger steht1622. Diese Konstellation erweckt den Eindruck, als wäre der eigentliche, einzig relevante Entscheidungsträger das Management, während den um das Unternehmen herum angesiedelten Stakeholdern („Köchen“), die diverse Ansprüche haben und über wichtige Unternehmensentscheidungen mitbestimmen wollen, nur eine beeinflussend-korrigierende Funktion zukommt. Eine solche Vorstellung ist zwar nicht grundsätzlich falsch, greift aber hinsichtlich vieler (auch arbeitsplatzbezogener) Entscheidungen zu kurz. Um ein realistischeres Bild zu erhalten, sind zwei weitere, miteinander zusammenhängende Perspektiven im Auge zu behalten, auf die nun genauer eingegangen wird.

1620 1621

1622

Vgl. dazu Abschnitt 5.2.2, der sich mit FREEMANs Stakeholder-Ansatz befasst. Vgl. SCHRAMM (2008e), S. 45f.; SCHRAMM (2008a), S. 80. „Schaut man sich [...] die einschlägigen Schaubilder zum Stakeholder-Management an, dann sieht man gewissermaßen nur die „Köchinnen“ der Stakeholderdialoge, aber weder die „Zutaten“ noch das „Gericht“ (= Ergebnis)“ (SCHRAMM 2008e, S. 46). Vgl. das sog. “hub and spoke”-model in JONES/ WICKS/ FREEMAN (2002), S. 20.

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Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Eine im Stakeholder-Management zu beachtende Annahme ist, dass das, was wirklich in Unternehmen geschieht, einzelne Transaktionen sind1623: Wenn in Unternehmen nach Arbeitsniederlegungen Betriebsräte (Tarifverträge o. Ä.) zugelassen bzw. eingeführt werden, so stellt diese Einführung die tatsächliche moralökonomische Transaktion dar, auf welche es ankommt. Nicht unbedingt vordergründig ist dagegen, welche Stakeholder die betreffende Transaktion „produziert“ haben (ob also das Management im Zentrum gestanden hat oder ob nicht doch eine Gewerkschaft treibende Kraft der Transaktion war). Letzteres ist häufig auch gar nicht ohne Weiteres feststellbar, da die einzelnen (in-)direkten Handlungen (Einflüsse, Motive) der an einer Transaktion Beteiligten im Nachhinein nur noch schwer trenn- und zuordenbar sind. Entscheidend ist, dass eine gewisse Transaktion vollzogen wurde, durch die „Moral realiter zur Geltung kommt oder nicht“1624. Diese Fokussierung auf Transaktionen wird in Abb. 36 dadurch deutlich, dass in der Mitte eine Transaktion steht, aus der sich die ökonomische Welt aufbaut und die von mehreren Akteuren in vielfältigen Strukturen „produziert“ wird1625. Um die Transaktion herum sind nicht mehr nur Akteure, sondern jene analytisch aufgedröselten Größen (Phänomene, Argumente, Einflussfaktoren) abgebildet, welche im Sinne einer Ursache-Wirkungs-Beziehung Einfluss auf die Transaktionsgestalt nehmen1626.

1623

1624 1625

1626

Vgl. SCHRAMM (2008e), S. 45, 59. Solche Transaktionen müssen zwar von Menschen bzw. Akteuren durchgeführt werden (vgl. dazu Abschnitt 7.3.3), der springende Punkt ist aber, dass das, was diese Akteure tatsächlich tun, die Transaktionen sind. SCHRAMM (2008e), S. 45f. Kritisch anzumerken ist, dass Abb. 36 vom Aufbau her an PETER ULRICHs kritisch-normativen Stakeholder-Ansatz erinnert (vgl. Abschnitt 5.2.2), bei dem alle Stakeholder (samt Management) um die jeweils zu treffende Unternehmensentscheidung (nicht Transaktion) herum angesiedelt sind. Ein (auch normativ) rein basisdemokratischer, dialogorientierter Prozess, in dem alle Akteure bei jedem Thema hundertprozentig gleichberechtigt mit dem Management mitentscheiden können, wird hier nicht unterstellt. Transaktionen sollten zwar für viele Akteure akzeptabel sein, die letztliche Entscheidungshoheit aber beim Management liegen. Um das zu unterstreichen, ist die ökonomisch-betriebswirtschaftliche Dimension, die sich am ehesten in den OKK widerspiegelt, in Abb. 36 fett hervorgehoben. Dasselbe gilt für die juristische Dimension (FI), welche als Basis eines jeden Stakeholder-Managements sowie einer jeden Managementethik anzusehen ist. Vgl. SCHRAMM (2008e), S. 59; SCHRAMM (2008a), S. 90. „Welcher Hebel im Blick auf die Generierung moralökonomisch integrer Transaktionen jeweils zweckmäßig ist, hängt von der lokalen Situation ab“ (SCHRAMM 2008e, S. 62).

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

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moralische Dimension

kulturelle Dimension

IS

IF

T(m) „Gericht“

„Köche“

„Zutaten“

OKK

FI

ökonomischbetriebswirtschaftliche Dimension

juristische Dimension

Abb. 36: Transaktionsbezogener Stakeholder-Ansatz in Anlehnung an die Governanceethik1627

Nun sind Fälle denkbar, in denen einzelne Stakeholder-Gruppen für das Zustandekommen einer distinkten Transaktion eine im Vergleich zum Management sehr viel einflussreichere Rolle spielen oder gespielt haben (etwa indem sie das Management durch ihr hohes Droh- und Schädigungspotenzial o. Ä. ihre Verhandlungsmacht massiv unter Druck gesetzt haben). Der Gedanke einer verstärkt Akteurs- bzw. Stakeholder-dialogorientierten Perspektive kommt in Abb. 37 durch die Fokussierung auf die jeweils als relevant erachteten „Pressure Groups“ zum Ausdruck, wobei sich Abb. 36 und 37 nicht widersprechen, sondern nur im Blickwinkel unterscheiden. Zugleich gibt es Stakeholder, deren Anliegen nicht oder kaum Rechnung getragen werden kann. Ihnen kann in einer Art „Als ob“-Dialog im Sinne von BUß (2009) begegnet werden1628.

1627 1628

Quelle: SCHRAMM (2008e), S. 46; SCHRAMM (2008a), S. 81 - abgeändert. Der hier beschriebene „Als ob“-Dialog bzw. Prozess hängt nicht mit dem „as-if“- bzw. „als ob“Verhalten zusammen, das in Abschnitt 7.1.4 im Kontext mit dem rotten-kid-Theorem von GARY BECKER vorgestellt wurde.

„Köche“, die neben dem Management je nach Fall - auch „Chefköche“ einer Transaktion sein können

430

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Lieferanten

Kunden

EK+FKGeber NGO 2

T(m) „Gericht“

Mitarbeiter Werk 1

Öffentlichkeit

AlsobAlsobNGO 1 Greenpeace

Ansprüche jener Stakeholder, die wahrgenommen, aber nicht berücksichtigt werden können Mitarbeiter Werk 2

Abb. 37: Transaktionsbezogener Stakeholder-Ansatz aus der Akteurs-Perspektive1629

Ein derartiger Dialog beruht auf dem Gedanken, dass an Unternehmen viele heterogene, teils widersprüchliche Ansprüche gestellt werden (Mitarbeiter fordern sichere Stellen und eine gute Bezahlung, Aktionäre hohe Dividenden, NGO A mehr Umweltschutz usw.), sie aber nicht in der Lage (und auch nicht dazu bestimmt sind), alle Ansprüche und Interessen abzudecken. Viele Anliegen sind naheliegend, nicht alle sind jedoch legitim. Zu einer alltagstauglichen Managementethik gehört es daher, als Unternehmen ein Gespür dafür zu entwickeln, bei welchen Transaktionen welche Kompromisse gemacht werden müssen und welche nicht. Da es auf der Anwendungsebene um die Verbindung von Werten und Wirklichkeit geht1630, bedarf es der Festlegung, welche Ansprüche in gewissen Transaktionen vollständig („Chefköche“), in etwa („Köche“) oder gar nicht bedient werden sollen. Am letztgenannten Punkt, dem „gar nicht“, setzt der „Als ob“-Prozess an. Dieser basiert auf der Idee, dass Unternehmen den Stakeholdern in einer Art Dialog signalisieren müssen, dass sie (natürlich nur, wenn es tatsächlich zutrifft) ihre Anliegen wahrgenommen, bedacht, akzeptiert und auch verstanden haben, dass sich ihre Anliegen von den Anliegen anderer Stakeholder unterscheiden, dass sie ihnen aber zugleich vermitteln müssen, dass sie ihre Ansprüche nur wenig oder gar nicht berücksichtigen können, da sie ihre Ansprüche mit den kollidierenden 1629

1630

Quelle: Eigene Darstellung. Nicht aufgezeigt werden Interdependenzen zwischen den einzelnen Stakeholdern. Vgl. zur ethischen Anwendungsebene sowie zum Umgang mit widerstreitenden Moralidealen Abschnitt 4.1.2.

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

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Ansprüchen anderer Stakeholder ausbalancieren müssen1631. Das Unternehmen muss das Bild vermitteln, dass es sich darüber im Klaren ist, eigentlich handeln zu müssen (bzw. so handeln zu müssen, als ob sein Gegenüber zufrieden ist), es muss aber auch zu erkennen geben, dass es wegen seiner eigenen Situation keine Forderung als absolut setzen kann. Es tut daher nur so, als ob es die Ansprüche erfüllen würde (faktisch tut es das nicht), was seinem Gegenüber in vielen Fällen auch bewusst sein dürfte1632. Die Logik des „Als ob“-Prozesses kann aus Unternehmenssicht damit wie folgt zusammengefasst werden: „Wir (Unternehmen) signalisieren Dir (Stakeholder), dass Du innerhalb unseres Horizonts bist. Wir haben verstanden, dass Du Ansprüche an uns adressierst. Wir können aber nicht (oder zumindest nicht im gewünschten Umfang) „liefern“. Daher haben wir eine „Als ob“-Strategie gewählt und signalisieren Dir, inwieweit wir bereit sind, Deine Ansprüche zu erfüllen und uns mit Dir auseinanderzusetzen. Darüber hinaus geht es aber nicht“. Bei Betrachtung von Abb. 37 fällt auf, dass sie vom Aufbau her an WIELANDs governanceökonomischen (ressourcenorientierten) Stakeholder-Ansatz erinnert, dessen Spezifität ebenso darin liegt, dass im Mittelpunkt (mikroorientiert) eine einzelne Transaktion steht, während um die Transaktion herum ausgewählte Stakeholder („Ressourcenbesitzer“1633) angesiedelt sind, die als „Köche“ Einfluss darauf nehmen, wie Transaktionen aussehen, was also im Hier und Jetzt entschieden wird1634. Im Unterschied zu Abb. 37 geht WIELAND aber davon aus, dass jeder

1631 1632

1633

1634

Vgl. BUß (2009), S. 164. GOFFMAN, auf den sich BUß bei seinen Ausführungen zum „Als ob“-Prozess bezieht (vgl. BUß 2009, S. 164), bezeichnet die oben dargestellte „Als ob“-Erfüllung von Erwartungen als „ScheinNormalität“ (vgl. GOFFMAN 1980, S. 152). Vgl. dazu auch KRAPPMANN (2005), S. 72ff. Der Effekt einer solchen „Als ob“-Strategie kann sein, dass sich eine Stakeholder-Gruppe durch die „Als ob“Erklärung des Unternehmens „abgespeist“ fühlt (nach dem Motto: „Es reicht uns nicht, dass das Unternehmen nur so tut, als ob es uns akzeptiert“). Das ändert aber nichts an dem Erfordernis, dass Unternehmen klar kommunizieren müssen, wie weit sie fallweise zu gehen bereit sind. Zudem dürfen sie es im Ernstfall nicht scheuen, in einen Konflikt mit den Stakeholdern einzutreten. „Ein Stakeholder ist ein Ressourcenbesitzer in einem durch explizite und implizite Verträge konstituierten, kooperativen Team, dessen Zweck die Erwirtschaftung einer Kooperationsrente durch die Realisierung einer distinkten Transaktion mittels einer angemessenen und dauerhaften Governanceform ist“ (WIELAND 2008a, S. 25). Vgl. WIELAND (2008a), S. 17; WIELAND/ HECK (2013), S. 37. Oder mit SCHRAMM gesprochen: „[…] welches Gericht es gibt und wie und wem es schmeckt“ (wer also von T(m) profitiert und wer die Lasten zu tragen hat).

432

Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

Stakeholder seine spezifischen (nicht-)finanziellen und (nicht-)materiellen „Ressourcen [...] in ein auf infinite Stabilität angelegtes Kooperationsteam“ 1635 investiert. Unter einem Kooperationsteam versteht er die für eine Transaktion relevante, mit dem Unternehmenszweck verbundene Stakeholder-Gruppe (die „Transaktions-Produzierer“). Diese kooperiert nicht nur mit dem Kooperationsteam, vielmehr ist das Kooperationsteam als strukturierter Ort zu sehen, an dem alle beteiligten Stakeholder untereinander (mit anderen Teammitgliedern) kooperieren1636. Eine Besonderheit in WIELANDs Stakeholder-Ansatz liegt darin, dass er nur jene Stakeholder im Kooperationsteam zulässt, die Ressourcen einbringen, um Transaktionen zu produzieren1637: „Teammitglied [...] wird in der ökonomischen Vorteilslogik nur derjenige [...], der organisationsspezifische und transaktionsbezogene Assets einzubringen hat“1638. Stakeholder können nur Akteure sein, die etwas zur Transaktion beitragen (mit SCHRAMM gesprochen: die „kochen“) können und „Interesse am [wirtschaftlichen] Erfolg eines Unternehmens [bzw. eines aus ökonomischen und gesellschaftlichen Akteuren bestehenden Netzwerks] haben, weil damit zugleich ihre eigenen Interessen realisiert werden“ 1639. Die ins Kooperationsteam einbringbaren Ressourcen können vielfältiger Art sein, wobei WIELAND materielle (z. B. Kapital), immaterielle (z. B. Wissen, soziale Kompetenz), wirtschaftliche (z. B. Kapital, Rohstoffe) und moralische Ressourcen (z. B. Charakter, Tugend, gesellschaftliche Legitimation) unterscheidet 1640. Der Punkt ist nun, dass im ressourcenorientierten Ansatz „ein radikaler Perspektivenwechsel gegenüber der relativ weit verbreiteten Auffassung [liegt], dass die Identifizierung und Priorisierung von Stakeholder-Interessen […] deshalb nötig sei, weil die Entscheidungen von Unternehmen Auswirkungen auf „Anspruchsgruppen“ hätten“ 1641. Wenn

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WIELAND (2008a), S. 16. Vgl. auch WIELAND/ HECK (2013), S. 41; WIELAND (2016), S. 306. Vgl. WIELAND (2008a), S. 16. So kooperiert z. B. der Stakeholder Gemeinde bei der Produktion bestimmter Transaktionen mit dem Stakeholder Mitarbeiter im Kooperationsteam. Zugleich sind beide Stakeholder nicht nur ein Teil dieses Teams, sondern (unabhängig voneinander) auch noch an anderen Kooperationsteams beteiligt. Dazu sind sämtliche potenzielle Stakeholder, die noch nicht Mitglieder im Kooperationsteam sind, aber über transaktionsrelevante Ressourcen verfügen (und einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten können und wollen), zu identifizieren und priorisieren (vgl. WIELAND 2008a, S. 25; WIELAND/ HECK 2013, S. 38, 40f., 46f.). WIELAND (2008a), S. 24. Vgl. auch WIELAND/ HECK (2013), S. 37. WIELAND (2008a), S. 20. Vgl. auch WIELAND/ HECK (2013), S. 35, 41. Vgl. WIELAND (2008a), S. 26; WIELAND/ HECK (2013), S. 10, 35f., 47. WIELAND (2008a), S. 18. Ähnlich ebd., S. 28f.

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sich, um ein Beispiel zu nennen, die Öffentlichkeit und Gewerkschaften daran stören, dass ein Unternehmen trotz Gewinn Stellen abbaut, dann macht sie das allein noch nicht zu Stakeholdern, welche im Kooperationsteam ein Anrecht darauf haben, über Unternehmenstransaktionen mitzubestimmen. Stattdessen stellt WIELAND eine entgegengesetzte Kausalität her: Der Stakeholder-Status hängt sich nicht an den aus den negativen externen Effekten unternehmerischen Handelns resultierenden Ansprüchen der Akteure auf. Wer sich oder andere durch ein Unternehmen geschädigt sieht, ist deshalb noch kein Stakeholder, dem das Unternehmen gegenüber moralisch verpflichtet wäre 1642. Das Augenmerk seiner Theorie liegt darauf, dass Stakeholder, um als solche anerkannt zu werden, durch ihren Ressourcen-Einsatz in das Kooperationsteam einen Beitrag zur ökonomischen Wertschöpfung (Kooperationsrente) leisten (müssen) 1643. So werden von vornherein all jene Akteure, die nichts zur „Produktion“ von Transaktionen (und damit zum Unternehmenserfolg) beisteuern wollen oder können, vom Kreis der Stakeholder ausgeschlossen. Gerade diese Sichtweise ist jedoch strittig. Um das zu zeigen, ist nochmals auf die moralische Dimension bei WIELAND zurückzukommen1644, welche für ihn einen zentralen Bestandteil jeder Transaktion bildet: Um im operativen Management (PIES: Basisspiel) gute Manager sein zu können, müssen sie polylingual sein, also die Produktions-„Ressource“ (das Können) haben, mehrere „Sprachspiele“1645 zu beherrschen (wohingegen auf Märkten nur monodimensional ökonomisch kommuniziert wird)1646. Neben dem ökonomischen und juristischen sollten sie das moralische Sprachspiel beherrschen, um so auch nichtökonomisch denkende Akteure zu verstehen, die geneigt sind, moralisch oder moralisierend zu „reden“ (und, wie in Unterabschnitt 8.1.3.1 gezeigt wird, einem „Fallacy of Disregarded Abstractness“ zu verfallen). Gute Manager zeichnen sich für WIELAND dadurch 1642

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1646

Die deutsche Übersetzung des „Stakeholder“-Begriffs mit „Anspruchsgruppe“ ist daher im Kontext der Governanceökonomik irreführend (vgl. WIELAND 2008a, S. 28). Treffender wäre z. B. der Ausdruck „Ressourcengruppe“. Vgl. WIELAND (2008a), S. 20, 26; WIELAND/ HECK (2013), S. 9, 38, 48. Vgl. zum Faktor IS in der Governancefunktion auch die Ausführungen in den Abschnitten 7.3.2 und 7.3.3. Der Begriff „Sprachspiel“ geht auf den Philosophen LUDWIG WITTGENSTEIN (1989) zurück, der den Ausdruck in seinen „Philosophische[n] Untersuchungen“ häufiger verwendet hat. Vgl. auch von SAVIGNY (1998). Vgl. WIELAND (2014), S. 11; WIELAND (1996), S. 10, 75, 81f., 166; WIELAND (1999), S. 57f.; WIELAND (2007), S. 36; WIELAND (2005a), S. 21, 23; WIELAND (1994), S. 217f.; WIELAND (2005b), S. 256, 262; WIELAND/ HECK (2013), S. 52; PALAZZO (2011), S. 192, 196ff.

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aus, dass sie die moralischen Erwartungen, die in der Gesellschaft kursieren und im Alltagsgeschäft (im Umgang mit Mitarbeitern, Kunden usw.) relevant sind, epistemisch erkennen und als objektiven Teil des Managementproblems, der Führungskompetenz und -exzellenz, auffassen1647. Im Gegensatz zu PIES ET AL., deren Basisspiel nur auf der ökonomischen Logik beruht 1648, bildet die Moral bei WIELAND einen genuinen Part einer jeder Transaktion1649. Wenn gesellschaftliche Anliegen wegen einer mangelnden moralischen „Lingualität“ nicht richtig erkannt und beachtet werden, sind sie ein Risikofaktor (für den wirtschaftlichen Erfolg des jeweiligen Unternehmens und die Akzeptanz des kapitalistischen Systems insgesamt)1650. Unternehmen sollten deshalb bemüht sein, Mittel und Wege zu finden, um Win-win-Situationen zu erzielen. Im Hinblick auf die metaphysische Frage der „ontologischen Objektivität“ von Moral („How the world works in general“) ist bei WIELAND nun Folgendes zu beachten: Ontologisch ist die moralische Dimension für WIELAND, ähnlich wie für die meisten modernen Ethiker1651, subjektiv, also eine von Menschen erschaffene 1647 1648

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„[P]olylinguality is the essence of leadership excellence“ (WIELAND 2014, S. 11). Da Manager die moralische Dimension bei der einzelnen Transaktion im Basisspiel nicht direkt beachten müssen, ist das Basisspiel vom Grundsatz her „epistemisch subjektiv“, wohingegen die Metaebene, auf der die moralische Dimension angesiedelt ist (vgl. Abschnitt 7.1), „epistemisch objektiv“ ist. Manager müssen aber moralische Kompetenzen haben, um von Ebene 1 (Basisspiel) auf Ebene 2 (Metaspiel) und 3 (Meta-Meta-Spiel) „umschalten“ zu können. Sie müssen also bereits im Basisspiel (nicht erst auf der Metaebene) Dilemmata zwischen Moral und Gewinn erkennen, sodass im Basisspiel so etwas wie ein „epistemisch objektiver“ „Schleier“ besteht: Moral ist zwar - anders als bei SCHRAMM und WIELAND - kein direkter Teil des Managementproblems, trotzdem muss das Management wissen, dass es bei Vorliegen eines solchen Problems auf die strategische Regelebene (Metaspiel) wechseln muss. Insofern könnte man auch von einem „epistemisch objektiven“ „Fenster“ sprechen, das auf der Ebene des Basisspiels bereits einen Ausblick auf die Lösung der Konfliktprobleme auf Ebene 2 und 3 bietet. Moral ist für WIELAND „epistemisch objektiv“ existent: Manager müssen in der Lage sein, moralisch zu kommunizieren und sich mit den existierenden Moralvorstellungen auseinanderzusetzen. Tun sie das nicht, weil sie subjektiv zu „blind“ sind, um moralische Ansprüche zu erkennen und darauf zu reagieren, so sind sie keine guten Manager, wobei „gut“ im moralischen und ökonomischen Sinne zu verstehen ist: Polylingualität „ist unter dem Gesichtspunkt von Anpassungseffizienz ein Vorteil und eine ökonomisierbare Ressource“ (WIELAND 1996, S. 10). Vgl. WIELAND (2014), S. 11. Vgl. SCHRAMM (2014c), S. 388f., 395. SCHRAMM (2015a, S. 173) weist darauf hin, „dass die meisten Naturwissenschaftler, Ökonomen und Ethiker (Philosophen) der Auffassung sind, dass die Ethik [also ein „moralischer Realismus“, die Einstufung der moralischen Dimension als „ontologisch objektiv“] oder die (ethischen) „Werte“ nichts als Erfindungen des Menschen sind“. So schreibt RAWLS (1980, S. 519): “Apart from the procedure of constructing the principles of justice, there are no moral facts“. Die ontologische These lautet also: Es gibt im Universum keine Moral (moralische Ordnung, moralischen Tatsachen) oder objektiven Werte, vielmehr handelt es sich nur

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Kreation1652. Moral ist nicht etwas, das objektiv in der Welt existiert, sondern aus den Meinungen und Ansprüchen der Subjekte der Gesellschaft resultiert. Das wiederum bedeutet, dass sich Manager mit jenen Fragen, die von der Gesellschaft als moralisch irrelevant erachtet werden, auch nicht befassen müssen 1653. Hierin liegt der Grund bzw. Ausgangspunkt dafür, warum im governanceökonomischen Stakeholder-Ansatz erklärt wird, es handle sich um einen ressourcenorientierten Ansatz, in dem das moralische Sprachspiel nur dann (polylingual) gestartet wird, wenn empirisch eine solche Ressource existiert (wenn sich also jemand für das jeweilige Problem starkmacht oder ein solches Starkmachen zumindest zu erwarten ist)1654. Das Problem an dieser Sichtweise ist aber, dass Akteure, auch wenn sie keine ökonomisch wertschöpfenden Ressourcen ins Unternehmen einbringen wollen oder können (und eventuell auch kein Interesse am Unternehmenserfolg haben), dennoch die Gestalt der Transaktionen des Unternehmens beeinflussen können, und das teils sogar stärker als die Ressourcenbesitzer (also die „Transaktions-Produzierer“) im Kooperationsteam selbst. Insofern ist fraglich, ob es ökonomisch sinnvoll und ethisch legitim ist, solche Akteure vom Kreis der als relevant und zulässig erachteten Stakeholder auszuschließen. Das Problem lässt sich am Beispiel von NGOs illustrieren: Zunächst ist denkbar (und in der Praxis beobachtbar), dass NGOs Legitimität (Moral in sozialen oder anderen Bereichen) als Ressource in ein Kooperationsteam einbringen, was auch aus Unternehmenssicht von Interesse ist1655. Um aber als Stakeholder anerkannt zu werden, müssen NGOs ihre

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um subjektive Wertungen, welche der Wirklichkeit quasi (als subjektive Hinzutat) übergestülpt werden. Moralische Vorstellungen (Werte, Tugenden) sind für WIELAND eine (kulturelle) Erfindung der Gesellschaft, die in den Bereich der Philosophie und Theologie fällt (vgl. WIELAND 2014, S. 99; WIELAND 1999, S. 23f.). Solange kein gesellschaftlicher Widerstand gegen moralisch bedenkliche Handlungen erhoben wird, solange besteht für das Management - zumindest in diese Richtung - auch kein Erfordernis, das moralische Sprachspiel (bzw. die „Polylingualität“, moralische „Sprachlichkeit/ Lingualität“) zu beherrschen. Moralisch desinteressierte, aber clevere Manager wissen, dass sie „polylinguale Fähigkeiten“ benötigen, sobald in der Gesellschaft moralische Probleme aufgeworfen werden. Daher ist es aus ihrer Sicht strategisch klug, sich auf eventuell auftretende Widerstände vonseiten der Stakeholder vorzubereiten. Dennoch ist es nicht gleichgültig, ob Manager Moralprobleme als „ontologisch objektiv“ (als objektiv „da draußen“ bestehend, als moralische Realität) oder „nur“ als „ontologisch subjektiv“ (als selbst kreierte moralische Sicht, als Erfindung) ansehen. So kann ein Textilunternehmen mit NGOs in Pakistan kooperieren, um menschenunwürdige Arbeitsbedingungen entlang der Zuliefererkette so weit wie möglich einzugrenzen. Durch eine solche Kooperation holt es sich die Ressource „Legitimität“ ins Haus und bleibt dadurch eher von geschäftsschädigenden Protestaktionen verschont.

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Ressourcen aktiv im Sinne einer Investition ins Kooperationsteam einbringen wollen und, damit verbunden, ein Interesse am Unternehmenserfolg haben 1656. Das kann der Fall sein, ist aber nicht die Regel, da es das primäre Ziel vieler NGOs ist, Fehlverhalten und Missstände in Unternehmen aufzudecken und anzuprangern. Hierzu arbeiten sie gezielt mit öffentlichkeitswirksamen Kampagnen (in denen sie etwa zum Produktboykott aufrufen, auf Einfuhrverbote für bestimmte Waren drängen usw.), welche den betriebswirtschaftlichen Erfolg des „angeklagten“ Unternehmens nicht fördern, sondern stören sollen 1657. NGOs haben häufig also nicht die Absicht, „Ressourcen“ im engeren Sinne ins Unternehmen einzubringen, was auch WIELAND so sieht1658. Die Schwierigkeit seines Stakeholder-Ansatzes besteht aber darin, dass sämtliche Akteure, die in der skizzierten Weise agieren, aus seiner Sicht keine Stakeholder sein können, da sie, wie dargelegt, weder Ressourcen ins Unternehmen einbringen, noch an dessen Erfolg interessiert sind. Dennoch ist zu sehen, dass solche Akteure vielfach nicht nur berechtigte Anliegen vertreten, sondern auch die Transaktionen des Unternehmens - zwar nicht über das Kooperationsteam, dafür aber direkt (vgl. Abb. 38) - und damit dessen wirtschaftlichen Erfolg beeinflussen können.

1656 1657

1658

Vgl. WIELAND (2008a), S. 27, 30. Kontingent bleibt, ob Unternehmen infolge ihres moralischen Fehlverhaltens überhaupt Opfer von NGO-Kampagnen werden. Wenn sich Konsumenten, um auf das Beispiel des Textilunternehmens zurückzugreifen, nicht für die Arbeitsbedingungen in der Textilbranche interessieren, dann haben Textilunternehmen auch kaum zu befürchten, ins Visier von NGOs zu geraten. Dasselbe gilt, wenn es Unternehmen gelingt, ihre Geschäftspraktiken und Zuliefererstrukturen zu verbergen. Für rein ökonomisch interessierte Unternehmen besteht dann kein Anreiz, NGOs (und die durch diese angebotene Ressource „Legitimität“) ins Kooperationsteam hineinzuholen. Von daher „muss das Management in Betracht ziehen, dass nicht alle Stakeholder einen positiven Beitrag zu dem Kooperationsprojekt leisten wollen oder können“ (WIELAND 2008a, S. 22; vgl. auch WIELAND/ HECK 2013, S. 43).

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

Kunden Ressource: Zahlungen

Lieferanten Ressource: Know-how

Mitarbeiter Ressource: Humankapital

Kooperationsteam

437

Kapitalgeber Ressource: Kapital

Gemeinde Ressource: Infrastruktur

T(m) Öffentlichkeit Ressourcenentzug: Ansehen

NGOs Ressourcenentzug: Legitimität

Abb. 38: Einflusspotenzial der außerhalb des Kooperationsteams liegenden „Köche“ auf T(m) 1659

Damit dürfte deutlich geworden sein: Die Transaktion kann eine, um WIELANDs Begrifflichkeit aufzugreifen, „Kooperation“ zwischen Unternehmen und NGO darstellen, und das trotz dem Umstand, dass NGOs als „gesellschaftliche“ (nicht organisationale) Stakeholder eigentlich kein Mitglied im Kooperationsteam werden können1660. Dieser Gedanke kommt in WIELANDs (eher „managementlastiger“) Argumentation zu kurz. Er entwickelt eine ökonomische Theorie der Firma und abstrahiert damit von der „wirklichen“ Wirklichkeit 1661. Metaphysisch sind Unternehmen mehr als nur organisatorische Netzwerke von Stakeholder-Ressourcen1662. SCHRAMM vertritt daher „die Auffassung, dass diese [„ontologisch subjektiv“ geprägte] Sichtweise zum Problem des Wirklichkeitsbezugs der Ethik nicht realitätsangemessen ist“1663. Als moralischer Realist geht er (mit NAGEL und WHITEHEAD) davon aus, dass die moralische Dimension nicht nur „epistemisch

1659

1660 1661

1662 1663

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an WIELAND (2008a), S. 17; WIELAND/ HECK (2013), S. 37. Vgl. WIELAND (2008a), S. 26f.; WIELAND/ HECK (2013), S. 48. Es werden einzelne Punkte aus der Realität und metaphysischen Komplexität von Unternehmen herausgegriffen, während andere Faktoren keine oder nur eine Nebenrolle spielen. Vgl. dazu Kapitel 2. SCHRAMM (2015a), S. 175.

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Managementethik: Makro- vs. Mikroansatz

objektiv“, sondern auch „ontologisch objektiv“ ist1664, und zwar nicht aufgrund der Existenz einer spezifischen, „ontologisch subjektiven“ Moral (eines spezifischen Gottes o. Ä.), sondern wegen der kosmologischen Logik der „expanding circles“ und des damit zusammenhängenden (Universalisierungs-)Verfahrens des „impartial spectator“1665 bzw. „view from nowhere“1666. Dabei hebt SCHRAMM den objektiven Charakter der Universalisierungslogik hervor: Universalisierung ist, so das Argument, nicht willkürlich, also auf einen selektiven Inhalt bzw. Stakeholder-Kreis bezogen1667. Vielmehr geht es bei der Universalisierungslogik um die Frage, ob nicht alle sozialen Wesen, Menschen wie Tiere, im Sinne einer erweiterten, „kosmologischen“ Solidargemeinschaft gleichermaßen in diese Universalisierung einbezogen werden müssten1668, wobei es sich hierbei um eine auf der 1664

1665 1666

1667

1668

Die Annahme ist also, dass die Dimension des Moralischen nicht nur eine Erfindung ist, welche der Wirklichkeit übergestülpt wird, sondern objektiv-real „da draußen“ im Universum existiert. Vgl. dazu Abschnitt 4.1.1. NAGEL (1989). Der Gedanke ist, kurz gesagt, folgender: Wer den Moral Point of View einnehmen will, der muss den Standpunkt bzw. Blickwinkel eines unparteilichen Beobachters simulieren (theistisch gesprochen: die Welt aus den Augen Gottes sehen). Etwas genauer beschrieben: Da Menschen grundsätzlich über eine fragmentarische, partikulare und (durch ihr Eigeninteresse) subjektiv verzerrte Wahrnehmung verfügen, ist zu fragen, wie vorzugehen ist, um zu einer objektiven Wahrnehmung zu gelangen. Genau hierin liegt die Kernfrage, welche sich der Atheist THOMAS NAGEL in seinem Buch „The View from Nowhere“ stellt, nämlich, wie man zu einer objektiven (realistischen, wahren, richtigen) Sicht der Dinge gelangen kann, zu einer Sicht also, die abbildet, wie die Dinge wirklich sind. Die - auch im Hinblick auf die Ethik - zentrale Leitidee bzw. Zielvorstellung, um der Wahrheit näherzukommen, sieht NAGEL in einem geweiteten, von subjektiven Eigeninteressen abstrahierenden Blickwinkel, der es gestattet, die Welt auch aus den Augen anderer Menschen oder gar Existenzformen zu betrachten (hierin lag, so ist zumindest anzunehmen, auch die Idee von SMITH' Konzeption des unparteilichen Beobachters („impartial spectator“), welche bereits in Abschnitt 4.1.1 kurz umrissen wurde und die NAGEL mit seinem Konzept des „objective self“ weiterführt, vgl. ebd., S. 54ff.). Gäbe es einen solchen unparteilichen bzw. unbeteiligten Beobachter, der alles Relevante wahrnehmen könnte, so wäre er auch in der Lage, die objektive Wahrheit zu sehen. Während Theisten nun in Gott die Figur des „impartial spectator“ sehen, gehen Atheisten davon aus, dass es keinen „impartial spectator“ gibt, der einen solchen objektiven Blickwinkel hat, sodass der „view from nowhere“, so gut es geht, simuliert werden muss. Hier ist ergänzend hinzuzufügen, dass de facto auch religiöse, gottgläubige Menschen epistemisch keinen Erkenntnisvorteil gegenüber allen anderen Menschen haben, da auch sie, da sie nicht selbst Gott sind, nicht darum herumkommen, durch pragmatische Überlegungen und Diskurse den objektiven Blickwinkel Gottes zu simulieren, um so das objektive Geflecht aller Interessen, die auf der Welt latent sind, erfassen zu können. Oder anders gesagt: Niemand, der den Moral Point of View einnehmen will, kommt um irgendeine Form von Wahrheitssuche bzw. Gottessimulation (den Versuch also, die Logik der Unparteilichkeit nachzuvollziehen) herum. Die Logik der Unparteilichkeit besteht gerade darin, die Basisrealität der realen Existenz verschiedener Interessen vollumfänglich wahrzunehmen. Vgl. in diesem Zusammenhang die auf den beiden Prozessphilosophen WHITEHEAD und HARTSHORNE aufbauenden metaphysischen Ausführungen bei SCHRAMM (2017b, S. 7ff.) zu einer Entgrenzung des Solidaritätsverständnisses im Sinne einer „Solidarität 3.0“.

Zu den Hebeln einer arbeitsplatzbezogenen Tugendethik

439

Begründungsebene angesiedelte Idealvorstellung handelt, die auf der Anwendungs- und Implementierungsebene, auf der WIELAND in seinem polylingualen Konzept operiert, nicht eins zu eins umsetzbar ist 1669. Um ein Beispiel zu nennen: Angenommen, der Großteil der Unternehmen einer Branche würde per se keine Stellen für Schwerbehinderte schaffen (oder: osteuropäische Arbeiter unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen ausbeuten), zugleich aber würde sich niemand in der Gesellschaft für diesen Missstand interessieren. Aus Sicht einer streng anwendungsorientierten Unternehmensethik nach dem Muster der Governanceethik kann es nun zwar sein, dass sich das Management nicht weiter um den betreffenden moralischen Missstand kümmern muss (zumindest in der Hinsicht, dass aus diesem „Nichtkümmern“ keine ökonomischen Nachteile zu erwarten sind), entscheidend ist aber, dass die moralische Dimension der skizzierten (Arbeitsplatz-)Probleme dennoch „ontologisch objektiv“ existiert (nämlich aus dem „expanded view“ der betroffenen Schwerbehinderten oder osteuropäischen Arbeiter), auch wenn sich kein Subjekt in der Gesellschaft gegenwärtig dafür interessiert. Mehr noch: Der Ausschluss Schwerbehinderter steht, genauso wie jede Form einer Ausbeutung von Osteuropäern, im Widerspruch zur Universalisierung und wird durch eine (objektive) Universalisierungslogik gerade ausgeschlossen1670. Das nun folgende zusammenfassende Kapitel 8 bildet das Hauptkapitel der Arbeit, in dem auf Basis der vorangegangenen Erkenntnisse und Betrachtungen ein umfassender metaphysischer Theorierahmen entwickelt wird, auf dessen Basis dann die eigentliche (management-)ethische Analyse diverser arbeitsplatzbezogener Transaktionen aus den Bereichen der Personalentwicklung sowie insbesondere -freisetzung vorgenommen wird.

1669

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Die Konzeption des „impartial spectator“ bzw. Position des moralischen Realismus erhebt nicht den Anspruch, ethische Debatten oder tragische (Dilemma-)Situationen aus der Welt zu schaffen. Echte Patt- bzw. Dilemmasituationen können weder durch den „impartial spectator“ noch durch Gott objektiv real entschieden werden. „Ausschließen“ oder „Ausbeuten“ werden nur solche Akteure, die nicht bereit sind, zu universalisieren (anders formuliert: die ein Interesse daran haben, ihre selektiven Interessen - auch auf Kosten anderer - durchzusetzen).

8. Managementethische Analyse ausgewählter arbeitsplatzbezogener Transaktionen In Kapitel 8 erfolgt die eigentliche managementethische Analyse ausgewählter arbeitsplatzbezogener Problembereiche und Situationstypen und damit die finale Zusammenführung der bis hier erarbeiteten ethischen und ökonomischen Theoriekomponenten sowie Analyseergebnisse. Bereits zu Beginn des sechsten Kapitels wurden, und daran orientiert sich der Aufbau des vorliegenden Kapitels, die Personalfreisetzung und -entwicklung als jene klassischen Aufgabenbereiche des Personalmanagements identifiziert, welche im Rahmen der managementethischen Untersuchung arbeitsplatzbezogener Fragen von primärer Relevanz sind und als Anknüpfungspunkte infrage kommen. Begründet wurde das damit, dass die Transaktionen beider Bereiche substanziell in diverser Hinsicht direkt oder indirekt mit der (Wieder-)Erlangung, dem Erhalt oder Verlust einer Beschäftigung zusammenhängen, in ihrer praktischen Umsetzung und konkreten Ausgestaltung aber, wie noch herausgearbeitet wird, sehr unterschiedlich ausfallen können, gerade was die moralische Dimension der Transaktionen betrifft. Im Rahmen der nun folgenden managementethischen Analyse werden verschiedene, in der Realität häufiger vorkommende arbeitsplatzbezogene Transaktionen in differenzierter Weise mit den im vierten Kapitel erläuterten normativen Ethiktheorien verknüpft und vor dem Hintergrund der von diesen Theorien vorgegebenen normativen Kriterien diskutiert. Für den Bereich der Personalentwicklung geschieht dies in Unterkapitel 8.2, für den der -freisetzung in Unterkapitel 8.3, wobei der Gang der Argumentation (im Sinne einer ethischen Stückwerk-Technologie) jeweils von den absoluten ethischen Idealen und Gerechtigkeitsvorstellungen hin zur wirklichen Welt bzw. Realität des Geschäftsalltags führt. Dabei wird schrittweise vorgegangen und aufgezeigt, dass bestimmte Vorstellungen und Maßnahmen, die auf der Begründungsebene bei einer gegebenen Konstellation als moralisch wünschenswert erscheinen, letztlich auf der Implementierungsebene, also in den wirklichen, polydimensionalen Transaktionen des operativen Alltagsgeschäfts, eventuell doch nicht umgesetzt werden, weil sie wirtschaftlich untragbar sind oder, was ebenfalls denkbar ist, da aufseiten der verantwortlichen Entscheidungsträger kein Umsetzungsinteresse besteht. Um die diesbezüglichen theoretischen Hintergründe nachvollziehen, aber auch ethisch unangemessene, verkürzte Sichtweisen identifizieren zu können, die mit einer Ignoranz der aus dem impliziten Arbeitsvertrag resultierenden wechselseitigen realen Interessen und gültigen ethischen Ideale einhergehen, besteht das © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Wagner, Managementethik und Arbeitsplätze, Studien zur Ethik der Transaktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26382-9_8

442

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Erfordernis einer möglichst ganzheitlichen Wahrnehmung der sozialen (arbeitsplatzbezogenen) Realität. Dazu wird in Unterkapitel 8.1 der im zweiten Kapitel erörterte metaphysische Theorierahmen erneut aufgegriffen und weiterentwickelt. Dieser zeichnet sich in seinem Grundaufbau durch den Versuch aus, die faktisch existierende metaphysische Komplexität und Polydimensionalität der Realität nicht in eine gewisse Richtung ideologisch zu verkürzen und zu abstrahieren, sondern die Wirklichkeit so zu erfassen und zu modellieren, wie sie „in general“ (im Allgemeinen, im Prinzip) funktioniert. In der Wirklichkeit hängt, wie an mehreren Stellen der Arbeit ausgeführt wurde, alles mit allem zusammen, soll heißen: Alle Dinge und Dimensionen, die geschehen bzw. relevant sind, kumulieren sich in der jeweils betrachteten arbeitsplatzbezogenen Situation. Zudem vollziehen sich diese Dinge nicht nur in einer Modellwelt. Vielmehr muss alles, was - betriebswirtschaftlich wie ethisch - geschieht, die eine Wirklichkeit des Universums durchlaufen und tatsächlich in Form konkreter physischer Transaktionen geschehen (so muss ein Werk wirklich, d. h. physisch geschlossen werden; Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitsplatz wirklich, d. h. physisch räumen usw.)1671. Das gilt auch für die Spielregeln, welche sich nur in der konkreten Transaktion verwirklichen. Wie in den folgenden Darlegungen gezeigt wird, stellt das Präsenthalten dieses konzeptionellen Rahmens bzw. Grundapproaches eine bedeutsame Voraussetzung dafür dar, um vernünftig über arbeitsplatzbezogene Probleme der konkreten Welt diskutieren und sogleich vereinfachende, die reale Wirklichkeit unzulässigerweise verkürzende Auffassungen aufdecken zu können.

8.1

Entwicklung des zugrunde liegenden metaphysischen und ethischen Analysegerüsts

Ziel dieses Unterkapitels ist es, die im vierten Kapitel vorgestellte Dreiebenenunterscheidung bei der Umsetzung des Moral Point of View konzeptionell mit den im selben Kapitel behandelten normativen Ethiktheorien zu verknüpfen, um so ein theoretisches Grundgerüst für die ethische Analyse diverser Situationskonstellationen und Problemmuster zu schaffen, die im Kontext der beiden arbeitsplatzrelevanten Handlungsfelder des Personalmanagements, der Personalentwicklung und 1671

Vgl. dazu Abschnitt 7.3.3. Während im hier vorliegenden ökonomischen Kontext von Transaktionen gesprochen wird, ist WHITEHEAD kosmologisch-metaphysisch von „actual entities“ bzw. „occasions” als kleinsten (elementaren) Mikroeinheiten im Universum ausgegangen.

Metaphysisches und ethisches Analysegerüst

443

-freisetzung, auftreten können. Diese Verknüpfung erfolgt auf allen drei Umsetzungsebenen des Moral Point of View (angefangen auf der Begründungs- über die Anwendungs- bis hin zur Implementierungsebene), um so sukzessive den Weg vom ethischen Ideal zur konkreten, heterogenen Transaktion im Managementalltag (und damit zur Wirklichkeit des Geschäftslebens) abbilden zu können. Im Folgenden werden zunächst die allgemeinen normativen Bewertungskriterien aufgezeigt, die aus der Verknüpfung von (ethischer) Begründungsebene und normativer Ethik hervorgehen (Abschnitt 8.1.1) und im weiteren Verlauf dann auf der Anwendungsebene zum Einsatz kommen, wenn es um die Ableitung von normativen Statements für verschiedene arbeitsplatzbezogene Fragen geht1672. Im Anschluss daran werden die Rahmenbedingungen und Zusammenhänge erläutert, die bei der Verknüpfung von (ethischer) Anwendungs- und (heterogener) Implementierungsebene mit der normativen Ethik zu berücksichtigen sind (Abschnitt 8.1.2). Im Zuge dessen wird im Kontext der Ausführungen zur Anwendungsebene auch auf die hier vertretene Auslegung eines moralischen Realismus eingegangen, der als Teil oder Konkretisierung der im zweiten Kapitel vorgestellten Metaphysik des Universums (bzw. spezifischer: der Business Metaphysics) zu betrachten ist und selbst wiederum in zwei Schritte untergliedert werden kann, nämlich die Interessenwahrnehmung und -bewertung. Daran anschließend werden in Abschnitt 8.1.3 mit dem „Fallacy of Misplaced Concreteness“ und „Fallacy of Disregarded Abstractness“ zwei gegensätzliche, die metaphysische Komplexität verkürzende Fehlschlüsse aufgezeigt, die - auch im Kontext arbeitsplatzbezogener Fragen - des Öfteren auf der Implementierungsebene begangen werden und auf einer Verwechslung oder fehlenden Differenzierung zwischen abstraktem Modell bzw. abstrakter (Regel-)Ebene und konkreter Wirklichkeit bzw. (Lebens-)Ebene beruhen. Ergänzend und konkretisierend dazu wird in einem weiteren Unterabschnitt die Unterscheidung zwischen Fehlschlüssen und Abwägungen präzisiert.

1672

Vgl. dazu Abschnitt 4.1.1, der sich mit der Begründungsebene befasst. Wie bereits im Vorwort zu Unterkapitel 4.1 angemerkt, gibt es neben der ethischen noch andere Begründungsebenen (z. B. eine ökonomische und naturwissenschaftliche Begründungsebene). Die hier vorgenommene Analyse richtet sich, wenn nichts anderes bestimmt wird, lediglich auf die ethische Begründungsebene.

444 8.1.1

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen Identifizierung normativer Bewertungskriterien auf der Begründungsebene

Wenn im Zusammenhang mit der Begründungsebene von einem „ethischen Ideal“ gesprochen wird, dann sind damit nicht nur ausdrückliche ethische Ideale bzw. Moralvorschriften (wie Gerechtigkeit, Menschenwürde, Freiheit, Autonomie, Solidarität, das Verbot der Lüge usw.) gemeint, wie sie etwa in der KANTischen Ethik oder den Zehn Geboten vorkommen, sondern auch jene Kriterien, die von den im vierten Kapitel vorgestellten normativen Ethiktheorien formuliert werden (und bei denen die jeweiligen Vertreter der Theorien davon ausgehen, dass sie im Urzustand im konkreten Anwendungsfall als normative Kriterien bei der Beurteilung diverser institutioneller Arrangements herangezogen werden). Insofern richtet sich nachfolgende Betrachtung vor allem auf die auf der Begründungsebene bei einzelnen normativen Ethikkonzeptionen identifizierbaren Kriterien, die in einem weiteren Schritt dann wiederum in die auf der Anwendungsebene vorgenommenen Analysen einbezogen werden. Dem ist einschränkend vorwegzunehmen, dass eine Analyse bzw. Zuordnung der Theorien der normativen Ethik zwar bereits auf der Begründungsebene ansetzen kann, gleichwohl können hier (inhaltlich) nur relativ vage und allgemeine Verknüpfungen vorgenommen werden, da die Wege und Kriterien, welche die Konzeptionen für verschiedene Situationen und Probleme aufzeichnen, erst auf der Anwendungsebene deutlicher erkennbar werden und auseinandergehen.

KANTische Ethik (vgl. Abschnitte 4.1.1, 4.2.3 → 8.3.1, 8.3.2) Utilitarismus (z. B. Ansatz von HARSANYI) (vgl. Abschnitte 4.2.2, 4.2.3 → 8.3.2) RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie (vgl. Abschnitte 4.2.1 → 8.3.2) SENs Befähigungsansatz (vgl. Abschnitte 4.3 → 8.2.1, 8.2.1)

Normatives Kriterium auf Begründungsebene (im Urzustand)

Unparteilichkeit

Normative Ethikkonzeption

+ + + +

? Glücks-/ Durchschnittsnutzenmaximierung Maximin-Kriterium/ Größter Vorteil der am wenigsten Begünstigten Befähigung zum guten Leben

Abb. 39: Normative Bewertungskriterien auf der Begründungsebene1673

1673

Quelle: Eigene Darstellung.

Metaphysisches und ethisches Analysegerüst

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Die Unparteilichkeitslogik, die den Moral Point of View in der modernen Ethik generell kennzeichnet, wird von allen bedeutenden Ethikansätzen vorausgesetzt und in irgendeiner Form rekonstruiert. Wie bereits an früherer Stelle ausgeführt, war KANT der erste moderne Ethiker, der die Unparteilichkeitslogik ins Zentrum gerückt hat1674. In der KANTischen Ethik werden darüber hinaus konkrete inhaltliche Aussagen in Form ethischer Einzelideale bzw. -gesetze angeführt (man denke etwa an den unbedingten Wert des Menschen oder das Gebot der Wahrhaftigkeit), die KANT allesamt auf seinen kategorischen Imperativ (als Gebot der Unparteilichkeit) zurückführen würde und die damit inhaltlich der Begründungsebene zuzurechnen sind. Präzisierend ist hinzuzufügen, dass diese Ideale auch deshalb nur der Begründungsebene zugerechnet werden können, da KANTs Ethikansatz exklusiv auf der Begründungsebene angesiedelt ist und von vornherein keine Ebenenunterscheidung - jedenfalls so, wie sie hier rekonstruiert und gebraucht wird - vorsieht1675. Als Folge dessen finden sich bei KANT bereits auf der Begründungsebene inhaltlich präzisere, „gefülltere“ Aussagen und Zuordnungen. Neben dem Unparteilichkeitskriterium findet sich in der KANTischen Ethik jedoch kein weiteres generelles Moralkriterium, zumindest nicht in der Eindeutigkeit, wie es bei den anderen Ethikkonzeptionen der Fall ist, die in der Analyse betrachtet werden (in Abb. 39 verdeutlicht durch „?“). Im Gegensatz zur KANTischen macht die utilitaristische Ethik keine Vorgaben oder Einschränkungen bezüglich kategorisch ausgeschlossener, verbotener Handlungen. Der Begründungsebene ist im Utilitarismus zunächst der (formale) Moral Point of View im Sinne des Unparteilichkeitsziels zuzurechnen (oder, um den Bezug zu HARSANYI herzustellen, die moralische bzw. Unparteilichkeitspräferenz, nach der der Grundsatz des größten Glücks der größten Zahl auch dann für richtig erklärt wird, wenn man selbst als Verlierer dasteht). Als konkretere Begründungsmaxime kann die Maximierung des Glücks bzw. Durchschnittsnutzens angeführt werden (zur Erinnerung sei gesagt, dass es im Utilitarismus jene Lösung umzusetzen gilt, die am meisten Glück produziert, auch wenn es Verlierer gibt). Ähnliches gilt für weitere Ansätze wie die in der Tradition von KANT stehende RAWLSsche Gerechtigkeitstheorie, bei der neben der Unparteilichkeitslogik das abstrakte Ideal der Gerechtigkeit sowie das Maximin-Kriterium als Moralkriterien bzw. -maximen der Begründungsebene zugeschrieben werden können. Letzteres bringt zum 1674 1675

Vgl. dazu Abschnitt 4.1.1. Vgl. dazu Abschnitt 4.2.3.

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Ausdruck, dass die Verlierer der Gesellschaft (die „am wenigsten Begünstigten“1676) maximal begünstigt werden sollen. An letzter Stelle anzuführen ist der Befähigungsansatz von SEN, der ebenso keine konkreten, verbindlichen Handlungsanweisungen oder inhaltlichen Vorgaben anführt, bei dem aber das abstrakte ethische Ideal der Unparteilichkeit unter dem Aspekt der Befähigung zu einem guten Leben als Moralkriterium bzw. -maxime eindeutig der Begründungsebene zuzuordnen ist. In allen genannten Ansätzen finden erst auf der Anwendungsebene konkretere Abwägungen statt, die dann teilweise zu voneinander abweichenden Ergebnissen gelangen, was die in einer lokalen Anwendungssituation realistische Moral ist (oder anders formuliert, welches ethische Ideal in der lokalen Anwendungssituation letztlich zählt und welcher Wert verwirklicht werden soll). Im folgenden Abschnitt wird nun die Verknüpfung zwischen der Anwendungs- und Implementierungsebene mit der normativen Ethik beleuchtet und, damit zusammenhängend, ein Verständnis für die vorliegend befürwortete Auffassung eines moralischen Realismus erarbeitet, der selbst ein Teil der Metaphysik des Universums bildet.

8.1.2

Einordnung von Anwendungs- und Implementierungsebene in die Konzeption eines moralischen Realismus

Ging es im ersten Schritt um die Verknüpfung zwischen der Begründungsebene und der normativen Ethik, so rückt nun im zweiten Schritt, der den Schwerpunkt der Analyse in Unterkapitel 8.1 bildet, die Verknüpfung zur Anwendungs- und Implementierungsebene in den Blick, wobei sich folgende Erläuterungen, sofern nicht anders angegeben, primär auf die Anwendungsebene beziehen 1677, die, wie schon die Begründungsebene, noch eine theoretische, rein ethische Ebene darstellt. Wie gleich deutlich werden wird, steht bei der im Folgenden vorgenommenen Verknüpfung zwischen Anwendungsebene und normativer Ethik die Wahrnehmung und Bewertung von Interessenfakten, also der Interessen (Sichtweisen, Forderungen) verschiedener Stakeholder im Vordergrund. Dabei werden im Zuge der Interessenbewertung im lokalen Anwendungsfall die im vorigen Abschnitt 1676 1677

RAWLS (1998), S. 395. Sollte die Begründungs- oder Implementierungsebene gemeint sein, so wird dies ausdrücklich erwähnt.

Metaphysisches und ethisches Analysegerüst

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8.1.1 auf der Begründungsebene aus den einzelnen normativen Ethiktheorien abgeleiteten Kriterien angewendet. Gleichzeitig muss, und an dieser Stelle kommt die Verknüpfung zwischen Anwendungs- und Implementierungsebene zum Tragen, der polydimensionale Widerstreit diverser Interessen, der auf der Implementierungsebene zutage tritt, bereits auf der Anwendungsebene präsent gehalten werden, da es andernfalls nicht möglich ist, Festlegungen über (auf der Anwendungsebene) ethisch angemessene bzw. (auf der Implementierungsebene) managementethisch angemessene und unangemessene Vorgehensweisen zu treffen. Beide Schritte, die Wahrnehmung und Bewertung von Interessen, bilden gemeinsam als Kernelemente die notwendige Voraussetzung für die hier vertretene Auffassung eines moralischen Realismus, der in der vorliegenden Arbeit als Teil und Konkretisierung der Metaphysik des Universums (spezifischer: der Business Metaphysics) betrachtet wird. Bevor die beiden Schritte, aus denen sich der moralische Realismus zusammensetzt, im Einzelnen vorgestellt werden, sind vorab einige Erläuterungen zur Einordnung des moralischen Realismus in den gesamtmetaphysischen Kontext zu geben. Wie im zweiten Kapitel erörtert, beinhaltet das hier vorgetragene Verständnis einer Metaphysik zwei zentrale Aussagen: Zum einen wird in Anlehnung an den Philosophen SEARLE davon ausgegangen, dass wir in genau einer Welt bzw. einem Universum leben, welche(s) wir uns nicht aussuchen können. Menschen sind Wesen in einem evolutiven Gesamtzusammenhang, der sich zwar ständig ändert, aber real ist. Ein weiteres, eng damit verbundenes metaphysisches Statement ist, dass auch die Ethik bzw. das Moralische eine gewisse Realität besitzt, also ein Bestandteil der Wirklichkeit ist, der vom Menschen nicht vollständig (nach subjektivem Belieben oder an bestehenden Interessen vorbei) konstruierbar oder dekonstruierbar ist. Das Universum besteht, so die metaphysische Annahme, nicht nur aus realen physischen Fakten im Sinne von Elementarteilchen, zwischen denen Kraftfelder wirken (bzw. Fakten für die Naturwissenschaften) 1678, sondern parallel, neben vielen anderen realen Fakten, genauso aus realen ethischen Fakten (bzw. Fakten für die ethische Wissenschaft, Fakten für die Ethik), wie etwa ethischen Interessen, welche es wahrzunehmen gilt. Damit wird deutlich, dass der moralische Realismus als Teil einer metaphysischen Grundposition gesehen wird, nach der die Welt keineswegs wertneutral ist. Zum besseren Verständnis des Entstehens dieser Position bietet sich eine Parallelbetrachtung zu den Naturwissenschaften an: 1678

Vgl. dazu Abschnitt 7.3.3.

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Naturwissenschaftler können sich, ähnlich wie Ethiker und andere reale Akteure, nicht beliebig aussuchen, wie die Wahrheit im Universum aussieht (wie also z. B. physikalische und chemische Vorgänge ablaufen). Vielmehr sind sie darauf angewiesen, ihre Hypothesen mithilfe geeigneter Experimente und Beobachtungen zu überprüfen (ggf. zu verwerfen, zu ergänzen), um so schrittweise zu objektiven Erkenntnissen über naturwissenschaftliche Fakten zu gelangen, welche dann wiederum - und das setzt einen ethischen Willen voraus - sachlich, unvoreingenommen und unparteilich wahrgenommen, dargestellt und weiterentwickelt werden müssen. Diese Überlegung gilt nun nicht nur für naturwissenschaftliche Fakten, sondern ist auf die Wahrnehmung aller im Universum existierender Fakten übertragbar: Die Welt bzw. Wirklichkeit konfrontiert Menschen, Naturwissenschaftler wie Ethiker, mit mannigfaltigen Fakten (naturwissenschaftlichen Fakten, ethischen bzw. Interessenfakten usw.), die, wie oben erwähnt, objektiv-real, also nicht beliebig sind. Diese realen Fakten, wobei im vorliegenden Zusammenhang auf Interessenfakten (genauer: auf faktische Eigeninteressen anderer Akteure) abgestellt wird, sollten möglichst offen „wahr“-genommen werden, wozu gehört, eventuelle Zusammenhänge, Abhängigkeiten oder Gegensätze zwischen persönlichen Eigeninteressen und den faktischen Eigeninteressen anderer Akteure zu identifizieren. Zudem sollten sie, und dieser Aspekt erscheint für nachfolgende Überlegungen nicht minder bedeutsam, in die Bildung und den Aufbau von Theorien mit einbezogen werden, da die entwickelten Theorien der (einen) Wirklichkeit des Universums andernfalls nicht gerecht werden würden. Nachdem die Zusammenhänge zwischen Metaphysik und moralischem Realismus grundlegend dargelegt wurden, werden im nächsten Schritt die beiden den moralischen Realismus konstituierenden Schritte der Wahrnehmung und Bewertung von Interessenfakten, die jeweils auf der Anwendungsebene angesiedelt sind 1679, näher beleuchtet. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf die Unterschiede im Blickwinkel zwischen der Figur des „impartial spectator“ und realen Menschen bzw. Managern gerichtet. Abb. 40 gibt einen Überblick über folgende Darlegungen und verdeutlicht zugleich die Struktur und Zusammenhänge des zugrunde liegenden theoretischen Bezugsrahmens.

1679

Vgl. dazu Abschnitt 4.1.2, der sich mit der Anwendungsebene befasst.

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Begründungsebene (8.1.1)

(Basis-)Realität 1: Logik der Unparteilichkeit Realität 2: Logik der Objektivität

Anwendungsebene (8.1.2)

view from nowhere

1. „impartial spectator“

2.-5. (Realer) Mensch

vorhanden 

(hypothetische Gottes-) Simulation  

Erfassung/ Wahrnehmung der Wirklichkeit nichtselektiv / objekbzw. Existenzweise tiv hins. Existenz + von Interessen Intensität (100 %) (kognitiv)

Anerkennung/ Berechtigungsbewertung vorgebrachter Interessen (moralisch)

Bereitschaft/ Versuch? Ja: fragmentarisch (~70 %)

Bereitschaft/ Versuch? Nein: stark fragmentarisch/ Ich-bezogen (~10 %)



2.  3. 

