Macht und Musik: Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha und das Musiktheater im 19. Jahrhundert 9783412508814, 9783412506353

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Macht und Musik: Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha und das Musiktheater im 19. Jahrhundert
 9783412508814, 9783412506353

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Angelika Tasler

MACHT UND MUSIK Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha und das Musiktheater im 19. Jahrhundert

2017

Böhlau Verlag Köln Weimar Wien

Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Charles Hunt: The Wonder of Windsor (© Museum of London) Von links nach rechts: Prince Consort Albert, König Ferdinand, König Leopold, Herzog Ernst II., Queen Victoria.

© 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Ingrid und Dr. Wolfgang Tasler Satz: Michael Rauscher, Wien Einbandgestaltung: Satz + Layout, Erftstadt Druck und Bindung  : Prime Rate, Budapest Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50635-3

Inhalt

  9 Vorwort   12 Ouvertüre   18 Einführung: Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893) –

Ein Lebenslauf zwischen großer Oper und großer Politik   18 Überblick   20 Der Coburg-Clan   31 Kindheit, Jugend und Ausbildung   48 Der junge Herzog   57 1850–1871 Projekt Einheit   78 Die »beschaulichen Jahre«   87 Tod und Nachhall   95 Der erste Versuch: »Zayre«   95 Überblick   97 Handlung und Musik 103 Entstehung und Aufführungen 117 Presseecho 122 Zwischenakt: Giacomo Meyerbeer und der komponierende Herzog 127 Ein Coburger Wildschütz: »Tony« oder »Die Hand der Vergeltung« 127 Überblick 127 Handlung und Thema 134 Entstehung und Umarbeitung 138 Verbreitung und Pressespiegel Hannover 139 | Frankfurt, Königsberg, Amsterdam 145 | Weimar 147 151 Zwischenakt: Franz Liszt, Richard Wagner und der komponierende Herzog 151 Franz Liszt und Coburg 158 Richard Wagner, Franz Liszt und Herzog Ernst II.

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Inhalt

172 Zigeunerzauber: »Casilda« 172 Überblick 173 Handlung und Vorlage 176 Verbreitung und Rezeption Premiere in Gotha 177 | Wien 182 | Berlin 186 | Darmstadt und weitere deutsche Bühnen 188 | Brüssel 191 | London 192 | Paris 194 196 Ein spätes Comeback 205 Zwischenakt: Hinter den Kulissen – Theaterleitung im 19. Jahrhundert 205 Ein gutes Beispiel  : Karl Theodor von Küstner 213 Das Hoftheater Coburg-Gotha im Vergleich Entstehung, Gründung und Theaterbau 213 | Organisation und Intendanz 224 | Hoftheater, Stadttheater und die Auswirkungen von 1848 234 | Finanzen 244 | Repertoire und Nachwuchsförderung 254 | Übersicht zum Hoftheater Coburg-Gotha unter Herzog Ernst II. 259 262 Der größte Erfolg: »Santa Chiara« 262 Überblick 263 Handlung 266 Libretto 268 Zwischenspiel  : Die besondere Beziehung zwischen Herzog Ernst II. und

Charlotte Birch-Pfeiffer Premiere und Nachbesserungen Der Kampf um die Pariser Oper Der Verleger Henry Litolff Zwischenspiel  : Musik für besondere Anlässe Die Verbreitung von »Santa Chiara« Größere Bühnen 324 | Kurz notiert 353 | Abgelehnt und ungewiss 366 368 Die Musik von »Santa Chiara« außerhalb der Opernhäuser 370 »Santa Chiara« und ihr Komponist in der Kritik 279 283 315 321 324

381 Zwischenakt: Musik und Nation – die singenden Vereine 381 Hof, Theater und Politik 393 Herzog Ernst II. als Unterstützer der national-liberalen Bewegung im Volk Turner, Schützen, Sänger, Nationalverein und nationale Feste 396 | Coburger Vereine 414 | Gothaer Musikfeste und -vereine 423

Inhalt 

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Zu lang: »Diana von Solange« Überblick und Handlung Libretto und Entstehung Zwischen Recht und Anerkennung  : Der Zwiespalt des Bearbeiters Fertigstellung und Premiere Zwischenspiel  : Ernst Lampert und die »Compositionsweise des Herzogs« – eine Verteidigung 462 Verbreitung und Aufführungen Größere Bühnen 462 | Kurz notiert 501 | New York – die Musik des Herzogs in Amerika 509 518 Zwischenspiel  : Deutsche Oper an der Metropolitan Opera New York 522 Anfragen und musikalischer Nachhall 526 Zwischenakt: Gustav Freytag – ein Vertrauter des Herzogs 534 Finale: Herzog Ernst II. als Musiker und Förderer der Künste 534 Förderer und Amateur 544 Der Herzog als Komponist Kompositionsweise 546 | Weitere Werke 547 | Betrachtungen zu Herzog Ernst II. als Komponisten 559 579 Abgesang 585 Literaturverzeichnis 607 Personenverzeichnis

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Vorwort

Der Präsident singt. Einer der mächtigsten Politiker der Welt steht im Sommer 2015 am Rednerpult vor einem Millionenpublikum an den Bildschirmen – und singt. Nicht etwa aus Freude, sondern im Schmerz über die Ermordung eines befreundeten afroamerikanischen Predigers, der in seiner Kirche von einem Rassisten erschossen worden ist1. »Amazing grace«, mit diesem in den USA allseits bekannten Lied will Barack Obama die Massen bewegen. Und er schafft es  : Nach kurzer Verlegenheit erhebt sich das Publikum und singt mit. Gemeinsam betrauern sie singend die sinnlos Ermordeten. Macht und Musik begegnen einander oft. Vermittlung von Macht bedient sich der Kunst der Inszenierung ebenso wie das Theater, Präsentation von Macht erscheint oft geschmückt mit festlicher Musik. Ausübung von Macht aber erfolgt am besten über die Erweckung von Emotionen, die Gedanken und Gefühle der Menschen in eine bestimmte Richtung lenken. Vereint im Gesang folgen die Massen leichter, Individualität tritt angesichts eines starken Miteinander-Fühlens momentan zurück. Außerdem nötigt der Mut zur öffentlichen Exposition von Gefühlen durch einen sonst überwiegend abgeschirmten Machtmenschen selbst den schärfsten Kritikern Respekt ab  : Das muss man sich erst einmal trauen  ! Dieses Buch befasst sich mit einem Mann, der Machtmensch und Musiker war – wenn auch ungleich weniger mächtig als der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und ungleich stärker musikalisch aktiv als Barack Obama. Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893) herrschte zwar nur über ein kleines Herzogtum, war aber über seine verwandtschaftlichen Beziehungen mit den höchsten politischen Kreisen in ganz Europa vernetzt. Als vielseitig interessierter, menschennaher Fürst, der sich nicht mit einer Rolle im politischen Abseits begnügen wollte, versuchte er auch über die Musik auf sich und seine politische Botschaft aufmerksam zu machen. Dabei scheute er nicht davor zurück, sich der Kritik einer breiten, nicht immer wohlwollenden Öffentlichkeit auszusetzen. In der Betrachtung seines Lebens entfaltet sich für den heutigen Leser ein breitgefächertes Panorama des kulturellen und po1 Am 17. Juni 2015 erschoss in Charleston, South Carolina/USA, ein 21-jähriger Weißer aus rassistischen Motiven neun Gläubige während einer Bibelstunde in einer methodistischen Kirche. Alle Opfer waren Afroamerikaner, darunter auch der Pfarrer Clementa Pinckney.

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Vorwort

litischen Lebens im Deutschland des 19. Jahrhunderts, insbesondere bis zur Reichsgründung 1871. Politik und Musik waren zwei Säulen, die das Leben des Herzogs trugen. Über ihren engen Zusammenhang kann diese Veröffentlichung erstmals umfassende Auskunft geben, indem es sich auf neueste Forschungsergebnisse stützt. Für dieses Buch wurden viele historische Quellen zum ersten Mal gesichtet und ausgewertet. Dabei bildeten die fünf großen Opern, die der Herzog komponiert hat, den Ausgangspunkt  ; bis auf »Santa Chiara« waren sie der Musikgeschichtsschreibung bisher nahezu unbekannt. Ausgehend von diesem beeindruckenden, doch in seiner Qualität nicht herausragenden musikalischen Schaffen des Herzogs wurden seine Aktivitäten in Musiktheaterkreisen in den Blick genommen. Aus den Akten ergaben sich dabei aufschlussreiche Zusammenhänge, deren Bedeutung weit über die Geschichte Coburg-Gothas hinausgeht. Denn Herzog Ernst II. war ein Netzwerker im modernsten Sinne, stand in Kontakt mit vielen bedeutenden Musikern und Theatermachern und versuchte auf seine Weise, auf der Bühne des Musiktheaters mitzuwirken. Um dieses Wirken zu belegen, war ein Gang zu den Quellen auch deshalb unerlässlich, da außer den Veröffentlichungen von Heinz, Kern und Kruse keine verlässlichen wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema greifbar waren. Angesichts der Fülle des Materials waren naturgemäß einige Einschränkungen notwendig  : Um die Darstellung des musikalischen Schaffens Ernsts II. nicht mit Details zu überladen, wird nur auf die Werke näher eingegangen, die für die Geschichte, die hier erzählt werden soll, von Bedeutung sind (Opern, patriotische Chöre). Alle Details zu Aufführungen, Besetzungen, Terminen usw. zu ermitteln, hätte angesichts der Verbreitung der besprochenen Kompositionen das Projekt ins Uferlose wachsen lassen. Mit Blick auf die diesbezügliche umfangreiche Korrespondenz wird im vorliegenden Text hauptsächlich die Aktenlage in den Archiven in Coburg und Gotha dokumentiert. Da die Musik der besprochenen fünf Opern nur im Klavierauszug im Onlinekatalog der Landesbibliothek Coburg einsehbar ist und bisher keine umfangreichen Aufnahmen vorliegen, wurde auf detaillierte musikwissenschaftliche Analysen verzichtet. Aus den Akten konnten unzählige Querverbindungen zur Geschichte anderer Theater und Theaterschaffenden gezogen werden. Jede einzelne Spur bis an ihr Ende zu verfolgen war allein schon aus Platzgründen unmöglich  ; doch bleibt zu hoffen, dass andere Forscher, die hier vielleicht Ergänzungen zu ihren Themen suchen, die gebotenen Fundstücke aufgreifen und weiterverarbeiten. Die Vernetzung der Intendanz des Coburg-Gothaer Hoftheaters sowie der

Vorwort 

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Künstlerpersönlichkeit des Herzogs ist angesichts der Fülle an ausgewertetem Material selbst nach den Maßstäben moderner Kommunikationskultur überaus beeindruckend. Als Musikwissenschaftlerin bittet die Autorin die Experten der Politik- und Geschichtswissenschaften gegebenenfalls um Nachsicht für Unschärfen in einer Darstellung, die zuallererst auf das Aufzeigen von Zusammenhängen und Verbindungen angelegt ist. Mein besonderer Dank gilt allen, die diese Arbeit unterstützt haben, sei es an den Universitäten, in den Archiven und Bibliotheken, im persönlichen Kontakt oder im Austausch per E-Mail. Ohne die Unterstützung und Ermutigung von verschiedenen Seiten wäre eine Fertigstellung dieser Publikation im engen Zeitrahmen kaum möglich gewesen, ohne so manch dienlichen Hinweis wäre mir wohl das eine oder andere bedeutende Detail im Akten­ dschungel entgangen. Im Rahmen eines eigenen Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) konnte ich meine Arbeit an zwei musikwissenschaftlichen Instituten ansiedeln. Dafür danke ich der DFG, vertreten durch Frau Dr. Claudia Althaus, sowie Frau Prof. Sabine Henze-Döhring von der Philipps-­Universität Marburg, die mir wichtige Hinweise zur Gestaltung meines Themas gab, und Herrn Prof. Hartmut Schick von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Viel Unterstützung erfuhr ich in den Coburger und Gothaer Bibliotheken und Archiven, deren »Stammkunde« ich drei Jahre lang war. Ganz herzlicher Dank sei stellvertretend ausgesprochen an Frau Renate Bauer, Herrn Rudi Mechthold und Frau Dr. Silvia Pfister von der Landesbibliothek Coburg, Herrn Horst Gehringer, Herrn Johannes Haslauer und Herrn Michael Stölzel vom Staatsarchiv Coburg, Herrn Dr. Klaus Weschenfelder von den Kunstsammlungen der Veste Coburg sowie dem Team des Stadtarchivs Coburg. Auch in Gotha fand ich sowohl in der wunderschönen Forschungsbibliothek als auch im Archiv freundliche Aufnahme und kompetente Hilfe, für die an dieser Stelle noch einmal herzlichst gedankt sei. Einen wichtigen Beitrag zum Bekanntwerden meiner Forschung leistete auch die Volkshochschule Coburg, mit der ich mehrere erfolgreiche Vortragsabende zu meinem Thema gestalten konnte  : Vielen lieben Dank an Rainer Maier und Eric Escher  ! Auch meinen Mentoren Herrn Prof. Christoph Wolff und Herrn Dr. Reiner Nägele sowie meinem Schulkameraden Prinz Hubertus von Sachsen-Coburg und Gotha ganz herzlichen Dank für die guten Gespräche und die anhaltende Unterstützung. Es freut mich besonders, einen kleinen Beitrag zur Erforschung der Geschichte meiner fränkischen Heimat leisten zu können.

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Ouvertüre

Es ist der 14. Januar 1858, ein Donnerstag. Tagsüber hat man bei bestem Wetter eine Jagd in Fontainebleau genossen, am späten Nachmittag kehrt die Gesellschaft nach Paris zurück. Kaiser Napoleon III. begleitet Herzog Ernst II. persönlich zu seiner Wohnung beim Prinzen von Chimay am Quai Malaquais und lädt ihn für den späteren Abend in die Große Oper ein. Ernst II. will sich selbst in einer kaiserlichen Kutsche zum Opernhaus begeben und das französische Kaiserpaar dort erwarten. Um kurz nach halb neun macht er sich auf den Weg. Am Theater angekommen, bemerkt er die starke Polizeipräsenz. Die Sackgasse, von der ein eigener Eingang für den Kaiser direkt in dessen Loge führt, ist abgesperrt. In der großen Menschenmenge kommt seine Kutsche zum Stehen, und erst, als er hört, wie jemand seinen Namen ruft, werden die Pferde wieder freigegeben. Am kaiserlichen Privateingang steigt er aus. Dort empfängt ihn General Émile Fleury, ein enger Vertrauter Napoleons III., der ihm noch vor der Türe eine Zigarre anbietet. Angesichts des milden Abends nimmt Ernst dankbar an und verwickelt sein Gegenüber in ein Gespräch über die starken Sicherheitsvorkehrungen. Stolz erklärt der General, dass viele effiziente Maßnahmen zum Schutz des Kaisers getroffen worden seien, nachdem zuletzt ein Anschlag nahe der Komischen Oper versucht worden sei. In dem Moment kündigen Rufe »Vive l’Empereur  !« die Ankunft des Kaisers an. Ernst II. und General Fleury werfen ihre Zigarren weg und betreten den Vorraum, wo sie das kaiserliche Paar angemessen begrüßen wollen. Ein lauter Knall erregt ihre Aufmerksamkeit und sie wenden sich zur Tür, vor der die kaiserliche Kutsche bereits vorgefahren ist. In dem Moment explodiert die zweite Bombe, direkt unter dem Wagen. Während Tote und Verwundete durch die Gegend geschleudert werden, stürzen Kaiser und Kaiserin im Schock durch die Tür. Der Kaiser taumelt, sein Hut ist zerfetzt, die Kaiserin greift nach Ernsts Arm und bringt die Worte hervor  : »Sauvez-moi  !« Bevor einer der Anwesenden sich aus der Schockstarre lösen kann, detoniert die dritte Bombe und zerstört den Eingangsbereich. Sie muss in der Nähe der Tür platziert worden sein. Von der Druckwelle werden alle umstehenden Gaslampen gelöscht, Glasscherben schießen durch die Luft, und in der plötzlichen Dunkelheit entsteht ein unbeschreibliches Chaos. Trotz der umherfliegenden Splitter entgehen Ernst und das Kaiserpaar erneut größeren Verletzungen, ge-

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schützt durch die Menschenmenge, die sich nach der zweiten Detonation hinter ihnen in den Vorraum gedrängt hat. Entschlossen packt Ernst die Kaiserin und flieht mit ihr die Treppe hinauf zur kaiserlichen Opernloge, nach kurzer Verwirrung folgt auch der Kaiser. »Im Theater hatten unterdessen Spiel und Gesang bereits ihren Anfang genommen  ; als wir eintraten, empfing uns gerade der Schwur in der Rütliscene des Wilhelm Tell, man gab eine Reihe von Scenen aus verschiedenen Opern und die Ristori1 sollte in der Sterbescene der Maria Stuart auftreten. In dem ersten Zwischenakt, während dessen das ganze Publikum von dem Attentat bereits Kenntniß erlangt haben mußte, da Verwundete in den Corridors des Theaters den ersten Verband erhielten, trat der Kaiser mit der Kaiserin an die Brüstung der Loge, es fand aber keine Begrüßung statt. Nicht eine Hand wurde gerührt, kein Laut erhob sich. Der Kaiser sagte deutsch zu mir, wie er in den folgenden Stunden fast nur deutsch mit mir sprach  : ›Da sehen Sie die Pariser – man ist nie hart genug mit ihnen verfahren‹.«2

Haupttäter des Attentats auf den französischen Kaiser Napoleon III. (1808– 1873) am 14. Januar 1858 war der Italiener Felice Graf Orsini (1819–1858), der nach einem aufsehenerregenden Prozess am 13. März 1858 in Paris hingerichtet wurde. Er wollte, gemeinsam mit seinen Komplizen, mit diesem Anschlag auf die politische Situation Italiens aufmerksam machen, dessen Vereinigung zu einem einheitlichen Staat sich zunehmend als politische Notwendigkeit aufdrängte – ähnlich wie in Deutschland. Ob das Attentat sich im Detail so abgespielt hat, wie Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893) es in seiner Autobiografie schildert, mag dahingestellt bleiben3. Fakt ist, dass der französische Kaiser (wieder einmal) Glück hatte und unverletzt blieb, dass aber weit über hundert Menschen verletzt wurden und mindestens acht an ihren Verletzungen starben. Bemerkenswert ist auch, dass sich Napoleon III. in der Folge der italienischen Frage zuwandte und schließlich mit Sardiniens 1 Adelaide Ristori (1822–1906), italienische Schauspielerin. 2 Ernst II., »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 411–415, Zitat von S. 413. 3 Zeitungsberichte bestätigen die grausamen Details sowie die Anwesenheit des Herzogs, vgl. hierzu die »Allgemeine Zeitung« aus Augsburg vom 16. Januar (Beilage), 17. Januar (Erwähnung des Herzogs) mit Beilage, 18. Januar 1858 (S. 276f., mit Abdruck von Artikeln aus französischen Zeitungen, die ebenfalls den Herzog erwähnen). Seine konkrete Rolle erscheint in der Autobiografie jedoch etwas übertrieben dargestellt, auch wird in den meisten Berichten von donnerndem Applaus beim Eintritt des Kaiserpaares in die Opernloge gesprochen (Näheres zu den Hintergründen des Attentats u. a. auf www.napoleontrois.fr).

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Ouvertüre

Premierminister Camillo Benso von Cavour (1810–1861) zusammen auf eine Provokation der Besetzungsmacht Österreich und eine Neuordnung Italiens hinarbeitete. Und mittendrin im Geschehen, in dieser Episode treffend platziert zwischen großer Oper und großer Politik  : Ernst II., Herzog eines kleinen deutschen Landes, dessen Bedeutung sich vor allem aus seinen verwandtschaftlichen Beziehungen zu allen großen europäischen Monarchien ermessen ließ. Mit außergewöhnlicher Sorgfalt und Liebe zum Detail schildert Ernst die Geschichte vom Attentat auf den französischen Kaiser in seinen Memoiren. Er will seine Zeitgenossen sowie deren Nachkommen wissen lassen, dass er vor Ort war in diesem dramatischen Moment der Geschichte, dass er alles selbst miterlebt hat, ja, dass er womöglich sogar die Initiative ergriffen und die Kaiserin höchstpersönlich aus dem Gefahrenumfeld gerettet hat. Von Bescheidenheit war er nicht geplagt, auch wenn ihm dies das politische Gewicht seiner Position vielleicht nahegelegt hätte. Vielmehr nutzte er seine beschränkte Macht bis ins Letzte aus, stellte Forderungen und Ansprüche – an sich selbst und seine Umgebung –, hatte ein Gespür für die Interessen und Wünsche des Volkes, verfolgte hartnäckig seine Ziele und erweiterte so seinen Wirkungskreis, wie kein anderer Fürst eines so kleinen Landes es im 19. Jahrhundert erreicht hat. Dabei stützte er sich auf größtmögliche öffentliche Aufmerksamkeit für sein Tun und – nicht abzuleugnen – eine von anderen Politikern der Zeit nie erreichte Popularität im Volk. Sein Bemühen um eine für seine Stellung eher ungewöhnliche Nähe zum Volk hat Ernst II. von seinem Vater geerbt. Ernst I. war ebenfalls als eher bodenständiger und den Menschen zugewandter Fürst bekannt. Daher ließ er seine beiden Söhne Ernst und Albert auch in diesem Sinne erziehen, lehrte sie, Verantwortung zu übernehmen, sich Aufgaben zu stellen, einen Blick für die Interessen anderer zu entwickeln und konsequent bis hartnäckig Ziele und Perspektiven zu verfolgen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten lagen – und unter Umständen auch darüber hinaus. Sowohl Ernst als auch Albert haben diese Grundsätze, die sie in den Studienjahren in Bonn und Brüssel noch vertieften, in ihren späteren politischen Positionen umzusetzen versucht. Albert war dabei als Prinzgemahl der Königin Victoria in einer ungleich machtvolleren Position, sein früher Tod jedoch setzte seinem Wirken ein vorzeitiges Ende. Dagegen versuchte Ernst II., angespornt auch durch das selbstbewusste Auftreten anderer Familienangehöriger (wie eben vor allem seines Bruders Albert), immer wieder über die Grenzen seines kleinen Herzogtums hinauszuwachsen und sich gleichbedeutend zu behaupten, auf dem Parkett deutscher und europäischer

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Politik. Er ist dafür bis in die Neuzeit belächelt und verspottet worden, als kleiner Fürst mit zu großen Ansprüchen. Aber sein Einfluss auf die deutsche Politik vor allem vor 1871 ist nicht von der Hand zu weisen, seine Beliebtheit beim Volk ist in vielen Dokumenten und Überlieferungen belegt und seine Beachtung in höchsten politischen Kreisen in Briefwechseln und Memoranden nachzulesen. Eine ganz besondere Bedeutung kommt im Leben Ernsts II. der Musik zu. Denn anders als bei der Mehrheit der adeligen Oberschicht, bei der die musikalische Bildung nur ein Element des obligatorisch-elitären Grundwissens darstellte, war Musik für Ernst II. eine ernsthafte Angelegenheit, eine intensive Beschäftigung, auf die er viel Zeit und Mühen verwandte. Komponieren war für ihn kein Zeitvertreib bei Langeweile, was sich daran ablesen lässt, dass seine größten Werke in Zeiten höchster politischer Aktivität entstanden und nicht etwa im Ruhestand oder in den weniger aktiven Jahren. Auch die Aufmerksamkeit, mit der er sein Hoftheater bedachte, die Einmischung bis in kleinste Entscheidungen, der finanzielle Aufwand, der ständig auch seine Privatkasse in Mitleidenschaft zog, zeugen von einer weit über das unter Landesherren übliche Maß hinausgehenden Leidenschaft für das Theater. Selbst für das Lernen kleiner Rollen auf dem Sprechtheater nahm er sich gelegentlich noch Zeit. Dabei – dies sei nochmals betont – war er doch gleichzeitig auch in der großen Politik unterwegs, musste deshalb viel reisen und nahm an Feldzügen und Militärmanövern teil. Sein kompositorisches Schaffen beschränkte sich nicht etwa auf kleine, in Besetzung und Aufwand überschaubare Werke. Nein, auch hier – wie in der Politik – wollte Ernst II. das Große, das Größtmögliche  : die große Oper. Führt man sich die Arbeit vor Augen, die die Erstellung einer Partitur einer mehrstündigen Oper mit großem Orchester und zahlreichen Solopartien kostet, wird erkennbar, wie wichtig diese Tätigkeit für einen vielbeschäftigten Mann wie Ernst gewesen sein muss. Natürlich hatte er Hilfe  : Die Instrumentation wurde von den Kapellmeistern des Hoftheaters vorgenommen, die in Einzelfällen auch noch nachträgliche Bearbeitungen oder Ergänzungen vornahmen. Aber dass Ernst II. seine Opern wirklich selbst entwarf und komponierte, von der Auswahl und Korrektur des Librettos bis zur Erstellung einer musikalischen Grundlage, ungefähr in der Form eines Klavierauszugs, ist nie ernsthaft bezweifelt worden und in einigen Fällen konkret zu belegen. Warum spielte die Musik eine so wichtige Rolle im Leben Ernsts II.? Zunächst lässt sich hier ganz einfach auf eine persönliche Neigung und Begabung verweisen, die in einer schon in anderen Generationen künstlerisch nicht unbegabten Familie nicht selten ist. Auch war die Leidenschaft des Vaters für das

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Theater sicher prägend für den Sohn, und der regelmäßige Besuch von Oper und Konzerten in der Jugend weckte früh die Leidenschaft des musikalisch Begabten. In der engen Verbindung zu seinem Bruder Albert, der ebenfalls Versuche in der Komposition unternahm, bevor ihm seine Aufgaben in England jegliche Zeit dafür raubten, lag für den jungen Ernst ebenfalls eine Motivation. Zahlreiche aus dieser Zeit in Coburg überlieferte Klavierauszüge, auch für vier Hände, zeugen vom gemeinsamen Musizieren der eng verbundenen Brüder. Aber in Anbetracht der Vielfalt, des Umfangs und vor allem auch der bis zu seinem Tode ungebrochenen Begeisterung für die Beschäftigung mit der Musik wird deutlich, dass es sich bei Ernst II. um weit mehr handelte als einen exklusiven Zeitvertreib. Wie andere Fürsten auch hätte er die Leitung seines Hoftheaters ganz den Intendanten überlassen können, bei gelegentlicher Äußerung spezieller Repertoire- oder Besetzungswünsche. Der Ruf seines Theaters allein hätte landesherrlichen Repräsentationszwecken schon hinreichend gedient, denn das Coburg-Gothaer Hoftheater war bekannt für sein gutes Orchester, sein stets durch einige Berühmtheiten ergänztes Ensemble sowie seine prominenten Gäste. Auch große Komponisten wie Franz Liszt oder später Richard Strauss kamen regelmäßig nach Coburg-Gotha und schätzten das lebendige kulturelle Leben. Sänger und Instrumentalisten aus ganz Europa bewarben sich am herzoglichen Hof um Konzerte und Gastspiele, wovon heute im Coburger Staatsarchiv ganze Aktenberge zeugen. Dass sie oft nach ihren Auftritten vom Herzog höchstpersönlich an die Tafel gebeten wurden, trug noch zur Anziehungskraft der Engagements in dieser kleinen Residenzstadt bei. Für die Verleihung von Verdienstmedaillen und Orden für musikalische Leistungen an Künstler aller Art war Ernst II. weithin bekannt, was ihm einerseits auffallend eifrige musikalische Mitarbeiter, andererseits Spott und Hohn (vor allem in der Auslandspresse) und seinem Hausorden den giftigen Spitznamen »Omnibus« (im Sinne von  : »für alle«) einbrachte. Darüber hinaus durften sich auch Turner, Schützen und Sänger in großer Zahl in seinem Herzogtum versammeln, und der Herzog war sich nicht zu schade, zu deren inbrünstig gepflegtem Lied­ repertoire mehrere patriotische »Hymnen« beizusteuern. Die Bemühungen Ernsts II. um ein erfolgreiches Wirken im Bereich der Kunst und Musik sind im Zusammenhang mit seinem Streben nach politischem Einfluss zu sehen. Seine Tätigkeit im Bereich des Theaters war nicht, wie etwa bei seinem Vetter Georg II. von Sachsen-Meiningen, eine Art Rückzug aus der ungeliebten politischen Welt. Ernst II. lebte in beiden Welten, unablässig arbeitend, hartnäckig in der Verfolgung seiner Ziele, überzeugt und getragen von seinen Prinzipien und Anschauungen. Im Folgenden soll dies

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anhand zahlreicher neu erschlossener Dokumente und musikalischer Zeugnisse deutlich gemacht werden. Als Eckpfeiler dienen dabei die fünf großen Opernkompositionen des Herzogs, an deren Geschichte die Verflechtung seiner künstlerischen und politischen Ambitionen am besten sichtbar wird.

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Einführung: Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893) – Ein Lebenslauf zwischen großer Oper und großer Politik Überblick

Als er am 21. Juni 1818 im Schloss Ehrenburg in Coburg zur Welt kam, war schon alles entschieden. Durch seine Stellung als Erstgeborener in der Ehe von Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha (1784–1844) und dessen Frau Luise (1800–1831), Prinzessin von Gotha-Altenburg, war der Weg des kleinen Ernst als Erbprinz des Herzogshauses Sachsen-Coburg und Gotha vorgezeichnet. Er würde eine ausgezeichnete Bildung und Erziehung erhalten, möglicherweise ein bisschen studieren, auf jeden Fall versuchen, sich bei Gelegenheit militärisch auszuzeichnen, und das Leben mit allen ihm gegebenen Privilegien genießen, bis er nach dem Tod seines Vaters in die macht- und verantwortungsvolle Position als regierender Herzog zu treten hätte. In vielem stimmt dieser traditionelle Lebensweg eines deutschen Fürsten im 19. Jahrhundert auch mit der tatsächlichen Biografie des Herzogs Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha überein – und doch gaben viele Ereignisse, geschichtliche Wendungen, aber auch seine persönlichen Neigungen und Begabungen seinem Wirken eine ganz besondere Prägung. Der frühe Abschied von der Mutter und die dadurch noch engere Beziehung zu seinem einzigen Bruder waren für Ernsts Entwicklung in Kindes- und Jugendjahren ebenso bedeutsam wie die einflussreiche Gestalt des Lehrers und Erziehers Florschütz, der ein umfassendes Bildungsprogramm entwarf. Reisen an zahlreiche Höfe und in verschiedene Länder öffneten den Blick für die Welt und ließen zugleich die Bedeutung des Coburg-Gothaer Kleinstaates im rechten Licht erscheinen. Den besonderen Akzent bei diesen Reisen setzten jedoch die vielen Verwandten, die in wichtigen Positionen über ganz Europa verstreut waren  : Diese engen Verbindungen stärkten wiederum das Gefühl von Bedeutung und Einfluss, trotz der begrenzten Ausgangsbasis. Im Studium in Bonn mischten sich Ernst und sein Bruder unter die Studenten, und in Brüssel bei ihrem Onkel Leopold, dem ersten König der Belgier, trafen sie politische Akteure verschiedenster Couleur, wodurch ihr politisches Spektrum deutlich mehr Farben bekam als das der rein konservativ erzogenen deutschen Fürstensöhne. Dem klassischen Erziehungsweg dagegen folgte dann wieder die Trennung

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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der beiden Prinzen nach Abschluss der Studienjahre  : Erbprinz Ernst musste zum Militär, sich seine »Sporen verdienen«, während für den Zweitgeborenen eine attraktive Partie gesucht – und die sicher attraktivste in Europa gefunden wurde. Nach der Heirat Alberts mit der englischen Königin Victoria im Jahr 1840 sowie dem Regierungsantritt Ernsts nach dem plötzlichen Tod des Vaters im Januar 1844 standen dann beide Brüder auf ihren vorgesehenen Posten  : in Amt und Würden, mit Macht und Verantwortung ausgestattet, mit Ansprüchen und Forderungen konfrontiert, die ihren Handlungen stets weitreichende Folgen zuordneten. Es war eine schwierige politische Zeit, aufkeimende Revolution in Deutschland und schwelende Konflikte zwischen den europäischen Großmächten. Die Einsamkeit der Herrschenden ließ die Brüder immer neu ihre seit Kindheit enge Verbindung suchen, wovon ein ausführlicher Briefwechsel zeugt. Darin erscheint der Jüngere, Albert, oft als der Ratgeber für den Älte­ren, Ernst, auf dessen ungestümes Temperament der diszipliniertere Albert einzuwirken versuchte. Doch Ernst bewies ein gutes Händchen im Umgang mit seinen Untertanen, überstand die turbulenten Jahre um 1848 ohne jeden Schaden und schaffte es sogar, geleitet von sicherem Instinkt, seine Popularität zu steigern, in einer Zeit, als andere Fürsten vom Thron gejagt wurden oder sich zu massiven Zugeständnissen gezwungen sahen. Gestützt auf den Rückhalt im Volk, der über die Grenzen des kleinen Herzogtums hinausging, erweiterte Ernst seinen politischen Wirkungskreis und trat selbstbewusst im nationalen wie internationalen Kontext auf. So konnte er auch den schweren Schlag verkraften, den ihm der unerwartet frühe Tod seines Bruders Albert im Dezember 1861 versetzte. Kennzeichnend für das politische Handeln Ernsts in den Folgejahren war seine Unbeirrbarkeit, Hartnäckigkeit, ja Sturheit in der Verfolgung des für ihn wichtigsten Ziels  : der Vereinigung Deutschlands zu einem Deutschen Reich. Er war pausenlos Angriffen und Intrigen ausgesetzt, wich aber nicht zurück und tat konsequent das, was er für richtig hielt. Als er trotz seiner erklärten Solidarität mit Preußen weiterhin mit Österreich verhandelte, wurde er als Verräter beschimpft. Aufgrund seiner Beliebtheit im deutschen Volk unterstellten ihm böse Zungen sogar die Absicht, selbst deutscher Kaiser werden zu wollen. Doch als schließlich im Jahr 1871 im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Reich mit Wilhelm I. als Kaiser proklamiert wurde, war Ernst völlig zufrieden und zog sich von der vordersten Front politischer Aktivitäten zurück. Hauptbeschäftigung neben der Musik blieb in den Folgejahren die Erarbeitung seiner umfangreichen Autobiografie, zu aktuellen politischen Geschehnissen äußerte er sich nur mehr gelegentlich in der breiteren Öffentlichkeit. Große Aufmerksamkeit, zumindest in der deutschen Presse und in

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Einführung

Künstlerkreisen, erhielt er zum letzten Mal unmittelbar vor seinem Tod, als er in Gotha einen Wettbewerb für die beste deutsche einaktige Oper stattfinden ließ. Als er im August 1893 in seinem geliebten Schloss Reinhardsbrunn bei Gotha starb, galt er schon als Zeuge einer längst überholten Zeit.

Der Coburg-Clan1

Als Ernst II. geboren wurde, hatten »die Coburger« bereits einen großen Namen in Europa. Durch Heirat waren viele Angehörige des Familienclans in wichtige Positionen gelangt. Bismarck bezeichnete daher später die Coburger Herzogsfamilie spöttisch als »das Gestüt Europas«. Ausschlaggebend für die guten Verbindungen zu allen großen Höfen war die konsequente und äußerst erfolgreiche Heiratspolitik von Ernsts Großvater Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1750–1806)2 und dessen Ehefrau Auguste Caroline Sophie (1757–1831), einer geborenen Gräfin Reuss zu Ebersdorf. Ihre älteste Tochter Antoinette (1779–1824) wurde durch Heirat Herzogin von Württemberg (1798). Die zweitälteste Tochter Juliane (1781–1860) heiratete 1796 den russischen Großfürsten Konstantin (1779– 1831), einen Enkel der Zarin Katharina der Großen. In ihrer Ehe war Juliane so unglücklich, dass sie zurück in die Heimat floh, ein für damalige Zeiten undenkbares Verhalten. Auch ihr weiteres Leben verlief eher unkonventionell und hinterließ auch bei ihren Verwandten Spuren, weswegen im Zusammenhang mit einer Oper Ernsts II. noch die Rede von ihr sein wird. Als drittes Kind und erster Sohn trat Ernst das Erbe seines Vaters an und wurde 1806 Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Durch seine Heirat mit Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg, der letzten Nachkommin dieses Familienzweiges, wurde Ernst aufgrund von Umverteilungen der Ländereien im Jahr 1826 zu Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha. Seine 1786 geborene Schwester Victoria (1786–1861) wurde durch Heirat 1818 Herzogin von Kent, ihre gleichnamige Tochter Victoria (1819–1901), seit 1837 Königin von Großbritannien, wurde wiederum 1840 mit Ernsts Sohn Albert (1819– 1861) vermählt. Ein weiterer Spross Franz Friedrich Antons, der 1785 geborene Sohn Ferdinand (gest. 1851), begründete mit seiner Frau Marie Antonie (1797–1862), Erbin des Hauses Koháry, gleich zwei weitere Zweige der Fami1 Vgl. hierzu Pellender 1984. 2 Vgl. hierzu Kruse 1995.

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lie  : Ihre beiden Söhne Ferdinand II. (1816–1885) und August (1818–1881) etablierten jeweils das Königshaus Sachsen-Coburg-Braganza in Portugal (als »Fernando II.«) bzw. das bulgarische Zarenhaus (Augusts Sohn Ferdinand I., Zar von Bulgarien 1887). Zu guter Letzt – und von größter Bedeutung für seinen Neffen Ernst II. – sei noch Leopold (1790–1865) genannt, letzter Sohn Franz Friedrich Antons, 1816 aussichtsreich verheiratet mit der britischen Thronfolgerin Charlotte (geb. 1796), die jedoch schon 1817 im Kindbett starb. Daraufhin widmete sich Leopold seinen politischen Ambitionen und wurde 1831 zum ersten König der Belgier gewählt. 1832 heiratete er in zweiter Ehe Louise Marie (1812–1850), eine Prinzessin von Orléans. Die drei Kinder der beiden etablierten das Königs­ haus Sachsen-Coburg in Belgien und heirateten in das österreichische Kaiserhaus (1857 Ehe von Charlotte mit Erzherzog Maximilian, Kaiser von Mexiko) bzw. (in nächster Generation) in das italienische Königshaus ein. Leopold war trotz seines schicksalhaften Scheiterns in England ein angesehener und einflussreicher Politiker in Europa, der als politischer Berater für die Angehörigen seiner Familie aktiv war und gerne hinter den Kulissen die Strippen zog. Er hat mit langem Atem die Ehe von Victoria und Albert angebahnt. Für seine Neffen Ernst und Albert war er zeitlebens eine der wichtigsten Stützen, zumal er ihren Vater Ernst I. um 21 Jahre überlebte. Diese einzigartige Konstellation des familiären Umfeldes bedeutete für Ernst II., dass sich ihm in nahezu jeder Hinsicht besondere Möglichkeiten boten, andererseits auch sehr hohe Erwartungen an ihn gestellt wurden. Dies betrifft seine Entwicklung sowohl als Politiker als auch auf künstlerischem Gebiet. In einem gesellschaftlich so erfolgreichen, exponierten Umfeld wurde genau auf jedes Familienmitglied geachtet, konnten Verhalten und Auftreten in der Öffentlichkeit nicht streng genug beurteilt werden, stand ein Einzelner als Angehöriger in der Verantwortung für alle Mitglieder der Familie. In den vielen Reisen und Verwandtenbesuchen, aber auch in der engen Beziehung der Brüder Ernst und Albert untereinander wird dieses Aufeinander-bezogen-Sein sichtbar. Verantwortung zu übernehmen war eine der wichtigsten Lektionen ihrer Jugend, und beide übertrugen es später von ihrer Familie auch auf ihre Untertanen, in einer Art und Weise, wie es in fürstlichen Kreisen der Zeit keine Selbstverständlichkeit war. Franz Friedrich Anton, der hier als Anknüpfungspunkt für die Vorgeschichte Ernsts II. aus der langen Geschichte der Wettiner gewählt wurde, war ein vielseitig interessierter und kulturbegeisterter Fürst. Musik war an seinem Hof ein selbstverständlicher Teil des täglichen Lebens. Regelmäßig gab es Kon-

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zerte, Bälle und Theateraufführungen. Um 1770 spielte er sogar selbst in einer höfischen Laiengruppe unter Führung von Moritz von Thümmel (1738–1817) Theater3. Auch wenn er auf Reisen war, besuchte er Aufführungen aller Art, beispielsweise im Jahr 1770 an den Theatern in Würzburg, Frankfurt und Weimar, möglicherweise auch in Kassel, dazu Konzerte in Arnstadt und Weimar4. Zuweilen wurde auch ihm zu Ehren gespielt  : So gab das »Hautboistenkorps« in Gotha eine Morgenmusik anlässlich seines Besuchs. Für Kirchenmusik in einem Konzert der Ursulinen in Erfurt war er ebenso empfänglich wie für die Musik der Studenten in Jena und die Tafelmusik in Frankfurt und Jena. Derartige Beschäftigungen gehörten zum höfischen Leben aller Fürsten dazu, doch scheint hier eine deutliche persönliche Neigung erkennbar. Auch dass Franz Friedrich Anton sich als Sammler von Naturalien, Münzen und Kupferstichen betätigte und neben Literatur auch an Gartengestaltung interessiert war5, fußt neben barockem Repräsentationsbedürfnis und herrschaftlicher Selbstdarstellung offenbar auch auf echtem Interesse. Damit war er in seiner Familie nicht allein. Sein Verwandter Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745– 1804), mit dem er schon als Erbprinz die Theaterleidenschaft teilte6, errichtete 1775 das erste stehende deutsche Theater in Gotha (das allerdings nach dem Tode des leitenden Conrad Ekhof im Jahr 1779 schon wieder aufgelöst wurde). Daneben frönte dieser Ernst einer Leidenschaft für Mathematik und Astronomie7, ließ daher auf dem Seeberg bei Gotha eine Sternwarte errichten und hob sich auch auf allerlei andere Art deutlich von den »allgemeinen Gepflogenheiten seiner Zeit«8 ab  ; beispielsweise durch das Tragen bürgerlicher Bekleidung. Auch die Meininger Verwandtschaft, die seit 1763 in der Person der für ihre Söhne regierenden Charlotte Amalie (1730–1801) eine außergewöhnliche Herrschaft erlebte, war für ihren Reformgeist und das Streben nach einer Entwicklung des Landes bekannt9. Neben der Konsolidierung der in den Kleinstaaten fast ständig prekären Finanzen setzte sich die Landesmutter vor allem für eine Förderung des geistigen und kulturellen Lebens ein, eine Haltung, die 3 4 5 6 7 8 9

Kruse 1995, S. 57. Kruse 1995, S. 67, auch zum Folgenden. Kruse 1995, S. 67. Kruse 1995, S. 57, auch zum Folgenden. Vgl. hierzu Schneider/Ruge 1999, S. 322ff. Schneider/Ruge 1999, S. 324. Hierzu wie zum Folgenden vgl. Schneider/Ruge 1999, S. 319f.

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auch auf ihren Sohn und Nachfolger Georg I. (1761–1803) überging. Dieser unterstützte das Liebhaber-Theater ebenso wie die Hofkapelle, ordnete und öffnete die herzogliche Bibliothek für die Öffentlichkeit und bemühte sich um die Anwerbung von Gelehrten für die kleine Residenzstadt Meiningen. Führt man sich zudem vor Augen, dass zwischen 1775 und 1832 Johann Wolfgang von Goethe im nicht fernen Weimar wirkte, kann man erahnen, welche Rolle die Kultur, das Theater und die Literatur in jener Zeit in diesem Teil Deutschlands gespielt haben. Franz Friedrich Anton war im kleinen Coburg Nachbar eines bedeutenden Kulturkreises, den Thüringen am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts darstellte10. Sein Kollege und Verwandter, Herzog Carl August von Sachsen-Weimar (1757–1828), empfing zahlreiche Dichter und Gelehrte in seinem kleinen Land  : Ab 1772 war Christoph Martin Wieland als Dichter, Übersetzer, Herausgeber und nicht zuletzt Prinzenerzieher in Weimar tätig, ab 1775 eben Goethe, ein Jahr später kam Johann Gottfried Herder als Hofprediger nach Weimar. Die Universität Jena, zu deren Erhalt unter anderem Gotha finanziell beitrug, glänzte in dieser Zeit mit vielen bedeutenden Gelehrten11  : Johann Gottlieb Fichte (ab 1794), Friedrich Wilhelm Josef Schelling (1798), Friedrich Hegel (1801–1807). Auch Friedrich Schiller hatte zwischen 1789 und 1799 eine außerordentliche Professur in Jena inne. Neben weiteren Gelehrten wie Anselm Feuerbach soll auch der Jenaer Romantikerkreis um das Ehepaar August Wilhelm und Caroline Schlegel nicht unerwähnt bleiben, zu dem auch Ludwig Tieck, Clemens Brentano und Novalis zu rechnen sind. Ohne Übertreibung ist zu konstatieren, dass Thüringen an der Wende zum 19. Jahrhundert eines der geistigen Zentren Europas12 war, und dies trotz der territorialen Zerrissenheit und politischen Bedeutungslosigkeit der vielen kleinen Fürstentümer. Diese Blüte Weimars und Jenas strahlte natürlich auch auf die umliegenden Residenzstädte aus, so dass Gotha, Coburg, Meiningen, Rudolstadt, Sondershausen und Erfurt von der kulturellen Aufbruchstimmung profitieren konnten. Besonders ist diese Entwicklung dem bereits genannten Herzog Carl August von Sachsen-Weimar zu verdanken, der nicht nur Gelehrten und Künstlern Tür und Tor öffnete, sondern auch im Politischen über sein beschränktes Territorium hinauswuchs  : Als einziger der Thüringer Fürsten wirkte er von

10 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Jonscher 1993, S. 148ff. 11 Jonscher 1993, S. 149. 12 Jonscher 1993, S. 149.

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1783 bis 1790 im deutschen Fürstenbund mit13 und schloss sich bald der Führungsmacht Preußen an, deren Bedeutung für den eigenen Machterhalt er bald erkannt hatte. In diesem Handeln wie auch in der Liebe zur Kunst ergibt sich hier eine erstaunliche Parallele zu Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha, auch wenn dieser erst zwei Generationen später auf den Thron kam. Unnachahmlich jedoch dürfte Carl Augusts Humor gewesen sein, denn es ist überliefert, dass er nach der Niederlage gegen die Franzosen in der Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 trocken kommentierte  : »Herzog von Weimar und Eisenach wären wir einstweilen gewesen«14. Von besonderer Bedeutung war auch Carl Augusts Politik nach dem Ende der Befreiungskriege gegen Napoleon (1769–1821), denn wie er es seinem Volk während der zermürbenden Kriegsjahre versprochen hatte, setzte der mittlerweile zum Großherzog aufgestiegene Carl August schon 1816 ein »Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogtums Sachsen-Weimar-­ Eisenach«15 in Kraft. Es handelt sich hierbei um eine der ersten modernen Verfassungen in Deutschland, in der beispielsweise die Steuerbewilligung des Landtages, das Kontrollrecht des Landtages über die Staatsfinanzen, bestimmte Zustimmungsrechte zur Gesetzgebung, ein Vorschlagsrecht für neue Gesetze, eine Garantie für die Pressefreiheit sowie eine unparteiische Rechtspflege festgeschrieben wurden. Offenbar inspiriert von dieser Erneuerung des Staatswesens erhielten in den Folgejahren auch die umliegenden Herzogtümer von ihren Fürsten (neue) Verfassungen16  : 1818 Sachsen-Hildburghausen, 1821 Sachsen-Coburg-Saalfeld, 1824 Sachsen-Meiningen. Auch eine Reform der staatlichen Organisation setzte Carl August in Sachsen-Weimar-Eisenach konsequent um17. 1815 führte er ein Staatsministerium mit separaten Ressorts und verantwortlichen Ministern ein, im Anschluss reformierte er das Finanz- und Steuerwesen und erneuerte die Strukturen in Justiz und Militär. Seinen Reformen im landwirtschaftlichen Bereich (»Bauernbefreiung«) folgten ebenfalls bald viele thüringische Kleinstaaten. Auffällig ist, dass nur Gotha-Altenburg zunächst in der Entwicklung zurückblieb, sowohl in Verfassungsfragen wie auch in der Struktur der Landwirtschaft. Mit diesem Konservativismus hatte auch später noch Ernst II. seine liebe Mühe. 13 Jonscher 1993, S. 151. 14 Jonscher 1993, S. 152. 15 Jonscher 1993, S. 155f., auch zum Folgenden. 16 Jonscher 1993, S. 157. 17 Jonscher 1993, S. 157f.

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Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Carl August von SachsenWeimar-­Eisenach, der als »Herzog der Klassik«18 in die Geschichte eingegangen ist, in den Kleinstaaten Thüringens eine Ära der Entfaltung und des Wachstums geprägt hat, die räumlich gesehen (bis Coburg) wie auch zeitlich betrachtet (über den Rückschritt der Karlsbader Beschlüsse von 1819) über die Grenzen seiner Herrschaft hinaus wirkte. In ihm als einem weitläufigen Vorfahren kann ein Vorläufer für die liberal orientierte Politik und offene Geisteshaltung Ernsts II. gesehen werden. Vieles, für das Ernst II. in seiner Zeit gelobt und gerühmt wurde, hatte Carl August unter den damaligen Umständen schon ähnlich umgesetzt. Die Geisteshaltung Carl Augusts, heute als »aufgeklärter Absolutismus« bezeichnet, war natürlich nicht nur in den Thüringer Fürstentümern zu finden, sondern prägte sich in verschiedenen Teilen Deutschlands auf unterschiedliche Weise aus. »Unter den aufgeklärten Monarchen machte sich eine völlig neue Art der Ansicht über ihre Herrschaftspflichten breit. Menschenrechte, die Betonung der Rechte des Individuums und vor allem Bildung und Kultur wurden unverzichtbar – der Fürst fühlte sich als ›erster Diener‹ am Staate. Im Ergebnis dessen führten umfassende Reformen zu einer allgemeinen Auflockerung des Gefüges des absolutistischen Staates.«19 So bezogen sich die genannten Erneuerungen vor allem auf das Justizwesen, die Gesetzgebung, die Staatsverwaltung, das Universitäts- und Schulwesen, aber auch den Bereich der Landwirtschaft, der Ökonomie und das Sozialwesen allgemein20. Aufgrund der territorialen Zersplitterung Deutschlands war der Stand der Reformen in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich, die thüringischen Nachbarstaaten Coburgs waren auf jeden Fall zu den fortschrittlichsten zu rechnen. Gerade in diesen kleinen Staaten griff der regierende Adel die Ideen der Aufklärung bereitwillig auf und kümmerte sich aktiv um das Wohl von Volk und Staat. Die Annäherung der Oberschicht an die Untertanen, vor allem das Bürgertum, dessen wachsendes Selbstbewusstsein schon um die Wende zum 19. Jahrhundert sichtbar wurde, diente dabei aber in erster Linie der Sicherung der eigenen Macht  : »Das Streben nach gemeinem Nutzen war also letztlich eine Anpassungsstrategie des Adels, um mit der wachsenden Konkurrenz des Bürgertums mithalten zu können.«21 Es darf also bei aller Veränderung und Modernisierung nicht 18 Jonscher 1993, S. 148. 19 Schneider/Ruge 1999, S. 319. 20 Vgl. hierzu wie zum Folgenden auch Hirschmann 2009, S. 117ff. 21 Hirschmann 2009, S. 120.

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übersehen werden, dass die Art der Umsetzung, Entwurf und Planung der aufgeklärten Politik wie auch der Kulturpolitik, noch ganz und gar absolutistisch geprägt waren. Zwar kann hier schon vom »Phänomen des aufgeklärten Absolutismus«22 im Thüringer Raum des 18. Jahrhunderts gesprochen werden, diese Begrifflichkeit darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Form und Ausprägung der »Aufklärung« noch ganz bei den jeweiligen Fürsten lagen. Ihr Machtanspruch war ungebrochen. Ernsts direktes Vorbild war natürlich sein Vater23. Ernst I., geboren 1784 in Coburg, trat 1806 die Nachfolge seines Vaters Franz Friedrich Anton an. Er war damit Herzog Ernst III. von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Schon in jungen Jahren musste er viel Verantwortung übernehmen, da sein Vater ab 1803 schwer krank war. Außerdem war Ernst 1806 und 1814/15 ständig als Befehlshaber in Feldzügen unterwegs, kämpfte sowohl als Oberst in russischen Regimentern als auch später als preußischer General. Für seine Verdienste wurde ihm beim Wiener Kongress 1815 das Fürstentum Lichtenberg mit der Hauptstadt St. Wendel zuerkannt, das er aber schon 1834 wieder verkaufte, um mit dem Erlös Besitzungen in Österreich (Greinburg u. a.) zu erwerben und seinen Grundbesitz in Thüringen zu erweitern. Nach dem Tod des letzten Herzogs von Gotha-Altenburg 1825 kam es in langen Verhandlungen zu einer Neuordnung der Gebiete, bei der Gotha mit Coburg zu einem Doppelherzogtum zusammengeschlossen wurde, während Saalfeld mit Altenburg verbunden wurde. Seit 1826 hieß Ernst also Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha. Nach seinen ruhmreichen Taten in den Befreiungskriegen gegen Napoleon machte sich Ernst I. vor allem einen Namen als Weiberheld. »Wie alle Prinzen des Hauses Coburg durch körperliche Schönheit, wodurch sie ihr Glück in großen Heirathen gemacht haben, ausgezeichnet sind, so war auch Herzog Ernst ein schöner stattlicher Mann, bis zu seinem Tod ein rüstiger Jäger und namentlich in der frühern Zeit ein überaus starker Liebhaber der Damen, mit denen er jedoch nicht immer die für ihn ehrenvollsten Abentheuer hatte«24. Eine seiner Affären, aus der auch ein Kind hervorging, war Gesprächsstoff an allen europäischen Höfen. Die letztendlich verschmähte Geliebte, Pauline Panam (1789–1840), die Ernst in Paris kennengelernt hatte, scheute sich nicht, 1810 in Coburg bei Hof zu erscheinen, um öffentlich Ansprüche auf Versorgung und Unterhalt zu stellen. Ernst vertröstete sie mit Versprechungen, die 22 Schneider/Ruge 1999, S. 319. 23 Zum Folgenden vgl. Vehse, S. 91–126. 24 Vehse, S. 95.

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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er nicht hielt. Nach Jahren des Hin und Her veröffentlichte die junge Mutter 1823 unter dem Titel »Mémoires d’une jeune Grecque« eine Anklageschrift gegen ihren fürstlichen Liebhaber, die in europäischen Kreisen die Runde machte, bevor sie im deutschen Bund mithilfe des erneuerten Zensurrechts verboten wurde25. Noch Jahre später holte ein von Ernst II. verstoßener Domänenpächter diese alte Geschichte wieder hervor, um die Familie der Coburger Herzöge in schlechtem Licht erscheinen zu lassen26. Im Jahr 1817 heiratete Ernst I. im Alter von 33 Jahren die erst 17-jährige einzige Erbtochter Luise des Herzogs von Gotha27. Motivation für die Verbindung war wohl das finanziell attraktive Gotha, das Luise mit in die Ehe brachte. Mit der Geburt der beiden Söhne Ernst (1818) und Albert (1819) war das wichtigste Ziel der Heirat in kurzer Zeit erfüllt. Nicht zuletzt aufgrund des Altersunterschiedes und der verschiedenen Interessen scheinen sich die Eheleute schnell auseinandergelebt zu haben. Jedenfalls begannen beide mit außerehelichen Affären, wobei Ernst seine Frau dafür sogar vor eine Untersuchungskommission brachte. 1824 führte Luises Verhältnis mit dem Offizier Alexander von Hanstein (1804–1884) schließlich zur endgültigen Trennung. Doch erst 1826, als nach der neuen Aufteilung der Herzogtümer Gotha sicher an Ernst I. gefallen war, erfolgte die Scheidung. Luise, die Coburg verlassen musste, heiratete ihren zum Grafen von Poelzig ernannten Geliebten, starb aber schon 1831 in Paris. Ernst I. heiratete 1832 noch einmal, diesmal allerdings seine Nichte Marie von Württemberg (1799–1860), so dass die Ehe naturgemäß kinderlos blieb. Er hatte mehrere außereheliche Kinder, die er alle mit (von ihm neu erfundenen) Adelstiteln versorgte. Politisch war Ernst I. nach seinen militärischen Erfolgen zu Beginn des Jahrhunderts keine unbedeutende Persönlichkeit. So zeugen einige Briefe des österreichischen Staatsmannes Klemens von Metternich (1773–1859) in der Autografensammlung der Veste Coburg vom engen Kontakt des großen mit dem kleinen Fürsten28. Zwischen 1818 und 1826 pflegten beide einen vertrauten Briefkontakt, in dem Metternich oft als Ratgeber auftritt. Ende Juni bzw. Anfang Juli 1820 war Metternich auch in der Rosenau zu Besuch und nahm von dem Aufenthalt offensichtlich einen angenehmen Eindruck mit, denn er bedankt sich ausführlich und schreibt wenige Wochen später, fast ein wenig 25 Hierzu Vehse, S. 95–124. 26 Vgl. Chasles. 27 Ausführlich zur Person Luises die Publikation von Barthel. 28 Hirschfeld, S. 5–11.

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neidisch29  : »Wie friedlich es bei Ihnen aussehen muß, Gnädigster Herr, fühlt niemand besser als ich in meinem Kabinette. Die Bewegung kann nicht überall sein  ; ich würde mich recht gern auf Ihrer Veste einquartieren und mein perpetuum mobile, dem ersten besten Liebhaber des Thuns und Treibens überlassen«. Metternich schickt sogar verschiedenste Gegenstände für die Coburger Sammlungen, beispielsweise das Muster eines Teppichs aus Linz oder nicht näher bezeichnete »Kisten aus Florenz«30. Mit Ernst II. riss der Kontakt dann ab, in einem letzten Brief vom 3. Oktober 1844 rief Metternich vor allem Erinnerungen an den Vater wach31. Ein berühmter Gelehrter, der in dieser Zeit die kleine Residenzstadt Coburg mit seiner Aufmerksamkeit und Anwesenheit adelte, war der Schriftsteller und Orientalist Friedrich Rückert (1788—1866)32. Obwohl er nie am Coburger Hof angestellt war, schrieb er zahlreiche Gedichte über die Coburger Herzogsfamilie, beispielsweise über den siegreichen Coburger Prinzen Friedrich Josias (1737–1815), die Verdienste Ernsts I. in den Napoleonischen Kriegen oder zu dessen Geburtstag im Jahr 182433. Seine »Geharnischten Sonette« wurden aufgrund der in ihnen offenbarten deutschen Gesinnung des Autors am Coburger Hof sehr geschätzt34. Auch für die jungen Prinzen Ernst und Albert verfasste Rückert etliche Verse, in denen er sie für ihren »Wissenstrieb«35, den »Freiheitsdrang« und ihre »Noblesse der Gesinnung« pries und ihnen wohlwollend prophezeite  : »Ihr werdet würdig sein des Ranges, weil, entfernt / Vom Fürstlichen, ihr erst habt Menschliches gelernt.« Obwohl er als Begründer der deutschen Orientalistik als Professor nach Erlangen und später nach Berlin berufen wurde, verlor Rückert nie seine Beziehung zu Coburg und hielt sich so oft wie möglich auf seinem Gut in Neuses bei Coburg auf, wo er 1866 auch starb. Seine »dichterischen und menschlichen Eigentümlichkeiten«36, seine fast schon revolutionär anmutende Offenheit in der Meinungsäußerung wurden von Ernst I. anerkannt und toleriert. Der musste sich auch vor solchen Versen nicht fürchten  : »So sprach zum Adlichen [sic], der mit den Ahnen 29 Brief vom 26. August 1820 (zitiert nach Hirschfeld, S. 11). 30 Hirschfeld, S. 7f. 31 Hirschfeld, S. 8. 32 Zum Folgenden vgl. Beyer 1886 sowie die Artikel zu Rückert von Boxberger, ADB, und Kreut­ner, NDB. 33 Beyer 1886, S. 8–10, 15. 34 Beyer 1886, S. 7. 35 Beyer 1886, S. 23ff., auch zum Folgenden. 36 Beyer 1886, S. 28f.

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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prahlte, / Der Bürgerliche, der mit seinem Werte zahlte  : / Wenn Du Vorrechte hast, so sei derselben wert  ; / Steck’ ein die Zung’ und zieh für’s Vaterland das Schwert. / Wenn Deine Väter all’ gut waren, sei nicht schlechter  ; / Und sind sie ungerecht gewesen, sei gerechter […] / Hab ich nicht Ahnen auch  ? nur sind sie ungenannt. / Von Deinen mancher wär’ auch besser ungekannt. / Die Deinen konnten Dir Erworbnes nur vererben  ; / Die meinen ließen Lust und Kraft mir, zu erwerben.«37 Die Hauptaufgabe Ernsts I. nach seinem Regierungsantritt war der Aufbau der durch den Krieg und die französische Besetzung stark in Mitleidenschaft gezogenen Coburger Lande38. Erste Anzeichen für eine veränderte Politik im Vergleich zu seinem Vater Franz Friedrich Anton waren die Entlassung des langjährigen Ministers Theodor von Kretschmann (1762–1820) sowie der Erlass ­eines Dekretes zur gleichmäßigen Besteuerung aller Stände (also eine Aufhebung des Privilegs der Steuerbefreiung) im Jahr 1809. In einem Landesministerium wurde die Verwaltung neu organisiert. Dabei waren Hof- und Staatsämter zunehmend getrennte Aufgaben39, was – zusammen mit der allmählichen Verbesserung der wirtschaftlichen Umstände – zu einem deut­lichen Anstieg des Personalstandes am inneren Hofe führte (1813  : 15 Personen, 1837  : 7540). Schon 1821 gab Ernst I. dem Land eine relativ liberale Verfassung, angelehnt an das Vorbild aus Weimar, entstanden unter Mitwirkung der Landstände. Daraus ergaben sich auch Neuregelungen im Justizwesen und im Kirchenrecht, dazu gezielte Maßnahmen zur Verbesserung des Finanzwesens. Neben der Förderung von Ackerbau, Handel und Gewerbe widmete sich Ernst I. besonders auch der Bautätigkeit  : Viele neugotische Gebäude in Coburg (Ehrenburg) und außerhalb (Rosenau, Callenberg, Reinhardsbrunn) wurden von ihm gebaut oder umgebaut. Dazu erweiterte er das Straßennetz. Zum allgemeinen Aufbauprogramm gehörten auch Maßnahmen zur Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kunst  : Ernst I. organisierte und erweiterte die verschiedenen Sammlungen in Coburg (Bibliothek, Kupferstichsammlung usw.) sowie in Gotha (Schloss Friedenstein), gründete in Coburg ein Lehrerseminar und in Gotha ein Gymnasium (das »Ernestinum«). Fast schon kühn – zumindest aus finanzieller Sicht – erscheint heute die zeitgleiche Errichtung von zwei großen Theaterbauten, und zwar in Coburg wie in Gotha. 37 Beyer 1886, S. 39f. 38 Zum Folgenden vgl. die Artikel zu Ernst I. von Beck, ADB, und Knorr, NDB. 39 Vgl. hierzu Andrian-Werburg, S. 213. 40 Andrian-Werburg, S. 211.

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Da Ernst I. jedoch im Gegensatz zu seinem Vater die hohe Verschuldung seines Staates allmählich in den Griff bekam, konnte er seine Visionen verwirklichen. Er hinterließ seinem Sohn Ernst II. einen blühenden Kleinstaat, den er aus dem wirtschaftlichen Elend und der politischen Ohnmacht vom Anfang des Jahrhunderts herausgeführt hatte. So schildert auch ein englischer Artikel im »Saturday Magazine« vom 4. ­Januar 184041 die Heimat des künftigen Prinzgemahls Albert. Neben ­einer detaillierten Beschreibung von Staatswesen, Wirtschaft und Handel sowie der beiden Residenzstädte mit ihren Besonderheiten wird dem Leser abschließend das besondere Glück und die günstige Position der Coburger Herzogsfamilie vor Augen geführt42  : »The house of Saxe-Coburg is indisputably the most fortunate of all the existing great families of Europe. No common lot has atten­ ded them in our time, and they appear destined to fill a remarkable place in modern history.« Auch in der neueren Geschichtsschreibung wird die bemerkenswerte Entwicklung des Kleinstaates unter Ernst I. gewürdigt, wobei der Schwerpunkt hier weniger auf die Kapazität der Ländereien als auf die der herzoglichen Familie gelegt wird43  : »Der Niedergang des Hauses Coburg während der Napoleonischen Kriege schien nur seine Lebenskraft vermehrt zu haben. Denn die fürstliche Familie hatte sich inzwischen in außergewöhnlicher Weise über ganz Europa ausgebreitet. König Leopold war wohl installiert in Belgien, seine Nichte war Königin von England, einer seiner Neffen Gemahl der Königin von England, ein anderer jener der Königin von Portugal, und noch ein anderer Herzog von Württemberg. Wo sollte das enden  ? Sobald unter den regierenden Familien Europas ein Platz frei wurde, schien der Coburger Familienverein (›Coburg Trust‹) bereit, eines seiner Mitglieder hinzuschicken, um ihn auszufüllen.« Der Platz Ernsts II. jedoch war in seiner Heimat, in Coburg und Gotha. Dort war auch Raum und Gelegenheit für die Entfaltung seiner künstlerischen Neigungen, insbesondere seiner Theaterleidenschaft, wozu sein Vater die äußeren Voraussetzungen geschaffen hatte. Auch diese Aktivitäten der weithin beachteten Coburger Familie fanden früh die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, und so ist in einem Artikel der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung« (AMZ), der fast am selben Tag erschien wie der eben zitierte englische, zu lesen44  : 41 »Saturday Magazine« vom 4. Januar 1840, S. 4–6, »The Duchy of Saxe-Coburg-Gotha«. 42 »Saturday Magazine« vom 4. Januar 1840, S. 6. 43 Strachey, S. 128, zitiert in der Übersetzung aus Lohausen, S. 59. 44 AMZ, Nr. 2, vom 8. Januar 1840, S. 34.

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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»Nach belgischen Journalen ist der König der Belgier ein guter Geiger, und Ernst von Sachsen-Coburg, der Bruder des künftigen Gemahls der Königin von England, ein tüchtiger Tonsetzer. Der Verlobte der Königin Victoria selbst ist ein beachtenswerther Dichter, und sein Vetter, der Gemahl der Königin von Portugal, ein geschickter Graveur.«

Kindheit, Jugend und Ausbildung

Kindheit und Jugend Ernsts II. waren bestimmt von einem durchorganisierten Erziehungsplan, der einen Großteil des Tages bestimmten Tätigkeiten zuordnete, zahlreiche Unterrichtseinheiten enthielt und körperlich wie geistig viel von dem Jungen verlangte. Diese strenge Erziehung war in Adelskreisen nichts Ungewöhnliches. Auch der Hauslehrer und Erzieher, der nicht nur Unterricht gab, sondern viele Jahre mit seinen Schützlingen lebte, entsprach der Tradition. Die Inhalte und Prinzipien jedoch, die der Lehrer vermittelte und die maßgebend vom Vater Ernst I. mitbestimmt waren, zeugten von einer Geisteshaltung, die moderner, liberaler und weltoffener war, als es in dieser Zeit in einer kleinen mitteldeutschen Residenz zu erwarten gewesen wäre. Etwas Besonderes war zudem die enge Beziehung der zwei Brüder Ernst und Albert, die aufgrund des geringen Altersunterschiedes von nur einem Jahr gemeinsam erzogen wurden. Das Fehlen der Mutter und weiterer Geschwister sowie die häufige Abwesenheit des Vaters ließ zwischen ihnen eine außergewöhnlich enge Bindung entstehen, die auch im Erwachsenenalter noch Bestand hatte. Ernst II. wurde am 21. Juni 1818 in Schloss Ehrenburg in Coburg geboren und erhielt drei Tage später in der Morizkirche die Taufe45. Bereits am 26. August 1819 kam sein Bruder Albert auf die Welt, und zwar in dem später von ihm so geliebten Schloss Rosenau46. Zu dieser Zeit wechselte der Hof regelmäßig den Aufenthaltsort  : Den Sommer verbrachte man in der Regel auf der Rosenau, den Winter im Schloss Ehrenburg. Bis die Brüder vier bzw. fünf Jahre alt waren, wurden sie von einer Kinderfrau umsorgt. Bereits im Frühjahr 1823 wurde für die beiden dann ein Hauslehrer bestellt  : Johann Christoph

45 Beyer 1894, S. 135. 46 Übrigens wurden die Brüder von derselben Hebamme entbunden, Charlotte Siebold (1788– 1859), die auch der späteren Ehefrau Alberts, Victoria, auf die Welt half. Hierzu wie zum Folgenden Wiedau, S. 4ff.

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Florschütz (1794–1882), Sohn eines Coburger Gymnasiallehrers47. Er hatte in Jena Philosophie und Theologie studiert und anschließend als Lehrer der Söhne der mit den Coburger Herzögen verwandten Familie Mensdorff-Pouilly gewirkt. Florschütz war die prägende Gestalt in der Jugend der Prinzen Ernst und Albert, als Lehrer und Vertrauter zugleich, wofür ihn Ernst später mit einer Anstellung als Bibliothekar belohnte. Florschütz erstellte im Laufe der Jahre verschiedene Stundenpläne, in denen die modernen Sprachen Englisch und Französisch einen wichtigen Platz einnahmen48. Weitere Fächer waren Geschichte, Deutsch, Latein, Religion, Mathematik, Physik, Geographie, Naturgeschichte und Chemie. Neben den Naturwissenschaften gehörten auch die Künste zum festen Kanon, welche allerdings als einzige Fächer nicht von Florschütz selbst unterrichtet wurden  : Im Zeichnen wurden Ernst und Albert von dem Hofmaler Sebastian Eckardt (1782–1846) unterwiesen, den Musikunterricht übernahm der Kammermusi­ ker Carl Siegmund Koch (1793–1875). Die Musik hatte spätestens ab 1832 einen bemerkenswerten Stellenwert inne, denn nun gab es statt drei Wochenstunden sogar täglichen Unterricht49. Im Jahr darauf wurden die Stunden in »Musik« und »Musikübungen« unterteilt, möglicherweise ist hier die praktische Unterweisung auf dem Klavier gemeint. Zu dieser breiten, relativ modernen (da wissenschaftlich ausgerichteten) Allgemeinbildung gesellten sich die für Fürstensöhne üblichen Fächer  : Tanz, Reiten, Korrespondenz etc.; Fächer, die auf das tägliche Leben am Hof vorbereiteten. Grundsätzlich war die zwischen dem Vater Ernst I. und dem Erzieher Florschütz abgesprochene Ausbildung der Jungen auf »Erhaltung und Förderung eines leiblichen und geistigen Wohles, auf Weckung der Lust zur Thätigkeit, auf Richtung des Willens zum Edlen berechnet. Als Ziel der Aufgabe galt  : Gesundheit, Brauchbarkeit und Tugend«50. So verbrachten die Brüder auch viel Zeit mit Spielen und Übungen im Freien, was sich später in Ernsts anhaltender Leidenschaft für die Jagd und den Aufenthalt im Gebirge niedergeschlagen hat. Bemerkenswert sind die regelmäßigen arrangierten Treffen der Prinzen mit Gleichaltrigen aus der Coburger Bevölkerung, bei denen gemeinsam gespielt und rezitiert wurde, gelegentlich auch verschiedene Sprachen geübt wurden51. 47 Hierzu wie zum Folgenden Wiedau, S. 18f. 48 Hierzu wie zum Folgenden Wiedau, S. 102ff. 49 Wiedau, S. 103f., auch zum Folgenden. 50 Wiedau, S. 23. 51 Wiedau, S. 23.

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Derart ständeübergreifende Kontakte scheinen für die Jungen nicht ungewöhnlich gewesen zu sein, denn es ist auch belegt, dass sie mit einem eigens engagierten französischen Kammerlakaien Französisch lernten52. Hier ist eine Bodenständigkeit und Zugewandtheit zum einfachen Volk zu erkennen, für die die Coburger Herzogsfamilie bekannt war. Als Beispiel sei an dieser Stelle die Schilderung des Gothaer Hofes um 1836 durch den deutschen Journalisten Otto von Corvin (1812–1886) genannt53, der die »elegante Ungenirtheit« in der Hofgesellschaft bewundert, vom freundlichen und ungezwungenen Wesen der Prinzen berichtet und die Bodenständigkeit ihrer Erziehung lobt54. Unter ihresgleichen brachte diese Volksnähe dem Herzogshaus viel Spott und Kritik ein, war zugleich aber die Grundlage für den späteren Erfolg Ernsts II. auf den Bühnen der Politik wie des Theaters. Florschütz’ diesbezüglicher Einfluss auf die jungen Prinzen wurde von konservativer Seite durchaus kritisiert. In einem Brief vom 11. April 183855 an Ernst I. bezeichnet Gustav von Wangenheim Florschütz als den Schuldigen dafür, dass die Prinzen »liberale Grundsätze eingesogen« hätten, was er offenbar bedauert  ; auch lege Florschütz zu viel Wert auf »philosophische Collegia«. Von Florschütz stammt auch die erste Charakterisierung des jungen Ernst, überliefert in seinen Aufzeichnungen im Staatsarchiv Coburg56  : »Der Erbprinz Ernst war ein kerngesunder, kräftiger und feuriger Knabe, offenen Blickes, rasch im Urtheil, entschieden im Ausdruck. Er trug, wie man zu sagen pflegt, das Herz auf der Zunge. Es konnte öfters vorkommen, daß er leicht aufbraus’te [sic], aber eben so leicht trat er wieder in ein ruhiges Gleichgewicht zurück und zeigte sich dann nur um so liebenswürdiger. Er besaß ein grundgutes Herz, das ihm viel Liebe erwarb und das er voll Liebe und Vertrauen allen entgegentrug, die es gut mit ihm meinten. Für seinen Bruder hegte der Erbprinz die zärtlichste Liebe. In jenen gewissen kritischen Augenblicken und zweifelhaften Fällen, welche ja nirgends ganz ausbleiben, gab er lieber nach und ordnete sich scheinbar unter, obwohl im Ganzen Selbstbeherrschung nicht gerade eine der hervorragendsten Eigenschaften seines Charakters genannt werden konnte.« 52 Wiedau, S. 24–26. 53 Vgl. Corvin, S. 154–166, insbesondere S. 157–160. 54 Corvin, S. 159  : »Ihre Erziehung war überhaupt sehr einfach und vernünftig, und da sie Beide viele natürliche Anlagen besaßen, so ist es denn kein Wunder, daß sie Männer geworden sind, welche in der Gesellschaft eine Stellung einnehmen würden, selbst wenn sie keine Fürsten wären.« 55 StACo LA A 6867. 56 StACo LA A 6866, zum Folgenden f. 1v.

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Florschütz fügt hinzu, dass sich Ernst, »ausgestattet mit den herrlichsten Eigenschaften des Geistes«57, ständig neue Herausforderungen und Aufgaben suchte, vormittags mit Wissenschaft beschäftigt war, nachmittags eher künstlerisch, vor allem mit Klavierspiel und Gesang. Zusammenfassend bemerkt er über den Erbprinzen  : »Unthätig sah man ihn kaum je.« Ein einschneidendes Erlebnis war für die Brüder der frühe Verlust der Mutter. Schon im Sommer 1824 trennten sich die Eltern, deren Ehe durch beiderseitige Untreue endgültig zerrüttet war. Nach Aufzeichnungen des Coburger Festungskommandanten und Kammerherrn Wilhelm von Schauroth (1787– 1867) versuchte die Coburger Bevölkerung sogar aktiv, die Abreise der Herzogin Luise zu verhindern (indem sie die Kutsche aufhielt) und eine Versöhnung des Paares herbeizuführen58. Doch vergeblich, die Mutter hatte sich von ihren Kindern verabschiedet und sah sie nie wieder. In der offiziellen Scheidung von 1826, die erst nach der Zuteilung Gothas an Ernst I. erfolgte59, verzichtete Luise auf ihr Erbe und das Sorgerecht für ihre Kinder. Ihre zweite Ehe mit Alexander von Hanstein, der anstandshalber zum Grafen von Poelzig erhoben worden war, wurde durch ihren frühen Tod am 30. August 1831 in Paris beendet. Auch wenn die Kinder von Adeligen und Fürsten in der damaligen Zeit sicher in größerer Distanz zu ihren Eltern lebten, als wir es heute gewohnt sind, war der Verlust und Tod der Mutter für Ernst und Albert ohne Zweifel ein prägendes Ereignis. Das beweisen auch die späteren Bemühungen der Brüder um eine angemessene Ruhestätte für ihre Mutter60. An die Stelle der Mutter traten die beiden Großmütter  : die Mutter des Vaters, Herzogin Auguste Caroline von Sachsen-Coburg-Saalfeld, deren Ableben Ernst II. in einer Zusammenfassung seiner Jugend mit »Erster großer Schmerz« kommentiert61. Sowie die Stiefmutter der Mutter, Herzogin-Witwe Karoline Amalie von Sachsen-Gotha (1771–1848), zu der vor allem Ernsts Bruder Albert bis ins Erwachsenenalter eine liebevolle und vertraute Beziehung pflegte. Als der Vater Ernst I. am letzten Tag des Jahres 1832 seine eigene Nichte Marie von Württemberg heiratete, fanden die Söhne auch in ihr eine fürsorgliche und kulturell gebildete Ansprechpartnerin, die darüber hinaus wieder mehr Lebensfreude in die Residenz gebracht zu haben scheint. Jedenfalls erinnert 57 StACo LA A 6866, f. 2v, auch zum Folgenden. 58 Wiedau, S. 16f. 59 Hierzu beispielsweise Barthel, S. 211f., im Detail. 60 Luise fand nach mehreren Umbettungen erst 1861 (fast 30 Jahre nach ihrem Tod  !) ihre endgültige Ruhestätte (hierzu Barthel, S. 227–270). 61 Ernsts Aufzeichnungen über seine Jugend (StACo LA A 6863), hier zitiert nach Wiedau, S. 17.

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sich Ernst an diese Zeit später mit den Worten  : »Vollständige Aenderung in unserem häuslichen Leben  ; Bälle und Vergnügungen aller Art.«62 Schon in jungen Jahren bewegten auch einige politische Ereignisse das L ­ eben der Prinzen. So war Ernst als Erbprinz dabei, als sein Vater am 25. Novem­ber 1826 feierlich in Gotha Einzug hielt. Der Zugewinn dieses industriell aktiven und landwirtschaftlich begünstigten Herzogtums bescherte den Coburger Herzögen vor allem finanzielle Möglichkeiten, die sie vorher nicht besaßen. Ebenso bedeutsam für die Familie war im Juni 1831 die Berufung von Ernsts und Alberts Onkel Leopold zum ersten König der Belgier. Dieser kluge und einflussreiche Mann hatte somit eine wichtige politische Position in Europa errungen, die er auch zugunsten seiner Coburger Neffen nutzte, deren familiäre Stütze und Ratgeber er bis zu seinem Tode blieb. Auch die vielen Reisen, auf denen die jungen Prinzen ihren Vater begleiteten, hinterließen bleibende Eindrücke. Trotz der aus heutiger Sicht schwierigen Umstände, unter denen selbst eine fürstliche Familie damals noch reisen musste, war die Coburger Herzogsfamilie sehr viel unterwegs. Neben den ständig wechselnden Aufenthaltsorten innerhalb des eigenen Territoriums (Ehrenburg, Rosenau, Reinhardsbrunn, Gotha, Oberhof usw.) standen auch regelmäßig weitere Reisen, ins deutsche oder fernere Ausland, auf dem Plan. Meist handelte es sich um Reisen zu Verwandten, manchmal aber auch um Bildungsreisen oder um die Vorstellung des Nachwuchses an auswärtigen Höfen. Ab 1832 waren Ernst und Albert regelmäßig auf Achse, besuchten den Onkel in Belgien, gratulierten in Schwerin dem verwandten Großherzog zum Regierungsjubiläum, präsentierten sich an den Höfen in Berlin, Dresden und Wien, dann London und Paris, und durchstreiften mit dem Vater Ungarn. Da sie seit ihrer Konfirmation an Ostern 1835 »wie vollständige Erwachsene«63 behandelt wurden, waren sie ab diesem Zeitpunkt auch ohne ihren Vater – allerdings nach wie vor unter strenger Aufsicht – unterwegs. Ihren ersten längeren Auslandsaufenthalt nahmen Ernst und Albert gemeinsam bei Leopold in Brüssel, wo sie zwischen Juni 1836 und April 1837 »Freiheitsluft«64 schnupperten. Von Brüssel aus unternahmen sie Abstecher nach Amsterdam, Leyden, London und Paris. In Brüssel selbst diskutierten sie mit ihrem Onkel, trafen politische Akteure der verschiedensten Richtungen und erfuhren erstmals die Vielfalt der politischen Meinungen und Entwicklungen. In den meisten Lebensbeschreibungen Ernsts II. wird diese Er62 StACo LA A 6863, hier zitiert nach Wiedau, S. 97. 63 StACo LA A 6863, hier zitiert nach Wiedau, S. 98. 64 Florschütz in StACo LA A 6866, f. 3v.

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fahrung in Belgien als ausschlaggebend für sein späteres Denken und Handeln in der Politik bezeichnet, die ihn liberal und weltoffen prägte65. In der Betrachtung der bisherigen Entwicklung erweist sie sich als Zusammenfassung und Verdichtung des bis dahin Erlebten, denn die Unterschiede von Ländern und Meinungen hatten die Prinzen auf ihren Reisen ja bereits kennengelernt. Auch wurden die klassischen Elemente der Prinzenerziehung bei ihrem Aufenthalt im Hause des Onkels nicht vernachlässigt. Ein Brief Ernsts I. vom 20. Februar 1836 ist erhalten, in dem er seinen Söhnen für die Brüsseler Zeit Oberstleutnant Georg von Wichmann (gest. 1861) als Gouverneur zur Seite stellt und den mittlerweile zum Geheimen Hofrat ernannten Florschütz als Studiendirektor mitschickt66. Außerdem erstellt er darin einen Ausbildungsplan für die nächsten zwei Jahre  : Der Aufenthalt in Brüssel soll ein Jahr dauern, dann soll sich ein Studium an einer Universität anschließen. In Brüssel sollen die Prinzen vor allem ihr Französisch verbessern, aber auch auf das Studium vorbereitet werden, nicht zu vergessen die »Einführung in den [sic] militairischen Wissenschaften«. Für die Universität stellt sich Ernst I. als Hauptfächer Rechtswissenschaften, dazu Politik, Statistik, Wirtschaft, Staats- und Völkerrecht vor. Auch weitere Reisen sollen geplant werden. Grundsätzlich durften sowohl Reisen als auch die Belegung von Universitätskursen nur nach Vorlage und Genehmigung des Herzogs geschehen. Außerdem erfolgt die Anweisung, dass die Prinzen mindestens einmal die Woche in die Kirche zu gehen haben. Dem Wunsch des Vaters gemäß wurden die Prinzen im Mai 1837 an der Universität Bonn immatrikuliert. Sie belegten Kurse in Englisch, Französisch, Rechtsphilosophie, deutschem Privatrecht, Staatsrecht, neuer Geschichte und Botanik67, zum Teil bei prominenten Gelehrten wie August Wilhelm Schlegel (1767–1845), Ernst Moritz Arndt (1769–1860) oder – aus der Gothaer Heimat – Clemens Perthes (1809–1867). Auch der Musikunterricht wurde nicht vernachlässigt, und nach einem anstrengenden Studientag war der Abend »in der Regel der Musik geweiht«68. Im Sommer 1837 wurden die Studien durch eine gemeinsame Reise in die Schweiz und nach Norditalien unterbrochen. 65 Auch der über Jahrzehnte wichtige Berater Christian Friedrich von Stockmar (1787–1863) hatte den Aufenthalt der jungen Prinzen in Brüssel empfohlen, da er im Studium des »constitutionellen Lebens« eine gute Schule für das Regierungshandwerk sah (vgl. Stockmar, S. 312ff.). 66 StACo LA A 6867. Zum Folgenden. 67 Dazu sind Belege erhalten in der genannten Akte StACo LA A 6867. Vgl. auch Becker 2000 und Bosbach 2013. 68 Aus einem Brief Alberts an seine Großmutter Karoline (zitiert nach Bosbach 2013, S. 45).

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Nach Beendigung des Studienjahres in Bonn kam es schließlich zur unver­ meidlichen Trennung der beiden Brüder. Sie hatten – nach Ernsts Aussage in seiner Autobiografie69 – bis zu diesem Tag im November 1838 keinen einzigen Tag getrennt verbracht  : »Und da wir auch nach unserer persönlichen Trennung im intimsten Austausch unserer Gedanken und Pläne verblieben, so darf ich sagen, daß vielleicht selbst in bürgerlichen Kreisen ein Beispiel so enger Verbindung von Brüdern nicht eben häufig vorgekommen sein mag.« Ihr Zusammenhalt hatte sie die Wechselfälle und Dramen der Kindheit und Jugend weitgehend unbeschadet überstehen lassen. Schon Florschütz hatte ja die unterschiedlichen Charaktere der Geschwister beobachtet, und so ist es wohl kein Wunder, dass der sensible Albert als hingebungsvoller Familienmensch aus dieser Kindheit hervorging, während der extrovertierte Ernst es – in der Nachfolge des Vaters – mit der ehelichen Treue nicht so genau nahm, in jeder Hinsicht sehr unternehmungslustig blieb und sich gerne mit den verschiedensten Menschen umgab, auch weil er die heimatliche Enge und Geschlossenheit nie lange aushielt. Während Ernst als Erbprinz nun die obligatorische militärische Laufbahn antrat, und zwar als Rittmeister beim Garderegiment in Dresden, wurde Albert, für den Leopold die Ehe mit der englischen Cousine Victoria anbahnte, zunächst auf eine weitere Bildungsreise nach Italien geschickt. Am 21. Juni 1839 wurden beide Prinzen in Coburg für mündig erklärt70. Damit war der Weg frei für die Verlobung Alberts mit Victoria im Oktober 1839, woraufhin beide Brüder noch einmal gemeinsam nach England fuhren. Am 10. Februar 1840 fand in London die große Hochzeit der jungen Königin von Großbritannien mit dem Prinzen aus Coburg statt. Ernst nahm selbstverständlich an den Feierlichkeiten teil und blieb noch bis 2. Mai in England, vielleicht um den endgültigen Abschied noch hinauszuzögern, vielleicht aber auch, weil er den Gegenwind spürte, der Albert als Deutschem in England entgegenwehte, und er seinem Bruder zur Seite stehen wollte. Trotz der von nun an bestehenden räumlichen Entfernung hielten die Brüder sehr engen Kontakt, diskutierten in ihren Briefen politische wie private Fragen und tauschten sich über nahezu alle Entscheidungen aus. Nur ein Teil des Briefwechsels ist veröffentlicht71, doch selbst der zugängliche Ausschnitt ist in vieler Hinsicht aufschlussreich. So äu69 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 17. Zum Folgenden. 70 Beyer 1894, S. 136. 71 Beispielsweise bei Bolitho 1933, dort 200 Briefe. Der Herausgeber ist sehr gegen Ernst eingenommen.

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ßerte Albert noch vor der bevorstehenden Trennung von seinem Bruder, dass er sich erst daran gewöhnen müsse, künftig anstelle des vertrauten »Wir« das so kalt und egoistisch klingende »Ich« auszusprechen72. Ebenso emotional schrieb Ernst einmal an seine Schwägerin, die Queen, er liebe und schätze seinen Bruder mehr als irgendjemanden auf der Welt, Albert sei sein zweites Ich und ihre Herzen seien eins73. Im selben Brief kommt auch Ernsts Anerkennung für den disziplinierten und standhaften Charakter Alberts zum Ausdruck, Eigenschaften, die er nicht im selben Maß aufweisen konnte. Dementsprechend schwierig wurden die Themen der Briefe nur wenige Monate nach der Rückkehr Ernsts nach Dresden. Als ein Beispiel für viele (in den kommenden Jahren) sei hier der Brief vom 30. Mai 184074 genannt, in dem Albert seinem älteren Bruder Vorwürfe macht wegen eines Skandals, der ihren Vater sehr erzürnt haben soll. Es handelte sich wohl um eine folgenreiche Affäre Ernsts in Dresden75. Albert will den Vater beruhigen und erklärt Ernst unumwunden, dass sein Ruf beschädigt sei. Anschließend ermahnt er ihn, in Zukunft mehr Vorsicht walten zu lassen, insbesondere auch mit Blick auf seine Gesundheit. Offenbar fühlte sich Albert, der sich nun in London in einer zwar schwierigen, aber gesicherten Position befand, für seinen noch schwankenden und orientierungslosen Bruder verantwortlich. In einem späteren Brief erwähnt er sogar, dass ihn Goethes »Werther« sehr an Ernst erinnere76. Immer wieder fordert Albert in dieser Zeit Ernst zu besserem Betragen auf, auch im Sinne der Familie77. Wenn dann der Ältere einmal empfindlich auf die deutlichen Ratschläge des Jüngeren reagiert, bietet dieser durchaus an, künftig zu schweigen78. In Wirklichkeit war ihnen beiden das völlig offene Verhältnis zueinander sehr wichtig, und Albert versichert Ernst seiner uneingeschränkten Unterstützung, wenn er auch immer wirklich ehrlich zu ihm sei79. Neben grundlegenden Ratschlägen Alberts, wie dem, sich nicht von der Meinung anderer abhängig zu 72 Zitiert bei Bolitho 1932, S. 59. 73 Zitiert bei Bolitho 1932, S. 98, auch zum Folgenden. 74 Zum Folgenden vgl. Bolitho 1933, S. 17f. 75 Andrian-Werburg (S. 218) und Jordis Lohausen (S. 87f.) nennen zwei Töchter Ernsts II. aus seiner Dresdner Zeit  : Bertha Fischer (geb. 1839, später »von Padberg«) und Helene Steinpflug (1839–1900, » von Sternheim«). Andrian-Werburg erwähnt noch Gertrud Porth (1866–1939, »von Althaus«). 76 Aus dem Brief vom 11. März 1841, zitiert bei Bolitho 1933, S. 39. 77 Zum Beispiel am 1. August 1840 (Bolitho 1933, S. 22) oder am 11. März 1841 (Bolitho 1933, S. 39). 78 Brief vom 10. November 1840 (Bolitho 1933, S. 31f.). 79 Brief vom 1. August 1840 (Bolitho 1933, S. 22).

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machen80, bezieht er auch konkret Stellung zu Ernsts aktueller Situation  : Als Ernst sich immer wieder wegen seiner Einsamkeit beklagt81 und manchmal regelrecht depressive Briefe schreibt, redet ihm Albert dringend zu, bald zu heiraten, und zwar am besten die Prinzessin von Baden82. Bemerkenswert ist dabei Alberts Formulierung, dass nur ein Leben als Verheirateter den Verlust verlorener Beziehungen aus ihrer Jugendzeit wettmachen könne83. Hier schimmert nicht nur die Trauer über die zunehmende Distanz der Brüder durch, sondern wohl auch die Erfahrung, wie wichtig der familiäre Zusammenhalt ist und wie schnell er zerbrechen kann. Während Albert sich auf eine glückliche Beziehung zu seiner Frau und eine kontinuierlich wachsende Familie stützen konnte, suchte Ernst noch nach Halt und Orientierung. Auch in ihm hinterließen die Dramen der Jugend ihre Spuren. Im Mai 1845 schreibt Albert an seinen Bruder84  : »Der Wurm, der an deinem Herzen nagt, ist das Misstrauen. Diejenigen, die dich wirklich lieben, müssen den ernsthaften Wunsch haben, diesen Schleier von deiner Seele zu nehmen. Er drängt sich zwischen dich und deine Liebsten.« Wie an dieser Stelle wird im Briefwechsel der Brüder, der bis zu Alberts frühem Tod im Jahr 1861 anhält, vieles vom Innenleben der beiden Schreiber sichtbar  : Wohl niemand hat Ernst je so gut gekannt wie sein Bruder Albert. Auch wenn er später eine gute und verlässliche Ehefrau fand  : Niemand stand Ernst je so nah wie sein Bruder. Albert war, besonders in den Jahren des jungen Erwachsenenalters, eine Stütze und ein wichtiger Ratgeber für Ernst. Albert scheint sich viel schneller in der Welt zurechtgefunden zu haben, wusste seine politischen Ansichten und Pläne durchzusetzen – unter schwierigsten Bedingungen –, ließ sich weniger ablenken und folgte beharrlich seinen strengen Prinzipien. Vielleicht auch deshalb (die sehr unterschiedliche körperliche Konstitution nicht zu vergessen) hat Albert sich im besten Alter zu Tode gearbeitet, während Ernst trotz vielfältiger Aktivitäten ein relativ hohes Alter erreichte. Eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit zwischen den Brüdern bestand im Hinblick auf ihre künstlerischen Aktivitäten. Beide hatten ja ­dieselbe Ausbildung genossen, aber während Ernst später nie von der Musik und dem Theater lassen konnte, schrieb ihm der gewohnt kritische Albert einmal  : »Persons in our position of life can never be distinguished artists. It takes the study 80 Brief vom 5. September 1840 (Bolitho 1933, S. 28f.). 81 Beispielsweise im Brief vom 22. August 1840 (Bolitho 1933, S. 25–28). 82 Brief vom 1. Dezember 1840 (Bolitho 1933, S. 35). 83 »Wedded life is the only thing that can make up for the lost relationships of our youth.« (Bolitho 1932, S. 99). 84 Brief vom Mai 1845 (Bolitho 1932, S. 156, übersetzt von der Autorin).

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of a whole life to become that.«85 Albert legte auch in dieser Hinsicht höchste Maßstäbe an und wollte nur den als Künstler gelten lassen, der sein ganzes ­Leben der Kunst widmete. Dass ihm dabei Musik selbst sehr wichtig war, bezeugt seine Ehefrau Victoria  : »Music, therefore, was to him not merely a delight­ful solace and recreation, but an art, in which the whole world of emotion and aspiration finds the most varied, and often the highest expression.«86 Aber während für Albert die Musik bzw. die Kunst (beide Brüder waren auch gute Zeichner) eindeutig nur ein Ausgleich zum anstrengenden Alltag war, gab sein Bruder Ernst der künstlerischen Betätigung in seinem Leben einen ganz anderen Stellenwert. Wie schon erwähnt, hatten die Prinzen in ihrer Jugend stets Musikunterricht und waren bei Hofe mit den Aufführungen der Hofkapelle und des Theaters konfrontiert. Da ihr Vater ein leidenschaftlicher Theatergänger war, haben die Brüder sicher viele verschiedene Werke gesehen. Auch der unmittelbare Umgang mit zum Teil äußerst qualifizierten Hofmusikern blieb nicht ohne Eindruck  : So setzte der in Coburg hochgelobte langjährige Kapellmeister Laurenz Schneider (1766–1855) ein Gedicht des neunjährigen Albert in Musik87. Zudem stand durch das rege musikalische Leben in Coburg den Prinzen eine damals schon stattliche Bibliothek an Musikalien zur Auswahl, aus vielen der überlieferten vierhändigen Ausgaben von Sinfonien und Opern haben sie wohl gemeinsam gespielt. Als sie dann ihr erstes Auslandsjahr in Brüssel verbrachten, besuchten sie dort ebenso regelmäßig das Theater und besorgten sich die aktuellen Klavierauszüge88. Zeitgenossen berichten, Ernst und Albert hätten sich zudem täglich in Gesang, Klavier- und Orgelspiel geübt89. Auch die Lehrer in den jeweiligen Fächern sind belegt  : Klavier fand bei dem belgischen Liszt-Schüler Louis Messemaeckers (1809–1889) statt, und zwar nicht weniger als 34 Stunden zwischen September und Dezember. Ihren Gesang verbesserten sie bei Jules de Glimes (1814–1881), einem belgischen Romanzenkomponisten. Theorie- und Kompositionsunterricht erhielten sie möglicherweise von Francois-Joseph Fétis (1784–1871), dem berühmtesten belgischen Musikpädagogen des 19. Jahrhunderts90. Die Qualität der Ausbildung ließ jedenfalls nicht 85 Dimond, Frances/Tayler, Roger. Zitiert nach Wiedau, S. 1. 86 Aus der von der Queen Victoria in Auftrag gegebenen Biografie Alberts von Theodore Martin, zitiert nach Betzwieser, S. 188. 87 Betzwieser, S. 192. 88 Betzwieser, S. 192. 89 Betzwieser, S. 193, auch zum Folgenden. 90 Fétis wird ausdrücklich genannt in Bevere, S. 60. Hierzu auch Betzwieser, S. 193f.

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zu wünschen übrig und wurde dann auch in der Universitätsstadt Bonn fortgesetzt. Dort mieteten Ernst und Albert sich ein Klavier und bestellten sich weiterhin die Klavierauszüge der neuesten Opern91. Auch Lieder, vor allem die des berühmtesten Sohnes der Stadt, Ludwig van Beethovens, rückten in den Fokus ihres Interesses. Beide hatten ja schon früh mit der Komposition von Liedern begonnen, die dann später auch im Druck erschienen. Ernsts erste überlieferte Stücke sind wohl ungefähr auf 1838 zu datieren92, auch Albert dürfte in dieser Zeit schon Erfahrungen als Tonsetzer gesammelt haben. Im »Allgemeinen musikalischen Anzeiger« vom 13. August 184093 ist eine Anzeige zu finden, in der für neu erschienene Lieder und Balladen (mit Klavier) von Ernst und Albert geworben wird, die gerade neu bei Colburn in London erschienen waren, und zwar ganze 42 Seiten, ins Englische übersetzt. Ein nicht unbedeutender Musiklehrer für die beiden in Bonn war Heinrich Carl Breidenstein (1796–1876), Universitätsmusikdirektor, der akademisch nicht sehr erfolgreich, aber im öffentlichen Musikleben von gewisser Bedeutung war94. Zwar nahmen die Prinzen erst ab dem dritten Semester Unterricht bei ihm, also nur wenige Monate, aber dafür fand der Unterricht gleich viermal in der Woche statt95. Im Coburger Staatsarchiv finden sich unter den »Vorlesungsheften des Erbprinzen Ernst aus der Bonner Studienzeit 1837/38« im Band 8 unter »Varia« auch Aufzeichnungen zur Musiktheorie96. Es handelt sich nur um sechs Seiten, also wohl nicht um alle Aufzeichnungen zu diesem Fach. Aber immerhin geht aus der klaren Struktur deutlich hervor, dass sich Breidenstein über Aufbau und Ordnung der Musiklehre Gedanken gemacht hat. Die Gliederung lautet  : »Erstes Buch / Die Lehre von den Mitteln der Tonkunst«, dann »Erster Abschnitt / Die Lehre von Klang und Ton«. Sehr schlicht und sachlich erscheint darin die Definition unter §I  : »Die Musik ist die Kunst durch das Mittel zweckmäßig verbundener Klänge, Gefühle und Empfindungen dazustellen und zu erzeugen.« Das »Zweite Buch« enthält Grundsätze der Harmonielehre, auch diese sehr allgemein und streng theoretisch formuliert  : »§VIII. Es gibt streng genommen ebensoviel mol [sic] Tonarten als dur Ton [sic]«. In den folgenden Abschnitten werden die Intervalle erklärt und die wichtigsten Akkorde eingeführt, nach der Erwähnung des Quartsextakkordes 91 Betzwieser, S. 195. 92 Betzwieser, S. 203. 93 »Allgemeiner musikalischer Anzeiger«, 12. Jg., Nr. 33, vom 13. August 1840, S. 132. 94 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Betzwieser, S. 196–199. 95 Vgl. Bosbach 2013, S. 54. 96 StACo LA A 6876. Zum Folgenden.

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brechen die Aufzeichnungen ab. Angesichts des langjährigen Musikunterrichts in ihrer Jugend dürften diese Lektionen nichts Neues für Ernst und Albert enthalten haben. Was darüber hinaus noch im Unterricht geschah, ist aber bisher nicht bekannt. Umso interessanter sind daher die Äußerungen über Breiden­ steins Musikvorlesungen in einem Artikel der »Berliner Allgemeinen Musi­ kalischen Zeitung« vom 6. Februar 182897. Dort wird von seinem (ersten  ?) Vorlesungszyklus über die Theorie der Musik an der Universität Bonn berichtet. Der Autor des Artikels, Carl Wilhelm Guhr (1787–1848), hatte offenbar selbst daran teilgenommen und wundert sich zu Beginn seiner Ausführungen erst einmal über den Anspruch Breidensteins, mit seinem Unterricht Dilettanten und Musiker aller Ausbildungsstufen erreichen zu können. »Und es geschah auch wirklich so  ; ja es fanden sich nicht nur ausser mehrern Musikern vom Fach, Dilettanten, sondern, der Einladung gemäss, auch Damen ein.«98 Doch trotz des ungewöhnlichen Publikums waren Breidensteins Bemühungen von Erfolg gekrönt, wie Guhr unumwunden zugibt. Die anschließende Gliederung der Vorlesung, die der Autor wiedergibt, entspricht ziemlich genau den Aufzeichnungen Ernsts in seinem Studienheft. Nur die von Breidenstein recht ausführlich dargelegte Instrumentenkunde ist bei Ernst mit keinem Wort erwähnt. Ausdrückliches Lob spricht Guhr dem Professor für seine umfangreichen Hinweise auf die musiktheoretische Literatur aus99, ein Beleg dafür, dass Breidenstein eine fundierte Lehre verbreitete und nicht nur seine eigenen Ansichten. Die Kapitel, die in Ernsts Aufzeichnungen fehlen, waren offenbar Kontrapunkt, musikalische Gattungen und musikalischer Stil sowie Fragen zu Vortrag und Aufführung von Musikstücken. Abschließend fällt Guhr ein durchaus positives Urteil über Breidensteins Vorlesungen  : »Herr B. hat sich überall nicht nur als einen tüchtigen und gründlichen Theoretiker zu erkennen gegeben, sondern es auch an den Tag gelegt, wie sehr es ihm darum zu thun war, seinen Zuhörern durch diese Vorlesungen nützlich zu werden. Aus der ganzen Art und Weise seines Vortrags ging es deutlich hervor, dass seine Vorlesungen die Frucht eines gründlichen, langen und fleissigen Studiums sind«100. Besonders hebt Guhr noch die Qualität des freien mündlichen Vortrags hervor, mit der Breidenstein seine Zuhörer fesselte. Angesichts dieser Schilderung einer an den Studenten wie an der Sache wirklich interessierten und aufgeschlossenen Persönlichkeit  97 Berliner AMZ, 5. Jg., Nr. 6, vom 6. Februar 1828, S. 45–48.  98 Berliner AMZ, 5. Jg., Nr. 6, vom 6. Februar 1828, S. 45.  99 Berliner AMZ, 5. Jg., Nr. 6, vom 6. Februar 1828, S. 46. 100 Berliner AMZ, 5. Jg., Nr. 6, vom 6. Februar 1828, S. 47, zum Folgenden auch S. 48.

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kann man sich gut vorstellen, dass Ernst und Albert, die ja erst einige Jahre später zu ihm kamen, sich gut mit diesem Professor verstanden haben müssen. Einige Hinweise auf eine gute Beziehung der Brüder zu ihrem Lehrer gibt es. So lobt Breidenstein in einem Brief an Albert vom Oktober 1838 dessen Liedkompositionen und bringt zum Ausdruck, dass er ihn gerne länger als Lehrer begleitet hätte101. Als Zeichen der Anerkennung ist auch zu interpretieren, dass Breidenstein zwei Texte, die Ernst verfasst hatte (»Harfenmann«, »Beruhigung«), in Musik setzte102. Mit der Trennung der Brüder und dem Umzug Alberts nach England entfiel die unmittelbare gegenseitige Motivation zur künstlerischen Betätigung. Das gemeinsame Interesse der beiden erlosch damit keineswegs, entwickelte sich jedoch – auch aufgrund der äußeren Gegebenheiten – sehr unterschiedlich. Albert veröffentlichte in verschiedenen Ausgaben seine Lieder103, vielleicht auch, um sich in England zum schwierigen Beginn seiner Amtszeit bei den Untertanen einen guten Ruf zu verschaffen. Außerdem hielt er seinen Bruder in Coburg über musikalische Ereignisse am Londoner Hof auf dem Laufenden und gab auch selbst das Komponieren nicht ganz auf. Beispielsweise berichtet Albert in einem Brief vom 26. Januar 1844, als er sich nach dem kranken Vater erkundigt, von einem von ihm geschriebenen »Te Deum«, das er an Weihnachten für den englischen Gottesdienst komponiert habe und das man mit Orgelbegleitung singen könne104. Auch Ende Januar 1845 sandte Albert noch einmal einige Kompositionen von eigener Hand nach Coburg105. Doch schon im Juni 1845, als die Planungen für einen Besuch des englischen Königspaares in Coburg ins Detail gingen, passte sich Albert dem Geschmack seiner Frau an und bat für die Abende vor allem um Schauspiel und Komödien im Theater106. Die unterschiedlichen musikalischen Vorlieben Victorias und Alberts finden auch Erwähnung in der amüsanten Schilderung, die Richard Wagner (1813–1883) von seinem Besuch in London 1855 an seine erste Frau Minna (1809–1866) schreibt107  : »[Die Königin] liebt Instrumental-Musik nicht, und 101 Betzwieser, S. 200f. 102 Betzwieser, S. 205. 103 Betzwieser, S. 203. 104 Bolitho 1933, S. 67f. 105 Brief vom 29. Januar 1845 (Bolitho 1933, S. 77). 106 Brief vom 28. Juni 1845 (Bolitho 1933, S. 80). – In der »Berliner musikalischen Zeitung«, Nr. 37, vom 13. September 1845, wird allerdings von Meyerbeers »Hugenotten« und Reißigers »Adele de Foix« berichtet, die während des Besuchs der Queen in Coburg gespielt wurden. 107 Pangels, S. 145f.

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wenn sie so ein langes Konzert besucht …, tut sie das nur ihrem Manne zulieb, der mehr Musik treibt und die deutsche Instrumentalmusik sehr gern hat.« Übrigens vererbte sich Alberts musikalisches Interesse zumindest auf seinen zweiten Sohn Alfred (1844–1900), wie aus einem Brief Alberts von 1857 hervorgeht108. Darin berichtet der Vater, Alfred sei von bemerkenswerter Sturheit (»perseverence«), was man auch daran erkennen könne, dass er heimlich Geige spielen gelernt habe und es nun nicht mehr lassen wolle. Ernst dagegen genoss das kulturelle Leben in seiner Zeit in Dresden in vollen Zügen, suchte den Kontakt zu Musikern und Komponisten und kam hier »zum ersten Male auch mit der besondern Welt des Theaters in Berührung«109. Ein wichtiger musikalischer Ratgeber wurde der Dresdner Hofkapellmeister Carl Gottlieb Reißiger (1798–1859), der sowohl durch seine katholische Kirchenmusik als auch durch seine Opern bekannt war und 1842 erstmals Wagners »Rienzi« zur Aufführung brachte110. Doch er war bei weitem nicht der einzige musikalische Kontakt des jungen Erbprinzen, der nach eigenen Angaben auch Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) und Robert Schumann (1810–1856) mehrfach in Leipzig traf111. In seinen Dresdner Jahren knüpfte Ernst viele Verbindungen, auf die er später – als Herzog und de facto als Theaterleiter – wieder zurückgreifen konnte. So erwähnt er selbst in seinen Memoiren die berühmten Schauspieler Eduard und Emil Devrient, die aus einer erfolgreichen Künstlerfamilie stammten und in ganz Deutschland Theater spielten bzw. leiteten. Im Rückblick112 erscheinen diese Jahre in Dresden für Ernst als eine besonders glückliche und weitgehend unbeschwerte Zeit, in der er »mitten im Strome von Kunst und Litteratur« lebte und seinen Neigungen ungehemmt frönen konnte. Möglicherweise in Erinnerung an sein Musikstudium in jungen Jahren hat Ernst selbst später einmal eine Art Vorlesung über Musik gehalten113  : In der Akte LA A 7389 im Coburger Staatsarchiv ist ein umfangreiches Skript von ihm überliefert, in dem er einen detaillierten »Ueberblick über die Geschichte 108 Undatierter Brief aus dem Jahr 1857 (Bolitho 1933, S. 169f.). 109 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 73. Auch zum Folgenden. 110 Von Reißiger liegen auch drei Briefe in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg. 111 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 73. Auch zum Folgenden. 112 Im Rückblick des Herzogs selbst, d. h. in seinen Memoiren (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 73. Zum Folgenden.). 113 Die einleitenden Worte, in denen sich Ernst an die »liebenswürdige Versammlung« und seine »verehrten Zuhörer« wendet, weisen darauf hin.

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dieser unserer Lieblingskunst« gibt114. Wie groß der Anteil des Herzogs selbst an der Erstellung des mit vielen Einzelheiten gespickten Textes ist, lässt sich leider nicht mehr ermitteln. Da er aber auch sehr viel an persönlicher Meinung und Urteile aus eigenem Geschmack enthält, ist eine Zuordnung zur Person Ernsts als Künstler (und Kritiker) hier unzweifelhaft. Seine Ausführungen beginnen mit einfachen, aber nicht unwichtigen Worten  : »In der Musik, wie in allen Künsten, wie in der Dichtung und der Wissenschaft, hat der Zeitgeist auch seinen Spiegel gefunden. Ueberall begegnen wir der Einwirkung der zeitweiligen socialen Verhältnisse. Was in dem einen Jahrhundert entzückte, genügte kaum mehr dem darauf folgenden. Ruhm und vermeintliche Unsterblichkeit des künstlerischen Namens, sind, wie ich schon neulich sagte, so wie Beurtheilung und höhere Kritik, auch der Mode unterworfen. Daher Nachsicht der Vergangenheit, Nachsicht der Gegenwart, und vor Allem Nachsicht mit meinem schwachen Erzählertalent  !« Die für Ernst typische Koketterie, mit der er sein Dilettantentum eingesteht, beiseitegelassen, offenbaren diese Äußerungen eine durchaus wissenschaftliche Betrachtungsweise der Kunst. Die Rela­tivierung des Erfolges sowie der Bezug zu den jeweils aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen sind auch für Ernst selbst als Komponisten von Bedeutung. Hinzu kommt das Bemühen um einen angemessenen Umgang mit der Vergangenheit, der sich auch in Aufbau und Erweiterung der naturwissen­ schaftlichen und Kunstsammlungen Ernsts in seinen Residenzstädten zeigt. Während er also grundsätzlich eine für die damalige Zeit moderne, eher objektive Herangehensweise an die Wege und Mittel der Kunst im Allgemeinen pflegt, scheut Ernst in der konkreten Betrachtung einzelner Komponisten und Stile nicht vor klaren, harten Urteilen zurück. So findet er, dass die Barockoper durchgehend nur Mittelmäßiges geliefert habe, während er Mozart als fruchtbarsten Komponisten und ersten Höhepunkt der Musikgeschichte schildert. Beethoven und Weber sind für ihn die Stützen der deutschen Romantik, wobei Webers Musik nach seiner Ansicht sowohl für Wagner wie auch für Meyerbeer grundlegend war. Er lobt Giacomo Meyerbeer (1791–1864)  : »Meyerbeer hat viele gleichgesinnte und gleichbegabte Komponisten zur Seite  ; – aber keiner hat ihn übertroffen.« Er betont, dass Franz Liszt (1811–1886) für ihn nicht als Komponist, sondern als Virtuose von Bedeutung sei. Er schwärmt nicht von Wagner, aber lobt ihn dafür »den letzten Rest des Zopfes aus dem vorigen Jahr-

114 StACo LA A 7389, f. 28–54v (zweites Exemplar), leider nicht datiert, zum folgenden Abschnitt.

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hundert« abgeschnitten zu haben115. Mendelssohn ist für Ernst »unbestritten der größte Musiker unserer Zeit«, der stets »seine eigenen Bahnen« gezogen habe. Und in Bezug auf die Oper (und damit wohl auch auf seine eigenen Bühnenwerke) stellt er fest  : »Die Musik lebt ein kurzes Leben und am Schnellsten ist ihr Verbrennungs=Prozeß auf der Bühne.« Noch einmal ging Ernst im Sommer 1840 auf eine große Reise, diesmal nach Portugal, Spanien und Nordafrika. Mehr als nur das Abenteuer suchte er – nun ohne seinen Bruder – die Begegnung mit fremden Völkern und Kulturen, informierte sich intensiv über Probleme der Regierung und scheute nicht vor unbequemen Reiseabschnitten zurück, um dem jeweiligen Land wirklich nahezukommen. Als Ergebnis verfasste er eine »Denkschrift«, und zwar über die politischen Verhältnisse in Portugal. Es war die erste Denkschrift von vielen, in denen er im Laufe seines politischen Lebens seine Eindrücke und Argumente festhielt, die er manchmal drucken und verbreiten ließ und mit denen er Herrschern und Politikern bis hinauf zum Kaiser gelegentlich auch auf die Nerven ging. Als unvermeidlicher nächster Schritt in seiner vorgezeichneten Laufbahn musste nun Ernsts Verheiratung folgen. Nach reiflicher Überlegung und nicht zuletzt auf Empfehlung seines Bruders entschied sich Ernst für die Prinzessin von Baden Alexandrine (1820–1904). Sie war die älteste Tochter des Prinzen und späteren Großherzogs Leopold von Baden (1790–1852) und dessen Frau Sophie Wilhelmine (1801–1865), der Tochter des Königs Gustav IV. Adolf (1778–1837) von Schweden116. Am 3. Mai 1842 wurde die Hochzeit des Erbprinzen Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha mit der Prinzessin Alexandrine von Baden in Karlsruhe gefeiert. Auch wenn die Ehe kinderlos blieb und Ernst eine ähnliche Auffassung von der ehelichen Treue gehabt zu haben scheint wie sein Vater, waren die Eheleute offenbar nicht unglücklich miteinander. Ihr Hochzeitsdatum war in den folgenden Jahrzehnten oft Anlass für Festkonzerte und Sondervorstellungen im Theater. Alexandrine stammte aus einem Fürstenhaus, dessen Haltung der Coburger Familie ihres Mannes nicht unähnlich war. Über ihren Vater Leopold schrieb der Theologieprofessor Karl Ullmann (1796–1865) von der Universität Heidelberg117: »Die schönsten und wirksamsten Vorzüge, die ihn schmückten, 115 Interessanterweise vergleicht er ihn mit dem Begründer der Homöopathie, Dr. Samuel Hahnemann (1755–1843)  : Beide hätten ihre jeweiligen Berufswelten in den Grundfesten erschüttert und dadurch auch Gutes bewirkt, aber der Sturm um sie werde bald nachlassen und nicht viel von ihnen bleiben. 116 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Schreiber. 117 Schreiber, S. 8f.

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beruhten auf der innigsten Verschmelzung des Menschlichen mit dem Fürstlichen. Wenn schon überhaupt bei rechter Verwaltung des Herrscheramts das menschlich Persönliche stets seine höchste Bedeutung behaupten wird, so war dies ganz besonders bei Großherzog Leopold der Fall. In ihm war der Fürst, weit entfernt, etwas Abgesondertes zu sein, nur der mit Macht und Würde ausgestattete, edle, liebevolle Mensch.« Ähnlich menschlich sah Ernst seine Alexandrine bei ihrer ersten Begegnung im Herbst 1840, als Ernst als sächsischer Offizier bei einem Manöver in Schwetzingen weilte  : Alexandrines »ungekünstelte Natürlichkeit« habe ihm sofort gefallen118. Nachdem zwei Jahre später endlich die Vermählung stattgefunden hatte, wählte Ernst das idyllisch gelegene Schloss Callenberg gemeinsam mit Alexandrine als ihre Residenz. Allerdings blieben die Jungvermählten nicht lange im trauten Heim, sondern unternahmen 1842 und 1843 sogleich einige Reisen, zu den Verwandten in Belgien und England sowie zur Vermählung des Coburger Prinzen August mit der Prinzessin Clémentine von Orléans (1817–1907) in Paris119. Der Begeisterung für gemeinsame Reisen blieben beide ihr Leben lang treu, wovon die umfangreichen Reisetagebücher zeugen. Sogar auf die abenteuerliche Expeditionsreise nach Ägypten im Jahr 1862 durfte Alexandrine ihren Mann begleiten. Eine weitere starke Verbindung zwischen Ernst und Alexandrine schuf ihr gemeinsames Interesse an Kunst und Wissenschaft. Alexandrine war eine sehr gute Klavierspielerin und unterstützte Ernst bei der Komposition seiner Werke. Sie war nach Meinung von Zeitgenossen »dem reich begabten, erlauchten Gemahl geistig vollkommen ebenbürtig«120, blieb aber ihrer Rolle entsprechend lieber im Hintergrund. Da sie keine Kinder bekam, widmete sie sich intensiv der Wohltätigkeit gegenüber den Untertanen, wobei sie sich auch mit ihrer Schwiegermutter Marie sowie der Gothaer Herzoginwitwe Karoline Amalie zusammentat121. Sie versuchte, nach Missernten der leidenden Bevölkerung zu helfen, kümmerte sich um verwundete Soldaten in den Kriegen von 1866 und 1870/71 und unterstützte eine beträchtliche Anzahl an gemeinnützigen Vereinen und Institutionen. Dies trug ihr große Beliebtheit im Volk ein, auch wenn sie aus gesundheitlichen Gründen in den letzten Lebensjahrzehnten völlig zurückgezogen auf Callenberg und in Nizza lebte.

118 Schreiber, S. 12, zitiert aus Ernsts Memoiren. 119 Hierzu Schreiber, S. 16f. 120 Schreiber, S. 24. 121 Hierzu Schreiber, S. 20f., auch zum Folgenden.

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Der junge Herzog

Nach dem überraschenden Tod seines Vaters übernahm Ernst II. am 29. J­ anuar 1844 die Regierung. Er hatte sich an der Seite seines Vaters bereits in die Geschäfte eingearbeitet und trat mit klaren Zielvorstellungen für seine politische Arbeit an  : »Es galt vor allem mit dem Herzogthum Koburg Friede zu machen, die unfruchtbaren Streitigkeiten mit den Ständen zu schlichten, das Fort­leben des constitutionellen Wesens zu ermöglichen und dem gierigen Bestreben, das Domänen- und Familieneigenthum des Hauses diesem zu rauben, ein Ziel zu setzen und für alle Zeiten mit dem Landtage des Herzogthums ein endgültiges Abkommen zu treffen.«122 Ernst II. wusste, dass es nicht einfach werden würde, die beiden sehr verschiedenen Landesteile zusammenzuhalten und zu modernisieren  : »Der patriarchalische Staat war vernichtet, das niedere Volk hatte aber, außer ideellen, noch keine Vortheile von dem neuen Staatswesen, wie es sich überhaupt in einem kleinen Staate, vorausgesetzt, dass der Landesherr wohlmeinend und thätig ist, bei dem patriarchalischen System im ganzen weit besser befindet.«123 Der junge Herzog war also einerseits völlig im »patriarchalischen System« verwurzelt und zweifelte daher auch nie ernsthaft an seiner Position und deren Bedeutung, erkannte aber andererseits die Zeichen der Zeit und wusste, dass er ohne Reformen weder die wichtige Verbindung zu seinen Untertanen aufbauen noch für ein wirtschaftliches Gedeihen seines Landes sorgen konnte. Auch wollte er von Anfang an selbstbewusst und eigenständig in der deutschen Politik auftreten, sich an den Höfen in Wien und Berlin einen guten Stand erarbeiten und sich dabei nicht nur auf seine zahlreichen mächtigen Verwandten berufen124. Wie ernst es ihm mit seinen Veränderungen war, zeigte schon 1845 der Rücktritt seines Staatsministers Ferdinand von Lepel (1779–1873), der wiederum in seinem Rücktrittsgesuch die Gegensätze zwischen seiner konservativen und der Haltung des jungen Herzogs hervorhebt125  : »Ew. Hoheit neigen stark auf die liberale Seite, ich bin monarchisch und konservativ durch und durch. […] Ew. Hoheit sind rasch in ihren Entschlüssen und möchten sie ebenso rasch ausgeführt sehen  ; ich huldige der Maxime Eile mit Weile. […] Ew. Hoheit lassen sich von Eindrücken 122 Schmidt-Weißenfels, S. 34. 123 Schmidt-Weißenfels, S. 36 (Hervorhebungen wie im Original). 124 So beschreibt es Ernst II. rückblickend (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 114–116). 125 Aus dem Rücktrittsgesuch von Lepels (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 123–125).

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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des Augenblicks leicht zu Ausnahmen verleiten, ich bin consequent bis zum Eigensinn. Ew. Hoheit möchten alle Bedenken und Hindernisse beseitigt sehen, ich erblicke deren aber überall und zögere deshalb mit den Verfügungen. Gleichwohl bin ich zu alt um mich zu ändern.« Das vorwärtsdrängende, zupackende Wesen Ernsts II., das sich unmittelbar in Umstrukturierung und Neuorganisation seiner Verwaltung niederschlug, überforderte die Beamten der »alten Schule« – übrigens vor allem auch in Gotha, wo der junge Herzog mit deutlich mehr Widerstand zu kämpfen hatte als in Coburg126. Aber Maßnahmen wie beispielsweise die Trennung von Staats- und Privatfinanzen oder die Förderung des Baus der Eisenbahn in Coburg-Gothaer Landen (eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Handel und Industrie in der Region127) waren letztendlich ausschlaggebend dafür, dass Ernst II. die politischen und gesellschaftlichen Turbulenzen der kommenden Jahrzehnte unbeschadet überstand. In seiner Entschlossenheit zur Reform wurde er übrigens unterstützt von seinem Onkel Leopold, der ihm – wie zu allen wichtigen Lebenswenden – auch zum Regierungsantritt 1844 einen mit moralischen Ermahnungen gespickten Brief aus Brüssel geschrieben hatte128  : »Deine Stellung ist eine irdisch sehr glückliche, sie ist überdies nützlich, denn sie übt einen directen Einfluß auf eine nicht unbedeutende Menge Menschen aus, und als Deutscher Fürst kannst Du persönlich auch eine Rückwirkung auf die größeren Verhältnisse Deutschlands ausüben. Zu diesem Allen ist es wünschenswerth, so viel wie möglich in all und jedes Verhältniß, das Dich betrifft die größte Gediegenheit und Wahrheit zu bringen.« Doch bei einer Reform der Organisationen und einer Ausrichtung an libe­ ralen Prinzipien ließ es Ernst II. nicht bewenden, er wollte wieder »ehrlich ­deutsch«129 werden. In einer Antwort an seinen Onkel in Belgien formulierte der junge Herzog130  : »Wir haben uns selbst am meisten geschadet. Wir haben es selbst dahin gebracht, daß wir uns nie mehr als deutsche Bundesfürsten aus einem der ältesten deutschen Häuser, sondern meist nur als Anverwandte der hohen westlichen Monarchen gerirten, daß Coburg als Sitz aller undeutschen, dem Bunde entgegenwirkenden Intrigen, als der Sitz des im Westen verbreiteten Ultraliberalismus angesehen und als ein verrufener Ort verschrieen wird.« 126 Hierzu beispielsweise die Äußerungen Ernsts II. in Schmidt-Weißenfels, S. 36. 127 Näheres hierzu bei Reinhart, S. 6. 128 Zitiert nach Scheeben, S. 73. 129 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 115. 130 Zitiert nach Brütting, S. 34.

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Das zentrale Wort ist hier »undeutsch«  ; denn für Ernst II. war das wichtigste Ziel aller politischen Bestrebungen die Ausbildung eines Bewusstseins für »das Deutsche«, die letztendlich in die Bildung eines vereinten und dadurch mächtigen deutschen Staatsgebildes münden sollte. Wieder »ehrlich deutsch« zu werden hieß für Ernst II., nicht nur selbst tätig zu werden, sondern auch allen anderen in diesem Sinne politisch Aktiven – welchen Standes auch immer – in seinem kleinen Land eine Heimat zu geben. Politisch Verfolgte wie Gustav Freytag (1816–1895)131, Karl Philipp Francke (1805–1870)132, Karl Samwer (1819–1882)133 oder Karl Mathy (1807–1868)134 waren Zeugen der liberalnatio­nalen Haltung des Herzogs, der sich mit dieser Politik starker Kritik von allen Seiten aussetzte. Zeit seines Lebens blieb Ernst II. seinen politischen Prinzipien treu und handelte auch danach, selbst wenn er deswegen bisweilen als eigensinnig oder gar größenwahnsinnig verschrien wurde. Sogar in der Familie erntete der Herzog später Spott und Kritik für seine Personalpolitik, in der er natürlich nicht immer nur Glücksgriffe tat. »Der herzogliche Hof von Koburg erfreute sich zu jener Zeit keines rühmlichen Ansehens. Die Lebensweise des regierenden Fürsten, Herzog Ernst von Sachsen-Koburg und Gotha, zog Abenteurer, Komödianten und andere zweifelhafte Existenzen an, deren Charakter und Betragen besser ungeprüft bleibe«135, schrieb die spätere Königin Maria von Rumänien (1875–1938), geborene Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, die allerdings auch sonst in ihren Memoiren kein gutes Haar an ihrem Großonkel Ernst II. ließ. Andererseits wirkte der bald weit verbreitete Ruf des liberalen Herzogs natürlich auch anziehend auf alle Gleichgesinnten (oder solche, die sich dafür hielten). Selbst in den Theater(!)-Akten des Staatsarchivs ­Coburg sind unzählige Bittschreiben an den Herzog überliefert, wie das des jungen Fritz Helmerding (1859–1947)136, der 1881 in Hamburg vom Thalia-­ Theater abberufen und zum dreijährigen Militärdienst eingezogen worden war, den er nun am liebsten im Regiment des Herzogs ableisten wollte, da ihm 131 In Preußen verfolgt wegen seines Engagements im politisch-literarischen Verein, Redakteur der »Grenzboten«. 132 Aus Schleswig-Holstein verbannt, 1851 als Regierungspräsident nach Coburg gerufen. 133 Von seiner Professur in Kiel vertrieben, zunächst Bibliothekar, dann ab 1859 im Staatsministerium in Gotha. 134 Ein Liberaler aus Baden, 1858 kurzzeitig der erste Direktor der Gothaer Privatbank. – Näheres zu den Genannten bei Brütting, S. 34ff. 135 Zitiert nach Jordis Lohausen, S. 115. 136 Schreiben vom 4. Oktober 1881 (StACo Theater 3042). Fritz Helmerding war der Sohn des bekannten Schauspielers Carl Helmerding (1822–1899).

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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­dessen Vorliebe für die Kunst zu Ohren gekommen war. So war Herzog Ernst II. von Beginn seiner Regierungszeit an eine umstrittene Persönlichkeit, da er sich nicht scheute, frei und selbst zu entscheiden, mit wem er sich umgeben wollte. Ein gutes Jahr nach seinem Regierungsantritt konnte Ernst II. einen Großteil seiner bedeutenden Familie in Coburg begrüßen137. Im August 1845 kamen neben der Familie seines Bruders Albert, der mit seiner Gattin Victoria erschien, auch sein Onkel König Leopold mit Gattin Louise Marie, sein katholischer Onkel Ferdinand mit Sohn Leopold (1824–1884), seine Tante Juliane (deren Lebensgeschichte Vorbild für eine seiner Opernfiguren werden sollte), sein Cousin Alexander von Mensdorff-Pouilly (1813–1871) mit Söhnen, sein Schwiegervater und sein Schwager, Großherzog Leopold und Prinz Friedrich von Baden (1826–1907), sowie seine Stiefmutter, Herzogin Marie von Coburg, mit ihren Brüdern Alexander (1804–1881) und Ernst (1807–1868) von Württemberg zu einem großen Familientreffen zusammen. Die hohen Gäste wurden mit drei Festvorstellungen im Hoftheater geehrt138, der Geburtstag Alberts am 26. August mit einem Hofkonzert gefeiert, in dem auch je ein von Ernst bzw. Albert komponiertes Duett zur Aufführung kam. In den folgenden Jahren 1846 und 1847 verstärkte Ernst II. weiterhin seine politischen Aktivitäten, begab sich regelmäßig an den preußischen Hof nach Berlin und leitete weitere Reformen in seinen Ländern ein, wie beispielsweise eine eigene Verfassung für Gotha sowie die Aufhebung von Beschränkungen der Presse, in der Jagd und Ähnliches mehr. Außerdem nahm er sich Zeit für ausgiebige Reisen und besuchte – außer aus politischen Motiven auch getrieben durch sein großes Interesse für fremde Länder und Kulturen – im Jahr 1846 Frankreich, Spanien, Portugal (mit einem kurzen Abstecher für eine Wanderung in der Landschaft Nordafrikas) und anschließend England. Im turbulenten Revolutionsjahr von 1848 hatte selbst der sonst so ungeduldige und bewegliche junge Herzog Mühe, mit dem Tempo der Ereignisse Schritt zu halten. »Den Sturz der französischen Herrschaft erlebte ich noch in England, und Tag und Nacht nach Deutschland zurückeilend, traf ich gerade zur rechten Zeit in Gotha ein, um noch in der Nacht meiner Ankunft durch Proclamationen und Erlasse dem stürmischen Volk zuvorzukommen, welches nun im Taumel der Revolution diejenigen Reformen erzwingen zu 137 Zum Folgenden u. a. Ebart, 100 Jahre, S. 29f. 138 Ebart, 100 Jahre, S. 29f. nennt die Oper »Die Hugenotten« von Meyerbeer, das Trauerspiel »Die Braut von Messina« von Schiller und das Lustspiel »Zopf und Schwert« von Gutzkow. Alle Aufführungen seien von der Queen sehr gelobt worden.

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müssen glaubte, die ich während vier Jahren umsonst in Ruhe auszuführen mich bestrebt hatte.«139 Zwar konnte Ernst II. später in seinen Memoiren zu Recht behaupten, er sei einer von denen gewesen, »welche die Revolution auch in unseren Ländern vorhergesehen haben, aber was auch mir unerwartet erschien, war die Allgemeinheit ihrer Leistungen und die Gleichzeitigkeit ihres Auftretens in großen und kleinen Staaten und Städten. Am überraschendsten war mir der vollständige Mangel jeglicher Widerstandskraft der Regierungsgewalten und die Hilflosigkeit, mit welcher sich die ganze Gesellschaft, hoch und niedrig, einestheils von den thörichtsten Wahngebilden, anderntheils von den lähmendsten Schreckgestalten gleichsam gefangen nehmen ließ. […] In den meisten Staaten entfiel den regierenden Herren das Heft plötzlich, unvermittelt und hilflos aus den Händen.«140 Doch er, der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, behielt trotz gärender Unruhe in beiden Landesteilen die Macht fest in den Händen, indem er ohne zu zögern die fünf wichtigsten Forderungen der Revolutionäre unterstützte141  : Pressefreiheit, die Einführung von Schwurgerichten, Volksbewaffnung, Vereinsfreiheit sowie ein deutsches Parlament. In Gotha unterzeichnete er – wie beschrieben – noch in der Nacht seiner Rückkehr einen diesbezüglichen Erlass. Einige Tage später musterte er eine neu gegründete Bürgergarde142 und bereits im Mai gab es wieder einen Fackelzug zu seinen Ehren143. Als sich im Juli des Jahres mehrere Bürgerwehren, u. a. aus Eisenach und Weimar, in Gotha versammelten, zögerte der Herzog nicht, sich beim geselligen Beisammensein unter die Menschenmassen zu mischen144. In Coburg überreichten mehrere Bürger dem Coburger Magistrat eine Petition an den Herzog, in der sie die genannten Forderungen stellten, sich aber zugleich bei ihrem Herzog ob seiner »edelmüthigen Regierung« bedankten145. Ernst II. wiederum antwortete mit einer Proklamation an sein Volk, in der er es für dessen »ruhige gesetzliche Haltung« und Gesinnungstreue lobte und für den 139 Ernst II. in seinem Schreiben an Schmidt-Weißenfels, ebd. S. 37. 140 Ernst II. in seiner Autobiografie (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 189). 141 Einen guten Überblick zu den »Märzforderungen« 1848 sowie zur weiteren Entwicklung bis zur Reichsgründung bietet Fesser 2002, S. 101–110. Außerdem Jonscher 1993, S. 165–172, und Jonscher 1994. 142 Diese sollte für die Stadt keine unwichtige Rolle spielen, da sie immer wieder kleinere Ausschreitungen beendete und im November 1848 einen Zusammenstoß zwischen der Bevölkerung und einquartierten sächsischen Truppen verhinderte (Schlegel, S. 72). 143 Schlegel, S. 70. 144 Schlegel, S. 71. 145 So berichtet es Ernst II. (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 197f., auch zum Folgenden).

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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2. April eine Ständeversammlung in Coburg einberief. Seine liberale Haltung im Vorfeld der Revolution hatte sein Ansehen beim Volk so gefestigt, dass er nun keine ernsthaften Umsturzversuche fürchten musste. Im Gegenteil, er ging sogar so weit, an Unruheherden persönlich mit den Massen zu verhandeln146  : Nach eigener Darstellung schaffte er es im kleinen Ort Cella St. Blasii bei Gotha, den wütenden Unmut einer Menge gegen ihre Beamten vor Ort zu beschwichtigen, ließ eine gefährliche Versammlung von Aufständischen im thüringischen Finsterbergen nach erfolglosen persönlichen Verhandlungen auflösen und unterstützte sogar – incognito reisend – seinen Altenburger Kollegen bei der Rückgewinnung der Macht über dessen Herzogtum. Dass ihm trotz relativer Sicherheit im eigenen Land die politische Lage größte Sorge bereitete147, zeigt eine Äußerung in einem Brief an seinen Onkel Leopold vom April 1848148  : »Wir leben in einer furchtbaren Zeit. Innere und äußere Stürme haben den Organismus aller deutschen Staaten zertrümmert, die Gesetzlichkeit ist verschwunden, und die Gewalt der Menge macht sich allein geltend. Die Regierungen müssen sich in Lagen schicken, die an das Schimpfliche grenzen. Ich habe auch nicht die geringste Hoffnung, da das allgemeine Vertrauen zu irgend einer Regierungsform geschwunden und dafür eine allgemeine Muthlosigkeit auf der einen und eine durchgehende Zügellosigkeit auf der anderen Seite eingetreten sind.« Mit den wichtigsten Forderungen der Revolutionäre hatte Ernst II. keine großen Probleme  ; sogar seine geliebte Jagd gab er frei, das begeisterte Landvolk lud ihn daraufhin sogar zum gemeinsamen Jagen ein149. In der Folge musste der Herzog über Jahre in befreundete Reviere oder nach Tirol ausweichen, da man in den Wäldern um Gotha nach 1848 alles getötet hatte, was dort kreuchte und fleuchte150. Doch viel mehr als die Zugeständnisse im Einzelnen quälte ihn die Sorge um die Zukunft der deutschen Staaten. In der Frankfurter Nationalversammlung wurde offen über eine Auflösung der Kleinstaaten diskutiert, um ein wirkmächtigeres Staatengebilde zu schaffen  : So lautete beispielsweise ein Vor146 Zumindest stellt Ernst II. es selbst so dar, in seinen Berichten bei Schmidt-Weißenfels, S. 38, sowie in seiner Autobiografie (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 202f., 217–220 und 225f.; zum Folgenden). 147 Nicht nur in Wien oder Berlin, auch im nahen Erfurt gab es Tote (vgl. Jonscher 1993, S. 168f.). 148 Zitiert nach Fesser 2001, S. 108f. 149 Davon berichtet Ernst II. an Schmidt-Weißenfels, S. 38. 150 Ernst II. jagte daraufhin u. a. in den Revieren des preußischen Königs (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 587).

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schlag, die sächsischen Herzogtümer unter der Führung Weimars zusammenzulegen151. Im Herzogtum Ernsts II. wurde dieser Gedanke sogar aufgegriffen, aber eben in der spezifischen Ausprägung, die der junge Herzog selbst durch seine Politik hervorgerufen hatte  : »Typisch thüringischer Mentalität entsprach es wohl, wenn die Republikaner in Coburg und Gotha Thüringen zwar zu einer einheitlichen Republik gestalten wollten, ihrem Herzog aber gleichzeitig ­ eopold die lebenslange Präsidentschaft in dieser Republik anboten.«152 König L riet in einem Brief vom Oktober 1848 seinem regierenden Neffen, ­einer Auflösung der kleinen Staaten zugunsten einer Vereinigung Deutschlands nur dann zuzustimmen, wenn auch wirklich alle Staaten aufgelöst würden153. Ernst II. war durchaus bereit, Opfer zu bringen, doch er sollte und wollte dabei nicht der Einzige (oder einer von wenigen) sein, und das Opfer sollte auch einen Sinn haben, also zu einem vereinten, mächtigen deutschen Staatsgebilde führen. Dass die nun aufbrechenden, mitreißenden Entwicklungen in Politik und Gesellschaft gebündelt und auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet werden müssten, um das Land einer geordneten Zukunft entgegenzuführen, formulierte Albert schon im März 1848 in einem Brief an seinen Bruder154  : »Das neue Deutschland wird und muß geformt werden und übernimmt es ein bedeutender deutscher Fürst nicht, so fällt das Werk in Hände von Clubs, Vereine, Professoren, Theoretiker, Schwindler  ; und wird das Werk nicht bald begonnen, so läuft die Demokratie damit davon. Ohne Kaiser als Oberhaupt wird eine Republik daraus mit endlicher Auflösung in einen Amerikanischen oder Schweizer Zustand.« Der wie immer sehr vorausschauend denkende Albert, der seinerseits viel aus den politischen Zuständen der englischen Politik lernte, brachte damit zur Sprache, was auch seinem Bruder Ernst vor Augen schwebte  : ein neues Deutschland unter der Führung eines Kaisers. Eben das alte patriarchalische System, mit einem wohlwollenden Fürsten an der Spitze, der über ein vereinigtes, nicht länger in viele kleine Staaten zerfallenes deutsches Reich herrschen sollte. Auch wenn diese Vision keineswegs den Vorstellungen der radikalen Demokraten entsprach, so wussten deren Anführer doch, dass der Weg der liberalen Politik auch für sie vorerst der richtige war  ; weshalb sogar der führende Demokrat Fedor Streit (1820–1904) sich im Oktober 1848 im »Coburger Tageblatt« lobend über Herzog Ernst II. äußerte  : »Der Herzog 151 Vgl. hierzu »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 216f. 152 Jonscher 1993, S. 167. Hierzu auch Brütting, S. 28. 153 Vgl. »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 227–229. 154 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 266.

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genießt das volle Vertrauen, er hat schon vor dem März seine Stellung und Aufgabe als deutscher Fürst vollkommen erkannt. […] Seine Verheißungen gingen stets weiter als die Bitten und Adressen seiner Untertanen. Er ging stets den deutschen Fürsten voraus. Läge es in seiner Macht, er würde alle seine Versprechungen sofort in Vollzug gesetzt haben.«155 Obwohl es in vielen deutschen Staaten nach den Erschütterungen von 1848 starke reaktionäre Entwicklungen gab, hielt Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha an seiner liberalen Politik fest156, nahm weiterhin politisch verfolgte Demokraten und Liberale auf, verankerte Presse-, Versammlungs- und Vereinsfreiheit in der Verfassung von 1854 und behielt das 1848 eingeführte allgemeine Wahlrecht bei. Ebenso setzte er seine Reformen in der Verwaltung fort, trennte Justiz und Staatsverwaltung, schaffte die alten grundherrlichen Lasten auf dem Lande ab, förderte den Aufbau von Eisenbahn- und Telegrafenverbindungen und führte in den 1860er Jahren die Gewerbefreiheit ein. Daneben vernachlässigte der junge Herzog auch seine militärische Karriere nicht. Aufgrund von Erbstreitigkeiten gab es ab 1848 Kämpfe zwischen dem deutschen Bund und Dänemark um Schleswig-Holstein157. Im Rahmen der Kampfhandlungen kam es am 5. April 1849 zu einem Gefecht bei Eckernförde  : Zwei dänische Schiffe, darunter die »Christian VIII.« mit 84 Kanonen an Bord, griffen zwei deutsche Küstenbatterien an, die mit nur 16 schweren Geschützen bewaffnet waren. Nachdem ihre Schiffe manövrierunfähig geschossen worden waren, kapitulierten die Dänen und erlitten – auch durch die nach der Kapitulation erfolgte Explosion der »Christian VIII.« – schwere Verluste. Ranghöchster Befehlshaber der siegreichen Truppen vor Ort war Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha, der daraufhin in ganz Deutschland als »Sieger von Eckernförde« gefeiert wurde und in den Folgejahren eine enorme Popularität genoss. Der militärische Erfolg bei Eckernförde war zwar auf lange Sicht ohne große politische Bedeutung, kam jedoch zu einem Zeitpunkt, als die Bevölkerung der zerstrittenen deutschen Staaten nach dem Scheitern der Revolution von 1848 nur so nach Identifikationsfiguren und symbolträchtigen Ereignissen lechzte. In Eckernförde kämpften Hannoveraner, Sachsen und Bayern gemeinsam für ein deutsches Vaterland – so viel Einigkeit war in politischen Angelegenheiten 155 Zitiert nach Fesser 2001, S. 109. 156 Im Detail hierzu Jonscher 1993, S. 169ff., auch zum Folgenden. 157 Zum folgenden Abschnitt vgl. die Publikationen von Freitag, Valentin (Bd. 2, S. 344), Fesser 2001 und »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit« (Bd. 1, S. 342–429).

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zu dieser Zeit nur selten zu erleben. Herzog Ernst II. nahm als einziger Bundes­ fürst an diesem Schleswig-Holstein-Feldzug teil, er zögerte nicht, sich in den Dienst der »deutschen Sache« zu stellen, nachdem er die Notwendigkeit von Leitfiguren in dieser chaotischen Zeit erkannt hatte. Und seine Rechnung ging auf  : Denn nicht nur sein persönlicher Ruhm wuchs durch diesen Sieg in den Himmel. »Vaterlandsgefühl, Flottenbegeisterung, Reichsgedanke, Freiheitskampf – dies alles, von der Gegenrevolution schon fast zermürbt, richtet sich noch einmal auf und stählt sich an Eckernförde.«158 Die Rolle des Herzogs während des Gefechts war schon zu seinen Lebzeiten stark umstritten, viele Anfeindungen gegen ihn wurden auch erst nach seinem Tod laut159. Vor allem die Bedeutung des Hauptmanns Eduard Julius Jungmann (1815–1862) für den Ausgang des Kampfes wurde vielen Kommentatoren des Ereignisses – allen voran dessen Sohn Ernst Jungmann – nicht ausreichend gewürdigt160. Allerdings erkannte Herzog Ernst II. sehr wohl die Verdienste des Hauptmanns in besonderer Weise an (Verleihung eines Ordens), was auch in seinem äußerst detaillierten und anscheinend sehr sorgfältig erstellten Bericht in den viel später entstandenen Memoiren zu ersehen ist161. Sicher weist die Erzählung Ernsts II. eine große Portion an Selbstdarstellung auf, und er zitiert auch nicht ohne Stolz einen Brief an seinen Bruder, dem er berichtete, er habe »selbst […] über zwei Stunden im Kartätschenfeuer« ausgehalten162. Aber dass es nie einen ernsthaften Streit mit dem genannten Hauptmann Jungmann gegeben haben kann, zeigt sich schon allein in der Tatsache, dass jener seinen ersten Sohn auf den Namen Ernst taufen ließ und den Herzog zum Paten wählte163. Die Anfeindungen, die Ernst II. im Zusammenhang mit seiner Rolle als »Sieger von Eckernförde« erfuhr, dürften mehrere Ursachen haben  : schlechte Informationen164, persönliche Gründe165, Abneigung gegen die Politik des Herzogs sowie vor allem Neid auf dessen enorme Popularität. Im Rückblick scheint die Reaktion in der Bevölkerung auf dieses relativ unbedeutende 158 Valentin, Bd. 2, S. 344. 159 Im Detail hierzu der Aufsatz von Freitag. 160 Vgl. hierzu auch Jansen 1870 und 1888. 161 Vgl. »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 390f., an welcher Stelle auch aus den Berichten anderer Beteiligter sowie der dänischen Untersuchungskommission zitiert wird. 162 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 399. 163 Jansen 1870, S. 41. 164 Viele zeitgenössische Berichte basierten eher auf Gerüchten als auf Fakten (Freitag, S. 184). 165 Heinrich von Treitschke und Ernst Jungmann wollten vor allem ihre Väter als Helden gefeiert sehen (vgl. Freitag, S. 183).

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Gefecht zwar stark übertrieben166, und Ernst II. hat sicher auch nichts gegen eine Aufwertung seiner Person in diesem Zusammenhang unternommen. Doch gelogen hat der Herzog in seinen Darstellungen der Ereignisse nie167, und die Entstehung eines regelrechten Mythos’ um die Schlacht bei Eckernförde wurde vielmehr vom Geist der Zeit befördert als von Ernst II. selbst. Er hatte sich unter dem Eindruck der Ereignisse von 1848 vorgenommen, »die Executive selbst in der Hand zu behalten«168, wofür sich ihm als Oberkommandierendem »über unsere thüringischen Contingente« eine hervorragende Gelegenheit bot. Dann hatte sich mit Glück und Geschick das Blatt für ihn gewendet und er erhielt mehr als berechtigten Lohn für sein Engagement. Oder, wie sein Bruder Albert es in einem Brief an ihn ausdrückte169  : »Du bist ein Glückskind und kommst mir vor wie ein Jäger, der auf den Schnepfenstrich geht und dem ein Hirsch von 14 Enden in die Hände läuft.«

1850–1871 Projekt Einheit

So wie Ernst II. seit Eckernförde als Identifikationsfigur für die deutschen Einheitsbestrebungen gesehen wurde, so wollte er nun auch auf politischem Wege für eine Stärkung Deutschlands eintreten. Immer das große politische Ziel – die Bildung eines starken deutschen Staates – vor Augen, versuchte er ab 1849 auch im Kleinen, nämlich innerhalb seines zweigeteilten Herzogtums, die Einheit zu stärken. So berief er im Dezember 1849 eine Ständeversammlung ein, die auf eine echte Vereinigung der beiden Landesteile (die bisher nur in Personalunion regiert wurden, verwaltungstechnisch aber völlig getrennt waren) hinwirken sollte. Immerhin kam es am 17. Juni 1852 zur Proklamation eines gemeinsamen Staatsgrundgesetzes für Coburg und Gotha, darin wurden aber nur wenige Angelegenheiten gemeinsam geregelt. Die beiden getrennten 166 Sogar in der Romanliteratur wird die Diskussion um das Auftreten des Herzogs in der Schlacht bei Eckernförde erwähnt. Vgl. hierzu Johannes Dose  : »Im Kampf um die Nordmark«, 2. Auflage, Potsdam 1913, Kapitel 14, (hier wird behauptet, der Herzog habe erst den Kampfplatz verlassen, sei dann reumütig zurückgekehrt und habe sich dann sogar an den Geschützen betätigt) sowie Heinrich Schaumberger  : »Fritz Reinhart«, hg. von August Rahm, 1928, 8. Kapitel (Beschreibung einer Wirtshausszene, in der ein alter Holsteiner erzählt, dass er dem Herzog beim Laden der Kanone geholfen habe, wofür er von den Umsitzenden – die ihm nicht glauben – ausgelacht wird). 167 Vgl. Freitag, S. 184f., zum Folgenden. 168 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 380f., auch zum Folgenden. 169 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 400.

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Landtage neben dem gemeinsamen Landtag blieben bestehen. Auch die Verwaltung und Verteilung des Domänenvermögens, die in beiden Landesteilen bisher unterschiedlich gehandhabt worden waren, wurden neu aufgerollt und erst mit einem Gesetz vom 1. März 1855 endgültig geregelt170. Letztendlich kam es aber aufgrund innerer Widerstände nie zu einer echten Vereinigung der beiden Gebiete, was den Herzog, der sich doch mit aller Macht für die Einheit unter den Deutschen einsetzte, sehr schmerzte. Von den heimatlichen Verhältnissen wenig angetan, suchte der Herzog vor allem in der großen Politik sein Betätigungsfeld. Durch die vielfältigen Erfahrungen des Jahres 1848 (und dessen Folgen) geprägt, betrat er mit einem klaren Plan die politische Bühne171  : Der angestrebte deutsche Nationalstaat, der durch seine Größe und Einheit endlich mächtig genug sein würde, den Übermächten Frankreich und Russland zu trotzen und England Paroli zu bieten, sollte seine föderalistische Struktur bewahren, da sich die Bürger darin besser vertreten sehen würden. Einer starken und arbeitsfähigen Zentralgewalt, geführt von einem Fürstenkollegium (mit einem Präsidenten) oder einem (erblichen oder Wahl-) Kaiser, sollte ein Parlament zur Seite stehen. Konflikte zwischen den Mitgliedsstaaten sollten durch feste Normen für deren Parlamente vermieden werden. Als Führungsmacht in dem nun begonnenen politischen Prozess erkannte Ernst II. schon früh Preußen an, auch wenn er durch die mangelnde Entschlossenheit des weit konservativer denkenden preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) immer wieder an die Grenzen seiner Geduld gebracht wurde. So schrieb der Herzog über den Berliner Fürstenkongress von 1850, bei dem der König mit den schnellen Fortschritten der Verhandlungen durchaus unzufrieden war172  : »Mit seiner Ansicht, ein langsameres Vorwärtsschreiten wäre wünschenswerther, erkannte ich allerdings in voller Uebereinstimmung das sichtbare Bestreben des Hofes, die Fürsten durch eine fast unangenehme Menge von Festlichkeiten und Zerstreuungen von dem Ernste der Fragen abzulenken.« Während Herzog Ernst II. sein Hoftheater – wie zu zeigen sein wird – in seine politische Arbeit einbezog und als Brücke zum Volk benutzte, empfand er die »Festlichkeiten und Zerstreuungen« am 170 Hierzu im Detail Ronald Hoffmann, S. 54–66. Während in Coburg seit 1846 das Domänenvermögen hälftig an die Staatskasse und den Hof ging, gehörte dasselbe in Gotha seit 1849 dem Staat, der dem Herzog die Schlösser sowie Zuwendungen und einen Jahresbetrag in Höhe von 100.000 Talern zur Verfügung zu stellen hatte. Mit dem Gesetz vom 1. März 1855 wurden die Domänen wieder Eigentum des Herzogshauses und das Vermögen wurde geteilt. 171 Zum Folgenden vgl. Brütting, S. 29. 172 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 563.

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Berliner Hof lediglich als Ablenkung von den eigentlich wichtigen Fragen der Zeit. Seine eigene Ablenkung von den hartnäckigen politischen Belastungen waren Reisen, und so fuhr der Herzog im Mai 1851 zur Weltausstellung nach London, die sein mutiger und in seinen Vorhaben nicht weniger beharrlicher Bruder Albert ins Leben gerufen hatte. 1852 besuchte Ernst II. die katholische Verwandtschaft in Wien und Ungarn. Ein Jahr später waren seine Ziele wieder die europäischen Hauptstädte Berlin, Brüssel und London. Eine wichtige politische Mission war im März 1854 seine Reise zum französischen Kaiser Napoleon III., dem als »Revolutionär« von den anderen europäischen Monarchen Gemiedenen. »Napoleon wollte einen Dialog auf höchster Ebene einleiten, jener der Souveräne, diplomatischen Formeln und Formen nicht unterworfen  ; unverbindlich, da ein Vermittler, wie hochstehend auch immer, jederzeit desavouiert werden konnte. Ein solcher fand sich, was Preußen betraf, in der Person des regierenden Herzogs von Sachsen-Coburg und Gotha, Ernst II.«173. Herzog Ernst II., der ja selbst keine bedeutende politische Stellung innehatte, trat gerne als Mittelsmann auf, sei es in der Verbindung zu Frankreich oder auch zwischen Preußen und Österreich174. Napoleon III. empfing ihn freundlich und offen, und neben fruchtbaren Gesprächen, denen in den folgenden Jahren noch einige folgen sollten, ergaben sich auch gemeinsame Opernbesuche, unter anderem mit der Aufführung einer Oper des Coburgers (»Santa Chiara«). Da sich die preußische Führung und damit die Politik des Bundes nicht in dem Maße weiterentwickelte, wie es der Herzog sich vorgestellt hatte, suchte er Wege außerhalb der offiziellen politischen Bahnen, um die Entwicklung der deutschen Nationalbewegung voranzubringen. Im Jahr 1853 stellte er sich an die Spitze des »Literarisch-politischen Vereins«175, in dem er einen »Zusammenschluß aller Patrioten«176 sah, der sowohl reaktionären als auch revolutionären Bedrohungen in der Gesellschaft entgegentreten sollte. Diese Extreme hielt Ernst II. für gefährlich177, dagegen sollte der Verein den »Nationalgeist« und den »Sinn für Constitutionalismus« fördern. Nach gemeinsamen Beratun-

173 Senner, S. 156. Dort sehr eingehend zur Audienz Ernsts II. beim französischen Kaiser. 174 Mit allen drei Höfen war er ja auch verwandtschaftlich verbunden. 175 Vgl. hierzu Scheeben, S. 93ff.; Brütting, S. 32ff.; Hambrecht, S. 73–78. 176 Scheeben, S. 94. 177 Aus Ernsts II. Denkschrift zur Gründung des Vereins, zitiert nach  : Hambrecht, S. 78. Zum Folgenden.

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gen mit dem Herzog auf Schloss Callenberg 1853178 gegründet, löste sich der Verein zwar 1861 schon wieder auf, darf aber als wichtige Vorstufe zum 1859 gegründeten Nationalverein gesehen werden. In beiden eigentlich als Parteien zu bezeichnenden Vereinen organisierten sich die Liberalen (unter dem Schutze des Herzogs179), bis endlich in Preußen eine neue politische Ära begann. Durch seine intensiven, aber bisher wenig erfolgreichen politischen Bemühungen entkräftet, musste sich der Herzog in den Jahren 1856 und 1857 mehrmals auf Kur begeben180. In derselben Zeit diskutierte er mit seinem Vertrauten Gustav Freytag in einem Briefwechsel eingehend die Möglichkeiten für sein politisches Vorgehen. Dabei mahnt Freytag den Herzog zur Konzentration und Konsequenz181  : »Ew. Hoheit haben Anlage, vielleicht Talent zu allem Möglichen, und virtuose Uebung in Mehrerem. Aber um eine Größe zu werden von erstem Range, wie Ihr Ehrgeiz und die Sehnsucht Ihrer Verehrer Sie haben will, werden Sie verzichten müssen auf den leichteren Ruhm, in Vielem Etwas zu leisten.« Er solle doch bitte »den ganzen Theaterplunder bei Seite […] werfen« und sich stattdessen auf das Studium der »Kriegswissenschaft« konzentrieren. »Ew. Hoheit sind gegenwärtig der populärste Mann in Deutschland. Sie selbst kennen den Umfang der Zuneigung gar nicht, die in den mittleren Schichten unseres Volkes, in dem intelligenten Theil des deutschen Bürgerstandes für Sie vorhanden ist. Wieder habe ich auf einem Ausflug in den Thüringerwald Gelegenheit gehabt, einige auffallende Züge dieser Zuneigung zu beobachten. Und diese Popularität hat allerdings einen Werth, denn sie ist seit dem Jahr 48, wo Ew. Hoheit in das größere politische Leben eintraten, durch eine Reihe consequenter Aktionen erworben. Aber für die Zukunft Ew. Hoheit ist sie doch von sehr untergeordnetem Werth, denn sie ist unsicher.« Drei Möglichkeiten für eine zukünftige politische Betätigung führt Freytag dem Herzog vor Augen  : eine Beschränkung auf sein Herzogtum, die Verwirklichung großer Ambitionen in der großen Politik, dann aber mit der erforderlichen Rücksichtslosigkeit, 178 Hambrecht, S. 75, nennt als Beteiligte an den Beratungen  : Herzog Ernst II., den Coburger Regierungspräsidenten Karl Philipp Francke, den Hofrat Friedrich Gottlieb Becker (1792– 1865) aus Gotha, den Schriftsteller und Vertrauten des Herzogs Dr. Gustav Freytag (1816– 1895) sowie den herzoglichen Bibliothekar und späteren Staatsrat Karl Samwer aus Gotha. 179 Ernst II. sah sich auch hier wieder als Vermittler, der durch den Verein »mit der indirekten Leitung der öffentlichen Meinung« betraut sei (Brief an den preußischen Ministerpräsidenten Karl Anton von Hohenzollern  ; vgl. Brütting, S. 41). 180 Beyer 1894, S. 140, spricht von einer Erkrankung an »typhösem Fieber«. Die Kuraufenthalte fanden in Bad Heilbrunn und Bad Ems statt. 181 Brief Freytags an den Herzog vom 24. Juni 1856 (Tempeltey 1904, S. 57–59).

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oder – und das ist die von Freytag empfohlene Option – die Stellung als »Rathgeber und General der guten preußischen Sache«. Der Herzog antwortet nur wenige Tage später aus Bad Ems auf diesen Brief und gibt dabei die Prinzipien seines politischen Handelns zu erkennen182  : »Der Mensch, wenn er zum Leisten berufen ist durch Anlagen und Stellung, muß 1. gekannt sein, 2. sich seine Bahn bilden, 3. seine festen Pläne haben, nach denen er bald so bald so zu handeln genöthigt ist. Nach diesen drei Hauptrichtungen hin lebe ich.« Er sehe sich, wie ein »Reformator«, als Diener einer Aufgabe, die größer sei als er selbst, die »vielleicht nicht mehr durch mich, vollendet werde«. Dass Popularität nur ein »Luftgebilde, ein Zerrbild« sei, darin stimmt er mit Freytag überein. Doch dem will er die »Geduld und Zähigkeit« eines Reformators entgegensetzen. Besonders interessant erscheint seine Antwort auf den Drei-Wege-Vorschlag Freytags  : Ernst II. schreibt, er wolle sich gerade deshalb nicht nur auf eine Sache konzentrieren, da er durch seine verschiedenen Tätigkeiten die Menschen auf sich aufmerksam machen und für sich gewinnen wolle. »Die Deutschen sind ein eigen Volk  ; man muß in fremder Tracht sich nähern, um gesehen zu werden und so komme ich als Künstler, Gelehrter, Militär gekleidet.« Außerdem müsse man bei Reformen stets das Ganze im Blick haben, die Rücksichtnahme auf Details sei hinderlich, jegliches Zuwarten im politischen Handeln gefährlich. Dann appelliert er an Freytag als Schriftsteller und Journalisten  : »Lassen Sie uns das Volk belehren von Irrthümern in Wissenschaft, Politik und Religion. Zeigen wir uns ihm als seine Lehrer, erwerben wir sein Vertrauen  ! Lassen Sie uns eine muthige Kette von Aposteln der Aufklärung bilden und predigen wir getrost ein jeder in seiner Sprache, der heilige Geist wird uns schon nicht fehlen.« Am Ende dieser persönlichen Offenbarungen zeigt der Herzog dann noch sein Temperament, das ihn immer wieder zum Handeln antreibt  : »Wir Deutsche haben so wenig große Männer gehabt, obgleich wir in geistiger und moralischer Beziehung über allen Nationen stehen  ! Warum wohl  ? Nur darum, weil wir beinahe nie verstanden, große Gedanken groß aufzufassen und unerschrocken durchzuführen.« Interessant ist der Vergleich dieser Aussagen mit einer etwa zeitgleich entstandenen Beschreibung Herzog Ernsts II. durch einen Vertrauten des preußischen Kronprinzen, Theodor von Bernhardi (1802–1885)183  : »Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha ist ein wirklich schöner Mann, der ungewöhnlich geistreich aussieht  ; vierzig Jahre alt, aber jünger als seine Jahre […] Der Her182 Brief des Herzogs an Freytag vom 28. Juni 1856 (Tempeltey 1904, S. 60–65). 183 Bernhardi 1894, S. 50 und 54, sowie Fesser 2001, S. 112.

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zog ist wirklich das, was sein Aeußeres ankündigt  : er ist in einem hohen Grade geistreich  ; er ist sehr viel mehr als das  : er ist geistreich, strebsam, verlangt nach einem Wirkungskreise, der der Mühe werth ist, und hat ein Urtheil für das, was der Mühe werth ist. Er scheint überhaupt in vielfacher Beziehung ein treffendes und schnelles Urtheil zu haben, so weit Intuition reicht, und man kann ihm Energie zutrauen, besonders wo es auf einen augenblicklichen Entschluß ankommt. […] Von Mängeln einer fürstlichen Bildung ist er aber wohl auch nicht ganz frei – darüber belehrt einen schon das erste Zusammensein  ; auch er hat den fürstlichen Mangel an Stetigkeit, das Bedürfnis und die Gewohnheit, in ewiger Bewegung, ewiger Zerstreuung zu leben, die fürstliche ›zappelhaftigkeit‹, wie Goethe es nannte. Er treibt zu vielerlei. Wie geistreiche Fürsten sehr häufig, glaubt er, mancherlei Dinge, deren jedes das ganze Leben eines Menschen erfordert, noch nebenher treiben zu können. Seine Stellung als preußischer General ist ihm besonders wichtig. Er betheiligt sich jedesmal bei den Manövern des vierten Armeekorps, zu dem sein preußisches Kürassier­ regiment gehört. Sein Hauptinteresse im Leben ist aber Eingreifen in die große europäische Politik, wozu ihm sein Verhältniß als Schwager der Königin von England die Möglichkeit gewährt. Dann ist er aber auch ein leidenschaftlicher Jäger, verwendet viel Zeit auf die Jagd, und ist außerdem fast ebenso leidenschaftlicher Musiker und komponirt Opern. So ist denn auch in allem, was er sagt, sehr viel Geist, eine feine Beobachtungsgabe  ; aber es steckt oft keine eigentliche, folgerichtige Arbeit des Geistes dahinter.« Diese Aussage – vielleicht eine der treffendsten Beschreibungen Ernsts II. überhaupt – wirkt wie ein Spiegel sowohl der Beobachtungen Freytags als auch der Absichten des Herzogs. Im Januar 1858 besuchte Herzog Ernst II. erst den französischen Kaiser in Paris (wo er ein brutales, aber erfolgloses Attentat auf diesen miterlebte), dann reiste er nach London weiter zur Vermählung seiner ältesten Nichte Victoria (genannt »Vicky«, 1840–1901) mit dem Kronprinzen von Preußen. In diesem und im folgenden Jahre war der Herzog so oft in Berlin zu Gast, dass die preußische Königin nach Aussagen Karl Samwers verärgert geäußert haben soll184  : »Es gewinne ja den Anschein, als ob der Herzog Preußen regiere.« Da mittlerweile der Bruder des erkrankten Königs Friedrich Wilhelm IV., Wilhelm I. (1797–1888, ab 1861 König, ab 1871 Deutscher Kaiser) die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, schöpfte Ernst II. wohl Hoffnung, dass in Sachen deutscher Einigung nun endlich etwas vorangehen könne. Im Sommer und Herbst 1859 unterstützte er aktiv die Gründung einer neuen liberalen 184 Zitiert nach Brütting, S. 50.

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Partei185, die sich im September in Frankfurt als »Nationalverein« konstituierte und – von Frankfurt abgelehnt – ihren Sitz nach Coburg verlegte. Die bemerkenswert idealistische Antwort des Herzogs auf die Anfrage des Vereins um Unterstützung fand sogar in der englischen Presse Beachtung186  : »Only when princes and people are alike ready to make sacrifices for the good of all that anything great can be effected«. Eine von dem Juristen und Schriftsteller Eduard Fischel (1826–1863) im Jahr 1859 herausgegebene Broschüre mit dem Titel »Die Despoten als Revolutionäre. An das deutsche Volk« mag dem Herzog aus dem Herzen gesprochen haben187. Darin werden die deutschen Fürsten (allen voran Preußen) dringend aufgefordert, ihre passive Haltung in der europäischen Politik aufzugeben188  : »Deutschland darf […] nicht dulden, daß die beiden despotischen Regierungen von Frankreich und Rußland ihre vereinten Pläne zum Umsturz und zur Umgestaltung der bestehenden Ordnung in Europa gegen den Willen und den Vortheil der deutschen Nation durchführen189. […] Nur die Einigkeit und Kraft des deutschen Volkes kann den ausgebrochenen Weltbrand in seinem Fortgang hemmen, und dem Erdtheil einen dauernden Frieden wiedergeben.« Herzog Ernst II. sah auch mittlerweile keine Alternative mehr zu diesem Handeln, in einer Denkschrift für den Nationalverein schrieb er190  : »Die Fürsten werden mit dem Volk gehen müssen.« Doch zunächst wurden die Hoffnungen des liberalen Fürsten erst einmal wieder enttäuscht. Auch der neue Regent machte keinerlei Anstalten, schnelle Veränderungen herbeizuführen, und Ernst II. war Anfang des Jahres 1860 so enttäuscht und frustriert über die politische Lage in Deutschland, dass sein Freund und Vertrauter Gustav Freytag ernsthaft fürchtete, der Herzog werde sich von Preußen abwenden191. Doch unermüdlich pendelte der Herzog zwi185 Hierzu eingehend Brütting, S. 55–61. 186 »The Leader and Saturday analyst«, Nr. 493, vom 3. September 1859, S. 1003. Zum Folgenden. 187 Die Broschüre wird auch oft irrtümlich dem Herzog selbst zugeschrieben. Jedoch scheint die harsche Verurteilung Napoleons III. in der Schrift wenig mit der differenzierten, eher freundlichen Bewertung durch Ernst II. vereinbar. Fischel wurde wohl durch den Herzog zur Veröffentlichung des Textes angeregt (vgl. auch »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 516f., wo Ernst II. seine Beteiligung erwähnt). 188 Fischel, S. 4. 189 Im Original ist dieser Satz gesperrt gedruckt, also stark hervorgehoben. 190 Vgl. »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 532. 191 Vgl. hierzu Brütting, S. 62ff. (auch zum Folgenden), sowie die von Theodor von Bernhardi überlieferte Diskussion zwischen dem Herzog und Freytag, die im Kapitel über Gustav Freytag zitiert ist.

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schen Berlin, Paris, London und Wien, nahm sogar gegen den Willen der Preußen im Juni 1860 am Fürstentag in Baden-Baden teil, spielte weiter den Boten zwischen Berlin und Paris, musste sich gegen die Angriffe anderer deutscher Fürsten wegen seines Engagements für den Nationalverein verteidigen und suchte seinerseits vergeblich Verbündete in den Großherzögen Friedrich von Baden und Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818–1901), die zwar ebenso liberal gesinnt waren wie er, aber ein anderes Vorgehen bevorzugten192. Auch um das sehr konservative Österreich bemühte sich der Herzog und scheute sich nicht, für den österreichischen Kaiser Franz Joseph (1830–1916) ein Memorandum zu verfassen193, in dem er versuchte, dessen Vertrauen zu gewinnen (indem er die Existenz einer »Umsturzpartei« abstritt) und ihn in die Entwicklung einer großdeutschen Lösung einzubeziehen. Doch alles Bemühen schien fruchtlos, selbst die erste Generalversammlung des Nationalvereins vom 3. bis 5. September 1860 in Coburg – an der der Herzog sicherheitshalber nicht persönlich teilnahm – konnte zunächst keine wirksamen Signale aussenden194. Umso stärkere Wirkung erzielte dagegen das von Ernst II. protegierte und vom Gothaer Schützenverein veranstaltete erste allgemeine deutsche Schützenfest im Juli 1861 in Gotha. Der Herzog, der erst im Juni trotz der zeitweiligen Dissonanzen mit Berlin seine Treue zu Preußen in einer Militärkonvention bestätigt hatte, empfing voller Stolz über 1.000 Schützen aus ganz Deutschland, zu denen sich noch ca. 500 Turner gesellten, da gleichzeitig das erste Thüringer Turnfest stattfand195. In beiden Gruppen bildete der Gedanke der Wehrhaftigkeit, der Volksbewaffnung und militärisch ausgerichteten Körperertüchtigung die Keimzelle für ein neues bürgerliches Selbstbewusstsein, das durch die Verbreitung und Organisation in allen deutschsprachigen Ländern eine nationale Prägung erhielt196. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wurde noch verstärkt durch die Gründung des Deutschen Schützenbundes in Gotha, die im Rahmen des Festes erfolgte. Besonders aufschlussreich – aufgrund der Distanz – sind zwei Berichte aus englischen Zeitungen über den »First German Shooting March«. Im »Corn192 Näheres hierzu bei Brütting, S. 71–77. 193 Hierzu Brütting, S. 81. 194 30 Jahre später schildert der Schriftsteller Wilhelm Raabe (1831–1910), der selbst an der Versammlung des Nationalvereins in Coburg teilgenommen hatte, in seiner Erzählung »Gutmanns Reisen« heiter-ironisch die dortigen Bemühungen und Diskussionen um die deutsche Einheitsbewegung. 195 Vgl. Raschke, S. 180f., auch zum Folgenden. 196 Vgl. hierzu auch Michaelis 1993.

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hill Magazine«197 wird der eigentliche politische Charakter der Veranstaltung sofort richtig identifiziert  : »The liberal party in Germany has at last found its rational and proper path.« Nun folgt eine detaillierte Beschreibung des herzlichen Empfangs der anreisenden Schützen am Bahnhof. Jedoch wundert sich der englische Autor des Artikels über die Ruhe, die dabei herrschte, und findet dafür eine bemerkenswerte Erklärung  : »There is no shouting, no waving of hats. The Germans have not yet learned that. They have been kept silent so long, that they have not recovered the full use of their voices.«198 Von der überall präsenten schwarz-rot-goldenen Fahne geleitet, ziehen die Schützen und Turner – begleitet von Musik – durch die Innenstadt. Der Herzog selbst lenkt seine Kutsche relativ weit vorne in der Prozession. Große Verwunderung und Anerkennung äußert der englische Journalist über die unkomplizierte Art des Fürsten, der eine nur fünfminütige Eröffnungsrede hält und dabei sehr nahbar und natürlich wirkt. Ein anderer auswärtiger Gast habe sich ebenso über die umgängliche Natur des Herzogs gewundert  : »He walks, and talks, and lets the sun shine without his permission  !« Im Folgenden lobt der Autor die gute Organisation des viertägigen Festes, bei dem trotz abgegebener ca. 35.000 Schuss kein einziger Verletzter zu beklagen gewesen sei. Auch Musik und Theater spielten offensichtlich eine wichtige Rolle, denn es wird erwähnt, dass laufend Kapellen musizierten, die Turner sangen und das Theater jedermann offenstand. In einer weitgehend auf diesen Artikel gestützten weiteren Besprechung des Schützenfestes im »Harper’s new monthly magazine«199 zieht der Verfasser eine wichtige Schlussfolgerung zur Wirkung dieses Schützenfestes in Deutschland  : »In the popular estimation it stands for more than it really is, and, therefore, is more than it seems.« Ebenfalls aus England kam weiteres Lob für das Fest und seinen Schirmherrn, allerdings aus berufenerem Mund, vom Prince Consort Albert. Der schrieb an seinen Bruder Ernst, er habe »das größte Verdienst ums Vaterland, indem Du dies möglich machst, während in den übrigen Ländern die Regierungen alles tun, um das patriotische Gefühl mit Füßen zu treten.«200 197 »Cornhill Magazine«, Nr. 22 vom Oktober 1861, S. 488–496. 198 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass auch in den Konzertsälen das Verhalten von Deutschen und Engländern zu dieser Zeit sich stark unterschied  : Während in deutschen Konzertsälen ungefähr seit den 1830er-Jahren Stille herrschte, war dies in England bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts völlig undenkbar. Vgl. hierzu Müller, Hörverhalten, S. 44ff. 199 »Harper’s new monthly magazine« vom 1. November 1861, S. 810–815. 200 Zitiert nach Brütting, S. 92.

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Doch nicht nur das Gothaer Schützenfest zog im Jahr 1861 weite Kreise in Deutschland, auch eine Broschüre von der Hand des preußischen Politikers und Schriftstellers Eduard Schmidt-Weißenfels (1833–1893) mit dem Titel »Der Herzog von Gotha und sein Volk« fand große Beachtung. Der mit Ernst II. zeitweise in engem Kontakt stehende Autor schildert den Herzog als volksnahe, sympathische, aber sehr unruhige Person. Er greift die unangenehme Frage auf, warum der Herzog in seinem eigenen kleinen Land, vor allem in Gotha, so wenig Anerkennung erfahre  : »[Die Gothaer] haben aus vielerlei Gründen viel Eifersucht gegen ihn, und man würde in der That ganz irrig sein, wenn man die Popularität und Verehrung, die der Herzog von Koburg-Gotha in ganz Deutschland und über dessen Marken hinaus genießt, auch von seiten des eigenen Volkes voraussetzte.«201 Die Vorwürfe an den Fürsten in der Heimat lauteten, er »kümmere sich zu viel um die große Politik und zu wenig um die eigenen Unterthanen«, er rufe zu viele Ausländer ins Land und gebe denen dann auch noch die besten Stellen, Landespolitik sei ihm zu klein und sein Volk ziehe wenig Vorteil aus seinem Wirken. Außerdem gelte die vielgepriesene Pressefreiheit nicht in Bezug auf heimische Angelegenheiten, denn nicht einmal »die Theatervorstellungen dürfe man öffentlich kritisiren, ohne riskiren zu müssen, vom Intendanten oder von einem Schauspieler wegen Beleidigung eines ›herzoglichen Beamten‹ belangt zu werden.«202 Schmidt-Weißenfels verteidigt in seiner Schrift den Herzog gegen die Vorwürfe203  : »Der Herzog hat die Regierung so eingerichtet, daß sie niemand fühlt, das beste Lob, was man ihr geben kann  ; nun aber will er auch seine persönliche Freiheit nach seinem Geschmack genießen und thut es, unbekümmert eines Theils des bischen [sic] Adels, der an dem schlichten, bürgerlichen Hofe keine Rolle spielen kann und über den Liberalismus des Herzogs seine Glossen macht.« Außerdem sei die schlechte Stimmung zum Teil der Rivalität zwischen den beiden Residenzstädten zuzuschreiben, da sich insbesondere die Gothaer beharrlich weigerten, ­einer Vereinigung der beiden Territorien zuzustimmen, da sie weder die Kosten noch die Schulden der Coburger Verwaltung übernehmen wollten. Im weiteren Verlauf spricht er über die besondere Liebe des Herzogs zum Theater und 201 Schmidt-Weißenfels, S. 16f., zum Folgenden. – An dieser Stelle sei auf die Spottnamen hingewiesen, die die Gothaer für Herzog Ernst II. verwendeten  : »Schützen-Ernst«, wegen seines Engagements für die Schützenvereine, und »Hasen-Ernst«, wegen seiner Jagdleidenschaft (vgl. Cramer, S. 84, 90). 202 Dieser Vorwurf wäre allerdings gerechterweise an den Intendanten zu richten gewesen, der sich in Gotha über die Theaterkritik beschwert hatte und dagegen vorging. 203 Schmidt-Weißenfels, S. 19.

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schildert auch dessen relativ bescheidenen Lebenswandel204  : Ernst II. wohne nicht im Schloss, sondern in einem kleinen Palais am Eingang des Parks. Er arbeite fleißig und folge einem streng geregelten Tagesablauf, pflege eine einfache Tafel und nehme sich höchstens einmal für einen Gast länger Zeit. Als Gesprächspartner sei er sehr impulsiv, geradezu »elektrisch«, und äußere sich schnell und bestimmt. Das Abendessen im tropisch eingerichteten Wintergarten des Palais sei in der Regel auf ca. 45 Minuten beschränkt, da der Herzog anschließend noch ins Theater gehe. Auf die Schrift Schmidt-Weißenfels’ sah sich Herzog Ernst II. zu einer ausführlichen Erwiderung genötigt – die dann auch gleich mit veröffentlicht wurde205. Auch wenn sich der Herzog hier spürbar öffentlich äußert (und nicht eher privat, wie beispielsweise in den Briefen an seinen Bruder oder seinen Onkel), fallen doch ein paar wichtige, aufschlussreiche Sätze. Zunächst bekennt er sich deutlich zu »liberalen demokratischen Principien« und bezeichnet sich als »Kind meiner Zeit«. Dann unterteilt er seine Widersacher in Gotha in drei Gruppen, über die er sich offenbar genaue Gedanken gemacht hat  : konservative Adelige, die ihm seinen Liberalismus übelnehmen, dazu »Personen, die den Liberalismus nur zur Schau tragen, ohne die Opferfreudigkeit zu besitzen, welche derselbe notwendig erfordert«206, und zu guter Letzt diejenigen die »in einem steten Widerspruch«207 und »unausgesetzten Krieg« zu den anderen stünden und uneingeschränkte, ungesetzliche Freiheit genießen wollten. Nachdem er nun die »Quelle größerer Unannehmlichkeiten« in Gotha benannt hat, wendet der Herzog sich fast schon in einem Appell an sein Volk und erklärt seinerseits seine Wünsche  : »Und gerade weil es mir gelungen ist, von Jugend auf den Standpunkt zu verlassen, von dem die meisten meiner Standesgenossen das Volk und dessen Treiben beurtheilen, verlange ich um so Edleres und Höheres von der Gesammtheit. […] Der Volksgeist gleicht den brausend dahin wogenden Wellen eines Stromes. Ihn abzudämmen, in seinem Laufe zu hemmen, ist fruchtloses Unternehmen. […] Patrioten und Fürsten sollten darum das gleiche Bestreben fühlen, die stets vorwärts treibende Flut rein und in den Ufern zu erhalten. Um dies zu vermögen, bedarf es aber der Theilnahme des Volks selbst.« Auf die Broschüre von Schmidt-Weißenfels sowie die Antwort des Herzogs gab es in der Presse vielfältige Reaktionen. In der von Charles Dickens (1812– 204 Schmidt-Weißenfels, S. 23ff., zum Folgenden. 205 Schmidt-Weißenfels, S. 29–45. 206 Schmidt-Weißenfels, S. 41. 207 Schmidt-Weißenfels, S. 41f., auch zum Folgenden.

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1870) herausgegebenen Zeitschrift »All the year round«208 wird die Sachlage so interpretiert, dass Schmidt-Weißenfels dem Herzog schonend einige Aussagen seiner Untertanen über ihn habe beibringen wollen  ; in seiner Erwiderung habe Ernst II. jedoch wenig Einsicht gezeigt. Anton Ohorn ergänzt in seiner Veröffentlichung von 1894 die Darstellung des schwierigen Verhältnisses der Gothaer zu ihrem Herzog um zwei weitere zeitgenössische Berichte209  : »Als ich vor 20 Jahren zum ersten Male in Gotha war und einige Wochen daselbst lebte, hatte ich Gelegenheit, diese Erscheinung selbst zu beobachten. Ich entsinne mich, daß ein wohlsituierter, behäbiger Bürger, der freilich so recht den Dutzendphilister repräsentierte, über den Herzog und seine Kunstneigungen spottete, ihn hämisch belächelte, weil er selbst einmal ›die Bretter, welche die Welt bedeuten‹, betreten und im engern Kreise sich persönlich am Schauspiel beteiligt hatte, ihn tadelte, weil er Fremde heranziehe, die den Landeskindern die besten Stellungen entzögen, ihm vorwarf, daß er zuviel außer Landes sei und daß man in der Residenz immer mehr das Bewußtsein verliere, daß man wirklich in der Hauptstadt eines Landes lebe, die vordem von dem Glanz des Hofes erfüllt war.« An diese persönliche Anekdote fügt Ohorn noch eine Äußerung des Redakteurs der »Gothaischen Zeitung«, Christian Friedrich Mayer (1823–1888), aus dem Jahr 1861 an210  : »Es muß sehr schmerzlich sein, auf der Höhe der Zeit zu stehen und in dem ganzen großen Vaterlande begeisterte Anerkennung zu finden und dann im eigenen Lande auf den Widerstand von Kirchturmpolitikern zu stoßen, deren politischer Horizont mit ihrer Nasenspitze abschneidet. Man sollte meinen, da müsse sich so ein Wermutstropfen von Menschenverachtung in die Seele stehlen und an dem begeisterten Streben für die Menschen zehren. Und doch scheint dies bei dem Herzog nicht der Fall zu sein, wenigstens macht die Frische seiner Persönlichkeit und die unermüdliche Ausdauer in der Verfolgung eines großen nationalen Ziels nicht diesen Eindruck. Seine Liebe für das Volk und seine Hingabe an die erhabene Idee der deutschen Zukunft führen ihn hinweg über diese kleinen Unannehmlichkeiten und lassen ihm den Blick und die Brust frei für die großen Aufgaben des Lebens. Und so ist er nicht bloß seinem Streben, sondern auch der That nach im wahrsten und umfassendsten Sinne des Wortes ein Führer des Volkes, ein wahrer Volksherzog.« So war der Herzog in diesen Jahren nicht nur auf der großen politischen Bühne mit seinen Vermittlungsversuchen erfolglos, sondern wurde für sein 208 »All the year round«, hg. von Charles Dickens, vom 16. November 1861, S. 174–179. 209 Ohorn, S. 167. 210 Ohorn, S. 169.

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gesamtdeutsches Engagement auch in der Heimat angefeindet. Dazu kamen Kritiker aus den eigenen Reihen der fortschrittlich denkenden Politiker  : Den einen ging er zu weit, den anderen nicht weit genug. Beispielsweise soll der politisch aktive Literaturwissenschaftler Rudolf Haym (1821–1901) den Historiker und politischen Berater des preußischen Kronprinzen, Max Duncker (1811–1886), am 4. August 1861 gewarnt haben211  : »Der Herzog von ­Gotha scheint sich ganz von Ihnen zu emanzipieren. Was macht der Mann für Tollheiten. Er kokettiert mit den Demokraten von ganz Deutschland und vor allem mit allen verlumpten Literaten.« Auf der anderen Seite fühlte sich ein Freigeist wie ­Rudolph Genée (1824–1914), der sowohl als Theaterdirektor wie auch als Schriftsteller wirkte und zwischen 1861 und 1864 Redakteur der ­»Coburger Zeitung« war, trotz spürbaren Respekts für die Person und die Politik des Herzogs bald eingeschränkt von dessen Prinzipien und Regeln212. Genée provozierte daraufhin bewusst seine Entlassung, indem er sich mittels scharfer Kritiken mit dem Hoftheaterintendanten Gustav von Meyern-Hohenberg anlegte213. Auch der kurzzeitige Privatsekretär Ernsts II. Karl Friedrich Bollmann, der sich selbst als Demokrat sah und nach kurzer Zeit in seiner Funktion äußerst eigenmächtig zu handeln begann, schüttete nach seiner Entlassung in einer Schrift214 Hass und Verachtung über den Herzog aus215, was diesen nach dem ohnehin schweren Vertrauensbruch tief getroffen haben dürfte. Als dann noch am 14. Dezember 1861 überraschend Ernsts Bruder Albert in England starb, war der Herzog mit seinen Kräften am Ende. Der Tod seines Bruders war der schwerste Schlag, der ihn treffen konnte, und er kam in einer ohnehin sehr schwierigen Zeit. Bezeichnenderweise nimmt die Schilderung von der Todesnachricht, der Beisetzung in Windsor sowie den anschließenden Trauertagen auf der Isle of Wight noch in den 25 Jahre später entstandenen Memoiren Ernsts II. keinen geringen Platz ein216. Gleich in mehrfacher Hinsicht fühlte Ernst II. sich nun alleingelassen  : Er hatte seinen Bruder verloren, seinen engsten Vertrauten seit Jugendtagen und Berater bzw. Diskussionspartner in 211 Zitiert nach Fesser 2001, S. 113. 212 Vgl. Genée 1897, S. 167–171, 186–262. Daraus (S. 171)  : »Der Herzog war ein sonderbares Gemisch von wirklicher Begabung und Scheinwesen, von Liberalität und Härte, von Vorur­ theilslosigkeit und Hoheitsdünkel.« 213 Näheres hierzu bei Ebart, 100 Jahre, S. 63. 214 Karl Bollmann  : Der Herzog von Coburg und mein Austritt aus seinen Diensten. Hamburg 1861. 215 Hierzu auch Brütting, S. 98ff. 216 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 140–145. Auch zum Folgenden.

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allen politischen Fragen217. »Im engsten Kreise der Familie war ich allein zurückgeblieben, und alles, was man von Kindheit an im vertraulichsten Sinne des Wortes die Seinen zu nennen pflegt, war mir entrissen worden. Wie mir der Vater, wie die Mutter in frühen Jahren fehlten, so war dem kinderlosen Manne nun der einzige Bruder in des Lebens Blüthe hingeschieden.«218 Darüber hinaus nahm Ernst II. während der traurigen Tage im großen Familienkreise ein Auseinanderdriften der verschiedenen Verwandtschaftsteile wahr. Der Familienclan hielt nicht mehr so zusammen wie früher, ein Auseinanderfallen drohte, wie auch der greise Onkel Leopold bei dieser Gelegenheit konstatierte219. Ernst II. subsumierte rückblickend diese Eindrücke  : »Alle die Contraste, die mir an diesem Tage entgegengetreten sind, vermochte ich jahrelang nicht zu überwinden.« Nach diesen harten Sckicksalsschlägen begann ein schwieriges Jahr 1862. Karl Samwer schrieb an Gustav Freytag220  : »Die Stimmung ist schlecht, sehr schlecht. Bald himmelhochjauchzend, bald zum Tode betrübt. Daneben die Fähigkeit, verständige Entschlüsse zu fassen, fast ganz aufgehoben. Ich bewundere Sie als Psychologe, denn es ist alles so eingetroffen, wie Sie es vorausgesagt haben.« Auch der Herzog selbst war sich seiner Situation bewusst und beschrieb sich in jener Zeit in einem Brief als denjenigen, der in der großen Politik seit »12 Jahren […] im Souffleurkasten« sitze und nun ein »Entre-act«, also eine Unterbrechung, brauche. Was ihn rettete, war seine Neugier und sein Interesse für die Wissenschaft. In Gotha unterstützte er die ansässige Forschergemeinde221, in deren Kreis hörte er den Vortrag eines berühmten Kartografen und Geografen  : Dr. August Petermann (1822–1878). Dieser renommierte Wissenschaftler, der mit dem Gothaer Perthes-Verlag eng zusammenarbeitete, berichtete unter anderem vom Schicksal des bei einer Afrika-Expedition verschollenen Forschers Eduard Vogel (1829– 1856)222. Der Herzog, fasziniert von dem unbekannten Kontinent und begeistert von der Idee eines Abenteuers, entschloss sich Ende Januar 1862 kurzerhand zu einer Reise nach Afrika, gemeinsam mit den Wissenschaftlern. Dieses kühne Vorhaben des Herzogs sprach sich in kürzester Zeit in Deutschland (und 217 Wobei nicht unerwähnt bleiben darf, dass die gegensätzlichen Brüder bei weitem nicht immer einer Meinung waren. 218 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 142. 219 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 144. Zum Folgenden. 220 Zitiert nach Brütting, S. 101. Der Brief vom 10. Juni 1862 belegt die anhaltende Depression des Herzogs. 221 Zum Folgenden vgl. »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 146–224. 222 Dass Vogel zu diesem Zeitpunkt bereits tot war, wusste man damals noch nicht.

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darüber hinaus) herum. Von politischer Seite wurde er für seine Abreise auf unbestimmte Zeit kritisiert223. Bei drei herausragenden Autoren der Zeit jedoch fand er damit Beachtung  : Jules Verne (1828–1905), Alfred Edmund Brehm (1829–1884) und Charles Darwin (1809–1882) erwähnen alle Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha in ihren Büchern – wegen seiner Afrika-Reise. Im fünften Kapitel von Jules Vernes Roman »Fünf Wochen im Ballon« (erschienen bereits 1863) berichtet die Figur des Dr. Fergusson von einem Freund namens Petermann, der Sekretär eines Komitees sei, das sich unter dem Vorsitz des regierenden Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha gegründet habe, um den in Afrika verschollenen Forscher Eduard Vogel wiederzufinden. Alfred Brehm dagegen war einer der Teilnehmer an der herzoglichen Expedition und berichtete später sogar in einer eigenen Veröffentlichung224 von den Erlebnissen auf seiner Reise. Im Vorwort betont Brehm, er habe die vorliegenden Beobachtungen »im ausdrücklichen Auftrage Seiner Hoheit« angefertigt. Er beklagt bescheiden die »Geringfügigkeit, Dürftigkeit und Unvollständigkeit« seiner »Ergebnisse«, die auf einen »Mangel an Zeit und das Fieber« zurückzuführen seien. Außerdem wird aus seinem Bericht deutlich, dass die – vom Herzog so geliebte – Jagd einen ganz wesentlichen Bestandteil der Reise ausmachte, wobei Brehm den wissenschaftlichen Zweck dieser Jagden hervorhebt. Brehms Berichte über verschiedene Begegnungen mit einheimischen, zum Teil noch wenig bekannten Tieren dienten dann Charles Darwin in seiner bahnbrechenden Publikation225 als Beispiele bei einer »Vergleichung der Geisteskräfte des Menschen mit denen der niederen Thiere«  : »Als Brehm den Herzog von Coburg-Gotha begleitete, stand er einem Angriff mit Feuerwaffen auf einen Trupp von Pavianen an dem Passe von Mensa in Abyssinien bei. Die Paviane wälzten ihrerseits so viele Steine, einige so groß wie ein Menschenkopf, den Berg herab, daß die Angreifer sich schnell zurückziehen mußten, und der Paß war thatsächlich eine Zeit lang für die Karawane verschlossen. Es verdient Beachtung, daß diese Paviane hier in Übereinstimmung handelten.« 223 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 149  : »Man war etwas zu sehr geneigt, allen meinen Schritten, ja selbst einer in ihrer Entstehung so sehr erklärlichen und ansprechenden Reise, irgend welche politischen Motive unterzuschieben. Das war der Charakter jener Zeit«. 224 Alfred Edmund Brehm  : Ergebnisse meiner Reise nach Habesch im Gefolge Seiner Hoheit des regierenden Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha Ernst II. Hamburg 1863. – Zum Folgenden. 225 Darwin, Charles  : Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. Bd. 1, übersetzt von J. Victor Carus, 3. Aufl., Stuttgart 1875.

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Die genaue Schilderung der Ereignisse, die Brehm lieferte und deren sich dann Darwin bedienen konnte, war ganz im Sinne des Herzogs. Dieser ließ zwar auch ausgesprochen schön bebilderte, eigene Reiseerinnerungen veröffentlichen226. Vor allem in seinen Memoiren227 aber beschreibt er auf über 70 Seiten im Detail alle Ereignisse und Eindrücke dieser Reise, die ihm – obwohl er ja sowieso für seine Zeit ein weitgereister Mann war – wohl besonders im Gedächtnis geblieben war. Sowohl den Menschen als auch den Tieren und Pflanzen in Afrika galt seine ganze Aufmerksamkeit, er konnte sich für seltene Vögel ebenso begeistern wie für die Elefantenjagd. Bemerkenswert erscheint die Genauigkeit seiner Beobachtungen. Seine Reisegesellschaft umfasste insgesamt 22 Personen, Frauen und Diener eingeschlossen. Neben den Forschern waren auch die verwandten Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg (1832–1913) sowie Prinz Ernst zu Leiningen (1830–1904) dabei228. Die Monate in Afrika erfüllten offenbar ihren Zweck, denn nach seiner Rückkehr nahm der Herzog seine politischen Aktivitäten allmählich wieder auf. Im Juni 1862 stand die Entscheidung an, ob Ernst II. trotz der vielfältigen Vorwürfe und Verleumdungen gegen ihn in höchsten politischen Kreisen es tatsächlich wagen sollte, am Frankfurter Schützentag teilzunehmen. Gustav Freytag riet vorsichtshalber davon ab229  : »Auch die größte Liebenswürdigkeit reicht nicht hin, Interesse und, was wichtiger ist, Respect zu erhalten, wenn man als Fürst sich zu oft und bei verschiedenen Veranlassungen präsentirt. Mein lieber Herr ist in Gefahr sich, wie ein Schauspieler der zu viel spielt, abzunutzen.« Außerdem fürchtete Freytag mögliche Ausschreitungen auf dem Fest, das gegenüber dem Gothaer Schützenfest noch einmal deutlich gewachsen war. Nach langem Überlegen nahm der Herzog schließlich doch teil, allerdings nur als »Schütze unter Schützen«230. Prompt gingen in Berlin Gerüchte um, der Herzog habe sich von den Massen in Frankfurt zum Kaiser ausrufen lassen, woraufhin der König ihn energisch zu Rede stellte. Derartige Verleumdungen wurden auch nicht weniger, als im Oktober 1862 die Generalversammlung des Nationalvereins in Coburg tagte. Und die Berufung des dem Herzog zunächst sehr feindlich gesinnten Otto von Bismarck (1815–1898) zum preußischen 226 Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha  : Reise des Herzogs Ernst von SachsenCoburg-­Gotha nach Aegypten. Leipzig 1864. 227 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 146–224. Zum Folgenden. 228 Vgl. zu dieser Reise auch die Artikel von Ute Grottker und Hans-Dietrich Haemmerlein in Bachmann/ Korn/ Claus/ Dobritzsch 1993, S. 403–418 und 419–451. 229 Tempeltey 1904, S. 160. 230 Hierzu Brütting, S. 94. Zum Folgenden.

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Ministerpräsidenten machte es für Ernst II. auch nicht einfacher, seine Treue zur preußischen Führungsmacht zu halten. Dafür gab es in den Jahren 1862 und 1863 einige interessante Verwandtenbesuche  : So kam im September 1862 die verwitwete Queen Victoria zu Besuch, mit zweien ihrer Kinder und deren Ehepartnern231. Ein Jahr später, im September 1863, trafen sich sogar die englische Königin und der österreichische Kaiser Franz Joseph im Riesensaal von Schloss Ehrenburg, wobei die Queen den Kaiser um Schutz für ihre Kinder gebeten haben soll – allen politischen Interessen zum Trotz232. Die englische Königin war es auch gewesen, die im April 1863 ein Treffen zwischen der preußischen Königin Augusta (1811–1890) und Herzog Ernst II. in Weimar arrangiert hatte, vielleicht in der Hoffnung auf eine Besserung des Verhältnisses zum preußischen König233. Ernst II., der auch 1862 und 1863 wieder regelmäßig nach Paris, London, Wien und zum Fürstenkongress nach Frankfurt reiste234, lehnte im Frühjahr 1863 (nach gemeinsamen Verhandlungen mit seinem Onkel Leopold) die ihm angebotene griechische Krone ab und konzentrierte sich dafür auf ein anderes neues Projekt  : Nach dem Tod des dänischen Königs Friedrich VII. (1808– 1863) im November 1863 versuchte der Coburger Herzog auf eine Wiedereinsetzung der Augustenburger Dynastie hinzuwirken235. Zwei Jahre lang ging Ernst II. »zuweilen an die äußerste Grenze« seiner Möglichkeiten, um den befreundeten Herzog Friedrich VIII. (1829–1880) von Augustenburg, der zwischendurch in Gotha seinen Wohnsitz genommen hatte, zurück an die Macht zu bringen, was jedoch nicht gelang. Als Ende Oktober 1864 Ernsts Cousin Alexander Graf Mensdorff-Pouilly zum österreichischen Außenminister ernannt wurde, nutzte der eifrige Herzog die Gelegenheit wieder einmal für eine mahnende Denkschrift236. Sein Credo lautete  : »Europa braucht Ruhe  ; es wird sie nie erlangen, so lange die ­deutsche 231 Das preußische Kronprinzenpaar sowie Ludwig und Alice von Hessen (1843–1878). 232 So berichtet es Ernst II. in seinen Memoiren (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 350f.). 233 Hierzu Brütting, S. 114f. Außerdem waren Augusta und Ernst II. in ihrer Ablehnung Bis­ marcks vereint, was für die englische Königin auch nicht ohne Bedeutung gewesen sein dürfte. 234 Brütting, S. 122, berichtet, der Herzog, der sich ab dem 15. August 1863 in Frankfurt befand, sei von einer Festopernaufführung explizit ausgeschlossen worden, da man Reaktionen des Publikums fürchtete, die wiederum dem Kaiser unangenehm hätten sein können (wie damals beim Schützenfest). 235 Im Detail hierzu »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 367–400 und 469–471. Zum Folgenden. Außerdem hierzu Brütting, S. 128–136. 236 Vgl. »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 460–465. Brütting, S. 147.

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Frage eine offene ist.« Dem stimmte Mensdorff uneingeschränkt zu, aller­dings  : »Das Was ist so ziemlich klar, aber das Wie der Ausführung hat unter den gegebenen Verhältnissen seine Schwierigkeit.« Über Einzelheiten konnten sich die beiden dann bei einem großen Familientreffen im August 1865 in Coburg austauschen, das anlässlich der Enthüllung des Albert-Denkmals an dessen Geburtstag stattfand. Zu dieser Zeit sah sich Ernst II. erstmals mehr als Beobachter der politischen Szene denn als Akteur, auch wenn die nachträglich gesetzten Worte in den Memoiren wohl zufriedener klingen, als der Herzog es damals wirklich war237  : »Ich war im Sommer 1865 so glücklich, dem höchst unerquicklichen Schauspiel der diplomatischen Verwickelungen und Schachzüge ganz fern stehen zu können.« Kurz danach erlitt er einen weiteren schweren Verlust, da im Dezember 1865 sein Onkel Leopold, König der Belgier, verstarb. Ernst II. hatte den gewieften Politiker der alten Schule bewundert und verehrt, er war für ihn eine Art Ersatz für den früh verstorbenen Vater gewesen238. Seinem Vertrauten Gustav Freytag gegenüber äußert der Herzog in jener Zeit239  : »Mit dem Verlust des Bruders und des Onkels bin ich so eigentlich verwaist  ; kein Austausch von Gedanken und Ansichten, kein Berathen mehr über die wichtigsten Angelegenheiten, die nicht mein Haus allein, sondern oft das Wohl ganz Europa’s betrafen, findet statt.« Im selben Brief schreibt Ernst II. voller Einsicht, er sei zwar nun Chef seines Hauses, »nach außen hin aber ohne Einfluß«. Obwohl die Vermittlungsversuche Herzog Ernsts II. im Hinblick auf Öster­ reich sowie seine Aktivitäten im Bereich der Sänger-, Turner- und Schützenvereine am preußischen Hofe oft als Umsturzversuche verleumdet worden waren, bahnte sich in dieser Zeit allmählich eine Versöhnung an. Nachdem er 1865 erstmals wieder zu einem Manöver berufen worden war240, folgte Ernst II. im Mai 1866 einer Einladung nach Potsdam zur Taufe der Tochter des Kronprinzen. Trotz seiner Bemühungen um Österreich (wohin er ja auch verwandtschaftlich verbunden war) war seine Treue zu Preußen ungebrochen, gerade auch als es im unvermeidlich scheinenden deutsch-deutschen Krieg von 1866 darauf ankam. Dies unterstreicht Gustav Freytag in seinen »Erinnerungen«241  : »Als im Jahre 1866 die deutschen Fürsten vor der Wahl standen, welchem der 237 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 481. 238 In seinen Memoiren schreibt Ernst II. ausführlich und voller Zuneigung über seinen Onkel (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 484–489). 239 Tempeltey 1904, S. 206f., auch zum Folgenden. 240 Vgl. Brütting, S. 154. 241 Freytag, Erinnerungen, S. 27.

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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beiden Großmächte sie ihr und ihres Landes Schicksal anvertrauen wollten, hatte ich Gelegenheit, meinem Landesherrn in die Seele zu sehen. Während mancher andere zauderte und des Erfolges harrte, stellte er sich zu Preußen, schnell, feurig, in der gehobenen Stimmung eines Mannes, der weiß, daß die Stunde großer Pflichterfüllung für ihn gekommen ist. Und doch drohte gerade ihm und seinem Lande damals der Einbruch der Hannoveraner. Ich denke, die Deutschen sollen ihm das nicht vergessen.« Wieder war Herzog Ernst II. bei einem entscheidenden Gefecht anwesend, und wieder wurde seine Rolle im Nachhinein diskutiert242. In der Schlacht von Langensalza am 27. Juni 1866 standen sich Hannoveraner und Preußen gegenüber, wobei zwei Bataillone aus Coburg und Gotha auf preußischer Seite kämpften. Der Herzog hatte zwar kein eigenes Kommando, war aber an den Gefechten beteiligt und spielte vor allem bei den Verhandlungen mit den Hannoveranern, die zu deren Kapitulation führten, eine wichtige Rolle. In seiner lebendigen Schilderung der Vorgänge in seinen Memoiren243 stellt sich der Herzog lediglich als Ausführenden der Befehle der preußischen Oberbefehlshaber dar und betont, dass es ihm vor allem darum ging, Gotha zu schützen. Dennoch fand sich wieder ein politisch motivierter Journalist, in diesem Falle Ernst Zander (1803–1872), der Redakteur des »Volksboten«, der sich nicht scheute, den Herzog öffentlich anzugreifen und sein Mitwirken am positiven Ausgang der Schlacht in Zweifel zu ziehen244. Dass die Verhandlungstaktik des Herzogs letztendlich zum Einschluss der eigentlich überlegenen Hannoveraner Truppen durch die nachrückenden Preußen führte, scheint aber unbestritten geblieben zu sein. Wenige Tage nach der Schlacht bei Langensalza wurde der deutsch-­deutsche Krieg in der Schlacht bei Königgrätz entschieden. Die Preußen besiegten die verbündeten Armeen Österreichs und Sachsens, wodurch der Weg für eine »kleindeutsche Lösung« der deutschen Frage geebnet wurde (ein ­deutsches 242 Vgl. hierzu  : Der Herzog von Koburg und die Schlacht von Langensalza in der Schwurgerichtsverhandlung vom 23. Juli 1868 gegen den Redakteur des Volksboten Ernst Zander. München 1868. Außerdem Meding, Kap. 14. 243 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, Schilderung der Schlacht ab S. 577. – Sogar eine humorvolle Anekdote lässt der Herzog hier einfließen (S. 575f.)  : Als der preußische König in einem Telegramm befiehlt, eine Kapitulation zu erzwingen »coute que coute«, schreibt der Telegrafist die unbekannten französischen Worte falsch auf, so dass sich der preußische General von Falckenstein beunruhigt fragt, was die merkwürdigen Worte »kuttl kuttl« in der Nachricht des Königs zu bedeuten hätten. 244 Der Herzog von Koburg und die Schlacht von Langensalza in der Schwurgerichtsverhandlung vom 23. Juli 1868 gegen den Redakteur des Volksboten Ernst Zander. München 1868.

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Reich ohne Österreich). Herzog Ernst II. kam erst nach der Schlacht im Hauptquartier des Kronprinzen an. In seinen Memoiren legt er besonderen Wert auf seinen guten Kontakt zu den österreichischen Gefangenen245, die er aus seinen Vorräten verpflegt und mit denen er gemeinsam auf eine »baldige Wiederherstellung des alten Verhältnisses« zwischen Preußen und Österreich gehofft habe. Außerdem wird spürbar, wie der Herzog die Kameradschaft im militärischen Umfeld genoss, weshalb es ihm auch nicht das Geringste ausgemacht zu haben scheint, dass er nicht beim Kronprinzen im Schloss logieren durfte, sondern »bei dem Müller und dem Bezirksarzt sehr freundliche Aufnahme fand«. Im Sommer 1866 trat das Herzogtum Coburg und Gotha dem Norddeutschen Bund bei, so dass Ernst II. seinen Staatsminister Camillo von Seebach (1808–1894) zum Jahreswechsel 1866/67 als Bevollmächtigten zu den Verhandlungen über eine Bundesverfassung (des Norddeutschen Bundes) nach Berlin schicken konnte246. Als in den Gesprächen wieder einmal die Existenzberechtigung der kleinen Staaten diskutiert wurde, verfasste der Herzog ein Memorandum, in dem er voller Überzeugung und getragen von seiner eigenen Erfahrung vorbrachte  : »Die kleinen deutschen Staaten sind, seitdem sich in der deutschen Nation eine Bewegung zur Einheit Deutschlands geltend machte, die Träger dieser Bewegung gewesen. […] Der Grund dieser Erscheinung liegt in der Natur der kleinen Staaten. Dieselben sind nicht im Stande, ihren Bewoh­ nern einen Ersatz für den Mangel eines größeren Staatsganzen, eines Vaterlandes, zu geben, und ihre Regierungen sind zu schwach, um nicht stets eine Anlehnung an Preußen wünschen zu müssen.« Im Folgenden betont er, Preußen müsse nun den kleinen Staaten für ihre Treue dankbar sein, auch würden die Bevölkerungen der kleinen Staaten auf keinen Fall preußisch werden wollen, und es widerspreche ja gerade der Idee des Bundesstaatsprinzips, wenn die kleinen Staaten verschwänden. Etwas provokant fügt er am Ende an  : »Ist es gerathen, die Zahl der mißvergnügten Einwohner Preußens noch um neue Millionen zu vergrößern  ?« Obwohl sich in der deutschen Politik nun endlich etwas im Sinne Ernsts II. bewegte, ließ er in den Jahren 1866 bis 1869 in seinen Aktivitäten nicht nach, reiste viel (beispielsweise im Juni 1867 nach Paris, wo er mit Charles Gounod (1818–1893) dessen neue Oper »Roméo et Juliette« sah), machte Besuche und empfing Gegenbesuche. Am 3. Mai 1867 konnte er zufrieden seine Silberhoch245 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 594, 606. Zum Folgenden S. 594–606. 246 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 628–631. Zum Folgenden.

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zeit feiern, am 29. Januar 1869 sein 25-jähriges Regierungsjubiläum. Beides wurde natürlich auch im Hoftheater begangen. Der Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges im Juli 1870 rief im Herzogtum – wie überall in Deutschland – eine Welle nationaler Begeisterung hervor, die nun auch die letzten antipreußischen Vorbehalte mit sich fortspülte. Herzog Ernst II. erhielt jedoch kein eigenes Kommando247 und erlebte den Großteil des Feldzugs in Paris. Obwohl er diesmal also nicht mit einer militärischen Leistung auf sich aufmerksam machen konnte, bezeichnet er in seiner Autobiografie den siegreichen Kampf gegen Frankreich als den »stolzeste[n] und ereignißreichste[n] Theil meiner Laufbahn«248. Um seiner Person wenigstens eine kleine Funktion im historischen Gefüge zuweisen zu können, erzählt der Herzog dazu folgende Geschichte249  : »Der Zufall führte mich in dem brennenden Dorfe Alsaßhausen an das Sterbelager des bekannten französischen Generals Raoul. Der tapfere Mann lag dicht neben einer brennenden Hütte, so daß der Aschenregen auf ihn herabfiel, auf einer Pferdedecke, umgeben von einem Dutzend arabischer Truppen, welche sich theilnahmslos zeigten. Als ich an ihn herantrat, um zu sehen, ob ihm irgend eine Hülfe zu schaffen wäre, sagte er, er hätte nur noch wenige Augenblicke zu leben (es waren ihm beide Beine zerschmettert), und er fragte, ob ich sein Testament zur Besorgung übernehmen wolle. Als ich mich gern dazu bereit erklärte, übergab er mir dasselbe mit den unvergeßlichen Worten  : Je meurs dans la conviction que je me suis battu contre la plus brave armée du monde.250« Nachdem bei der Ausrufung des Deutschen Kaiserreiches im Spiegelsaal von Schloss Versailles am 18. Januar 1871 der neue Kaiser Wilhelm I. dann auch noch öffentlich zu Ernst II. gesagt hatte  : »Ich vergesse nicht, daß ich die Hauptsache des heutigen Tages Deinen Bestrebungen mit zu danken habe«251, konnte der Herzog voller Stolz nach Hause zurückkehren. Sein Ziel, die Vereinigung Deutschlands unter der Führung eines Kaisers, war endlich erreicht.

247 Vielleicht weil ihm das preußische Militär immer noch misstraute. Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke (1800–1891) soll den Herzog jedenfalls als »Schützenkönig« verspottet haben (vgl. Brütting, S. 177). 248 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 653. Zum Folgenden S. 653–671. 249 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 655f. 250 »Ich sterbe in der Überzeugung, dass ich mich gegen die tapferste Armee der Welt geschlagen habe.« 251 Gleich zu Beginn der Memoiren Ernsts II. erwähnt (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 13).

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Zufällig kam im September 1871, als der Herzog mit seinen Truppen aus Paris zurückkehrte, gerade der Schriftsteller und Historiker Ferdinand Gregorovius (1821–1891) durch Coburg. In seinen »Römischen Tagebüchern« beschreibt er die Szenerie 252  : »Die kleine Stadt war festlich geschmückt  ; ihr Bataillon kam eben aus Frankreich zurück und hielt seinen Triumpheinzug, den Herzog an der Spitze. So sah ich wohl den kleinsten aller Einzüge in Deutschland überhaupt  : ein Familienfest auf dem größten weltgeschichtlichen Hintergrunde.« Gregorovius, der sich in Rom zuhause fühlte, war entzückt über die niedlichen »Ehrenjungfrauen« und den Fahnenschmuck und verbrachte offenbar einen angenehmen Tag in der kleinen fränkischen Residenzstadt  : »Dann ging der Zug vor das Rathaus, wo der Bürgermeister aus dem Fenster herab eine Rede hielt. Der Herzog zu Pferd vor der Front des Bataillons. Nachmittags Tanz im Volksgarten  : alles in den Formen eines Familienfestes vom deutschesten Gepräge. Abends Illumination. […] Coburg ist ein reizendes Ländchen  ; der Herzog dort wie ein glücklicher Gutsbesitzer und Familienvater.«

Die »beschaulichen Jahre«

Nach Vollendung seines großen politischen Plans widmete sich Herzog Ernst II. erst einmal wieder mehr der Heimat253  : In den Jahren nach 1871 fanden viele Hofkonzerte statt, zum Teil mit großem, anspruchsvollem Programm254. In einem Brief an seinen Freund Gustav Freytag vom 28. Juni 1878255 freut sich der Herzog  : »Nun kommen die beschaulichen Jahre.« Zwar bot es sich gerade an, den jungen, unerfahrenen Kronprinzen Friedrich Wilhelm (1831–1888), den Ehemann von Alberts ältester Tochter Victoria, zu beraten, der nach zwei Attentaten auf seinen Vater seit dem 4. Juni 1878 die Regierungsgeschäfte führte. Doch dieser Versuchung hatte Ernst II. bis zu diesem Zeitpunkt weise widerstanden  : »Bis jetzt habe ich mich ganz fern gehalten, da zuviel Köche den Brei versalzen  ; tritt einmal ein Definitivum ein, so behalte ich mir vor, den Versuch nochmals zu wagen, mit Rath und That dem Führer beizustehen. […] werde ich nicht mehr gehört, so muß auch das ertragen werden  !« 252 Ferdinand Gregorovius  : Römische Tagebücher, Auszüge 1852–1889, Kapitel 21. 253 Übrigens schließen auch Ernsts Memoiren mit der Reichsgründung 1871 ab. 254 Vgl. hierzu u. a. die Programme und Akten in ThStAGotha Oberhofmarschallamt Nr. 360. 255 Tempeltey 1904, S. 284f., zum Folgenden.

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Erst in den 1880er-Jahren, als Bismarcks »konservative Wende« zu einem Abrücken der liberalen thüringischen Staaten (Weimar-Eisenach, Meiningen, Coburg und Gotha, Reuß ä.L.) von der offiziellen Reichspolitik führte256, machte Herzog Ernst II. noch einmal mit einem Pamphlet auf sich aufmerksam. Obwohl anonym veröffentlicht, wurde die Broschüre »Mitregenten und fremde Hände«257 im Jahr 1886 schnell dem alten Herzog zugeordnet258. Darin äußert Ernst II. seine Gedanken über die Gründe für die (wechselnde) Vormachtstellung bestimmter Länder in Europa sowie über die Entwicklung und Lage in Deutschland. »Seit 1871 glaubte man, daß die Zeit fremder Beeinflussungen in Deutschland für immer vorüber wäre. Wir sind eine Großmacht geworden. Aber wenn Jemand heute die Frage erhebt, ob das deutsche Reich bereits völlig frei von fremden Einflüssen geworden sei, so wird eine große Dosis politischer Genügsamkeit oder, was schlimmer und häufiger [ist], eine große Unkenntniß wirklicher Dinge dazu gehören, um eine der Nation erwünschte Antwort zu geben.«259 Nachdem er im Folgenden die Bedeutung von Frauen in der deutschen Politik erstaunlich vorurteilsfrei erörtert hat, zeigt Ernst II. mit dem Finger auf die Person, an deren Einfluss er sich stört  : seine Schwägerin Queen Victoria. Die Einmischung Englands in die deutsche Politik hält er für unerträglich und beklagt rückblickend  : »Wäre es dem Prinzen Albert jemals möglich gewesen, eine direkte und offizielle Stellung in den Angelegenheiten zu erlangen, so hätte sich allerdings das Verhältniß Deutschlands zu England günstiger gestalten können. Allein in jenen Jahren war den Zeitungen im Königreiche jeder Angriff auf den Gemahl der Königin gestattet, aus keinem andern Grunde, als eben deshalb, weil er ein Deutscher war.« Doch im Endeffekt geht es Ernst II. nicht um eine Abrechnung mit den Engländern, sondern um die Selbständigkeit und das Selbstbewusstsein der deutschen Politik  : »So lange diese nationale Selbständigkeit in des Wortes strengster Bedeutung nicht in Deutschland selbst ihren Schwerpunkt sucht und findet, ist auch die Hoffnung auf den innern Frieden nur gering. […] Soll diesen innern und äußern Täuschungen ein Ende gemacht werden, so ist ein ernstes Insichgehen und Selbstbesinnen nöthig.«260 Dieser Appell, den Kronprinz Friedrich Wilhelm 256 Hierzu Brütting, S. 190  ; Jonscher 1993, ab S. 180. Zum Folgenden. 257 [Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha]  : Mitregenten und fremde Hände in Deutschland. Zürich 1886. 258 Auch wenn weder ihm noch seinem Vertrauten Gustav Freytag das recht war (vgl. Tempeltey 1904, S. 300f.). 259 Mitregenten und fremde Hände, S. 4. 260 Mitregenten und fremde Hände, S. 27 und 28.

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als »vortrefflich« bezeichnet haben soll261, blieb leider ungehört, und bekanntlich nahm die Entwicklung in Deutschland eine andere Richtung. Dem mittlerweile betagten Herzog Ernst II. blieb nun nichts Besseres mehr übrig, als sich der Abfassung seiner Memoiren zu widmen. Nach eigenen Angaben in zehnjähriger Recherchearbeit verfasst und zwischen 1887 und 1889 in drei gewaltigen Bänden veröffentlicht, avancierte »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit« zu einer der meistbeachteten Publikationen dieser Art Ende des 19. Jahrhunderts262. Wie auch bei seinen musikalischen Werken größeren Umfangs griff der Herzog auf die Unterstützung eines Fachmanns zurück  : Der zunächst in Wien, dann in Jena tätige Geschichtsprofessor Ottokar ­L orenz (1832–1904) war wesentlich an der Abfassung der umfangreichen und zum Teil sehr detaillierten Schilderungen der deutschen Politik bis 1871 beteiligt. Die Mitwirkung eines Historikers war wohl – ebenso wie die Wieder­ gabe zahlreicher historischer Dokumente im Text – darauf ausgerichtet, dem Werk den Anstrich einer relativ neutralen, sachlichen Geschichtsschreibung zu geben. Und tatsächlich ist in den drei Bänden ein Bemühen um eine möglichst objektive Wiedergabe des Erlebten spürbar, nur selten spricht der Herzog wirklich Persönliches an263. Dahinter steckt jedoch Methode, wie nicht nur in vielen zeitgenössischen Kritiken264, sondern auch in jüngerer Zeit in Einzeluntersuchungen sichtbar gemacht wurde 265. Denn natürlich hat nicht nur die Auswahl der präsentierten Zeitzeugnisse Auswirkungen auf die Darstellung, auch vor Kürzungen, Auslassungen oder Überzeichnungen schreckte Ernst II. nicht zurück. Jedoch sagte er nie wirklich die Unwahrheit oder setzte Lügen in die Welt (wie es ihm seine schärfsten Kritiker vorwarfen), das hätte er sich wohl auch angesichts der vielen Zeitzeugen kaum erlauben können266. Überraschend treffsicher formulierte in diesem Zusammenhang ein englischer Kritiker 267, dass die Ansichten des Herzogs zwar nicht 261 Fesser 2001, S. 117. 262 Schon 1889 erschien die sechste Auflage des ersten Bandes. 263 Die Musik des Herzogs findet beispielsweise nur marginale Erwähnung. 264 Sehr kritisch hierzu Dorien sowie Fischer 1889. 265 Vgl. zum Beispiel den Aufsatz von Freitag zur Schlacht von Eckernförde. 266 Hierzu Freitag, Dorien und Fischer 1889. Außerdem erschienen unzählige Besprechungen in der Presse  ; die alle aufzuzählen diesen Rahmen sprengen würde. Für Kritiken ausländischer Journalisten sei hier beispielhaft auf folgende Artikel verwiesen  : »The Athenaeum«, vom 26. November 1887, S. 703–705, und vom 12. Juli 1890, S. 55f.; »The Leisure Hour«, Februar 1888, S. 96–101  ; »The Saturday Review«, vom 17. November 1888, S. 594f.; »New York Times«, vom 5. Juli 1890, S. 6  ; »The Academy«, vom 23. August 1890, S. 143. 267 »The Academy«, vom 23. August 1890, S. 143.

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immer richtig seien, aber dennoch Beachtung verdienten. Außerdem wird der Autor in fast allen Besprechungen für seine lebendige Geschichtsschreibung gelobt268. Ernst II. selbst sah sich vor allem durch seine langjährige politische Tätigkeit dazu legitimiert, die Ereignisse, die zur Gründung des Reiches führten, den nachfolgenden Generationen im Detail vor Augen zu führen – und in diesem Kontext seiner eigenen Person Bedeutung und Gewicht zu geben  : »In Folge meiner unausgesetzten Theilnahme an der deutschen Politik haben meine Erinnerungen ganz unabsichtlich den Charakter einer fortlaufenden Darstellung der letzten Jahrzehnte angenommen. Selbst ungesucht hat mich nicht selten der Zufall zum Zeugen großer und entscheidender Begebenheiten gemacht. Wenn ich meine eigenen Erlebnisse überblickte, so stellte sich mir jedesmal das Bild der ganzen Epoche unwillkürlich vor Augen. Und so erhielt das Werk, welches ich veröffentlichte, den Charakter einer Darstellung, bei welcher mein individuelles Leben zuweilen ganz zurücktrat.«269 Doch natürlich war auch ihm klar, dass es bei aller historiografischen Sorgfalt eine persönliche Darstellung bleiben würde  : »Ich kann mich nicht bestimmt finden, mir mein Recht verkümmern zu lassen, die Dinge darzustellen, wie ich dieselben erlebt, empfunden und mitbewirkt habe.«270 Bei der Erarbeitung seiner Autobiografie ging der Herzog genauso vor, wie er es auch bei seinen musikalischen Schöpfungen getan hatte  : Er zog mit Lorenz einen Fachmann bei, der keinen unwesentlichen Teil der eigentlichen Arbeit zu leisten hatte, dem er aber die Richtlinien vorgab. Dann wurde eine erste Fassung gemeinsam erstellt, diese jedoch ständig redigiert, überprüft, unter Umständen neu gefasst. Entsprechend zitiert Beyer271 den Herzog im Hinblick auf seine Memoiren  : »In ähnlicher Weise habe ich auch meine Opern komponiert  ; ich habe die Melodien geschaffen, dieselben diktiert, korrigiert, redigiert  ; dann habe ich sie mir vorgespielt, vorspielen lassen und dabei das Ganze endgiltig [sic] so festgestellt, wie es in Erscheinung trat.« Parallel dazu holte Ernst II. die Meinung weiterer Experten ein, im literarischen Falle war dies 268 In dem zitierten englischen Artikel ebenso wie in Schmitz, S. 12  : »[…] indem das Hauptgewicht auf die Entwickelung des nationalen Gedankens gelegt wird, werden uns aus dem denkwürdigsten Zeitraum deutscher Geschichte die bemerkenswerten Personen und Ereignisse nach scharfer Beobachtung mit lebhafter, aber stets natürlicher und anziehender Sprache in wahrhaft treffender und dabei künstlerischer Weise geschildert.« 269 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Vorwort zu Bd. 1, S. VI. 270 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Vorwort zu Bd. 1, S. VIII. 271 Beyer 1894, S. 97.

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stets Gustav Freytag. Schon 1882 legte der Herzog dem Schriftsteller mehrere ­ apitel im Entwurf vor und bat in gewohnter Offenheit272  : »Ich wünsche K nur, daß Sie mit Ihrem feinen kritischen Tastsinn herausfinden möchten, ob der Tenor im Allgemeinen und die Bewältigung des massenhaften Materials im Ganzen uns geglückt.«273 Nach Erscheinen des ersten Bandes lobte Freytag seinen Herzog274  : »Die Sache ist gut geworden, das Wagniß wohl gelungen«. Er hob besonders die treffende Charakterisierung einiger Personen in dem Buch hervor, sprach aber auch die Selbstdarstellung des Herzogs an  : »Für einen alten Freund, der viel Liebes und Holdes in Ihnen sah, ist der Herzschlag zuweilen allzusehr durch Purpur und Küraß verdeckt. Es ist ganz recht, daß es so ist, mir aber bleibt die Empfindung, daß ich mehr von Ihnen weiß, und Herzlicheres, als das Buch erzählt.« Das von Ernst II. in seinen Memoi­ren gezeichnete Selbstbild empfand Freytag also als reduziert auf »Purpur und Küraß«, d. h. auf die politische und militärische Funktion des Herzogs. Damit stand der Autor aber ganz in der Tradition der im 19. Jahrhundert so beliebten »Ich-Geschichten«275, in denen »das individuelle Leben als ein Datum im Verlauf der Geschichte« eingeordnet wurde. Als Autobiograf war Ernst II. zugleich Subjekt und Objekt seiner Erzählung. Da er wie nur wenige noch lebende Zeitgenossen an der politischen Entwicklung Deutschlands in der Mitte des 19. Jahrhunderts teilgenommen hatte, konnte er sich als Berichterstatter der jüngeren Vergangenheit präsentieren und dabei seine eigene Geschichte in ihrer Parallelität zur Nationalgeschichte erzählen276. Dass es ihm genau darum ging, die Bedeutung der eigenen Person durch den Erfolg der Geschichte (in diesem Fall die Gründung des Deutschen Reiches 1871) zu definieren, wird aus Ernsts Schlusswort am Ende des dritten Bandes seiner Memoiren deutlich277  : »Vielleicht darf ich hoffen, daß meine Schilderungen aus dieser Epoche in dem Sinne zu wirken geeignet sind, in welchem ich selbst auf die Hauptmomente meines Lebens am liebsten zurückblicken möchte  : Täuschung und Irrthum bleibt dem Wanderer auf keinem Wege erspart, eines aber deckt vielerlei Schwächen und Mängel versöhnend zu  : ein redliches Bewußtsein unbeirrter Vaterlandsliebe.« 272 Tempeltey 1904, S. 292f. 273 Man beachte die Formulierung »uns«  : Wie auch bei den Opern machte der Herzog nie einen Hehl daraus, dass er seine Werke nicht im Alleingang schuf. 274 Tempeltey 1904, S. 310f., zum Folgenden. 275 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Wagner-Egelhaaf, S. 161–163. 276 Zu diesen Fragen autobiografischer Darstellung ausführlich Jürgen Lehmann, S. 227–240. 277 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 673.

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Trotz der anhaltenden Aufmerksamkeit für seine Autobiografie und trotz seines Vorsatzes, sich nun gänzlich von der großen politischen Bühne fernzuhalten, wurde Herzog Ernst II. im Jahr 1888 ein letztes Mal weitreichender politisch aktiv. Erzürnt über den Versuch einer nachträglichen politischen Vereinnahmung seines früh verstorbenen Verwandten, Kaiser Friedrichs III. (1831–1888)278, veröffentlichte der Coburger Herzog eine Broschüre mit dem Titel »Auch ein Programm aus den 99 Tagen«279, in der er die Freisinnige Partei des streitlustigen Reichstagsabgeordneten Eugen Richter (1838–1906) aufs Korn nahm. Da diese Publikation des Herzogs rege Beachtung fand, ist es nicht verwunderlich, dass ihr eine Attacke der Gegenseite folgte. Allerdings vergriff sich der Jurist und Publizist Ernst Harmening (1854–1913) in seiner Erwiderung »Wer da  ? Eine nöthige Frage als Antwort auf einen unnützen Angriff« dermaßen im Ton280, dass er wegen Majestätsbeleidigung zu sechs Monaten Festungshaft verurteilt wurde281. Die Stellung eines Bundesfürsten war juristisch immer noch stark genug, um im »öffentlichen Interesse« verteidigt zu werden. Von der vielbesprochenen Autobiografie sowie dem aktuellen politischen Streit aufgescheucht, befassten sich zu dieser Zeit auch einige Journalisten mit der Person des Herzogs. 1889 schrieb die »Revue Diplomatique«282 in einem ausführlichen Artikel über Ernst II.: »On peut même affirmer que s’il n’était pas né sur les marches d’un trône, il aurait compté parmi les plus brilliants compositeurs d’opéra de ce siècle. Il est pourtant plus qu’un amateur, ce prince si puissamment dominé par le démon de la mélodie, et l’on nous assure que ses opéras jouissent, auprès des connaisseurs, d’une réputation établie.«283 Ganz 278 Friedrich III. war mit »Vicky«, der ältesten Tochter Alberts, verheiratet und aufgrund einer schweren Erkrankung, die alsbald zu seinem Tod führte, nur 99 Tage lang deutscher Kaiser. Näheres hierzu bei Frank Lorenz Müller  : »Der 99 Tage-Kaiser  : Friedrich III. von Preußen – Prinz, Monarch, Mythos«. München 2013. 279 Wie schon bei vorherigen Publikationen war der Versuch, als Verfasser anonym zu bleiben, erfolglos. 280 Harmening bezichtigte den Herzog der Lüge, Heuchelei, Verleumdung, »tückischer Bosheit«, systematischer Geschichtsfälschung usw., sah sich selbst aber als besonderen Verehrer des verstorbenen Kaisers. 281 Vgl. [Harmening, Ernst]  : Proceß gegen Dr. jur. Ernst Harmening wegen Beleidigung des Herzogs von Coburg-Gotha. Leipzig 1890. 282 »La Revue Diplomatique et le Moniteur des Consultants«, Nr. 68, vom 13. Juli 1889, Titelblatt. 283 »Man könnte sogar behaupten, dass, wenn er nicht auf den Stufen eines Thrones geboren worden wäre, er zu den brillantesten Opernkomponisten seiner Zeit gehört hätte. Er ist dennoch mehr als ein Liebhaber [Amateur], dieser Prinz, der so mächtig vom Dämon der Melodie beherrscht wird, und man versichert uns, dass sich seine Opern unter Kennern eines guten Rufes erfreuen.«

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anders dagegen urteilte »The Contemporary Review«284 in einem Artikel über die Politik der Bismarck-Ära  : Die 1860er Jahre seien von den Methoden der »Coburger Schule« beeinflusst gewesen, für die der Autor des Artikels kaum verhohlene Verachtung empfindet. Mittlerweile weitgehend unberührt von den unterschiedlichen Kampagnen in der Presse verbrachte der Herzog in diesen letzten Jahren einen guten Teil seiner Zeit in Nizza – auch aus gesundheitlichen Gründen – und widmete sich seiner Heimat. So nahm er 1890 an einer landwirtschaftlichen Ausstellung in Coburg teil, freute sich 1891 über Aufführungen seiner Opern in Hamburg, Berlin und New York und beging am 3. Mai 1892 seine goldene Hochzeit mit einer Festvorstellung im Hoftheater, zu der unter anderem auch das von A ­ lbert komponierte »Te Deum« erklang. Trotz nachlassender Herausforderungen behielt er den gewohnt disziplinierten Tagesablauf bei, wie Eduard Tempel­ tey (1832–1919) später berichtet285  : »Früh um acht Uhr saß er Tag für Tag am Schreibtisch des Arbeitszimmers, sah die Ministerial- und Posteingänge durch, hörte Kabinets- [sic] und Intendanzvortrag, entschied und erledigte oder ordnete Erledigung an. Danach erst, um zehn Uhr, frühstückte er. Für den weiteren Tag waren die Bestimmungen über Conferenzen, Empfänge und Besichtigungen schon festgesetzt und wurden pünktlich innegehalten  ; alles griff wie ein Räderwerk ineinander.« Diese stete Beschäftigung war für den alternden Herzog wichtig, wie er selbst in einem Brief vom 29. November 1891 an Gustav Freytag äußert286  : »Je älter man wird, je einsamer wird man. Das gehört nun einmal zu dem Räthsel, Leben genannt, und man verwindet es nur durch Arbeit und Pflichterfüllung. An Arbeit fehlt’s nicht, leider auch nicht an Aerger  ; es ist merkwürdig, wie in einem verhältnißmäßig doch kleinen Staatswesen die Interessen aufeinanderstoßen, die man prüfen, schlichten und ordnen soll. Zum Glück habe ich nie danach gefragt, ob ich Dem und Jenem gefalle, sondern gehe immer selbst meinen Weg.« In einem letzten großen Projekt wandte sich Herzog Ernst II. dann noch einmal der Musik zu  : Im September 1892 versuchte er, die zeitgenössische deutsche Oper durch ein Preisausschreiben zu beleben287. Gesucht wurde eine einaktige, deutsche Oper, die in Gotha zum ersten Mal aufgeführt werden sollte, nicht über 1,5 Stunden dauern durfte und nur von einem deutschen 284 »The Contemporary Review«, vom 1. Juli 1892, S. 153–164. 285 Tempeltey, Vortrag, S. 20. 286 Tempeltey 1904, S. 338f. 287 Hierzu u. a. Ebart, 100 Jahre, S. 118ff., sowie Lederer, S. 134f.