5. 

objektiv-real (? %)

subjektivverzerrt (? %)

subjektiveinseitig (? %)

Implementierungsebene (8.1.3)

 auf Berechtigungsberichtige Lösung/ wertung basierende Biwirkliche Interessenlanzierung in S, zu lage erfassend werten als  Implementierung der realen Moraloption? managementethisches Problem?





realitätsgerechte Abwägung

vereinseitigende, nicht-ethische Bewertung

 4. 





 Moraloption nicht existent (FoMC/ Vorsatz) 

nein

nein

ja

ja / nein (Könnens-Defizit) / ggf. reduziert oder abgewandelt

Abb. 40: Zusammenhänge in der Konzeption des moralischen Realismus1680

(Basis-)Realität 1: Logik der Unparteilichkeit - Interessenwahrnehmung Wie im Laufe der Arbeit gezeigt wurde, ist die Wirklichkeit komplex und besteht aus einem Geflecht (teils konfligierender, nicht oder nur schwer miteinander vereinbarer) objektiver Interessen (genauer: Eigeninteressen) 1681, die verschiedene

1680 1681

Quelle: Eigene Darstellung. Im Folgenden wird vereinfacht von „Interessen“ gesprochen, obwohl im moralischen Realismus genau genommen auf objektive Eigeninteressen abgehoben wird. Der Wille jedoch, diese Flut von

450

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Stakeholder - natürliche wie juristische Personen - hervorbringen und die in ihrer Gesamtheit eine sich beständig weiterentwickelnde soziale Struktur ergeben (so haben Arbeitnehmer ein moralisch legitimes Interesse an einem sicheren Arbeitsplatz und einer fairen Entlohnung, Unternehmen ein legitimes Interesse an ökonomisch florierenden Geschäften, Shareholder ein legitimes Interesse an einer adäquaten Rendite ihres eingesetzten Kapitals, Konsumenten ein legitimes Interesse an bezahlbaren Produkten usw.). Der Punkt ist nun: Die Wahrnehmung solcher Interessen ist, wie in den einführenden Bemerkungen zum hier zugrunde liegenden gesamtmetaphysischen Verständnis angeführt, nicht in das konstruktive oder dekonstruktive Belieben des jeweiligen Betrachters gestellt. Vielmehr sind die Menschen bei der Erfassung und Konstruktion moralischer sowie anderer Realitäten zwingend auf die Realität der (Eigen-)Interessen angewiesen bzw. zurückgeworfen, wenn sie keiner konstruktivistisch verengten oder verkürzten Realitätswahrnehmung unterliegen wollen. Um auf der Anwendungsebene zu einer unparteilichen und objektiven Sicht der Dinge zu gelangen, gilt es in einem ersten Schritt, und hierin liegt der eigentliche Realismus, die faktische Realität der Interessen, mit der man sich konfrontiert sieht, kognitiv zu erfassen und „wahr“-zunehmen. In Abb. 40 wird dieser Schritt, der für den zweiten Schritt der Interessenbewertung die Grundlage bildet, mit „Logik der Unparteilichkeit“ umschrieben. Es geht darum, die Interessen aller beteiligten Akteure unparteilich und neutral (d. h. weder wohlwollend noch missgünstig) zur Kenntnis zu nehmen und anzuerkennen, dass diese Interessen faktisch existieren, also objektiv-real und nicht subjektiv einseitig sind. So ein Erfordernis besteht sowohl für Unternehmen, die über arbeitsplatzbezogene Maßnahmen zu entscheiden haben, genauso aber für alle anderen Stakeholder, die durch diese Entscheidungen direkt oder indirekt betroffen sind oder darüber urteilen. Wer dazu nicht bereit oder fähig ist und sich ignorant gegenüber dem konzeptionellen polydimensionalen Widerstreit diverser Interessen (und damit gegenüber der metaphysischen Komplexität und Polydimensionalität der Realität insgesamt) zeigt, kann die Perspektive des moralischen Realismus von Anfang an nicht einnehmen und nachvollziehen. Mehr noch: Die Missachtung und Ignoranz der Berechtigung der Interessen der Beteiligten führt, je nachdem, um welche Missachtungsform es sich handelt, zu verschiedenen Formen von Fehlschlüssen und damit zu (management-)ethischen Problemen. Eine genauere Einordnung und Beschreibung solcher Fehlschlüsse erfolgt in Abschnitt 8.1.3. Eigeninteressen (und damit die Wahrheit) nicht zu ignorieren, sondern objektiv und ohne Vorurteile wahrzunehmen („wahr“-zunehmen), bedarf wiederum eines moralischen Interesses.

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Realität 2: Logik der Objektivität - Interessenbewertung Im zweiten Schritt, der zwangsläufig aus dem ersten resultiert und in Abb. 40 mit „Logik der Objektivität“ umschrieben wird1682, tritt die Notwendigkeit auf, berechtigte (oder wichtigere) von unberechtigten (oder unwichtigeren) Interessen zu unterscheiden. Realiter müssen in jeder lokalen arbeitsplatzbezogenen Situation bzw. Transaktion vielfältige Interessen gegeneinander abgewogen und Kompromisse gefunden werden, womit deutlich wird, dass der zweite Schritt ethiktheoretische Überlegungen erforderlich macht. Im Zuge der Interessenbewertung werden all jene Interessen, die im lokalen Anwendungsfall eine Rolle spielen, unter Rückgriff auf die auf der Begründungsebene identifizierten und den einzelnen normativen Ethiktheorien zugeschriebenen allgemeinen Kriterien hin bewertet und gegeneinander abgewogen, um so zur richtigen ethischen Entscheidung der Anwendungsebene zu gelangen. Wie an früherer Stelle ausgeführt, fällt die Interessenabwägung und -bewertung in Abhängigkeit der zum Einsatz kommenden Ethiktheorie verschieden aus, und zwar sowohl was deren Ablauf als auch Ergebnis betrifft. Zu beachten ist zudem, und hier liegt der Grund, weshalb es mehrere Ansätze gibt, dass nicht jede Ethiktheorie für jeden betrachteten Anwendungsfall überhaupt oder gleichermaßen angemessen und hilfreich ist (so sind etwa RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie und die KANTische Ethik bei tragischen Situationen bzw. Entscheidungen nicht weiterführend)1683. Vielmehr, und das wiederum wird dann deutlich, wenn statt dem Begriff „Anwendungsebene“ der Begriff „Anwendungsdiskurs“ herangezogen wird, bedarf es in der lokalen Anwendungssituation eines eigenständigen ethischen Diskurses bzw. einer ethischen Debatte über das Pro und Contra diverser moralischer Überzeugungen und die für die konkret betrachtete Problematik geeignet erscheinenden Moralregeln. Wie im weiteren Verlauf des achten Kapitels gezeigt wird, wurden im Hinblick auf den Bereich der Personalentwicklung vor allem der Befähigungsansatz von SEN (bzw. das hinter diesem Ansatz stehende Kriterium der Befähigung zu einem guten Leben) und im Hinblick auf den Bereich der Personalfreisetzung die utilitaristische Ethik und die Gerechtigkeitstheorie von RAWLS als angemessene Ansätze identifiziert.

1682

1683

Aufgrund des ersten Schrittes, der Interessenerfassung, kommt man am zweiten Schritt, der Bewertung der Interessenberechtigung (und dem damit unweigerlich verbundenen Hin und Her bzw. Widerstreit zwischen verschiedenen normativen Ethiktheorien), nicht vorbei. Vgl. dazu (Unter-)Abschnitte 4.2.1, 8.3.2.1 und 8.3.2.3.

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Betrachtet man nun die Figur des „impartial spectator“ (vgl. Abb. 40: 1.), so wäre diese nicht nur in der Lage, die Interessen aller Stakeholder vollumfänglich und in ihrer ganzen Intensität und Existenzialität wahrzunehmen, sondern auch die Berechtigung aller Interessen objektiv-real zu bewerten, miteinander zu vergleichen, zu verrechnen und auf der Anwendungsebene zur richtigen, ethisch verantwortungsvollen und der objektiven Realität entsprechenden Lösung für ein konkretes Problem zu gelangen1684. Präzisierend sei hinzugefügt, dass der Umstand, dass der „impartial spectator“ als perfekter Beobachter sämtliche in der betreffenden Situation faktisch bestehenden Interessen nicht selektiv, sondern hundertprozentig erfasst, nicht gleichzeitig impliziert, dass er alle vorgebrachten Interessen als berechtigt anerkennt. Stattdessen trifft er eine Unterscheidung in berechtigte, anzuerkennende Interessen auf der einen und nicht anzuerkennende (übertriebene, verfehlte) Interessen auf der anderen Seite. Letztere Interessen treten, obwohl sie wahrgenommen werden, in der eigentlichen (Interessen-)Bilanzierung nicht mehr auf, da sie als unberechtigt verworfen werden. In welchem Umfang unberechtigte Interessen vorgebracht werden, ist fallweise verschieden (in Abb. 40 ausgedrückt durch „? %“). Zu beachten ist darüber hinaus Folgendes: Obwohl der „impartial spectator“ in bzw. mit seinen Abwägungen die objektive Wirklichkeit (und damit die Gesamtheit aller in der lokal zu entscheidenden Situation gegebenen Interessen) abzubilden in der Lage ist, kann es, und das ist typisch für die Anwendungsebene, dennoch zu harten Entscheidungen kommen, die Verlierer unter den Stakeholdern erzeugen, da bestimmte Interessen nicht bedient werden können. So könnte der „impartial spectator“, um das Beispiel eines stellenabbauenden Unternehmens anzuführen, im Zuge seiner Interessenbilanzierung zum Ergebnis gelangen, dass die objektiv-realen Interessen der Unternehmens-Shareholder gewichtiger zu werten sind als die objektiv-realen Interessen der durch den Stellenabbau betroffenen Arbeitnehmer. Obwohl Arbeitnehmer in diesem Falle ihre Stelle verlieren würden, liegt kein moralisches Problem vor, da unter Beachtung der gegebenen realen arbeitsplatzbezogenen Situationsumstände keine bessere (gerechtere, akzeptablere und ethisch vorzugswürdigere) Lösung auf der Anwendungsebene existiert, zumindest keine, welche es gestatten würde, noch andere Interessen zu berücksichtigen1685. Aus dem Beispiel wird insofern ersichtlich, dass auf der Anwendungsebene immer auch Interessen existieren, die zwar berechtigt sind (und ihre moralische Gültigkeit bzw. Legitimation auf der Begründungsebene weiterhin 1684 1685

Vgl. dazu (Unter-)Abschnitte 4.1.1 und 7.3.4.2. Vgl. dazu bereits Abschnitt 4.1.2.

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behalten), die aber weniger berechtigt sind als andere Interessen und daher in der konkreten Anwendungssituation nicht oder nur zum Teil angewendet werden. Im Folgenden richtet sich die Betrachtung auf reale Menschen (Manager), wobei zwei Grundkonstellationen mit weitreichenden Konsequenzen zu differenzieren sind (vgl. Abb. 40: 2.-5.). Zunächst ist zu sehen, dass reale Menschen nicht über den universalen (übergeordneten, allwissenden, „göttlichen“) Blickwinkel des „impartial spectator“ verfügen, der es ihnen erlauben würde, die Realität nichtselektiv zu erfassen und alle empirischen Interessen, die auf der Welt latent sind, wahrzunehmen. Sie sind stattdessen darauf angewiesen, den Standpunkt des „impartial spectator“ (und damit den Urzustand) zu simulieren, was besser oder schlechter gelingen und zudem bei unterschiedlichen Akteuren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, woraus hervorgeht, dass für ein und denselben Fall nicht nur ein einziger, sondern im Prinzip unendlich viele Anwendungsdiskurse existieren (wohingegen es nur einen „impartial spectator“ gibt, nämlich Gott, der alles weiß und sieht)1686. Abgesehen davon kann nicht sicher davon ausgegangen werden, dass der Versuch einer Simulation des „impartial spectator“ überhaupt unternommen wird, was die Komplexität der auf der Anwendungsebene denkbaren Konstellationen verdeutlicht. Auf die beiden wichtigsten Konstellationen wird nachstehend eingegangen. (1) Bereitschaft zu (hypothetischer Gottes-)Simulation vorhanden: Im positiven Fall, der vermutlich für die Mehrzahl der realen Menschen (Manager) gilt, wird davon ausgegangen, dass der Versuch vollzogen wird, die Perspektive des „impartial spectator“ in vereinfachter Form einzunehmen. Im Gegensatz zum „impartial spectator“ sind reale Menschen aber, selbst wenn sie den guten Willen haben, die reale Interessenlage zu erfassen, nicht in der Lage, die Wirklichkeit

1686

Zwar dürften, so die Annahme, viele Akteure im Rahmen ihrer Simulation zu ähnlichen Problembeschreibungen gelangen (zumindest dann, wenn sie ernsthaft versuchen, sich die Problemlage und alle für diese Lage relevanten Interessen klar zu machen und in ihrer Bedeutung einzuordnen). Das letzte ethische Entscheidungskriterium aber, welches herangezogen wird, bleibt unklar (so werden z. B. manche Akteure utilitaristisch entscheiden, manche andere dagegen KANTianisch, wobei für beides plausible Argumente vorliegen können). Daraus resultiert wiederum, dass die Abwägungsergebnisse nicht hundertprozentig gleich ausfallen - andernfalls bestünde auch kein Widerstreit mehr zwischen verschiedenen Ethiktheorien. Gleichwohl besteht die Möglichkeit, mit anderen in einen Diskurs über verschiedene Abwägungsergebnisse einzutreten und dabei sowohl die eigenen Entscheidungskriterien darzulegen als auch die Kriterien anderer Beurteiler zu erkunden und kritisch zu reflektieren.

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vollumfänglich zu betrachten, da sie kognitiv nicht dazu fähig sind. Ihre Wahrnehmung bleibt in jedem Falle fragmentarisch (in Abb. 40 ausgedrückt durch den auf „~70 %“ reduzierten Prozentsatz)1687. Ähnliches gilt für die auf der Anwendungsebene im zweiten Schritt anfallende ethische Berechtigungsbewertung: Während der „impartial spectator“, wie oben beschrieben, in der Lage wäre, eine ideale, hundertprozentig objektiv-reale Berechtigungsbewertung aller vorgebrachten Interessen durchzuführen, fallen die Bewertungen realer Menschen, selbst wenn sie moralisch gewillt sind, objektive Bewertungen durchzuführen, immer in gewissem Maße „subjektiv-verzerrt“ aus (vgl. Abb. 40: 2.). In Abhängigkeit ihrer ethischen Sensibilität (auch ihrer psychischen und mentalen Verfassung, ihres Wahrnehmungsvermögens und ihrer Bereitschaft, tiefere Überlegungen anzustellen) bleiben sie unterschiedlich weit vom Ideal des „impartial spectator“ entfernt. Trotz dieser Verzerrung gelangen sie im Zuge ihrer Interessenbewertungen, die nach dem hier vertretenen Standpunkt im Kontext geeigneter normativer Ethiktheorien zu erfolgen haben, in den meisten Fällen, so die Annahme, zu akzeptablen, realitätsgerechten Abwägungen, die eine ausreichend zutreffende Beurteilung der Relevanz und Dringlichkeit einzelner Interessen gestatten (was derartige Abwägungen ausmacht und wie sie in den vorliegenden theoretischen Bezugsrahmen einzuordnen sind, wird in Unterabschnitt 8.1.3.2 erklärt). Das gilt zumindest solange, wie die Identifizierung der unter den gegebenen Bedingungen ethisch vergleichsweise „richtigsten“ Lösung nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt und keine (sicht- und erfassbar) bessere Lösung existiert. Gleichwohl, und hier gilt das, was bereits beim „impartial spectator“ gesagt wurde, kann diese auf der Anwendungsebene als moralisch akzeptabel beurteilte Entscheidung zu heterogenen, eventuell nicht wünschenswerten Effekten (und damit zu Verlierern unter den Stakeholdern) führen, da bestimmte Interessen im lokalen Anwendungsfall zurückgestellt werden müssen. Da der betreffende reale Akteur auf der Anwendungsebene jedoch nicht besser handeln oder keine anderen Prioritäten setzen kann, ist ihm kein Fehloder unmoralisches Verhalten anzulasten. Vielmehr gilt es, die „schmutzige“ Seite der an sich moralisch korrekten Entscheidung zu akzeptieren. Ob und wie diese moralisch korrekte Entscheidung in die Wirklichkeit umgesetzt wird (was realiter geschieht und welche Maßnahmen ergriffen werden), ist eine

1687

Der Prozentsatz wurde frei gewählt. Es hätte genauso gut jeder andere Prozentsatz (außer 100 %) gewählt werden können.

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Frage, die auf der Implementierungsebene zu klären ist 1688. Die in diesem Zusammenhang relevanten Szenarien werden hier nur kurz umrissen und in Unterabschnitt 8.2.2.3 (anhand der Verknüpfung mit dem Bereich der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung) ausführlich erläutert. Der auf der Implementierungsebene aus ethischer Sicht erwünschte, anzustrebende Fall ist der, dass es zur Umsetzung der Entscheidung in all ihren Facetten kommt, womit aber nur eine Seite eines insgesamt viel komplexeren Sachverhalts benannt ist, denn: Eventuell wird die auf der Anwendungsebene identifizierte Lösung auch nicht oder in abgewandelter Form umgesetzt, da der Akteur durch unvorhersehbare äußere Einflüsse, die seinen Handlungsspielraum schmälern, an deren Umsetzung gehindert wird (vgl. Abb. 40: „Könnens-Defizit“). Denkbar ist zudem, dass er die Umsetzung der Lösung gezielt unterlässt oder verhindert, sei es wegen eines Fehlschlusses oder aus Vorsatz bzw. Böswilligkeit heraus (vgl. Abb. 40: „Wollens-Defizit“). Während ein „Wollens-Defizit“ in ein (management-)ethisches Problem mündet, ist dies beim „Könnens-Defizit“ nicht der Fall. Dennoch besteht im Falle des Auftretens eines „Könnens-Defizits“ das Erfordernis, erneut in den Anwendungsdiskurs einzutreten, um die Situation unter Beachtung der veränderten äußeren Handlungsparameter ethisch neu zu bewerten. Ferner sind den von der Entscheidung betroffenen Akteuren die Gründe des Nichtkönnens darzulegen1689. (2) Bereitschaft zu (hypothetischer Gottes-)Simulation nicht vorhanden: Obwohl normale Menschen nicht nur völlig egoistisch und gefühlskalt agieren, sondern bereit sind, andere Interessen zumindest partiell wahrzunehmen, ist auf der Anwendungsebene auch die (negative) Konstellation möglich, dass der Versuch unterbleibt, eine hypothetische Gottessimulation anzustellen und die Welt aus den Augen der anderen zu sehen. Damit tritt eine Situation ein, in der der jeweilige Akteur (als Folge seiner stark fragmentarischen Wirklichkeitsbetrachtung) nur noch oder vorrangig sich selbst erkennt. Die Konsequenz dieser Interessenausblendung ist, dass er auch nicht fähig ist, eine Bewertung der Berechtigung oder Nicht-Berechtigung von Interessen durchzuführen, was in Abb. 40 durch den Ausdruck „subjektiv einseitig“ veranschaulicht wird (vgl. Abb. 40: 4.)1690. Zwar 1688 1689 1690

Vgl. dazu Abschnitt 4.1.3, der sich mit der Implementierungsebene befasst. Vgl. dazu bereits die Ausführungen in Abschnitt 3.1.3 zur „Bringpflicht“ der Unternehmen. Der Vollständigkeit halber ist noch folgender Fall zu beachten (vgl. 3. in Abb. 40): Denkbar ist, dass Akteure, obwohl sie (wie in Fall 2) kognitiv fähig sind, die Interessen anderer Akteure (fragmentarisch) wahrzunehmen, dennoch (moralisch) nicht bereit sind, die Interessenbewertung objektiv durchzuführen und bestimmte andere Interessen als berechtigt anzuerkennen, da sie, warum

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führt der Akteur eine Interessenbewertung durch, in dieser werden jedoch die eigenen Interessen mit eins und alle anderen mit null bewertet (also ausgeblendet), sodass es sich um keine ethische Bewertung handelt. Letztere würde es erfordern, alle relevanten Interessen in irgendeiner Weise unparteilich in die Bewertungen einfließen zu lassen. Da der Moral Point of View in der modernen Ethik in der unparteilichen Berücksichtigung der Interessen aller von einer Maßnahme Betroffenen besteht (und die Einnahme eines objektiven Unparteilichkeitsstandpunkts im Sinne einer Gottessimulation von allen relevanten normativen Ethikkonzeptionen vorausgesetzt und auf verschiedene Art modelliert wird) 1691, findet sich die hellgraue Hinterlegung in Abb. 40, welche die Relevanz der Anwendung normativer Ethiktheorien im Kontext der Interessenbewertung verdeutlichen soll, auch nur im Bereich jener Akteure, die im ersten Schritt den Versuch unternehmen, den Blick des „impartial spectator“ zu simulieren 1692. Hinsichtlich der Implementierungsebene ist nun Folgendes im betrachteten Kontext bedeutsam: Wer, wie es hier beschrieben wird, die Welt nur aus seinem eigenen Blickwinkel heraus wahrnimmt und alle anderen Interessen und Funktionslogiken, die in der lokalen Situation relevant und wirksam sind, missachtet, trifft (moralisch) defizitäre Entscheidungen, die entweder als Böswilligkeit oder als Fehl- bzw. Trugschluss zu werten sind und in vielen Fällen zu (management-)ethischen Problemen und Konflikten führen. Im folgenden Abschnitt wird der theoretische Rahmen für die nähere Einordnung und adäquate Interpretation derartiger Fehlschlüsse aufgezeigt. Der Fokus der Betrachtung liegt dabei auf zwei gegensätzlichen Arten von Fehlschlüssen, die jeweils auf einer selektiven, unvollständigen Wirklichkeitswahrnehmung beruhen und für die weitere (management-)ethische Analyse und Bewertung arbeitsplatzbezogener Transaktionen wichtig erscheinen. Hierbei handelt es sich zum einen um Fehlschlüsse, die auf einer Verwechslung des Abstrakten (der Modellwelt) mit dem Konkreten (der Realwelt) beruhen. Sie sind für die hier im Zentrum stehende

1691 1692

auch immer, doch der gute Wille dazu verlässt. Unter Berücksichtigung ihrer kognitiven (fragmentarischen) Wahrnehmungsfähigkeit werden diese Menschen in ihrer Interessenbewertung nicht dem gerecht, was sie sehen. Vgl. dazu Abschnitt 4.1.1. Genauso, wenn auch aus anderen Gründen, fehlt die Markierung im Bereich des „impartial spectator“. Dieser führt keine Interessenbewertung anhand normativer Ethikkonzeptionen durch, sondern ist aufgrund seiner Allsichtigkeit imstande, die wirkliche Interessenlage aller Betroffenen hundertprozentig zu erfassen.

Metaphysisches und ethisches Analysegerüst

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managementethische Untersuchung von besonderer Relevanz. Zum anderen handelt es sich um Fehlschlüsse, denen eine Verwechslung des Konkreten mit dem Abstrakten zugrunde liegt. Um die Argumentation weiter zu fundieren, wird zudem eine Abgrenzung zwischen Fehlschlüssen und Abwägungen vorgenommen.

8.1.3

Arbeitsplatzbezogene Fehlschlüsse („Fallacies“)

Im vorigen Abschnitt wurde im Zuge der Ausführungen zur Einordnung des moralischen Realismus in den gesamtmetaphysischen Kontext auf die Gefahr des Auftretens von Fehlschlüssen hingewiesen, die (auch im Zusammenhang mit arbeitsplatzbezogenen Bewertungen und Entscheidungen) den Nährboden für unterschiedlich geartete (management-)ethische Probleme bilden. Das Zustandekommen, die Hintergründe und Auswirkungen solcher Fehlschlüsse, aber auch, damit zusammenhängend, die Abgrenzung zwischen Fehlschlüssen und Abwägungen stehen nun im Zentrum der beiden folgenden Unterabschnitte. Wie am Ende des letzten Abschnitts angemerkt, spielt bei der näheren Bestimmung, Einordnung und Interpretation von Fehlschlüssen vor allem die Differenzierung zwischen Abstrakt und Konkret bzw. Modell und Wirklichkeit eine Rolle. Auch bei arbeitsplatzbezogenen Fragen führt die Ignorierung einer der beiden Ebenen an den eigentlichen Problemen und realen Verhältnissen vorbei, weshalb im Folgenden auf Basis der bisherigen Erkenntnisse ein weiterer theoretischer Rahmen dargelegt wird, der sich in seiner Realitätssicht dadurch auszeichnet, dass er vom Aufbau her nicht ideologisch verkürzt, also durch Simplifizierungen in eine gewisse Richtung verzerrt ist, sondern sowohl die Welt des Konkreten (des wirklichen Geschehens, der konkreten Transaktionen) als auch des Abstrakten (der Modelle, (Regel-)Systeme) erfasst. Der Umstand, dass im vorliegenden Theorierahmen die endlose metaphysische Komplexität der Wirklichkeit abgebildet wird, ist für sich genommen wichtig, da dadurch Anerkennung und Verständnis für die komplexe Eigenlogik beider Diskursarten bzw. Wirklichkeitsdimensionen geschaffen und, damit verbunden, eine Basis für vertiefte und kritische Diskussionen in beide Richtungen gelegt wird. Zudem lassen sich die vielfältigen Unterschiede (Beziehungen, Abhängigkeiten) zwischen der Welt des Konkreten und Abstrakten ausleuchten, und das nicht nur auf theoretischer Ebene, sondern auch praktisch und anwendungsbezogen, d. h. im Kontext diverser gesellschaftlich-sozialer Beziehungen, Systeme und Gebilde (z. B. Unternehmen). All das zusammengenommen erlaubt es Wissen-

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

schaftlern (Ökonomen, Sozialwissenschaftlern usw.) und Praktikern (in den Unternehmen, Gewerkschaften usw.) gleichermaßen, die jeweils eigene Position und den eigenen Umgang mit der Realität zu lokalisieren, zu reflektieren und die Grenzen und Defizite (z. B. Verkürzungen) in der eigenen (Forschungs-)Perspektive zu erkennen. Durch den Theorierahmen werden insofern auch Voraussetzungen für eine qualitativ abgewandelte Wirklichkeitsanschauung bzw. Perspektivenerweiterung in Bezug auf die plurale Konstitution der Wirklichkeit geschaffen.

8.1.3.1 „Fallacy of Misplaced Concreteness“ und „Fallacy of Disregarded Abstractness“ Zunächst wird die Seite des Abstrakten betrachtet. Anhänger dieser Richtung (z. B. neoklassische Ökonomen und klassische Vertreter des Shareholder-ValueGedankens wie FRIEDMAN, Aktionärsaktivisten wie WENGER, Wirtschaftsethiker wie HOMANN und PIES) argumentieren, wie gezeigt, quantitativ (ökonomisch, volkswirtschaftlich)1693. Sie lobpreisen die effizienten Ergebnisse der abstrakten Marktlogik, blenden dabei aber qualitativ-ethische Fragen der konkreten arbeitsplatzbezogenen Lebenswelt aus (etwa das Schicksal geringqualifizierter oder älterer Arbeitnehmer, die keine Beschäftigung mehr finden), da sie diese nicht wahrnehmen. Der Begriff „Wahrnehmen“ wird dabei analog zum alltäglichen Sprachgebrauch verwendet, sodass zwei Bedeutungsdimensionen zu beachten sind: Zum einen ist zu fragen, ob bestimmte Probleme und Risiken, welche für gewisse Akteure (z. B. Arbeitnehmer) ungünstig oder bedrohlich sind, überhaupt (z. B. vom Management) als Probleme wahrgenommen (erkannt, empfunden) werden. Das ist die Bedingung, damit im Folgeschritt Verantwortung für die Probleme übernommen, die Probleme also aktiv angepackt werden können 1694, womit eine weitere Begriffsbedeutung anklingt. Wichtig ist nun, dass ein Fehlschluss an beiden Bedeutungsdimensionen ansetzen kann: Zum einen, und hierin liegt die eigentliche (ursprüngliche) Erscheinungsform eines Fehlschlusses, kann der Fall eintreten, dass ein Akteur eine Problemlage fälschlicherweise von vornherein nicht wahrnimmt (im Sinne von „sehen“, „erkennen“), da seine Wahrnehmung vereinseitigend oder skizzenhaft (eben fehlschlüssig) ist. Zweitens ist denkbar, dass ein 1693 1694

Vgl. dazu Abschnitte 5.1.2, 5.1.3 und 5.2.2 sowie Unterkapitel 7.1. „Die Wahrnehmung von Verantwortung im Sinne ihrer Übernahme setzt ihre Wahrnehmung im Sinne ihres Erkennens voraus“ (KÖRTNER 2005, S. 187).

Metaphysisches und ethisches Analysegerüst

459

Akteur eine Problemlage zwar im skizzierten Sinne wahrnimmt, sich also bewusst ist (bzw. „sieht“, „erkennt“), dass faktisch ein Problem existiert, darauf aber einseitig (monodimensional) agiert, also nicht in dem Umfang Verantwortung wahrnimmt (im Sinne von „anpacken“), wie er es eigentlich (objektiv) könnte, da er dies ablehnt oder für unwichtig hält. In der metaphysischen Terminologie von WHITEHEAD könnte man sagen: Es wird nichts, zu wenig oder das Falsche getan, obwohl die Situation in Richtung der Moral noch weitergehende reale, ergreifbare Möglichkeiten eröffnet und zugelassen hätte (etwa ein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen zugunsten weicherer Maßnahmen)1695. Auch in dieser Konstellation eines Wahrnehmungsdefizits wird nach der hier vertretenen Auffassung ein Fehlschluss begangen. Wie angedeutet, basiert das zuerst betrachtete Wahrnehmungsdefizit im Hinblick auf das Konkrete darauf, dass Akteure durch ihren Bias in Richtung abstrakter Modellwelt das Zusammenspiel zwischen Modell und Wirklichkeit übergehen oder, anders gesagt, „das abstrakte Modell des Wirtschaftssystems [das Abstrakte, Ideelle, Konzeptionelle, Lehrbuchmäßige] mit der konkreten Wirklichkeit des Wirtschaftsgeschehens [dem Konkreten] verwechseln“1696. Für diese Verwechslung nutzt SCHRAMM als Aufhänger den Begriff der „Fallacy of Misplaced Concreteness“1697 („FoMC“), den WHITEHEAD, um auf den Originalzusammenhang hinzuweisen, als Kritik am Weltbild der klassischen Physik des 19. Jahrhunderts hervorgebracht hat1698. Während die ursprüngliche, auf eine Abstraktion der klassischen Physik bezogene Kritik mit dem kosmologischen Teil der Metaphysik verbunden ist, bezieht sich die hier interessierende Fassung des „FoMC“ - dasselbe gilt für den gleich zu behandelnden „Fallacy of Disregarded Abstractness“ („FoDA“) - nicht auf die Kosmologie, sondern auf das Marktsystem und das Verhalten der Menschen im Markt.

1695 1696 1697

1698

Vgl. SCHRAMM (2012), S. 23. SCHRAMM (2015a), S. 180. Vgl. SCHRAMM (2016b), S. 3, 16f., 26, 27, 55; SCHRAMM (2016c), S. 151; SCHRAMM (2016d), S. 153ff.; SCHRAMM (2016e), S. 338ff.; SCHRAMM (2014b), S. 14; SCHRAMM (2015a), S. 179; WIELAND (2016), S. 290ff. „Ein Irrtum ist da; [...] der das Abstrakte für das Konkrete hält. Es ist ein Beispiel für den Fehler, den ich den «Trugschluss der unangebrachten [unzutreffenden] Konkretisierung» [„Fallacy of Misplaced Concreteness“] nenne. Dieser Trugschluss gibt Anlass zu großer philosophischer Verwirrung“ (WHITEHEAD 1949, S. 65f.). WHITEHEAD diagnostizierte den „FoMC“ im Hinblick auf die „Prämissen in der Mechanik der klassischen Physik“ (SCHRAMM 2016b, S. 4; vgl. auch ebd., S. 20ff.; SCHRAMM 2015a, S. 177; SCHRAMM 2016e, S. 322ff.).

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Hierauf aufbauend ist festzustellen, dass sämtliche unternehmens- bzw. arbeitsplatzbezogenen und gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge und Probleme 1699, für die ein „FoMC“ denk- oder beobachtbar ist, immer (oder zumindest als Möglichkeit) auch ein ebenso extremes Pendant auf der nicht- oder antiökonomischen Gegenseite haben1700. Während die ökonomistisch verengte (auf das Abstrakte fokussierte) Seite dazu neigt, anzunehmen, dass die Marktlogik pur immer anwendbar ist und perfekt funktioniert, neigt die andere Seite dazu, die Marktlogik (das Abstrakte) aus einem antiökonomischen bzw. -systemischen Affekt heraus zurückzudrängen oder zu ignorieren. Wie gezeigt, tendieren ökonomische Laien im weiteren Sinne (die breite Bevölkerung, das Gros der Arbeitnehmer, Sozialwissenschaftler, Theologen, linke Politiker) dazu, weniger wirtschaftssystemisch zu denken1701, obwohl das, wie noch deutlich wird, für die realistische Betrachtung und Bewertung der wirtschaftlichen Realität notwendig erscheint. Stattdessen argumentieren sie eher spontan und konkret (typische Forderungen lauten: „Unternehmen müssen Arbeitsplätze schaffen“ usw.), d. h. sie haben primär die Nachteile und Ungerechtigkeiten des Abstrakten (etwa des abstrakten, über sie hereinbrechenden Marktsystems) vor Augen und lehnen es daher ab 1702. Oder zugespitzt gesagt: Sie bewegen sich nur auf der Ebene des Konkreten und verweigern es, sich einem abstrakten (Wettbewerbs-)Mechanismus zu beugen oder anzuvertrauen, und das, obwohl ihnen, zumindest wenn sie - um die Terminologie von HOMANN zu verwenden - ökonomisch „aufgeklärt“ sind 1703, bewusst sein dürfte, dass Unternehmen Gewinne erzielen müssen und das Marktsystem zu allgemeinem Wohlstand führt1704. Dabei dürfte es im vorliegenden Kontext (analog zu den Ausführungen zum „FoMC“) sinnvoll sein, mindestens zwei Gruppen von Akteuren zu differenzieren: Einerseits jene, die sich beider „Fallacies“ kognitiv im Klaren sind und die Argumente beider Seiten kennen, trotzdem aber bewusst Wertungen und Entscheidungen treffen, welche (partiell) gegen die Marktlogik gehen (z. B. ein

1699

1700 1701 1702

1703 1704

Zu denken ist etwa an Fragen der Verantwortung der Unternehmen gegenüber der Umwelt (z. B. in Sachen CO2-Intensität der Produktion), den Verbrauchern (z. B. in Sachen Nahrungsmittelsicherheit) oder Arbeitnehmern (z. B. in Sachen Arbeitsplatzsicherheit) sowie Fragen der Privatisierung bzw. Auslagerung von Staatsaufgaben. In diesen Bereichen führen die beiden hier vorgestellten „Fallacies“ zur Verkomplizierung der Konsensfindung. Vgl. SCHRAMM (2014b), S. 16; SCHRAMM (2016d), S. 156. Vgl. dazu Unterkapitel 5.3. Vgl. dazu Abschnitt 3.3.1 sowie für eine ähnliche Argumentation im Kontext mit dem Freihandelsabkommen TTIP SCHRAMM (2014b, S. 13, 16). Vgl. HOMANN/ LÜTGE (2004), S. 117; HOMANN (2002b), S. 105. Vgl. SCHRAMM (2016c), S. 153f.; SCHRAMM (2016d), S. 157f.

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sozialverträglicher Stellenabbau) oder stärker durch die Marktlogik dominiert werden (z. B. Entlassungen unter Missachtung der Umstände der Betroffenen) 1705; andererseits jene, die sich der beiden „Fallacies“ von vornherein nicht oder kaum bewusst sind und in ihrer - in die eine oder andere Richtung - verzerrten Entscheidung tatsächlich die wahre Wirklichkeit sehen. Der springende Punkt in beiden Fällen ist nun, dass durch die tendenzielle Ignoranz des Abstrakten bzw. des Systemgedankens das produktive Entdeckungsverfahren, das eine Errungenschaft der Neoklassik darstellt1706, beendet oder zumindest infrage gestellt und verlangsamt wird, was trotz bestehender (z. B. ökologischer) Wachstumsprobleme und Regulierungsnotwendigkeiten als (moralischer) Rückschritt zu werten ist. Vor diesem Hintergrund entpuppt sich die beschriebene Haltung ebenso als „Fallacy“, genauer als „Fallacy of Disregarded Abstractness“ („FoDA“), als Trugschluss der ausgeblendeten oder ignorierten Abstraktheit (ausgeblendet wird das Abstrakte, etwa das abstrakte Marktmodell, das realiter aber bedeutsam ist)1707. In Anlehnung an WHITEHEADs Definition des „FoMC“ (“There 1705

1706

1707

Das Problem kann auch folgendes Beispiel illustrieren: Routinierte Gewerkschaftsfunktionäre wissen über ökonomische Funktionszusammenhänge in der Regel Bescheid, zumal sie vonseiten der Arbeitgeber fortlaufend damit konfrontiert werden. Zugleich stehen sie unter einem professionellen Druck, der diese ökonomische Logik überwiegen kann, sodass in der Folge die abstrakte Dimension ausgeblendet und ein „FoDA“ begangen wird. Vgl. SCHRAMM (2016b), S. 17, 25; SCHRAMM (2014b), S. 15f.; SCHRAMM (2015a), S. 180. Dass sich die Menschheit in ihren realen Spielzügen einem globalen, abstrakten Marktsystem von Angebot und Nachfrage (inklusive Wettbewerb) anvertraut, ist eine nicht selbstverständliche Entwicklung, die für ARISTOTELES noch undenkbar und moralisch verwerflich gewesen wäre („Wirtschaft“ war bei ARISTOTELES Hauswirtschaft (gr. oikonomia; aus oikos: Haus/ Haushalt und nomia (von nomos): Gesetz), mit einem Hausvater als Chef der Familienökonomie). Dennoch ist das Marktsystem, das ein Wettbewerbssystem ist, eine kulturelle Errungenschaft, die für die Menschheit - auch im politischen Bereich (Stichwort: „Wettbewerbsdemokratie“) - zur Besserstellung geführt hat (vgl. dazu Abschnitt 5.1.1). Daher erscheint es produktiv, sich partiell vom Marktmechanismus leiten zu lassen. Zur Verdeutlichung bietet sich eine Parallele zum Fußball an (vgl. SCHRAMM 2014b, S. 15; HOMANN 2015, S. 51): Ein gutes Fußballspiel kommt dann zustande, wenn sich die Spieler den Spielregeln „anvertrauen“. Ein Spiel, das durch Fouls dominiert wird, ist ein schlechtes Spiel. Dennoch, und das will LUHMANN mit seiner Systemperspektive womöglich zum Ausdruck bringen, ist es nicht selbstverständlich, dass sich die Spieler auf dem Spielfeld (reale Menschen im Hier und Jetzt) etwas Abstraktem wie Spielregeln (einem Systemmechanismus) anvertrauen. Vielmehr ist es als erstaunliche Tatsache zu werten, dass die Spielregeln in der Lage sind, Ordnung zu schaffen. Hinzuzufügen ist, dass LUHMANN mit seiner Systemperspektive keinen „FoMC“ begeht. Er legt seinen Fokus zwar auf die Unterscheidung, Untersuchung und Beschreibung von Systemen, anders aber als etwa bei WENGER oder neoklassischen Ökonomen ist seine Wirklichkeitskonstruktion der Lebenswelt der Menschen nicht auf ein gewisses System (etwa das Wirtschaftssystem mit dem Code „zahlen/ nicht zahlen“) verengt. Vgl. SCHRAMM (2016d), S. 156ff.

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is an error; […] it is […] the […] error of mistaking the abstract for the concrete“1708) lässt sich der „FoDA“ wie folgt definieren: “There is another - opposite - error; it is the error of absolutizing (overemphasizing, totalizing) the concrete while at the same time ignoring (disregarding) and/ or degrading (also devaluing, underestimating) the abstract. This is what I will call the fallacy of disregarded abstractness“. Der „FoDA“ stellt damit, so wie sein ökonomisches Pendant auf der Gegenseite, einen Akt der Vereinseitigung dar: Gesehen wird die konkrete, direkte Face-to-face-Wirklichkeit, die Systemebene wird aber vernachlässigt. Nicht zu verschweigen ist, dass es auch (korrupte, nepotistische) Transaktionen gibt, bei denen der Marktmechanismus bzw. das Sichanvertrauen an einen abstrakten Marktmechanismus unterlaufen wird. Die Schwierigkeit besteht daher darin, das Abstrakte (z. B. das Wettbewerbssystem) in transparenter, fairer Form in die Wirklichkeit zu transferieren. Dennoch unterliegen all jene, die die Verdienste des Wettbewerbssystems ausblenden, also nicht bereit sind, abstrakt anzuerkennen, dass der Wettbewerb im Sinne von VON HAYEK (1968) ein Entdeckungsverfahren ist, das Innovationen und technischen Fortschritt stimuliert, einem „FoDA“. Die Aufgabe der (Business) Metaphysics besteht mit Blick auf diesen Fehlschluss folglich darin, „sich als „Kritikerin der ignorierten Abstraktionen“ […] oder als „Kritik der Kritiker der Abstraktionen“ […] nützlich zu machen“1709. Wie bis zu dieser Stelle deutlich geworden sein dürfte, handelt es sich sowohl im Falle des „FoMC“ als auch im Falle des „FoDA“ deswegen um „Fallacies“, da beide Male nicht die gesamte objektiv gegebene Wirklichkeit gesehen („wahr“genommen), sondern jeweils ein bestimmter Teil der Wahrheit ausgeblendet wird. Akteure, die das abstrakte Wirtschaftsmodell mit dem wirklichen Wirtschaftsgeschehen verwechseln, haben ein unvollständiges Bild der Wirklichkeit. Dasselbe gilt für Akteure, die ignorieren, dass das Abstrakte einen produktiven Teil der Lebenswirklichkeit der Menschen darstellt. Der Umstand, dass sich diese Akteure (jeweils auf ihre Weise) ignorant gegenüber der Realität zeigen, ist als objektive Realität zu sehen, soll heißen, auch die Figur des „impartial spectator“ mit ihrem universalen Blickwinkel würde den betreffenden Akteuren einen „Fallacy“ („FoMC“ oder „FoDA“) bescheinigen. In einem nächsten Schritt soll aufgezeigt werden, wie beide „Fallacies“ in das bereits bekannte dreigeteilte Phasenschema bei der Umsetzung des Moral Point of View (und damit zugleich in den im vorigen 1708 1709

WHITEHEAD (1925/ 1967), S. 51. SCHRAMM (2016d), S. 158.

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Abschnitt entwickelten theoretischen Bezugsrahmen zur Einbindung des moralischen Realismus in den gesamtmetaphysischen Kontext) einzuordnen sind. Da es sich bei der Begründungs- und Anwendungsebene um rein moralische Ebenen handelt, ist der „FoMC“ durch seine exklusive Fokussierung auf die abstraktökonomische Logik zunächst der Implementierungsebene zuzuordnen, welche die polydimensionale Wirklichkeitsebene darstellt. Anders formuliert: Wirklich konkret wird der „FoMC“ nur auf der Implementierungsebene, da hier neben der ökonomischen auch alle anderen Dimensionen eine Rolle spielen. Wie in Abschnitt 4.1.3 erläutert, lautet die Kernfrage der Implementierungsebene: Welches ist die geeignete Strategie, um das Richtige zu erreichen? Eine Ausblendung der anderen Dimensionen ist auf der Implementierungsebene also nicht möglich, ohne einen „FoMC“ zu begehen, denn dieser offenbart sich gerade darin, zu meinen, die abstrakte(n) Ebene(n) entspräche(n) der konkreten Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist aber polydimensional. Jedoch, und das ist mit Blick auf reale heterogene Entscheidungen im unternehmens- und arbeitsplatzbezogenen Kontext wichtig, ist bei der Analyse des Wesens und der Entstehung beider „Fallacies“ auch die Anwendungsebene relevant, auf der, wie im vorigen Abschnitt herausgearbeitet, die beiden den moralischen Realismus konstituierenden Schritte der Interessenwahrnehmung und -bewertung angesiedelt sind. Die Kernfrage der Anwendungsebene lautet: Was ist das Richtige? Um in der lokalen Anwendungssituation das moralisch Richtige zu identifizieren, ist, wie ebenfalls dargestellt, jede lokale Situation in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Die Leitdifferenz der Anwendungsebene (im ethischen Diskurs) ist zwar primär ethisch, gleichwohl müssen andere Dimensionen (bzw. hinter diesen Dimensionen stehende Funktionslogiken, Interessen, Sichtweisen), die für die konkreten Rahmenbedingungen der lokalen Anwendungssituation eine Rolle spielen, hier bereits mit berücksichtigt werden, um zur realistischen Moral bzw. moralisch vergleichsweise angemessenen Lösung des konkreten Falls zu gelangen. Das gilt für sämtliche heterogenen Entscheidungskonstellationen, in denen es nicht nur um reine Moralfragen (wie etwa bei KANTs Lügenverbot) geht. Zur Verdeutlichung kann folgendes, bereits an früherer Stelle angeführtes Beispiel herangezogen werden, das den Widerstreit zweier ethischer Ideale vor Augen führt1710: Arbeitnehmer haben ein Interesse an einer dauerhaft sicheren Stelle, wes-

1710

Vgl. dazu Abschnitt 4.1.2, der sich mit dem ethischen Anwendungsdiskurs befasst.

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halb Arbeitsplatzsicherheit auf der Anwendungsebene als ethisches Ideal betrachtet werden kann. Zugleich sind sie als Konsumenten an günstigen Produkten oder als Anleger an einer positiven Kursentwicklung interessiert, wodurch andere ethische Ideale zum Ausdruck kommen, welche das vorgenannte Ideal der Arbeitsplatzsicherheit konterkarieren können (nicht müssen). Die Zielrichtung der Anwendungsebene liegt nun vereinfacht in der Frage, was angesichts dieser realen Bedingungen ethisch vergleichsweise richtig ist (ob also z. B. Mitarbeiter entlassen werden sollen oder nicht). Der hier entscheidende Faktor ist (und das soll das Beispiel zeigen), dass bei derartigen Abwägungen zwischen widerstreitenden Moralen auf der Anwendungsebene die Marktlogik bereits implizit beachtet werden muss, da andernfalls ein Vergleich der Handlungsalternativen von Anfang an unmöglich wäre (so hat im Hintergrund die Überlegung mitzuspielen, dass der Markt eine Veranstaltung zum Konsumentennutzen ist, dass Shareholder einen Anspruch auf Rendite haben und dgl. mehr). Diese Ebenenvermischung tritt nicht nur im Zusammenhang mit dem „FoMC“ ein, sondern genauso beim „FoDA“. Zur Verdeutlichung sei als Beispiel ein Arbeitnehmer angeführt, der seine Stelle verloren hat und sich in der Folge die Frage nach den Hintergründen und der Legitimität seiner Entlassung stellt. Es ist offensichtlich, dass er, um derartige Überlegungen anstellen und womöglich konkrete Forderungen an den früheren Arbeitgeber formulieren zu können, seine Perspektive neben der moralischen Dimension, die den unbedingten Wert von Arbeit bzw. des Arbeitsplatzes für die Würde des Menschen hochhebt, auf andere Dimensionen sowie dahinterstehende Zusammenhänge und Wirkungsgeflechte ausweiten muss, die in der lokalen Anwendungssituation, die eine Entlassungssituation darstellt, eine Rolle spielen (so hat er, um nur einen Anknüpfungspunkt anzuführen, sein persönliches Qualifikationsprofil kritisch zu hinterfragen und zu prüfen, inwiefern dieses den aktuellen Arbeitsmarktanforderungen noch gerecht wird; dabei kommt er nicht darum herum, sich die Funktionsmechanismen des wettbewerblichen Marktsystems mit all seinen negativen wie positiven Implikationen für das menschliche Leben vor Augen zu führen, usw.). Um auf der Anwendungsebene also bewerten zu können, was im Entlassungsfalle moralisch richtig oder falsch ist (und um auf der Implementierungsebene keinem „FoDA“ zu verfallen), muss bereits auf der Anwendungsebene die abstrakte Systemebene (im Sinne von HOMANN) zwingend in die Betrachtung einbezogen werden.

Metaphysisches und ethisches Analysegerüst

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Im folgenden Unterabschnitt 8.1.3.2 werden zum Abschluss der Betrachtung des metaphysischen Hintergrunds die beschriebenen (verfehlten) Fehlschlüsse - die Verwechslung des Abstrakten mit dem Konkreten, aber auch die Ignorierung des Abstrakten - weitergehend untersucht und von (vernünftigen) Abwägungen abgegrenzt, um den Aussagegehalt des entwickelten theoretischen Bezugsrahmens weiter zu erhöhen und ihn den real stattfindenden Managemententscheidungsprozessen im arbeitsplatzbezogenen Kontext noch besser annähern zu können.

8.1.3.2 Abgrenzung zwischen Abwägungen und Fehlschlüssen Im Folgenden wird anhand der in Abb. 41 dargestellten Skala das zwischen dem „Fallacy of Misplaced Concreteness“ („FoMC“) und dem „Fallacy of Disregarded Abstractness“ („FoDA“) bestehende Spannungsfeld analysiert und, damit verbunden, eine Abgrenzung zwischen Fehlschlüssen und Abwägungen vorgenommen. y-Achse: Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Fehlschluss-Kombination x FoMC 100%

80%

60%

50%

20%

40%

50%

40%

20%

60%

80%

FoMC 0%

M FoDA 0%

F1

AF1

ABal.

AF2

FoDA 100%

F2

Abb. 41: Spannungsfeld zwischen „FoMC“ und „FoDA“1711

Die den Ausführungen zugrunde liegende Skala ist dabei wie folgt zu interpretieren: Die Enden der Skala markiert einerseits der „FoMC“ (F1), der für eine hundertprozentig ökonomistische (mechanische, systemische) Haltung steht, andererseits der „FoDA“ (F2), der eine hundertprozentig moralisierende Haltung zum 1711

Quelle: Eigene Darstellung.

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Ausdruck bringt und - allgemein gesagt - für die von Systemregeln losgelöste Face-to-face-Wirklichkeit steht1712. Beide Haltungen (bzw. Standpunkte, Einstellungen) wurden im vorigen Unterabschnitt ausführlich dargelegt, wobei deutlich geworden ist, dass „[w]eder die Ökonomisten noch die Moralisten dieser Welt […] richtig [liegen], weil sie beide meinen, man könne die polydimensionale konkrete Wirklichkeit monodimensional reduzieren“1713. In F1 (bzw. F2) wird der „FoDA“ (bzw. „FoMC“) zu 0 % begangen. Die Mitte der Skala (M) ist als Zustand zu interpretieren, in dem beide „Fallacies“ bzw. die den „Fallacies“ zugrunde liegenden Annahmen gleichzeitig (zu je 50 %) begangen oder als handlungsleitende Strukturen gesehen werden. Die y-Achse hat, wie das gesamte Modell, keine streng mathematisch-statistische Bedeutung, sondern dient als handwerkliches Instrument zur Darstellung der Zusammenhänge. Der auf der y-Achse abgetragene „aufgeblähte“ Bereich über- und unterhalb der x-Achse soll zeigen, dass solche F1-F2Kombinationen wahrscheinlicher sind, die in den mittleren, balancierten Abwägungsbereich der Skala fallen, der das Bindeglied zwischen beiden „Fallacies“ bildet. Seltener sind weiter außen liegende, in den unbalancierten Abwägungsbereich fallende Kombinationen. Darauf wird noch einzugehen sein. Punkte links und rechts von M repräsentieren Zustände, in denen beide hinter F1 und F2 stehenden Grundannahmen in Bewertungen und Entscheidungen einfließen, aber in verschiedenen Verhältnissen, die in Richtung der Skalenendpunkte zunehmend unausgeglichener werden. Bereits hier sei so viel gesagt, dass derartige Mischfälle in vielen Alltagssituationen den Normalfall bilden, sodass davon auszugehen ist, dass sowohl der „FoMC“ als auch der „FoDA“ in diversen Ausprägungen und Intensitätsstufen auftreten. Normale Akteure werden keinem reinen „Fallacy“ unterliegen, sondern irgendwo innerhalb des skizzierten Rahmens hin und her changieren. F1 und F2 stellen folglich theoretische Grenzfälle dar, die für das Verständnis von im Laufe der Arbeit entwickelten Argumentationen zwar wichtig, in der Realität aber eher selten in Reinform anzutreffen sind. Die arbeitsplatzbezogene Realität ist immer heterogener als die theoretischen Schubladen (Begriffe, Konzeptionen), 1712

1713

An dieser Stelle fällt auf, dass die Punkte F1 und F2 mit dem normativistischen (F1) und empiristischen Fehlschluss (F2) bei HOMANN/ SUCHANEK (2005, S. 169) zusammenhängen. Im Folgenden wird aber deutlich, dass der hier entwickelte Ansatz in Teilen „elaborierter“ erscheint, da von Anfang an beachtet wird, dass die Realität „messy“ ist und sich Managementprobleme nicht immer nach dem Muster eines dreiteiligen Syllogismus herunterdeklinieren lassen. Zwar gibt es Fälle, in denen es klappt, (1) moralische Ideale in (2) ökonomisch aufgeklärter Weise umzusetzen, sodass (3) die richtigen Schlussfolgerungen und Gestaltungsempfehlungen resultieren. Das gelingt aber nicht immer. SCHRAMM (2016d), S. 163.

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welche - wie die betrachteten „Fallacies“ - genutzt werden, um der Wirklichkeit mehr Struktur zu verleihen1714. Der Zweck und Nutzen der theoretischen Schubladen liegt darin, die plurale Wirklichkeit in Bestandteile aufzulösen und (dem Wortsinn nach) zu „analysieren“, was wie und warum passiert. Dabei gilt es zu bedenken, dass die einzelnen Bestandteile, die im Rahmen der Wirklichkeitsanalyse sichtbar werden, nicht die gesamte Wirklichkeit widerspiegeln, sondern nur Teilperspektiven (andernfalls beginge man gerade wieder einen Fehlschluss). Erklärungsbedürftig ist zunächst der Abwägungsbereich der Skala, der sich auf die alltägliche Wirklichkeit bezieht. Um diesen Bereich zu beleuchten, wird im ersten Schritt (1) auf die Unterscheidung zwischen (verfehlten) „Fehlschlüssen“ und (mehr oder minder vernünftigen) „Abwägungen“ eingegangen. Für eine wirklichkeitsangemessene Beschreibung lokaler Entscheidungssituationen erscheint dieser Schritt essenziell. Danach wird gezeigt, dass der Abwägungsbereich sinnvollerweise in einen (2) balancierten und (3) unbalancierten Abschnitt einzuteilen ist. Zudem wird (4) darauf eingegangen, warum der hier erörterte Abwägungsgedanke gerade aus der Perspektive einer Mikro-Managementethik unabdingbar erscheint. Damit verbunden wird die Frage nach den Zusammenhängen zwischen dem entwickelten metaphysischen Theorierahmen und der Behavioral Economics bzw. Behavioral Business Ethics thematisiert. (1) Fehlschlüsse vs. Abwägungen: Die Realität ist, wie an vielen Stellen der Arbeit ersichtlich, komplex und vieldeutig („messy“). In der Wirklichkeit müssen daher Abwägungen vorgenommen (z. B. müssen „[b]ei einer [arbeitsplatzbezogenen] Personalentscheidung […] personale Schadens- und betriebliche Nutzengrößen gegeneinander abgewogen“1715) und Mittelwege zwischen den eindeutigen Idealwelten bzw. Extrempositionen F1 und F2 identifiziert werden. Dabei ist zu beachten, dass die Unterscheidung zwischen Abwägungen und Fehlschlüssen nicht trennscharf ist und im realen Management nie genau gelingt. Menschen sind weder perfekt, noch haben sie einen „göttlichen“ Überblick im Sinne eines „view from nowhere“1716, der es ihnen gestatten 1714

1715 1716

Grundsätzlich kann festgehalten werden: „[D]ie pauschale Zurückweisung moralischer Ansprüche mit Verweis auf die harten Wettbewerbsbedingungen hilft aller Voraussicht nach ebensowenig weiter wie das Wegdefinieren des Wettbewerbsmechanismus zur Durchsetzung altruistischen Verhaltens“ (SCHIEL 2014, S. 2). KARMASIN (1996), S. 335. NAGEL (1989). Vgl. dazu (Unter-)Abschnitte 7.3.4.2 und 8.1.2.

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würde, frei von Fehlschlüssen zu denken. Menschliche Denkweisen und Wahrnehmungen von Problemlagen sind immer zu einem gewissen Teil fragmentarisch, vereinseitigend, skizzenhaft und kontingent - und damit fehlschlüssig. Daher ist es hilfreich, sich potenzielle Fehlschlüsse vor Augen zu halten, um das Problem der Fehlschlüssigkeit zu minimieren. Was die Unterscheidung zwischen Fehlschlüssen und Abwägungen angeht, so ist zu sehen, dass das Management im täglichen Geschäft zwar regelmäßig schwierige oder tragische Abwägungen vorzunehmen hat, dass es dabei aber häufig richtige Abwägungen trifft und per Saldo zu sauberen, angemessenen Entscheidungen gelangt, mit denen kein oder, wenn überhaupt, nur ein schwacher Fehlschluss begangen wird. Um dies an einem Beispiel zu erläutern: Einem Unternehmen, das in einer existenziell bedrohlichen Lage Mitarbeiter entlässt, kann nicht vorgehalten werden, es würde Modell und Wirklichkeit verwechseln oder gleichsetzen1717. Zugleich besteht kein Zweifel, dass sich Unternehmen bei ihrer Entscheidungsfindung von ökonomischen Modellannahmen leiten lassen müssen. Ebenso wäre es zu einseitig zu denken, Unternehmen, die Mitarbeiter sozialverträglich entlassen, würden dadurch automatisch die Systemebene vernachlässigen oder ausblenden (womit die FRIEDMANsche bzw. klassische Shareholder-Value-Sichtweise zum Ausdruck kommt, nach der sämtliche Aufwendungen für einen integren Stellenabbau als illegitime Besteuerung der Shareholder zu werten wären) 1718. Insofern zeigt das Beispiel bereits, wie wichtig es ist, Abwägungen und Fehlschlüsse inhaltlich voneinander zu trennen. Zudem führt es vor Augen, dass Abwägungsprozesse kompliziert sind und durch mehrere Dimensionen determiniert werden (vgl. Abb. 41, 1.): Die sozialverträgliche Komponente des Stellenabbaus geht einerseits gegen die Marktlogik, da sie mit Aufwendungen (für Abfindungen o. Ä.) verbunden ist, welche die Einordnung der Personalabbauentscheidung auf der Skala in Richtung F2 verschieben. Gleichzeitig ist vielen Unternehmen bewusst, dass sich ein sozialverträglicher Stellenabbau positiv auf die Reputation in der Öffentlichkeit (oder das Engagement der verbleibenden Beschäftigten) auswirken kann, was im Sinne der Marktlogik ist und tendenziell zu einer Rückverschiebung der Einordnung auf der Skala in Richtung F1 führt.

1717 1718

Vgl. dazu Unterabschnitt 8.3.2.3, Szenario A3. Vgl. dazu Abschnitt 5.1.1.