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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oder deutsch-österreichischen Komponisten stammen durfte. Der Preis belief sich auf eine Summe von 5.000 Mark, davon 4.000 für die Musik und 1.000 für den Text. Die Einsendung wurde bis zum 1. März 1893 erbeten, und zwar anonym. Eine Beurteilung der eingesandten Werke sollte dann durch eine Prüfungskommission unter dem Ehrenvorsitz des Herzogs erfolgen. Die Zusammensetzung dieser Kommission, einer illustren Runde, spiegelt noch einmal das Ansehen des Herzogs in der Musikwelt seiner Zeit. Zur Mitwirkung hatten sich bereiterklärt288  : Dr. Eduard Tempeltey (Kabinettspräsident in Gotha und von 1868 bis 1874 Intendant), Dr. jur. Victor von Hartogensis (geb. ca. 1857, Rechtsanwalt in Berlin), Graf Nicolaus Esterházy289 (Wien), Kammer­herr Paul von Ebart (1855–1936, Hoftheaterintendant aus Gotha), Hofkapellmeister Emanuel Faltis (1847–1900, Coburg), Carl Goldmark (1830–1915, Komponist, Wien), Wilhelm Jahn (1835–1900, Direktor der Hof­oper Wien), Gene­ ralmusikdirektor Hermann Levi (1839–1900, München), Felix Lüpschütz (1852–1894, Schauspieler, Regisseur und Direktor, Berlin), Prof. Dr. Carl Reinecke (1824–1910, Professor am Konservatorium und Dirigent des Gewandhausorchesters, Leipzig), Generalmusikdirektor Ernst Schuch (1846– 1914, Dresden), Hofkapellmeister Joseph Sucher (1843–1908, Berlin) ­sowie (nachträglich dazugekommen) Victor Naumann (1865–1927, Jurist und Schriftsteller, Coburg/Gotha). Beeindruckt vom Erfolg der 1891 erstmals in Deutschland aufgeführten ein­ aktigen Oper »Cavalleria rusticana« von Pietro Mascagni (1863–1945) wollte Ernst II.290 nun deutsche Komponisten dazu anstacheln, ein ebenso eingängiges Werk auf die Bühne zu bringen291. Von den 124 Einsendungen befanden die strengen Kritiker (Levi, Goldmark, Schuch, Faltis)292 jedoch die meisten für unbrauchbar und einigten sich zähneknirschend auf die gleichberechtigte

288 Vgl. hierzu in ThStAGotha Acten des Herzogl. S. Hofamts, Oberhofmarschallamt Nr. 139. Dort heißt es, das Komitee bestehe aus prüfenden und geschäftsführenden Mitgliedern. Es dürften wohl nur die ausgewiesenen Musiker zur eigentlichen Prüfung der Werke herangezogen worden sein. 289 Es dürfte sich um Fürst Nikolaus III. von Esterházy de Galantha (1817–1894) gehandelt haben, der in England erzogen wurde und dem österreichischen Kaiser Franz Joseph nahestand. 290 In seinem Hoftheater hatte »Cavalleria rusticana« am 15. März (Gotha) bzw. 7. Mai (Coburg) 1891 Premiere. 291 Zierau hierzu sehr detailliert, vor allem zu den eingereichten Werken. Vgl. auch Lederer. 292 Von den Genannten existieren Briefe, Telegramme oder Zettel (LBC Ms 299/2  :1–7), auf denen sie ihre Meinungen zu den Werken wiedergeben. Richtig überzeugt war man offenbar von keinem Werk. Hermann Levi betonte bis zuletzt seine abweichende Meinung.

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Aufteilung des Preises auf zwei Werke  : »Die Rose von P ­ ontevedra«293 von dem österreichischen Komponisten Josef Forster (1838–1917) sowie »Evanthia« von Paul Umlauft (1853–1934) aus Leipzig, der von 1879 bis 1883 Stipendiat der Mozart-Stiftung gewesen war. Die preisgekrönten Opern wurden am 30. und 31. Juli 1893 unter der Leitung von Hermann Levi und Joseph ­Sucher aufgeführt. In den Tagen vorher waren schon Cherubinis »Medea« und Boieldieus »Chaperon rouge« in musterhaften Aufführungen über die Bühne gegangen, und das ganze Opernfest wurde durch ausführliche Berichterstattung in allen Zeitungen und einer eigenen »Fest-Zeitung«294 mit Porträts der Dirigenten aufwändig begangen. Die Aufmerksamkeit für die »Musteraufführungen« war groß, sogar im Ausland295, was die Münchner Intendanz dazu bewogen haben mag, ein Jahr später ein ähnliches Vorhaben in Planung zu setzen296. Der alte Herzog, angespornt von so viel Aktivität und so vielen interessanten Kontakten, blühte noch einmal auf  : »In diesen letzten Tagen seiner nie rastenden Thätigkeit sah man den Herzog noch einmal fast mit jugend­ licher Frische Theaterproben abhalten, wie er vor langen Jahren seine eigenen Opern einübte.«297 Doch – was niemand voraussehen konnte – es war sein letzter Akt, denn schon am 1. August, am Tag nach der letzten Aufführung, erlitt er einen schweren Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholen sollte. Als habe er ein letztes Mal seine Familie, seine eigentliche Familie, zusammenrufen wollen, so verbrachte Herzog Ernst II. die Tage unmittelbar vor seinem Tod im Kreise von Künstlern und Musikern  : »[D]ie Gothaer Festspieltage lassen den Verstorbenen im Andenken einer großen Anzahl deutscher Künstler wie einen alten Sagenkönig erscheinen, der die Geisterschar, die ihm die liebste war, noch einmal um sich versammelt, und dann hinübergeht in das ewige Geisterreich«298.

293 Lederer, S. 135  : »eine der getreuesten Kopien der Cavalleria«. 294 Vgl. StACo LA A 7369. Dort auch Dankesbriefe, eingesandte auswärtige Zeitungsartikel und Theaterzettel. 295 Vgl. Artikel in »The Musical Standard« vom 21. April 1894, S. 341  ; »The Monthly Musical Record«, vom 1. September 1893, S. 209f. (»much-talked-of model performances at Gotha«) sowie 211 (zum Tod Ernsts II.). 296 Jedenfalls bittet Hermann Levi in einem Brief vom 14. August 1894 (LBC Ms 299/2  :1–7) mit einem diesbezüglichen Hinweis um die Überlassung der Adresskartei aus Coburg. 297 Lorenz, S. 321. 298 Lorenz, S. 321.

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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Tod und Nachhall

Erschüttert und traurig berichtet Paul von Ebart in seinen Memoiren vom Tod des Herzogs am 23. August 1893299. Dem herbeieilenden Prinzen Wilhelm von Baden (1829–1897) erklärt er, woher der Schuldenberg stamme, der sich im Laufe der Regierungsjahre Ernsts II. angesammelt habe  : in Coburg Umbau der Veste und des Marstalls, Anlegung des Hofgartens und der Musterfarmen (»Ernstfarm«), eine neue Reitbahn, die Innendekoration von Schloss Ehrenburg, die elektrische Beleuchtung im Hoftheater  ; in Gotha das herzog­ liche Museum, die Gemäldesammlung, der Kunstverein, der Ausbau des ­Palais. Nicht zu vergessen  : »Welche Summen haben die Theater verschlungen  ; ich denke, die Bewohner des Landes sollten das alles nicht vergessen.«300 Von Ebart ist es auch, der die Worte des Kaisers zum Tode des Coburger Herzogs kolportiert  : »Mit dem Entschlafenen ist ein bedeutender deutscher Fürst aus dem Leben geschieden […]. Mit meiner Armee beklage ich zugleich den Verlust eines treuen Freundes, der von jeher und in allen Lagen unerschütterlich zu meinem Hause gestanden hat«301. Nachdem am 25. August 1893 Ernsts Neffe Alfred offiziell als Herzog die Regierung übernommen hatte, wurde der Leichnam am 28. August nach Coburg überführt. In der Morizkirche fand eine große Trauerfeier statt302, bei der auch die vom Herzog komponierte Kantate »Aller Seelen« erklang. Die Nachricht vom Tod Herzog Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha verbreitete sich in Windeseile bis nach Amerika303. Unzählige Nachrufe widmeten sich der eigenwilligen Persönlichkeit, der künstlerischen Neigung des Herzogs, seinen Bemühungen um die deutsche Einheit sowie seiner prominenten Verwandtschaft. In der eigenen Familie, insbesondere der seines Nachfolgers Alfred, war der alte Herzog zuletzt nicht sehr beliebt gewesen, wie aus den Memoiren von Alfreds Tochter Maria hervorgeht304. Sie beschreibt zwar Coburg als eine »alte kleine Residenzstadt mit malerischen Winkeln«305, in der das Leben der Einwohner »in den gediegenen Bahnen altväterlicher Loyalität und Einfachheit« dahinfloss und in der ihre Mutter sich – frei von strengen 299 Ebart, Am Herzogshofe, S. 1–7. Zum Folgenden. 300 Ebart, Am Herzogshofe, S. 7. 301 Ebart, Am Herzogshofe, S. 5. 302 Das Programm der Beisetzungsfeierlichkeiten findet sich in LBC Q 59, 8, f. 38f. 303 Vgl. beispielsweise die Meldung im »Chicago Daily Tribune« vom 29. August 1893, S. 5. 304 Maria von Rumänien  : Traum und Leben einer Königin. Leipzig 1935. 305 Maria von Rumänien, S. 107. Auch zum Folgenden.

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Hofzwängen – »wirklicher Unabhängigkeit« erfreuen durfte. Aber ihren Großonkel Ernst schildert sie als furchteinflößenden Riesen mit blutunterlaufenen Augen306 und den »Kinnbacken einer Bulldogge«, »ein Typus, der in unserer Zeit undenkbar ist, und wenn er je wieder erscheinen sollte, dann könnte es nur unter den Neureichen oder Finanzpotentaten, aber unmöglich unter den Fürsten sein« – eine Bemerkung, die wohl auf seinen wenig höfisch-distanzierten Umgang mit seinen Mitmenschen abzielt. Immerhin gesteht sie ihrem Großonkel zu, dass er »den Ruf großer Gelehrsamkeit« genossen habe, auch wenn »seine Ausschweifungen« – inklusive des gleichzeitig von ihr gelobten Hoftheaters – viel zu viel Geld verschlungen hätten. Dass der Herzog einen Großteil seines Geldes für Projekte in seinem Herzogtum ausgegeben hatte, von denen auch die Einwohner profitierten, war den Coburgern durchaus bewusst. Seine Liebe zu Musik und Theater sowie seine Protektion für die bürgerlichen Vereine brachten Ernst II. anhaltende Beliebtheit in der fränkischen Residenzstadt ein. Davon berichtet rückblickend auch Tempeltey307  : »Und ein Jahr vor seinem Hinscheiden, am 14. Juli 1892 Nachmittags und Abends, hat er hier […] die Mitglieder des Sängerkranzes und deren Gattinnen zu einem Gartenfest im Hofgarten eingeladen gehabt  ; die Militär- und die Stadtcapelle concertirten, Liedervorträge wechselten mit der Instrumentalmusik, leibliche Genüsse fehlten natürlich nicht  ; und zwischen den festlichen Schaaren wandelte, freundlich grüßend und plaudernd, in herzlicher Leutseligkeit das greise Fürstenpaar. So von Anfang bis Ende des Lebens hat immer zwischen dem Herzog und den Coburgern ein intimes Verhältniß bestanden  ; sie schalten zwar nicht selten auf ihn, wie das ja des deutschen Bürgers Grundrecht ist, aber sie wußten doch, was sie an ihm hatten.« Das nicht immer einfache Verhältnis Ernsts II. zu seiner Thüringer Residenz Gotha, das ausführlich in seiner Antwort auf Schmidt-Weißenfels’ Broschüre von 1861 zur Sprache kam, wurde aufgehellt durch die besondere Vorliebe des naturverbundenen Herzogs für sein Schloss im nahegelegenen Reinhards­ brunn. In schwärmerischer Verklärung schreibt der Schriftsteller August Trinius (1851–1919) in seinen »Thüringer Erzählungen und Skizzen«308 über den »Lieblingssitz« des »letzten Koburgers«  : »Reinhardsbrunn und seine wildreichen Wälder warn ihm fest ans Herz gewachsen. Hier kehrte er zur Sommers306 Maria von Rumänien, S. 118ff., auch zum Folgenden. 307 Tempeltey, Vortrag, S. 23. 308 August Trinius  : Wenn die Sonne sinkt. Thüringer Erzählungen und Skizzen. Leipzig [1905]. Zum Folgenden vgl. Kapitel 34.

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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zeit ein, von hier aus ging’s hinauf in den Hochwald, und war die Jagd vorüber, so sah der mitteilsame Fürst, der so unerschrocken urteilte, der Freimut auch an seinen Gästen achtete, dem jeder Byzantinismus zuwider war, mit Vorliebe bei Tafel Männer der Künste und Wissenschaften. War er selbst doch einer der hinreißendsten Plauderer, der geistvoll, sprühend, vor einem freien Ausdruck nicht zurückscheuend, seine Gäste bis zuletzt zu fesseln und zu ermuntern wußte.« Zeitgenossen waren oft vom energiegeladenen, vielseitig interessierten Temperament des Herzogs beeindruckt. So schreibt der Historiker Johann Gustav Droysen (1808–1884), der vier Jahre im Dienst des Herzogs gestanden und sich vehement für die Sache Schleswig-Holsteins engagiert hatte, im November 1855 an Karl Philipp Francke über den Herzog309  : »Frei, ungebunden, rücksichtslos, begabt, voll Ruhmbegierde und Tatenlust, der Welt kundig und in einflußreichen Verbindungen, voll Herz und Gemüt, kühn in der Jagd, feurig in der Liebe, natürlich in seinem ganzen Wesen, mehr Mensch und Ritter als Regent eines Duodezstaats – leider aber zu gering an reeller Macht, um den deutschen Karren aus dem Dreck zu holen.« Ein knappes Jahr später fügt Francke eine Beobachtung hinzu310  : »Er zerlegt sich selbst in Atome«, mache zuviel, spiele sogar Theater, wobei er »unleugbar auch in diesen Dingen ungewöhnliches Talent zeigt«. In der Politik hatte der eigensinnige Herzog, der energisch seine Ziele verfolgte und dabei oft wenig diplomatisch vorging, naturgemäß viele Feinde. Doch am Ende zollten ihm sowohl der Kaiser, der sich oft von dem kleinen Herzog bedrängt gefühlt haben muss, als auch Bismarck, den Ernst II. nur anfänglich als Gegner betrachtete, großen Respekt. Otto von Bismarck erkannte dabei in der geistigen Unabhängigkeit des Herzogs seine besondere Stärke311  : »Es habe nur wenige gegeben, die so ganz aus sich heraus ihr Urteil, ohne fremdem Einfluß zugänglich zu sein, gebildet hätten«. Zu berücksichtigen ist auch, dass viel von der Kritik Bismarcks oder auch Heinrich von Treitschkes (1796–1867) vorrangig auf Ernsts Bruder Albert und dessen Einfluss auf die kontinentale Politik abzielte312. Die zeitweilige Beliebtheit des 309 Zitiert nach Brütting, S. 34. 310 Aus einem Brief Franckes an Droysen vom 2. September 1856, zitiert nach Brütting, S. 34. – Diese Beschreibung des Herzogs ähnelt in vielem der zitierten Charakterisierung durch Theodor von Bernhardi. 311 Äußerung Bismarcks über Ernst II. in der »Deutschen Rundschau«, Nr. 20, vom Oktober 1893, H. 1, zitiert nach Brütting, S. 35. 312 Vgl. hierzu die mehrfachen Erwähnungen Herzog Ernsts II. in Bismarcks »Gedanken und

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Herzogs beim Volk war den machtbewussten Zeitgenossen aber sicher ein Dorn im Auge313. Stärkste Polemik verwandten die Sozialisten in einem Nachruf auf den Herzog314, ihnen ging der einstmals fortschrittliche Bundesfürst nicht weit genug. Sie verspotten ihn als »einheimische[n] Zaunkönig des Geschlechts« der Coburger, als Angeber und Lügner. Der Hauptvorwurf an Herzog Ernst II. scheint aber selbst vom sozialistischen Standpunkt nicht wirklich zu Ende gedacht  : »Die Orleans und die Koburger haben als die Bourgeois unter den europä­ ischen Fürstenfamilien vortreffliche Geschäfte gemacht, aber den ehrwürdigen Schimmer, der ihren Beruf umgab, um so gründlicher zerstört.« Ganz andere Töne schlugen dagegen diejenigen an, die als Bewohner und Funktionsträger des Herzogtums Coburg und Gotha von der liberalen Politik Ernsts II. unmittelbar profitiert hatten. So hebt der Oberlehrer Stemmler vom Gymnasium Ohrdruf in seinem Nachruf fünf Wochen nach der Beerdigung 315 besonders die Maßnahmen zur Förderung der Bildung und des Schulwesens hervor  : »In ganz Deutschland ist es bekannt, wie viel in seinem Lande für Aufklärung und Belehrung geschehen ist, wie weder Ausgaben noch Opfer gescheut wurden, den Bildungsgrad der Unterthanen zu erhöhen, wie das Kirchen- und Schulwesen heilsame und für andere Staaten vorbildlich gewordene Änderungen und Umgestaltungen erlitten hat, wie die Künste und Wissenschaften in edelster Weise unterstützt und gefördert worden sind, wie immerdar jene Freiheit des Denkens, Forschens und Prüfens begünstigt wurde, ohne die ein wirklicher und echter Fortschritt nicht denkbar ist.« Dass der Redner sich dabei keineswegs in überzogener Lobhudelei ergeht, zeigen seine zutreffenden Äußerungen zur nationalen Politik seines verstorbenen Herzogs  : »Wohl haben seine volkstümlichen Bemühungen keinen imposanten politischen Erfolg gehabt, aber immerhin bilden sie ein Glied in der Kette jener Ereignisse, durch deren Erinnerungen«, Bd. 1, 1905, sowie in Heinrich von Treitschkes »Deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts«, hg. v. Wilhelm Mommsen, Bd. 2. Leipzig [1882  ?]. 313 Der Journalist und Schriftsteller Karl Bleibtreu (1859–1928) lässt in seinem Roman »Bismarck. Ein Weltroman« den Generalfeldmarschall von Roon sagen  : »[…] der Koburger schweift nach Höherem als Ministerstürzen, er möchte deutscher Wahlkaiser werden durch Mandat sämtlicher Vereine, Schützengilden, Kegelklubs und Landtagszubehör.« 314 Vgl. »Die Neue Zeit«, 11. Jg., Bd. 2, Nr. 51, vom 6. September 1893, S. 737–740. Zum Folgenden. 315 Hermann Stemmler  : Gedächtnisrede auf Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha von Oberlehrer Dr. Stemmler. Im Jahresbericht des Gräflich Gleichenschen Gymnasiums zu Ohrdruf, Schuljahr 1893/94. Ohrdruf 1894. S. 3–11. Zum Folgenden.

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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Zusammenwirken die Einigung des Vaterlandes den entscheidenden Kräften erleichtert worden ist.« Auch der ehemalige katholische Priester Anton Ohorn (1846–1924), der – evangelisch geworden – als Lehrer und später als Hofrat in Gotha Aufnahme fand, betont in seinem 1894 erschienenen Porträt des Herzogs316 dessen vielfältige Bemühungen um eine Verbesserung der Zustände in seinem Herzogtum. Neben der Förderung des Straßenbaus, der Eisenbahn und des Verkehrs, der Wirtschaft, der Landwirtschaft und der Pferdezucht seien es insbesondere die Entwicklung des Schulwesens sowie die Förderung von Kunst und Wissenschaft gewesen, die Ernst II. am Herzen lagen. In beiden Residenzstädten gebe es Gymnasien von hervorragendem Ruf, dazu Museen mit verschiedenen Sammlungen. Am bemerkenswertesten findet auch Ohorn den Umgang des Herzogs mit Künstlern und Gelehrten317  : »Wie der Magnet das Eisen, so zog er die schaf­­fenden Geister an, und er hatte wie dieser [sic] den Drang, sie anzuziehen. In ihrem Umgange fühlte er sich als Gleichstrebender unter Genossen eines von den Musen geweihten Bundes, der über allen Schranken stand, welche die Konvenienz und die gewöhnlichen Verhältnisse des Lebens zogen  ; in ihrem verkehr nahm und gab er, und oft genug wäre es schwer gewesen zu sagen, wer mehr gegeben und wer mehr empfangen habe.« Als ein Kristallisationspunkt dieses regen kulturellen Lebens erwies sich das Hoftheater, in dem die persönliche künstlerische Neigung des Herzogs ebenso sichtbar wurde wie seine liberale Haltung318  : »Was aber den Koburg-Gothaischen Bühnenverhältnissen den besonderen Reiz verlieh, war das außerordentliche Interesse des Herzogs, der seinem Hoftheaterpersonale ganz persönlich nahe trat, es bei seiner Thätigkeit begeisterte, aneiferte und in ganz besonderer Weise auszeichnete, so daß Dingelstedt als Intendant in Weimar einst einer Schauspielerin gegenüber geäußert haben soll  : ›Ich kann mir denken, daß die Schauspieler sich nirgends wohler fühlen als dort, seid ihr ja in Koburg sogar – courfähig  !‹« Das außergewöhnliche Verhalten des Herzogs in seinem Hoftheater wurde in zeitgenössischen Quellen wie in Nachrufen des Öfteren beschrieben  ; offensichtlich, weil es aus der Reihe fiel, vielleicht aber auch, weil sein Charakter in dieser Umgebung unverstellt zutage trat319  : »Behaglich auf die Brüstung gestützt, folgte er, das Glas vor dem Auge, dem Gang der Handlung, und begleitete dieselbe mit seinem Beifall. Da316 Anton Ohorn  : Herzog Ernst II. von Sachsen-Koburg-Gotha. Leipzig 1894. Zum Folgenden. 317 Ohorn, S. 186. 318 Ohorn, S. 209. 319 Ohorn, S. 209.

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zwischen konversierte er lächelnd und verbindlich mit seiner Gemahlin oder beobachtete mit seinen klaren Augen das Publikum. In den Zwischenakten liebte er es, nach der Bühne, bez. nach dem Konversationszimmer zu gehen, hier entweder irgend eine Weisung zu geben oder seiner Zufriedenheit Ausdruck zu verleihen oder einige Minuten mit seinem Künstlervölkchen zwanglos zu verplaudern. Hier wurde von Tagesneuigkeiten gesprochen, mitunter auch etwas Stadtklatsch getrieben, und ›Hoheit‹ ließ in seiner Liebenswürdigkeit so manches hingehen, was die mitunter etwas vorschnellen Zünglein der Künstlerinnen plauderten, auch wenn es vielleicht taktvoller gewesen wäre, es just an dieser Stelle zu unterdrücken. Aber er nahm selbst kleine Scherze nicht übel, wobei er fein und geistvoll etwaige Spitzen abzubrechen wußte, welche Eifersüchtelei und Künstlerneid gegen einander richteten, und ›hinter den Kulissen‹ sprach er, wenn es notthat, auch manches herzliche, ermunternde und beruhigende Wort, erwies er manche zarte Aufmerksamkeit und manche Anerkennung und Auszeichnung.« In der Zusammenschau mehrerer solcher Berichte320 fällt auf, dass fast immer nur von ermutigenden Worten des Herzogs die Rede ist, von Lob und Zuwendung  : In dieser Gutmütigkeit lag wohl auch sein guter Ruf und die Beliebtheit bei vielen Künstlern seiner Zeit begründet. Eduard Tempeltey, der den Herzog ja über Jahre aus nächster Nähe erlebt hatte, bestätigt dies321  : »Er hatte ein weiches theilnehmendes Herz  ; selbst sein Spott war fröhlich und gutmüthig, fern von verletzendem Sarkasmus  ; und kindlich konnte er sich über ganz schlichte Darbietungen freuen. Der Hang nach Einfachheit war ihm eingeboren. So fürstlich er, wo es angezeigt war, zu repräsentiren verstand, so hatte er sein Haus doch bescheiden bürgerlich eingerichtet  ; die natürlich gute Form galt ihm mehr als höfische Formen.« Diese Natürlichkeit hatte jedoch auch ihre Grenzen, wie 1896 der Mitautor der herzoglichen Memoiren, Ottokar Lorenz, bemerkt322  : »Der Herzog war eine Natur ohne jedes Vorurtheil, von liberalsten Gesinnungen, ohne daß man ihn aber einen Liberalen in der gewöhnlichen, sei es politischen, oder gesellschaftlichen Bedeutung des Wortes hätte nennen mögen.« Zwar habe der Herzog wenig Wert auf Äußerlichkeiten gelegt und habe sich von jeder Doktrin und jedem Radikalismus ferngehalten, dennoch sei er in wichtigen Fragen des Staates oder der Kirche von festen Grundsätzen geleitet gewesen. In dieser Hinsicht 320 Man beachte auch die sehr ähnliche Passage bei Schmidt-Weißenfels. 321 Tempeltey, Vortrag, S. 21. 322 Ottokar Lorenz  : Staatsmänner und Geschichtsschreiber des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin 1896. Zum Folgenden S. 324.

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893)  

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habe man ihn viel und oft falsch beurteilt. Außerdem habe er seine persön­ liche »Eingebung« manches Mal »nur allzusehr zum Maßstab der Dinge« gemacht323  : »[D]er verstorbene Herzog, sowie sein früh heimgegangener ­Bruder waren nicht die Männer, die ihre Meinungen zurückgehalten hätten. Sie haben dafür gesorgt, daß Freund und Feind es hören konnten, wie sie über Bestehendes und Künftiges dachten.« Andererseits hatte diese Selbstsicherheit auch wieder Vorteile324  : »Zu den bedeutenden persönlichen Eigenschaften des Herzogs Ernst gehörte seine Entschlossenheit und Leichtigkeit mit dem Publikum, mit der Masse des Volkes zu verkehren  ; er besaß einen großen Grad von dem, was man den Muth der Oeffentlichkeit zu nennen pflegt.« Letztendlich war es diese Mischung aus Ehrgeiz, Selbstsicherheit, Prinzipien­ treue (bis zur Sturheit), Temperament und Gefühl für andere, die die Bedeutung Herzog Ernsts II. in der Politik seiner Zeit bedingte. Die wichtigste Entscheidung seiner Laufbahn, die am Ende auch sein Ansehen in der Nachwelt bestimmte und die Zukunft seines Herzogtums sicherte, war das Bekenntnis zu Preußen als Führungsmacht im Deutschen Reich – obwohl dessen Könige sich immer wieder als schwach und zögerlich erwiesen hatten und obwohl Ernst II. auch mindestens ebenso gute Beziehungen zu Österreich gepflegt hatte. Sein unablässiges Engagement für die nationale Bewegung, das ihm viel Kritik und Häme einbrachte, war das Merkmal, das ihn von anderen Fürsten seiner Zeit unterschied. Tempeltey unterstreicht dies in seiner Charakterisierung des Herzogs325  : »Darüber kann ja kein Streit sein, daß Herzog Ernst in dem trübsten Jahrzehnt, das wir Älteren erlebt haben, die seltene Popularität, die er in weiten Volkskreisen genoß, und ebenso den grimmigen Hohn, womit die damalige Kreuzzeitungspartei ihn überschüttete, wohl verdient hat. War er doch, während die Regierungen ringsum im Schatten des wiedererstandenen Bundestags vom tollen Jahr 1848 sich ausruhten, der einzige deutsche Fürst, der nicht nur von dem, was er gegeben, nichts zurücknahm, vielmehr im eigenen Lande, aus Ueberzeugung liberal und von keinerlei Doktrinarismus angekränkelt, die freiheitliche Ausbildung der Verfassung förderte, sondern der auch den anderswo politisch Verfolgten in Koburg-Gotha eine Freistatt bot und, durch Schutz und Kräftigung nationaler Vereinigungen, der dumpfen Verzagtheit der Massen erfolgreich wehrte. In alledem geradezu ankämpfend gegen seine fürstlichen Genossen. Ernst von Stockmar, der Vertraute des kronprinzlichen Paares, sagte 323 Zum Folgenden Lorenz, S. 310. 324 Zum Folgenden Lorenz, S. 322. 325 Tempeltey 1898, S. 7f.

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mir in jener Zeit einmal  : jeder Andere, der das gewagt hätte, wäre schon gehängt worden. Das war natürlich bildlich ausgedrückt, aber doch bezeichnend für das Erstaunen, wie sehr der Herzog seinen Standesgenossen gegenüber sich exponirte. Er wagte es eben – mit der Sorglosigkeit des schwindelfreien Alpenjägers, und dazu noch mit dem Selbstgefühl des souveränen Herrn aus altfürstlichem Geblüt. Wo hätte, ohne dies Selbstgefühl, der Nationalverein damals eine Stätte gefunden  ? Nichts thörichter dabei als die Mär der angeblich ehrgeizigen Pläne, erst von der Kreuzzeitung ausgeheckt und dann von Manchen gedankenlos nachgesprochen, während er doch so geartete Zuschriften sonderbarer Schwärmer kühl lächelnd bei Seite schob. Seiner lebhaften phantasievollen Natur hielt die eminente Fassungsgabe und der nüchtern praktische Blick das Gleichgewicht  ; und er war viel zu sehr Realpolitiker, um nicht seine Ehre darin zu sehen, Deutscher Landesfürst und Preußischer General zu sein.« Auch Beurteilungen Herzog Ernsts II. aus späterer Zeit326 stimmen darin überein, dass er seinen Platz in der Geschichte vor allem durch sein Eintreten für die Gründung des Deutschen Reiches gefunden hat. Natürlich ist bei einer Bewertung seines Fortschrittsdenkens aus moderner Sicht eine wichtige Einschränkung erkennbar  : »In erster Linie sollten die konstitutionellen Forderungen in solche Bahnen gelenkt werden, die die Fürstensouveränität nicht gefährden konnten. Dies verband Ernst durchaus mit der Einsicht, daß ein ›zeitgemäßer‹ Fürst zu Konzessionen bereit sein müsse, jedoch unter dem Vorbehalt, daß ihm hierbei die Funktion eines ›Wächters‹ notwendigerweise zukommen sollte. […] Um zu vermeiden, daß seine monarchischen Befugnisse durch eine demokratisierende gesellschaftliche Entwicklung überholt sein würden, mußte er rechtzeitig und freiwillig seine Stellung modifizieren, d. h. einschränken.«327 Sein Selbstbild als Souverän spiegelte sich nicht zuletzt auch in der »fürstlichen Zappelhaftigkeit«, mit der er zugleich als Chef des Hauses Coburg, Landesfürst, Bundespolitiker, Feldherr, Jäger, Schütze, Freimaurer328, Förderer von Kunst und Kultur – und Opernkomponist auftrat329. Diese für ihn typische »Vielgeschäftigkeit«330 aber, von Freund wie Feind kritisiert, »kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß E[rnst II.] den Standesgenossen seiner Zeit politisch weit voraus war.« 326 Vgl. die Publikationen von Brütting, Jonscher 1993, Hambrecht, Scheeben, Herzfeld. 327 Scheeben, S. 18. 328 Ernst II. war seit 1857 Protektor und Ehrenmeister der Coburger Loge sowie Ehrenmitglied in vielen anderen Logen. 329 Vgl. hierzu den Ausstellungskatalog von Hambrecht. 330 Zum Folgenden vgl. Herzfeld, S. 365, der eine sehr gute Zusammenfassung von politischem Wirken und Bedeutung Herzog Ernsts II. anbietet.

Der erste Versuch: »Zayre«

Überblick

Die Oper »Zayre« von 1845/46 war Ernsts erstes größeres Bühnenwerk. Dass er gleich eine Vorlage des großen Voltaire (1694–1778) verwendete, scheint einerseits für einen Anfänger ziemlich kühn, andererseits aber auch praktisch, denn er ersparte sich die aufwendige Suche nach einem erwiesenermaßen wirksamen dramatischen Stoff. Das Libretto erstellte der Hofdichter und Gymnasialprofessor Johann Heinrich Millenet (1785–1859)1, der unter dem Künstlernamen »Tenelli« publizierte. Er hat später dann auch noch das Textbuch zu Ernsts Oper »Casilda« geschrieben2. Wie bei allen »Zayre«-Vertonungen (vgl. Michael Haydn 1777, Peter von Winter 1816) wird auch hier die vielschichtige und komplexe literarische Vorlage stark verkürzt. Dabei geht viel von der Ambivalenz der voltaireschen Charaktere verloren. Alles konzentriert sich auf Zayres schwere Entscheidung zwischen der Liebe zu ihrem muslimischen Gebieter Orosman und ihrer christlichen Familie. Besonders Orosman, der sowohl in schwärmerischer Liebe als auch in mörderischem Jähzorn gezeigt wird, ist in der Kürze der Musiktheaterfassung kaum glaubwürdig darzustellen. Bei Voltaire befindet sich praktisch jede Figur im Laufe des Stückes einmal in einem Dilemma und wird von verschiedenen Interessen hin und her gerissen. Dafür ist in der Oper kein Platz, denn hier muss der Handlungsstrang gebündelt, das Geschehen konzentriert 1 Millenet wurde 1825 als Französischlehrer an das Gymnasium in Gotha berufen. Vorher war er als Lehrer in seiner Heimatstadt Berlin sowie in einer von ihm gegründeten Lehranstalt in Neubrandenburg tätig gewesen und hatte außerdem während der Napoleonischen Kriege dem preußischen Prinzen Wilhelm (1783–1851, Onkel des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III.) als Privatsekretär gedient. Seit 1840 war Millenet als »Hof- und Theaterdichter« mit einem jährlichen Gehalt von 100 Talern am Hoftheater Coburg-Gotha angestellt (vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 18). 2 Millenet hat verschiedenste Textbücher verfasst, z. B. 1839 zu Meyerbeers »Festlied« zum 55. Geburtstag Herzog Ernsts I. (Autograf in den Kunstsammlungen der Veste Coburg, RISM D-Cv A. V, 1126,(2),7 und Exemplare in der LBC TB Lie 50 und TB Ser 34(S)) sowie u. a. zu Kompositionen des Coburg-Gothaer Kapellmeisters Ernst Lampert (vgl. Stieger, Bd. 3, S. 939) und auswärtiger Komponisten wie Georg Abraham Schneider (1770–1839) und Johann Philipp Samuel Schmidt (1779–1853) (Näheres hierzu unter www.deutsche-digitale-­ bibliothek.de unter dem Namen des Librettisten).

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Der erste Versuch

sein, damit Raum, Entfaltung und Gestaltungskraft für die Musik bleiben. Dadurch büßt das Libretto gegenüber der Vorlage deutlich an Tiefe und Hintergründigkeit ein, was eigentlich nur durch die Musik wettgemacht werden kann. Die Oper Ernsts II. ist in drei Akte gegliedert. Im ersten Akt werden in neun Musiknummern die Geschichten von der Liebe des Sultans Orosman zu seiner Sklavin Zayre und von der bevorstehenden Freilassung (fast) aller christlichen Gefangenen erzählt  : Zwischen dominanten Chören (z. T. mit Tanz) und ereignisreichen Rezitativen stehen jeweils eine Cavatine bzw. eine Arie der beiden Hauptpersonen (Nr. 2 Zayre, Nr. 7 Orosman), auch ein D ­ uett sowie ein durch Trompetensignal angekündigter großer Marsch (Einzug Orosmans mit seinem Gefolge) fügen sich ein. Im Finale deuten sich erstmals Konflikte an. Der zweite Akt, der die Nummern 11 bis 21 umfasst, beginnt mit einem Chor der gefangenen Ritter (»Preghiera«), die ihre nahende Freilassung freudig begrüßen. Wichtigstes Element der Handlung in diesem Akt ist das Sichzusammenfinden der zerstreuten Familie Zayres, das in langen Rezitativen und Ensemblenummern geschildert wird  : Der alte Ritter Lusignan erkennt in ihr die verloren geglaubte Tochter, im Ritter Nerestan, der das Lösegeld aus Frankreich brachte, seinen Sohn. Durch die anschließende Liebeserklärung Orosmans (Nr. 19) steigert sich damit Zayres Konflikt dramatisch. Im dritten Akt (Nr. 22–27) kommt zu Zayres Gewissenskonflikt (Cavatine) noch das Missverständnis Orosmans, der Nerestan für den heimlichen Geliebten Zayres hält. In Rage lässt er die Christen wieder verhaften und ersticht seine Geliebte in blinder Wut über deren vermeintliche Untreue. Nun kann die erwartete Auflösung im Finale nur noch in Orosmans Selbsttötung liegen, nachdem er seinen furchtbaren Irrtum erkannt hat. Die Oper ist eine klassische Nummernoper mit nacheinander aufgereihten, meist separaten Musikstücken, die in manchen Fällen durch eine Akkordklammer (Septakkord am Ende einer Nummer, Auflösung am Beginn der nächsten) oder durch eine einzelne überleitende Stimme verbunden sind. Die Komposition ist überwiegend melodieorientiert  : Viele eingängige, heitere Melodien ziehen sich durch das ganze Werk. Besonders auffällig ist dabei das Auseinanderfallen von musikalischem Ausdruck und Textinhalt, denn auch eigentlich traurige oder dramatische Verse werden in lockerem und eingängigem Satz vertont. Nie erreicht die Musik die dem Thema angemessene Komplexität und Tiefe, stets bleibt der Klang ein oberflächlicher, hartnäckig heiterer, unverändert und ohne Entwicklung. Damit ist auch schon die wesentliche Schwäche dieser Oper Ernsts II. angesprochen  : Durch die Verkürzung der Handlung gegenüber der Vorlage, die

»Zayre« 

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Verflachung der Charaktere und den einheitlichen Tonfall der Musik fehlt es an echter, berührender dramatischer Entwicklung. Eine Szene reiht sich an die nächste, jede vermittelt ein anderes Gefühl, ein fröhlicher Chor, ein melancholisches Lied, alles steht nebeneinander. Aber die Handlung verbindet sich nicht zu einem dramatischen Fluss, entwickelt keine Spannung, die den Zuhörer fesselt und bis zum tragischen Ende nicht mehr loslässt. Trotz aller nachvollziehbaren Gewissensqual, trotz Gefangenenchor und Liebesschwur bleibt das Geschehen auf der Bühne seltsam distanziert, wie durch einen Filter, der jede echte Emotion vor den Zuhörern abfängt. Dass die Oper dennoch wenigstens elf Aufführungen in Coburg und Gotha erlebte, ist wohl vor allem den ansprechenden Melodien zuzuschreiben. Im »Novitäten-Buch«3 aus späteren Jahren wird das Werk (im Gegensatz zu drei anderen Opern Ernsts) nicht mehr genannt, was darauf hindeutet, dass auch der Herzog selbst seinem Erstlingswerk keine besondere Bedeutung mehr beimaß.

Handlung und Musik

Ort des Geschehens ist der Palast des Sultans in Jerusalem, es ist die Zeit der Kreuzzüge. Die christlichen Ritter, in diesem Drama durchwegs Franzosen, sind von Sultan Orosman gefangen genommen worden und warten im Kerker auf die Rückkehr ihres Landsmannes Nerestan, der nach Hause geschickt wurde, um Lösegeld zu besorgen. Im ersten Akt blickt der Zuschauer in die offene Halle des Sultanspalastes, die im Hintergrund durch einen Kiosk, einen Springbrunnen und einen Garten mit »Blumengebüschen« dekoriert ist. Die Sklavinnen Zayre (Christin) und Fatime liegen im Vordergrund auf einer Ottomane, im Hintergrund flechten Odalisken und Sklavinnen Kränze und hängen Girlanden auf. Die arbeitenden Frauen singen zusammen mit den omnipräsenten Palastwachen (Männerstimmen) den Eingangschor »Der milde Lenz ist da«, dessen volksliedhafter 6/8-Takt eine oberflächlich-heitere Stimmung erzeugt, die große Teile der Oper prägen wird. Hier ist auch Gelegenheit zu Tanz auf der Bühne gegeben, so dass die Eröffnung gleich mit mehreren Bühneneffekten aufwartet. Im Text des Chores findet sich bei genauem Hinhören schon eine Andeutung 3 StACo Theater 3645 »Novitäten-Buch«  : Benennung und laufende Nummerierung der in Coburg und Gotha aufgeführten Stücke, Angaben zu den Autorenrechten und den zu zahlenden Honoraren/Tantiemen.

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darauf, dass dieses Stück kein gutes Ende finden wird  : »…doch Blumen schnell verblüh’n«. Im anschließenden Rezitativ interpretiert Fatime die offensichtliche gute Laune Zayres als Vorfreude auf die Rückkehr Nerestans, der ihre Freilassung bewirken werde. Doch Zayre erwidert in ihrer Cavatine »Sie ist dahin«, dass sie ohne zu zögern ihre Freiheit für die Liebe opfern würde. Folgerichtig offenbart sie ihrer Freundin Fatime im anschließenden Duett, dass der Sultan ihr Herz erobert habe. Zutiefst erschrocken erinnert Fatime die verliebte Zayre an das in ihren Arm eingebrannte sowie als Diamantkreuz um ihren Hals hängende Zeichen des Christentums (hier wendet sich die Musik erstmals länger nach Moll) und erklärt die Verbindung mit dem Sultan für schlichtweg unmöglich. Als Zayre darauf den bemerkenswerten Satz entgegnet »Er ist der Gott in meiner Brust  !«, hofft Fatime noch, dass ihre Freundin sich nur durch Macht und Reichtum des Sultans habe blenden lassen. Doch diese beteuert, ihn auch »im groben Hirtenkleide« zum Mann nehmen zu wollen. Dieses Duett, eine der vielen Ensemblenummern der Oper, die durchwegs viel Beifall erhielten und oft besser gelungen sind als die eher reduzierten Solonummern, endet in einem Klischee. Denn es erklingt das berühmt-berüchtigte Trompetensignal, das in so vielen Opern des 19. Jahrhunderts eine wichtige Wendung ankündigt – und in fast jeder Oper des Herzogs vorkommt. Hier wird allerdings nur der durch einen opulenten Marsch begleitete Einzug des Sultans mit seinem Gefolge eröffnet. Dieser Marsch ist nicht nur angedeutet oder verkürzt, quasi als Begleitmusik, bis alle Beteiligten ihren Platz auf der Bühne gefunden haben, sondern ein auskomponierter Marsch mit Trio, Dacapo und Coda. Es wird deutlich  : Ernst II. liebte diese Art von Musik, hatte ein Händchen für entsprechende musikalische Themen und nutzte Gelegenheiten wie diese, um in Verbindung mit dem Bühnengeschehen musikalische Kraft und militärisch-patriotisches Pathos spürbar werden zu lassen. Orosmans Liebeserklärung an Zayre wird vom Chor gerührt aufgenommen in dem Andante religioso »Heil der lieblichsten der Frauen«, in dem Allah (!) um seinen Segen für das Paar gebeten wird. Eine weitere Liebesarie Oros­mans (Nr. 7), deren harmlos wirkender ¾-Takt von rezitativisch vorgetragenem Christenhass unterbrochen wird (»Ich fürcht’ euch nicht, ihr stolzen Christenhorden, die hergelockt die wilde Raubbegier«), zeigt erste Ansätze echter musikalischer Dramatik, findet aber abrupt ihr Ende in einem weiteren volksliedhaften Chorsatz. Nun kündigt Corasmin, ein Gefolgsmann des Sultans, die Rückkehr Neres­ tans aus Frankreich an. In einem relativ langen Rezitativ erklärt Nerestan,

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dass er zur Beschaffung des Lösegeldes all sein Hab und Gut verkauft habe, was wiederum den Sultan dazu herausfordert, seinerseits seine Großzügigkeit zu beweisen, indem er das Lösegeld ablehnt und dennoch alle Gefangenen freilassen will. Als Orosmann jedoch seine Bedingungen für diesen Gnadenakt nennt, nämlich dass sowohl Zayre als auch der greise Anführer und Ritter Lusignan bei ihm in Jerusalem bleiben müssten, mündet die scheinbar so versöhnliche Stimmung in ein dramatisches Finale (Nr. 9). Alle Anwesenden beknien den Sultan, wirklich alle Geiseln freizulassen, aber dieser vermutet voller Misstrauen eine mögliche Liebesbeziehung zwischen Zayre und Nerestan. Manko dieser inhaltlich höchst spannenden Ensemblenummer ist wiederum der unpassende Durklang, der in heiterem Rhythmus alle bösen Vorahnungen des Chores lächerlich erscheinen lässt. Entnervt von den vielen Bitten schickt Orosman alle Anwesenden weg und verweist Nerestan des Landes. Ein Gefangenenchor eröffnet den zweiten Akt, der im Vorhof des Palastes spielt. Die französischen Ritter, die von ihrer bevorstehenden Freilassung erfahren haben, singen in einer »Preghiera« (Nr. 10) »Sei uns gesegnet, holder Freiheitsstern«. Dem eher choralartigen Chor fehlt in diesem Fall eine eingängige Melodie, was auch durch Ausführungsanweisungen wie »pathetico« nicht wettgemacht werden kann. Außerdem müssen die armen Gefangenen gegen Ende der Nummer auf Knien im Pianissimo ihren Dank zum Ausdruck bringen, was ihre Vorfreude auf die Befreiung aus dem Kerker schon fast unglaubwürdig erscheinen lässt. Ähnlich widersprüchlich empfindet der Hörer in der anschließenden Arie Nerestans (Nr. 11), der sich immer auf unerklärliche Art zu Zayre hingezogen gefühlt hat, die Kombination einer recht sentimentalen Melodie mit einem Text, der von tiefer Verzweiflung spricht  : »Und so ist mein Hoffen hingeschwunden …«. Da erscheint Zayre und verkündet aufgeregt die Nachricht von der Freilassung Lusignans, der kurz danach die Szene betritt. Nun sind alle Christen in freudiger Erwartung versammelt und in der längsten Musiknummer der ganzen Oper (Nr. 14) offenbart sich ein Geheimnis  : Zayre und Nerestan sind Lusignans Kinder, die er in der Schlacht um Cäsarea getötet glaubte und nun an ihren Geschichten sowie an dem Diamantkreuz Zayres und einer Narbe Nerestans wiedererkennt. Dieses musikalisch bemerkenswerte, da vielgestaltige Ensemble wird unmittelbar abgelöst von dem Duett Lusignan/Zayre (Nr. 15), in dem der greise Vater seine Tochter nach ihrem Glauben befragt. Der herzogliche Komponist scheut sich an dieser Stelle nicht, ein muslimisches Glau­ bensbekenntnis zu vertonen (»Allah ist groß und Mahom sein Prophet  !«), und zwar in angemessen feierlichem Tonfall. Lusignan reagiert mit völliger Ver-

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zweiflung, schließlich hat er sein Leben lang für das Christentum gekämpft, und Zayres Mutter hat für ihren Glauben ihr Leben gegeben. Diese Stelle der Oper, die ihre Energie aus Zayres starkem Bekenntnis zieht, ist von besonderer musikalischer Qualität  : Lusignan beginnt mit einer packenden Melodie (die leider nur von kurzer Dauer ist), durchlebt verschiedene Stadien der Wut und Verzweiflung und schließt mit der rezitativischen Frage »Du weinst, Zayre  ?«. Das Orchester agiert vielseitig, mal als Dauertremolo, mal in kurzen Einwürfen, und gibt die emotionale Erregung glaubwürdig wieder. Im anschließenden pathetisch-klanggewichtigen Rezitativ (Nr. 15) verlangt Lusignan, dass Zayre sich wieder zum christlichen Glauben bekennen solle, was sie feierlich schwört. Zum Nachdenken bleibt – auch für das Publikum – jedoch keine Zeit, denn sogleich beginnt Lusignan ein tröstlich wirkendes »Gebet«, in dem er Gottes Engel auf Zayre herabschweben sieht. Seine christliche Vision wird konterkariert vom einsetzenden Chor, der Allahs Macht beschwört  ; diese Dialektik findet jedoch keinen Niederschlag in der Musik. Im Gegenteil  : Überraschenderweise endet die Nummer mit einem gemeinsamen – aber eben nicht vereinbaren – feierlichen Glaubensbekenntnis aller Anwesenden. Plötzlich tritt Corasmin ein, der Zayre zum Sultan bringen soll. Eine Verwandlung findet statt und die Szenerie verlagert sich wieder in das Innere des Palastes. In einer klangvollen Cavatine (Nr. 18) singt Zayre von ihrer inneren Zerrissenheit, deren herber Schmerz in krassem Kontrast steht zur schwärmerisch-ausschweifenden Melodie. Fast wirkt es, als wolle der Komponist den Konflikt nicht zu drastisch schildern, sondern lieber eine angenehme, leicht verdauliche Form der Darstellung finden. Die Anrufung Gottes, als kurzer dramatischer Ausbruch, bevor die heitere Musik zurückkehrt, wirkt – ähnlich wie der gleich danach einsetzende Chor hinter der Bühne – mehr gewollt dramatisch als überzeugend. Orosman nähert sich seiner Braut (Nr. 19) und erklärt erneut seine Liebe, während Zayre mit sich selbst ringt und um Bedenkzeit bis zum nächsten Tag bittet. Daraufhin wird Orosman misstrauisch, wehrt sich aber in einer kurzen Cavatine (Nr. 20) gegen seine aufkommende Eifersucht. Erst als Corasmin ihm einen abgefangenen Brief übergibt, in dem Nerestan Zayre zu einem heimlichen Treffen in der Nacht einbestellt, verliert der Sultan jegliche Beherrschung  : Er wütet, unterstützt vom Chor seiner Wachen, gegen die »falsche Christenbrut« (Nr. 21) und will die »Ketzer« töten. Mit mächtigem Getöse schließt der zweite Akt. So laut wie der zweite Akt endet, so leise beginnt der dritte, der in Zayres Gemach spielt. Ein sich nur allmählich belebendes Vorspiel mündet in

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­ ayres melancholisch-süße Cavatine »Wiege mich ein, Mutter süßen Friedens« Z (Nr. 22). Als Orosman erscheint, versichert sie ihn vergeblich in einem letzten Duett (Nr. 23) ihrer Liebe, er glaubt ihr jedoch schon nicht mehr. Dann erhält Zayre durch Fatime die Nachricht Nerestans, und die beiden Freundinnen kommen zu dem Schluss, dass die beste Lösung für Zayre die Rückkehr zu ihrer Familie sei. Nach einer Verwandlung sind auf der Bühne die Gärten des Serails zu sehen, es ist mittlerweile Nacht geworden. Nerestan, der auf Zayre wartet, sinniert traurig über den Tod Lusignans, der inzwischen in der ganzen Aufregung gestorben ist. In einem anrührenden Andante, das allerdings wie so viele Stücke dieser Oper im schwachen 3er-Takt steht, bittet er um Schutz und Segen für seine Schwester (»Schwaches Rohr, du wirst nicht wanken«, Nr. 25). Beunruhigenderweise erhält er Antwort von einem Chor hinter der Bühne, der einen Grabgesang anstimmt. Im Ensemble vereinen sich Solist und Chor zum Gebet für den verstorbenen Vater. Plötzlich stürmen Corasmin und mehrere Wachen herein und fesseln Nerestan. Obwohl des Verrats bezichtigt, wehrt der sich nicht und wandelt das Totengebet für seinen Vater in sein eigenes. In der Musik stellt sich dies als kontrastreiches Ensemble dar, in dem die choralartige Linie Nerestans in abwechselndem Widerspruch zum hektisch-erregten Ensemble der Wachen steht. Nun nähert sich Zayre, die ihren Bruder Nerestan sucht. Sie hat kaum 18 Takte gesungen, in denen sie in einem rührend einfachen Lied Gott um Beistand bittet, als der wütende Orosman ihr seinen Dolch in die Brust sticht. Sie wundert sich noch über das Verhalten ihres Geliebten und beendet ihre Bühnenpräsenz mit den folgerichtigen Worten  : »Ich sterbe«. Dies alles geschieht in weniger als 10 Takten, wodurch der Komponist eine echte Chance zur Gestaltung eines Höhepunktes auslässt. Das tragische Ende Zayres hinterlässt in der Musik keinerlei Spuren, ihre letzten Worte sind unbegleitet, es gibt kein Vor- oder Nachspiel, es wird keine Dramatik auf- und abgebaut, es bleibt kein Raum für ein Nachwirken. Daher gestaltet sich der Rest des Finales eher langatmig, denn auch wenn der Zuschauer um den noch bevorstehenden Schock für Orosman weiß, scheint ein Großteil der Spannung bereits verloren. Hinzu kommt, dass die vielen Wendungen kaum vermittelbar sind  : Erst will Orosman Nerestan quälen, damit dieser leide wie er selbst. Dann erkennt Nerestan in der Getöteten seine Schwester, was bei allen – vor allem natürlich Orosman – großes Entsetzen auslöst. Daraufhin will Orosman seinem Feind das Leben schenken, was dieser jedoch zunächst ablehnt, mit dem Ansinnen, seiner Schwester »in’s beßre

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Land« folgen zu wollen. Da befiehlt ihm der Sultan, nun ihn, Orosman, zu töten. Doch auch dies lehnt Nerestan ab. Orosman tötet sich daraufhin selbst. Einen verstörenden Effekt erzeugt der just in diesem Moment auf die Bühne tanzende Frauenchor, der einen vorher schon gesungenen Text wiederholt (»Drum Mägdelein, säume nicht«). Aus diesem Kontrast entwickelt sich nun der versöhnliche Schlusschor, der allen Opfern dieses Dramas »dort droben« ein besseres Leben verheißt. Als positiver Aspekt der musikalischen Gestaltung des reichlich komplizierten Finales bleibt die Kürze und Zielorientierung hervorzuheben, die Ernst II. hier an den Tag legt. Es bleibt die Frage, welchen Eindruck dieses Werk beim Publikum hinterlässt bzw. hinterlassen haben mag. Grundsätzlich bietet die spannende und abwechslungsreiche Handlung gute Unterhaltung, allerdings stört der Komponist die meisten dramatischen Effekte durch eine allzu liebliche Musik. Hauptmerkmal dieses Klangs sind der Dreiertakt, das Dominieren von Durtonarten, die nur selten durch harmonische Ausweichungen variiert werden, sowie der schlichte, liedmäßige Satz. Besondere Situationen oder Wendungen im Drama verlieren durch diese Art der musikalischen Behandlung jegliche Wirkung, wodurch Ernst II. etliche wichtige, profilierende Momente ungenutzt lässt. Dazu gehört beispielsweise die Szene in Nr. 14, in der Lusignan das Diamantkreuz an Zayres Hals wiedererkennt  : Wie dramatisch-zuspitzend könnte dieser Moment geschildert werden, welche wohltuende Wirkung hätte eine emotionale Schilderung dieser Entdeckung auf das lange Rezitativ  ! Stattdessen geht der Komponist darüber hinweg, als handle es sich um einen belanglosen Dialog, als passiere nichts Besonderes. Auffällig ist das Fehlen eines tragischen Ausdrucks in der Musik (mit wenigen Ausnahmen). In bestimmten Situationen, in denen Zweifel, Verzweiflung oder Trauer auf der Bühne gezeigt werden, wirken Musik und Text seltsam widersprüchlich. Ein Paradebeispiel ist in der vielzitierten Nr. 19 die Stelle, an der sich die verzweifelte Zayre, die traurige Fatime und der misstrauisch-zweifelnde Orosman zum Terzett vereinen. Die Worte »O bittre Stunde«/ »Ach meine Seele ist voll Trauer«/ »O birg mir nicht dein liebes Angesicht« werden auf eine einfache, völlig undramatische Melodie in Es-Dur gesungen, die emotional eine ganz andere Stimmung suggeriert. Besondere Mühe scheint sich Ernst II. allerdings bei den jeweiligen Aktfinale gegeben zu haben, denn diese stechen in der Darstellung von Dramatik und Emotionalität hervor. So beginnt das Finale des zweiten Aktes (Nr. 21) mit einem Anklang an den Marsch aus dem 1. Akt, der jedoch schon im vierten Takt seine Energie abgibt an ein dramatisches Rezitativ, in dem der aufgeregte

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Orosman über den Brief Nerestans an Zayre nachdenkt. Den Inhalt des Briefes liest er, untermalt von einem Orchestertremolo, als Prosatext vor, verfällt dann aber sofort in eine wütende Arie (Allegro furioso), in der er den Tod der Christen beschließt. Diese Arie, die in fis-Moll steht und am Ende vom Chor gestützt wird, ist eines der wenigen wirklich packenden Musikstücke der Oper, in dem negative Gefühle zum Ausdruck kommen. Auch im Finale zum dritten Akt, so kompliziert die Handlung hier auch sein mag, gibt es deutlich mehr Dramatik als im sonstigen Verlauf  ; hier vor allem durch starke Kontraste erzeugt  : Der entschlossen-marschähnliche Chor zu Beginn wird abgelöst von ­Nerestans Sterbechoral, nach einer kurzen Kombination von beidem übernimmt das Orchester, das überleitet zu Orosmans pathetischer Lento-Arie in a-Moll (»O Nacht, du rabenfinstre Nacht«). Als Zayre erscheint, wird der Klang wunderbar weich und liedhaft-vertraut. Ihr jähes Ende und das anschließende Durcheinander spiegeln sich zwar in der Musik, sind aber – wie angesprochen – in ihrem schnellen Wechsel nicht ganz leicht zu verfolgen. Für ein Erstlingswerk enthält diese Oper viele gute Elemente, eingängige Melodien, das Bewusstsein für bestimmte Erwartungen und erprobte Effekte, auch Anklänge an echte Dramatik, aber eben noch keine schlüssige, musikalisch konsequente Umsetzung des Dramas vom Anfang bis zum Ende. Schwächen des Librettos seien dabei nicht unbeachtet. Es bleibt der Eindruck einer angenehmen, nur selten unter die Haut gehenden Unterhaltung.

Entstehung und Aufführungen

Die Uraufführung der »Zayre« von Ernst II. fand am 15. Februar 1846 in ­Gotha statt4. Sie hatte einen äußerst prominenten Zuhörer, denn kein Geringerer als Franz Liszt machte sich eigens für diese Vorstellung auf den Weg von Weimar nach Gotha5. Das Werk wurde vom heimischen Publikum »mit dem en­thusiastischesten Beifall aufgenommen«6 [sic], was sie »aber nicht etwa dem 4 Vgl. hierzu das zweibändige Aufführungsverzeichnis in der Landesbibliothek Coburg (LBC 773) sowie Weiss, Geschichte des Hoftheaters, Bd. I. In der Stimme des »Tambour militair« im Orchester (Material unter LBC TB Op 350) ist vermerkt, dass die erste Probe am 3. Februar stattgefunden hatte. 5 »… j’irai demain à Gotha pour assister à la première représentation de Zaire, opéra dont le Duc régnant (Ernst, frère du prince Albert) a composé la musique.« In Ollivier, Bd. II. 6 »Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode«, 31. Jg., Nr. 52, vom 13. März 1846, S. 208. Zum Folgenden.

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hohen Range ihres Komponisten« zu verdanken habe, »sondern ihrem Melodienreichthum«.7 Nach dem üblichen Wechsel des Spielortes zum Sommer erlebte die Oper ihre Erstaufführung in Coburg am 5. Juli desselben Jahres. Für Gotha sind weitere Aufführungen verzeichnet am 20. Februar und 15. März 1846, am 3. Januar 18478 sowie am 16. Januar 1848 und am 11. März 1849. In Coburg wurde das Werk am 4. Oktober sowie am 22. Dezember 18469 und im darauffolgenden Jahr am 9. Mai und 1. Juli wiederholt. Bei Weiss finden sich nähere Hinweise zu den Aufführungen. So fand die Premiere in Gotha als Benefiz »Für die Armen« statt10. Dies war für den Herzog eine typische Geste, denn – wie auch aus dem Umgang mit seinen weiteren Opern ersichtlich sein wird – er wollte nie Geld mit seinen musikalischen Schöpfungen verdienen, sondern verschenkte die Erlöse daraus entweder an Bedürftige oder an Musiker, die sich um die Komposition verdient gemacht hatten. Bei der Wiederholung der »Zayre« am 20. Februar in Gotha war der Erbgroßherzog von Weimar zugegen, zum nächsten Termin dann der Weimarer Großherzog selbst. Übrigens wurden im selben Monat noch Webers »Freischütz« sowie Bellinis »Norma« im Hoftheater gespielt, so dass sich »Zayre« in illustrer Gesellschaft befand. Die Erstaufführung in Coburg am 5. Juli 1846 fand aus einem besonderen Anlass statt, nämlich der Rückkehr des Herzogs von seiner Reise nach Portugal und England. Ernst II. gab sich nicht nur mit der Fertigstellung seiner Opern zufrieden, er entschied auch bis ins Detail über deren Inszenierung, Verbreitung und Aufführung. Einzelheiten dazu finden sich in den Theaterakten, die heute im Staatsarchiv Coburg sowie im Thüringer Staatsarchiv Gotha gelagert sind11. Daraus geht hervor, dass der herzogliche Komponist sich von Anfang an intensiv Gedanken zur Ausstattung seiner ersten Oper machte. Er   7 Auch eine Notiz in der italienischen Zeitung »Bazar di novità artistiche, letterarie e teatrali« (6. Jg., Nr. 22, vom 18. März 1846, S. 92) spricht von einem großen Erfolg (»con unanimi applausi«) und Da capo-Rufen.  8 In LBC TB WW 773 sind auch noch der 9. Mai 1847 sowie der 1. Juli 1847 für Gotha genannt. Diese Daten beziehen sich aber wohl auf Coburg, denn in diesen Monaten war das Theater traditionell dort. Weiss nennt ebenfalls Coburg als Aufführungsort für diese Wiederholungen.   9 Bei Weiss abweichend  : 22. November 1846. 10 Auch die Aufführung in Gotha am 15. März 1846 war ein »Armen-Benefiz«, bei dem laut Akten 223 Taler und 24 Groschen gesammelt wurden (vgl. ThStAGotha, Hofkapell- und Theater­angelegenheiten Nr. 13, f. 12). 11 Zur Oper »Zayre« gibt vor allem die Akte StACo Theater 6 Auskunft. Im ThStA Gotha ist die Akte Nr. 13 der Hofkapell- und Theaterangelegenheiten relevant.

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erwartete, dass ihm alle Entwürfe für Kostüme und Dekorationen persönlich vorgelegt würden, und betonte schon im November 1845, dass er für sein erstes großes Bühnenwerk eine »ganz neue Ausstattung«12 haben wolle. Nur Dekorationselemente, die noch »als völlig gut« zu befinden seien, dürften wiederverwendet werden. Da dies einen erheblichen Kostenaufwand verursachen musste, nahm der Herzog gleich vorweg, dass er den erforderlichen Betrag »als einen außerordentlichen Zuschuß zu bewilligen« gedenke. Zum Zwecke der bestmöglichen Umsetzung seiner Vorstellungen auf der Bühne befahl er auch seine besten Kräfte ans Werk13  : Neben dem Garderobeninspektor Weiß kümmerten sich der Hofmaler Georg Konrad Rothbart (1817–1896)14 sowie der Architekt und Baurat Vincenz Fischer-Birnbaum (1798–1879) um Kostüme, Bühnenbild usw. Dass der Herzog alle Pläne und Entwürfe persönlich vorgelegt bekommen wollte, war an sich noch kein ungewöhnliches Verlangen für einen Mann seiner Position. Es war natürlicher Ausdruck seiner Macht. Aber dass er nahezu alle Entscheidungen bis ins kleinste Detail tatsächlich »Allerhöchstselbst«15 traf, von Änderungen in den Skizzen zur Ausstattung über Personalentscheidungen bis hin zu Fragen der Vervielfältigung der Partitur und Verbreitung seines Werkes, zeigt sein besonderes Engagement als Komponist und auch als (de facto) Theaterleiter. Die Intendanz war in dieser Phase vor allem dafür zuständig, ihn auf dem Laufenden zu halten und die geforderten Unterlagen schnellstmöglich vorzulegen. Ernst II. ließ sich sogar verschiedene Probebögen vorlegen, als es um die Auswahl eines Druckers für die Partitur ging, und entschied sich dann für die Druckmethode des »Abklatsch«16. Trotz allen Engagements für sein eigenes Werk ließ sich der Herzog aber nicht dazu hinreißen, Geld sinnlos zu verschleudern, sondern versuchte, von Anfang an die Kosten im Auge zu behalten. Schon am 20. November 1845 berichtet die Hofmusikintendanz17, dass sie sich mit den zu erwartenden Unkosten im Zusammenhang mit der Inszenierung der »Zayre« beschäftige  : 12 Theater 6, f. 2, auch zum Folgenden. Ergänzende Dokumente in ThStAGotha, Hofkapellund Theaterangelegenheiten Nr. 13, f. 1–8, 12, 18, 31f., 36, 40f., 42, 43, 46, 65. 13 Hierzu StACo Theater 6, f. 4. 14 Maler und Baumeister, ab 1845 »Costumier« und Dekorationsmaler am Coburger Hoftheater, 1858 Herzoglicher Baurat, 1879 Hofrat, 1881 Geheimer Hofrat. 15 StACo Theater 6, f. 3. 16 Eine Rechnung des Steindruckers Carl Hellfahrt aus Gotha über einen Probebogen findet sich in StACoTheater 6, f. 30. 17 StACo Theater 6, f. 1.

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Fischer-Birnbaum solle einen genauen Kostenvoranschlag über die Dekorationen erstellen, Regisseur Friedrich Wilhelm Kawaczynski (1806–1876) für die erforderlichen Requisiten und Garderobe. Wenn man alles neu herstellen müsse, dann seien ca. 240–260 fl.18 für die Dekorationen und ca. 568 fl. für Garderobe und Requisiten, insgesamt also ca. 828 fl. für die Ausstattung der Oper »Zayre« zu erwarten. Eine Einsparung durch Verwendung vorhandener »Vorräthe« entfiel, da der Herzog ja wie erwähnt auf einer ganz neuen Ausstattung bestand. Im Januar 1846 wurde dann in Gotha die Aufteilung der geplanten Ausgaben festgelegt  : 660 fl. für neue Dekorationen und Möbel aus der herzoglichen Privatkasse, die übrigen 938 fl. 39 kr. aus der Hoftheaterkasse19. Wie wichtig die Kontrolle der Kosten für eine derartige Opernproduktion war, zeigt auch der Bericht der Intendanz vom 6. August 1846 20  : Neben der Ausstattung der Oper kosteten auch Druck und Versendung der Noten eine Menge Geld. So waren durch die Honorare für den Chorsänger und Kopisten Carl Sauerteig (für Kopie und Korrektur, dazu Reisegeld), die Drucker Spätzel sowie Hellfahrt und beim Postamt für die Verschickung der Noten an mehrere Orte insgesamt zusätzliche Kosten von ca. 410 fl. 50 kr. entstanden. Besonders der Druck von Noten und Textbüchern war eine sehr kostspielige Angelegenheit. Verglichen mit hauptberuflichen Musikern und Komponisten, die in der Regel nur über beschränkte finanzielle Mittel verfügten, hatte Herzog Ernst II. hier den Vorteil, aufgrund seines Vermögens seine Werke unabhängig von ihren Erfolgsaussichten drucken lassen zu können. Hinzu kam, dass Verlage seine Tonschöpfungen anfangs gerne aufgrund des bekannten Namens des Autors herausbrachten, denn allein dieser Name garantierte schon ein gewisses Interesse beim zahlungskräftigen Publikum. Somit war bei Druck und Vertrieb seiner Opern Ernst II. aufgrund seiner gesellschaftlichen Position klar im Vorteil gegenüber unbekannten Komponisten. Diesen Vorteil nutzte er, indem er sich einer größtmöglichen Qualität zu versichern suchte  : Bei mehreren Druckern und Verlagen ließ er Angebote einholen21, verglich und erkundigte sich genau über die verschiedenen technischen Möglichkeiten der Vervielfältigung. Außerdem bestand er auf einer möglichst raschen Fertigstel18 »fl.« ist die Abkürzung für die Währung Gulden, »kr.« oder »xr.« steht für Kreutzer. Daneben gab es noch Thaler (Taler). 19 StACo Theater 6, f. 5. 20 StACo Theater 5, f. 37, 38. 21 Beispielsweise Schott’s Söhne, Mainz, sowie Breitkopf & Härtel (vgl. StACo Theater 3059, f. 3ff.).

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lung22. Dieser große Zeitdruck, den der komponierende Herzog auf Kopisten und Drucker ausübte, war keine Schikane, sondern Notwendigkeit  ; es war von immenser Bedeutung für den Erfolg einer Oper, dass sie möglichst bald nach der Premiere in Druckfassung vorlag (in der Regel als Partitur, Klavierauszug und Textbuch). So ist der intensive Schriftverkehr aus den Monaten Mai bis Juli 1846 zu interpretieren23, aus dem hervorgeht, dass neben dem Drucker Johann Georg Spätzel (und seinen Mitarbeitern) noch zwei Kopisten eingespannt wurden24 und sogar der Konzertmeister Ernst Lampert (1818–1879), der auch den Klavierauszug erstellte25, sowie der Librettist Millenet mit Korrekturlesen beauftragt wurden. Ziel war offenbar eine Fertigstellung des Drucks um den 10. Juni 184626, also vier Monate nach der Premiere in Gotha. Ein Wachtmeister, Ernst Christian Schlotthauer mit Namen, wurde eigens als Bote zwischen Coburg und Gotha hin und her geschickt, um die Arbeiten an der Partitur zu unterstützen27. So gelang es, dass schon Ende Mai 30 gedruckte Exemplare des ersten Aktes vorlagen28, am Rest wurde noch korrigiert. Natürlich zögerten die fleißigen Mitarbeiter nicht, ein entsprechendes Honorar für ihre zügige Arbeit einzufordern29. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass es sich der Herzog ausdrücklich vorbehielt, den genauen Wortlaut des Titelblattes festzulegen30. Es lautete schließlich  : »Große Oper in 3 Akten / nach dem Französischen bearbeitet von M. Tenelli / in Musik gesetzt von / H. E. z. S. / zum ersten Male aufgeführt auf dem Hoftheater zu Gotha / den 15ten Februar 1846«. Der Komponist selbst bezeichnete sich also mit dem Kürzel »H. E. z. S.« (Herzog Ernst zu Sachsen), 22 Vgl. StACo Theater 6, f. 6ff., Theater 3058, Theater 3059. 23 StACo Theater 6, f. 14ff. 24 Aus StACo Theater 6, f. 16–22  : Es handelte sich um den Chorsänger Sauerteig sowie den Seminaristen Schneider. Letzterer wurde engagiert zum Abschreiben der Ouvertüre, erhielt dann aber kurzfristig eine Lehrerstelle und konnte seine Arbeit nicht fertigstellen. 25 Dafür erhielt Lampert aus der Hoftheater-Pensionskasse 10 Louisdor (StACo Theater 3058, f. 9v). 26 Vgl. StACo Theater 6, f. 14. 27 StACo Theater 6, f. 31. 28 StACo Theater 6, f. 28. 29 StACo Theater 6, f. 29  : Kopist Sauerteig bat im Juni um einen Vorschuss für seine Mitarbeit und betonte in einem Brief vom 23. Juli 1846 an die Intendanz, dass er sich eine angemessene Entlohnung seiner Arbeit erhoffe, da er ja aus lauter Zeitdruck nun auch noch einen Teil der Korrekturarbeit übernommen habe, welche aufgrund des spiegelverkehrten Satzes beim Steindruck besonders mühsam gewesen sei. 30 StACo Theater 6, f. 23, 25.

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in späterer Variante auch »E. H. z. S.«, wodurch er einerseits seinen prominenten Namen verschleierte, andererseits gerade durch das Verbergen des Namens Aufmerksamkeit erregte. Eine echte Verschlüsselung lag auf keinen Fall vor, denn wie den Zeitungen zu entnehmen ist, gab es nie Zweifel an der Identität des Komponisten. Dennoch behielt Ernst II. diese Abkürzung auch in späteren Jahren bei. Es mag neben einer gewissen Koketterie auch das Bewusstsein zugrunde gelegen haben, dass sein vollständiger Name, auf Dynastie und Position verweisend, eigentlich nur in einem anderen Zusammenhang, nämlich dem politischen, eine Rolle spielen konnte und sollte. Er war ja kein hauptberuflicher Komponist, sondern nur ein Dilettant. Natürlich geschah der Aufwand zur Vervielfältigung der Partitur nicht nur zum eigenen Vergnügen (Prachtausgaben) oder für die Verwendung am eigenen Hoftheater (Gebrauchsmaterial), sondern um seine Oper »Zayre« auch andernorts bekannt zu machen. Der Herzog ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, dass er nicht nur für seine eigenen Bühnen komponierte, sondern als Komponist auf dem Theatermarkt, mindestens in Deutschland, wahrgenommen werden wollte. Seine Vorteile bezüglich der Drucklegung wurden bereits angesprochen  ; hinzu kamen seine politisch-familiären Verbindungen zu verschiedenen Höfen und damit auch zu deren Hoftheatern in ganz Deutschland und darüber hinaus. Ein weiterer für ihn positiver Aspekt war, dass Ernst II. es sich leisten konnte, sein Werk kostenlos weiterzugeben. Zwar waren Honorare, Tantiemen und Urheberrecht damals noch keineswegs geregelt oder festgelegt, aber natürlich mussten Opernkomponisten üblicherweise irgendeine Art von Vergütung fordern (in der Regel vom Verleger), damit sie überhaupt davon leben konnten. Dieser finanzielle Aspekt war bei Ernst II. relativ unbedeutend, vor allem bei seiner ersten Oper31. Zunächst ließ der Herzog Werbung machen für »Zayre«, indem man Kontakt mit verschiedenen Theatern aufnahm und auf die neue Komposition hinwies. Bei Interesse wurde dann die Partitur verschickt. Dabei achtete Ernst II. jedoch genau darauf, dass seine Oper nur an guten Bühnen mit angemessener Ausstattung gespielt wurde. Das gilt auch für alle späteren Werke. So ist dem »Erlass des Herzogl. Immediat-Commißarius für die Hof-Capell- und Theater-­ Angelegenheiten« vom 7. September 184632 zu entnehmen, dass die Partitur 31 Als der Herzog es sich später zur Gewohnheit machte, die Einnahmen aus seinen Opern zu verschenken, forderten die Beschenkten regelmäßig selbstbewusst die ihnen zustehenden Tantiemen ein. 32 StACo Theater 6, f. 44.

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auf Wunsch interessierter Theater zwar kostenlos an diese abzugeben sei, aber nur nach vorheriger (mündlicher) Genehmigung. Bei bekanntermaßen hervorragenden Opernhäusern ergriff hingegen Ernst II. selbst die Initiative. Schon in einem Schreiben aus Gotha vom März 1846 werden explizit die Hoftheater in Berlin, Dresden und Karlsruhe genannt, denen sofort nach Fertigstellung »ganz unentgeldlich«33 gedruckte Partituren zugehen sollen. Bei anderen Bühnen solle ruhig um einen Beitrag zu den Druckkosten ersucht werden, ob und wie viel gegeben werde, stehe den Theaterleitern aber frei. Dieses Geld, so entschloss sich der Herzog, sollte dem Pensionsfonds zugutekommen, also der Renten-, Witwen- und Waisenkasse des Coburg-Gothaer Hoftheaters. Er selbst erwartete offenbar keinen ökonomischen Vorteil aus dem Erfolg seiner Komposition, konnte sich auf diesem Wege aber bei den Mitgliedern seines Theaters für ihr Engagement für sein Erstlingswerk erkenntlich zeigen34. Ob der Herzog selbst auf die Idee dazu gekommen war oder ob er einer Bitte der Pensionsanstalt nachkam, ist nicht einwandfrei zu klären35. Jedenfalls wurden auch in späteren Jahren alle Einkünfte aus diesem Werk an die Pensionskasse abgeführt36. Werbebriefe für die Oper »Zayre« lesen sich dann zum Beispiel wie das nach Karlsruhe an den Theaterintendanten Joseph von Auffenberg (1798–1857) gerichtete Schreiben37  : »Wir beehren uns in der Beilage Eur. Hochwohlgeboren die Partitur der von Sr. Hoheit componirten Oper ›Zayre‹ mit dem freundlichsten Ersuchen zu übersenden, selbige recht bald Ihrem Repertoire einverleiben laßen zu wollen.« Die Antwort aus Karlsruhe fällt theatertypisch aus, man legt 33 StACo Theater 6, f. 7, auch zum Folgenden. Unterstreichung im Original. Die Kosten für die ersten 30 Partituren sollten von der herzoglichen Privatkasse bezahlt werden (vgl. StACo Theater 3058, f. 5f.), was erst viel später auch geschah. 34 In der Akte StACo Theater 6 dokumentiert sind beispielsweise fünf Gulden für einen Klavierauszug, den der Kapellmeister Lampert im Juni 1850 an die Musikalienhandlung Bote und Bock in Berlin schickte (f. 67), sowie 15 preußische Taler, die der Sekretär Fugmann im Jahr 1860 für drei Klavierauszüge erhielt (f. 70). 35 Vgl. hierzu ein Schreiben der Pensionsanstalt des Hoftheaters vom 16. September 1846 (StACo Theater 3059, f. 1) mit der Bitte, dass der Klavierauszug, den Kapellmeister Lampert gerade erarbeite, zum Besten des Pensionsfonds vertrieben werden solle. Auf f. 9 ist die Festlegung des Preises für einen Klavierauszug auf fünf preußische Taler dokumentiert sowie die Verwendung der Einnahmen für die Hoftheaterpensionsanstalt. 36 Der Pensionsfonds handelte auch selbständig, z. B. bei der Bestellung von weiteren 200 Klavierauszügen zu »Zayre« beim Erfurter Drucker Friedrich Faust am 31. Januar 1847 (StACo Theater 3058, f. 9ff.). 37 Vgl. hierzu StACo Theater 6, f. 39 (Entwurf ) und f. 40f. (Antwort aus Karlsruhe).

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sich nicht fest  : Natürlich werde man Coburg über den Fortgang der Proben auf dem Laufenden halten  ; leider aber sei gerade eine wichtige Sängerin mit Namen Zerr38 »durchgegangen« und man habe noch keinen Ersatz gefunden. Außerdem wird um Übersendung der Dekorations- und Kostümskizzen gebeten, was dann auch geschieht39. Abgesehen von der Werbung auf dem Postweg übernahmen es auch Mitarbeiter des Herzogs aus Coburg und Gotha, seine neue Oper bekannt zu machen. So kamen im Oktober 1846 über den Sänger Julius Réer (1819–1884) vom Coburger Hoftheater, der viel auf Konzertreisen durch Deutschland unterwegs war, Kontakte nach Frankfurt und später auch nach Stuttgart40 zustande. Am 26. November 1846 wird eine Partitur an den Frankfurter Kapellmeister Guhr geschickt mit der Bitte, »dafür Sorge zu tragen, daß die fragliche Komposition würdig ausgestattet in Scene gesezt [sic] werde«41. Im Juli 1847 erhält dann auch der Kapellmeister Peter Josef Lindpaintner (1791–1856) in Stuttgart eine Partitur der »Zayre«, verbunden mit der Frage nach einer freiwilligen Spende an den Coburger Pensionsfonds42. Der Librettist Millenet beteiligte sich ebenfalls – nicht zuletzt in eigenem Interesse – an der Verbreitung der Oper, indem er sie nach Danzig vermittelte, wo der Theaterdirektor Genée »Zayre« zum Geburtstag des Königs aufführen wollte43. Hier wurde allerdings auch ein Problem der allzu raschen Drucklegung offenbar  : Teile der Oper waren noch einmal überarbeitet worden. Die frisch gedruckten Partituren oder Klavierauszüge mussten also schon wieder geändert und ergänzt werden, was Lampert für die nach Danzig zu sendenden Noten zu übernehmen anbot. Als Nächstes sollte 38 Anna Zerr (1822–1881), Sopranistin, die um diese Zeit von Karlsruhe ans Kärntnertortheater Wien wechselte. 39 Vgl. hierzu StACo Theater 6, f. 45f. Am 14. September 1846 werden die Skizzen dankend nach Coburg zurückgeschickt, am 24. September 1846 (f. 46) bittet man sogar um nochmalige Nachlieferung einer verlorengegangenen Kostümskizze. Alle Wünsche werden von der Coburger Intendanz prompt erfüllt. 40 Im Mai 1847 wird eine Partitur dem Sänger Réer nach Stuttgart hinterhergeschickt, um sie dort einzureichen (ThStA Gotha, Hofkapell- und Theaterangelegenheiten Nr. 13, f. 43). 41 Vgl. hierzu StACo Theater 6, f. 48 (Anfrage Guhrs) und f. 49 (Antwort aus Coburg mit dem genannten Zitat). 42 Vgl. hierzu StACo Theater 6, f. 62–64 (Kontaktaufnahme mit dem Hoftheater Stuttgart), f. 65f. (Schreiben des Kapellmeisters Lampert vom 23. Juli 1847 an den Staatsrat Carl Hess in Coburg mit der Bitte, eine geänderte Partitur von »Zayre« samt Klavierauszug an den Kapellmeister Lindpaintner in Stuttgart zu schicken). 43 Vgl. hierzu StACo Theater 6, f. 65f.; erwähnt im selben Brief Lamperts, in dem es auch um die Übersendung der Partitur nach Stuttgart geht. Auch zum Folgenden. Außerdem hierzu ThStAGotha, Hofkapell- und Theaterangelegenheiten Nr. 13, f. 46.

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dann auch ein geänderter Klavierauszug nach Berlin zum Kapellmeister Wilhelm Taubert (1811–1891)44 geschickt werden. Lamperts Angaben45 zufolge handelte es sich bei den veränderten Stellen um den Schluss des zweiten Aktes sowie Angaben zum Tempo. Genaueres ist jedoch mangels Unterlagen oder Skizzen nicht bekannt. Nun erscheint das Vorgehen des Herzogs Ernst II. bei der Verbreitung seiner Oper sehr selbstbewusst und nicht gerade zurückhaltend. Dennoch war er sich offenbar dessen bewusst, dass es sich bei »Zayre« nur um das Werk eines Anfängers handelte, das es noch zu verbessern und aus dem es zu lernen galt. Und so suchte er neben der Aufmerksamkeit auch den Rat der musikalischen Fachwelt. Schon bei der Übersendung der Noten nach Karlsruhe scheute er sich nicht, darum zu bitten, die Partitur solle einem Orchesterdirigenten »zur Durchsicht« gegeben werden, damit er Fehler, »wie dies bei Dilettanten wohl leicht vorkommen kann«, beheben könne46. Noch wichtiger als das Urteil des Karlsruher Kapellmeisters war Ernst II. aber die Meinung von einem der bedeutendsten Opernkomponisten seiner Zeit, Giacomo Meyerbeer. Im August 1846 geht ein Brief aus Coburg an den Generalintendanten in Berlin, Baron Karl Theodor von Küstner (1784–1864), mit der Nachricht, dass »am heutigen Tage« die Partitur der »Zayre« an den »Generalkapellmeister« Meyerbeer abgesendet worden sei47. Meyerbeer habe bei Ernsts II. letztem Aufenthalt in Berlin dem Herzog eine Überarbeitung mehrerer Nummern zugesagt. Außerdem bitte man darum, das Werk entweder im Palais seiner Majestät oder im Opernhaus zur Aufführung kommen zu lassen. Dieser Bitte wird auch im Brief an Meyerbeer selbst48 Ausdruck verliehen, in dem der Empfänger höflich, aber deutlich aufgefordert wird, »gefälligst Ihren Einfluß anwenden zu wollen, daß gedachte Oper, entweder im Schloßtheater oder im Opernhause zur Aufführung gebracht werde«49. Als Erklärung für die nachdrückliche Anfrage wird angeführt, der Herzog wolle sein 44 Von Karl Gottfried Wilhelm Taubert ist auch ein Brief aus dem Jahr 1869 an Herzog Ernst II. überliefert, in dem er eine Partitur übersandte (Brief Tauberts vom 29. Januar 1869 in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg). 45 StACo Theater 6, f. 65f. 46 StACo Theater 6, f. 39. Aus der Antwort aus Karlsruhe vom 13. August 1846  : »Die uns […] eingesandte Partitur der Oper ›Zayre‹ haben wir dem Hofkapellmeister Strauss zur Durchsicht und Vorbereitung der Inscenesetzung zugestellt«. 47 StACo Theater 6, f. 35 (Entwurf ). 48 StACo Theater 6, f. 35v, 36. 49 StACo Theater 6, f. 35f.

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»freie[s] Erstlingswerk unter dem Schutze eines so gefeierten Konzertmeisters« aufgeführt wissen. Innerhalb kurzer Zeit antwortet Meyerbeer aus Berlin an den Oberhofmarschall und Hoftheaterintendanten50  : »Hochwohlgeborener Herr  ! / Hochzuverehrender Herr OberhofMarschall und Hof­theater-Intendant  ! Ew. Hochwohlgeboren sehr geehrtes Schreiben vom 3ten d. Mts., worin dieselben mich von der Absendung der Partitur Zayre Seiner Hoheit Ihres regierenden Herzogs zu benachrichtigen die Güte haben, ist mir so eben zugekommen. Unendlich bedauere ich, daß das gedachte Werk, welches Ew. Hochwohlgeboren mir schon bei Ihrer Anwesenheit hierselbst ankündigten, und welchem ich nach allem dem Rühmlichen und Trefflichen, was ich davon gehört habe, mit dem lebhaftesten Intereße und der höchsten Spannung entgegensah, erst jetzt eintrifft, indem Seine Majestät der König mir vor etwa 8. Tagen eine nicht unbedeutende musikalische Arbeit zu befehlen geruht haben, die ich bereits Ende dieses Monats abliefern muß, so daß mir bis dahin keine Gelegenheit zu einer anderweitigen Beschäftigung übrig bleibt. Unmittelbar nach Vollendung jener Arbeit trete ich eine nothwendige mehrwöchentliche Reise an, und ich fürchte daher, daß es mir nicht möglich seyn wird, vor meiner Rückkehr im Oktober von der mir so schmeichelhaften Erlaubniß, von der Partitur Seiner Hoheit nähere Kenntniß nehmen zu dürfen, Gebrauch machen zu können. Unter diesen Umständen erlaube ich mir Ew. Hochwohlgeboren ganz ergebenst zu ersuchen, mir gütigst die weiteren Befehle zukommen zu laßen, ob ich die Partitur, sobald ich sie erhalte, gleich jetzt an die hiesige Königl. General=Intendanz abgeben und sie demnächst bei meiner Rückkehr zur Durchlesung zurückfordern, oder ob ich dieselbe unterdeßen bei mir asserviren soll  ? Ew. Hochwohlgeboren geneigter Antwort entgegensehend habe ich die Ehre mit der ausgezeichnetesten Hochachtungund Verehrung zu verharren / Ew. Hochwohlgeboren / ergebenster / Meyerbeer«. Auf diese Reaktion hin arrangiert man sich in Coburg zunächst mit der Situation51 und plant, während Meyerbeers Reise die Solo- und Chorstimmen herausschreiben zu lassen, »um das Studium der Oper zu fördern«. Offenbar nimmt der Herzog Meyerbeers Vorwände für bare Münze und bleibt überzeugt davon, dass der berühmte Opernkomponist nach seiner Rückkehr die Partitur der »Zayre« »genauerer Einsicht« unterziehen würde. Außerdem rechnet 50 StACo Theater 6, f. 41. Der Brief ist nicht genau datiert, nur »August 1846« wird angegeben. 51 StACo Theater 6, f. 42  ; auch zum Folgenden.

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Ernst II. damit, dass die zu erwartenden Änderungen »doch wohl am meisten nur das Accompagnement betreffen« würden, welches man dann erst nach der »Correctur« durch Meyerbeer »vollends« ausschreiben werde. Der hohe Bittsteller unterlässt es nicht, wiederum eine Frist zu setzen, indem er angibt, das korrigierte Werk solle »bis vor [durchgestrichen  : zu] Weihnachten« herauszubringen sein. Am 20. August 1846 schreibt Meyerbeer erneut aus Berlin52 und lehnt jede Verantwortung für eine Aufführung der »Zayre« in der preußischen Hauptstadt strikt ab  : »In Beziehung auf diese geneigte Aeußerung muß ich mir erlauben, Ew. Hochwohlgeboren dasjenige zurückzurufen, was ich denenselben [sic] bereits bei dero Anwesenheit hierselbst mündlich mitzutheilen die Ehre hatte, nehmlich, daß ich mich seit einiger Zeit meinem Wunsche gemäß mit Genehmigung Seiner Majestät des Königs von den Geschäften beim hiesigen König. Theater gänzlich zurückgezogen habe, und auch nicht zu denselben zurückzukehren gedenke.« Immerhin empfiehlt er noch, sich direkt mit dem Berliner Generalintendanten von Küstner in Verbindung zu setzen. Entweder erachtet man diese Nachricht aus Berlin in Coburg nicht einer Antwort für würdig, oder es gibt tatsächlich ein Problem mit der Post. Jedenfalls schreibt Meyerbeer am 12. November 1846 erneut nach Coburg53 und moniert, er habe auf sein Schreiben (vom 20. August) keine Antwort erhalten. Er habe in diesem Brief ja gefragt, ob er die Partitur des Herzogs während seiner Abwesenheit aus Berlin bei sich aufbewahren oder dem Königlichen Theater übergeben solle. Und er betont erneut, dass er sich von den Geschäften beim Theater gänzlich zurückgezogen habe und daher »keine Einwirkung auf die Opern=Aufführungen« haben könne. Entweder aus Höflichkeit oder weil es der Wahrheit entspricht, fügt er hinzu, er habe »neuerlich das schöne Werk ganz und gar mit dem größten Intereße durchlesen«, stehe aber gerade im Begriff, nach Wien abzureisen. Daher habe er sich nun entschlossen, die Partitur durch den Hofrat Johann Valentin Teichmann (1791–1860) an die Theater­intendanz in Berlin übergeben zu lassen. Dass dies auch so geschehen sein muss, belegt ein Schreiben Küstners aus Berlin vom 26. Januar 184754, in dem der Generalintendant bestätigt, er habe von Meyerbeer im Dezember die Partitur der »Zayre« erhalten.

52 StACo Theater 6, f. 51f. 53 StACo Theater 6, f. 50, zum Folgenden. 54 StACo Theater 6, f. 56.

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Küstner scheut sich auch nicht, in seinem Brief gleich einige Schwierigkeiten zu benennen, die sich einer baldigen Aufführung dieser Oper in den Weg stellen  : »Wiewohl nun das Urtheil der Kapellmeister Henning und Taubert über die Komposition sich sehr vortheilhaft ausspricht  : so ist doch bemerkt worden, daß das Buch nicht von drastischer Wirkung scheint. – Wenn gleich ich die Aufführung dieses Werkes auf der Königlichen Bühne mit Vergnügen bestimme  : so fühle ich mich doch veranlaßt, Euer Hochwohlgeboren auf einige Umstände aufmerksam zu machen, welche mir nicht vergönnen, den Zeitpunkt, wenn dieß möglich werden dürfte, mit Bestimmtheit zu bezeichnen.« Im Folgenden nennt er als nähere Gründe, dass aufgrund des Gastspiels der berühmten Sängerin Pauline Viardot-Garcia (1821–1910) bis April keine Neueinstudierung möglich sei, dass einige Mitglieder des Opernensembles krank seien und dass nach Ostern die Urlaubszeit der Musiker beginne. »Hinsichts der Besetzung erhebt sich aber noch eine andere Schwierigkeit. In der Oper sind nämlich nach dem Ausspruche der Kapellmeister zwei hohe Soprane beschäftigt. Das wird aber bei der fortdauernden Unpäßlichkeit der Dlle. Marx und der Ungewißheit über ihre Wiederherstellung nicht leicht. – Ein Mittel wäre gefunden, auch über diesen Punkt leichter hinwegzukommen, nämlich, wenn der Hohe Verfaßer Sich entschließen könnte, die eine der beiden hohen Sopran-Parthien in eine Mezzo-Sopran-Parthie zu verwandeln. Für diese letztere besäßen wir in der Dlle. Brexendorff eine mit schöner Stimme begabte Sängerin, der die Anerkennung selbst, wenn sie mit Dlle. Lind sang, zu Theil geworden ist.« Abschließend bittet Küstner seinen Coburger Kollegen  : »Möchten Euer Hochwohlgeboren hierüber die Ansicht des hohen Verfaßers einholen, und mir solche dann bei Ihrer zu hoffenden Ankunft im Monat Februar mittheilen.« Was im Ganzen gesehen schon verdächtig nach einer Ausrede klingt, um der Verpflichtung zur Aufführung zu entgehen, hat zunächst nicht die gewünschte Wirkung  : Tatsächlich wird am 2. Februar 1847 Konzertmeister Lampert in Gotha angewiesen55, gemäß dem Wunsche aus Berlin die Partie der Fatime in »Zayre« in eine Mezzopartie umzuschreiben, um die Aufführung in Berlin zu ermöglichen. In einem Antwortschreiben56 an den Berliner Intendanten wird von der herzoglichen Genehmigung der Veränderungen Kenntnis gegeben. Außerdem werde der Herzog bei baldiger Anwesenheit in Berlin mit dem Intendanten die Änderungen besprechen, wahrscheinlich zwischen dem 20. und 25. März 1847. Aus Unkenntnis des Meyerbeerschen Briefes oder aus Verärge55 Vgl. StACo Theater 6, f. 57–59. 56 StACo Theater 6, f. 57f.

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rung über dessen Ausreden betont die Coburger Intendanz57  : »und müßen wir nur schließlich unsere Verwunderung ausdrüken [sic], daß der H. Generalkapellmst Meyerbeer, der sich die für Berlin nöthigen Veränderungen zu unterziehen erbot, diesem Versprechen nicht nachkam und die Partitur unverändert übergeben hat.«58 Doch damit sind die zähen Verhandlungen noch lange nicht beendet. In einem Brief vom 27. Februar 1847 hakt Küstner noch einmal nach und fordert weitere Änderungen in »Zayre«, diesmal bei einer Männerstimme  : Die Partie des Nerestan sei dem Sänger Julius Krause (1810–1881), dem die Rolle zugeteilt worden sei, zu hoch. Immerhin bittet man darum, dass die notwendigen Veränderungen von einem Berliner Kapellmeister vorgenommen werden dürfen. Leider ist keine Antwort aus Coburg dazu erhalten, aber man hat sich wohl erneut gefügt. In der »Neuen Zeitschrift für Musik« (NZfM) ist eine Ankündigung für die Berliner Premiere der »Zayre« am 20. Mai 1847 zu lesen59. Kurze Zeit später60 heißt es in demselben Blatt  : »Die Oper ›Zayre‹ des Herzogs von Gotha ist in Berlin, wie es scheint, nicht ohne Beifall in Scene gegangen.« Auch Küstner erwähnt diese Aufführung unter seiner Intendanz in seinen Memoiren61, die übrigens Herzog Ernst II. gewidmet sind  : »Auch eine fürstliche kunstgewandte Hand brachte in ›Zaire‹ der Muse der Musik ein würdiges Opfer, dem noch neuere, würdigere gefolgt sind und folgen werden. Soll, wie Schiller sagt, der Sänger mit dem König gehen, so eint sich hier noch inniger im Fürsten der Tondichter.« Eine Zeitungsmeldung berichtet, dass der Berliner Kapellmeister Taubert vom Coburger Herzog einen Orden erhalten habe62. Im selben Blatt wird übrigens – wenn auch als Wiedergabe eines Berichts der

57 StACo Theater 6, f. 58. 58 Im September des Jahres 1847 wird Meyerbeer auf die Verstimmung des Herzogs ihm gegenüber hingewiesen. Meyerbeer sieht darin eine Intrige von Küstners (Meyerbeer, Bd. 4, S. 320f.). 59 NZfM 1847, Bd. 26, S. 180. Weitere Hinweise auf die Aufführung auch in AMZ, Bd. 50, Februar 1848, Nr. 5, S. 78  ; AMZ, Bd. 50, März 1848, Nr. 10, S. 160. – In LBC TB WW 773 und bei Meyerbeer (Meyerbeer, Bd. 4, S. 243) ist der 21. Mai angegeben. 60 NZfM 1847, Bd. 26, S. 206. 61 Küstner, S. 280, zum Folgenden. Außerdem S. 324  : »H. E. v. K.: Zayre«. 62 NZfM 1847, Bd. 26, S. 214  : »Kapellmstr. Taubert hat für das Einstudiren der ›Zayre‹ vom Herzog von Sachsen-Gotha einen Orden empfangen. Wer solche Geschenke geben kann, bringt überall seine Compositionen an  !« – Auch Küstner erhielt dafür einen Orden (AWMZ, 28. August 1847, Nr. 103, S. 416).

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»Theater-Chronik« getarnt – die Berliner Oper jener Zeit aufs ärgste kritisiert63, wobei deutliche Worte vor allem für die Aufführungsbedingungen und das Personal gefunden werden. In dieselbe Kerbe schlägt noch zwei Jahre später der Korrespondent der »Allgemeinen musikalischen Zeitung« (AMZ)64, der sich zudem einen sarkastischen Seitenhieb auf den komponierenden Herzog nicht verkneift  : »[…] Und die Aussichten  ? Ja, da haben wir eine neue Oper von dem hochgestellten Componisten der Zaire zu erwarten. Nach dieser zu urtheilen, möchte man der so glücklich fortschreitenden Reaction noch einen Schritt vorwärts wünschen. Es möchte vielleicht für die Kritik angenehm sein, durch die Unmöglichkeit hochgestellter Personen dramatische Werke zu beurtheilen sich aller Kritik enthalten zu dürfen.« Der Autor, bei dem die Oper »Zayre« ganz offensichtlich keinen guten Eindruck hinterlassen hat, verspottet einerseits die Kollegen, die sich nicht trauen, ehrliche Kritik an der künstlerischen Betätigung »hochgestellter Personen« zu üben, bringt aber andererseits auch kein klares Wort zu Papier und ergeht sich in Andeutungen. Ein gutes Beispiel dafür, wie oft schon allein die herausgehobene Position des Komponisten Herzog Ernsts II. den Blick auf das – ja ohne Zweifel nicht sehr starke – Werk verstellte. Letztendlich aber hat wohl die Aufführung von »Zayre« in Berlin dazu beigetragen, daß Ernst II. im Jahr 1849 als Ehrenmitglied in die Königliche Akademie der Künste in Berlin aufgenommen wurde65. Als der Coburg-Gothaer Intendant Eduard von Gruben (1809   ?–1868) im Januar 1861 versucht, sowohl die Oper »Zayre« als auch ihre Nachfolgerin »Die Vergeltung« in München beim Hofkapellmeister Franz Lachner (1803–1890) anzupreisen66, gibt dieser die Klavierauszüge zurück mit der Bemerkung, die Münchner Bühne habe bereits mehrere große Opern in Vorbereitung, außerdem fehlten ihr für einige Rollen in den herzoglichen Bühnenwerken die Darsteller. »Die Vergeltung« wurde allerdings tatsächlich später in München gespielt. Das Erstlingswerk Ernsts für die große Bühne hatte keinen durchschlagenden Erfolg, weckte im Laufe der Jahre aber immer wieder das Interesse Eingeweihter. So bittet am 12. September 1859 der herzogliche Hofpianist und 63 NZfM 1847, Bd. 27, S. 72. 64 AMZ, Bd. 30, 1849, S. 119. 65 So gemeldet in  : NZfM, Bd. 30, 1849, S. 264. Dort wird der Herzog als »Componist der ›Zaire‹« benannt. Mit ihm wurden unter anderem auch Francois Auber (Paris), Franz Lachner (München), Peter Josef Lindpaintner (Stuttgart) und Ferdinand Hiller (Düsseldorf ) aufgenommen, diese allerdings als ordentliche Mitglieder. 66 Brief von Grubens vom 10. Januar 1851 (ThStAGotha Hofkapell- und Theaterangelegenheiten Nr. 13, f. 65).

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Flötist Wilhelm Popp (1828–1903) in Coburg darum67, einen der vielen Klavierauszüge der Oper »Zayre«, die er im »Locale der Tages-Caße des Herzog­ lichen Hoftheaters« habe stehen sehen, überlassen zu bekommen. Dafür stelle er seine Bibliothek von Klavierauszügen, in der eben dieses Werk noch nicht vorhanden sei, zur Ausleihe zur Verfügung. Popp verfasst daraufhin einige Klavierbearbeitungen von Stücken aus »Zayre«68 und erwähnt den Herzog auch in seiner ungefähr zeitgleich entstandenen »Geschichte der Musik«69. Im selben Jahr 1859 wurde im Rahmen eines Hofkonzertes am 27. Dezember70 Musik aus »Zayre« gespielt  : Im ersten Teil erklangen die Ouvertüre und der zweite Akt, u. a. mit den berühmten Sängern Natalie Frassini (1836–1905) als Zayre und Karl Julius Abt (1822–1900) als Lusignan. Andere Nummern der Oper (Nr. 19 und 20) wurden dagegen – nach den Aufzeichnungen in den Orchesterstimmen der Musiker71 – am 10. Mai 1864 beim Hofkonzert in ­Coburg »zur Vorfeier der Vermählung des Erzherzogs Joseph mit Prinzeß Clotilda von Cob. Gotha Cohary« zur Aufführung gebracht. Auch finanziell wirkte »Zayre« länger nach, als es der Bedeutung der Oper entsprochen hätte. Denn erst im Jahr 1887 [!] bezahlte die herzogliche Generalkasse schließlich den versprochenen Zuschuss an die Hoftheater-Pensionskasse72, die ja alle Einnahmen aus »Zayre« erhalten sollte. Nach so langer Zeit belief sich die Summe mittlerweile auf 1289 Mark und 55 Pfennige.

Presseecho

Trotz ihres recht mäßigen Erfolgs blieb die erste Oper Herzogs Ernsts II. von der deutschen Fachpresse nicht unbemerkt. In der »Berliner musikalischen Zeitung« vom 20. Dezember 184573 wird eine Anekdote über ihre Entstehung 67 StACo Theater 6, f. 60. 68 Als Beispiele seien genannt  : »Sie ist dahin, die Zeit« (LBC Ms Mus 357) sowie »Heil der lieblichsten der Frauen« (LBC Ms Mus 357). – Weitere Bearbeitungen einzelner Stücke aus »Zayre« gibt es z. B. für Militärmusik (von Bernhard Müller, vgl. LBC Ms Mus 898) oder eben für Klavier (von Adolf Grüner, vgl. LBC Ms Mus 816). 69 Wilhelm Popp  : Geschichte der Musik. Portraits, Biographien und Proben aus den Werken der berühmtesten Tondichter des 18. und 19. Jahrhunderts. Langensalza [ca. 1860]. 70 StACo Theater 12, f. 205. 71 Vgl. die Eintragungen im Orchestermaterial unter LBC TB Op 350. 72 Vgl. StACo Theater 3058, f. 22. 73 Karl Gaillard  : »Berliner musikalische Zeitung«, 2. Jg., 1845, Nr. 51, vom 20. Dezember 1845, ohne Seitenzahl.

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verbreitet, die von da an das Bild von Ernst II. in seinem Schaffensprozess prägte  : »Vom Herzog von Coburg wird in Gotha eine Oper aufgeführt werden. Der Herzog soll die Melodien gesungen, die Herzogin, eine sehr talentvolle Frau, dieselben aufgeschrieben und mit Klavierbegleitung versehen, und ein Musiker die Instrumentirung besorgt haben.«74 Offenbar von einem kritischen Insider, der leider nicht genannt wird, stammen die Informationen über die Gothaer Premiere, die in der NZfM zu finden sind75. Darin werden am Anfang vor allem die Umstände der Aufführung hervorgehoben, so dass keinem Leser der Gedanke kommen kann, es habe sich hier um eine normale Vorstellung gehandelt  : »Aus lobenswürdiger Bescheidenheit waren die Namen der Autoren auf dem Programm weggelassen. Es hätte heißen müssen  : ›Zayre, große Oper in 3 Aufzügen  ; nach Voltaire’s Trauerspiel, Melodien vom reg. Herz. E…., arrangirt und instrumentirt von L…[‹] Diesmal wurde das hier eingeführte Parcimoniesystem unberücksichtigt gelassen, denn die fürstl. Oper erfreute sich einer wahrhaft königl. prachtvollen Ausstattung. Unter solchen Auspizien, mit denen sich noch ein wohlthätiger Zweck verband, mußte schon im Voraus dem Werke die günstigste Aufnahme zugesichert werden. Die Darstellenden erhielten stürmischen Applaus, und wurden nach der Vorstellung hervorgerufen. Dann wurden sie mit einem splendiden Souper regalirt, und mit werthvollen Geschenken erfreut. Dasselbe ist wahrscheinlich dem Dichter des Libretto, dem Arrangeur, den Decorationsmalern, dem Regisseur und den Maschinisten zu Theil geworden. Unter der Feder eines Scribe, St. Georges, Gehe, Friedrich etc. würde unstreitig ein besseres Libretto hervorgegangen sein. Die Oper enthält zwar mehrere schöne, aber unmotivirte Scenen. Auch finden sich in den Arien und Duetten (deren es zu viele giebt) schöne Motive, die aber öfters an andere Opern erinnern. Schwach sind die Ensemblestücke, besonders die Finale. Die große Schattenseite der Oper muß L…, dem Arrangeur, zugeschrieben werden. Man vermißt die correcte Stimmenund thematische Durchführung. Zu diesen Mängeln gesellen sich noch eine betäubende und stimmentödtende Instrumentation, die einmal heutzutage zur Manie, zum Schrecken der Sänger, geworden, so wie auch zwecklose, unprakticable Clavierpassagen. Ueberhaupt möchte man ihm rathen, zuvörderst in die Schule zu gehen, um sich gründliche Kenntnisse in der Harmonie anzueignen, bevor er componiren will. Schließlich verdient die ausgezeichnete Hofkapelle, 74 Leider fehlen handschriftliche Skizzen zur Oper, so dass der genaue Entstehungsprozess an den bisher vorliegenden Dokumenten nicht nachvollzogen werden kann. 75 NZfM 1846, Bd. 24, S. 76, »Aus Gotha«.

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der ein großer Theil des Beifalls zugeschrieben werden muß, die rühmlichste Erwähnung. Vielleicht giebt die Aufführung dieser Oper zu einer Besoldungszulage Anlaß, welche die Herren Mitglieder der Hofkapelle so sehr bedürfen  !« Neben der deutlichen, wenn auch recht allgemeinen Kritik an der Oper ist vieles aus diesem Artikel herauszulesen. Ein wichtiger Aspekt, auch für alle weiteren Beurteilungen der Werke Ernsts II., ist der gesellschaftliche Stand des Komponisten  : Er spielte eine entscheidende Rolle, bei jedem Kritiker. Die politische Haltung des Beurteilenden gegenüber dem Fürsten beeinflusste stark seine Einstellung zum Werk. Dass dem Herzog, anders als den meisten Komponisten, nach der Komposition auch die Möglichkeit der Aufführung seiner Oper gegeben war, und zwar nach seinen Wünschen und Vorstellungen, war ein Privileg, das auf seine Machtposition und seine Finanzkraft zurückzuführen und zweifelsohne den Neid aller ebenfalls musikalisch Schaffenden hervorzurufen geeignet war. Bekanntlich gelang es nur Richard Wagner – und auch dem nur unter vielen Mühen –, sein eigenes Opernhaus mit Inszenierungen nach seinem Geschmack auf die Beine zu stellen. Alle anderen Komponisten hatten sich damit zu begnügen, dass ihre Werke überhaupt irgendwo (und oft auch irgendwie) gespielt wurden. Im oben zitierten Artikel wird deutlich spürbar, wie sehr der Autor diese äußeren Bedingungen wertet, denn er meint, schon »im Voraus« daraus den Erfolg der Aufführung ableiten zu können. Auch die Einladung zum Abendessen sowie die teuren Geschenke an die Mitwirkenden haben offenbar das Missfallen des Kritikers erregt, worauf seine übertrieben sorgfältige Aufzählung der Belohnten, bis hinunter zu den Maschinisten, hinweist. Dass er jedoch vorsichtig formuliert, lässt darauf schließen, dass er möglicherweise in abhängiger Position in Coburg bzw. Gotha arbeitete. Darauf weisen auch die offensichtlich genauen Kenntnisse der Finanzen der Hofkapellmitglieder hin, denen er dringendst eine Besoldungszulage wünscht. War er selbst einer von ihnen  ? Da der ansonsten so Kritische dem Orchester großzügig den »großen Theil des Beifalls« zuschreibt, scheint diese Vermutung nicht abwegig. Nicht zu überhören ist jedenfalls seine Abneigung gegen den Kapellmeister »L…«, mit Namen Ernst Lampert. Anders als beim fürstlichen Komponisten scheut der Autor hier nicht das deutliche Wort und unterstellt dem Arrangeur der Oper schlichtweg Inkompetenz. Diese schon als Feindschaft zu klassifizierende Empfindung ist ein erneuter Hinweis darauf, dass es sich bei dem unbekannten Korrespondenten um einen Coburg-Gothaer Musiker handeln könnte. Dass er Libretto und viele Nummern der »Zayre« als schwach beurteilt, überrascht nicht – denn sie sind es.

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Der erste Versuch

Nur kurze Zeit später erschien in derselben Zeitschrift ein weiterer Bericht zu »Zayre«76, diesmal von der Coburger Aufführung, unterzeichnet von dem Coburger Hofmusiker und Komponisten Andreas Späth (1790–1876)77. Dieser kannte seinen Herzog schon lange, hatte dessen Entwicklung als Komponist beobachtet und war ihm für seine Unterstützung dankbar78. Aus dieser Haltung heraus ist seine wohlwollende und sehr detaillierte Kritik verfasst. Auch Späth betont zunächst die besondere Stellung des Komponisten  : »Eine Oper, ein so bedeutendes Werk aus der Feder eines Fürsten, ist eine seltene Erscheinung, und muß das Interesse der Kunstkenner in erhöhtem Grade in Anspruch nehmen  ; auch hier wurde die Aufführung mit Sehnsucht erwartet, um so mehr, als von Gotha aus sehr verschiedene und widersprechende Urtheile – auch in diesen Bl. – vor und nach der Aufführung laut wurden. […] Es kann hier von einem gewöhnlichen Dilettantismus, wie er häufiger vorzukommen pflegt, nicht die Rede sein  ; der Componist ist ein reich begabter Geist, der schon in Liedern und Cantaten mehr als Gewöhnliches schuf.« Im Folgenden lobt Späth besonders die »frischen und schwungvollen Melodien« sowie die für die Sänger gut liegenden »Cantilenen«. Anschließend führt er genau auf, welche Nummern ihm »nach nur zweimaligem Anhören« besonderen Eindruck gemacht haben. Es sind zuerst die Ouvertüre (»kräftig und charakteristisch«) sowie im ersten Akt die Cavatine Zayres (»Sie ist dahin«), das Duett Zayre/Fatime, der Marsch Nr. 4, der anschließende Chor (»mit schönen Imitationen«), das Duett Nerestan/Orosman sowie das »leidenschaftliche Finale mit einigen frappanten Modulationen«. Aus dem zweiten Akt hebt Späth das »sehr gelungene« Gebet der Gefangenen hervor, das Lied mit Chor »Sei gegrüßt«, das Ensemble in A-Dur (vor allem die Stelle »Es wogt mein Herz«) und das Gebet mit Chor »Sieh, Zayre, Gottes Engel schweben«. Außerdem hat ihm der Brautgesang »Bald verlöscht ihr hellen Hochzeitskerzen« besonders gefallen, den er irrtümlich dem dritten Akt zuordnet (den zuvor genannten Chor »Sieh, Zayre« betrachtet er wohl als Finale). Den letzten Akt79 bezeichnet Späth als den besten  : »Es findet sich hier in der Handlung, so wie in der Musik, eine effectvolle Steigerung.« Er nennt den Chor »Ruhig ist des Todes Schlummer« sowie das Finale als »ergreifende« Höhepunkte. 76 NZfM 1846, Bd. 25, S. 101f. 77 Vgl. hierzu Tasler 2013. 78 Späth, aus Rossach unweit von Coburg stammend, hatte seine ganze Ausbildung in der Coburger Kapelle genossen, diese aber 1821 aus Unzufriedenheit verlassen. Nach 17 Jahren in der Schweiz kehrte er reumütig zurück, wurde wieder Mitglied der Hofkapelle und konnte als Kapellmeister etliche eigene Werke aufführen. 79 Den er in Fortsetzung seines Irrtums als vierten Akt bezeichnet.