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Nun ist zu fragen, welche Strukturen die im vorliegenden Kontext betrachteten Abwägungen zwischen Modell und Wirklichkeit aufweisen können und mit welcher Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens zu rechnen ist. Der eigentliche Abwägungsbereich ist, wie aus Abb. 41 hervorgeht, in einen balancierten und einen (bzw. genauer: zwei) unbalancierte(n) Abschnitt(e) aufgeteilt. (2) Balancierter Abwägungsbereich: Zunächst ist zu klären, wie der balancierte Abwägungsbereich zu interpretieren ist. Hierzu wird ein Blick auf die Mitte der Skala in Abb. 41 geworfen. Ein 50%iger „FoMC“ steht für eine ausgewogene ökonomische Bewertung oder Entscheidung, mit der keine ökonomistische Verengung des Problems vorgenommen wird. Genauer handelt es sich daher um keinen „Fallacy“, sondern einen balancierten Mittelzustand zwischen den Extremausprägungen der Skala. Analog dazu stellt der 50%ige „FoDA“ eine balancierte humane bzw. soziale Entscheidung dar, die aber keine moralistische Tendenz (und folglich keinen Fehlschluss im eigentlichen Sinne) aufweist. Wie Abb. 41 zeigt, erstreckt sich der Abwägungsbereich fast über die gesamte Skala, nur die beiden „Fallacies“ fallen nicht hinein. Diese Anordnung ist wie folgt zu verstehen: Viele Managementsituationen gestatten oder erfordern es, balancierte Abwägungen zu treffen, durch die weder die konkrete Face-to-faceWirklichkeit (Moral) noch die Systemebene vernachlässigt werden1719. Solche balancierten Abwägungen umfassen aber nicht nur 50%ige-Fehlschlüsse, welche einen theoretischen Grenzfall abbilden, sondern auch solche Abwägungen, bei denen die den beiden Fehlschlüssen zugrunde liegenden Annahmen zwar einigermaßen ausgewogen, aber nicht völlig gleichrangig sind. Das ist damit zu begründen, dass bei (selbst ähnlich vernünftigen und gut informierten) Entscheidern die Blickwinkel immer etwas anders gelagert sind und deshalb abweichende Positionierungen getroffen werden. Als Konsequenz daraus fallen auch solche Bewertungen und Entscheidungen in den sauberen, ausbalancierten Abwägungsbereich, die durch eine etwas stärker ökonomisch oder moralisch ausgerichtete Perspektive geprägt sind. So würde etwa auch bei einem 60%igen „FoMC“ noch immer eine vernünftige, begründbare ökonomische Haltung vorliegen, die dann aber eine etwas stärkere ökonomische Tendenz (Ausrichtung, Fundierung) aufweist. Abb. 41 trägt dem Rechnung, indem sich der balancierte Abwägungsbereich - von rechts nach links gesehen - vom 40 bis 60%igen „FoMC“ (oder - von links nach rechts

1719

In diesem Sinne stellt SCHRAMM (2016d, S. 163) fest: „[D]ie („goldene“) Wahrheit [liegt] schlicht und ergreifend in der Mitte“.

470

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

gesehen - vom 40 bis 60%igen „FoDA“) erstreckt, wobei eine abgewandelte (z. B. 35/ 65-)Verteilung ebenso denkbar wäre, da die Prozentzahlen nur einen orientierenden Wert haben und dazu dienen, einen Eindruck über mögliche Szenarien zu vermitteln und grobe Vergleiche zwischen diversen Szenarien anzustellen. (3) Unbalancierter Abwägungsbereich: In der Unternehmenspraxis sind mitunter sehr schwierige Entscheidungen und Abwägungen zu treffen, die extrem unausgewogen und unbalanciert ausfallen, zugleich aber, was wichtig zu sehen ist, keine Fehlschlüsse, sondern managementethisch angemessen sind. Dazu sei nochmals bemerkt, dass die Unterscheidung zwischen Fehlschlüssen und Abwägungen einen Wahrnehmungsunterschied thematisiert: Fehlschlüsse sind allgemein eine Form von Blindheit für den jeweils anderen Aspekt oder die jeweils andere Dimension, der (die) zum Gesamtbild der Wirklichkeit aber dazugehört. Einmal wird fälschlicherweise nur das Abstrakte (F1), einmal nur das Konkrete (F2) gesehen. Fehlschlüsse treten also dann auf, wenn einseitige, unbalancierte Bewertungen und Entscheidungen getroffen werden, welche die Tendenz haben, zu stark ökonomisch (F1) oder sozial bzw. human (F2) angelegt zu sein - oder, um bei der allgemeineren Terminologie zu bleiben: welche die Tendenz haben, das abstrakte ökonomische Modell mit der Wirklichkeit gleichzusetzen (F1) oder die Systemebene zu vernachlässigen (F2). So ist ein Akteur, der den „FoDA“ begeht, blind für die Systemebene, was zur Folge hat, dass sein Urteil (unangebrachterweise) monodimensional bzw. reduktionistisch ausfällt. Bei Abwägungen erkennt der Akteur dagegen beide Dimensionen und ist sich der Polydimensionalität der lokalen Entscheidungssituation bewusst. Jedoch muss unausweichlich eine Abwägung getroffen werden, die zwischen den Extremen liegt. Situationen, die in den unbalancierten Abwägungsbereich fallen, treten im Vergleich zum balancierten Abwägungsbereich seltener auf, was in Abb. 41 durch den fallenden Verlauf der Häufigkeitskurven in Richtung F1 und F2 verdeutlicht wird. Dennoch sind sie von praktischer Relevanz, wobei zu bedenken ist, dass auch beim unbalancierten Abwägungsbereich keine Fehlschlüsse im eigentlichen Sinne begangen werden. Um das zu veranschaulichen, sei nochmals auf das obige Beispiel zum Personalabbau verwiesen: Manager können sich in tragischen Situationen gezwungen sehen, Teile der Belegschaft ohne größere Unterstützung zu entlassen, um die Unternehmensexistenz zu sichern. Diese Entscheidung wird primär durch die Systemebene (ökonomische Dimension) determiniert und stellt eine unbalancierte Abwägung dar (vgl. Abb. 41, 2.). Dennoch liegt kein „FoMC“

Metaphysisches und ethisches Analysegerüst

471

vor, sondern eine managementethisch angemessene Entscheidung1720. Nicht zu verkennen ist dabei, dass es häufig schwierig sein wird, die Grenze zwischen einem „FoMC“ und einer stark ökonomischen, aber gerechtfertigten Entscheidung zu ziehen, da beide Entscheidungsformen eng miteinander verwoben sind. Dazu kommt, dass die Ansicht darüber (wenn auch nicht die ontologische Gestalt an sich), was als Fehlschluss gilt und was nicht, durch kulturelle (IF) und andere externe Faktoren (wie die generelle Wirtschaftslage) mitbestimmt wird 1721. Entscheidungen, die in Kulturkreis a als (un-)balancierte Abwägung gewertet werden, gelten in Kulturkreis b eventuell bereits als „FoMC“ oder „FoDA“. Wenn, um ein Beispiel zu nennen, ein finanzstarkes Unternehmen hierzulande kurzfristig Mitarbeiter ohne Unterstützung entlässt, so würde man diese Transaktion sehr wahrscheinlich als „FoMC“ deuten, da sie monodimensional an der Mechanik der Marktlogik ausgerichtet ist, obwohl dies von den zugrunde liegenden Situationsbedingungen her nicht erforderlich wäre 1722. In den USA dagegen, wo eine „Hireand-Fire“-Politik zwar nicht die Regel, aber eher möglich ist, wo die Mobilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer insgesamt höher und es zudem üblicher ist, den Job innerhalb des Arbeitslebens öfters zu wechseln, würde man die Entscheidung in der Skala tendenziell weiter rechts einordnen. Wo die Grenze liegt, bei der Bewertungen nicht mehr als (un-)balanciert, sondern als Fehlschluss zu werten sind, ist nicht generell bestimmbar. Jedoch nimmt die Wahrscheinlichkeit für Fehlschlüsse an den Skalenrändern stetig zu. Dieser vage Bereich zwischen Abwägung und Fehlschluss wird in Abb. 41 durch die beiden gepunkteten Hinterlegungen (jeweils im Bereich der 95%igen-Fehlschlüsse) hervorgehoben. Eine äquivalente Argumentation resultiert sodann für das Pendant auf der Gegenseite (vgl. Abb. 41, 3.): Ein 80%iger „FoDA“ steht für eine stark moralische Bewertung oder Entscheidung eines Sachverhalts, die aber (noch) nicht moralistisch ist. Auch hier ist die Grenze zum „FoDA“ in vielen Fällen unscharf und nur schwer zu ziehen. Was aus Abb. 41 nicht hervorgeht, ist, dass theoretisch auch Zustände denk- und konstruierbar sind, in denen individuelle oder kollektive Akteure mit ein und derselben Entscheidung oder ein und demselben Geschäftsmodell (zumindest in einzelnen Facetten) beide Fehlschlüsse bzw. die den beiden Fehlschlüssen zugrunde

1720 1721 1722

Vgl. dazu Unterabschnitt 8.3.2.3. Vgl. dazu Abschnitt 7.3.3. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.3.2.3, Szenario A1(III).

472

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

liegenden Wahrnehmungsdefizite gleichzeitig begehen, und zwar nicht in abgestufter (z. B. als 80%iger „Fallacy“), sondern jeweils in Reinform (als Fehlschlüsse im eigentlichen Sinne). Wann ein solcher Zustand vorliegt, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig1723. Grundsätzlich handelt es sich aber um ambivalente Situationen, in denen auch widersprüchlich argumentiert wird, die von der Sache her eine Art Kuhhandel oder faulen Kompromiss darstellen und mit halbherzigen Zugeständnissen und Entschlüssen einhergehen, die weder Fleisch noch Fisch sind. Solche Konstellationen dürften daher eher die Ausnahme sein, was daran liegt, dass rational handelnde und moralisch interessierte Akteure versuchen werden, ihr (mit F1 korrelierendes) ökonomisches oder ihr (mit F2 korrelierendes) moralisches Interesse in allen durch ihre Entscheidung oder Strategie (positiv wie negativ) beeinflussten Bereichen zur Geltung zu bringen1724. 1723

1724

Ein vereinfachtes Beispiel für ein solches Geschäftsmodell könnte wie folgt aussehen: Unternehmer U ist einer der letzten seiner Branche, der noch in Deutschland produziert. U sieht es aus moralischen „Heimatwerten“ heraus als moralische Pflicht an, nur hierzulande zu produzieren, um so deutsche Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Nun ist ein solches, dem Globalisierungstrend gegenläufiges Vorgehen aus unternehmensethischer Sicht nicht per se als negativ zu werten, da U für die Sicherung heimischer Stellen Rechnung trägt (zumindest so lange, wie es ökonomisch tragbar erscheint). Aus globalisierungsethischer Sicht kann das anti-globale Geschäftsmodell von U aber auch als Form des „FoDA“ interpretiert werden, da es Investitionen in Entwicklungsländern blockiert. Für die Wohlstandsentwicklung solcher Länder kommt es darauf an, in die marktwirtschaftliche Wohlstandsmaschinerie integriert zu werden, was nur dann gelingt, wenn Arbeitsplätze vor Ort entstehen (vgl. dazu bereits Abschnitt 3.3.2). Niedriglohnländer sollten jedenfalls nicht ihres komparativen Kostenvorteils (nämlich: niedrigere Löhne) beraubt werden, da dieser ihre einzige Zugangschance zum Weltmarkt darstellt. Das geschieht aber durch die skizzierte nationaldeutsche Arbeitsplatzstrategie, da sie die Gesetzmäßigkeiten der abstrakten volkswirtschaftlichen Außenhandelstheorie ignoriert. Zugleich begeht U im vorliegenden Beispiel aber auch einen „FoMC“, der sich, so die Annahme, im Umgang mit den deutschen Mitarbeitern zeigt: U ist der einzige größere Arbeitgeber der Region, woraus ein hoher Abhängigkeitsgrad der Mitarbeiter zu U resultiert. Diese Abhängigkeit nutzt U systematisch aus, indem er Mitarbeiter schlecht bezahlt, Arbeitssicherheitsstandards ignoriert, ihnen kaum Weiterentwicklungsoptionen bietet und seine Macht - auch gegen die Interessen umliegender Gemeinden - kommunalpolitisch einsetzt (z. B. durch die Einforderung von Sonderrechten, Genehmigungen). Da es sich um ein vereinfachtes Beispiel handelt, wird die betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit des Vorgehens nicht diskutiert. Wichtig ist nur, dass es als „FoMC“ (im weiteren Sinne) gedeutet werden kann, da U auch im Umgang mit den Mitarbeitern einem Wahrnehmungsdefizit unterliegt, indem er fälschlicherweise nur die abstrakte ökonomische Dimension wahrnimmt, nicht aber die konkrete Dimension, welche zur arbeitsplatzbezogenen Wirklichkeit genauso dazugehört. Eben das ist auch im obigen (fiktiven) Beispiel der Fall: U kommt einerseits mit moralischen „Heimatwerten“ daher, behandelt seine heimischen Mitarbeiter zugleich aber als unmündige Untergebene. Dieses Vorgehen ist widersprüchlich und eher unwahrscheinlich. Insofern kann man solche Konstellationen zwar gedanklich als Möglichkeit erwägen und zulassen, man muss sie aber vermutlich zugleich als pragmatisch irrelevant einstufen.

Metaphysisches und ethisches Analysegerüst

473

(4) Relevanz des erläuterten Abwägungsgedankens für die mikroorientierte Managementethik: Es ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Wirklichkeitsbetrachtung, wie die gesamte Arbeit, von der metaphysischen bzw. strategischen Basisentscheidung her auf einem Mikromodell (im Sinne WHITEHEADs) basiert und sich nur auf konkrete Managementtransaktionen - oder, in PIES‘ Terminologie: das Basisspiel - bezieht. Als Folge daraus liegt dem betrachteten Theorierahmen die Überzeugung zugrunde, dass Unternehmen und Manager in der Realität nie völlig aus dem (un-)balancierten Abwägungsbereich, man könnte auch sagen: dem „Gezerre“ zwischen Modell und Wirklichkeit, ausbrechen können, auch nicht durch die Setzung neuer Spielregeln1725. Durch die klassische Aufteilung in Spielzüge und -regeln ist zwar ein sauberes Modell generierbar, mit dem sich das „Gezerre“ geschickt umgehen lässt, gleichwohl kann sich das Management in der Realität nicht ignorant gegenüber den Verworrenheiten des Geschäftsalltags und den Unbestimmtheiten zwischen Wettbewerb und Moral zeigen. Damit ist zugleich eine Kernaussage der Behavioral Economics bzw. Behavioral Business Ethics (BBE) angesprochen, wobei die Einordnung der BBE in den vorliegenden metaphysischen Theorierahmen konzeptionell dadurch erschwert wird, dass im Bereich der BBE derzeit kein festes, sauberes Konzept oder Modell existiert, so wie es etwa der Homo oeconomicus als klassisches Verhaltensmodell der Wirtschaftswissenschaften ist1726. Dazu nur Folgendes: Die BBE begeht, so wie sie hier verstanden wird, weder einen „FoMC“ noch einen „FoDA“. Das primäre Ziel der BBE besteht

1725

1726

PIES ET AL. bewegen sich deshalb in der Nähe des „FoMC“, da sie das beschriebene „Gezerre“ gezielt umgehen bzw. ausblenden: Während sich das Basisspiel in der hier vorgenommenen (Mikro-)Betrachtung auf das operative Geschäft bezieht und über die gesamte Skala erstreckt, fokussieren PIES ET AL. ihr Basisspiel, das auf Dilemmasituationen basiert und folglich nur nach dem reinen Marktmodell abläuft (vgl. Abschnitt 7.1.3), hin zu Punkt F1. Die hinter F2 stehenden sozialen und moralischen Anliegen werden dagegen über die übergelagerte (Meta-)Ebene der Ordnungsregeln implementiert und gelöst. Ordnungsregeln sind an sich aber abstrakt. Sie werden dann konkret, wenn konkrete Transaktionen den Ordnungsregeln folgen (vgl. Unterabschnitt 7.3.4.1). Darüber hinaus ist zu sehen, dass die Skala in Abb. 41 der in Abschnitt 7.1.2 vorgestellten Idee der orthogonalen Positionierung von PIES nicht generell widerspricht. Beide Abbildungen schließen sich nicht systematisch aus, auch wenn sie jeweils auf eine andere Frage zugeschnitten sind. Angenommen, es gäbe für ein arbeitsplatzbezogenes Problem zwei oder mehrere Lösungsalternativen, so wäre es (theoretisch) möglich, diese Lösungsalternativen auf der Skala in Abb. 41 einbzw. anzuordnen (z. B. könnte es sich bei LA1 um einen 70%igen F2 handeln, der zugleich einem 30%igen F1 entspricht; bei LA2 um einen 67%igen F2 bzw. 33%igen F1). Es ist dann denkbar, dass in einem der beiden Arrangements die für das betrachtete Problem vergleichsweise bessere, da „orthogonaler“ positionierte Alternative liegt. Vgl. THALER (2015), S. 4.

474

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

darin, die Einseitigkeiten des „FoMC“ zu vermeiden. Sie kann schon deshalb nicht in den Bereich des „FoMC“ fallen, da sie zu erklären versucht, dass Menschen (entgegen den Annahmen der klassischen ökonomischen Theorie) auch moralische Interessen haben und bisweilen auch vorhersagbar irrational entscheiden. Die BBE begeht aber auch keinen „FoDA“, da sie den Marktmechanismus nicht leugnet oder ablehnt1727, sondern deutlich machen will, dass sich Menschen in ihrem (Entscheidungs-)Verhalten nicht nur als Homines oeconomici verhalten bzw., allgemeiner formuliert, der Marktmechanismus noch nicht die gesamte Wahrheit bezüglich der Frage wiedergibt, was wirklich (konkret) geschieht. Insofern fällt der BBE eher eine Vermittlerrolle zwischen den beiden „Fallacies“ zu: Ihr Ziel ist es, durch Korrektur von Einseitigkeit den Blickwinkel von der reinen Systemebene des „FoMC“ hin zum balancierten Abwägungsbereich ABal. (d. h. zur Mitte des Schaubilds) zu verschieben, ohne dabei dem „FoDA“ zu verfallen. In ABal. liegt die für den Bereich F1 diagnostizierte ökonomisch-systemische Perspektivenverengung, welche die BBE aufzulösen versucht, nicht mehr vor, da menschliche Entscheidungen in ABal. nicht mehr nur durch ökonomische (Eigennutz-)Faktoren und Anreize, sondern durch ein Set verschiedener Determinanten (z. B. moralische Vorstellungen, Interessen und Anreize; Vertrauen; Gerechtigkeitsvorstellungen; soziale und religiöse Normen) bestimmt werden - eben genau so, wie es durch die BBE nahegelegt wird. Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Gutes Management bedeutet, sich im (Er-) Schaffen von (Management-)Wirklichkeit im Sinne des sich weiterspinnenden Fadens bei WITTGENSTEIN1728 sowohl von F1, der abstrakt-virtuellen Modellwelt (z. B. Markt-, Demokratiemodell) und Gesetzeswelt (z. B. Natur-, Marktgesetze), als auch von F2, der konkreten Moralwelt (mit Liebe, Gerechtigkeit usw.), leiten zu lassen und beide Welten miteinander zu vereinen. Damit ist das entwickelte theoretische Grundgerüst gleichermaßen für die Managementethik im Allgemeinen wie für eine Ethik des Arbeitsplatzmanagements im Speziellen relevant, da sich die vielfältigen, teils widerstreitenden Sichtweisen (Interessen, Beurteilungskriterien, Forderungen), die Akteure im Kontext arbeitsplatzbezogener Fragen hervorbringen, nur dann in ethisch angemessener Weise verstehen und produktiv verarbeiten lassen, wenn der herangezogene Managementethikansatz und das zu-

1727 1728

Vgl. THALER (2015), S. 9. Vgl. dazu Abschnitt 7.2.2.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

475

grunde liegende Stakeholder-Verständnis auf keiner ideologisch verengten Wahrnehmung der sozialen Realität beruhen. Letzteres ist aber, wie im Laufe der Arbeit deutlich geworden ist, bei ausgewählten Konzeptionen der Management- und Unternehmensethik sowie des Stakeholder-Ansatzes der Fall, da entweder die Dimension des Abstrakten oder Konkreten nicht erfasst oder von vornherein von einem verengten Stakeholder-Verständnis ausgegangen wird. Im weiteren Verlauf des achten Kapitels wird der bis zu dieser Stelle entwickelte theoretische Bewertungsrahmen, der gleichsam die hier vertretene metaphysische Deutung der Wirklichkeit verkörpert und zum Ausdruck bringt, herangezogen, um in der Unternehmenspraxis häufiger auftretende arbeitsplatzbezogene Situationskonstellationen auf den Feldern der Personalentwicklung (Unterkapitel 8.2) und -freisetzung (Unterkapitel 8.3) ethisch zu analysieren und begründete Schlüsse daraus zu ziehen. Die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen, Verknüpfungen und Bewertungen orientieren sich dabei vom Aufbau her an dem in Abschnitt 8.1.2 dargestellten Schema, in dem alle drei Umsetzungsebenen des Moral Point of View integriert und miteinander verbunden sind. An entsprechenden Stellen wird zusätzlich Bezug auf die eben erläuterten „Fallacies“ genommen.

8.2

Bereich Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung aus managementethischer Sicht

Auf Basis des in Unterkapitel 8.1 entwickelten theoretischen bzw. metaphysischen Analysegerüsts soll nun begonnen werden, konkrete arbeitsplatzbezogene Problemfelder, mit denen sich das Management auseinandersetzen muss und in denen ethische Fragen aufbrechen, eingehend zu untersuchen. Unterkapitel 8.2 widmet sich dabei zunächst dem Bereich der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung, der in Abschnitt 8.2.1 mit dem in Unterkapitel 4.3 erläuterten Befähigungsansatz von SEN und dem Subsidiaritätsprinzip der Katholischen Soziallehre verknüpft wird. Hierbei wird in Bezug auf die Begründungsebene aufgezeigt, dass sich insbesondere aus dem Subsidiaritätsprinzip, das in SENs Ansatz eine zentrale Stellung einnimmt, managementethisch hilfreiche Implikationen ableiten lassen, und zwar sowohl in Bezug auf die Ziele und Ausgestaltung von Entwicklungsmaßnahmen als auch im Hinblick auf die arbeitgeber- und arbeitnehmerseitigen Verantwortungszuschreibungen im Kontext des Erhalts und Ausbaus der Arbeits-

476

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

marktfähigkeit. Problematisch ist aber, dass die auf der Begründungsebene formulierten ethischen Ideal- bzw. Zielvorstellungen, wie in Abschnitt 8.2.2 noch im Detail zu erörtern sein wird, auf der Anwendungs- und speziell der Implementierungsebene wegen des polydimensionalen Widerstreits diverser Interessen und Faktoren (wie wirtschaftlichen und wettbewerblichen Restriktionen, aber auch den strukturellen Gegebenheiten des deutschen Arbeitsmarktes) in Turbulenzen geraten und nur noch bedingt umsetzbar erscheinen. Insofern verdeutlicht dieses (ebenso wie das nächste) Unterkapitel zugleich eines der Grundprobleme der Managementethik überhaupt, welches darin besteht, dass in der Realität in vielen Bereichen ein unauflösbares Spannungsfeld zwischen verschiedenen ökonomischen, ethischen und anderen Interessen und Anforderungen existiert, für das es keine einfachen und glatten Lösungen gibt.

8.2.1

Darstellung der Zusammenhänge auf der Begründungsebene

Erwerbsarbeit kann, um die Terminologie von SENs Befähigungsansatz zu nutzen, als „functioning“ (Funktion, konkreter Lebensumstand) interpretiert werden, da sie das faktische Sein des Menschen mitdeterminiert und durch ihre Nutzen stiftenden Funktionen (wie Gelderwerb, Knüpfung sozialer Kontakte usw.) als wertvoll erachtet wird. Bei genauerer Überlegung zeigt sich, dass für manche Personen auch eine Nicht-Erwerbstätigkeit als positiv bewertete Funktion infrage kommt. Zu denken ist z. B. an jemanden, der freiwillig in den Ruhestand getreten ist. Wie die tatsächlich gelebte Funktion (Nicht-)Erwerbstätigkeit bewertet wird, hängt damit primär davon ab, ob sie das Ergebnis einer persönlichen Wahl darstellt oder aus dem Mangel an realen Verwirklichungschancen (als schicksalhafte Gegebenheit) zustande gekommen ist1729. So macht es einen Unterschied, ob man freiwillig einer Arbeit nachgeht, um den Lebensunterhalt zu verdienen (sich selbst zu verwirklichen o. Ä.), oder ob man zu - womöglich menschenunwürdiger - Arbeit gezwungen wird. Die rein outputorientierte Bewertung des Gerechtigkeitspotenzials eines gewissen Arrangements greift damit zu kurz 1730. Ebenso macht es einen Unterschied, ob eine Person (wie der Ruheständler) aus eigenem Willen keiner Arbeit nachgeht, weil sie nicht arbeiten will oder finanziell nicht darauf angewiesen ist, oder ob sie unfreiwillig arbeitslos ist und sofort jede Arbeit annehmen würde. 1729 1730

Vgl. BARTELHEIMER (2009), S. 51. Vgl. zu diesem Gedanken auch CIULLA (2007, S. 103) sowie Unterkapitel 3.1.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

477

Ob Menschen die Erreichung der Funktion Erwerbsarbeit gelingt, hängt neben der Verfügbarkeit einer Stelle von ihren realen (individuellen, beeinflussbaren) Verwirklichungschancen ab, d. h. vom Vorhandensein eines für die jeweilige Erwerbsarbeit geeigneten Sets an „capabilities“1731. Insofern unterscheiden sich die Überlegungen im arbeitsplatzbezogenen Kontext vom Grundgedanken her kaum von denen in anderen Gesellschaftsbereichen (wie Gesundheit, Sozial- und Entwicklungshilfe). Menschen, die ihre Stelle verlieren, sollten selbst Herr, nicht Opfer des Geschehens sein1732. Ziel sollte es sein, sich schnell aus konflikthaften, ausweglos und ungerecht erscheinenden Situationen befreien zu können, um wieder ein gutes und „mit Gründen erstrebtes Leben zu führen“1733. Hinzuzufügen ist, dass es bei SEN, und hier liegt einer seiner zentralen Angriffspunkte gegen liberale Gerechtigkeitsmodelle, auf reale „capabilities“ ankommt: Der Arbeitsplatz bzw. dessen Verfügbarkeit ist nicht nur ein externer Faktor, sondern integraler Bestandteil im „capability“-Gesamtgebilde. Die „capability“ bezieht sich nicht nur auf persönliche Fähigkeiten (als formale Freiheit, einen Beruf zu ergreifen), sondern auch auf die reale Möglichkeit, einen Beruf ergreifen zu können. Es geht bei SEN also genauso darum, inwiefern es das äußere Umfeld bzw. die Umwelt zulässt, einen Beruf auszuüben. Auch bei arbeitsplatzbezogenen Fragen kommt dabei dem Bereich der Bildung (im betrachteten Zusammenhang etwa der berufsqualifizierenden Bildung und Personalentwicklung) eine starke Rolle zu, da sie für die Arbeitsmarktfähigkeit, die den Schlüssel für den Zugang zur Funktion Erwerbsarbeit bildet, maßgeblich ist1734. Zur Erinnerung: Das Anliegen der Personalentwicklung ist es, Mitarbeiter so zu qualifizieren, dass sie ihre Arbeit bestmöglich ausführen können 1735. Die Arbeitsmarktbefähigung basiert darüber hinaus auf dem Gedanken, ihnen verstärkt 1731

1732 1733

1734 1735

So auch BARTELHEIMER (2009, S. 52): „Ob jemandem Erwerbsbeteiligung gelingt und wie gut die Arbeit ist, die er oder sie findet, ergibt sich [...] aus einer Beziehung zwischen persönlichen Eigenschaften [„capabilities“] der Erwerbspersonen und den Arbeitsmarktverhältnissen, also zwischen individuellen und gesellschaftlichen Faktoren“. Vgl. auch ebd., Fußnote 11, S. 52f. Vgl. MÜLLER-VORBRÜGGEN (2005), S. 132; RÖTTIG (1993), S. 172. SEN (2000a), S. 110. Vgl. auch SEN (2010, S. 259): „In diesem Ansatz [Befähigungsansatz] wird der individuelle Vorteil [etwa auf dem Arbeitsmarkt] gemessen an der [Arbeitsmarkt-]Befähigung einer Person [Arbeitnehmer], die Dinge zu tun, die sie mit gutem Grund hochschätzt [die Ausübung einer auf Erwerb gerichteten Tätigkeit]. Hat eine Person geringere Befähigung - weniger reale Chancen - als eine andere, die Dinge zu tun, die sie mit Grund hoch bewertet, wird ihr Vorteil niedriger eingeschätzt [und sie bleibt womöglich arbeitslos]“. DABROCK (2010, S. 50) stellt in diesem Sinne fest: „Befähigung heißt [...] vor allem Bildung“. Vgl. dazu Abschnitt 6.2.3.

478

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

solche Fähigkeiten und Kompetenzen zu vermitteln, welche im Rahmen der Arbeit generell einsetzbar sind und ihren Arbeitsmarktwert steigern. Die Arbeitsmarktfähigkeit stellt damit, wie es der Begriff suggeriert, eine „capability“ dar, da sie es als aktivierende Handlungs- und Wahlfreiheit erlaubt, flexibler auf einen Stellenverlust zu reagieren und negativ erlebte Lebensumstände aus eigener Kraft zum Besseren hin zu wenden. Umso höher die Arbeitsmarktfähigkeit eines Menschen hinsichtlich Art und Anzahl offenstehender Alternativen ausgeprägt ist 1736, desto größer ist sein Wert auf dem Arbeitsmarkt und desto besser sind seine Chancen, bei einem Jobverlust zeitnah wieder eine neue Beschäftigung zu finden. Insofern gewinnt das Thema „Employability“, so wie es in Zeiten der Wirtschaftskrise verstärkt aufgekommen ist, gerade in kritischen Unternehmensphasen an Relevanz, in denen in größerem Umfang (teils älteres) Personal abgebaut werden muss 1737. In solchen Fällen ist es unter Verantwortungsaspekten wünschenswert, wenn die Entlassenen reibungslos wieder in das Wirtschaftsleben integriert werden können und ihre Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt nicht an einer (im theoretischen Extremfall: rein) unternehmensspezifischen Qualifikation scheitert. Dabei ist zu sehen, dass die Arbeitsmarkt-„Capability“ (wie der gesamte Capability Approach) eine regulative Idee darstellt, in der es darum geht, den Spielraum für paretosuperiore Verbesserungen auszuloten und zu nutzen. Arbeitnehmer können bezüglich ihrer Arbeitsmarktfähigkeit besser oder schlechter gestellt sein. Ein Zustand, in dem für alle Arbeitnehmer (eines Unternehmens, einer Branche o. Ä.) dieselbe Arbeitsmarktfähigkeit geschaffen wird, ist nicht realisierbar 1738. Einschränkend zu beachten ist zudem, dass sich die Vorteile einer erhöhten Arbeitsmarktfähigkeit in 1736 1737

1738

Vgl. SEN (1990), S. 470. In vielen Unternehmen werden und wurden in der Vergangenheit Mitarbeiter ab einem Lebensalter von rund 50 Jahren seltener an der Personalentwicklung beteiligt (vgl. BMBF 2017, S. 37ff.; BILGER/ STRAUß 2015, S. 37f.), wofür zwei Ursachengruppen auszumachen sind: Zum einen wird davon ausgegangen, dass sich Investitionen in das Know-how älterer Mitarbeiter wegen ihrer kürzeren Verweildauer und einer nachlassenden Leistungs- und Aufnahmefähigkeit nicht mehr lohnen (bedingt durch die sich wandelnde Altersstruktur, welche die Rekrutierung von Nachwuchsund Fachkräften erschwert, ist seit mehreren Jahren jedoch eine zunehmende Weiterbildungsbeteiligung älterer Arbeitnehmer zu verzeichnen). Ein weiterer Punkt betrifft die Lernmotivation: Ältere Arbeitnehmer, die wissen, dass sie innerhalb weniger Jahre aus dem Berufsleben ausscheiden, sind teilweise nur noch bedingt bereit, sich in größerem Umfang neues Wissen anzueignen (vgl. BELLMANN/ LEBER 2008, S. 44f.). Wie gezeigt, strebt SEN solche vollkommenen Zustände auch nicht an, da er an keiner Stelle seiner Theorie verbindliche Festlegungen trifft. Seine Beispiele (zu denken ist etwa an den Streit um die Flöte, vgl. Unterkapitel 4.3) zeigen, dass Fragen der Verteilung und Befähigung von mannigfaltigen Faktoren abhängen, wodurch das Treffen konkreter und richtiger Zuordnungen und Entscheidungen erschwert wird.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

479

Zeiten eines allgemeinen konjunkturellen Abschwungs nur bedingt ausspielen lassen, und zwar deswegen, da auch in anderen Unternehmen keine oder nur wenige Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Folgt man der Logik des Subsidiaritätsprinzips der Katholischen Soziallehre, so ist der Ausbau und Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit auf der Begründungsebene mit einer geteilten Verantwortlichkeit verbunden, die die Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft (vgl. Abb. 42)1739. Diese Annahme basiert auf der Grundstruktur des Subsidiaritätsprinzips, das sich als „Prinzip der „Zweiseitigkeit““ 1740 durch eine negative und positive Komponente der Subsidiarität auszeichnet 1741: Der negative Aspekt bringt ein Begrenzungsprinzip zum Ausdruck und beruht auf dem Personprinzip der Katholischen Soziallehre (nach dem „der Mensch der Träger, Schöpfer und das Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen sein“ 1742 muss). Er steht für die subsidiäre Autonomie der kleineren sozialen Einheiten und verweist darauf, dass sich der Staat bzw. die (Gesamt-)Gesellschaft als höhere, zentrale Stufe nicht mit solchen Aufgaben und Belangen befassen soll, welche der Einzelmensch bzw. die untere Stufe eigenständig arrangieren kann. Das Subsidiaritätsprinzip geht damit heuristisch zunächst von der größeren Effizienz der kleineren sozialen Einheit aus. Kleinere Sozialgebilde dürfen also nicht durch Eingriffe der übergeordneten Gemeinschaft ihrer spezifischen Leistungskompetenzen beraubt und somit entmündigt bzw. „als solche […] zerschlagen oder aufgesaugt werden“1743. Der positive Aspekt, der ein Ermöglichungsprinzip zum Ausdruck bringt, steht für das Prinzip der subsidiären Assistenz bzw. das Postulat der Hilfe zur Selbsthilfe und verweist darauf, dass die (Gesamt-)Gesellschaft einzelne kleinere

1739

1740 1741

1742 1743

Vgl. RUMP/ EILERS (2017), S. 98ff.; WEBER/ THIELE (2005), S. 119; RAEDER/ GROTE (2003), S. 110. Der Grund für diese geteilte Verantwortung liegt darin, „dass bedingt durch die unvollständige Ablösung in der Transformation [des psychologischen Vertrags] eine inhaltliche Unschärfe [zwischen klassischer und neuer Vertragsauffassung] entsteht und somit Individuen und Organisationen bei der Veränderung der Vermittlungsformen eine aktive Rolle zukommt“ (KRAUS/ RAEDER 2008, S. 217). NELL-BREUNING (1972), S. 25. Vgl. im Folgenden NELL-BREUNING (1990a), S. 79ff.; NELL-BREUNING (1980), S. 48ff.; NELLBREUNING (1986), S. 147; SCHRAMM (1999), S. 10f.; HOMANN/ KIRCHNER (1995b), S. 48f. Wie NELL-BREUNING (1972, S. 26) erklärt, „gebiete [es] dem Ganzen, seinen Gliedern […] nur wirklich hilfreiche Hilfe [zu] erweisen [positive Komponente], nicht [aber,] sich an ihre Stelle zu setzen [negative Komponente]“. Mater et magistra, Nr. 219f. SCHRAMM (1999), S. 10.

480

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Sozialgebilde dann produktiv unterstützen soll, wenn diese ihre Aufgaben und Belange nicht (mehr) in ausreichendem Maße eigenverantwortlich und effektiv erfüllen oder regeln können. In solchen Fällen sollte das Ziel darin liegen, die Befähigung zu Eigenverantwortung (wieder-)herzustellen1744. Im Folgenden wird der Bereich der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung mit der positiven und negativen Seite des Subsidiaritätsprinzips verknüpft und auf der ethischen Begründungsebene diskutiert. - „F Ö R D E R N“ - „F O R D E R N“ Arbeitgeber Arbeitnehmer leistet „Hilfe“/ Unterstützung/ Assistenz zur leistet „Selbsthilfe“ (1) positiver Aspekt der Subsidiarität: (2) negativer Aspekt der Subsidiarität: Strukturelles und präventives SubsidiaritätsverMarktfähigkeit der eigenen Kompetenzen ständnis (kein „Feuerwehr“-/ „Notbehelfs“-Bewird aus individualethischen Motiven heraus griff im Sinne von Outplacement) gefördert bzw. sichergestellt ↓ (3) dauerhafte Ermöglichung der Funktion Erwerbsarbeit Abb. 42: Arbeitsmarktbefähigung nach dem Leitbild des Befähigungsansatzes und Subsidiaritätsprinzips (ideales Grundschema der Begründungsebene) 1745

(1) Positiver Aspekt der Subsidiarität (subsidiäre Assistenz): Das allgemein gültige ethische Ideal liegt darin1746, die Würde und das Wesen des Menschen zu achten und jedem Einzelnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dieses Ideal gilt auch für all jene Unternehmen, die über Art und Umfang der zu 1744

1745 1746

Eine weitere, im vorliegenden Kontext jedoch weniger relevante Ausformung von Subsidiarität liegt im Gebot der subsidiären Reduktion. Danach hat sich die höhere Einheit dann zurückzuziehen bzw. sind gesellschaftliche (staatliche) Eingriffe dann einzustellen, wenn eine subsidiäre Assistenz nicht mehr erforderlich ist oder gar die Effizienz subsidiärer Autonomie der kleineren sozialen Einheiten konterkariert (vgl. SCHNEIDER 1985, S. 35ff, 144). Diesem Gebot liegt auch der Gedanke des deutschen Sozialstaates zugrunde, wonach Menschen nur so lange Hartz IV beziehen sollen, wie sie sich nicht selbst helfen können. Quelle: Eigene Darstellung. Hier und im Folgenden wird bewusst der Ausdruck „ethisches Ideal“ statt „ethische Verpflichtung“ verwendet, da die erstgenannte Ausdrucksweise unter moralphilosophischen Aspekten treffender erscheint. Hintergrund ist der, dass von einem Ideal, so wie es hier vorliegt, noch keinerlei Verpflichtungen zu einem bestimmten Handeln oder Verhalten ausgehen. Das, was auf der Begründungsebene als gültiges ethisches Ideal angesehen wird, muss - und genau dieser Punkt, nämlich das direkte Herunterbrechen vom Begründungs- auf den Anwendungsdiskurs, wurde im Zusammenhang mit der KANTischen Ethik problematisiert (vgl. Abschnitte 4.1.2, 4.2.3) - auf der Anwendungs- und Implementierungsebene nicht zwingend konkret angewendet oder umgesetzt werden.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

481

ergreifenden Entwicklungsmaßnahmen zu entscheiden haben. Auf der Begründungsebene, auf der grundsätzliche ethische Zielvorstellungen benannt werden, sollten Unternehmen, um der Würde und Freiheit der einzelnen Mitarbeiter gerecht zu werden, diese umfassend zu Arbeit (und damit zu einem menschenwürdigen, selbstbestimmten Leben) befähigen. Oder anders formuliert: Es stellt eine elementare Gerechtigkeitsvorstellung auf der Begründungsebene dar, dass Unternehmen jeden einzelnen Mitarbeiter beim Erhalt und Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit unterstützen, gerade weil das seiner Würde entspricht. Auch wenn, wie in Abschnitt 8.2.2 zur Anwendungs- und Implementierungsebene noch beschrieben wird, die Dinge in der arbeitsplatzbezogenen Realität komplizierter sind und der vorstehende Gedanke nicht eins zu eins umsetzbar ist, so handelt es sich doch um ein ethisches Ideal, das klar zu benennen und an dem im Sinne eines allgemeinen Grundprinzips festzuhalten ist. Was dieses ethische Ideal für die Unternehmen bedeutet und welche generellen Ansatzpunkte und Anforderungen bei der Gewährung subsidiärer Assistenz im vorliegenden Kontext zu beachten sind, wird in den beiden folgenden Absätzen skizziert. Der Erhalt und Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit ist für Arbeitnehmer ohne die Unterstützung des Arbeitgebers nur erschwert möglich, was u. a. damit zusammenhängt, dass sich betriebliche Weiterbildungsprozesse durch einen hohen Praxisbezug und Aktualitätsgrad auszeichnen, wodurch individuelle Blockaden bei der (Wieder-)Aufnahme von Weiterbildung tendenziell gelockert werden1747. Deshalb sollten Unternehmen, von denen die zunehmende Abkehr vom klassischen Verständnis des psychologischen Arbeitsvertrags primär ausgeht 1748, im Rahmen des HRM (unter Beachtung der zugrunde liegenden Umwandlungsfaktoren, z. B.: Ertragslage des Unternehmens, Alter und Qualifikationsniveau der Beschäftigten) institutionalisierte Voraussetzungen schaffen, die es den Mitarbeitern erlauben, ihre Arbeitsmarktfähigkeit in einem insgesamt positiven, motivierenden und gesundheitsförderlichen Arbeitsumfeld auszubauen1749. Basis hierfür ist ein präventiv, dynamisch, breit und individuell ausgelegtes Weiterbildungsverständnis, das die Beschäftigten (durch gezielte Beratungsangebote und Bereitstellung objektiver Informationen zur Unternehmensentwicklung, zu Veränderungen der eigenen 1747 1748 1749

Vgl. BEER (1999), S. 192. Vgl. dazu Abschnitt 3.2.3. Vgl. auch im Folgenden KRAUS/ RAEDER (2008), S. 214; BÖTTCHER (2011), S. 38f.; GROTE (2009), S. 150ff.; RAEDER/ GROTE (2003), S. 111; RUMP/ EILERS (2011), S. 80; RUMP/ EILERS (2017), S. 89ff., 97ff., 104ff.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Stelle, des Berufsbildes usw.) für die steigende Relevanz des Themas Arbeitsmarktfähigkeit sensibilisiert, bei der Bewertung ihrer aktuellen Arbeitsmarktfähigkeit unterstützt und, was in Zeiten wachsender Qualifikationsanforderungen von Bedeutung ist, gleichsam auf persönliche Kompetenzlücken aufmerksam macht1750. Präventiv heißt, dass die Arbeitsmarktfähigkeit nicht erst dann - quasi rückwirkend, im Outplacement-Sinne - gefördert wird, wenn Entlassungen vor der Tür stehen, sondern bereits zu einem früheren Zeitpunkt, in dem es dem Unternehmen finanziell gut oder besser geht. Hintergrund dieses Gedankens ist, dass das Prinzip der subsidiären Assistenz nicht nur als Lückenbüßer-Funktion zu verstehen ist, nach der der Staat abwartend beiseite zu stehen und lediglich ersatzoder behelfsweise einzuspringen hat, um den entstandenen Schaden zu minimieren1751. Zu begreifen ist es vielmehr als „eine ,Unterstützung‘, durch die die produktive Entfaltung von Ressourcen der einzelnen oder der kleineren Sozialgebilde allererst ermöglicht und gefördert wird“1752. Folglich ist Subsidiarität auch im arbeitsplatzbezogenen Kontext nicht als „Feuerwehr“-Begriff zu verstehen1753. Der Vorschlag eines individuell ausgelegten Weiterbildungsverständnisses im Sinne einer dynamischen Ressourcenausstattung resultiert daraus, dass Arbeitnehmer bezüglich ihrer Fähigkeiten und Interessen nie homogen sind und insofern auch die Maßnahmen, welche zum (theoretisch einheitlichen) Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit geboten erscheinen, bezüglich Art, Umfang, Durchführung und Kosten differieren1754. Zugleich sollten sich die Entwicklungsmaßnahmen nicht 1750

1751

1752 1753 1754

Hierbei ist zu bedenken, dass sich die Anforderungen an einfache Tätigkeiten immer weiter ausdifferenziert haben, sodass es für Geringqualifizierte, um Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben, nicht mehr ausreicht, nur über (womöglich unzureichende) Kenntnisse im Grundbildungsbereich (Lesen, Schreiben, Rechnen) zu verfügen (vgl. KLEIN/ SCHÖPPER-GRABE 2009). Viele Arbeitsaufgaben werden inhaltlich nicht nur ganzheitlicher, indem sie neben ausführendem auch planerisches (analysierendes, kontrollierendes, vor-/ nachbereitendes) Handeln umfassen, sie erfordern zunehmend auch sprachliche Kompetenzen im Umgang mit externen und internen Kunden sowie IT- und Fremdsprachenkenntnisse (vgl. BOSCH/ WEINKOPF 2011, S. 176). Zu beachten ist zudem, dass unterschiedliche Wissenstypen verschieden schnell an Aktualität verlieren (vgl. NAGEL 1990, S. 30ff.): Anders als Schulwissen (Halbwertszeit zirka 20 J.) veraltet Berufswissen (HWZ: 5 J.) und Wissen in anderen Disziplinen (z. B. im Technologie- und EDV-Bereich) sehr viel schneller (HWZ: 3 bzw. 1 J.), woraus (nicht nur in erfolgskritischen Bereichen) die Notwendigkeit nach ständiger Weiterbildung resultiert. Vgl. NELL-BREUNING (1972), S. 26; NELL-BREUNING (1980), S. 50; NELL-BREUNING (1986), S. 147. SCHRAMM (1999), S. 10. Vgl. dazu Unterkapitel 4.3. Hier liegt auch ein Problem von Abfindungen, wie sie bei betriebsbedingten Kündigungen teilweise gewährt werden. Diese sind kaum in der Lage, den einzelnen Arbeitnehmern in ihrer Individualität gerecht zu werden.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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nur kurzfristig an den betriebsspezifischen Qualifikationserfordernissen und der aktuellen Beschäftigungslage ausrichten (um auf akute organisatorische, marktbezogene und technologische Änderungen reagieren zu können), sondern darüber hinaus auch auf dem Arbeitsmarkt gefragte Fähigkeiten einbeziehen, um den Ausbau allgemeiner Kompetenzen zu fördern und die Mitarbeiter mittel- bis langfristig für den Aufstieg in anspruchsvollere Positionen, das Nachholen von zertifizierten Bildungs- und Berufsabschlüssen oder potenzielle externe Beschäftigungsoptionen zu befähigen1755. Zusätzlich können ihnen Zeit- oder Finanzbudgets eingeräumt werden, um ihre Entwicklungspotenziale selbstständig zu erschließen und sich gemäß ihrer Entwicklungsinteressen fortzubilden. Da der Befähigungsansatz in der vorliegenden Betrachtung vom Subsidiaritätsprinzip her gedeutet wird, ist davon auszugehen, dass die Unternehmen versuchen werden, ihre Entwicklungsmaßnahmen durch den Aufbau subsidiärer Anreizstrukturen präventiv und strukturell so zu gestalten, dass sich alle (auch die am wenigsten glücklichen bzw. begünstigten) Mitarbeiter von vornherein richtig, also im Hinblick auf ihre individuelle Arbeitsmarktfähigkeit möglichst eigenverantwortlich verhalten. Genauso wie der Staat auf übergeordneter Ebene sind auch die Unternehmen nicht in der Lage, die Eigenverantwortung des Einzelnen zu ersetzen, weshalb der Anspruch (im übertragenen Sinne) darin bestehen muss, die arbeitsplatzbezogenen Selbstverantwortungspotenziale der Mitarbeiter zu aktivieren1756. Zur Frage, wie dieser Anspruch konkret in die Praxis umgesetzt werden kann, liefert das Subsidiaritätsprinzip keine Hinweise, da es als formales Prinzip, wobei „formal“ nicht mit inhaltsleer gleichzusetzen ist, nur einen heuristischen Charakter hat1757. Das Subsidiaritätsprinzip gibt im Sinne einer allgemeinen Suchrichtung, Regel oder eines Maßstabs vor, in welcher Richtung nach Lösungen zu suchen ist. Welche formale Struktur oder Organisationsform der Subsidiarität aber

1755

1756 1757

Vgl. RUMP/ VÖLKER (2007), S. 89, 116. Falsch wäre die Annahme, dass sämtliche primär am Bedarf und den Zielen des Unternehmens orientierten Entwicklungsmaßnahmen per se nutzlos für die Arbeitsmarktfähigkeit der Mitarbeiter wären. Dagegen spricht bereits, dass viele Unternehmen, gerade wenn sie einer verwandten Branche angehören, demselben (z. B. gesellschaftlichen, technologischen) Wandel unterworfen sind, aus dem wiederum ein - zumindest in Teilen - ähnlicher Weiterbildungsbedarf resultiert. Daher leisten Unternehmen, die ihre Mitarbeiter intern beschäftigungsfähig halten, indirekt auch einen Beitrag zu deren Arbeitsmarktfähigkeit. Vgl. SCHRAMM (2006a), S. 34. Vgl. NELL-BREUNING (1990a), S. 86; NELL-BREUNING (1990b), S. 361f.; NELL-BREUNING (1957), S. 225; DÖLKEN (1992), S. 269; SCHRAMM (1999), S. 23ff.; HOMANN/ KIRCHNER (1995b), S. 49f.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

unter Effizienzaspekten in bestimmten arbeitsplatzbezogenen Fällen faktisch sinnvoll erscheint und welche Maßnahmen inhaltlich zu ergreifen sind, hängt von den Sachzwängen und -gesetzmäßigkeiten des betrachteten Bereichs ab und ist fallabhängig in eingehenden Analysen zu ermitteln. (2) Negativer Aspekt der Subsidiarität (subsidiäre Autonomie): Was für das Unternehmen gilt, gilt umgekehrt ebenso für den einzelnen Arbeitnehmer. Da er damit zu rechnen hat, dem Arbeitsmarkt direkt ausgesetzt zu sein, muss sich auch seine Haltung zum Arbeitsplatz und -geber ändern. Dieses Erfordernis resultiert auch aus der zunehmenden Brüchigkeit des traditionellen psychologischen Arbeitsvertrags. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip können Menschen ihrer individuellen Würde, Autonomie und Selbstverantwortung nur dadurch gerecht werden, indem sie an sich arbeiten und die Dinge, die sie im Leben voranbringen, entschlossen anpacken. So stehen sie in ihrer Rolle als Arbeitnehmer einerseits vor der Herausforderung, ihre aktuelle Stelle zu sichern, indem sie sich integer und loyal gegenüber dem jeweiligen Arbeitgeber verhalten, einen hohen Arbeitseinsatz zeigen und notwendige Änderungen im Unternehmen bereitwillig mittragen. Zugleich ist es in Zeiten ständig neuer technologischer Entwicklungen, welche zu einer immer kürzeren Halbwertszeit des einmal erworbenen Wissens führen, unerlässlich für sie, mit Blick auf die eigene Arbeitsmarktfähigkeit eigenverantwortlich (autonom) und selbstbestimmt zu agieren, um die Marktfähigkeit des eigenen Kompetenzprofils sicherzustellen. Angesichts dessen erscheint es auf der Begründungsebene inakzeptabel, wenn Arbeitnehmer während ihrer Zeit im oder nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen keine eigenständigen Bemühungen zur Steigerung ihrer Leistungs- und Arbeitsmarktfähigkeit anstellen. Rein moraltheoretisch existiert für Arbeitnehmer kein Anspruch darauf, dass ihnen sämtliche für ihre Arbeitsmarktfähigkeit notwendigen Anstrengungen und Investitionen bedingungslos (vom Arbeitgeber, Staat oder sonst wem) abgenommen werden1758. Zwar existieren, wie noch auszuführen sein wird, diverse Faktoren, die es Arbeitnehmern oder einzelnen Gruppen von ihnen in der lokalen Anwendungssituation (teils erheblich) erschweren, Engagement für die persönliche Kompetenzentwicklung aufzubringen, gleichwohl wird die Gültigkeit und Begründung der angeführten ethischen Ideale dadurch nicht aufgehoben: Um der eigenen Würde 1758

„Die andauernde berufliche Qualifikation ist [...] nicht alleine eine Bringschuld auf der Seite des Unternehmens, sondern ganz wesentlich auch die Holschuld des einzelnen arbeitenden Menschen“ (RÖTTIG 1993, S. 141).

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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und Selbstachtung willen besteht eine implizite individualethische „Pflicht“, sich selbstständig in Bezug auf aktuell und zukünftig auf dem Arbeitsmarkt gefragte Kompetenzen weiterzuentwickeln. Mehr noch: Damit Arbeitnehmer auf veränderte Verhältnisse reagieren und möglichst lange im Beschäftigungssystem integriert bleiben können, sind sie - idealistisch formuliert: als „Unternehmer in eigener Sache“1759 (man könnte auch sagen: „Arbeitskraftunternehmer“1760 oder „ICH

1759

1760

Der Vorschlag, Mitarbeiter als „Unternehmer in eigener Sache“ zu sehen, hängt bei SCHOLZ (2005, S. 275; 2003, S. 81ff.; 2011, S. 411ff.; vgl. auch ACKERMANN 2005, S. 253) mit der Idee des „Darwiportunismus“ zusammen. Er beschreibt die zukünftige Basis für einen neuen sozialen Kontrakt im Berufsleben durch den Begriff „Darwiportunismus“, einem aus (kollektivem, marktwirtschaftlichem) „Darwinismus“ und (individuellem) „Opportunismus“ zusammengesetzten Wort, mit dem er an die Evolutionstheorie anknüpft. Während Darwinismus für Konkurrenz, Auslese und Kampf ums Überleben steht (vgl. NEUBERGER 2002, S. 83), ist unter Opportunismus die skrupellose „Verfolgung des Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von List“ (WILLIAMSON 1990, S. 54) zu verstehen. Nach SCHOLZ folgen moderne Arbeitgeber der evolutionären Logik und agieren, ähnlich wie ein Fußballverein, rein darwinistisch. Das führt dazu, dass sie bei konjunkturellen Schwankungen (Fusionen usw.) strikt selektiv vorgehen und sich im Zuge einer aggressiven Kündigungspolitik von Mitarbeitern trennen, ohne dabei auf Einzelschicksale zu achten. Ähnlich wie Fußballspieler können die Mitarbeiter im Darwiportunismus „pur“ auf keinerlei „Stammplatzgarantie“ hoffen, stattdessen gilt das „survival of the fittest“: „Wer nicht eindeutige und nachgefragte Kernkompetenzen aufweisen kann, wird im Wettbewerb nicht bestehen können“ (SCHOLZ 2011, S. 411). Auf der anderen Seite verhalten sich SCHOLZ zufolge aber auch die Mitarbeiter (explizit spricht er von der Generation Y) als opportunistische Einzelkämpfer, indem sie, losgelöst von übergeordneten sittlichen Grundsätzen, versuchen, jede Situation egoistisch zu ihrem Vorteil auszunutzen. Dabei sind sie sich ihrer Knappheit bewusst und setzen diese in den Verhandlungen mit den Unternehmen als Druckmittel ein. Am „Arbeitgeber fürs Leben“ haben sie kein Interesse, was zählt, ist der Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit und die Steigerung des eigenen Marktwertes. Das gilt selbst dann, wenn es dem Unternehmen schadet. Auch hier bietet sich ein Vergleich zum Fußball an: So kann ein opportunistischer Fußballer seinen Verein wegen eines besseren Angebots verlassen, obwohl absehbar ist, dass der Rest der Mannschaft ohne sein Zutun absteigen wird. Die Aussagekraft und Anwendbarkeit des Darwiportunismus-Ansatzes sollen hier, genauso wie die dem Ansatz zugrunde liegenden Verhaltensannahmen, nicht weiter hinterfragt werden. Herauszustellen ist aber, dass die Annahmen des Darwiportunismus (etwa das opportunistische Verhalten der Mitarbeiter) nur auf eine überschaubare, durch den demografischen Wandel begünstigte Arbeitnehmergruppe übertragbar sind. Für all jene Arbeitnehmer, deren Spielraum für opportunistisches Verhalten gering ist, bietet der Ansatz keine Lösungsperspektive (dazu mehr am Ende des Abschnitts). So auch ROHRHIRSCH (2005, S. 82): „Das Buch von SCHOLZ ist für junge Menschen gedacht, die flexibel, frei und ungebunden die Empfehlung bekommen, sich den ‚Naturbedingungen‘ des erfolgreichen Lebens anzupassen. Es ist nicht für den so genannten Kunden des Arbeitsamtes [...]. Das Buch ist für Gewinner […]. [...] Menschen, die sich im Scheitern erfahren, die alles gemacht haben, was so gesagt wurde, was man machen sollte, um ‚employabel‘ zu sein, die richtige Ausbildung abgeschlossen, die richtige Lehre gemacht, das richtige Studium absolviert haben, flexibel sind bis ins Rückgrat und doch keine richtige Stelle bekommen nicht einmal eine falsche, für die gibt es nach SCHOLZ weder Weg noch Ausweg“. Vgl. VOß/ PONGRATZ (1998). Vgl. zu den typischen Merkmalen von Arbeitskraftunternehmern ebd., S. 132.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

AG“1761) - dazu angehalten, sich durch lebenslanges Lernen kontinuierlich und gezielt (auf Basis ihrer persönlichen Fähigkeiten und Ziele, der Anforderungen des internen und externen Arbeitsmarktes, spezifischer Berufsfelder) neue berufsrelevante Qualifikationen anzueignen. So leisten sie Strukturierungsbeiträge für ihre eigene Beschäftigungssituation, die in klassischen Normalarbeitsverhältnissen mit mehr oder minder traditionellem Verständnis des psychologischen Vertrags typischerweise beim Arbeitgeber angesiedelt sind bzw. waren 1762. Zum besseren Verständnis und als Überleitung zum nächsten Abschnitt sei hier auf Folgendes hingewiesen: Das zentrale Merkmal der Begründungsebene besteht gerade darin, ein ethisches Ideal abzubilden, auf das nach Kräften hingearbeitet werden sollte. Daraus resultiert aber zugleich, dass die auf der Begründungsebene festgelegten Grundsätze (als Ideale) von manchen realen Gegebenheiten des konkreten Lebens abstrahieren (weshalb es im Folgeschritt eines separaten Anwendungs- und Implementierungsdiskurses bedarf). Diesen Zusammenhang gilt es nun auch bei der vorliegenden Betrachtung zu berücksichtigen: Im Allgemeinen sind Menschen strebsam und daran interessiert, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen weiter auszubauen, um so ihre individuelle Karriere, wobei der Begriff „Karriere“ personenabhängig unterschiedlich ausgelegt wird, kontinuierlich voranzutreiben (unter diesem Blickwinkel ist die Idee der „Ich AG“ oder des „Arbeitskraftunternehmers“ - jedenfalls in einem weiteren Sinne - als grobes Leitbild keineswegs verfehlt). Das gilt im Speziellen für High Potentials, die ihr Potenzial aus eigenem Antrieb heraus immer weiter kultivieren1763. Gleichzeitig sollte nicht übersehen werden, dass Menschen in der Wirklichkeit unterschiedlich fähig und willens sind, sich stets weiterzuentwickeln und ihr eigenes Verhalten und Handeln stetig zu reflektieren. Wer, salopp gesagt, „einfach nur seine Arbeit macht“ und dabei die an ihn oder sie gestellten Anforderungen erfüllt, doch nicht zu mehr bereit oder fähig ist, kann realistischerweise weder als „Ich AG“ bezeichnet noch ohne Weiteres zur „Ich AG“ gemacht werden. Würde man es doch tun, so wäre dies in einigen Fällen als Versuch zu werten, die Situation der Person besser darzustellen, als sie es tatsächlich ist. Insofern stellen die aus solchen Idealbildern bzw. neuartigen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Kontrakten resultierenden Zuschreibungen und Anforderungen für viele (gerade bildungsärmere, geringqualifizierte 1761 1762 1763

Vgl. MARR/ FLIASTER (2003). Vgl. KRAUS/ RAEDER (2008), S. 210. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.2.2.2.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

487

und insgesamt „schwächere“) Menschen eine Überforderung dar, da sie von ihren kognitiven, mentalen und/ oder charakterlichen Fähigkeiten bzw. Kapazitäten her nur bedingt in der Lage sind, ständig an sich zu arbeiten, sich fortlaufend zu verbessern, sich gut zu verkaufen oder von einer in die nächste Position „hochzupushen“. Der Umstand, dass die Natur nicht allen Menschen in gleichem Maße den Spielraum eingeräumt hat, „Unternehmer in eigener Sache“ zu sein, ist zunächst einmal zur Kenntnis zu nehmen und zugleich als Hinweis darauf zu sehen, dass es nicht ausreicht, auf der Begründungsebene, als konzeptioneller Ebene, stehen zu bleiben. Dennoch, und dieser Aspekt steht im Fokus, existieren auf der Begründungsebene die oben formulierten Anforderungen an alle Arbeitnehmer. Letztere sollten daher aus individualethischen Überlegungen heraus Verantwortung für die strategische Weiterentwicklung ihrer beruflichen Fähigkeiten übernehmen, um so ihren („Verkaufs“-) Wert auf dem Arbeitsmarkt zu steigern und im Bedarfsfall, sei es freiwillig oder gezwungenermaßen (im Falle des Stellenverlustes), schnell wieder eine Beschäftigung zu finden. Nachdem die Implikationen und Anforderungen abgeleitet und diskutiert wurden, welche im Bereich der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung vor dem Hintergrund des Befähigungsansatzes von SEN und der Katholischen Soziallehre auf der Begründungsebene gesehen werden, wird die Analyse in Abschnitt 8.2.2 schrittweise auf die (aus managementethischer Sicht noch relevantere) Anwendungs- und Implementierungsebene ausgeweitet.

8.2.2

Managementethische Analyse auf der Anwendungs- und Implementierungsebene

Im vorigen, auf die Begründungsebene bezogenen Abschnitt wurden zwischen dem Bereich der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung und SENs Befähigungsansatz sowie dem Subsidiaritätsprinzip der Katholischen Soziallehre direkte Verknüpfungen hergestellt. Solche Verknüpfungen zwischen managementbzw. (im konkreten Kontext) arbeitsplatzbezogenen Fragen und ethischen Ansätzen sind hilfreich, da sie eine ungefähre Richtung vorgeben, in der nach Lösungen für bestimmte Probleme gesucht werden kann. Zugleich liefern sie den Entscheidern und Betroffenen eine Argumentations- und Rechtfertigungshilfe für gewisse Maßnahmen (Forderungen, Empfehlungen), die es gestattet, die eigene Position und das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen und bei Bedarf anzupassen. Wie

488

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

gezeigt werden konnte, erscheinen auf der Begründungsebene sämtliche präventiven Bemühungen der Unternehmen mit dem Ziel, Beschäftigte arbeitsmarktfähig zu halten und ihnen eine Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, ethisch wünschenswert. Das gilt vor allem deshalb, weil Menschen einer selbstbestimmten Lebensführung und aktiven Teilhabe am Arbeitsleben eine hohe intrinsische Bedeutung beimessen. In diesem Abschnitt werden die bislang auf der Begründungsebene beleuchteten Verknüpfungen weitergehend untersucht und im Sinne der zu Beginn des achten Kapitels erwähnten Stückwerk-Technologie hinsichtlich der Anwendungsund Implementierungsebene beurteilt. Im Zuge dessen wird u. a. herausgearbeitet, dass sich Unternehmen in der Praxis genau überlegen müssen, in welchen Fällen sie welche Form der Personalentwicklung betreiben können bzw. wollen oder nicht. Bei derartigen Überlegungen spielen neben unternehmensethischen und -kulturellen primär betriebswirtschaftliche Kriterien (also die Frage: Rechnet sich Weiterbildung?) eine Rolle, weshalb - und dieser Aspekt ist, wie sich herausstellen wird, nicht nur auf der Implementierungs-, sondern bereits auf der Anwendungsebene relevant - die Bereitschaft der Unternehmen, Mitarbeiter weit über interne Erfordernisse hinaus weiterzuentwickeln und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen, tendenziell eher gering ausfällt (außer in dem allgemeinen Sinne, dass solche Maßnahmen einem geregelten Arbeitsalltag oder der Effizienz des Arbeitseinsatzes zuträglich sind). Wie sich zudem zeigen wird, gilt das, wenn auch aus verschiedenen Gründen, nicht nur in Bezug auf hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte (in Unterabschnitt 8.2.2.2 wird von „Arbeitsmarktgewinnern“ gesprochen), die auf dem Arbeitsmarkt knapper werden, sondern ebenso für niedrigqualifizierte Beschäftigte (sog. „Arbeitsmarktverlierer“), die als Problemgruppe des Arbeitsmarktes gelten und daher in der hier vorgenommenen ethischen Betrachtung im Fokus stehen. Gleichzeitig, und auch darauf wird zurückzukommen sein, ist der Handlungsspielraum vieler Arbeitnehmer begrenzt, sich gemäß dem Gebot der subsidiären Autonomie eigenständig im Hinblick auf den Ausbau ihrer Arbeitsmarktfähigkeit zu engagieren, woraus in der Gesamtbetrachtung ein (zumindest auf den ersten Blick) ernüchterndes Bild resultiert, das auf die höchst problematische Lage all derer Arbeitnehmer verweist, die sich in einer schwachen Arbeitsmarktposition befinden. In Unterabschnitt 8.2.2.1 werden nun zunächst einige grundlegende Zusammenhänge aufgezeigt, die für die weitere Analyse auf der Anwendungs- und Implementierungsebene von Relevanz sind. Im Zuge dessen folgt auch eine kurze Erläuterung zum Aufbau des Abschnitts.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

489

8.2.2.1 Grundlegende Zusammenhänge Bereits obige Darlegungen verdeutlichen, dass es (sowohl in Bezug auf die Arbeitgeber als auch auf die bei ihnen Beschäftigten) ein moralistischer Fehlschluss wäre, zu meinen, der auf der Begründungsebene vor dem Hintergrund des Befähigungsansatzes von SEN und dem Subsidiaritätsprinzip der Katholischen Soziallehre entwickelte (Ideal-)Ansatz zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit ließe sich eins zu eins auf die Anwendungs- oder gar Implementierungsebene übertragen. Dagegen sprechen mehrere Faktoren, die die Entscheidung über das Ob und Wie solcher Maßnahmen determinieren und im Folgenden in ihrem Zusammenspiel erläutert werden. Hierzu bedarf es vorab weiterer theoretischer Überlegungen, auf deren Hintergrund die Faktoren überhaupt erst sinnvoll in das bestehende theoretische Grundgerüst integriert werden können. Wie in den (Unter-)Abschnitten 8.1.2 und 8.1.3.1 erwähnt und in Unterabschnitt 8.2.2.3 noch genauer dargelegt wird, gilt es zu beachten, dass Anwendungs- und Implementierungsebene insofern zusammenhängen, als dass die konkreten, teils widerstreitenden ökonomischen, moralischen, juristischen und sonstigen Interessen (Umstände, Bedingungen, Faktoren, Probleme, Informationen), die in der Realität im lokalen Fall ursächlich dafür sind, was wirklich geschieht, bereits auf der Anwendungsebene in ihrer Gesamtheit in den Blick genommen werden müssen. Andernfalls wäre es nicht möglich, den zwischen verschiedenen ethischen Idealen auf der Anwendungsebene vorherrschenden Widerstreit abzubilden und realistische Abwägungen darüber anzustellen, was moralisch richtig ist und was nicht. Während all diese - kurz gesagt - Interessen auf der Anwendungsebene jedoch rein unter moralischen Aspekten bewertet bzw. unter dem Moral Point of View abgewogen (bilanziert) werden, stehen sie auf der Implementierungsebene neutral (ohne moralische Brille) gegeneinander. Ob und in welchem Ausmaß die ethische Perspektive in der Wirklichkeit tatsächlich berücksichtigt wird, ist dann wiederum eine Frage des konkreten Falls. Möglicherweise spielt sie überhaupt keine Rolle bei der einzelnen Transaktion und das Unternehmen geht rein betriebswirtschaftlich vor (dazu mehr in den Unterabschnitten 8.2.2.3 und - in Bezug auf den Bereich der Personalfreisetzung - 8.3.2.3). Um also den Zusammenhang zwischen dem Bereich der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung und dem Befähigungsansatz von SEN bzw. dem Subsidiaritätsprinzip der Katholischen Soziallehre auf der zweiten Umsetzungsebene des Moral Point of View, der Anwendungsebene, darzustellen und zu analysieren,

490

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

stellt sich vorab die Frage nach den zentralen Faktoren, bei denen davon auszugehen ist, dass sie die Entscheidungen, ob und wie Unternehmen arbeitsmarktbefähigende Entwicklungsmaßnahmen je nach betrachtetem Fall realiter durchführen, beeinflussen. Einige solcher Faktoren werden im Folgenden näher bestimmt, allerdings nur insoweit, als es für das Hauptziel der Arbeit, die strukturelle Einordnung und Bewertung diverser arbeitsplatzbezogener Problemstellungen vor dem Hintergrund der ethischen Theorie, notwendig erscheint. Ein wesentlicher Faktor, der nahezu sämtliche Entscheidungen über arbeitsmarktbefähigende Entwicklungsmaßnahmen in der Realität mitbestimmt, liegt in der sich auf dem Arbeitsmarkt zunehmend abzeichnenden Spaltung in, wie es hier vereinfacht genannt sei, Arbeitsmarktgewinner und -verlierer, die im nachfolgenden Unterabschnitt 8.2.2.2 zunächst allgemein beschrieben und in Unterabschnitt 8.2.2.3 sodann in den bis zu dieser Stelle entwickelten theoretisch-ethischen Bezugsrahmen eingebettet wird. Zuvor sollen zum Abschluss dieses einleitenden Unterabschnitts der Vollständigkeit halber noch zwei weitere relevante ökonomische Barrieren angeführt werden, welche sich generell beschränkend auf das Angebot betrieblicher Weiterbildungsangebote auswirken können und (wie schon die erwähnte Spaltung auf dem Arbeitsmarkt) bereits auf der Anwendungsebene in viele Abwägungsprozesse einzubeziehen sind. Dabei handelt es sich um das Transaktionskosten- und das Zeitressourcenproblem. (1) Transaktionskostenproblem: Zum einen resultiert für Arbeitgeber und -nehmer ein Transaktionskostenproblem, da die finanziellen und zeitlichen Entwicklungskosten (wie bei allen Investitionen) in der Gegenwart zu tragen sind, ihr Nutzen aber, wenn überhaupt, erst in Zukunft eintritt1764. Weiterbildung steht damit in Konkurrenz zu anderen Verwendungsoptionen. Das Transaktionskostenproblem hängt dabei mit dem Hold-up-Problem zusammen1765: Während für den Arbeitgeber die Gefahr eines vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers besteht, ist der Arbeitnehmer mit dem Risiko konfrontiert, dass ihm die mit der Weiterbildung zugesagten Vorteile (wie etwa ein Stellenerhalt) verwehrt werden1766. Die aus dem Transaktionskostenproblem für

1764

1765

1766

Vgl. WOTSCHACK/ SCHEIER/ SCHULTE-BRAUCKS (2012), S. 24; WOTSCHACK (2012), S. 30ff.; WOTSCHACK (2017), S. 364; WOTSCHACK/ SOLGA (2014), S. 369. Vgl. zu den Grundlagen der Prinzipal-Agent-Theorie sowie zum Hold-up-Problem den Exkurs in Abschnitt 3.2.2. Vgl. SEIFERT/ MAUER (2004), S. 190f.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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Arbeitgeber resultierende Unsicherheit verschärft sich, wie in den Folgeabschnitten erläutert wird, bei einer unternehmensunspezifischen (also stärker auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes zugeschnittenen) Personalentwicklung noch weiter. Da der beim Mitarbeiter potenziell erzielbare Know-how-Gewinn nicht speziell auf den Unternehmensbedarf gerichtet ist, bleibt fraglich, ob überhaupt ein Nutzen erreicht werden kann (das gilt besonders für den Bereich der edukationsbasierten Weiterbildung („off the job“), der durch eine theoretische Ausrichtung mit geringer Nähe zur konkreten Mitarbeitertätigkeit gekennzeichnet ist; zu denken ist an EDV-Schulungen, Sprachkurse, Kurse zur Persönlichkeitsbildung, Seminare/ Fallstudien/ Planspiele in den Bereichen Teamarbeit und Kommunikation, Managementprogramme usw.)1767. Zugleich steigt das Risiko, dass Arbeitnehmer abwandern, noch bevor sich die Aufwendungen amortisiert haben. Jedoch sind auch die Beschäftigten mit der Gefahr einer Fehlinvestition konfrontiert, da niemand über Jahre im Voraus genau abschätzen kann, welche Befähigungen im Falle eines Stellenverlustes für den Anschlussjob und -arbeitgeber vonnöten sind. Zudem bleibt ungewiss, ob zum entsprechenden Zeitpunkt (arbeitsmarktpolitisch) ausreichend Arbeitsplätze vorhanden sind. (2) Zeitressourcenproblem: Zum anderen - eng mit dem vorgenannten Problem verbunden - hängen Entwicklungsmaßnahmen mit einem Zeitressourcenproblem zusammen, das aus der NichtVermehrbar- und Nicht-Ansparbarkeit der Ressource Zeit resultiert1768. Als Zeitinvestition führt Personalentwicklung zu einem Zeitaufwand, der aus Arbeitgeberund -nehmersicht einen Kostenfaktor darstellt. Der Entschluss, Personalentwicklung zu betreiben, geht entweder auf Kosten der regulären Arbeitszeit, der erwerbsarbeitsfreien Zeit oder es lassen sich kompromisshafte (Misch-)Lösungen finden1769. Ein solcher Kompromiss könnte so aussehen, dass ein Teil der Weiterbildung während der bezahlten Arbeitszeit (z. B. freitags), ein anderer Teil in der Freizeit (z. B. samstags) stattfindet. Fällt die Weiterbildungszeit in die Arbeitszeit, 1767 1768

1769

Vgl. dazu Abschnitt 6.2.2. Vgl. auch im Folgenden WOTSCHACK/ SCHEIER/ SCHULTE-BRAUCKS (2012), S. 24; SEIFERT/ MAUER (2004), S. 191; DOBISCHAT/ SEIFERT (2007), S. 107; SEIFERT (2010), S. 501. Aus der IWWeiterbildungserhebung geht hervor, dass rund die Hälfte der Unternehmen fehlende Zeitbudgets dafür verantwortlich macht, dass Mitarbeiter nicht für betriebliche Weiterbildung freigestellt werden (vgl. SEYDA/ PLACKE 2017, S. 13ff; SEYDA/ WERNER 2014, S. 9f.). Neben fehlendem Qualifizierungsbedarf mangelt es in beinahe der Hälfte der Unternehmen zudem an den erforderlichen Kapazitäten, um Weiterbildungsmaßnahmen zu organisieren und zu planen (vgl. ebd.). Vgl. DOBISCHAT/ SEIFERT (2001), S. 92.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

so wie es bei betriebsspezifischer Weiterbildung zur Anpassung der Qualifikationen an die Arbeitsplatzerfordernisse häufig der Fall ist 1770, so reduziert sich der Anteil der produktiven Arbeitszeit und es kommt zum Anstieg der Arbeitskosten1771. Weiterbildung verursacht dann indirekte Kosten (neben direkten Kosten für Lehrgangs- und Teilnehmergebühren, Lernmaterialien, Lizenzgebühren, Reisekosten usw.)1772. Fällt die Weiterbildungszeit dagegen nicht in die bezahlte Arbeitszeit, was bei Maßnahmen ohne betrieblichen Bezug eher zu erwarten ist, so haben die Arbeitnehmer die Kosten als Opportunitätskosten selbst zu tragen, etwa in Form von entgangener Freizeit oder Entlohnung, falls sich eine Arbeitszeitverkürzung realisieren lässt. Dabei ist zu sehen, dass Unternehmen vielfach ökonomisch darauf angewiesen sind, die Arbeitszeit (durch zeitlich befristete und Teilzeitbeschäftigung, Minijobs o. Ä.) flexibel einzuteilen und effizient zu nutzen, um auf wechselnde Konjunkturverläufe und Marktveränderungen reagieren zu können1773. Das führt wiederum zu folgendem Dilemma: In wirtschaftlichen Boomphasen mit guter Auftragslage sind Unternehmen geneigt, die Arbeitszeit auszudehnen, statt Mitarbeiter für Weiterbildung freizustellen. In wirtschaftlich-konjunkturellen Krisenzeiten hingegen, welche mit einer schwachen Ertragslage einhergehen, ist der Faktor Zeit zwar vorhanden (teils wird die Regelarbeitszeit sogar reduziert), jedoch kann sich das Weiterbildungsbudget als Engpass erweisen. In der Folge, und das zeigt die letzte Finanz- und Wirtschaftskrise, konzentrieren sich viele Unternehmen auf das Kerngeschäft und schränken Weiterbildungsmaßnahmen eher ein, statt sie in der Vorausschau auf bessere Zeiten auszuweiten1774. Das gilt umso mehr, wenn die zu erwartenden Weiterbildungserträge gering ausfallen. Wie deutlich geworden ist, kann sowohl das Transaktionskosten- als auch das Zeitressourcenproblem in der Realität eine Einschränkung von (arbeitsmarktbefähigenden) Entwicklungsmaßnahmen bewirken, was bereits auf der Anwendungsebene unter moralischen Gesichtspunkten in den Blick genommen werden muss. 1770

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Gegenwärtig zeichnet sich der Trend ab, Weiterbildungsaktivitäten in die Freizeit zu verlagern (vgl. DEHNBOSTEL 2008, S. 151). Laut Daten der IW-Weiterbildungserhebung „ist der Anteil der Weiterbildung, der in der Freizeit stattfindet, seit 2007 von einem Fünftel auf ein Drittel [in 2010 sowie 2013] gestiegen“ (SEYDA/ WERNER 2012, S. 8; vgl. auch SEYDA/ WERNER 2014, S. 5). Da sich dieser Zusammenhang bei gegebener Weiterbildungszeit und niedrigerer Arbeitszeit verschärft, erklärt sich auch, dass Teilzeitbeschäftigte seltener an betrieblicher Weiterbildung beteiligt sind (vgl. dazu Unterabschnitt 8.2.2.3). Vgl. SEYDA/ WERNER (2014), S. 5. Vgl. KLENNER/ KOHAUT/ HÖYNG (2010), S. 210. Vgl. RUMP/ EILERS (2017), S. 93; BOGEDAN (2010), S. 314.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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Dasselbe gilt auch für die sich zunehmend verschärfenden Spaltungstendenzen auf dem Arbeitsmarkt, die im folgenden Unterabschnitt betrachtet werden, bevor in Unterabschnitt 8.2.2.3 eine zusammenfassende Beurteilung der Erkenntnisse auf der Anwendungs- und Implementierungsebene vorgenommen wird.

8.2.2.2 Zweiteilung des Arbeitsmarktes in systematische Arbeitsmarktgewinner und -verlierer Ein Aspekt, der die Entscheidungen auf Unternehmensebene über das Angebot arbeitsmarktbefähigender Maßnahmen auf der Anwendungs- und Implementierungsebene beeinflusst und mitausschlaggebend dafür ist, dass es auch in diesem Bereich keine managementethischen Einheitslösungen gibt, sondern einer differenzierten Betrachtung bedarf, liegt im jeweiligen Ausmaß, in dem die Mitarbeiter einen im Hinblick auf die Unternehmensziele spezifischen, erfolgskritischen Leistungsbeitrag generieren. Hierbei ist festzustellen, dass heute im Grunde ein gespaltener Arbeitsmarkt vorliegt, weshalb im weiteren Verlauf von zwei Beschäftigtengruppen bzw. Arbeitsmarktsegmenten ausgegangen wird, welche vereinfacht als Arbeitsmarktgewinner und -verlierer bezeichnet und nun näher charakterisiert werden1775. Der Fokus der Betrachtung wird dabei, da in der vorliegenden Arbeit eine ethische Analyse der Problemlage durchgeführt wird, auf der Gruppe der Arbeitsmarktverlierer liegen. (1) Arbeitsmarktgewinner: Die erste Gruppe, deren Angehörige nachfolgend als Arbeitsmarktgewinner bezeichnet werden, sind (hoch-)qualifizierte Mitarbeiter, die über knappe, schwer nachahmbare Kompetenzen verfügen und auf (Schlüssel-)Positionen der mittleren und höheren Ebene tätig sind. Ihr Einfluss auf die Strategie und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens ist hoch und wird sich in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt (Stichwort: Industrie 4.0) weiter steigern. Arbeitsmarktgewinner zählen zur erfolgskritischen Kernbelegschaft und zeichnen sich durch eine gestei-

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Die Annahme eines zweigeteilten Arbeitsmarktes stellt eine Vereinfachung dar. Realiter existiert eine große, von den Arbeitsmarktgewinnern und -verlierern nicht eindeutig abgrenzbare „mittlere“ Beschäftigtengruppe, die über einen festen Arbeitsvertrag verfügt und durchschnittlich gut ausgebildet ist. Ihre Gefährdungslage hängt (je nach Passung der vorhandenen Qualifikationen mit den Anforderungen im Unternehmen und des Arbeitsmarktes) mal mehr mit der Lage der Arbeitsmarktgewinner, mal mehr mit der der Arbeitsmarktverlierer zusammen.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

gerte Leistungsbereitschaft und -fähigkeit, Mobilität, Unabhängigkeit und Flexibilität aus. Sie sind sich ihres hohen Arbeitsmarktwertes bewusst 1776, wobei die für die Qualifikation der Arbeitsmarktgewinner erforderlichen Aufwendungen vom Unternehmen freiwillig als betriebsnotwendige Investition in der Hoffnung auf einen angemessenen ROI getragen werden. Was die Arbeitsmarktfähigkeit dieser Beschäftigtengruppe betrifft, so dürften es sich viele Unternehmen in Zeiten des demografischen Wandels gut überlegen, inwieweit sie solche auch für Wettbewerber attraktiven Mitarbeiter wirklich „nach draußen“ qualifizieren, also noch reifer für den externen Arbeitsmarkt machen sollen1777. Letzterer Gedanke zeigt bereits, dass das Thema Arbeitsmarktfähigkeit in gewissen Zeiten und Bereichen durchaus kritisch zu sehen ist. Zugleich ist zu bedenken, dass die individuelle Marktfähigkeit für Arbeitsmarktgewinner von hoher Relevanz ist und sich deren relevanter Arbeitsmarkt zusehends vom Anbieter- zum Nachfragermarkt verschiebt. Ihre Verhandlungsmacht gegenüber dem Arbeitgeber ist folglich tendenziell hoch, sodass viele Unternehmen, um weiter als attraktive Arbeitgeber gesehen zu werden und (hoch-)qualifizierte Beschäftigte anziehen und binden zu können, darauf angewiesen sein werden, Arbeitsmarktgewinner nicht nur systematisch unternehmensspezifisch (mit Blick auf knappes, aktuell benötigtes Humanvermögen) zu entwickeln, was im beiderseitigen Interesse liegt, sondern, quasi als Belohnung obendrauf, auch in Bezug auf ihre Arbeitsmarktfähigkeit. Andernfalls ist damit zu rechnen, dass Leistungsträger ausscheiden, um Einbußen im eigenen Marktwert zu verhindern1778. Darüber hinaus kann es Unternehmen vor dem Hintergrund eines weiter gefassten Verständnisses von Arbeitsmarktfähigkeit auch selbst zugutekommen, etwa ältere (hoch-)qualifizierte Mitarbeiter leistungs- und arbeitsmarktfähig zu halten1779. Das gilt speziell im Hinblick auf das Training gewisser Soft Skills (wie Team- und Konfliktfähigkeit, Kommunikationsvermögen, Zielorientierung, Lern- und Veränderungsbereitschaft, Eigenverantwortung usw.), die als Meta-Fähigkeiten auch für andere, aber genauso für das eigene Unternehmen bedeutsam sind. All das ändert aber nichts daran, und dieser Aspekt steht hier im

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BECKER bezeichnet diese Mitarbeitergruppe daher auch als „Humanvermögenskapitalisten“ bzw. - abgekürzt - „HUKAS“ (vgl. BECKER 2008, S. 358f.; BECKER 2004, S. 9ff.; BECKER 2005, S. 282; BECKER 2013, S. 75, 226). Vgl. RUMP/ EILERS (2017), S. 93; RUMP/ VÖLKER (2007), S. 60f. sowie bereits die kurzen Ausführungen in Abschnitt 6.2.3. Vgl. einschränkend dazu KRES (2007), S. 209. Vgl. RUMP/ VÖLKER (2007), S. 61; BECKER (2008), S. 358; BECKER (2004), S. 10f. Vgl. zum unternehmensseitigen Nutzen einer erhöhten Beschäftigungsfähigkeit RUMP/ EILERS (2017, S. 95ff.).

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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Vordergrund, dass Unternehmen der Entwicklung (hoch-)qualifizierter Mitarbeiter nach außen und einer zunehmenden Ökonomisierung ihrer Loyalitätsbeziehung eher skeptisch begegnen und versuchen werden, sie zu umgehen (statt sie durch Hilfe zur Selbsthilfe zu fördern). Die langfristige Bindung der Arbeitsmarktgewinner an das Unternehmen sowie die Sicherung ihrer hohen Leistungsfähigkeit haben weiterhin hohe Priorität. Es wird die These wiederholt, dass auf dem Arbeitsmarkt eine Spaltung vorliegt, welche, wie gleich zu zeigen sein wird, auch zu einer Spaltung der Gesellschaft insgesamt beiträgt und wirtschaftspolitisch so nicht gewollt sein kann. Das Gros der Unternehmen setzt sich nicht nur aus (hoch-)qualifizierten Fach- und Führungskräften (High Potentials) zusammen, deren Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ohnehin keine größeren Schwierigkeiten bereitet. Wie gezeigt, sind Arbeitsmarktgewinner den Anforderungen des Arbeitsmarktes gewappnet. Ihr Anliegen, die individuelle Arbeitsmarktfähigkeit sichern und ausbauen zu wollen, ist nachvollziehbar und legitim, steht aber nicht im Mittelpunkt der Betrachtung 1780. Managementethisch rückt stattdessen die Frage nach der Relevanz und Realisierbarkeit der Arbeitsmarktfähigkeit für jene Arbeitnehmer in den Fokus, die (häufig in atypischen Beschäftigungsverhältnissen) auf unteren, teils körperlich anstrengenden Positionen mit wenig Aufstiegsmöglichkeiten und Einfluss auf die Arbeitsgestaltung tätig sind, die einfach, falsch oder gar nicht qualifiziert sind und für die es nicht ausreichend viele (dazu noch existenzsichernde) Stellen gibt. Kennzeichnend ist hier beispielsweise die Entwicklung, dass - trotz des hohen Beschäftigungsstandes - gut bezahlte Industriearbeitsplätze zunehmend abgebaut werden und gleichzeitig immer mehr einfache, schlecht bezahlte Dienstleistungsarbeitsplätze (etwa bei Liefer- und Zustelldiensten, im Einzelhandel, in der Gastronomie, Gebäudereinigung) entstehen. Angehörige dieser Arbeitnehmergruppe werden im Folgenden vereinfacht als Arbeitsmarktverlierer bezeichnet.

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KRES (2007, S. 210) stellt diesbezüglich fest: „Nicht für jeden ist Employability wichtig [besser: gleich wichtig]. Jemand, der seine Karriereziele definiert hat und weiß, wie er sie erreichen kann, oder ein Experte, welcher in seiner Branche hoch angesehen ist [...], der ist bereits Akteur seiner Karriere geworden“.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

(2) Arbeitsmarktverlierer: Gemeint sind jene Arbeitnehmer, die primär komplementäres Humankapital („Jedermanns“-Kompetenzen) anbieten, welches sich relativ problemlos anlassbezogen (z. B. über Outsourcing) beschaffen lässt 1781. Ihr Risiko, nach einem Stellenverlust arbeitslos zu werden, ist, selbst bei boomender Konjunktur, vor allem in höherem Lebensalter und bei Ansiedlung des Arbeitgebers in einer strukturschwachen Region, vergleichsweise groß, was die Bedeutung einer ausreichenden Arbeitsmarktfähigkeit für diese Gruppe vor Augen führt (hierauf wird in Unterabschnitt 8.2.2.3 erneut eingegangen). Bei den Arbeitsmarktverlierern handelt es sich um ein Sammelbecken von Menschen, die zwar arbeiten, wegen ihrer schwachen Arbeitsmarktposition jedoch kaum in der Lage sind, ihre Existenz ohne Hilfe Dritter zu sichern. „Sie bewegen sich durch das unwegsame Gelände von Minijobs, Praktika, Leiharbeit, befristeten Tätigkeiten und staatlichen Unterstützungsleistungen. Sie stehen [...] dauerhaft zwischen Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit. Sie pendeln zwischen geförderter und nicht geförderter Beschäftigung, sie sind zwischen auskömmlicher Tätigkeit und Armut trotz Erwerbstätigkeit hinund her geworfen“1782. Zugespitzt könnte auch von einem „neuen Prekariat“ gesprochen werden. Ohne die Feinheiten des „Prekariat“-Begriffs zu behandeln, sei hier auf Folgendes hingewiesen: Der Begriff „Armut“ wurde früher gewöhnlich auf Menschen ohne Arbeit bezogen. Diese Wortassoziation greift heute teilweise zu kurz, da der Begriff „Prekariat“ gerade daher kommt, dass es Menschen gibt, die bezahlter Arbeit nachgehen, dennoch aber nicht ausreichend verdienen, um ihre Existenz zu sichern1783. Was die Größenordnung dieses Phänomens angeht, so handelt es sich um eine Frage, über die politisch gestritten werden muss (und gestritten wird). Zu beachten ist, dass nicht alle Gering- oder Unqualifizierten von Arbeitslosigkeit bedroht oder prekär beschäftigt sein müssen. Auch zählen nicht alle Menschen in atypischen Beschäftigungsformen - hierzulande ungefähr jeder fünfte Arbeitnehmer1784 - zwangsläufig zum Prekariat und sind arm. Zwar unterliegen atypisch Beschäftigte einem erhöhten Armutsrisiko, Menschen können aber 1781

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BECKER bezeichnet diese Mitarbeitergruppe als „Humanvermögenspauperisten“ bzw. - abgekürzt - „HUPAS“ (vgl. BECKER 2008, S. 358f.; BECKER 2004, S. 10; BECKER 2005, S. 282; BECKER 2013, S. 75, 226). VOGEL (2008), S. 15. Nach Ergebnissen des Mikrozensus waren 2014 30,8 % (2005: 23,1 %) der geringqualifizierten Personen über 25 Jahren in Deutschland armutsgefährdet (vgl. Destatis 2015a). 20,7 % der Erwerbstätigen zwischen 15 und 64 Jahren gingen 2016 einer atypischen Beschäftigung nach (vgl. Destatis 2017). Zugleich ist in den letzten Jahren keine Verdrängung von Normalarbeitsverhältnissen zu verzeichnen (Anteil 2016: 69,2 %, 2006: 65,4 %, vgl. ebd.; Destatis

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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z. B. auch nur nebenher arbeiten, um ein bereits ausreichendes Haushaltseinkommen aufzustocken1785. Genauso haben manche Berufsanfänger beim Einstieg in den Arbeitsmarkt zeitweise eine atypische, schlechter bezahlte Arbeit zu akzeptieren, bevor sie in ein Normalarbeitsverhältnis wechseln können. „Das prekäre Potenzial wird [insofern erst dann] real, wenn sich unsichere Erwerbsbiografien verfestigen (biografische Pfade nicht mehr verlassen werden können)“ 1786. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich auf dem Arbeitsmarkt ein Problemfeld im Sinne eines systematischen Kreises von Verlierern („Abgehängten“) entwickelt (hat), das auf Dauer nicht nur für die betroffenen sozialen Gruppen selbst schädlich ist (ihr Leiden ist vielfältig, zu denken ist nur an Bereiche wie Gesundheit, Kindererziehung, Familie)1787, sondern für das Funktionieren der Gesellschaft und Demokratie insgesamt (zu denken ist an Probleme wie eine zunehmende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen, sozialer Unfrieden, Altersarmut und Kriminalität). Folglich ist die soziale Frage des Prekariats grundsätzlich auch eine Frage nach dem Zusammenhalt der Gesellschaft 1788. Zugleich darf nicht übersehen werden, dass viele atypisch Beschäftigte (wie Minijobber, Leiharbeiter, Zeitarbeiter usw.) aus der Arbeitslosigkeit kommen oder zuvor noch nie eine Beschäftigung hatten. Einfache und geringbezahlte Arbeit kann Arbeitslosen also den Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen. So wurden laut Bundesagentur für Arbeit im ersten Halbjahr 2017, wie schon in den Jahren zuvor, rund zwei Drittel aller neuen Zeitarbeitsverträge mit Personen geschlossen, welche unmittelbar zuvor nicht beschäftigt waren 1789. Daher wäre es falsch zu meinen, jeder atypisch Beschäftigte sei aus einem regulären, unbefristeten, sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsverhältnis verdrängt worden. Vielmehr bedarf es aus ethischer Sicht einer differenzierten Betrachtung: Ethisch stellt es zunächst die wünschenswertere Lösung dar, wenn Menschen überhaupt eine Arbeit finden, auch wenn diese, etwa was die Bezahlung, Stellensicherheit, Arbeitszeit und -inhalte betrifft, prekär ist (wobei zu bedenken ist, dass viele Geringqualifizierte darauf angewiesen sind, derartige Stellen anzunehmen, da ihnen

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2016b). Dass die Arbeit in Deutschland nicht ausgeht, zeigt sich bereits daran, dass die Schattenwirtschaft rund 10 % des offiziellen (legalen) BIP ausmacht (vgl. ENSTE 2017, S. 7, 24; SCHNEIDER/ BOOCKMANN 2018). Der Anteil der unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten lag 2014 bei 15 % (vgl. Destatis 2016a, S. 48). BARTELHEIMER/ LEHWESS-LITZMANN (2012), S. 68. Vgl. ORLANDO (2003), S. 32. Vgl. KRAUSE/ KÖHLER (2012), S. 18, 33. Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2018), S. 12.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

keine andere Wahl bleibt)1790. Dahinter steht die in Abschnitt 3.1.2 beschriebene Vorstellung, dass Menschen ihren Nutzen durch Arbeit in der Regel steigern können. Zwar würde diese Steigerung im Nutzen und Befähigungspotenzial bei einer regulären Vollzeitstelle höher ausfallen, trotzdem treten die positiven Effekte auch bei einer atypischen Beschäftigung ein. Auf der Anwendungsebene ist aus Sicht eines Arbeitnehmers und Arbeitssuchenden jenes Arrangement moralisch vorzugswürdig, das für ihn erreichbar ist (wobei, wie erwähnt, atypische bzw. prekäre Beschäftigung für Geringqualifizierte oft die einzige Alternative bildet) und die besten Folgen hat (z. B. zu einer Aufrechterhaltung der Befähigungen beiträgt). Sobald also durch atypische Beschäftigung gegenüber dem Zustand der Arbeitslosigkeit ein Nutzenzuwachs erzielt werden kann, ist diese Option ethisch-utilitaristisch vorzuziehen (vgl. für eine ähnliche Argumentation im Kontext mit Mindestlöhnen den Exkurs am Abschnittsende). Diese Aussage gilt aber nur, wenn atypische Beschäftigung legal umgesetzt wird und es sich um eine Nutzen stiftende und menschenwürdige Arbeit handelt, welche es den Stelleninhabern gestattet, die mit der Stellenannahme erhofften Nutzenvorteile realisieren zu können 1791. Zugleich ist man sich auf der Begründungsebene, auf der ethische Ideale formuliert werden, weiterhin darüber im Klaren, dass viele prekäre und atypische Erwerbsarbeitsverhältnisse nicht ideal sind. Sie sind für die Betroffenen zwar besser, als ganz aus dem Arbeitsmarkt herauszufallen, trotzdem wäre es wünschenswert, wenn sich ihre Situation verbessern ließe. Eine solche Verbesserung ist aber nicht ohne Weiteres erzielbar, da es sich für Unternehmen häufig nicht rechnet, Arbeitnehmer mit einfachen Tätigkeiten über reguläre Vollzeitstellen oder überhaupt im Inland zu beschäftigen, zumal sie im Wettbewerb auf einen differenzierten Aufbau von Stamm- und Randbelegschaft achten müssen. Das zu ignorieren und einen generellen Wandel in der Einstel-

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Zudem wäre es falsch zu glauben, alle Menschen, die einfache Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen verrichten, würden sich ihrem Schicksal quasi hilf- und rechtlos ausgesetzt fühlen. Viele Arbeitnehmer üben ihre Arbeit, auch wenn sie ihnen kaum die eigene Existenz sichern hilft, von ihrem Selbstverständnis her gerne aus. Atypische Beschäftigungsformen wurden in der Vergangenheit immer wieder auf verschiedene Weise zweckentfremdet und zulasten der Arbeitnehmer missbraucht (zu denken ist z. B. an Scheinwerkverträge bzw. illegale Arbeitnehmerüberlassungen), was nicht weiter thematisiert wird. Hier steht nur der Umstand im Mittelpunkt, dass Menschen durch atypische Beschäftigungsformen (wie Werkverträge) ihren arbeitsplatzbezogenen Nutzen steigern und zu einem besseren Leben befähigt werden können, was ethisch wünschenswert ist.

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lungspolitik einzufordern, wäre nicht nur naiv, sondern für die betrachtete Arbeitsmarktgruppe höchst riskant. Ähnliches gilt, um den Blick über die Unternehmensebene hinaus auszudehnen, für Forderungen nach Veränderungen in den Konsumgewohnheiten, wie sie etwa im Zusammenhang mit der Zunahme einfacher Dienstleistungstätigkeiten vorgebracht werden1792. Hier ist zu sehen, dass sich die Lebens- und Konsumstile in den vergangenen 20 bis 30 Jahren gewandelt haben und die zunehmende Verbreitung einfacher Dienstleitungen direkt mit Veränderungen des gesamtgesellschaftlichen Verhaltens zusammenhängt (so lassen sich z. B. die Strukturen und Prozesse, wie der Handel vor 20 Jahren beschaffen war, nicht mehr mit der heutigen E-Commerce-Welt und den damit verbundenen Dienstleistungen vergleichen)1793. Mehr noch: Viele Menschen haben sich an das hohe Niveau an Versorgungsqualität in verschiedenen Lebensbereichen so sehr gewöhnt, dass einfache Dienstleistungen vielfach gar nicht mehr wahrgenommen werden. Daraus resultiert, dass kein oder nur wenig Bewusstsein dafür herrscht, was gewisse Dienstleistungen, zumindest wenn sie qualitätsvoll ausgeführt werden, finanziell wert sind (zynisch formuliert ist es für einen Teil der Menschen in der Gesellschaft bequem, wenn es stets eine kleine Zahl von „Verlierern“ gibt, die wegen ihrer schwachen Arbeitsmarktposition für jeden Hungerlohn jede Arbeit machen). Allerdings, und das sollte nicht ausgeblendet werden, kann diese veränderte Gesamtsituation weder politisch noch wirtschaftlich problemlos einzelnen Verursachern zugeordnet werden. Stattdessen ist sie als reale Entwicklung zu begreifen, welche alle Menschen in irgendeiner Form erfasst und kaum umkehrbar ist. Es hilft folglich auch nicht, sie moralisierend zu verurteilen. Zwar besteht das Erfordernis, Missstände zu beheben oder zu verringern, dennoch wäre es verfehlt, zu meinen, die heutige soziale Wirklichkeit ließe sich flächendeckend um 30 Jahre zurückdrehen.

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So sprach sich, um ein Beispiel anzuführen, die Vorsitzende der SPD Baden-Württemberg LENI BREYMAIER in der ARD-Sendung Hart aber Fair für eine Rückkehr zum Postmonopol aus, um dadurch die zum Teil vorherrschenden Missstände in der Paketbranche (in Sachen Bezahlung, Arbeitszeiten usw.) zu beseitigen (vgl. Hart aber fair 2017 [Fernsehsendung]: Feste Jobs gestrichen, Löhne gedrückt: Ist das die neue Arbeitswelt?, ARD, ausgestrahlt am 17.12.2017, 21.00 Uhr, vgl. dazu die Website: https://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/videos/video-feste-jobs-gestrichen-loehne-gedrueckt-ist-das-die-neue-arbeitswelt--102.html). Im selben Zusammenhang rief Baden-Württembergs Verbraucherschutzminister PETER HAUK (CDU) dazu auf, „an Weihnachten die Geschenke […] in den Läden vor Ort [zu] kaufen“ (vgl. WEHAUS 2017). Vgl. dazu bereits Abschnitt 3.3.2.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Exkurs Anfang: Ethische Bewertung Mindestlöhne Die Frage, ob Mindestlöhne im betrachteten Kontext ein geeigneter Ansatz sind, ist umstritten, wobei zu beachten ist, dass auch eine Mindestlohneinführung keine managementethische, auf der Ebene des operativen Alltagsgeschäfts angesiedelte, sondern eine ordnungs- oder tarifpolitische Entscheidung darstellt (lediglich auf der Ebene der Arbeitgeberverbände in den Tarifverhandlungen könnte von einer Managemententscheidung gesprochen werden, dann aber eher im Sinne eines übergeordneten, strategischen Managements). Das Problem liegt darin, Wege zu finden, wie diejenigen, die zwar eine Arbeit, zugleich aber die geringsten Einkommen in der Gesellschaft haben, am besten gefördert werden können. Dabei geht es darum, dass die Menschen, die unter dem Wert bezahlt werden, den sie für ein Unternehmen generieren, fair entlohnt werden und zugleich eine Untergrenze geschaffen wird, um prekäre Beschäftigung unter einem nicht mehr zumutbaren Lohnniveau zu verhindern. Bei der Einführung eines (speziell flächendeckenden) gesetzlichen Mindestlohns, so wie er in Deutschland 2015 realisiert wurde (in 2019: 9,19 Euro/ Std.), ist aber zu bedenken, dass in Abhängigkeit der Lohnhöhe nicht alle Menschen in der Lage sind, ein dem Mindestlohn entsprechenden Wert für das Unternehmen zu erwirtschaften. Das Hauptargument der Gegner (Ökonomen, Unternehmerverbände usw.) ist daher, dass viele Stellen, so wie sie heute bestehen, nicht mehr weiterexistieren können und es zum Anstieg der Arbeitslosigkeit kommt. Das gilt im Besonderen für einfache Dienstleistungsbereiche, in denen es kaum oder keine starken Gewerkschaften gibt und die mitausschlaggebend für die Einführung des Mindestlohngesetzes waren. Darüber hinaus lässt sich nur schwer vorhersagen, inwieweit Mindestlöhne die Schaffung neuer Stellen behindern. Selbst wenn nach einer Mindestlohneinführung nur wenige Beschäftigte unmittelbar entlassen werden, so fällt es jungen und aufstrebenden Unternehmen schwerer, neue Stellen zu schaffen1794. Das Thema Mindestlohn ist damit, insofern branchenübergreifend derselbe Lohn festgesetzt wird, in gewissem Maße immer mit einer politischen und ethischen Tradeoff-Frage verbunden, die sich wie folgt formulieren lässt1795: Inwiefern rechtfertigt ein höheres Einkommen für Gruppe A, dass Gruppe B dafür womöglich ihren Job verliert? Wie deutlich wird, ist es (auch aus ethischer Sicht) nicht ohne Weiteres möglich ist, sich klar für oder gegen eine

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Vgl. zu den Auswirkungen einer Mindestlohneinführung auf das Arbeitsplatzwachstum die Studie von MEER/ WEST (2013). Vgl. MANKIW/ TAYLOR (2008), S. 140.

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Mindestlohneinführung auszusprechen (zumal hierbei noch mehr Aspekte einbezogen werden müssten, so etwa die Folgen einer Mindestlohneinführung oder -erhöhung auf die Kaufkraft, usw.). Sehr instruktiv in diesem Zusammenhang ist ein von BURDA und KIRCHGÄSSNER genanntes Beispiel1796: 2014 wurde eine Erklärung von über 600 amerikanischen Ökonomen (darunter die sieben Nobelpreisträger KENNETH ARROW, PETER DIAMOND, ERIC MASKIN, THOMAS SCHELLING, ROBERT SOLOW, A. MICHAEL SPENCE und JOSEPH STIGLITZ) an den damaligen US-Präsidenten OBAMA geschickt, mit der Empfehlung, den Mindestlohn über einen Zeitraum von drei Jahren schrittweise von 7,25 Dollar (2014) auf 10,10 Dollar (2016) anzuheben. Daraufhin wurde eine Erklärung von über 500 amerikanischen Ökonomen (darunter die drei Nobelpreisträger VERNON SMITH, EDWARD PRESCOTT und EUGENE FAMA) veröffentlicht, mit der Aufforderung, von diesem Vorschlag Abstand zu nehmen 1797. Beide Gruppen berufen sich dabei in ihren Stellungnahmen auf die existierende empirische Evidenz, was die Umstrittenheit und Kompliziertheit der Auswirkungen einer Mindestlohneinführung und -erhöhung vor Augen führt. Auch was Deutschland betrifft, sind die aus dem Mindestlohn zu erwartenden Beschäftigungseffekte (zumindest zum heutigen Zeitpunkt) kontingent, zumal keine langjährigen Erfahrungen mit Mindestlöhnen bestehen und auch der Vergleich mit anderen Ländern (22 von 28 EU-Mitgliedsstaaten verfügten 2018 über einen allgemeinen Mindestlohn) wegen abweichender Rahmenbedingungen (z. B. der unterschiedlichen Wirtschaftsstärke der Länder) nicht problemlos möglich ist 1798. Vor diesem Hintergrund soll hier nur Folgendes festgehalten werden: Für eine reiche, moralisch integre Gesellschaft wie die BRD ist es als inakzeptabel zu werten,

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Vgl. BURDA/ KIRCHGÄSSNER (2015), S. 89. Vgl. dazu die Website https://nebula.wsimg.com/faf44fea2172ad008b46a64835ae2492?AccessKeyId=D2418B43C2D698C15401&disposition=0&alloworigin=1 Auch empirische Studien über die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen liefern kein einheitliches Bild. Einerseits lässt sich die Behauptung, ein gesetzlicher Mindestlohn führe per se zum Verlust von Arbeitsplätzen, nicht beweisen. So konnten die britischen Ökonomen DOLTON/ ROSAZZA-BONDIBENE/ WADSWORTH (2010) in ihrer über einen Zeitraum von zehn Jahren angelegten Studie keine negativen Beschäftigungseffekte in Großbritannien ausmachen, wo seit 1999 ein Mindestlohn (in 2018: 8,56 Euro/ Std.) existiert. Andererseits herrscht gewisse Einigkeit darüber, dass ein Mindestlohn, wie z. B. das „Salaire minimum interprofessionnel de croissance“ in Frankreich („SMIC“ in 2018: 9,88 Euro/Std.), zum Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit führen kann (vgl. CAHUC ET AL. 2013).

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

und diesbezüglich besteht ein breiter Konsens, wenn das Endeinkommen einer Familie unter dem soziokulturellen (d. h. in Relation zu anderen Gesellschaftsmitgliedern stehenden) Existenzminimum liegt. Es gehört zu den moralischen Grundlagen unserer Gesellschaft, dass auch ärmere Bevölkerungsteile über eine Grundausstattung verfügen, welche sie zu einem normalen Leben im 21. Jahrhundert befähigen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob Menschen ihre missliche Lage selbst verschuldet haben (etwa weil sie sich nicht ausreichend um Bildung gekümmert haben) oder nicht. Ihnen ist in jedem Falle ein Auffangnetz auszulegen, so wie es hierzulande auch vorgesehen ist (d. h. die Sicherung eines Existenzminimums bzw. gewissen Grundeinkommens ist faktisch gegeben). Der Punkt ist nun: Durch Mindestlöhne wird ein Beitrag geleistet, dass mehr Menschen von ihrer Arbeit leben können, und das, ohne auf staatliche Aufstockungen angewiesen zu sein, die von vielen ohnehin als demütigend empfunden werden. Dennoch ist der Umstand, dass der reguläre Lohn eines Arbeitnehmers nicht zu diesem Existenzminimum ausreicht, nicht kategorisch als unfair zu verurteilen (auch wenn das von den Gewerkschaften vielfach so gesehen wird), zumindest dann nicht, wenn die am Marktwert oder Umsatz gemessene Produktivität der Arbeit des Arbeitnehmers nicht groß genug ist, um höhere Löhne zu erwirtschaften1799. Daher kann ein Mindestlohn insbesondere Menschen ohne Schulabschluss und Berufsausbildung schaden, da sie eventuell nur noch mit Mühe eine Stelle finden. Für eine alltagsrelevante Ethik kommt es, wie erwähnt, auf die Nutzenwirkung einer Maßnahme (Spielregel) an, weniger auf die Gestalt der Maßnahme an sich. Sollte durch einen Mindestlohn der höchste Durchschnittsnutzen erzielbar sein (wogegen allerdings die ökonomische Logik spricht), dann ist die Spielregel „gesetzlicher Mindestlohn“ moralisch richtig und vorzuziehen. Andernfalls ist auf ihre Einführung zu verzichten. Da es sich bei der (Nicht-)Einführung von Mindestlöhnen aber um keine tragische Entscheidung handelt, sollten Mindestlöhne nicht als alleiniges, sondern als ein mögliches Instrument von vielen angesehen werden, das in einem umfassenden Arbeitsmarktprogramm zum Einsatz kommen kann. Exkurs Ende In Unterabschnitt 8.2.2.3 soll auf Grundlage der bislang angestellten theoretischen Überlegungen sowie vor dem Hintergrund der gerade dargelegten Ausführungen 1799

Als ungerecht zu werten wären z. B. Fälle, in denen ein Arbeitgeber einen an sich produktiven Arbeitnehmer gezielt ausbeutet und ihm damit ein angemessenes Leben am oder über dem Existenzminimum „verwehrt“.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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zur bestehenden Spaltung auf dem Arbeitsmarkt schließlich der Frage nachgegangen werden, welche Erkenntnisse aus der Verknüpfung zwischen dem Bereich der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung und dem Befähigungsansatz von SEN bzw. dem Subsidiaritätsprinzip der Katholischen Soziallehre auf der Anwendungs- und Implementierungsebene gezogen werden können.

8.2.2.3 Zusammenführung der Ergebnisse und managementethische Analyse Wie in Unterabschnitt 8.2.2.1 erläutert, ist der in Abschnitt 8.2.1 auf der ethischen Begründungsebene dargelegte Ansatz, um die Arbeitsmarktfähigkeit nach dem Leitbild des Befähigungsansatzes und Subsidiaritätsprinzips zu fördern, nicht ohne Weiteres auf die Anwendungs- und Implementierungsebene übertragbar. Jedenfalls wäre es falsch zu denken, die auf der Begründungsebene festgelegten ethischen Ideale (bzw. Ziele, Ideal- oder Zielvorstellungen) ließen sich eins zu eins in die Realität umsetzen. Wichtige Gründe hierfür wurden im vorigen Unterabschnitt zur auf dem Arbeitsmarkt vorherrschenden Spaltung in Arbeitsmarktgewinner und -verlierer dargelegt. Folgende Ausführungen knüpfen damit direkt an Unterabschnitt 8.2.2.1 an und ergänzen ihn um diese Erkenntnisse. Um die theoretischen Zusammenhänge zwischen Begründungs-, Anwendungsund Implementierungsebene korrekt fortführen zu können, sei nochmals daran erinnert, dass auf der Anwendungsebene (in der lokalen Anwendungssituation, im lokalen Anwendungsfall) in entsprechenden Abwägungen und Bilanzierungen, welche idealiter aus dem Blickwinkel eines unparteilichen Zuschauers („impartial spectator“) zu erfolgen haben, eine Antwort auf die Frage gefunden werden muss, was moralisch richtig ist und was nicht (d. h. welcher Problemlösungsweg bzw. welches Arrangement ethischer Ideale letztlich gelten soll). Ziel ist es, zur angemessenen, realistischen Moraloption der lokalen Situation (des konkreten Problems, der konkreten Frage) zu gelangen, wobei in vielen Fällen ein Widerstreit zwischen diversen ethischen Idealen existiert. Das gilt auch für die vorliegende Untersuchung, in der einzelne ethische Ideale aus dem Gesamtweltzusammenhang herausgelöst und einer abstrahierenden Betrachtung unterzogen werden, die sich von der Begründungs- über die Anwendungs- bis hin zur Implementierungsebene erstreckt: Um auf der Anwendungsebene zur vergleichsweise gerechtesten, ethisch „richtigsten“ Lösung für die Frage zu kommen, ob und wie arbeitsmarktbefähigende Maßnahmen unter den gegebenen Bedingungen zu erfolgen haben

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

(oder anders gesagt: welche Mitarbeiter es gemäß der Unternehmensziele wert sind, auf bestimmte Weise weiterentwickelt zu werden), sind sämtliche in der Realität für den konkreten Fall aktual gegebenen unternehmens- und stakeholderbezogenen Interessen (genauso Umstände, Bedingungen, Faktoren, Aspekte, Probleme, Informationen) - seien sie ökonomischer, moralischer, juristischer oder sonstiger Natur - in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und unter dem moralischen Gesichtspunkt im Anwendungsdiskurs gegeneinander abzuwägen1800. So muss der zuvor beschriebene Umstand, dass realiter eine Spaltung auf dem Arbeitsmarkt existiert, die Konsequenzen für das Entscheidungsverhalten der Unternehmen in Bezug auf personalentwicklungsbezogene Fragen hat (vgl. dazu die weitergehenden Hintergrundinformationen in der folgenden Box), bereits auf der Anwendungsebene in all ihren Facetten betrachtet und unter dem Moral Point of View bilanziert (d. h. bewertet und abgewogen) werden1801. Der Arbeitsmarkt der Arbeitsmarktverlierer wird, wie im vorigen Unterabschnitt beschrieben, in absehbarer Zukunft ein Anbietermarkt bleiben, weshalb es aus ethischer Sicht vor allem auf die Intention der Arbeitsmarktfähigkeit ankommt. Für die Gruppe der Arbeitsmarktverlierer ist Personalentwicklung und die dadurch erzielbare Verbesserung der Arbeitsmarktfähigkeit weniger ein strategisches Instrument, das in der Hoffnung auf eine (in Bezug auf das Einkommen oder die Arbeitsinhalte) bessere Stelle angestrebt wird, sondern zuallererst eine Art „Schutzmechanismus“, um notfalls überhaupt eine andere, ggf. schlechtere (aber existenzsichernde) Stelle zu finden1802. Insofern entschärft sich die von einer erhöhten Arbeitsmarktfähigkeit ausgehende opportunistische Ausbeutungs- bzw. Abwanderungsgefahr im Falle der Arbeitsmarktverlierer erheblich. Dadurch aber, dass die Befähigungen der Arbeitsmarktverlierer unspezifisch sowie leicht beschaff- und austauschbar sind, können sie vom bestehenden Fachkräftemangel

1800 1801

1802

Vgl. dazu (Unter-)Abschnitte 8.1.2, 8.1.3.1 und 8.2.2.1. Zum besseren Verständnis sei hinzugefügt, dass der Umstand einer Spaltung des Arbeitsmarktes deshalb nicht auf der Begründungsebene zu verorten ist, da auf dieser alle Menschen bzw. Arbeitnehmer gleich sind. Arbeitsmarktverlierer arbeiten primär, um Geld zu verdienen, sodass die materiellen Werte der Arbeit dominieren. Damit soll nicht zum Ausdruck kommen, dass Arbeitsmarktverlierer kein Interesse daran hätten, eine bessere Stelle zu finden, sich durch Arbeit selbst zu verwirklichen und die eigene Identität zu festigen. Viele Geringqualifizierte sind sich der positiven Effekte, welche aus Weiterbildungsmaßnahmen resultieren können, bewusst (vgl. DEMARY ET AL. 2013, S. 76f.).

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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kaum profitieren1803 und ihre Verhandlungsstärke gegenüber den Arbeitgebern ist gering. Sollte darüber hinaus ihre Mobilitätsbereitschaft schwach ausgeprägt sein, was z. B. bei Arbeitern im mittleren Alter mit Kindern im Vergleich zu Jungakademikern recht wahrscheinlich ist, so wird erklärbar, warum viele Unternehmen in der Realität kaum bereit sind, Arbeitsmarktverlierer arbeitsmarktfähig zu machen oder ihnen ein finanzielles und zeitliches Budget (in Form von bezahlter Freistellung) für derartige Maßnahmen einzuräumen. Sie werden häufig also, nicht zuletzt wegen der zu erwartenden geringen Weiterbildungserträge1804, keine Hilfe zur Selbsthilfe leisten, es sei denn, es würde sich doch kurzfristig auszahlen, da die Qualifikationen intern für anspruchsvollere Tätigkeiten genutzt werden können, die Zuverlässigkeit der Mitarbeiter zunimmt o. Ä.1805 Vorrangiges Bestreben der Unternehmen bleibt es jedoch, Beschäftigte so einzusetzen, dass sie heute die maximale Wertschöpfung realisieren. Nur in seltenen Fällen werden sie ihr Interesse so ausrichten, dass es auch der Steigerung des Arbeitsmarktwertes der Arbeitsmarktverlierer dient. Das deckt sich mit der Erkenntnis, dass Weiterbildung generell ungleich zwischen Beschäftigtengruppen verteilt ist und Niedrigqualifizierte (in Bezug auf den schulischen und beruflichen Abschluss) nicht nur seltener1806, sondern auch hinsichtlich des eingesetzten Maßnahmenspektrums weniger umfassend in betriebliche Weiterbildung integriert sind 1807. Einfache, körperlich anstrengende Tätigkeiten sind in der Regel weniger lernförderlich und auch seltener mit dem Erfordernis nach kontinuierlicher Weiterbildung verbunden 1808. Andererseits ist aus Mitarbeitersicht auch dann Vorsicht geboten, wenn Unternehmen 1803

1804 1805

1806

1807 1808

Hierzu lässt sich generell sagen, dass „Einflussfaktoren, die sich allgemein förderlich auswirken, […] keineswegs auch zur Weiterbildung typischerweise unterrepräsentierter Gruppen beitragen [müssen]“ (WOTSCHACK/ SOLGA 2014, S. 370). Vgl. BECKER (2017), S. 401ff. 43,4 % der Unternehmen stimmten in der IW-Weiterbildungserhebung 2011 der Aussage zu, dass An- und Ungelernte dank Weiterbildung qualifizierte Tätigkeiten ausüben könnten (vgl. SEYDA/ WERNER 2012, S. 13f.). Nach Daten des IAB-Betriebspanels nahmen 2016 44 % aller Beschäftigten, deren Tätigkeit einen Berufs- oder Hochschulabschluss erfordert, an betrieblicher Weiterbildung teil, bei Beschäftigten mit einfachen Tätigkeiten waren es nur 20 % (vgl. Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom 22.03.2017). Vgl. auch BMBF (2017), S. 31ff.; SEYDA/ PLACKE (2017), S. 12f.; BELLMANN/ GRUNAU/ LEBER (2015); WOTSCHACK (2017); MOHR/ TROLTSCH/ GERHARDS (2016). Zudem ist die Beteiligungsquote von Ausländern (gefolgt von Deutschen mit Migrationshintergrund) an betrieblicher Weiterbildung nach wie vor geringer als die von Deutschen ohne Migrationshintergrund (vgl. BMBF 2017, S. 36f.), was damit zusammenhängt, dass in Deutschland lebende Personen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich häufig geringqualifiziert sind (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 173ff.). Vgl. HELL ET AL. (2006a), S. 15ff.; HELL ET AL. (2006b), S. 73ff. Vgl. SEYDA/ WERNER (2014), S. 11; FLAKE ET AL. (2014), S. 55f., 74, 87.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

von sich aus freiwillig Maßnahmen zum Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit ergreifen. Sollten Unternehmen daran interessiert sein, an- und ungelernte Mitarbeiter hochgradig arbeitsmarktfähig zu halten, so ist zu beachten, dass dieses Interesse auch darauf gerichtet sein kann, Stellen im Bedarfsfall flexibler abbauen und die Verantwortung dabei teilweise abschieben zu können 1809. Daher ist nachvollziehbar, wenn Arbeitnehmer und deren Vertreter dem Employability-Ansatz aus Bedenken vor einem verdeckten Stellenabbau zum Teil auch skeptisch begegnen 1810. Welche Beweggründe letztlich ausschlaggebend dafür sind, dass sich Unternehmen (nicht) in Sachen Employability engagieren (und ob dabei moralische Motive eine Rolle spielen)1811, bleibt ungewiss, zumal die Entscheidungen auf der Unternehmensebene polydimensional sind1812. Es sind vielfältige Situationskonstellationen denkbar, die Unternehmen dazu veranlassen oder davon abhalten können, ihre Transaktionen auf eine Steigerung der Arbeitsmarktfähigkeit der Mitarbeiter hin auszurichten. Die Unternehmen bewegen sich, und hier liegt eine Schwierigkeit der Managementethik generell, in einem schlecht durchschaubaren moralökonomischen Graubereich, in dem in vagen „pi mal Daumen“-Entscheidungen festzulegen ist, wie mit dem Thema Arbeitsmarktfähigkeit (neben anderen Themen) zu verfahren ist (und welche Maßnahmen für wen, in welchem Umfang, zu welchen Bedingungen zu ergreifen sind).