»Zayre« 

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Abschließend spricht Späth ein begeistertes Lob aus für die Aufführung und alle Mitwirkenden. Seine Kritik an der zu starken Instrumentation formuliert er sehr zurückhaltend und betont, dass ja »diese Setzart heutzutage eingeführt« sei. Nur in seinem Schlusssatz täuscht sich der schmeichelnde Späth ganz und gar  : »Wenn auch in der Folge der reichbegabte Tonsetzer noch mehrere Werke dieser Art schaffen sollte, was wir wünschen und hoffen  : Zayre wird immer als eine der schönsten Perlen in dem Kranze ihres Schöpfers glänzen.« Eine knapp gehaltene Kritik der »Zayre« findet sich in der »Allgemeinen Wiener Musik-Zeitung« (AWMZ) vom August 1847, in der von der Berliner Aufführung berichtet wird80. Mit ihrer Beurteilung des Librettos sowie (sehr oberflächlich) der Musik liegt sie von den zitierten ausführlichen Beschreibungen nicht weit weg  : »Die bekannte Handlung ist für die Oper wenig geeignet, da sie leicht langweilt. Die Musik ist melodisch, gefällig und wirksam instrumentirt. Der erlauchte Componist zeigt weniger weiche und eigenthümliche Erfindungsgabe, als Talent und feinen Geschmack.« Besonders ins Auge fällt eine Bemerkung zu »Zayre«, die in der NZfM wiedergegeben wird81, aber wohl aus der Zeitschrift »Europa« stammt und sich ausschließlich auf den Komponisten bezieht  : »Bei Besprechung der Oper  : ›Zayre‹ vom Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha, sagt die Europa  : Wir glauben, daß der Liberalismus Unrecht thut, wenn er es für seine Schuldigkeit hält, gegen solche Bestrebungen eines regierenden Fürsten unbedingt eine oppositionelle Lanze einzulegen. Ein Fürst, der dichtet, componirt und philosophirt, hat sich dadurch schon auf eine verwandte Linie mit dem Volke gestellt, und huldigt dem Volksbegriff, der ja überhaupt alle geistige und künstlerische Production in sich zusammenschließt.« Zielsicher wird hier der Kern der künstlerischen Bestrebungen Ernsts II. getroffen  : die Betätigung auf dem Feld einer der beliebtesten Unterhaltungsformen, der Bühne, und zwar in seiner edleren Variante, dem Musiktheater, als Annäherung an und Verständigung mit dem Volk. Diese Absicht, die hier so klar benannt wird, lässt dagegen die in anderen Kritiken angesprochenen Mängel an Libretto und dramatischem Aufbau sekundär erscheinen. Es geht um mehr als nur eine spannende Handlung. Es geht um einen Fürsten, der sich seinem Volk zuwendet, um die Entwicklung eines neuen »Volksbegriffs«.

80 Erster Hinweis auf die Einstudierung in Berlin in AWMZ, Nr. 68, vom 8. Juni 1847, S. 276. Zum Folgenden vgl. AWMZ Nr. 93, vom 5. August 1847, S. 375. 81 NZfM 1848, Bd. 28, S. 84.

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Zwischenakt: Giacomo Meyerbeer und der komponierende Herzog »Meyerbeer hat viele gleichgesinnte und gleichbegabte Komponisten zur Seite  ; – aber keiner hat ihn übertroffen.«1 So ist es in einer Abhandlung zur Musikgeschichte zu lesen, die Ernst II. zugeschrieben wird. Egal, ob es sich hier um eine originale Formulierung des Herzogs handelt oder nicht, seiner Meinung dürfte sie auf jeden Fall entsprechen2. Meyerbeer war in musikalischen Fragen ein wichtiger Ansprechpartner für den komponierenden Herzog, auch wenn sich der vielbeschäftigte Komponist umgekehrt deutlich weniger für den Fürsten interessierte. In dem zitierten Vortrag wird Meyerbeer als Beispiel dafür genannt, dass sich in der Kunst die Nationalitäten vermischen3  : »Je mehr die Musik Gemeingut des Volkes und der Völker wurde, desto mehr vermischte sich die Nationalität der Komponisten. Wir nehmen Meyerbeer, Herold usw. usw. ebenso zu uns, wie die Franzosen dieselben zu den ihrigen zählen.« Meyerbeer habe es geschafft, eine besondere Volksnähe in seinen Opern herzustellen, »weil er von all den Komponisten seiner Tage, wie keiner es verstand, das recitirende Drama der Volksoper anzupassen, die großen Massen in Symphonie ähnlichen Ensemble’s zu verbrauchen und bei dem complicirtesten Stoff seines Drama’s neben der gewinnendsten Musik die Handlung stets interessant und verständlich zu erhalten.« Und so habe er auch Einfluss auf deutsche Komponisten gehabt, namentlich Reißiger, Lachner und Marschner. Giacomo Meyerbeer (1791–1864), geboren als Jakob Liebmann Meyer Beer, war einer der erfolgreichsten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts4. In seinen überaus beliebten Bühnenwerken im Stile der französischen Grand Opéra verstand er es, »Musik, Text und Szene von der Musik her zum Reden zu bringen«5. Er wählte dafür meist historisch-realistische Stoffe, in deren farbenprächtig gestalteten Rahmen er menschliche Konflikte und 1 StACo LA A 7389, f. 47ff., Zitat 49v. Zum Folgenden. 2 Auch in Ernsts Autobiografie wird die Begegnung mit Meyerbeer rückblickend positiv beschrieben (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 270–280). Näheres dazu im Kapitel zu »Santa Chiara«. 3 StACo LA A 7389. Zum Folgenden f. 47v–50. 4 Eine ausführliche Biografie beispielsweise bei Zimmermann. 5 Döhring, Meyerbeer und die deutsche Oper, S. 111. Dieser Aufsatz auch zum Folgenden.

Giacomo Meyerbeer und der komponierende Herzog 

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Ideen darstellte. Dabei bediente er sich aller verfügbaren musikdramatischen Möglich­keiten und Techniken, wodurch seine Opern zu den aufwändigsten, aber auch eindrucksvollsten Produktionen der Zeit gehörten. Den Orchester­k lang reizte er bis an die (damaligen) Grenzen aus6, suchte besondere Klangfarben und verband Dramaturgie und Klang auf eine bis dahin einzigartige Weise7. In jungen Jahren schon als Pianist und Komponist umfassend ausgebildet, beschäftigte Meyerbeer sich intensiv mit dem deutschen, italienischen und französischen Opernstil seiner Zeit. Er selbst, der immer zwischen mehreren Ländern pendelte, wie auch seine Musik, die sich aus den vielfältigen Erfahrungen entwickelte, die er gezielt sammelte, können eher als »kosmopolitisch« denn als deutsch bezeichnet werden8. Seine Zusammenarbeit mit dem französischen Librettisten Eugène Scribe (1791–1861) in Paris brachte den ersten großen Erfolg mit »Robert le Diable« (UA 1831), auf den sich Meyerbeers einzigartige Karriere gründete. Zwar wurde Meyerbeer 1842 auch zum Generalmusikdirektor der Berliner Oper ernannt, lebte aber weiterhin einen großen Teil des Jahres in Paris. Aus vermögendem Hause stammend9, war er nie in dem Maße von Geldsorgen geplagt wie andere Komponisten, was ihm Neid und Missgunst (unter anderen von Richard Wagner) einbrachte. Sein gewaltiger Erfolg wie auch sein penibel-ängstliches Wesen machten Meyerbeer zeitlebens zu einer umstrittenen Persönlichkeit10, obwohl er sich auch viel für andere zeitgenössische Komponisten einzusetzen versuchte11. Hector Berlioz (1803– 1869) schreibt über ihn12  : »Man spottet über die Länge der Proben … über die minutiösen Vorsichtsmaßregeln, damit kein noch so unwichtig scheinendes Detail vernachlässigt werde, über sein Experimentieren, seine Versuche und über die Geheimniskrämerei, mit der er alles umgibt. Aber letztlich gelangt er zu wunderbaren Ergebnissen«.

  6 Vgl. hierzu Jacob.   7 Vgl. hierzu Maehder.   8 Vgl. Döhring, Meyerbeer und die deutsche Oper, S. 101.   9 Zimmermann, S. 13–14. 10 So verriss ihn beispielsweise Robert Schumann in seiner »Neuen Zeitschrift für Musik« gnadenlos (Zimmermann, S. 181–186), während Heinrich Heine bei Meyerbeer »ungeheure Fortschritte der Kunst« zu erkennen glaubte (vgl. Zimmermann, S. 190–199). 11 Vor allem in seiner Funktion als preußischer Generalmusikdirektor, als er Wagner, Weber, Spohr, Flotow und Lachner auf das Repertoire setzte (vgl. Zimmermann, S. 233). 12 Zitiert nach Zimmermann, S. 291.

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Zwischenakt

Meyerbeer hatte bereits vor Regierungsantritt Ernsts II. mit dem Hoftheater Coburg-Gotha zu tun13. Denn auf Bitten Millenets, der wiederum von den Prinzen Ernst und Albert den Auftrag erhalten hatte, übersandte Meyerbeer ein »Festlied« für drei Singstimmen, Chor und Orchester, das er eigens verfasst hatte14. Eigentlich hatte man sich Meyerbeer sogar als Dirigenten seiner eigenen Oper »Robert der Teufel« gewünscht, doch das sagte der Komponist »aus gesundheitlichen Gründen« ab. Als Dank für die Komposition erhielt er von Herzog Ernst I. einen Orden. So übernahm Ernst II. die Verehrung dieses so erfolg- wie einflussreichen Opernkomponisten schon von seinem Vater. Meyerbeer war ein häufiger Ansprechpartner Ernsts II., wenn es um dessen Kompositionen ging. Der Herzog hegte echte Bewunderung für den weltgewandten Komponisten, der sich seinerseits über die Aufmerksamkeit (auch für seine Werke) gefreut haben dürfte, aber meist eher zurückhaltend reagierte. Schon die erste Oper, die Ernst II. verfasste, schickte er zur Begutachtung zu Meyerbeer15. Dieser warf einen Blick darauf und schickte sie zurück. Im Mai 1847 erlebte er sie in Berlin auf der Bühne16. »Casilda« hörte Meyerbeer im November 185117, schreibt aber in seinem Tagebuch dazu, dass er vor Kopfschmerzen gar nichts mitbekommen und das Theater vorzeitig verlassen habe. Für »Santa Chiara« wollte Ernst II. unbedingt die Unterstützung Meyerbeers haben. Erst fragte er wegen der Erstellung, dann wenigstens wegen der Korrektur der Instrumentation an und ging gutmütig auf immer neue Terminverschiebungen durch Meyerbeer ein18. Auch als jener erst auf den allerletzten Drücker eine kurze Durchsicht vornahm, blieb der Herzog gelassen und machte Meyerbeer sogar Komplimente nach einer Aufführung von dessen Oper »Etoile du nord«19. Beide haben sich in Paris mehrfach getroffen20. »Santa Chiara« auf der Bühne gesehen hat Meyerbeer dann wohl 13 Zum Folgenden vgl. Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg  ; Böcking, S. 87ff.; Meyerbeer, Bd. 3, S. 220f., 228f., 236f., 704, 705 (Kommentar 229). 14 Vgl. RISM-Katalog der Musikhandschriften in den Kunstsammlungen der Veste Coburg, Nr. 31. 15 Meyerbeer vermerkt den Erhalt der Partitur am 7. August 1846, eine Beschäftigung damit (»lesen«) am Abend des 21. September und die Rücksendung im November (vgl. Meyerbeer, Bd. 4, S. 103, 113, 129). 16 Vgl. Tagebucheinträge Meyerbeers vom 21. bis 23. Mai 1847 (Meyerbeer, Bd. 4, S. 243). 17 Meyerbeer, Bd. 4, S. 453. 18 Details im Kapitel zu »Santa Chiara«. Vgl. auch Meyerbeer, Bd. 6, S. 665f. (Kommentar zu Birch-Pfeiffer). 19 Vgl. Tagebucheintrag Meyerbeers vom 6. März 1854 (Meyerbeer, Bd. 6, S. 269) sowie »The Musical World«, vom 18. März 1854, S. 174. 20 Vgl. Tagebucheinträge Meyerbeers (Meyerbeer, Bd. 6, S. 268–270, sowie S. 761).

Giacomo Meyerbeer und der komponierende Herzog 

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erst ziemlich genau ein Jahr nach der Uraufführung21. Im April 1855 folgte er – ebenso wie der Dresdner Intendant Wolf August von Lüttichau (1786–1863) – ­einer Einladung des Herzogs nach Gotha. Er wohnte im Schloss, wurde vom Herzog selbst zu den Proben geführt und vom Orchester mit einem Tusch begrüßt. Nach einem Galadiner im Kreise der herzoglichen Familie besuchte er am 8. April die Vorstellung, die er in der herzoglichen Loge – zwischen Ernst II. und Alexandrine sitzend – miterlebte. »Der zweite Akt dieser Oper hat wirklich sehr große musikalische Schönheiten im edeln dramatischen, hochtragischen Stil«, so seine Meinung. Nach einem Treffen mit dem Flötisten und Kapellmeister Louis Drouet (1792–1873), den er offenbar schon länger kannte, und Kapellmeister Lampert sowie nach Erhalt des »Kommandeurskreuz 1. Grades«22 durch den Herzog höchstpersönlich reiste Meyerbeer am 9. April nach Weimar weiter. Ende September 1856 besprach sich Meyerbeer dann in Berlin mit dem Herzog über die Ouvertüre zu »Zayre«23, die Meyerbeer im Hofkonzert dirigieren sollte. Sie wurde allerdings denkbar kurzfristig (am selben Tag) durch die Ouvertüre zu »Santa ­Chiara« ersetzt. Ein weiterer Kontakt Meyerbeers mit Coburg war eine Empfehlung, die er dem Herzog gegenüber aussprach24  : Im März 1858 schreibt Meyerbeer über den Kapellmeister des Königs von Sardinien, Prosper Sain d’Arod (1814–1887  ?), dass dieser »durch seine eigne gediegne schwungreiche Kompositionen [sic] sich den besten Meistern ebenbürtig gezeigt« habe. Die Widmung der »Messe en ré majeur« op. 43 von Sain d’Arod scheint der Herzog daraufhin angenommen zu haben25. Auch im Rahmen des vom Herzog protegierten Mozart-Vereins hatten Meyerbeer und Ernst II. miteinander zu tun26, denn Meyerbeer wurde 1856 ins Direktorium des Vereins gebeten. Schließlich kam Meyerbeer auch noch mit der letzten Oper Ernsts II. in Berührung. Die erste Einladung des Herzogs zu »Diana von Solange« im Januar 1860 musste Meyerbeer zwar noch aus Termingründen absagen27. Nur einen Monat später jedoch klappte es dann28  : Meyerbeer kam am Nachmittag 21 Zum Folgenden vgl. die Tagebucheinträge Meyerbeers vom 7. bis 9. April 1855 (Meyerbeer, Bd. 6, S. 520f.). 22 Das Ordensdiplom trägt das Datum vom 27. April 1855 (Meyerbeer, Bd. 6, S. 532f.). 23 Vgl. Tagebucheinträge Meyerbeers zum 22. und 23. September 1856 (Meyerbeer, Bd. 7, S. 130). 24 Brief Meyerbeers an den Herzog vom 19. März 1858 (Meyerbeer, Bd. 7, S. 285f., Original in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg). 25 Vgl. die Ausgabe der Messe im Prachteinband in der LBC (Einband-Sammlung/Mus 1172). 26 Hierzu Meyerbeer, Bd. 7, S. 539, Kommentar 9. 27 Brief Meyerbeers vom 16. Januar 1860 an von Wangenheim (Meyerbeer, Bd. 8, S. 9  ; Original in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg). 28 Vgl. den Tagebucheintrag Meyerbeers (Meyerbeer, Bd. 8, S. 16). Zum Folgenden.

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Zwischenakt

des 19. Februar mit dem Zug in Gotha an, wohnte auf Einladung des Herzogs im Schloss und hörte in dessen Loge am Abend die neue Oper, in der er »sehr interessante melodiöse Stücke« entdeckte. Am Montag, den 20. Februar, traf er sich noch mit Lampert und der Sängerin Frassini, speiste erneut mit dem Herzogspaar und fuhr dann wieder ab. Am stärksten verbunden waren Giacomo Meyerbeer und Herzog Ernst II. wohl durch ihre Weltoffenheit, da sie beide von Jugend an viel gereist w ­ aren und dadurch einen – gegenüber anderen Zeitgenossen – stark erweiterten Horizont besaßen. Der Unterschied dabei war jedoch, dass Meyerbeers Schwerpunkt sich eindeutig nach Frankreich, also Paris, verlagerte, während das Hauptinteresse Ernsts II. in Deutschland lag. Zimmermann bringt es im Hinblick auf Meyerbeer auf den Punkt29  : »Die Internationalität wurde sein Lebensund Schaffensprinzip. Künstlerische Eindrücke nahm er zu gleichen Teilen in Deutschland, Italien und Frankreich auf, wobei die Entwicklung der französischen Gesellschaft den stärksten Einfluß auf sein Denken ausübte.« Während Meyerbeer sich ausschließlich um seine Kompositionen sowie seine Familienangelegenheiten kümmerte, oft wie ein Besessener arbeitete (man betrachte seine Tagebucheinträge  !) und nach geradezu modernen Maßstäben die Vermarktung seiner Opern betrieb, hatte der Herzog noch viele andere Pflichten, die ihn an einer Intensivierung seiner Beschäftigung mit der Musik hinderten. Auch wenn sich Ernst II. in vielem an Meyerbeer zu orientieren versuchte, blieb er weit hinter dessen Gestaltungskraft zurück  : Während Meyerbeer es verstand, das Publikum durch eine Kombination von audiovisuellem Erleben und hochdramatischer Musik bis zur Ekstase mitzureißen, verharrte Ernsts Opernstil in einer nur selten über den Singspiel-Charakter hinausgehenden Dramatik, die angenehm zu unterhalten, manchmal vielleicht zu erschrecken vermochte, aber nie ein derart tiefgehendes Erlebnis bot. Meyerbeer begegnete Ernst II. (wie auch schon dessen Vater) zwar mit dem gebotenen Respekt, auch gelegentlich mit Dankbarkeit für Anerkennungen, aber mit der nötigen Distanz, die er aufgrund der zahllosen Bittsteller und Anfragen wahren musste, um überhaupt noch zu seinen eigenen Angelegenheiten zu kommen. Der Herzog hätte sich wohl gelegentlich mehr Unterstützung für seine Anliegen gewünscht, nahm aber Meyerbeers Ausweichen nicht wirklich übel, wie aus der späteren Berichterstattung (Vortrag über Musikgeschichte, Autobiografie) herauszulesen ist.

29 Zimmermann, S. 20.

Ein Coburger Wildschütz: »Tony« oder »Die Hand der Vergeltung« Überblick

Die zweite Oper des Herzogs liegt in verschiedenen Fassungen vor. Das ursprüngliche Libretto von Franz von Elsholtz (1791–1872)1 mit dem Titel »Die Hand der Vergeltung« war so schwach, die Handlung unlogisch und das Finale gänzlich undramatisch, dass eine weitgehende Überarbeitung stattfand. Die Zusammenfassung im Folgenden basiert auf einem gedruckten Textbuch aus dem Jahr 18542, das die revidierte Version wiedergibt. Die Handlung greift ein sehr beliebtes Sujet der romantischen Oper auf  : das Milieu der Jäger und Wilderer. Unübertroffen in der Darstellung dieser Thematik ist ohne Zweifel Carl Maria von Webers (1786–1826) »Freischütz« (UA 1821), eine der erfolgreichsten Opern des 19. Jahrhunderts, die natürlich auch dem Herzog bekannt war. Trotz des legendären Erfolgs des »Freischütz« scheute Ernst II. sich nicht, sich ebenfalls auf diesen Schauplatz zu begeben. Ihm als passioniertem Jäger war das Umfeld nicht fremd, die Natur war auch für ihn ein wichtiger Raum für Rückzug und Sammlung, und der passende musikalische Tonfall, angelehnt an die Volksmusik, fiel ihm ebenfalls leicht.

Handlung und Thema

Als Schauplatz des Geschehens ist Tirol am Ende des 16. Jahrhunderts angegeben. Die Oper beginnt in einer Felsenhöhle, dem Nachtlager der Wildschützen. Ein begeisterter Jägerchor verherrlicht das schöne Leben der Jäger, den Umgang mit den Tieren und sogar die Gefahren im Gebirge. Den Text des 1 Elsholtz (von Blomberg), ein Offizier der preußischen Armee und 1837 bis 1852 diplo­ma­ tischer Vertreter von Sachsen-Coburg und Gotha am bayerischen Hof, widmete sich nach Ende seiner militärischen Laufbahn der Literatur. Er war 1827 bis 1829 Intendant des Hoftheaters Coburg-Gotha und verfasste zahlreiche Bühnenstücke, trat als Opernlibrettist aber nur selten in Erscheinung (zwei Nennungen in Stieger, Bd. 3, S. 266). 2 Franz von Elsholtz/Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha/Charlotte Birch-Pfeiffer  : Tony, romantische Oper in drei Aufzügen. München 1854. (BSB L.eleg.m. 1187).

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Ein Coburger Wildschütz

Chores aufgreifend, tritt Tony hervor, der sogleich in einer Romanze (»Es liebt ein wack’rer Jägersmann«) die tragische Geschichte seines bisherigen Lebens erzählt  : Seine Geliebte betrog ihn mit einem »feinen Junker«, woraufhin er sie erstach und sich den Wildschützen anschloss. Noch immer sinnt er auf Rache an dem adeligen Frauenheld. Die Umstehenden, die von Tonys »Trauermähr« genug haben, stimmen mit ihm eine »Fanfare« an, um ihn zu ermutigen und die Freiheit in der Natur zu feiern  : »Bergesfreiheit, Waldesrecht, / Hast den Gram besiegt, / Muth und Leben ist nur ächt, / Wo der Adler schwebt  ! / Hoch dem Schicksal zum Verdruß, / Das uns schnöd belog …«. Vor allem in der letzten Strophe wird die Weltsicht der Wildschützen anschaulich  : »Dank sei ihr, der frischen Kraft, / Dank dem kecken Muth, / Der uns Muth und Freiheit schafft, / Lebens höchstes Gut  ! / Weg aus dunkler Mauern Haft, / Zu des Waldes Huth  ! / Was der Knecht im Schweiß errafft, / Kauft der Schütz – im Blut  !« Diese Charakterisierung der Wildschützen stellt sie in einen klaren Kontrast zu den sogleich auftretenden Adeligen. Denn plötzlich ertönen Geräusche am Eingang der Höhle und alle eilen zu den Waffen. »Ein Fremdenpaar, zu Roß« nähert sich. Tony fordert seine Freunde daraufhin auf, die Waffen wegzulegen und die Fremden freundlich zu empfangen  : »Verirrten Wand’rer, der des Gastrechts Pflicht / Begehrt von ihm, beraubt der Tony nicht  !« Daraufhin erscheinen Hermann, Graf von Hochburg, und Otto, Ritter von Starkenfels, auf der Szene  ; begleitet werden sie von Nicklas, dem »Schaffner« des Schlosses Stahleck, und anderen. Während Tony die Gäste begrüßt, erkennt er Hermann als den Junker, der seine Geliebte verführte, und jubelt für sich  : »Er ist’s – er selbst – in meine Macht gegeben  ! / Ich bin am Ziel  ! So lang nur laß mich leben, / O Himmel, um an Ihm gerächt zu sein  !« Es folgt eine Ensembleszene, in der die Einzelnen ihre Gedanken äußern und sowohl offen miteinander als auch parallel jeweils für sich sprechen. Ein derart komplexes Stück findet sich hier erstmals in einer Oper von Ernst II. Hermann und Otto ahnen nichts Gutes, nehmen aber dennoch bereitwillig die Einladung zum gemeinsamen Essen an. Es folgt das obligatorische Trinklied (Nr. 5), dessen schlicht-ergreifende Fröhlichkeit im anschließenden Rezitativ von Ottos bösen Vorahnungen überlagert wird. Doch Hermann ist zu betrunken, um weiterzureiten, und so legen sich alle gemeinsam im L ­ ager der Wildschützen schlafen. Bei »Traum-Musik« mit Glockengeläut aus der Ferne schleicht Tony heimlich umher. Es folgt eine längere Soloszene von ihm (Nr. 7), in der er über den Tod philosophiert, sich an glücklichere Tage erinnert und in seiner Wut plötzlich das Messer zückt und auf den schlafenden Hermann zustürzt. Erst im letzten Moment besinnt er sich erneut auf die

»Tony« oder »Die Hand der Vergeltung« 

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»heil’ge Gastrechts-­Pflicht« und beschließt, die Auseinandersetzung mit seinem Feind auf den kommenden Tag zu verschieben. Bei alldem wird er heimlich von Nicklas beobachtet, der unbemerkt erwacht ist. Diese beim Komponisten bis dahin einzigartige Soloszene mit wechselnden dramatischen Elementen wird schließlich stimmungsvoll beendet mit der Schilderung des anbrechenden Tages  : angefangen mit einer Hirtenszene mit Glöckchen- und Schalmeien-­ Klang, dann allgemeines Erwachen und schließlich – angeführt von Tony – ein Morgen­gebet. Bemerkenswerterweise sind die Gebete oder Choräle, die gemäß deutsch-­ roman­tischer Tradition in allen Opern Herzog Ernsts II. vorkommen, stets dem katholischen Kontext entnommen. So lautet das Gebet (Nr. 8) in dieser Oper  : »Behüt’ uns Maria  !« Der Komponist war aber evangelisch. Möglicherweise verwendete Ernst II. bewusst religiöse Äußerungen der anderen Konfession für die Opernbühne, da er davor zurückscheute, die ihm vertraute protestantische Liturgie in den Theaterkontext zu stellen. Abgesehen davon handelt es sich im vorliegenden Falle aber auch um eine katholische Umgebung (Tirol), in der die Oper spielt. Nach Beendigung des allgemeinen Gebets erzählt Hermann (Nr. 9), eine Stimme habe ihm im Traum prophezeit  : »Du wirst kein Weib erwerben, / Und unvermählt einst sterben.« Dabei sei er ja auf dem Weg zu seiner eigenen Hochzeit  ! Als er nun aufbrechen will und Tony eine Bezahlung für Kost und Logis anbietet, lehnt dieser ab und ergeht sich in bedrohlichen, zweideutigen Bemerkungen. Die sich allmählich verfinsternde Stimmung wird kontrastiert vom Wanderchor der Schützen »Halloh Halloh  ! Das Bündel geschnüret  !« (Nr. 10). Als alle in dieser ambivalenten Atmosphäre abgegangen sind, tritt der verängstigte Nicklas aus seinem Versteck hervor. Er entschließt sich, den anderen nicht zu folgen  : »Da such’ ich lieber mir den Weg allein.« Nun verwandelt sich die Bühne und der Zuschauer findet sich in einer Gebirgslandschaft wieder, in der Ferne ist ein Kloster zu sehen. Tony, ganz in seinem Element, klettert flink und gewandt voraus, die Gesellschaft um Hermann und Otto folgt langsam und vorsichtig. Otto, der schnell nach Hause möchte, widersteht den Überredungsversuchen Hermanns, der ihn gerne zu seiner Hochzeit eingeladen hätte. Gerade in dem Moment, als Otto sich von den anderen trennen möchte, tritt Tony vor Hermann und fordert ihn auf  : »Befiehl’ die Seel in Deines Gottes Hände«. Auf ein Hornsignal fallen Tonys Leute über Hermanns Entourage her und entwaffnen sie, dann stößt Tony Hermann sein Messer in die Brust. Auf die Frage des Opfers »Wer that mir das  ?« antwortet der Wildschütz  : »Der

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Ein Coburger Wildschütz

Alles hat verloren«. Sodann befiehlt Tony seinen Mannen, die unbeteiligten Begleiter Hermanns wieder freizulassen  : »Kein Raub beflecke der Rache Werk  !« Der sterbende Hermann (der noch ziemlich viel singt) bittet darum, zur letzten Beichte ins Kloster gebracht zu werden, da »noch an’dre Missethat / Mich schwer bedrückt«. Sein Wunsch wird erfüllt. Ein Chor von Dienern und Hirten bejammert den bevorstehenden Übertritt Hermanns von der »Jugendblüthe« zur »Todespein«, besonderen Effekt hat der aus dem Hintergrund antwortende »Chor mit Orgelbegleitung«, der treffenderweise den Introitus der Totenmesse anstimmt. In den letzten Versen dieses Aktes erflehen Otto und alle anderen Anwesenden die »Entsühnung« für Hermann. Mit dem zweiten Akt wechselt der Schauplatz in das Innere eines Gebäudes. Im gotischen Saal auf Schloss Stahleck schmücken Diener und Landvolk den Raum und decken die festliche Tafel (Nr. 13 »Fort und rührt die Hände«). Die einsame Bertha, Tochter des Schlossherren Conrad von Stahleck, erwartet ihren zukünftigen Ehemann, der ihr bisher noch unbekannt ist, und fühlt sich »von schmerzlich banger Lust und süßem Schmerz gespalten«. Während ihrer Romanze »Vergebens zieht mich« (Nr. 14) spielt sie gedankenverloren mit einer Rose, dem romantisch-sinnlichen Spiegelbild ihres Herzens. Nun betritt ihre Freundin Rosabella den Raum und meldet, dass der erwartete Bräutigam immer noch nicht in Sicht sei. Bertha ist nicht unglücklich darüber, denn sie muss noch immer an einen jungen Mann denken, der ihr einst, als sie noch Klosterschülerin war, in der Kirche tief in die Augen geschaut hatte. Rosabellas Frage nach »Stand und Name« des Unbekannten kann sie allerdings nicht beantworten. Es folgt ein Duett der beiden Frauen, in dem sie einander an die moralische Verpflichtung dem Vater gegenüber erinnern. Der anschließende Chor »Ein ganzer Frühling lacht  !« (Nr. 16) wird angestimmt, als Conrad von Stahleck und Junker Tobias, begleitet von Hochzeitsgästen, Dienern und Landvolk, die Szene betreten. Die dadurch verbreitete fröhliche Stimmung trübt sich sogleich wieder etwas ein, als im Kanon-Quartett (Nr. 17) von Bertha, Rosabella, Stahleck und Tobias die Worte fallen  : »Ein unerklärlich Bangen / Verdrängt die Hochzeitslust  !« Ein Trompetensignal von der Burgzinne erhöht noch die Anspannung, Tobias eilt den Ankommenden entgegen. Otto tritt hervor und will die Situation erklären, dass nämlich der eigentliche Bräutigam, Hermann, nicht mehr am Leben sei. Er kommt jedoch nicht zu Wort, abgeschnitten durch die begeisterte Begrüßung des Brautvaters, Conrad von Stahleck, der Otto für seinen zukünftigen Schwiegersohn hält. Als dann noch Braut und vermeintlicher Bräutigam vorgestellt werden und einander von

»Tony« oder »Die Hand der Vergeltung« 

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der einstigen Begegnung in der Kirche wiedererkennen, hält Otto lieber den Mund und überlegt fieberhaft, wie er sich nun verhalten solle. Als Kontrapunkt zu dieser Spannung erklingt eine »Pastorale«, zu der ein »nationaler Tanz« aufgeführt werden soll  : »So voll Blumen der Garten, / So voll Bäume der Hain«. Die Gesellschaft trinkt auf das Brautpaar, da unterbricht ein erneuter Trompetenstoß dramatisch die Feier. Stahleck erblickt den verängstigten Nicklas, der seinen Herrn über das Missverständnis und die wahre Identität des Bräutigams aufklärt. Sofort lässt Stahleck Otto verhaften, da er ihn auch für den Mörder seines einzigen Sohnes hält, den er vor einiger Zeit verloren hat. Aber Otto beruft sich auf seine Rechte als Gast und darf nach einem dramatisch-hass­ erfüllten Wortgefecht ungehindert abziehen. So endet auf dem Höhepunkt der Spannung der zweite Akt. Zu Beginn des dritten Aktes stehen Conrad von Stahleck und Tobias, von Rittern, »Reisigen« und Landleuten umringt, auf dem Burghof auf Stahleck. Alle wollen dem »greisen« und schwachen Stahleck helfen, seinen Sohn zu rächen, und rufen zu den Waffen. Derweil wartet Otto auf ein Zeichen von Bertha, deren Urteil über sein Leben entscheidet (Cavatine Nr. 21). Nun tritt Tony, als Pilger verkleidet, hinzu. Otto, der ihn nicht erkennt, bittet ihn, in seiner Angelegenheit bei Stahleck bzw. Bertha vorzusprechen, was dieser auch zusagt. Als Tony sich zu erkennen gibt, will Otto ihn zunächst als Vergeltung für den Mord an Hermann ebenfalls töten  ; aber dann erklärt Tony, dass er es als seine Pflicht ansehe, »was ich geraubt, zurückzugeben« (nämlich Berthas Ehemann), und dass er sich nach vollbrachter Vermittlung ins Kloster zurückziehen wolle. Da verschont Otto ihn – im eigenen Interesse. Sein Verzicht auf Rache in der »Cabaletta« (Nr. 23) »Nicht ich will mich erkühnen, / Des Himmels Schwert zu sein« macht den Weg frei für eine glückliche Entwicklung der Geschichte. Von Tony zueinander geführt, gestehen sich nun Bertha und Otto ihre Liebe  : »O Tag voll Seligkeit, o Tag voll Lust«. Da beiden der Segen des Vaters wichtig ist, steht nun im Finale noch diese letzte Klärung an. Und es beginnt nicht sehr vielversprechend, denn beim Anblick Ottos befiehlt Stahleck sogleich  : »Er sterbe  !« Da drängt sich Tony dazwischen und erzählt, dass der eigentlich vorgesehene Bräutigam Hermann, der nach abgelegter Beichte im Kloster in seinen Armen gestorben sei, ihm vor seinem Tod noch erklärt habe, dass er selbst der Mörder von Stahlecks Sohn gewesen sei. Als Zeugnis für die Wahrheit seiner Aussage überreicht Tony Stahleck ein Medaillon an einer goldenen Kette, das ein Bild Berthas enthält. Als er nun versucht, den Freiherrn dazu zu bewegen, Bertha an Otto zu geben, hält Stahleck dagegen, dass es eine alte Fehde zwischen beiden Häusern gebe. Daraufhin erflehen

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außer Otto und Bertha auch alle Anwesenden in der innig vorgetragenen Bitte um »Vergebung« die Vereinigung der beiden Liebenden, der Stahleck schließlich auch zustimmt. Tony, für den nach seinem Rachemord an Hermann nur »die Buße« bleibt, verlässt mit den Worten »nach Rom, nach Rom  !« unter Glockengeläut und Orgelklängen die Bühne. Otto und Bertha aber begreifen Glocken und Orgelklang als ihre Hochzeitsmusik. So ziehen am Ende alle gemeinsam in die Kapelle ein, während Tony im Hintergrund noch einmal segnend seine Hände hebt. Ein wichtiges Strukturelement dieser Oper sind die zwei einander gegenüberstehenden Lebenswelten  : die der Wildschützen und die der Adeligen. Beide Welten stoßen hier aufeinander, es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbar, aber im Grundsatz sind sie unvereinbar, so dass für Tony am Ende nur die Möglichkeit eines völligen Austritts aus beiden Gruppen der Gesellschaft bleibt. Gemeinsam haben Angehörige beider Milieus in dieser Oper gewisse Moralvorstellungen  : So ist das Gastrecht sowohl bei den Wildschützen wie auch im Schloss heilig und unantastbar. Außerdem werden Auseinandersetzungen offen ausgetragen, niemand hinterrücks ermordet. Die entscheidenden Wendepunkte der Geschichte aber, nämlich das gnädige Verzeihen erst Ottos (der an Tony nicht den Mord an Hermann rächt) und dann des Freiherrn von Stahleck (der Otto als Schwiegersohn akzeptiert), gehen auf das Konto der adeligen Akteure dieses Dramas. Darin könnte eine gewisse Bevorzugung, eine bessere moralische Beurteilung dieser Gruppe gesehen werden. Nicht zu vergessen ist aber auch die Freiheitsliebe und Naturverbundenheit der Wildschützen. Die Verherrlichung der Natur, wie sie in der Tradition der deutschen Romantik tief verwurzelt ist, spielt in dieser Oper eine wichtige Rolle. Der Komponist selbst war ja ein großer Naturliebhaber, ging regelmäßig zur Jagd und reiste jedes Jahr für mehrere Wochen nach Tirol, wo er Besitzungen in den Bergen hatte. Dementsprechend leicht dürfte es ihm gefallen sein, sich in die Situation der Wildschützen hineinzuversetzen  ; daher auch die äußerst gelungene musikalische Darstellung. Neben der romantischen »Natur-Religion« liefern auch Ausdrucksformen der »echten«, christlichen Religion einen bedeutenden Beitrag zur Atmosphäre der Oper  : Ein Kloster steht im Hintergrund, in seiner letzten Beichte legt Hermann ein entscheidendes Geständnis ab, Tony kann seine Rolle als Vermittler nur in der Verkleidung als Pilger erfolgreich wahrnehmen  ; dazu kommen Gebete, eine Hochzeit, Orgelmusik und Glockengeläut. Mehr religiöse Elemente sind in einem Stück, das gar nicht im kirchlichen Umfeld angesiedelt ist, kaum zu denken. Ihre besondere Bedeutung hier liegt in dem Aufzeigen eines Auswegs für Tony, der

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sich im Laufe der Handlung vom wilden Naturburschen und gesetzlosen Wildschützen zum frommen Pilger wandelt. Als stärkste Macht jedoch, und das ist eine der wenigen Gemeinsamkeiten dieser Oper mit Ernsts erster Oper »Zayre«, geht wieder die Liebe aus dem Geschehen hervor. Diesmal findet sie eine glückliche Erfüllung im eher zufälligen Zusammenfinden von Bertha und Otto. Die erfolgreiche Verbindung der beiden Liebenden ist auch die Belohnung für die Gnade, die Bräutigam wie Brautvater erst gewähren müssen, damit dieser Ausgang möglich wird. Die positiven Auswirkungen dieses Sieges der Liebe sind so groß, dass sogar der Mörder Tony am Leben bleiben darf, ohne die moralische Balance des Endes zu stören. In Ernsts erster Oper »Zayre« muss sich Orosman dafür noch selbst töten. Somit wirkt das Ende auch harmonischer und leichter verkraftbar für den Zuschauer, letztendlich befriedigender für ein Publikum, das im Theater ja vor allem leichte, unkomplizierte Unterhaltung suchte. Zur ersten Fassung der Oper, die noch den Titel »Die Hand der Vergeltung« trug, liegt ein gedrucktes Textbuch vor3. Beim Vergleich mit der oben dargestellten endgültigen Version zeigt sich, wie notwendig die Veränderungen im Libretto waren. So fehlt im früheren Buch die Figur des Schaffners Nicklas, der ab dem ersten Akt alles miterlebt (nicht zuletzt Tonys Monolog über dem schlafenden Hermann) und im Finale des letzten Akts einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung des verwickelten Geschehens leistet. Hier wird kurzfristig im Finale des dritten Akts ein Pilger desselben Namens eingeführt, der von der Ermordung Hermanns erzählt und den alten Stahleck aufklärt. Durch die völlig unmotivierte Einführung dieser Person (wie ein »Deus ex machina«), deren Herkunft nicht erklärt werden kann, wird dem Finale jegliche Dramatik, dem Geschehen die Logik genommen. Eine weitere Auffälligkeit in diesem ersten Libretto sind einige Handlungen, die für das Publikum wenig nachvollziehbar erscheinen und dem dramatischen Aufbau eher schaden. So will im ersten Akt Hermann zunächst mit Otto weiterreiten, ändert dann aber sehr plötzlich – auf Zureden Tonys – seine Meinung. Ebenso unerwartet und überraschend entscheidet sich Stahleck im letzten Akt auf einmal für die Verbindung seiner Tochter mit Otto, obwohl er vorher die ganze Zeit dagegen war. Neben diesen Problemen im Handlungsablauf gibt es auch noch einige Längen in Stücken, die in komprimierter Form Eingang in die zweite Version der Oper gefunden haben  ; beispielsweise werden die Nr. 1, 2, 3 und 5 jeweils um eine Strophe gekürzt. Im Ganzen betrachtet bewirkt die Überarbeitung des Librettos, dass 3 BSB Slg. Her 706.

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die Oper »Tony der Wildschütz« merklich dramatischer, bisweilen kürzer, abwechslungsreicher, vor allem jedoch logischer und nachvollziehbarer auf der Bühne wirkt als die Vorgängerversion »Die Hand der Vergeltung«.

Entstehung und Umarbeitung

Von der zweiten Oper Herzog Ernsts II. hörte die Öffentlichkeit erstmals schon vor ihrer Premiere, als nämlich die »Neue Zeitschrift für Musik« im Jahr 1847 – nicht ohne gehässigen Seitenhieb – vermeldete4  : »Der fürstliche Componist der ›Zaire‹ soll sich mit der Composition einer neuen Oper  : ›die Vergeltung‹ von Elsholtz, beschäftigen. Die großen Herren haben freilich leichtes Spiel, ihre Sachen zur Aufführung zu bringen  !« Als dann tatsächlich die Premieren in den herzoglichen Theatern nahten, wurde auch dies in den Theaterzeitungen angekündigt5. Die Coburger Premiere wurde auf Wunsch des Herzogs (fast) auf den Geburtstag der Herzogin, den 7. Dezember 1848, gelegt und anschließend in der NZfM kurz und wohlwollend besprochen6  : »Die Oper war prachtvoll ausgestattet, ging sehr gut, und erhielt wohlverdienten Beifall. In jeder Beziehung steht dieses Werk über Zaire. Die Melodien sind größtentheils originell, schwungvoll, pikant und sehr dankbar für die Sänger, die Instrumentation nicht überladen.« Man hatte eigens die Meininger Kammersängerin Marie Viala-Mittermayr (1817–1900) nach Coburg eingeladen, um die Hauptrolle zu übernehmen. Der Herzog schöpfte also wieder aus dem Vollen, um sein zweites Bühnenwerk möglichst wirkungsvoll in Szene zu setzen. Doch machte es sich Ernst II. gleichzeitig auch nicht leicht mit seinen künstlerischen Ambitionen. Wenn er merkte oder zugetragen bekam, dass e­twas nicht stimmte, dass es ernstzunehmende Kritik und offensichtliche Schwächen im Werk gab, reagierte er darauf und versuchte – unter Zuhilfenahme der Kompetenz von Komponisten und Kapellmeistern – zu verbessern. Er war 4 NZfM 1847, Bd. 27, S. 108. – Eine ähnliche, allerdings neutral formulierte Meldung findet sich in der »Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode«, 32. Jg., Nr. 206, vom 15. Oktober 1847, S. 823. 5 NZfM 1848, Bd. 28, S. 36  ; AMZ, Bd. 50, März 1848, Nr. 10, Sp. 161  ; AMZ, Bd. 50, Dezember 1848, Nr. 52, Sp. 858  ; NZfM 1849, Bd. 30, S. 12. 6 Was auch daher rührte, dass sich hinter dem Autorenkürzel »W-n« ein Mitglied der Coburger Adelsfamilie von Wangenheim verbergen dürfte, wahrscheinlich der spätere Hoftheaterintendant Maximilian von Wangenheim (Intendanz 1851–1860).

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also durchaus eine kritikfähige Person, der das Gelingen des Werkes wichtiger war als seine Selbstverwirklichung als Komponist. Dies lässt sich besonders gut an der Entwicklung von der »Vergeltung« zum »Tony« nachvollziehen. Dass der Herzog mit dem Libretto des für ihn als Legationsrat in München tätigen Dichters Franz von Elsholtz keinen besonders guten Griff getan hatte, scheint Ernst II. von Anfang an geahnt zu haben7. Als im August 1848 die Intendanz des Hoftheaters anfragen läßt, ob man nicht die neue Oper des Herzogs zur Eröffnung des Theaters und zugleich als »Armenbenefiz« spielen lassen solle, richtet der für Hoftheater und -kapelle zuständige »Immediat-Commißarius« Emil von Pawel-Rammingen (1807–1886) aus, dass der Herzog sein Werk »bis auf weiteren höchsten Befehl nicht zur Ausführung gebracht sehen« wolle8. Allerdings wurde die Oper nach der Coburger Premiere am 7. Dezember 1848 sowie der Wiederholung in Gotha am 17. Januar 18499 dann am 14. April 1849 in Weimar aufgeführt10 und »gefiel«11. Hintergrund dieser Weitergabe des Materials an Weimar scheint aber wieder einmal die Absicht Ernsts II. zu sein, eine anerkannte professionelle Meinung zu seiner Musik einzuholen  : Aus späteren Unterlagen geht hervor, dass die Noten der »Vergeltung« eigentlich zur Begutachtung durch Franz Liszt nach Weimar geschickt wurden12. Liszt, der zu dieser Zeit Kapellmeister in Weimar ist, leitet die Einstudierung sowie die Weimarer Premiere von »Tony« und versucht, durch Nachrichten an die Zeitungen auch Werbung für das Werk zu machen13. Im September des Jahres bedankt   7 Schon im März 1847 war ein anderes Stück von Elsholtz’, »Der natürliche Bruder«, von Intendanz, Regisseur und Hofdichter für zu schwach für eine Aufführung am Coburg-Gothaer Hoftheater befunden worden (vgl. StACo Theater 90, f. 43ff.).   8 StACo Theater 361. Möglicherweise hatte aber der Komponist auch von Anfang an den Plan, die Premiere seiner Frau zum Geburtstag zu schenken, was er ja dann auch tat. – Kern vermutet dagegen die politischen Unruhen von 1848 als Grund für den Aufschub (Kern, S. 32).   9 Auch erwähnt in »The Musical Standard« vom 11. Januar 1879, S. 23 (Our Musical Calendar). 10 Schriftwechsel dazu in StACo Theater 361. Der Herzog war zur Weimarer Premiere, die ursprünglich am 31. März stattfinden sollte, eingeladen. Das zur Abschrift nach Weimar gesandte Notenmaterial wurde offenbar erst im September 1850 wieder zurückgeschickt, als der Herzog eine Aufführung seiner Oper in Coburg wünschte. – Das vollständige Weimarer Material liegt in der Bibliothek der Musikhochschule (WRha DNT 346). 11 NZfM 1849, Bd. 30, S. 212. In der NZfM 1849, Bd. 30, S. 132, wird auch eine Aufführung der Oper »Die Vergeltung« für Dresden angekündigt. Dazu finden sich jedoch keine Unterlagen in den Coburger Theaterakten. 12 Siehe StACo Theater 361, im Briefwechsel von 1857, als die Honorarfrage diskutiert wird. 13 Nicht ganz uneigennützig  : Denn in einem Brief an Großherzog Carl Alexander vom Mai 1849 bittet Liszt seinen Fürsten, bei Gelegenheit den Herzog Ernst II. daran zu erinnern (Lipsius, Carl Alexander S. 22ff. und 25f.). – Die Angabe des Jahres 1845 für einen Brief Liszts,

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sich der Herzog sehr freundlich bei Liszt, der mittlerweile auch den »Jagdchor und Steyrer« aus der Oper für Klavier bearbeitet hat14  : »Es ist der grösste Triumph des Dilettanten, wenn sein schwaches Werk die Fürsprache des Meisters geniesst  ; der bescheidene ›Tony‹ tritt nun an der Hand von Franz Liszt in die Gesellschaft des grossen Publikums  ; und während sich Alles vor dem gefeierten Künstler bückt, so fallen auch manche Blicke auf den unbekannten Schutzbefohlnen, und er entgeht der Gefahr, gänzlich vergessen zu sein.« Außerdem lädt der Herzog den Dirigenten jederzeit nach Reinhardsbrunn ein, was dieser in den kommenden Jahren auch des Öfteren annimmt, vor allem als Zwischenstation auf der Durchreise. Auf Reisen ist Liszt dann auch, als im November 1849 der Gothaer Kapellmeister Lampert um die Rückgabe der Partitur zu »Tony« bittet  ; sie muss in Weimar erst gesucht werden15. Derselbe Kapellmeister Lampert ist es auch, der in einem Brief vom 6. Oktober 185216 mitteilt, dass der Herzog bei seinem Aufenthalt in Gotha beschlossen habe, die Oper nach einem neuen Textbuch umzuarbeiten, weswegen sie auch künftig einen anderen Titel tragen solle. Lampert wird angewiesen, die Partitur entsprechend abzuändern, der Coburger Hofmusiker und Kopist Wagner soll die Änderungen in die Orchesterstimmen eintragen (angeblich war er der Einzige, der Lamperts »unleserliche Handschrift« entziffern konnte). Nicht unwesentlich ist hier auch die Information, der Herzog habe die Hauptrolle für den an seinem Hoftheater engagierten Sänger und späteren Musikdirektor Karl Julius Abt geschrieben. Er ließ sich also – wie viele andere Komponisten auch – von schönen Stimmen aus seinem Umfeld inspirieren. Als Mitarbeiterin am Libretto suchte sich Ernst II. eine der bekanntesten Bühnenschriftstellerinnen seiner Zeit, Charlotte Birch-Pfeiffer (1800–1868). Diese auch als Schauspielerin erfolgreiche Autorin produzierte seichte, aber sehr effektvolle Bühnenstücke wie am Fließband, die in ganz Deutschland die Theater füllten und auch in Coburg-Gotha viel gespielt wurden. Auf Einladung des Herzogs kam sie einige Tage nach Coburg, um mit ihm gemeinsam an dem Libretto zu arbeiten17. Nach dem Aufenthalt schwärmte Birch-Pfeiffer angebin dem er über die laufende Einstudierung der Oper »Tony« in Weimar schreibt, dürfte ein Fehler sein (Liszt, Briefe, Bd. 1, S. 52ff., zum Folgenden). 14 Brief Ernsts II. vom 1. September 1849 (Lipsius, Hervorragende Zeitgenossen, S. 122f.). Zum Folgenden. 15 Siehe StACo Theater 361, im Briefwechsel von 1857, in dem auch Briefe von 1849 einliegen. 16 StACo Theater 361. 17 Hes 1914, S. 211, auch zum Folgenden. Für den Aufenthalt in Coburg gibt Hes vier Tage im Jahr 1851 an.

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lich von der Warmherzigkeit, mit der sie vom Herzog und seiner »engelhaften« Gattin empfangen worden sei. Die durch den neuen Text bedingten musikalischen Veränderungen, die Lampert auf Anweisung des Herzogs vornahm, verwandelten das Werk, dessen Titel nun »Tony der Wildschütz« lautete, in eine »wahrhaft schöne Oper«, wie Lampert selbst begeistert schrieb18. Partitur und Orchesterstimmen mussten zunächst vom Textdichter aus München zurückgefordert werden, um die Änderungen einzutragen. Doch die Mühe lohnte sich, denn am 22. Juni 1854 feierte die neuerstandene Oper »Tony« immerhin Premiere am Münchner Hofund Nationaltheater19  : »Der Erfolg war ohne ein glänzender genannt werden zu können so doch ein äußerst günstiger. Die Musik, allseitig als eine ­heitere, melodiöse, vom Herzen kommende – zum Herzen dringende bezeichnet, fand die ehrendste Anerkennung  ; mehrere Chöre sowie einige Arien und D ­ uetts – namentlich im zweiten Aufzuge ärndteten lebendigen und andauernden ­Applaus – keinen gemachten, sondern wirklichen, aus der freundlichen Stimmung der trotz des schönen Wetters zahlreich versammelten Zuhörerschaft ungeheuchelt hervorgegangenen. Einige Mängel des Buches schmälerten eine ausgedehnte Anerkennung der sehr verdienstlichen Musik. Dies die einfache und ungeschminkte Darstellung der Wahrheit.« Trotz der (immer noch bestehenden) Kritikpunkte wurde die Oper in München noch zwei weitere Male aufgeführt20, wobei der Herzog offenbar eine dieser Aufführungen verpasste21. Es blieben sogar 237 Textbücher der Oper übrig, die der Münchner Theatersekretär Wilhelm Schmidt (1815–1871) im März 1856 nach Coburg zu verkaufen suchte22. Dort hatte man zu dieser Zeit endlich eine Aufführung der 18 Brief Lamperts vom 23. November 1852 an einen Freund (StACo Theater 361). Auch zum Folgenden. 19 Brief vom Theatersekretär Wilhelm Schmidt aus München an die Coburger Intendanz (StACo Theater 361). 20 Vgl. hierzu das historische Aufführungsmaterial des Münchner Hof- und Nationaltheaters, lagernd in der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB St. th. 726–1, 2, 3  ; Textbücher auch unter Slg.Her 1777, L.eleg.m.1187 und Slg.Her 706). Darin werden Aufführungen der Oper am 22. und 29. Juni sowie am 18. August 1854 angegeben. Interessant ist auch eine Berechnung der Dauer des Stückes, die sich aufgrund der relativ langen Zwischenaktsmusiken (während des Bühnenumbaus) auf über zweieinhalb Stunden ausdehnte. 21 In seiner Autobiografie (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 194) schreibt Ernst II., dass er am 24. Juni 1854 nach München reiste, »um der Aufführung einer meiner Opern beizuwohnen«. Anschließend erwähnt er, dass »diese Absicht durch einen Zufall vereitelt wurde«, weswegen er seinen Aufenthalt dann für politische Gespräche nutzte. 22 Hierzu wie zum Folgenden vgl. StACo Theater 361.

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Neufassung beschlossen23, mit einem herzoglichen Zuschuss von 140 Gulden. Als »Tony der Wildschütz« am 21. Mai 1856 endlich auf die Coburger Bühne zurückkehrte, spielten die Musiker sogar aus den Münchner Stimmen, die wesentlich sauberer und deutlicher geschrieben waren, da in ihnen von Anfang an die zweite Fassung festgehalten wurde24.

Verbreitung und Pressespiegel

Gerade nach der aufwendigen Umarbeitung war Ernst II. natürlich daran interessiert, sein Werk auf verschiedenen deutschen Bühnen zu sehen. Wie schon bei »Zayre« legte der Herzog dabei jedoch größeren Wert auf Qualität als auf Quantität  : Er ließ interessierte Sänger und Theater begutachten, verlangte stets beste Voraussetzungen und erwartete Höchstleistungen aller Beteiligten. Besonders gerne gewann er Bühnenstars für seine Hauptrollen, was er gelegentlich durch gut vernetzte Mitglieder seines Hoftheaters einfädeln ließ. Rückmeldungen von den Premieren konnte er kaum abwarten, und nach den Meldungen über die Leistungen einzelner Beteiligter sparte er auch nicht mit Dank, Geschenken und Orden. Dass die ausführenden Theaterensembles es nicht mit einem gewöhnlichen Komponisten zu tun hatten, war ihnen natürlich bewusst. Dass sie nur bei entsprechend gutem Ruf überhaupt die Erlaubnis zur Aufführung der herzoglichen Opern erhielten, dann aber bei Erfolg großzügig entlohnt wurden, sprach sich schnell herum. Und so finden sich in vielen Schreiben an die herzogliche Theaterintendanz Versicherungen wie diese vom Hoftheaterdirektor Perglaß aus Hannover25, der vier Tage vor der geplanten Premiere des »Tony« in seinem Haus meldet  : »Unser Personal ist vom freudigsten Eifer beseelt das Kunstwerk würdig vorzuführen und wird von der Hofnung [sic] begeistert, vielleicht durch die Anwesenheit des hohen Componisten beehrt zu werden. Marschner, wie ich, bieten Alles auf, um uns durch eine gelungene Vorstellung des höchs23 Diese Erstaufführung in neuer Einstudierung erwähnt auch Weiss 1877 auf S. 73. 24 Die »Münchner Stimmen« sind in ihrem Gegensatz zu den veränderten und mit Überklebungen versehenen ursprünglichen Stimmen noch zu besichtigen unter LBC TB Op 228. Hier sind auch weitere Aufführungsdaten vermerkt, wie die Wiederholung am 25. Mai 1856 oder der Vortrag einer transponierten Fassung von Nr. 7 im Hofkonzert am 22. September 1887. 25 Brief vom Hoftheaterdirektor von Hannover, August Perglaß Baron von Conway und Waterford (auch  : August Conway von Waterford-Perglaß, 1806–1855), vom 19. Oktober 1853 (StACo LA A 7357). Zum Folgenden.

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ten Vertrauens werth zu zeigen, welches uns die Gnade Sr. König. Hoheit bewiesen hat.« Neben der Hervorhebung des persönlichen Eifers erfolgt in derartigen Schreiben fast immer auch die persönliche Einladung an den Herzog, der kleineren Opernhäusern tatsächlich durch seine Anreise einen gewissen Glanz hätte verleihen können  ; was er aber so gut wie nie tun konnte, da er zwar, wo er war, ins Theater ging, seine Reisen aber meistens politisch motiviert waren und sich daher nur selten entsprechend mit den Spielplänen kreuzten. Hannover Die erste Aufführung von »Tony« in Hannover hinterließ deutliche Spuren  : einerseits im ausführlichen Schriftverkehr Hannover-Coburg, andererseits in der musikalischen Fachpresse. Wie vom Herzog gewünscht, erhielt er schon am Tag nach der Premiere einen persönlichen Brief mit einer Rückmeldung über die Aufnahme der Oper. Perglaß berichtet26  : »Viele Nummern der Oper wurden mit lautem, entschiedenem Beifall von dem ungewöhnlich zahlreich versammelten Publikum aufgenommen und die ganze Vorstellung trug den Ausdruck künstlerischer Inspiration.« Und er vergisst nicht, noch einmal zu betonen  : »Euerer [sic] Hoheit darf ich versichern, dass die Künstler, denen die Ehre zu Theil wurde in Höchstdero, mit so sinnigem Fleiße, als Fantasie und Charakteristik gearbeiteten Tonwerke, mitzuwirken, alle Kräfte freudig aufgeboten haben, um dem hohen allverehrten Componisten, dem deutschen Fürsten, der durch Seine Regententugenden, der Sich als Held wie als Liebling der Musen, so jung noch, schon so viele Kränze des Ruhmes gewann, – noch mehr aber alle wahrhaft deutschfühlende Herzen errungen hat, ihre tiefste Verehrung, ihre Liebe und Begeisterung für ihn auszudrücken.« Die Schmeichelei ist nicht zu überhören. Dennoch hätte sich der Hannoveraner eine glatte Lüge über den Erfolg der Oper nicht leisten können, denn es berichteten ja auch die Zeitungen darüber. Die Realität durfte etwas geschönt, aber nicht verbogen werden, sonst wäre die Gunst des fürstlichen Komponisten und Gönners sicher dahin gewesen. Außerdem funkten immer mehrere Kanäle parallel  : Es gibt noch einen Brief des Hannoveraner Kapellmeisters Heinrich Marschner27 26 Brief vom 24. Oktober 1853 an den Herzog (StACo LA A 7357, f. 2ff.). Zum Folgenden. 27 Bereits in den Jahren 1844 und 1845 hatte Marschner Kontakt mit der Coburger Intendanz, da am 19. Oktober 1845 seine Oper »Der Templer und die Jüdin« hier zur Aufführung kam (Schriftwechsel in LBC Ms 299/12 bis 20). Außerdem gibt es Hinweise auf den Versuch eines »Tauschhandels« zwischen der Coburger und Hannoveraner Intendanz im März 1852  : Die Oper »Austin« von Marschner sollte in Coburg-Gotha gegeben werden sobald eine Oper des

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(1795–1861) an seinen Coburger Kollegen und nicht zuletzt einen Brief des Gothaer Kapellmeisters Lampert, die beide – da nicht direkt an den Herzog gerichtet – mit ihrer Meinung weniger hinter dem Berg halten. Marschner28 zählt die Höhepunkte der Oper auf  : »Die lebendigen, frischen Jagdchöre, die Arie des Wildschützen, so wie des Herrmann im ersten Act  ; die Romanze der Bertha, das liebliche, melodiöse Frauenduett, der schöne Canon, der 2te Actschluß u. die Tenor-Arie des dritten Acts fanden entschiedenen Beifall u. wurden stark applaudiert.« Außerdem erklärt er die mangelnde Begeisterungsfähigkeit des Publikums (unter der er offenbar selbst litt) mit der Mentalität  : »Es ist aber nicht zu ändern, wir leben hier im Norden u. der Nordländer ist zu kaltblütig«. Für den Theaterdirigenten von heute mögen die Details interessant sein, die er noch angibt  : 23 Proben, eine Generalprobe, die aber noch nicht wie gewünscht lief, und daher nochmals eine dreistündige Probe am Vorabend. Am Ende unterlässt Marschner es aber nicht, noch einmal zu betonen, dass es ihm selber »eine große Freude« gemacht habe, das Werk des Herzogs aufzuführen. Mit dieser Taktik – und trotz deutlicher Offenheit – hat Marschner Erfolg  : In der Autografensammlung der Veste Coburg ist sein Dankesbrief für das Verdienstkreuz des Sachsen-Ernestinischen Hausordens überliefert, das er vom Coburger Herzog für seine Verdienste um dessen Oper »Tony« verliehen bekam29. Dankesbezeugungen, Geschenke und Orden teilte Ernst II. regelmäßig an Mitwirkende seiner Opern aus, meist auf Empfehlung von Fachkundigen, die die entsprechenden Personen auch kannten. Im Falle der »Tony«-Aufführung in Hannover war es wiederum Ernst Lampert, der Erkundigungen einholte und offen vorschlug, wer wie zu entlohnen sei30. Neben den Darstellern der Hauptrollen erhielten der Hofkapellmeister (wie erwähnt  : Marschner), der Hoftheaterdirektor (Perglaß), der Hoftheaterintendant und Oberhofmarschall Herzogs in Hannover gespielt worden sei. Marschner fand diesen Vorschlag »nicht gentlemanlike« (vgl. hierzu den Brief Marschners an Lampert, zitiert bei Katzenberger, S. 28). 28 Brief vom 24. Oktober 1853, StACo LA A 7357, f. 3. Zum Folgenden. 29 Vgl. den Brief von Heinrich Marschner vom 22. November 1853 in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg. – Von der Auszeichnung Marschners berichten u. a. auch die »Neue Wiener Musik-Zeitung« (2. Jg., Nr. 48, vom 1. Dezember 1853, S. 203) sowie Lampert in einem Bericht vom 8. Mai 1854 (StACo Theater 292, f. 153). In Hannover fragte Marschner nach der Genehmigung, das Verdienstkreuz auch tragen zu dürfen (Briefe bei Katzenberger, S. 155f.). 30 Brief Lamperts vom 26. Oktober 1853 an Kabinettssekretär von Meyern-Hohenberg (StACo LA A 7357, f. 4–5). Dankesbriefe der vom Herzog Ausgezeichneten finden sich anschließend in der Akte.

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Carl Ernst von Malortie (1804–1887) – von dem man erhoffte, er würde die Oper dauerhaft im Repertoire halten – sowie der Chef der königlichen Hofkapelle, Graf Julius von Platen-Hallermund (1816–1889), Dankesbriefe vom Herzog sowie teure Geschenke oder sogar Orden (Marschner, Perglaß, P ­ laten). Diese breite Streuung der Belohnungen wurde bei anderen Gelegenheiten ebenso vorgenommen, bemerkenswert ist dabei die nahezu gleichwertige Behandlung der einfachen Sänger und Musiker mit den adligen Amtsträgern. Übrigens verschwand die Oper »Tony« dennoch nach nur zwei Aufführungen vom Spielplan in Hannover, was von Malortie höflich mit dem Fehlen einer geeigneten Sängerin begründete31. Der genannte Chef der königlichen Hofkapelle, Graf von Platen-Hallermund, ließ dem Gothaer Kapellmeister Lampert einen sehr offenen Brief über die Aufführung der herzoglichen Oper in Hannover zukommen, den Lampert wiederum an den Kabinettsrat von Meyern-Hohenberg in Coburg weiterleitete32  : »Ich erlaube mir Euer Hochwohlgeboren zur gefälligen Notiznahme hiermit eine ungeschminkte, wahrheits==getreue Beurtheilung der von Sr. Hoheit componirten Oper Tonÿ nach den Aufführungen in Han̄over, welche mir der Herr Graf von Platen-Hallermund privatim und nicht in der Absicht zukom̄en ließ, dieselben meinem Herrn mitzutheilen, vorzulegen. / ›Was vorerst das Buch anbelangt‹ schreibt der Herr Graf ›so bietet dasselbe dem Componisten manigfach [sic] Gelegenheit sein Talent geltend zu machen  ; – jedoch ist der letzte Act matt gegen die beiden vorhergehenden  ; – die Endentwickelung ist zu gewöhnlich und nicht von edler Wirkung. Die Verse fließen theilweise schön, andere sind schwach und noch andere gar holperig, ich möchte sagen unmusicalisch. Was nun die Musik betrifft, so zeugt sie für des Componisten Ernst, Streben und außerordentliche Befähigung. – Man hört es der Musik an, das der Schöpfer derselben nicht der neuesten, schaalen so verwerflichen Richtung angehört  ! Vor allem spricht ein edles deutsches Gemüth aus jedem Zug der vielen schönen Melodien, denen es hie und da an breiterer Ausführung mangelt  ; ein Anschmiegen an Wort und Situation eine Klarheit des Ausdrucks, wie es in Tonÿ oft der Fall, sprechen für bedeutende Befähigung. Als schönste Blume in dieser Musik duftendem Blüthenkranze bezeichne ich den Canon  ; durchweg edel und reizend in den Stim̄ en geführt, kon̄ te er die günstigste 31 StACo LA A 7357, f. 14f. 32 StACo LA A 7357, f. 6–7. Zum Folgenden. In einer Bemerkung am Rande des Briefes wird auch bereits die nächste Oper des Herzogs, »Casilda«, erwähnt, die zu dieser Zeit laut Nachrichten der »Signale für die musicalische Welt« am Theatre Lyrique in Paris einstudiert wurde.

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Wirkung nicht verfehlen. Überhaupt ist’s meine in̄ igste Ueberzeugung, dass, hätte unser größtentheils democratisches Publikum nicht in dem Componisten einen Fürsten vermuthet, die Oper welche sehr angesprochen hat, mit noch bedeutenderem Beifall aufgenom̄ en worden wäre, besonders wen̄ die musicalische Aufführung nicht hinter der scenischen zurückgestanden hätte. Letztere war musterhaft und im Bezug auf Ausstattung brillant. – Dem Beifall welcher der Oper, die auf unserem Repertoir bleiben wird, gespendet wurde war ein wahrhaft aufrichtiger und kein gemachter. –‹ Am Schluße des Briefes hat der Herr Graf noch angedeutet dass er sich keine Verdienste, welche nur dem königl. Obermarschall u. Hoftheater-Intendanten von Malortie zuzuschreiben wären, wegen der in Rede stehenden Aufführung der Oper Tonÿ erworben  ; aber das Glück gehabt habe schon vor 3 Jahren in Berlin Sr. Hoheit vorgestellt zu werden. – / Seit 1847 ist übrigens der Herr Graf von Platen im Besitz des Ritterkreuzes des Herzogl. Hausordens – wahrscheinlich von Seiten Altenburgs zur Zeit der Vermählung des Königs. – / Mit der vorzüglichsten Hochachtung [usw.] E. Lampert.« Es ist davon auszugehen, dass auch diese Informationen an den Herzog ­gelangten und dies auch beabsichtigt war – die Geheimnistuerei war nur Koketterie, die notwendig war, um durch die im Brief durchaus anklingende Kritik nicht die Regeln des höfischen Anstands zu verletzen. Besonders bemerkenswert ist die feste Behauptung von Platens, dass das Publikum den Komponisten zumindest teilweise abgelehnt habe, weil er ein Fürst war – dass also die Wahrnehmung des gesellschaftlichen Standes des Künstlers unmittelbaren, und zwar negativen, Einfluss auf die Aufnahme seines Werkes beim Publikum hatte. Ein nicht zu unterschätzender Faktor, der bei allen Opern Ernsts II. eine Rolle spielte. Inwieweit er im konkreten Fall der Aufführung in Hannover tatsächlich verantwortlich war für die wenig enthusiastische Reaktion der Zuhörer, mag dahingestellt bleiben. Neben dem Briefwechsel finden sich auch aufschlussreiche Zeitungsartikel über die »Tony«-Vorstellung in Hannover. In der »Deutschen Theater-Zeitung« vom 2. November 185333 widmet man ihr gar eine ganze Seite. Hier wird gleich zu Beginn der Rezension ein weiterer wichtiger Aspekt genannt, der den Erfolg der Opern des Herzogs beeinflusste  : der aktuelle Mangel an deutschen Opern. »Je seltener uns in letzterer [sic] Zeit der Genuß gegönnt wurde, eine neue Oper zu hören, um so freudiger wird solche von uns begrüßt  !« Dass der Komponist ein Herzog ist, wird hier eher positiv bewertet, indem so die 33 »Deutsche Theater-Zeitung«, Berlin, vom 2. November 1853, S. 352f. Zum Folgenden.

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Aufführung »besondere Anziehungskraft« besaß. Der Autor betont treuherzig, er wolle seine Beurteilung des Werkes ohne Ansehen der Person geben, »welchen Grundsatz wir hier um so lieber befolgen, da wir mit der entschiedenen Ansicht hervortreten müssen, dass der Komponist im ›Tony‹ namentlich den Dilettanten gänzlich abgestreift und die trefflichsten Beweise von tief-musikalischer Ausbildung, von schön ausgeprägtem Talente für die Komposition geliefert hat  !« Danach geht der Verfasser ins Detail und beschreibt Handlung und Musik der Oper. Bei der Nennung der Figuren fällt auf, dass Hermann, der im Libretto neutral als »Graf von Hochburg« bezeichnet wird, in Hannover offenbar zum »Graf von Habsburg« wurde – eine politisch hochbrisante Umdeutung, da es sich beim Charakter des Hermann ja um den »Bösen« handelt, der einst dem wackeren Tony die Braut stahl. Inwieweit mag sein effektvoller Bühnentod, quasi als Vernichtung eines politischen Erzfeindes, zum Beifall des Publikums beigetragen haben  ? Abgesehen von dieser politischen Komponente, die dem Stück sicher erst in Hannover selbst beigefügt wurde, unterzieht der Autor des Artikels das Libretto einer deutlichen Kritik  : Zu viel Handlung, der Text »undeutlich«, zu viel wird beim Hörer als bekannt vorausgesetzt, wodurch Verwirrung entsteht. Als dann die Musik gelobt wird, schleicht sich erneut ein politisch motivierter Unterton in die Rezension ein34  : »Der Stoff an sich ist ein Opernbuch im neueren französischen Stil, die Musik dagegen trägt den Stempel echt deutschen Wesens an sich. Ja, häufig glaubt man die erfreuliche Wahrnehmung zu machen, dass sich der Komponist in einem Widerstreite des deutschen Wesens mit der französischen Manier befindet. Aus diesem geht er jedoch siegreich hervor […]«. Sogar militärisches Vokabular findet auf einmal Eingang in eine Opernrezension  ! Ernst II. selbst, der ja sehr gerne französische Opern hörte und persönlich durchaus keine Probleme mit den französischen (etwas entfernteren) Verwandten in Paris hatte, wird sich gefreut haben über die Einordnung seiner Musik als »deutsch«. Ob er der unvereinbaren Gegenüberstellung von »französisch« und »deutsch« in der Musik so zugestimmt hätte, scheint unsicher  : Seine Weltoffenheit im kulturellen Bereich kollidierte auf wundersame Weise selten mit seinen stark vertretenen politischen Positionen. Jedenfalls ordnet der Autor der Rezen­ sion ihm die deutschen Komponisten Weber, Kreutzer35 und Marschner als 34 »Deutsche Theater-Zeitung«, Berlin, vom 2. November 1853, S. 352. 35 Conradin Kreutzer (1782–1849), Komponist. Vgl. Dokumente bzw. Musikalien in StACo, LBC sowie einen Brief vom 30. Mai 1817 in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg.

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Vorbilder zu. Alle drei hatten auch nachweislich Kontakt zu Coburg und wurden – wie aus der Theaterbibliothek ersichtlich – in Coburg gespielt, weswegen der etwas plakative Vergleich nicht ganz sein Ziel verfehlt. Im Folgenden lobt der Verfasser den »Eindruck entschiedener Energie«36, der in der Oper durch den Kontrast von lyrischen und dramatischen Momenten entstehe, die »vielen reizenden, frischen und melodiereichen Motive«, deren »sinnige, Bearbeitung, Behandlung und Durchführung« (hier nennt er den vierstimmigen Kanon als »die schönste Nummer der ganzen Oper«) sowie das »Fernhalten moderner Effekt-­Hascherei«. Nicht unerwähnt bleiben die Sängerinnen und Musiker sowie die aufwendige Ausstattung des Stückes, die sicher auch zum noch größeren Erfolg der zweiten Vorstellung am 27. Oktober beigetragen haben. Ganz anders argumentiert in vielem ein zweiter Artikel über »Tony« in Hannover, der in der »Rheinischen Musik-Zeitung« (RMZ) zu finden ist37. Schon zu Beginn eine feine, aber zugegebenermaßen amüsante Spitze gegen den Herzog, der meinte, durch die Verwendung eines Kürzels wie »E. H. z. S.« (Ernst, Herzog zu Sachsen) seine Bescheidenheit zum Ausdruck bringen zu können  : Der Autor gibt die Auflösung »Ein Heilmittel zum Schlafen« wieder, schiebt sie aber sicherheitshalber einem Dritten (»ein hiesiges Blatt«) in die Schuhe. Anschließend führt er in deutlichen Worten aus, dass ein Fürst im künstlerischen Bereich immer nur ein Dilettant bleiben könne, denn er habe ja neben den Regierungsgeschäften gar keine Zeit, sich völlig in die Kunst zu vertiefen. In kleineren Werken könne der ehrgeizige Dilettant mit viel Fleiß und Übung »durchaus Vollkommenes« leisten. Aber von den großen Gattungen, wie der Oper, solle er sich unbedingt fernhalten, da die dafür erforderliche Konzentration und sorgfältige Planung, die für die »Einheit« des Werkes Voraussetzung sei, neben vielfältigen anderen Beschäftigungen schlicht unmöglich sei. Nun kommt der Rezensent auf »Tony« zu sprechen und – wie nach der langen Vorrede zu erwarten – kritisiert das Werk scharf. Zwar habe der Komponist »nicht allein melodische, sondern auch harmonische Begabung genug«, aber er hätte sich doch lieber auf ein »grösseres oder kleineres Liederspiel« beschränken sollen. Hauptkritikpunkte sind die mangelnde Einheit, die »Zerstreuung« des Werkes sowie der Mangel an »innere[r] Wahrheit« in manchen Stücken, das heißt die Diskrepanz zwischen Melodie bzw. Harmonie und Aussage  : »einen gräulichen Traum erzählt Jemand in dem gemüthlichsten Rhythmus und ganz fidelen Tone  !« Außerdem seien die verbindenden Rezitative »so ausdruckslos und nichtssagend […] wie möglich«. 36 »Deutsche Theater-Zeitung«, Berlin, vom 2. November 1853, S. 353. Auch zum Folgenden. 37 RMZ Bd. 4, 1853/54, S. 1407. Zum Folgenden.

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Und dem Libretto von Elsholtz fehle es an sinnvoller Anordnung und Symmetrie, einige Verse (die er zitiert) klingen wie »die allerschönsten Knittelverse«, wie sie ja auch bei Richard Wagner zu finden seien. Abschließend erkennt der Rezensent die musikalische Begabung des Herzogs durchaus an, empfiehlt ihm jedoch dringend, sich ein besseres Textbuch zu kaufen – was »ihm bei seinen Mitteln nicht schwer fallen« dürfte – und keinen anhaltenden Erfolg der Oper »Tony« zu erwarten. Hier hat sich also ein Autor ganz offenbar nicht vor dem Einfluss und der politischen Macht des Herzogs gefürchtet, sondern offen und rückhaltlos seine Meinung zum Ausdruck gebracht, die gut begründet ist und keinesfalls auf eine reine Abwertung des fürstlichen Komponisten abzielt. Angesichts der durchaus unterschiedlichen Beurteilungen der herzoglichen Oper nach ihrer Aufführung in Hannover konstatiert die »Niederrheinische Musik-Zeitung« (NRMZ) vom 19. November 1853 lapidar  : »Die Stimmen der Kritik sind darüber geteilt«, vergisst aber nicht, wenigstens eine positive Anmerkung hinzuzufügen  : »Das Finale des zweiten Actes soll ein treffliches Musikstück sein«38. Frankfurt, Königsberg, Amsterdam Ungefähr zur selben Zeit wie Hannover meldeten auch die Direktoren der Theater in Frankfurt am Main und Königsberg ihr Interesse an der Oper des Herzogs an39. Die Frankfurter Intendanz erhielt daraufhin eine Abschrift des Notenmaterials und konnte am 15. Januar 1854 eine erfolgreiche Premiere des »Tony« feiern40. Spätestens bei einer der Wiederholungen war sogar der Herzog selbst in der Frankfurter Oper anwesend41, wie die »Neue Wiener Musik-­Z eitung« Ende März vermeldete42  : »Die 4. Aufführung der Oper ›Tony‹ vom Herzog von Gotha-Koburg hatte das Haus ganz gefüllt  ; Beifall und Hervorruf waren außerordentlich lebhaft. Der anwesende Compositeur sprach Hrn. Dir. Hoffmann seine besondere Zufriedenheit über das vorzügliche Ensemble und die prächtige Ausstattung aus, und ließ sich das ganze darstellende Personal vorstellen.« Über eine Aufführung in Königsberg ist 38 NRMZ, vom 19. November 1853, S. 167. 39 Der Briefwechsel mit beiden Direktoren ist in StACo Theater 292 dokumentiert. Danach bemühte sich Hoffmann aus Frankfurt seit September 1853, Arthur Woltersdorff (1817–1878) aus Königsberg seit Januar 1854 um eine Aufführungserlaubnis. 40 Vgl. hierzu »The Musical World«, vom 4. Februar 1854, S. 74. 41 Laut »The Musical World«, vom 8. April 1854, S. 229, war er bei der Premiere zugegen. 42 »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 3. Jg., Nr. 13, vom 30. März 1854, S. 58.

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dagegen ebenso wenig bekannt wie über eine Inszenierung in Dresden43 oder an der Wiener Hofoper 44. Auch renommierte Sängerinnen und Sänger, von denen viele in Coburg und Gotha gesungen oder vom Herzog Unterstützung erhalten hatten, übernahmen es, bei Gelegenheit für die Bühnenwerke Ernsts II. Werbung zu machen. Im Falle des »Tony« ist hier vor allem der weit über Deutschland hinaus bekannte Bassist Karl Formes (1810–1889) zu nennen, von dem umfangreicher Schriftverkehr in den Coburger Theaterakten erhalten ist. Neben den guten Beziehungen, über die derart angesehene Persönlichkeiten der Theaterszene in der Regel verfügten, konnten Sänger wie Formes den Herzog zudem mit Insider-Informationen versorgen, die mit darüber entschieden, welche Bühnen oder welche Darsteller für eine herzogliche Oper in Frage kamen. Dadurch wurde der rege Austausch der herzoglichen Intendanz mit zahlreichen deutschen Bühnen weiter gefördert. Im Hinblick auf die Oper »Tony« stand man beispielsweise im Jahr 1856 gleichzeitig mit Weimar, München und Amsterdam in Kontakt. Karl Formes gastierte im März 1856 in Gotha45, lernte dort die Partie des Tony und »sang dieselbe mit großem Erfolge zweimal«. Kurze Zeit später war er in Amsterdam engagiert, und von Coburger Seite hoffte man, er könne die neueste Oper Ernsts II. dort anbringen. Wie Formes jedoch am 17. Mai 1856, bereits nach London weitergereist, schreibt46, waren die Verhältnisse in Amsterdam sehr schwierig, da die zwei Primadonnen, Mademoiselle Lehmann und Frau von Marra47, angeblich zerstritten waren und keine die Rolle der »Bertha« übernehmen wollte. Formes sieht kaum Chancen für eine baldige Aufführung des »Tony« mit dieser Truppe, empfiehlt aber nachdrücklich die erstgenannte Sängerin, die aus Dänemark stamme  : »eine der schönsten Stim-

43 Angekündigt (ohne genaues Datum) im Jahr 1849 in der NZfM, Bd. 30, 1849, S. 132. 44 In der RMZ, Bd. 3, aus dem Jahrgang 1852/53 findet sich auf S. 1063 ein Hinweis auf die Oper »Tony«  : »Von der Administration des Hofoperntheaters in Wien ist die Partitur ausserordentlich günstig beurtheilt und die Oper zur Aufführung in der nächsten Saison bestimmt worden.« Erwähnt wird dabei auch, dass der Ertrag der Oper vom Herzog »zu einem wohlthätigen Zwecke bestimmt« sei. Bei Hadamowsky (Bd. 2, S. 446) liegen jedoch keine Daten für eine Aufführung von »Tony der Wildschütz« im Wiener Hofoperntheater vor, nur das handschriftliche Textbuch von Elsholtz ist dort vorhanden. 45 Vgl. hierzu den Bericht in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung«, 5. Jg., Nr. 17, vom 3. April 1856, S. 68. Zum Folgenden. 46 StACo Theater 361, zum Folgenden. 47 Gemeint ist Marie von Marra-Vollmer (1822–1878).

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men, die ich je gehört habe«48. Der Intendant Maximilian von Wangenheim aus Coburg drängt sowohl bei Formes als auch bei dem in Amsterdam als Oberregisseur fungierenden ehemaligen Opernsänger Ernst Pasqué (1821– 1892) auf eine baldige Rückgabe des gesamten Notenmaterials zu »Tony«, da für den 11. Mai eine Aufführung in der Heimat angesetzt ist. Pasqué versucht sich in einem Brief vom 28. Mai 1856 bestmöglich aus der Affäre zu ziehen, indem er die Schuld für das Scheitern der geplanten Aufführung in Amsterdam auf Karl Formes schiebt und eine Aufführung für die kommende Wintersaison (ganz unrealistisch) fest verspricht. In Theaterkreisen konnte es sich kaum jemand leisten, den Coburger »Theaterherzog« gegen sich aufzubringen. Weimar In Weimar war schon die erste Fassung von »Tony« aufgeführt worden, und zwar am 14. April 184949, offenbar mit äußerst mäßigem Erfolg – aus den bekannten Gründen. Ab Mai 1856 nun stand die Weimarer Bühne wieder in regem Kontakt mit der Coburger Intendanz50, denn man wollte nun die veränderte, verbesserte Fassung aufführen. In rascher Folge wechselten Briefe zwischen den Sekretären Jacobi (Weimar) und Fugmann51 (Coburg) hin und her. Neben der Ausleihe des korrigierten Stimmenmaterials bat man von Weimarer Seite auch um die teuren Glocken, die in bestimmten Szenen zum Einsatz kamen52. Allerdings musste Coburg ablehnen, da man Letztere gerade selbst für bevorstehende Aufführungen der »Hugenotten« und des »Propheten« von Meyerbeer sowie der hauseigenen »Santa Chiara« benötigte. Die Aufführung in Weimar hinterließ vor allem deshalb umfangreiche Spuren in den Coburger Theaterakten53, da sich an ihr ein Streit um Honorare und Rechte an der Oper entzündete, der lange nachwirken sollte und sicher viel Vertrauen zerstört hat. Hauptfigur der Diskussion war der Gothaer Kapellmeister Ernst Lampert, Hauptproblem war die ja im 19. Jahrhundert generell ungeklärte Frage des Urheberrechts und der Honorare bzw. Tantiemen. Alles beginnt mit einem Brief des Weimarer Hoftheaterintendanten Karl von Beaulieu-Marçonnay

48 StACo Theater 361 (ohne Foliierung). 49 NZfM, Bd. 30, 1849, S. 212  : »[…] und gefiel.« 50 Hierzu ebenfalls der Schriftverkehr in der Akte Theater 361. 51 Adalbert Fugmann (ca. 1816–1884), Theatersekretär am Hoftheater Coburg-Gotha. 52 Brief Jacobis vom 15. September 1856 (StACo Theater 361). 53 Zum Folgenden StACo Theater 361.

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(1811–1889) vom 16. September 185654, in dem dieser sich über ein Schreiben von Lampert beschwert, der für eine länger zurückliegende Weimarer Aufführung des »Tony« (wohl die aus dem Jahr 1849) sein Honorar einfordert. Beaulieu-Marçonnay weiß von keiner berechtigten Forderung Lamperts, entrüstet sich über »den Ton und die ganze Form des Briefes« und bittet um Klärung der Sachlage. Außerdem weist er – nicht ganz unerheblich  ! – darauf hin, dass er aktuell für die Herstellung der neuen Partitur und Stimmen nur deshalb keine Kosten scheue, weil er damit »dem durchlauchtigsten Componisten eine Aufmerksamkeit zu erweisen [hoffe], da wir hier nicht in der Lage waren Santa Chiara zur Aufführung zu bringen.« Wenn nun aber zusätzliche Kosten entstünden, würde das seinen »Entschluß [zur Wiederaufnahme der Oper] wesentlich modificiren«. Die unverhohlene Drohung verfehlt ihre Wirkung nicht. In einem Antwortschreiben vom 19. September 185655 betont die Coburger Intendanz, dass Lampert zurechtgewiesen worden sei, man nun die Akten prüfen wolle und auf eine gütliche Einigung hoffe. Zugleich wird jedoch klargestellt, dass Lampert tatsächlich ein Honorar zustehe, da er die Oper instrumentiert habe und der Herzog sie ihm deshalb geschenkt habe. Lampert habe zudem bereits fünf Mal eine Zahlungsaufforderung an den Vorgänger Beaulieu-Marçonnays, Ferdinand von Ziegesar (1812–1854), geschickt, offenbar vergeblich. Doch Weimar gibt nicht so schnell klein bei. Beaulieu-Marçonnay ­beginnt seine Nachforschungen beim ehemaligen Oberregisseur Eduard Genast (1797– 1866), der damals für die Aufführung von »Tony« mitverantwortlich gewesen war. In seinen Memoiren berichtet Genast davon, wie er extra zur Premiere der Oper des Herzogs nach Gotha gefahren war, und zwar in Begleitung von Ziegesar und Liszt56. »Obgleich das Sujet Manches zu wünschen übrig ließ, war doch die Oper so melodienreich und in ihrem Ensemble so trefflich gearbeitet, dass beschlossen wurde, sie so bald als möglich bei uns zur Aufführung zu bringen.« Was am 14. April 1849 dann auch geschah. Für diese Aufführung, berichtet Genast, befahl der Coburger Herzog, »das herrliche Glockengeläute, das er eigens zu dieser Oper hatte gießen lassen«57, dem Weimarer ­Hofthe­ater zu überlassen  ; was auch die erneute Nachfrage aus dem Jahr 1856 erklärt. Der Herzog selbst konnte an der Weimarer Premiere übrigens nicht teilnehmen, 54 StACo Theater 361, auch alle folgenden Dokumente in dieser Akte. 55 Der Entwurf ist in StACo Theater 361 erhalten. 56 Genast 1866, S. 125f. Zum Folgenden. 57 Zu dieser angeblich eigens angeordneten Herstellung der Glocken finden sich allerdings keine Unterlagen in den Coburger Theaterakten.

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da ihn laut Genast »seine militärischen Pflichten« in Holstein festhielten. Anknüpfend an diese Erinnerungen erklärt Genast nun im Jahr 185658, dass damals Liszt und ihm die Noten zu »Tony« vom Coburger Herzog selbst übergeben worden seien und dass dabei von einem Honorar keine Rede gewesen sei. Daraufhin wird Lampert am 4. Oktober 1856 förmlich vorgeladen und vernommen. Von Wangenheim fasst als Ergebnisse dieser Vernehmung zusammen  : Lampert habe keinen Vorwurf aussprechen wollen, aber Ziegesar habe ihm damals gleich nach der ersten Vorstellung in Weimar die Bezahlung des Honorars versprochen, Liszt sei dabei gewesen. Außerdem – behauptet Lampert – habe der Herzog wohl die Stimmen verschenken können, aber nicht das Eigentum an der Partitur. Er, Lampert, habe bisher von allen Bühnen, die »Tony« gegeben hätten (München, Hannover, Frankfurt am Main, Königsberg), ein Honorar von 24 Louisdor erhalten, würde sich in diesem speziellen Falle aber mit 20 Louisdor zufriedengeben. Daraufhin erfolgt eine Zahlung an Lampert, deren Auftraggeber aus den Akten allerdings nicht klar erkennbar ist (von Wangenheim  ?). Doch damit kommt die Angelegenheit immer noch nicht zur Ruhe, im Gegenteil. Am 20. Juni 1857 meldet sich erneut Beaulieu-Marçonnay aus Weimar59. Ihm seien zufällig die alten Akten aus dem Jahre 1849 in die Hände gefallen, aus denen hervorgehe, dass man das Material der Oper aus den Händen des Herzogs selbst eindeutig als Geschenk erhalten habe. Er bittet nun von Wangenheim zu prüfen, ob Lampert das mittlerweile gezahlte Honorar nicht wieder zurückerstatten müsse. Außerdem berichtet er, dass ihm Lampert in einem Brief im Jahre 1851 die dritte Oper Ernsts II., »Casilda«, zur Aufführung empfohlen und sich (erst) bei der Gelegenheit als Eigentümer der beiden Opern »Tony« und »Casilda« bezeichnet habe. Vielleicht habe Lampert ja erst nach 1849 das »Autorrecht« übertragen bekommen  ? Um diese Version zu untermauern, legt Beaulieu-Marçonnay mehrere Schriftstücke aus Coburg bzw. Weimar aus dem Jahr 1849 bei, in denen zwar von der Oper, aber nicht von einer Honorierung die Rede ist. Auch hierauf reagiert der Coburger Hofmarschall von Wangenheim sofort, indem er am 26. Juni 1857 nochmals eine Stellungnahme Lamperts anfordert, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob jener schon 1849 das Autorrecht an der Oper gehabt habe. Die Antwort Lamperts aus Gotha vom 28. Juni 1857 ist alles andere als freundlich. Der Kapellmeister ist empört und unterstreicht mit breitestem Federstrich, dass die Akten »Nichts  !« beweisen würden. Die Eigen58 Brief vom 26. September 1856 (StACo Theater 361). 59 Weiterhin alle zitierten Dokumente zu finden in StACo Theater 361.

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tumsübertragung durch den Herzog sei leider nur mündlich erfolgt. Im Übrigen könne er das bereits erhaltene Honorar mindestens für die erst kürzlich erfolgte Aufführung des umgearbeiteten »Tony« (für die er fünf neue Nummern komponiert habe) verlangen. Zu guter Letzt greift Lampert zu der Drohung, die wohl seit dem 19. Jahrhundert die wirksamste Maßnahme des Unterlegenen zu sein scheint  : Er droht der Weimarer Intendanz damit, »den Journalen die berührte Geschichte mitzutheilen«, wenn man ihn nicht endlich in Ruhe lasse. Von Wangenheim, mittlerweile offensichtlich genervt von dem ewigen Hin und Her, betont nun seinerseits in einem Schreiben an Beaulieu-Marçonnay vom 2. Juli 1857, dass es sich eigentlich um eine Privatsache zwischen Lampert und der Weimarer Intendanz handle. Worauf der Weimarer Intendant am 14. Juli 1857 entgegnet, dass die Oper nur in der alten Fassung und nur im Jahr 1849 in Weimar aufgeführt worden sei und seither nie wieder. Der Verweis auf den Charakter einer Privatangelegenheit hatte ihn offenbar beleidigt. So wurde in vielen mehr oder weniger sinnlosen Briefen viel Porzellan zerschlagen, und die Beziehungen der Beteiligten zueinander verschlechterten sich spürbar. Höchstens Lampert, der ja letztendlich ein Honorar erhielt, mag eine gewisse Genugtuung verspürt haben  ; die aber wohl nicht von langer Dauer gewesen sein dürfte, denn durch die ganze Angelegenheit erwarb er sich am Coburg-­Gothaer Hof den Ruf eines Querulanten. Das zugrunde liegende Problem aber, die Klärung der Rechte an dem Werk, kam nie wirklich zu einem Abschluss. Im »Novitäten-Buch« des Hoftheaters60 aus viel späteren Jahren werden zu jedem aufgeführten Werk genau die Zahlungsempfänger und –bedingungen angegeben. Für die drei nachfolgenden Opern Ernsts II., »Casilda«, »Santa Chiara« und »Diana von Solange«, sind jeweils die »Erben d. Hofkapellm. Lampert«, die »Hofkapelle Coburg« und »Capellmeist. Crämer’s Erben« als Rechteinhaber genannt. Die ersten beiden Opern des Herzogs jedoch, »Zayre« und »Tony«, werden in diesem Buch gar nicht erwähnt. Eine Erklärung dafür mag der Herzog selbst gegeben haben, als er auch seine zweite Oper wieder nur als eine weitere Entwicklungsstufe auf seinem künstlerischen Weg bezeichnete, »als Vorläufer einer vollkommeneren Arbeit […], die ich eben jetzt zu liefern hoffe«61. 60 Zu finden unter StACo Theater 3645. 61 Äußerung Ernsts II. über seine Oper »Tony« in seinem Dankesbrief vom 9. November 1853 an den Hoftheaterintendanten von Hannover, von Malortie (StACo LA A 7357, f. 10). – Auch in einem Programmentwurf für ein Hofkonzert am 31. Januar 1888 in Gotha wurde eine anfänglich geplante »Arie aus Toni« vorzeitig wieder gestrichen (s. StACo Theater 12, S. 189–199). Ganz offenbar schätzte der Herzog in späteren Jahren seine zweite Oper nicht mehr besonders.

Zwischenakt: Franz Liszt, Richard Wagner und der komponierende Herzog Franz Liszt und Coburg

Franz Liszt (1811–1886) war einer der ersten Klaviervirtuosen im modernen Sinne, der durch seine Musik, seine technischen Fähigkeiten am Instrument, aber auch seine Ausstrahlung und Persönlichkeit das Publikum zu begeistern wusste. Seine außergewöhnliche Berühmtheit – Liszt war ein »Superstar« der Musikszene des 19. Jahrhunderts – gründete sich zunächst auf sein herausragen­ des Können am Klavier, dann auch auf seine Kompositionen und seine Tätigkeit als Dirigent. Liszt schrieb zahlreiche Klavierfantasien, für die er bekannt wurde, und setzte sich als Kapellmeister sehr für zeitgenössische Musik ein1. Außerdem war er in Musikerkreisen und in der höheren Gesellschaft extrem gut vernetzt, was sicher auch auf seine viel kolportierte unerschütterliche Freundlichkeit zurückzuführen sein dürfte. Obwohl er selbst aus bürgerlichen Verhältnissen stammte, zeigte Liszt sich schon in jungen Jahren sehr weltgewandt und gleichermaßen geschickt im Umgang mit Adligen wie Künstlern. Im heutigen Ungarn geboren, hatte er in Wien und Paris studiert, lebte zeitweise in Paris und in der Schweiz und war schon als junger Mann auf seinen Konzert­ reisen durch ganz Europa gekommen. Als reisender Klaviervirtuose konnte er viele Jahre gut leben, da er auch engste Beziehungen zu Adelskreisen pflegte  : Er unterhielt zum Teil langjährige Verhältnisse mit den Gräfinnen Marie d’Agoult (1805–1876) und Carolyne zu Sayn-Wittgenstein (1819–1887). Im November 1842 jedoch nahm er eine Anstellung als Hofkapellmeister in Weimar an, wo er ab 1844 erste Konzerte als Dirigent leitete. Obwohl er zunächst parallel seine Konzerttourneen weiterführte, wurde er 1848 vom Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar zum ordentlichen Kapellmeister ernannt. In den nun folgenden zehn Jahren intensiver Tätigkeit am Weimarer Hoftheater studierte Liszt ganze 43 Opern ein und setzte viel zeitgenössische Musik (u. a. Berlioz und Brahms) auf das Programm. Er war auch bei seinen Musikern sehr beliebt, da er sehr hilfsbereit war und trotz seines großen persönlichen Erfolges eine gewisse Bescheidenheit an den Tag legte. Seine Tochter Cosima (1837–1930), die 1 Nach Wagner sei hier auch der Coburger Komponist Felix Draeseke (1835–1913) genannt, den Liszt immer wieder beriet und unterstützte.

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Zwischenakt

1870 Richard Wagners Frau wurde, überliefert folgende Anekdote2  : »Bei Beginn des Parsifalvorspiels, das etwas an Liszts Kantate ›Glocken von Straßburg‹ erinnert, soll Wagner zu dem andächtig lauschenden Freund scherzend gesagt haben  : ›Ich habe Dich bestohlen, gib acht, jetzt kommt etwas von Dir‹, worauf Liszt erwiderte, ›macht nichts, dann hört man es wenigstens einmal‹.« Ab ungefähr seinem 50. Lebensjahr durchlebte Liszt wieder eine verstärkte religiöse Phase (wie er sie schon in seiner Jugend erlebt hatte), zog nach Rom und erhielt dort – nach einem gescheiterten Versuch, die Fürstin von Sayn-Wittgenstein zu heiraten – die niederen Weihen. In seinen letzten Lebensjahren, in denen er immer noch viel reiste und zwischen Rom, Weimar und Budapest pendelte, beschäftigte er sich auch intensiv mit geistlicher Musik. Er starb in der Nähe seiner Tochter Cosima in Bayreuth. Franz Liszt war regelmäßig Gast in Coburg, Gotha oder Reinhardsbrunn3. Seine Werke wurden im Hoftheater bzw. im Schloss gespielt, und Liszt war mit dem Herzogspaar sehr vertraut. Er wurde, auch wenn er nur kurz (meist auf der Durchreise) in Coburg oder Gotha auftauchte, immer freundlich begrüßt und zuvorkommend behandelt. Liszt kannte alle Opern des Herzogs, reiste oft eigens auf Einladung zu Aufführungen am Hoftheater an und hob »Santa Chiara« dann sogar aus der Taufe. Er schätzte das Engagement des Herzogs im musikalischen Bereich, war ihm aber nicht so nah wie beispielsweise Gustav Freytag oder Charlotte Birch-Pfeiffer. Dagegen nutzte Liszt seinen Zugang zum Herzog, um diesen zur Unterstützung bestimmter Künstler oder Institutionen zu bewegen (zum Beispiel Richard Wagners, Henry Litolffs, des Mozart-Vereins). Dabei war sich der Virtuose über die politische Rolle des Herzogs durchaus im Klaren, auch wenn er nur selten seine Aufmerksamkeit auf dieses Thema richtete. Bereits am 1. und 4. November 1842 spielte Liszt in Konzerten in Coburg ein gemischtes Programm mit Orchester und zwei bekannten Sängern4. Bei der Gelegenheit hat er sich offenbar auch einer Liedkomposition Ernsts II. angenommen (»Die Gräberinsel der Fürsten zu Gotha«), die er für Klavier arrangierte5. Am 18. Januar 1844 war er zufällig beim letzten öffentlichen Auftritt von Herzog Ernst I. zugegen, als er in einem Konzert in Gotha Beethovens 2 Zitiert aus Kapp, S. 21. 3 Vgl. hierzu wie zum Folgenden die vielen Erwähnungen in Liszts Briefen (Lipsius, alle Ausgaben). Außerdem nennen auch Ebart (100 Jahre) und Potyra (Kassette LBC CN–57) Daten zu Liszts Kontakten zu Coburg-Gotha. 4 Hierzu auch Ebart, 100 Jahre, S. 20. 5 Vgl. die auf den 6. November 1842 datierte Abschrift von Franz Liszt in den Kunstsammlungen der Veste Coburg (RISM-Katalog Nr. 16).

Franz Liszt, Richard Wagner und der komponierende Herzog 

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»Pastorale« dirigierte und ein Klavierstück von Carl Maria von Weber sowie zwei eigene Opernfantasien spielte. Übrigens wurde in diesem Konzert auch die Kantate »Immer Liebe« von Ernst II. aufgeführt6. 1849 studierte und dirigierte Liszt dann »Tony« in Weimar7. Beim Besuch einer Vorstellung dieser Oper in Gotha am Ostersonntag 1856 äußerte er erstaunlicherweise, dass er dieses Werk für das erfolgreichste des Herzogs halte8. So nahm Liszt ein Jahr später, an Ostern 1857, den Weg nach Gotha auf sich, um dort »Tony« zu hören9. Offenbar hatte er eine besondere Schwäche für dieses Werk, zu dem er ja auch eine kleine Klavierbearbeitung (»Halloh  ! Jagdchor und Steyrer«) verfasste. In einem Brief vom 3. April 1853 berichtet Liszt von einem Ausflug nach Gotha, den er gemacht habe, um die nächste Oper des Herzogs, »Casilda«, zu sehen10. Am intensivsten war Liszts Kontakt mit der Musik Ernsts II. dann in Bezug auf »Santa Chiara«  : Nachdem er die Einladung des Herzogs, seine neue Oper bei der Uraufführung zu dirigieren, angenommen hat11, begibt sich Liszt nach dem 18. März 1854 zur Vorbereitung nach Gotha12. Der Herzog ist zu dieser Zeit zwar noch in Berlin, aber dafür kümmert sich die Herzogin Alexandrine um ihren Gast, mit dem sie um fünf Uhr zu Abend isst13. Liszt, der die Herzogin ja schon kennt, bezeichnet sie in seinem Brief als eine immer noch sehr charmante und elegante Frau (»une très charmante et gracieuse femme«). Außer mit den Proben für die Oper, zu denen Liszt eigens vom Intendanten von Wangenheim abgeholt wird, will sich der Klaviervirtuose ausschließlich mit der Überarbeitung seiner Komposition »Années de pèlerinage« beschäftigen. Weitere Briefe Liszts aus Gotha zeugen auch von einer gewissen Langeweile, die den unruhigen Geist im beschaulichen Gotha in diesen Tagen erfasst zu

  6 Näheres zu Konzert und Programm bei Ebart, 100 Jahre, S. 24.   7 Näheres dazu im Kapitel über diese Oper.   8 Brief Liszts vom 11. März 1856 (Liszt, Briefe, Bd. 3, S. 65ff.)  : »qui est à mon sens l’ouvrage le mieux réussi du Duc«. – Zu dieser Zeit hatte Liszt bereits mehrfach »Santa Chiara« dirigiert, die nach objektiven Gesichtspunkten ohne Zweifel die erfolgreichste Oper des Herzogs war.   9 Brief Liszts vom Karfreitag 1857 (Liszt, Briefe, Bd. 3, S. 85f.). 10 Liszt, Briefe, Bd. 1, S. 134. Leider enthält der Brief keine näheren Angaben zu der Oper. 11 Das schreibt Liszt am 2. März 1854 an Fürst Sayn-Wittgenstein in Paris (Liszt, Briefe, Bd. 8, S. 113). 12 Vgl. hierzu den Brief Liszts vom 18. März 1854 (Liszt, Briefe, Bd. 1, S. 152). 13 Vgl. hierzu wie zum Folgenden den Brief Liszts vom 21. März 1854 (Liszt, Briefe, Bd. 4, S. 181f.).

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haben scheint14. Am 29. März 185415 berichtet er dann von einer Opernprobe am Vortag, die nicht weniger als fünfeinhalb Stunden gedauert habe. Doch er zeigt sich zuversichtlich, dass die Oper gut laufen werde, und beschreibt im Detail das Souper mit zehn Gängen, zu dem der Herzog nach der Probe das ganze Theaterpersonal eingeladen habe. Beeindruckt ist er außerdem vom Engagement des herzog­lichen Komponisten, der ihn mitten in der Nacht noch höchstpersönlich in einer kleinen offenen Jagdkutsche16 nach Hause bringt. Am 30. März17 berichtet Liszt dann von den langen Proben für »Santa Chiara«18, von der Augenentzündung der Herzogin, die deshalb nicht am »Diner« teilnehmen konnte (das diesmal sogar schon um vier Uhr nachmittags abgehalten wurde), und von der intensiven Arbeit an seiner Komposition »Montagne«. Einen Tag später19 hat er diese fast fertiggestellt, indem er die ganze Zeit auf dem Zimmer verbracht hat. Der nächste Tag verspricht jedoch aufregender zu werden  : Die Generalprobe steht an (von 18 bis ca. 22 Uhr), außerdem werden aus Berlin Graf Friedrich Wilhelm von Redern (1802–1883) sowie der ehemalige Intendant Karl Theodor von Küstner, die eigens für die Premiere anreisen, erwartet20. Nun scheint Liszt nicht mehr viel zum Schreiben gekommen zu sein, denn zu den Ereignissen rund um die Uraufführung von »Santa Chiara« liegen von ihm keine ausführlichen Briefe mehr vor. Die Arbeit in Gotha (und auch die regelmäßigen Besuche des Theaters dort) hat bei Liszt allerdings Spuren hinterlassen, denn er hatte die Qualität der Dekorationen dort bemerkt und versuchte nun, Ähnliches auch in Weimar durchzusetzen21. In den Jahren 1854 und 1855 kam Liszt immer wieder zu Stipp14 Vgl. weitere Briefe, die Liszt zum Teil mit »Faitnéant« (Nichtstuer) unterschreibt (Liszt, Briefe, Bd. 4). 15 Brief Liszts vom 29. März 1854 (Liszt, Briefe, Bd. 4, S. 185f.). 16 Die Kutsche lenkt Ernst II. nach Liszts Angaben »avec toute la virtuosité d’un Milord«. 17 Brief Liszts vom 30. März 1854 (Liszt, Briefe, Bd. 4, S. 186f.). Zum Folgenden. 18 Probe für die ersten zwei Akte war am Vormittag um 10 Uhr, die Probe für den dritten Akt dauerte von halb sechs bis neun am Abend. 19 Brief Liszts vom 31. März 1854 (Liszt, Briefe, Bd. 4, S. 187f.). Zum Folgenden. 20 Übrigens nutzt Liszt dieses Zusammentreffen mit den einflussreichen Intendanten anderer Bühnen, um für Wagners Opern Werbung zu machen (Brief Liszts an Wagner vom 4. April 1858 aus Gotha  ; vgl. Wagner, Werke, Schriften und Briefe, 29442)  : »Für heute will ich Dir bloß sagen, daß ich am Tage der Vorstellung der Oper des Herzogs von Gotha mit Herrn von Hülsen bei Tafel zusammentraf. Er leitete das Gespräch auf die Aufführung Deiner Werke in Berlin und sagte mir, daß er abwarte, bis Du an Bote und Bock das Eigentumsrecht veräußert, um dieselben aufzuführen.« 21 Vgl. hierzu den undatierten Brief Liszts aus der letzten März- oder ersten Aprilwoche 1855 an Bülow (Lipsius, Bülow, S. 130ff.). – Die Gebrüder Brückner, die in Coburg-Gotha für die

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visiten nach Gotha und Reinhardsbrunn, am Hof wurde er immer freundlich empfangen22. Am 7. Februar 1856 besuchte er Berlioz’ Konzert in Gotha23 und nutzte die Gelegenheit, um den Herzog für den Mozart-Verein zu werben. Auch die letzte Oper des Herzogs, »Diana von Solange«, bleibt von Liszt nicht unbemerkt  : Er ist Zeuge der Uraufführung und spricht in seinem Brief vom 7. Dezember 185824 von einem vollen Erfolg, bei dem außer ihm auch etliche Prominente aus Theater und Literatur anwesend gewesen seien. In einem Brief vom Januar 185925 an den Coburger Komponisten Felix Draeseke (1835–1913) erwähnt er die Oper ein weiteres Mal  : Er habe sie am 10. Januar des Jahres zum zweiten Mal gehört (diesmal in Gotha). »Das Werk wurde sehr beifällig aufgenommen und soll nächstens in Dresden gegeben werden, wo Sie es selbst am besten beurtheilen können.«26 Die politischen Aktivitäten des Herzogs blieben dem weit gereisten und in besten Kreisen verkehrenden Liszt natürlich nicht verborgen. Im Juli 1861 bemerkt er dazu in einem Brief27, der Herzog von Coburg habe gerade ein aufsehenerregendes Turn- und Schützenfest in Gotha organisiert, das seiner Popularität weiteren Auftrieb gegeben habe. Man nenne ihn gar schon den Victor Emmanuel oder den gekrönten Garibaldi28 von Deutschland. Leicht skeptisch fügt er den Kommentar an  : »Qui vivra verra  !«29 Aus gleicher Distanz schildert Liszt im August desselben Jahres30 ein Treffen mit dem Herzog, bei dem dieser ihm gesagt habe, dass dies wohl keine gute Zeit für seine (des Herzogs) Musik sei. Liszt fügt an, dass er sich nicht sicher sei, ob es überhaupt eine gute Zeit für Fürsten sei31. Nur wenig später32 muss er jedoch zugeben, dass Ernst II. hervorragende Bühnenmalerei verantwortlich waren, werden im Zusammenhang mit Richard Wagner dann noch eingehender erwähnt. 22 Vgl. die Briefe Liszts vom Juli und August 1854 sowie vom Juni und August 1855 (Liszt, Briefe, Bd. 3, S. 25 und 40ff.; Lipsius, Lettres, S. 209ff., 237ff. und 248ff.). 23 Brief Liszts vom 9. Februar 1856 (Liszt, Briefe, Bd. 1, S. 213). 24 Liszt, Briefe, Bd. 3, S. 113. 25 Brief Liszts vom 12. Januar 1859 an Draeseke (Liszt, Briefe, Bd. 1, S. 315). Zum Folgenden. 26 Weiteres dazu im Kapitel zur Oper »Diana von Solange«. 27 Brief Liszts vom 14. Juli 1861 (Liszt, Briefe, Bd. 4, S. 202). Zum Folgenden. 28 Gemeint sind Victor Emmanuel II. (1820–1878), König von Sardinien-Piemont und Anführer der italienischen Einigungsbewegung, sowie Giuseppe Garibaldi (1807–1882), Kämpfer für die italienische Einigungsbewegung. 29 »Man wird sehen, wer (über)leben wird«. 30 Brief Liszts vom 20. August 1861 (Liszt, Briefe, Bd. 3, S. 153ff.). Zum Folgenden. 31 »Le Duc de Gotha me disait, il y a trois jours, que le temps n’était pas favorable à sa musqiue – le serait-il davantage aux prétendants  ? Je n’en sais rien.« (Liszt, Briefe, Bd. 3, S. 154). 32 Brief Liszts vom 23. August 1861 (Liszt, Briefe, Bd. 4, S. 215f.). Zum Folgenden. – Liszt

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sich politisch äußerst geschickt verhalte, indem er neben den Sängern und den Schützen nun auch die Turner unterstütze. Dem Herzog gehe es sehr gut, seine Beliebtheit in Deutschland wachse weiter und sein Einfluss habe ganz enorm zugenommen. Er habe sich gerade mit seiner Militärkonvention definitiv an die Seite Preußens gestellt und damit an die Spitze der Partei, die die deutsche Einigung unter Preußens Führung anstrebe. Zwar stehe er damit momentan allein unter den deutschen Fürsten33, aber im Falle eines Krieges oder einer politischen Umwälzung werde er sicher Vorteile aus dieser entschlossenen Initiative ziehen. Es gebe sogar schon Partisanen, die ihn gerne zum deutschen Kaiser krönen würden. Auf dem Sängerfest von Nürnberg, an dem über 5.000 Sänger teilnahmen, habe der Herzog seine Hymne »An die deutsche Trikolore« aufführen lassen34, die zwar nur mäßigen Erfolg gehabt, aber dafür den Namen des Herzogs in aller Munde gebracht habe. Franz Liszt und Ernst II. sind einander oft begegnet. Während Liszt sich wohlwollend mit der Musik des Herzogs beschäftigte und wohl auch die bevorzugte Behandlung bei Hofe genoss, ließ sich Ernst II. gerne beraten und hörte auf Empfehlungen und Bitten des berühmten Musikers. Eine tiefe Verbundenheit ist bei beiden dennoch nicht zu spüren, das liest sich aus Liszts distanzierten Beurteilungen des Herzogs ebenso heraus wie aus dessen nachdrücklicher Aussage, bei Franz Liszt handele es sich ja nur um einen Virtuosen, nicht um einen Komponisten35. Doch im Grunde hatten sie vieles gemeinsam  : Beide waren weltgewandt, reisten viel und hatten mehr von der Welt gesehen als die meisten ihrer Zeitgenossen. Beide waren sie rastlose Charaktere, die ständig in Bewegung sein mussten. Beide hatten offenbar ein Problem damit, sich über längere Zeit konzentriert einer Sache zu widmen36. Über Liszt berichtet dies seine langjährige berichtet darin, er habe sich ein Wochenende lang in Reinhardsbrunn aufgehalten. 33 »Il s’entend de soi que jusqu’à présent les autres souverains allemands, grands et petits, protestent contre de pareilles innovations, et que le Duc de Cobourg reste seul de son bord.« (Liszt, Briefe, Bd. 4, S. 216). – Später im selben Brief erwähnt Liszt auch, dass sich zwischen dem Herzog und dem Großherzogspaar (in Weimar) die Stimmung weiter verschlechtert habe. 34 Liszt erhielt nach eigenen Angaben vom Herzog selbst ein Exemplar der Hymne. 35 Aus dem bereits erwähnten Vortrag Ernsts II. zur »Geschichte der Musik« (StACo LA A 7389, f. 51)  : »Die vielen modernen Leute, welche für Clavier und einzelne Instrumente zu componiren verstanden, übergehe ich mit Stillschweigen. – Sie sind meist Virtuosen, aber keine Componisten  ; unbedingt möchte ich dieses Urtheil auch über Franz Liszt aussprechen.« 36 Über Ernst II. sagt das beispielsweise Gustav Freytag (s. im Abschnitt zu Freytag). Auch die schnelle Kompositionsweise spricht für Ernsts Ungeduld bei der Arbeit, für eine Ausarbeitung der Orchestrierung fehlte ihm wohl eher die Geduld als die Befähigung.