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Die Argumentation ist - vereinfacht - folgende: „Wir können die Mitarbeiter problemlos entlassen; aufgrund ihrer erhaltenen Schulungen werden sie vermutlich leicht wieder eine neue Stelle finden. Und wenn doch nicht, dann können wir uns immer noch darauf berufen, im Vorfeld das Nötigste getan zu haben“. Vgl. RUMP/ EILERS (2017), S. 94; RUMP/ VÖLKER (2007), S. 12, 65f., 99. Für Arbeitnehmer ist es neben ihrer Sozial- und Fachkompetenz wichtig, ein Verständnis für marktwirtschaftliche Mechanismen zu entwickeln, da sie andernfalls nicht fähig sind, zu hinterfragen, welche Gefahren aus gewissen Maßnahmen erwachsen und inwieweit sie mit ihren aktuellen Fähigkeiten langfristig im Unternehmen sowie auf dem Arbeitsmarkt bestehen können. Ebenso ist es für Betriebsräte wichtig, die Spielregeln des Marktes und der Unternehmen zu verstehen, wobei jenen Betriebsräten eine zentrale Rolle zukommt, die weniger als Ableger der Gewerkschaften fungieren, sondern ein Interesse am Wohl des Unternehmens haben und selbiges betriebsnah (als „Korrektiv“) begleiten wollen. WOTSCHACK und SOLGA (2014) konnten in ihren Untersuchungen Hinweise dafür finden, dass ausgeprägte Gemeinschafts- und Solidaritätsnormen innerhalb des Unternehmens von Bedeutung sind, wenn es um die Beteiligung benachteiligter Mitarbeitergruppen an betrieblicher Weiterbildung geht (vgl. ebd., S. 386, 392). Im Grunde ist es genau diese Heterogenität und Komplexität im Leben, auf die SEN mit seinem Befähigungsansatz aufmerksam machen will, die zugleich aber auch zu enormen Anwendungsproblemen führt.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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Ebenso ist etwa der Umstand in die Abwägung einzubeziehen, dass realiter nicht alle Menschen fähig und willens sind, Eigenverantwortung für den Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit zu übernehmen (vgl. dazu die weitergehenden Hintergrundinformationen in der folgenden Box), auch wenn genau das auf der Begründungsebene unter dem Leitbild des negativen Aspektes der Subsidiarität als ethisches Ideal formuliert wurde (vgl. Abschnitt 8.2.1). Da Arbeitsmarktverlierer damit zu rechnen haben, unmittelbar betriebswirtschaftlich behandelt zu werden, sind sie vielfach darauf angewiesen, sämtliche für den Ausbau ihrer Arbeitsmarktfähigkeit notwendigen Maßnahmen selbst zu organisieren und finanzieren1813. Je nach Familienstand und familiärer Arbeitsteilung resultiert daraus eine große finanzielle und zeitliche Belastung (bzw. ein großes Transaktionskosten- und Zeitressourcenproblem)1814. Das gilt neben Alleinerziehenden1815 und Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen1816 besonders für Frauen und Mütter. Letztere nehmen bis heute, auch wegen unzureichender Vereinbarkeitsbedingungen und eines nach wie vor tradierten geschlechtsspezifischen Rollenbildes1817, im Vergleich zu Männern (durch freiwillige Erwerbsunterbrechungen, die Übernahme von Teilzeitstellen, Minijobs) häufig berufliche Wettbewerbsnachteile auf sich, woraus erhebliche Risiken für ihre soziale Absicherung 1813

1814 1815

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1817

Vgl. BECKER (2008), S. 358f. Das verlangt ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Für viele Arbeitnehmer, die am Anfang oder in der Mitte ihres Erwerbslebens stehen, erwächst daraus ein Gefühl beständiger Verunsicherung, da sie „[be]fürchten [...], den neuen Anforderungen bezüglich Flexibilität und Lernbereitschaft sowie einer Veränderung ihrer Arbeitsbedingungen nicht gewachsen zu sein, zu versagen oder aber ‚auszubrennen‘ [Stichwort: Burn-out]“ (RUMP/ VÖLKER 2007, S. 12; vgl. auch RUMP/ EILERS 2017, S. 93f.). Vgl. SEIFERT/ MAUER (2004), S. 191; DEHNBOSTEL (2008), S. 150f. Alleinerziehende Mütter arbeiten, um ein ausreichendes Familieneinkommen zu erzielen, im Vergleich zu Müttern in Paarfamilien (über alle Altersstufen der Kinder hinweg) häufiger in Vollzeit (2013: 42 %; Mütter in Paarfamilien 2013: 25 %; vgl. LENZE/ FUNCKE 2016, S. 16f.; KELLER/ HAUSTEIN 2014, S. 740). Vgl. zur zeitlichen Belastung durch Pflegeaufgaben PFAHL/ REUYß/ RINDERSPACHER (2010, S. 162f.). Für die Versorgung Pflegebedürftiger sind durchschnittlich 36,7 Std./ Woche aufzuwenden (was einem Vollzeitjob entspricht), wobei der Zeitaufwand je nach Pflegestufe und kognitiver Verfassung der zu Pflegenden höher ausfallen kann (vgl. SCHNEEKLOTH/ WAHL 2005, S. 78). Nur rund ein Drittel der Hauptpflegepersonen in Privathaushalten im erwerbsfähigen Alter sind vollzeitbeschäftigt (vgl. SCHWINGER/ TSIASIOTI/ KLAUBER 2016, S. 193; SUHR/ NAUMANN 2016; SCHMIDT/ SCHNEEKLOTH 2011, S. 31f.). Vgl. KLENNER/ KOHAUT/ HÖYNG (2010), S. 207ff. Gemäß traditionellen Vorstellungen erfolgt die Existenzsicherung der verheirateten Frau über die Ehe. Möchte diese dennoch in den Arbeitsmarkt eintreten, dann bietet sich (idealtypisch) nur ein Arbeitsverhältnis mit geringer Arbeitszeitdauer an. Ein solch tradiertes Rollenbild existiert heute noch, wenn auch nicht mehr so starr und ausgeprägt wie früher.

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und geringere Beteiligungschancen an betrieblicher Weiterbildung resultieren 1818. Zudem entfällt immer noch ein Großteil der Hausarbeit, Kindererziehung und Pflegeaufgaben auf sie, was den nachhaltigen Umgang mit der eigenen Arbeitskraft weiter erschwert1819. Wenn es Arbeitsmarktverlierern also nicht gelingt, ihre Arbeits- oder Familien-, Reproduktions- und Sozialzeit einzuschränken, so haben sie in vielen Fällen auf Weiterbildung zu verzichten1820. Dabei ist aber zu bedenken, dass beide Einschränkungsformen negative individuelle und familiäre Folgen haben können: Wegen des geringen Arbeitseinkommens ist der Spielraum vieler Arbeitsmarktverlierer begrenzt, die Arbeitszeit (auch in Form von Überstunden, Nebentätigkeiten o. Ä.) zu verringern und zugunsten von Weiterbildung auf Einkommen zu verzichten1821. Zudem verfügen Arbeitnehmer auf unteren Ebenen oftmals über keine ausreichende Arbeitszeitsouveränität, die es ihnen gestatten würde, Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit partizipativ mitzugestalten 1822. Wiederum andere 1818

1819

1820 1821

1822

Die niedrigere Beteiligung von Frauen an beruflicher Weiterbildung (Teilnahmequote 2016: 34 %, Männer: 39 %, vgl. BMBF 2017, S. 35) ist auf zwei Kernfaktoren zurückzuführen: Zum einen ist die Erwerbstätigenquote von Frauen zwischen 15 und 65 Jahren (2016: 70,8 %) geringer als die von Männern (2016: 78,5 %, vgl. Bundesagentur für Arbeit 2017, S. 7), zum anderen ist ihr Anteil unter den Teilzeiterwerbstätigen und Minijobbern, die an betrieblicher Weiterbildung weniger beteiligt werden, höher (2014 waren 47 % der 20- bis 64-jährigen erwerbstätigen Frauen teilzeitbeschäftigt, Männer: 9 %, vgl. Destatis 2016a, S. 48). Bei Müttern lag die Teilzeitquote 2013 bei 70,1 % (Väter: 5,6 %, vgl. KELLER/ HAUSTEIN 2014, S. 737f.). Im Vergleich zu Männern leisten Frauen durchschnittlich das 1,6-fache an Hausarbeit (u. a. Essenszubereitung, häusliche Reinigungs-/ Instandhaltungsarbeiten, Einkaufen, Haushaltsvorbereitung/ -organisation) und das 2,4-fache an Fürsorgearbeit (u. a. Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen), wobei sich die Faktoren für erwerbstätige Frauen kaum unterscheiden (Hausarbeit: 1,6, Fürsorgearbeit: 1,9, vgl. HOBLER ET AL. 2017, S. 7ff.). Diese ungleiche Verteilung ist ein Grund, dass Frauen (insbesondere Frauen in Paarhaushalten mit Kindern, speziell kleinen Kindern) gegenüber Männern häufiger einer zeitlich reduzierten Erwerbsarbeit nachgehen. Angehörige der mittleren Altersgruppe (Frauen häufiger als Männer) befinden sich zudem oftmals in einer Sandwich-Position, da sie als Eltern (ggf. partiell sogar als Großeltern) neben dem Beruf nicht nur die Kindererziehung und Haushaltsführung, sondern auch die Pflege Angehöriger zu bewältigen haben und sich so einer Doppelbelastung ausgesetzt sehen (vgl. KLENNER/ PFAHL 2008, S. 22f.). Vgl. SEIFERT/ MAUER (2004), S. 191. Vgl. WOTSCHACK (2012), S. 29. Arbeitsmarktverlierer sind häufig gezwungen, lange Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen, um ein ausreichendes Haushaltseinkommen zu erwirtschaften. Hierfür spricht auch, dass flexible Arbeitszeitformen (freie Arbeitszeitgestaltung, Gleitzeit o. Ä.) auf unteren Hierarchieebenen seltener zum Einsatz kommen (vgl. HACKET 2012, S. 669). Für viele Beschäftigte, und für Arbeitsmarktverlierer gilt das umso mehr, beschränkt sich „der Einfluss auf die alltägliche Zeitstruktur [...] weitgehend auf Mitbestimmungsmöglichkeiten über Beginn und Ende der Arbeitszeiten, freie Tage oder verlängerte Wochenenden“ (WOTSCHACK 2012, S. 29). Die Quantität der freien Zeit sagt zudem für sich genommen nicht aus, ob sich diese Zeit effektiv

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bemühen sich erst gar nicht um eine Arbeitszeitänderung, aus Sorge, negativ aufzufallen1823. Verkürzungen der Familien-, Reproduktions- oder Sozialzeit steigern dagegen das Risiko, dass Reproduktionslücken entstehen oder vergrößert werden, welche sich gegen die gesundheitliche und psychische Verfassung des Arbeitnehmers richten, ebenso aber die Wahrnehmung der Fürsorgepflichten gegenüber Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen (und damit individuelle moralische Interessen) konterkarieren können1824. Im Gegensatz zu den besser verdienenden Arbeitsmarktgewinnern sind Arbeitsmarktverlierer zudem nicht in der Lage, häusliche Versorgungsleistungen, soweit überhaupt möglich, über den Markt zu beziehen, um sich so Weiterbildungszeit zu „erkaufen“1825. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass Arbeitsmarktverlierer wegen früherer negativer Weiterbildungserfahrungen (etwa in der Schulzeit) tendenziell eher geneigt sind, eine entmutigte, weiterbildungsabstinente Haltung einzunehmen, wodurch sie sich teilweise selbst von Weiterbildung exkludieren1826. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein faktisch bestehender Weiterbildungsbedarf, warum auch immer, überhaupt nicht wahrgenommen wird. Wie vorstehende Darlegungen zeigen, wird es auch künftig Arbeitnehmer geben, denen es schwerfällt, ihre Verwirklichungschancen (in Form ihrer Arbeitsmarktfähigkeit) zu verbessern, da sie unterdurchschnittlich an betrieblicher Weiterbildung beteiligt („Hilfe“-Defizit) und zugleich aus persönlichen Gründen nur beschränkt in der Lage sind, sich fachlich und persönlich in arbeitsmarktrelevanten Schlüsselqualifikationen weiterzubilden („Selbsthilfe“-Defizit). Als Folge ihrer minimalen Handlungs- und Wahlfreiheit sind sie ihrem hohen Arbeitsmarktrisiko relativ wehrlos ausgeliefert, was bedauerlich ist, da die „Flucht nach vorne“ die einzige reale Chance für Arbeitsmarktverlierer zur Verbesserung ihrer Situation

1823

1824 1825 1826

für Weiterbildung einsetzen lässt. Erschwerte Bedingungen treten bei harter körperlicher Arbeit (auch Arbeit auf Abruf/ in Wechsel- oder dauerhafter Nachtschicht) auf, von der geringqualifizierte Arbeitnehmer häufiger betroffen sind. Das gilt umso mehr in Zeiten einer drohenden Arbeitslosigkeit, in der die Zahl der Krankmeldungen sinkt, da viele Arbeitnehmer befürchten, ihre Stelle zu verlieren (vgl. DIETERICH/ VETTER/ NAJI 2005, S. 369). Vgl. JURCZYK (2010), S. 254ff. Vgl. SEIFERT/ MAUER (2004), S. 191. Vgl. FLAKE ET AL. (2014), S. 24, 27ff.; SEYDA/ WERNER (2014), S. 11; BELLMANN/ GRUNAU/ LEBER (2015), S. 49. Die Beteiligung an individueller berufsbezogener Weiterbildung, die Arbeitnehmer in Eigenregie (selbstfinanziert, außerhalb der Arbeitszeit) aus beruflichen Gründen (zwecks beruflichem Aufstieg, zur Steigerung der Arbeitsmarktflexibilität usw.) durchführen, steigt mit zunehmendem schulischen und beruflichen Bildungsniveau an (vgl. BMBF 2017, S. 32).

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darstellt. Hinzuzufügen ist, dass die skizzierte Problemlage nicht auf alle, sondern nur auf einen Teil der betrachteten Arbeitnehmergruppe zutrifft. Wer über einen ausreichenden finanziellen und zeitlichen Spielraum für eigenverantwortliche Weiterbildung verfügt, ist angehalten, diesen gemäß dem Prinzip der subsidiären Autonomie zu nutzen. Die Frage, welche Maßnahmen hierzu im Einzelfall auf der Mikroebene des einzelnen Arbeitnehmers zu ergreifen sind, ist nicht Gegenstand dieser (primär auf die Meso- bzw. Unternehmensebene gerichteten) Arbeit 1827. Auf der Anwendungsebene kann es also (mit Blick auf den jeweiligen Fall) angemessen bzw. notwendig erscheinen, die auf der Begründungsebene gültigen ethischen Ideale, nämlich - auf die Arbeitgeber bezogen -: „Arbeitgeber sollten ihre Beschäftigten um ihrer Würde willen beim Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit unterstützen“ und - in umgekehrter Perspektive, auf die Arbeitnehmer bezogen -: „Arbeitnehmer sollten aus individualethischen Motiven heraus selbst Initiative für den Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit ergreifen“, lokal einzuschränken und zu akzeptieren, dass das jeweilige ethische Ideal unter Beachtung der gegebenen Rahmenbedingungen nicht angewendet oder moralisch nicht verlangt werden kann, da der betreffende individuelle oder kollektive Akteur zu dessen Umsetzung realiter nicht in der Lage ist. Dieser Gedanke wird im Folgenden noch genauer begründet und anhand mehrerer Szenarien verdeutlicht. Dabei wird auch eine Einschätzung zur empirischen Relevanz einzelner Szenarien vorgenommen. Da sich die hier vorgestellte Untersuchung primär der Unternehmens- und Managementperspektive zuwendet, beschränkt sich die weitere Betrachtung und Diskussion auf die erstgenannte, arbeitgeberbezogene ethische Idealvorstellung.

1827

Dazu nur so viel: Wie bereits ausgeführt, entspricht es dem Grundgedanken des Subsidiaritätsprinzips, dass Menschen zunächst aus eigenen Kräften (autonom) für sich selbst sorgen sollen. Es sind also Maßnahmen zur Selbsthilfe zu ergreifen. Das kann geschehen, indem versucht wird, sich in der Freizeit (ggf. auch im Zuge eines Bildungsurlaubs, im tarif- oder individualvertraglich festgelegten Urlaub) im Selbststudium oder in Kursen in jenen Bereichen weiterzubilden, in denen fachliche und persönliche Schwächen bestehen. Zudem sollten Arbeitnehmer auf Basis ihrer zukünftigen beruflichen Ziele versuchen, vorhandene Stärken und Kompetenzen zu erkennen, zu bewerten und auszubauen. Anders ausgedrückt geht es darum herauszufinden, was man bei der Arbeit nicht nur gerne tut (da man einen Sinn darin erkennt, vgl. dazu die Überlegungen bei SCHOLZ (2003, S. 150) zum Konzept der „Sinn-Aktie“), sondern besser als andere tut und wofür sich langfristig ein Absatzmarkt finden lässt. Solche Kompetenzen, die sich heute und vermutlich später vermarkten lassen, gilt es weiterzuentwickeln, um dauerhaft in der Arbeitswelt bestehen zu können. Zugleich sind veraltete Kompetenzen aufzuspüren, für die so, auch wenn das vom Arbeitgeber noch nicht kommuniziert wird, in Zukunft keine Nachfrage mehr zu erwarten ist.

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Wie die Interessenabwägungen und -bewertungen des „impartial spectator“ aussehen oder was die hypothetischen Gottessimulationen diverser Akteure auf der Anwendungsebene konkret ergeben würden, bleibt zwangsläufig ungewiss, da es den „impartial spectator“ nicht gibt und es ebenso unmöglich ist, die Gedankengänge und Abwägungen anderer Menschen, die immer in gewissem Maße subjektiv verzerrt bleiben, vollständig zu identifizieren. Daher lässt sich auch keine allgemeingültige, für jeden Einzelfall zutreffende Aussage treffen, ob und inwieweit die in Abschnitt 8.2.1 auf der Begründungsebene vor dem Hintergrund des Befähigungsansatzes erklärten ethischen Ideale letztlich auf der Anwendungsebene angewendet, also als ethisch richtige (angemessene, realistische, verantwortungsvolle, akzeptable, vorzugswürdige, gerechte) Entscheidung gewertet werden und zum Tragen kommen können. Darüber können nur grobe, verallgemeinernde Hypothesen angestellt werden, für deren Richtigkeit es keine Beweise, doch aber, wie gleich gezeigt werden soll, plausible Hinweise gibt. Wird nun der Versuch unternommen, verschiedene Konstellationen und Interdependenzen in der Beziehung zwischen Anwendungs- und Implementierungsebene zu erfassen und bezüglich ihres Praxisbezugs und ihrer Aussagekraft für die untersuchte Problematik zu beleuchten, so sind im ersten Schritt zwei Grundszenarien zu unterscheiden, die in Abb. 43 veranschaulicht und im Anschluss weiter ausdifferenziert werden. Ethisches Ideal: „Arbeitgeber sollten ihre BeschäfBegründungsebene BE tigten um ihrer Würde willen beim Ausbau der ArUnparteilichkeit + Befähigung zum guten Leben beitsmarktfähigkeit unterstützen“ ↓ ↓ Szenario 1 Szenario 2 Anwendungsebene AE (Was?) Bereitschaft zu hypothetischer Gottessimulavorhanden tion/ Simulation des „impartial spectator“? Ethisches Ideal der BE kann in lokaler Anwendungssituation angewendet werden?

nein ↓

ja ↓





Implementierungsebene IE (Wie?) nein (nicht Ethisches Ideal der BE wird in wirklicher Wirkerforderlich) lichkeit umgesetzt?

2a

2b

2c

ja

nein (NichtKönnen)

Vorliegen eines „FoMC”?

nein

nein (NichtWollen) ja

Abb. 43: Szenariounterscheidung auf der Anwendungs- und Implementierungsebene1828

1828

Quelle: Eigene Darstellung.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Auf der Anwendungsebene ist zu unterscheiden zwischen Situationen, in denen ein bestimmtes, auf der Begründungsebene festgelegtes ethisches Ideal nach entsprechenden Abwägungen im Anwendungsdiskurs zurückgestellt oder vollends fallengelassen wird (vgl. Szenario 1), und Situationen, in denen das betreffende Ideal tatsächlich (stärker oder schwächer) angewendet wird (vgl. Szenario 2). Diese Unterscheidung ist zwar vereinfachend, da beide Szenarien in der Regel nicht hundertprozentig voneinander abgrenzbar sind (und ethische Ideale darüber hinaus im Normalfall mit anderen ethischen Idealen zusammenhängen), erlaubt aber eine hinreichend zuverlässige Interpretation der Gegebenheiten. Beide Szenarien werden im Folgenden separat behandelt und hinsichtlich des im vorliegenden Zusammenhang interessierenden arbeitgeberbezogenen ethischen Ideals analysiert. Der Fokus der Analyse richtet sich dabei auf die Gruppe der Arbeitsmarktverlierer, wobei, wie im Laufe der Argumentation deutlich werden wird, Szenario 1 aus pragmatischen Gründen als das empirisch wahrscheinlichere angesehen werden muss, auch wenn dies aus moralischer Sicht bedauernswert erscheint. Szenario 1 (ethisches Ideal der BE fällt im Abwägungsprozess der AE weg): Es ist denkbar, dass in der lokalen Anwendungssituation gegen das auf der Begründungsebene festgelegte ethische Ideal verstoßen werden muss, da nach Abwägung der Gesamtheit aller Interessen, die in der lokal zu entscheidenden Situation zusammenspielen, die ethisch „richtigste“ Lösung darin gesehen wird, keine arbeitsmarktbefähigenden Maßnahmen durchzuführen, sei es für alle Mitarbeiter oder einen Teil von ihnen; oder anders formuliert, da nach Abwägung aller Interessen der Entschluss gefällt wird, die (weiterhin moralisch legitimen) entwicklungsbezogenen Arbeitnehmerinteressen zugunsten anderer (moralisch legitimer) Interessen zurückzustellen. Nun drängt sich die Frage nach möglichen Ursachen und Gründen für ein solches Zurückstellen auf, gerade nach solchen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie die Umstände in der Realität des Geschäftsalltags treffend widerspiegeln. Als ein wahrscheinlicher Grund für die beschriebene Interessenzurückstellung sind ökonomische bzw. wettbewerbliche Erfordernisse auszumachen, mit denen sich jedes Wirtschaftsunternehmen realiter konfrontiert sieht und die, da sie für das Management einen gleichermaßen hohen Stellenwert einnehmen, bereits auf der Anwendungsebene in sämtliche Bewertungen und Abwägungen mit einzubeziehen sind. Dabei sind in der Praxis vielfältige Konstellationen denkbar, welche hier nur beispielhaft skizziert werden sollen, um die groben Zusammenhänge und Abhängigkeiten zu verdeutlichen: So kann ein finanziell angeschlagenes Unternehmen in seiner Bilanzierung im Anwendungsdiskurs zum

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Ergebnis gelangen, dass die Arbeitnehmerinteressen an arbeitsmarktbefähigenden Maßnahmen deshalb ethisch zurückzustellen sind, da stattdessen alle verfügbaren Mittel zur Überwindung der aktuellen Krise eingesetzt werden sollen. Ein anderes, finanziell stärkeres Unternehmen stellt das auf der Begründungsebene gültige ethische Ideal deshalb zurück, da es sich ethisch primär dem Kundennutzen verpflichtet sieht und es vorzieht, viele Ressourcen in Forschung und Entwicklung zu investieren. Wiederum ein anderes Unternehmen zieht es ethisch vor, verfügbare Ressourcen so einzusetzen, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen und die Stellung im Markt zu sichern (oder: um einen großen Auftrag an Land zu ziehen, um den anvisierten Globalisierungskurs voranzutreiben, um in einer Wachstumsphase konsequent in die logistische Infrastruktur zu investieren o. Ä.). All den Beispielen ist, so die Annahme, Folgendes gemeinsam: Dem Unternehmen ist das auf der Begründungsebene zugrunde gelegte ethische Ideal, alle Mitarbeiter zu Arbeit zu befähigen und so ihrer individuellen Würde gerecht zu werden, bewusst. Gleichwohl ist es auf der Anwendungsebene gezwungen, Abwägungen zwischen Interessen vorzunehmen und eine Entscheidung über die unter den gegebenen Umständen vergleichsweise gerechteste und ethisch „richtigste“ Lösung zu fällen. Wirtschaftsunternehmen müssen hierbei, wie es in den Beispielen zum Ausdruck kommt, ökonomischen Interessen ein besonderes Gewicht einräumen, da diese für den betrieblichen Erfolg und, womit zugleich ein ethisches Ideal angesprochen ist, die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen unabdingbar sind. Es lassen sich also schwerwiegende Gründe dafür anführen, dass das Anliegen, gegenüber der moralisch teils indifferent handelnden Konkurrenz nicht an Boden verlieren zu wollen, von vielen Entscheidern auf der Anwendungsebene als ethisch (ge-)wichtiger erachtet wird, als das Partikularinteresse der Arbeitnehmer - speziell geringqualifizierter Arbeitnehmer mit simplen Tätigkeiten - an arbeitsmarktbefähigenden Maßnahmen. Die Plausibilität dieser Annahme wird dadurch gestützt, dass, wie oben dargestellt, Unternehmen, die davon absehen, geringqualifizierte Beschäftigte allgemein zu qualifizieren und bei der Weiterbildung zu unterstützen, keine nennenswerten Wettbewerbsnachteile daraus zu befürchten haben. Daneben ist noch Folgendes zu bedenken: Dadurch, dass es in Szenario 1 auf der Anwendungsebene nicht im Bereich des Möglichen gesehen wird, arbeitsmarktbefähigende Maßnahmen zu initiieren, wird das Unternehmen seinen Mitarbeitern in ihrer Würde und ihrem absoluten Wert (partiell) nicht gerecht, was dem Unternehmen bzw. dessen Verantwortlichen auch bewusst ist. Dennoch kann ihm bzw. ihnen kein unmoralisches Verhalten vorgeworfen werden, jedenfalls dann nicht,

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

wenn die Interessenbewertung nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt ist und keine sicht- und erfassbar bessere Lösung existiert. Die auf der Anwendungsebene ethisch richtige Entscheidung, die mit dem Zurückstellen eines Teils der Arbeitnehmerinteressen einhergeht, erzeugt Verlierer (oder, wie Ökonomen sagen würden: Kosten), was nicht wünschenswert ist, was aber auch nicht unmoralisch ist, da Unternehmen in der polydimensionalen Wirklichkeit (ethisch) nicht darum herumkommen, sich die Hände schmutzig zu machen. Es entstehen moralische Kosten, die nie ganz vermeidbar sind. Zugleich ist hervorzuheben, dass dieses Zurückstellen, eben weil sich die Betrachtung rein auf die Anwendungsebene fokussiert, begründungspflichtig ist: Es besteht also das Erfordernis, argumentativ zu untermauern, warum die Interessen der Arbeitnehmer oder einzelner Gruppen von ihnen an arbeitsmarktbefähigenden Maßnahmen unter ethischen Aspekten hinter andere Interessen (etwa der der Shareholder, der Kunden oder andere Arbeitnehmerinteressen) zurückzustellen sind, was zeigt, wie kompliziert und verflochten die Zusammenhänge auf der Anwendungsebene sind. Realistischerweise muss einschränkend hinzugefügt werden, dass nicht davon ausgegangen wird (bzw. werden kann), dass alle Unternehmen bzw. Entscheider in Unternehmen diese Reflexion, so sie in der Wirklichkeit überhaupt erfolgt 1829, als rein ethische Reflexion durchführen. Zwar dürften die meisten von ihnen (den obigen Beispielen entsprechend) das Ziel haben, ihre Stellung im Markt zu behaupten und möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten, kaum jemand wird dieses Ziel aber als rein ethisches Ziel formulieren bzw. rein unter dem Moral Point of View betrachten. Sollte auf der Anwendungsebene ethisch festgestellt werden, dass das Unternehmen dem auf der Begründungsebene festgelegten ethischen Ideal, (geringqualifizierte) Mitarbeiter arbeitsmarktbefähigend zu entwickeln, nicht gerecht werden kann (was, wie dargelegt, recht wahrscheinlich ist), so wäre das Ideal zugleich auch auf der Implementierungsebene ausgeschaltet („ausgebootet“). Zwar würde es seine ethische Gültigkeit bewahren (dazu mehr am Ende des Abschnitts), für das Unternehmen bestünde in der Wirklichkeit aber keine Implementierungsnotwendigkeit, da das moralisch deklinierte Ziel bzw. die reale, tatsächlich zu verfolgende Moraloption in einer anderen Lösung gesehen wird. Angesichts dessen wäre 1829

Es gehört zum Wesen einer wissenschaftlichen Untersuchung, Zusammenhänge aufzuzeigen, die (zumindest in dieser Form) bislang in ungenügendem Maße verdeutlicht und von vielen Unternehmen noch nicht bedacht wurden. Gleichwohl wäre es zu viel verlangt, von Unternehmen zu erwarten, die im Rahmen einer wissenschaftlichen Ausarbeitung angestellten Überlegungen eins zu eins in sämtliche Entscheidungsprozesse zu integrieren.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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die Nichtimplementierung auch nicht als „Fallacy of Misplaced Concreteness“ zu werten. Dagegen wäre es bei entsprechender Auslegung als „Fallacy of Disregarded Abstractness“ anzusehen, vom Unternehmen, so wie es ein starker Moralist eventuell tun würde, die Umsetzung ethischer Ideale der Begründungsebene zu verlangen, zu denen es gemäß Anwendungsdiskurs gar nicht in der Lage ist. Da aber, wie angemerkt, das auf der Begründungsebene festgelegte Ideal weiterhin gilt, erscheint es auf der Implementierungsebene dennoch erforderlich, andere Möglichkeiten und Wege zu suchen, um sich dem Ideal in derselben oder in ähnlichen Situationen auf strategisch geschickte Weise anzunähern. Diese Herausforderung kann in vielen Fällen jedoch, gerade wenn es sich um komplexe Probleme von gesellschaftlicher Tragweite handelt, nicht dem oder den Unternehmen alleine aufgebürdet werden, wobei nochmals zu betonen ist, dass sich die hier betrachteten Abwägungen auf die lokale Anwendungsebene, also die konkreten Entscheidungen des einzelnen Unternehmens vor Ort beziehen. Sobald auf dieser Ebene der Fall eintritt, dass sich kein oder kaum ein Unternehmen einem gewissen Problem (bzw. der Verwirklichung der hinter der Lösung des Problems stehenden ethischen Zielvorstellung) annimmt oder annehmen kann, da das Problem für die Unternehmensebene eine Überforderung darstellt, entsteht (gemäß Subsidiaritätsprinzip) das Erfordernis, die Problemverantwortung auf einen anderen Agenten bzw. eine höhere Ebene zu verlagern. Genau das trifft tendenziell auch auf die diskutierte Problemlage zu: Eine Steigerung des Arbeitsmarktwertes von Geringqualifizierten, die sich ausgehend von ihrer aktuellen Tätigkeit vielfach nicht oder kaum weiterbilden und -entwickeln können, lässt sich nicht allein durch Unternehmen bewerkstelligen, sondern ist darüber hinaus eine Aufgabe des Staates und der Gesellschaft insgesamt. So wird eine Herausforderung der nächsten Jahre darin liegen, Wege aufzuzeigen, um all jenen Menschen, die sich in einer im Hinblick auf ihren Arbeitsmarktwert schwierigen Position befinden (sich also ausgehend von ihrer aktuellen Tätigkeit kaum weiterbilden und -entwickeln können), neue Entwicklungschancen zu eröffnen und ihnen das notwendige Rüstzeug zu vermitteln, um den Sprung in unbefristete Arbeitsverhältnisse zu schaffen und dauerhaft am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben zu können. Solche nicht zuletzt sozial-, bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Fragen der Makroebene sind aber nicht Gegenstand dieser auf die Mesoebene gerichteten Arbeit1830.

1830

„[D]ie Ausprägung der Kompetenzen, die Beschäftigungsfähigkeit ausmachen, […] sollte […] bereits Teil der prägenden Phasen in der Sozialisation sein“ (RUMP/ EILERS 2017, S. 98).

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Szenario 2 (ethisches Ideal der BE fällt im Abwägungsprozess der AE nicht weg): Anders als in Szenario 1, in dem die ethische Idealvorstellung, arbeitsmarktbefähigende Maßnahmen durchzuführen, auf der Anwendungs- und - als Folge daraus - der Implementierungsebene nicht angewendet werden kann, gelangt man in Szenario 2 im Anwendungsdiskurs zum Ergebnis, dass derartige Maßnahmen (zumindest in gewissem Umfang oder für einzelne Beschäftigtengruppen) möglich und ethisch angebracht bzw. gefordert erscheinen. Aus Sicht derer, die von der Vorstellung geleitet sind, dass Unternehmen einen integren Umgang mit ihren Beschäftigten pflegen und diese nicht nur als „Arbeitsfaktoren“ sehen sollten, bildet Szenario 2 den wünschenswerten, wenngleich - wie in Szenario 1 gezeigt - nicht immer gegebenen Zustand ab. Allerdings ist folgende Einschränkung zu machen: Ob und in welcher Form die auf der Anwendungsebene vergleichsweise gerechteste Lösung in der Realität zum Tragen kommt, ist wiederum eine Frage der Implementierungsebene, auf der nicht mehr nur ethische Ideale, sondern im Geschäftsalltag vor allem ökonomische Aspekte zählen und auf der es zu klären gilt, wie man zu dem als moralisch deklinierten Ziel, Mitarbeiter arbeitsmarktbefähigend weiterzuentwickeln, zweckmäßigerweise hingelangt. Dabei können drei grundlegende Arten von potenziellen Zuständen unterschieden werden, über deren Eintrittswahrscheinlichkeit aber keine klaren Aussagen getroffen werden können. Szenario 2a: Einerseits ist vorstellbar, dass es zur Implementierung bzw. Umsetzung der realen Moraloption des Anwendungsdiskurses kommt und das Unternehmen arbeitsmarktbefähigende Angebote offeriert, wie auch immer das konkret aussehen mag. Hierin liegt der aus ethischer Sicht wünschenswerte, anzustrebende Fall, in dem es gelingt, die arbeitsplatzbezogene Wirklichkeit der Beschäftigten im Sinne des Befähigungsansatzes von SEN und Subsidiaritätsprinzips der Katholischen Soziallehre zu verbessern und sie (durch eine vielseitigere Einsetzbarkeit auf dem Arbeitsmarkt) zu einem besseren (Arbeits-)Leben zu befähigen. Andererseits ist der Fall möglich, dass das Unternehmen der realen Moraloption des Anwendungsdiskurses auf der Implementierungsebene nicht gerecht werden kann (Szenario 2b) oder will (Szenario 2c). Beide Szenarien werden im Folgenden näher erläutert: Szenario 2b: Im Falle des Nicht-Könnens liegen äußere, extern induzierte Effekte zugrunde, welche den Möglichkeitsspielraum des Unternehmens faktisch vernichten. Dabei sind ganz verschiedene, teils zusammenhängende Konstellationen

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denkbar, die das Können des Unternehmens ver- oder behindern, z. B. Gegenmaßnahmen durch Wettbewerber, alternative Anbieter oder Nachbarn, die den eigenen Handlungsspielraum einschränken, aber auch veränderte ordnungspolitische Rahmenbedingungen oder zwischenzeitlich unerwartet eintretende wirtschaftliche Veränderungen (wie der Zusammenbruch eines Marktes, eine Finanzkrise). Folgendes Beispiel soll zur Verdeutlichung dienen: Anwendungsebene: Unternehmen U sieht die auf der Anwendungsebene unter den gegebenen Bedingungen ethisch richtige Lösung darin, in ein neues, zukunftsweisendes Projekt zu investieren, das 400 neue Arbeitsplätze schafft, gleichzeitig aber in bestehenden Bereichen zur Entlassung von 200 Beschäftigten führt, da andernfalls finanzielle Mittel (u. a. für Forschung und Entwicklung) fehlen würden und die Zukunftsfähigkeit des Projekts gefährdet wäre. Die Entlassungen sollen durch Abfindungs- und Beratungsangebote sozialverträglich gestaltet werden. Darüber hinaus sollen alle vorhandenen und neuen Mitarbeiter durch den Aufbau eines umfassenden Weiterbildungsprogramms beim Ausbau ihrer Arbeitsmarktfähigkeit unterstützt werden, um ihnen so neue Entwicklungsmöglichkeiten im und außerhalb des Unternehmens zu eröffnen und gute Leistungen zu honorieren. Implementierungsebene: U gelingt es zunächst auch, die skizzierte Lösung umzusetzen, äußere widrige Umstände führen aber zu einer starken Einschränkung des Handlungsspielraums und in der Folge dazu, dass nicht 200, sondern 350 Beschäftigte entlassen und zudem die geplanten Weiterbildungsangebote fallengelassen werden müssen. Wäre auf der Implementierungsebene keine unerwartete Änderung der Handlungsbedingungen eingetreten, so wäre U in der Lage gewesen, die auf der Anwendungsebene identifizierte Lösung, die zwar ebenfalls eine gewisse, dennoch kleinere Zahl an Verlierern produziert hätte, in ihren Grundzügen in die Realität umzusetzen. Nun aber muss U, trotz guten Willens, erneut in einen Anwendungsdiskurs eintreten und eine ethische Neubewertung der Situation unter den veränderten Bedingungen durchführen. Das Beispiel sollte mehreres deutlich machen: Im Falle einer unerwarteten Änderung der Handlungsbedingungen kann die Implementierung der realen Moraloption des Anwendungsdiskurses von den Verantwortlichen moralisch nicht verlangt werden, womit zugleich gesagt ist, dass kein Akteur für diese Nichtimplementierung schuldig gesprochen werden kann. Folglich wäre die Nichtimplementierung - ähnlich wie in Szenario 1 - nicht als „Fallacy of Misplaced Concreteness“ zu

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

werten. Dagegen wäre es bei entsprechender Auslegung als „Fallacy of Disregarded Abstractness“ anzusehen, vom Unternehmen eine Umsetzung gewisser ethischer Zielvorstellungen der Anwendungsebene zu verlangen, obwohl dies wegen real existierender Umsetzungsbarrieren gar nicht möglich erscheint. Gleichwohl bestünde auch hier die managementethische Herausforderung darin, andere Lösungen zu entwickeln, um die faktische Unmoral auf der Implementierungsebene, so gut es geht, zu begrenzen und einen moralischeren Zustand herbeizuführen. Es bleibt also das Ziel, nach konkreten Möglichkeiten des Könnens zu suchen, wenngleich zu sehen ist, dass der Handlungs- und Überlegungsspielraum der Unternehmen begrenzt ist (andernfalls wäre man bereits im ursprünglichen Anwendungsdiskurs zu besseren Ergebnissen gekommen). Zudem kann von keinem Unternehmen verlangt werden, die eigene Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel zu setzen. Szenario 2c: Dieses Szenario ist dadurch gekennzeichnet, dass die vergleichsweise gerechteste und ethisch „richtigste“ Lösung der Anwendungsebene vom Unternehmen nicht implementiert wird, obwohl es dazu (wirtschaftlich, organisatorisch, personell, zeitlich usw.) in der Lage wäre. Im Falle des Nicht-Wollens liegt ein Wahrnehmungsfehler („Fallacy of Misplaced Concreteness“) vor oder die betreffende Handlung bzw. Unterlassung erfolgt böswillig (oder zumindest vorsätzlich). Im letzteren Falle weiß der reale Akteur, dass er anders handeln könnte und (mit Blick auf die Anwendungsebene) müsste, unterlässt es aber wissentlich. Dieser Fall, der vermutlich relativ häufig eintritt, lässt sich nicht immer eindeutig von den Szenarien 2b und 1, bei denen ebenfalls keine arbeitsmarktbefähigenden Maßnahmen in der Realität durchgeführt werden, abgrenzen, da auch er durch diverse interne und externe Handlungsbedingungen hervorgerufen bzw. begünstigt wird, die in der konkreten Situation bestehen (so treffen Akteure z. B. unter Zeitdruck oder aus einer Charakterschwäche heraus Entscheidungen, die sie später womöglich am liebsten wieder rückgängig machen würden). Was gesagt werden kann, ist, dass die Implementierung der realen Moraloption wahrscheinlicher wird, wenn es gelingt, personalentwicklungsbezogene moralische und ökonomische Ziele in Einklang miteinander zu bringen. Abschließend sollen die Kernergebnisse des Unterkapitels, in dem der Bereich der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung anhand des in Unterkapitel 8.1 entwickelten metaphysischen Theorierahmens analysiert wurde, nochmals zusammengefasst werden. Wie gezeigt, spricht vieles dafür, dass Niedrigqualifizierte auch in Zukunft nicht oder nur geringfügig arbeitsmarktbefähigend weitergebildet

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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werden, was gemäß der hier verfolgten ethischen Argumentationslinie darin begründet liegen dürfte, dass das zugrunde liegende ethische Ideal - nämlich: „Arbeitgeber sollten ihre Beschäftigten um ihrer Würde willen beim Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit unterstützen“ - im Anwendungsdiskurs (mit Blick auf die Gegebenheiten der Realität) zugunsten anderer, in der lokalen Anwendungssituation ebenfalls relevanter Ideale, zurückgestellt werden muss. Dieses Ergebnis mag zunächst ernüchternd wirken, allerdings ist relativierend auf Folgendes hinzuweisen: Zum einen wird mit der vorliegenden Untersuchung eine realistische, nicht schöngefärbte Abbildung des Problemkomplexes angestrebt, was es erfordert, relevante Sachverhalte, Zusammenhänge und Wirkungen so zu erfassen, wie sie sich in der empirischen Wirklichkeit tatsächlich präsentieren. Zum anderen ist zu bedenken, dass es sich bei dieser Arbeit um eine konzeptionelle, ethische Arbeit handelt, die zwar ökonomisch informiert ist, zugleich aber von einem mehrdimensionalen Weltbild ausgeht und in der konsequenterweise (und im Kontrast zu anderen Disziplinen) gewisse ethische Ideale, Vorstellungen und Handlungsanforderungen im Betrachtungsmittelpunkt stehen. Diese ethischen Ideale werden auf Basis verschiedener normativer Ethiktheorien (wie SENs Befähigungsansatz) abgeleitet, wobei zu sehen ist, dass sich solche Ideale und Ansprüche aus der Welt der Moral bzw. der Begründungsebene (etwa das der Befähigung zu Arbeit) naheliegenderweise nicht eins zu eins in der Geschäftswelt verwirklichen lassen. Dennoch stellen sie ein faktisch bestehendes Merkmal unserer Kultur dar, weshalb es, wenn empirisch die Möglichkeit bestünde, wünschenswert wäre, sie umzusetzen (und jeden Menschen so zu befähigen, dass er für die Herausforderungen des Arbeitsmarktes gewappnet ist). Zu der Frage, wie diese Umsetzung in der Praxis sinnvollerweise erfolgen sollte, kann die Arbeit keine oder nur vage Aussagen treffen, da es die entwickelte Theorie überfordern würde. Was übergreifend jetzt schon festgestellt werden kann, ist Folgendes: Der Kapitalismus hat sich in den vergangenen 150 Jahren als anpassungsfähig und vielgestaltig erwiesen. So ist der heutige gezähmte Kapitalismus in Form der Sozialen Marktwirtschaft (mit strengen, staatlich festgelegten Arbeitnehmerrechten usw.) nicht mehr mit dem früheren, von MARX angeprangerten Manchester-Kapitalismus vergleichbar. Insofern ist vorstellbar, dass manche der im Verlauf des Kapitels erarbeiteten ethischen Erkenntnisse und Kriterien (etwa im Hinblick auf den Erhalt und Ausbau der Arbeitsmarktbefähigung geringqualifizierter Arbeitnehmer), die heute noch nicht managementrelevant sind und daher auch nicht oder nur in abgestufter Form in die Realität des Geschäftsalltags umgesetzt werden, sich in 100 Jahren oder später

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

teilweise umsetzen und den Kapitalismus mitprägen (was aber ebenfalls kontingent bleibt und keineswegs so eintreten muss). In diesem Sinne ist die Untersuchung auch als langfristiger Beitrag zur Gerechtigkeits- und Managementkultur insgesamt zu verstehen, der, wie bereits in der Einleitung beschrieben, interessierten Unternehmern und Managern eine grundsätzliche ethische Einordnung arbeitsplatzbezogener Fragen an die Hand geben soll. Bevor die Analyse in Unterkapitel 8.3 auf den Bereich der Personalfreisetzung ausgeweitet wird, soll in Abschnitt 8.2.3 der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich die bisherigen Einteilungen und Annahmen von der auf unternehmensspezifisches Humankapital fokussierenden Transaktionskostentheorie von WILLIAMSON unterscheiden. Dabei wird deutlich werden, dass mit WILLIAMSONs einseitiger Fokussierung auf unternehmensspezifische Qualifikationen viele reale Entscheidungsprobleme im Personalentwicklungsbereich nicht abbildbar sind.

8.2.3

Grenzen des ökonomischen Transaktionskostenansatzes in Bezug auf personalentwicklungsbezogene Fragen

Im Laufe des Unterkapitels 8.2 wurde das Postulat der Arbeitsmarktbefähigung sowohl auf der Begründungs- als auch der Anwendungs- und Implementierungsebene untersucht. Dabei wurden mehrere Umsetzungsbarrieren diskutiert, welche in ihrer Art und Struktur eng mit der bestehenden Zweiteilung des Arbeitsmarktes zusammenhängen. Nach diesen Ausführungen lässt sich erkennen, dass der Vorschlag, die Mitarbeiter arbeitsmarktfähig zu halten bzw. zu machen, den Vorstellungen, die WILLIAMSON in seinen Arbeiten zur Transaktionskostentheorie propagiert, widerspricht. Dieser Widerspruch wird nachfolgend untersucht. Zunächst sei daran erinnert, dass WILLIAMSONs Transaktionskostentheorie kein ethischer, sondern ein ökonomischer Ansatz ist 1831. WILLIAMSON hebt, wie zuvor schon COASE, bei der Betrachtung des Marktes und des Unternehmens rein auf die ökonomische Dimension von Transaktionen (die Transaktionskostenhöhe) ab. So entsteht der Eindruck, als wäre die Kosten- und Gewinnperspektive auch für das Wesen der Unternehmung allein ausschlaggebend. Unternehmen entwickeln sich 1831

Nach WILLIAMSON sind Transaktionen monodimensional ökonomisch codiert und werden opportunistisch, gar hinterlistig verfolgt (vgl. dazu Unterabschnitt 7.2.1.2).

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

521

aber nicht nur aus monetär codierten Marktrelationen, sondern aus einem Geflecht polydimensionaler Transaktionen, sodass Manager neben der ökonomischen auch die ethische, juristische und andere „Sprachen“ mitbeherrschen müssen. Daher lassen sich typische arbeitsplatzbezogene Probleme, die häufig auch von der genuin ethischen Dimension abhängen, mit WILLIAMSONs Transaktionsverständnis nur unzureichend abbilden. Nachfolgend wird gezeigt, dass dies auch im Kontext der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung gilt. Ausgangspunkt ist ein Interessenkonflikt zwischen Arbeitgeber und -nehmer: Einerseits kann es aus Unternehmenssicht wünschenswert, aber auch betriebswirtschaftlich notwendig sein, Mitarbeiter unternehmensspezifisch zu qualifizieren. Nicht anders, nur „monodimensionaler“ argumentiert WILLIAMSON, der die unternehmensspezifische Qualifikation, die eine Ausprägungsform des Transaktionsmerkmals Faktorspezifität darstellt, als lukrativ ansieht, da sie für die Produktivität des Kapitalismus hilfreich und notwendig ist 1832. Das gilt besonders für jene Mitarbeiter, die spezielle Abläufe und Techniken zu beherrschen haben. Arbeitnehmer auf der anderen Seite lassen sich auf eine derartige Spezialisierung (zumindest der Theorie nach) nicht bedingungslos ein. Unternehmensspezifische Humankapitalinvestitionen sind für sie risikobehaftet, da ihnen das zusätzliche Humankapital, auch wenn es die aktuelle Stelle vorübergehend sicherer macht, bei anderen Arbeitgebern nach einem Stellenwechsel oder -verlust nur minimalen Nutzen stiftet1833. Durch unternehmensspezifische Humankapitalinvestitionen begeben sie sich in eine Abhängigkeit zum Arbeitgeber, der ihre Spezialisierung und daraus resultierende Wehrlosigkeit opportunistisch ausnutzen kann, etwa indem er ihnen weniger Lohn zahlt, als sie es eigentlich verdienen und so die Quasi-Rente abschöpft. Arbeitnehmer sind daher auch an allgemeinen Fähigkeiten interessiert, die ihren Arbeitsmarktwert steigern. Da WILLIAMSON in seinem Transaktionskostenansatz das Augenmerk primär auf die Unternehmensspezifität von Weiterbildung und die Abschöpfung der Quasi-Rente richtet1834, ist sein Ansatz auch für die 1832

1833 1834

Vgl. WILLIAMSON (1985), S. 242. Das für WILLIAMSON wichtigste Merkmal jeglicher Transaktionen liegt in der Faktorspezifität, wobei er verschiedene Formen der Faktorspezifität typologisiert, darunter auch Investitionen in das unternehmensspezifische Humankapital (vgl. dazu Unterabschnitt 7.2.1.2). “Turnover is costly“ (WILLIAMSON 1975, S. 59). Vgl. auch WILLIAMSON (1985), S. 243. Er zielt auf monopolähnliche “small numbers bargaining”-Situationen ab, die durch unternehmensspezifische Humankapitalinvestitionen hervorgerufen werden und Spielraum für opportunistisches Verhalten eröffnen: “Specialized skills and knowledge accrue to individuals and small groups as a result of their specific training and experience. But while such skills and information

522

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

hier vorgenommenen Überlegungen zu spezifisch und einseitig. Mehr noch, mit dem Ansatz wird das Gegenteil von dem erreicht, was Wirtschaftsethikern mit dem Ausbau der Arbeitsmarktfähigkeit vorschwebt. Zumindest ist davon auszugehen, dass die vorliegende Problematik anders gelagert ist und realiter von zwei entgegengesetzten Sichtweisen bzw. Problemen auszugehen ist (in Abb. 44 grafisch verdeutlicht durch die entgegengesetzten Pfeilrichtungen):

1

2 Unternehmen/ Arbeitgeber

(1) ethische Perspektive - Weiterbildung: allgemein/ breit

(2) TKÖ WILLIAMSON - Weiterbildung: spezifisch Arbeitsmarkt

3

n

(1) ethische Perspektive - Weiterbildung: allgemein/ breit

(2) TKÖ WILLIAMSON - Weiterbildung: spezifisch

Abb. 44: Ethische Perspektive vs. Transaktionskostenökonomik im Kontext der Personalentwicklung1835

(1) Unternehmen/ Arbeitgeber n → Arbeitsmarkt Aus ethischer Sicht und aus Sicht der hier zu untersuchenden Fragestellung geht es darum, den Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis zu erleichtern. Arbeitnehmer, die ihre Stelle verlieren und arbeitslos werden, sollten, und dieser Gedanke steht im Fokus ethischer Überlegungen, möglichst breit qualifiziert und damit flexibel an vielen Orten inner- und außerhalb des Unternehmens einsetzbar sein (von wo aus sie sich - quasi im Anschluss - dann wieder spezifisch auf die Bedürfnisse der neuen Stelle und des neuen Arbeitgebers weiterbilden können). accrue naturally, they can be disclosed strategically - in an incomplete or distorted fashion - should the affected parties so choose. Whether this will obtain depends on the structure of the bargaining relationship. Where job incumbents acquire nontrivial first-mover advantages over outsiders, and in addition, enjoy bargaining autonomy, what was once a large numbers bidding situation, at the time original job assignments were made, is converted into a small numbers bargaining situation if adaptations to unplanned (and perhaps unforeseeable) internal and market changes are subsequently needed to realize efficiency” (WILLIAMSON/ WACHTER/ HARRIS 1975, S. 261). Ähnlich WILLIAMSON (1975), S. 64, 68. 1835 Quelle: Eigene Darstellung.

Personalentwicklung: Arbeitsmarktbefähigung

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Auf der Begründungsebene wurde daher vor dem Hintergrund von SENs Befähigungsansatz und dem Subsidiaritätsprinzip der Katholischen Soziallehre die ethische Zielvorstellung formuliert, dass Unternehmen einen Beitrag zum Erhalt und Aufbau der Arbeitsmarktbefähigung ihrer Mitarbeiter leisten sollten, und zwar nicht erst dann, wenn sich eine finanzielle Schieflage abzeichnet (oder etwa die Mitarbeiter bereits in eine Beschäftigungsgesellschaft gewechselt sind), sondern präventiv, solange es dem Unternehmen gut geht und Arbeitsplätze sicher sind. Die Vermittlung von Arbeitnehmern am Arbeitsmarkt sollte idealiter also nicht an einer fehlenden oder - im theoretischen Extremfall - rein unternehmensspezifischen Qualifikation scheitern (in Abb. 44 angedeutet durch die Pfeile weg vom Unternehmen zum Arbeitsmarkt). Hierbei handelt es sich auch deshalb um eine ethische Frage bzw. Forderung, da das jeweilige Unternehmen, das die betreffenden Mitarbeiter unter Umständen entlassen muss, seine eigene Wettbewerbssituation durch derartige allgemeine Humankapitalinvestitionen zunächst einmal, so die Annahme, nicht oder nur in sehr begrenztem Maße verbessern kann 1836. Ebenso ist es nicht oder nur eingeschränkt darüber informiert, welche spezifischen qualifikatorischen Bedürfnisse bei möglichen Folgearbeitgebern vonnöten sind. (2) Arbeitsmarkt → Unternehmen/ Arbeitgeber n Die von WILLIAMSON vorgebrachte ökonomische Argumentation wird hingegen dann relevant, wenn Arbeitnehmer in Verhandlungen mit interessierten neuen Arbeitgebern eintreten und im Zuge dessen vor der Frage stehen, inwieweit und unter welchen Bedingungen (z. B. in Sachen Mitbestimmung) sie sich im Hinblick auf die Bedürfnisse des neuen Arbeitgebers spezialisieren und auf welche Forderungen sie sich einlassen sollen (in Abb. 44 angedeutet durch die Pfeile weg vom Arbeitsmarkt zum Unternehmen)1837. Hierbei handelt es sich jedoch um keine ethische, sondern eine ökonomisch-strategische Frage. Darüber hinaus ist zu sehen, dass sich diese Frage, wenn überhaupt, eher für hochqualifizierte und leistungsfähige Arbeitnehmer (High Potentials) stellt, an denen Unternehmen ein hohes Inte-

1836

1837

Profitieren könnte es theoretisch allenfalls in einem indirekten Sinne, wenn sich auch andere Unternehmen im Markt in der beschriebenen Weise ethisch verhalten würden und es so einfacher an qualifizierte Mitarbeiter gelangen könnte. Investitionen in allgemeines Humankapital würden dadurch zu einer Art öffentlichem Gut mutieren. Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 3.2.2 zum „Geiselaustausch-Arrangement“ bei HOMANN und LÜTGE (2004), das mit dem Grundmuster der Transaktionskostenökonomik von WILLIAMSON, das selbst noch auf einem Verhandlungsproblem beruht, arbeitet und dieses auf den (ethisch relevanten) Bereich der Unternehmensmitbestimmung durch die Gewerkschaften anwendet.

524

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

resse haben (dazu unten gleich mehr). Für einfach qualifizierte Arbeitskräfte dagegen, die sich auf Stellen mit geringen Ausbildungserfordernissen und standardisierten Aufgaben bewerben, welche nach kurzer Einarbeitung beherrschbar sind, spielt der betrachtete ökonomische Interessenkonflikt zwischen Arbeitgeber und -nehmer bzw. die These vom Aufbau einer hochgradig unternehmensspezifischen Qualifikation eine untergeordnete Rolle. Nicht anders ist zu erklären, dass Unternehmen kurzfristig auf Leiharbeiter zurückgreifen können, die zu Beginn ihrer Arbeitsaufnahme im Normalfall über keinerlei unternehmensspezifisches Knowhow verfügen. Fallweise haben Unternehmen also kein Interesse daran, Mitarbeiter hochgradig unternehmensspezifisch zu qualifizieren, zumal wegen der geringen Verhandlungsmacht einzelner Beschäftigtengruppen kein Bedarf besteht, sie durch ein hohes Spezifizierungsniveau an das Unternehmen zu binden. Folglich werden Arbeitsmarktverlierer in der Praxis häufig weder besonders betriebsspezifisch noch besonders arbeitsmarktfähig qualifiziert sein. Das Problem liegt in der Praxis also nicht immer nur in der Unterscheidung zwischen spezifischer und nicht spezifischer Personalentwicklung1838. Zum anderen gibt es hochqualifizierte, erfahrene und spezialisierte Leistungsträger in Unternehmen (Arbeitsmarktgewinner), die zum Teil ein hohes Maß an unternehmensspezifischem Wissen besitzen, zugleich aber auch über eine Fülle an allgemein verwertbaren Kompetenzen und Erfahrungen verfügen und damit hochgradig arbeitsmarktfähig sind. Diese Arbeitsmarktfähigkeit lassen sie sich vom

1838

In diese Richtung argumentieren auch STRUCK und DÜTSCH (2012, S. 16), wenn sie feststellen: „Als wichtigstes Argument für die Existenz betriebsinterner Arbeitsmärkte gilt entsprechend von [...] Transaktionskostenansätzen die Bedeutung eines betriebsspezifischen Anlagen-, Werkstoffund Verfahrenswissens [...]. Doch [...] stellt sich die Frage: Für wie viele Beschäftigte gilt ein solches Argument angesichts fortlaufender Anpassung von Unternehmen an veränderte Umweltbedingungen und von Tätigkeitswechseln auch innerhalb von Unternehmen und wie wichtig ist es noch in der steigenden Zahl der Dienstleistungsberufe, die in sehr starkem Maße durch allgemeine Qualifikationen gekennzeichnet sind [...]?“. So ergab eine computergestützte telefonische Befragung unter Personalverantwortlichen von 536 Betriebsstätten aus 10 Branchen, dass nur jeder fünfte Beschäftigte über unternehmensspezifisches Wissen verfügt, das „kaum in anderen Betrieben genutzt werden kann“ (aus der Originalfrage, vgl. STRUCK ET AL. 2007, S. 305, 313). Es wird also nur wenigen Beschäftigten ein hohes unternehmensspezifisches Wissen zugemessen. Begründet wird das damit, „dass: a) zunehmend kürze[re] Innovationszyklen spezielles Wissen entwerten, b) Menschen [...] in zunehmendem Maße wechselnde Aufgaben erfüllen, c) beim Lernen am Arbeitsplatz und in der Weiterbildung [quasi automatisch] immer auch allgemeines Wissen erworben wird [...] sowie d) die Ausweitung von Dienstleistungstätigkeiten und Dienstleistungsanteilen mit einem Bedeutungszuwachs allgemeinen Wissens einhergeht“ (ebd., S. 311).

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

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Unternehmen nicht nehmen1839. Im Gegenteil: Wegen ihrer hohen und tendenziell steigenden Verhandlungsmacht gegenüber den Arbeitgebern sind sie häufig in der Lage, Art und Umfang der sie betreffenden Entwicklungsmaßnahmen eigenverantwortlich mitzubestimmen, sodass der Spielraum für opportunistisches Handeln aufseiten der Unternehmen von vornherein stark eingeschränkt, wenn nicht gar aufgehoben ist. Auch in diesem Fall wird WILLIAMSONs einseitige Fokussierung auf unternehmensspezifische Qualifikation den faktischen Gegebenheiten im Unternehmenskontext nur unzureichend gerecht. Angesichts dessen erscheint sein Ansatz im Hinblick auf die bestehenden Unterschiede bei den Arbeitnehmern (Arbeitsmarktgewinner vs. -verlierer) zu undifferenziert. Nachdem in Unterkapitel 8.2 der Bereich der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung untersucht wurde, widmet sich das nun folgende Unterkapitel 8.3 dem aus ethischer Sicht noch kritischeren Gebiet der Personalfreisetzung.

8.3

Bereich Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung diverser Strategien unter Beachtung der zugrunde liegenden Situationskonstellation

Wie in der Einleitung des achten Kapitels angedeutet, geht es im Folgenden darum, verschiedene gängige Freisetzungsszenarien zu definieren, zu systematisieren und auf der Grundlage des in Unterkapitel 8.1 entwickelten metaphysischen Theorierahmens zu analysieren. Ziel ist es, theoretisch fundierte Einschätzungen über (management-)ethisch angemessene und unangemessene Handlungsstrategien im betrachteten Kontext treffen und der Praxis zugleich einen groben Bezugsrahmen zur Bewertung der ethischen Integrität geplanter und vollzogener Freisetzungen liefern zu können. Der Gang der Argumentation orientiert sich vom Aufbau her grob an dem des vorigen Unterkapitels und beginnt in Abschnitt 8.3.1 mit einer Darstellung der auf der Begründungsebene existierenden Gerechtigkeitsvorstellungen im Kontext freisetzungsbezogener Fragen, bevor die Betrachtung in Abschnitt 8.3.2 auf die Anwendungsebene und die auf dieser erforderlich werdenden Abwägungsprozesse ausgeweitet wird. Dabei wird im Laufe der Argumentation eine Unterscheidung zwischen tragischen und nichttragischen Freisetzungssi-

1839

Vgl. dazu Unterabschnitt 8.2.2.2.

526

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

tuationen eingeführt, um eine möglichst konkrete, realitätsnahe Analyse zu ermöglichen. Der abschließende Unterabschnitt 8.3.2.3 bildet mit der Durchführung der eigentlichen Szenarienanalyse, in der auch die Implementierungsebene mitberücksichtigt und die Ergebnisse der einzelnen Interpretationsschritte gebündelt werden, den Hauptteil des Unterkapitels.