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Partnerin, die Fürstin von Sayn-Wittgenstein, die 1848 sogar ihren Mann für den Musiker verließ37  : »So habe ich für ihn zwölf Jahre lang gesorgt, immer mit meiner Arbeit in demselben Zimmer, sonst hätte er nie komponiert alles, was die Weimarsche Periode bezeichnet  ! Genie hat ihm nie gefehlt – aber Sitzfleisch (unschönes Wort, aber große Tugend) – und Fleiß, Arbeitsdauer. Wenn niemand ihm dabei hilft, so kann er nicht – und wenn er fühlt, daß er nicht kann – so greift er zu aufregenden Mitteln. Man muß bei ihm mit einer Arbeit sitzen, solang man will, daß er selbst arbeitet. Ohne eine solche ruhige, aber beständige, sanfte, milde, hingebende Frauengesellschaft kann er nichts Großes tun, nur feilen.« Ein bisschen erinnert diese Szene an die Schilderung38, wie Ernst II. stets im Beisein seiner Frau komponierte, die die lästige Schreib­ arbeit übernehmen musste. Beide Schilderungen sind wohl gleichermaßen verklärt und haben doch einen gemeinsamen Kern. Zu der ständigen Getriebenheit kam bei beiden auch der Zweifel und das Hinterfragen ihrer jeweiligen Lebensumstände, ihrer Gesellschaft wie auch der aktuellen Entwicklungen. Sowohl Ernst II. als auch Franz Liszt waren Führungspersonen – wenn auch auf unterschiedlichen Gebieten – und machten sich als solche Gedanken über die Zukunft ihres Landes und ihrer Kultur. Während der Herzog vor allem politisch dachte, räumte Liszt zeitlebens dem Religiösen einen großen Raum ein  ; beide jedoch waren sich einig über die Bedeutung der Kunst für die Gesellschaft. 1837 schreibt Liszt an George Sand (1804–1876)39  : »Der Künstler lebt heutigen Tags außerhalb der socialen Gemeinschaft  ; denn das poetische Element, nämlich das religiöse Element der Menschheit, ist aus unseren modernen Staaten verschwunden. Was haben sie, die das Räthsel menschlichen Glückes durch einige ertheilte Privilegien, durch eine unbegrenzte Ausdehnung der Industrie und egoistischen Wohlseins zu lösen suchen – was haben sie mit einem Dichter, was mit einem Künstler zu schaffen  ? […] Heutigen Tags ist die Kunst und Gesellschaft verbindende Sympathie, welche der einen Kraft und Glanz, der andern jene tiefen Erschütterungen verlieh, aus welchen große Dinge hervorgehen, zerstört. Die sociale Kunst ist nicht mehr und ist noch nicht.« Am Wiederaufbau dieser »socialen Kunst« eben versuchte Herzog Ernst II. – auf seine Weise – mitzuwirken40. 37 Zitiert nach Dömling, S. 81f. 38 Schreiber, S. 25. 39 Brief Liszts vom 30. April 1837 an die Lebensgefährtin Frédéric Chopins (Ramann, Bd. 1, S. 440). 40 Vgl. hierzu auch das Kapitel über Musik und Nation.

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Über Franz Liszt kam auch der Kontakt mit Richard Wagner zustande, der damals gerade im Schweizer Exil festsaß. Der Herzog wollte Wagner, einem politisch Verstoßenen, helfen, wie er es schon so oft bei anderen getan hatte. Andererseits hoffte er im eigenen Interesse darauf, dass Wagner im Gegenzug die Instrumentierung seiner Oper »Santa Chiara« übernehmen werde. Dabei war er geschickt genug einzusehen, dass der beste Weg über den diplomatischen Franz Liszt als Mittelsmann sei. Allerdings ahnte er nicht, dass einem derart egozentrischen, von seinem Werk besessenen Künstler wie Wagner eine Anstellung als Hofbeamter in keiner Weise erstrebenswert erschien. Der Plan Ernsts II., ausgerechnet Richard Wagner als Mitarbeiter an seiner vierten Oper zu gewinnen, konnte nur schiefgehen. Die Art und Weise, wie die Kommunikation in dieser Angelegenheit ablief, gibt aber auch Aufschluss über die Stellung der Personen zueinander, im offiziellen Gesellschaftsgefüge wie im künstlerischen Milieu. Richard Wagner (1813–1883) war nach mehreren kurzen Stationen als Chor- und Musikdirektor (Würzburg, Magdeburg, Königsberg, Riga) sowie dem gescheiterten Versuch, sich in Paris einen Namen zu machen (1840/41), 1842 nach Dresden gezogen, wo er 1843 Kapellmeister an der Hofoper wurde. Ab 1848 entstand eine enge Freundschaft zu Franz Liszt, der in denselben Jahren Hofkapellmeister im benachbarten Weimar war. Nach seiner aktiven Teilnahme an den Aufständen in Dresden im Mai 1849 wurde Wagner steckbrieflich gesucht und musste fliehen, er ließ sich in der Schweiz nieder. In den hier besprochenen Jahren 1853 und 1854 hielt Wagner sich vor allem in der Schweiz und in Italien auf, komponierte im September 1853 bis ­Januar 1854 die erste »Ring«-Oper »Rheingold« und besuchte im Oktober 1853 Franz Liszt in Paris, wobei er auch dessen Tochter Cosima, seine spätere zweite Frau, kennenlernte. Außerdem begann er 1854 mit den Entwürfen zu »Tristan und Isolde«. Nach einer Amnestie des sächsischen Königs durfte Wagner ab 1862 wieder ungehindert deutschen Boden betreten. Ab 1864 hatte er in König Ludwig II. (1845–1886) von Bayern einen wichtigen Förderer, dessen finanzielle Unterstützung 1876 auch die ersten Wagner-Festspiele in Bayreuth ermöglichte. Von 1866 bis 1872 lebte Wagner in Tribschen bei Luzern, wohin ihm Liszts Tochter Cosima, zuerst als Geliebte, dann als Ehefrau, folgte. 1872 zog Wagner nach Bayreuth, wo 1876 die ersten auf seine Werke ausgerichteten Festspiele stattfanden. Er starb am 13. Februar 1883 bei einem Aufenthalt in Venedig, angeblich nach einem heftigen Streit mit

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seiner Frau Cosima wegen des bevorstehenden Besuchs einer jungen Sängerin namens Carrie Pringle. Am 16. Februar 1853 trifft der Herzog in Weimar, wohin er eigens für die Erstaufführung des »Fliegenden Holländers« gereist ist, Franz Liszt. Diesem schlägt er vor, Richard Wagner um die Instrumentierung seiner Oper »Santa Chiara« zu bitten, wofür er ihm 500 bis 800 Taler bezahlen würde. Außerdem stellt er eine Anstellung Wagners als Hofkapellmeister in Gotha in Aussicht. Wenige Tage später, am 20. Februar 1853, schreibt Ernst II. an Franz Liszt  : »Bester Liszt, / Soeben erhalte ich durch Lampert Ihre an denselben gerichteten freundlichen Zeilen und ersehe mit Freuden daraus, dass Sie nicht abgeneigt zu sein scheinen, den Vermittler zwischen mir und Kapellmeister Wagner zu machen. Wenig Worte werden hinreichen, um Ihnen die Motive zu dem ausgesprochenen Plan zu erklären, wodurch eine mündliche Besprechung der Angelegenheit sehr erleichtert werden wird. Laissez-moi parler franchement  : Ich habe entschiedene Lust und hinreichende Wärme des Gefühls und, um mich auf Ihr eigenes Urtheil zu beziehen, einiges Talent und musikalischen Blick, um nicht selbst bedauern zu müssen, nur Mittelmässiges dem Publikum zuzuführen  ; ich bin ebenso scharfer Kritiker gegen andere, wie gegen mich  ; ich kenne daher die Mängel der drei Opern, die ich componirt, sehr genau. Jene Mängel beruhen in der Hauptsache in den ungenügenden Libretto’s. Die Handlung ist zu wenig interessant, die Versification trocken, und wahre, das Publikum ergreifende Effecte sind beinahe gar nicht zu finden. Andrerseits ist die Instrumentation überladen, ja oft geistlos, weder dem Gedanken des Dichters, noch dem Gefühl des ursprünglichen Componisten angepasst. Pour dire la vérité, war unser vortrefflicher Lampert nie à la hauteur meiner Gedanken und wusste bei aller technischen Fertigkeit alles Geniale zu verflachen, mit einem Wort, die Musik uninteressant zu machen. Er änderte, was er nicht verstand, und besserte dabei nicht. Allem diesen muss nun abgeholfen werden. Ich habe zu dem Ende die dicke Birch veranlasst, mir ein Libretto zu fertigen  ; ich habe es überarbeitet, so dass es jetzt mit ihrem Einverständniss mir für die Composition mundgerecht vorliegt. Die Handlung ist in drei Acte spannend zusammengedrängt  ; die Verse sind fliessend und dem Text entsprechend. Ich habe auch bereits über die Hälfte des ersten Actes fertig. Nun tritt die grosse Frage in Bezug auf die Instrumentation hervor. In keiner Weise habe ich Lust, diese schwere Aufgabe Lampert oder einem unbedeutenden Componisten zu übertragen  ; wer liesse sich aber besser vorschlagen, als unser genialer Wagner  ? Hier handelt es sich also nur darum, ob er geneigt ist, den bereits fertigen Musikstücken die Instrumentation anzupassen und, so zu sagen, die letzte Hand

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an’s Werk zu legen. Für ihn dürfte es ein Leichtes sein, und wenn er nicht zu viele Änderungen haben wollte, so bin ich dann mit Freuden erbötig, seinen Angaben zu folgen. / So viel ich höre, soll Wagner wenig beschäftigt und nicht in den brillantesten Umständen sein. Vielleicht kommt es ihm gelegen, in wenig Monaten 100 Ld’or41 zu verdienen  ; für so viel würde ich gern seine Arbeit honoriren. Alles dies ist jedoch Nebensache, wenn es ihm im Ganzen Freude macht, an einem Werk Theil zu nehmen, das ja doch nicht seinen Namen tragen dürfte. Vous comprenez bien ce qu’il y a de délicat dans cette question. / Obgleich ich Wagner kenne, so glaubte ich doch sicher zum Ziel zu kommen, wenn ich mich Ihrer, geehrter Freund, als Mittelsperson bediente  ; denn Sie müssen es sich schon gefallen lassen, dass wir Sie mehr oder minder auch als den Unsrigen betrachten. Wenn Sie Zeit haben, so kommen Sie doch im Laufe dieser Woche herüber zu uns  ! Steigen Sie bei mir ab, lassen Sie mich aber den Tag Ihrer Ankunft zuvor wissen. / Leben Sie wohl  ! / Ihr ergebener Ernst.«42 Liszt leitet »diese sehr delikate und verhängnißvolle Frage« tatsächlich an Wagner weiter und rät ihm nichts Konkretes43. Er betont zwar, dass er selbst nie auf die Idee gekommen wäre, Wagner einen derartigen Vorschlag zu machen, gibt aber auch den Hinweis, dass man das vom Herzog angebotene Honorar »vielleicht auf 1.000 Taler maximum herauftreiben« könne. Jedenfalls bittet er Wagner um einen »diplomatischen« Brief, der so geschrieben sei, dass er ihn auch an den Herzog weiterleiten könne. Dabei deutet er an, dass sich Wagner bei einer Ablehnung ja auf seine angegriffene Gesundheit sowie seine intensive Beschäftigung mit dem »Ring der Nibelungen« berufen könne. Wagner antwortet am 3. März 1853 aus Zürich44  : »… Nun – – Du hast ja – – Hoffnungen  ! – Ich seufze dazu für Dich und mich  ! – / Doch – das Alles führt mich für den Zweck dieser flüchtigen Zeilen zu weit. – Morgen schreibe ich Dir – mit gehöriger Muße und Ruhe – den ›diplomatischen‹ Brief. Du sollst mit ihm in jeder Hinsicht zufrieden sein  ; wie wohl ich Dir versichere, es kostet mich einige Ueberwindung, um mich auf den richtigen Standpunkt zu stellen, von dem aus ich des Herzog’s Anerbieten nicht gedankenlos und schmerzlich beleidigend, sondern – wie es in Wahrheit wohl ist – im Grunde gut gemeint, wenn auch unter allen Umständen unannehmbar, aufzufassen vermag. […] Jedoch, wie gesagt – von dieser Bitterkeit soll in meinem Morgenden Briefe 41 Louisd’or  : eine französische Goldmünze. Preußisches Äquivalent  : Friedrichsd’or. 42 Lipsius, Hervorragende Zeitgenossen, S. 265f. 43 Brief Liszts an Wagner vom 26. Februar 1853 (Wagner, Werke, Schriften und Briefe, 29255). 44 Wagner, Briefe, Bd. 5, S. 209–212.

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nicht eine Spur zu lesen sein  ; – denn überlege ich mir’s recht, so erscheint mir der Herzog bei seinem Anerbieten nur als ein sehr gutmüthiger, in seiner Art nobler und vorurtheilsloser, wenn auch etwas eitler und dilettantenhaft unüberlegter Mensch.« Der »diplomatische« Brief, den Wagner dann wirklich am nächsten Tag zu Papier bringt, ist zwar an Liszt adressiert, aber natürlich für die Augen und Ohren des Herzogs formuliert45  : »Werthester Freund  ! / Sehr überrascht hat mich der Antrag des Herzog’s von Coburg, seine nächste Operncomposition von mir instrumentiren zu lassen. Da hiermit das Anerbieten einer namhaften Summe als Honorar für die verlangte Arbeit zusammenhängt, und ich füglich annehmen darf, daß es S.K.H. sehr leicht fallen würde, statt meiner wohl einen noch namhafteren Meister der Kunst für die Aufgabe zu gewinnen, so irre ich gewiß nicht, wenn ich glaube, es rühre dieser Antrag zunächst von dem wohlgeneigten Wunsche her, mir in meiner gegenwärtigen Lage eine erfreuliche Unterstützung zukommen zu lassen. […] Da ich bei meinem jetzigen Gesundheitszustande mit keiner Arbeit mich anhaltend beschäftigen kann – so daß ich nach zwei Stunden Schreibens mich für den großen Rest des Tages ganz davon zurückziehen muß, stieg mir bei dieser neuesten Erfahrung, wie sehr das Partiturschreiben mich anstrenge, die höchst traurige Vorstellung auf, wie viel Zeit ich wohl gebrauchen würde, um dereinst noch meine Nibelungen-partituren auszuführen  ? […] An die Uebernahme einer solchen Arbeit, wie sie mir nur der Herzog vorschlägt, kann ich aber gar nicht denken  ; sie würde mich bei meiner sorglichen Stimmung in Bezug auf mein eigentliches Lebensvorhaben – der Ausführung meiner Nibelungenpartituren – nicht nur moralisch tief herabdrücken, sondern bei der Nothwendigkeit der Einhaltung einer gewissen gegebenen Zeit für die Vollendung jener Partitur auch physisch gänzlich zu Grunde richten. / Somit ist von meinem Wollen oder Nichtwollen keine Rede […]«. Einen ganz anderen Tonfall aber schlägt Wagner in seinem zeitgleich an Liszt – und wirklich nur an Liszt – geschriebenen Brief an46  : » […] bei meinem Wesen kann ich aber nun einmal nicht anders, als alles mir begegnende nach seiner gründlichsten, inhaltlichen Bedeutung zu ermessen, und sehr schlecht kommt hierbei der opernschreibende und mich zum instrumentiren seines Quarks engagirende regierende Herzog von Koburg weg  ! – Schon sehe ich mich im Geiste als seinen Kapellmeister  ! (denn dafür brach ich mit Gott und aller Welt, um endlich mit Frau Charlotte Birchpfeiffer in einem coburgischen 45 Wagner, Briefe, Bd. 5, S. 213f. 46 Wagner, Briefe, Bd. 5, S. 215–217.

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Schlosse gemeinschaftlich herzogliche Opern zu fabriziren  !« Im Weiteren betont Wagner (im Nachhinein wenig glaubhaft), er wolle sowieso am liebsten dauerhaft in der Schweiz bleiben, um dort Ruhe und Natur zu genießen. Liszt, der nichts anderes von Wagner erwartet hatte, leitet dessen Absage an den Herzog weiter, der erstaunlicherweise nicht gekränkt reagiert47. Der Herzog48, der den wahren Wert des »ominösen Briefes« durchaus durchschaut hat, äußert zwar sein Bedauern, scheint aber völlig überzeugt davon, dass »Wagner moralisch und körperlich krank« sei, und will nun versuchen, »auf eigenen Füßen zu stehen«49. Liszt berichtet50, der Herzog habe den Brief »auf ganz freundliche und liebenswürdige Weise« beantwortet und hinzugefügt  : »On verra ce qu’on pourra faire pour lui plus tard«51. Obwohl er das Angebot scheinbar so leichtfertig abgelehnt hatte, vergaß Wagner diese Angelegenheit nie. In einem Brief aus dem Jahr 187652 philosophiert der herzogliche Mitarbeiter Traugott Krämer (1818–1884) darüber, dass die Instrumentation von »Santa Chiara« von der Hand Wagners wohl besser gewesen wäre  ; aber jener habe die Arbeit ja abgelehnt  : »Noch unlängst erwähnte Wagner in Bayreuth gegen mich dieser alten Geschichte.« In seiner Autobiografie »Mein Leben« ergänzt Wagner die Episode um einen witziggehäs­sigen Zusatz53  : »Sonderbar war es, daß der Herzog von Coburg etwa um dieselbe Zeit, ebenfalls durch Liszt, mich gegen eine Zahlung von 900 Talern zur Instrumentation einer von ihm zu komponierenden Oper auffordern ließ, und zwar wollte mein großmütiger Arbeitsbesteller es sogar übernehmen, trotz meiner Lage als Geächteter mich in sein Schloß nach Coburg kommen zu lassen, wo ich mit ihm, dem Komponisten und Frau Birch-Pfeiffer, der Dichterin, eingeschlossen, das neue Werk fördern sollte. Liszt erbat von mir natürlich sich weiter nichts als einen anständigen Vorwand zur Ablehnung dieses Antrags, 47 Der Herzog wandte sich ja dann sogleich mit ähnlicher Naivität an Meyerbeer, den er über Charlotte Birch-Pfeiffer anfragen ließ (s. im Exkurs zu Birch-Pfeiffer). 48 Einen Briefentwurf von Ernst II. an Liszt vom 17. März 1853 zitiert Loos 1996, S. 23. Zum Folgenden. 49 Der Herzog will einen fertig instrumentierten Akt dann Liszt zur Begutachtung zusenden, um danach zu entscheiden, ob man sich noch einmal an einen »Auswärtigen« wenden müsse (Loos 1996, S. 23). 50 Brief Liszts vom 25. März 1853 an Richard Wagner (Wagner, Werke, Schriften und Briefe, 2927). 51 »Man wird sehen, was man später noch für ihn tun kann.« 52 Brief Krämers vom 17. September 1876 an den Intendanten (StACo LA A 7363, f. 79–80). Zum Folgenden. 53 Wagner, Mein Leben, S. 477.

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wofür er aber doch für gut hielt, mir ›körperliche und geistige Verstimmung‹ anzuraten. Später erzählte mir noch mein Freund, daß den Herzog zu dem Wunsche meiner Mitwirkung an seiner Partitur namentlich meine gute Anwendung der Posaunen bestimmt habe  ; als er hierfür von Liszt die Mitteilung meiner Maximen sich erbat, habe ihm dieser erwidert, das Besondere hierbei wäre, daß, ehe ich für die Posaune schriebe, mir immer etwas einfiele.« In einem wohl von Ernst II. gehaltenen Vortrag über Musikgeschichte54 wird Wagner differenziert, im Detail eher negativ, aber insgesamt als bedeutsame Erscheinung beurteilt  : »Nun endlich zu Wagner. Seine Leistungen gehören drei Perioden an  : die erste ist die, in der er italienisch und französisch und auch etwas deutsch schrieb  ; (Rienzi und mehrere andere jetzt vergessene Opern)  ; die zweite, in der er seine eigenen Melodien wieder reproducirt, läutert, Weber mehr als in der ersten ausbeutet und bei seinem Talent in der Behandlung des Ensemble’s und in der Instrumentirung, Werke schafft, die auf Laien wie Musiker einen gewaltigen Zauber ausüben. – (Tannhäuser, Lohengrin, fliegende Holländer, Meistersinger.) – / In der dritten Periode verläßt er den objectiven Standpunkt, wird rein subjectiv Wagner und sucht durch Reclame und Intriguen aller Art sich uns als musikalischen Reformator zu octroyiren. Er stellt Regeln auf, die er an vielen Stellen selbst nicht befolgt, und erfindet Prinzipien blos um den gänzlichen Mangel eigener Melodienerfindung dahinter zu verbergen  ; er will uns etwas Neues zeigen und zeigt uns nur das corrumpirte Alte. – Aber er hat Glück in allen Dingen. / Zuerst wüthet er gegen Monarchieen und Souveraine  : ein großmüthiger König bereitet ihm eine sorgenfreie glänzende Existenz. Er schreibt ein Pasquill gegen die Juden, und das Judenthum in u. außer der Musik huldigt ihm nur um so eifriger, durch Journalartikel und Ankauf von Bayreuther Promessen. / Er beweißt in einer Broschüre, daß alle Hofkapellmeister und Directoren Handlanger sind, denen er nicht ein einziges Tempo seiner Opern anvertrauen könne  ; und siehe da, unsere Hofkapellmeister und Dirigenten gründen Wagnervereine und werben Truppen für Bayreuth. Opernsänger und Directoren, deren Leistungen er in seinen Schriften auf das grausamste hingerichtet, drängen sich auf seine Wege, beten ihn an u. sind durch einen Gruß entzückt. – / Dennoch ist Wagner ein merkwürdiger Mann von erstaunlicher Arbeitskraft und Arbeitslust, von Energie und Thätigkeit beherrscht. […] Seine Principien und die Werke seiner 3. Periode werden unsterblich  ; aber er hat uns, Laien wie Componisten, viel Neues und Schönes gezeigt und vor Allem den letzten Rest des Zopfes aus dem vorigen Jahrhundert endgültig uns von dem Rocke gestreift.« 54 StACo LA A 7389. Zum Folgenden f. 52v–54v. Leider ohne Datum.

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Ein weiterer Hinweis auf Ernsts ungebrochenen Respekt für Richard Wagner ergibt sich auch aus einem Brief Liszts vom Dezember 1858, wenige Wochen nach der Premiere von »Diana von Solange«55. Darin schreibt Liszt an Wagner in der Pose des erfahrenen Beraters  : »Von Seiten des Komponisten der Oper ›Diana von Solange‹ steht Dir eine Dedikation bevor. Nimm sie freundlich auf, wenn Du Dich auch dabei in der etwas befremdenden Gesellschaft Meyerbeers befindest. Der Komponist, Schwager der Großherzogin von B. – ist Dir im übrigen sehr wohlwollend gesinnt, wovon ich kürzlich einen sehr überzeugenden Beweis erhalten. – Bis Dir die Dedikation nicht zukömmt, laß darüber nichts verlauten. Später wird es wahrscheinlich angemessen sein, daß Du dem Herzog ein paar Zeilen schreibst.« Die Antwort Wagners vom letzten Tag des Jahres 185856 fällt derart emotional und gehässig aus, dass selbst der gutmütige Liszt anschließend kurzangebunden den Kontakt abbricht57. Wagner, wieder einmal mit dem Geld am Ende, schreibt am Silvesterabend in genervt-überheblichem Ton  : »Du sprichst über mich viel zu zart mit den Leuten. Sag Ihnen, Wagner macht sich den Teufel aus Euch, Euren Theatern und seinen eignen Opern  ; er braucht Geld  ; das ist alles  ! Hast denn auch Du mich nicht verstanden  ? Habe ich Dir denn nicht deutlich und bestimmt gesagt, daß ich um jeden Preis mir Geld zusammenzutreiben suche  ? Dich nicht gebeten, in Coburg usw. meine Opern (Lohengrin oder fliegenden Holländer) zu vermitteln  ? Um Gottes willen, was soll ich mit Diana de Solanges machen  ? Muß ich solche offenbare Verspottung von Dir erleben  ? […] Nirgends her sehe ich einer bestimmten Einnahme entgegen. – Und nun erhalte ich – – Diana de Solanges  ! Es ist, um verrückt zu werden  ! Ich sehe, Du kennst die Not gar nicht – Glücklicher  ! – […] Und glaube nie, daß ich Querelen mit Dingelstedt, Herzog oder sonstwem wirklich ernst nehme. Ich brauche von der Welt nur Geld  : sonst habe ich alles.« Völlig konträr stellt Wagner dieselbe Geschichte übrigens am 16. Januar 1859 in einem Brief an seine Frau Minna dar58, der er den Herzog als einen Hoffnungsträger für seine persönlichen Aussichten schildert  : »[Liszt] deutet mir dabei nur an, dass der Herzog von Coburg – der mir – ganz unter uns gesagt  ! – seine neue Oper dedizieren will (!  !  ?  ?) – sich kürzlich sehr ernst über meine Lage berathen hat, 55 Brief Liszts an Wagner vom 26. Dezember 1858 (Wagner, Werke, Schriften und Briefe, 29879). 56 Brief Wagners an Liszt vom 31. Dezember 1858 (Wagner, Werke, Schriften und Briefe, 29881). 57 Vgl. Brief Liszts vom 4. Januar 1859 (Wagner, Werke, Schriften und Briefe, 29895). Wagner entschuldigt sich umgehend in einem Brief vom 7. Januar 1859. 58 Brief Wagners vom 16. Januar 1859 (Wagner, Werke, Schriften und Briefe, 14291).

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und – wie es scheint – Maassregelen (vielleicht bei dem Bundestage) in Angriff genommen hat, die Liszt eben mit so grosser Zuversicht erfüllt haben.«59 Es klingt wie eine verkürzte Wiederholung der Geschichte von 1853  : Der Herzog nähert sich dem großen Komponisten in freundlicher Verehrung, doch jener stößt ihn aufs Gröbste zurück. Hätte nicht Liszt als Puffer zwischen den beiden gestanden, hätte Ernst II. sicher seine Meinung über Wagner geändert. Doch aller Distanz zum Trotz, die Wagner zwischen sich und den Herzog legt, zögert er kein bisschen, immer wieder Hilfe und Unterstützung zu fordern und zu erwarten60. So erwärmt sich der chronisch über seine Verhältnisse lebende Komponist spätestens ab 1849 immer wieder für die Idee eines »Fürstenbundes«, der ihn – natürlich bei völliger Unabhängigkeit – finanziell unterstützen solle, damit er sich ohne Sorgen ganz seinem Werk widmen könne. Dabei nennt er explizit immer wieder den Namen des Coburger Herzogs61. Liszt verspricht anfänglich62, bei Ernst II. anzufragen, und bezeichnet ihn in diesem Zusammenhang als einen intelligenten Fürsten, mit dem er durch die Musik verbunden sei63. Übrigens hofft Wagner auch bei seinem (letztendlich aufgegebenen) Plan einer heimlichen Reise zur Aufführung von »Lohengrin« in Weimar 1850 auf eine Unterstützung durch den Herzog64. Richard Wagner und Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha waren zwar verbunden durch ihre Leidenschaft für das Musiktheater, ansonsten aber in allem verschieden65. Während der eine nur sich selbst sah, wirkte der andere als Netzwerker, Förderer und Initiator. Während Wagner keinerlei soziale Verantwortung übernahm und durch sein Auftreten wie auch seine poli59 Kurze Zeit später wollte Wagner sogar selbst eine Petition an den Bundestag schreiben (Brief Wagners vom 25. Januar 1859 an seine Frau Minna  ; in Wagner, Werke, Schriften und Briefe, 14352). 60 Zu diesem widersprüchlichen Verhalten Wagners vgl. auch Loos 1996, S. 22f. 61 Dieses Thema wurde im Briefwechsel Wagner-Liszt mehrfach besprochen. Vgl. z. B. den Brief Wagners an Liszt vom 18. Juni 1849 (Wagner, Sämtliche Briefe, Bd. 3, S. 81–83), in dem Wagner neben Ernst II. auch die Großherzogin von Weimar sowie die Prinzessin Augusta von Preußen als mögliche Unterstützer nennt. 62 Brief Liszts an Wagner vom 28. Oktober 1849 (Wagner, Werke, Schriften und Briefe, 28907f.). Zum Folgenden. 63 »Par son intélligence supérieure, et sa prédilection personelle pour la Musique, je trouverai plus facilement accès auprès de lui.« 64 Brief Wagners vom 2. Juli 1850, in dem er seinen Plan schildert  ; sowie Antwort Liszts, der dieses Vorhaben als »vollständige Unmöglichkeit« bezeichnet (Wagner, Sämtliche Briefe, Bd. 3, S. 343–348). 65 Hierzu auch Loos 1996, S. 28.

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tischen Äußerungen (Antisemitismus) eine polarisierende Wirkung entfaltete, war das Leben Ernsts II. dem Streben nach Versöhnung innerhalb Europas und der Vereinigung Deutschlands gewidmet. Dass der Herzog die Absage Wagners im Jahr 1853 trotz aller Gegensätze nicht übel nahm, sieht man auch daran, dass Wagner nach Meyerbeer in der Regierungszeit Ernsts II. der meistgespielte Komponist am Coburg-Gothaer Hoftheater war66. Der Herzog, der ja stets persönlich den Spielplan seiner Bühne (mit)bestimmte, sah und hörte Wagners Opern oft67. In der Amtszeit von Meyern-Hohenbergs als Intendant 1864/65 war »Der Fliegende Holländer« die meistgespielte Oper68, unter den Intendanten Tempeltey (1868–74) und Becker (1874–88) blieb Wagner der meistgespielte Komponist69. Noch unter Paul von Ebart (1889–1893) stand Wagners »Lohengrin« an Platz drei der Musiktheaterstücke70. Wagners »Tannhäuser« war unter den drei meistgespielten Opern in Coburg-Gotha zwischen 1827 und 1893 (wie übrigens auch im Stadttheater Frankfurt am Main sowie im königlichen Hoftheater Berlin)71. Der »Tannhäuser« war am 25. Dezember 1854 die erste Wagner-Oper, die am Coburger Hoftheater gespielt wurde. Die Partitur war im selben Jahr für 20 Friedrichsd’or aus Dresden bezogen worden72. Eigentlich hätte »Rienzi« das erste Bühnenstück Wagners unter der Regierung Ernsts II. werden sollen, er ließ die Oper gleich nach seinem Amtsantritt 1844 bestellen73. Zur Coburger Erstaufführung kam es dann aber erst am 9. Dezember 1860. Der so beliebte »Fliegende Holländer« hatte am 4. Dezember 1864 in Coburg Premiere, während »Lohengrin« nicht – wie von Wagner erhofft74 – schon 1861, sondern erst 66 Diese Daten (S. 317) sowie die folgenden aus dem Buch von Heinz 1999. Außerdem grundlegend zum Folgenden  : Potyra, Coburgs Theater und Wagners Werke. 67 Wagner schrieb am 26. Oktober 1858 an Liszt, dass er in Coburg »so auffallend vernachlässigt werde« (Wagner, Werke, Schriften und Briefe, 29858). 68 Heinz 1999, S. 227f. 69 Heinz 1999, S. 254f. 70 Heinz 1999, S. 290. 71 Heinz 1999, S. 310. 72 Vgl. zum Folgenden auch die Briefe Wagners in der Landesbibliothek Coburg (LBC Ms 299/5 bis 10a), in denen es vor allem um Honorarverhandlungen geht. Wagner verlangte aus Geldnot meist Vorauskasse. Weiterer Schriftwechsel hierzu in StACo Theater 292. 73 Er hatte kurz zuvor eine gut besetzte Aufführung dieser Oper in Dresden gesehen  ; was ihn wahrscheinlich zur Anschaffung des Werkes für sein Theater veranlasste (vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 27f.; Potyra, Coburgs Theater und Wagners Werke, S. 9). 74 Wagner hatte sogar das Honorar aus Coburg schon seiner Frau Minna versprochen (Brief

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am 29. September 1867 hier über die Bühne ging. Alle weiteren Erstaufführungen von wagnerschen Opern fanden dann erst nach dem Tode des Komponisten statt  : »Die Meistersinger« am 2. Dezember 1888 (in Anwesenheit Cosima Wagners sowie einiger Mitglieder des Bayreuther Aufsichtsrates75), »Tristan und Isolde« am 5. November 1899 und der »Ring« vollständig erst in der Saison 1906/07, wobei die »Walküre« schon am 21. November 1886 gespielt worden war. Für ein mittelgroßes Theater spielte das Hoftheater Coburg-Gotha ­relativ viel Wagner76. Dies wurde ermöglicht durch eine Anpassung der in jeder Hinsicht umfangreichen Partituren dieser Opern an die vor Ort gegebenen Verhält­nisse77. Aus Eintragungen im Coburger Notenmaterial werden Bearbeitungen78 folgender Wagner-Opern sichtbar  : »Der fliegende Holländer« (LBC TB Op 281), »Lohengrin« (LBC TB Op 297), »Das Rheingold« (LBC TB Op 472), »Rienzi« (LBC TB Op 212), »Siegfried« (LBC TB Op 481), »Tannhäuser« (LBC TB Op 244), alle eingerichtet von Ernst Lampert79  ; »Die Walküre« (LBC TB Op 370), »zusammengezogen« von Emanuel Faltis  ; und »Götterdämmerung« (LBC TB Op 480), eingerichtet von Alfons Abbas. Es wurden Kürzungen (Dauer des Werkes) und Beschneidungen (Bläser­ besetzung) bzw. Abänderungen (Streicher) vorgenommen, damit die große Musik auch in den kleinen Coburg-Gothaer Orchestergraben passte80. Eine fünfstündige Aufführung hätte das Publikum in Coburg und Gotha gleichermaßen überfordert, also wurden die Stücke auf die übliche Dauer von ca. 2,5 Stunden gekürzt. Acht Hörner oder zwölf Trompeten – beispielsweise – standen in der Wagners vom 26. August 1861 an seine Frau Minna  ; in  : Wagner, Sämtliche Briefe, Bd. 13, S. 198f.). Am 16. September 1861 meldet er ihr dann die Nachricht aus Coburg, dass man »Lohengrin« diesen Winter noch nicht geben werde (Wagner, Sämtliche Briefe, Bd. 13, S. 218). 75 Am 20. November 1888 bat Intendant Rekowski um eine Verschiebung der eigentlich für den 25. November geplanten Erstaufführung der »Meistersinger«, damit Cosima und die anderen »Bayreuther« daran teilnehmen könnten (StACo Theater 124, f. 32 blau). 76 So auch Heldt, S. 130. 77 Hierzu viele Details bei Heldt. 78 Diese gehen über geringfügige Änderungen im Rahmen des Üblichen hinaus. Das Material zu »Tristan« (LBC TB Op 440) ist unvollständig, daher kann hier keine Aussage getroffen werden. Die Eintragungen in den »Meistersingern« (LBC TB Op 381) erscheinen nicht bedeutend. 79 Zu Lamperts Einrichtung des »Tannhäuser« gibt es einen Brief von ihm vom 23. Juli 1854 aus Gotha (StACo Theater 292, f. 225–227), in dem er die Oper als ein »Meisterwerk erster Größe« bezeichnet und ihre Aufführung am Hoftheater zu einer »Nothwendigkeit« erklärt. 80 Auf eine sehr detaillierte Untersuchung der »Coburger Fassungen« muss hier aus Platzgründen verzichtet werden. Die Grundsätze, nach denen in die Werke eingegriffen wurde, werden aufgezeigt.

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Hofkapelle einfach nicht zur Verfügung (und hatten im Orchestergraben auch gar keinen Platz), seltene Instrumente wie Serpent und Ophikleide konnten nicht immer zusätzlich besetzt werden. Und so wurden die Bläserstimmen auf die vorhandene größtmögliche Besetzung reduziert und zusammengelegt. Dabei wurden manche Stimmen in andere Instrumente verlegt (Piccolo → Flöte, Horn → Klarinette usw.), Verdoppelungen grundsätzlich aufgehoben und im Notfall Stimmen über verschiedene Instrumente verteilt. Die Harmonien blieben dabei immer korrekt erhalten. Natürlich hatte dies nicht unbeträchtliche Auswirkungen auf den Klang – insbesondere im Bläserbereich. Dass man dies aber nicht leichtfertig in Kauf nahm, wird an den Änderungen in den Streichern sichtbar  : Da in der Coburg-Gothaer Hofkapelle viel weniger Streicher zur Verfügung standen als in größeren Orchestern (meist nicht einmal halb so viele), scheinen sich die bearbeitenden Kapellmeister um eine Verdichtung des Klanges bemüht zu haben, indem sie vor allem bei liegenden Akkorden die Mittellage stärkten. Bei »Tannhäuser«, der im selben Jahr seine Erstaufführung in Coburg erlebte wie »Santa Chiara« von Herzog Ernst II., orientierte man sich an der Dresdner Fassung, die Ernst Lampert dann noch für sein Theater etwas zusammenstrich81. In der Partitur des 1860 gespielten »Rienzi« beruft sich Lampert in einem Vermerk auf die Zustimmung Wagners zu seiner Reduktion der »überwältigenden Instrumentation«82. Eine besonders starke Anpassung erfuhr hier die Bühnenmusik83, die von 12 Trompeten, 6 Posaunen, 4 Ophikleiden, 10 Militärtrompeten, 2 Rührtrommeln und einem Glockengeläute auf 4 Trompeten, 2 Hörner, 3 Posaunen, Tuba und je eine Trommel und eine Glocke schrumpfte. Da »Rienzi« ja die erste in Coburg angeschaffte Oper von Richard Wagner war (Juni/Juli 1844), versuchte man in diesem Fall, die Einrichtung des Orchesterparts noch vom Komponisten selbst zu erhalten84. Dieser schreibt im Juli 1844 auf die 81 Material unter LBC TB Op 244. Vermerk in einem Klavierauszug  : »Clavierauszug eingerichtet nach der Aufführung in Dresden, mit der Partitur genau übereinstimmend, & nach besonderen Angaben des Componisten von E. Lampert«. 82 Material unter LBC TB Op 212. Handschriftliche Vermerke in der Partitur  : »Zur Aufführung auf den Herzoglichen Hoftheater zu Coburg. Richard Wagner« und »Eingerichtet, und um eine Aufführung auf dem Herzogl. Hoftheater zu Coburg zu ermöglichen, abgekürzt, sowie die überwältigende Instrumentation, theils nach Angaben des geschätzten Componisten, theils nach eigenem Ermessen gelichtet von E. Lampert.« 83 Hierzu näher Heldt, S. 130. 84 Vgl. hierzu die Briefe von Richard Wagner in der Landesbibliothek Coburg (LBC Ms 299/1 bis 4).

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entsprechende Anfrage hin85  : Für kleinere Bühnen seien seine Werke sowieso nicht gedacht, und mittlere Bühnen seien längst daran gewöhnt, große Opern für ihre Verhältnisse einzurichten, indem sie »hie und da Reduktionen in der Stärke der Besetzungen« vornehmen würden. Er sehe nur Schwierigkeiten bei der Besetzung der Hauptpartien, der Größe des Chores sowie der Militärmusik. Ansonsten müsse man das Werk nur ein wenig kürzen86. »Da der schöne Ruf der Herzoglichen Kapelle mir wohlbekannt ist, so habe ich im Uebrigen für die Aufführung meiner Oper nichts weiter anzuempfehlen, als den größtmöglichen Fleiß […]«. Zwar sandte Wagner Ende Juli 1844 aus Dresden tatsächlich eine Partitur von »Rienzi«, in der er Kürzungen sowie Hinweise zur Inszenierung eingetragen hatte87  ; allerdings hatte er sich erneut so widerspenstig gezeigt, dass in Zukunft gleich die Kapellmeister vor Ort die Arbeit übernahmen. Die »Coburger Fassungen« mögen manchem Wagner-Fanatiker respektlos erscheinen. Der gewaltige Klangapparat Wagners, der eigentlich immer über 100 Musiker zur korrekten Umsetzung benötigt, wird hier zusammengestrichen auf weniger als die Hälfte88. Doch für Wagner selbst hatte diese praktische Maßnahme die wichtige Konsequenz, dass seine Werke überhaupt gespielt wurden – und er damit Geld verdiente. Nach seinen eigenen Maßstäben konnte sowieso kein Theater seinen Opern wirklich gerecht werden, weswegen er schließlich sein eigenes Opernhaus bauen ließ – in Bayreuth. Zwischen Coburg und Bayreuth gab es im Hinblick auf die Wagner-Festspiele von Anfang an einige Verbindungen89. So wurde der 1834 bis 1841 als Solotänzer am Coburger Hoftheater tätige Richard Fricke (1818–1903) später als Ballettmeister nach Bayreuth engagiert. Der Bankier Friedrich von Feustel (1824–1891), 1856 Mitbegründer und langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender der Coburg-Gothaer Bank, fungierte lange Jahre als »Finanzminister« der Bayreuther Festspiele. Sein Schwiegersohn, Adolf von Groß (1845–1931), war später Vormund der wagnerschen Kinder und Sachverwalter des Hauses 85 Brief Wagners vom 10. Juli 1844 (LBC Ms 299/2). Zum Folgenden. 86 Amüsant mutet der Vorschlag Wagners an, doch Soldaten das Ballett übernehmen zu lassen. 87 Brief Wagners vom 31. Juli 1844 (LBC Ms 299/3). 88 Eine genaue Gegenüberstellung der Orchesterbesetzungen bei Held, S. 132  : 106 Musiker im Wagner-Original (davon 64 Streicher) gegenüber 47 Musikern unter Lampert in Coburg (davon 25 Streicher). 89 Eine wichtige Quelle für Informationen zu den Verbindungen der Wagners nach Coburg-Gotha ist ein Vortrag von Paul von Ebart (Intendant 1889–1893) aus dem Jahr 1924 (s. Ebart, Vortrag, LBC). Diesem Manuskript zugrunde liegende Zeitungsartikel finden sich auch in seinem Nachlass (StACo NL von Ebart 33).

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»Wahnfried«, was ihm den Spitznamen »Bismarck von Bayreuth«90 (Glasenapp) einbrachte. Sowohl er als auch sein Schwiegervater waren in den 1870er und 1880er Jahren oft zu Gast in Coburg. Zur Grundsteinlegung des Festspielhauses waren Mitglieder des Sängerkranzes Coburg sowie der Hofkapelle anwesend91. Bei einem Gastspiel des Coburg-Gothaer Hoftheaters im Bayreuther Markgräflichen Opernhaus im Jahr 1874 entdeckte der Dirigent Hans Richter (1843–1916) mehrere künftige Wagner-Sänger(innen). Und so wirkten an den ersten Bayreuther Festspielen 1876 mindestens zwei »Coburger«92 mit  : die Sopranistin Friederike Sadler-Grün (1836–1917) und der Bass Albert Eilers (1830–1896). Außerdem kam auch technisches Personal wie der »Obermaschinendirector« Otto Sperling (1876–1914 in Bayreuth) oder der Garderobier Ernst Fischer (1876) aus Coburg. Der Kontakt zwischen Hoftheater und Festspielhaus blieb auch in den kommenden Festspieljahren bestehen. Die wichtigste Verbindung zwischen den Wagner-Festspielen in Bayreuth und der Theaterstadt Coburg bestand jedoch durch die Theatermalerfamilie Brückner, deren Vater Heinrich (1805–1892) zunächst nur als Hofsänger, ab 1834 aber eben als Theatermaler in Coburg tätig war93. Dessen Söhne Max (1836–1919) und Gotthold (1844–1892) machten sich mit ihren Dekorationen in der Theaterwelt rasch einen Namen94. Franz Liszt, der 1854 in ­Gotha den »Tannhäuser« mit den Bühnenbildern der Brückners gesehen hatte, schreibt im Januar 1855 an Wagner95  : »Bei der ersten Aufführung des Tannhäusers in Gotha war ich zugegen. Kapellmeister Lampert hat sich viele Mühe gegeben, so auch Beer (Tannhäuser) und die Vorstellung war verhältnismäßig ganz befriedigend. Der musikalische Theil ist bei uns besser bestellt, anders aber verhält es sich mit der Ausstattung und den Decorationen, welche in ­Gotha weit geschmackvoller als in Weymar sind.« Den Empfehlungen folgend nahm Wagner im Jahr 1874 Kontakt mit den Brückners auf und ließ sie die 90 Vgl. Carl Friedrich Glasenapp  : Das Leben Richard Wagners. Bd. 5, S. 13. 91 Außerdem hat Wagner zu diesem Anlass die neunte Sinfonie von Beethoven möglicherweise aus einer Coburger Partitur dirigiert (vgl. LBC TB Sinf 9 und Heldt, S. 130). 92 Es handelte sich ja nicht um geborene Coburger oder Gothaer, sondern um (zeitweise) Mitglieder des Coburg-Gothaer Hoftheaters. Frau Sadler-Grün war 1875–77 hier engagiert, Herr Eilers 1865–1882. 93 Die beste Quelle für Informationen zur Familie Brückner ist das Buch von Fabian Kern aus dem Jahr 2010. Zum Folgenden. 94 Sie waren auch für die prächtige Ausstattung der herzoglichen Oper »Santa Chiara« verantwortlich. 95 Brief Liszts vom 25. Januar 1855 aus Weimar an Richard Wagner (Briefwechsel Wagner-Liszt, Bd. 2, S. 52).

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vom Wiener Maler Josef Hoffmann (1831–1904) entworfenen Skizzen ausführen96. Am 1. Dezember 1874 besuchte Wagner mit seiner Familie Coburg97  : Neben der Brückner’schen Werkstatt besuchte man auch das Theater, in dem die Posse »Registrator auf Reisen« gegeben wurde, sowie die Veste, die ihnen nach Aussage Cosimas besser gefiel als die Wartburg. »Richard Wagner sah in Max und Gotthold Brückner indessen zwei Künstlerpersönlichkeiten, die ihn sowie seine künstlerischen Intentionen verstanden und mit welchen er deshalb weiterhin zusammenarbeiten wollte. Daher ist es verständlich, daß Wagner die Ausstattungen sämtlicher Werke, die er als ›Mustervorstellungen‹ im Bayreuther Festspielhaus zur Aufführung zu bringen gedachte, von den Gebrüdern Brückner entwerfen und herstellen lassen wollte«98. Die 1882 von Max Brückner angefertigten Dekorationen für Wagners »Parsifal« (nach Skizzen des rusissch-deutschen Bühnenbildners Paul von Joukowsky, 1845–1912) wurden 1883 sogar extra nach München geschafft, für die Privatvorstellungen für ­König Ludwig II. im Mai 1884. Auch Wagners Ehefrau Cosima hatte – nach dem Tod ihres Ehemanns – so großes Vertrauen in das Können und Verständnis der Brückners für das wagnersche Werk, dass sie Ende 1887 die Entwürfe der Brückners für einige Änderungen der »Meistersinger«-Ausstattung unbesichtigt absegnete99.

96 Vgl. hierzu Kern, S. 96–105. 97 Hierzu existiert auch ein Eintrag im ersten Band von Cosimas Tagebüchern (Wagner, Werke, Schriften und Briefe, 36165). Auch zum Folgenden. 98 Kern, S. 150. 99 Kern, S. 168. – Ein weiteres Zeugnis des vertrauensvollen Verhältnisses ist der spätere Dankesbrief von Cosima Wagner an Max Brückner in den Kunstsammlungen der Veste Coburg (Autografensammlung).

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Zigeunerzauber: »Casilda«

Überblick

Die dritte Oper Herzog Ernsts II. sollte seine beiden vorigen Werke übertreffen. Er wollte sich verbessern und auf jeden Fall mehr Erfolg auf der Bühne haben. Möglicherweise wollte er auch gegen das verbreitete Vorurteil ankomponieren, seine gesellschaftliche Stellung sei der Grund für die Anerkennung seines künstlerischen Schaffens. Da er im Falle von »Tony« die Bedeutung des Librettos für das Gelingen einer Oper erkannt hatte, wandte er sich nun wieder an einen anerkannten Schriftsteller und Bühnenautor, dem er vertraute  : seinen Gothaer Hofdichter Heinrich Millenet, der unter dem Pseudonym »M. Tenelli« veröffentlichte. Auch beim Thema ging Ernst II. auf Nummer sicher und wählte einen Stoff aus dem Bereich der »Zigeuner­ romantik«. Die Verherr­lichung des angeblich so freien und naturverbundenen und damit nach roman­tischer Vorstellung zwangsläufig glücklichen Lebens der Zigeuner war ein beliebter Topos, der beispielsweise auch den herausragenden Erfolg des Schauspiels »Preciosa« von Pius Alexander Wolff (1782–1828) ausmachte. Die Oper trägt den Titel »Casilda« und hatte am 23. März 1851 in Gotha Premiere1. Als »große romantische Oper« ist sie in vier Akte aufgeteilt2 und enthält auch das obligatorische Ballett. Die Handlung ist in Sevilla und Umgebung angesiedelt3. Diese Gegend war Ernst II. nicht unbekannt, schließlich hatte er eine lange Reise durch Spanien und Portugal unternommen. Wie bei »Tony« hat er sich also auch hier ein Milieu gesucht, zu dem er einen persönlichen Bezug hatte. 1 In der Ankündigung der Premiere in der »Gothaischen Zeitung«, 160. Jg., Nr. 56, vom 20. März 1851 bleibt der Name des Komponisten unerwähnt. – Probentermine sind in einer Viola-­Stimme des Orchestermaterials (LBC TB Op 311) vermerkt  : »Erste Quartettpr. den 11. März 1851« usw., »3te Quartettprobe den 13. März 1851 […] im Beisein Sr. Hoheit des Herzogs Abends 8 Uhr«, Premiere am 23. März 1851 »bei überfülltem Hause«. 2 In der »Corno II«-Stimme des Orchestermaterials (LBC TB Op 311) ist folgende Aufführungs­ dauer angegeben (nach Akten aufgeteilt)  : 29 M(inuten), 33, 26, 36. Insgesamt dauerte die Oper also gute 2 Stunden. 3 Die folgende Zusammenfassung stützt sich auf das gedruckte Libretto  : »Casilda. Große romantische Oper mit Ballet in 4 Aufzügen von M. Tenelli. Musik von E. H. z. S. Für das k.k. Hoftheater nächst dem Kärntnerthore. Wien 1851«.

»Casilda« 

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Handlung und Vorlage

Zwei gesellschaftliche Gruppen werden einander gegenübergestellt. Auf der ­einen Seite die Adligen um Don Luis de Calatrava, Gouverneur von Sevilla, mit seiner Gattin Donna Anna. Auf der anderen Seite die Gruppe der Zigeuner um ihren Hauptmann Gomez, mit der hübschen und talentierten Casilda, der alle zu Füßen liegen. Bei ihnen beginnt auch die Handlung der Oper, mit einem fröhlichen Chor, der das Landleben verherrlicht  : »In den Bergen ist gut wohnen«. Als Casilda auf Wunsch ihres Verehrers Alfonso eine Romanze anstimmt (»Es saß ein Mägdlein sinnend«), erscheint zunächst unbemerkt Don Luis im Hintergrund, der nach Ende des – übrigens später auch von der Musik­kritik sehr gelobten – Liedes die Sängerin zu einem Fest in seinen Palast einlädt. Gomez wird eifersüchtig und versucht, das Engagement Casildas zu verhindern  : »Zigeunerweise grad’ und schlicht, die paßt für Eure Kreise nicht«. Alfonso dagegen bietet Casilda an, sie in die fremde Umgebung zu begleiten  : »Ich folge dir – du darfst nicht bangen.« Daraufhin entscheidet sich Casilda, mit Alfonso zu dem Fest im Gouverneurspalast zu gehen. Im anschließenden Monolog Alfonsos wird deutlich, warum er so wenig Scheu vor dem Palast hat  : Er stammt eigentlich auch aus Adelskreisen, ist ein entfernter Verwandter Donna Annas und hat sich nur den Zigeunern angeschlossen, weil er in Casilda verliebt ist (»… Es fesselt mich die Liebe an diesen Ort«). Umso glücklicher kann er sich schätzen, als ihm in der nächsten Szene auch Casilda ihre Liebe gesteht. Nur Gomez, an der Seite stehend (Terzett), ist über die glückliche Liebe der beiden nicht erfreut, er glüht geradezu vor Hass und Eifersucht  : »Nur mit Blut läßt er sich kühlen, dieser Hass, der mich verzehrt«. Er beschließt, um Casildas Liebe zu kämpfen. Der zweite Akt beginnt im Palast, mit einem Monolog der von widerstreitenden Gefühlen geplagten Donna Anna, deren Geburtstag groß gefeiert wird. In ihre Freude über das Fest mischen sich auch Gefühle der Nostalgie und Sehnsucht, denn offenbar hätte sie ursprünglich gerne Don Alfonso geheiratet (»An theure Ferne muss ich denken«). Nach dem fröhlichen Geburtstagswunsch des Chores »Liebeswünsche, Frühlingsblüthen« verkündet Don Luis sein ganz besonderes Geschenk  : einen Auftritt von Casilda. Diese tritt ein und stellt sogleich Alfonso als ihren Bräutigam vor. Donna Anna und Alfonso jedoch erkennen einander wieder, und als die Gouverneursgattin das Thema für Casildas Ballade nennen soll, gibt sie an  : »der Liebe Lust und Qual«. ­Casilda, die die Spannung zwischen Donna Anna und ihrem Alfonso bemerkt hat, singt eine intensive Ballade (»fanatico«) über das Verliebtsein und die Eifer-

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Zigeunerzauber

sucht (»Wie scheint mir der Himmel so düster«), wobei sie zu Alfonso blickt. Zum Höhepunkt »Liebe kann nicht theilen« zückt sie einen Dolch und mimt einen Scheinangriff auf Donna Anna, lässt sich dann aber in Alfonsos Arme fallen. Don Luis verlangt nach Tanzmusik (es erklingt ein Bolero4) und fordert Casilda auf. Während die beiden tanzen, verabreden sich Alfonso und Donna Anna zu einem heimlichen Stelldichein im Garten. Gomez, hinter einer Säule verborgen, hört alles mit an und schwört, sich am »Verräter« Alfonso zu rächen. Don Luis dagegen bietet dem Zigeunerhauptmann Geld dafür, wenn er ihn zu Casilda führe. Im abschließenden großen Finale singt jeder von seinen eigenen Gedanken. Dazu feiert der Chor die Sängerin  : »Heil Casilda  !« Der dritte Akt spielt im Garten bei Nacht. Gomez führt Casilda in den Garten, weist sie an, sich hinter einer Hecke zu verstecken und warnt sie vor einer bevorstehenden Enttäuschung (»… Bleib’ treu den Deinen, sonst drohet Unheil dir  !«). Dann zieht er sich zurück. Es erscheinen Donna Anna und Alfonso. Alfonso klärt seine frühere Freundin darüber auf, warum er vor einiger Zeit fliehen musste  : Er hatte gegen einen beleidigenden Herrn, Don Ruy d’Arcas, die Ehre Donna Annas verteidigt und damit einen der Lieblinge des Königs getötet. Vom Richter verurteilt, musste er fliehen. Ein Rascheln in der Hecke, das beide zunächst nur für einen Vogel halten (Duett »Es war die Nachtigall«), veranlasst Alfonso nachzusehen, ob sie belauscht werden. Als Alfonso sich entfernt, steht auf einmal Casilda vor der erschrockenen Donna Anna. Die Zigeunerin beschimpft und beschuldigt die adlige Frau, ihr alles genommen zu haben  ; doch Donna Anna scheint nicht zu verstehen, worum es geht. Plötzlich springt Alfonso hervor und entreißt Casilda den gezückten Dolch. Auf einmal erscheinen auch alle anderen auf der Szene und fordern Aufklärung  : »Was ist hier vorgegangen  ?« Gomez versucht im allgemeinen Durcheinander (Quintett plus Chor), Alfonso als den Schuldigen darzustellen, der Anna mit Gewalt ihre wertvolle Kette stehlen wollte. Alfonso stimmt dieser Lüge zu, da er versucht, Casilda zu schützen (»… Gerne bring’ ich, sie zu retten, selber mich als Opfer dar«). Don Luis lässt ihn sofort verhaften, und Gomez reißt Casilda mit sich fort. Zurück im Zigeunerlager beginnt der vierte Akt. Nach dem Morgengebet »Der sanfte Mond entweichet« ordnet Gomez die Vorbereitungen zum Aufbruch an. Seine Annäherung an Casilda scheitert wiederum. Der Chor treibt an zur Eile  : »Auf  ! Auf  ! In Sprung und Lauf«. 4 Der Bolero klingt hier nur kurz an  ; in Gänze erklingt das Ballettstück als Nr. 27 im vierten Akt.

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Die Szene wechselt ins Gefängnis des Palastes, wo Alfonso von Casilda träumt (Cavatina »Erwache neu, gestählter Muth«). Da erscheinen plötzlich Don Luis und Donna Anna und bringen dem Gefangenen gute Nachrichten (Terzett »Erfüllt von Leid und Lust«). Donna Anna hat ihrem Ehemann die ganze Geschichte Alfonsos erzählt. Da aber Don Ruy d’Arcas Alfonsos Angriff überlebt habe und der König Gnade walten lasse, könne Alfonso nun als freier Mann auf seine Güter zurückkehren. Ein erneuter Szenenwechsel führt zurück ins Freie, diesmal auf einen Dorfplatz, wo die Hochzeit von Rosita und Pueblo gefeiert wird. Wieder erklingt ein Choral, diesmal hinter der Szene  : »Himmelan steht unser Fleh’n«. ­Gomez mit seinen Leuten tritt zum Landvolk hinzu, und alle feiern gemeinsam mit »Spiel und Tanz« das freudige Ereignis. Nach Gomez kommt auch Casilda hinzu und schließlich Alfonso, der seine Geliebte erleichtert in die Arme schließt. Als auch noch Donna Anna und Don Luis erscheinen, bittet Casilda sie um Entschuldigung für ihr Verhalten  : »… seid gütig, werdet ihr verzeih’n  ?« Und Donna Anna zeigt Verständnis, denn sie weiß, dass Casilda aus Liebe gehandelt hat. Zum glücklichen Schluss lädt Alfonso die Zigeuner ein, auf seinem Land zu leben, da er auf jeden Fall bei Casilda bleiben will. Die Oper endet mit einem Rückgriff auf Casildas Romanze vom Anfang  : »Es fesselt mich die Liebe hier an diesen Ort …«. Schon damals wurde »Casilda« oft mit dem Schauspiel »Preciosa« von Pius Alexander Wolff5 verglichen, einem Kassenschlager des Sprechtheaters6. Wie bei der Gegenüberstellung von Vorlage und Libretto bei »Zayre«, so gibt es auch hier gewichtige und begründete Unterschiede zwischen Schauspiel und Oper  : Die Charaktere werden vereinfacht und dadurch stärker kontrastiert, »Gut« und »Böse« sind in der Oper klar auseinanderzuhalten. Im Schauspiel ist mehr Raum für die Vielgestaltigkeit der Figuren, in der Oper folgen sie eher einem Handlungsschema. In »Preciosa« gibt es sympathische und unsympathische Charaktere sowohl bei den Adligen wie auch bei den Zigeunern. »Casilda« vereinfacht zugunsten der Adligen, der einzige eindeutig »Böse« ist der Zigeunerhauptmann Gomez. Gemeinsam haben beide Textbücher die Verherrlichung des Lebens in 5 Vgl. Pius Alexander Wolff  : Preciosa. Schauspiel in 4 Aufzügen, Leipzig 1865. 6 Dies war dem Herzog sogar so unangenehm, dass er die Oper zeitweise zurückhielt. In der Akte StACo Theater 3043 findet sich ein Brief des Theaterdirektors Julius Nicolini (1839– 1894) aus Troppau vom 19. September 1883, in dem er um Aufführungsgenehmigung und Material für »Casilda« bittet. Der Randvermerk ist sehr interessant  : »Abschläglich beschieden, da Casilda im Sujet Aehnlichkeit mit Präciosa haben soll u. es Hoheit nicht angenehm ist, dies von der Presse hervorgehoben zu sehen.«

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Natur und Freiheit sowie die stark bindende Zugehörigkeit zu einem Milieu. Die Musik als Ausdrucksmittel (bei den Zigeunern) und der gute Ausgang der wechselvollen Ereignisse kommen sowohl in der Schauspiel- wie in der Musiktheaterfassung vor. Die Aspekte des Wiedererkennens bzw. Wiederfindens einer vermissten Person nach vielen Jahren sowie das Element einer wertvollen Kette (bzw. eines Diamantkreuzes), das dabei eine Rolle spielt, erinnert wiederum an das Libretto der ersten Oper Ernsts II. »Zayre«. Es handelt sich hier um bewusst verwendete Versatzstücke, genauso wie die schon in »Tony« mehrfach eingeflochtenen »Gebete«, Choräle oder religiösen Szenen (Glocken, Orgel), die zur romantischen Oper einfach dazugehören. Der Konvention folgt auch die Verwendung von vermeintlich lokaltypischen Musikelementen, in diesem Fall der spanischen Musik und der vermeintlichen Zigeunermusik7. Die »Couleur locale« macht den besonderen Reiz dieser Oper aus, da der Komponist sehr gute Einfälle dazu hatte, aber auch nicht übertreibt. Seine Begabung zur Erfindung von Melodien, die »ins Ohr gehen«, konnte er hier voll ausspielen.

Verbreitung und Rezeption

»Casilda« ist wahrscheinlich die beste der fünf Opern Ernsts II., sowohl von der musikalischen Gestaltung als auch vom Handlungskonzept her8. Die Oper enthält viele mitreißende und unterhaltsame Musikstücke (zum Beispiel als Besonderheit den erwähnten Bolero), bleibt aber nicht nur an der Ober­ fläche, da die Seelenqualen der verschiedenen Figuren durchaus überzeugend dargestellt werden. Das Thema wie auch das exotisch anmutende Milieu sind einfach gut gewählt, der Verlauf der Handlung ist nachvollziehbar, und die häufig volkstümlichen Melodien und rhythmisch prägnanten Tänze sind die unbestreitbare Stärke des herzoglichen Komponisten. Er hat hier »seinen Ton« getroffen. Dies dürfte auch einer der Gründe dafür sein, warum diese Oper – völlig überraschend – 30 bis 40 Jahre nach ihrer Uraufführung ein Comeback erlebte  : In den 1880er und 1890er Jahren wurde sie noch einmal an verschiedenen Bühnen wieder aufgenommen. 7 Vgl. hierzu beispielsweise auch die Schauspielmusik zu »Preciosa« von Carl Maria von Weber. Einer Anekdote nach soll Weber Themen zu dieser Musik (»Nationalmelodien von spanischen Soldaten«) bei seinem Aufenthalt in Gotha 1812 aufgeschnappt haben (Münster, S. 27). 8 Laut van Bevere soll Hector Berlioz bei einer positiven Besprechung von »Santa Chiara« geäußert haben, sie sei ein würdiges Pendant zu »Casilda« (Bevere, S. 74).

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Premiere in Gotha Im Gegensatz zur Oper »Tony«, bei der der Herzog zunächst zögerte, sie auf die Bühne zu bringen, konnte es ihm bei »Casilda« offenbar nicht schnell genug gehen. Jedenfalls ist das Wort »schleunigst« dick unterstrichen in der Anweisung an die Intendanz, einen Kostenvoranschlag für die Ausstattung der Oper »Casilda« sowie die Probeabzüge des Drucks vorzulegen9. Die ­Intendanz versichert, man beeile sich10, und legt auch prompt am 12. Februar 1851 mit dem Vorschlag nach, für die Herstellung der aufwändigen Dekorationen dem beauftragten Bühnenmaler Brückner noch den Hofmaler Rothbart »zur Mithülfe« zur Seite zu stellen11. Alle Kostenvoranschläge zu der offenbar sehr ehrgeizigen Inszenierung, die keinen Aufwand scheut, genehmigt der Herzog sofort und befiehlt den schleunigsten Beginn aller Vorbereitungen12. Als Bremser dieses enthusiastischen Unternehmens betätigt sich allerdings der selbstbewusste Kapell­meister Ernst Lampert, der in einem Brief an den Intendanten vom 24. Februar 185113 mitteilt, dass er es für völlig unmöglich halte, dass »Casilda« – wie geplant – am 16. März über die Bühne gehen könne  : »indem uns zu Proben in nächsten Wochen [sic] höchstens 2–3 Tage bleiben werden.« Er fügt hinzu  : »Die Musik zu dieser Oper ist wegen der großen Finales und Ensemblestücken schwer zu erlernen, und erfordert ein ununterbrochenes 3- bis 4 wöchentliches Studium. – Wollten Ew. Hochwohlgeboren dafür die Gnade haben, da es Jedermanns Interesse sein wird die vorliegende Oper nicht über das Kniee [sic] gebrochen zu sehen, und nun einen Tag bestimmen bis zu welchem es ausführbar ist eine Oper wie ›Casilda‹ gut einzustudiren.« Da bekanntlich der 23. März 1851 schließlich der Tag der Premiere war, hat man dem guten Lampert offenbar nur ein kleines Zugeständnis gemacht. Nach seiner Arbeit an der Orchestrierung der Oper lieferte er dann aber eine so gute Probenarbeit und Premiere ab, dass er noch am selben Tag vom Herzog mit dem Verdienstkreuz des Ernestinischen Hausordens ausgezeichnet wurde – wie

 9 Anweisung des »Herzogl Immediat-Commißarius für die Hofkapell- und Theater-Angelegenheiten« vom 3. Februar 1851 in Gotha (StACo Theater 7, S. 1  ; diese Akte auch zum Folgenden). 10 StACo Theater 7, S. 3. 11 StACo Theater 7, S. 5. 12 Anweisung vom 14. Februar 1851 (StACo Theater 7, S. 7). 13 StACo Theater 7, S. 9  ; zum Folgenden.

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auch sein für den Text verantwortlicher Kollege Millenet14. Zu dieser ersten Aufführung fanden sich – wohl auf Einladung – etliche bedeutende Namen der Theaterwelt in Gotha ein. So vermeldet die »Gothaische Zeitung« am 29. März15, dass viele Fremde aus Erfurt, Weimar und Umgebung eigens angereist seien, unter anderen der Großherzog von Weimar, der Intendant des Weimarer Hoftheaters von Ziegesar sowie der Berliner Generalintendant von Küstner16. Ein etwas ausführlicherer Bericht zu dem Ereignis erscheint in der »Rheinischen Musik-Zeitung«17, offenbar um eine ausgewogene Beurteilung ringend  : »Gegen das Textbuch werden allerlei Bedenken ausgesprochen, namentlich gegen die Verwickelung, die nur auf einem Missverständniss beruht. Die Musik wird gelobt, besonders die als Improvisation behandelte Arie Casilda’s (eine Art Preziosa  ?)[,] ein Zigeunerlied mit Tanz und das Finale des dritten Akts. Einige Mängel der Durchführung und das häufige Abspringen von kaum begonnenen musikalischen Motiven werden gerügt. Die Oper ist in einer ­Woche 3 Mal bei übervollem Hause gegeben worden.« Man hat den Eindruck, der Autor hätte gerne intensivere Kritik geübt, traut sich aber nicht, persönlicher, deutlicher und ausführlicher zu werden. Auch vergisst er nicht, am Ende zu erwähnen, dass das Haus »übervoll« war bei den ersten Vorstellungen, auch wenn dieses große Interesse in einer der Residenzstädte des Komponisten wohl kaum ungewöhnlich sein dürfte. Das Lob für die Romanze der Casilda sowie für die Zigeunermelodien hat diese Meldung mit vielen weiteren Kritiken gemeinsam  ; ebenso wie die Bemängelung einer ernsthaften Durchführung der Themen. Ernsts Talent für mitreißende Melodien kommt in »Casilda« besonders zum Tragen, aber gerade deshalb fällt es auch auf, dass er seine Ideen im Verlaufe des weiteren musikalischen Geschehens kaum verarbeitet. Vielmehr reiht er eine einprägsame und charakteristische Nummer an die andere, was eine unterhaltsame und abwechslungsreiche Abfolge von Musikstücken ergibt, die in den Zeiten vor Ernst II. jedem Bühnenwerk zur Ehre gereicht hätten. 14 Vgl. die Meldung im »Regierungs- und Intelligenzblatt für das Herzogthum Gotha« vom 27. März 1851. 15 »Gothaische Zeitung«, 160. Jg., Nr. 62, vom 29. März 1851. Hier ist nur ein kurzer, zurückhaltend positiver Beitrag zu »Casilda« enthalten, der offenbar aus einer anderen Zeitung (»N. Pr.Ztg.«) übernommen wurde. 16 Dessen Anreise hat auch in den Akten ihre Spuren hinterlassen, denn der Gothaer Droschkenkutscher August Schlegel hatte Küstner vom Bahnhof zum Schloss kutschiert und anschließend seine Rechnung bei der Theaterintendanz eingereicht (ThStA Gotha, Hofkapell- und Theaterangelegenheiten Nr. 15). 17 RMZ, Bd. 1, 1850/51, Köln 1850, S. 336.

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Aber in den 1850er Jahren ging die Zeit der Nummernopern (außer im rein komischen Bereich) ihrem Ende entgegen und das Publikum – vor allem auch die Kritiker – erwartete eine fortschrittlichere Fassung, einen durchkomponierten großen Spannungsbogen mit vielen musikalischen Querverbindungen und tiefgängigeren Charakteren. An dieser Stelle sei noch einmal an die bereits zitierte Kritik zu »Tony« aus der RMZ erinnert18, in der der Autor dem fürst­ lichen Dilettanten empfiehlt, seine Begabung lieber in Lieder- und Singspielen auszuleben und die Finger von der großen Oper zu lassen. Auch im Hinblick auf »Casilda« erscheint dieser Rat nicht ganz unangebracht. Die »Neue Berliner Musik-Zeitung« wartete die ersten vier Vorstellungen in Gotha ab, bis sie sich ein ausführliches Urteil über »Casilda« und ihren Schöpfer erlaubte19. Es fällt sofort auf, dass der Artikel mit einer Art Rechtfertigung der künstlerischen Bemühungen des Herzogs beginnt  : »Zu allen Zeiten haben kunstsinnige und kunstverständige Mäcene die Kunst durch die Künstler gefördert. Dessen ungeachtet ist die Undankbarkeit der Künstler gegen diese nichts Neues, indem Sie [sic] es ganz besonders sind, welche in den meisten Fällen die Kunstproductionen ihrer Beschützer, wenn solche in die Öffentlichkeit gelangen, anfeinden und der schärfsten Kritik unterwerfen. Bereits die frühere Oper, ›Zaire‹, welche auf dem Berliner Hof-Theater zur Aufführung kam, hat scharfe Urtheile hervorgerufen und wohl anzuerkennen und hochzuachten ist der Muth, der den Herzog von Coburg, unbeirrt um diese Anfeindungen, dem innern Drange folgen, und ihn mit diesem neuen Werk abermals vor die Öffentlichkeit treten liess.« Der Autor Gustav Bock (1813–1863) führt dann weiter aus, dass die Missgunst der Komponisten von Opern im Besonderen darauf beruhe, dass sie ja nach der Erschaffung ihrer Werke auch noch der Schwierigkeit gegenüberstünden, irgendwo und irgendwie eine Möglichkeit zur Aufführung derselben zu finden. Letzteres war für einen Mann in gehobener Position natürlich weniger problematisch und erregte daher den Neid der anderen. Kühn hebt der Verfasser des Artikels nun hervor  : »Trotzdem lieben wir mehr die Aristokraten in der Kunst, als die Kunstaristokraten.« Als Beispiele für künstlerisch tätige Aristokraten nennt er neben Herzog Ernst II. noch Friedrich den Großen (1712–1786), den Prinzen Louis Ferdi­ nand (1772–1806), den Fürsten Anton Radziwil (1775–1833), Lord Westmore­ land (1784–1859) sowie den Herzog zu Württemberg, die alle »die Kunst zur 18 RMZ, Bd. 4, 1853/54, S. 1407. 19 »Neue Berliner Musik-Zeitung«, 5. Jg., Nr. 17, vom 23. April 1851, S. 131f. Autor  : Gustav Bock. Zum Folgenden.

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Erheiterung und Erholung neben schweren Berufspflichten« betrieben hätten. »Genü­gen [deren] Werke nun auch nicht immer den Anforderungen der strengsten Kritik, sind durch sie auch nicht in allen Fällen die Kunstschätze vermehrt und der Kunst als solcher aus ihnen vielleicht selten unmittelbare Vortheile erwachsen, so wurden sie doch dadurch, dass sich die Schöpfer dieser Werke von ihren Schöpfungen auf die Kunst selbst zurückwandten und sie im uneigennützigsten Sinne beförderten und unterstützten, mittelbar endlich auch für diese in den meisten Fällen segensreich und bedeutsam. Schutz und Unterstützungen jeglicher Art wurden freigebig den Künstlern gespendet, grosse Talente herangezogen und in Stellungen gebracht, um sorgenfrei in der Kunst schaffen zu können, oder durch Schule und Vorbild zu fördern, und so wurde diese Neigung zur Kunst der segensreiche Thau, welcher den Garten der Kunst befruchtete.« Hier kommt also eine ganz andere Stimme als in vielen bisher betrachteten Kritiken zu Wort  : ein Kritiker, der darauf hinweist, wie groß das Verdienst der Mäzene um die Kunst ist, und zwar vor allem durch ihre Förderung der Künstler  ; und wie unfair die Künstler sich wiederum verhalten, wenn sie gelegentliche eigenständige künstlerische Äußerungen ihrer Geldgeber in der Luft zerreißen. Die Analyse der positiven Auswirkungen der künstlerischen Betätigung der Fürsten – unabhängig von der absoluten Qualität ihrer Werke – trifft voll und ganz auf Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha zu. Seine Neigung zur Kunst äußerte sich eben auch in einer massiven Förderung für Kunst und Künstler im Rahmen seiner Möglichkeiten, und damit trug er auf vielerlei Wegen zur Entwicklung des musikalischen Lebens bei, auch ohne dass seine eigenen Opern den modernen Ansprüchen seiner Zeit gerecht wurden. Gustav Bock geht sogar noch weiter, indem er argumentiert, die »Kunstaristokraten«, die durch Talent und nicht zuletzt durch »glückliche Constellationen« sich in der Musikwelt einen bedeutenden Namen verschaffen konnten, umgäben sich in der Regel nur mit »wenig gefährlichen Mittelmässigkeiten« und wachten eifersüchtig über ihre Position. Von ihnen sei keine Freigebigkeit zu erwarten. Mehr als die Hälfte des Zeitungsartikels ist schon geschrieben, als Bock nun auf »Casilda« zu sprechen kommt. Mit Zurückhaltung lobt er den »mit vieler Bühnengewandtheit und guter Sprache« ausgestatteten Text, der dem Komponisten »Gelegenheit zu glücklichen lyrischen und dramatischen Momen­ten« gebe. Im Einklang mit anderen Kritikern urteilt er  : »Die Musik trägt das Gepräge eines entschiedenen Talentes sowohl in Betreff der Melodienerfindung, als ganz besonders charakteristischer Zeichnung und dramatischer Effecte.« Für sehr gelungen hält er die Romanze des Alfonso im ersten Akt »Welche

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Anmuth doch bei Gott«, die Arie der Donna Anna »Mein Wiegenfest so feierlich begangen«, die Zigeunerchöre, die Arie der Casilda im zweiten Akt, das Duett zwischen Donna Anna und Don Luis bzw. zwischen Don Luis und Gomez im zweiten Akt sowie das Rezitativ und Duett von Casilda und Donna Anna im dritten Akt. Nach den Sängern und Sängerinnen, für die er ebenfalls fast nur gute Worte findet, lobt Bock auch die Dekorationen von Brückner20 sowie die Leistung des Orchesters unter »einsichtsvoller Leitung« von Kapellmeister Lampert21. In der Qualität der Gothaer Aufführung sieht er zugleich eine Bestätigung seiner oben ausführlich dargelegten Theorie  : »So findet sich an dieser Kunstanstalt ein Ensemble, das nichts zu wünschen übrig lässt und praktisch den Beweis des oben ausgeführten liefert.« Am Ende weist er auf die bevorstehende Aufführung der »Casilda« in Berlin hin, der er auch aus politischen Gründen einen warmen Empfang vorhersagt  : »[Herzog Ernsts] treue Anhänglichkeit an die deutsche Sache und an unser Königshaus haben ihm viel Sympathie bei uns erworben und so ist diese günstige Stimmung für den Autor schon ein nicht unbedeutender Empfehlungsbrief für die künftige Aufnahme seines Werks.« In die Coburger Staatsakten geschafft hat es ein gut zwei Wochen später erschienener Bericht über »Casilda« aus dem »Frankfurter K ­ onversationsblatt«22. Die Rezension erwähnt vier sehr erfolgreiche Aufführungen in Gotha und bezeichnet das neue Werk als »eine wirkliche Bereicherung der Oper«. »Casilda« werde in Berlin gespielt und sei angeblich in Bearbeitung für die italienische Oper in London. Als der Verfasser sich dem Textbuch zuwendet, erwähnt er auch dessen offensichtliche Nähe zum allgemein bekannten Drama »Preciosa« – sehr zum Ärger des Komponisten, wie bereits zu lesen war. Außerdem trauert der Autor den Zeiten eines Beaumarchais und Da Ponte nach und findet das Libretto »ein ganz glückliches«, verglichen mit anderen Vorlagen der Zeit  : »[…] noch weiß zum Glück ein großer Theil des Publikums zu würdigen, daß eine Oper auch ohne die Beigabe halsbrechender Eistänze, augenblendender Sonnenstiche und der sinnigen Mauereinfälle, unter welchen die Menschheit schockweise bei bengalischer Beleuchtung zerquetscht wird, wahrhaft genußreich sein kann«. Was die Musik angeht, so bescheinigt der Autor dem Kompo20 Den er irrtümlich als »Brinkner« bezeichnet. 21 Den er irrtümlich »Lampertz« nennt. 22 In der Akte StACo LA A 7356 als Ausschnitt  : »Frankfurter Konversationsblatt«, »belletristische Beilage zur Oberpostamts-Zeitung«, vom Mittwoch, den 7. Mai 1851, S. 435f. Autor »J.«. Zum Folgenden.

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nisten eine »Befähigung […], dramatische Stoffe wirksam und schwungvoll zu behandeln«, eine »ungewöhnliche Fülle frischer und ansprechender Melodien« sowie das Talent, »vortreffliche« Ensembles und sangliche Arien zu schreiben. Insgesamt mache die Oper »einen wohlthuenden und befriedigenden Eindruck auf den Hörer«23. Diese Beurteilung dürfte Ernst II. gerne gelesen haben, denn anders als bei vielen Komponisten seiner Zeit war es ganz offensichtlich seine Absicht, »wohltuend« und »befriedigend« auf seine Zuhörer zu wirken. Sowohl die Auswahl seiner Sujets als auch die musikalische Gestaltung weisen stark darauf hin. Er vermeidet heikle Themen, die gesellschaftlichen Aufruhr erregen könnten. Er pflegt einen gemäßigten, nie ins Extreme abgleitenden Tonfall – im Text wie in der Musik. Er lässt Emotionen stets nur bis zu einem gewissen Grad auf­ flammen, in der Regel beherrscht aber der Mensch noch seine Gefühle, nicht umgekehrt (außer vielleicht Orosman in der letzten Szene von »Zayre« – aber der bringt sich folgerichtig gleich darauf selbst um, quasi als Ausgleich für seine ungehörige Tat). Wien Die nächsten Stationen der »Casilda« waren Wien, Berlin und Darmstadt. In Wien wurde die Premiere im Kärntnertortheater auf den 18. August 1851 gelegt24, den Geburtstag des Kaisers Franz Joseph25. Die Oper »fand beifällige Aufnahme«. Ihr Komponist war sofort in aller Munde, auch wenn er versucht hatte, durch das erwähnte Pseudonym (»E. H. z. S.«) eine gewisse Anonymität zu wahren26. Doch aufgrund seiner regelmäßigen Reisen in die österreichische Hauptstadt und natürlich auch durch die Coburg-Koháry-Familie war 23 Der Autor dieses Artikels hebt fast genau die gleichen Stücke aus »Casilda« hervor wie Gustav Bock in der vorher genannten Rezension  : die Romanze Casildas sowie die Tenorarie im 1. Akt, die Arie der Donna Anna, das Bassduett und das Trinklied im 2. Akt, die beiden Duette und das Finale des 3. Akts, die Arie mit Terzett im Kerker sowie die Arie der Casilda im 4. Akt. 24 NZfM, Bd. 35, 1851, S. 92. Zum Folgenden. 25 Wenige Monate nach seiner Oper kam auch Ernst II. nach Wien, um Erbangelegenheiten der Koháry-Linie zu regeln. Im Januar 1852 machte er die Bekanntschaft des jungen Kaisers, über den er sich in seiner Autobiografie positiv äußert  : »Während der österreichische Hof mir ehedem den Eindruck der Abgeschlossenheit und Unzugänglichkeit gemacht hatte, war jetzt ein offenes und entgegenkommendes Wesen hier zu bemerken, welches sich zum Ziele gesetzt zu haben schien, alle Welt, auch diejenigen, die man für Gegner hielt, zu gewinnen.« (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 48). 26 RMZ, Bd. 2, 1851/52, Köln 1851, S. 486f.

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Ernst II. in Wien durchaus bekannt27. In einer Rezension aus der ­»Rheinischen Musik-Zeitung«28 wird auf die Wechselwirkung zwischen dem bekannten Namen bzw. der Stellung des Komponisten und der Erwartungshaltung seinem Werk gegenüber hingewiesen. Schon wochenlang hätten die Zeitungen von der herzoglichen Oper gesprochen, Anlass der Vorstellung wie auch Titel des Komponisten hätten das Interesse daran stark gesteigert. »Allein, wie dies bei solchen Gelegenheiten der Fall zu sein pflegt, steigerten sich auch unter diesen Umständen die Anforderungen an das Werk selbst – und, aufrichtig gesagt, hatte dasselbe aus diesem Grunde schon von vornherein einen ungleich schwierigeren Stand.« Eine weitere interessante und durchaus differenzierte Perspektive auf das künstlerische Schaffen des Herzogs  : Seine gesellschaftliche Stellung erhöhe sogar die Erwartung des Publikums und erschwere dadurch den Erfolg. Diese Sichtweise scheint geprägt von einer Haltung, die der Obrigkeit alles zutraut – und wohl auch alles zumutet. Ein Herzog, ein Fürst, ein Übergeordneter muss auch in der Lage sein, auf dem Gebiet der Kunst zu überragen. Nach den Mitteln und Wegen wird nicht gefragt. Aber in jedem Fall muss dieses Werk etwas ganz Besonderes sein, muss Besonderes leisten und wirken. Angesichts solcher Erwartungen konnte die dritte Oper des Coburger Herzogs eigentlich nur scheitern  ; und doch  : »Unter diesen Auspicien kam nun ›Casilda‹ bei uns zur Aufführung, gefiel aber im Ganzen derart, dass wohl mancher Operncompositeur ex professo sich wünschen würde – wenn er nun nicht gerade Herzog sein kann – doch wenigstens der Autor von ›Casilda‹ zu sein.« Auch diese Bewertung verdient es, hervorgehoben zu werden, stellvertretend für weitere in diese Richtung gehende Beurteilungen (auch der anderen Opern Ernsts II.)  : Die Musik des Herzogs ist keineswegs minderwertig oder schlecht, sie lebt weder im positiven noch im negativen Sinne vom Namen ihres Schöpfers, sondern sie ist handwerklich gut gearbeitet, voller authentischer Erfindungsgabe, mit Sorgfalt gesetzt und auf ihre Bühnenwirkung hin geprüft. Als ein Ausfluss der überfließenden Lebensenergie, die Ernst II. auch im Bild seiner Zeitgenossen kennzeichnet, versprüht seine Musik – besonders 27 In den Auseinandersetzungen und Diskussionen um die Entstehung des Deutschen Reiches versuchte Ernst II. später auch intensiv zwischen Wien und Berlin zu vermitteln (vgl. hierzu u. a. »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 163, 168–175f.). – Die Prominenz Ernsts II. in Wien und sein Ruf als liberaler Fürst und Musikliebhaber trugen auch dazu bei, dass sich der Komponist Johann Strauß (1825–1899) an ihn wandte wegen seiner Scheidung und dritten Heirat. 28 RMZ, Bd. 2, Köln 1851, S. 486f. Unterzeichnet von »Dr. L.«. Zum Folgenden.

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in »Casilda« – Frische und Elan, Freude und Lebensmut, dazu eine gesunde Bodenständigkeit und ein Vergnügen an immer Neuem. Trotz allen Einflusses auf dem Gebiet der Politik und in der Kunstwelt wären die Opern Ernsts II. nie so viel gespielt worden, wenn sie armselige Musik böten. Dazu – und das ist aus den vielen zitierten Kritiken deutlich abzulesen – war die Kunstwelt zu sehr auf ihre innere Unabhängigkeit bedacht, auch wenn das reale Leben der Künstler sich erst allmählich von der Abhängigkeit von fürstlichen Gnaden lösen konnte. Die Wiener Rezension29 fährt fort mit einer allgemeinen Betrachtung der Musik der »Casilda«. Diese zeuge von »gründlichen musikalischen Studien« des Komponisten sowie »von überraschender Kenntniss des Bühneneffects« und strahle »eine gewisse Leichtigkeit« aus, die »den Zuhörer angenehm anregt«. »Das rege Leben, diese behagliche Abwechslung, welche sich in Melodie und Rhythmus kund giebt, offenbart eine wirklich schöpferische Kraft, welche dem Talente inwohnt, und nicht erst durch Uebung gewonnen werden kann.« Eine Einordnung der Musik nach national definierten Stilrichtungen scheint dem Autor unmöglich, da die Musik keiner Richtung merklich anhänge, sondern vor allem »das Gefällige« suche. Durch diese nie langweilige, abwechslungsreiche und eingängige Musik entstehe eine entspannte Atmosphäre, die durch das Milieu der Handlung noch eine besondere Wärme erhalte  : »… ein gewisses populäres Element, welches die Oper wie ein familiärer Geist durchweht, und zwischen Tonsetzer und Zuhörer einen willkommenen Vermittler bildet.« Eine bemerkenswerte Formulierung  ! Die Musik schaffe also gerade aufgrund ihrer Eingängigkeit – im Zusammenwirken mit einem als »familiär« angesehenen gesellschaftlichen Kreis – eine besondere Verbindung zwischen dem fürstlichen Komponisten und seinem Publikum. Der Herzog wählt ja auch einen Tonfall, den das Volk versteht. Er sucht und findet damit einen Weg der Kommunikation, schafft eine (unausgesprochene) Beziehung und überwindet somit Barrieren, die im täglichen gesellschaftlichen Leben noch Bestand hatten. Herzog Ernst II. war neugierig und vielseitig interessiert, er kannte die Strömungen seiner Zeit und verfolgte aufmerksam das Weltgeschehen sowohl in der Politik wie auch in der Musik. Er hätte vielleicht sogar in einem anderen Stil komponieren können, hätte es sich beibringen lassen, wie man »wagnerianisch« tönt oder im Meyerbeer’schen Stil die Bühne in Flammen setzt. Doch gerade im Hinblick auf »Casilda« erscheint es, als habe er ganz bewusst den »Volkston« gesucht – den er ja auch im politischen Theater erklin29 Wie oben vgl. RMZ, Bd. 2, Köln 1851, S. 486f.

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gen ließ. Volksnah, doch nicht populistisch, anrührend, doch nicht aufhetzend, temperamentvoll, aber nie unmäßig. Und so klar und deutlich, wie er im politischen Bereich seine Prinzipien zu vertreten suchte, so charakteristisch in ihrer jeweiligen Ausdruckshaltung sind auch die Arien und Chöre der »Casilda«, die der Autor der Wiener Rezension fast ohne Ausnahme lobt30. Der Erfolg von »Casilda« in Wien war kein geringer, aber auch nicht heraus­ ragend31. Das Haus war bei den Aufführungen stets gut besucht, bei einer Wiederholung waren sogar der Kaiser mit Angehörigen sowie Herzog Ernst II. selbst zu Gast32. Der eifrige Kapellmeister Heinrich Proch (1809–1878), der sich beim Herzog selbst für die Aufführungserlaubnis bedankt hatte, erhielt die übliche »Decoration«33. Vielleicht erhoffte sich Ernst II. auch von einer großzügigen Spende an die Wiener Musikakademie eine Fortsetzung seines Erfolgs34  ; dort hatte man eigens in einer Matinee am 8. Februar 1852 ein aufwändiges Arrangement mit Melodien aus »Casilda« gespielt35. An der ­Wiener Hofoper war sie nach Marschners »Hans Heiling« und »Gutenberg« von Ferdinand Karl Füchs (1811–1849) in diesem Zeitraum die dritterfolgreichste

30 RMZ, Bd. 2, Köln 1851, S. 486f. Der Autor hebt im Einzelnen hervor  : im 1. Akt die Introduktion mit Chor »In den Bergen ist gut wohnen«, Casildas Arie »Es saß ein Mägdlein sinnend«, die Arie Alfonsos »Wie oft in ihres Schoßes dunklen Gründen« sowie das Duett »Wo du wohnst«. Im 2. Akt die anspruchsvolle Arie der Donna Anna, der Chor »Besinge denn der Liebe Lust«, die Improvisation Casildas »Wie scheint mir der Himmel«, das Duettino zwischen Alfonso und Donna Anna sowie das Duettino Gomez/Don Luis »Im Garten diese Nacht« sowie das Trinklied. Im 3. Akt das Duett Casilda/Gomez »Alfonsos Liebe ist mein Leben«, das Nachtigallen-Duett sowie das Finale des Aktes, dem in Wien mehrere Hervorrufe folgten. Im 4. Akt den Zigeunerchor »Der sanfte Mond entweichet« mit dem anschließenden Wanderchor, die Kerker-Arie Alfonsos, die Ballettmusik, das Lied des Gomez »Fröhlich, freudig, munter« sowie die aus dem 1. Akt bekannte Romanze Casildas. 31 Hadamowsky (Bd. 2, S. 70) nennt folgende Daten für Aufführungen der »Casilda« an der Wiener Hofoper  : 18., 19., 22., 29. August, 6. September, 1. und 19. Oktober 1851 sowie 6. Februar 1852. Im Coburger Orchestermaterial (LBC TB Op 311) sind in der Partitur P1 für Wien die Daten 18., 21. und 24. August 1851 genannt (möglicherweise auch Probentermine  ?). 32 Vgl. den ausführlichen Artikel in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung«, 1. Jg., Nr. 7, vom 12. Februar 1852, S. 32. Leider ist kein Datum der Aufführung angegeben. 33 Vgl. die beiden Briefe Prochs in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg. 34 Vgl. den Hinweis in »The Musical World«, vom 14. Februar 1852, S. 106. Dort wird berichtet, der Herzog habe der Musikakademie für sieben Jahre eine beträchtliche jährliche Summe zugesagt. 35 Vgl. RISM-Katalog der Musikhandschriften in den Kunstsammlungen der Veste Coburg, Nr. 14.

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Oper36. Trotzdem verschwand »Casilda« relativ schnell wieder vom Spielplan37. Auch der Wiener Verleger Franz Glöggl (1796–1872), der diese Oper des Herzogs herausbrachte, fragte sich Jahre später, warum er mit dem eigentlich erfolgreichen Stück einen »bedeutenden Schaden« erlitten hatte38  : »warum  ? […] denn so oft die Oper damals gegeben wurde, machte es volle Häuser«. Kein Wunder also, dass »Casilda« vierzig Jahre später noch einmal wiederaufgenommen wurde. Berlin Auch in Berlin wählte man anfangs ein besonderes Datum für die Premiere der »Casilda«, nämlich den Geburtstag der Königin39. Da dieser am 13. November war, aber am 15. November der Berliner Intendant Botho von Hülsen (1815–1886) erst in Coburg anfragen ließ, ob bei der bevorstehenden Aufführung der »Casilda« wie schon bei »Zayre« die Buchstaben »E.H.z.S.« zur Angabe des Autors genannt werden sollten40, war wohl eine im Theater übliche Verzögerung eingetreten und der ursprünglich geplante Termin konnte nicht gehalten werden41. Die Aufführung selbst hat schließlich überwiegend negative Kritiken nach sich gezogen, zumindest lässt das ein Artikel der »Rheinischen Musik-­Zeitung« vermuten42. Der als »G.E.« gekennzeichnete Autor des Artikels macht »äussere Rücksichten« dafür verantwortlich, dass das Werk überhaupt in Berlin gespielt wurde, will aber »nicht in das vernichtende Ur­ theil einstimmen, das einige hiesige Blätter über die gut gemeinte Arbeit eines Dilettanten ausgesprochen haben.« Er sieht das Hauptproblem der Musik der 36 »Neue Berliner Musikzeitung«, 12. Jg., Nr. 5, vom 27. Januar 1858, S. 39. »Hans Heiling«  : 14 Aufführungen, »Gutenberg«  : 11, »Casilda«  : 8. 37 Beides bestätigt »The Musical World«, Bd. 26, Nr. 35, vom 30. August 1851, S. 545 (Titel­seite). NZfM Bd. 35, 1851, S. 81  ; »Neue Berliner Musikzeitung«, 12. Jg., Nr. 5, vom 27. ­Januar 1858, S. 39. 38 In dem Brief Glöggls an den Herzog vom 1. Februar 1859 (StACo LA A 7361, f. 122–123) geht es schon um die Drucklegung der fünften Oper des Herzogs, »Diana von Solange«. Dabei weist Glöggl auf sein wirtschaftliches Risiko hin, denn er habe mit »Casilda« schon Verlust gemacht. Letztendlich wird er den Auftrag für »Diana« auch nicht erhalten. 39 NZfM Bd. 35, Mainz 1851, S. 49. 40 StACo Theater 7, S. 11. 41 Übrigens verweist von Hülsen darauf, dass in Wien angeblich der volle Name des Komponisten genannt worden war. Dies deckt sich nicht mit den diesbezüglich erwähnten Zeitungs­ berichten. 42 RMZ, Bd. 2, Köln 1851, S. 606. Zum Folgenden.

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»Casilda« in der »Unfähigkeit des Componisten, ein musikalisches Motiv festzuhalten« und meint in der Kleinteiligkeit der Struktur die Musik zur bloßen »Deklamation« degradiert. Andererseits gibt er dem schwachen Libretto einen Großteil der Schuld und fordert  : »[…] der Dichter des Libretto muss ein deutliches Bewusstsein von dem Wesen des musikalischen Organismus haben und Alles aus dem Text entfernen, was der selbständigen Entfaltung des musikalischen Lebens hindernd entgegen treten könnte.« Eine derartige Definition des Verhältnisses von Text und Musik in der Oper steht natürlich in diametralem Gegensatz zur Vorstellung Ernsts II., weswegen das Urteil des Kritikers in diesem Falle nicht günstig ausfallen kann und es umso bemerkenswerter erscheint, dass er zugibt, dass eine gute »Deklamation« in jedem Falle noch besser sei als romantische »Fantastik« und schales »Virtuosenthum«. Abgesehen von einer Bemerkung zur aufwendigen Ausstattung der Berliner Premiere verrät der Verfasser keine Details zum Verlauf der Vorstellung. Er sagt lediglich voraus, dass »Casilda« nach der zweiten Aufführung vom Spielplan verschwinden werde, da ja auch die Sängerin der Hauptrolle nun erkrankt sei. In den Coburger Theaterakten43 hinterließ noch ein Missverständnis zwischen dem Coburger Herzog und dem Berliner Intendanten seine Spuren  : Während der Herzog durch seine Intendanz ausrichten lässt, von Hülsen solle allen Mitwirkenden seinen ganz besonderen Dank für ihr Engagement für seine Oper übermitteln, verlangt der Berliner, Ernst solle sich höchstpersönlich bei den entsprechenden Personen erkenntlich zeigen. Vor allem der Regisseur Karl Stawinsky (1794–1866) habe große Mühe und Sorge um die Inszenierung getragen und verdiene es, nicht nur »aus dritter Hand« seine Anerkennung zu erhalten. Daraufhin versichert der Herzog, bald Briefe an den Regisseur und den Kapellmeister zu schreiben und sie bei seiner nächsten Anwesenheit in Berlin noch persönlich zu belobigen. Übrigens erhält auch der streitbare Kapellmeister Lampert aus Gotha diesmal ohne Probleme seine Tantiemen aus Berlin44.

43 StACo Theater 7, S. 15, 17, 23, 27. Zum Folgenden. 44 Dies bestätigt auch eine Notiz in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung«, 1. Jg., Nr. 1, vom 1. Januar 1852, S. 6.

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Darmstadt und weitere deutsche Bühnen Wie die englische Zeitschrift »The Athenaeum« im September 1851 bemerkte45, wanderte »Casilda« in wenigen Monaten über zahlreiche Bühnen in Deutschland. Dabei stellte sie gerade für weniger gut ausgestattete Theater durchaus eine Herausforderung dar, vor allem bei der Besetzung der Hauptrollen. So versichert am 19. Dezember 1851 die Intendanz aus Darmstadt46  : »Es ist von Seiten des musikalischen Theils, der wie Sie wissen große Schwierigkeiten hat, so wie der Ausstattung alles mögliche geschehen, die Oper auf eine würdige Weise aufzuführen«. Diesmal verspricht man nicht zu viel, und die Darmstädter Premiere am 26. Dezember 1851 macht großen Eindruck, nicht zuletzt auf die Fachpresse47  : »Nie ist auf hiesigem Hoftheater eine Oper in die Scene gegangen [sic], in welcher alle möglichen theatralischen Mittel auf eine so sinnige und geschmackvolle Weise in Anwendung gebracht wurden, als wie bei dieser.« Fast ein Jahr später erst bedankt sich der Komponist dann beim Direktor des Darmstädter Hoftheaters, Karl Tescher (1812–1883), für die sorgfältige Aufführung der »Casilda«48. Im Mai 1853 wurde in der Presse eine Aufführung in Lemberg angekündigt49, die auch durch einen Vermerk in der Coburger Partitur bestätigt wird50. Von Berlin aus versprach das »Theatergeschäftsbüro« von Alois Heinrich (1812–1861) im August 185351, die Oper »Casilda« nach Königsberg und Stettin zu vermitteln, angeblich sogar mit neuen Dekorationen von Karl Wilhelm Gropius (1793–1870). Im Februar 1854 war in der Fachpresse gleichzeitig von zwei Opern des Herzogs auf deutschen Bühnen die Rede  : »Tony« in Frankfurt und »Casilda« in Karlsruhe52. Im Juli desselben Jahres 45 »The Athenaeum«, Nr. 1247, vom 20. September 1851, S. 1005  : »The reigning Prince of Saxe-­ Gotha’s opera, ›Casilda‹, seems to be making the tour of the German theatres very much as if it were not princely music.« 46 StACo Theater 7. Auch Darmstadt schickt die übliche Einladung an Herzog Ernst II. zur Premiere, die für den 26. Dezember 1851 geplant ist. Der Herzog kann jedoch nicht kommen  ; dafür besucht ein Vertreter des Coburg-Gothaer Hofes eine spätere Wiederholung. 47 »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 1. Jg., Nr. 2, vom 8. Januar 1852, S. 11. 48 Brief der Intendanz an Tescher vom 21. November 1852 (StACo Theater 361). 49 »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 4. Jg., Nr. 18, vom 3. Mai 1853, S. 72  : »Die Oper ›Casilda‹ von Herzog v. Sachsen-Coburg-Gotha kommt in Lemberg zur Aufführung.« 50 In LBC TB Op 311, Partitur P1, sind Aufführungen in Lemberg, Prag, Brünn und Preßlau [sic] erwähnt. 51 StACo Theater 292, f. 71–74. 52 »The Musical World«, vom 4. Februar 1854, S. 74. – Mit Karlsruhe war »Casilda« schon im

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vermittelte der Coburg-Gothaer Hofmaler Georg Konrad Rothbart die Oper an das Stadttheater Görlitz53. Zwei Jahre später, im Juli 1856, fordert der Komponist Joachim Raff (1822– 1882), der seine neueste Oper »König Alfred« an den Herzog gesandt hatte, das Material der »Casilda« für Wiesbaden an54. Am 24. Oktober 1856 ist dort Premiere55, laut Raff »eine künstlerisch sehr befriedigende«. Er lobt den Kapellmeister Johann Baptist Hagen (1818–1870) und merkt an  : »Die Presse hat sowohl vor als nach der ersten Aufführung eine höchst anständige Haltung bekundet.« Davon zeugt eine Rezension der RMZ56, deren Anfang sich wieder einmal wie eine Rechtfertigung der musikalischen Bemühungen des herzoglichen Komponisten liest  : Für das Werk eines Dilettanten biete die Oper »viele Ursachen zur Zufriedenheit«, sei »melodiös und sanggemäß geschrieben« und »[w]enn auch das, was gesungen wird, nicht immer ganz neu ist«, enthalte sich der fürstliche Komponist doch jeden Plagiats. »Da machen es Andere viel besser. Sie borgen ganz offen hier von Wagner und Mendelssohn, dort von Lortzing und Verdi, thun dann etwas eigene Sauce piquante daran und – die Oper ist fertig.« Erstmals wird hier deutlich angesprochen, was gerade im Zusammenhang mit einem Dilettanten keine geringe Rolle spielt  : dass Ernst II. nicht einem bestimmten Vorbild folgt, gar zu kopieren sucht oder sich an bekannte Melodien klammert. Vielmehr bemüht er sich – im Rahmen seiner Möglichkeiten – um Originalität, kreiert seinen eigenen Tonfall und erfindet eigene Melodien, die sich allerdings nur selten zu Ohrwürmern entwickeln. Damit widersteht er einer der Hauptversuchungen eines Amateurs, der nur auf der Bühne glänzen will. Dass Letzteres nicht selten ist, schreibt ja auch der Autor (»M.R.Z.«) der Wiesbadener RezenJanuar 1853 in Verbindung gebracht worden, als die »Neue Wiener Musik-Zeitung« darüber spekulierte, ob die herzogliche Komposition zur Eröffnung des neuen Karlsruher Theaters im Mai aufgeführt werden würde. Dem war aber nicht so (»Neue Wiener Musik-Zeitung«, 2. Jg., Nr. 3, vom 20. Januar 1853, S. 11). Auch im Coburger Aufführungsmaterial (LBC TB Op 311, P1) ist eine Aufführung in »Carlsruhe« erwähnt, leider ohne Datum. 53 Brief Rothbarts vom 25. Juli 1854 (StACo Theater 361, S. 31–35 und S. 41). 54 Brief Raffs vom 5. Juli 1856 (StACo Theater 361, S. 37)  ; Vermerk auf S. 40  : 32 Orchesterstimmen werden dorthin geschickt, mit der Bitte um Rücksendung. Die Partitur hat Lampert weitergegeben. 55 Brief Raffs vom 26. Oktober 1856 an den Herzog (StACo LA A 7360). Zum Folgenden. – Das Datum der Premiere sowie die Wiederholungen am 2. November und 27. Dezember 1856 finden sich auch in den Orchesterstimmen (LBC TB Op 311). – Ein »entschiedener« Erfolg der Oper sowie eine vierte Aufführung wird erwähnt in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung«, 5. Jg., Nr. 54, vom 18. Dezember 1856, S. 218. 56 RMZ, Bd. 7, 1856, S. 356f. Zum Folgenden.

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sion. In dieser Hinsicht verhielt sich Ernst II. also eher wie ein »Profi« als viele Kapellmeister, die sich als Berufsmusiker ihren Namen verdienten57. Die vielen Aufführungen quer durch deutsche Lande zogen ganz selbstverständlich eine Reihe von Widmungskompositionen nach sich, die zu ­allen Opern Herzog Ernsts II. erhalten sind. Entweder fühlten sich Musiker, die noch auf Erfolg hofften, berufen, eigene Kompositionen dem Herzog zur Widmung vorzulegen, in der Absicht, mit seinem berühmten Namen auf ihrem noch unbekannten Werk Werbung machen zu können. Oder es wurden dem Herzog Stücke vorgelegt, die sich musikalisch mit Themen aus seinen Opern beschäftigten. Meist stand hinter derartigen Arbeiten auch die Hoffnung, in irgendeiner Weise die Gunst und damit im gegebenen Falle die Unterstützung des als Mäzen bekannten Herzogs zu erlangen. Als eines von vielen Beispielen sei hier die »Concert-Fantasie über Themen der Oper Casilda« des damaligen Meininger Hofkapellmeisters Jean Joseph Bott (1826–1895) genannt58. In einem an Ernst II. gerichteten Brief vom 22. Dezember 1857 erzählt Bott, dass er bei der Aufführung der »Casilda« in Kassel59 als Konzertmeister mitgewirkt habe und nun seiner Verehrung für den Herzog durch die Widmung eines Werkes Ausdruck verleihen wolle. Er wolle das Stück nächsten Winter im Druck erscheinen lassen und vorher in Konzerten in Hamburg, Bremen und andernorts selbst spielen. Der Coburger Antwortvermerk zeugt von der typischen Zurückhaltung Ernsts II. gegenüber der großen Zahl an derartigen Bittstellern  : »Ja, aber ohne Consequenzen«. In vielen Fällen wurden solche Widmungsanfragen auch glatt abgelehnt. Eine weitere Aufführung von »Casilda« auf einer deutschen Bühne lässt sich aus den Coburger Akten nachvollziehen. Ernst Lampert, der offenbar über ein gutes Netzwerk in der deutschen Musikszene verfügte, leitet am 27. April 1857 einen Brief des Hamburger Kapellmeisters Ignaz Lachner (1807–1895) an den 57 Der Autor in der RMZ zählt im weiteren Verlauf noch zahlreiche Kritikpunkte auf  : Die Rolle des Gomez scheine wenig geglückt  ; zu häufiger Gebrauch der Militärtrommel  ; manche Nummern zu lang oder mit unvermittelten Wendungen. Explizites Lob wird ausgesprochen für die Romanze und Szene der Casilda, die Arie Alfonsos sowie die Arie Donna Annas. Auch die »schreiende Aehnlichkeit« mit der »Preziosa« wird wieder erwähnt (RMZ, Bd. 7, 1856, S. 356f.). 58 StACo LA A 7360, f. 22  ; mit Antwortvermerk. Zum Folgenden. – Eine Aufführung dieses Werkes durch den Hofmusiker Julius Herbig (1846–1910) in einem Hofkonzert 1874 erwähnt Ebart (100 Jahre, S. 81). 59 Eine Aufführung von »Casilda« in Kassel ist auch in der Partitur P1 des Coburger Aufführungsmaterials (LBC TB Op 311) vermerkt, leider ohne Datum.

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Herzog weiter60, in dem es um eine Aufführung der »Casilda« in Hamburg geht61. Dem Antwortvermerk nach lässt der Herzog seinen Dank an Lachner durch Lampert übermitteln. Schon im März war in der »Neuen Wiener Musik-­Zeitung«62 zu lesen gewesen, dass am Hamburger Stadttheater gerade »Casilda« unter Lachners Leitung einstudiert werde. Die Premiere findet dann am 15. April 185763 statt, »mit guten Mitteln und glücklichem Erfolge«. Besonderes Lob wird in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung« dem engagierten Kapellmeister sowie allen Mitwirkenden ausgesprochen, besten Anklang findet der »Zigeunertanz« des vierten Aktes, der wiederholt werden muss. Amüsanterweise besteht beim Verfasser des Artikels der Irrtum, dass »Casilda« nach »Santa Chiara« entstanden sei  : Er konstatiert einen »bedeutende[n] Fortschritt« in der Musik der »Casilda« und stellt diese sogar noch über den thematisch verwandten »Troubadour«. Die mitreißende, volksnahe Musik hatte ihre Wirkung also voll entfaltet und dabei über die tatsächliche Entwicklung der musikalischen Ambitionen des Komponisten hinweggetäuscht. Einer zeitgenössischen Geschichte des Stadttheaters Hamburg ist noch Näheres zum Urteil des Publikums zu entnehmen64  : »Des Herzogs von Coburg ›Casilda‹ ward freundlich aufgenommen und liebenswürdig beurtheilt  ; man rühmte die frische und durchsichtige Klarheit des Ganzen, sowie manchen Lichtblick im Einzelnen, namentlich vermißte man erfreulich jede Reminiszenz.« Brüssel Wichtiger dürften für Herzog Ernst II. jedoch die Aufführungen an größeren Bühnen gewesen sein, vor allem an Hoftheatern von Bedeutung sowie im Ausland. Brüssel lag da – verwandtschaftlich gesehen – natürlich besonders nahe, und so überrascht es nicht, dass auch dort das neueste Werk des Coburgers aufs Programm gesetzt wurde. Ein Plakat des Brüsseler Theatre Royal de la Monnaie vom März 1852 zeigte die bereits laufende Einstudierung an65, die Premiere 60 StACo LA A 7360, f. 12. 61 Auch in der Partitur P1 des Coburger Orchestermaterials (LBC TB Op 311) findet sich eine Besetzungsliste für eine Aufführung von »Casilda« in Hamburg, leider ohne Datum. 62 »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 6. Jg., Nr. 13, vom 26. März 1857, S. 52, und Nr. 18, vom 30. April 1857, S. 70. 63 Datum und folgende Zitate aus der »Neuen Wiener Musik-Zeitung«, 6. Jg., Nr. 19, vom 7. Mai 1857, S. 75. 64 Uhde, S. 453. 65 Überliefert in StACo LA A 7364.

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fand am 14. April 1852 statt66. Die Presse berichtete übereinstimmend von einem »ehrenvollen«67, keinesfalls aber enthusiastischen Erfolg68. Im kurzen Artikel der RMZ wird wieder einmal die besondere Stellung des Komponisten thematisiert  : »Man fand viele Melodien recht hübsch und ansprechend, und wunderte sich eben nicht darüber, denn warum sollte ein regierender Herr nicht eben so gute musikalische Gedanken haben, als ein bürgerlicher Künstler  ? Allein was die Musiker vom Fach in Erstaunen setzte, war die Gewandtheit des Componisten in der Beherrschung der Form, die Richtigkeit der Harmoniefolgen, die verständige Instrumentation. Dergleichen muss gelernt werden und es flösst grosse Anerkennung vor einem Fürsten ein, der sich der Kunst mit solchem Ernst hingiebt. Der hiesige Hof ist in keiner von den Vorstellungen dieser Oper zugegen gewesen, gewiss weniger aus Gleichgültigkeit als aus Zartgefühl, um dem Publikum auf keine Weise die Freiheit seines Urtheils zu beschränken.« Eine derart hohe Meinung von seinen Fürsten konnte wohl nur ein Angehöriger des belgischen Volkes haben, das sich seinen König selbst gewählt hatte69. London So freundlich man »Casilda« in Brüssel aufnahm, so bissig wurde sie – wie üblich – von der englischen Presse begrüßt. Mit seiner dritten Oper hat es Ernst tatsächlich nach England geschafft70, und zwar offenbar unter entscheidender Mitwirkung seines Kapellmeisters Lampert71. Allerdings standen schon 66 Dieses Datum (sowie weitere Aufführungsdaten) findet sich abgedruckt auf dem französischen Textbuch der »Casilda«, gedruckt bei Brandus in Paris 1853 (Exemplar in der Bibliothèque Nationale de France, Sig. Y Th. 639). 67 RMZ, Bd. 2, 1851, S. 797. 68 So auch in »The Athenaeum«, Nr. 1281, vom 15. Mai 1852, S. 555. 69 In Brüssel agierte auch ein überaus eifriger Beamter im Sinne des Coburger Herzogs, Gustave Oppelt. Spätestens ab »Santa Chiara«, die der Herzog um jeden Preis in Paris sehen wollte, wurde er zu einem ständigen Briefpartner Ernsts II. und seiner Intendanten. Auch bei »Casilda«, die er ins Französische übersetzte, bemühte er sich bereits um das Werk des Herzogs (Versuch einer Vermittlung nach Bordeaux und an den Verlag Katto). Näheres hierzu in seinem Brief vom 20. September 1857 (StACo LA A 7360, f. 21). 70 Das Material liegt noch im Archiv des Royal Opera House Covent Garden (s. Day 1988, S. 458). 71 Für die Vermittlung der Oper nach London erhielt Lampert eine »Gratifikation«, mit der er wiederum seine Schulden bei der Intendanz begleichen konnte. Lampert hatte nämlich seit März 1851 versucht, Partitur und Klavierauszug von »Casilda« auf eigenes Risiko zu vertreiben, aber außer immensen Kopierkosten kaum Gewinn erzielt (Näheres hierzu in ThStA Gotha Hofkapell- und Theaterangelegenheiten Nr. 4).