8.3.1

Darstellung der Zusammenhänge auf der Begründungsebene

Welche enorme Bedeutung Arbeit (und damit der Arbeitsplatz) für den Einzelnen hat, wurde in Kapitel 3 dargestellt. Vor diesem Hintergrund leuchtet ein, dass, wie bereits in Abschnitt 4.1.1 grundlegend festgestellt worden ist, Unternehmen auf der Begründungsebene vom ethischen Ideal der Unparteilichkeit her keine Arbeitsplätze abbauen oder zumindest, wenn Stellenstreichungen unvermeidbar erscheinen (und auf der Begründungsebene zugelassen werden), diese bedingungslos sozialverträglich ausgestalten sollten. Darin liegt eine der rein ökonomischbetriebswirtschaftlichen Perspektive und faktischen Marktrealität entgegenstehende moralkulturelle Vorstellung, die sich die meisten Menschen so für sich selbst und für andere wünschen würden, da sämtliche Formen eines Stellenabbaus bzw. -verlustes von den Betroffenen in irgendeiner Weise als Nachteil (als ökonomischer und/ oder psychischer Kostenfaktor) erlebt werden. Folglich sind, und hierin ist der Schwerpunkt der Logik der Unparteilichkeit (und damit des Moral Point of View) wiederzufinden, der für alle modernen Ethiken gilt, auch die real existierenden Interessen all derer unparteilich zu berücksichtigen („wahr“-zunehmen), die ihre Stelle verlieren oder verlieren würden. Umgekehrt können die Arbeitnehmer, um ein KANTisches Kriterium heranzuziehen, ihrer Würde als Mensch nur dadurch gerecht werden, wenn sie sich im Falle eines (drohenden) Stellenverlustes auch selbst schnell wieder um Arbeit bemühen und selbstständig Anstrengungen zur Förderung ihrer Arbeitsmarktfähigkeit unternehmen1840. Mit Blick auf die folgenden (Unter-)Abschnitte, in denen die Analyse auf die Anwendungs- und Implementierungsebene ausgeweitet wird, sollen zum besseren Verständnis vorab nochmals einige Hinweise zu den Zusammenhängen zwischen Begründungs-, Anwendungs- und Implementierungsebene gegeben werden. Wie

1840

Vgl. dazu Abschnitt 8.2.1.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

527

im Laufe der Arbeit mehrfach erwähnt, werden auf der Begründungsebene ethische Ideale formuliert, auf die man nach Kräften hinarbeiten sollte. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Begründungsebene von den realen Gegebenheiten abstrahiert und Ideale in einer endlichen Welt nicht unbedingt anwendungsfähig sind, weshalb es eines eigenständigen Anwendungsdiskurses bedarf, in dem zu klären ist, was von individuellen und kollektiven Akteuren unter den gegebenen Bedingungen ethisch verlangt werden kann und was nicht. Auf der Anwendungsebene stellt sich somit die Frage, inwieweit die ethischen Ideale der Begründungsebene im Hinblick auf freisetzungsbezogene Probleme anwendbar erscheinen. Würde man etwa an dem auf der Begründungsebene aus KANTischer Sicht geltenden ethischen Ideal bzw. Kriterium der unantastbaren Würde um jeden Preis festhalten und Stellenstreichungen kategorisch verbieten, so würden Unternehmen vielfach zusammenbrechen und in der Folge noch mehr Beschäftigte ihre Stelle verlieren. Dies zeigt schon, dass in gewissen Anwendungsfällen gegen die hehre Moral der Begründungsebene verstoßen und Stellenstreichungen zugelassen werden müssen (was in der KANTischen Ethik wegen der fehlenden Unterscheidung zwischen Begründungs- und Anwendungsebene so nicht vorgesehen wird). Ferner sei daran erinnert, dass der Anwendungsdiskurs in dieser Untersuchung, wie in Abschnitt 8.1.2 erklärt, in die Konzeption eines moralischen Realismus eingebettet ist, der selbst ein Teil der Metaphysik des Universums (spezifischer: der Business Metaphysics) ist. Der moralische Realismus besteht aus zwei aufeinander aufbauenden Elementen, die beide auf den konkreten lokalen Anwendungsfall bezogen sind (dazu mehr am Ende des Abschnitts): (1) Interessenerfassung: Im ersten Schritt, der Interessenerfassung, sind im Zuge einer hypothetischen Gottessimulation (nach dem Leitbild des „impartial spectator“) alle in der Realität faktisch existierenden Stakeholder-Interessen unparteilich und so gut es geht zur Kenntnis zu nehmen (etwa das Interesse der Arbeitnehmer an einem Stellenerhalt oder die Interessen der Shareholder)1841. Darüber hinaus und damit zusammenhängend sind auch alle weiteren, teils widerstreitenden ökonomischen, moralischen, 1841

Dazu sei ergänzend (und in Anlehnung an Abschnitt 8.1.2) an Folgendes erinnert: Die Entscheidung bzw. Anforderung, Arbeitnehmer, die ihre Stelle verlieren, zu unterstützen, ist moralisch keine rein subjektive Angelegenheit, sondern Ausdruck einer objektiven Wahrheit, und zwar deshalb, da aufseiten der Arbeitnehmer tatsächlich, objektiv real ein Interesse daran besteht, dass ihnen in ihrer schwierigen Situation geholfen wird. Dass dieses Interesse nicht subjektiv einseitig ist, sondern eine objektive Realität bzw. moralische Tatsache darstellt, hängt wiederum direkt mit

528

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

juristischen und sonstigen Umstände (auch Bedingungen, Faktoren, Probleme, Informationen usw.) zu erfassen, die Konsequenzen für das Entscheidungsverhalten der Unternehmen haben und ausschlaggebend dafür sind, wie Freisetzungstransaktionen realiter ausfallen. Andernfalls wäre es unmöglich, moralische Urteile zu fällen, wobei präzisierend zu ergänzen ist, dass diese Umstände in der Regel bereits in den Stakeholder-Interessen abgebildet sind. (2) Interessenbewertung: Im zweiten Schritt, der Interessenbewertung, müssen die bestehenden Interessen mit Blick auf die im lokalen Anwendungsfall konkret gegebenen Situationsumstände unter Rückgriff auf die für die vorliegende Anwendungssituation angemessen erscheinenden normativen Ethiktheorien bewertet werden, um eine Abwägung zwischen berechtigten (wichtigeren) und weniger berechtigten (unwichtigeren) Interessen treffen und so zur vergleichsweise gerechtesten, ethisch „richtigsten“ Lösung der Anwendungsebene gelangen zu können (wobei Letztere, wie noch deutlich werden wird, ganz unterschiedliche Gestalt annehmen kann, z. B. ein Stellenerhalt, eventuell aber auch ein Stellenabbau mit oder ohne sozialer Abfederung). Dabei wird im Zuge der Interessenbewertung auf die normativen Kriterien zurückgegriffen, die auf der Begründungsebene den einzelnen Ethikkonzeptionen zugeschrieben wurden1842. Wie bereits an früherer Stelle festgestellt wurde und wie im weiteren Verlauf noch ausführlich zu begründen sein wird, erscheinen im Kontext der Personalfreisetzung speziell zwei widerstreitende Ethiktheorien (bzw. die diesen Theorien zuzuschreibenden normativen Kriterien) hilfreich, um auf der Anwendungsebene im Zuge der Berechtigungsbewertung diverser Interessen zu angemessenen Lösungen zu gelangen. Hierbei handelt es sich zum einen um die utilitaristische Ethik, zum anderen um RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie. Ein weiterer

1842

der Unparteilichkeitslogik zusammen, die selbst (sowohl in den Naturwissenschaften als auch in der Ethik) objektiv real gegeben ist und gerade darin besteht, die Realität der realen Existenz verschiedener Interessen vollumfänglich wahrzunehmen: Der einzige Weg, um zu objektiven Realitäten zu gelangen und die wahren Interessen, die im Universum real existieren, zu erfassen und (dem Wortsinn nach) „wahr“-zunehmen, liegt in einem objektiv geweiteten, nicht selektiven Blickwinkel, mit dem keinerlei Interessen und Sichtweisen ausgeblendet werden. Über einen solchen Blickwinkel verfügt der „impartial spectator“. Er gestattet es, die Welt aus den Augen anderer Menschen zu sehen und so ihre objektiv real existierenden Interessen rein und unverfälscht zu erkennen. Die Tatsache, dass die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer eine objektive Realität bzw. moralische Tatsache darstellen, macht die Entscheidung, ob ihnen geholfen werden soll, zu einer „wahren“ Entscheidung (bzw. Anforderung). Vgl. dazu Abschnitt 8.1.1.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

529

bedeutsamer Faktor, der weiter oben bereits angeklungen ist, liegt in dem Umstand, dass die Abwägungen auf der Anwendungsebene immer die konkreten lokalen Entscheidungen des einzelnen Unternehmens jetzt und hier vor Ort betreffen. Daher bedarf es je nach Anwendungsfall eines separaten, eigenständigen Anwendungsdiskurses, um die für die lokale Freisetzungssituation angemessenste(n) Ethiktheorie(n) und sodann auch gerechteste, ethisch „richtigste“ Lösung identifizieren zu können. Ein zentraler Umstand, der im Zuge der Interessenbewertung im Rahmen freisetzungsbezogener Überlegungen zwingend zu berücksichtigen ist und der weitreichende Folgen auf die ethische Bewertung hat, liegt in der Frage, ob der aktual betrachtete Anwendungsfall eine tragische (Dilemma-)Situation oder eine nichttragische Situation darstellt. Diese und weitere relevante Fragen werden im nun folgenden Abschnitt 8.3.2 detailliert erörtert.

8.3.2

Managementethische Analyse auf der Anwendungs- und Implementierungsebene

Wie schon im Falle der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung, so ist auch in Fragen der Personalfreisetzung damit zu rechnen, dass die auf der Anwendungsebene vergleichsweise gerechteste und ethisch „richtigste“ Lösung dem ethischen Ideal der Begründungsebene (etwa dem der Unparteilichkeit oder einzigartigen Würde bzw. unverrechenbaren Gleichwertigkeit aller Menschen) nicht oder nicht vollkommen gerecht werden kann, obgleich man versuchen sollte, sich in Richtung des Ideals (und damit eines Grundpfeilers unserer Moralkultur) zu bewegen1843. Um die diesbezüglichen Hintergründe mit Blick auf die faktischen Gegebenheiten der Realität nachvollziehen zu können, bedarf es entsprechend den Erläuterungen des vorigen Abschnitts einer Differenzierung in tragische und nichttragische Situationen, welche in den (sich noch rein auf die Anwendungsebene fokussierenden) Unterabschnitten 8.3.2.1 und 8.3.2.2 beschrieben und hinsichtlich geeignet erscheinender normativer Bewertungskriterien analysiert wird. In diesem Zusammenhang ist vorab auf zwei Aspekte zu verweisen. Sie betreffen jeweils die Interessenbewertung - und somit das zweite konstituierende Prinzip des moralischen Realismus: Erstens ist zu bedenken, dass die Interessenbewertung je nach herangezogener Ethiktheorie unterschiedlich vorgenommen wird und auch

1843

Vgl. dazu bereits Abschnitt 4.1.2.

530

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

zu verschiedenen Ergebnissen führt. Zweitens kann nicht jede Ethiktheorie für jeden Anwendungsfall passende Impulse bieten. Eben hierin liegt der Grund, weshalb mehrere Theorien existieren1844. Diese allgemeinen Bemerkungen gelten nun auch für den vorliegend betrachteten Bereich, in dem der Utilitarismus und RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie als geeignete und relevante Ansätze identifiziert werden. Während auf der Begründungsebene keine zentralen Unterschiede zwischen beiden Theorien bestehen, da sowohl im Falle der utilitaristischen Ethik als auch der Gerechtigkeitstheorie primär die Urzustandskonstruktion, die die Unparteilichkeit (den Moral Point of View) sichert, im Zentrum steht, nutzen beide Ansätze in der Anwendung auf konkrete lokale Konfliktfälle abweichende Kriterien, welche auf der Anwendungsebene zum Tragen kommen. Hierbei ist zu beachten, und dies wurde in Abschnitt 4.2.1 angesprochen und wird nun weiter konkretisiert, dass RAWLS‘ Ansatz in tragischen Freisetzungssituationen keine hilfreichen Antworten liefern kann1845. Sobald, und so viel sei als generelles Ergebnis vorweggesagt, keine Möglichkeit besteht, Akteure im „Boot“ zu behalten oder zu kompensieren, handelt es sich um keine gerechtigkeitstheoretische, sondern eine utilitaristische Frage, in der nach Lösungen zu suchen ist, die eine Glücks- bzw. Durchschnittsnutzenmaximierung ermöglichen1846, auch wenn es dadurch zu Verlierern kommt (wobei es im Dilemma ohnehin Verlierer gibt, da keinerlei Verteilungsspielraum mehr gegeben ist). Sobald aber Optionen vorliegen, durch die der Würde der einzelnen Arbeitnehmer Rechnung getragen werden kann, erscheint das auf der Begründungsebene identifizierte normative Kriterium der Gerechtigkeitstheorie, das Maximin-Kriterium, nach dem die am wenigsten Glücklichen bzw. Begünstigten maximal gefördert werden sollen, angemessener, auch wenn andere Akteure dadurch Glückseinbußen in Kauf zu nehmen haben. Zudem kann es, wie in Unterabschnitt 8.3.2.3 noch ausführlicher darzustellen sein wird, Anwendungsfälle geben, die insofern plural sind, als dass es zweckmäßig erscheint, die normativen Kriterien mehrerer Ethikkonzeptionen gleichzeitig in die Interessenbewertung und -abwägungen einzubeziehen. Bevor die eigentliche Betrachtung der auf der Anwendungsebene im Falle von Freisetzungen bestehenden ethischen Zusammenhänge erfolgt, soll im ersten 1844 1845

1846

Vgl. hierzu die Ausführungen zu Beginn des vierten Kapitels sowie in Abschnitt 8.1.2. Die Frage, worin sich tragische und nichttragische Freisetzungssituationen unterscheiden, wird im weiteren Verlauf des Abschnitts 8.3.2 sukzessive geklärt. In der Maximierung des Glücks bzw. Durchschnittsnutzens liegt die eigentliche Begründungsmaxime bzw. das eigentliche normative Hauptprinzip des Utilitarismus (vgl. dazu Abschnitt 8.1.1).

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

531

Schritt ein Verständnis für die Unterscheidung von tragischen und nichttragischen Freisetzungssituationen entwickelt werden. 8.3.2.1 Tragische Freisetzungssituationen zweiten Grades Die Argumentation, die im Folgenden schrittweise präzisiert wird, lautet im Kern wie folgt: Solange Entlassungen durch sozialverträgliche Maßnahmen (wie Kurzarbeit, Gehaltskürzungen, Versetzungen) vermieden werden können, liegt keine tragische Situation vor. Das ist erst dann der Fall, wenn es zum Stellenverlust kommt. Dazu ist zu bemerken, dass sich nicht allgemeingültig und exakt festlegen lässt, wann von einer tragischen Situation gesprochen werden kann und wann nicht. Als Maßstab kann jedoch dienen, dass solche Situationen tragisch sind, in denen ein schlimmes Ende in Form eines Unglücks oder Verlustes unvermeidbar (irreversibel) und keine Vorgehensweise hundertprozentig richtig ist1847. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Entlassungen für die Betroffenen immer eine Schocksituation und einen Verlust darstellen, unabhängig davon, ob sie vermeidbar sind (oder integer abgefedert werden) oder nicht. Das gilt für alle Arbeitnehmer und speziell für jene, die erstmals mit einem Stellenverlust konfrontiert sind und/ oder nur geringe Arbeitsmarktchancen haben 1848. Eine wichtige Feststellung ist also, dass Entlassungen nach dem hier vertretenen Standpunkt tragische Situationen darstellen, wobei - und dieser Gedanke wird in Unterabschnitt 8.3.2.3 vertieft - im Rahmen der Arbeit bei Entlassungen mit sozialer Abfederung von einer tragischen Situation ersten Grades, bei Entlassungen ohne soziale Abfederung von einer tragischen Situation zweiten Grades gesprochen wird. Ferner ist zu sehen, dass aus einer nichttragischen zwar eine tragische Situation werden kann, dass dies aber nicht umgekehrt gilt, was wie folgt zu erklären ist: Ein wirtschaftlich stabiles Unternehmen kann innerhalb kurzer Zeit mit Bedingun-

1847

1848

Tragische Situationen hängen zusammen mit (Grenz-)„Erfahrungen einer Durchbrechung, mit disruptivem Erfahren […], mit einer außergewöhnlichen Erfahrung, in der Grenzen des Verstehbaren und des Manipulierbaren erreicht werden“ (SEDMAK 2009, S. 159). Sie sind vom Menschen nicht oder nur beschränkt steuer-, kontrollier- und beherrschbar, da alle real infrage kommenden Vorgehensweisen in irgendeiner Weise suboptimal und mit Leid verbunden sind. Die verlorene Stelle lässt sich, so die Annahme, nicht mehr zurückholen. Folglich hat ein Arbeitsplatzverlust „in vielen Fällen mit der Erfahrung des Abschneidens eines Handlungsfadens, mit dem Durchkreuzen von Lebensplänen […] zu tun“ (SEDMAK 2009, S. 159f.). Er wird immer ein Teil der Biografie der Betroffenen bleiben.

532

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

gen konfrontiert werden, die es in eine tiefe Krise stürzen, der nur durch Stellenstreichungen begegnet werden kann. In einem solchen Fall ist aus einer nichttragischen Situation (bis zum Zeitpunkt t1) eine tragische Situation in t2 entstanden, so wie es in der Praxis aus diversen Gründen vorkommt und auch im Fokus der Arbeit steht. Der Punkt ist, dass die tragische Situation in t2 - wie jede tragische Situation - irreversibel (endgültig, unbeeinflussbar) ist, also keine Rück- oder Umkehr zum besseren, nichttragischen Ursprungszustand zulässt, eben weil sie tragisch ist. Das Unternehmen muss Stellen abbauen, auch wenn es das womöglich gar nicht will1849. Nun ist denkbar, dass sich ein Unternehmen, nachdem es neu ausgerichtet und Personal abgebaut wurde, von einer Krise erholt oder gestärkt daraus hervorgeht. Es liegt dann aber nicht mehr die ehemalige nichttragische Situation aus t1 vor, sondern eine neue nichttragische Situation (in t3). Dieser Befund deckt sich mit den an früherer Stelle thematisierten prozessphilosophischen Überlegungen von WHITEHEAD und SCHRAMM, wonach es „keine substanzielle und unveränderliche Wirklichkeit auf dem „Boden““1850 dieser Erde gibt, da sich die Welt aus prozessphilosophischer Sicht immer weiter spinnt und in jedem Moment eine neue Situation eintritt1851. Demzufolge ist ebenso vorstellbar, dass sich Unternehmen von einer Krise bzw. tragischen Situation (z. B. in t2) in die nächste Krise bzw. tragische Situation manövrieren, weil sich nach Bewältigung der ursprünglichen Krise in t3 weitere Kontextfaktoren geändert haben. Analog zur nichttragischen Situation liegt bei dieser tragischen Situation jedoch nicht mehr die tragische Situation aus t2 vor, sondern eine neue tragische Situation (in t4), was daran liegt, dass in t4 andere Mitarbeiter entlassen werden müssen, deren Stellen in t2 noch sicher (oder eventuell noch gar nicht vorhanden) waren. Ein solches Wechselspiel zwischen nichttragischer und tragischer Situation kann sich im Grunde beliebig oft wiederholen, wobei mit jedem neuen Aufkommen einer tragischen Situation die Wahrscheinlichkeit steigt, dass das Unternehmen aus dem Markt ausscheidet.

1849

1850 1851

Das Problem liegt nicht (oder nicht in erster Linie) in der moralischen Inkompetenz des Managements begründet, vielmehr liegt eine durch fehlende Handlungsoptionen geprägte Entscheidungslage vor. SCHRAMM (2016b), S. 34. Vgl. dazu (Unter-)Abschnitte 7.2.2 und 8.1.3.2. Damit wird nicht ausgeschlossen, dass Situationen aus Arbeitnehmer- oder Arbeitgebersicht immer aussichtsloser, riskanter oder unerträglicher werden, dass sich falsche Gewohnheiten einschleichen oder im Zeitablauf gewisse (unumkehrbare) Pfadabhängigkeiten auftreten können.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

533

Nach diesen Ausführungen zur Abgrenzung tragischer und nichttragischer Freisetzungssituationen wird im Weiteren mithilfe eines fiktiven Beispielszenarios gezeigt, warum in tragischen Konstellationen der Utilitarismus als die auf der Anwendungsebene am geeignetsten erscheinende Theorie herauszustellen ist. Aufbauend hierauf wird die Betrachtung in Unterabschnitt 8.3.2.2 auf nichttragische Situationen ausgeweitet, in denen zusätzlich mindestens ein weiterer Ethikansatz, nämlich RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie, als angemessen erscheint, um für jeweilige Anwendungsfälle die ethisch „richtigste“ Lösung identifizieren zu können. Dazu wurden HARSANYIs Utilitarismus und die Gerechtigkeitstheorie bereits in Unterkapitel 4.2 eingeführt und am Beispiel der Wahl eines allgemeinen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems expliziert. Die dabei angestellten Überlegungen werden im Laufe des Abschnitts sukzessive auf freisetzungsbezogene Fragen im Sinne einer „Mikrogesellschaft“ übertragen. Um im Anwendungsdiskurs Aussagen darüber abzuleiten, ob und welche Form eines Stellenabbaus unter Einbezug des lokalen Kontextes ethisch angemessen erscheint, ist weiterhin das Gedankenexperiment rund um den Urzustand („original position“) und Schleier des Nichtwissens („veil of ignorance“) vor Augen zu halten 1852. Es sei daran erinnert, dass im Urzustand keine Informationen vorliegen, welche Position ein Mensch in der späteren Erwerbsgesellschaft einnehmen (ob er Unternehmer, Manager, leitender oder einfacher Angestellter, arbeitslos oder arbeitsunfähig sein) wird. Derartige Informationen sind „das Ergebnis der Lotterie der Natur“ 1853. Zudem kann jeder Zustand mit der gleichen Wahrscheinlichkeit eintreten („equiprobability model“). Zur Erläuterung der auf der Anwendungsebene bei tragischen Freisetzungssituationen gegebenen Grundzusammenhänge sei als Beispiel ein Unternehmen betrachtet, das sich aus vier Abteilungen mit je einem Abteilungsleiter zusammensetzt. Jede Abteilung umfasst zwei Arbeitsteams mit je einem Teamleiter und drei Sachbearbeitern. Geleitet wird das Unternehmen von einem zweiköpfigen Führungsteam. Abb. 45 veranschaulicht den Organisationsaufbau, die Umsatz- und Kostensituation sowie jährliche Entlohnung der Unternehmensangehörigen in Geldeinheiten zu drei aufeinanderfolgenden Zeitpunkten (t-1, t0, t1)1854. 1852 1853 1854

Vgl. dazu Abschnitt 4.2.1. RAWLS (1979), S. 94. In den Zeiträumen zwischen t-1 und t0 sowie zwischen t0 und t1 wird von einer Personalkostensteigerungsrate in Höhe von rund 10 % ausgegangen, die z. B. aus steigenden Lohnnebenkosten resultieren kann. Aus Vereinfachungsgründen wird in den folgenden Rechnungen mit gerundeten Zahlen gearbeitet.

534

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Szenario 1: tragische Freisetzungssituation zweiten Grades 90 90 63 30

63 30

30

63 30

30

63 30

30

30

27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27

1. Personalsituation in t-1

70 33

33

74 35

32 32 32

32 32

32 32

35

32 32

35

32 32

32 32

30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30

Umsatz: 3.000; Personalkosten: 1.320; Gewinn: 1.680; Mitarbeiterzahl: 38; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: +44,21 2. 100 100 Personalsitu70 70 70 ation in t0 33 33 33 33 33 33 (Ausgangslage): zu hohe Personalkosten Umsatz: 1.500; Personalkosten: 1.464; Gewinn: 36; Mitarbeiterzahl: 38; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: +0,95 105 105 3.1: Erwartete 74 74 74 Personalsitu35 35 35 35 35 ation in t1 bei Personalabbau in t0

35

32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32 32

Umsatz (stagnierend): 1.500; Personalkosten: 1.202; Gewinn: 298; Mitarbeiterzahl: 27; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: +11,04 Umsatz (rückläufig): 1.300; Personalkosten: 1.202; Gewinn: 98; Mitarbeiterzahl: 27; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: +3,63 105 105 3.2: Erwartete 74 74 74 74 Personalsitu35 35 35 35 35 35 35 ation in t1 ohne Personalabbau in t0 Umsatz (stagnierend): 1.500; Personalkosten: 1.554; Verlust: +54; Mitarbeiterzahl: 38; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: -1,42 Umsatz (rückläufig): 1.300; Personalkosten: 1.554; Verlust: +254; Mitarbeiterzahl: 38; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: -6,68

Abb. 45: Arbeitsplatzmanagement im Falle tragischer Entscheidungssituationen zweiten Grades1855

Die dem Beispiel zugrunde liegenden Annahmen sind vereinfachend. So wird unterstellt, dass die Unternehmenskosten nur aus den Gehältern bestehen. Ebenso ist zu der im Beispiel angeführten Durchschnittsnutzenberechnung anzumerken, dass 1855

Quelle: Eigene Darstellung.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

535

diese auf einer managementethischen Perspektive beruht, bei der die Governance des jeweiligen Unternehmensschiffs im Zentrum steht, volkswirtschaftliche Effekte aber gänzlich ausgeblendet werden. Der Durchschnittsnutzen bezieht sich folglich nicht auf die gesamte (Welt-)Gesellschaft, sondern auf die einzelnen Mitglieder des Unternehmens, berechnet als Quotient aus Gewinn und Mitarbeiteranzahl1856. Diese methodische Eingrenzung auf eine Bezugsgruppe erscheint aus Gründen der Komplexitätsreduktion und Handlebarkeit der getroffenen Aussagen unvermeidbar, wohlwissend, dass ein utilitaristischer Ethiker eigentlich (idealiter) die komplette Menschheit betrachten und keine unternehmensbezogene, sondern globale, auf die gesamte Volkswirtschaft gerichtete Rechnung bzw. Analyse anstellen müsste (soll heißen: er müsste die Nutzen aller Menschen, die irgendwann irgendwie irgendwas mit dem betreffenden Unternehmen zu tun haben werden, berücksichtigen, um zu einem globalen Durchschnittsnutzen zu gelangen). Es kann hier also, wie in der Wissenschaft üblich, nur ein Ausschnitt der Realität wiedergegeben werden, in dem sich allerdings die aus Sicht des Verfassers typischen Überlegungen, welche im Rahmen einer managementethischen Reflexion freisetzungsbezogener Fragen sowohl aus wissenschaftlicher als auch unternehmenspraktischer Sicht anzustellen sind, auf realistische Art widerspiegeln (realistisch deshalb, da „normale“, gerade mittelständische Unternehmer in der Regel zunächst das eigene Unternehmen und die eigenen Beschäftigten bei ihren Überlegungen im Hinterkopf haben, weniger oder nicht primär aber die globalen Effekte ihres Handelns)1857. In Szenario 1 wird unterstellt, dass das langfristige Überleben des Unternehmens am Markt wegen hoher Umsatzeinbrüche zwischen t-1 und t0 (heutige Ausgangslage), die einen drastischen Rückgang im Durchschnittsnutzen je Unternehmens-

1856

1857

Vereinfachend ist auch die Annahme, dass der arbeitsplatzbezogene Nutzen monodimensional ökonomisch mit dem Einkommen zusammenhängt (vgl. Abschnitt 3.1.2). Wegen des abnehmenden Grenznutzens zusätzlichen Einkommens korreliert das Glück nicht durchgängig mit dem Einkommen, sodass eine arbeitsplatzbezogene Nutzenbilanzierung es eigentlich erfordern würde, in die vorhandenen einkommensbezogenen Nutzenzahlen (unendlich viele) korrigierende polydimensionale Nutzenarten zu integrieren. Ein utilitaristisch denkender Manager wird, wenn es der Durchschnittsnutzen seiner Mitarbeiter erfordert, einen Personalabbau vornehmen. Dabei richtet sich seine Betrachtung aber ausschließlich auf die eigenen Beschäftigten bzw. das eigene Unternehmen. Ein utilitaristischer Ethiker (allgemein) würde dagegen, drastisch formuliert, bei Bedarf auch ein Unternehmen zugrunde gehen lassen, wenn es im gesamtnationalen oder globalen Maßstab sinnvoll wäre (wenn es also zum größten Durchschnittsnutzen für die gesamte Menschheit führen würde).

536

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

mitglied zur Folge haben, nur durch massive Umstrukturierungen gesichert werden kann, welche mit einem Personalabbau von rund 30 % der Beschäftigten einhergehen (vgl. Abb. 45: Übergang 2. zu 3.1). Zusätzlich müssen von allen verbleibenden Beschäftigten Gehaltseinbußen in Höhe von 5 % in Kauf genommen werden1858. Andere Wege zum Arbeitsplatzerhalt existieren nicht, da alle alternativen Kostensenkungspotenziale bereits ausgeschöpft wurden. Hinzu kommt, dass keine Möglichkeiten bestehen, die ausscheidenden elf Mitarbeiter in t0 über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus zu unterstützen. Würde das Management ihre Stellen über einen längeren Zeitraum (bis t1) gegen die Marktlogik erhalten, würde es Gefahr laufen, dass das Unternehmen bei stagnierenden oder rückläufigen Umsätzen (trotz Gehaltskürzungen) über kurz oder lang aus dem Markt ausscheidet (vgl. Abb. 45: 3.2, angedeutet durch die negativen Durchschnittsnutzenwerte in t1). Folglich liegt in Szenario 1 eine tragische Situation (zweiten Grades) vor, in der kein individual- bzw. handlungsethischer Umverteilungsspielraum besteht und in der kurzfristig entschieden werden muss, wie vorzugehen ist. Dieser Umstand muss auf der Anwendungsebene in die Abwägungsprozesse einbezogen werden, wobei, wie in Abschnitt 4.2.1 angesprochen und wie in Unterabschnitt 8.3.2.3 noch detaillierter erläutert wird, zu sehen ist, dass in Dilemmasituationen, in denen sich keine Lösungen finden lassen, um die tragische in eine nichttragische Situation zu transformieren, der Utilitarismus als ethische Entscheidungsbasis unvermeidbar ist. Jedenfalls wäre die KANTische Entscheidung, keine Stellen abzubauen oder zu verlagern, verfehlt, da sie eine moralische Überforderung der handelnden Akteure bewirken würde1859. Da das Management die Verantwortung für den Unternehmenserfolg und -erhalt trägt, ist es sogar (vom utilitaristischen Standpunkt her) ethisch „verpflichtet“, Stellen abzubauen1860, und das bei Bedarf innert kurzer Zeit. Insofern muss akzeptiert werden, dass Mitarbeiter aus dem Unternehmen fallen, auch wenn dies von den Betroffenen eventuell als ungerecht empfunden wird. Jedoch, und das zeigen utilitaristische Entscheidungen sehr deutlich, ist 1858

1859

1860

Bei gleichzeitiger Einbeziehung der Personalkostensteigerungsrate von 10 % zwischen t0 und t1 (vgl. die Fußnote oben) resultiert ein Anstieg der Personalkosten in t 1 um 5 % je Beschäftigten. In diesem Sinne schreibt HARSANYI (1977a, S. 639): “[I]n many cases, people [managers] simply have to make [...] comparisons in order to make certain moral decisions - however badly they may make them. If I am trying to decide which member of my family is in greatest need of food [whether to dismiss employees or not], […] I simply have to make some decision. I cannot let all members of my family go hungry [all employees lose their jobs] because I have philosophical scruples about interpersonal comparisons and cannot make up my mind”. Unter diesen Umständen gilt, dass “laying off some employees is the ethical thing to do, and managers who fail to do so are guilty of unethical conduct” (GILBERT 2000, S. 4).

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

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nicht jede unliebsame (Management-)Entscheidung automatisch unmoralisch, selbst wenn sie mit Einbußen für die Betroffenen einhergeht 1861. Im Dilemma bleibt nichts anderes übrig, als eine „Moral des gesunden Menschenverstands“1862 zu verfolgen und den Schaden der Verlierer mit dem mittel- und langfristigen Glück bzw. Nutzen der größten Zahl (der Shareholder, übrigen Mitarbeiter usw.) in einer Kosten-Nutzen-Analyse zu verrechnen. Die Opferung des Einzelnen oder einiger Weniger für das Wohl des Ganzen ist zwar, so die Annahme, nicht gewollt, muss aber zugelassen werden, da der Durchschnittsnutzen pro Unternehmensmitglied dadurch gesteigert werden kann1863. Dabei ist aus utilitaristischer Sicht darauf zu achten, den Kreis arbeitsplatzrelevanter Stakeholder nicht zu eng zu ziehen, da aus der räumlichen, zeitlichen und sozialen Distanz der Betroffenen allein noch keine Minderung ihrer moralischen Berücksichtigungspflicht und Verbindlichkeit resultiert (vgl. dazu die obigen Ausführungen zum Grundsatz des Durchschnittsnutzens)1864. Bezug nehmend auf die Darlegungen zum moralischen Realismus in den (Unter-) Abschnitten 7.3.4.2 und 8.1.2 könnte auch wie folgt argumentiert werden: Das Gewicht der objektiv vorhandenen Interessen, womit in Bezug auf den hiesigen Kontext neben den objektiv-realen arbeitsplatzbezogenen Interessen der Stellenverlierer auch objektiv-reale (arbeitsplatzbezogene, ökonomische und sonstige) Interessen der Restbelegschaft, der Shareholder oder anderer Gruppen gemeint sind, führt bei tragischen Situationen zu utilitaristischen Entscheidungen. Der erwähnte Umstand, dass die von Stellenverlust Betroffenen ihre Lage womöglich als ungerecht empfinden und emotional reagieren, ist lediglich als Ausdruck der Tatsache zu werten, dass sie nicht fähig oder willens sind, die objektive Realität der Dinge „wahr“-zunehmen.

1861 1862

1863

1864

Vgl. AßLÄNDER (2011a), S. 391. „Die Moral des gesunden Menschenverstands lässt sich als eine praktisch zulängliche Annäherung an den Utilitarismus verstehen“ (MACKIE 1983, S. 159). Ähnlich MATHIS (2009), S. 134. Vgl. FENNER (2010), S. 143; ORLANDO (2003), S. 45; GILBERT (2000), S. 7; KARMASIN (1996), S. 335. Vielmehr wohnt „[d]em Utilitarismus [...] ein sozialpolitisches Potenzial inne, als er uns nahelegt, beispielsweise auch das Wohlergehen von Ausländern und von Einwohnern armer Länder zu berücksichtigen“ (MATHIS 2009, S. 135), womit deutlich wird, dass utilitaristische Ethiker auch der Verlagerung arbeitsintensiver Produktionsbereiche mit geringen Qualifikationserfordernissen und geringer Wertschöpfung ins kostengünstigere Ausland neutral gegenüberstehen, sei es durch die Vergabe an Fremdfirmen mit geringeren Lohnstückkosten (Outsourcing) oder durch Direktinvestitionen vor Ort (Offshoring). “Further justification can be found in the happiness of stockholders, bondholders, and others who would be hurt by the company’s bankruptcy [e. g., customers, suppliers, creditors]“ (GILBERT 2000, S. 7).

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Bereits hier dürfte deutlich geworden sein, dass Freisetzungsmaßnahmen immer einen utilitaristischen Kern aufweisen. Im Wettbewerb stehende Unternehmen sind, um ihren (sozialen) Auftrag in der Marktwirtschaft (z. B. Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen) erfüllen zu können, gezwungen, unnötige Kosten durch einen unwirtschaftlichen Personaleinsatz (z. B. Überbesetzung) abzubauen und sich in ihren Transaktionen (Spielzügen) an der höchsten Nutzenwirkung, also am höchsten erwarteten Durchschnittsnutzen zu orientieren (vgl. Abb. 45: 3.1). Anders gesagt: Sie sind darauf angewiesen, einer utilitaristischen Ethik zu folgen. Auf dieses Argument könnte sich auch das Management in Dilemmasituationen zur Rechtfertigung arbeitsplatzbezogener Maßnahmen sowie zur ethischen Begründung von Entlassungen berufen. Zwar mag eine solche Aussage die Kritik jener (Unternehmens-)Ethiker hervorrufen, die von einem Primat der Ethik ausgehen, sobald aber die Begründungsebene verlassen wird und - wie hier unterstellt - auf der Anwendungs- und Implementierungsebene kein Umverteilungsspielraum besteht, ist es weder hilfreich noch sinnvoll, im gerechtigkeitstheoretischen Sinne gegen einen Stellenabbau zu votieren, da ein solches Veto der Benachteiligten (etwa der Arbeitsplatzverlierer) ins Leere führen würde. Was nicht übersehen werden darf, ist, dass der Utilitarismus als Ethikkonzept einen starken Heroismus von den Verlierern der Entscheidung verlangt 1865. Im Fokus des Utilitarismus steht eine unparteiliche Nutzenmaximierung, sodass individuelle Arbeitnehmer nicht nur ihren persönlichen arbeitsplatzbezogenen Nutzen maximieren dürfen, was ein Homo oeconomicus tun würde, sondern dem Nutzen der Gesamtbelegschaft (einschließlich potenzieller neuer Kollegen, auch andernorts) den Vorrang einräumen müssen. Zwar zählt ihr eigenes Glück mit demselben Gewicht in die Nutzenbilanz hinein, doch stellt das nicht sicher, dass individueller und kollektiver Nutzen ein und dieselbe Handlung oder Unterlassung erfordern1866. Wenn das Unternehmen im Anwendungsdiskurs in der Cost-BenefitAnalyse1867 zum Ergebnis kommt, dass es sich von Mitarbeitern trennt, da deren Ausscheiden die beste Lösung ist, dann müssten alle vom Personalabbau Betroffenen als utilitaristische Ethiker auch selbst ausnahmslos dem Stellenabbau unpar-

1865 1866 1867

Vgl. NASHER (2009), S. 69. Vgl. MATHIS (2009), S. 139. In diese Nutzenbilanzierung müsste ein Utilitarist alle denkbaren (nicht-)monetären Kosten und Nutzenaspekte (Freud/ Leid, Vor-/ Nachteile) einbeziehen, die für jedes Gesellschaftsmitglied heute und zukünftig anfallen.

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teiisch und aus moralischer Überzeugung heraus zustimmen, eben weil vom Utilitarismus eine solche heroische Moral verlangt wird (sie müssten quasi bestätigen: „Ja, wenn ich Bilanz ziehe, dann schlägt die Waage zugunsten meiner eigenen Entlassung aus. Auf diese Weise kann das „größte Glück der größten Zahl“ bzw. der größte Durchschnittsnutzen je Unternehmensmitglied erzielt werden. Auch wenn ich das Opfer bin, so stelle ich mich trotzdem zur Verfügung und verlasse das Unternehmen freiwillig, da es für das Wohl der Gemeinschaft gut ist“). Gerade in dieser moralischen (Unparteilichkeits-)Präferenz, nach der das „größte Glück der größten Zahl“ auch dann für richtig gehalten wird, wenn man selbst als Verlierer endet, zeigt sich der Unterschied zwischen dem utilitaristischen Moral Point of View und dem klassischen Economic Point of View, der mit dem Homo oeconomicus arbeitet und bei dem es um die Maximierung des persönlichen Eigennutzens geht. Vorstehende Ausführungen dürften insofern gezeigt haben, dass der Utilitarismus nicht bloß als „Nützlichkeitsmoral“ oder simple Form der Nutzenmaximierung abgestempelt werden kann. Zugleich drängt sich die Frage auf, wie realistisch die vom Utilitarismus unterstellte Moral Preference im Hinblick auf arbeitsplatzbezogene Probleme ist. Für viele reale Menschen dürfte der Utilitarismus ein zu hartes ethisches Konzept sein, da es ihnen naturgemäß schwerfällt, völlig gegen eigene Interessen zu handeln. Zugespitzt formuliert könnte man sagen: Die vom Utilitarismus an Arbeitnehmer gestellten Anforderungen sind realiter zu hoch. Zwar gibt es Arbeitnehmer, die in tragischen Situationen bereit sind, sich sachlich mit der ökonomischen Notwendig- und Sinnhaftigkeit eines Stellenabbaus auseinanderzusetzen. Auch dürften sich manche von ihnen - Manager zwangsläufig sowieso - für eine wie auch immer geartete Form der ökonomischen Nutzenmaximierung aussprechen. Nur wenige Arbeitnehmer werden sich aber selbst moralisch zu der heroischen Entscheidung gezwungen fühlen, persönlich die „Niete“ zu akzeptieren und als „Moralengel“ freiwillig in die Arbeitslosigkeit abzuwandern, auch wenn genau das (fallweise) als einzig rationale Konsequenz einer utilitaristischen Ethik anzusehen wäre. Eher ist zu erwarten, dass nach Schuldigen gesucht und versucht wird, die Entscheidung zum Stellenabbau doch zu verhindern oder nicht selbst zu den Betroffenen zu gehören. Der Aussagewert der utilitaristischen Ethik wird dadurch jedoch nicht entkräftet1868.

1868

MACKIE stellt in diesem Sinne fest: „[I]ch bin keineswegs der Auffassung, moralische Forderungen hätten so wenig anspruchsvoll zu sein, dass die Aussicht bestünde, sie würden sofort von fast allen Menschen erfüllt“ (MACKIE 1983, S. 169; vgl. dazu auch Abschnitt 4.1.3).

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Wie bereits angeklungen, wäre es falsch anzunehmen, arbeitsplatz- bzw. freisetzungsbezogene Fragen würden kategorisch tragische (Dilemma-)Situationen darstellen. Stattdessen bedarf es auf der Anwendungsebene situationsspezifischer Betrachtungen1869: Es gibt nicht nur “layoffs to save the company“1870, welche inhaltlich (in groben Zügen) mit den oben betrachteten rein-tragischen Situationskonstellationen zweiten Grades zusammenfallen, sondern auch “layoffs to improve“ 1871 oder “to change the company“1872, wobei die Grenze zwischen allen drei Formen häufig nicht scharf gezogen werden kann. In Unterabschnitt 8.3.2.2 wird die Betrachtung auf solche Situationen ausgeweitet, die zwar ebenfalls zu Entlassungen führen (und damit vom Grundsatz her tragisch sind), die es aber gestatten, Entlassungen sozialverträglich abzufedern.

8.3.2.2 Tragische Freisetzungssituationen ersten Grades sowie nichttragische Situationen Mit dem utilitaristischen wurde bislang ein relativ ökonomienahes normatives Kriterium in die Abwägungsentscheidungen auf der Anwendungsebene einbezogen. Stellenabbauprozesse sind in der Realität aber nicht nur auf den im vorigen Unterabschnitt erläuterten utilitaristischen Kern bzw. das normative Kriterium des Utilitarismus reduzierbar. Das Ausgangsszenario 1 wurde bewusst so gewählt, dass die ökonomische Dimension keinerlei Spielraum auf der Implementierungsebene zulässt, um den vom Stellenabbau Betroffenen irgendwie doch noch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dieser Fall ist denkbar, aber nicht die Regel, da ein Stellenabbau nicht nur in finanziell stark angeschlagenen und existenzbedrohten, sondern auch in solventen Unternehmen stattfindet, die sich in einem Veränderungsprozess (zur Optimierung der Arbeitsabläufe, der Kostensituation) befinden oder nur temporär geschwächt sind und eventuell dennoch mehr oder weniger beträchtliche Gewinne erwirtschaften1873. Ein Beispiel für ein solches Entlassungsszenario wird Abb. 46 dargestellt und nachfolgend näher betrachtet:

1869 1870 1871 1872 1873

Vgl. KAMMEL (2005), S. 13. GILBERT (2000), S. 6. GILBERT (2000), S. 6. GILBERT (2000), S. 6. Vgl. CASCIO (2005), S. 41; BREDESON (2011), S. 119.

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63

63 30

30

30

27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27 27

Szenario 2: tragische Freisetzungssituation ersten Grades 90 90 63 63 1. Personalsitua30 30 30 30 30 tion in tR-1

541

33 33 33 33 33 33

33

33 33

33 33

33 33

33 33 33 33 33 33 33 33

36

36

33 33

33 33 33 33 33 33 33 33

33 33

30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30 30

Umsatz: 3.000; Personalkosten: 1.320; Gewinn: 1.680; Mitarbeiterzahl: 38; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: +44,21 2. 100 100 Personalsitua70 70 70 70 tion in tR0 33 33 33 33 33 33 33 33 (Ausgangslage): zu hohe Personalkosten Umsatz: 4.500; Personalkosten: 1.464; Gewinn: 3.036; Mitarbeiterzahl: 38; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: +79,89 3.1: 110 110 Erwartete Per77 77 77 77 sonalsituation 36 36 36 36 36 36 in tR1 Rbei hartem Personalabbau in tR0 Umsatz (stagnierend): 4.500; Personalkosten: 1.245; Gewinn: 3.255; Mitarbeiterzahl: 27; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: +120,56 Umsatz (rückläufig): 4.000; Personalkosten: 1.245; Gewinn: 2.755; Mitarbeiterzahl: 27; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: +102,04 3.2: 110 110 Erwartete Per77 77 77 +35 sonalsituation 36 +17 36 36 36 36 36 +17 in tR1 bei integrem Per+15 +15 sonalabbau in +15 tR0 +15 Umsatz (stagnierend): 4.500; Personalkosten: 1.456 (1.327 + 129); Gewinn: 3.044; Mitarbeiterzahl: 31; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: +98,19 Umsatz (rückläufig): 4.000; Personalkosten: 1.456 (1.327 + 129); Gewinn: 2.544; Mitarbeiterzahl: 31; Durchschnittsnutzen/ Unternehmensmitglied: +82,06 Abb. 46: Arbeitsplatzmanagement im Falle tragischer Entscheidungssituationen ersten Grades1874

In Szenario 2 rechnet das Unternehmen nach Umsatzsteigerungen zwischen t-1 und t0, die bei konstanter Beschäftigtenzahl einen Anstieg des Durchschnittsnutzens je 1874

Quelle: Eigene Darstellung.

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Unternehmensmitglied bewirkt haben, mit stagnierenden oder rückläufigen Umsätzen bis t1. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit setzt es daher in t 0 auf Effizienz steigernde Umstrukturierungen sowie, damit verbunden, auf Einsparungen durch Stellenabbau, wobei im Folgenden, was diesen Stellenabbau betrifft, zwei gegensätzliche Grundstrategien unterschieden werden, über die im Anwendungsdiskurs zu debattieren und abzustimmen ist: (1) harter Stellenabbau ohne sozialverträgliche Abfederung (vgl. Abb. 46: 3.1): Einerseits, und in diesem Falle würde im Zuge der Interessenbewertung auf der Anwendungsebene nur das normative Kriterium des Utilitarismus Anwendung finden, könnte ein umfassender und rigoroser Stellenabbau verfolgt werden, bei dem keinerlei Anstrengungen zur integren Abfederung der Entlassungen unternommen werden. Der Mitarbeiterbestand ließe sich so bis t1 von 38 auf 27 senken und, je nach Umsatzentwicklung, der maximale Durchschnittsnutzen von 120,56 (stagnierender Umsatz) oder 102,04 Einheiten (rückläufiger Umsatz) je Unternehmensmitglied erzielen. Die mit dieser rein utilitaristischen Strategie einhergehenden Probleme (etwa Einbußen in der Leistungsbereitschaft der übrigen Beschäftigten oder ein negativer Einfluss auf die Unternehmensreputation) werden hier, ebenso wie mögliche juristische Restriktionen (z. B. ein besonderer Kündigungsschutz aus Tarifverträgen), bewusst ausgeblendet. Auch sei nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass die Argumentation auf einer vereinfachten, ausschnitthaften Durchschnittsnutzenbetrachtung basiert1875. (2) integrer Stellenabbau mit sozialverträglicher Abfederung (vgl. Abb. 46: 3.2): Andererseits, und in diesem Arrangement würde im Anwendungsdiskurs zusätzlich das normative Kriterium der Gerechtigkeitstheorie Beachtung finden, könnte das Unternehmen vorsehen, die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer auf ein Minimum zu begrenzen, indem auf integre Freisetzungsmethoden zurückgegriffen1876 und die Kontrollspanne der Abteilungs- und Teamleiter reduziert wird1877. Dabei wird unterstellt, dass sich durch eine Kombination derartiger Maßnahmen 1875 1876

1877

Vgl. dazu Unterabschnitt 8.3.2.1. In Unterkapitel 6.3 wurden geeignete Maßnahmen vorgestellt, um den Personalbestand sowohl antizipativ als auch reaktiv an veränderte Bedingungen anzupassen. Sie setzen entweder beim Arbeitszeitmanagement (z. B. Überstundenabbau, Nutzung von Kurz- und Teilzeitarbeit, veränderte reguläre Arbeitszeit) oder indirekten Freisetzungsprozessen an (z. B. Einstellungsstopp, Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse). Um die Akzeptanz des Stellenabbaus zu erhöhen, kann es geboten sein, das Prinzip der Reduzierung der Kontrollspanne auf die Unternehmensführung anzuwenden (vgl. Unterabschnitt 6.3.4.2).

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die Zahl der Entlassungen von elf auf sieben Personen reduzieren ließen. Ferner könnten Bemühungen angedacht werden, um die negativen Folgen für alle Betroffenen abzufedern, was in irgendeiner Form mit Kosten (wie Managementkosten zur Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle der Maßnahmen, Kosten für Abfindungen, Bewerbungstrainings, Vorruhestandsregelungen, einen Sozialplan) verbunden wäre. Im Beispielszenario wird angenommen, dass jedem ausscheidenden Mitarbeiter pauschal ein Betrag in Höhe der Hälfte der letzten Entlohnung aus t0 eingeräumt (gerechtigkeitstheoretisch: umverteilt) wird, um ein sozialverträgliches Ausscheiden aus dem Unternehmen zu gewährleisten (insgesamt resultieren daraus Zusatzkosten in Höhe von 129 GE)1878. Vergleicht man die Zahlen für beide Strategien in Abb. 46, so ist erkennbar, dass es auch bei der zweiten Strategie wegen der reduzierten Mitarbeiterzahl zur Steigerung im Durchschnittsnutzen je Unternehmensmitglied kommt, und zwar sowohl im Falle eines stagnierenden (t 1: 98,19 Einheiten) als auch rückläufigen Umsatzes (t1: 82,06 Einheiten). Da im Gegensatz zur rein utilitaristischen Strategie des ersten Szenarios aber der (durch die genannten Zusatzkosten leicht reduzierte) Gewinn unter vier weiteren Personen aufgeteilt werden muss, fällt der Durchschnittsnutzen im zweiten Szenario (zumindest in t1) entsprechend geringer aus. Zur Frage, für welche der beiden Strategien sich verschiedene, aus managementethischer Sicht relevante Akteure auf der Anwendungsebene in der betrachteten nichttragischen Situationskonstellation aussprechen würden, können hier nur vage und idealtypische Aussagen getroffen werden, da die Situationsbedingungen und Problemlagen in der Realität zu heterogen und vieldeutig („messy“) sind. Soll heißen: Wie das Ergebnis der Interessenbewertungen und -abwägungen auf der Anwendungsebene konkret aussieht (worin einzelne Akteure das letzte normative Entscheidungskriterium sehen, das sie heranziehen), bleibt ungewiss, zumal es andernfalls keinen Widerstreit mehr zwischen den Ethiktheorien gäbe. Manche Akteure werden eher utilitaristisch entscheiden, manche andere dagegen eher gerechtigkeitstheoretisch (oder KANTianisch), wobei für jede Entscheidung plausible Argumente vorliegen können. Letzteres hängt damit zusammen, dass alle modernen Ethiken auf der Begründungsebene auf dem Versuch beruhen, eine Simulation des Urzustandes (hypothetische Gottessimulation) durchzuführen. Was mit Blick auf die empirischen Gegebenheiten gesagt werden kann, ist nur Folgendes: Während 1878

Im Falle der vier ausscheidenden Sachbearbeiter also jeweils 15 GE (Einkommen t 0: 30 GE), der beiden Teamleiter jeweils 17 GE (EK t0: 33 GE) und des Abteilungsleiters 35 GE (EK t0: 70 GE).

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man sich im Anwendungsdiskurs aus dem Blickwinkel der Arbeitnehmer und arbeitnehmernaher Gruppen vermutlich zugunsten der zweiten Strategie aussprechen würde, bei der neben dem utilitaristischen das gerechtigkeitstheoretische Kriterium zum Tragen kommt, würde man aus management- und arbeitgeberbezogener Perspektive tendenziell eher für eine (rein) am normativen Kriterium des Utilitarismus angelehnte Strategie votieren. Diese These gründet auf der Annahme, dass es wahrscheinlich ist, dass auch die Urzustandsbewohner, wenn sie sich in die Lage von (von einem Arbeitsplatzverlust betroffenen) Beschäftigten versetzen würden, im Beispielszenario eher RAWLSianisch entscheiden würden, da andernfalls ihre Kosten im Entlassungsfalle in der späteren Gesellschaft massiv wären. Sogleich ist der beschriebenen Vorziehung des RAWLSschen Kriteriums hinzuzufügen, dass dieselben Urzustandsbewohner, wenn sie sich in die Positionen anderer Bezugsgruppen (etwa die der Konsumenten) hineindenken würden, höchstwahrscheinlich zu einer abweichenden Auffassung gelangen und eventuell doch für eine stärker an der Maximierung des Durchschnittsnutzens orientierte Lösung stimmen würden (so könnte es, um ein simples Beispiel zu geben, sein, dass durch kaltschnäuzige Entlassungen von Arbeitnehmern die Produktpreise sinken würden, was aus reiner Konsumentensicht wiederum positiv zu werten wäre). Wie sich das Management auf der Anwendungsebene positioniert, hängt letztlich von mehreren Faktoren ab, wobei vorstellbar ist, dass Manager, je nachdem, wie sie ethisch gepolt sind (in welchem Maße und über welches ethische Interesse sie also verfügen), beide normativen Kriterien in ihre Abwägungsprozesse und Bewertungen einbinden. Hierbei werden manche Führungskräfte - auf dieselbe Situation bezogen - durch ihre Entscheidung auf der Anwendungsebene dem jeweiligen ethischen Ideal näherkommen als andere (da sie ethisch sensibler oder bescheidener sind, sich in einer besseren seelischen Verfassung befinden, mehr Zeit und Sorgfalt in ihre Abwägungen investieren o. Ä.). Empirisch dürfte es zudem so sein, dass Vorstandsmitglieder großer Aktiengesellschaften (wie Daimler, Siemens und Co.) tendenziell eher utilitaristisch entscheiden (müssen), wohingegen typische mittelständische Unternehmer, die, plakativ gesprochen, täglich durch ihren Betrieb laufen und über ihr eigenes Geld entscheiden, etwas eher geneigt sein dürften, neben dem utilitaristischen - auch sie müssen zusehen, dass sie schwarze Zahlen schreiben - verstärkt das gerechtigkeitstheoretische Kriterium (und damit die Bedürfnisse und Interessen der Beschäftigten) in ihre Abwägungs- und Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen.

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Vorstehende Erläuterungen zeigen, dass nicht nur der Utilitarismus, sondern auch RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie im Zuge freisetzungsbezogener Transaktionen relevant ist und - zumindest im metaphorischen Sinne (was umverteilt wird, sind keine Transfers, sondern Ressourcen) - Anwendung findet1879. Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei folgende Erkenntnis wichtig: Letztlich stellen sämtliche Bemühungen der Unternehmen (und ihrer Stakeholder) 1880 mit dem Ziel, Entlassungen zu vermeiden, einzuschränken oder ihre Folgen zu mildern, nichts anderes dar, als eine gerechtigkeitstheoretische Umverteilung von den Leistungsstarken zu den Schwachen bzw. am wenigsten Begünstigten, die ihre Stelle verlieren würden oder tatsächlich verlieren. Unter Umverteilungen im hier gemeinten Sinne sind also nicht nur Maßnahmen zu verstehen, die auf eine Vermeidung von Stellenstreichungen abzielen, sondern auch solche, die jenen Mitarbeitern zugutekommen, deren Stellen faktisch wegfallen. Die diesem Gedanken zugrunde liegende Argumentation entspricht der weiter oben erläuterten Ansicht: Jede Entscheidung zugunsten eines Stellenabbaus basiert auf dem normativen Kriterium des Utilitarismus, da der negative Nutzen der Arbeitsplatzverlierer mit dem längerfristig positiven Nutzen des in seinem Bestand gefährdeten Unternehmens verrechnet wird. Zugleich stehen aber auch im Rahmen des Stellenabbaus mehrere Optionen offen, um die utilitaristische Entscheidung (im Sinne des Maximin-Kriteriums) durch gerechtigkeitstheoretische Umverteilungselemente „anzureichern“. Szenario 2 führt zudem vor Augen, dass ein Veto im Urzustand keineswegs aussichtslos bleiben muss, so wie es in der Dilemmasituation von Szenario 1 der Fall war. Nach dem Differenzprinzip sehen die Menschen ein, dass es unter organisatorischen und ökonomischen Aspekten unvernünftig wäre, bei einer Gleichverteilung aller Arbeitsplätze stehen zu bleiben. Da man ökonomisch aufgeklärt ist und darüber Bescheid weiß, dass Unternehmen im Wettbewerb im Falle eines strikten Entlassungsverbots an ihrer Starrheit zerbrechen und in der Folge für alle Unternehmensmitglieder ein niedrigerer Lebensstandard resultieren würde, werden Entlassungen zugelassen, zumindest so lange, wie durch dieses Leid größeres Leid (vor allem über einen längeren Zeithorizont hinweg) verhindert werden kann1881.

1879 1880

1881

Dieser Aspekt wird in Unterabschnitt 8.3.2.3 erneut aufgegriffen und differenziert behandelt. Zu denken ist etwa an einen freiwilligen Gehaltsverzicht der Kollegen, eine gesteigerte Kaufbereitschaft der Kunden für die Produkte des Unternehmens oder einen gemäßigteren Druck der Shareholder auf hohe Renditen. Vgl. RAWLS (1998), S. 395; HAUSMANN (2001), S. 178.

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Gleichwohl würden sie eine rein an der Durchschnittsnutzenmaximierung ausgerichtete utilitaristische Entlassungsstrategie auf der Anwendungsebene (vgl. Abb. 46: 3.1) nicht akzeptieren, da sie (in der Arbeitnehmerrolle) damit rechnen müssten, im Unglücksfalle selbst zu den Verlierern zu zählen, die keine Beachtung mehr finden würden. Unter diesen Umständen würden sie im Urzustand ein Veto einlegen und sich für einen Kündigungsschutz 1882 oder eine (wie auch immer aussehende) Umverteilung zugunsten der (Arbeitsplatz-)Verlierer aussprechen (vgl. Abb. 46: 3.2). Eine komplette Verrechnung der Schwachen würden sie jedenfalls ablehnen (was der in der Realität bestehenden Sichtweise der Gewerkschaften usw. entspricht)1883. Zugleich bleibt zu bedenken, dass Unternehmen im Marktwettbewerb, und das nicht nur in tragischen Situationen, gezwungen sind, utilitaristische Nutzenkalküle als Leitlinien ihrer Entscheidungsfindung und -begründung heranzuziehen. Wenn aber kein Dilemma vorliegt (und das Leid der Entlassenen gelindert oder Entlassungen vermieden werden können), dann wäre es trotz des höheren Durchschnittsnutzens je Unternehmensmitglied moralisch fragwürdig, wenn dies vom Management ignoriert und eine rein utilitaristische Strategie gefahren werden würde, zumal ohnehin kontingent bliebe, ob die anvisierte utilitaristische (Entlassungs-)Strategie überhaupt den erhofften Erfolg bewirken würde. Oder anders ausgedrückt: “[T]he further the situation deviates from a clearcut choice between layoffs and the company’s closing, the less compelling the utilitarian argument becomes“1884. In nichttragischen Freisetzungssituationen sollte das Unglück der Schwachen etwas schwerer wiegen als das verminderte Glück der Starken (z. B. der Shareholder, der übrigen Beschäftigten), auch wenn der Durchschnittsnutzen dadurch sinkt und die Glücklichen weniger erhalten als das, was sie im rein utilitaristischen Modell bekommen hätten. Auf der Anwendungsebene würde man folglich zum Ergebnis kommen, dass einem wirtschaftlich gut aufgestellten Unternehmen, welches betriebswirtschaftlich unrentable Standorte schließen und Arbeitsplätze abbauen muss, zugemutet werden kann, dass es (im Einklang mit den Betriebsräten, Gewerkschaften, der Bundesagentur für Arbeit oder anderen relevanten Stakeholdern) für einen integren Stellenabbau sorgt 1882

1883

1884

Entsprechend stellen HÖLAND und ZEIBIG (2007, S. 248) fest: „Das Rechtssystem des Kündigungsschutzes ist in diesem Sinne ein öffentliches Regelsystem, das die auf die abhängige Arbeit bezogenen Grundsätze der Gerechtigkeit als allgemeine Werteordnung und im konkreten Bezug auf Konfliktfälle zur Anwendung bringt“. So auch GILBERT (2000, S. 11): “If layoffs are conducted to increase the profits of an already profitable firm, it is unlikely that a person behind RAWLS’ veil of ignorance would consider the system allowing this to be just”. GILBERT (2000), S. 8.