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die Proben im Juli 1852 unter keinem guten Stern, denn die zwar berühmte, aber nicht umsonst auch berüchtigte Starsopranistin Cruvelli72, die eigentlich für die Hauptrolle vorgesehen war, »ging durch« und musste sehr kurzfristig ersetzt werden73. Doch nach einigen Ankündigungen74 wurde »Casilda«, die eigens für London eine italienische Fassung erhalten hatte75, schließlich am 5. August 1852 in der italienischen Oper des Covent Garden auf die Bretter geschickt76. Die englische Presse, die bekanntlich schon Prinz Albert das Leben schwer machte, stürzte sich auf das gefundene Fressen. Die Reaktionen reichten vom höflich-distanzierten Abkanzeln (indem man die unbestreitbare Wirkung der Oper allein der prächtigen Ausstattung zuschob77) über fast schon mitleidiges Lob für die Bemühungen eines Amateurs78 bis hin zur Betonung, wie ganz und gar überflüssig jedes weitere Wort über dieses Bühnenwerk sei79. Mit typisch englischem Humor wird in einem der Artikel eine besonders eigenwillige Version des Librettos präsentiert80  : »Suffice it to say that Casilda (Mdlle Charton) is a gipsy heroine with two gipsy lovers, one of whom is a real gipsy, and the other (Calzolari) a gentleman in disguise  ; and that having reason to suspect the fidelity of the disguised gentleman, she gets him imprisoned, and then falls to 72 Eigentlich Sophie Crüwell (1826–1907) aus Bielefeld, eine berühmte Sängerin mit schwierigem Charakter. 73 Dazu findet sich im ThStAGotha der Brief eines nicht identifizierten Absenders von »Her Majesty’s Theatre« London vom 9. Juli 1852  : »Mitten in den Proben der Casilda ist Frl. Cruvelli – man weiß weder wohin noch mit wem – durchgegangen. Sie können denken welchen Einfluß daß [sic] auf das Repertoire übt, u. ich muß nun erst an eine andere Besetzung der Titelrolle denken.« (ThStAGotha Hofkapell- und Theater-Angelegenheiten Nr. 4, f. 14–15). – Es war nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass die Sängerin einfach verschwand (vgl. Lumley, S. 340f.). Auch Ernsts nächste Oper »Santa Chiara« wurde ein Opfer ihrer Laune. Dennoch – oder vielleicht auch deshalb  ? – blieb sie ein umworbener Star der Szene. 74 »The Athenaeum«, Nr. 1274, vom 27. März 1852, S. 362  ; »The Musical World«, Nr. 30, vom 24. Juli 1852, S. 465  ; »New sporting magazine«, August 1852, S. 149. 75 Vgl. die italienische Übersetzung von »Casilda« durch Giancarlo Casanova (geb. 1820) in LBC Ms 114. 76 Datum bei Lumley, S. 347, sowie Day 1988, S. 458. Eine Wiederholung erwähnt »The Musical World«, vom 14. August 1852, S. 517. 77 »The Literary Gazette, Journal of science and art«, Nr. 1855, vom 7. August 1852, S. 613f.; »The Musical Standard«, vom 31. März 1877, S. 193 (Rückblick). 78 Am 7. August 1852 in »The Theatrical Examiner«, Nr. 2323, S. 503, und in »The Musical World«, S. 500. 79 »The Athenaeum«, Nr. 1293, vom 7. August 1852, S. 852, und Nr. 1296, vom 28. August 1852, S. 922f. 80 »The Theatrical Examiner«, Nr. 2323, vom 7. August 1852, S. 503.

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all sorts of lamentations till she gets him set free again  ; after which everything ends happily for everybody but the real gipsy admirer, who is left gnashing his teeth while all the rest are smiling.«81 Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass die Vorstellung selbst durchaus von freundlichem Applaus begleitet wurde82. Zeitungen auf dem Kontinent schrieben sogar von »glänzendem Erfolge« 83, und dass der Zigeunermarsch im vierten Akt »stürmisch zur Wiederholung verlangt« worden sei. Paris In Paris wurde »Casilda« mehrfach aufs Programm gesetzt, ob sie aber je wirklich über die Bühne gegangen ist, bleibt fraglich. So berichtet »The Musical World« am 1. Oktober 185384, dass die Oper gerade am Théatre Lyrique einstudiert und im kommenden Winter herausgebracht werde85. Im Januar 1854 meldet die »Neue Wiener Musik-Zeitung« ebenfalls die Einstudierung von »Casilda« am »lyrischen Theater«86. Und im darauffolgenden April 1854 ist wieder in »The Musical World« die Rede von einem Telegramm, das – vom französischen Hof an das Theater in Gotha geschickt – eine sofortige Übersendung der Partitur der »Casilda« nach Paris erbeten habe87. Offenbar wollte der französische Kaiser den deutschen Herzog bei seinem Besuch in Paris mit einer Produktion seines Werkes an der »Grand Opéra« überraschen. Im März 1854 besuchte Ernst II. nachweislich in Paris die Oper88  ; bei einer Vorstellung von Meyerbeers »Nordstern« betrat er sogar die Bühne, »sagte viel schmeichelhaftes über scenische Anordnung [sic] und die ganze Ausführung, ließ sich dann die 81 Trotz aller Häme verschwand »Casilda« nicht spurlos aus England. Sie tauchte in Form von Orgelbearbeitungen wieder auf (von Friedrich Lux  ; »The Musical Standard«, vom 17. Mai 1873, S. 303, und 17. Januar 1880, S. 37) sowie als Hofmusik in London (»The Musical World«, vom 25. März 1871, S. 177). 82 So auch Lumley, S. 347ff., der von einem »succès de courtoisie« spricht. 83 Vgl. »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 1. Jg., Nr. 34, vom 19. August 1852, S. 150. Hier wird als Datum für die Londoner Premiere der 2. August genannt. 84 »The Musical World«, vom 1. Oktober 1853, S. 622f. 85 Diese Meldung wird von der »Neuen Wiener Musik-Zeitung« am 6. Oktober 1853 (2. Jg., Nr. 40, S. 167) sowie am 8. Dezember 1853 (2. Jg., Nr. 49, S. 208) bestätigt. 86 »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 3. Jg., Nr. 1, vom 5. Januar 1854, S. 7. 87 »The Musical World«, vom 8. April 1854, S. 229. Zum Folgenden. – Dieselbe Meldung übrigens auch in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung«, 3. Jg., Nr. 13, vom 30. März 1854, S. 57. 88 Hierzu der Hinweis in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung«, 3. Jg., Nr. 13, vom 30. März 1854, S. 58.

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Künstler einzeln vorführen«. Doch Ende September 1854 vermeldet wiederum die »Rheinische Musik-Zeitung«89  : »Der Ausschuss des Vereins der dramatischen Dichter und Componisten hat den Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha zum ordentlichen Mitglied des Vereins ernannt. Der Herzog hat die Autorenrechte für seine Opern ›Toni‹, ›Casilda‹ und ›Santa Chiara‹ auf die Hülfs- und Wittwenkasse der Autoren, Componisten und dramatischen Künstler Frankreich’s und Belgien’s übertragen. Die zweite der genannten Opern soll binnen Kurzem mit grossem Prachtaufwand in Scene gehen.« Da war »Casilda« also immer noch nicht gespielt. Im September 1864 meldet »Le Figaro«90 erneut eine mögliche bevorstehende Aufführung unter dem Direktor Léon Carvalho (1825–1897) am »Théâtre Lyrique«. Danach aber verliert sich ihre Spur in ­Paris  ; die in der Bibliothèque Nationale de France gelagerten D ­ ruckexemplare von Libretto und Klavierauszug tragen auch nur die Aufführungsdaten aus ­Gotha, Wien, Berlin, London und Brüssel. Nicht auszuschließen ist, dass »Casilda« in Paris von einflussreichen Musikschaffenden einfach blockiert wurde – dies hat man auch bei ihrer Nachfolgerin »Santa Chiara« versucht. Hier sei ein ausführlicher Artikel des Korrespondenten einer Pariser Musikzeitung zur Aufführung von »Casilda« in Brüssel zitiert91, der einige Aufmerksamkeit erregt haben muss, sonst wäre er nicht in einer Wiener Musikzeitung abgedruckt worden  : »Das Stück ist lang, allein nicht unterhaltend. Eine verdrießliche Kompensation nicht wahr  ? Es ist ein deutsches Imbroglio, das sich Zuhörer, welche an die Heiterkeit der französischen Stücke gewohnt sind, schwerlich wohl gefallen lassen. Übrigens habe ich nicht die Absicht mich mehr als nöthig mit dem Gedichte dieser Oper – wenn ja Poesie darin ist – zu beschäftigen. Es handelt sich um die Musik. Die erste Frage, welche man an den Kritiker richten wird, ist [?] Rechenschaft zu geben über die Oper des Herzogs von Sachsen-Coburg, lautet  : ›Ist es Musik eines großen Herrn, oder Musik eines Künstlers  ?‹ Ich gestehe Ihnen, daß ich zwischen beiden keinen großen Unterschied mache. Für mich ist die Musik stets Musik. Ist sie schlecht, so proklamire ich sie als solche, empfiehlt sie sich durch reelle [?] Eigenschaften, so werde ich ihrem Verdienste Gerechtigkeit widerfahren lassen. In der Partitur der Casilda sind Motive, denen es nicht an Eleganz mangelt, allein, dieß ist nicht die verdienstvollste Seite dieses Werkes. Die Korrektheit der Formen, die Regelmäßigkeit der harmonischen Fortschrei89 RMZ, Bd. 5, 1854, S. 311. 90 »Le Figaro«, vom 11. September 1864, S. 6. 91 Abgedruckt in »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 1. Jg., Nr. 21, vom 20. Mai 1852, S. 95f.

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tungen, das Verständniß der Instrumentation sind es vorzüglich, welche an dem in Rede stehenden Werke zu loben erlaubt sind. Diese Dinge mußten gelernt werden, und Sie werden zweifelsohne wie ich, finden, daß es für jeden Tonsetzer nothwendig ist, die Kunst ernstlich [?] zu nehmen, ihr die Zeit zu widmen, welche eine vollständige technische Bildung erfordert. Ich könnte Ihnen sagen, wollte ich etwas übertreiben, daß Casilda einen siegreichen Erfolg erlangt hat, denn man hat sie sehr warm applaudirt, allein ich fühle mich nicht zur Schmeichelei geneigt. Ich werde mich darauf beschränken Ihnen zu bestätigen, daß ihr Erfolg einer der ehrenvollsten gewesen, und, indem ich mich so ausdrücke, fürchte ich kein Dementi. Obschon ›Casilda‹ eine große Oper ist, hat man sie doch hier als komische in Szene gesetzt, daß heißt, sie ist durch unsere Gesangs-Künstler ausgeführt worden, welche das leichte Genre in ihren Attributionen haben  : Herr und Frau Barbot, Frau Cabet etc. Die dramatische Partie des Werkes und die Recitative haben dieß ein wenig empfunden.« Auf engem Raum sind hier viele Urteile und Vorurteile zu lesen, mit denen Herzog Ernst II. als Komponist zu kämpfen hatte. Oft wurde behauptet, seine Stücke seien zu lang. Viele Opern der Zeit waren von der Spieldauer gesehen aber ebenso lang – nur wurde in den Opern des Herzogs eben der Mangel an gründlicher Verarbeitung seiner musikalischen Themen spürbar. Weitere Vorwürfe gegen den Komponisten gründeten sich ganz offensichtlich auf eine Ablehnung alles »Deutschen«, das – vom Standpunkt der französischen Oper aus betrachtet – als völlig unvereinbar mit dem eigenen Geschmack und minderwertig in der Qualität empfunden wurde. Dieser Selbstgefälligkeit bis hin zur Arroganz mischte sich aber zugleich eine Angst vor der Obrigkeit bei, denn die Verwandtschaft des Herzogs auch mit dem französischen Kaiserhaus war ja kein Geheimnis. Eine ehrliche, sachliche Kritik konnte also schon aufgrund der Ressentiments gegen alten Adel, Regierende und Ausländer hier nicht stattfinden. Die (implizite) Hervorhebung der Ansicht, dass ein »großer Herr« nicht zugleich ein »Künstler« sein könne, bot da nur eine willkommene Ausrede für die generelle Abneigung gegen die Person.

Ein spätes Comeback

Obwohl sich Herzog Ernst II. gleich nach Vollendung der »Casilda« schon wieder an seine nächste Oper machte, verschwand die »Zigeuneroper« – anders als ihre Vorgänger – nicht sogleich in der Versenkung und wurde auch nicht durch den Erfolg ihrer Nachfolgerin »Santa Chiara« völlig verdrängt. In den 1870er

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Jahren rief sie sich im Hofkonzert92 und als Wiederaufnahme in Gotha in Erinnerung. Auch Weimar reihte sich in die Zahl der ausführenden Bühnen ein  : Am 27. Dezember 1874 um 9 Uhr 25 erhielt der Coburger Intendant Dr. Tempeltey ein Telegramm aus Weimar, des Inhalts  : »Casilda gestern mit jedem Act steigendem Beifall gegeben. Allgemein gefallen«93. Ab den 1880er Jahren startete »Casilda« dann ein Comeback, das äußerst ungewöhnlich für eine so einfache und in dieser Zeit doch schon recht unmoderne Oper anmutet. Am 18. Februar 1877 wurde »Casilda« noch einmal in Gotha gespielt und die Aufführung wenige Tage später in der Weimarer Zeitung »Deutschland« besprochen94. Neben schon bekannten Elementen wie dem Lob für einzelne Nummern (Romanze Casildas »Es saß ein Mägdlein«, Arie Casildas »Wie scheint mir der Himmel«, Rezitativ und Romanze Casildas »Wohl ist der Mond entwichen«), dem Hinweis auf die Ähnlichkeit des Stoffes zu »Preciosa« und dem Lob für die Mitwirkenden, klingt um diese Zeit nun auch (wieder) ein politischer Ton in der Beurteilung der Musik mit  : »Wir begnügen uns damit, zu konstatiren, daß dieser Tondichtung unter den immer noch seltnen deutschen Opern ein hervorragender Platz gebührt und daß sie sich durch leichte, gefällige Melodien vortheilhaft auszeichnet, deren manche sogar ein ächt volksthümliches Gepräge trägt. Deutsch in ihrem ganzen Wesen, heimelt uns diese Oper an wie ein liebliches Märchen, ein freundlicher Traum aus den schönsten Tagen unserer Romantik, und zumal den eigenartigen, schwärmerischen Liedern des Zigeunermädchens Kasilda selbst wüßten wir wenige andere Tonweisen zur Seite zu stellen.« Der Herzog, der übrigens bei der Aufführung anwesend war, hat diese Worte sicher gerne gelesen  ; zumal nach der Vereinigung Deutschlands zum Deutschen Reich seine Verdienste darum ebenso schnell verblassten wie der Ruhm seiner Opern. Zu Beginn der 1880er Jahre interessierten sich die Theaterdirektoren aus Königsberg und Stettin für »Casilda«95. Auch Metz und Troppau fragten an, 92 Vgl. hierzu den Programmentwurf für ein Hofkonzert am 30. Dezember 1872 (StACo Theater 12, S. 217)  : »Arie aus der Oper ›Casilda‹«, gesungen von der Kammersängerin Helene Gerl (1847–1905). Außerdem eine Konzertparaphrase über Motive aus »Santa Chiara«. 93 StACo LA A 7362, f. 47. Nach der Theaterzettelsammlung des ThStA Weimar (Signatur  : A 10419/62, Blätter 72 und 93) sowie den Vermerken in den aus Coburg geliehenen Stimmen (LBC TB Op 311) fand nach der Premiere am 26. Dezember 1874 noch eine Wiederholung am 27. Januar 1875 statt. 94 Artikel in »Deutschland. Zeitung, Tag- und Gemeinde-Blatt«, Weimar, vom 26. Februar 1877, 29. Jg., Nr. 56  ; S. 2, Rubrik »Theater«. Autor  : »Dr. K. S.« – Als Ausschnitt der Akte StACo LA A 7363 beiliegend. Zum Folgenden. 95 Briefe von Albert Goldberg aus Königsberg vom 29. März 1880 und vom Februar 1881. Brief

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zumindest letztgenanntes Theater erhielt aber – wie erwähnt – eine Absage vom Herzog, der den ständigen Vergleich seines Werkes mit »Preciosa« nicht mehr hören konnte. Er selbst jedoch befahl das Werk im Jahr 1888 gleich zwei Mal zur Aufführung bei sich zuhause  : am 22. Mai96 und 30. Dezember97. Im folgenden Frühling gab man »Casilda« nach einer Vorstellung in Gotha (am 31. Januar 1889) auch am 2. März in Erfurt98. Ab 1890 tauchte »Casilda« auf einmal wieder auf mehreren renommierten Bühnen Deutschlands auf und erhielt einige ausführlichere Zeilen in der Presse. Im November 1890 meldete sich Berlin in Coburg99, im Mai 1891 das Stadt­ theater Leipzig100. Vom Großherzoglichen Hoftheater Darmstadt schickt man sogar einen Probenplan nach Coburg, vielleicht zum Beweis, wie ernst man es mit der sorgfältigen Einstudierung nimmt101. Der Darmstädter Hofschauspieler Hermann Knispel (1855–1919), der im Auftrag seines Direktors schreibt102, weist darauf hin, dass »Casilda« ja schon am 26. Dezember 1851 in Darmstadt gegeben worden sei und man sie nun neu einstudiere. Er bittet darum, den Herzog von der bevorstehenden Aufführung in Kenntnis zu setzen, und vergisst nicht zu betonen, dass in einer von ihm verfassten Geschichte des Großherzoglichen Hoftheaters zu Darmstadt selbstverständlich auch die herzoglichen Opern »Santa Chiara« und »Diana« zur Sprache kämen103. Zu »Casilda« brauche er aber noch mehr Informationen für einen längeren Artikel für die Lokalpresse. Wie gerne der Schauspieler sich schriftlich verbreitete, ist bis heute aus seinen überlieferten Büchern und Broschüren zur Theatergeschichte zu ersehen.

von Emil Schirmer (1840–1915) aus Stettin vom 20. Januar 1883. Brief von Julius Nicolini aus Troppau vom 19. September 1883 (alle in StACo Theater 3042).  96 Vgl. hierzu StACo Theater 123 (Randvermerk zu einem Bericht).  97 Vgl. hierzu StACo Theater 124, f. 39 (Befehl vom 26. Dezember).  98 Datum aus LBC TB Op 311, »Tromba I«.  99 Vgl. hierzu die Postkarte von Carl Friedrich Wittmann (1839–1903) aus Berlin an den Coburger Bibliothekar Leon Hess (1836–1905). Jener bittet am 6. und erneut am 8. November 1890 um das Material zu »Casilda«. Eine Quittung vom 12. November 1890 bestätigt schließlich den Empfang (StACo Theater 3644). 100 Brief vom 18. Mai 1891 mit der Frage nach dem Material zu »Casilda« (StACo Theater 361, S. 53). 101 Vgl. hierzu den »Spielplan« mit Auflistung der Proben in StACo Theater 17. »Casilda« wurde am Freitag, den 18. Dezember 1891, um 11 Uhr in einer Klavierprobe studiert, drei Tage später dann erneut. Daneben wurde für Wagners »Walküre« (Premiere am 20. Dezember) sowie für Verdis »Sizilianische Vesper« geprobt. 102 Brief Knispels vom 18. Dezember 1891 an die Intendanz in Coburg (StACo Theater 17, S. 1–4). 103 Vgl. Knispel 1891. Knispel verliert aber nicht viele Worte über die Opern des Herzogs. Über »Casilda« (1851) steht auf S. 133 seines Buchs nur, dass sie »besonders glanzvoll und mit großem Erfolge aufgeführt« wurde.

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Ein Jahr nach der Kontaktaufnahme kann dann auch das Leipziger Stadt­ theater die Oper »Casilda« präsentieren104. Als Datum wählt man den Tag der goldenen Hochzeit des Komponisten, den 3. Mai 1892, was auch stolz auf dem Theaterplakat vermerkt wird. Per Telegramm wird dem Herzog der »glänzende Erfolg« der »Vorstellung ersten Ranges« gemeldet105  ; der handschriftliche Vermerk darunter »Darmstadt ebenfalls« weist auf besonderen Anlass zur Freude für den Komponisten hin. Bemerkenswert ist sowohl im Vorfeld dieser Aufführung wie auch bei den Wiederholungen im Jahr 1893 die Diskussion über das Ballett in der Oper106. Offenbar maß man diesem Pflichtteil der Oper in Leipzig eine größere Bedeutung bei als anderswo. Jedenfalls erwartet der selbstbewusste Ballettmeister Jean Golinelli (geb. 1857) im Februar 1893 auch eine Auszeichnung durch den Herzog für sein neues Tanzarrangement in ­»Casilda«107. Die großzügige Verteilung von Auszeichnungen und Orden durch Ernst II. bei dieser Gelegenheit mag auch ein Grund für die anhaltende Begeisterung der Leipziger für »Casilda« gewesen sein  : Im Januar 1893 schlägt der Regisseur des Leipziger Stadttheaters dem Coburger Intendanten von Ebart vor, »Casilda« dem Herzog in Gotha als Gastspiel seines Leipziger Ensembles vorzuführen108. Noch einmal rauschte es im Blätterwald, bis diese Oper dann das Schicksal alles Altmodischen im Theater ereilte. Während bei Kritiken aus den 1850er Jahren gelegentlich noch Vorsicht und Zurückhaltung herauszulesen sind, da die Autoren sich den fürstlichen Komponisten und Mäzen nicht unbedingt zum Feind machen wollen, offenbart sich gegen Ende des Jahrhunderts schon ein ganz anderes Selbstbewusstsein der Musikkritiker. Viele sandten sogar ihre Artikel eigens an den Hof in Coburg oder Gotha, wo man der Reaktion der 104 Ein Theaterplakat des Leipziger Stadttheaters vom 3. Mai 1892 liegt in StACo Theater 17. Zum Folgenden. 105 Telegramm vom 3. Mai 1892 aus Leipzig an den Intendanten von Ebart in Coburg (StACo Theater 17, S. 11). 106 Vgl. hierzu den Brief von Regisseur Albert Goldberg aus Leipzig vom 18. April 1892 (StACo Theater 17, S. 7), in dem er den »Herrn Baron« (von Ebart  ?) nach der richtigen Stelle für das Ballet fragt (im letzten Akt oder im 2. Akt  ?). Es sei auch eine Kostenfrage, da ein Ballet im 2. Akt »doch ganz anders aussehen müsste« als im 4. Akt. 107 Brief Golinellis vom 8. Februar 1893, in dem er die Fürsprache von Ebarts erbittet für Verleihung des Bandes zu der Herzog-Ernst-Medaille, die er bereits im Knopfloch trage (StACo Theater 17, S. 33). Auf der Rückseite des Briefes findet sich eine handschriftliche Namensliste, die offenbar alle zugeteilten Auszeichnungen ausweist. So erhielt beispielsweise der Dirigent Emil Paur (1855–1932) das »Ritterkreuz III. Classe«. 108 Brief Goldbergs vom 11. Januar 1893 (StACo Theater 17).

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Fachpresse tatsächlich stets gehörige Beachtung schenkte109. So schickt im Mai 1892 Dr. Paul Simon (1857–1902), Herausgeber der »Neuen Zeitschrift für Musik« in Leipzig, seine ausführliche Besprechung der Aufführung von »­ Casilda« nach Coburg, und zwar gleich in sechs Exemplaren110. Dass er keine Angst vor der Reaktion Ernsts II. auf seine Darstellung hat, versteht man leicht angesichts der überwiegend süßlich-schmeichelnden Beschreibung der Oper. Schon seine Einleitung verrät die Tendenz des ganzen Artikels  : »Ein Fürst von Geburt, ein Fürst des Geistes, der überall  : in der Politik als Förderer des deutschen Einheitsgedankens, in der Literatur als Memoiren-Schriftsteller von bedeutsamsten [sic] Gewicht und kenntnißreichster Auffassung, in der Musik als alle Formen beherrschender Componist eine hervorragende Stellung einnimmt, ist sicherlich eine hochverehrungswürdige Erscheinung. Auf allen diesen Gebieten tritt uns eine ganz ungewöhnliche Schöpferthätigkeit entgegen, die im Lauf der Zeit selbst bedeutende musikalisch-dramatische Werke geschaffen hat.« Bernhard Vogels (1847–1898) Rezension in der Beilage zu den »Leipziger Nachrichten« vom 5. Mai 1892111 ist ebenfalls in wohlwollendem Ton gehalten, wenn auch deutlich mehr in der Sache argumentierend. Es ist festzustellen, dass selbst nach 40 Jahren noch dieselben Stücke aus der Oper besonders gefallen  : die Romanze(n) Casildas, die Arien Alfonsos und Donna Annas usw. Die »musikalische Atmosphäre« der »Casilda« vergleicht Vogel mit dem »Nachtlager von Granada« von Kreutzer, auch lobt er – wie alle Kritiker vor ihm – den Melodienreichtum des Werks. Seine abschließenden Bemerkungen zur Musik der »Casilda« enthüllen einen möglichen weiteren Grund für ihre Wiederbelebung, nämlich den aktuellen Mangel an gefälligen Bühnenstücken  : »Wenn man bedenkt, daß ›Casilda‹ schon vor über vierzig Jahren componirt worden, so läßt man ihren Vorzügen von dem Standpunkt aus, von dem dieses Werk allein betrachtet werden muß, um so lieber Gerechtigkeit erfahren, als der positive musikalische Gehalt in ihr viel reicher ist als in mancher Neuheit, die hinter Schwulst und Aufbausch doch nur innere Oede verbirgt.« So fanden die früher oft als oberflächlich belächelten Melodien und Harmoniefolgen nun 40 Jahre später eine Wertschätzung, die vor allem aus einem Mangel an einfachen und verständlichen Musikstücken im aktuellen Repertoire herrührte. 109 Zu den späteren Opern gibt es in den Coburger Theaterakten eigens angefertigte Hefte mit Zeitungsausschnitten und Abschriften von Kritiken. Die schlechtesten hat man aber wohl weggelassen. 110 Brief Simons vom 6. Mai 1892 (StACo Theater 17, S. 35). Artikel aus der »Neuen Zeitschrift für Musik«, 59. Jg., Nr. 18, vom 4. Mai 1892, S. 201–203, beiliegend. Zum Folgenden. 111 Als Ausschnitt der Akte StACo Theater 17 beiliegend.

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Das Schlichte, Klare und Entschiedene, das die Musik Ernsts II. kennzeichnet, war am Ende des Jahrhunderts für Theaterschaffende wieder interessant geworden, da diese Eigenschaften eines Bühnenstücks beim Publikum immer beliebt waren. Dass es sich dabei nicht um wegweisende »große« Kunst handelte, war allen Beteiligten klar. Wirklich eingehend hat sich auch der Musikkritiker Ferdinand Pfohl (1862–1949) mit »Casilda« beschäftigt112. Er war einer der angesehensten Musik­kenner und Kritiker in Deutschland und für seinen Scharfsinn bekannt  : »Wie wenige verstand es Pfohl, geachtetes Mitglied der wilhelminischen Bildungsschicht, deren Bigotterie und Chauvinismus mit Simplicissimus-würdiger Schärfe zu geißeln.«113 Als Mitredakteur der weitverbreiteten Zeitschrift »Daheim« wendet Pfohl sich in einem Brief an von Ebart in Coburg, schickt seine Veröffentlichungen mit und betont die Qualität der von ihm bedienten Zeitschriften114. Im Hinblick auf »Casilda« entlarvt er zunächst die Schwächen des Librettos. So legt Pfohl nach ausführlicher Erzählung des Handlungsverlaufs dar, dass sich am Schluss des Stücks der »Knoten« zu schnell auflöse, der interessante Teil des Konflikts (Donna Anna und ihr Gatte) unterbewertet bleibe und Casilda dadurch als handelnde Person gegen Ende von der Bildfläche verschwinde115. Außerdem verschenke der Librettist Gelegenheiten zur Kontrastierung und zum Dramatisieren (beispielsweise bei der Wiedervereinigung von Casilda und Alfonso) zugunsten spannungsarmer und wenig ausdrucksstarker Szenen wie der Hochzeit auf dem Lande. Neben seiner detailgenauen und tiefgründigen Analyse116 bereichert Pfohl seine Besprechung der »Casilda« auch durch die klare Abgrenzung von Begriff­ lichkeiten, die gerade im Vergleich der Artikel aus den 1850er Jahren mit denen vom letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts tiefgreifende Missverständnisse verursachen können. Er beginnt seinen Artikel mit der Klärung des Begriffes »romantisch«117  : »Die Oper ›Casilda‹ ist ein durchaus lyrisches Drama. Der 112 Vgl. Besprechungen in der Beilage zur »Leipziger Zeitung« vom 4. Mai 1892 (StACo Theater 17) sowie in seinem Buch »Die moderne Oper«, Leipzig 1894, S. 114–122. Beide Texte überschneiden sich großteils. 113 Krause 2012, S. 15. 114 StACo Theater 17, S. 19f. 115 Pfohl 1894, S. 118f. 116 Übrigens war Pfohl offenbar auch der einzige unter den genannten Kritikern der Leipziger Aufführung vom 3. Mai 1892, dem auffiel, dass auf der Bühne »einige Versehen« vorkamen (s. Artikel in der »Leipziger Zeitung«). Er verfügte also auch über ein gutes Gehör. 117 Pfohl 1894, S. 114.

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Componist charakterisirt sein Werk als eine romantische Oper. Nicht romantisch in der Bedeutung, zu der R. Wagner diesen Begriff erhoben  : denn die Handlung greift weder in die Vergangenheit der deutschen Sage zurück, noch gewährt sie jenem Wunderbaren, das mit der Sage so oft untrennbar verbunden erscheint und als eine ihrer reizvollsten Begleiterscheinungen auftritt, irgend einen Spielraum. Sie ist aber romantisch im Sinne jenes gewissen modernen Schlagwortes, das wir auf Menschen anzuwenden pflegen, die für Wald, Zigeu­nerthum und Freiheit schwärmen und dem Zuge phantastischer Neigungen folgen.« Aus dieser Bestimmung des Begriffes erklärt sich, warum manche Zeitgenossen »Casilda« als »romantisch« beschreiben, andere als das Gegenteil davon. Letzteres klingt auch ein wenig an, wenn Pfohl in seiner Beschreibung innehält  : »Casilda ist eine Perle, eingelagert in den Schlamm ihrer zigeunerhaften Umgebung.«118 An Einfachheit und Natürlichkeit orientiert sich bei Pfohl nicht nur die Romantik in »Casilda«, sondern auch ihre Musik. Hier bringt er – wie schon die zitierte Kritik aus der Zeitung »Deutschland« von 1877 – den Begriff des »Deutschen« ins Spiel119  : »Um dem Geist der Musik des herzoglichen Componisten in seiner Eigenart gerecht zu werden, möchte es angebracht sein, an das schöne Wort zu erinnern, das Herzog Ernst in einem durch seinen politischen Inhalt hervorragenden Brief an den König Leopold I. von Belgien, allerdings nicht im Zusammenhange mit der Kunst, gebrauchte, an das Wort  : ›Wir müssen wieder ehrlich deutsch werden.‹ Und ehrlich deutsch ist diese Casildamusik. Sie ist ebenso prunklos und einfach im Ausdruck, wie sie schlicht und ehrlich empfunden ist. Die Handlung würde mit dieser Musik sofort in eine deutsche Waldgegend verlegt werden können. Sie athmet den Geist der reinen Kreutzer’schen Gefühls-Romantik. In der vorherrschenden Liedform, die mit Arie, Recitativ und Ensemblestücken abwechselt, wirkt die Oper freundlich auf das deutsche Empfinden. Sie ist selbst deutsch. Alles, was der Componist dem spanischen Localcolorit, exotischen Farbenmischungen, fremdländischen Rhythmen an Zugeständnissen einräumt, drängt er in einen spanischen Nationaltanz, einen Bolero, zusammen.« Nicht nur im Verweis auf Kreutzers »Gefühls-Romantik« stimmt Pfohl mit dem genannten Bernhard Vogel überein, auch die einzelnen Nummern, die beide Kritiker hervorheben, sind identisch und decken sich auch mit den Lieblingsstücken der früheren Hörer  : Casildas Romanzen bzw. ihre Improvisation, die Arie Alfonsos, die Arie Donna ­Annas 118 Pfohl 1894, S. 115. 119 Pfohl 1894, S. 120.

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usw.; sowie die durchaus bewusst gestalteten Massenszenen, die aber »von ­einer gewissen Durchsichtigkeit«120 bleiben. Bemerkenswert erscheint noch folgende Begründung Pfohls für Ernsts Rückgriff auf eine ältere Gesangsästhetik in der Rolle der Donna Anna  : »Das urmusikalische Behagen an der gesangvollen Führung der menschlichen Singstimme war es wohl auch, das den Componisten veranlasste, für die Partie der Donna Anna des colorirten Stils sich zu bedienen.« Dass es völlig unsinnig gewesen wäre, im Jahre 1892 einen Komponisten für das zu verurteilen, was er 1851 auf die Bühne gebracht hatte, war allen Musikkritikern, die sich mit »Casilda« befassten, gleichermaßen klar. Im Grunde genommen sind die wohlwollenden Bewertungen dieser Oper vom Anfang der 1890er Jahre als eine Form der Anerkennung für das Lebenswerk Ernsts II. zu betrachten. Die Aufführungen von »Casilda« (noch dazu zur goldenen Hochzeit des Komponisten) wie auch die Berichterstattung darüber waren Ausdruck des Respekts vor der Lebensleistung des Herzogs, und zwar nicht nur in musikalischem Sinne. Hier funktionierte die Bewertung des komponierenden Fürsten also einmal andersherum  : Statt ihn auf der Bühne zu verurteilen, weil er ja eigentlich ein Herzog war, wurde ihm nun da Ehre zuteil, wo er nicht so Großes geleistet hatte wie auf politischem Gebiet, wo es ihm persönlich aber besonders viel bedeutete. So liest sich auch der Beginn der bereits erwähnten Rezension von Bernhard Vogel121  : »Seit dem Erscheinen des von Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha verfaßten Memoirenwerkes sind die großen und mannichfaltigen Verdienste, die er sich bei der Förderung der Neugestaltung unserer inneren und äußeren politischen Verhältnisse erworben, den Zeitgenossen klarer denn je zum Bewußtsein gekommen und neu sind für ihn die Gefühle der Dankbarkeit und Verehrung erwacht bei Allen, die solchem manneswürdigen Wirken ehrendes Gedächtniß widmen. Wenn jetzt aus Anlaß des goldenen Ehejubiläums des hochgeehrten Herzogs unsere Direction auf eine Oper des krontragenden Componisten zurückgreift, so entspricht sie damit ebenso sehr dem eignen Herzensbedürfniß wie einem allgemeinen Verlangen, das dem treuergebenen Schützer der Tonkunst, dem schaffenden Musiker an seinem Jubeltage eine würdige Huldigung darzubringen drängt. In diesem Sinne und Zusammenhang will die vorgestrige Festoper Casilda, componirt von Herzog Ernst zu Sachsen-Coburg-Gotha betrachtet sein.« 120 Pfohl 1894, S. 122. 121 Beilage zu den »Leipziger Nachrichten«, vom 5. Mai 1892 (StACo Theater 17).

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Noch im Jahr seines Todes erreichte »Casilda« von Ernst II. eine weitere deutsche Bühne, und zwar die in Riga, wo die Oper ab Anfang Dezember geprobt und am 20. bzw. 28. Dezember 1893 auf die Bühne gebracht wurde122. Der Direktor des Theaters, der zu dieser Zeit Max Martersteig (1853–1926) hieß, hatte sich rechtzeitig in Coburg um das Material bemüht123. In diese Zeit fällt auch das zurückhaltende Urteil Mokrauer-Mainés, der sich eingehend mit dem kompositorischen Schaffen des Herzogs beschäftigt hatte und zu »Casilda« schrieb124  : »Eine romantische Oper muss man ›Casilda‹ nennen. Trotzdem die Handlung oftmals in Verschwommenheit zerfliesst und die Entwickelung einzelner Charaktere in der textlichen Ausarbeitung nur wenig beachtet ist, entbehrt sie dennoch nicht einer gewissen Spannung und neben glücklich gewählten lyrischen Ruhepunkten enthält sie verschiedene gut angebrachte dramatische Effekte.«

122 Daten auch im Coburger Orchestermaterial (LBC TB Op 311). 123 StACo Theater 17, S. 49–57. 124 Mokrauer-Mainé, S. 12.

Zwischenakt: Hinter den Kulissen – Theaterleitung im 19. Jahrhundert Ein gutes Beispiel  : Karl Theodor von Küstner

»[M]an muß die Monarchenkunst studiren, um sie im Reiche des Bühnen­ wesens als die einzige durchaus vollkommene Regierungsform einzuführen. Dazu gehört übrigens Zeit, und ein guter Theatervorstand wird ebenso wenig als ein höheres Oberhaupt geboren, sondern muß erst die Schule der Erfahrung durch alle Classen durchwandern.«1 Dieses Zitat seines Kollegen Ernst August Friedrich Klingemann (1777–1831) erwähnt der erfahrene Theaterdirektor Karl Theodor von Küstner (1784–1864) gleich zu Beginn seiner Memoiren. »Vierunddreißig Jahre meiner Theaterleitung in Leipzig, Darmstadt, München und Berlin zur Geschichte und Statistik des Theaters«, erschienen 1853 in Leipzig und Herzog Ernst II. gewidmet2, ist eine gute Quelle, um aus erster Hand etwas über die Anforderungen und Schwierigkeiten des Berufs eines Theaterdirektors im 19. Jahrhundert zu erfahren. Im Theater als wichtigstem Unterhaltungsmedium der Zeit schlugen sich die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell nieder. Das Repertoire eines Hauses gab Auskunft über das, was das Publikum beschäftigte und interessierte. Ein wesentliches Kriterium war aber auch die Organisation  : Handelte es sich um ein Hoftheater, ein Stadttheater, ein Nationaltheater  ? Ein rein privat getragenes Unternehmen funktionierte anders als ein subventioniertes Hoftheater. Zuschüsse und Finanzierung waren oft unmittelbar vom Erfolg abhängig, so dass Direktoren, die das Haus nicht jeden Abend voll bekamen, oft in kürzester Zeit geschasst wurden. Die Auswahl von Repertoire sowie dem geeigneten Personal war entscheidend für das wirtschaftliche Überleben einer Bühne, die richtige Zusammensetzung in beidem zu treffen eine Kunst. Küstner, geprägt von seiner jahrzehntelangen Erfahrung, fasst dies so zusammen3  : »[D]ie Erfah­rung, daß im Durchschnitt ein Theatervorstand nicht über fünf oder sechs Jahre ausdauert, beweist vollständigst die Schwierigkeit seiner Stellung  ; er soll der Vermittler 1 Küstner 1853, S. 8. 2 Küstner diente nach eigenen Angaben im Krieg 1813 unter Herzog Ernst I. (Küstner 1853, S. 7). 3 Küstner 1853, S. 9. Zum Folgenden.

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zwischen der Kunst und dem Publicum, der praktischen und idealen Seite sein  ; seine Wirksamkeit ist von der eigenthümlichsten Art und von allen andern verschieden, sie erfordert die besten und edelsten Kräfte, die reiffste Kunst und Lebenserfahrung, eine Verbindung redlichen Willens und leidenschaftslosen Eifers mit einer universalen Bildung  ; er hat die Conflicte zwischen Hof und Publicum (bei Hoftheatern), zwischen der Kunst und den Anforderungen ihrer Priester und die zwischen ihnen selbst auszugleichen.« Diese nahezu unmögliche Aufgabe zu erfüllen braucht es natürlich eine Person mit einem ganz besonderen Anforderungsprofil4  : »gründliche Kenntniß der schönen Wissenschaften und Künste, und insbesondere der dramatischen Dicht- und Schauspielkunst mit Hinsicht auf unsere Bühne und deren Anforderungen, Poesie, Liebe und Hochachtung für die dramatische Kunst und deren höchste Zwecke, Geschmack und Bekanntschaft mit den Schwesterkünsten, als Decorationsmalerei, Costüm usw., Vertrautsein mit der Künstlerwelt und ihren Eigenthümlichkeiten, Erfahrung und Praxis im Directionsgeschäft, Kenntniß der Theaterwirthschaft in allen ihren unendlichen Details, sowie endlich Würde, Energie und klare Uebersicht des Ganzen in artistischer wie finanzieller Hinsicht.« In diesem Zusammenhang kommt Küstner dann gleich auf einen ersten Kritikpunkt hinsichtlich der Besetzungspolitik an zeitgenössischen Hoftheatern zu sprechen  : Statt auf Eignung und Befähigung zu achten, würden bei der Auswahl von Intendanten und Direktoren zu oft »Standes- und Geburtsrücksichten« genommen5. Von den wirtschaftlichen Risiken eines Theaterunternehmens konnte Küstner schon nach seinen ersten beiden Stationen als Direktor ein Lied singen. Trotz schwieriger Startbedingungen hielt er sich ganze elf Jahre als Leiter des Stadttheaters Leipzig (1817–1828)6. Eine relativ große Institution wie das Theater, mit einem Personalbestand von ca. 200 Personen, unterlag natürlich den Schwankungen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. So benennt Küstner die Jahre 1820, 1823, 1826 und 1827 als defizitär, unter anderem auch wegen einer übergreifenden Wirtschaftskrise. Aber auf kurzfristigen Profit durfte ein Theater schon damals nicht schauen, es ging Küstner um eine mittelbis langfristige finanzielle Stabilität, die er »durch die größte Thätigkeit und 4 Küstner 1853, S. 9. Zum Folgenden. 5 Küstner 1853, S. 10. 6 Zum Folgenden Küstner 1853, ab S. 49. – Natürlich handelt es sich bei den Memoiren Küstners auch um eine der vielen »Ich-Geschichten« des 19. Jahrhunderts (vgl. Wagner-Egelhaaf, S. 161 ff.), in denen der Autor seine eigene Bedeutung gehörig hervorhebt. Dennoch sind viele Aussagen und Daten, die Küstner weitergibt, wertvolle Informationen, die Vergleiche ermöglichen und Zusammenhänge nahelegen.

Hinter den Kulissen – Theaterleitung im 19. Jahrhundert 

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strengste Ordnung in der artistischen wie finanziellen Leitung und durch den Ruf des Theaters im In- und Auslande«, dazu – am wichtigsten – »möglichste Sparsamkeit in der Ausgabe, ohne daß jedoch dadurch die Kunst und Schönheit litt«, auch erreichte. Der letztgenannte Punkt war besonders heikel, denn durch Kürzungen an der falschen Stelle konnte ein Theater auch kaputtgespart werden. Küstner nennt ein Beispiel, wie er durch Risiko einen Gewinn erzielen konnte  : So habe ihn die Produktion von Webers »Oberon« zwar ganze 2.460 Taler gekostet, brachte es aber auf 42 Vorstellungen (!), so dass die Einnahmen allein aus dieser Oper ca. 20.000 Taler betrugen7. Auf seiner zweiten Stelle, in Darmstadt8, hatte er dagegen weniger Erfolg. Das Haus, das er übernahm, war verschuldet und für die Einwohnerzahl viel zu groß. Schon nach zehn Monaten musste die Oper geschlossen werden und Küstner war lediglich mit der Abwicklung der alten Verträge beschäftigt. Hier erlebte er nun, dass auch Kompetenz und ehrliches Bemühen ein aussichtsloses Unternehmen nicht in die Erfolgsspur zurückbringen konnten. Als Küstner 1833 an das Hoftheater in München wechselte9, fand er wieder andere Bedingungen vor  : Zwar war er als Intendant direkt dem König unterstellt, was den Geschäftsgang enorm vereinfachte und beschleunigte. Andererseits hatte er einen eigenen Kapellintendanten neben sich, was zu vielen Schwierigkeiten führte. Außerdem musste Küstner einen Schuldenberg von ca. 45.000 Gulden übernehmen, den er in jährlichen Raten von 4.000 Gulden abtragen sollte  ; dazu kamen Rentenzahlungen für pensionierte Theatermitglieder von ca. 5.200 Gulden jährlich. Der Zuschuss von 78.000 Gulden aber blieb gleich. Voller Stolz verkündet Küstner in seiner Autobiografie, dass er den Etat immer eingehalten habe und die Schulden deutlich verringern konnte10. Dies sei ihm nicht nur durch Sparsamkeit, sondern auch durch Mehreinnahmen aufgrund der »Verbesserung der Kunstanstalt«11 gelungen. Seine konkreten Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz und Auslastung des Theaters waren  : • Anfertigung von Inventarlisten, um einen besseren Überblick über die vorhandenen Möglichkeiten zu erhalten,    7 Küstner 1853, S. 51.   8 Hierzu Küstner 1853, ab S. 64.   9 Hierzu Küstner 1853, ab S. 94. Zum Folgenden. 10 Küstner 1853, S. 96. 11 Küstner 1853, S. 97.

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• Neugestaltung einiger Räume, darunter auch die Einrichtung »eines geräumigen und eleganten Foyers«12, um die Einnahmen aus der Vermietung der Theaterräumlichkeiten zu erhöhen, • Erarbeitung von Theatergesetzen, denn klare Regeln und Sanktionen sicherten einen reibungsloseren Betrieb, • Erweiterung der Pensionsanstalt auf Witwen und Waisen der Theatermitglieder, was für gute Mitarbeiter ein Anreiz zum dauerhaften Engagement sein konnte, • Einführung von Kartenkontrollen13, Einschränkung der Zahl an Freikarten, • Einsparungen bei den Theaterzetteln und dem Zettelträger (dessen Bedeutung mit Einführung der Eisenbahn wieder stieg) sowie • bessere Organisation des Zutritts zum und Ausgang aus dem Theater14  : Dazu gehörte neben der Ordnung der Menschenschlangen an den Ein- und Ausgängen auch eine komfortablere Zufahrt zum Theater. Diese organisatorischen Maßnahmen waren für Küstners bemerkenswert erfolgreiche Intendanz in München (er blieb bis 1842) ebenso wichtig wie die Wahl des Repertoires. Letztere erforderte neben einem guten Gespür für die Präferenzen des Hofes und die Wünsche des Publikums auch eine gewisse Flexibilität im Umgang mit der Literatur. So war man in München gegenüber kirchlich-religiösen Themen auf der Bühne ziemlich empfindlich15. Die Darstellung des blutigen Konflikts zwischen Katholiken und Hugenotten in Meyerbeers Oper »Die Hugenotten« (in der die Katholiken die Bösen waren  !) konnte Küstner im Münchner Hoftheater so nicht auf die Bühne bringen  : Er wählte einen Kompromiss, indem er die Szenerie kurzerhand ins England König Karls I. (1600–1649) übertrug, als sich Anglikaner und Puritaner bekämpften16. Grundsätzlich waren für Küstner bei der Gestaltung des Spielplans 12 Küstner 1853, S. 101. 13 Laut Küstner machte diese Kontrolle, die sich vor allem auf die Plätze im Parterre und der Galerie bezog, tatsächlich einen Unterschied bei den Tageseinnahmen von 1.000 Gulden pro Monat (Küstner 1853, S. 103). 14 Das geordnete Schlange-Stehen hatte sich Küstner eigenen Angaben zufolge von französischen Theatern abgeschaut (Küstner 1853, S. 104). 15 Vgl. zum Folgenden Küstner 1853, S. 112f. und S. 138f. 16 Ähnliches geschah übrigens auch in Wien, wo man statt Katholiken und Hugenotten Ghibellinen und Welfen aufeinandertreffen ließ (Küstner 1853, S. 112f.). – Als weiteres Beispiel nennt Küstner die Nonnen in Meyerbeers »Robert der Teufel«, die er in München zu einfachen Sünderinnen machte, ohne kirchlichen Hintergrund (S. 138f.).

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mehrere Kriterien von Bedeutung17  : »Die Rücksichten, die bei Hoftheatern obwalten, sind von sehr verschiedener Art, bald politischer, bald kichlicher, bald haben sie persönliche und locale Beziehungen  ; an einem Theater ist oft Das [sic] verpönt, was an dem andern gestattet  ; ebenso wechseln die Rücksichten mit dem Wechsel der Ereignisse.« Stücke, deren Inhalt aber als Angriff auf das politische System gesehen werden konnte18 oder in denen das erwachende Selbstbewusstsein der deutschen Nation geschmälert wurde19, waren dagegen generell ein Risiko für den Intendanten. Im Jahr 1842 übernahm Küstner dann die »größte Theateranstalt Europas«20  : die königlichen Schauspiele in Berlin, die über insgesamt fünf Häuser an drei Standorten (Berlin, Potsdam, Charlottenburg) verfügten. Verwaltungstechnisch war Küstner dem Generalmusikintendanten von Redern unter- und dem Gene­ralmusikdirektor Meyerbeer beigeordnet, was für ihn eine Komplizierung der Verhältnisse gegenüber München darstellte. Seine Aufgabe war gewaltig  : Ihm unterstanden ca. 813 Beschäftigte am Theater, davon ein Chor mit über 100 Mitgliedern, ein ca. 100 Personen starkes »Corps de Ballet« sowie ein Orchester, das mit allen Zusatzkräften auf ca. 160 Musiker aufgestockt werden konnte21. Nach eigenen Angaben war Küstners Theater damit in jeder Hinsicht größer als die »Grand Opéra« in Paris. Dennoch gelang es ihm zunächst – auch durch die Erhöhung der Eintrittspreise – den Etat einzuhalten und die Einnahmen aus deutschen Stücken sowie aus Abonnements sogar zu steigern. Allerdings brachte das Revolutionsjahr 1848 verheerende Einbrüche für das Theater, so dass Küstner in den letzten beiden Jahren vor seiner Pensionierung, 1849 und 1850, rote Zahlen schrieb. Dabei spielte auch eine Rolle, dass es nach der Revolution auf einmal mehrere konkurrierende Theater in Berlin gab, die sich gegenseitig das Publikum streitig machten.

17 Küstner 1853, S. 138. 18 Küstner 1853, S. 138  : »So wird zum Beispiel unter der Stelle in ›Don Carlos‹  : ›Geben Sie Gedankenfreiheit‹, an sich höchst unverfänglich, etwas ganz Anderes verstanden und davon Gelegenheit zu einer Demonstration genommen  ; dies ließ sich wahrlich nicht voraussehen  !« 19 Küstner 1853, S. 142, nennt als Beispiel ein aus dem Französischen übersetztes Stück mit dem Titel »Der Reisewagen«, das verboten wurde, weil darin die Deutschen als Besiegte erscheinen. 20 Küstner 1853, S. 183. Seine Berliner Zeit beschreibt er ab S. 177. 21 Küstner 1853, S. 344, gibt in der abschließenden Statistik folgende beeindruckende Besetzung an  : 6 Musikdirektoren, 28 Violinen, 8 Bratschen, 12 Celli, 7 Kontrabässe, 5 Flöten, 5 Klarinetten, 5 Fagotte, 5 Oboen, 8 Waldhörner, 4 Posaunen, 4 Trompeten und Pauken, 3 Harfen. Dazu ca. 60 Schüler und Aushilfen. In einer großen Opernvorstellung waren ca. 85 Mitglieder der Kapelle beschäftigt.

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Neben seinen Intendanzen engagierte sich Küstner auch schon früh für die Gründung eines deutschen Bühnenvereins22. Dessen Ziele formuliert er wie folgt23  : »Aufrechterhaltung der Theaterdisciplin«, Wahrung der Rechte von Schauspielern, »Verbindung zwischen den deutschen Theaterdirectionen«, Beseitigung von Missständen. Nach mühsamen Verhandlungen schlossen sich im Jahr 1846 schließlich 32 deutsche Bühnen in einem Verein zusammen, dessen Satzung den Direktoren wie Angestellten gleichermaßen Rechtsschutz und – sicherheit gewährleisten sollte. Auch die Versorgung der Bühnenangestellten bei Krankheit und im Alter sollte geregelt werden. Küstner orientierte sich bei der Bildung des Vereins an vergleichbaren Vereinigungen in anderen Berufssparten24  : »Die neuere Zeit hat das Zusammentreten der Einzelkräfte zur Beförderung des Ganzen in vielen Zweigen der Kunst und Wissenschaft herbeigeführt. Wir sehen Philologen, Aerzte, Schriftsteller und Dichter, Künstler, Naturforscher und noch manche Andere sich vereinigen, um zu besprechen, wie Kunst und Wissenschaft gehoben und den Mängeln, die entgegenstehen, abgeholfen werden kann. Es würde von einer sehr tadelnswerthen Gleichgültigkeit zeigen, wenn in der Theaterwelt sich nicht ein gleiches Streben regte.« Außerdem hoffte er, durch die Einführung der regelmäßigen Tantiemenzahlungen ab 184425 vorhandene Talente zur Arbeit für die Bühne ermutigen zu können. Denn generell lautete seine Feststellung Anfang der 1850er Jahre26  : »Es ist eine Thatsache, deren Wahrheit alle Componisten unisono bestätigen, daß in Deutschland an guten Opernbüchern ein großer Mangel ist.« Ergänzend zu Küstners Ausführungen kann die Darstellung »Das deutsche Theater im neunzehnten Jahrhundert« von Max Martersteig herangezogen werden. Das 1904 in Leipzig erschienene Werk des ehemaligen Theaterdirektors von Mannheim, Riga, Köln und Leipzig befasst sich mehr mit der Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Viele Vorzeichen hatten sich jedoch gegenüber der Ära Küstner nicht verändert, höchstens verstärkt. So überlebten die meisten Häuser nur aufgrund von Subventionen, die im Falle der großen Opern in Paris, Wien, Berlin oder Neapel gewaltige ­Summen

22 Hierzu Küstner 1853, ab S. 230. 23 Küstner 1853, S. 230. 24 Zum Folgenden Küstner 1853, S. 234. 25 Hierzu Küstner 1853, S. 286f. Es waren zunächst allerdings nur Manuskripte geschützt. Einen Gesetzentwurf (nach französischem Vorbild), der auch den Schutz gedruckter Werke bieten sollte, stellt Küstner auf S. 296 vor. 26 Küstner 1853, S. 115.

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umfassen konnten27. Nicht nur die Zuschüsse, auch die Eintrittspreise unterschieden sich bei kleinen, mittleren und großen Theatern zuweilen um den Faktor zehn28. Das Urheberrecht, in der ersten Hälfte des Jahrhunderts nur für nicht gedruckte Werke festgeschrieben, entwickelte sich allmählich zu ­einer durchsetzbaren Forderung, nachdem – auch auf die Initiative Küstners hin – die Zahlung von Tantiemen als »sozialpolitische Maßnahme der Kunstförderung«29 Verbreitung gefunden hatte. Das 1870 endlich erlassene Gesetz zum Schutz gegen Nachdruck und unbefugte Aufführung (bis 30 Jahre nach dem Tod des Autors)30 sowie die ein Jahr später erfolgte Gründung der Genossenschaft dramatischer Autoren und Komponisten führten zu einer wirkungsvollen Stärkung der Rechte aller Beteiligten. Nach Ansicht Martersteigs stand dem starken Wirtschaftswachstum im Zuge der Industrialisierung – trotz oberflächlicher Zunahme der Bildung – ein allgemeiner Werteverfall gegenüber, da sich die Gedanken aller Gesellschaftsschichten nur noch um Erfolg und Vermögen drehten. Dementsprechend war die Oper eine »Vergnügungsund Luxuskunst«31, deren prächtige Ausstattung und effektvolle Darbietung am meistbesuchten Theatertag, dem Sonntag, für jeden Theaterdirektor zur wichtigsten Aufgabe erwuchs32. Problematisch stellte sich gegen Ende des Jahrhunderts vor allem die immer selbständiger werdende Musik dar, die sich nur noch schwerlich mit dem Drama verbinden wollte33. Die Auswirkungen auf das durchschnittliche Repertoire waren dementsprechend eine Rückbesinnung auf die Klassiker sowie eine weitere Zunahme der leichten Muse (Operetten). Aus den Statistiken, die Küstner sowohl in seinen Erinnerungen als auch in seinem »Taschen- und Handbuch für Theater-Statistik« (2. Auflage, Leipzig 1857) aufführt, lassen sich einige Werte entnehmen34, die in gewissem Rahmen 27 Vgl. Martersteig, S. 370. 28 Martersteig, S. 371, gibt das Beispiel, dass schon im Jahr 1851 eine Karte in der italienischen Oper in St. Petersburg oder London fast zehnmal so teuer wie im Stadttheater Hamburg oder in der Berliner Oper war. 29 Walter, S. 221. Näheres zur Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bei Walter, S. 204–229. In Kurzfassung  : 1837 erstes detailliertes Urheberrecht in Preußen, aber nur für nicht gedruckte Werke  ; 1841 bundesweites Gesetz, auch nur für nicht gedruckte Werke  ; 1854 Urheberrecht in Preußen auch für gedruckte Werke, 1857 im ganzen Bund. 30 Vgl. hierzu Martersteig, S. 384. 31 Martersteig, S. 503. 32 Laut Martersteig, S. 523, war die große, prächtig ausgestattete Oper am Sonntag wichtiger als alle Überlegungen zum Schauspiel. 33 Hierzu Martersteig, S. 504. 34 Es handelt sich bei vielen Werten um Schätzungen  ; die Exaktheit sei dahingestellt. Es geht

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einen Vergleich zwischen verschiedenen Bühnen der Zeit ermöglichen. Aus den gegebenen Daten werden die bemerkenswerten Unterschiede zwischen den großen Bühnen der Zeit und den kleinen Theatern ersichtlich. Von den genannten Unternehmen war nur Würzburg kleiner als Coburg-Gotha. Trotz hohen Anspruchs und guten Rufs zählte das Hoftheater Coburg-Gotha im Hinblick auf die finanzielle wie personelle Ausstattung eindeutig zu den kleinen Theatern dieser Zeit. Plätze im Theater

Einnahmen jährlich

Ausgaben jährlich

Beschäftigte am Theater

Spieltage bzw. jährl. Vorstell.

Paris, Grand Opéra 18531

1.800

> 500.000 Thaler, davon > 180.000 Subvention

> 450.000 Thaler, davon > 13.000 Tantiemen

600

3–5 Tage2

Paris, Comédie française

1.560

> 245.000 Thaler, davon 64.000 Sub.

(k.A.)

44 angestellte Schauspieler/ innen

täglich

Paris, Opéra comique

2.000

> 290.000 Thaler, davon 64.000 Sub.

(k.A.)

85 (davon 50 Chorist(inn)en)

täglich

KK Hoftheater Wien3

K  : 1.800 B  : 1.670

> 420.000 Thaler, davon > 166.000 Sub

an den Einnahmen orientiert

K  : 397 B  : 200

K  : ca. 345 p.a. B  : ca. 315 p.a.

Kgl. Schauspiele Berlin4

O = ca. 2.000 S = 1.200

> 340.000 Thaler, davon 140.000 Sub.

an den Einnahmen orientiert

813

ca. 460 p.a.

Coburg-Gotha 1857

CO  : ca. 1.100 GTH  : ca. 1.200

> 61.000 Gulden, davon > 37.000 Sub.

= Einnahmen, (ca. 35.000 für Gagen)

123 plus 30–40 im Orchester

CO  : 3 GTH  : 4–5 ca. 140 p.a.

Weimar 1857

1.000

ca. 60.000 Thaler, davon 44.000 Sub.

= Einnahmen (ca. 36.000 für Gagen)

172 (davon 44 im Orchester)

136–140 p.a.

Leipzig 1857

ca. 1.350

ca. 72.000 Thaler

(k. A.)

200 (davon 42 im Orchester)

ca. 260 p.a.

Würzburg 1857

ca. 1.000

> 32.000 Gulden, 1.500 Gulden Pacht  ! davon 2.400 Sub.

129 (davon 36 im Orchester)

Saison Mitte September bis Ende April

1 Die Jahreszahlen in dieser Spalte beziehen sich auf die Quelle der Angaben (Küstner 1853 oder 1857). 2 Walter, S. 47  : Die Spielzeit an der Pariser Oper dauerte das ganze Jahr hindurch. Gespielt wurde am Montag, Mittwoch und Freitag, im Winter zusätzlich am Wochenende. hier lediglich um die Möglichkeit eines Vergleichs, letztlich um eine Einordnung des Hoftheaters Coburg-Gotha. In Andrea Heinz’ auf Statistiken beruhendem Buch sind die zeitgenössisch erfassten Daten Küstners leider nicht berücksichtigt.

Hinter den Kulissen – Theaterleitung im 19. Jahrhundert 

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3 K = Kärntnertortheater (Oper, Ballett) und B = Burgtheater (Schauspiel)  : Finanzen zusammen­ genommen. 4 O = Berliner Opernhaus, S = Berliner Schauspielhaus (seit Umbau 1853).

Das Hoftheater Coburg-Gotha im Vergleich35

Entstehung, Gründung und Theaterbau In einem Artikel vom 1. November 187636 bewundert der englische Shakes­ peare-Experte Charles Halford Hawkins (1838–1900) das kulturelle Leben in Deutschland  : »The foremost nation in Europe, in art, as it is in science and in war, is Germany  ; […] in literature England is still the first […] but to Germany you must go for art – art that is cultivated, recognised, taught universally everywhere – so, for dramatic art as all other.«37 Der Gang ins Theater sei in Deutschland kein Luxus, sondern eine tägliche Gewohnheit, ja eine Notwendigkeit. Im Unterschied zu England gebe es in Deutschland auch in Kleinstädten eigene Bühnen. »In Germany, however, the inhabitant of the most moderate means will own his subscription seat for two or three nights or more in the week according to the terms of abonnement, and he will be seen there as certainly as at his place of business […]«38. Oft würden sogar in den kleineren Städten mehr Klassiker gespielt als in den Großstadttheatern. Doch woher kam diese immense gesellschaftliche Bedeutung der Bühne  ? Wie hatte sich dieses rege Theaterleben entwickelt  ? Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts war das Theaterleben an den kleinen und mittleren deutschen Höfen noch geprägt von reisenden Gesell­ 35 Die folgende, äußerst komprimierte Darstellung (die durch Veröffentlichungen an anderen Orten ergänzt wird) stützt sich vor allem auf die Akten im Bestand »Theater« (und vereinzelt auch in anderen Beständen) des Staatsarchivs Coburg (StACo). Deutlich weniger Akten dazu finden sich auch im Thüringischen Staatsarchiv Gotha. Außerdem sind verschiedene Quellen aus der Landesbibliothek Coburg (LBC) relevant, u. a. die Theaterzettelbücher LBC TB WW 745. Es sei außerdem auf die zahlreichen kleinen Abhandlungen über die Geschichte des Coburger Theaters im Literaturverzeichnis hingewiesen, von denen die meisten jedoch im Vergleich zu den ersten Festschriften (Kawaczynski 1852, Weiss 1877, Ebart 1927) nichts Neues bieten. Grundlegend dagegen die Arbeit von Potyra bei der Erschließung der Musikalien (vgl. MGG, KBM). 36 »Macmillan’s Magazine« vom 1. November 1876, S. 482–491, »Dramatic Art  : The Meiningen Theatre«. 37 »Macmillan’s Magazine« vom 1. November 1876, S. 483. 38 »Macmillan’s Magazine« vom 1. November 1876, S. 483.

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schaften, die unter der Leitung eines »Prinzipals« mit einem bestimmten Repertoire und mehr oder weniger festem Personalstamm von Bühne zu Bühne zogen, wo sie so lange gastierten, bis das Publikum das Interesse verlor, die Einnahmen sanken und sie weiterziehen mussten. War eine Truppe besonders gut und erfolgreich, blieb sie gegebenenfalls länger an einem Ort, manchmal mit einem Vertrag über einige Monate. Das meist vielfältige Repertoire enthielt in der Regel sowohl Sprech- als auch Musiktheaterstücke. Die Mitglieder der Theatertruppen fungierten dabei alle zugleich als Sänger und als Schauspieler. Die Musik wurde in der Regel gestellt, da die meisten Höfe Hofkapellen unterhielten, die dann bei Opern- oder Singspielaufführungen den Orchesterpart übernehmen mussten. So funktionierte das Musiktheater beispielsweise in Detmold39 bis 1825, in Meiningen40 bis 1827, in Dessau41 sogar bis 1853. Auch Coburg42 wurde bis 1827 von verschiedenen Gruppen bespielt, die alle vorher am Hof um Erlaubnis anzufragen, ihr Repertoire und ihre Mitglieder vorzustellen sowie ihr sittliches Betragen zu versichern hatten43. Als Bühne stand seit 1764 das alte Ballhaus zur Verfügung, vorher hatte man im Zeughaus gespielt. Eine besonders erfolgreiche Truppe, die 1794 gastierende Gesellschaft unter dem Direktor Daniel Gottlieb Quandt (1762–1815), spielte zunächst zwei Monate lang sehr erfolgreich in einer Scheune in Niederfüllbach, bevor sie die Genehmigung für die »Herzogliche Schaubühne« erhielt44. Neben den gastierenden Theatertruppen gab es in Coburg – wie in anderen Residenzstädten auch – Aufführungen von (meist höfischen) Theaterliebhabern sowie von Schülern des Gymnasiums Casimirianum45. Insgesamt 270 musikalische Bühnenwerke sind im Zeitraum zwischen 1794 und 1827 in Coburg über die Bühne gegangen, wovon den Großteil komische Opern und Liederspiele ausmachten46. In Gotha dagegen existierte ab 1775 für drei Jahre ein stehendes Hoftheater unter der Leitung Conrad Ekhofs (1720–1778), des »Vaters der deutschen 39 Zur Geschichte des Detmolder Hoftheaters vgl. Peters. 40 Zur Geschichte des Meininger Hoftheaters vgl. Volker Kern. 41 Zur Theatergeschichte Dessaus vgl. Neubert. 42 Umfangreiche Akten hierzu in StACo MIN D. Eine ausführliche Darstellung bietet Kruse, Theateraufführungen in Coburg in den Jahren 1794 bis 1806. Weitere gute Zusammenfassungen zum Coburger Theaterleben vor 1827 in Heinz 2005 sowie Krauß. 43 Dazu die umfangreichen Akten in StACo Min D. 44 Vgl. hierzu Kruse sowie Potyra, Musiktheater 1794–1827. Die Theaterzettel sind erhalten in LBC TB WW 745 (1794/1806). 45 Vgl. hierzu Karche, Hönn, Briegleb, Heinrich Beck, Weiss. 46 Potyra, Musiktheater 1794–1827, S. 99.

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Schauspielkunst«47. Gespielt wurde auf der Bühne im Schloss Friedenstein, die 1681 aus dem Umbau des Ballhauses hervorgegangen war. An den regulären Spieltagen Montag, Mittwoch und Freitag wurde seit 1774 dieses erste deutsche Hoftheater mit festem Ensemble für zahlendes Publikum geöffnet. Überleben konnte es allerdings auch nur aufgrund großzügiger Zuschüsse seitens des Hofes, der zudem eine gute Hofkapelle unterhielt48. In knapp vier Jahren wurden in 847 Vorstellungen 176 verschiedene Stücke gegeben49. Da Ekhof schon 1778 starb, wurde das Theater bereits 1779 wieder aufgelöst, so dass ab 1805 wieder verschiedene Wandertruppen in Gotha Einzug hielten. Neben dem Hoftheater gab es noch eine Bühne in der »Steinmühle«50, die aber nur zeitweise von reisenden Truppen bespielt wurde und somit keine ernsthafte Konkurrenz zu den Veranstaltungen im Schloss dargestellt haben dürfte. Zwei Mal zu Beginn des 19. Jahrhunderts dachte man in Coburg – als es noch zu Sachsen-Coburg-Saalfeld gehörte – ernsthaft über die Einrichtung ­eines eigenen, stehenden Hoftheaters nach. Im Jahr 1801 kam vom benachbarten Hof in Meiningen der Vorschlag, ob man nicht gemeinsam mit Hildburghausen eine Theatergesellschaft gründen wolle51. Ein genauer Plan sah maximal 12 Angestellte »männlichen und weiblichen Geschlechts« vor, die sowohl zum Lustspiel als auch zur Oper »brauchbar« zu sein hatten. Ihre vorgesehenen Gagen reichten abgestuft vom bestbezahlten »Ersten Liebhaber« mit 350 bis 400 Reichstalern bis hin zum Regisseur, der sich mit 100 Reichstalern zufrieden geben sollte. Dekoration und Einrichtung des Theaters sowie die Reisekosten der Mitglieder würden von jedem Ort selbst getragen, dagegen wollte man die Kosten für Beleuchtung, Garderobe, Bibliothek und Notenmaterial vorher festlegen. Grundsätzlich war dieser bis ins Detail ausgearbeitete Plan eine gute Idee, denn durch die Zusammenarbeit mehrerer kleiner Höfe und durch die Bespielung mehrerer Orte durch eine Theatergesellschaft konnten an verschiedenen Stellen Kosten gespart werden. Außerdem stellten die Sängerinnen und Sänger eine interessante Ergänzung zu den vorhandenen Hofkapellen dar, wie der Vize­ präsident der Landesregierung, Karl August von Wangenheim (1778–1850), in einem ausführlichen Gutachten vom 18. März 180152 feststellt  : »Man erhält 47 Vgl. hierzu Hodermann, Edith Lehmann (Gothaer Theatergeschichte), Roob. Zum Folgenden. – Erhaltene Theaterzettel sind zu finden in LBC TB WW 745 (1775/1776). 48 Vgl hierzu Ahrens sowie Raschke, S. 129–134. 49 Edith Lehmann, Gothaer Theatergeschichte. 50 Spätestens ab 1851 »Tivolitheater« genannt (Schlegel, S. 75). 51 Hierzu wie zum Folgenden vgl. StACo MIN D 4769. 52 StACo MIN D 4769, f. 7 und 8–10.

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aber dadurch nicht alleine eine Musik, die zur Reputation einer Residenz noth­ wendig ist, sondern auch eine Tanz- und Tafel-Musik, Hof-Concerte u.d.gl., welche alsdann gar nichts kosten. Auch gute Kirchen Musik kann ohne weitere Unkosten hergestellt werden.« Allerdings betont von Wangenheim zugleich, dass man gegebenenfalls nur gute Künstler engagieren dürfe  : »Für eine schlechte Truppe ist die kleinste Ausgabe zu groß.« Eine weitere Stellungnahme zu dem Vorhaben, diesmal vom Fürsten Emich Carl zu Leiningen (1763–1814)53, war dagegen skeptisch, was das gemeinsame Theaterprojekt betraf, und befürwortete eher eine kleinere, eigene Unternehmung54  : »Die Städte Koburg, Meiningen, Bamberg etc. sind zu klein, um wöchentlich 4 Vorstellungen zu haben. 2, höchstens 3 Spieltage würden auf die Dauer kaum das Hauß füllen. / Sollte aber das Theater ganz allein für Koburg u. den Hof errichtet werden, so kann die SchauspielerGesellschaft geringer Organisirt u. manches Ersparet [?] werden.« Er warnt vor teuren Umbauten und mahnt – hier in Übereinstimmung mit von Wangenheim – zu höheren Gagenzahlungen  : »Besser kein Theater als e­ ines, welches Langeweile und Ärger erweckt.« Als Ausführender wurde der Theaterdirektor Christian Füldner aus Camburg ins Auge gefasst, dessen Planung allerdings bei beiden Gutachtern auf Ablehnung stieß und der auch bei einer Wintersaison 1804/05 in Coburg finanziell scheiterte55. Ein letzter Versuch, mit dem Bamberger Theater unter der Leitung des Reichsgrafen Julius von Soden (1754–1831) gemeinsame Sache zu machen, scheiterte an der Aufteilung der Spielzeiten. Fast 20 Jahre später, im März 1822, legte der spätere erste Intendant des Hoftheaters Coburg-Gotha, Franz Elsholtz von Blomberg (1791–1872), ein Gutachten zur Errichtung eines Theaters in Coburg vor56. Doch immer noch hielt man ein eigenes Theater für eine Residenz mit 30.000–40.000 Einwohnern für unrealistisch. Ein stehendes Hoftheater in Coburg kam also im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts noch nicht zustande, dafür gab es ein reges Musikleben mit der Hofkapelle. Auf Anregung der Musikintendanz wurden schon ab 1802 regelmäßige Konzerte der Hofmusiker eingeführt, und zwar außerhalb des Dienstes

53 Dieser heiratete 1803 in zweiter Ehe die junge Prinzessin Victoria von Sachsen-Coburg-Saalfeld, welche sich wiederum 1818 in zweiter Ehe mit dem Herzog Eduard von Kent vermählte. Sie ist die Mutter von Queen Victoria, also die spätere Schwiegermutter von Prinz Albert. 54 StACo MIN D 4769, f. 13–16. 55 Immerhin sind auf Füldners Wunsch einige Verbesserungen am Coburger Theater im Ballhaus vorgenommen worden (vgl. StACo L.Reg. 6044). 56 StACo MIN D 4780, f. 44–58. Zum Folgenden.

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bei Hofe. Am 27. Oktober 1802 schreibt von Wangenheim57  : »Zu Anfange des abgewichenen Sommers hatte ich die Gnade Ew. Herzogl. Durchl. mündlich unterthänigst vorzutragen  : daß theils zur Bildung des Publikums, theils zur Aufmunterung und Bildung der Hofmusiker nichts zweckmäßiger sey, als die Errichtung eines Concerts für eine geschlossene Gesellschaft von gebildeten Personen jedes Standes, in welchem, um die so schwer zu erhalthende ­Harmonie der Musiker zu erhalten, diese ex officio zu spielen, damit sich selbst Nuzen und dem gebildeten Theile des Publicums Vergnügen zu verschaffen angewiesen werden möchten.« Das Publikum, das vor allem aus Staatsdienern bestand, habe sein Interesse an den Konzerten bereits bewiesen, die zum Teil im Gasthaus »Schwan« stattfanden. In seiner Funktion als Musikintendant bittet von Wangenheim um eine weitere derartige »Bestimmung der Kapelle, dann wenn der Hof sie gerade nicht braucht«. Er befürwortet die Konzerte als Mittel zur Steigerung des Niveaus, da »öffentliche Uebung das einzige Mittel ist, das Ganze der Musik zu bilden.« Ein Jahr später58 kann von Wangenheim dann stolz vermelden, dass mittlerweile 36 gute Konzerte stattgefunden hätten, die seiner Ansicht nach »das Fortschreiten der Gesellschaft in der Cultur und Humanität befördert« haben. Er bittet um die Fortsetzung der »Liebhaber-Konzerte«, muss aber zugleich darauf hinweisen, dass es bereits seit einiger Zeit Ärger mit dem unzufriedenen Musikdirektor Laurenz Schneider gebe59. Letzterer war es auch, der 1808 einen umfangreichen »Musik-Plan« für den Hof erstellte60. Neben den Hofmusikern waren vor allem die »Hautboisten« von Bedeutung für die Musik, auch wenn sie lange Zeit separat organisiert waren. Ab ca. 1805 wurden sie, obwohl anfänglich (mit den Pauken) noch dem Militär zugeordnet, immer mehr zu Konzerten und Theateraufführungen bei Hofe herangezogen, weswegen sie immer wieder um Zulagen baten61. Manche musikalische Karriere am Coburger Hof begann übrigens in den Reihen der streng organisierten »Hautboisten«, zum Beispiel die des späteren Kapellmeisters und Komponisten Andreas Späth62. Erst im November 1862 wurde das Gothaer »Hautboistencorps« aufgelöst und dafür ein »Hornistencorps« eingeführt63. 57 StACo MIN D 4739, f. 2. 58 StACo MIN D 4739, f. 7–12. 59 Dazu weitere Briefe in derselben Akte. 60 Vgl. StACo Theater 533. 61 Vgl. hierzu StACo Theater 1774. Durch die vermehrten Dienste am Hof fehlte ihnen die Zeit zum Unterrichten und damit eine wichtige Einnahmequelle. 62 Näheres hierzu bei Tasler 2013. 63 Schlegel, S. 86.

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Unterstützt von einer konsequenten höfischen Verwaltung, die sich heute den Inventaren, Verzeichnissen und Gutachten aus der Zeit vor 1827 entnehmen lässt, entwickelte sich in Coburg ein kleines, aber feines und vor allem konstantes Musikleben. In einer Personalliste vom Oktober 181964 sind immerhin schon 37 angestellte Musiker verzeichnet (inkl. Intendant und Musikdiener). Ein Verzeichnis der vorhandenen Musikalien von 1828/2965 enthält über 40 verschiedene Opernmaterialien66 sowie 85 Textbücher. Dazu kommt eine Vielzahl an Musikalien aus dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts (oder früher), die in der herzoglichen Bibliothek vorhanden waren und heute in der Landesbibliothek Coburg zu finden sind. Neben Konzerten und Aufführungen eigener Musiker gab es auch Gastspiele berühmter Künstler  : Beispielsweise spielte am 6. November 1829 der legendäre Geiger Nicolò Paganini (1782– 1840) in Coburg67. In Gotha dagegen ging ungefähr gleichzeitig mit der Schließung des Ekhof-­ Theaters 1779 eine musikalische Ära zu Ende, als der seit 1750 am Hofe wirkende Georg Anton Benda (1722–1795) den Dienst quittierte68. Über ihn hatte der berühmte reisende Musikhistoriker Charles Burney (1726–1814) geschrieben  : »In Gotha ist eine gute Kapelle, der Benda als Kapellmeister vorsteht«69. Der nächste herausragende Hofkapellmeister wurde ab 1805 Louis Spohr (1784–1859)70, der auch das Bestreben der Bürgerschaft nach mehr Mu­ sikkultur außerhalb des Hofes aufgriff, Abonnementkonzerte einführte und die neu entstehenden Gesangvereine unterstützte. Nachdem Spohr 1812 die Residenzstadt mit seiner Gothaer Ehefrau Dorette Scheidler (1781–1834), einer Harfenistin, verlassen hatte, trat 1815 Andreas Romberg (1767–1821) seine Nachfolge an. Auch er pflegte die Verbindung von Hof- und bürgerlicher Musikkultur und hinterließ – wie seine Vorgänger – etliche Kompositionen. So wurde über Jahrzehnte durch das musikalische Engagement herausragender Musikdirektoren in Gotha ein zuverlässiges bürgerliches Musikpublikum herangezogen. Ein Blick in die »Hof- und Adreß-Calender« der Herzogtümer SachsenGotha-­Altenburg, Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen-Coburg-Meiningen 64 StACo Theater 1776. 65 StACo Theater 275. 66 In Addition mit einer späteren Ergänzung sind es sogar über 70. 67 Hierzu Ebart, Coburgische Theatergeschichte, S. 11. 68 Vgl. hierzu wie zum Folgenden Münster. 69 Zitiert nach Münster, S. 23. 70 Zu seinem Wirken in Gotha Näheres im Kapitel zu »Musik und Nation«.

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(nur 1824) aus den Jahren 1810–182571 verrät etwas über den Personalstand bei der Hofmusik kurz vor der Zusammenlegung von Coburg und Gotha. Trompeter, Pauker und »Hautboisten« wurden immer extra gezählt. Neben dem obligatorischen Paukisten gab es an beiden Höfen jeweils mindestens drei oder vier, meist fünf Trompeter. Die »Hofhautboisten« werden im Coburger Hofkalender schon 1813 aufgeführt, und zwar in zwei Abteilungen getrennt  : neun »Hofhautboisten« 1. Klasse und acht »Hofhautboisten« 2. Klasse, dazu drei Schlagwerker, die für die »Janitscharen«-Musik benötigt wurden. In G ­ otha verzeichnete man 1820 acht »Hofhautboisten«, denen zwei »Expectanten« hinzugefügt werden konnten. Die Zahl der (sonstigen) Orchestermitglieder lag in Gotha-Altenburg im Jahr 1810 bei 20 Personen, sank dann aber und lag ab spätestens 1820 bis 1825 bei 14 Musikern. In Coburg dagegen wuchs die Zahl im selben Zeitraum an, von 10 Musikern im Jahr 1813 bis auf 18 Orchestermitglieder im Jahr 1824 (Coburg-Meiningen). Für die Vokalmusik erwähnt Gotha regelmäßig zwei Sängerinnen72, für Coburg sind keine festangestellten Sänger vermerkt. Aber natürlich standen an beiden Höfen aus dem kirchlichen Bereich Organisten und Kantoren zur Verfügung, die neben »Kapellknaben«73 sicher auch weitere Sängerinnen und Sänger stellen konnten. Insgesamt gesehen standen also zwar kleine, aber konstante musikalische Ensembles an den Höfen in Coburg und Gotha zur Verfügung, auch wenn die Besetzung aufgrund der Kriegsjahre verschiedentlich beeinträchtigt gewesen sein dürfte74. Erst nach der Gründung des Coburg-Gothaer Hoftheaters vergrößerte sich das Orchester, das bis zum Ende der Regierungszeit Herzog Ernsts II. von Sachsen-­ Coburg und Gotha immer um die 40 Musiker beschäftigte. Am 5. September 1827 erschien in Coburg folgende Bekanntmachung der »Herzoglichen Hoftheater-Commission«, vertreten durch Meyern-Hohen­ berg75  : »Um den mannichfachen Mängeln und Unbequemlichkeiten zu begegnen, welchen die bisherigen Theater-Unterhaltungen, als größten theils miß­ glückte Privat-Unternehmungen, ausgesetzt waren und dennoch dem Publikum den Genuß dieser anziehenden und bildenden Unterhaltung zu erhalten und zu erleichtern, haben Sr. Herzogl. Durchlaucht die Errich71 Greifbar sind Hofkalender aus den Jahren 1810, 1813, 1814, 1819, 1820, 1821, 1824, 1825 (im Literaturverzeichnis). 72 1825 dann nur noch eine. 73 Erwähnt im Gothaer Hofkalender. 74 Vgl. hierzu den Lebenslauf des Hofmusikers Andreas Späth, der freiwillig in den Napoleonischen Befreiungskrieg gezogen war (vgl. Tasler 2013). 75 LBC Cob Q 62,24 (5).

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tung eines Hof-Theaters gnädigst genehmigt, dessen Vorstellungen bereits eröffnet worden sind. / Das Publikum wird jene rege Theilnahme, welche es den Theater-Unterhaltungen zu allen Zeiten gewidmet hat, dem gegenwärtigen Unternehmen nicht entziehen, das zwar in seinem ersten Beginnen glänzende Erwartungen nicht befriedigen kann, das aber durch einen, die zusammenwirkenden Kräfte belebenden, Geist der Ordnung, durch bemessenes, künstlerisches Streben der darstellenden Personen, durch sorgfältige Auswahl der Vorstellungen, und durch Beseitigung jenes Miß-Geschicks, welchen Privat-Unternehmungen dieser Art früherhin oftmals unterlegen haben, jene Theilnahme zu erhalten, ja, im erweiterten Umfange, zu gewinnen suchen wird. / Die unterzeichnete, mit der Leitung der Hoftheater-Angelegenheiten beauftragte Stelle, glaubt daher keinen Anstand nehmen zu dürfen, das Publikum zu dieser nunmehr noch werther gewordenen Unterhaltung freundlich einzuladen.« Als nach längeren Verhandlungen im Jahr 1826 das wohlhabende Gotha mit Coburg unter der Regierung Ernsts I. vereint worden war, entschloss sich der Herzog, endlich ein eigenes Hoftheater zu gründen. Finanziell stand er nun besser da, außerdem konnte er zwei Residenzstädte mit einem Ensemble bespielen. Die zitierte Ankündigung gibt viel von den Ansichten und Absichten des Hofes im Hinblick auf das Theater preis  : Die ein- und ausziehenden Wandertruppen, die bei wechselndem Erfolg stets auf die Zuschüsse des Hofes angewiesen gewesen waren, bringt man eher mit »mannichfachen Mängeln und Unbequemlichkeiten« in Verbindung als mit gehaltvoller Kunst. Dem Herzog ist es jedoch wichtig, seinem Volk »den Genuß dieser anziehenden und bildenden Unterhaltung zu erhalten«, er betrachtete das Theater demnach nicht nur als Vergnügungs-, sondern im klassischen Sinne auch als Bildungsstätte. Man hofft auf »rege Theilnahme« des Publikums, dessen Eintrittsgelder einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung des Unternehmens leisten. Dass von Anfang an gehobene Ansprüche an dieses Theater gestellt wurden, geht aus der Entschuldigung hervor, dass das junge Ensemble zwar »in seinem ersten Beginnen glänzende Erwartungen nicht befriedigen« könne. Man verspricht aber, durch Zusammenwirken, Ordnung, »bemessenes, künstlerisches Streben« sowie »sorgfältige Auswahl der Vorstellungen« zu versuchen, noch mehr Publi­ kum anzulocken. In gewisser Weise appelliert der Hof hier auch an die Solidarität seiner Untertanen, wenn er das nun als Hoftheater institutionalisierte Unternehmen als »noch werther geworden« empfiehlt. Aus der Bekanntmachung geht ebenso hervor, dass die eigentliche Eröffnung bereits stattgefunden hatte. Am Sonntag, den 10. Juni 1827, waren in Coburg

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das einaktige Lustspiel »Der Kuß nach Sicht« von Theodor Hell (1775–1856)76 sowie die zweiaktige komische Oper »Die Sängerinnen auf dem Lande« mit Musik von Valentino Fioravanti (1764–1837)77 über die Bühne gegangen. Die Schauspieler bzw. Sänger wurden aus den Resten einer bei ihrem letzten Gastspiel in Coburg bankrottgegangenen Gesellschaft engagiert, die ursprünglich vom Theaterdirektor Friedrich Eberwein (1796–1856) geführt worden war. In Gotha stellten sie sich dann am 2. Dezember 1827 mit der komischen Oper »Johann von Paris«, Musik von François Boieldieu (1775–1834), dem Publikum als Mitglieder des neu gegründeten Hoftheaters vor78. Wenige Jahre nach der Gründung des Theaters fasste Herzog Ernst I. den kühnen Plan, in beiden Residenzen gleichzeitig neue Opernhäuser zu bauen. Der Platz in den Zuschauerräumen sowie auf den Bühnen war in den existie­ renden Häusern zu klein, die technischen Möglichkeiten den wachsenden Ansprüchen des Musiktheaters nicht gewachsen. Die Finanzierung dieses großen Doppelprojektes war denkbar schwierig, unter anderem bettelte man befreundete Fürsten um Spenden an. In Gotha wurde der Bau von den Bürgern der Stadt, allen voran von dem »Vater des deutschen Versicherungswesen«79, Ernst Wilhelm Arnoldi (1778–1841), entscheidend mitfinanziert. In Coburg gab es dagegen langwierige Streitigkeiten um den Bauplatz (das Waisenhaus musste weichen), doch Ernst I. ließ sich nicht beirren. Im Sommer (Gotha) bzw. Herbst (Coburg) 1837 wurden die Grundsteine gelegt, drei Jahre später waren beide Theaterbauten fertig. Das neue Theater in Gotha, das am 2.  ­Januar 1840 mit Meyerbeers Oper »Robert der Teufel« eingeweiht wurde, lag verkehrsgünstig an der Hauptstraße und verfügte über ca. 1.200 Plätze80. Das neue Coburger Theater, eröffnet am 17. September 1840 mit Aubers Oper »Feensee«, lag dem Schloss Ehrenburg gegenüber und war auf ca. 1.000 Plätze angewachsen. Beide Häuser waren größer und viel besser ausgestattet als ihre Vorgängerbauten, sie bildeten die Voraussetzung für die erfolgreiche und zeitgemäße Entwicklung des Musiktheaters in Coburg und Gotha in der Folgezeit. Schon im Eröffnungsjahr 1840 meldete der Berliner »Almanach für Freunde der Schau76 Vgl. LBC TB ST 68. 77 Vgl. LBC TB Op 10. 78 Die entsprechenden Theaterzettel aus Coburg und Gotha sind erhalten in LBC TB WW 745 (1827). 79 Robb, S. 39f., zum Folgenden. – Arnoldi gründete die erste deutsche Feuerversicherung (1820), die erste deutsche Lebensversicherung (1828/29) und setzte sich viel für kulturelle und soziale Zwecke in Gotha ein. 80 Hierzu wie zum Folgenden auch Wolff, Almanach 1840, S. 293–299.

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spielkunst«81  : »Viele Personen, welche, der Lokalität wegen sonst das Theater selten oder nie besuchten, sind jetzt stehende Abonnenten, und And’re wurden, während sie bisher vielleicht heimliche Gegner der Bühne waren, plötzlich für dieselbe eingenommen und enthusiasmirt.« Der Neubau von größeren Theatern mit moderner Bühnentechnik war in vielen Residenzen und Städten der Ausgangspunkt für ein Aufblühen des kulturellen Lebens. Umgekehrt konnte in diesen Häusern das zeitgenössische Musiktheater auf eine Weise präsentiert werden, die ihrerseits befruchtend auf die Komponisten wirkte. Die neuen Möglichkeiten auf und hinter der Bühne, die veränderte Akustik sowie die Klangentfaltung der wachsenden Orchester bildeten den Nährboden für die Entstehung der großen Opern. In den neuen Häusern wurde in der Regel auch mehr Musiktheater gespielt als vorher, nicht zuletzt weil – einer der wenigen Nachteile – die Räume bisweilen zu groß für das Sprechtheater schienen. So leistete sich die Messe- und Universitätsstadt Leipzig 82, die schon 1816 über ca. 35.000 Einwohner verfügte, bereits im Jahr 1817 ein Stadttheater mit 1.300 bis 1.400 Plätzen nach den Plänen des berühmten Architekten Friedrich Weinbrenner (1766–1826). Im Jahr 1868 wurde in einem luxuriösen Neubau die Zahl der Plätze auf 2.000 erhöht, davon waren jedoch 300 Stehplätze. Das höfische Dessau83 dagegen, klein84 und in Folge der Napoleonischen Kriege von finanziellen Schwierigkeiten geplagt, verfügte zwar seit 1798 über ein relativ großes Theater (ca. 1.000 Sitz- und 200 Stehplätze), in dem der Fürstenplatz außergewöhnlicher Weise in die Mitte des Parterres eingebaut war. Doch das erst ab 1853 wieder von einem eigenen Hoftheater benutzte Haus brannte 1855 ab und wurde schon ein Jahr später durch einen ­Neubau ersetzt, dessen nur ca. 900 Plätze nach zehn Jahren Betrieb wieder auf etwas über 1.000 Plätze aufgestockt wurden. Die Stadt Nürnberg 85 musste ihr 1801 eröffnetes Theater 1827 wegen Baufälligkeit schließen und ersetzte es nach Jahren der Bespielung eines hölzernen Interimstheaters auf der Insel Schütt durch einen stolzen Neubau am Lorenzer Platz mit 1.000 Sitzen. Im Jahre der Eröffnung 1833 hatte Nürnberg ca. 40.000 Einwohner. Karlsruhe86 erhielt im Jahr 1808 einen großen, prachtvoll ausgestatteten Theaterbau von 81 Wolff, Almanach 1840, S. 299. Das Zitat bezieht sich auf Coburg. 82 Zur Theatergeschichte Leipzigs vgl. Hennenberg. 83 Zur Theatergeschichte Dessaus vgl. Neubert. 84 Dessau hatte im Jahr 1787 knapp 7.800 Einwohner. 85 Zur Theatergeschichte Nürnbergs vgl. Schultheiß. 86 Zur Theatergeschichte Karlsruhes vgl. Denk sowie »Karlsruher Theatergeschichte«.

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Weinbrenner, in dem 1.800 bis 2.000 Personen Platz fanden. Leider wurde dieses Theater vor allem durch seinen verheerenden Brand im Jahr 1847 berühmt, bei dem es viele Tote und Verletzte gab. Auch ein kleiner Kurort wie Baden-Baden87 baute sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein eigenes Theater (1811)  : Der Bau von Weinbrenner war zwar zunächst nur ein Sommertheater aus Holz, fasste aber immerhin 300 Personen und bot für die höfischen Besucher eine Fürstenloge. 1821 war dann der nächste Theatersaal mit 500 bis 600 Plätzen fertig. Und 1862 wurde endlich ein eigenes Schauspielhaus errichtet (770 Plätze), in dem regelmäßig Ensembles aus Deutschland und aus Paris gastierten. Der Darmstädter Hof 88, der seit 1810 über ein eigenes Ensemble verfügen konnte, erhielt 1819 ein besonders großes Haus  : Auf 20.000 Einwohner kamen 2.000 Plätze im Theater. In Berlin89 hatte ein Brand im Jahr 1817 einen Neubau am Gendarmenmarkt erforderlich gemacht, der 1821 auch eingeweiht wurde – inklusive eines Konzertsaales im Haus. Im selben Jahr wurde auch das Hoftheater in Kassel90 umgebaut, verbessert und vergrößert, so dass neben neuester Bühnentechnik und einem vergrößerten Orchesterraum auch ca. 1.000 Plätze zur Verfügung standen. Ein Jahr später, 1822, wurde in Freiburg91 die Kirche des ehemaligen Augustinerklosters in ein Theater umgebaut (750 Plätze), dessen Bühne im Chor der Kirche eingebaut wurde. Das 1823 eröffnete Opernhaus mit besonderer Vergangenheit wurde 1845 noch einmal umgebaut und auf ca. 1.200 Sitze vergrößert. Weimar92 und Detmold93 leisteten sich beide im Jahr 1825 neue Theater, Weimar nach einem schweren Brand, Detmold vernünftigerweise ein kleineres Haus als ursprünglich vorgesehen (474 statt 800 Plätze). Die selbstbewusste Stadt Hamburg94 gründete bereits 1822 einen Aktienverein zugunsten eines gigantischen Theaterneubaus (2.800 Plätze), der 1827 eröffnet wurde. Dieses Haus wurde tatsächlich für seine Größe und Akustik kritisiert, die es den Akteuren des klassischen Sprechtheaters schwermachte. In Meiningen stand 1831 ein neues Theater (760 Plätze bei 6.000 Einwohnern), in Basel 1834 – finanziert durch eine Aktiengesellschaft. Zwei Brände in großen Hoftheatern veran87 Zur Theatergeschichte Baden-Badens vgl. Denk. 88 Zur Theatergeschichte Darmstadts vgl. Wolf/Keil. 89 Zum Folgenden vgl. Genée 1886. 90 Zur Theatergeschichte Kassels vgl. Lebe. 91 Zur Theatergeschichte Freiburgs vgl. Denk. 92 Hierzu vgl. Ventzke. 93 Zur Theatergeschichte Detmolds vgl. Peters. 94 Zur Theatergeschichte Hamburgs vgl. Uhde.

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lassten weitere umfangreiche Baumaßnahmen  : 1843 bzw. 1844 in Berlin und 1871 bis 1879 in Darmstadt. Die Neubauten der Hoftheater in Coburg und Gotha waren demnach keine Ausnahmen in ihrer Zeit, aber wie alle derartigen Unternehmungen stellten sie ein hohes finanzielles Risiko für den Bauherrn dar. Schließlich war das Coburger Theater mit 1.000 Plätzen auf ca. 11.000 Einwohner95 ziemlich groß dimensioniert, und die Eintrittspreise bezeichnet Carl Albert Sachse (1823–1894) in seinem »Statistischen Handbuch« von 1853 als »spottbillig«. Den Grund für die niedrigen Preise sieht Sachse in der Struktur der Coburger Bevölkerung  : »Es leben hier nur wenige Reiche, meistens nur Handwerker, durchgängig vom Hofe lebend, und ein wenig bemittelter Adel.« Die Mitglieder des Theaters waren offenbar schnell integriert  : »Die Künstler wohnen alle in Privat-Logis, essen jedoch in den Hotels ›im grünen Baum‹ und ›im Löwen‹ à 24 Kr. im Abonnement.« Da es noch keine Eisenbahnverbindung nach Coburg gab, beschränkte sich das Publikum anfangs vor allem auf die Ortsansässigen96. In Gotha dagegen wurden 1847 die Zugverbindungen nach Erfurt und Eisenach fertiggestellt97, so dass hier bereits früher auch auswärtige Gäste zu erwarten waren. Organisation und Intendanz Am wichtigsten für einen erfolgreichen Start des neuen Hoftheaters war eine gut durchdachte, effiziente Organisation. Schon 1827, im Gründungsjahr des Coburg-Gothaer Hoftheaters, wurden umfangreiche Theatergesetze98 erlassen, die in den folgenden Jahrzehnten immer wieder Anpassungen und Verfeinerungen erlebten99. Interessant ist die explizite Vorbild-Funktion der Schauspieler und Sänger, die in Artikel 7 der Gesetze von 1827 angesprochen wird  : »Dagegen sollen die Mitglieder des Theaters sich durch Gehorsam gegen ihre Vorgesetzten, und durch ein moralisches Betragen in ihrem öffentlichen und Privatleben auszuzeichnen suchen, und unvergessen seyn, daß das Schauspiel neben der 95 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Sachse, Bühnen-Manual 1853, S. 28f. 96 Sachse schreibt 1853 in seinem »Bühnen-Manual« (S. 28f.)  : »Die Stadt selbst ist still und ohne Leben, die Umgegend dagegen paradiesisch zu nennen.« 97 Näheres bei Schlegel, S. 67. 98 Vgl. LBC CO BZ N5 93. Zum Folgenden. 99 Weitere Theatergesetze aus den Jahren 1845 (vgl. StACo Theater 75 und 76), 1868 (StACo Theater 79 und 60) und 1888 (im Druck erschienen  : »Verordnungen für die Mitglieder des Hzgl. S. Coburg-Gothaischen Hoftheaters als Theatergesetze«, Coburg 1888).

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Unterhaltung, zugleich Verbesserung und Verfeinerung der Sitten bezwecken soll, und daß dieser Zweck nur unvollkommen erreicht werden kann, wenn demselben das Privatleben der Schauspieler widerspricht.« Zum eingeforderten Gehorsam gehörte auch das Verbot, zugeteilte Rollen abzulehnen (Art. 8)  ; zur Vorstellung vom feinen Betragen die nur angedeutete Darstellung von »Aermlichkeiten oder Naturgebrechen« auf der Bühne (Art. 34), »damit jeder widrige Anblick vermieden werde.« Für heutige Theaterschaffende dürfte außerdem die damalige Probenpraxis von Interesse sein, die in Artikel 13 geregelt ist  : »Die Aufführung eines jeden neuen Stücks wird mit 3 Theaterproben vorbereitet, welche in der Regel, und wenn die Direction keine Abänderung anordnet, am Tage vor der Aufführung, Morgens um 9 Uhr und Mittags um 3 Uhr, und am Tage der Aufführung um 9 Uhr Morgens abgehalten werden sollen. Die 3te Probe ist die Generalprobe.« Zur Durchsetzung von Ordnung und Disziplin wurden hohe Strafzahlungen für die verschiedensten Vergehen angedroht (Versäumnisse, Streit, Lästern, Fehler im Spiel usw.). Das Gute an diesen sicher nicht selten einkassierten Strafgeldern war, dass sie armen Schauspielern zugutekamen (Art. 74). Arme und alte Schauspieler wurden übrigens von einer 1838 gegründeten eigenen Theater-Pensionskasse100 unterstützt, die – nach Anpassungen im Jahr 1845 – in den Jahren 1849 bis 1887 an 41 Männer und Frauen vom Hoftheater insgesamt fast 120.000 Mark an Pensionen ausschüttete. Jährlich fanden zwei Benefizveranstaltungen zugunsten der durchwegs gut ausgestatteten Rentenkasse statt101. Eine solche Einrichtung trug auch viel zur Attraktivität des Hoftheaters für gute Mitarbeiter bei102. Nicht sehr lange ging Herzog Ernst I. in den beiden von ihm erbauten Theatern ein und aus  : Nach seinem überraschenden Tod im Januar 1844 folgte ihm sein Sohn Ernst II. nach. Mit dessen Regierungsantritt änderte sich vieles. Die gesamte Organisation des Hofes wurde überarbeitet und reformiert, wobei vor allem auch das Hoftheater Beachtung fand. In einem Erlass vom 1. November 1845103 richtete der junge Herzog sieben Hofämter ein  : den »Obercammerherrn-Stab«, das Oberhofmarschallamt (mit 2 Abteilungen), das Oberstallmeisteramt, das Oberjägermeisteramt, die Schloßhauptmannschaft 100 Vgl. StACo Theater 3893. Zum Folgenden. 101 Das erwähnt auch Sachse in seinen »Statistischen Handbüchern« von 1865 und 1872. 102 In Weimar gab es beispielsweise zunächst keine Pensionsanstalt, allerdings bot man geeigneten Mitgliedern eine lebenslange Anstellung an. Am Leipziger Stadttheater gab es eine Pensionsanstalt  ; in München erweiterte Küstner den Pensionsanspruch auch auf Witwen und Waisen der Theatermitglieder (vgl. Küstner, S. 101). 103 StACo Theater 60, S. 1–11. Zum Folgenden.

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zu Coburg, die Schloßhauptmannschaft zu Gotha sowie die »Hof-Capell- und Theaterintendanz«. Jedes dieser Ämter erhielt einen eigenen Chef, der die »ihm überwiesenen Geschäfte in selbständiger coordinirter Stellung zu den übrigen Hofämtern« zu besorgen hatte. Damit stand die Hoftheaterintendanz gleichberechtigt und mit einem eigenen Leiter neben den anderen Hofämtern104, was die besondere Bedeutung hervorhebt, die Ernst II. ihr beimaß. Zu den genauen Aufgaben der einzelnen Amtsleiter wurden »Regulative« herausgegeben. Im Falle der Intendanz handelte es sich natürlich um die Leitung der Hofkapelle und des Hoftheaters, betont wurde dabei auch die dienstliche und Disziplinar­ aufsicht über das gesamte Personal. Außerdem gab es einen »Immediat-Commissarius« für das Hoftheater, der die Berichte der Intendanz weiterleitete und umgekehrt die Wünsche und Entschlüsse des Herzogs übermittelte105. Zur Optimierung der Organisation des Theaterbetriebs gehörten auch eine Revision der Theatergesetze, die Verbesserung der Statuten der Pensionsanstalt sowie die Ordnung und Regelung der Finanzen, die der junge Herzog gleich zu Beginn seiner Amtszeit anordnete. Nicht zu unterschätzen war auch die Einführung einer Feuerschutzordnung106, denn Brände im Theater waren im 19. Jahrhundert eine ständige Gefahr. Nach dem verheerenden Theaterbrand in Karlsruhe 1847 ließ Herzog Ernst II. an seinen Theatern in Coburg und Gotha Verbesserungen vornehmen, vor allem entstanden mehr Ausgänge107. Als zum Geburtstag der Herzogin am 5. Dezember 1850 Meyerbeers »Prophet« erstmals mit elektrischem Licht in der Sonnenaufgangs-Szene gespielt werden sollte108, ließ der Herzog das von seinem ehemaligen Physik- und Chemielehrer Prof. Carl Heinrich Hassenstein (1803–1864) sicherheitshalber vorher ausprobieren, und zwar im Gothaer Rathaus. Eine elektrische Beleuchtung des ganzen Theaters wurde dann erst in der Saison 1891/1892 installiert109. Klei-

104 Die Intendanz war damit nicht mehr wie früher – und wie an vielen anderen Höfen – dem Oberhofmarschallamt untergeordnet. In dieser Ordnung kommt der Wille Ernsts II. zur bewussten Gestaltung seiner Kulturpolitik (genauer  : Theaterpolitik) zum Ausdruck. 105 Dieses Amt blieb bis 1879 bestehen. Der erste »Immediat-Commissarius« war Emil von Pawel-Rammingen, der den Herzog sehr bei der Neuordnung des Theaters unterstützte und ein geschickter Finanzmanager war (vgl. hierzu Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 30). 106 Vgl. die Feuerschutzordnungen von 1846 (StACo Theater 176 für Coburg  ; Instruktion für Gotha von 1865 in StACo Theater 175), 1881 und 1882 (StACo Theater 195). 107 Hierzu Ebart, 100 Jahre, S. 33. 108 Hierzu Ebart, 100 Jahre, S. 37. 109 Hierzu Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 48.

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nere Brände bei Vorstellungen (wie 1873110 und 1890111) oder in den Theaterwerkstätten112 konnten dank der vorbildlichen Feuerschutzmaßnahmen rasch eingedämmt werden. Von auswärtigen Katastrophen lernend – man denke an die Katastrophe im Wiener Ringtheater am 8. Dezember 1881, bei der hunderte Menschen ihr Leben verloren113 – ließ Herzog Ernst II. seine Theaterbauten immer dem neuesten technischen Standard entsprechend sichern114. So hatte auch die Einrichtung und Verpflichtung zum Gebrauch der Garderobe im Jahr 1883 einen feuerschutztechnischen Hintergrund, denn im Gang hängende Kleidungsstücke hatten bei Theaterbränden andernorts die Fluchtwege gefährlich verengt115. Dass es in Coburg und Gotha trotz regelmäßigen und aufwändigen Spielbetriebs nie zu einem größeren Brand oder gar einer Brandkatastrophe kam, ist vor allem der Vorsicht und Sorgfalt des Herzogs und seiner Verwaltung zu verdanken. Mit derselben Intensität kümmerte sich Ernst II. auch von Anfang an um das Personal seines Hoftheaters. Zwar musste er aus Kostengründen gleich zu Beginn seiner Regierungszeit das Ballett entlassen und auch sonst beim Personal Einsparungen vornehmen116. Doch dies geschah im Rahmen der zunächst notwendigen allgemeinen Kostensenkung (im ersten Jahr von 70.000 auf 60.000 Gulden). Auch die von nun an streng überwachten, jährlich aufgestellten Etats waren für die Theaterverwaltung zunächst eine Herausforderung, verhalfen jedoch dem Theater langfristig zu einer stabileren Finanzlage. Dass sich der Herzog dabei selbst aus seiner Privatkasse beteiligte, war für ihn eine Selbstverständlichkeit (zumal bei Produktionen seiner eigenen Opern), begründete 110 Vgl. StACo Theater 172  : Nach einem Beinahe-Brand im Coburger Theater am 14. Dezem­ber 1873, als am Ende einer Vorstellung von »Don Giovanni« ein »Feuerwagen« auf die Bühne fährt, ermahnt die Intendanz zur Einhaltung der Vorschriften (Bericht vom 21. Dezem­ber 1873). 111 Hierzu Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 45. Ein Brand bei einer »Medea«-Vorstellung im Gothaer Theater im Januar 1890, als durch die künstlich erzeugten Blitze das Bodentuch der Bühne Feuer fing, konnte durch Öffnung des Schnürbodens (der Wasser auf die Bühne regnen lässt) gelöscht werden. 112 Hierzu StACo Theater 172. In der Akte ist eine Explosion der in der Zimmermannswerkstatt im Theater Gotha gelagerten Leuchtfeuer im März 1871 dokumentiert, die offenbar keine größeren Schäden hinterließ. 113 In einem Brief wurde der Herzog von Details der Katastrophe unterrichtet (vgl. StACo Theater 197). 114 Man vergleiche hierzu auch die vielen Versicherungsunterlagen, u. a. der »Gothaer Feuerversicherung«, in den StACo-Theaterakten (z. B. StACo Theater 178). 115 Hierzu Ebart, 100 Jahre, S. 98. 116 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Heinz 1997, S. 135ff.

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aber zugleich auch einen besonderen Anspruch auf Mitsprache. Neben den Finanzen behielt er nämlich auch das Repertoire sehr genau im Auge, verlangte rechtzeitige Planung und Genehmigung des Spielplans117 und ordnete explizit zugkräftige Stücke (»Casse-Stücke«) an, die möglichst viel Publikum – und damit Geld – ins Theater bringen sollten. Zudem führte Ernst II. schon im Juli 1844 organisierte Werbung für sein Hoftheater ein, indem er Theaterzettel nicht nur an Abonnenten, sondern auch an Gasthäuser der ganzen Umgebung bis Bamberg verteilen und den Spielplan im Regierungsblatt veröffentlichen ließ118. Doch der Herzog sparte nicht am falschen Ende, neue Opern wurden mit Aufwand und Pracht inszeniert. Dabei legte Ernst II. viel Wert auf historisch korrekte Kostüme und hochwertige Dekorationen119. Selbst bei den Besetzungen mischte er sich ein, denn er wollte stets die – seiner Meinung nach – Besten auf seiner Bühne sehen und hören. Dazu lud er regelmäßig berühmte Sängerinnen und Sänger ein, die für ihre Auftritte im Hoftheater nicht unbedingt übermäßige Honorare, aber meist noch ein persönliches Geschenk des Herzogs oder sogar einen Orden des Hauses erhielten. Außerdem war bald weithin bekannt, dass Ernst II. mit Künstlern wie mit seinesgleichen verkehrte, sie an seinen Tisch lud, Empfehlungen schrieb und nur schwer zu verärgern war. Damit zog er natürlich noch mehr gute Künstler an, als Gäste wie als Mitarbeiter120, was wiederum die Attraktivität seiner Bühne enorm steigerte. Als eines von vielen Beispielen sei an dieser Stelle der österreichische Schauspieler Karl Sontag (1828–1900) erwähnt, der im zweiten Band seiner Memoiren121 ausführlich von seinen Gastspielen in Coburg und Gotha berichtet  : »Fast in jedem Zwischenact kommt der Herzog auf die Bühne, um in einem kleinen gemüthlichen Conversationszimmer seiner Zufriedenheit, oder seinen Wünschen Ausdruck zu geben.« Ernst II. habe ihn, zusammen mit dem Intendanten und anderen Mitgliedern des Hoftheaters, nach der zweiten Vorstellung 117 Auch für Planung und Vorlage des Spielplans gab es ein »Regulativ« (z. B. für 1868 in StACo Theater 77, S. 15). Dabei waren sogar Reservestücke vorzusehen, falls es durch Erkrankungen zu kurzfristigen Änderungen kam. 118 Heinz 1999, S. 178. 119 Für die Kostüme wurde der Hofmaler Rothbart zum Spezialisten (vgl. Ebart, Das Coburg-­ Gothaische Hoftheater, S. 28), mit ihren Dekorationen wurden später mehrere Coburger Ateliers berühmt, darunter die Familie Brückner (vgl. Kern). 120 Nach Heinz 1999, S. 174, gab es ab 1846 eine deutlich geringere Fluktuation beim Personal des Hoftheaters. 121 Sontag, Bd. 2, S. 165–171. Zum Folgenden.

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zu einem Souper eingeladen und ihm die Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehen. Beeindruckt von der freundlichen Atmosphäre bei Hof schildert Sontag weiter  : »Spielhagen122 hat, wie man sagt, in ›Hans und Grete‹ sich bei Schilderung seines Herzogs und seiner Herzogin das fürstliche Paar von Coburg zum Vorbilde genommen, ja dasselbe genau portraitirt. So herzlich auch Spielhagen das Verhältniß des Herzogs zur Herzogin schildert, er ist hinter dem Original zurückgeblieben, und von der liebevollen Aufmerksamkeit des Herzogs für seine Gemahlin, von der Art, in der die hohe Frau den kleinsten Wunsch ihres Gemahls zu erlauschen strebt, kann sich nur der persönliche Zeuge einen Begriff machen.« Immer, wenn er nicht spielen muss, wird Sontag an die herzogliche Tafel befohlen. Zur Vertrautheit kommt bald das Ritterkreuz des Ernestinischen Hausordens, und als Sontag erneut zu einem Gastspiel nach Gotha eingeladen wird, darf er sogar am Hofe wohnen. Gerührt fasst der Schauspieler zusammen  : »Was mein Gastspiel in Coburg-Gotha mir zum Genuß machte, ist die wirkliche Freude, welche die hohen Herrschaften an der Kunst haben. Das Theater ist ihnen kein oberflächliches Unterhaltungsmittel, das man versäumt, wenn man sich wo anders besser amüsiren kann. Pünktlich vor Anfang erscheint der Hof – keine Minute vor Schluß entfernt er sich. Mit größter Aufmerksamkeit folgt er den Worten des Dichters, oder den Weisen des Componisten, sich an ihnen erhebend oder erheiternd, die Erheiterung nicht in banalen Trivialitäten, sondern in den humoristischen Gebilden feinsinniger Dichter findend.« Diesen freundlichen Umgang mit seinen Theatermitgliedern pflegte der Herzog durchaus auch in Gegenwart hoher Verwandter, die ihn gelegentlich ob seiner gesuchten Nähe zu den Künstlern belächelten. Als im Mai 1864 anlässlich der Heirat der Coburger Prinzessin Clotilde (1846–1927) mit dem Erzherzog Joseph Karl Ludwig (1833–1905) von Österreich viel adelige und politische Prominenz in seiner Residenzstadt weilte, ließ Ernst II. drei Tage lang Festvorstellungen im Hoftheater geben123. Dabei betraten sowohl er selbst – wie gewohnt – als auch Erzherzog Stephan von Österreich (1817–1867) in den Zwischenakten die Bühne und sprachen mit den Darstellern. Dieses gute Verhältnis des Herzogs zu seinen Untergebenen wirkte in gewisser Weise auch 122 Friedrich Spielhagen (1829–1911), deutscher Schriftsteller, Journalist und Dramatiker. Im Folgenden bezieht sich Sontag auf das Stück »Hans und Grete. Eine Dorfgeschichte« (2. Aufl., Berlin 1869), in dem ein gütiges Fürstenpaar geschildert wird. Der Fürst wird als ungeduldig und aufbrausend sowie als Liebhaber der Jagd, des Theaters und der Frauen dargestellt, der aber zugleich nachgiebig, gutmütig und seiner Frau ergeben ist. 123 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 62f.