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oder nach Möglichkeit geeignete Alternativen schafft (etwa indem die Betroffenen dahin qualifiziert werden, dass sie in solche Bereiche versetzt werden können, für die in der Zukunft ein positives Wachstum prognostiziert wird). Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass reine Utilitaristen diese durch eine Mischung diverser normativer Bewertungskriterien geprägte Sichtweise von vornherein als unvernünftig und unmoralisch erachten würden, da für sie die Durchschnittsnutzenmaximierung die (bereits auf der Anwendungsebene) einzig infrage kommende ethische Entscheidung darstellt und kein anderes Kriterium zugelassen wird (in diesem Sinne wäre beispielsweise MILL kein reiner Utilitarist, da er auch das Gefühl der Würde - und somit ein KANTisches Kriterium - dem Glückseligkeitsbegriff zuordnet). Ein reiner Utilitarist hat ein moralisches Interesse, nämlich ein utilitaristisches Interesse. Er hält es für richtig, das „größte Glück der größten Zahl“ zu befördern, sodass im Utilitarismus zwei Konstellationen denkbar sind: Einerseits kann eine tragische Situation vorliegen, in der Moral keine Chance hat und auch ein Anhänger von RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie mangels Alternative ein utilitaristisches Vorgehen (z. B. eine Entlassung ohne Abfederung) bevorzugen würde (vgl. Szenario 1). Der Unterschied ist aber, dass ein normaler Utilitarist auch eine nichttragische Situation rein utilitaristisch betrachten würde. Er würde also, sofern sich durch eine (an sich vermeidbare) Entlassung oder wie auch sonst geartete rigorose Form der Führung ein höherer allgemeiner Durchschnittsnutzen für die gesamte Menschheit erzielen ließe, sicher für diese Entlassung oder Führungsform votieren. Dagegen wird hier dafür plädiert, dass, sobald sich Win-win-Lösungen finden lassen, bei denen alle Beteiligten ein Stück weit gewinnen (oder die zumindest allgemein respektiert werden) können, vom Unternehmen alles Mögliche getan werden sollte, um solche Lösungen umzusetzen und der Würde jedes Einzelnen Rechnung zu tragen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass gerade jene Entlassungsfälle öffentlichkeitswirksam geworden sind, in denen das Management (im übertragenen Sinne) rein utilitaristisch entschieden, dabei aber übersehen oder ignoriert hat, dass die Mitarbeiter und die Öffentlichkeit eine stärker gerechtigkeitstheoretische Sicht der Dinge vertreten 1885.

1885

Eine ähnliche Situation liegt auch bei der in Abschnitt 3.3.3 skizzierten Gehaltsverzichtsaktion bei HP vor. Zwar würde es zu weit gehen, zu behaupten, das HP-Management hätte rein utilitaristisch entschieden. Dennoch ist es durch die Wahl der Entlassungsvariante im übertragenen Sinne ein Stück weit utilitaristisch vorgegangen: Die Ausgangslage waren zu hohe Kosten. In der Folge wurden Mitarbeiter entlassen, sodass doch das „größte Glück der größten Zahl“ gezählt hat. Die

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Das Problem des Utilitarismus bleibt sein fehlendes Gerechtigkeitsprinzip, das den einzelnen Arbeitnehmer mit seinen Interessen in den Blick nimmt 1886. Was mit den Arbeitsplatzverlierern geschieht, bleibt beim Utilitarismus durch die Orientierung am Kollektivnutzen offen1887. In nichttragischen Situationen erscheint es daher (management-)ethisch geboten, dass Unternehmen ihre im Kern berechtigten utilitaristischen Entscheidungen durch gerechtigkeitstheoretische Umverteilungselemente „anreichern“, um das durch den Stellenverlust drohende individuelle Schicksal von den Mitarbeitern abzuwenden oder zu reduzieren1888. Das normative Statement lautet, kurz gesagt, wie folgt: „Wenn umverteilt werden kann, dann sollte das auch getan werden“. Es ist anzunehmen, dass so die Leistungsanreize der übrigen Mitarbeiter gesteigert werden können, da sich eine integre Gestaltung von Freisetzungsmaßnahmen letztlich positiv auf deren Sicherheitsempfinden und damit auf deren Arbeitszufriedenheit und Identifikation mit dem Unternehmen auswirken dürfte. Im folgenden, abschließenden Unterabschnitt 8.3.2.3 werden die bislang dargestellten Analysen weiter konkretisiert und in eine differenzierte Gesamtbetrachtung überführt, die sich von der Begründungs- über die Anwendungs- bis hin zur heterogenen Implementierungsebene erstreckt und in der sowohl nichttragische als auch tragische Freisetzungssituationen (ersten und zweiten Grades) berücksichtigt sind.

1886

1887 1888

Mitarbeiter hatten dagegen eine auf dem Solidaritätsgedanken beruhende (gerechtigkeitstheoretische) Argumentation im Hinterkopf: Sie haben sich an der Aktion beteiligt, in der Erwartung (= psychologischer Arbeitsvertrag), dass sich das Unternehmen im Gegenzug darum bemüht, ihre Stellen zu erhalten. Welche Sichtweise letztlich „richtig“ oder angemessen ist, lässt sich nicht eindeutig festlegen. Insbesondere sagt das utilitaristische „Prinzip der Nutzenmaximierung [...] nichts über die Kriterien der Nutzenverteilung. Es lässt offen, in welchem Maße der einzelne an dem „größten Glück der größten Zahl“ teilhaben soll“ (BIRNBACHER/ HOERSTER 2000, S. 202). Vgl. auch MATHIS (2009), S. 134; HART (1979), S. 829ff. Vgl. SEN (1979b), S. 468; NASHER (2009), S. 74. Diese Position kommt auch in folgender Aussage von ULRICH zum Ausdruck: „Wenn das Unternehmen selbst in einer existenziellen Notlage gewesen wäre, dann hätte man als Ultima Ratio zugestehen können, dass die Standortverlagerung [oder: der Stellenabbau ohne Abfederung] besser ist als der Untergang der Firma. Wenn aber [...] keine Notlage besteht, wenn es also darum geht, ohne große unternehmerische Leistung durch die Standortverlagerung [bzw. den Stellenabbau] die Rendite zu erhöhen, dann ist dies aus ethischer Sicht kritisch. Und es wäre dringend geboten, dass die Verlierer, die den Preis dafür bezahlen, am Nutzen, der daraus gezogen wird, beteiligt werden, also entsprechende Unterstützungsleistungen bekommen“ (ENGLISCH 2008).

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8.3.2.3 Zusammenführung der Ergebnisse und managementethische Analyse Ziel dieses letzten und zusammenfassenden Unterabschnitts ist es, mehrere typische Situationstypen und Szenarien im Kontext von Personalfreisetzungen vor dem Hintergrund des zu Beginn des achten Kapitels vorgestellten metaphysischen Theorierahmens zu analysieren. In den vorigen (Unter-)Abschnitten wurden dazu bereits erste Befunde erarbeitet, die zum einen die auf der Begründungsebene bestehenden ethischen Zielvorstellungen im Hinblick auf einen möglichen Stellenabbau betreffen, zum anderen aber auch ein Grundverständnis über relevante Unterscheidungen und Zusammenhänge vermitteln, welche im Rahmen der nachfolgenden Bewertungen auf der Anwendungs- und Implementierungsebene zentral erscheinen. Dabei wurde in den theoretischen Überlegungen speziell die Unterscheidung zwischen tragischen und nichttragischen Situationen als ein wichtiges Differenzierungskriterium bzw. wichtiger struktureller Faktor herausgestellt, um auf der zweiten und dritten Umsetzungsebene des Moral Point of View realistische Reflexionen über (management-)ethisch angemessene und unangemessene Vorgehensweisen im betrachteten Untersuchungsbereich anstellen zu können. Anknüpfend an die Erläuterungen in den Unterabschnitten 8.3.2.1 und 8.3.2.2 sei dazu nochmals Folgendes bemerkt: Eine aus Arbeitnehmersicht tragische Situation bzw. Entscheidung liegt dann vor, sobald ein Stellenabbau unvermeidbar wird1889. Diese Grenze wurde auf Basis der bisherigen Darlegungen, insbesondere denen zur Bedeutung von Erwerbsarbeit für den Einzelnen in Kapitel 3, so für die vorliegende Arbeit festgelegt, was verdeutlicht, dass bloße Änderungen von Arbeitsverhältnissen, die vor allem dem Arbeitsplatzerhalt dienen sollen, keine tragische Situation darstellen (allenfalls könnte vielleicht von einer tragischen Situation „halben Grades“ gesprochen werden). Solche Änderungen können zwar unangenehm für Arbeitnehmer sein, etwa wenn es zu einer unerwarteten Versetzung kommt oder eine Zeit lang auf Teile des Gehalts verzichtet werden muss, sie sind aber nicht tragisch, da der Arbeitsplatz und damit die eigentliche wirtschaftliche und soziale Existenzgrundlage nicht verloren geht.

1889

Im lokalen Praxisfall tritt hier die (nicht generell beantwortbare) Frage auf, ob Entlassungen noch vermeidbar oder bereits unvermeidbar sind. Es sei daher nochmals betont, dass diese Einteilung nur ein grobes Raster bildet, das als Richtschnur Hinweise dafür liefert, wie arbeitsplatzbezogene (Dilemma-)Situationen voneinander abgegrenzt (kategorisiert, bewertet oder miteinander in Beziehung gesetzt) werden können, das in der Praxis aber nicht schablonenhaft anwendbar ist.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Ferner ist zu bedenken, dass der Gestaltungsspielraum bei Personalfreisetzungen, wie in Unterkapitel 6.3 erläutert, von den Freisetzungsursachen abhängt, weshalb schon auf der Anwendungsebene bzw. im Anwendungsdiskurs zu prüfen ist, ob sich der betrachtete reale Fall auf eine reaktive oder antizipative Freisetzungssituation bezieht. Im ersten Schritt der folgenden Szenarioanalyse werden Fälle betrachtet, bei denen die Freisetzungsursache bereits eingetreten ist, da diese nicht vorhersehbar war oder (als Folge einer mangelhaften Unternehmensplanung, fehlender Planungserfahrung, eines mangelnden Problembewusstseins) nicht vorhergesehen wurde. Generell können sowohl unternehmensinterne1890 als auch -externe Faktoren1891 zur beschriebenen „nicht planbaren“ oder „nicht geplanten“ Situation führen. Da in solchen Fällen kein oder kaum zeitlicher Spielraum für antizipative Maßnahmen existiert, sind reaktive Maßnahmen zu ergreifen, die in der Regel zu sozialen Härten und starken finanziellen Belastungen führen1892. Sie treten häufig (gerade im Insolvenzfalle, aber auch bei Akquisitionen oder massiven Beschäftigungsrückgängen) in großem personellen Umfang auf und haben negative Folgen auf die Stimmungslage im und das öffentliche Bild des Unternehmens. Bevor die einzelnen Szenarien mithilfe des metaphysischen Theorierahmens reflektiert werden, sind einige Bemerkungen voranzustellen, die den Aufbau und die Umsetzung der Analyse betreffen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den betrachteten Szenarien um exemplarische bzw. paradigmatische Kernfälle handelt, anhand derer die Grundprinzipien und Funktionsweisen der ethischen Argumentation illustriert werden sollen, wohlwissend, dass die wirkliche Wirklichkeit unendlich viele Schattierungen aufweist und noch vielfältige andere Problematiken, Anforderungen und dergleichen mit sich bringt, welche hier nicht berücksichtigt werden können. Auch hätten die nachfolgend dargestellten Fälle zum Teil noch weiter differenziert und (etwa in Bezug auf arbeitsrechtliche Beschränkungen) präzisiert werden können, worauf aus Gründen der Übersichtlichkeit und 1890

1891

1892

Als Beispiele sind zu nennen (teilweise nicht überschneidungsfrei): Forderungsausfall oder akuter Liquiditätsengpass; Verlust von (Groß-)Kunden; massiver Nachfrage-/ Beschäftigungsrückgang, ggf. durch unerwartete Aktivitäten oder Innovationen der Konkurrenz; unterschiedliche Fehlentwicklungen (in Bezug auf Produkte, Märkte); Unternehmensaufkauf; Management- und Planungsfehler (eigentlich vorhersehbare Entwicklungen wurden nicht vorhergesehen, z. B. Schrumpfung bestimmter Märkte, technologische Trends). Als Beispiele sind zu nennen (teilweise nicht überschneidungsfrei): allgemeine Wirtschafts-/ Finanzmarktkrise; Zusammenbruch eines Marktes; unvermuteter Konjunkturrückgang; Rohstoffmangel. Vgl. dazu Abschnitt 6.3.3.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

551

Komplexitätsreduktion jedoch verzichtet wurde. Jedenfalls, und das muss ausdrücklich betont werden, besteht in der Realität im lokalen Fall das Erfordernis, die entwickelten Schubladen aufzubrechen und detaillierte Analysen vorzunehmen. Zu beachten ist ebenso, dass die Art und Reihenfolge der Darstellung der einzelnen Szenarien keinem festen Schema oder besonderen Ranking folgt, sondern am Ziel eines möglichst logischen und fundierten Aufbaus der Gesamtargumentation ausgerichtet ist. Die Struktur der Darstellung der einzelnen Szenarien gliedert sich jeweils wie folgt: Im ersten Schritt (1/3) erfolgt eine kurze Erläuterung des jeweils betrachteten Szenarios, bevor im zweiten Schritt (2/3) konkrete Aussagen und Bewertungen über die auf der Anwendungsebene unter den gegebenen Bedingungen anwendbare und ethisch vergleichsweise angemessenste („richtigste“, beste) Lösung angestellt werden. Der dritte Schritt (3/3) widmet sich sodann der Implementierungsebene und damit der Frage, mit welchen möglichen Formen der (Nicht-)Umsetzung der auf der Anwendungsebene erarbeiteten Lösungen in die Unternehmensrealität gerechnet werden muss und wie diese verschiedenen Vorgehensweisen hinsichtlich ihrer managementethischen Angemessenheit zu beurteilen sind. Wie im Verlauf der Analyse zu zeigen sein wird, sind einige der im Kontext der reaktiven Freisetzung erarbeiteten Argumentationen in ihren Grundlinien auf antizipative Freisetzungsszenarien übertragbar, was durch Querverweise kenntlich gemacht wird. Abb. 47 gibt einen Überblick über den Ablauf und die wesentlichen Ergebnisse der folgenden Szenarioanalyse. Zunächst richtet sich die Betrachtung, wie weiter oben angedeutet, auf reaktive Freisetzungssituationen (Bereich A), wobei im ersten Szenario (A1) von einer nichttragischen Konstellation ausgegangen wird.

552

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Situationsbeschreibung Anwendungsebene Grobeinord- A reaktives norm. Ideal nung Szenario Kriterium BE

Ums.

SQ I II III

Ums. NK NW

UT + GT UT (1./ 2. Gr.) UT (1./ 2. Gr.)

FoDA angem. angem. FoMC

A2 UT trag. Situation (1. Gr.) ersten Grades

Ums. partiell

SQ/ I IV V VI

Ums. NK NW

UT (1. Gr.) UT (2. Gr.) UT (2. Gr.)

FoDA angem. angem. FoMC

A3 trag. Situation UT zweiten Gra- (2. Gr.) des

NichtUms.

VII V VI

Ums. NK NW

UT (2. Gr.)

A1 Beginn Prob(noch) keine UT + GT lem/ Krise trag. Situation

andauerndes Problem + Maßnahmen ausgeschöpft; oder: von vornherein gravierende (oft externe) Faktoren/ Einflüsse

Grobeinordnung

Entscheidungen mit dauerhafter Auswirkung auf Personalbedarf

Implementierungsebene tats. norm. (mngt.-)eth. Vorgehen Kriterium Beurteilung

B reaktives norm. Szenario Kriterium B1 keine trag. Situation

UT + GT

B2 UT trag. Situation (1. Gr.) ersten Grades

Ideal BE

tats. Vorgehen

FoDA angem. unwahrsch. unwahrsch.

norm. Kriterium

(mngt.-)eth. Beurteilung

Ums.

SQ VIII IX X

Ums. NK NW

UT + GT UT (1./ 2. Gr.) UT (1./ 2. Gr.)

FoDA angem. angem. FoMC

Ums. partiell

SQ/ VIII XI XII XIII

Ums. NK NW

UT (1. Gr.) UT (2. Gr.) UT (2. Gr.)

FoDA angem. angem. FoMC

SQ XIV Ums. UT + GT UT + GT Ums. XV NK UT (1. /2. Gr.) XVI NW UT (1. /2. Gr.) Abkürzungen: BE = Begründungsebene; UT = Utilitarismus; GT = Gerechtigkeitstheorie; behaltung Status quo; Ums. = Umsetzung; NK = Nicht-Können; NW = Nicht-Wollen zeitlich begrenzte Beschäftigungsschwankung

B3 keine trag. Situation

Abb. 47: Überblick über die Szenarioanalyse1893

1893

Quelle: Eigene Darstellung.

FoDA angem. angem. FoMC SQ = Bei-

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

553

Szenario A1 - (noch) keine tragische Situation (1/3) Situationsbeschreibung des lokalen Falls Erinnert man sich, um den Bezug zu einem realen Sachverhalt herzustellen, an den Beginn der Finanzkrise 2007/ 2008, so wurden von der Industrie, solange noch keine Notwendigkeit für einen Stellenabbau bestand, zunächst primär verschiedene temporäre Anpassungsmaßnahmen eingesetzt, um - in der Hoffnung auf eine baldige Besserung der Lage - rückläufigen Umsatzzahlen, Absatzschwierigkeiten, Auftragseinbrüchen usw. zu begegnen. Zu denken ist an: - Maßnahmen im Rahmen der Arbeitszeitplanung, mit denen das Arbeitsvolumen anders verteilt werden soll, damit Arbeitsplätze erhalten werden können (z. B. Abbau von Überstunden und Arbeitszeitguthaben, Umwandlung in Teilzeitstellen, Kurzarbeit, Urlaubsgestaltung) - kurzfristige Umsetzungen auf vakante Stellen; Nichtbesetzung vakanter Stellen - Abbau der Rand- zugunsten der Stammbelegschaft (z. B. durch Kündigung von Werkverträgen, Abbau von Leiharbeit), wobei hinzuzufügen ist, dass Maßnahmen dieser Art zumindest für jene Personen zu tragischen Situationen führen, die ihre Stelle verlieren1894. Im nächsten Schritt gilt es auf der Anwendungsebene im Zuge der Interessenbewertung abzuwägen bzw. zu bilanzieren, inwiefern das beschriebene Vorgehen unter Beachtung der gegebenen realen, pluralen Interessen (Situationsumstände, Bedingungen usw.) richtig erscheint und verlangt werden kann. Diese Abwägung erfolgt - von der Leitperspektive her - rein unter dem moralischen Gesichtspunkt (Moral Point of View). A1 - (noch) keine tragische Situation (2/3) Anwendungsebene - Frage: Was ist ethisch richtig?  angewendete normative Bewertungskriterien: Utilitarismus + Gerechtigkeitstheorie (grob gleichrangig)  beste ethische Lösung (Abwägungsergebnis): am auf der Begründungsebene formulierten ethischen Ideal wird festgehalten (→ Maßnahmen zur Vermeidung von Entlassungen)

1894

Zu denken ist hier etwa an Leiharbeitnehmer, die nach einer Leiharbeitsphase arbeitslos werden und womöglich dauerhaft in einen Kreislauf zwischen Erwerbsarbeit und Arbeitslosigkeit geraten.

554

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Das Unternehmen kann in der lokalen Anwendungssituation unter Beachtung der gegebenen Umstände der auf der Begründungsebene vor dem Hintergrund des ethischen Ideals der Unparteilichkeit festgelegten Zielvorstellung, Arbeitsplätze zu erhalten, gerecht werden (das gilt im vorliegenden vereinfachten Beispiel zumindest für die Stammbelegschaft). Gleichwohl ist der Anwendungsfall in hohem Maße komplex und vieldeutig („messy“), weshalb im Zuge der Interessenbewertung und -abwägung eine Mischung mehrerer normativer Kriterien zum Einsatz kommt: Zum einen spiegelt sich in den in der Situationsbeschreibung skizzierten Maßnahmen die Haltung risikoaverser Entscheider wider, wonach möglichst niemand aus dem „Boot“ fallen soll. Solange Stellen gerettet werden können, solange der Würde jedes Einzelnen Rechnung getragen werden kann und solange es Lösungen gibt, die für alle im Großen und Ganzen akzeptabel erscheinen, werden diese Lösungen im Sinne der RAWLSschen Gerechtigkeitstheorie umgesetzt, selbst wenn der Durchschnittsnutzen dadurch geringer ausfällt. Zum anderen wird das normative Kriterium des Utilitarismus in die Bewertung einbezogen, da verschiedene Arten von Nutzen und vielfältige, teils eng miteinander verzahnte (ökonomische, ethische und weitere) Interessen gegeneinander abgewogen, aber auch diverse Formen von (größeren und kleineren) Nutzeneinbußen in Kauf genommen werden müssen. Massive Verlierer, die für den Allgemeinnutzen vollständig geopfert werden, gibt es jedoch nicht. Welches normative Kriterium in den Abwägungsentscheidungen letztlich dominiert, hängt von den Gegebenheiten des konkreten Anwendungsfalls ab und lässt sich nicht generell beantworten. Sowohl die Gerechtigkeitstheorie (bzw. das dieser zugrunde liegende Maximin-Kriterium) als auch der Utilitarismus gestatten es - etwa im Gegensatz zur KANTischen Ethik, welche möglicherweise bei kategorischen Maximalforderungen stehen bleibt - allerdings prinzipiell von vornherein, diverse Abwägungen und Gewichtungen bei der Umsetzung des Moral Point of View der Unparteilichkeit vorzunehmen (wenngleich beide Kriterien separat betrachtet durchaus zu abweichenden Abwägungsergebnissen gelangen können). Inwieweit diese unter den gegebenen Bedingungen vergleichsweise ethisch richtige Lösung (überhaupt oder von Anfang an) vom Unternehmen als bindend bzw. richtungsweisend erachtet und in die Wirklichkeit umgesetzt wird (was also realiter geschieht und welche konkreten Maßnahmen - mit oder ohne Widerstände durch die betroffenen Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Gesellschaft oder Politik ergriffen werden), ist eine Frage, die auf der Implementierungsebene zu klären ist.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

555

A1 - (noch) keine tragische Situation (3/3) Implementierungsebene - Frage: Wie geht das Management tatsächlich vor?  Umsetzung (I)  Nicht-Umsetzung - siehe weiter unten o Könnens-Defizit (II) o Wollens-Defizit (III) Umsetzung (I): Einerseits ist vorstellbar, dass es - zumindest in den Grundzügen1895 - zur faktischen Umsetzung der realen Moraloption bzw. vergleichsweise ethisch „richtigsten“ Lösung des Anwendungsdiskurses kommt und das Unternehmen die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um Entlassungen zu vermeiden, soweit es geht ausschöpft. Hierin liegt der aus ethischer Sicht wünschenswerte, anzustrebende Fall, in dem es gelingt, die arbeitsplatzbezogene Wirklichkeit der Beschäftigten entsprechend dem Abwägungsergebnis des Anwendungsdiskurses zu verändern. Diese sowohl gerechtigkeitstheoretische als auch utilitaristisch determinierte Entscheidung ist damit zugleich die für den vorliegenden Fall managementethisch angemessene Entscheidung. Sie fällt in den balancierten Abwägungsbereich ABal1896. Der Unterschied zwischen Anwendungs- und Implementierungsebene tritt insbesondere dann zutage, wenn auf der Anwendungsebene nach allen Abwägungen festgestellt wird, dass ein Arbeitsplatzerhalt eigentlich möglich und ethisch gefordert wäre, ein Unternehmen aber trotzdem Stellen mit oder ohne sozialverträgliche Abfederung abbaut. Hier wiederum sind zwei Fälle zu unterscheiden: Nicht-Umsetzung Könnens-Defizit (II)/ Wollens-Defizit (III): Beide Formen der Nicht-Umsetzung werden unten behandelt, sobald weitere theoretische Überlegungen vorangestellt wurden.

1895

1896

Beispielsweise ist denkbar, dass eine ethisch interessierte Führungskraft die auf der Anwendungsebene identifizierte Lösung eigentlich gerne eins zu eins für alle Betroffenen durchsetzen würde, wegen diverser Widerstände (etwa vonseiten anderer Führungskräfte, der Controllingabteilung) aber - trotz ausgiebiger Überzeugungsarbeit - nur eine in gewissem Maße eingeschränkte Umsetzung realisieren kann. Zur näheren Einordnung vgl. Abb. 41 in Unterabschnitt 8.1.3.2.

556

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Die oben genannten Maßnahmen haben in vielen Unternehmen Wirkung gezeigt und zum Arbeitsplatzerhalt beigetragen. Erst als mit zunehmender Krisendauer die ökonomischen Zwänge größer wurden und die Maßnahmen nicht mehr ausreichend oder ausgeschöpft waren, wurde ein härterer Kurs eingeschlagen und dazu übergegangen, Mitarbeiter zu entlassen (vgl. Abb. 47: „andauerndes Problem“). Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen gewisse negative Entwicklungen im oder außerhalb des Unternehmens so schnell und/ oder so massiv eintreten, dass betriebsbedingte Kündigungen von vornherein unvermeidbar erscheinen 1897. Solche tragischen reaktiven Szenarien rücken nun in den Mittelpunkt der Betrachtung. Entlassungen stellen eine tragische Situation für die Betroffenen dar, wobei, wie ebenfalls an früherer Stelle ausgeführt, für diese Untersuchung bei tragischen Situationen noch eine weitere Differenzierung vorgenommen wird: So ist bei Entlassungen danach zu unterscheiden, ob diese mit oder ohne sozialverträgliche Abfederung durch den Arbeitgeber erfolgen, wobei im Folgenden im ersten Fall von einer tragischen Situation ersten Grades, im zweiten Fall von einer tragischen Situation zweiten Grades gesprochen wird. Zu denken ist bei einer sozialverträglichen Abfederung etwa an Abfindungszahlungen, ebenso aber an das Angebot qualifizierender Maßnahmen im weiteren Sinne (wie Outplacementberatungen und Beschäftigungsgesellschaften). Letztere stellen ein kurzfristiges subsidiäres Pendant - womit der zeitliche „Befähigungs“-Begriff der Subsidiarität anklingt - zur langfristig-strukturellen Arbeitsmarktbefähigung dar und sollen der schnellen Wiedereingliederung der Betroffenen ins Erwerbsleben dienen 1898. Beide Grunderscheinungsformen von Entlassungen - mit und ohne sozialverträgliche Abfederung - werden nun genauer betrachtet und in das bestehende metaphysische Theoriegerüst eingebettet. Untersucht wird zunächst der härteste, ungünstigste Fall (Worst Case):

1897

1898

Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Markt wegen der gesamtwirtschaftlichen Lage zusammenbricht (oder ein kleinerer mittelständischer Automobilzulieferer seinen wichtigsten Großkunden verliert). Den Extremfall bildet dabei eine Insolvenz, bei der alle oder der Großteil der Mitarbeiter in die Freisetzungsplanung eingehen (für letzteren Fall wäre z. B. folgendes Szenario denkbar: ein Unternehmen meldet Insolvenz an; dem Insolvenzverwalter gelingt es eventuell auch, das Unternehmen oder einzelne Standorte davon auf eine Nachfolgegesellschaft zu übertragen, diese übernimmt aber nicht alle Mitarbeiter). Vgl. dazu Unterkapitel 4.3 und 8.2 sowie Abschnitt 6.3.3.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

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Szenario A3 - tragische Situation zweiten Grades (1/3) Situationsbeschreibung des lokalen Falls Es müssen Arbeitsplätze abgebaut werden, obendrein hat der Arbeitgeber keinerlei finanziellen (Umverteilungs-)Spielraum, um die Entlassungen sozialverträglich abzufedern, weshalb von einer rein-tragischen bzw. tragischen Situation zweiten Grades gesprochen wird. Im nächsten Schritt gilt es auf der Anwendungsebene im Zuge der Interessenbewertung abzuwägen bzw. zu bilanzieren, inwiefern das beschriebene Vorgehen unter Beachtung der gegebenen realen, pluralen Interessen (Situationsumstände, Bedingungen usw.) richtig erscheint und verlangt werden kann. Diese Abwägung erfolgt - von der Leitperspektive her - rein unter dem moralischen Gesichtspunkt (Moral Point of View). A3 - tragische Situation zweiten Grades (2/3) Anwendungsebene - Frage: Was ist ethisch richtig?  angewendetes normatives Bewertungskriterium: Utilitarismus („pur“)  beste ethische Lösung (Abwägungsergebnis): am auf der Begründungsebene formulierten ethischen Ideal wird nicht festgehalten (→ Entlassung ohne Abfederung) Das Unternehmen kann in der Anwendungssituation unter Beachtung der gegebenen Umstände der auf der Begründungsebene vor dem Hintergrund des ethischen Ideals der Unparteilichkeit festgelegten Zielvorstellung, Arbeitsplätze zu erhalten oder sozialverträglich abzubauen, nicht gerecht werden. Es ist gezwungen, rein utilitaristisch (utilitaristisch zweiten Grades, verschärft utilitaristisch)1899 abzuwägen, da ein betriebswirtschaftliches Dilemma vorliegt, in dem Moral chancenlos bleibt und Umverteilungen im Sinne einer gerechtigkeitstheoretischen Abwägung ausgeschlossen sind. Die Einbeziehung anderer normativer Kriterien als dem utilitaristischen wäre unangemessen.

1899

Damit soll zum Ausdruck kommen, dass neben dem normativen Kriterium des Utilitarismus kein weiteres normatives Kriterium zur Identifizierung der ethisch „richtigsten“ Lösung für den lokalen Anwendungsfall angemessen erscheint. Vgl. dazu auch das Beispielszenario in Unterabschnitt 8.3.2.1.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Dem Unternehmen kann dennoch kein Fehl- oder unmoralisches Verhalten vorgeworfen werden, jedenfalls dann nicht, wenn die Interessenbewertung und -abwägung nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt ist und keine sicht- oder erfassbar bessere Lösung existiert. Die auf der Anwendungsebene ethisch richtige Entscheidung, welche mit dem Zurückstellen von Arbeitnehmerinteressen einhergeht1900, erzeugt zwar starke Verlierer (die für das Allgemeinwohl im weiteren Sinne geopfert werden), was nicht wünschenswert ist, was in der Gesamtschau aber auch nicht unmoralisch ist, da Unternehmen in der polydimensionalen Wirklichkeit (ethisch) nicht darum herumkommen, sich die Hände schmutzig zu machen. Inwieweit diese unter den gegebenen Bedingungen vergleichsweise ethisch richtige Lösung (überhaupt oder von Anfang an) vom Unternehmen als bindend bzw. richtungsweisend erachtet und in die Wirklichkeit umgesetzt wird (was also realiter geschieht und welche konkreten Maßnahmen - mit oder ohne Widerstände durch die betroffenen Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Gesellschaft oder Politik ergriffen werden), ist eine Frage, die auf der Implementierungsebene zu klären ist. A3 - tragische Situation zweiten Grades (3/3) Implementierungsebene - Frage: Wie geht das Management tatsächlich vor?  Umsetzung (VII)  Nicht-Umsetzung - empirisch unwahrscheinlich Umsetzung (VII): Sollte auf der Anwendungsebene ethisch festgestellt werden, dass vom Unternehmen weder ein Arbeitsplatzerhalt noch ein sozialverträglicher Stellenabbau verlangt werden kann (anders gesagt: dass in Stellenstreichungen ohne sozialverträgliche Abfederung die ethisch richtige und einzig umsetzbare Lösung gesehen wird), so würde der Unterschied zur rein betriebswirtschaftlichen Perspektive der Implementierungsebene schwinden und realiter keine andere Option bleiben, als Stellen ohne Abfederung abzubauen. In dieser Situation bleibt nur die Option „Umsetzung“ (es sei denn, sie würde sich unerwarteterweise partiell

1900

Wie schon im Falle der arbeitsmarktbefähigenden Personalentwicklung (vgl. Unterabschnitt 8.2.2.3) ist dieses Zurückstellen auf der Anwendungsebene begründungspflichtig. Es muss also argumentativ unterfüttert werden, weshalb die Interessen anderer Stakeholder (etwa der Shareholder) ethisch bzw. unter dem Moral Point of View „richtiger“ (bzw. weniger falsch) und stärker berechtigt sind als das (ebenfalls berechtigte) Interesse der Arbeitnehmer an einem Arbeitsplatzerhalt oder sozialverträglichen Stellenabbau.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

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ins Positive wenden, also ihren tragischen Status zweiten Grades verlieren) 1901. Diese utilitaristische Entscheidung zweiten Grades ist damit die für den vorliegenden Fall managementethisch angemessene Entscheidung (was zeigt, dass moralische Prinzipien und Abwägungen nicht nur auf plumpen Maximalforderungen im Sinne des Gutmenschentums beruhen). Sie fällt in den unbalancierten Abwägungsbereich AF1 (und darin in den stark unbalancierten linken Teilabschnitt). Die Nichtimplementierung des ethischen Ideals der Begründungsebene seitens des Unternehmens ist nicht als „Fallacy of Misplaced Concreteness“ („FoMC“) - als Form der Ignoranz moralischer Tatsachen oder Realitäten - zu werten. Dagegen wäre es bei entsprechender Auslegung als „Fallacy of Disregarded Abstractness“ („FoDA“) - als Form der Ignoranz ökonomischer Tatsachen oder Realitäten - anzusehen, vom Unternehmen die Umsetzung gewisser ethischer Ideale der Begründungsebene zu verlangen, zu denen es gemäß Anwendungsdiskurs nicht verpflichtet ist1902. Dennoch ist zu beachten, dass die ethische Zielvorstellung als moralkulturelle Vorstellung archiviert ist und inhaltlich fortbesteht. Es wird die These wiederholt, dass Entlassungen in der Praxis nicht nur ohne, sondern häufiger auch mit sozialverträglicher Abfederung erfolgen. Dieser Fall wird nun aufgegriffen. Szenario A2 - tragische Situation ersten Grades (1/3) Situationsbeschreibung des lokalen Falls Es liegt weiterhin eine tragische Situation vor, da Arbeitnehmer das Unternehmen verlassen müssen und womöglich arbeitslos werden. Da sich das Unternehmen in keiner absoluten Notlage befindet und finanziell in der Lage ist, die Entlassungen sozialverträglich abzufedern, handelt es sich jedoch um keine tragische Situation zweiten, sondern ersten Grades.

1901

1902

Die dabei eintretende Situationsänderung wirkt insofern auf die Anwendungsebene zurück, als sie es erfordern würde, den Anwendungsdiskurs unter den veränderten Bedingungen erneut aufzurollen (wobei letztlich wieder - analog zu Szenario A2 oder A1 - eine tragische Situation ersten Grades oder nichttragische Situation vorliegen würde, in der neben dem normativen Kriterium des Utilitarismus noch andere normative Kriterien relevant bzw. angemessen wären). Vgl. dazu bereits Abschnitt 3.3.1 und die dortigen Ausführungen zur Forderung nach einer „strikten Versprechenseinhaltung“ und zu den „Kosten der Versprechenserfüllung“.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Im nächsten Schritt gilt es auf der Anwendungsebene im Zuge der Interessenbewertung abzuwägen bzw. zu bilanzieren, inwiefern das beschriebene Vorgehen unter Beachtung der gegebenen realen, pluralen Interessen (Situationsumstände, Bedingungen usw.) richtig erscheint und verlangt werden kann. Diese Abwägung erfolgt - von der Leitperspektive her - rein unter dem moralischen Gesichtspunkt (Moral Point of View). A2 - tragische Situation ersten Grades (2/3) Anwendungsebene - Frage: Was ist ethisch richtig?  angewendete normative Bewertungskriterien: Utilitarismus (primär) + Gerechtigkeitstheorie + Befähigungsansatz  beste ethische Lösung (Abwägungsergebnis): am auf der Begründungsebene formulierten ethischen Ideal wird nur partiell festgehalten (→ Entlassung mit Abfederung) Das Unternehmen kann in der lokalen Anwendungssituation unter Beachtung der gegebenen Umstände der auf der Begründungsebene vor dem Hintergrund des ethischen Ideals der Unparteilichkeit festgelegten Zielvorstellung, Arbeitsplätze zu erhalten, nicht gerecht werden. Es ist gezwungen, primär utilitaristisch (genauer: utilitaristisch ersten Grades oder schwächer utilitaristisch)1903 abzuwägen, womit das Hauptübel in Form von Stellenstreichungen bestehen bleibt. Da die Möglichkeit gesehen wird, etwas für die Verlierer zu tun, wofür sich diese im Urzustand auch aussprechen würden1904, bezieht es mindestens ein weiteres normatives Kriterium in seine Bewertung ein, nämlich das der Gerechtigkeitstheorie: Die Verlierer, die den Preis für den Erhalt des Unternehmens als Ganzes (eine angestrebte Renditesteigerung o. Ä.) zahlen müssen, sollen am Nutzen der Gewinner (der übrigen Beschäftigten, Shareholder usw.) beteiligt werden - anders gesagt: Das Unglück der Schwachen wiegt stärker als das verminderte Glück der Starken, weshalb eine komplette Verrechnung der Schwachen abgelehnt wird. Die Verlierer fallen zwar aus dem „Boot“, im Vergleich zu Szenario A3 fallen sie jedoch 1903

1904

Damit soll zum Ausdruck kommen, dass neben dem normativen Kriterium des Utilitarismus noch weitere normative Kriterien zur Identifizierung der ethisch richtigen Lösung für den lokalen Anwendungsfall angemessen erscheinen. Unter Einbeziehung des normativen Kriteriums der Gerechtigkeitstheorie sowie ggf. des Befähigungsansatzes kann von einer utilitaristischen Entscheidung ersten Grades gesprochen werden. Im Urzustand würde man gegen Lösungen votieren, bei denen Gesellschaftsmitglieder aus dem „Boot“ fallen. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.3.2.2.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

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„weicher“. Als weiteres normatives Kriterium, wenn es um die für die Beteiligung der Verlierer zweckmäßige Leitvorstellung geht, kommt zudem SENs Befähigungsansatz bzw. das hinter diesem stehende Kriterium der Befähigung zu einem guten Leben in Betracht (etwa indem statt oder neben finanziellen Abfindungen verstärkt Qualifizierungen finanziert werden, um die Betroffenen zur raschen Wiederaufnahme einer Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt und einer höheren Eigenverantwortlichkeit zu befähigen). Dem Unternehmen kann dennoch kein Fehl- oder unmoralisches Verhalten vorgeworfen werden, jedenfalls dann nicht, wenn die Interessenbewertung und -abwägung nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt ist und keine (sicht- oder erfassbar) bessere Lösung existiert. Die auf der Anwendungsebene ethisch richtige Entscheidung, welche mit dem Zurückstellen von Arbeitnehmerinteressen einhergeht, erzeugt zwar Verlierer (die für das Allgemeinwohl im weiteren Sinne geopfert werden), was nicht wünschenswert ist, was in der Gesamtschau aber auch nicht unmoralisch ist, da Unternehmen in der polydimensionalen Wirklichkeit (ethisch) nicht darum herumkommen, sich die Hände schmutzig zu machen. Dabei ist zu bedenken, dass auf der Anwendungsebene grundsätzlich alle relevanten - d. h. tatsächlich für die lokale Anwendungssituation infrage kommenden, nicht theoretischen - Alternativen gegenüberstehen. Und hier ist eine soziale Abfederung, möge sie auch gering sein, immer noch besser, als keine Abfederung. Inwieweit diese unter den gegebenen Bedingungen vergleichsweise ethisch richtige Lösung (überhaupt oder von Anfang an) vom Unternehmen als bindend bzw. richtungsweisend erachtet und in die Wirklichkeit umgesetzt wird (was also realiter geschieht und welche konkreten Maßnahmen - mit oder ohne Widerstände durch die betroffenen Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Gesellschaft oder Politik ergriffen werden), ist eine Frage, die auf der Implementierungsebene zu klären ist. A2 - tragische Situation ersten Grades (3/3) Implementierungsebene - Frage: Wie geht das Management tatsächlich vor?  Umsetzung (IV)  Nicht-Umsetzung o Könnens-Defizit (V) o Wollens-Defizit (VI)

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Umsetzung (IV): Einerseits ist vorstellbar, dass es zur faktischen Umsetzung der realen Moraloption bzw. vergleichsweise ethisch „richtigsten“ Lösung des Anwendungsdiskurses kommt und das Unternehmen Arbeitsplätze sozialverträglich abbaut, wie auch immer dies konkret geschieht. Hierin liegt der aus ethischer Sicht wünschenswerte, anzustrebende Fall, in dem es gelingt, die arbeitsplatzbezogene Wirklichkeit der Beschäftigten entsprechend dem Abwägungsergebnis des Anwendungsdiskurses zu verändern. Diese utilitaristische Entscheidung ersten Grades ist damit zugleich die für den vorliegenden Fall managementethisch angemessene Entscheidung. Sie fällt in den unbalancierten Abwägungsbereich A F1 (und darin in den rechten balancierteren Teilabschnitt). Der Unterschied zwischen Anwendungs- und Implementierungsebene tritt insbesondere dann zutage, wenn auf der Anwendungsebene nach allen Abwägungen festgestellt wird, dass ein Arbeitsplatzerhalt eigentlich möglich und ethisch gefordert wäre, ein Unternehmen aber trotzdem Stellen mit oder ohne sozialverträgliche Abfederung abbaut. Hier wiederum sind zwei Fälle zu unterscheiden: Nicht-Umsetzung Könnens-Defizit (V): Das Unternehmen kann die ethisch richtige Lösung der Anwendungsebene, die es eigentlich gerne eins zu eins implementieren würde und die ohnehin bereits eine schmutzige Seite (nämlich Stellenstreichungen) aufweist, wegen des Eintretens widriger, nicht beeinflussbarer äußerer Faktoren, welche den Möglichkeitsspielraum einschränken, nicht umsetzen und muss doch (analog zu Szenario A3) Stellen ohne sozialverträgliche Abfederung abbauen1905. Diese utilitaristische Entscheidung zweiten Grades ist damit zugleich die für den vorliegenden Fall managementethisch angemessene Entscheidung. Sie fällt in den unbalancierten Abwägungsbereich AF1 (und darin in den stark unbalancierten linken Teilabschnitt). Gleichwohl bestünde in einem solchen Fall die managementethische Herausforderung darin, Lösungen zu entwickeln, um die faktische Unmoral auf der Implementierungsebene, so gut es geht, doch noch zu begrenzen und einen moralischeren Zustand herbeizuführen. Es bleibt also das Ziel, nach konkreten

1905

Die dabei eintretende Situationsänderung wirkt insofern auf die Anwendungsebene zurück, als sie es erfordern würde, den Anwendungsdiskurs unter den veränderten Bedingungen erneut aufzurollen (wobei letztlich wieder eine tragische Situation zweiten Grades vorliegen würde, in der lediglich das normative Kriterium des Utilitarismus relevant bzw. angemessen wäre).

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

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Möglichkeiten des Könnens zu suchen, wenngleich zu sehen ist, dass der Handlungs- und Überlegungsspielraum der Unternehmen hierbei stark begrenzt ist. Wollens-Defizit (VI): Die ethisch richtige Lösung der Anwendungsebene wird vom Unternehmen nicht implementiert, obwohl es dazu (finanziell, Know-howmäßig, zeitlich) in der Lage wäre. Das Unternehmen baut Stellen ohne sozialverträgliche Abfederung ab, trotz der Tatsache, dass „nur“ eine tragische Situation ersten Grades vorliegt (de facto stellt sich die Situation aus Sicht der Betroffenen als echtes Dilemma bzw. tragische Situation zweiten Grades dar). Es entscheidet rein nach dem normativen Kriterium des Utilitarismus (utilitaristisch zweiten Grades)1906 und blendet andere normative Kriterien, die im Anwendungsdiskurs als relevant identifiziert wurden, aus. Diese Diskrepanz (Vereinseitigung, Vereinfachung) impliziert ein managementethisches Problem, womit gesagt ist, dass die utilitaristische Entscheidung zweiten Grades die für den vorliegenden Fall managementethisch unangemessene Entscheidung ist. Sie ist (auch aus Sicht des „impartial spectator“) als „FoMC“ zu werten und fällt in den außerhalb des Abwägungsbereichs liegenden Bereich F1. Präzisierend ist hier zu ergänzen: Der Fall des Wollens-Defizits zeigt sehr deutlich, dass die scheinbar beliebige Heranziehung verschiedener normativer Ethiktheorien auf der Anwendungsebene gerade nicht beliebig ist (eben dieser Gedanke steht im Zentrum der hier vertretenen Auffassung eines moralischen Realismus)1907. Die Verantwortlichen machen es sich mit ihrer rein am „größten Glück der größten Zahl“ (größten Durchschnittsnutzen) orientierten Entscheidung zu einfach und bleiben hinter ihren (menschlichen) Möglichkeiten zurück, da sie - aus einem Fehlschluss, Böswilligkeit (Vorsatz) oder Gleichgültigkeit gegenüber der Moral heraus - die objektiv-real existente Interessenlage (und damit alle Unsicherheiten, Ängste, Bedürfnisse) der Opfer ihrer Entscheidung ignorieren oder ablehnen. Anders formuliert: Sie haben ein unvollständiges (verkürztes, vereinfachtes) Bild der Wirklichkeit, da sie einen Teil der

1906

1907

Hier ist (in Anlehnung an Unterabschnitt 8.3.2.2) nochmals darauf hinzuweisen, dass ein Utilitarist auch eine nichttragische Situation (rein) utilitaristisch entscheiden würde, da er ein moralisches Interesse daran hat, das „größte Glück der größten Zahl“ bzw. den höchsten Durchschnittsnutzen zu erreichen. Eine am Differenzprinzip ausgerichtete Entscheidung würde er dagegen als abwegig ansehen (da hierbei möglicherweise für den marginalen Nutzen eines einzelnen Akteurs enorme gesamtgesellschaftliche Nutzeneinbußen in Kauf zu nehmen wären). Utilitaristen würden folglich nie behaupten, es sei verboten, Stellen zu streichen. Da keine Handlung kategorisch ausgeschlossen wird, dürfen Stellen immer (auch ohne sozialverträgliche Abfederung) abgebaut werden, wenn der Durchschnittsnutzen dadurch gesteigert werden kann. Vgl. dazu Abschnitt 8.1.2.

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Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

objektiven Realität des Universums nicht „wahr“-nehmen und in Betracht ziehen1908. Stattdessen verharren sie auf der Begründungsebene des ökonomischen Begründungsdiskurses (mit dem ökonomischen Ideal der Gewinn- und Nutzenmaximierung) und zeigen sich ignorant gegenüber anderen Dimensionen, die in der konkreten Wirklichkeit, über die im Anwendungsdiskurs debattiert wurde, eine Rolle spielen. Eine analoge Argumentation resultiert auf der Implementierungsebene für das eingangs dargestellte Szenario der reaktiven nichttragischen Situation. Szenario A1 - (noch) keine tragische Situation (3/3) Implementierungsebene - Frage: Wie geht das Management tatsächlich vor?  Umsetzung (I) - siehe weiter oben  Nicht-Umsetzung o Könnens-Defizit (II) o Wollens-Defizit (III) Nicht-Umsetzung Könnens-Defizit (II): Das Unternehmen kann die ethisch richtige Lösung der Anwendungsebene, die es eigentlich gerne eins zu eins implementieren würde und die ohnehin bereits eine schmutzige Seite (nämlich gewisse Nutzeneinbußen) aufweist, wegen des Eintretens widriger, nicht beeinflussbarer äußerer Faktoren, die den Möglichkeitsspielraum einschränken, nicht umsetzen und muss doch (analog zu den Szenarien A2 oder gar A3) Stellen mit oder ohne sozialverträgliche Abfederung abbauen. Diese utilitaristische Entscheidung ersten oder zweiten Grades ist damit zugleich die für den vorliegenden Fall managementethisch angemessene Entscheidung. Sie fällt in den unbalancierten Abwägungsbereich AF1 (und darin in den balancierteren rechten oder stark unbalancierten linken Teilabschnitt). Gleichwohl bestünde in einem solchen Fall die managementethische Herausforderung darin, Lösungen zu entwickeln, um die faktische Unmoral auf der Implementierungsebene, so gut es geht, doch noch zu begrenzen und einen moralischeren Zustand herbeizuführen. Es bleibt also das Ziel, nach konkreten Möglichkeiten

1908

Das wäre nur dann nicht der Fall, wenn die vom Stellenverlust Betroffenen gar nicht über diese Interessen verfügen würden, etwa weil sie das Unternehmen ohnehin verlassen hätten. Dann würde der Situation eine andere Wahrheit zugrunde liegen.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

565

des Könnens zu suchen, wenngleich zu sehen ist, dass der Handlungs- und Überlegungsspielraum der Unternehmen hierbei stark begrenzt ist. Wollens-Defizit (III): Die ethisch richtige Lösung der Anwendungsebene wird vom Unternehmen nicht implementiert, obwohl es dazu (finanziell, Know-howmäßig, zeitlich) in der Lage wäre. Das Unternehmen baut Stellen mit oder ohne sozialverträgliche Abfederung ab, trotz der Tatsache, dass keine tragische Situation vorliegt (de facto stellt sich die Situation aus Sicht der Betroffenen als schwaches oder echtes Dilemma bzw. tragische Situation ersten oder zweiten Grades dar). Es entscheidet also primär oder rein nach dem normativen Kriterium des Utilitarismus (utilitaristisch ersten oder zweiten Grades) und blendet andere normative Kriterien, die im Anwendungsdiskurs als relevant identifiziert wurden, aus. Diese Diskrepanz (Vereinseitigung, Vereinfachung) impliziert ein managementethisches Problem, womit gesagt ist, dass die utilitaristische Entscheidung ersten oder zweiten Grades die für den vorliegenden Fall managementethisch unangemessene Entscheidung ist. Sie ist (auch aus Sicht des „impartial spectator“) als „FoMC“ zu werten und fällt in den außerhalb des Abwägungsbereichs liegenden Bereich F1. Im Weiteren wendet sich die Untersuchung solchen Situationen zu, in denen ein Unternehmen gewisse Freisetzungsursachen antizipiert, auf die es sich mittel- bis langfristig einstellen kann (Bereich B). In solchen Fällen ist eine Ergreifung antizipativer Freisetzungsmaßnahmen möglich, die nicht nur sozialkompatibler, sondern auch kostenmäßig vorzuziehen sind1909. Sieht sich ein Unternehmen etwa gezwungen, arbeitsintensive Prozesse an ausländische Werke mit geringeren Arbeitskosten zu verlagern oder vergleichbare Restrukturierungen umzusetzen, wodurch ein Teil der Belegschaft abgebaut werden muss, so wird es zunächst versuchen, dem Problem - soweit es die Personalbestandsstruktur und der zeitliche Rahmen erlauben - durch die Nutzung der natürlichen Fluktuation mit Einstellungsstopp, durch Altersteilzeit und vorgezogene Pensionierungen, durch die Nichtverlängerung diverser Formen befristeter Beschäftigungsverträge, Umsetzungen oder ähnliche Maßnahmen zu begegnen. Erst wenn derartige Maßnahmen ausgeschöpft sind, wird es härtere Maßnahmen ergreifen, bei denen Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssen. Diese Punkte werden im Folgenden konkretisiert, wobei in Bereich B vor allem die Szenarien 1 und 2, welche auf plan- bzw. 1909

Vgl. dazu Abschnitt 6.3.2.

566

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

vorhersehbare Entwicklungen mit dauerhafter Auswirkung auf den Personalbedarf abstellen, ethisch relevant erscheinen1910. Szenario B1 - keine tragische Situation (1/3) Situationsbeschreibung des lokalen Falls Zur Vermeidung von Personalüberhängen sind Unternehmen gefordert, die Belegschaft möglichst fachlich und zeitlich flexibel einzusetzen und sich durch geeignete Veränderungsstrategien den sich wandelnden Kunden- und Marktanforderungen anzupassen (zu denken ist etwa an Strategien zum Aufbau neuer sowie zum Erhalt oder Ausbau bestehender Wettbewerbsstrategien, an die Erschließung neuer Produktfelder oder eine flexiblere Gestaltung des Produktionsprogramms)1911. In diesem Zusammenhang hat eine mittel- bis langfristige Antizipation möglicher Personalrückgänge zu erfolgen. Primäres Ziel ist es dabei, Personal weich freizusetzen und Entlassungen zu vermeiden. Zu denken ist an: 1910

1911

Als Beispiele sind zu nennen (teilweise nicht überschneidungsfrei): Schrumpfung gewisser Märkte und Branchen (z. B. durchlaufen ältere Industrien wie die Papier- und Druckindustrie - ähnlich: Textil-/ Stahl-/ Kohle-/ Schiffsbau-/ Musikindustrie - einen Wandel und verlieren infolge des Aufkommens neuer Medien bzw. Medienangebote an Bedeutung); Strategiewechsel infolge eines massiver werdenden Wettbewerbsdrucks; Stilllegung und Verlagerung einzelner Betriebsbereiche/ Werke/ Standorte; geplante Rationalisierungsmaßnahmen/ Änderungen der Aufbau- und Ablauforganisation/ Abbau von Funktionen, Organisationsstrukturen, Hierarchieebenen (z. B. im mittleren Management); Sparmaßnahmen nach Gewinneinbruch; Verkauf unrentabler Sparten; Fusionen und Unternehmensaufkäufe (führen durch Synergien teilweise auch zu einem Freisetzungsbedarf auf höheren Ebenen); Restrukturierung/ Strategiewechsel/ strategische Neuorientierung/ Veränderungen im Leistungsprogramm (z. B. Verringerung der Anzahl an Produktlinien, Reduzierung der Fertigungstiefe durch Outsourcing); Techniksprünge (z. B. Entwicklungen hin zu neuen Medien (s. o.), steigende Automatisierung im Produktions- sowie zunehmend im Dienstleistungssektor); Verknappung nicht substituierbarer Ressourcen. Diese Forderung kann bzw. wird in vielen Unternehmen aus diversen Gründen, die nicht im Detail interessieren, nicht oder nur unzureichend durchgesetzt (werden). Um zwei Beispiele anzuführen: Unternehmen, die der Medien- und Druckbranche angehören (wie Druckereien, Papier- und Druckmaschinenhersteller, Verlage), können vorausschauend versuchen, sich bzw. die Mitarbeiter auf die rückläufige Marktentwicklung im Printgeschäft und die veränderten Bedingungen einer digitalisierten Welt einzustellen. Dennoch, und das zeigt die Entwicklung der letzten Jahre, kamen und kommen viele (auch finanzstarke, renommierte) Unternehmen dieser Branche (z. B. Heidelberger Druck, der Gruner und Jahr-Verlag) trotz oder auch wegen dieser Umstellung nicht darum herum, Personal freizusetzen. Genauso können Unternehmen, die unter verstärkten (internationalen) Wettbewerbsdruck geraten, dazu übergehen, einen Teil der Stellen in gesonderte Servicegesellschaften mit schlechteren Konditionen zu überführen, so wie es bei früheren öffentlichen (Monopol-)Anbietern im Kommunikations- (Deutsche Post/ DHL) und Verkehrsbereich (DB, Lufthansa) teilweise geschehen ist. Wenngleich derartige „Auslagerungen“ zu Widerständen führen, so können sie, insofern sich Kompromisse finden lassen, doch zum Wohle der Arbeitnehmer sein,

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

567

- indirekte Freisetzungen (um Kosten zu sparen, muss Belegschaft reduziert werden, bestehende Arbeitsverhältnisse bleiben unberührt): Nutzung natürlicher Fluktuation mit verzögerter Wiederbesetzung (temporäre Freisetzung) oder Einstellungsstopp (Freisetzung im eigentlichen Sinne); Nichtverlängerung diverser Formen befristeter Beschäftigungsverträge1912 - direkte Freisetzungen (um Kosten zu sparen, muss Belegschaft reduziert werden, bestehende Arbeitsverhältnisse werden sozialverträglich aufgelöst): Angebot von Aufhebungsverträgen mit Abfindungen; Altersteilzeit/ vorgezogene Pensionierung - Umsetzung von Personal in Bereiche mit Personalbedarf (ggf. nach Qualifizierung) Im nächsten Schritt gilt es auf der Anwendungsebene im Zuge der Interessenbewertung abzuwägen bzw. zu bilanzieren, inwiefern das beschriebene Vorgehen unter Beachtung der gegebenen realen, pluralen Interessen (Situationsumstände, Bedingungen usw.) richtig erscheint und verlangt werden kann. Diese Abwägung erfolgt - von der Leitperspektive her - rein unter dem moralischen Gesichtspunkt (Moral Point of View). B1 - keine tragische Situation (2/3) Anwendungsebene - Frage: Was ist ethisch richtig?  angewendete normative Bewertungskriterien: Utilitarismus + Gerechtigkeitstheorie (grob gleichrangig)  beste ethische Lösung (Abwägungsergebnis): am auf der Begründungsebene formulierten ethischen Ideal wird festgehalten (→ Maßnahmen zur Vermeidung von Entlassungen) → vgl. Erläuterungen zu Szenario A1 Inwieweit diese unter den gegebenen Bedingungen vergleichsweise ethisch richtige Lösung (überhaupt oder von Anfang an) vom Unternehmen als bindend bzw.

1912

gerade dann, wenn sie zur Sicherung der Überlebensfähigkeit des Unternehmens beitragen. Allerdings sind auch Fälle denkbar (und in der Praxis in Erscheinung getreten), in denen Unternehmen zusätzlich gezwungen sind, Stellen abzubauen, um im Preiswettbewerb standhalten zu können. Vgl. dazu auch die Anmerkungen in Szenario A1.

568

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

richtungsweisend erachtet und in die Wirklichkeit umgesetzt wird (was also realiter geschieht und welche konkreten Maßnahmen - mit oder ohne Widerstände durch die betroffenen Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Gesellschaft oder Politik ergriffen werden), ist eine Frage, die auf der Implementierungsebene zu klären ist. B1 - keine tragische Situation (3/3) Implementierungsebene - Frage: Wie geht das Management tatsächlich vor?  Umsetzung (VIII)  Nicht-Umsetzung o Könnens-Defizit (IX) o Wollens-Defizit (X) Umsetzung (VIII → vgl. I)

Nicht-Umsetzung Könnens-Defizit (IX → vgl. II) Wollens-Defizit (X → vgl. III)

Sobald die in der Situationsbeschreibung genannten antizipativ-weichen Freisetzungsmaßnahmen nicht mehr ausreichen, um das Unternehmen auf Kurs zu bringen und dessen Überlebensfähigkeit zu sichern, wird es unvermeidbar, härtere Maßnahmen zu ergreifen und Mitarbeiter zu entlassen1913. Szenario B2 - tragische Situation ersten Grades (1/3) Situationsbeschreibung des lokalen Falls Vgl. Situationsbeschreibung zu Szenario A2 Im nächsten Schritt gilt es auf der Anwendungsebene im Zuge der Interessenbewertung abzuwägen bzw. zu bilanzieren, inwiefern das beschriebene Vorgehen unter Beachtung der gegebenen realen, pluralen Interessen (Situationsumstände, Bedingungen usw.) richtig erscheint und verlangt werden kann. Diese Abwägung erfolgt - von der Leitperspektive her - rein unter dem moralischen Gesichtspunkt (Moral Point of View). 1913

Im lokalen Praxisfall tritt hier die (nicht generell beantwortbare) Frage auf, wo die Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit aufhört und wo ein rücksichtsloses Gewinnstreben anfängt. Vgl. dazu Abschnitt 3.3.2, der sich mit dem Fallbeispiel Nokia befasst.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

569

B2 - tragische Situation ersten Grades (2/3) Anwendungsebene - Frage: Was ist ethisch richtig?  angewendete normative Bewertungskriterien: Utilitarismus (primär) + Gerechtigkeitstheorie + Befähigungsansatz  beste ethische Lösung (Abwägungsergebnis): am auf der Begründungsebene formulierten ethischen Ideal wird nur partiell festgehalten (→ Entlassung mit Abfederung) → vgl. Erläuterungen zu Szenario A2 Inwieweit diese unter den gegebenen Bedingungen vergleichsweise ethisch richtige Lösung (überhaupt oder von Anfang an) vom Unternehmen als bindend bzw. richtungsweisend erachtet und in die Wirklichkeit umgesetzt wird (was also realiter geschieht und welche konkreten Maßnahmen - mit oder ohne Widerstände durch die betroffenen Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Gesellschaft oder Politik ergriffen werden), ist eine Frage, die auf der Implementierungsebene zu klären ist. B2 - tragische Situation ersten Grades (3/3) Implementierungsebene - Frage: Wie geht das Management tatsächlich vor?  Umsetzung (XI)  Nicht-Umsetzung o Könnens-Defizit (XII) o Wollens-Defizit (XIII) Umsetzung (XI → vgl. IV)

Nicht-Umsetzung Könnens-Defizit (XII → vgl. V) Wollens-Defizit (XIII → vgl. VI)

Bevor die Ergebnisse der Szenarioanalyse zusammenfassend dargestellt und abschließend diskutiert werden, erfolgt der Vollständigkeit halber zunächst noch eine kurze Betrachtung des dritten Szenarios aus Bereich B, das auf Situationen mit plan- bzw. vorhersehbaren (auch saisonalen) Schwankungen der Beschäftigung gerichtet ist, die in der Regel von begrenzter Dauer (und daher aus ethischer Sicht weniger kritisch) sind.