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auf die Stimmung innerhalb des Hoftheaters. Zwar gab es hier wie überall schwierige Charaktere und Konflikte124, aber Veranstaltungen wie beispielsweise die große Gedächtnisfeier für verstorbene Mitglieder des Hoftheaters am Totensonntag, 25. November 1855125, oder Benefizvorstellungen zugunsten in Not geratener Künstler126 zeugen doch von einer solidarischen Gemeinschaft. Nicht zu vergessen bleibt dabei, dass nach den Coburg-Gothaer Theatergesetzen das Lästern über Kollegen ausdrücklich verboten war  ! Von Anfang an galt das besondere Interesse des Herzogs dem Musiktheater. In der Repertoireaufstellung der Saison 1844/45127 sind von 120 Vorstellungen schon 41 Opernaufführungen sowie sechs Liederspiele verzeichnet. Dabei entsprachen diese Gattungen nicht nur dem persönlichen Geschmack Ernsts II., sondern brachten auch die höchsten Abendeinnahmen (ca. 200 Gulden pro Abend). Die beim Publikum noch beliebteren Lustspiele (50 Aufführungen) erzielten nur etwas mehr als die Hälfte an Einnahmen pro Abend (123 Gulden), Trauer- und Schauspiele lagen im Mittelfeld. Obwohl während der gesamten Regierungszeit Ernsts II. die reine Anzahl an Sprechtheatervorstellungen (Lustspiele, Possen etc.) die der Musiktheateraufführungen überstieg, steigerte sich der Anteil an musikalischen Aufführungen im Laufe der Jahrzehnte stetig128. Der Herzog griff zwar selbst nach Belieben in den Betrieb seines Hoftheaters ein (wie andere Fürsten auch), setzte aber auch hervorragende Mitarbeiter auf den Posten des Intendanten. Dabei blieb er zunächst der Tradition der »Kavaliersintendanten« (von Gruben, von Wangenheim, von Meyern-Hohenberg) treu, löste sich aber spätestens mit Dr. Eduard Tempeltey von der Vorstellung, ein Hofamt dürfe nur von einem Adeligen besetzt sein. Die Hoftheater- und Kapellintendanten unter Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha waren  : 1841–1851 Eduard von Gruben (1809  ?–1868), 1851–1860 Maximilian von Wangenheim (1810–1894), 124 Man denke beispielsweise an Lampert, Späth oder Krämer, die sich alle immer wieder einmal über die Kollegen beschwerten. 125 Vgl. hierzu Ebart, 100 Jahre, S. 49. Gespielt wurden unter anderem die siebte Sinfonie von Beethoven sowie Ausschnitte aus dem Oratorium »Paulus« von Mendelssohn. 126 Vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 64. Im März 1865 spielte man beispielsweise zugunsten des durch einen Selbstmordversuch schwer geschädigten Schriftstellers Karl Gutzkow (1811–1870). 127 In StACo Theater 89. Zum Folgenden. – Die Liste bezieht sich auf die Aufführungen zwischen dem 10. September 1844 und dem 28. Mai 1845. 128 Hierzu sowie zu vielen weiteren statistischen Werten vgl. Heinz 1999 (S. 308).

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1860–1868 Gustav von Meyern- Hohenberg (1820–1878), 1868–1873 Dr. Eduard Tempeltey (1823–1919), 1874–1887 Adolf Becker (1836–1906), 1887–1889 Konstantin von Rekowski (gest. 1902), 1889–1893 Paul von Ebart (1855–1936). Jeder Intendant gab dem Theater in seiner Amtszeit ein besonderes Gepräge. Bei allen handelte es sich um besondere Vertraute des Herzogs, viele waren auch in politisch heiklen Missionen unterwegs und/oder hatten selbst künstlerische, meist schriftstellerische Ambitionen. Auch wenn der Herzog viele Entscheidungen für das Hoftheater selbst traf, so waren es doch die Intendanten, die letztendlich für den Erfolg und das Gedeihen des Theaters verantwortlich zeichneten. Eduard von Gruben129, ein eher konservativer Charakter, stand schon seit 1837 in Coburg-Gothaer Diensten, hatte Ernst II. nach Portugal und ­Spanien begleitet und wurde nach seiner Zeit als Intendant noch zum Oberhofmarschall befördert (1858). Unter seiner Leitung gab es im Hoftheater mehr Schauspiel (weniger Lustspiele) zu sehen, bei den Opernaufführungen überholten die deutschen die französischen Werke. Sein Nachfolger Max von Wangenheim130 war ein moderner, künstlerisch gebildeter Mann, der in den neun Jahren seiner Intendanz ganze 28 Opern neu einstudieren ließ. Unter ihm erreichte die Oper am Coburg-Gothaer Hoftheater einen echten Höhepunkt, der leider indirekt auch zum Rücktritt von Wangenheims führte  : Die berühmte Sängerin Natalie Frassini, ein Star des Hoftheaters, wurde am 8. März 1860 entlassen und heiratete am 19. August des Jahres den Prinzen Ernst von Württemberg, einen Onkel des Herzogs. Aufgrund dieser unerhörten Verbindung, die viele Wellen schlug, fühlte sich von Wangenheim zum Rücktritt verpflichtet. Gustav von Meyern-Hohenberg131 war einer der »schreibenden« Intendanten, er verfasste beispielsweise »Das Welfenlied« und wollte dementsprechend auch das moderne Schauspiel voranbringen. Auf musikalischem Gebiet führte er die neue Form der Operette im Hoftheater ein, ansonsten blieb unter ihm 129 Vgl. hierzu Heinz 1999, S. 171  ; Ebart, 100 Jahre, S. 19ff.; Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 30. 130 Vgl. hierzu Heinz 1999, S. 203  ; Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 30. 131 Vgl. hierzu Heinz 1999, S. 227ff.; Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 34  ; Ebart, 100 Jahre, S. 69f. (Haase).

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der Anteil der Opernaufführungen am Gesamtrepertoire bei ungefähr einem Drittel. Ursprünglich war er, der schon 1852 in den Hofdienst trat, für poli­ tische Missionen verwendet worden. Neben ihm »regierte« zwischen 1867 und 1868 der berühmte Schauspieler und Regisseur Friedrich Haase (1825–1911) das Hoftheater, wobei Haase die Funktion eines künstlerischen Direktors innehatte. Im »Statistischen Handbuch« Sachses von 1865132 werden die Intendanten des Hoftheaters Coburg-Gotha ausdrücklich gelobt, da sie ihr Hof­t heater »nicht nur stetig auf Einer Höhe mit den gleich dotirten Nachbarbühnen zu erhalten verstanden, die vorzüglichsten poetischen und musicalischen Schöpfungen thunlichst rasch vorzuführen bestrebten, sondern daß sie nicht selten als Bahnbrecher vorangeschritten und sich so doppelten Ruhm erworben.« Die Trennung von Verwaltungs- und künstlerischen Aufgaben in der Inten­ danz wurde auch bei Dr. Eduard Tempeltey133 beibehalten, dem als »artis­ tisch-­­technischer Direktor« Friedrich Wilhelm von Kawaczynski134 zur Seite gestellt wurde. Tempeltey, ebenfalls Bühnenschriftsteller, engagierte sich im Bühnenverein und organisierte viele interessante Gastspiele am Hoftheater. Unter ihm wurde eine Wende im Theaterleben spürbar  : Die Zahl der »Novi­ täten« (neue Stücke) ging deutlich zurück, dafür konzentrierte man sich mehr auf die Prägung eines Kanons an Theater- (und Opern-)Klassikern135. Eine wichtige Stütze Tempelteys bei dieser Aufgabe war der zuverlässige und fleißige Regisseur Kawaczynski. Nach mehreren erfolgreichen Gastspielen als Schauspieler in Coburg-Gotha wurde er 1834 fest an das Hoftheater engagiert, wo er eine beeindruckende Karriere machte  : 1844 Regisseur, 1848 Oberregisseur, 1868 technischer Direktor, 1870 Ernennung zum Herzoglichen Rat und kurze Zeit später Pensionierung, wobei er noch im »Geheimen Kabinett« und in der Bibliothek beschäftigt blieb. Seine Schrift zum 25-jährigen Jubiläum des Coburg-Gothaer Hoftheaters ist eine wichtige Grundlage für alle späteren 132 Sachse, Statistisches Handbuch 1865, Vorwort und Artikel auf S. 60–63. Zum Folgenden. – Der Band ist Herzog Ernst II. gewidmet. 133 Vgl. hierzu Heinz 1999, S. 248  ; Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 37f. 134 Vgl. hierzu Ebart, 100 Jahre, S. 85f.; Mederer, S. 5–9  ; Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 28  ; Hirschberg, S. 120. Außerdem StACo Theater 3123, 1278, 1277. 135 Heinz 1999, S. 253, stellt in einer Statistik fest, dass der Abstand zwischen der Uraufführung eines Stückes und der Coburger Erstaufführung in den Jahren 1835 bis 1873 kontinuierlich zunahm. Die anfangs enge Verbindung des Hoftheaters Coburg-Gotha zum zeitgenössischen Theaterrepertoire ließ also allmählich nach. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass viele alte Opern, deren Wert man wiederentdeckte, die Statistik stark beeinflussen.

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Festschriften, außerdem arbeitete er an mehreren Theaterzeitungen und Almanachen mit und verfasste Gedichte für besondere Anlässe. Kawaczynski war ein beliebter Regisseur und amüsanter Charakter, viele Sprüche und Anekdoten von ihm geistern durch die frühe Coburger Theatergeschichte. So pflegte er Schauspielerinnen – je nach ihrer Art – gelegentlich als »Routineuse« oder »Deklameuse« zu bezeichnen. Von Ebart kolportiert außerdem Kawaczynskis Urteil über eine berühmte Tänzerin136  : »In schenkulativer Hinsicht hat sie mir gefallen, aber sonst besaß sie wenig Grazie  !« Adolf Becker137, der mit 14 Jahren am längsten amtierende Intendant am Coburg-Gothaer Hoftheater, war ursprünglich Schauspieler am Hamburger Thalia-Theater, kam im Mai 1861 zu einem Gastspiel nach Coburg und wurde später Kabinettssekretär des Herzogs. Seine Intendanz war eine der schwierigsten Amtsperioden, da die finanziellen Probleme überhandnahmen. In der Saison 1881/1882 musste das Musiktheater sogar für einige Monate ganz ausgesetzt werden. Andererseits bemühte sich Becker um größtmögliche Kontinuität im Spielplan, pflegte das Repertoire, setzte sehr oft »Casse-Stücke« an und vernachlässigte die Klassiker nicht. Von Ebart schildert ihn als fleißigen, zuweilen kompromisslosen Intendanten, der immer den Nutzen für sein Theater im Auge hatte. Dass der Herzog während Beckers Intendanz besonders oft im Theater auftauchte, bei Proben zusah und sich einmischte, dürfte auch auf die zunehmende Freizeit Ernsts II. zurückzuführen sein. Ganz im Gegensatz zu Becker war sein Nachfolger, Konstantin von Rekowski138, als Militär wohl die einzige Fehlbesetzung, die Ernst II. in der Reihe seiner Intendanten unterlief. Zwar schrieb er offenbar gerne detaillierte ­Berichte an den Herzog, dieser entließ ihn dennoch bald wieder wegen seiner Geschäftsführung. Allerdings entspannte sich unter von Rekowskis Intendanz die finanzielle Lage, das Musiktheater glänzte wieder mit mehr Novitäten, und Gastspiele der Coburger in Meiningen, Erfurt139 und Eisenach mehrten den Ruhm des Ensembles. Paul von Ebart140 war gleich zwei Mal Intendant des Hoftheaters  : von 1890 bis ins Todesjahr Ernsts II. (1893) und dann noch einmal von 1905 bis 1908. 136 Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 28. 137 Hierzu Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 38f.; Heinz 1999, S. 263–281. 138 Hierzu Heinz 1999, S. 289ff.; Ebart, 100 Jahre, S. 107f.; Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 42f.; Berichte Rekowskis u. a. in StACo Theater 123. 139 Vgl. hierzu die sehr positive Besprechung »Die Gothaer in Erfurt« in »Die Deutsche Schaubühne«, 3. Jg., 1880, Heft 3, S. 232–240. 140 Zum Folgenden vgl. Heinz 1999, S. 292–299  ; Ebart, 100 Jahre, S. 110.

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Schon seit 1877 arbeitete er in der herzoglichen Verwaltung und war auch Privatsekretär des Herzogs. In seiner ersten Amtszeit ließ er die vielen auswärtigen Gastspiele des Hoftheaters reduzieren und führte dafür »Fremdenvorstellungen« ein, die schon um 17 Uhr begannen, damit die Zuhörer von außerhalb bequem mit dem Zug an- und abreisen konnten. Um das stehende Repertoire des Theaters stetig zu erweitern, begab sich von Ebart selbst in die Archive, auf der Suche nach interessanten älteren Stücken. Bei den 25 Neueinstudierungen in seiner dreijährigen Amtszeit achtete er so weit wie möglich auf eine historische Fassung und lag damit ganz auf der Linie des Herzogs. Der Anteil an Opern am Repertoire unter seiner Intendanz war überdurchschnittlich hoch, allerdings entwickelten die Theaterbesucher in Coburg und Gotha zunehmend unterschiedliche Geschmäcker. Außerdem musste von Ebart Abhilfe schaffen bei einem altbekannten Theaterproblem, dem Missbrauch von Freikarten141  : »Halb Coburg ging damals umsonst ins Theater.« Die Stabilität und der gute Ruf des Coburg-Gothaer Hoftheaters in der Regierungszeit Herzog Ernsts II. war also nicht nur auf das persönliche Interesse des Landesherrn, sondern auch auf sein gutes Händchen bei der Auswahl der Intendanten zurückzuführen. Andere Bühnen waren in dieser Zeit wesentlich stärkeren Schwankungen unterworfen, vor allem auch in Abhängigkeit von der Kompetenz ihrer Intendanten bzw. Direktoren. Hoftheater, Stadttheater und die Auswirkungen von 1848 Nur selten dürfte ein Intendant solche Freiheit gehabt haben wie Karl von Brühl (1772–1837), der 1815 vom preußischen Staatsminister Karl August von Hardenberg (1750–1820) zum Berliner Generalintendanten ernannt wurde und dabei die Anweisung erhalten haben soll142  : »Machen Sie das beste Theater in Deutschland und danach sagen Sie mir, was es kostet.« Geld war natürlich an den großen Höfen ein wichtiger Faktor beim Betrieb eines aufwändigen, von Stars gekrönten Hoftheaters, das vor allem der Repräsentation diente. Dort konnten Defizite in der Verwaltung gegebenenfalls durch die enormen finanziellen Möglichkeiten ausgeglichen werden. Insofern sind die größten deutschen Hoftheater kaum mit einem kleinen oder mittleren Theaterbetrieb (wie Coburg-Gotha), geschweige denn mit einer städtisch oder privat finanzierten Bühne zu vergleichen. 141 Vgl. von Ebart, 100 Jahre, S. 110. 142 Vgl. Genée 1886, S. 116.

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Dagegen war an Höfen wie Karlsruhe, Darmstadt oder Kassel die Person des Theaterintendanten von größerem Einfluss. Diese Hoftheater sind gute Beispiele dafür, wie zum Teil nach Jahren des Personalwechsels mit einem guten Intendanten der Betrieb zur Ruhe und damit zur Blüte kam. In Karlsruhe war das Theater seit 1810 einem vom Hof ernannten Intendanten unterstellt. Nach häufigen Wechseln übernahm im Jahr 1852 Eduard Devrient (1801–1877) die Leitung und führte das Hoftheater während seiner nahezu zwanzigjährigen Dienstzeit zu Stabilität und Erfolg. Devrient war übrigens der erste bürger­liche Hoftheaterintendant in Karlsruhe, aber seine Kompetenz machte den vermeintlichen Mangel an gesellschaftlichem Stand schon damals für alle sichtbar wett143. Wichtige Mittel zur Verbesserung des Theaters waren für Devrient eine strenge Organisation des Probenbetriebs sowie eine konsequente, fast schon pädagogisch ausgerichtete Spielplangestaltung, indem er das Publikum durch die Präsentation musikalischer Zyklen (1866/67 deutsche Opern, 1867/68 französische und italienische Opern) zu mehr Geschmack erziehen wollte. In Darmstadt war es ungefähr zur gleichen Zeit Karl Tescher, der das Hoftheater wieder richtig zum Leben erweckte. Aus finanziellen Gründen war das Darmstädter Theater 1830 stillgelegt worden, und bis ins Revolutionsjahr 1848 fanden kaum Aufführungen statt, da sich auch der regierende Großherzog Ludwig II. (1777–1848) nicht dafür interessierte. Erst mit Regierungsantritt Ludwigs III. von Hessen (1806–1877) wurde das Theater wieder aufgebaut, indem er ein Theaterkomitee einberief und 1850 Tescher zum Direktor ernannte. Teschers Erfolgsrezept für die kommenden Jahre war vor allem die Präsentation großer Opern  ; unter anderem führte er auch »Casilda« und »Santa Chiara« von Herzog Ernst II. auf. Dabei konnte Tescher – sehr zum Vorteil der Bühnen­ effekte – auf modernste Technik und Maschinen zurückgreifen, denn seit 1849 war der berühmte Bühnentechniker Carl Brandt (1828–1881) in Darmstadt tätig. In Kassel war es nicht ein Intendant, der für über 30 Jahre das Theater­ leben prägte, sondern der Schauspieler und Direktor Karl Feige (1780–1862). Das Kasseler Hoftheater, gegründet 1813, hing wie alle Hoftheater in seiner Existenz und Ausstattung vom Wohlwollen des jeweils regierenden Fürsten ab. Als Feige 1815 die Leitung des Theaters übernahm, waren die Subventionen durch den Hof recht gering. Feige schaffte es aber, durch fachkundige Führung 143 Zum 50-jährigen Bühnenjubiläum Devrients im Jahr 1869 schuf der Großherzog sogar eine eigene Theaterbehörde und ernannte Devrient zum Generaldirektor und Hofbeamten (»Karls­ruher Theatergeschichte«, S. 77  ; zum Folgenden S. 67–77).

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die Qualität der Bühne kontinuierlich zu steigern. Mit Regierungsantritt des Kurfürsten Wilhelms II. von Hessen-Kassel (1777–1847) im Jahr 1821 begann eine kurze Blütezeit des Hoftheaters, das nun deutlich mehr finanzielle Unterstützung erhielt. Einerseits überwachte der Kurfürst das Theater streng und verbot Stücke, die ihm nicht gefielen, ebenso wie generelle Missfallensbekundungen – wohl aus Angst vor politischen Unruhen. Auch hielt man in Kassel noch bis in die Mitte des Jahrhunderts am Prinzip des »Kavaliersintendanten« fest, obwohl sich Feige längst als fähiger Theaterleiter bewährt hatte. Andererseits wurde in größere Umbau- und Modernisierungsarbeiten am Theater investiert und der Zuschuss stark erhöht. Doch schon 1831, als sich der Kurfürst plötzlich vom Theater abwandte und jede Unterstützung versagte, brach das so mühevoll aufgebaute Unternehmen wieder zusammen und musste sogar für über ein Jahr geschlossen werden. Es ist wohl nur herausragenden Persönlichkeiten wie Karl Feige oder dem seit 1822 in Kassel angestellten Louis Spohr zu verdanken, dass das Theater weiterlebte. In diesem Fall waren es also engagierte Mitarbeiter mit großer Kompetenz und weitreichender Anerkennung, die es schafften, trotz der wechselnden Launen ihrer Fürsten das Hoftheater am Leben zu erhalten. Die Hoftheater in Weimar und Meiningen dagegen standen stets im Zentrum der Aufmerksamkeit der herzoglichen Familien – wie in Coburg-Gotha. Die Herzöge mischten sich aktiv in den Betrieb ein, manchmal von eigenen künstlerischen Ambitionen getrieben, oft die Rechte und Aufgaben der Intendanten übergehend. Aus Weimars Bedeutung als kulturelles Zentrum (»Weimarer Klassik«) Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts ist es zu verstehen, dass der Hof des kleinen Landes keine Schulden scheute, um auch während bzw. nach den teuren Napoleonischen Befreiungskriegen seine Ansprüche aufrechtzuerhalten144. Das Hoftheater war seit 1828 dem Hofmarschallamt unterstellt, was zeigt, dass mit der Institution Kulturpolitik betrieben werden sollte. Die Herrscherfamilie behielt sich die größtmögliche Kontrolle über den Theaterbetrieb vor. So entsprach es auch explizit den Wünschen des Großherzogs Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach (1783–1853) und seiner russischen Ehefrau, der Zarentochter Maria Pawlowna (1786–1859), dass ab den 1820er Jahren das Musiktheater stärker zum Zuge kam. Nach einem verheerenden Brand im März 1825 wurde ein neues Theater errichtet, das Gelegenheit zu größeren Opernaufführungen bot, weswegen auch in dieser Zeit das Personal deutlich vermehrt wurde. Um die repräsentative Funktion des 144 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Ventzke.

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Hoftheaters zu unterstützen, wurden außerdem zu bestimmten Anlässen gezielt Freikarten ausgegeben145. Es ist also nicht verwunderlich, dass das Theater ständig Defizite schrieb. Als in Folge der Unruhen von 1848 der Großherzog erstmals eine Zivilliste für seinen Unterhalt und den seines Hofes akzeptieren musste, veranschlagte man nur begrenzte Beträge für Theater und Hofkapelle. Aus eigenen Mitteln unterstützte daraufhin die engagierte und kulturell sehr interessierte Großherzogin das Weimarer Hoftheater146. Das benachbarte Meiningen, das sich gerne am »Weimarer Musenhof« orientierte147, wurde besonders im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts für sein Hoftheater berühmt. Unter Herzog Georg II. (1826–1914), der – ebenso wie sein Coburger Vetter – auch »Theaterherzog« genannt wurde, entstand ein legen­däres Schauspielensemble, das mit seinen mustergültigen Aufführungen von Klassikern wie Shakespeare, Schiller, Kleist u. a. durch ganz Europa tourte. Dabei agierte der Großherzog selbst als Regisseur, Dramaturg, Bühnen- und Kostümbildner. Georg II. hatte wie Ernst II. eine gute Ausbildung genossen, war aufgeschlossen und kulturinteressiert und stürzte sich bei seinem Regierungsantritt 1866 sofort in eine Umstrukturierung seines Hoftheaters. Die später als »Meininger Theaterreform«148 bezeichneten Maßnahmen begannen bei einer klaren und streng durchgesetzten Organisation des Theaterbetriebs (intensive Proben, gute Vorbereitung, Autorität des Regisseurs usw.). Wichtig war dabei auch die Unterordnung des einzelnen Mitwirkenden unter die Ziele und den Erfolg des Ensembles. Diese Bildung eines eingespielten und reibungslos funktionierenden Teams war die Grundlage für den anhaltenden Erfolg der »Meininger«, die zwischen 1874 und 1890 auf über 80 Tourneen in insgesamt 37 europäischen Städten ihre Schauspielkunst zeigten149. Im bereits zitierten Artikel aus dem »Macmillan’s Magazine«150 beschreibt der Autor (bereits 1876) Meiningen als das Zentrum der Schauspielkunst, wo die Schauspieler nahezu perfekte Aufführungen ablieferten. Bemerkenswert sei dabei, dass sich das Herzogspaar selbst intensiv um jedes Detail im Theater bemühe. Diese Sorgfalt bezog sich – und auch das gehörte zur »Meininger Theaterreform« – auf die mög145 Ventzke, S. 183, erwähnt als Beispiel, dass 1836 den Delegierten der 14. deutschen Naturforschertagung in Weimar Freikarten geschenkt wurden. 146 Näheres hierzu bei Ventzke, S. 190. 147 Hierzu wie zum Folgenden vgl. die Publikation von Volker Kern. 148 Hierzu vgl. Volker Kern, S. 25f. 149 Daten bei Volker Kern, S. 17. 150 »Macmillan’s Magazine« vom 1. November 1876, S. 482–491, Artikel von C. Halford Haw­ kins »Dramatic Art  : The Meiningen Theatre«. Zum Folgenden S. 484–485.

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lichst originalgetreue Wiedergabe eines Stückes, auf die historische Korrektheit der Ausstattung und eine durchdachte Regiearbeit151. Dabei scheute man wiederum vor modernen Mitteln wie dem Einsatz von Licht- und Geräuscheffekten nicht zurück. Auch wenn das Meininger Ensemble Stücke von Zeitgenossen ebenso im Programm hatte, so waren es doch vor allem die Inszenierungen von Shakespeares Bühnenwerken, mit denen es Weltruhm erlangte152. Gemeinsamkeiten des Coburg-Gothaer und des Meininger Theaterherzogs waren die ausgeprägte künstlerische Ader, die besondere Liebe zum Theater, die klare Zielvorgabe und der kompromisslose Einsatz – auch der eigenen Mittel – für diesen Zweck. Es trifft genauso auf Ernst II. zu, was Erck/Schneider 1997153 über Georg II. schreiben  : »Staatliches Leben und künstlerisches Streben sollten – soweit sie in Georgs Einflußsphäre fielen – miteinander verbunden werden. In seiner Person und deren doppelter Wirksamkeit als kraftvoller Souverän und als phantasiereicher Künstler wollte er demonstrieren, worin für ihn selbst die Sinngebung menschlichen Lebens bestehe und wobei ihm Kunst hilfreich sein konnte. ›Wozu ist die Kunst, wenn nicht, um den Menschen zu erheben  ; mit dem Gemeinen erhebt man Niemanden‹, hatte er als Erbprinz seiner Mutter geschrieben.« Wesentliche Unterschiede zwischen den beiden waren einerseits die Neigung Georgs zum Schauspiel, während Ernst sich für das Musiktheater begeisterte. Außerdem war der Meininger Herzog keineswegs so liberal gesinnt wie sein Coburger Vetter, er orientierte sich mehr an den Werten der Renaissance und der Aufklärung. Außerdem setzte Georg II. ausschließlich seine persönlichen Wünsche und Vorstellungen um, während Ernst II. stets im Kontakt und Austausch mit seiner Umgebung stand, sich dieser teilweise anzupassen versuchte (auf künstlerischem Gebiet) und in seinem Theater den Wirkenden und Schaffenden viel mehr Freiheit ließ. Über den freundlichen Umgang der beiden Herzöge miteinander gibt die Korrespondenz aus den Jahren 1850 bis 1893 Auskunft154, in der unter anderem von den Bühnenbildnern Brückner die Rede ist, die sowohl für Coburg-Gotha als auch für die Meininger arbeiteten155. Geradezu anrührend erscheint der Brief151 Volker Kern hebt beispielsweise die »mustergültige Einstudierung von Volks- und Massen­ szenen« sowie überhaupt eine Verfeinerung der Statisterie hervor (S. 25f.). 152 Georg II. war auch ein Mitbegründer der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft. 153 Erck/Schneider, S. 229f. 154 Vgl. StACo LA A 6999. 155 StACo LA A 6999, f. 42  : In einem Brief vom 23. August 1884 will sich Georg mit Ernst darüber abstimmen, ob beiden Brückner-Brüdern, die auch für die Meininger hervorragende Bühnenbilder geliefert hatten, der Professorentitel zu verleihen sei.

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wechsel zu Georgs umstrittener dritter Ehe mit der Opernsängerin Ellen Franz (1839–1923)156, die vorher übrigens auch in Coburg-Gotha engagiert gewesen war. Georg bittet seinen Vetter, »meinen ungewöhnlichen Schritt freundlich zu beurtheilen«, worauf Ernst antwortet  : »Jeder Mensch ist seines eigenen Glückes Schmied, und so wirst auch du mit deinem Herzen längst im Reinen gewesen sein und alle Pro und Contra’s reiflich erwogen haben, ehe du dich aufs Neue gebunden. […] Was deine Wahl nun anbelangt, so freue ich mich, daß sie eine Dame getroffen, die von Geist und Herz dir nahe steht  !« Unter ganz anderen Voraussetzungen als die Hoftheater arbeiteten die Stadttheater. Sie genossen einerseits viel mehr Gestaltungsfreiheit, konnten aber andererseits auch nicht auf die finanzielle und organisatorische Unterstützung eines Hofes zurückgreifen. Den Geschmack des Publikums zu treffen war in den städtischen und privaten Theaterunternehmen noch wichtiger als in den Hoftheatern. Dem »Aurnheimerschen Nationaltheater« in Nürnberg scheint das zunächst besonders gut gelungen zu sein  : Die 1799 von dem Nürnberger Wirt Georg Leonhard Aurnheimer (1766–1829) gegründete Truppe eröffnete 1801 ihr Theater und hielt sich ohne alle Subventionen bis ins Jahr 1833 (ab 1808 unter anderer Leitung). Zum finanziellen Überleben trug das Privileg zur Ausrichtung der »Redouten« (Bälle) ebenso bei wie zahlreiche Gastspiele des Ensembles in Coburg, Ansbach, Bayreuth, später auch in Erlangen und Fürth. Bemerkenswert ist zudem die Unterstützung durch die Nürnberger Kaufleute, wodurch dieses Theaterunternehmen einen wirklich städtisch-bürgerlichen Hintergrund erhielt. Wie auch bei den Hoftheatern hatte man früh die Bedeutung einer guten Organisation erkannt und gleich zu Beginn Theatergesetze nach Wiener Vorbild erlassen. Als das Theatergebäude im Juni 1827 geschlossen werden musste, errichtete man sogleich ein hölzernes Provisorium, so dass weitergespielt werden konnte, auch wenn in anschließenden Jahren natürlich ein gewisser Qualitätsverlust zu bemerken war. Ein noch stärker durch das Stadtwesen geprägtes Theater existierte in ­Leipzig, wo Küstner – wie erwähnt – zwischen 1817 und 1828 das Ensemble zu ­einer Blütezeit führte157. Die Besonderheit in der Stadt Leipzig war ihre Bedeu­­tung als Messezentrum, was jährlich viele tausend Besucher anlockte. Die Hälfte der Jahreseinnahmen des Theaters wurde während der Messezeit 156 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Erck/Schneider 1997, S. 192–205, sowie StACo LA A 6999, f. 25. 157 Übrigens war es die dauernde Einmischung der Stadt in die Theaterangelegenheiten, die letztendlich zu Küstners Abgang führte (hierzu wie zum Folgenden vgl. Hennenberg, S. 32f.).

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erzielt. ­Unter Küstner, der die Qualität und Bekanntheit seines Ensembles auch durch Gastspiele steigerte, funktionierte das Stadttheater hervorragend. Obwohl er durchschnittlich nur 27 Musiker im Orchester hatte, brachte er bis zu 110 Opernvorstellungen pro Jahr auf die Bühne. Doch nach Küstners Weggang begann eine unsichere Zeit mit mehreren erfolglosen Intendanten, die ab 1844 auch unter der zunehmenden Theaterkonkurrenz zu leiden hatten. 1848 war das Stadttheater sogar insolvent. Der vom Stadtrat 1849 zum Theaterdirektor berufene Rudolf Wirsing (1814–1878) schaffte es dann, in seiner bis 1864 dauernden Amtszeit wieder Stabilität in den Betrieb zu bringen. Als 1870 der berühmte Schauspieler und Regisseur Friedrich Haase gemeinsam mit Ferdinand von Strantz (1821–1909) die Bühne übernahm, verfügte er über ein gut aufgestelltes Ensemble, das sich mit der Einweihung des neuen Theaterbaus weiter vergrößerte (von 190 auf 300 Mitglieder, davon das Orchester von 42 auf 60158). Auch Haases Nachfolger August Förster (1828–1889  ; Direktion 1876–1882) und Max Staegemann (1843–1905  ; Direktion 1882–1905) schafften es, durch geschickte Programmgestaltung und hervorragende Mitarbeiter die Qualität des Stadttheaters Leipzig aufrechtzuerhalten. Ähnlich abhängig vom Geschick der Intendanten war auch das Stadt­theater Hamburg, dessen großes Gebäude durch einen Aktienverein finanziert worden war. Die ersten beiden Direktionen (1827–1837 Schmidt/Lebrun159 und 1841–1847 Mühling/Cornet160) hielten sich noch relativ lange, vielleicht auch, weil man eine konsequente Trennung von künstlerischer und technischer Leitung praktizierte. Aber Hamburg war keine einfache Theaterstadt, da das sehr gemischte Publikum unverblümt seine Meinung kundtat, unterstützt oder auch konterkariert von einer Unzahl an Presseorganen, die in der freien Stadt ebenfalls keiner Zensur unterworfen waren. Doch auch in diesem echten Volkstheater zeigte sich die Wirkung der Oper, die den Spielplan dominierte. Das Schauspiel dagegen hatte es von Anfang an schwer in dem neuen, großdimensionierten Haus, in dem man genau auf die Abendeinnahmen zu achten hatte. Mit Problemen wie laufend notwendigen Renovierungen, einem Übermaß an Freikarten sowie der ab 1844 zunehmenden Konkurrenz hatte das Stadttheater Hamburg zu kämpfen wie alle anderen Bühnen auch. Nach den politischen Unruhen von 1848 ging es bergab, es folgten ständige Inten-

158 Hennenberg, S. 72. 159 Friedrich Ludwig Schmidt (1772–1841) und Karl August Lebrun (1792–1842). 160 August Mühling (1786–1847) und Julius Cornet (1793–1860).

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dantenwechsel161 und gescheiterte Fusionen mehrerer Bühnen (1849 bis 1854 »Hamburgs Vereinigte Theater«162). Die Gründung e­ ines Subventionsfonds im Jahr 1871 (genannt »Zehner-Comité«, wegen der zehn Mitglieder163) läutete eine Phase der Konsolidierung ein. Ab 1874 stand dann mit Bernhard Pohl (1838–1897), genannt Pollini, wieder ein sehr fähiger Mann an der Spitze des Stadttheaters, der ihm zu neuem Erfolg verhalf. Während also einerseits das Schicksal eines Theaters in der Regel von den Fähigkeiten des jeweiligen Intendanten abhing, gab es andererseits auch Ereignisse außerhalb des Theaters, die seine Existenz bedrohen konnten. Als finanziell unsicheres Unternehmen im öffentlichen Raum, das zudem von den Launen des Publikums und/oder einer Fürstenfamilie abhängig war, litt das Theater besonders unter den Auswirkungen politischer Unruhen. Sehr stark waren die Folgen der Revolution von 1848 in den deutschen Theatern zu spüren. Vielerorts kam es zu einem dramatischen Rückgang der Besucherzahlen, so etwa in Nürnberg, Karlsruhe oder Berlin. Dadurch wurde auch das Personal der Theater verunsichert, in Stuttgart etwa gab es Gerüchte um eine Auflösung der Bühne. Viele Musiker und Schauspieler bzw. Sänger wechselten in diesen unruhigen Zeiten den Arbeitsplatz, was den Ensembles an den Häusern schadete (vgl. Berlin, Stuttgart). Tatsächlich waren auch viele Theater durch den Aufruhr existenziell bedroht  : In Leipzig retteten die Kaufleute der Stadt durch eine Finanzierungsgesellschaft ihr Theater, in Weimar sanken die Zuschüsse durch die in der Revolution erzwungene Reduzierung des Hofetats auf ein bedrohliches Mindestmaß, in Hamburg wurden einige Theater im Chaos geschlossen. Das Hamburger Stadttheater trat mit patriotischen Kundgebungen hervor und nutzte die Öffentlichkeit von Theateraufführungen zur Verbreitung politischer Nachrichten164. Dem Theaterbetrieb schadete die dauernde Unruhe – auch innerhalb des Personals – jedoch nachhaltig. An manchen Hoftheatern, wie etwa 161 Zwischen 1855 und 1858 übernahm der vielzitierte Albert Sachse vorübergehend die Leitung des Theaters, machte aber trotz Renovierung des Hauses und großem Personalaufwand Pleite (vgl. Uhde, S. 415–461). 162 Vgl. hierzu Uhde, S. 298–381f. 163 Hierzu Uhde, S. 606ff. 164 Uhde, S. 278f.: Bei einer patriotischen Kundgebung im Hamburger Stadttheater am 24. März 1848 erklang Webers »Jubelouvertüre«, dann ein Volkslied »des freien vereinigten Deutschland«, gesungen vom ganzen Theaterpersonal mit schwarz-rot-goldenen Schärpen. Es gelangten sogar politische Nachrichten ohne Verzögerung ins Theater  : So wurde am 1. Juli 1848 zwischen dem 1. und 2. Akt des Schauspiels »Muttersegen« die Wahl des österreichischen Erzherzogs Johann (1782–1859) zum »Reichsverweser« dem Publikum bekanntgegeben, das stürmisch seine Zustimmung signalisierte.

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in Detmold, ließen die Fürsten ihre Bühnen sogar ganz schließen, weil sie Angst vor der Begegnung mit ihren aufrührerischen Bürgern hatten. In Coburg und Gotha waren die Auswirkungen der Revolution natürlich auch am Theater zu spüren, aber im Vergleich zu den meisten anderen Residenzen blieb es relativ ruhig. Noch im Februar 1848 entschuldigt sich der Korrespondent der AMZ regelrecht dafür, dass er nur Gutes über die Cobur­ger Theatermitglieder sagen könne165. Im März schreibt Staatsminister Dietrich Carl August von Stein (1793–1867) an Herzog Ernst II., der sich gerade in London aufhält166  : »In der Bevölkerung kann dem Beobachter eine leichte Erregbarkeit gegen die frühere Indolenz nicht entgehen. Die alte, nur dem Materiellen zugewandte Gesellschaft stirbt nun nach und nach ab, und die neue ist eben lebendiger gegen politische Fragen. Recht auffallend war mir das z. B. auch bei der Aufführung von Tendenzstücken, wie ›Zopf und Schwert‹ und ›Uriel Acosta‹, in welchem gewisse Stellen ganz lebhaft aufgefaßt und auch beklatscht wurden, was sonst nie geschah«. Im Mai 1848 berichtet die AMZ167 von einer Aufführung von Vincenzo Bellinis »I Puritani« am 26. März in Gotha, die der Dirigent mit schwarz-rot-goldenem Stab dirigiert habe. Dass der Sänger der Hauptrolle die Worte »Freiheit und Vaterland« besonders hervorgehoben habe, deckt sich mit den zitierten Beobachtungen von Steins. Außerdem meldet die AMZ in diesem Artikel, dass die Kapellmeister in Gotha oft direkt nach der Aufführung Patrouille gehen müssten, wohl im Rahmen einer Bürgerwehr168. Einen Monat später findet sich in derselben Zeitung die Bestätigung169, dass sich auch in Coburg mittlerweile »die meisten Künstler in den Waffen und in der Taktik« übten, folglich als Mitglieder der angeblich 600 Mann starken Bürgerwehr dienten170. So bestätigt auch eine andere Zeitung171  : »Die welt­ erschütternden Ereignisse, und deren Folgen, haben auch bei uns nachtheilig auf unser Kunstleben gewirkt. Das Hoftheater verstummte, die Musensöhne huldigten dem Mars  : statt auf der Bühne und im Orchester sah man sie in Waffenröcken auf dem Exercierplatze.« Doch auch dort spielte die Musik  : Im 165 AMZ, Bd. 50, Nr. 6, Februar 1848, Sp. 88–91. 166 Zitiert nach Ebart, 100 Jahre, S. 34f. 167 AMZ, Bd. 50, Nr. 21, Mai 1848, Sp. 345f. 168 Auch Schlegel (S. 69) berichtet von der Einrichtung einer Schutzwache in Gotha, im Volksmund »Knittelgarde« oder »Blousenmannschaft« genannt. 169 AMZ, Bd. 50, Nr. 26, Juni 1848, Sp. 425f., zum Folgenden. 170 Michaelis, S. 94, berichtet, Herzog Ernst II. selbst habe im Herbst 1848 zur Bildung einer allgemeinen »Volkswehr« aufgerufen. 171 NZfM, 1848, Bd. 29, S. 146f., zum Folgenden.

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Sommer habe sich eine »Bürgerwehrmusik« aus Berufsmusikern und Dilettanten gebildet. Immerhin gingen die Vorstellungen am Hoftheater weiter, und es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass die erste Aufführung der neuen Oper des Herzogs »Die Vergeltung« (später »Tony«) am 7. Dezember 1848 zugunsten der Coburger Weber gegeben wurde172. Auch fand am 4. Juni 1848 in Coburg ein Konzert »zum Besten der Spargesellschaft der weniger bemittelten Volksklassen« statt173. Die Qualität der Vorstellungen scheint zwar unter den angespannten Bedingungen gelitten zu haben174, aber immerhin  : »Hoftheater und Hofkapelle wurden, Dank unserem kunstsinnigen Herzog, mit einer Auflösung, wie dieses bereits an manchen Orten geschehen, verschont«175. Die Auswirkungen der »Zeitverhältnisse« auf das sonst so anspruchsvolle Coburg-Gothaer Hoftheater waren für die Fachpresse dennoch spürbar  : Es fehlte eine herausragende Primadonna, das Repertoire war eher einseitig, auch konnten (wohl aufgrund der verschiedenen Aufgaben der Musiker) erst einmal keine Konzerte der Hofkapelle stattfinden. Andererseits konnten alle Mitglieder des Hoftheaters froh sein, eine feste Anstellung zu haben, denn viele Hofkapellen wurden in dieser Zeit aufgelöst. Wie lange der Ausnahmezustand für die Musiker noch anhielt, ist aus einem Dokument der Intendanz vom Oktober 1849 zu entnehmen176  : Darin wird auf Bitten des Kommandanten der Bürgerwehr beim Herzog angefragt, ob die für den kommenden Sonntag geplante Theatervorstellung auf den Montag verschoben werden könne, damit sich die Musiker der Kapelle »an dem beabsichtigten Uebungsmarsch als Bürgerwehrmusik« beteiligen könnten. Aus einem Randvermerk geht hervor, dass der Herzog auf seiner Oper am Sonntag bestand. In den Folgemonaten scheint sich der Theaterbetrieb dann allmählich wieder normalisiert zu haben. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass in Coburg und Gotha die Revolution von 1848 nicht ohne Auswirkungen auf das tägliche Leben – auch der Theater- und Hofkapellmitglieder – blieb, das Hoftheater jedoch nie in seiner Existenz gefährdet war. 172 Hierzu Ebart, 100 Jahre, S. 35. Aus StACo Theater 90, f. 160ff., geht hervor, dass bei dieser Benefizvorstellung für den bei der Revolution besonders aktiven Berufsstand inklusive zweier Spenden seitens des Herzogs August sowie des Kaufmanns Arnold über 264 Gulden zusammenkamen. 173 Vgl. AMZ, Bd. 50, Nr. 26, Juni 1848, Sp. 425f. 174 Hierzu die deutlichen Kritiken an Aufführungen in Gotha in AMZ, Bd. 50, Nr. 21, Mai 1848, Sp. 345f., und Nr. 26, Juni 1848, Sp. 425f. Auffallend ist der Tonfall des Autors, der die ungleiche Behandlung von Sängern und Musikern am Theater kritisiert – möglicherweise durch die Forderungen der Revolutionäre befeuert. 175 NZfM, Bd. 31, 1849, S. 6f., auch zum Folgenden. 176 StACo Theater 90, f. 183. Der geplante Übungsmarsch unter dem Kommandanten Ernst Carl Wilhelm von Heldritt sollte nach Meeder gehen.

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Finanzen Damals wie heute war es eine große Herausforderung für einen Theaterleiter, die Finanzen unter Kontrolle zu halten. Eine gute Planung und eine reibungslos funktionierende Organisation waren ebenso unverzichtbar wie Subventionen, die die üblichen Schwankungen bei den Einnahmen auszugleichen halfen. Während in den Anfangsjahren des Coburg-Gothaer Hoftheaters die Ausgaben einfach nachträglich durch Zahlungen aus verschiedenen Kassen beglichen worden waren, führte Ernst II. eine straffe Etatplanung ein, die Jahrespläne ebenso wie Kostenvoranschläge für einzelne Produktionen vorsah. Dabei steuerte der Herzog stets aus seiner Privatkasse einen nicht unwesentlichen Betrag bei, insbesondere zur Finanzierung von Aufführungen seiner eigenen Opern. Da Ernst II. Wert darauf legte, sein Theater regelmäßig durch Gastspiele berühmter Künstler auszuzeichnen und wenn möglich einige von ihnen fest für sein Ensemble zu gewinnen, waren die Gagen – wie überall – sowie die Ausgaben für gastierende Sängerinnen und Sänger von Anfang an der größte Ausgabenposten. Die Bereitschaft, für auswärtige »Stars« mehr zu bezahlen als für einheimische Festangestellte, führte dabei einmal zu einer amüsanten Episode177  : Der Chortenor Ersfeld, seit 1841 am Hoftheater angestellt, bat den Intendanten von Wangenheim um eine Erhöhung seiner Gage, die nur 50 Gulden betrug. Da Wangenheim ablehnte, ließ sich Ersfeld entlassen und wanderte zum Theateragenten Alois Heinrich nach Berlin, wo er nach einem neuen Engagement fragte. Prompt erhielt Heinrich eine Anzeige des Hoftheaters Coburg, dass man einen erfahrenen Chortenor suche, dem man eine Gage von 100 Gulden zu zahlen bereit sei. Heinrich schickte daraufhin eine Zusage nach Coburg und wenig später stellte sich Ersfeld als neuer Mitarbeiter vor – und erhielt die neue Gage, mit der er bis zu seinem Lebensende 1883 am Hoftheater bleiben konnte. Zwar hatte der Herzog die Kosten seines Theaters immer im Blick, aber sein Wunsch nach einem gut ausgestatteten, renommierten Hoftheater war so groß, dass er letztendlich auch von seinen privaten Geldern Unsummen in den Betrieb investierte. In seiner Hamburger Theatergeschichte schreibt Uhde 1879 als Diskussionsbeitrag zu den Verhandlungen über die Subventionen des Hamburger Stadttheaters178  : »Das erinnert an eine Berechnung über das Hoftheater in Coburg, welche bei dessen goldenem Jubiläum (1. Juni 1877) angestellt wurde  ; Herzog Ernst I., der dasselbe begründet, verkaufte 1834 einen Theil 177 Zum Folgenden vgl. Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 33. 178 Uhde, S. 644f.

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seines Länderbesitzes, das 12 Quadratmeilen große Fürstenthum Lichtenberg, um zwei Millionen Thaler an Preußen. Als nun das Hoftheater seinen Jubeltag feierte, zeigte sichs, daß es seither just jene 2 Mill. Thaler gekostet hatte  ; ein ganzes Fürstenthum war verjubelt. Ob die Regierung Hamburgs ihren Bürgern gegenüber die schwere Verantwortung übernehmen will, mit Staatsgeldern zu schalten, wie in Coburg mit Geldern aus der Schatullkasse – deren Verwendung ja keinen Dritten zu kümmern hat – geschaltet worden, entscheidet die Zukunft  ; über sie zu räthseln, ist nicht die Aufgabe des Historikers.« Immerhin gab es zusätzliche Einnahmen aus der Vermietung der Theaterräume und vor allem aus der Veranstaltung von Redouten und Bällen. D ­ abei brachten die Hofbälle nicht nur Eintrittsgelder ein, sondern boten der Bevölkerung auch eine zwanglose Möglichkeit, der herzoglichen Familie zu begegnen179. Vor allem in Gotha waren die Maskenbälle sehr beliebt180, sie fanden während der gesamten Regierungszeit Ernsts II. regelmäßig statt und wurden mitunter auch von fürstlichen Verwandten besucht. Zu manchen der Hofbälle waren an die 500 Personen geladen181. Ein Musikcorps spielte zum Tanz auf, und um Mitternacht erfolgten die Demaskierung und die Eröffnung des Büfetts182. Außerdem wurden die Hoftheater gelegentlich für Vorträge oder Tagun­gen genutzt. So gab es im Winter 1846/1847 in Coburg eine Reihe von Vorlesungen183, in der unter anderen Millenet über »Hofnarren« und der Herzogs selbst zum Thema »Seelenkunde oder Darlegung einiger Grundzüge der Psychologie« referierte. In Gotha fanden 1846 beispielsweise die Versammlungen des »naturwissenschaftlichen Vereins für Thüringen« sowie eine Tagung von 118 deutschen Architekten und Ingenieuren im Theater statt184. ­Darüber 179 Vgl. hierzu ein Gedicht, das ein Unbekannter anlässlich einer Redoute am 19. Januar 1802 der Herzogin Auguste Caroline überreichte (LBC TB WW 745, Theaterzettelbuch). Die letzte Strophe lautet  : »Da kamen die Redouten auf,/Das war erwünschte Sache,/Da geht ein jeder frey hinauf -/Nun weiß ich, was ich mache,/Dacht’ ich, da kannst du unbekannt/Dich hin zur Fürstin dringen,/Und ihr, so treu wie Stadt und Land/Auch deine Wünsche bringen.« 180 Vgl. hierzu wie zum Folgenden ThStAGotha Oberhofmarschallamt Nr. 367  ; Ebart, 100 Jahre, S. 20f. 181 Vgl. die Gästeliste für den Hofball im Hoftheater am 6. Januar 1884, auf der 420 geladene Gäste und 61 Sängerkranz-Mitglieder verzeichnet sind (ThStAGotha Oberhofmarschallamt Nr. 367, f. 25). 182 Vgl. hierzu die Programme in ThStAGotha Oberhofmarschallamt Nr. 367, z. B. f. 2–3. 183 Vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 33. – Vielleicht wurde in einem vergleichbaren Zusammenhang der zitierte Vortrag des Herzogs über die Geschichte der Musik gehalten. 184 Schlegel, S. 66. Die Naturwissenschaftler tagten am 3. und 4. Juni 1846, die Architekten vom 3. bis 6. September 1846.

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hinaus besann man sich am Coburg-Gothaer Hoftheater auch auf gängige Sparmaßnahmen wie die Reduzierung von Neueinstudierungen (die immer auch mit kostspieligen Neuausstattungen einhergingen) und die Erhöhung der Preise. Zudem entdeckte man Gastspiele, z. B. in Erfurt, als lukrative Ergänzung zur üblichen Saison. Doch spätestens ab den 1870er Jahren, während der Intendanz Adolf Beckers185, nahm die finanzielle Schieflage zu. Der Theateretat von 1880186 weist ein gewaltiges Defizit auf  : Einnahmen von 96.065,75 Mark stehen Ausgaben von 221.621,22 Mark gegenüber  ! Dass die Gagen der größte Ausgabeposten (138.910,55 M) und die Reisekosten für den Umzug und Aufenthalt in Gotha (23.394,40 M) auch nicht zu übersehen waren, dürfte für die Intendanz keine Überraschung gewesen sein. Aber bei einigen Posten überstiegen die tatsächlichen Kosten den Voranschlag um ein Vielfaches  : Die Baureparaturkosten für das Coburger Theater waren fast viermal so hoch, die Benefizvorstellungen (!) kosteten nahezu das Doppelte, ebenso die Arbeiten der Drucker und Buchbinder. Und ein weiterer Beweis dafür, dass am Coburg-­ Gothaer Hoftheater für auswärtige Musiker bereitwillig viel Geld ausgegeben wurde, findet sich in den Posten »Beihülfe fremder Musiker« sowie »Gastrollen«, die die vorgesehenen Summen ebenfalls um nahezu 100% überstiegen. So kommt es, wie es kommen musste  : Anfang 1881 ordnet der Herzog aus Kostengründen die Schließung der Oper an187. Diese Entscheidung löst ein mittleres Erdbeben in beiden Teilen des Herzogtums aus188. Emotional berichtet die Coburger Presse am 27. Januar189  : »Die Nachricht von der bevorstehenden Auflösung unserer Oper hat in unserer Stadt die größte Sensation erregt. Ueberall, wohin man hört, im Wirtshaus, in der Familie, auf der Straße, bildet sie das ausschließliche Tagesgespräch. Ueberall gibt sich übereinstimmend die schmerzlichste Betrübnis kund, denn man ist einig in dem Gefühl, daß der Verlust unserer Oper mehr bedeutet, als ein bloßer Verzicht auf einen gelegentlichen Ohrenschmaus […] Wer da weiß, mit wieviel tausend Wurzeln 185 Zur Finanzkrise in dieser Zeit vgl. Heinz 1999, S. 283f. 186 StACo Theater 122. Zum Folgenden. 187 Das Sprechtheater sollte erhalten bleiben, da die Kosten dafür weit geringer waren. – Im Detail lief die Abwicklung sehr fair gegenüber den Mitarbeitern ab  : Alle Pensionsansprüche blieben erhalten, manche wurden gleich in den Ruhestand versetzt, andere erhielten keine Vertragsverlängerung, Festangestellte wurden mit Auszahlung eines Jahresgehaltes freigegeben (vgl. ThSTAGotha Acten des Herzogl. S. Hofamts, Oberhofmarschallamt Nr. 573a). Ebart (100 Jahre, S. 93–96) schreibt, die meisten entlassenen Mitglieder hätten sofort ein neues Engagement gefunden. 188 Der Herzog hat das wohl geahnt und gab seine Entscheidung unmittelbar vor seiner Abreise nach Berlin bekannt (Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 40). 189 Artikel in StACo Theater 122.

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unsere Oper, auf die wir mit Recht stolz sein konnten, mit der Bevölkerung erwachsen [sic] war, welchen Anziehungspunct dieselben nicht nur für unsere Nachbarstädte in weitem Umkreis, sondern namentlich auch für so viele fremde Familien bildete, welche die glückliche Verbindung einer schönen Natur mit den Gaben der Kunst zu unseren Mitbürgern gemacht hat, wer die Folgen bedenkt, welche der Wegzug dieser schätzenswerthen Elemente für unsere Stadt herbeiführen muß, wer sich namentlich klar darüber ist, – und das ist die Meinung Aller  ! –, daß ohne die Oper das Theater sich überhaupt nicht halten kann, der wird die allgemeine Erregung begreiflich finden, welche sich aller Kreise bemächtigt hat.« Nüchterner und nicht ohne Hoffnung schreibt dagegen die »Gothaer Zeitung« im April, nach der letzten Vorstellung dort190  : »So wenig wir seiner Zeit die Opernfrage zu einer förmlichen Culturfrage hin aufgeschraubt sehen mochten, so sehr halten wir doch die Blüthe einer guten Oper zum Bestand und zur Würde eines Hoftheaters für nötig  ; daß der auf dem Kunstgebiete schöpferisch hervorragendste Fürst der Ernestinischen sächsischen Linie ein ihm persönlich an das Herz gewachsenes Institut eingehen ließ, kann schwerlich sein allerletztes Wort in dieser hochwichtigen Sache gewesen sein.«191 Auch die Bürgermeister beider Städte bitten unverzüglich bei der Intendanz um eine Audienz beim Herzog192. In einem Vermerk gibt Ernst II. zu bedenken, dass es »für beide Theile nur peinlich sein« werde, über die Theaterfrage zu diskutieren, »es sei denn, daß die zum Fortbestehen der Oper nöthigen 60,000 Mark von Seiten der Herrn, der Generalkasse zur Disposition gestellt würden.« Doch die Coburger Bürger geben nicht so schnell klein bei. Sie verfassen eine Petition an den Herzog gegen die Schließung der Oper, die von über 750 Personen unterzeichnet und durch den Bürgermeister Rudolf Muther (1823–1898) dem Landesherrn zugestellt wird193. Die Liste der Unterstützer ist ein Querschnitt durch die Coburger Bürgerschaft der Zeit (Buchhändler, Hofapotheker, Kaufmann, Assessor, Lehrer, Hofschuhmacher, Konditor, Brauer usw.) und Zeugnis einer beeindruckenden Solidarität mit dem Hoftheater194  : 190 Artikel in StACo Theater 122. 191 Interessant ist im Vergleich der beiden Artikel, dass man in Gotha Druck auf den Herzog ausüben, in Coburg dagegen die Stadt in die Pflicht nehmen wollte. 192 Hierzu wie zum Folgenden StACo Theater 122 und ThStAGotha Acten des Herzogl. S. Hof­ amts, Oberhofmarschallamt Nr. 573a. In der Gothaer Akte findet sich der zitierte Vermerk des Herzogs. 193 StACo LA A 7355. Zum Folgenden. 194 Die Unterschriftenliste von Männern und Frauen enthält auch mindestens 92 Namen aus Neustadt.

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»Durchlauchtigster Herzog, / Gnädigster Herzog und Herr  ! Die unerwartete Kunde von der bevorstehenden Auflösung der Oper des hiesigen Hoftheaters hat allenthalben, in Stadt und Land, auf das Schmerzlichste berührt. Seit langen Jahren bildete die Oper die Zierde und den Glanzpunkt der hiesigen Bühne, seit langen Jahren haben wir uns an den ausgezeichneten Leistungen bewährter Gesanges- und Orchesterkräfte, an der reichen, künstlerischen Ausstattung erfreut, welche die Munificenz Ew. Hoheit dem Institut angedeihen liess. Nicht allein im Herzogthum Coburg, sondern in ganz Deutschland hatte der Name der Coburger Oper einen guten Klang, war ihr ein Ehrenplatz unter ihren grösseren Schwestern gesichert. Dass unsere Oper ein so hohes Ziel erreichte, verdankt sie ausschliesslich dem kunstsinnigen Verständniss, der umfassenden und unermüdlichen Opferwilligkeit Ew. Hoheit  ! Diesen Gefühlen unserer dankbaren Anerkennung warmen und aufrichtigen Ausdruck zu verleihen, können wir uns in einem Augenblick nicht versagen, in welchem der drohende Abschied unseres Lieblings uns mit tiefer Wehmuth erfüllt, in welchem wir von der Ueberzeugung durchdrungen sind, dass der Heimgang einer Kunstschöpfung, welche auf die Entwickelung unserer Stadt allezeit einen so glücklichen und fördernden Einfluss geübt hat, nicht nur unserem Gemeinwesen, sondern dem ganzen Lande einen schweren und unersetzlichen Verlust bereiten würde, zu dessen Abwendung wir alle Kräfte berufen glauben. Wenn wir, von diesen Empfindungen beseelt, es wagen der gnädigen Erwägung Ew. Hoheit in Ehrfurcht anheim zu geben, ob jede Möglichkeit ausgeschlossen, das Theater in seinem altbewährten Umfang zu erhalten, so leitet uns dabei vor Allem der Gedanke, dass Ew. Hoheit Selbst die Trennung von einer so glänzenden Lieblingsschöpfung mit gerechtem Schmerz erfüllen werde.« Und es bleibt in Coburg nicht bei dieser Bittschrift195  : Die Stadt verspricht, ab 1881 einen jährlichen Beitrag von 5.000 Mark zu bezahlen, was – mit einer Verzögerung im Jahr 1882 – bis mindestens 1890 auch so geschieht. Außerdem gründet sich in Coburg ein »Opernverein«, der Sammlungen veranstalten will und einen jährlichen Beitrag von 7.000 Mark anpeilt. Doch der Herzog bleibt zunächst skeptisch und bietet nur an, bei ausreichend eingehenden Sponsorengeldern im Herbst das Nürnberger Opernensemble unter seinem Direktor Maximilian Reck (1818–1885) für ein Gastspiel einzuladen. So schließt am 7. Juni 1881 die Musiktheater-Saison in Coburg mit einer Vorstellung von »­ Diana von 195 Hierzu wie zum Folgenden StACo Theater 122 und ThStAGotha Acten des Herzogl. S. Hof­ amts, Oberhofmarschallamt Nr. 573a.

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Solange«, die man für die letzte große Opernaufführung im Hoftheater hält. Teils traurig, teils verständnislos kommentieren die Musiker das Ereignis in ihren Noten196. So steht in der »Trombone Alto«-­Stimme zu lesen  : »Schreibt selbst die Opern und schaft [sic] die Sänger ab  ?« Doch die drastische Sparmaßnahme erzielt nicht die gewünschte Wirkung. Wie schon der theater-erfahrene ehemalige »Immediat-Commissarius« von Pawel-­Rammingen vorhergesagt hat197, gehen die Einnahmen aus dem Schauspiel weiter zurück, obwohl die Konkurrenz durch die Oper nun entfällt. Dem Herzog wird klar, dass er mit Sprechtheater allein sowie den neu eingeführten Abonnement-Konzerten198 das Hoftheater nicht halten kann. Nach einem erfolgreichen und lukrativen Gastspiel mit 12 Vorstellungen seines Ensembles in Erfurt beschließt der Herzog schon im Juni 1881, mit weiteren Zuschüssen aus seiner Privatschatulle wieder Opernaufführungen zu ermöglichen. Im November 1881 dringt auch Becker auf die Organisation von Opernvorstellungen in Gotha, da die Einnahmen dort einbrechen. So kommt es, dass im Frühjahr 1882 in Gotha durch ein kurzfristig engagiertes Opernensemble 25 Vorstellungen über die Bühne gehen, während in Coburg nach dem Gastspiel der Nürnberger im Herbst 1881 im Jahr 1882 die Oper komplett ausfällt. Doch ein Jahr später kommt der Betrieb allmählich wieder in Gang, die Verträge für die engagierten Sängerinnen und Sänger werden wieder länger, und durch die Erhöhung der Zahl an Vorstellungen (Gastspiele und Vorstellungen für Auswärtige, die mit Sonderzügen aus Erfurt, Eisenach und Mühlhausen nach Gotha kommen) gelingt es, die Einnahmen wieder zu erhöhen199. Letztendlich handelt es sich also nur um einen vorübergehenden Ausfall der Oper am Hoftheater Coburg-Gotha, und doch zeigt die Episode, wie schnell der Absturz eines renommierten und erfolgreichen Hauses aus rein pekuniären Gründen geschehen konnte. Allein der Wille und die »Opferwilligkeit« des Herzogs, befeuert durch die großen Solidaritätsbekundungen insbesondere der Coburger Bevölkerung, ermöglichten die Rettung des Unternehmens. Auch an anderen Theatern entschieden die Finanzen über Wohl und Wehe der Bühne. In Weimar überlebte das Hoftheater überhaupt nur aufgrund der großzügigen Unterstützung durch die Großherzogin Maria Pawlowna. Ökonomisch betrachtet war das Herzogtum eigentlich zu klein für die Aufrechterhal196 Vgl. das Orchestermaterial zu »Diana von Solange« unter LBC TB Op 261. 197 Vgl. StACo Theater 122. 198 Vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 93–96. 199 Vgl. hierzu Heinz 1999, S. 287f. und Ebart, 100 Jahre, S. 93–96.

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tung eines so anspruchsvollen Theaters. Denn die Summen, die der Theaterbetrieb verschlang, waren gewaltig und stiegen schnell mit den Anforderungen der zeitgenössischen Bühnenwerke (große Oper). In Hannover etwa zahlte der Hof vor 1817 noch 8.000 Taler an Zuschüssen, im Jahr 1824 waren es schon 20.000200. Dabei waren die ohnehin schwankenden Einnahmen stets auch gefährdet durch das weithin verbreitete Problem des Missbrauchs von Freikarten. In Stuttgart201 waren es beispielsweise »Claqueure«, die große Mengen an Freikarten an sich rissen. Auf der anderen Seite konnte die Vermietung der Theaterräume an manchen Orten eine gute Einnahmequelle auftun. In Karlsruhe zum Beispiel waren die Redouten für die Finanzen des Theaters eine wichtige Ergänzung, wie in Gotha. Bei den Hoftheatern war es am Ende jedoch immer der Fürst, von dem das Überleben der Bühne in finanziell schwierigen Zeiten abhing. Während die Theatermitglieder in Coburg-Gotha sich da ziemlich glücklich schätzen konnten, ließ man das Hoftheater Detmold dagegen in den Ruin laufen202, so dass Fürst Woldemar (1824–1895) nach Belieben die Hofkapelle auflösen und sein Theater schließen lassen konnte, um es nur für nicht-bezuschusste Wandertruppen gelegentlich zu öffnen. Bei den Stadttheatern war die Finanzlage oft noch prekärer. Wie bereits erwähnt, schaffte es das »Aurnheimersche Nationaltheater« in Nürnberg, sich etliche Jahre ohne öffentliche Subventionen zu halten. Allerdings gab es die Unter­stützung der Nürnberger Kaufleute, die sich ihr Theater etwas kosten ließen. Außerdem unterstützte der bayerische König 1823 bis 1825 vorübergehend das Theater, dessen Direktor Georg Braun er anschließend nach München holte. Bemerkenswert ist, dass das Nürnberger Theater sich – wenn auch unter Schwierigkeiten – halten konnte, obwohl es über viele Jahre sogar Zahlungen an die Stadt leisten musste (1.100 Gulden im Jahr 1848203). Das rein wirtschaftliche Denken des Nürnberger Magistrats hätte das Theaterunternehmen um ein Haar in den Bankrott getrieben. Erst als sich in den 1850er Jahren die Verhältnisse umkehrten und die Stadt begann, Subventionen an das Theater zu zahlen, stiegen wieder Qualität (mehr Geld für Ausstattung, weniger Fluktuation beim Personal), Besucherzahlen und Einnahmen. In der Ära (1858–1885) des Direktors Maximilian Reck, der aus alteingesessener Nürnberger Familie stammte und sowohl beim Militär als auch in der Presse Erfahrungen gesam200 Zur Theatergeschichte Hannovers vgl. Georg Fischer. Hierzu S. 75, 80. 201 Zur Theatergeschichte Stuttgarts vgl. Schraishuon. Hierzu S. 94. 202 Vgl. Peters. Hierzu S. 98ff. 203 Vgl. Schultheiß, S. 84.

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melt hatte, erlebte das Musiktheater in Nürnberg eine Blütezeit, getragen von einem ansehnlichen Orchester mit ca. 40 Mitgliedern204. Im Stadttheater Leipzig dagegen kam bei finanziellen Engpässen immer wieder der Vorschlag zur Sprache, die Oper ganz einzustellen, da damit die Kosten für Sänger, Orchester, Chor und Ballett gleichzeitig eingespart werden konnten. Selbst der einflussreiche Dramatiker Heinrich Laube (1806–1884) sprach sich in diesem Sinne aus205, in völliger Verkennung der Tatsache, dass gerade unter erfolgreichen Intendanten wie Wirsing das Musiktheater die Zugkraft des Leipziger Unternehmens ausmachte. Erst August Förster führte das Stadttheater nach 1880 in die schwarzen Zahlen, da er erkannt hatte, dass die Oper zwar den Ruf des Theaters ausmachte, die meisten Einnahmen aber mit Lustspielen zu erzielen waren. Bei kostspieligen Opernproduktionen führte man schon bald erhöhte Eintrittspreise ein. Wie schwer es war, ein stehendes Theater aufzubauen, ohne die verlässliche finanzielle Stütze eines Hofes oder einer reichen Stadt im Hintergrund zu haben, zeigen auch die Unternehmungen in Basel, Freiburg und Baden-Baden. An allen drei Orten konnte sich – trotz Messe- und Kurbetriebs, trotz gefüllter Stadtkassen – ein dauerhafter Theaterbetrieb erst etablieren, als die städtischen Subventionen ein gewisses Niveau erreichten. Außerdem war in Basel und Freiburg die Gründung von Stadtorchestern von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung eines eigenständigen Musiktheaterlebens. Ein weiterer großer Vorteil des Coburg-Gothaer Hoftheaters war die Möglichkeit, an zwei Orten dasselbe Programm spielen zu können  : in Coburg und in Gotha. Jede Produktion konnte sozusagen doppelt verkauft werden, an beiden Orten wurden Einnahmen erzielt. Keine der beiden Residenzen hätte sich alleine ein so großes Ensemble leisten können, und so profitierten alle Seiten davon, das Publikum wie die Theatermitglieder. Schon im Vorfeld der Theater­ gründung, ehe Coburg und Gotha unter einer Regierung verbunden wurden, hatte es ja Pläne für gemeinsame Theaterunternehmungen mit Meiningen, Hildburghausen oder Bamberg gegeben. Und im ersten Jahr des Hoftheaters hatte man auch noch in Bad Liebenstein und Rudolstadt gespielt. Doch seit 1829 gab es einen festgelegten Pendelrhythmus zwischen Coburg und Gotha  : Von Anfang Januar bis Mitte April spielte das Theater in Gotha, dann bis Mitte Juni in Coburg. Bis Ende August folgten die Theaterferien, dann bis über Weihnachten die Herbstsaison in Coburg. Dieser einzigartige Ortswechsel des 204 Dieses Ensemble unter Reck gab die Gastspiele in Coburg im Herbst 1881. 205 Hierzu Hennenberg, S. 61.

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Zwischenakt

Hoftheaters Coburg-Gotha war nicht allen Theaterschaffenden bekannt. Wie aus den Coburger Theaterakten hervorgeht, wurden regelmäßig Noten oder theaterrelevante Briefe und Dokumente nach Gotha hinterhergeschickt. Eine besonders unglückliche Verkettung von Umständen führte einmal zu einer regelrechten Odyssee des Schauspielers Adalbert Matkowsky (1857– 1909)206. Der berühmte Darsteller aus Berlin sollte in einer Inszenierung von Goethes »Faust« spielen, fuhr jedoch am Tag der Premiere versehentlich nach Coburg statt nach Gotha. Die Vorstellung wurde daraufhin verschoben. Zwei Wochen später saß Matkowsky wieder in der Eisenbahn, diesmal auch richtig nach Gotha, doch der Zug blieb in einem schweren Schneesturm stecken. Das »Gothaische Tageblatt« druckte daraufhin folgendes Gedicht ab  : »Es war ein großer Tragöde, gefeiert in allem Land, der nach dem ersten Fehlschlag ein neues Kursbuch erstand. Es ging ihm nichts darüber, weil ihm Gewißheit ward, in welchem von den Städtchen Marg’rethchen seiner harrt. Doch als er kam zu reisen, gab es viel Schnee im Reich  ; bei Landsberg, kurz vor Halle, merkt er das Hemmnis gleich. Er saß im schnellsten Zuge, das Dampfroß stampft und schnaubt, doch war er festgefahren, noch eh’ er’s selber glaubt. Da saß der große Tragöde – ihm ward’s im Herzen weh – er warf das neu’ste Kursbuch verzweifelnd in den Schnee. Er sah es stürzen, sinken  ; nur Eis und Schnee umher – ›Nach Coburg wie nach Gotha komm’ ich wohl nimmermehr  !‹«

Das Glück, mehrere Bühnen mit einem Ensemble bespielen zu können, war in den Großstädten Berlin und Hamburg nichts Außergewöhnliches. In Stuttgart nutzte man geschickt das große Opernhaus für Musiktheater und große Schauspiele, den Redoutensaal für kleinere Werke des Sprechtheaters. Andere mittlere und kleine Theater mussten sich dafür um Kooperationen bemühen  : Darmstadt scheiterte beim Versuch einer Zusammenarbeit mit den Theatern in Altenburg, Halle und Lauchstädt, da alle die Saison zur gleichen Zeit haben wollten. Dafür bespielte man ab 1881/82 auch das Bernburger Schauspielhaus. Die Nürnberger Gesellschaft dagegen nutzte viele Gelegenheiten zu Gastspielen (Coburg, 206 Vgl. Reuss, S. 37f. Kurz erwähnt auch bei Ebart, 100 Jahre, S. 118.

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Ansbach und Bayreuth) und spielte auch im Rokokotheater in Erlangen und ab 1816 im neuen Haus in Fürth. Ab 1844/45 kooperierte das Nürnberger Theater mit Bamberg, 1870 kam es sogar zu einer Fusion (bis 1905). In Coburg wurde in der Regel an drei bis vier Abenden in der Woche gespielt, in Gotha an vier bis fünf. Dabei waren die Theatertage in Coburg Sonntag, Dienstag und Freitag, in Gotha Sonntag, Montag, Mittwoch und Freitag. Beginn war jeweils um 19 Uhr, frei waren außerhalb der Ferien in der Regel nur Bußtage wie der Karfreitag und der Totensonntag. Während in Coburg das Haus nur selten wirklich ausverkauft war207, kamen aus Gotha meist höhere Einnahmen, denn das Theater war öfter voll. Beide Häuser hatten gute Abonnentenquoten, Vorstellungen bei aufgehobenem Abonnement waren eher die Ausnahme. Dass nicht täglich gespielt wurde, war dabei kein Nachteil. Karl Sontag schreibt im ersten Band seiner Autobiografie208  : »Das tägliche Spielen ist in Berlin, Wien und Dresden jetzt unerläßlich – die häufigen Wiederholungen machen ein gutes Ensemble trotzdem möglich, aber in kleineren Städten ist es geradezu ein Unglück. Das Publikum läßt sich Repetitionen ungern gefallen. Das Repertoir muß demnach sehr umfangreich und überstürzt werden. Zwei freie Tage, wie in Schwerin, geben unschätzbaren Raum für Proben.« Der feste Stamm an Abonnenten, der auch das Coburg-Gothaer Hoftheater trug, war also einerseits ein finanzieller Segen, im Hinblick auf den Spielplan in gewisser Weise aber auch ein Fluch. Der regelmäßige Besucher, der – wie im eingangs zitierten englischen Artikel so freimütig bewundert – seine Abende im Theater verbrachte, wollte in den zwölf Vorstellungen, die zu einem Abonnement gehörten, natürlich verschiedene Werke sehen. Dies zwang die Intendanz zur Pflege eines relativ großen Repertoires, was im Hinblick auf Zeitdruck, personelle Ausstattung und qualitatives Anspruchsdenken nicht ganz einfach war. So schreibt auch Gerstmann 1879209  : »Das Theater in einer mittelgroßen Stadt ist seinem Publikum gegenüber in einer schwierigen Lage. Da der Kreis der Theatergänger doch immerhin nur ein beschränkter ist, so ist es unmöglich, ein Stück, sei es noch so beifällig aufgenommen worden, für längere Zeit auf dem Repertoire zu behalten. Das Publikum glaubt eben ein Recht zu haben, stets Neues zu verlangen, und da die kleine Stadt nicht die Abwechslung bie207 Hierzu wie zum Folgenden Heinz 1999, S. 52–54. 208 Sontag, Karl  : Vom Nachtwächter zum türkischen Kaiser  ! Bühnen-Erlebnisse aus dem Tagebuche eines Uninteressanten. Bd. 1, S. 122. – Das Zitat steht im Zusammenhang mit der Bühne in Hannover. 209 Gerstmann, S. 162.

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Zwischenakt

ten kann, die das Leben der Großstadt mit sich bringt, so muß das Theater herhalten.« In Coburg und Gotha habe man schon in den Anfangsjahren des Hoftheaters eine »außerordentliche« Vielseitigkeit des Repertoires gezeigt und dabei nicht den Fehler gemacht, wie andere Theaterdirektoren immer nur den »Novitäten« nachzulaufen. In ähnlicher Situation befanden sich ja beispielsweise die Hoftheater in Stuttgart, Darmstadt und Hannover. Dementsprechend hatten auch sie nur drei bis vier Spieltage pro Woche (Stuttgart und Hannover  : So, Mo, Mi, Fr  ; Darmstadt  : So, Di, Fr), wobei der Sonntag ein fester Theatertag war210. Während übrigens in Coburg-Gotha der Herzog sein Abendessen um des Theater­ besuchs willen verkürzte, musste sich in Stuttgart das Theater nach dem K ­ önig richten  : Die Vorstellungen begannen schon um 17 Uhr. Für Hannover bestätigt der oben zitierte Karl Sontag211 das eben erläuterte Problem kleiner und mittlerer Bühnen, nämlich dass »ein Stück, welches mittelmäßigen Erfolg hat, anstandshalber einmal wiederholt wird, ein Stück, das Furore macht, aber höchstens drei Mal wiederholt werden kann.« In den städtischen Theatern wurden Saison und Spieltage oft flexibler gehandhabt. So gab es am Hamburger Stadttheater bis 1861 keine Sommerpause, allerdings entwickelte sich dort auch das Abonnementwesen erst allmählich212. Im Freiburger Theater teilte man die vier Spieltage pro Woche strikt auf  : zwei Mal Oper und zwei Mal Schauspiel (ggfs. mit Zwischenaktmusiken). An mehreren Orten und in verschiedenen Rhythmen wurde in Leipzig Theater gespielt  : Während der Messe gab es überall tägliche Vorstellungen, ansonsten gab es (unter Küstner) vier Spieltage im Stadttheater sowie zwei Vorstellungen (So, Mi) im Alten Theater, wo vor allem »leichte Kost« geboten wurde. Repertoire und Nachwuchsförderung Zum Repertoire des Hoftheaters Coburg-Gotha gibt es genaue statistische Analysen von Andrea Heinz213. Als Resultat der vergleichenden Untersuchung des Spielplans während der Regierungszeit Ernsts II. ergibt sich eine weitgehende Übereinstimmung mit anderen deutschen Theatern214. Der Anteil der 210 Nur in Basel, wo die konservativen Pietisten regierten, blieb das Theater noch bis 1845 am Sonntag geschlossen (vgl. Denk, S. 116). 211 Sontag, Bd. 1, S. 122. 212 D.h. die Stücke konnten öfter wiederholt werden. 213 Vgl. Heinz 1999. Zum Folgenden. 214 Heinz 1999, S. 390.

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Oper am Repertoire betrug stets gut ein Drittel, außerdem waren Lustspiele und Komödien in Coburg-Gotha sehr beliebt. Diese beiden Gattungen erzielten auch in der Regel die höchsten Tageseinnahmen215. Das ernste Schauspiel dagegen wurde hier weniger gepflegt. Ein besonders beliebter Komponist war schon unter Herzog Ernst I. Daniel-­ François-­Esprit Auber (1782–1871), von dem noch heute eine außergewöhnlich große Anzahl an Opernmaterialien in der Coburger Theaterbibliothek vorhanden ist216. Auch Meyerbeers Werke, die ab 1840 in Coburg-Gotha auf dem Programm standen217, wurden viel gespielt. Insgesamt gesehen tendierte das Coburg-Gothaer Repertoire eher zu den französischen als zu den italienischen Opernkomponisten, auch wenn Bellini, Rossini und Verdi natürlich ebenso Beachtung fanden. Die Oper mit den meisten Wiederholungen im Zeitraum 1827 bis 1893 war Webers »Freischütz«, die beliebteste Wagner-Oper »Tannhäuser«, die populärste Mozart-Oper »Figaros Hochzeit«218. Nicht zuletzt unter Einsatz seiner eigenen Fähigkeiten als Komponist versuchte Ernst II. ab 1844, das deutsche Repertoire besonders zu fördern219. Dementsprechend waren nach der Zahl der Aufführungen insgesamt die meistgespielten Komponisten in der Ära Ernsts II. Meyerbeer, Wagner und Mozart220. Der Anteil von Opern am Repertoire eines Theaters stand oft in Verbindung mit dem Bau eines neuen Theaters und/oder dem Engagement eines fähigen Kapellmeisters. In einem neuen Theater gab es oft nicht nur eine günstige Akustik, mehr Platz für ein größeres Orchester und bessere Technik, auch ging eine derartige Investition in der Regel mit einer Vergrößerung des Personalstamms einher. Wenn dann noch gute Sänger und kompetente Dirigenten gewonnen werden konnten, war der Nährboden für eine Blüte des Musiktheaters bereitet. So konnte in Stuttgart der Hofkapellmeister Peter Lindpaintner221 innerhalb von sechs bis acht Wochen große Opern von Rossini und Auber einstudieren sowie den überall populären »Freischütz« auf die Bühne bringen. In Darmstadt waren neben Rossini auch Mozart und Spontini sehr beliebt, 215 Vgl. Heinz 1999, S. 51  : Die höchsten Tageseinnahmen wurden erzielt durch Opern (z. B. Webers »Freischütz«) und Stücke von Charlotte Birch-Pfeiffer. 216 Im KBM-Katalog von Potyra sind 18 vollständige Materialien zu Opern aufgelistet. 217 Vgl. Heinz 1999, S. 153. Auch zum Folgenden. 218 Vgl. Heinz 1999, S. 310. 219 Man denke hier an den vom Herzog ausgeschriebenen Preis für die beste deutsche einaktige Oper von 1893. 220 Heinz 1999, S. 317. 221 Näheres hierzu bei Nägele.

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Zwischenakt

daneben – wie in Coburg-Gotha – vor allem Lustspiele. Auch am Hoftheater Hannover wurde das italienische Repertoire viel gespielt, ergänzt durch deutsche Klassiker wie »Freischütz« und »Fidelio«. In Weimar war traditionell das Schauspiel sehr stark222, erst auf ausdrücklichen Wunsch des Fürsten (und mit dessen finanzieller Unterstützung) stieg der Anteil der Oper am Repertoire. In Detmold wurde sehr viel Oper gespielt, allerdings hielt das Theater finanziell auch nicht lange durch223. Das Nürnberger Ensemble konzentrierte sich zunächst auf das Sprechtheater, denn um 1813 stand nur ein kleines Orchester mit ca. 15 Musikern zur Verfügung224. Erst im neuen Haus und unter dem engagierten Direktor Ferdinand Roeder (auch »Röder«, 1809–1880) wurde in Nürnberg viel Oper gespielt225. Aus finanziellen Gründen dominierte 1845– 1850 noch einmal das Schauspiel, danach ging es – in finanziell stabileren Zeiten – mit der Oper und ab 1859 mit der Operette in Nürnberg wieder bergauf. In Leipzig pflegte Küstner das klassische Opernrepertoire, mit Mozart an der Spitze, dazu Beethoven und Rossini. Auch die Gattung des Liederspiels war am Stadttheater gern gesehen. Heinrich Marschner und Albert Lortzing (1801– 1851), beide Kapellmeister in Leipzig, brachten jeweils ihre eigenen Werke auf die Bühne. Unter Wirsing und Förster nahmen die zugkräftigen Lustspiele neben der Oper einen wichtigen Platz im Repertoire ein. Nach 1870 erreichte die Zahl an Opernaufführungen am Stadttheater Leipzig Spitzenwerte226. Am Hamburger Stadttheater gab es von Anfang an ein sehr gutes Ensemble und ein gutes Orchester. Auch beim Bau des großen Hauses hatte man von Anfang an die Oper als wichtigste Gattung im Visier. So verwundert es nicht, dass hier ein vielfältiges Repertoire gepflegt wurde  : Werke von Spohr, Isouard, Halévy, Meyerbeer, Bellini, Rossini und Auber227 zogen das vielschichtige Hamburger Publikum an. Unter dem Direktor Julius Cornet (1793–1860) wurden in den 1840er Jahren allein 95 neue oder neu einstudierte Opern und Singspiele in 222 In einer Statistik der Aufführungen am Weimarer Hoftheater 1830–37 werden genannt  : 79 Trauer- und Schauspiele, 72 große Opern, 45 Vaudevilles und kl. komische Opern, 184 Lustspiele (Ventzke, S. 182). 223 Vgl. Peters, S. 44  : Von den 150 erstaufgeführten Werken in Detmold im Zeitraum 1825– 1848 waren 106 Opern und Singspiele. Das Theater wurde wegen der Revolution 1848 geschlossen und war 1864 pleite. 224 Vgl. Schultheiß, S. 66. 225 Schultheiß, S. 82f.: Unter Roeder gab es zwischen 1844 und 1846 36 Neuinszenierungen bei der Oper. 226 376 bzw. 455 Opernabende in 2,5 Jahren (Hennenberg, S. 89). Dazu kamen noch Gewandhaus- und Kirchenkonzerte. 227 Vgl. hierzu Uhde, S. 61.

Hinter den Kulissen – Theaterleitung im 19. Jahrhundert 

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Hamburg gegeben. Obwohl demnach die Oper die aufwändigste und kostenintensivste Gattung war, waren Opernaufführungen in der Regel das Aushängeschild eines Theaters. Lustspiele und Possen wurden zwar an den meisten Häusern häufiger gespielt, aber der Ruf eines Theaters bildete sich über das Musiktheater. Daher war man vielerorts auch bereit, viel Geld in die Oper zu investieren, teilweise bis hin zum Bankrott. Zu einem blühenden Musikleben gehört immer auch die Bildung von Nachwuchs für Theater und Orchester. Wenig bekannt ist bisher die Geschichte des Coburger »Conservatoriums«, das am 15. November 1865 eröffnet wurde228. Es bot zunächst nur als Gesangsschule in zwei Abteilungen – eine für Dilettanten, eine für Künstler – eine umfassende musikalische Ausbildung an  : Die Schüler erhielten Gesangsunterricht und lernten daneben auch Harmonielehre, Klavier, Italienisch, Deklamation und anderes. Das Hauptziel des neuen Institutes war zuallererst die »Ausbildung der Zöglinge zu Gesangskünstlern«, man suchte und förderte demnach Talente für die Oper. Gründer und wichtigster Lehrer der Musikschule war Wilhelm Pranz (1819–1870) aus München. Der Musikpädagoge und Gesangslehrer hatte sich intensiv mit einem Konzept zur musikalischen Ausbildung beschäftigt229 und komponierte auch230. Eine seiner größeren Gesangskompositionen ist Herzog Ernst II. gewidmet231. Pranz unterrichtete in Coburg jedoch nicht alleine, spätestens im Sommer 1867 kamen der Coburger Musikdirektor Joseph Töpler (1799–1877 oder 1878)232 sowie weitere einheimische Lehrer dazu. Offenbar waren sie von der Qualität der Schule überzeugt worden, jedenfalls meldete die Presse nach den ersten Abschlussprüfungen im Juli 1866  : »Die Resultate werden von Coburger Musikern sehr gerühmt.«233 Auch im »Deutschen Bühnen-Almanach« von 1869 wird die Musikschule lobend erwähnt234. 228 Informationen zum Folgenden aus der Leipziger AMZ, Nr. 8, vom 19. Februar 1868, S. 63, Nr. 18, vom 29. April 1868, S. 143, Nr. 28, vom 10. Juli 1867, S. 227, Nr. 38, vom 18. September 1867, S. 307, Nr. 35, vom 29. August 1866, S. 283, sowie aus der AMZ, Nr. 45, vom 8. November 1865, Sp. 742, und Nr. 46, vom 15. November 1865, Sp. 756. 229 Vgl. Wilhelm Pranz  : Ueber Conservatorien für Musik. München 1865. 230 Pranz gab 1861 ein »Taschenliederbuch für Freimaurer« heraus (Nürnberg 1861) und komponierte Motetten, Lieder und Psalmen. 231 Vgl. Vertonung des 57. Psalms für Männerchor mit Instrumentalbegleitung (LBC Ms Mus 359). 232 Töpler wurde dann Leiter des »Conservatoriums«. 233 Weitere Abschlussprüfungen und Konzerte in den Folgejahren sind ebenfalls in der Presse dokumentiert. 234 Neben dem Lob für das »Mühldorfer’sche Atelier (jetzt in den Händen von Lütkemeier)« ist

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258

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Zwischenakt

In seiner Publikation über Konservatorien235 betont Pranz die Förderung »echter, wahrer Künstlerschaft«, im Gegensatz zu bloßem Virtuosentum. Seine Vorstellung von einer guten Allgemeinbildung als Grundlage für eine Ausbildung am Konservatorium dürfte den Idealen Herzog Ernsts II. nahegekommen sein. Ähnlich einem Hoftheater sollte ein Konservatorium nach Pranz’ Meinung als »Staatsanstalt« betrieben werden, um nicht von einer bestimmten Schülerzahl abhängig zu sein. Außerdem sah er den Staat bei der Unterstützung von Studenten der Künste ebenso in der Pflicht wie bei Theologen, Juristen und Ärzten. Die Einteilung des Coburger Institutes in eine Künstler- und eine Dilettantenabteilung hatte er sich offenbar vom Stuttgarter Konservatorium abgeschaut und hielt sie für sinnvoll. Denn die Ausbildung von Dilettanten war angesichts der vielen Lehrer, die nebenbei Gesangvereine leiteten, eine aktuelle Notwendigkeit. Außerdem empfahl Pranz, lieber wenige, aber dafür gute und gut bezahlte Lehrer anzustellen. Die Schüler sollten nicht jünger als 10 und nicht älter als 20 Jahre sein, ihre Ausbildung sollte mindestens vier Jahre dauern. Neben dem Coburger Konservatorium gab es auch in Gotha zwei Musikschulen236. Der einen, 1881 von dem Pianisten Alfred Patzig (1850–1927) initiierten, war auch ein Orchesterverein angeschlossen, der regelmäßig Konzerte gab237. Ein weiteres Konservatorium wurde 1884238 von dem Hofpianisten Hermann Tietz (1844–1901) gegründet239, dessen Name regelmäßig in den Programmen der Hofkonzerte auftaucht240. Außerdem existierte in Coburg ab 1909 erneut für ein paar Jahre eine »Opernschule«, die aber im Ersten Weltkrieg geschlossen wurde241. So wurde im Umfeld des Hoftheaters durch dessen Mitarbeiter beständig Nachwuchs für den musikalischen (Neben-)Beruf herangebildet, sei es in Privatunterricht, in Konservatorien oder in den Schulen. Zugleich zog man sich damit aber auch das Theaterpublikum der Zukunft heran, ähnlich wie durch die Einführung eigener Vorstellungen für Kinder im zu lesen  : »ein Gleiches ist auch von dem Pranz’schen Conservatorium für Gesang zu berichten« (»Deutscher Bühnen-Almanach«, 1869, S. 72). 235 Wilhelm Pranz  : Ueber Conservatorien für Musik. München 1865. 236 Hierzu Roob, S. 56. 237 Gedruckte Programme und Presseartikel zu »Patzigs Konservatorium für Musik« für den Zeitraum 1889–1899 sind zu finden im Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde Gotha, Inventar-Nr. 5278, Objekt 13815778. 238 Schuberth und Wettig geben das Jahr 1880 an. 239 Vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 73. 240 Vgl. die Programme für Hofkonzerte in ThStAGotha Oberhofmarschallamt Nr. 360. 241 Vgl. StACo Theater 129.

Hinter den Kulissen – Theaterleitung im 19. Jahrhundert 

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Jahr 1878242. Die Notwendigkeit einer Erziehung der nächsten Generation für das Theater war Herzog Ernst II. nicht unbekannt. Er selbst klagte einmal in vorgerücktem Alter243  : »Es kann ja von der jüngeren Generation im Theater Niemand mehr zuhören […] höchstens noch Leute meines Alters, kaum noch die Jüngeren – die ganz jungen Menschen sind schon so verdorben, daß sie ruhigen, geistvollen Scenen, in denen sich die Charaktere entwickeln, gar nicht mehr folgen können, nicht folgen wollen. Unterhaltung  ! Unterhaltung  ! Grelle Scenen und zweideutige Späße will man heute zu Tage. Und man muß nur das Publikum betrachten, selbst das Eures Burgtheaters. Ein großer Theil benimmt sich so, daß man trotz der herrlichen Vorstellungen oft mehr Aerger als Genuß hat. Fortwährendes Geklapper der Logenthüren  ; das Geschwätz ist oft so laut, daß man die Worte auf der Bühne kaum verstehen kann.« Übersicht zum Hoftheater Coburg-Gotha unter Herzog Ernst II.244 Jahr

Intendant, Kapellm. Regisseur

Sänger

Sängerinnen

Chor

Orchester

Ballett

1837

v. Hanstein Lübcke Döbbelin

15 (auch Schauspieler)

17 (auch Schauspielerinnen)

14 Männer + 14 Frauen

[k.A.]

10 Tänzer + 24 Schüler

1838

v. Hanstein Jacobi Döbbelin

15

17

14 + 14

[k.A.]

10 + 24

1839

v. Hanstein Drouet Döbbelin

10 Sänger (Schauspieler separat  !)

9 Sängerinnen (Schauspielerinnen separat  !)

15 + 20

40

8 + 24

1840

v. Hanstein Drouet Döbbelin

10

5

18 + 21

[k.A.]

6 + 10 + Aushilfen a. d. Chor

1841

v. Gruben Drouet Döbbelin

18 Darsteller (Oper + Schauspiel)

14

21 + 18

[k.A.]

7 + 10

242 Vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 90. Seit 1878 gab es am Faschingsdienstag und am Silvesternachmittag Vorstellungen extra für Kinder. 243 Episode bei Sontag, Bd. 2, S. 169f. Sontag schildert hier eine Diskussion zwischen der Gräfin Kinsky und dem Herzog. Als die Gräfin lacht und anführt, man könne bei einem schon öfter gesehenen Stück eben nicht mehr die ganze Zeit zuhören und führe darum Gespräche mit Bekannten, erwidert der Herzog deutlich  : »Dann bleibt doch lieber draußen und macht Eure Besuche wo anders  !« 244 Die aufgeführten Daten sind entnommen aus den Almanachen von Ludwig Wolff, Alois Heinrich, Louis Schneider, Albert Entsch und Theodor Entsch (s. Literaturverzeichnis).

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Zwischenakt

Jahr

Intendant, Kapellm. Regisseur

Sänger

Sängerinnen

Chor

Orchester

Ballett

1842

v. Gruben Drouet Döbbelin

19 Darsteller

15

19 + 24

[k.A.]

9 + 10

1844

v. Gruben Drouet Kawaczynski

19 Darsteller

13

20 + 22

28 (1845, vgl. StACo Theater 89)

Aufgelöst  !

1850

v. Gruben Drouet Kawaczynski

18

11

20 + 19

[k.A.]

---

1852

v. Wangenheim Drouet Kawaczynski

20

12

18 + 19

[k.A.]

---

1856

v. Wangenh. Lampert Kawaczynski

19

13

15 + 17 + 10 Kinder

[k.A.]

---

1857

Wie oben

11 Sänger (separat  !)

4 Sängerinnen

15 + 17 + 8

[k.A.]

---

1861

v. Meyern-­ Hohenberg Lampert Kawaczynski

10 Sänger

5 Sängerinnen

18 + 19

[k.A.]

---

1865

Wie oben

10 Sänger

4 Sängerinnen

17 + 15 + 3

39

3

1866

Wie oben

10

4

18 + 14 + 3

42

3

1867

Wie oben

[k.A.]

[k.A.]

[k.A.]

42

[k.A.]

1868

v. Meyern Lampert Haase (Sch.) Kawa. (Op.)

13

5

19 + 15

38

2

1869

Tempeltey Kawaczynski Lampert

13

5

19 + 17

38

---

1871

Tempeltey Lampert Löwe

10

7

15 + 18

38

---

1875

Becker Th. Löwe Lampert

10

4

15 + 19

38

---

1877 (vgl. Das Hzgl. S. Hofth. 1902)

Becker Lampert Löwe/Abt

9

4

14 + 18

33 (Vgl. Alm300  : 38)

1

1879

Wie oben

8

5

17 + 20

40

1+3

Hinter den Kulissen – Theaterleitung im 19. Jahrhundert 

Jahr

Intendant, Kapellm. Regisseur

Sänger

Sängerinnen

Chor

Orchester

Ballett

1880

Becker Langert Löwe/Abt

8

5

15 + 19

40

1+2

1884

Becker Faltis Löwe/Weiß

7 (weitere Engagierte für Gotha…

5

14 + 17

40

---

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…vom 10.1.–10.4.)

1885

Wie oben

6

5

14 + 17

37

---

1889

v. Rekowski Faltis Löwe/Weiß

7

5

15 + 18

36 (10 Kammer 26 Hofmus.)

---

1890

v. Rekowski Faltis Quincke

7

5 (Hof- u. StaatsHB 4)

17 + 18 (15 + 18)

Wie oben (Hof-u. StaatsHB 35)

---

1891

v. Ebart Faltis Quincke

7

6

17 + 18

36

---

1893

v. Ebart Faltis Benda

8

5

17 + 20

36

---

Genannt sind die Intendanten Maximilian von Hanstein, Eduard von ­Gruben, Maximilian von Wangenheim, Gustav von Meyern-Hohenberg, Eduard Tempeltey, Adolf Becker, Konstantin von Rekowski und Paul von Ebart  ; die Kapellmeister Adolf Lübcke, Karl Jacobi, Louis Drouet, Ernst Lampert, August Langert und Emanuel Faltis  ; sowie die Regisseure Konrad Döbbelin, Friedrich Wilhelm von Kawaczynski, Friedrich Haase, Theodor Löwe, Karl Julius Abt, Wolfgang Quincke und Oskar Benda.

261

Der größte Erfolg: »Santa Chiara«

Überblick

Mit seiner vierten Oper erreichte Ernst II. sein Ziel als Opernkomponist, musste dafür aber auch alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen. »Santa Chiara« wurde an allen wichtigen Opernhäusern in Deutschland und an der einflussreichsten Oper im Ausland – in Paris – gespielt. Sie erhielt sehr viel Aufmerksamkeit und hinterließ beim Publikum generell einen bleibenden Eindruck, was vor allem der unheimlichen Atmosphäre auf der Bühne mit der scheintoten Hauptfigur im zweiten Akt zu verdanken ist. Viele Zeitgenossen sahen in »Santa Chiara« das »Meisterwerk« des komponierenden Herzogs1. Um sein Werk an der Oper in Paris durchzusetzen, verfolgte Ernst II. eine hartnäckige Politik der persönlichen Einflussnahme und Kontrolle, wobei er sich nicht scheute, seine politischen Kontakte zugunsten seines Theaterschaffens zu aktivieren. Da Handlung und Musik der »Santa Chiara« durchaus die Ansprüche der Zeit nicht verfehlten, hatte er damit auch Erfolg. Von Paris ging dann die erwartete Signalwirkung aus, und das Werk verbreitete sich rasch im europäischen Musiktheater. Letztendlich kann wohl auch der anfängliche Erfolg der nachfolgenden fünften Oper des Herzogs, »Diana von Solange«, auf das große Interesse zurückgeführt werden, das »Santa Chiara« geweckt hatte. Da »Diana« aber in vielerlei Hinsicht gegenüber ihrer Vorgängerin zurückblieb, verblasste sie viel schneller als »Santa Chiara«, die bis heute das einzige gelegentlich beachtete Bühnenwerk Herzog Ernsts II. ist. Die Coburger Theaterakten dokumentieren einen sehr umfangreichen Briefwechsel zu »Santa Chiara«. Viele Theater bekundeten ihr Interesse an der Oper des mittlerweile auch als Komponist berühmten Herzogs und baten um eine Aufführungserlaubnis sowie die Leihe oder den Verkauf von Notenmaterial. Auch Honorare bzw. Tantiemen waren zunehmend ein Thema bei Verhandlungen, wenn auch rechtlich noch sehr unsicher. Der Herzog schenkte die Einnahmen aus diesem Werk seiner Hofkapelle, was die Lage manchmal zusätzlich verkomplizierte. Kam es tatsächlich zu einer (oder mehreren) Aufführungen von »Santa Chiara«, sandten die Theaterdirektoren oder andere Interessierte gerne Rezensionen und persönliche Berichte nach Coburg-Gotha, manchmal 1 Vgl. beispielsweise Mokrauer-Mainé, S. 15.

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sicher in der Hoffnung auf eine »Anerkennung« durch den Herzog. Darüber hinaus finden sich in den Akten im Coburger Staatsarchiv aber auch Schriftstücke wie Probenpläne und Plakate, die – ebenso wie die Eintragungen der Musiker in das häufig verliehene Notenmaterial – lebendiges Zeugnis geben vom Theaterleben der Zeit.

Handlung

Gut und Böse sind in der Personenkonstellation dieser Oper sehr klar, aber auch sehr ungleich verteilt. Auf der einen Seite steht der zutiefst verdorbene Zarewitsch Alexis, der seine Frau quält und demütigt, indem er ihr öffentlich seine Mätresse vorzieht. Auch sonst zeigt er keine Anzeichen von Menschenfreundlichkeit oder gutem Benehmen. Auf der anderen Seite leidet still seine Frau Charlotte, unterstützt von ihrer Jugendfreundin Bertha, ihrem heimlichen Verehrer Victor, dessen Freund Alphons sowie allen möglichen Hofmitgliedern, die zwar dem Zarewitsch Gehorsam schulden, aber insgeheim alle für Charlotte empfinden. Die Handlung beginnt mit den Vorbereitungen für das Geburtstagsfest Charlottes. Der Chor, wenn auch festlich gestimmt, vermittelt schon die Ahnung, dass etwas nicht in Ordnung ist  : »Vergebt der Sorge, die uns bang bedrückt  !« Alphons beruhigt die Menge und verspricht, dass sie die Fürstin später noch zu sehen bekommen werde. Auf einmal steht sein alter Freund Victor vor ihm, gemeinsam waren sie einst als französische Soldaten nach Russland gekommen. Victor wurde von Zar Peter (hier als »Kaiser« betitelt) geschickt, um Charlotte zum Geburtstag die offiziellen Glückwünsche des Zarenhofes zu überbringen, in Wahrheit aber, um die Verhältnisse vor Ort zu prüfen. Die Freunde tauschen sich fröhlich aus und erzählen auch von ihren Herzensdamen  : Alphons liebt Bertha, die Freundin der Fürstin  ; Victor liebt eine Unbekannte, die er einst bei einer Reise durch den Harz im Wald erblickte. Gerade als er in seiner Romanze »Im kühlen Grund« davon erzählt, kommt Charlotte hinzu, und – wie kann es anders sein – Victor erkennt in ihr die Angebetete von damals. Auch Charlotte erinnert sich, ist aber mehr von der Erinnerung an ihre geliebte Heimat als von Victors Person gerührt und klagt im Duett mit ihrer Freundin Bertha ihr Leid über das verhasste Leben in Russland (»Fremd steh‹ ich in dem fremden Lande«). Es wird nicht besser, als ihr Geheimsekretär Herbert aus Deutschland zurückkehrt, wohin sie ihn mit der Frage geschickt hatte, ob ihr Vater sie wieder aufnehme. Das wurde abgelehnt (»Mein Volk

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darf ich nicht opfern für mein Kind«). Auch der Leibarzt Aurelius, der Charlotte in Dankbarkeit verbunden ist, macht sich zunehmend Sorgen um die Sicherheit seiner Fürstin. Nun tritt Alexis auf, zeigt sich gleich von seiner ekel­ haftesten Seite und löst den Freundeskreis um seine Frau auf brutalste Weise auf (»Sie sind verbannt  !«). Er stellt Charlotte vor die Wahl, entweder seine Geliebte als Hofdame zu akzeptieren oder zukünftig auf alle ihre Freunde zu verzichten. Charlotte entscheidet sich gegen die »Schmach«, für ihr trauriges Schicksal, was im folgenden Quintett eindrucksvoll von allen Anwesenden gewürdigt wird (»Schon rauschen um ihr Haupt die Schwingen des bleichen Engels«). Scharfer Kontrast entsteht, als nun Alexis den Beginn der Feierlichkeiten ausruft und Chor und Ballett hereingetanzt kommen (»In dem Feste dieses Tages«). Alexis, der einen Gifttrank bei Aurelius bestellt hat, fordert zum »Festtrank« auf und reicht Charlotte den ihr zugedachten Becher. Diese, von böser Ahnung beschlichen, erwirkt von ihrem Mann noch das Versprechen des freien Abzugs ihrer Freunde, bevor sie trinkt und nach einer erschütternden Arie (»Es ist geschehen, mir sagt’s die Qual«) zu Boden sinkt. Im Entsetzen über das schreckliche Verbrechen endet der erste Akt. Der zweite Akt, der als eine der eindrucksvollsten Kompositionen Ernsts II. gilt, beginnt stimmungsvoll mit einer Litanei hinter der Szene. Bertha, ­Alphons und Victor stehen bei der aufgebahrten Charlotte, und besonders Bertha beweint ihren plötzlichen Verlust (»Jedwede Hoffnung«). Auch Victor möchte der Leblosen noch seine wahren Gefühle offenbaren und verbindet seinen Liebes- mit einem Racheschwur (»O welch ein Anblick  ! … Sanft ruh’ in Deiner Gruft – der Rächer wacht  !«). Als der Mörder Alexis auftritt und dreist behauptet, er wolle noch einmal seine Frau sehen, entsteht wieder eine unheimlich-zweideutige Stimmung auf der Bühne, denn im Hintergrund singt ein friedlicher Frauenchor »Sanft und ruhig sei Dein Schlummer«. Aurelius, der Charlotte nur einen Schlaftrunk gegeben hat, warnt den Zarewitsch davor, die vermeintliche Leiche anzufassen (»Es ist ein eigen Ding um das Gewissen« – »Die Leiche blutet, wenn der Mörder naht  !«). Tatsächlich scheint selbst Alexis nicht ganz frei von Skrupeln zu sein (»Es starrt mein Blut«) und ist auch schwer beeindruckt, als sich wirklich die bleiche Hand Charlottes wie von selbst gegen ihn erhebt. Schnell befiehlt er, den Sarg noch vor Tagesende zu verschließen, und verlässt die Szene. Aurelius ist darüber nicht unglücklich, denn er erwartet bald das Ende der Wirkung seines Schlaftrunks. Der Chor singt weiter sein trauriges Lied (»O ruhe sanft«), und der Archimandrit ruft die Popen zusammen, die mit ihrem Totengesang den zweiten Akt zu Ende bringen.

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In völlig anderer Atmosphäre eröffnet ein Chor der Winzerinnen und Winzer den dritten Aufzug (»Ha, göttliche Traube«, dazu noch Fischer- und Mäd­ chenchor). Die Handlung ist nun vom düsteren Russland ins sonnenbeschienene Italien verlegt, in die Nähe von Neapel. Charlotte, wieder quicklebendig, freut sich ihres neuen Lebens (»Wie schön, o Herr, ist Deine Welt«). Wie sehr ihre neuen Mitmenschen sie verehren, kommt im anschließenden Chor zum Ausdruck  : »Madonna, hört  !«. Die Freude aller Anwesenden findet gar kein Ende und ergießt sich sogleich in weitere temperamentvolle Chöre und Tänze (»Und nun zum Erntekranz«). Doch dann berichten Bertha und der Chor von einer geheimnisvollen Gestalt, die sich immer im Abendlicht auf den Bergen zeige (»Zur Abendzeit, im Mondenlicht«), und nun erinnert sich auch Charlotte mit Grausen an ihren Mörder (»Ich lag im Sarg«). Da erscheinen Victor, Alphons und Aurelius auf der Bühne. Die beiden Franzosen haben in ihrem Durst nach Rache und im Auftrag des Zaren den Mörder Charlottes bis nach Italien verfolgt. Denkbar groß ist ihr Erstaunen, als sie die vermeintlich Gemeu­chelte nun singend in der Landschaft finden – zumal sie sich jetzt »Chiara« nennt und so tut, als ob sie die beiden nicht erkenne (»Sahst Du mich je – so war’s ein Traum  ! Vergiß  !«). Noch ein Duett singen Charlotte und Victor miteinander (»Die Elfe mein aus Waldesnacht«/»Mir träumte, daß mich einst umrauscht«), dann verabschieden sie sich endgültig (»So leb’ denn wohl, mein Traumgebild«). Da naht Alexis, dem Alphons und Victor ja aufgelauert haben. Der Zarewitsch scheint ziemlich mitgenommen von den Erfahrungen der letzten Monate (»Aus jeder Kluft, selbst aus der Kraters Schlund«), zumal er ja nach dem Mordversuch an Charlotte auch noch Hochverrat an seinem Vater begangen hat. Sofort stürzt sich Victor in ein Duell mit ihm, so dass die umstehenden Italiener überrascht fragen  : »Was geht hier vor  ?« Aurelius versucht noch, Alexis zur Aufgabe und Einsicht zu bewegen (»Herr, sei ein Mann, Du hast das Ziel verfehlt  !«). Doch jener hält erst beim Anblick Charlottes inne, der ihn verständlicherweise zutiefst schockiert (»…Es speit das Grab die todten Leiber aus  !«). In dieser ausweglosen Situation zieht Alexis es vor, lieber auf direktem Weg zur Hölle zu fahren, indem er sich auf der Stelle umbringt (»… Dort die Verhaßte an des Himmels Schwelle / Eh’ ich Dich wiederseh’ – hinab zur Hölle  !«). Nach kurzem Erschaudern der Umstehenden gibt Aurelius nun vor, wie die Zukunft aussehen soll  : Für den Zaren ruhe seine Schwieger­ tochter noch immer in der »Kaisergruft«. Der »namenlosen Frau« dagegen bringe er des Zaren »Vatersegen«. Als dann noch die alten Freunde (Victor, Alphons, Bertha, Herbert) ihren Treueeid gegenüber Charlotte erneuern, bleibt dem Chor nur noch, das frohe Ende zu besingen (»Heil Santa Chiara  !«).

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Libretto

Das Libretto zu »Santa Chiara« hat die bekannte Schauspielerin und Schriftstellerin Charlotte Birch-Pfeiffer geschrieben, deren Stücke in Coburg-Gotha viel gespielt wurden und mit der der Herzog ja schon bei der Überarbeitung des »Tony« gute Erfahrungen gemacht hatte2. Als aufmerksame Bühnenautorin nahm sie sich einen historischen Stoff vor, wie es auf der großen Opernbühne gerade Mode war. Die Episode jedoch, die Birch-Pfeiffer ausgewählt hat, ist aus zwei Gründen brisant für den Herzog. Erstens kommen die Russen, vor allem der Zarewitsch, hier wirklich schlecht weg, was bei Aufführungen auf großen Bühnen und in Hoftheatern politische Implikationen mit sich bringt. Zweitens ähnelt die Vorlage, d.i. die Lebensgeschichte der unglücklichen Charlotte Christine Sophie von Braunschweig-Wolfenbüttel (1694–1715), in vielem der Biografie einer Tante Ernsts II., nämlich der Schwester seines Vaters, Juliane von SachsenCoburg-­Saalfeld. Charlotte wurde 17-jährig mit dem Zarewitsch Alexej, dem Sohn des Z ­ aren Peter I., verheiratet. Sie wurde von ihrem Mann misshandelt und starb nach der Geburt ihres zweiten Kindes, des späteren Zaren Peter II.. Noch im 18. Jahrhundert begann sich in verschiedenen Schriften und Presseberichten das Gerücht zu verbreiten, Charlotte sei gar nicht gestorben, sondern nur vor ihrem brutalen Mann geflohen und lebe jetzt glücklich in Amerika, gemeinsam mit einem französischen Adligen. So stellt beispielsweise die von Birch-Pfeiffer verwendete literarische Vorlage den Ausgang der Geschichte dar, der Brief­roman »Die Prinzessin von Wolfenbüttel« von Heinrich Zschokke (1771–1848)3. Genauer referiert Friedrich Bülau (1805–1859) im zehnten Band seiner »Geheimen Geschichten«4 über die Entstehung und Verbreitung dieser Legende, die wohl ursprünglich auf einen französischen Forschungsreisenden in Amerika zurückgeht. Juliane von Sachsen-Coburg-Saalfeld war die dritte Tochter von Herzog Franz Friedrich Anton und damit die nächstältere Schwester zu Ernst I., dem Vater des Komponisten. Sie musste sogar schon mit 14 Jahren in die russische 2 In Birch-Pfeiffers Nachlass ist das Libretto unter dem Titel »Zwei Welten« überliefert (DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 14007). 3 Heinrich Zschokke’s ausgewählte Dichtungen, Erzählungen und Novellen. Bd. 2, Aarau 1830. Vgl. das Vorwort zum 2. Kapitel. 4 Friedrich Bülau  : Geheime Geschichten und rätselhafte Menschen  : Sammlung verborgener oder vergessener Merkwürdigkeiten, Bd. 10, Leipzig 1902.

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Zarenfamilie einheiraten, und zwar ehelichte sie den Großfürsten Konstantin, den Bruder des Zaren Alexander I.5 Auch ihr Ehemann war gewalttätig und infizierte sie noch dazu mit einer Geschlechtskrankheit. Erst als der wahnsinnige Zar Paul I. (geb. 1754) 1801 ermordet worden war, durfte Juliane schließlich das Land verlassen, denn der neue Herrscher Russlands, Zar Alexander I. (1777–1825), zeigte Verständnis für ihr Leiden. Da die gescheiterte Ehe, die aus religiösen Gründen zunächst nicht geschieden werden konnte, als Schande galt, konnte Juliane nicht auf Dauer in Coburg bleiben. Sie ließ sich 1813 mit Erlaubnis des Zaren in der Schweiz nieder, wo sie bei Bern den Besitz »Elfenau« erwarb und zum beliebten Kultursalon aufbaute. Trotz ihres selbstgewählten Exils blieb sie kein Kind von Traurigkeit und bekam zwei Kinder von ihren zwei Oberhofmeistern6. Dennoch wurde sie als liebenswerte und äußerst großzügige Person ein Mittelpunkt der Gesellschaft in ihrem neuen Wohnort. Darin liegt eine offensichtliche Parallele zur Opernfigur der »Santa Chiara«, die auch erst nach ihrer Trennung (und ohne uneheliche Kinder  !) eine so verehrte Bewohnerin ihrer neuen Wahlheimat wird, dass sie sogar als »Santa« (Heilige) betitelt wird. Trotz ihres wechselhaften Lebens, das mit vielen Konventionen brach, war Juliane innerhalb der Familie eine beliebte Ansprechpartnerin, beispielsweise für ihre Brüder. Übrigens ging Juliane, selbst als sie vom Alter und vielen Schicksalsschlägen gebeugt war und sich in die Nähe von Genf zurückgezogen hatte, vier bis fünf Mal in der Woche ins Theater7. Besonders Julianes Charakter kann als Inspiration für die Figur der »Santa Chiara« gesehen werden. Aus dem Tagebuch ihrer Mutter Auguste ist überliefert8  : »Gewohnheit an psychische und moralische Leiden haben Julie früh eine sanfte, stille Resignation gegeben, die oft ein ganzes Leben voll Leiden nicht gibt.« Sie zeigte keinerlei Streben nach Macht, sondern wollte sich in der Schweiz augenscheinlich von ihren schweren Jahren erholen. Offenbar gelang es ihr so, nicht zu verbittern, sondern sich ihr warmherziges Wesen zu bewahren. Zu ihrem Tod am 16. August 1860 schrieb ihr Bruder Leopold aus Belgien 5 Zur Lebensgeschichte Julianes vgl. Bestenreiner, S. 15–44. – Nach der Heirat und dem Übertritt zum russisch-orthodoxen Glauben wurde sie »Anna Feodorowna« genannt. 6 Der Sohn Eduard (1808–1892) wird von Julianes Bruder in den Adelsstand erhoben als »Eduard von Löwenfels«. Er wird Ernst II. während dessen Militärzeit in Dresden zur Seite gestellt und später sein Obersthofmarschall (vgl. Lohausen, S. 64, 87f.). Die Tochter Luise-Hilda-­ Agnes (geb. 1812) wird an ein französisches Ehepaar in der Schweiz gegeben, heiratet 1834 und stirbt schon 1837 (vgl. Lohausen, S. 66). 7 Bestenreiner, S. 43. 8 Zitiert nach Lohausen, S. 63.

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an Queen Victoria in England9  : »Deine Tante Julia hatte sehr, sehr viel Herzensgüte und dann auch etwas Edles und Hochherziges in ihrem Wesen und viel Lieblichkeit in ihrer Art. Alle, die sie gut kannten, haben sie sehr geliebt«.