570

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Szenario B3 - keine tragische Situation (1/3) Situationsbeschreibung des lokalen Falls In einer nur temporär schwierigen wirtschaftlichen Lage, bei der von einer baldigen Besserung ausgegangen werden kann, wollen die Unternehmen nicht auf ihre Mitarbeiter verzichten, zumal ein Verzicht womöglich mit Abfindungen verbunden wäre und es erschweren oder verhindern würde, wieder auf bereits eingearbeitete Mitarbeiter zuzugreifen1914. Angestrebt werden daher Lösungen ohne Bestandsreduzierung. Zu denken ist an: - Produktion auf Lager; Vorziehen von Reparatur-, Wartungs- und Erneuerungsarbeiten - Rücknahme von vergebenen Fremdaufträgen; Übernahme von Fremdaufträgen oder Zulieferarbeiten für andere Unternehmen und Branchen - Maßnahmen im Bereich der Urlaubsgestaltung (wie Verlagerung oder Verlängerung der Betriebsferien, unbezahlter („Zwangs“-)Urlaub, Verlagerung der Urlaubsansprüche in beschäftigungsschwache Zeiten, Gewährung von Langzeiturlaub zur Weiterbildung) - zeitlich begrenzte Ausleihe an andere Unternehmen; Kürzung der regulären Arbeitszeit Im nächsten Schritt gilt es auf der Anwendungsebene im Zuge der Interessenbewertung abzuwägen bzw. zu bilanzieren, inwiefern das beschriebene Vorgehen unter Beachtung der gegebenen realen, pluralen Interessen (Situationsumstände, Bedingungen usw.) richtig erscheint und verlangt werden kann. Diese Abwägung erfolgt - von der Leitperspektive her - rein unter dem moralischen Gesichtspunkt (Moral Point of View). B3 - keine tragische Situation (2/3) Anwendungsebene - Frage: Was ist ethisch richtig?  angewendete normative Bewertungskriterien: Utilitarismus + Gerechtigkeitstheorie (grob gleichrangig)  beste ethische Lösung (Abwägungsergebnis): am auf der Begründungsebene formulierten ethischen Ideal wird festgehalten (→ Maßnahmen zur Vermeidung von Entlassungen)

1914

Vgl. dazu Abschnitt 6.3.2.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

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→ vgl. Erläuterungen zu Szenario A1 Inwieweit diese unter den gegebenen Bedingungen vergleichsweise ethisch richtige Lösung (überhaupt oder von Anfang an) vom Unternehmen als bindend bzw. richtungsweisend erachtet und in die Wirklichkeit umgesetzt wird (was also realiter geschieht und welche konkreten Maßnahmen - mit oder ohne Widerstände durch die betroffenen Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Gesellschaft oder Politik ergriffen werden), ist eine Frage, die auf der Implementierungsebene zu klären ist. B3 - keine tragische Situation (3/3) Implementierungsebene - Frage: Wie geht das Management tatsächlich vor?  Umsetzung (XIV)  Nicht-Umsetzung o Könnens-Defizit (XV) o Wollens-Defizit (XVI) Umsetzung (XIV → vgl. I)

Nicht-Umsetzung Könnens-Defizit (XV → vgl. II) Wollens-Defizit (XVI → vgl. III)

Im letzten Schritt gilt es, die gewonnenen Erkenntnisse in Ergänzung zur bisherigen Systematisierung und (management-)ethischen Bewertung im Hinblick auf den in Abschnitt 8.1.2 entwickelten metaphysisch begründeten Theorierahmen zu diskutieren. Wie erläutert, haben sämtliche Fragen, die über einen „FoMC“ laufen, immer oder zumindest als Option eine ebenso unangemessen reduktionistische (fehlschlüssige) Gegenseite in die nicht- bzw. antiökonomische Richtung1915. Arbeitsplatzbezogene Fragen, gerade im Kontext der Schaffung und des Abbaus von Arbeitsplätzen, bilden dabei keine Ausnahme. Auch hier existiert ein Spannungsfeld oder Graubereich, dessen eines Ende die Ignoranz moralischer Tatsachen („FoMC“, F1) markiert und dessen anderes Ende die Ignoranz ökonomischer Tatsachen („FoDA“, F2) bildet.

1915

Vgl. dazu Unterabschnitt 8.1.3.1.

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

„Abstrakt“

F1 F2

100 % 0% „FoMC“ A1 III A2 VI A3 B1 B2 B3

X XIII XVI

90 10

80 20 AF1

70 30

II V VII

II IV

IX XII XV

IX XI XV

60 40

50 50 ABal. I

VIII XIV

40 60

30 70

20 80 AF2

10 90

0% 100 % „FoDA“ SQ SQ / I SQ / I / IV SQ SQ / VIII SQ

F1 F2 A1 A2 A3 B1 B2 B3

„Konkret“

572

Abb. 48: „Fallacy“-Übersicht (Zuordnung)1916

Beim ersten Wahrnehmungs- bzw. Wirklichkeitsdefizit, dem „FoMC“, dem tendenziell die Vertreter der Arbeitgeberseite (etwa Unternehmer, Manager, Arbeitgeberverbände, arbeitgebernahe Parteien) unterliegen, wird unangebrachterweise verkannt, dass Arbeitsplätze nicht nur ein (Abfall-)Produkt des Marktes, sondern Voraussetzung für ein gelingendes Leben sind 1917. Der „FoMC“ bzw. die diesem zugrunde liegende monodimensionale Systemperspektive manifestiert sich in einseitig übertriebenen Forderungen oder der Weigerung der Arbeitgeberseite, auf gewisse Anpassungsmaßnahmen zu verzichten oder diese integer zu gestalten, da die existenzielle, objektiv-reale Bedeutung des Arbeitsplatzes für den Menschen nicht „wahr“-genommen wird. In Abb. 48 sind fünf Beispiele für arbeitsplatzbezogene „FoMC“ angegeben, welche der oben durchgeführten Szenarioanalyse entnommen wurden. Wie bereits erläutert, führt ein (managementseitiger) „FoMC“

1916 1917

Quelle: Eigene Darstellung. Es sei an folgenden Zusammenhang erinnert: Aus abstrakt ökonomischer Sicht bzw. aus der Perspektive des Shareholder-Value-Ansatzes sind die Arbeitnehmerinteressen (etwa in puncto Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitsmarktbefähigung, integrer Stellenabbau) vom Management nur insoweit zu beachten, wie sie für das Erreichen des Gewinnziels zuträglich sind. Da die Shareholder an der ökonomischen Unternehmensperformance interessiert sind, läuft das „System ShareholderValue“ zwangsläufig auf Profitmaximierung hinaus. Das gilt vor allem für spekulative Anteilseigner. Sie sind nicht an der langfristigen Unternehmensentwicklung, sondern an hohen kurzfristigen Renditen interessiert (zu denken ist etwa an Hedgefonds, die wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen ganz oder in Teilen erwerben, zerlegen bzw. „ausschlachten“ und die „Sahnestücke“ dann gewinnbringend verkaufen). Wie an anderer Stelle ausgeführt, handelt es sich hierbei um eine verkürzte Realitätssicht, da die eigentliche („wahre“) unternehmens- und arbeitsplatzbezogene Wirklichkeit nicht nur die des Marktes oder des Shareholder-Values ist. Unternehmen sollten in der konkreten Wirklichkeit Verantwortung für die Stellen ihrer Mitarbeiter übernehmen - zumindest so lange, wie es betriebswirtschaftlich möglich ist und verantwortet werden kann.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

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für die vom Stellenverlust Betroffenen zu einem schwachen oder starken Dilemma, obwohl von der Situationskonstellation her eigentlich keine tragische (A1 → III; B1 → X; B3 → XVI) oder „nur“ eine tragische Situation ersten Grades (A2 → VI; B2 → XIII) vorliegt1918. Es werden also Arbeitnehmer entlassen, obwohl nach Abwägung aller rechtlichen, ökonomischen und ethischen Aspekte auf der Anwendungsebene (noch) die Möglichkeit bestünde, sie - etwa im Zuge einer Umsetzung - weiterzubeschäftigen (Fall: keine tragische Situation), also eine Entscheidung in ABal. vorzunehmen, oder sie zumindest sozialverträglich zu entlassen (Fall: tragische Situation ersten Grades), also eine in AF1 angesiedelte Entscheidung zu treffen. Integre Unternehmen werden dagegen in nichttragischen Situationen stets versuchen, „mittlere“ Lösungen anzuvisieren, die in ABal. fallen, was damit zu begründen ist, dass in nichttragischen Situationen die Option gegeben ist, zwischen verschiedenen Handlungsoptionen hin und her zu changieren, in bzw. mit denen neben der ökonomischen auch der moralischen Dimension mehr (z. B. 60%iger „FoDA“) oder weniger (40%iger „FoDA“) Gewicht beigemessen wird. Dennoch ist der Abwägungsspielraum, der im Sinne der Gerechtigkeitstheorie als Umverteilungsspielraum interpretierbar ist, auch in nichttragischen Situationen wegen finanzieller und zeitlicher Restriktionen begrenzt1919. Im Dilemma kommen Unternehmen hingegen nicht darum herum, utilitaristische Entscheidungen zu fällen, die in AF1 liegen, da der relevante Abwägungs- (und damit: Umverteilungs-) Spielraum von vornherein beschränkt ist. Das gilt sowohl bei Vorliegen einer tragischen Situation ersten Grades (schwaches Dilemma) als auch vor allem in tragischen Situationen zweiten Grades (starkes Dilemma), die keinerlei Spielraum für Abwägungen zulassen. Würden Unternehmen in tragischen Situationen (ersten oder zweiten Grades) Maßnahmen anstreben, die dem balancierten (ABal.) oder gar unbalancierten Abwägungsbereich AF2 zuzuordnen sind (z. B. Weiterbeschäftigung zu veränderten Konditionen), so wären die diesen Maßnahmen zugrunde liegenden Entscheidungen als „FoDA“ zu werten, eben weil ignoriert wird, dass in tragischen Situationen kein Weg an Entlassungen vorbeiführt. Beide „Fallacies“ 1918

1919

Da es sich bei Szenario A3 bereits um den Worst Case handelt, kann vom Unternehmen (rein theoretisch) kein weiterer „FoMC“ begangen werden. Das verdeutlicht die Grenzziehung zwischen balanciertem und unbalanciertem Abwägungsbereich: Einem Unternehmen, das in nichttragischen Situationen überwiegend Entscheidungen vornimmt, die in AF1 fallen, wird über kurz oder lang die licence to operate entzogen, da es sich um ökonomisch verkürzte Entscheidungen handelt (vgl. dazu Abschnitt 5.1.1). Genauso kann es sich ein (selbst finanzstarkes) Unternehmen nicht dauerhaft erlauben, in nichttragischen Situationen Entscheidungen in AF2 zu treffen, da die Blindheit gegenüber der Systemebene unausweichlich eine Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit nach sich ziehen würde.

574

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

sowohl der „FoMC“ als auch der „FoDA“ - zeigen somit, „dass Manager gut daran tun, sich einige der inhaltlichen Kernerkenntnisse einer Business Metaphysics zu eigen zu machen und in ihrer Managementstrategie in Rechnung zu stellen“ 1920. Beim zweiten Wahrnehmungs- bzw. Wirklichkeitsdefizit, dem „FoDA“, der die Gegenposition zum „FoMC“ markiert, wird unangebrachterweise verkannt, dass Arbeitsplätze in einer funktional ausdifferenzierten, arbeitsteiligen Gesellschaft nicht nur elementarer Bestandteil eines gelingenden Lebens sind, sondern in ihrer Entstehung und Erhaltung auch eng an die Gesetze von Markt und Konkurrenz gebunden sind1921. Der „FoDA“ manifestiert sich etwa in überzogenen Forderungen oder der Weigerung der Arbeitnehmerseite im weiteren Sinne (z. B. der Arbeitnehmer(-vertreter)), betriebswirtschaftlich notwendige Anpassungen mitzutragen, da die objektiv-realen Zwänge des Marktes und einer zunehmend globalen Konkurrenz nicht „wahr“-genommen oder ignoriert werden1922. Es wird ausgeblendet, dass die Nutzung der Marktlogik im Allgemeinen vernünftig ist und sich zum Vorteil der Menschen und Arbeitnehmer auswirkt 1923. Wie aus Abb. 48 hervorgeht, sind in der hier vorgenommenen Untersuchung mehrere Ausprägungsformen eines „FoDA“ denk- und beobachtbar: In der nichttragischen Situationskonstellation wird von der Arbeitnehmerseite eine Beibehaltung oder Verbesserung des Status quo (in Form höherer Löhne und Gehälter, Neueinstellungen, besserer Arbeitsbedingungen, Arbeitszeitverkürzungen) eingefordert (A1 → SQ; B1 → SQ; B3 → SQ), dabei aber fälschlicherweise verkannt, dass eigentlich personalpolitische Maßnahmen ergriffen werden müssten, um auf Veränderungen (der Märkte, Technologien, im rechtlichen Umfeld) oder temporäre (Konjunktur-)Schwankungen zu reagieren und die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens - und damit Arbeitsplätze - nachhaltig zu sichern. In der tragischen Situationskonstellation ersten und zweiten Grades, in der der „FoDA“ in der Praxis noch deutlicher zutage tritt, wird missachtet, dass ein schwaches oder echtes Dilemma faktisch bereits eingetreten ist, dem effektiv nur noch durch Entlassungen mit (Fall: tragische Situation ersten Grades) oder ohne Abfederung (Fall: tragische Situation zweiten Grades) 1920 1921

1922

1923

SCHRAMM (2015a), S. 189. An dieser Stelle wird damit zugleich deutlich, dass auch der frühere HABERMAS einem „FoDA“ verfallen ist, von dem er sich erst in den 80er Jahren wieder schrittweise gelöst hat, als er begann, in Abgrenzung zu seiner (positiv bewerteten) „Lebenswelt“ auch die beiden, die „Lebenswelt“ kolonialisierenden Systeme Wirtschaft und Politik anzuerkennen (oder zumindest zu tolerieren). Ein „FoDA“ liegt deshalb auch dann vor, wenn die Parteien glauben, Unternehmen hätten eine Art moralische oder soziale Verpflichtung zur Arbeitsplatzschaffung. Vgl. dazu Abschnitte 3.1.3 und 3.3.1.

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

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begegnet werden kann, wobei die Betonung auf „kann“ liegt: An Entlassungen führt kein Weg vorbei. Dennoch wird die jeweils angebrachte Entlassungsform von der Arbeitnehmerseite abgelehnt und eine integrere, vom Unternehmen aber nicht leistbare Entlassungsform (A3 → IV) oder gar ein Entlassungsverzicht gefordert. In letzterem Falle sind wieder zwei Szenarien denkbar: Entweder es wird auf weiche, wegen der Tragik der Situation aber unwirksame personalpolitische Anpassungen insistiert (A2 → I; A3 → I; B2 → VIII), oder aber es wird an einer Beibehaltung oder Verbesserung des Status quo festgehalten (A2 → SQ; A3 → SQ; B2 → SQ), was den Extremfall eines „FoDA“ im betrachteten Szenariorahmen markiert. Anzumerken ist noch, dass gerade im Arbeitsplatzkontext des Öfteren Situationen auftreten, in denen beide Vertragsparteien bzw. Verhandlungspartner - Arbeitgeber- und -nehmerseite - einem Fehlschluss unterliegen, sodass in der Folge beide der beschriebenen „Fallacies“ als Extrempositionen aufeinanderprallen. Dies kann gleichzeitig oder zeitlich versetzt geschehen, etwa als Gegenreaktion auf eine als verkürzt empfundene Argumentation des Gegenübers. Abb. 49 führt fünf solcher Konstellationen auf, in denen beide „Fallacies“ gemeinsam auftreten. Die näheren Erläuterungen zu den einzelnen „Fallacies“ wurden bereits oben gegeben. Ausgangspunkt bzw. Quelle der beiden Fehlschlüsse bildet eigentlich angemessene managementethische Entscheidung A1 A2 A3 B1 B2 B3

aufeinanderprallende Fehlschlüsse „FoMC“ (F1)

„FoDA“ (F2)

III VI

SQ SQ / I SQ / I / IV SQ SQ / VIII SQ

X XIII XVI

Abb. 49: „Fallacy“-Übersicht (aufeinanderprallende Fehlschlüsse)1924

Solche beiderseitigen Wahrnehmungsdefizite bewirken eine weitere Arbeitsplatzgefährdung und Dramatisierung sowie Emotionalisierung freisetzungsbezogener Fragen, die die eigentliche Konsens- und Kompromissfindung erschweren und den

1924

Quelle: Eigene Darstellung.

576

Managementethische Analyse arbeitsplatzbezogener Transaktionen

Blick für den Umstand verstellen, dass die den beiden „Fallacies“ zugrunde liegenden Basisannahmen und -überzeugungen in der Realität wichtig und richtig sind, nur eben nicht in der beschriebenen einseitig verkürzten Form. Beide „Fallacies“ sind zwar als theoretische Konstrukte mit ihrer jeweiligen Eigenlogik für die Aufdeckung, Diskussion, Analyse und womöglich sogar Auflösung gewisser verkürzter Sichtweisen in verschiedenen Anwendungskontexten hilfreich (und daher auch in der präsentierten Form anzuerkennen und aufrechtzuerhalten), dennoch sollten sie auf der Praxisebene vermieden werden1925. Oder anders formuliert: Die Modellabstrahierung bzw. der Vorgang, die bzw. der zu den „Fallacies“ führen kann, ist an sich als förderlich zu werten1926. Das gilt zumindest so lange, wie im Hinterkopf behalten wird, dass es sich (etwa im Falle des „FoMC“) um ein abstrahiertes Wirklichkeitsmodell handelt. Das Ziel besteht darin, das abstrakte Wirtschaftssystem (Stichworte sind hier: „Ökonomie“, „Gewinn“, „Shareholder-Value“) mit dem „Rest der Wirklichkeit“, also z. B. den moralischen Anforderungen der konkreten Lebenswelt zur Zufriedenheit aller Beteiligten zusammenzubringen, ohne dabei auf einseitige ontologische Verkürzungen des Sachverhalts in Richtung des Gewinns (F1) oder der Moral (F2) zurückzufallen. Solange beide Seiten die Wirklichkeit unnachgiebig nur durch die Brille oder den Schleier ihres jeweils milieutypischen „Fallacies“ wahrnehmen, kann keine Einigung zustande kommen. Die Probleme der Wirklichkeit lassen sich weder nur über den rein abstrakten Zugang noch nur über den rein konkreten Zugang zur Wirklichkeit lösen. Es bleibt abschließend festzuhalten, dass der moralische Realismus insofern in gewisser Weise die Konsequenz aus dem „FoMC“ darstellt, als er explizit darauf hinweist, dass es moralische Realitäten gibt, die es zu berücksichtigen gilt. Genauso wäre - mit Blick auf den „FoDA“ - ein zum moralischen Realismus parallel

1925

1926

Das gilt z. B. auf der Ebene eines Unternehmers, der Mitarbeiter entlässt, auf der eines Politikers, der bestimmte Spielregeln erlässt, die unter Umständen nachteilige Auswirkungen auf die Gesellschaft haben, sowie im umgekehrten Falle (des „FoDA“) z. B. auch für die Forderungen der Gewerkschaften und Betriebsräte. Wissenschaft ist immer abstrahierend und selektierend. HOMANN spricht daher in diesem Kontext häufiger auch von der „hochselektiven Fragestellung“, welche die Wissenschaft bzw. wissenschaftliches Arbeiten auszeichnet: „Einzelwissenschaften sind durch eine hochselektive Fragestellung an die Wirklichkeit konstituiert, von der ihre gesamte Theoriebildung inklusive Begrifflichkeit und Methodik bestimmt ist. Einzelwissenschaften abstrahieren von sehr vielen Zügen dieser Wirklichkeit - in dieser Abstraktion gründet ihre Leistungsfähigkeit“ (HOMANN/ ENSTE/ KOPPEL 2009, S. 10). Einfacher ausgedrückt: Modelle sind wichtig, da sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse häufig erst durch eine „selektive Brille“ gewinnen lassen (dem würde vermutlich auch WHITEHEAD zustimmen, der seine Laufbahn als Physiker und Mathematiker begonnen hat).

Personalfreisetzung: Managementethische Bewertung

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konstruierter ökonomischer Realismus gefordert, ein Verständnis dafür zu erwecken, dass Realitäten ökonomisch-betriebswirtschaftlicher Art bestehen, die zu ignorieren falsch wäre.

9. Zusammenfassung und Fazit In dieser Zusammenfassung werden die zentralen Fragen und Ergebnisse sowie Zusammenhänge der Arbeit nochmals komprimiert dargestellt. Gleich zu Beginn der Abhandlung wurde ein allgemeines Verständnis für den hohen Stellenwert von Arbeit bzw. des Arbeitsplatzes für das menschliche Leben entwickelt1927. Fast alle Menschen werden im Laufe ihres (Erwerbs-) Lebens mit diversen mehr oder weniger tiefgehenden arbeitsplatzbezogenen Anforderungen und Herausforderungen konfrontiert, welche teilweise weit über finanzielle Existenzfragen hinausgehen und erheblichen Einfluss auf ihre Lebenssituation, Lebensentwürfe und sozialen Beziehungen haben können. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine konzeptionelle ethische Arbeit, mit der eine ethische Einordnung ausgewählter arbeitsplatzbezogener Fragen und Problemfelder, die nach und nach in der Untersuchung identifiziert wurden1928, vorgenommen wurde und in der schwerpunktmäßig drei normative Ethiktheorien (konkret: der Utilitarismus, RAWLS‘ Gerechtigkeitstheorie und SENs Befähigungsansatz) zur Anwendung kamen1929. Die Arbeit betrieb dabei keine reine Moraltheorie, vielmehr wurden die ökonomisch-empirischen Hintergründe und Gesetzmäßigkeiten (der Economic Point of View)1930 als feste Konstanten vorausgesetzt und in die Betrachtung integriert - oder, um es genauer zu sagen: Es wurden einerseits die Kontraste aufgezeigt zwischen den Ansprüchen aus der Welt der Moral (dem Moral Point of View) und der realen heterogen (Geschäfts-)Welt, andererseits wurde durch die metaphysische Grundstruktur der Arbeit ein Beitrag dazu geleistet, zwischen beiden Welten zu vermitteln. Letzteres geschah u. a. dadurch, indem ein Verständnis für die Unterscheidung zwischen (verfehlten) Fehlschlüssen und (vernünftigen) Abwägungen vermittelt und zudem diverse ethische Bewertungskriterien abgeleitet wurden, anhand derer eine Beurteilung gewisser arbeitsplatzbezogener Maßnahmen, Probleme und Haltungen im Widerstreit beider Welten erfolgen kann. Empirische Untersuchungen wurden hingegen nicht herangezogen. Aus dem beschriebenen konzeptionellen Aufbau resultieren mehrere Einschränkungen in der Aussagekraft der Analyseergebnisse, welche es zu beachten gilt. 1927 1928

1929 1930

Vgl. dazu Unterkapitel 3.1. Vgl. dazu Abschnitte 3.1.3 und 6.1.2, Unterkapitel 6.2 (zur Personalentwicklung) und 6.3 (zur Personalfreisetzung) sowie die einleitenden Bemerkungen zum achten Kapitel. Vgl. dazu Unterkapitel 4.2 und 4.3. Vgl. dazu Abschnitt 4.2.3 sowie Unterkapitel 5.1 und 7.1.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Wagner, Managementethik und Arbeitsplätze, Studien zur Ethik der Transaktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26382-9_9

580

Zusammenfassung und Fazit

Was die Arbeit leisten kann und was nicht, soll im Folgenden zunächst nochmals klargemacht werden. Im Laufe der Arbeit wurden an mehreren Stellen vielfältige Anknüpfungspunkte zur Integration ethischer Reflexionen in die (allgemeinen sowie arbeitsplatzbezogenen) Entscheidungsprozesse des Managements thematisiert. Solche Verflechtungen zwischen management- bzw. arbeitsplatzbezogenen Fragen und ethischen Ansätzen sind in der Regel hilfreich und fruchtbar, da sie Einschätzungen über die Angemessenheit (oder Unangemessenheit) bestimmter Positionen und Handlungen im jeweiligen Problembereich ermöglichen 1931. Eine erste Einschränkung ist dennoch darin zu sehen, dass einige der im Verlauf der Arbeit erarbeiteten ethischen Zusammenhänge (Einordnungen, Bewertungen, Maßnahmen usw.), welche in unterschiedlichem Maße abstrakt und anspruchsvoll sind, im realen Alltagsgeschäft in ganz verschiedenen Abstufungen und Nuancen wahrgenommen, in Überlegungen reflektiert und in das lokale Handeln integriert werden, und zwar sowohl vonseiten der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer (und den damit jeweils verbundenen Gruppen). So werden sich, um nur ein Beispiel anzuschneiden, manche Manager überhaupt nicht darum kümmern (bzw. dafür interessieren), manche andere dagegen zumindest partiell, wenn auch nicht in der Maximalausprägung. In jedem Fall wäre es ein Missverständnis und eine Überforderung der betrachteten Theorie, wenn man davon ausginge, sämtliche der dargestellten und vorgeschlagenen Vorgehensweisen sowie vorgenommenen Analysen ließen sich eins zu eins von den Unternehmen umsetzen. In der Arbeit wurden mehrere (auf der institutionellen bzw. organisationalen als auch individuellen Ebene angesiedelte) Faktoren diskutiert, die dafür und dagegen sprechen. Nichtsdestotrotz können die identifizierten ethischen Zusammenhänge und Implikationen als Anhaltspunkte und Kriterien von all jenen Akteuren herangezogen werden, die sich dafür interessieren und ihre eigene Haltung kritisch reflektieren wollen, wobei hierzu, und darin liegt das Spezifikum des Fachs bzw. einer jeden ethischen Arbeit, Folgendes präzisierend zu bemerken ist: Die Welt des Moralischen ist durch gewisse ethische Ideale geprägt, von denen - zumindest wenn von keiner moralistisch verengten, sondern einer aufgeklärten, ökonomisch-realitätsangemessenen Ethik ausgegangen wird - bekannt ist, dass sie nicht eins zu eins in der Realität (etwa in der Geschäftswelt) umsetzbar sind1932. Trotzdem bestehen derartige ethische Ideale als Merkmale unserer Moralkultur (und damit als prägende Faktoren unserer Gesellschaft), weshalb es, wenn es empirisch möglich 1931 1932

Vgl. dazu die einleitenden Bemerkungen zu Kapitel 4 und Unterkapitel 4.2. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.2.2.3.

Zusammenfassung und Fazit

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wäre, für ethisch interessierte Akteure stets ideal und wünschenswert wäre, sie mit Leben zu füllen (z. B. indem Mitarbeiter wo immer möglich arbeitsmarktbefähigend qualifiziert oder in schwierigen Unternehmenssituationen nicht oder möglichst sozialverträglich entlassen werden). Als weitere Einschränkung ist anzuführen, dass mit der Arbeit nicht alle Aspekte, Fragen und Probleme des Untersuchungsfeldes abgedeckt, sondern lediglich ein Überblick über die komplexe, heterogene Lage vorgelegt werden konnte. So handelt es sich beispielsweise bei den Freisetzungsszenarien, die am Ende des achten Kapitels definiert, systematisiert und auf Basis des entwickelten metaphysischen Theorierahmens analysiert wurden1933, um exemplarische Kernfälle, aus denen noch vielfältige andere (auch ethische) Fragen und Probleme hervorgehen, welche aus Gründen der Überschaubarkeit der Argumentation nicht behandelt wurden. Wie in vielen anderen Bereichen gibt es auch im arbeitsplatzbezogenen Kontext nicht das eine beste Vorgehen (oder die eine „Strategie“), mit dem (bzw. der) sich sämtliche Probleme auf einen gemeinsamen Pfad hinführen und in Wohlgefallen auflösen (also z. B. alle Entlassungen verhindern) lassen. Vielmehr - und darin kommt gleichzeitig ein systematisches bzw. systemisch positives Ergebnis der Arbeit zum Ausdruck, für das eine Sensibilität geschaffen werden sollte - liegt in der Wirklichkeit eine plurale Situationslandschaft vor, in der jede Situation ihr Eigengepräge hat, dem durch ein individuelles, differenziertes Vorgehen Rechnung getragen werden muss. Dabei lassen sich, wie besonders für den Bereich der Personalfreisetzung gezeigt wurde, für eine Reihe von Situationskonstellationen prinzipielle managementethische Strategien und Marschrichtungen identifizieren, in die sich Unternehmen aus ethischer Sicht bewegen sollten1934. In anderen Situationskonstellationen dagegen tendiert der Entscheidungsspielraum - wiederum aus ethischer Sicht - gegen Null (und es führt beispielsweise kein Weg daran vorbei, Beschäftigte ohne Abfederung zu entlassen)1935. Dieses hochkomplexe Situationsgefüge in der Welt ist letztlich ausschlaggebend dafür, dass es bei der Umsetzung des Moral Point of View notwendig erscheint, mehrere Ebenen zu unterscheiden1936, aber auch dafür, dass es mehrere normative Ethikkonzeptionen gibt. Beide

1933 1934 1935 1936

Vgl. dazu Unterabschnitt 8.3.2.3. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.3.2.3, Szenarien A1, A2, B1, B2, B3. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.3.2.3, Szenario A3. Vgl. dazu Unterkapitel 4.1, das sich mit der Unterscheidung zwischen Begründungs-, Anwendungs- und Implementierungsebene befasst.

582

Zusammenfassung und Fazit

Aspekte wurden in der Arbeit durchgängig aufgegriffen und in die Analyse eingebunden (dazu unten mehr). Zugleich ist (trotz obiger Einschränkungen) nicht auszuschließen, dass die in der Arbeit thematisierten ethischen Ideale bzw. Kriterien in 100 Jahren oder später umsetzbar(er) erscheinen, da sich der Kapitalismus, ähnlich wie es bereits in den vergangenen rund 150 Jahren der Fall war, auf eine soziale Weise weiterentwickelt und die betreffenden ethischen Ideale den Kapitalismus in ferner Zukunft mitprägen, was sich dann eventuell in gewisser Form im Umgang mit arbeitsplatzbezogenen Entscheidungen bemerkbar macht1937. Hierzu ist ergänzend zu bemerken, dass es auf Erden nicht möglich ist (und auch nie möglich sein wird), ethische Ideale hundertprozentig umzusetzen. Wenn überhaupt, kann es nur zur partiellen Annäherung an die Ideale kommen. Zudem ist neben einem solchen positiven Szenario ebenso vorstellbar, dass sich der Kapitalismus insgesamt oder in einzelnen Facetten zukünftig wieder eher in eine entgegengesetzte Richtung entwickelt und (zumindest in Bezug auf die arbeitsplatzbezogene Realität) immer weiter von den ethischen Idealen entfernt. Da die Zukunft offen ist, sind solche Entwicklungen kontingent und in mehrerlei Hinsicht ambivalent1938. Die Realität kann sich in beide Richtungen entwickeln, wobei - und derartige Rückwirkungseffekte gilt es vor Augen zu halten - auch ethische Ideale selbst langfristigen und ständigen Veränderungsprozessen unterliegen (so ist denkbar, dass im Zuge mancher Einsichten und Lernprozesse aus der empirischen Realität einzelne ethische Ideale, welche die Natur des Kapitalismus betreffen, fallengelassen werden, während gleichzeitig andere ethische Ideale an Bedeutung gewinnen). In jedem Falle aber ist die vorliegende ethische bzw. gerechtigkeitstheoretische Arbeit auch als langfristiger Beitrag zur Evolution der (Moral-, Gerechtigkeits- und Management-)Kultur einer Gesellschaft zu sehen. Im Folgenden soll eine zusammenfassende Darstellung der methodischen Besonderheiten und zentralen Ergebnisse der Untersuchung gegeben werden. Im Zuge

1937 1938

Vgl. dazu bereits Unterabschnitt 8.2.2.3. Der Begriff der „Kontingenz“ (vgl. Abschnitt 3.3.4) resultiert aus metaphysischer Sicht vor allem aus dem Prozesscharakter der Wirklichkeit, daraus also, dass alles von der Vergangenheit in Richtung Zukunft voranschreitet und die Zukunft selbst offen ist. Die Ambivalenz (vgl. Abschnitt 3.3.2) zielt dagegen auf die Mehrperspektivität des Moral Point of View ab, darauf also, dass nicht immer nur eine Lösung (ein Akteur o. Ä.) die Moral auf der Seite hat, sondern eventuell mehrere gleichzeitig.

Zusammenfassung und Fazit

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dessen wird zunächst noch einmal erläutert, (1) warum es für eine breite und zugleich fundierte Behandlung des Themas als zweckmäßig erachtet wurde, einen metaphysischen Blickwinkel einzunehmen. Ferner soll (2) in diesem Zusammenhang in Erinnerung gerufen werden, weshalb (sowohl allgemein als auch speziell im Kontext management- und arbeitsplatzbezogener Probleme) eine mikroorientierte gegenüber einer makroorientierten Metaphysik (und Managementethik) als vorzugswürdig angesehen wurde. Dabei stand im Zentrum der ersten Frage der auf SCHRAMM zurückgehende Begriff der „Polydimensionalität“, wohingegen der von WIELAND stammende Begriff der „Polylingualität“ im Rahmen der zweitgenannten Frage nach der Ausrichtung der Metaphysik in den Fokus rückte. Des Weiteren folgen (3) Erläuterungen zum in der Arbeit eingesetzten theoretisch-konzeptionellen Analysegerüst rund um das dreiteilige Phasenschema bei der Umsetzung des Moral Point of View und die Konzeption eines moralischen Realismus. Darüber hinaus - und mit dem Vorgenannten eng zusammenhängend - werden (4) einige Kernaussagen zu den beiden metaphysisch verengten (Extrem-)Positionen, dem „Fallacy of Misplaced Concreteness“ („FoMC“) und dem „Fallacy of Disregarded Abstractness“ („FoDA“), zwischen denen sich die Argumentation der Arbeit bewegt hat, nochmals abschließend festgehalten. Zunächst jedoch zur Ausgangs- bzw. Basisfrage: (1) Wozu überhaupt Metaphysik? Diese Frage interessiert umso mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass die Metaphysik an sich eine Art allgemeine (kosmologische) Grundlagenforschung oder Basiswissenschaft darstellt, welche all jenen Akteuren, die wirtschaftlich konkret agieren müssen (und etwa über Entlassungen zu befinden haben), im Moment ihrer Entscheidung nur bedingt weiterhilft, da die Metaphysik keine konkreten (spezifizierten) und verbindlichen Handlungsanweisungen liefert. Bei der Beantwortung der ersten Frage ist insofern zunächst noch einmal zu bemerken, dass in der vorliegenden Betrachtung nicht der philosophische und theologische Hintergrund der Metaphysik im Mittelpunkt stand, sondern stattdessen eine Fortschreibung (bzw. Ausformung, Konkretisierung) der im zweiten Kapitel vorgestellten metaphysischen Grundlagenforschung von SCHRAMM angestrebt wurde, indem ein konkreter management- und unternehmensbezogener Anknüpfungspunkt beleuchtet wurde. Die Arbeit wollte also auch Hinweise dafür liefern, welche Erkenntnisfortschritte sich aus dem metaphysischen Forschungsprogramm für die Managementpraxis allgemein sowie mit Blick auf spezifische Business-Fragestellungen ableiten lassen (wobei ein wesentlicher Teil der dabei gewonnenen Erkenntnisse nicht

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Zusammenfassung und Fazit

nur auf den abgegrenzten arbeitsplatzbezogenen Untersuchungsraum, sondern zumindest nach entsprechenden Modifikationen und Erweiterungen - auch auf andere Entscheidungsbereiche des Managements anwend- und übertragbar ist). Eine zentrale Antwort bzw. These, warum ein metaphysischer Zugang gewählt wurde, liegt darin, dass wir in genau einer Welt leben (SEARLE), die in prägnantem Maße polydimensional (komplex, vielfältig) und zusammenhängend ist (wie gezeigt, besteht auch die arbeitsplatzbezogene Realität ontologisch aus ökonomischen Transaktionen, genauso aber aus physischen, mentalen und abstrakten Wirklichkeiten, gesellschaftlich-sozialen Ontologien, der Dimension des freien Willens usw.)1939. Aus dieser Komplexität resultiert die Frage, wie die wirkliche arbeitsplatzbezogene Welt funktioniert (womit im gleichen Zuge die Kernfrage angesprochen ist, mit der sich die Metaphysik als konzeptioneller Rahmen im Allgemeinen beschäftigt), genauso aber, wie man die in der lokalen Situation bestehende metaphysische Komplexität fassen und zusammenhalten kann, ohne einer Abstraktion (Verkürzung) der Polydimensionalität der einzelnen, sich wirklich vollziehenden arbeitsplatzbezogenen Transaktion zu unterliegen (Letzteres wäre etwa dann der Fall, wenn ein Ökonom die arbeitsplatzbezogene Realität auf ökonomische Transaktionen bzw. die ökonomische Dimension der Transaktion herunterbrechen und alle anderen Dimensionen bzw. ontologischen Realitätsbestandteile ausblenden würde; dieser Aspekt wird weiter unten nochmals im Zusammenhang mit den beiden „Fallacies“ aufgegriffen). Nun ist zu beachten, dass in der vorliegenden Arbeit zwar von einem umfassenden metaphysischen Rahmen ausgegangen, zugleich aber gesehen (und anerkannt) wurde, dass es, wie in der Wissenschaftstheorie üblich, unumgänglich erscheint, methodisch reduktionistisch vorzugehen und vom Komplexen zu abstrahieren (zumal sich auch metaphysische Betrachtungen nur mit dem Rückgriff auf ausdifferenzierte Erkenntnisse vollziehen und begründen lassen). Um dem gerecht zu werden, wurden in der Analyse u. a. sowohl relevante ökonomische Theorien (z. B.

1939

Vgl. dazu Kapitel 2.

Zusammenfassung und Fazit

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der ökonomische Ansatz von BECKER1940 und WILLIAMSONs Transaktionskostenökonomik1941) als auch betriebswirtschaftliche Aspekte (vor allem des Personalmanagements)1942 berücksichtigt. Gleichwohl bieten Abstraktionen und Reduktionen jeder Art das Risiko, dass das abstrahierte Modell - etwa das abstrakte Marktideal - oder die jeweils betrachtete Dimension mit der wirklichen Wirklichkeit gleichgesetzt wird (was mit dem Begriff des „Fallacy of Misplaced Concreteness“ zum Ausdruck gebracht wurde) und der Blick dafür verloren geht, dass die Realität sehr viel komplexer ist. Eine solche Gefahr besteht, wie an mehreren Stellen verdeutlicht wurde, gerade auch im arbeitsplatzbezogenen Kontext, da hier diverse arbeitgeber- und arbeitnehmernahe Gruppierungen (Wissenschaften, Parteien usw.) meinen, mit ihrer Sicht der Dinge besonders nah am eigentlichen, wahren Kern der Sache dran zu sein. De facto greifen sie aber (zumindest zum Teil) nur Details der Realität heraus und übergehen dabei den Gedanken der Polydimensionalität und metaphysischen Komplexität der Wirklichkeit. Kehrt man zurück zur Ausgangsfrage nach der Sinnhaftigkeit eines metaphysischen Zugangs, so ist, wie oben bemerkt, zu bedenken, dass es, um wissenschaftlich arbeiten zu können, (über erforderliche theoretische und empirische Befunde hinaus) einer - im Sinne einer Hintergrundbasis oder Überbautheorie zu verstehenden - Grundvorstellung darüber bedarf, wie die Welt funktioniert und wie die Dinge in der Realität miteinander zusammenhängen. Um aber herauszufinden, wie die Dinge in der arbeitsplatzbezogenen Wirklichkeit im Prinzip funktionieren (und, darauf aufbauend, wie verschiedene Zustände aus ethischer Perspektive zu bewerten sind), muss, so die These, die Metaphysik als konzeptioneller Rahmen bzw. Grundapproach herangezogen werden, und zwar aus zwei Gründen: Durch eine metaphysische Wirklichkeitsannäherung wird zum einen das Bewusstsein dafür geweckt, dass das Abstrakte und Konkrete unterschiedliche Dinge sind. Zum anderen, und noch wichtiger, wird dadurch präsent gehalten, dass das Konkrete (die Wirklichkeit) polydimensional, also metaphysisch komplex ist. Beide Aspekte sind als Hauptgründe dafür zu nennen, weshalb überhaupt ein metaphysischer Zugang gewählt wurde.

1940 1941 1942

Vgl. dazu Unterabschnitt 3.3.5.1. Vgl. dazu Abschnitt 7.2.1. Vgl. dazu Kapitel 6.

586

Zusammenfassung und Fazit

Darüber hinaus wurde im siebten Kapitel ein Verständnis dafür entwickelt, dass, wenn es darum geht, verschiedenartige unternehmens- und managementbezogene Probleme zu umkreisen und näher zu fassen, eine Metaphysik, welche („mikromäßig“) davon ausgeht, dass im Prinzip das Primäre die einzelnen Mikroereignisse (Transaktionen, Spielzüge) sind, geeigneter und hilfreicher ist als eine, die („makromäßig“) von der Annahme geleitet wird, das Primäre läge in der gesetzlichen Rahmenordnung (den allgemeinen ordnungspolitischen Spielregeln). Einige wesentliche Hintergründe hierzu sollen im Folgenden noch einmal rekapituliert werden, wobei die übergeordnete Frage lautet: (2) Welche Metaphysik (im Hinblick auf betriebswirtschaftliche und Managementprobleme)? Lenkt man den Blick von der kosmologischen Perspektive oder Frage („Wozu überhaupt Metaphysik?“, vgl. (1)) auf die Ebene des einzelnen Unternehmens und Managements, so ist zunächst der soeben erläuterte Umstand von Relevanz, dass die Ebene des Konkreten polydimensional ist, woraus wiederum vielfältige Probleme und Konflikte resultieren, mit denen sich das Management im Alltagsgeschäft konfrontiert sieht. Im Verlauf der Arbeit wurde deutlich, dass ein Großteil der Probleme damit zusammenhängt, dass Menschen bzw. einzelne StakeholderGruppen (im untersuchten Bereich allen voran z. B. Arbeitnehmer auf der einen Seite, Unternehmer und Manager auf der anderen Seite) verschiedene, teils widerstreitende Interessen haben1943. Diese Interessen sind als integraler Bestandteil und subjektiver Ausdruck der beschriebenen Polydimensionalität und metaphysischen Komplexität der Realität zu verstehen1944. Oder anders formuliert: Sämtliche Interessen, und damit auch moralische Interessen bzw. Moral, Eigennutzinteressen usw., haben einen Haftpunkt in der Realität. Im Gegensatz zur Sozialontologie (etwa einem Arbeitsvertrag, der nicht von Natur aus gegeben ist) sind sie also nicht nur eine Konstruktion oder Erfindung des Menschen, welche in die Welt Einzug erhält bzw. darin „hineingebaut“ wird1945. Um nun aber, und dieser Aspekt ist hin-

1943

1944 1945

Vgl. dazu Abschnitt 3.3.5, der sich mit der Theorie moralischer Interessen und Anreize befasst. Auch sei hier an die Unterkapitel 5.2 (zum Stakeholder-Ansatz) und 5.3 (zur moralphilosophischen Orientierung der Stakeholder-Gruppe Gesellschaft) verwiesen. Vgl. dazu Abschnitt 8.1.2. Vgl. zur Dimension der Sozialontologie („social ontology“) Kapitel 2, zur vertragstheoretischen Einbettung des Arbeitsverhältnisses Unterkapitel 3.2. Zu berücksichtigen ist, dass Arbeitsverträge, die zur Schublade der Sozialontologie gehören, selbst wiederum inhaltlich polydimensional bzw.

Zusammenfassung und Fazit

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sichtlich der zweiten Frage („Welche Metaphysik?“) bedeutsam, die aus der (objektiven) Polydimensionalität der Wirklichkeit resultierenden Probleme und Interessendivergenzen würdigen zu können, die sich mit ethischen Fragen der Schaffung, des Erhalts und Abbaus von Arbeitsplätzen beschäftigen, müssen (gute) Manager über die (subjektive) Fähigkeit verfügen, mehrere Sprachspiele - also neben dem ökonomischen auch das moralische, rechtliche sowie diverse andere Sprachspiele - wahrzunehmen und zu beherrschen1946. Sie müssen, kurz gesagt, polylingual sein. Wie bei den Darlegungen zur makroorientierten Managementethik deutlich wurde, wäre es zu simpel, zu meinen, das Verhalten der Akteure ließe sich allein mit Gesetzen in eine ethisch erwünschte Richtung steuern1947. Vielmehr bedarf es einer pluralen Herangehensweise, in der neben ökonomischen auch moralische, rechtliche und weitere andere Anreize ausgeschöpft werden. Angesichts dessen, nämlich dem Erfordernis der Polylingualität für Manager, wurde geschlussfolgert, dass die mikroorientierte Metaphysik (allgemein: der Mikroansatz) realitätsangemessener ist1948. Die mikroorientierte metaphysische Grunddenke bzw. Basisentscheidung zum Funktionieren der Dinge in der Welt stellt den zweckmäßigeren Ansatz dar, wie polylinguale Entscheidungsträger im Management ihr Weltbild zusammenbauen können, das dann in verschiedenen Gebieten (etwa im arbeitsplatzbezogenen Kontext) umgesetzt und mit Leben gefüllt werden kann. Als Konsequenz des Gesagten ergibt sich zugleich, dass es angeraten erscheint, metaphysisch von einem Mikroansatz der Managementethik im Sinne WIELANDs auszugehen, in dem einzelne, durch mehrere Faktoren und Determinanten beeinflusste Transaktionen metaphysisch primär sind1949. (3) Theoretisches Grundgerüst Vor dem Hintergrund des geschilderten metaphysischen Theorierahmens wurde in der Arbeit zur ethischen Analyse und Bewertung diverser gängiger arbeitsplatzbezogener Situationskonstellationen und -szenarien eine umfassende ethische

1946 1947

1948

1949

metaphysisch komplex sind. Jedes Arbeitsverhältnis - dasselbe gilt für einzelne Fragen und Probleme, welche das jeweilige Arbeitsverhältnis betreffen - hat (bzw. haben) neben einer juristischen mindestens noch eine ökonomische und ethische Seite, die in der Wirklichkeit auftreten und zusammengehalten werden müssen. Vgl. dazu Unterabschnitt 7.3.4.2. Vgl. dazu Abschnitt 7.1.3 sowie zum Makroansatz der Managementethik generell Unterkapitel 7.1. Vgl. dazu Unterkapitel 7.2, das sich den theoretischen Grundlagen zur Mikro-Managementethik zuwendet. Vgl. dazu Abschnitte 7.3.3 und 7.3.4.

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Zusammenfassung und Fazit

Stückwerktechnologie abgebildet1950. Der Gang der Argumentation erstreckte sich dabei über alle drei Umsetzungsebenen des Moral Point of View, angefangen von den absoluten ethischen Idealen und Gerechtigkeitsvorstellungen der Begründungsebene über die ethischen Abwägungsprozesse auf der Anwendungsebene bis hin zur Implementierungsebene, auf der die wirklichen polydimensionalen Transaktionen des operativen Alltagsgeschäfts im Fokus stehen. Im Folgenden wird diese dreigeteilte Argumentationslinie nochmals in stark komprimierter Form nachgezeichnet: Auf der Begründungsebene wurden für die beiden Bereiche der Personalentwicklung und insbesondere -freisetzung unter Rückgriff auf angemessen erscheinende normative Ethiktheorien grundsätzliche ethische Ideale formuliert, welche sowohl die Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer betreffen und eine Richtung vorgeben, in der nach moralisch wünschenswerten Handlungsansätzen (Managementpraktiken, Problemlösungen, Zuständen usw.) für die betrachteten Situationskonstellationen zu suchen ist1951. Im erstgenannten Bereich, der Personalentwicklung, erfolgte diese Verknüpfung primär mit dem Befähigungsansatz von SEN und dem Subsidiaritätsprinzip der Katholischen Soziallehre, im Bereich der Freisetzung primär mit der utilitaristischen Ethik und der RAWLSschen Gerechtigkeitstheorie. An geeigneten Stellen wurden zudem Bezüge und Querverbindungen zur KANTischen Ethik hergestellt1952. Der Betrachtung auf der Anwendungsebene ist zunächst voranzustellen, dass eine vorrangige Intention der Arbeit darin bestand, zu spezifizieren, was in unterschiedlichen arbeitsplatzbezogenen Situationen von Unternehmen aus ethischer Sicht verlangt werden kann und was nicht (und, damit direkt verbunden: worin entscheidende Kriterien bzw. Faktoren liegen, um arbeitsplatzbezogenen Transaktionen Integrität zusprechen zu können). Dabei kann es, wie anhand praxisnaher (wenngleich fiktiver) Beispiele herausgearbeitet wurde, Situationen geben, in denen aufgrund der drastischen oder gar tragischen Konstitution der jeweiligen Situation 1953, kurz gesagt, ethisch nichts oder so gut wie nichts von Unternehmen verlangt wer-

1950 1951 1952 1953

Vgl. dazu Unterkapitel 8.1. Vgl. dazu Abschnitte 8.1.1, 8.2.1 und 8.3.1. Vgl. dazu im Besonderen Abschnitte 8.1.1, 8.3.1 und 8.3.2. Vgl. dazu Unterabschnitt 8.3.2.1, der sich mit der Abgrenzung zwischen tragischen und nichttragischen (arbeitsplatzbezogenen) Situationen befasst.

Zusammenfassung und Fazit

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den kann (zu denken ist z. B. an ein durch die Finanzkrise stark gebeuteltes Unternehmen, das Arbeitsplätze mit oder ohne Abfederung abbauen muss, um seine Existenz zu sichern). In derartigen Situationen müssen, um zur Terminologie der Dreiebenenunterscheidung zurückzukehren, die auf der Begründungsebene festgelegten ethischen Ideal- und Zielvorstellungen unter Einbeziehung der faktischen Gegebenheiten der empirischen Realität (also z. B. mit Blick auf den polydimensionalen Widerstreit diverser Interessen, bestehende wirtschaftliche und wettbewerbliche Restriktionen, die auf dem Arbeitsmarkt realiter vorherrschende Spaltung in Arbeitsmarktgewinner und -verlierer usw.) nach entsprechenden Abwägungsprozessen ganz oder teilweise zugunsten anderer Ideale zurückgestellt werden, um so auf der Anwendungsebene zur unter dem Moral Point of View vergleichsweise besseren (gerechtesten, ethisch „richtigsten“) Lösung zu gelangen (basierend auf diesem theoretischen Bezugsrahmen wurde etwa die ethische Festlegung getroffen, dass das ethische Ideal, niedrig qualifizierte Arbeitnehmer in einfachen Positionen um ihrer Würde willen arbeitsmarktbefähigend weiterzuentwickeln, in vielen lokalen Anwendungssituationen zugunsten anderer relevanter Ideale unterzuordnen ist; genauso muss, um ein anderes Beispiel zu nennen, das ethische Ideal, Arbeitsplätze nicht oder zumindest integer abzubauen, in tragischen Situationen zweiten Grades aufgehoben werden) 1954. Vor dem Hintergrund, dass in der Arbeit insgesamt eine möglichst realitätsangemessene Abbildung der tatsächlichen Problemlage angestrebt wurde (und trotz der konzeptionell-theoretischen Ausrichtung der Untersuchung einem verzerrten, idealistisch-moralisierenden Weltbild Vorschub geleistet werden sollte), erschien gerade die Herausarbeitung und Konkretisierung dessen, was von Unternehmen in der Realität - auch ethisch - nicht verlangt werden kann (eben weil es den tatsächlichen Handlungsspielraum der betreffenden Unternehmen übersteigen würde), von besonderer Notwendigkeit. Die Arbeit leistet so einen Beitrag dazu, der beschränkten Sichtweise entgegenzuwirken, ethische Bewertungen und somit eingeforderte ethische Postulate müssten dem ökonomisch Vernünftigen und Realisierbaren zwangsläufig (per se) entgegenstehen. Zugleich soll an dieser Stelle dem falschen Eindruck entgegengewirkt werden, ethische Deutungen und Bewertungen arbeitsplatzbezogener Probleme würden, sobald es um konkrete, verbindlichere Festlegungen oder Empfehlungen für die Managementpraxis geht, zwangsläufig oder automatisch ihre Aussagekraft und Signifikanz verlieren und sich in eine „weichgespülte“, rein

1954

Vgl. dazu Abschnitte 8.1.2, 8.2.2 und 8.3.2.

590

Zusammenfassung und Fazit

„ökonomisierende“ Argumentation auflösen. Dass dem nicht so ist, wird u. a. daran deutlich, dass in anderen, weniger drastischen oder nichttragischen Situationskonstellationen, die auf rentable oder finanziell bessergestellte Unternehmen abstellen, auf der Anwendungsebene sehr wohl die ethische Notwendigkeit (bzw. Unerlässlichkeit, „Verlangbarkeit“) herausgestellt wurde, vorhandene Spielräume für sozialverträgliches Handeln zu erkennen und geeignete abfedernde Maßnahmen auf der Implementierungsebene zu veranlassen (oder wenigstens einen ernsthaften Versuch dazu zu unternehmen). Dies geschah wohl wissend der Tatsache, dass nicht alle Unternehmen dem Erfordernis überhaupt oder in gleichem Maße nachkommen, was wiederum, je nach den zugrunde liegenden Umständen und Motiven, eventuell als defizitäre Haltung zu qualifizieren ist. Der Punkt ist aber: Im Gegensatz zum ordonomischen Forschungsprogramm von PIES ET AL., in dem, vereinfacht ausgedrückt, das wahre Ethische von vornherein mit dem Ökonomischen gleichgesetzt wird1955, wurde in der vorliegenden Arbeit von Anfang an eher eine neutrale mittlere Position eingenommen, indem unterstellt wurde, dass das Ethische in einigen Fällen durchaus das ökonomisch Vernünftige sein kann, dass es in anderen Fällen aber auch Widerstand gegen das Ökonomische leisten und dem Ökonomischen entgegenstehen kann. Im Rahmen der Erläuterungen zur (heterogenen) Implementierungsebene wurde sodann verdeutlicht, dass jene Lösungen, welche auf der Anwendungsebene als ethisch vergleichsweise angemessenste Lösungen erarbeitet wurden, eventuell doch nicht in die Unternehmensrealität umgesetzt werden (können), weil sich die zugrunde liegenden Situationsbedingungen (etwa infolge einer Finanzkrise) unerwartet ändern, oder aber, was hinsichtlich der managementethischen Angemessenheit kritisch zu sehen ist, da aufseiten der verantwortlichen Entscheidungsträger wegen einer ethisch verkürzten Sichtweise keine Umsetzungsbereitschaft besteht (und wechselseitige reale Interessen und gültige ethische Ideale ausgeblendet werden)1956. Hiermit ist zugleich der Übergang zum vierten Punkt, den beiden reduktionistischen (fehlschlüssigen) Haltungen, gegeben. (4) Metaphysisch verkürzte Positionen Wie herausgearbeitet wurde, sind derartige Formen einer Nichtwahrnehmung der Polydimensionalität der Wirklichkeit als Fehlschluss zu werten. Mit dem „Fallacy 1955 1956

Vgl. dazu Abschnitt 7.1.3. Vgl. dazu Abschnitte 8.1.2, 8.2.2 und 8.3.2.

Zusammenfassung und Fazit

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of Misplaced Concreteness“ („FoMC“) und dem „Fallacy of Disregarded Abstractness“ („FoDA“) wurden zwei Formen der Ignoranz oder Blindheit aufgezeigt, die von unterschiedlichen Akteuren im arbeitsplatzbezogenen Kontext des Öfteren begangen werden und mit denen sich gängige verengte (einseitig überzogene) Forderungen, Vorstellungen und Schuldzuweisungen im betreffenden Bereich erklären lassen1957. Der „FoMC“, dem tendenziell arbeitgebernahe Akteure und Ökonomen unterliegen, steht für die Ignoranz moralischer Tatsachen und Realitäten. Es wird monodimensional quantitativ-betriebswirtschaftlich (mit der abstrakten Marktlogik) argumentiert, qualitative Aspekte der konkreten Lebenswelt werden aber ausgeblendet (eben weil das abstrakte Modell für die wahre Wirklichkeit gehalten bzw. - anders formuliert - das Eigenrecht des Konkreten in einem Modellplatonismus übersprungen wird). Quasi als Konsequenz aus dem „FoMC“ wurde die (aus den beiden Kernelementen der Interessenwahrnehmung und -bewertung bestehende) Konzeption eines moralischen Realismus aufgezeigt. Letztere bildet selbst einen Teil der Metaphysik des Universums und stellt explizit darauf ab, dass auch moralische Realitäten (z. B. handfeste ethische Interessen) bestehen, die, wie schon oben bemerkt, nicht nur eine Erfindung der Menschheit darstellen, welche der Wirklichkeit „aufgepfropft“ wird, sondern als Fakten gleichberechtigt neben anderen (etwa physisch-naturwissenschaftlichen) Fakten im Universum existieren1958. Parallel zum „FoMC“ steht der „FoDA“, dem tendenziell arbeitnehmernahe Akteure unterliegen, für die Ignoranz ökonomischer Tatsachen und realer Zwänge. Es wird konkret argumentiert und zugleich verweigert, sich einem abstrakten Markt- und Wettbewerbsmechanismus anzuvertrauen. In Konsequenz dessen wäre ein ökonomischer Realismus (parallel zum moralischen Realismus) gefordert, aufzuzeigen, dass es Realitäten ökonomisch-betriebswirtschaftlicher Art gibt (z. B. faktisch existierende Wettbewerbszwänge), die zu ignorieren falsch wäre bzw. ein Wirklichkeitsdefizit anzeigen würde. Sowohl der moralische als auch der ökonomische Realismus sind zusammengenommen als Teil eines allgemeinen Realismus zu betrachten, der im Sinne einer generellen Wahrnehmungshaltung oder Sichtweise darauf abhebt, die verschiedenen Dimensionen des einen polydimensionalen Universums (bzw. der einen Wirklichkeit), in dem (bzw. der) wir leben und in dem (bzw. der) alles geschieht, als faktisch existierende Bestandteile der Realität wahrzunehmen und anzuerkennen. In dem Sinne ist die Arbeit auch ein Appell an die Arbeitgeberseite (und bestimmte Vertreter 1957 1958

Vgl. dazu Abschnitt 8.1.3. Vgl. dazu Abschnitt 8.1.2.

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Zusammenfassung und Fazit

der ökonomischen Theorie), im Umgang mit arbeitsplatzbezogenen Fragen ein erhöhtes Maß an ethischer Sensibilität und Verantwortung an den Tag zu legen. Zugleich ist sie als Appell an die Arbeitnehmerseite (genauso die breite Öffentlichkeit, einzelne Vertreter der Ethik, Theologie usw.) zu verstehen, sich möglichst vor einer moralisierenden Haltung oder emotionalisierenden Darstellung der Dinge zu hüten. Kurz gesagt, beide Seiten sollten die jeweils milieutypischen Fehlschlüsse im (operativen Geschäfts-)Alltag vermeiden, da sich die vielfältigen Probleme und Spannungen in der Wirklichkeit andernfalls weder abbilden noch vermindern (oder gar lösen) lassen. Gerade Letzteres sollte aber im Interesse beider Seiten liegen.

Literaturverzeichnis

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