Zwischenspiel  : Die besondere Beziehung zwischen Herzog Ernst II. und Charlotte Birch-Pfeiffer

Es war also noch vor Julianes Tod, dass sich Charlotte Birch-Pfeiffer mit der so ähnlichen Geschichte an den Neffen Julianes wandte. Die Beziehung zwischen Ernst II. und seiner Librettistin, die, gleichermaßen von Neidern bekämpft, oft der öffentlichen Kritik ausgesetzt waren10, war außergewöhnlich vertraut und offenherzig. Auch wenn der Kontakt wohl weniger häufig war, dürfte die Schriftstellerin eine ähnliche Nähe zum Herzog genossen haben wie beispielsweise Gustav Freytag. Bemerkenswert ist schon die Offenheit Ernsts II. in einem seiner ersten Briefe an Birch-Pfeiffer, in dem es um die Zusammenarbeit an der späteren »Santa Chiara« geht. Zwar kannte man sich bereits ein wenig, aber in diesem Brief scheint es Ernst II. darum zu gehen, seine persönliche Entwicklung und seine Motive als Komponist zu erklären, vielleicht auch etwas zu rechtfertigen. Am 9. April 1852 schreibt er aus Gotha11  : »Aus Ihrem werthen Schreiben […] habe ich zu meiner besonderen Freude ersehen, daß Sie mein unbedeutendes Talent nicht für unwerth hielten, es vielleicht einmal mit dem Product Ihres schöpferischen Geistes zu paaren. Von Kindheit an schwärmte ich für Kunst und Wissenschaft und mir wurde es leichter als jedem Andern, nicht nur die Meisterwerke des Wissens und der Kunst, welche Europa besitzt, kennen und verstehen zu lernen, sondern auch, durch den Umgang mit Künstlern und Gelehrten, Urtheil und Geschmack zu erhalten. / Den jungen Mann treibt es aber zum Handeln, zum Selbstproduciren. Ich habe gemalt, gedichtet, componirt und sogar Abhandlungen geschrieben und bin eitel genug, zu glauben, daß die Natur mich mit Glück und Talent ausgestattet habe. / Leider traten Bestimmung und Beruf allzu früh hinein in das frohe Treiben des Jünglings und ich mußte bald das politische und Ge  9 Brief Leopolds vom 22. August 1860 (zitiert nach Lohausen, S. 104). 10 Zu Birch-Pfeiffer und ihren Kritikern ausführlich Pargner, Rührtheater (zusammenfassend S. 468f.). 11 Brief Ernsts II. an Charlotte Birch-Pfeiffer (DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 12166).

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schäftsleben mit dem künstlerischen vertauschen. Als ich nun gar durch einen höhern Willen an die Spitze der Regierung trat, da fehlte es mir bald zum Malen an Ruhe, zum Dichten an der Stimmung, zum Studiren und Ausarbeiten an der Zeit. Von Allem, was ich mit Liebe und Eifer getrieben hatte, blieb die Musik mir allein übrig  ; sie erfaßte ich mit allem Eifer und aller Wärme  ; bald lernte ich in Tönen zu fühlen und zu denken. Durch eine eigene Fügung des Himmels ward ich am Leichtesten durch meine eigene Frau verstanden, und bald wußte sie jenen musikalischen Gespenstern Körper und Leben zu geben. So sind meine Compositionen so eigentlich Producte zweier eng verschmolzener Seelen und athmen Wärme und freie Begeisterung. Etwas anderes habe ich natürlich nicht erzielen wollen, ich würde es nicht vermocht haben.« In den anschließenden Zeilen bittet er Birch-Pfeiffer um ein Libretto ernsten Inhalts (nicht komisch), er selbst hatte sich offenbar an einem Textbuch versucht, aber »nur Mangelhaftes« zustande gebracht. Wie selbstverliebt sein ausführlicher Brief wirken konnte, scheint er bemerkt zu haben, denn am Ende entschuldigt er sich noch umständlich für sein »langes Gerede.« Dieser Brief ist eines der wenigen Selbstzeugnisse Ernsts II. zu seinem künstlerischen Schaffen12. In seiner späteren Autobiografie, die an Details nicht spart und seine eigene Persönlichkeit naturgemäß sehr positiv darstellt, sind derart umfangreiche Aussagen überhaupt nicht zu finden. In seiner Zeit sah Ernst II. sich als eine künstlerische Person, das ist hier zu lesen. Aber sein Vermächtnis an die Nachwelt sah er nur im politischen Wirken, wie aus seiner Lebensbeschreibung zu ersehen ist. Besonders hervorzuheben ist die Beschreibung der Zusammenarbeit mit seiner Frau Alexandrine. Ihre Mitwirkung an der Entstehung der Opern war zwar nicht unbekannt, aber in diesen Zeilen ist zugleich die tiefe Dankbarkeit Ernsts II. ihr gegenüber fühlbar. Des Weiteren ist zu beachten, was der Herzog über die angestrebte Wirkung seiner Kompositionen sagt  : »[sie] athmen Wärme und freie Begeisterung«, sind also bloßer Ausdruck seiner Liebe und Leidenschaft für die Musik. Nach seinen eigenen Worten wollte und konnte er mit seinem kompositorischen Schaffen auch nicht mehr erreichen. Eine besondere, vielleicht sogar revolutionäre Botschaft verbarg sich darin nicht. Erst vom 6. November 1852 ist ein Antwortschreiben von Charlotte Birch-­ Pfeiffer erhalten13. Durch ein Missverständnis (einen verspäteten Brief ) habe 12 Nur die Äußerungen in den Briefen an Gustav Freytag erscheinen vergleichbar. 13 Sowohl in StACo LA A 7395 als auch (als Entwurf ) im Nachlass Birch-Pfeiffers (DTM, Nach-

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sie erst jetzt erfahren, dass der Herzog ein Libretto von ihr komponieren wolle. In München habe man sie angewiesen, entweder »den Flotowschen Stoff oder das Gerippe einer musikalischen Oper an Euer Hoheit einzusenden«. Zwar hätte sie dem Herzog den Stoff, den sie gerade im Auftrag des Königs für den Komponisten Friedrich von Flotow (1812–1883) verarbeite14, gerne zugesandt, »um höchstihre Ansicht über dieses Genre zu erfahren, u. zugleich zu erforschen, ob mein Talent überhaupt als befriedigend erachtet werde«. Da es aber nun mal Flotows Textbuch werde, habe sie sich sogleich über einen neuen Entwurf gemacht. »Leider aber mußte ich mich leider [sic] überzeugen, daß ich durchaus unfähig bin ein eigentliches Gerippe zu schaffen, denn ich muß unwillkürlich bei Stellen die mich selbst ergreifen meine Gedanken in den Vers kleiden – u. so entsteht ein Gemisch aus halb= oder ganz=fertigen u. flüchtigen Andeutungen, ohne welche ich kein Libretto zu Stande kriege  ! – Diese Abnormität hat aber Gutes, wenn das Buch Beifall findet – und raubt mir viel Zeit wenn dieses nicht der Fall ist, weil ich dann die Arbeit vergebens gemacht  ; allein ich kann nicht gegen meine Individualität, es entzündet sich ein Gedanke an dem anderen, wie ein Vers sich an dem anderen erzeugt.« Sie habe die beiden ersten Akte fast fertig und wolle nun erst einmal die Meinung des Herzogs dazu hören, bevor sie weiterschreibe. Die Handlung im dritten Akt wolle sie nach Neapel verlegen. »Den Stoff habe ich theils aus Zschokkes alter  : Prinzeßin von Wolfenbüttel, theils der Geschichte, größtentheils aber meiner Phantasie entlehnt, wovon Euer Hoheit die lezten [sic] Akte mehr als die ersten überzeugen werden. – Allerdings hätte ich die Handlung nach Spanien verlegen, hätte die Personen Andere sein laßen können, dadurch aber verlörn sie den Reiz des Kontrastes, und das hohe Interesse des geschichtlichen Hintergrundes, der für eine romantische Oper ein nicht zu ersetzender Hebel [?] ist, ich weise dabei nur auf  : Robert, Hugenotten, etc. etc. hin, Librettos die ich für vortrefflich halte, besonders das leztere.« In ihrem Brief plaudert die Schauspielerin und Autorin ähnlich frei von der Leber weg wie der Herzog in seinem Anschreiben, beide scheinen für so einen distanzierten Kontakt erstaunlich viel von sich preiszugeben. Dabei ist Birch-Pfeiffers Einschätzung ihrer Fähigkeiten als Opernlibrettistin durchaus zutreffend, vor allem ihre zu langen, daher schlecht in Musik zu setzenden Verse werden später ein Hauptkritikpunkt an der Oper sein. Insgesamt nehmen die Operntextbücher auch nur einen geringen Teil ihres Bühnenschaffens ein, lass Birch-Pfeiffer, b. 1, VIII 13820). Zum Folgenden. 14 Möglicherweise »La Réole«, später komponiert von Gustav Schmitt (1816–1882).

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umso erfolgreicher ist sie mit ihren »Rührstücken« für das Sprechtheater15. Da sie aber offenbar von Anfang an interessiert daran war, den Auftrag für die Oper des Herzogs zu erhalten, versichert sie im oben genannten Brief vom 6. November  : »Zugleich bin ich so frei ergebenst zu bemerken daß ich nicht im geringsten eigensinnig bin, eine so seltene Damen- wie Autoreneigenschaft, daß ich es für nöthig halte sie zu erwähnen. Ich bin daher stets bereitwillig meinem Compositeur alle erdenklichen Conzeßionen zu machen, wenn seine Wünsche nur meinen Stoff und Bau nicht ganz umwerfen  !« Nachdem der Herzog sein Einverständnis mit dem gewählten Stoff signalisiert hat, folgt Birch-Pfeiffer einer Einladung nach Coburg  : Am 26. November 1852 gastiert sie als »Bärbel« in ihrem eigenen Schauspiel »Dorf und Stadt«16. Dankbar erinnert sich der Herzog in einem Brief vom 11. Dezember 185217 an die schönen Stunden intensiver Gespräche mit ihr. Offensichtlich fand er in ihr eine offenherzige Gesprächspartnerin, wie er sie immer suchte, wenn er sich – sei es im Theater oder an der herzoglichen Tafel – in die Gesellschaft von Künstlern begab. Im genannten Brief spricht er seine Vision aus  : »Die Kunst ist das schönste Bindemittel zwischen den Menschen  ; als Künstler reicht der König dem Bettler die Hand.« Doch es bleibt nicht nur bei schönen Worten, vielmehr nimmt die Zusammenarbeit mit Birch-Pfeiffer nun richtig Fahrt auf. »Mit Lust und Liebe bin ich nun ans Componiren gegangen.« Zwar bittet er die Librettistin darum, die Strophen demnächst kürzer zu fassen, »die Musik würde sonst an Schwung und Originalität verlieren«. »Die Worte sind aber so schön, daß ich ein arger Stümper seyn müßte, wenn ich nicht ein gutes Werk zu Stande brächte.« Seine Höflichkeit in dieser Phase und seine Zurückhaltung bei der Durchsetzung seiner Forderungen als Komponist – motiviert wohl durch die Angst, diesen ihm wichtigen menschlichen Kontakt zu gefährden – wird Ernst II. später bereuen, denn obwohl er die Mängel des Textbuchs von Anfang an sieht, fordert er ihre Behebung erst, als es bereits zu spät ist. Stattdessen versucht er mit vielen warmen Worten, den guten Draht zwischen Birch-Pfeiffer und sich zu verstärken  : »Ich mache guten Menschen gern Vergnügen und wenn ich auch nicht oft Gelegenheit habe  ; so liegt der Grund nur darin, daß so wenige Menschen eben gut sind.« Auch die Beschreibung einer Intrige an seinem Hoftheater dient ganz offensichtlich nur der Bestärkung der gemeinsamen Erfahrungen, die ihn mit der Autorin verbinden  : »Hier ist kein 15 Vgl. hierzu Pargner, Rührtheater. 16 Vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 40. 17 Brief in DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 12167. Zum Folgenden.

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Boden für die Kunst und die Künstler  ; ich stehe isolirt und werde deswegen noch angefeindet.« Zu guter Letzt unterzeichnet er mit  : »Ein neuer, aber sicher ein treuer Freund. Ernst«. Nur gut zwei Wochen später ist sein Arbeitseifer jedoch gebremst, und er beklagt sich in einem Brief vom 27. Dezember 185218  : »Durch viele Besuche, noch mehr Geschäfte und eben so viel Verdrießliches bin ich in der letzten Zeit nicht mehr zum Componiren gekommen. Ich brauche andere Luft und muß andere Menschen sehen […]«. Spätestens vier Wochen danach ist der umtriebige Herzog dann auch wieder auf Reisen, denn er kündigt sich am 22. Januar 1853 als Besucher der Birch-Pfeiffer in Berlin an19  : Als »Nacht­vogel« möchte er am liebsten gleich nach seiner Ankunft abends um halb 11 Uhr noch bei ihr vorbeischauen. Ob er das dürfe  ? Außerdem zeigt er sich begeistert von ihrem Titelvorschlag »Santa Chiara« – »ein Göttertitel« – und dem offenbar mittlerweile vorliegenden dritten Akt  : »ein vollendetes Drama«. Wieder deutet er seine Skepsis gegenüber ihren Versen nur an  : »Ich hoffe es wird uns nicht schwer werden ihn [den vollendeten dritten Akt] auch zur Composition mundrecht zu machen.« Anfang März20 vermeldet der eifrige Komponist einen ersten Erfolg. Mittlerweile ist die Sprache zwischen ihm und Birch-Pfeiffer so vertraut, dass er »Santa Chiara« regelmäßig »unser Kind« nennt  : »Der Erste Act ist fertig, das Kind kann laufen.« Da Ernst II. ja nur einen Entwurf fertigstellte, wahrscheinlich mithilfe seiner Frau in der Art eines Klavierauszugs oder Particells, fügt er erklärend hinzu  : »Wenn ich sage fertig, so meine ich nur damit das Roheste [?] meiner Arbeit.« Die Erarbeitung des Orchestersatzes durch den Kapellmeister konnte jetzt erst beginnen. In Erinnerung an den letzten Besuch der Librettistin in seiner Heimat drängt der Herzog sogleich  : »Wenn der 2te Act auch fertig ist, so müssen Sie kommen  ; wir werden dann eine Probe halten, wie es zusammen klingt.« Wie es nun doch zum schnellen Fortgang der Komposition kommt, erklärt er ganz offen  : »Aus Wuth über mich u.d. Menschen ging ich zum Componiren, manchmal nur 10 Minuten lang. Da wurde es mir gleich besser[…].« Erstaunlich in ihrer Offenheit, fast schon naiv, wohl auch etwas aufdringlich gegenüber der Adressatin des Briefes wirken folgende Erklärungen dafür, warum die Arbeit nicht noch schneller vorangehe  : »Zwey Sachen fehlen mir  : lachen Sie aber nicht  !  – Ruhe und recht doll verliebt zu seyn. Ich würde 18 Brief in DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 12168. Zum Folgenden. 19 Brief in DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 12169. Zum Folgenden. 20 Brief vom 4. März 1853 (DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 12170). Zum Folgenden.

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großes leisten. Das Erste kann ich nicht haben, wegen meines Berufes und das Zweyte findet sich nicht, weil da 2 Personen und 2 Herzen dazu gehören. Der Wille wäre schon da, aber d. Herzen fehlen. Wissen Sie keinen Rath  ?« Ernst II. hatte ja – wie er selbst in einem späteren Brief an Birch-Pfeiffer zugibt21 – zuwei­len den Ruf eines »Don Juan«, was seinem Ansehen in der Öffentlichkeit jedoch keinerlei Abbruch tat. Ob es sich dabei immer um handfeste Affären handelte oder ob er – wie viele Künstler – lediglich eine »Muse« zur Befeuerung seiner Leidenschaften suchte, sei dahingestellt. Jedenfalls ist auch Birch-Pfeiffer für ihn eine wichtige Ansprechpartnerin, so dass er im Juni 1853, als er wieder einmal in Berlin ist, auf ein Treffen regelrecht drängt22  : »Die orientalische Frage ist nicht so wichtig, wie dieses.« Seine Hartnäckigkeit bei der Arbeit an »Santa Chiara« führt schließlich zum Abschluss der Arbeit, und im November 185323 vermeldet Ernst II. stolz  : »Sie ist fertig.« Neben dem Austausch persönlicher Gedanken und der Zusammenarbeit am Libretto hat das gute Einvernehmen mit Charlotte Birch-Pfeiffer auch einen weiteren Vorteil für den Herzog  : Sie dient ihm als Kontaktperson zu Giacomo Meyerbeer. Aus einem Brief Ernsts II. vom 28. März 185324 geht hervor, dass er sich nach einer Nachricht Birch-Pfeiffers Hoffnungen macht, kein Geringerer als Giacomo Meyerbeer werde möglicherweise »die Instrumentation der Oper übernehmen«. Voller Begeisterung spinnt er diese wenig wahrscheinliche Fantasie fort  : » ›Wagner‹ hat die bewußte Arbeit abgelehnt25, u. ›Meyerbeer‹ arbeitet sich dazu. Dies ist ein Gedanke, der Einen 10 Jahre jünger machen könnte«. Er scheut sich nicht, sein nur im Entwurf vorhandenes Dilettantenwerk dem renommierten Opernkomponisten vorzulegen  : »Ich habe mit Eifer und Wärme gearbeitet, und das reizende Libretto hat mich durch das Intereße, das in ihm selbst liegt, so getrieben«. Das Kompliment an die Dichterin ist berechnend, denn sie ist es, die Meyerbeer zur Mitarbeit überreden soll. Wenn er dann mit Meyerbeer zusammenkomme, wolle er dessen Rat gerne annehmen  : »Ihm laße ich freie Hand, denn was er thut, ist wohlgethan  !« Der Herzog ist umso zuversichtlicher, als seine Arbeit am dritten Akt der Oper rasch voranschreitet  : »Sie wißen, daß ich nichts langsam machen kann  ; […] mit dem lan21 Brief Ernsts II. vom 30.Juni 1856 (DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 12185). 22 Vgl. hierzu den Brief Ernsts II. vom Juni 1853 (DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 12175). Zum Folgenden. 23 Brief Ernsts II. vom 12. November 1853 (DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 12178). Zum Folgenden. 24 Brief in DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 12171. Zum Folgenden. 25 Vgl. hierzu das Kapitel über Franz Liszt, Richard Wagner und Herzog Ernst II.

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gen Dahinbrüten wird nichts Saftiges geschaffen  ; die Natur treibt ihre Blüthen auch in einer Nacht.« Ganz am Ende geht ihm dann doch noch auf, wie weit er vorausgedacht hat  : »Doch ich will nicht den Nürnberger spielen, der die Haut des Bären früher verkauft, als bis er ihn hat. Aber mit den Bären habe ich leider kein Glück, auf der Jagd wenigstens  ; vielleicht geht es mit dem Meyer-beeren beßer.« Da aber irrt der enthusiastische Jäger – auch diesen »-beeren« sollte er nicht erwischen. Gekonnt windet sich Meyerbeer aus dem Engagement, indem er vorschlägt, im Oktober zusammenzukommen, da er bis dahin zuviel zu tun habe26. So jedenfalls gibt es Birch-Pfeiffer in ihrem Schreiben vom 18. April 1853 weiter27. Ernst II. ist das natürlich viel zu spät, er will Meyerbeer schon im Mai in Coburg sehen28, um mit ihm Libretto und Klavierauszug durchzugehen. Die Instrumentation solle dann eben sein Kammermusikus Traugott Krämer übernehmen29, »dem ich alles dictiert, und der gut instrumenirt und ein vollkommener Musicus ist«. Sobald die Orchestrierung fertiggestellt sei, soll Akt für Akt zu Meyerbeer nach Paris geschickt werden, zur Begutachtung30. In einem Brief vom 30. Mai 1853 erklärt Meyerbeer sich damit einverstanden, betont aber erneut, dass er erst ab dem 15. Oktober mit der Arbeit beginnen könne31. Ende November fragt der Herzog erneut höflich an, ob Meyerbeer »die Zeit […] jetzt genehm wäre, diese Arbeit zu übernehmen«32, und ob er jetzt die Noten schicken solle33. Er bittet darum, das Werk »unpartheiisch« zu 26 Am 17. April 1853 notiert Meyerbeer in sein Tagebuch (Meyerbeer, Bd. 6, S. 69)  : »Ich verspreche der Madame Birch-Pfeiffer die Arbeit, welche der Herzog von Gotha von mir wünscht, im Oktober zu beginnen.« 27 Brief in DTM, München, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 12172. Zum Folgenden. – Birch-Pfeiffer trat mehrmals in Kontakt mit Meyerbeer und las ihm sogar das Libretto vor (vgl. Meyerbeer, Bd. 6, S. 71, 78f., 92). 28 Den Erhalt der Einladung im Mai bestätigt Meyerbeer in seinem Tagebuch (Meyerbeer, Bd. 6, S. 87). 29 Krämer selbst schreibt zwar in einem Brief aus dem Jahr 1877 (StACo LA A 7363, f. 334f.), er habe bereits ab 15. November 1852 an »Santa Chiara« gearbeitet. Diese Angabe des streit­ baren Krämer ist jedoch mit Vorsicht zu genießen. 30 Krämer selbst tritt später auch in Kontakt zu Meyerbeer (vgl. Meyerbeer, Bd. 6, S. 201). 31 Brief Meyerbeers vom 30. Mai 1853 aus Berlin an den Herzog (Meyerbeer, Bd. 6, S. 104f., Original in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg  ; vgl. auch den Tagebucheintrag vom 28. Mai 1853, in Meyerbeer, Bd. 6, S. 100). 32 Brief des Herzogs vom 24. November 1853 an Meyerbeer in Paris (StACo LA A 7358, f. 18– 19  ; Meyerbeer, Bd. 6, S. 189  ; auch 185). Zum Folgenden. 33 Den Eingang der Noten vermerkt Meyerbeer am 20. Dezember 1853 in seinem Tagebuch (Meyerbeer, Bd. 6, S. 203).

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bewerten und fügt hinzu  : »Ich hoffe, daß das Werk Ihre Zufriedenheit haben wird, indem es mit Liebe begonnen und beharrlich durchgeführt wurde«. Am 3. Dezember 185334 antwortet Meyerbeer aus Paris und entschuldigt sich wortreich für die Verzögerung  : »Trotz dessen bin ich mit der größten Freude bereit den für mich so ehrenvollen Wunsch Ew. königlichen Hoheit so aufmerksam und gewissenhaft zu erfüllen als es in meinen schwachen Kräften steht. Nur würde ich die Nachsicht Ew. königlichen Hoheit in Anspruch nehmen falls ich vielleicht statt Mitte Januar wie Ew. königliche Hoheit wünschen, erst Mitte Februar den befohlenen Auftrag beendigt und die Musik Ew. königlichen Hoheit zurückgesendet haben könnte […]«. Auch der vermittelnden Birch-­ Pfeiffer schreibt Meyerbeer einen Brief35, in dem er noch etwas eingehender zu erklären versucht, warum er bisher noch nicht mit der Arbeit an »Santa Chiara« begonnen habe  : »Jede Instrumentation, wenn sie von jemand anders als dem Verfaßer selbst gemacht ist, kann, von dem rein musikalischen Standpunkt aus betrachtet, ganz gut und gediegen und doch für das Werk nicht paßend, ja sogar hemmend seyn. Jede Componisten-Individualität bedingt auch ihre eigene Instrumentation durch welche die Intentionen des schöpferischen Gedankens hervorgehoben, gleichsam verklärt werden, ohne daß die Zeichnung durch das Colorit der Instrumentation überdeckt oder verdeckt wird. – Von diesem Standpunkt aus ist es mein Vorsatz die Instrumentation des herzoglichen Werkes zu beurtheilen […]«. Er befürchtet allerdings, den Herzog zu verärgern, bittet die »werthe Freundin« um Vermittlung und verspricht – quasi als Wiedergutmachung –, einen interessanten Stoff für ein neues Textbuch aus Paris mitzubringen  ; »und sollte es mich freuen wenn ich dadurch der Santa Chiara einen baldigen Nachfolger verschaffen kann.« Der Herzog bedauert zwar in seiner Antwort an Meyerbeer36 den erneuten Aufschub, aber  : »so lege ich doch zu großen Werth darauf, Ihre Meisterhand an meinem Werke betheiligt zu sehen, um nicht meine Ungeduld zu zügeln«. Doch erst als Ernst II. Anfang März 1854 dann selbst in Paris auftaucht, sieht sich Meyerbeer gezwungen, die Oper wenigstens einer kurzen Durchsicht zu unterziehen37. Dass Ernst II. nach den Erfahrungen mit seinen ersten drei Opern versuchte, für das nun folgende Werk das bestmögliche Libretto zu finden, erscheint ver34 StACo LA A 7358, f. 7–9. 35 … den diese offenbar an den Herzog weitergeleitet hat, denn er findet sich bei den Akten (StACo LA A 7358, f. 16–17). Zum Folgenden. 36 Brief Ernsts II. vom 25. Januar 1854 an Meyerbeer in Paris (StACo LA A 7358, f. 14). 37 Vgl. hierzu die Tagebucheintragungen Meyerbeers (Meyerbeer, Bd. 6, S. 268f.).

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ständlich. Dass er zu Charlotte Birch-Pfeiffer besonderes Vertrauen und Zuneigung gefasst hatte, ist offensichtlich. Dennoch scheint es nicht völlig ausgeschlossen, dass er noch mehr unternommen hat, um an ein verwendbares Textbuch zu kommen. In diesem Zusammenhang sei eine außergewöhnliche Anzeige in der »Niederrheinischen Musik-Zeitung« erwähnt, in der am 30. Juli 1853 ein Unbekannter inseriert38  : »Preisausschreiben für einen Operntext. Ein Freund der dramatischen Tonkunst hat der unterzeichneten Buchhandlung eine Summe von 200 Thalern mit der Bestimmung übergeben, diese Summe zum Preise für den besten Stoff und Text zu einer lyrisch-romantischen Oper zu verwenden. Die Oper soll den Zeitraum eines gewöhnlichen Spielabends einnehmen, also aus mindestens 2 oder 3 Acten bestehen. Inhalt und Bearbeitung soll den Anforderungen der Gegenwart entsprechend sein, ohne jedoch das Gute der bisherigen Oper unberücksichtigt zu lassen. Die Oper darf keinen Dialog enthalten.« Ferner wird angegeben, dass die Texte bis zum 1. Dezember 1853 einzureichen seien, mit der Angabe des Verfassernamens nur auf der Innenseite. Als Preisrichter hielten sich Karl Gutzkow aus Dresden sowie Franz Liszt und Eduard Genast aus Weimar bereit. Als rechtliche Bedingungen sind angegeben  : »Das von den genannten Herren Preisrichtern als das beste erkannte Libretto ist gegen den Preis von 200 Thalern Eigenthum des Preisausschreibers. Derselbe wird das Libretto einem befähigten Componisten zur Composition übergeben. Ausser dem Preise soll dem Verfasser des Libretto’s auch noch von den etwaigen Aufführungen der Oper der dem Dichter gesetzlich zufallende Theil der Einnahmen gewährt werden.« Und wenn die Jury kein gutes Libretto finde, gebe es folglich auch keinen Preis. Als Unterzeichnende fungiert am 8. Juni 1853 die Buchhandlung von Hermann Kanitz in Gera, »im Auftrage«. Besondere Aufmerksamkeit verdient diese Anzeige aufgrund der gleich danebenstehenden Meldung, die zum offiziellen Nachrichtenteil der Zeitung gehört  : »Ziemlich sicheren Nachrichten zufolge soll der unbekannte Ausschreiber eines Preises auf den besten Operntext (s. unten) der Herzog von Coburg, der Componist der Casilda, sein.« Ob das so ist, bleibt zu klären. Aber passen würde es in die Strategie von Sorgfalt und Vorsicht, die Ernst II. bei der Suche nach seinem nächsten Opernstoff an den Tag legte. Natürlich mussten auch seine engsten Vertrauten auf literarischem Terrain, Johann Heinrich Millenet und Gustav Freytag, ihre Meinungen zum Birch-Pfeiffer’schen Text abgeben. Am 20. Januar 1853 erhält der Herzog aus

38 NRMZ, 1. Jg., Nr. 5, vom 30. Juli 1853, S. 40.

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Gotha die Rückmeldung39, dass das übersandte Buch, auch wenn es noch nicht ganz fertig sei, schon »gar herrliche Momente« enthalte, die dem Herzog die Möglichkeit gäben, »die musicalische Seelensprache, den bekannten Melodien Reichthum, das reiche Talent zu entfalten«. Doch obwohl Birch-Pfeiffer »ganz ausgezeichnet im Bühnen Verständniße« sei, müsse man leider auch feststellen, »daß die Verse zu lang, zu vielgliedrig« seien. Genauer  : »Lange Verszeilen sind der musicalischen Composition hinderlich und erzeugen, verbunden mit dem Mangel der in Rede stehenden Abwechselung, Monotonie in der musicalischen Ausführung.« Nur das Ende des zweiten Aktes sei ausnahmslos zu loben, da es »nach seiner musicalischen Composition tief ergreifend wirken muß«. Diese wohl vom Gothaer Hofdichter Millenet stammende Begutachtung erfolgt noch in der Entstehungsphase40. Dagegen durfte Gustav Freytag schalten und walten, wie er wollte, als es an die endgültige Version des Textes für die Drucklegung der Bücher ging. Sein Brief vom 9. Mai 1854 an den Herzog zeigt auch den geschäftstüchtigen Redakteur, indem er die Frage nach dem finanziellen Gewinn für die Hofkapelle aufwirft41 : »Der Abzug des ersten Bogens der S. Chiara ist erst heut in meine Hände gekommen, da mehrfache Aenderungen in Schrift und Einrichtung nöthig wurden. Bis Mittwoch Abend wird der Satz des Ganzen beendet sein. Indem ich den ersten Bogen Ew. Hoheit als Probe übersende, bitte ich ehrfurchtsvoll, daß Sie die Gnade haben, mich wissen zu lassen, ob zunächst die äußere Ausstattung Ew. Hoheit gefällt. Ferner bitt ich, mich bei Rücksendung des Probebogens gnädigst wissen zu lassen, wieviel Abzüge im Ganzen gemacht werden sollen. Die Stärke der Auflage hängt davon ab, ob Ew. Hoheit der Hofkapelle auch den Verkauf des Textbuches für Deutschland als Recht reserviren wollen. In diesem Fall würden die Bühnen genöthigt werden können, ihren Bedarf an Exemplaren von Gotha-Koburg zu beziehen. Es ist dies gesetzlich möglich zu machen, und würde vielleicht auch einigen Vortheil für die Hofkapelle abwerfen, namentlich wenn Ew. Hoheit die Druckkosten für dieselbe 39 Brief Millenets [nicht klar zu entziffern] vom 20. Januar 1853 (StACo LA A 7358, f. 10–11). Zum Folgenden. 40 Der Herzog scheut sich auch nicht, Birch-Pfeiffer von der Begutachtung durch die »anerkannten Schriftsteller«, die er nicht mit Namen nennt, in Kenntnis zu setzen. Daraufhin nimmt sie noch Änderungen im dritten Akt vor, wozu ihr Ernst II. ausdrücklich sein Einverständnis gibt (Briefe Ernsts vom 18. April 1853 sowie vom 1. Mai 1853, beide in DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, VIII 12172 bzw. VIII 12173). Das letzte Urteil will er aber ihr überlassen. 41 Zitiert nach Hirschberg 1910, S. 104f.

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bezahlten. Indeß dieser wahrscheinliche Vortheil von 2–300 Thalern könnte andrerseits einzelne Bühnen ärgern, weil es gegen den bisherigen Schlendrian verstößt. Deshalb stelle ich Ew. Hoheit gnädigem Entscheid anheim, ob Sie nicht vielleicht vorziehen, nur den Bedarf Ihrer Hofbühne, und die der Partitur beizulegenden Exemplare, 8–10 für jede Bühne, also die für Koburg-Gotha nötigen und außerdem 200 (auf besseres Papier), abziehen zu lassen. In diesem Falle bitte ich ehrerbietigst mir den Bedarf des Hoftheaters angeben zu wollen. Wenn Ew. Hoheit endlich noch einmal den Text selbst durchlesen wollten, ob Ihnen Alles so recht ist, oder ob Sie noch einzelnes geändert wünschen, so wäre das vortrefflich. Denn noch ist es Zeit, bald aber setzt die Druckerei ihre Stempel darauf. / In diesem ersten Bogen habe ich außer den von Ew. Hoheit bereits genehmigten Aenderungen nur einige unbedeutende Kleinigkeiten geändert. Dieselbe haben wohl kein musikalisches Bedenken  ? / An Lottchen Birch habe ich einen gleichen Abzug, wie an Ew. Hoheit gesandt. Beim ersten Bogen wird sie nur leise grollen, beim zweiten wird ein dumpfes Gemurmel des Unwillens gehört werden, beim dritten und letzten wird sie in offene Empörung ausbrechen. Denn obgleich sie eine kluge Frau ist, ist sie doch auch eine etwas feurige Natur von sehr kräftigen Gefühlen. Ich wollte, der dritte Akt wäre glücklich überstanden.«42 So waren auch an diesem Libretto wieder mehrere Hände am Werke, was manchem der Beteiligten nicht gefallen haben mag43. Selbst an den ungekrönten König der Librettisten, Eugène Scribe in Paris, lässt Ernst II. sein Textbuch noch zur Begutachtung schicken. Jener antwortet am letzten Tag des Jahres 185444  : »Je pense comme vous, Monseigneur, que le poëme de Santa Chiara a une physionomie particulière qu’il faut lui conserver, car l’étrangeté et l’originalité ont toujours été, à Paris, des causes de succès.«45 Dennoch würde er am 42 Nach Wecker war es Freytag, der aus dem Entwurf von Birch-Pfeiffer einen vierten Akt streichen ließ, der nach der Vorlage Zschokkes in Amerika spielen sollte (Wecker 1987, S. 157). 43 Jedenfalls entschuldigt sich Birch-Pfeiffer Ende April 1854 (also ungefähr zu der Zeit, als Freytag ihr Werk begutachtet) mit Unpässlichkeiten wie einer Grippe, versichert aber zugleich, dass sie »mit Herz und Seele in Gotha« sei, und leitet einen Brief Meyerbeers weiter, von dem später noch die Rede sein wird (Brief vom 21. April 1854, in StACo LA A 7358 f. 15). – Im März 1855 wurde Birch-Pfeiffer dann offenbar noch einmal nach Coburg eingeladen, wofür der Herzog von ihrem Chef von Hülsen in Berlin Urlaub erbitten musste (StACo LA A 7358, f. 207–209). 44 StACo LA A 7358, f. 134–135. 45 »Ich denke wie Sie, mein Herr, dass die Dichtung der Santa Chiara einen besonderen Aufbau besitzt, den man ihr bewahren muss, denn Eigenheit und Originalität sind in Paris immer Garanten (Gründe) für Erfolg gewesen.«

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Stil etwas feilen und einige Ausdrücke und Verse korrigieren, die das Publikum möglicherweise unfreiwillig komisch finden könnte. Wie viel Ärger gerade das ins Französische übersetzte Libretto noch verursachen würde, konnte da noch keiner der Betroffenen ahnen.

Premiere und Nachbesserungen

Nach der Premiere am 2. April 1854 in Gotha folgten in den Jahren bis 1927 noch an die 50 Wiederholungen im Coburg-Gothaer Hoftheater, was »Santa Chiara« in diesem Zeitraum zur meistgespielten Oper des Herzogs im eigenen Hause macht46. Franz Liszt dirigierte die ersten Aufführungen und verhalf dem Werk damit zum bestmöglichen Start in die Theaterwelt. Prominente Gäste wurden von Ernst II. besonders gerne zu Vorstellungen von »Santa Chiara« eingeladen, und zu Lebzeiten sowie bis über seinen Tod hinaus begleitete diese Oper wichtige Daten und Gedenktage des Komponisten (Beispiele  : goldene Hochzeit am 3. Mai 1892, 100. Geburtstag am 21. Juni 1918). Die einheimische »Gothaische Zeitung«, die in der Ankündigung47 den Namen des Komponisten gar nicht nennt, ringt anscheinend um ihre unabhän­ gige Meinung, wenn sie schreibt48  : »[…] bekennen wir zugleich ohne die geringste Liebedienerei und ohne die allermindeste Rücksichtnahme auf die hohe Stellung des Componisten, daß dieses neue Werk uns als ein ­gediegenes, fast in allen Theilen gelungenes erschienen ist, dem, unserer wahren und innigsten Ueberzeugung nach, eine schöne Zukunft blüht, da es gewiß auf vielen deutschen und fremden Bühnen zur Darstellung kommen wird.« Das Libretto von Charlotte Birch-Pfeiffer wird differenziert beurteilt  : »Ueberall dramatisches Leben, ueberall drastischer Bühneneffect«, aber auch »viel Unpoetisches«, dazu »wunderliche Unglaublichkeiten« am Ende des dritten Aktes. Ouvertüre, Ensembles und Romanzen werden gelobt, der zweite Akt sei »von ergreifender Natur«, sein Finale »ein wahres Meisterstück«, denn das Requiem mache ­»einen erhabenen und ernsten Eindruck«. Der Beginn des dritten Aktes wird als »wohltätiger« Kontrast bezeichnet, dann folgen einige vorsichtig formu46 Daten aus StACo LA A 7360 (2. April 1854 bis 10. März 1861, Angaben zur Besetzung), LBC TB WW 773 und aus den Vermerken im Orchestermaterial (LBC TB Op 243). 47 »Gothaische Zeitung«, 163. Jg., Nr. 76, vom 30. März 1854  ; mit besonderer Hervorhebung der neuen Dekorationen von Brückner und der Kostüme von Rothbart. 48 »Gothaische Zeitung«, 163. Jg., Nr. 79, vom 3. April 1854.

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lierte, aber deutliche Kritikpunkte, wonach diesem Akt einige Kürzungen guttäten. »Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß von Seiten der Darsteller und des Orchesters Alles was nur möglich geschah [sic], um das herrliche Werk zur vollsten Geltung zu bringen. Franz Liszt war von dem hohen Componisten eingeladen worden die erste Aufführung zu leiten und es steht wohl nicht in Frage, daß er die nicht leichte Aufgabe in der ihm eigenthümlichen Weise zur höchsten Zufriedenheit glorreich löste. Die Kapelle leistete unter dem hochbegabten genialen Führer Ungewöhnliches.« Als Gäste waren der Generalintendant von Hülsen sowie dessen Vorgänger Graf Redern und Geheimrat von Küstner aus Berlin anwesend, dazu – wenig überraschend – die Librettistin Birch-Pfeiffer aus Berlin und des Herzogs Freund Gustav Freytag aus Leipzig. Der Theateragent Carl Albert Sachse war ebenfalls Zeuge einer der ersten Aufführungen der »Santa Chiara« in ihrer Heimat. Seine Begeisterung für dieses Werk, die ihn später sogar einmal in Schwierigkeiten bringen sollte49, formuliert er noch gut zehn Jahre später in einer seiner Veröffentlichungen zum deutschen Theater mit Überschwang50  : »Im November desselben Jahres [1854] war es mir vergönnt, ›Santa Chiara‹ auf der Coburger Bühne zu hören. Meine kühnsten Erwartungen wurden übertroffen. Das Werk machte auf mich, wie auf das gesammte Publicum, einen mächtigen Eindruck, und folgte ich mit der gespanntesten Aufmerksamkeit all’ den hochinteressanten Einzelheiten der trefflichen Composition. Der hohe Tondichter durfte sich schon dazu Glück wünschen, aus der bühnenkundigen Madame Birch-Pfeiffer Feder ein höchst gelungenes Libretto erhalten zu haben.« Sachse setzt die »Santa Chiara« auch ins Verhältnis zu den vorhergehenden Opern des Herzogs und betont  : »Musikkenner ersten Ranges würdigten den Fortschritt, welchen der hohe Compositeur mit ›Santa Chiara‹ gemacht, als einen entschiedenen und sprachen sich über die Gediegenheit und Schönheit der Musik mit Worten unbedingter Anerkennung aus.«51 Die in der »Gothaischen Zeitung« angesprochenen Kürzungen wurden übrigens gleich nach der Premiere vorgenommen, so dass in einer Meldung über die 49 Bei dem Versuch, »Santa Chiara« auf eigene Kosten zu vertreiben, geriet er in Rechtsstreitigkeiten mit der Coburg-Gothaer Hofkapelle. Dazu später mehr. – Zur Person Sachses vgl. auch Uhde S. 436. 50 Carl Albert Sachse  : Statistisches Handbuch für deutsche Bühnen. Wien 1865. – Das Werk ist Herzog Ernst II. gewidmet, »dem Kunstsinnigen und Kunstverständigen, in tiefster Verehrung«. Zum Folgenden S. XVf. 51 Auch in späteren Besprechungen wird »Santa Chiara« als die erhaltenswerteste Oper des Herzogs bezeichnet (vgl. »Deutsche Musikzeitung«, Nr. 11, vom Februar 1876  ; vgl. StACo LA A 7364).

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Wiederholung von »Santa Chiara« am 9. April 1854 bereits zu lesen ist52  : »durch Kürzung mehrerer Nummern und durch Modification des dritten Acts hat dasselbe unstreitig noch gewonnen.« Diese Änderungen waren dem Komponisten nicht leicht gefallen, aber da sie offenbar von mehreren Seiten vorgeschlagen worden waren, hatte er nicht gezögert, sie geschehen zu lassen53. Es existiert zu diesem Vorgang ein Brief Ernsts II. an seine Librettistin Birch-Pfeiffer vom 14. April 185454, in dem einerseits seine Fähigkeit zur Selbstkritik, andererseits seine Unsicherheit gegenüber den Fachleuten spürbar wird. »Liebe Birch  ! / Obgleich ich mit Geschäften erdrückt bin und heute auf einige Tage noch verreisen werde, so kann ich doch nicht umhin, Ihnen einige Zeilen zu schreiben und das gewünschte Souffleurbuch der Oper Ihnen zu übersenden. Es enthält außer den verschiedenen Änderungen, die ich habe stattfinden laßen, auch alle nothwendigen Erklärungen, die in Ihrem Libretto ohnehin angegeben waren. / Die Änderungen, besonders die im 3. Act, haben wohlgethan, vorzüglich der dramatischen Wirkung. Die musikalische Einheit des 3. Acts ist aber gestört und viel Schönes herausgeworfen, was ich ungern vermiße, doch aber wegen des raschen Verlaufs des Actes nicht mehr brauchen kann. / Von Nr 14 an muß der 3. Act gänzlichst umgearbeitet werden, wenn er den beiden übrigen nicht nachstehen will. / So wie die Oper jetzt gestrichen und im Ganzen hergerichtet ist, kann sie wohl auf allen Bühnen gegeben werden, und ich hoffe auch, nicht ohne Erfolg. Dennoch bin ich sehr unzufrieden damit, und bin nicht blind über die Mängel, welchen durchaus begegnet werden muß, wenn die Oper makellos dastehen soll. Ich werde mich bemühen, als scharfer Kritiker uns beiden jetzt die Wahrheit zu sagen, die wir letzterem nicht übel nehmen wollen. / 1. So interessant das Textbuch im Allgemeinen ist, so bietet der 1ste und 3te Act zu wenig dramatische Wirkung. Für die Exposition ist er nicht interessant genug. Der 2te Act ist höchst wirksam, aber wohl etwas zu ­lugubre55  ; die Scene am Altar wird von allen 52 »Gothaische Zeitung«, 163. Jg., Nr. 85, vom 10. April 1854. Auch diese (dritte) Vorstellung wurde noch von Liszt geleitet. – Zum Teil wortgleich ist der Artikel zur Premiere der »Santa Chiara« in Gotha in NRMZ, 2. Jg., Nr. 26, vom 1. Juli 1854, S. 208. Eine kurze Meldung auch in der RMZ, Bd. 4, 1853/54, S. 128. – Zu einer Wiederholung im April 1855 vgl. NRMZ, 3. Jg., Nr. 16, vom 21. April 1855, S. 127f. (Anwesenheit Meyerbeers). 53 Weitere Änderungen an der Oper wurden übrigens im Jahr 1864 vorgenommen, wie aus einem Brief Krämers zu entnehmen ist (StACo LA A 7363, f. 37 und 38). Leider gibt es keine näheren Angaben dazu. 54 Vgl. DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, b. 2, VIII 12180. 55 Traurig, düster, schauerlich.

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Frommen heftig angegriffen. / Die Versification bietet im Allgemeinen nicht genug Abwechslung. Die Strophen sind meist zu lang, die stets männlichen Reime klingen hart. / Der fühlbarste Mangel ist jedoch der, daß alle Recitative gereimt sind. Was das anbelangt, so muß eine Änderung an den nothwendigen Stellen stattfinden. / 2. Der musikalische Theil hat zwei große Fehler, welche zum Theil allerdings durch die Dichtung hervorgerufen wurden., sich aber erst fühlbar machten bei der Aufführung und mir ganz klar erschienen bei der wiederholten Darstellung. / Der erste Fehler würde zu bezeichnen sein als Mangel an Abwechslung des Rhytmus [sic] der verschiedenen Piècen. Die Acte sind mit Melodie überfüllt  ; sie bieten aber, obgleich sie ganz verschieden von einander sind, dennoch nicht die gehörige Abwechslung. Es folgen zu viele Adagio= Sätze auf einander, welche, einzelne herausgenommen, wohl schön und wirksam sind, sich aber in ihrer Zusammenstellung gegenseitig schaden und geradezu die Oper langweilig machen. / Der zweite Fehler ist die mangelhafte Form der Recitative  ; sie müßen in Prosa gesetzt werden und von mir ganz neu componirt. Ich gedenke sogar, Manches nur sprechen zu laßen. Die Abwechslung, welche dadurch entstehen wird, verschafft dem ganzen Werk mehr Schatten und Licht, die einzelnen, oft gelungenen Gesangsstücke werden in ihrer Schönheit mehr hervortreten, und der gerechte Vorwurf, der auch von Nicht-Kennern gefühlt worden ist, daß die Oper zuviel Musik enthalte, wird verschwinden. / Durch die Striche hat, wie ich schon oben erwähnt, der 3. Act musikalisch den Todesstoß erhalten  ; er muß von Nr 14 ganz umgearbeitet werden, wenn ich auch mit der Handlung jetzt einverstanden bin. / Über Alles dies werde ich mich noch detaillirter aussprechen, wünsche aber Antwort von Ihnen, ob Sie die gewünschten Änderungen selbst machen wollen, oder ob ich sie hier machen laßen soll. Letzteres würde vielleicht das Kürzeste sein und Sie sicher weniger incommodiren. Ich würde Ihnen dann erst, wenn Alles fertig ist, das Buch nochmals zur Durchsicht vorlegen. / Ich schmeichele mir, daß die Oper dann aller Kritik trotzbieten kann und auch einen wohlthätigeren Eindruck auf den Zuhörer machen wird. Wiederum habe ich mich aber überzeugt, daß man weder über ein Textbuch, noch über die musikalische Wirkung selbst vor der wirklichen Aufführung ein gerechtes Urtheil fällen kann. / Verzeihen Sie dem rücksichtslosen Kritiker  ; es ist nun aber einmal an der Tagesordnung, alles Neue schlecht zu finden  ; man schimpft über die Oper, das Haus ist aber stets zum Bersten voll. / Nun leben Sie wohl  ! / Ihr alter Freund / Ernst.« Die Adressatin des Briefes dürfte über den Inhalt des Schreibens nicht gerade erfreut gewesen sein, zumal sie weder Lust noch Zeit für Nachbesserungen an dem abgelieferten Libretto gehabt haben dürfte. Sie markiert den Entwurf ihrer

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Replik56 dementsprechend mit  : »Meine Antwort – gesalzen  !«. Von Beginn ihres Schreibens an macht sie dem verunsicherten Herzog Dampf und steigert sich in ihrem elf Seiten langen Brief dermaßen in Rage, dass ihre Schrift zum Teil nicht mehr zu entziffern ist  : »Es ist eine alte Geschichte [/] Doch bleibt es ewig wa[h]r  ! [/] Daß noch kein lebender Compositeur oder Librettist es der Kritik oder den ›Beßerwißern – aber nicht Beßerkennern‹ recht gemacht hat  ! Ich empfand schon in Gotha, daß man Euer Hoheit zweifelhaft gemacht hatte, d. [sic] daß Sie unzufrieden mit Libretto u. Musik waren.« Zunächst verteidigt sie selbstbewusst ihre Arbeit und bezieht sich dabei auch auf ihre ersten Briefe an den Herzog  : »Ich habe stets behauptet u weiß es ja [?] gewiß daß ich keine Libretto-Dichterin bin, ich habe Niemanden getäuscht  ; ich habe Ihnen das Beste was ich vermag geschaffen«. Sie habe gewissenhaft und in vollstem Vertrauern zum Herzog gearbeitet und alle seine Wünsche erfüllt – auch gegen ihre ­eigene Überzeugung. Sie überlasse ihm das Libretto, er solle es umgestalten, wie er wolle. Dann geht sie zum Angriff über, allerdings nicht auf die Arbeit des Komponisten, sondern auf dessen Unsicherheit und Wankelmütigkeit  : Er täusche sich sowohl über die Nachteile des Librettos wie über die Nachteile seiner Musik. Er solle sich nichts einreden lassen. »Ihre Composition ist nicht allein trefflich, großartig, sie ist genial und original  !« Besonders wütend ist sie offenbar auf die Kritiker, die die Gutgläubigkeit des Herzogs ausnutzen und ihm ihre Meinung aufzwingen wollen. Sie fordert ihn auf, sein Werk zu verteidigen  : »Ihre Musik ist von hoher Bedeutung und von hohem Werth«. Und sie trifft Ernst II. wohl ins Mark, wenn sie ihm als Hintergrund all dessen sein mangelndes Selbstbewusstsein im künstlerischen Bereich vorwirft  : »Sie haben kein Urteil über sich selbst  !« Als Birch-Pfeiffer dem Herzog schlussendlich vorschlägt »Laßen Sie Paris entscheiden«, kann sie nicht ahnen, dass genau dort das Selbstbewusstsein des komponierenden Herzogs einer entscheidenden Prüfung unterzogen werden sollte.

Der Kampf um die Pariser Oper

Die wichtigste Station, die sich Ernst II. für seine »Santa Chiara« vorgenommen hatte, war die Oper in Paris. Dieses Zentrum des damaligen Musiktheaters in Europa sollte sein Werk kennenlernen und würdigen, dafür tat er – wie wohl 56 Brief Birch-Pfeiffers an den Herzog vom 20. April 1854 (DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, b. 1, VIII 13821). Zum Folgenden.

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jeder andere Komponist seiner Zeit – einfach alles. Nur, dass ihm wesentlich mehr und auch einflussreichere Mittel zu Gebote standen als einem »normalen« Bühnenkomponisten. Denn im Gegensatz zu Musikschaffenden, die sich allein auf ihre Kontakte im Theaterbereich sowie natürlich auf die Qualität ihrer angebotenen Stücke verlassen mussten, konnte der Herzog hier seine Karte als Politiker ausspielen. Sein Netzwerk reichte bis in die höchste Ebene, schließlich war er persönlich gut bekannt mit dem französischen Kaiser. Und im Unterschied zu anderen Situationen, in denen Ernst II. es zumindest an der Oberfläche vermied, aus seiner gesellschaftlichen Stellung im musikalischen Bereich Profit zu ziehen, war er im Falle der »Santa Chiara« in Paris dazu fest entschlossen. Die dicken Akten und unzähligen Briefe, die zu diesem Vorgang im Coburger Staatsarchiv überliefert sind, geben ein beredtes Zeugnis davon57. Sie belegen, wie viel Energie und Zeit Ernst II. in dieses Projekt investierte. Sie dokumentieren bis ins Detail, dass er sich von schwierigem Personal, von Intrigen und Verzögerungstaktik nicht aufhalten ließ, sondern eine Hartnäckigkeit bewies, die der Herzog sonst nur im politischen Bereich an den Tag legte. In der Affäre um »Santa Chiara« an der Pariser Oper kamen sich Ernst II. als Musiker und Ernst II. als Politiker so nah wie sonst kaum. Am Ende waren seine Bemühungen definitiv von Erfolg gekrönt, denn sein Werk wurde viele Male in der Pariser Oper gespielt und trat ihren Weg über alle deutschen und viele europäischen Bühnen an. Die Hauptpersonen in dem nun zu schildernden Drama sind  : • Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha, Komponist der »Santa Chiara«, • Gustave Oppelt (1817–1888), belgischer Beamter und devoter Verehrer des Herzogs, vertritt die Interessen des Herzogs in Paris und fühlt sich für den Erfolg des Werkes persönlich verantwortlich, • Joseph de Riquet de Caraman (1808–1886), Prinz von Chimay, belgischer Diplomat und Vertrauter Herzog Ernsts II. in politischen und musikalischen Angelegenheiten, • Louis Drouet (1792–1873), berühmter Flötist und Kapellmeister der Coburg-­Gothaer Hofkapelle, musikalischer Vertreter des Herzogs in Paris, • Johann Heinrich Millenet, Künstlername »M. Tenelli«, Hofdichter und Vertrauter des Herzogs, Freund Oppelts, zuweilen Vermittler zwischen beiden, 57 Alle Briefe und Dokumente wiederzugeben wäre ein wenig spannendes Unterfangen, das zudem den vorgegebenen Rahmen sprengen würde. Daher werden in der folgenden Darstellung die wesentlichen Linien des Geschehens (um die Hauptpersonen) herausgearbeitet.

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• Gustav von Meyern-Hohenberg, Geheimer Kabinettsrat und später Intendant des Coburg-Gothaer Hoftheaters, Sprachrohr des Herzogs, • Eugène Scribe, einflussreicher Dramatiker und Librettist in Paris, • französische Staatsbeamte  : –– Achille Fould (1800–1867), Finanz- und Staatsminister, –– Camille Doucet (1812–1895), Verwaltungsdirektor der Theater58, • an der großen Pariser Oper (»Académie Imperiale de Musique«)  : –– François Louis Crosnier (1792–1867), Generaldirektor, –– Narcisse Girard (1797–1860), Chefdirigent. Von Ende 1853 bis vereinzelt noch ins Jahr 1857 hinein erstreckt sich der Briefwechsel bezüglich »Santa Chiara« in Paris, zum Teil gingen Nachrichten im täglichen Rhythmus hin und her. Vor allem in den Jahren 1854 und 1855 scheint Ernst II. einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Arbeitszeit diesem Thema gewidmet zu haben. In der Anfangsphase stammen die meisten Briefe von Gustave Oppelt, der seinem Auftraggeber offenbar jeden einzelnen Gedanken mitteilen wollte. Sein Lamentieren und Schwarzsehen angesichts der zugegebenermaßen massiven Schwierigkeiten bei der Vermittlung der Oper ist manchmal kaum zu ertragen und muss die Geduld des Coburger Herzogs (und seiner Mitarbeiter) zuweilen arg strapaziert haben. Nach Beginn der Probenarbeit mehren sich dann die Briefe der Musiker, vor allem auch vom Gothaer Abgesandten Louis Drouet, die sich mit Fragen und Bitten an den fürstlichen Komponisten wenden. Noch heute ist es beeindruckend und aufschlussreich, welche kleinen Details immer wieder diskutiert und neu entschieden werden müssen, obwohl die Oper ja eigentlich schon auf den Weg gebracht war. Neben Oppelt ist der Prinz von Chimay Ernsts wichtigster Ansprechpartner, dessen Briefe meist um politische Themen kreisen und die Opernfrage oft nur am Rande berühren59. Durch seinen Einfluss ist er der ausschlaggebende Fürsprecher des Herzogs in Paris. Ernst II. schreibt später in seiner Autobiografie, dass der Prinz ihm von seinem Onkel Leopold als Mittelsmann zum franzö58 Französischer Jurist und Dichter, der 1853 zum Direktor der Administration sämtlicher Bühnen Frankreichs ernannt wurde und 1863 zum Direktor der Theater im Ministerium des kaiserlichen Hauses (vgl. Meyers Konversationslexikon, Leipzig/Wien, Bd. 5, 4. Auflage, 1885–1891, S. 92). 59 Wohl aufgrund des politisch relevanten Inhalts sind einige Briefe Chimays in Geheimschrift geschrieben (vgl. StACo LA A 7174, Bd. 1). – Zu den brisanten politischen Vorgängen und Ernsts nicht unwichtiger Mission in Paris 1854 vgl. auch »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 124–143. Auch zum Folgenden.

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sischen Kaiser empfohlen worden sei60. Im Frühjahr 1854 hatte sich Ernst II. auf eine umstrittene politische Mission nach Paris begeben, um die Haltung Napoleons III. zu verschiedenen politischen Fragen in Europa zu erkunden. Der Kaiser empfing ihn überaus freundlich, zeigte ihm Paris61 und nahm sich Zeit für ausführliche Gespräche. Ernst II. schreibt später über ihn62  : »Er war ein ganz ungewöhnlicher Mensch«. Um diese neu gewachsene, politisch so wichtige Verbindung zwischen dem deutschen Fürsten und dem französischen Kaiser nicht abreißen zu lassen, suchte man nach einem vertrauenswürdigen Diplomaten, der unauffällig den Kontakt zwischen beiden Seiten aufrechterhalten konnte. Der Prinz von Chimay, Sohn der berühmt-berüchtigten Thérésa Cabarrus (1773–1835), »welche das Bewußtsein ihres berühmten Namens auf den Sohn vererbte«63, trat am Pariser Hof nicht bloß als belgischer Regierungsgesandter auf, sondern als Familienvertreter des belgischen Königs Leopold. Ernst II., der Chimay »selbstverständlich zu der geistigen Aristokratie der modernen Welt« rechnete und bis zu dessen Tod mit ihm in engem Kontakt stand, beschreibt ihn im Rückblick so  : »Er war ein scharfer Beobachter und trefflicher Darsteller, schrieb gewandt und leicht und hatte die Anspruchslosigkeit, seine trefflichen Berichte über Personen und Verhältnisse Frankreichs in meinen und meines Oheims Archiven vergraben zu lassen.« Einige dieser Berichte bezogen sich auch auf die Oper in Paris. Einen guten Start von »Santa Chiara« in Paris (die dort »Sainte Claire« genannt wurde) verheißt der Brief Oppelts vom 7. Juli 185464. Mit e­iner Vollmacht Ernsts II. ausgestattet, hatte sich der belgische Beamte in der franzö­sischen Hauptstadt in höchsten Kreisen für die Oper eingesetzt, hatte Kostüm- und Dekorationsskizzen weitergegeben, Partitur und Libretto mit seiner Übersetzung ins Französische versehen und meldet nun zuversichtlich, dass die Proben eigentlich Ende September beginnen könnten65. Er hat sich 60 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 143f. Zum Folgenden. 61 »Besonders glänzend waren die Hofconcerte und Opernvorstellungen, bei welchen die Cruvelli, damals auf der Höhe ihrer Berühmtheit, die größten Triumphe feierte.« (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 146). 62 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 147. 63 Ernst II. in »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 143. Thérésa Cabarrus war eine schillernde Figur während der Französischen Revolution, bekannt durch ihre Affären, ihr politisches und soziales Engagement sowie ihre kulturellen Interessen. Aus ihrer Ehe mit François Joseph Riquet de Caraman (1771–1843), seit 1805 Prince de Chimay, geht als ältester Sohn Joseph de Riquet de Caraman (1808–1886) hervor. 64 StACo LA A 7358, f. 23–24. Zum Folgenden. 65 Die »Musical World« ließ sogar schon am 2. September 1854 (S. 580) von ihrem Korrespon-

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um den Eintritt des Herzogs in die »Association des Auteurs et Compositeurs« gekümmert66, was für die Aufnahme der Oper in das französische Repertoire von Nutzen sein sollte. Außerdem empfiehlt Oppelt bereits einige seiner Ansprechpartner für eine Auszeichnung durch Herzog Ernst II., besonders den Minister Jules Pelletier (1823–1875  ?), dessen Privatsekretär Jean-Marie Georges Girard de Soubeyran (1828–1897) sowie den Theaterbeauftragten Doucet. Nach dem Antwortvermerk der Coburger Intendanz, der sich auf der Vorderseite von Oppelts Schreiben findet, war auch der Belgier selbst schon für eine Auszeichnung vorgesehen, allerdings erst nach der ersten Vorstellung von »Santa Chiara«. Eine nicht unbedeutende Andeutung macht Oppelt noch in seinem Brief  : Zwar seien die Bedingungen für die Oper in Paris gerade gut, er befürchte aber, dass aufgrund von Intrigen das aktuelle Werk Verdis (die »Sizi­lianische Vesper«) vorgezogen werde. Daher empfiehlt Oppelt dem Herzog, sich bei Napoleon III. selbst zu melden und um Intervention zugunsten der »Santa Chiara« zu bitten. Eine ähnliche Empfehlung gibt auch der Prinz von Chimay, der seit Mai 1854 ebenfalls regelmäßig nach Coburg-Gotha berichtet, zunächst aber vor allem im Hintergrund agiert67. Tatsächlich findet sich in den Coburger Regierungsakten ein undatierter Briefentwurf des Herzogs an den französischen Kaiser, der offenbar über den Prinzen von Chimay weitergeleitet werden sollte68. Darin bittet Ernst II. höflichst um den Befehl, dass sein Werk (»mon faible ouvrage lyrique«) an der Oper gespielt werde. Er sei ja auch ein wenig Künstlernatur, und sein wichtigstes Ziel sei es, dass sein Werk dem Kaiser gefalle. Auch liege es ihm am Herzen, dass die Menschen in Frankreich erführen, dass sich in Deutschland auch Menschen in höhergestellten sozialen Positionen mit musischen Arbeiten beschäftigten. Während er auf den Erfolg seines Werkes im Theater zu Paris hoffe, wünsche er dem Kaiser diesen Erfolg auf der Weltbühne. Der Herzog gibt sich hier also bewusst bescheiden und höflich, geradezu unterdenten aus Paris vermelden  : »The opera of Santa-Chiara, music by his Royal Highness the reigning Duke of Saxe-Coburg-Gotha, and libretto by M. Gustave Oppelt, has been put in rehearsal.« 66 Die Idee dazu stammte wohl eigentlich von Millenet, der als Vermittler zwischen dem Herzog und Oppelt fungierte. Es war auch Millenet gewesen, der schon im Oktober 1853 angeregt hatte, Libretto und Klavierauszug an Oppelt zu schicken (vgl. Brief Millenets vom 31. Oktober 1853, in StACo LA A 7359, f. 1–2). 67 Briefwechsel in StACo LA A 7174. 68 StACo LA A 7175, f. 3f. Zum Folgenden. – Dieser Brief kann auch aus einer späteren Phase stammen, dokumentiert aber in jedem Fall das Vorgehen des Herzogs.

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würfig (»daß sein Werk dem Kaiser gefalle«). Wichtiger ist, wie deutlich er hier die Intention seines künstlerischen Schaffens formuliert  : Die Menschen sollen wissen, dass auch Fürsten eine »Künstlernatur« haben können, die sie ausleben wollen. Dass in diesem Zusammenhang auch noch die »Menschen in Frankreich« gemeint sind – in einer Zeit stetig schwelender Konflikte zwischen den deutschen Ländern und Frankreich –, gibt Ernsts Aussage bewusst noch eine politische Dimension. Er ringt um Achtung und Respekt der Nachbarn, vielleicht im Glauben, damit zu mehr Verständnis füreinander beitragen zu können. Er selbst zeigt sich anfangs ebenfalls sehr verständnisvoll, was seine Oper in Paris angeht, und erklärt sich bereit, »dem berühmten Autor des ›Ernani‹ gerne den Vortritt« zu überlassen69. Doch parallel zu seinem wichtigsten Agenten Oppelt, den er mit nicht unbeträchtlichen Geldmitteln durch das Bankhaus Rothschild in Paris versorgen lässt70, tritt Ernst II. in Kontakt mit allen ihm einflussreich erscheinenden Beteiligten. So schreibt Camille Doucet am 19. Juli 1854 offenbar in einer Antwort auf ein Schreiben des Herzogs71, er habe dem Kaiser den herzoglichen Wunsch vorgetragen und werde nun nach den Anweisungen des Kaisers baldmöglichst die Oper in Szene setzen lassen72. Auch Staatsminister Fould erhält im Sommer 1854 einen Brief aus Reinhardsbrunn73, in dem der Herzog einerseits seinem Gegenüber schmeichelnde Dankesbezeugungen ausspricht, andererseits ganz offen die Verantwortung für eine gelungene Vorstellung überträgt. Somit versucht er, Fould in eine moralisch-politische Schuld zu verstricken, deren Nichteinlösung unangenehme Folgen haben könne. Vielleicht dauert es auch deshalb länger, bis die Antwort aus Paris kommt, und zwar nicht mit guten Nachrichten, aber ähnlich geschickt formuliert74  : Die Oper verzögere sich wohl bis Ende Dezember, Herr Verdi habe sich auch schon aufgeregt. 69 Diese Äußerung stammt aus einem Briefentwurf an den Prinzen von Chimay, der ebenfalls undatiert ist, aber unmittelbar nach dem oben zitierten Entwurf an den Kaiser zu finden ist (StACo LA A 7175, f. 5–8). 70 Vgl. hierzu die Dokumente StACo LA A 7358, f. 41–42 (Brief an Millenet, in dem Ernst einen Kredit von 1.000 Francs für Oppelt verspricht), 43, 44. 71 StACo LA A 7358, f. 25 und 26. – Entwurf des herzoglichen Dankschreibens darauf auf f. 28 und 34. 72 Meyerbeer schreibt in einem Brief vom 7. August 1854 nach Paris (Meyerbeer, Bd. 6, S. 365)  : »[…] Ferner behauptete er daß man in der großen Oper Gounod’s neue Oper deren Proben doch schon schon [!] soweit vorgeschritten waren wieder ganz bei Seite gelegt habe um sogleich eine Oper vom Herzog von Gotha einzustudieren. Ist das würklich war  ?« 73 Entwurf vom 30. Juli 1854 (StACo LA A 7358, f. 40). 74 Brief aus dem Staatsministerium von Paris vom 2. Oktober 1854 (StACo LA A 7358, f. 61).

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Übrigens stammt der Brief aus Foulds Ministerium genau von dem Tag (dem 2. Oktober 1854), an dem die für ihre Stimme vergötterte, aber für ihre Launen gefürchtete Primadonna Cruvelli in Paris für einen Skandal an der Oper sorgt. Denn an diesem Tag erscheint die Lieblingssängerin Napoleons III. trotz eigener Anordnung Foulds nicht zur Arbeit75. Sie singt weder an diesem Abend noch in den folgenden fünf (!) Wochen und taucht – allen Strafandrohungen zum Trotz – erst in der ersten Novemberwoche wieder auf76. Es war wohl eine grundlegende Auseinandersetzung mit Fould, die sie wieder einmal eine ungeplante Auszeit hat nehmen lassen. Aufgrund von Cruvellis Abwesenheit muss die Premiere der »Sizilianischen Vesper« von Giuseppe Verdi (1813–1901) schließlich auf den 13. Juni 1855 verschoben werden. Auch »Santa Chiara« bleibt von diesem Geschehen nicht unberührt, denn Ernst II. hatte sich die berühmte Sängerin explizit für die Titelpartie seiner Oper gewünscht. In einem Brief vom Dezember 185477 erinnert er die Sängerin persönlich daran, dass sie ihm an einem »heiter verlebten Abend bereits ihre Unterstützung zugesagt« habe. Am 15. Februar 1855 antwortet die Sängerin aus Paris an den Herzog78, dass sie durch die Einstudierung der »Sizilianischen Vesper« sehr in Anspruch genommen gewesen sei. Dann beruhigt sie  : »Der Einstudierung, der mir in Ew. Königlichen Hoheit Oper ›Sancta [sic] Chiara‹ zugedachten Rolle, werde ich mich mit dem größten Eifer unterziehen.« Auch von Meyern-Hohenberg erwähnt in einem Brief an General Roquet79 in Paris die Affäre Cruvelli. Dieser Brief ist ganz offensichtlich in der Absicht geschrieben worden, einen weiteren Unterstützer für »Santa Chiara« ins Spiel zu bringen. Von Meyern-Hohenberg entschuldigt sich zunächst, dass seine Bitte nichts mit dem militärischen Umfeld des Empfängers zu tun habe. Er hoffe aber auf dessen Einfluss. Der Kaiser habe die Aufführung der »Santa Chiara« zugesagt, aber durch Intrigen scheine dies nun in Vergessenheit zu geraten. Außerdem habe die Cruvelli versprochen, die Hauptrolle zu singen. In Deutschland habe »Santa Chiara« mittlerweile einen vollen Erfolg gefeiert, 75 Vgl. hierzu den Artikel zu Sophie Cruvelli bei Wikipedia (mit Quellenangaben  ; Adresse  : ­https://de.wikipedia.org/wiki/Sophie_Cruvelli   ; zuletzt abgerufen am 10. August 2016). 76 Auch der Prinz von Chimay berichtet in einem Brief vom 23. November 1854 von dieser Affäre (StACo LA A 7174 Bd. 1, f. 126ff.). 77 Briefentwurf vom Dezember 1854 an die Sängerin Cruvelli in Paris (StACo LA A 7358, f. 128–129). 78 Brief aus Paris vom 15. Februar 1855 (StACo LA A 7358, f. 155–156). Zum Folgenden. 79 Briefentwurf von Meyern-Hohenbergs vom 8. November 1854 (StACo LA A 7358, f. 95–96). Zum Folgenden.

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so dass es in Paris offenbar nur an gutem Willen mangele. Der Coburger bittet den Adressaten Roquet um eine angemessene Bemerkung gegenüber dem Kaiser zur rechten Zeit, was auch geschieht80. Von allen Seiten versuchten die Coburger, die Oper in Paris unter Druck zu setzen. Am mächtigsten war natürlich der Kontakt zu Kaiser Napoleon III. selbst, welcher sowohl direkt als auch über mehrere Mittelsmänner aus verschie­denen Bereichen (Politik, Militär, Kunst und Kultur) angesprochen wurde. Die Zähigkeit, mit der sich die Dinge an der Académie Imperiale (damals der aktuelle Name der Großen Oper in Paris) entwickelten, schien ein solches Vorgehen notwendig zu machen. Daneben wollte Herzog Ernst II. seine Stellung bei den Künstlern und Theaterleuten in Frankreich verbessern. Davon erhoffte er sich einen positiven Einfluss auf den Erfolg der »Santa Chiara«. Am 30. September 1854 meldet – wie erwähnt – die RMZ81  : »Paris. Der Ausschuss des Vereins der dramatischen Dichter und Componisten hat den Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha zum ordentlichen Mitgliede des Vereins ernannt. Der Herzog hat die Autorenrechte für seine Opern ›Toni‹, ›Casilda‹ und ›Santa Chiara‹ auf die Hülfs- und Wittwenkasse der Autoren, Componisten und dramatischen Künstler Frankreich’s und Belgien’s übertragen.« Ernst II. konnte es sich leisten, auf die Einkünfte aus »Santa Chiara« zu verzichten. Gleichzeitig tat er mit der Überlassung der Einnahmen an Bedürftige tatsächlich etwas Gutes, auch für seinen Ruf in Frankreich (und Belgien). Laut einem Brief des vermittelnden Oppelt82 wurde der Herzog mit dem 15. September 1854 Mitglied der »Association des auteurs et compositeurs dramatiques«. Oppelt folgerte daraus, dass nun auch Eugène Scribe, Präsident der Association, sich für »Santa Chiara« mehr einsetzen werde. So ist es nur logisch, dass Ernst II. in dieser Angelegenheit auch mit Scribe regelmäßig Kontakt hält, ihm Dank und Schmeicheleien ausspricht83 und ihn 80 Dies bestätigt Oppelt in einem Brief vom 2. Dezember 1854 (StACo LA A 7358, f. 115). Roquet selbst meldet dies am 1. Januar 1855 wieder (StACo LA A 7358, f. 136). – Auch im weiteren Verlauf halten von Meyern-Hohenberg und der General einander auf dem Laufenden (vgl. StACo LA A 7358, f. 106, 167–169). 81 RMZ, Bd. 5, 1854, S. 311. Dieser Artikel wurde schon im Kapitel über »Casilda« zitiert. 82 StACo LA A 7358, f. 54–55, 56. Zum Folgenden. – Auf f. 56 legt Oppelt die Kopie eines Briefes bei, in dem Jules Dulong als Vertreter der Vereinigung die Aufnahme des Herzogs bestätigt. Unter f. 85–92 derselben Akte findet sich eine gedruckte Satzung der Vereinigung vom 18. Dezember 1837. 83 Undatierter Briefentwurf aus Gotha an Scribe, der mit allen Titeln angesprochen wird (StACo LA A 7358, f. 70).

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einlädt, notwendig erscheinende Änderungen am Libretto vorzunehmen84, solange diese nichts am musikalischen Teil der Oper veränderten85. Das Einschal­ ten Scribes, der ein undurchschaubares Spiel mit allen Seiten treibt, führt in Paris zu etlichen Unstimmigkeiten. Oppelt berichtet sogar, dass nun das kaiser­ liche Hausministerium (»Maison de l’Empereur«) und das Staatsministerium (»Ministère d’Etat«) wegen Scribe im Clinch lägen86. Da sich der treue belgische Agent Mitte Dezember 1854 erst einmal wieder in seine Heimat nach Brüssel zurückzieht87, entschließt man sich in Gotha, einen ausführlichen Brief an Scribe zu schicken, damit dieser genaue Anweisungen bezüglich der Änderungen im Libretto habe88. Zuerst bedankt sich der Herzog darin für das freundliche Angebot Scribes, bei den Änderungen behilflich zu sein. Dann bittet er höflich um Rücksichtnahme auf die beiden bisher beschäftigten Librettisten Birch-Pfeiffer und Oppelt. Ernst macht deutlich, dass es ihm wichtig ist, die Eigenheiten des Stückes zu bewahren und dass er daher keine Anpassung wünsche  : »Je pense dans ce moment-ci au Freischütz de Weber – Je serais des­ espéré de voir arrangé et francisé de cette façon là ma pauvre Santa Chiara.«89 Wenn Scribe aber kleine Änderungen vornehmen wolle, um zum Beispiel den Stil zu verbessern (»pour epurer le style«), den ausführenden Künstlern entgegenzukommen oder das Werk an bestimmte französische Gepflogenheiten anzupassen (er nennt als Beispiel das Ende des 2. Aktes), dann möge er dies tun. Scribe antwortet am 31. Dezember 185490 zustimmend und – wie bereits erwähnt – verspricht, nur Kleinigkeiten zu verändern. Er sei von einer Erkrankung mehr als zwei Wochen ans Bett gefesselt gewesen, weswegen er von der Pariser Oper nicht mehr berichten könne, als dass dort gerade Verdis »Sizilianische Vesper« geprobt werde, zu der ebenfalls er das Libretto geschrieben habe. 84 So wird es auch von Oppelt zunächst vorgeschlagen (vgl. Brief Oppelts vom 17. November 1854, in StACo LA A 7358, f. 93–94). 85 Vgl. Brief Oppelts vom 5. Dezember 1854, in dem dieser empfiehlt, die von Scribe vorgeschlagenen Änderungen des Librettos zu übernehmen (StACo LA A 7358, f. 112–113). – Danach der Entwurf eines Telegramms, in dem mitgeteilt wird, dass der Herzog die Änderungen billige, dass aber der musikalische Part nicht angerührt werden dürfe (StACo LA A 7358 f. 114). 86 Brief Oppelts vom 2. Dezember 1854 (StACo LA A 7358, f. 117). 87 Oppelt verabschiedet sich am 11. Dezember 1854 nach Brüssel (StACo LA A 7358, f. 119– 120). 88 StACo LA A 7358, f. 121–122. Zum Folgenden. 89 »Ich denke in diesem Moment an den ›Freischütz‹ von Weber – ich wäre verzweifelt, wenn man meine arme Santa Chiara so anpassen und [französisch machen, an den frz. Geschmack anpassen] würde«. 90 StACo LA A 7358, f. 134–135. Zum Folgenden.

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Er sei sicher, dass gleich danach die Proben zur Oper des Herzogs begännen und dass die Cruvelli liebend gerne die Hauptrolle übernehmen werde. Oppelt, der sich mittlerweile in einem undurchdringlichen Geflecht von Intrigen in Paris verstrickt sieht, ist nicht glücklich über Scribes Nachrichten und gibt zu bedenken91  : Wenn »Santa Chiara« wirklich erst nach Verdis Oper einstudiert und im Juni oder Juli aufgeführt werden solle, werde die ganze höhere Gesellschaft Paris bereits verlassen haben. Diese Sorge ist im Jahr der Weltausstellung in Paris (15. Mai bis 31. Oktober 1855) allerdings unberechtigt. Außerdem wird aus Form, Art und Ausdruck von Oppelts Brief deutlich, wie sehr er sich in alle möglichen Verschwörungstheorien hineinsteigert. Ernst II. verliert nun zunehmend das Vertrauen in den Belgier und holt daher noch von anderer Seite Informationen zu Scribe ein. Der Prinz von Chimay, Ernsts zuverlässigster Vertrauter in Paris, schreibt am 9. Februar 185592, dass er mit Scribe gesprochen habe. Dieser sei sich mit dem Direktor Crosnier darüber völlig einig, dass das Buch für die französische Bühne unbedingt neu gemacht werden müsse (»refondre le poëme«). Der Prinz ist überzeugt, dass beide nur einen Erfolg der »Santa Chiara« wollten, da ein Misserfolg ja ihnen selbst schaden würde. Er schlägt vor, Scribe die Neufassung des Librettos zu übertragen, wobei natürlich die Musik des Herzogs unberührt bleiben solle. Darauf antwortet Ernst II. mit einem langen Brief aus Gotha vom 12. Februar 1855, in dem er unter anderem Scribes Brief in Abschrift an den Prinzen von Chimay weiterleitet93. Er ist völlig gegen eine Neufassung des Librettos, sieht den offenen Widerspruch zwischen den Äußerungen Scribes zu seiner Oper, weiß aber auch, dass er an diesem Mann nicht vorbeikommt, wenn er in Paris Erfolg haben will. Genervt vom ewigen Hin und Her und den ständigen Unklarheiten geht er so weit, offen zu fragen, wie viel man Scribe bezahlen müsse, damit er ihm gewogen sei (»il s’agirait de savoir  : à quel prix pourrait-on gagner le bon vouloir de M. Scribe«)94. Darauf setzt der Prinz von Chimay durch seinen Sekretär Roelants noch einmal nach und erklärt das Verhalten von Crosnier und Scribe auch als Ausdruck einer deutschfeindlichen Haltung95  : »Dans tous les cas la décision de l’Opéra n’a rien de désagréable pour Vous, littérairement parlant, elle atteint Seul [sic] l’auteur Allemand.« 91 Brief Oppelts vom Januar 1855 (StACo LA A 7358, f. 137–145). 92 StACo LA A 7358, f. 148–149. Zum Folgenden. 93 Briefentwurf aus Gotha vom 12. Februar 1854 (StACo LA A, f. 146). Zum Folgenden. 94 Dabei notiert er am Rande »ceci soit dit entre nous« (»das bleibt unter uns«). 95 Brief des Sekretärs Roelants aus Paris vom 16. Februar 1855 (StACo LA A 7358, f. 166)  : »In jedem Fall hat die Oper nicht gegen Sie, im Wortsinne, entschieden, sondern gegen den deutschen Autor« (freie Übersetzung).

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Daraufhin entscheidet sich Ernst II., den Vorschlägen des Prinzen zu folgen, und alles nimmt seinen Lauf96. Roelants handelt an der Oper aus, dass die Proben für »Santa Chiara« sofort nach der »Sizilianischen Vesper« beginnen. Scribe soll seine Änderungen im Libretto vornehmen, dafür wird er neben Oppelt offiziell erwähnt. Zur Unterstützung dieser Abmachungen wird der Minister Fould aufgefordert. Oppelt dagegen erhält die Weisung, sich zukünftig aus allem herauszuhalten, worüber er sich natürlich prompt beschwert. Irgendwann, als selbst aus Gotha das Thema nur noch »ce malheureux libretto« genannt wird97, muss sogar der erfahrene belgische Diplomat (der Prinz von Chimay) zugeben, dass er so eine Intrige noch nie erlebt habe98. Er habe noch einmal Scribe und Fould ins Gebet genommen, aber Scribe sei lediglich bei ihm gewesen, um 20.000 Francs zu kassieren, für die er seine Autorenrechte an Oppelt überlassen habe. Mittlerweile sei er so weit, den Vorschlag Doucets zu erwägen, einen weiteren französischen Librettisten einzuschalten, nämlich Jules-Henri de Saint-Georges (1799–1875). Um zu erfahren, was er nun tun solle, bittet er den Herzog um ein Telegramm mit einem der drei Worte  : »Scribe«, »St. Georges« oder »Rien« (nichts). Der nun folgende lange Brief Ernsts II. aus Gotha99 zeigt, dass dem Herzog endgültig der Geduldsfaden gerissen ist. Nach dem letzten Brief des Prinzen von Chimay telegrafiert er diesem ein »Rien« und beschließt, sich jetzt selbst mit allen Mitteln gegen die Intrigen zu wehren. Zunächst fasst er aus seiner Sicht alle bisherigen Ereignisse zusammen  : Er habe sich beim Kaiser eine Aufführung in Paris gewünscht, weil ein Erfolg in dieser Stadt für einen Künstler von besonderer Bedeutung sei (»sans doute Paris jouit de l’avantage de donner du relief à l’artiste«) und weil Werke, die erfolgreich in Paris gespielt würden, auch in Deutschland in der Regel positiv aufgenommen würden. Er habe seine Oper in der Überzeugung angeboten, dass seine Musik in sich schon den Keim zum Erfolg trage (»les éléments convenables à une chance de succès«). Um jegliche Unterstellung finanzieller Profitgier zu entkräften, habe er seine Rechte der »Association des Auteurs« überlassen. Minister Fould habe ihm zu verstehen gegeben, dass man nur dem Worte des Kaisers folgen müsse, um erfolgreich zu sein. Doch dann sei auf einmal Verdis Werk vorgezogen worden, 96 Die folgenden Informationen ergeben sich aus einer Zusammenschau der Briefe aus StACo LA A 7358, f. 171–173, 200, 202, 205–206, 210–211, 212–215, 216–217, 222–223. 97 StACo LA A 7358, f. 210–211. 98 StACo LA A 7358, f. 216–216 und 222–223. Zum Folgenden. 99 Briefentwurf vom 2. April 1855 aus Gotha an den Prinzen von Chimay in Paris (StACo LA A 7358, f. 224–227). Zum Folgenden.

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angeblich weil sonst Strafgebühren anfielen, wenn das Werk nicht vor Ende des Jahres 1854 gespielt werde. Daraufhin habe er, Ernst, nachgegeben unter der Bedingung, dass sein Werk direkt im Anschluss gespielt werde. Nun stehe auf einmal das Libretto zur Diskussion  : Erst scheine man sich mit einigen Änderungen des Übersetzers zufriedenzugeben, dann solle es auf einmal ganz umgeschrieben werden und am Ende stimme das ganze Sujet nicht mehr. Er sei gerne bereit, die von Scribe verlangten 20.000 Francs zu bezahlen, aber er empört sich über die Art und Weise der Forderung. Mit Klarheit und Schärfe verteidigt er seine Musik  : »Je ne veux pas que l’on considère ma musique – comme des aires de Vaudevilles que l’on adapte à des paroles faites au hazard. Je ne veux pas que l’on change le sujet /  : russe  :/ pour lequel cette musique a été soigneusement composée – et qui ne peut pas indifféremment être chantée par des Chinois ou des Turcs. – La cérémonie religieuse au 2. acte tient essentiellement à ce sujet«100. Den 4. Akt des »Propheten« von Meyerbeer würde schließlich auch niemand in ein russisches Miserere umschreiben. Apropos Meyerbeer  : Auch dieser meldet sich im März 1855 noch einmal zu Wort, vorsichtig wie immer über die Vermittlerin Birch-Pfeiffer. Nachdem Meyerbeers Mitarbeit bei der Instrumentation nicht so ausgefallen ist, wie es Ernst II. ursprünglich gehofft hat, versucht sich Meyerbeer einerseits mit dem Herzog gut zu stellen, andererseits will er auf keinen Fall in den Kampf um »Santa Chiara« an der Pariser Oper hineingezogen werden101. So belässt er es bei schmeichelhaften Mitteilungen, die Birch-Pfeiffer zuverlässig weitergibt102  : »Meyerbeer besuchte mich gestern, um mir zu erzählen, daß der Pariser Director schon gern seine Afrikanerin vorgeschoben hätte, um sich der Verpflichtung, Sa Chiara in dieser Saison noch aufführen zu müssen, zu entziehen, daß er aber (diese Intrigue durchschauend) ihm erklärt habe  : er gebe seine Oper unter keiner Bedingung früher her, als bis Sa Chiara aufgeführt sei  ; es sei diese 100 »Ich will nicht, dass man meine Musik – wie die Melodien aus einem Vaudeville behandelt, die man den improvisierten Worten anpasst. Ich will nicht, dass das russische Thema verändert wird, für das diese Musik sorgfältig geschrieben wurde – und das (die  ?) nicht einfach von Chinesen oder Türken gesungen werden kann. – Die religiöse Zeremonie im 2. Akt hängt wesentlich mit diesem Thema zusammen.« 101 Sehr deutlich wird dies in einem Brief Meyerbeers vom 12. April 1855 nach Paris (Meyerbeer, Bd. 6, S. 523), in dem er klarstellt, dass er so lange nicht nach Paris kommen werde, bis nicht die neue Oper von Verdi aufgeführt worden sei  ; da sonst seine Gegner in Paris ihm unterstellen würden, er intrigiere gegen das Werk. – Meyerbeer mied also zeitweise Paris und die Pariser Oper, um seinem eigenen Ruf nicht zu schaden. 102 Brief (wahrscheinlich der Birch-Pfeiffer) aus Berlin vom 1. März 1855 (StACo LA A 7358, f. 192).

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eine Rücksicht, die er einem Herrn, wie dem Herzog, schulde.« Außerdem gebe Meyerbeer dem Herzog den Rat, »daß ein Kapellmeister nach Paris geschickt werde103, der die Proben überwache, denn ohne diese Maßregel werde die Oper zu Grunde gerichtet, dafür stehe er ein  ; man vergreife die Tempi’s, die Charakteristik der Musik, kurz Alles – überwacht müßte jede neue Oper werden, wenn sie nicht fiasco machen solle  !« Ernst II. springt sofort auf diesen Vorschlag an und lässt Meyerbeer selbst fragen, ob er nicht Zeit habe, die Probenaufsicht zu übernehmen. Aber – wenig überraschend – Meyerbeer lehnt natürlich wieder ab, wie Birch-Pfeiffer berichtet104  : »Meyerbeer war gestern lange bei mir, & schon sehr leidend. Er machte mir klar, daß es ihm unmöglich sei die Wünsche Sr. Hoheit in Beziehung der Überwachung der Proben in Paris zu erfüllen, denn dazu gehöre ein Mann der durch 4, fünf Monate (unter dieser Zeit komme keine große Oper heraus) jeden Tag die Proben mithalte, der überhaupt zu diesem Zweck in Paris sei.« Der Herzog ist mittlerweile fest davon überzeugt, dass man sein Werk in Paris um jeden Preis verhindern wolle105. Er überlegt sogar, es zurückzuziehen. In seiner Verzweiflung bittet er den sich windenden Meyerbeer wenigstens um eine knappe Stellungnahme. Auf einem Notizzettel, überschrieben »Meyerbeers Mittheil. April 55«106, finden sich unter anderem folgende Fragen mit eingefügten Antworten  : »Ist die Oper der Mühe werth  ? – En toute confiance je crois que c’est.107 […] Hat das Libretto Aussicht  ? – Incompetent. Kommt auch in der großen Oper nicht so sehr darauf an.« Daraufhin entschließt sich der Herzog, sein Projekt hartnäckig weiterzuverfolgen, falls auch der Kaiser zustimme108. Das Libretto wolle er so beibehalten, wie es sei, mit kleinen Änderungen, die er selber vornehmen werde. Nach dieser deutlichen Ansage Ernsts II. wendet sich der Prinz von Chimay noch einmal in der Angelegenheit an den französischen Kaiser. Und siehe da, am 15. April 1855 eilt folgende Depesche von Paris nach Gotha  : »Vu l’empereur [sic] pour Santa Chiara. O ­ rdre 103 Drouet, den der Herzog dann tatsächlich nach Paris schicken sollte, war übrigens ein alter Bekannter Meyerbeers (vgl. Tagebucheintrag Meyerbeers vom 8. April 1855  ; Meyerbeer, Bd. 6, S. 521). 104 Brief Birch-Pfeiffers aus Berlin vom 8. März 1855 (StACo LA A 7358, f. 197–199). 105 Brief vom 2. April 1855 an den Prinzen von Chimay (StACo LA A 7358, f. 224–227). 106 StACo LA A 7358, f. 240 und 242. – Möglicherweise ist der Notizzettel entstanden, als Meyerbeer für eine Aufführung von »Santa Chiara« am 8. April 1855 (zum Saisonschluss) in Gotha weilte (vgl. »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 4. Jg., Nr. 16, vom 19. April 1855, S. 64). 107 »Ganz im Vertrauen, ich glaube ja.« 108 Brief vom 2. April 1855 an den Prinzen von Chimay (StACo LA A 7358, f. 224–227).

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d’execution immediate apres verdi [sic]. Crosnier a la disposition de votre Altesse. Deux lettres en route. Chimay«109. Und wenige Wochen später, als Ernst II. kurz vor Eröffnung der Weltausstellung in Paris am 15. Mai 1855 in der französischen Hauptstadt eintrifft, legt der Herzog selbst noch einmal beim Kaiser nach110  : »Ich versprach dem Kaiser nach der demnächst bevorstehenden Eröffnung der Weltausstellung gegen den Herbst hin nochmals nach Paris zu kommen, wo ich außerdem die Hoffnung hatte, eine meiner Opern im Laufe der Saison in Scene gehen zu sehen.« Nun wechselt der Kampf um »Santa Chiara« also den Schauplatz, nämlich ins Innere der Pariser Oper zu den Musikern und Sängern. Im Juni 1855 bestellt Ernst II. seinen in Gotha ansässigen Kapellmeister Louis Drouet nach Coburg111, von wo er ihn mit genauen Anweisungen »auf einige Monate nach Paris« weiterschickt112. In einer detaillierten »Instruction für den Kapellmeister Drouet«113 ist zu lesen  : »Der Herr Kapellmeister begiebt sich nach Paris, um im steten Vernehmen mit dem Hr. Oppelt während des Einstudierens der Oper Sa Chiara darüber zu wachen, daß keine den Sinn entstellenden längeren oder bedeutenden Änderungen vorgenommen werden, daß die tempo’s genau wie sie hier festgestellt wurden, eingehalten werden, daß bei dem Arrangement der Bühne keine Veränderungen vorgenommen werden, welche dem Character des Stücks schaden könnten.« Dafür solle Drouet mit allen Zuständigen (Crosnier, Girard, der Fachpresse) intensiv, aber diskret Kontakt halten, die komplette Korrespondenz in dieser Angelegenheit übernehmen und – bemerkenswert deutlich formuliert  ! – nur ja keine Versprechungen an Sänger oder Opernmitarbeiter machen, da der Herzog über etwaige Belohnungen und ihren Umfang auf jeden Fall selbst entscheiden wolle. Dafür werden Drouet die Kosten für Reise und Quartier ersetzt, außerdem erhält er ein Taschengeld in Höhe von 20 Francs täglich. Sowohl Oppelt als auch Crosnier erhalten parallel Briefe des Coburger Herzogs, in denen ihnen die Ankunft Drouets angekündigt und 109 »Habe den Kaiser wegen Santa Chiara gesprochen. Befehl zur sofortigen Aufführung nach Verdi. Crosnier zur Verfügung Eurer Hoheit. Zwei Briefe auf dem Weg. Chimay«. 110 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 265ff., Zitat von S. 267. 111 StACo LA A 7358, f. 299. Zum Folgenden. 112 Dies wurde sogar in der »Niederrheinischen Musik-Zeitung« vom 7. Juli 1855 (3. Jg., Nr. 27, S. 215, »Aus Gotha«) vermeldet  : »Herr Capellmeister Drouet ist auf höchsten Befehl von hier nach Paris abgereist, um die Aufführung der Oper unseres Herzogs, ›Santa Chiara‹, vorzubereiten.« – Wohl nicht zufällig wurden zu diesem Zeitpunkt Lampert zum Kapellmeister und Krämer zum Konzertmeister befördert. 113 StACo LA A 7359, f. 3–4.

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derselbe ihnen dringend zur Zusammenarbeit empfohlen wird114. Offenbar hegte Ernst II. wirklich tiefes Vertrauen zu seinem Kapellmeister, was jener mit gewissenhafter Arbeit in Paris zu vergelten versuchte. Währenddessen treffen über den Vermittler Oppelt die ersten Änderungswünsche zur Musik der Oper ein. Schon am 11. Juni bedankt sich Oppelt für Nachsendungen aus Coburg115, die sich auf die »Messe« (Choral) im zweiten sowie die Tanzmusik im dritten Akt beziehen. Nun legt er gut zehn Tage später mit Fragen Crosniers zum dritten Akt nach116  : Dieser stellte grundsätzlich das Auftauchen aller Personen im gänzlich veränderten Umfeld des dritten Aktes in Frage (»présence de tous les personnages à Naples«). Crosnier habe eine völlig veränderte Fassung des dritten Aktes ausgearbeitet, die den Ablauf der Szenen sowie einige Details betreffe. So wolle er beispielsweise den Akt lieber mit einem Duett zwischen Charlotte und Bertha beginnen lassen, erst dann den Chor der Winzer, danach die Arie der Charlotte. Außerdem entspreche auch die ursprünglich vorgesehene Todesart Alexis’ nicht unbedingt dem Pariser Geschmack  : »A l’Opéra, on pense qu’il serait préférable qu’Alexis se jetait dans la mer.«117 Im Detail übermittelt Oppelt alle Vorschläge Crosniers an den Herzog. Dieser sieht sich daraufhin zu einer ebenso ausführlichen Antwort genötigt, in der er wieder einmal seine Oper verteidigen muss118. Ohne Umschweife stellt Ernst II. klar, dass die vorgeschlagenen Änderungen den musikalischen wie auch den dramatischen Aufbau der Oper derart verändern würden, dass man die Musik gleich neu komponieren müsse. »Ich bestehe darauf, daß der Act bleibt, wie er ist«. Lediglich bei der Platzierung des obligatorischen Balletts sowie beim Selbstmord des Alexis gibt der Herzog Crosniers Wünschen nach119, vermerkt aber  : »Die deutschen Dramatiker haben das Erstechen vorgezogen.« Auch am Ende wird er noch einmal deutlich und betont, worauf es ihm eigentlich ankommt  : »Die Herren, welche die Änderungen vorgeschlagen haben, haben an die Musik nicht gedacht. Soll die Oper später, im November oder December, gegeben werden, so wäre die musikalische Umarbeitung mög114 StACo LA A 7358, f. 301–303. 115 StACo LA A 7358, f. 309. 116 Brief Oppelts vom 22. Juni 1855 (StACo LA A 7358, f. 316–317). Zum Folgenden. 117 »In der Oper ist man der Meinung, dass es besser wäre, wenn Alexis sich ins Meer stürzte.« (StACo LA A 7358, f. 316v). 118 Bleistiftentwurf des Briefes vom 28. Juni 1855 (StACo LA A 7358, f. 318). Zum Folgenden. 119 Außerdem durfte mit Genehmigung des Herzogs noch Charlottes Arie »Ich lag im Sarg« entfallen, wie in einem Brief vom Juli 1855 bestätigt wird (StACo LA A 7358, f. 329).

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lich. Für den August ist dies nicht thunlich. Die Musikstücke sind auf einander beruhend [?] u. können nicht willkürlich gewechselt werden. Darin besteht der Wert der guten deutschen Musik.«120 Es geht ihm also nicht grundsätzlich um eine Ablehnung jeder Veränderung. Nur sollen Text und Musik sowie der Handlungsablauf als ganzer in ihrem Zusammenhang gewahrt bleiben, wie er als Komponist ihn hergestellt hat. Um sich zu rechtfertigen, beruft er sich allerdings nicht auf sein Recht als Autor und Urheber des Werkes, sondern setzt gleich auf die deutsche Kunst als solche. In den folgenden Wochen geht es noch intensiv hin und her zwischen Paris und Coburg, vor allem Drouet schaltet sich – wie vorgesehen – in die Vorbereitungen der »Santa Chiara« ein. Er berichtet dem Herzog minutiös über alle Vorgänge, versucht, den übereifrigen Oppelt in Schach zu halten, und vergisst auch nicht, sein eigenes Wirken in möglichst positivem Licht erscheinen zu lassen. Anders als Oppelt verfolgt er vor allem eine Taktik des gepflegten Optimismus und bemüht sich, die unübersehbaren Intrigen möglichst harmlos darzustellen. Vielleicht macht er auch aufgrund seiner französischen Herkunft121 ganz andere Erfahrungen als der Ausländer Oppelt. Beispielsweise beurteilt Drouet die Schlüsselfigur Crosnier als äußerst zuverlässigen Mann  : »C’est un homme sur lequel on peut compter«122. Folgerichtig stehen Drouets Aussagen häufig in offenem Widerspruch zu denen Oppelts, der natürlich trotz Order zur Zurückhaltung weiterhin ganz regelmäßig an den Herzog und seine Intendanz schreibt. Es ist nahezu unmöglich, den genauen Gang der Dinge aus den überlieferten Briefen nachzuvollziehen, da jeder Schreiber seine eigene Version wiedergibt. Offenbar gibt es aber weitere Verzögerungen, da die Übersetzung des dritten Aktes lange nicht fertig wird, der Dirigent Girard sich nach Kräften gegen das deutsche Werk sträubt123 und die gewünschten Sängerinnen sich 120 Der Herzog erwähnt hier einen möglichen Premierentermin im August. Angedacht war nämlich eine Aufführung von »Santa Chiara« während des Aufenthalts seiner Schwägerin Queen Victoria in Paris. Dieser Termin konnte aber nicht gehalten werden (vgl. »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 4. Jg., Nr. 35, vom 30. August 1855, S. 140). 121 Drouet selbst war zwar in Amsterdam geboren, sein Vater stammte aber aus Paris. Auch hatte Louis Drouet in Paris Flöte studiert und war einige Jahre am Hof Napoleons tätig gewesen (Näheres im Artikel über Drouet von Moritz Fürstenau in der ADB, Bd. 5, 1877). 122 »Das ist ein Mann, auf den man zählen kann.« (Brief Drouets aus Paris an den Herzog vom 4. Juli 1855, in StACo LA A 7359, f. 7–8). 123 Laut einer Nachricht Drouets vom 28. Juni 1855 hatte Girard geäußert, dass jede musikalische Vorstellung in Frankreich, selbst die schlechteste, noch besser sei als die beste in Deutschland. Drouet sagte nach eigener Darstellung lieber nichts dazu, um den Franzosen nicht zu provozieren und der Oper seines Herzogs nicht zu schaden (StACo LA A 7358, f. 322).

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durch die Doppelbelastung mit »Sizilianischer Vesper« und »Santa Chiara« überfordert fühlen124. Aus den Antworten des Herzogs ist herauszulesen, dass er zwar weiterhin alles genauestens im Auge behält, sich aber – wohl auch aufgrund der zuverlässigen und positiv stimmenden Nachrichten Drouets – entspannt und gelegentlich wieder leichter Entscheidungen aus der Hand gibt. So weist Ernst seinen Kapellmeister zwar an, sicherheitshalber mit dem Minister Fould gleich über 50 Vorstellungen der »Santa Chiara« zu verhandeln, damit die Oper nicht sofort wieder verschwinde125  : »Sonst siegt die Intrigue dennoch.« Andererseits überlässt er Drouet vertrauensvoll die brennende Frage nach der Besetzung der Hauptrollen, die ihm doch am Anfang noch so wichtig erschienen war  : »Sie werden natürlich dafür zu wachen haben, daß die Rollen nicht unmittelbar in die Hände von Anfängern fallen.« Letztendlich hat auch der Herzog verstanden, dass er vor allem in dieser Frage seine Wünsche in Paris nicht bis zum Letzten werde durchsetzen können. Bei den von Ernst II. befohlenen Verhandlungen über eine bestimmte Anzahl von Vorstellungen der »Santa Chiara« lehnt sich Drouet offenbar ziemlich weit aus dem Fenster. Es scheint aus heutiger Sicht jedoch schwierig zu entscheiden, was aus den Berichten des Kapellmeisters der Wahrheit entspricht und was aus der Gerüchteküche stammt. Am 14. Juli erzählt er von einer Konfrontation mit dem zuständigen Minister Fould, der gänzlich abgestritten habe, mit Verdi einen Vertrag über 90 Vorstellungen geschlossen zu haben126. Nach erneuten Nachforschungen, die Drouet als streng vertraulich bezeichnet, habe er herausgefunden, dass Verdi auf jeden Fall 40 Aufführungen an der Pariser Oper garantiert worden seien127. Dies sei ein bisher nie dagewesenes Vorgehen, das unter anderem auf die lange Verzögerung der Premiere zurückzuführen sei. Außerdem habe man sich von der größeren Zahl an Aufführungen einen ge124 Zu den erwähnten Vorgängen finden sich Belege in den Dokumenten StACo LA A 7358, f. 320–322 und 326–329 sowie LA A 7359, f. 7–11. 125 Briefentwurf Ernsts II. vom 10. Juli 1855 an Drouet in Paris (StACo LA A 7359, f. 12). Zum Folgenden. 126 Brief Drouets vom 14. Juli 1855 (StACo LA A 7359, f. 17). 127 Hierzu wie zum Folgenden vgl. den Brief Drouets vom 15. Juli 1855 (StACo LA A 7359, f. 18–21). In diesem Brief schreibt Drouet auch von Gerüchten in Paris, die besagen, dass Giacomo Meyerbeer stets 4.000 bis 5.000 Francs in Karten für die ersten 40 bis 50 Vorstellungen seiner eigenen Opern investiere, damit es heiße, die Aufführungen seiner Opern seien immer voll. Wenn sie dann aufgrund des Erfolges in Paris auch in anderen Opernhäusern gespielt würden, rechne sich die Investition wieder. – Es ist anzunehmen, dass es sich hier um ein bösartiges Gerücht aus Neid gegen Meyerbeer handelte.

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wissen Werbeeffekt erhofft. Für seinen Herzog sei dies Vorgehen aber ja gänzlich uninteressant, da die Einkünfte aus den zukünftigen Vorstellungen ja an die Hofkapelle gingen. Mit diesem amüsanten Einwand (natürlich weiß auch Drouet, daß es Ernst II. in dieser Sache nicht ums Geld geht) zieht sich der diplomatische Kapellmeister geschickt aus der Affäre, denn – wie auch sein Mitstreiter Oppelt berichten muss128 – Fould lässt nicht mit sich verhandeln und verspricht nur ganz allgemein, sein Bestes für einen Erfolg der herzog­ lichen Oper zu tun. Außerdem gebe man Opern in Paris nur so lange, wie sie Publikum anzögen129. Nachdem »Santa Chiara« nun endlich in die ernste Probenarbeit geht, kommen weitere, ins Detail gehende Nachfragen zur Musik auf. Da beispielsweise das Ballett an der Pariser Oper eine wichtige Rolle spielt und auch für den Gesamterfolg auf der Bühne mitentscheidend ist, bemüht sich Drouet, es in jedem Fall dem berühmten Ballettmeister Joseph Mazilier (1797 oder 1801– 1868) recht zu machen. In einem Schreiben vom 10. Juli 1855 übermittelt Drouet Maziliers Bitte um die Ergänzung eines kurzen Adagios, während dessen sich die Tänzer auf der Bühne verteilen könnten  ; wodurch keine Pause entstehe130. Ganz pragmatisch schlägt der Kapellmeister vor, dass die geforderten 32 bis 40 Takte gleich in Paris komponiert werden sollen (ansonsten müsse man den Herzog um eine baldige Zusendung bitten). Damit versucht Drouet, allen Beteiligten die einfachste Lösung des Problems zu ermöglichen. Völlig konträr dagegen ein Brief Oppelts vom 11. Juli131  : Der Herzog müsse unbedingt vier erklärende Rezitativ-Verse zu Beginn des dritten Akts einfügen, damit dem Publikum nicht entgehe, dass aus Charlotte nun Chiara geworden sei. Ernst solle dies gleich selber in Musik setzen. Oppelt fragt also weder den Komponisten um Erlaubnis für die Veränderung (die ungeschickt und unnötig zugleich ist), noch bietet er ein praktikables, da schnelles Vorgehen an. Immer wieder hält er durch eigensinnige Vorschläge, ständig neu entflammte 128 Brief Oppelts vom 27. Juli 1855 (StACo LA A 7359, f. 40–43). Oppelt berichtet detailliert, man habe Verdi 40 Vorstellungen in acht Monaten garantiert, darunter zehn aufeinanderfolgende Abende. 129 Äußerung Foulds nach Drouet (vgl. Brief Drouets vom 14. Juli 18 55, in StACo LA A 7359, f. 17). 130 Brief Drouets vom 10. Juli 1855 (StACo LA A 7359, f. 13–14). – Auch in diesem Brief wird wieder deutlich, dass Drouet von Anfang an begriff, dass er sich zwischen Oppelt und den anderen Beteiligten entscheiden musste. Er wählte die Seite, die er für die Erfüllung seines Auftrages als die richtige ansah. 131 StACo LA A 7359, f. 15–16.

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Konflikte (vor allem mit dem Dirigenten Girard) oder schlichtweg durch viel zu langsamen Fortschritt bei der Übersetzung des Librettos das ganze Unternehmen auf. Dementsprechend negativ verändert sich auch in den folgenden Wochen die Stimmung zwischen den beiden aus Coburg Beauftragten132, die in den Schreiben der Intendanz immer wieder an die Einhaltung ihrer Instruktionen erinnert werden133. Bei den vielen kleinen Fragen und Änderungen zur Musik zeigt sich der Herzog im Großen und Ganzen großzügig, er will offenbar vor allem i­mmer informiert werden. So geht es beispielsweise einmal um die Beseitigung der klanglich ungünstigen Verdoppelung der Sopransolostimme durch eine Oboe134 oder um die Platzierung des Chores im 2. Akt (»Erhab’ner, zu dir flehen wir«) hinter der Bühne, in der Nähe der kleinen Begleitorgel135. Kleinere Anpassungen der Solopartien an die Vorlieben der ausführenden Sänger sind sowieso eine Selbstverständlichkeit, wie dem erfahrenen Theaterherzog bekannt gewesen sein dürfte136. Erst als es langsam aber sicher auf die Premiere zugeht und der erwähnte Ballettmeister beginnt, sehr frei mit der von Drouet ergänzten Ballettmusik umzugehen137, oder Drouet auf Anregung der Sänger

132 Ab Juli 1855 beklagt sich Drouet in nahezu jedem seiner Briefe über Oppelt (beispielsweise in seinen Briefen vom 14., 15. und 22. Juli, in StACo LA A 7359, f. 17, 18–21 und 25–26). Am schlimmsten war für Drouet, wie sich Oppelt immer wieder in die Probenarbeit einmischte (Brief Drouets vom 24. Juli 1855, in StACo LA A 7359, f. 30–31)  : »…jamais je n’ai rien vu d’aussi risible en musique que cet homme là. De manière que, quand les répétitions d’orchestre vont commencer, on perdra encore les trois quarts du temps à apaiser les disputes entre Girard et Oppelt.« (»…nie habe ich in der Musik einen so lächerlichen Menschen gesehen. Indem jedes Mal, wenn die Orchesterproben beginnen, Dreiviertel der Zeit verloren geht, weil erst die Streitigkeiten zwischen Girard und Oppelt beigelegt werden müssen«). 133 Zum Beispiel im Antwortvermerk auf Drouets Brief vom 15. Juli 1855 (StACo LA A 7359, f. 18). 134 Besprochen in StACo LA A 7359. 135 Drouet riet dazu, die Chorsänger neben die Orgel zu stellen, da sonst die Gefahr bestehe, dass sie falsch sängen (»chantaient faux«). Der Herzog antwortet darauf zustimmend  : »Nur der kurze Requiem-Satz im II. Act [am Ende  !] solle nicht hinter der Bühne gelaßen werden.« (Brief Drouets vom 17. Juli 1855, in StACo LA A 7359, f. 24). 136 In diesem Zusammenhang ist es nur dokumentiert in einem relativ späten Briefentwurf an Drouet vom 29. August 1855, in dem Änderungen des männlichen Titelsängers Roger genehmigt werden (StACo LA A 7359, f. 69–70). Es ist davon auszugehen, dass viele kleine Abänderungen stillschweigend vorgenommen wurden. 137 Hierzu Drouets Brief vom 21. Juli 1855 (StACo LA A 7359, f. 32–33), in dem der Kapellmeister wortreich seine Nachgiebigkeit gegenüber Mazilier verteidigt und anführt, er wolle die Pariser Gepflogenheiten nicht verletzen und keine weiteren Unstimmigkeiten riskieren.

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auf einmal eine Kürzung des Opernfinales vorschlägt138, zieht der Komponist die Zügel wieder an und spricht Verbote aus139. Überhaupt bricht kurz vor der immer wieder verschobenen Erstaufführung der »Santa Chiara« in Paris bei Drouet wie bei Oppelt regelrechte Panik aus, zum einen, weil die Hoffnung, die englische Königsfamilie werde bei ihrem Besuch in Paris auf »Santa Chiara« bestehen, sich offenbar zerschlägt140, zum anderen, weil man plötzlich grundsätzlich an einer Machbarkeit der Oper (mit der ungeschickten französischen Übersetzung durch Oppelt) aufgrund der vielen Intrigen zweifelt. Oppelt ruft in seiner Verzweiflung den Herzog sogar nach Paris, um zu retten, was seiner Ansicht nach schon verloren scheint141. Ernst II. reagiert mit einer knappen Nachricht an beide, die keinen Widerspruch duldet  : »Point de changement à la fin du troisième acte. Point de démarches pour le jour de la représentation. Je ne peux pas venir en Août.« 142 Daraufhin beruhigt sich Drouet wieder und besinnt sich – auch in seinen Schreiben nach Coburg – auf die vielen positiven Meinungen, die er mittlerweile in Paris zu »Santa Chiara« gehört hat. Schon Meyerbeer habe ja vorausgesagt, dass, wenn die Oper Erfolg haben sollte, dies vor allem ihrer schönen Musik zu verdanken sei143. Auch die Sänger hätten sich durchwegs positiv über die Musik geäußert, nur eben die von Oppelt unterlegten französischen Worte erregten bei den Ausführenden immer wieder Anstoß144. Den schlechten Text macht Drouet schließlich auch dafür verantwortlich, dass aufgrund der anhaltenden Unklarheit über den Premierentermin die Stimmung bei den Sängern 138 Was Drouet selbst aber schnell wieder zurückzieht (vgl. die Briefe StACo LA A 7359, f. 44, 47–48, 64–65). 139 In seinem Brief vom 27. Juli 1855 bestätigt Drouet, dass – dem Wunsch des Herzogs gemäß – das Ballett im 1. Akt unverändert bleibe (StACo LA A 7359, f. 34–35). 140 Hierzu die Briefe in StACo LA A 7359, f. 47–48 (Drouet am 1. August 1855), f. 51–52 (Oppelt, ohne Datum), f. 57–62 (Oppelt am 5. August 1855). 141 Brief Oppelts vom 5. August 1855 (StACo LA A 7359, f. 57–62)  : Oppelt betont, dass er nun, da er den Intrigen so lange standgehalten habe, aufgebe. Es solle geschehen, was geschehe. Vielleicht könne noch der Besuch Herzog Ernsts, der ja in Paris seine Verwandtschaft treffe, ein Ansporn für die Proben sein, so dass doch bald noch die erste Aufführung stattfinde. – Außerdem hierzu StACo LA A 7359, f. 45–46 und 53–54. 142 »Keinerlei Änderungen am Finale des dritten Akts. Keinerlei Abweichung vom Datum der Premiere. Ich kann im August nicht kommen.« (Entwurf eines Telegramms vom 5. August 1855, in StACo LA A 7359, f. 49). 143 Brief Drouets vom 22. Juli 1855 (StACo LA A 7359, f. 25–26). 144 Brief Drouets vom 27. Juli 1855 (StACo LA A 7359, f. 34–35)  : »La musique de l’opéra plait beaucoup aux chanteurs  ; elle a aussi beaucoup plu à Meyerbeer, mais le poëme français n’est pas heureux, et ce qui fait réussir ou tomber un opéra à Paris, est toujours le poëme.«

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zu kippen droht  : »Tant qu’on ne travaillait que la musique au piano, tous les chanteurs trouvaient l’opéra charmant  ; depuis que les mises en scène sont commencées, ils se sont un peu refroidis, parceque [sic] le regisseur dit que le poëme est mauvais, qu’il fera rire, et parceque les chanteurs pretendent que dans un opéra à Paris, il ne suffit pas d’avoir de la bonne et jolie musique à chanter, qu’il faut aussi que le poëme donne l’occasion de bien jouer.«145 Auch als am 6. August immer noch keine Orchesterproben stattgefunden haben, beruhigt Drouet den Herzog (und sich selbst) mit den positiven Beurteilungen der »Santa Chiara«, die er – diesmal von prominenter Stelle – übermitteln kann146  : »Auber et Halévi que je connais depuis plus de quarante ans  ; Adam et Berlioz qui est venu me voir hier sont de mon opinion quand je dis qu’il ne faudrait pas être si sévère à l’égard du poëme, puisque c’est une traduction.«147 Gegen Ende des mit langwierigen Proben und ständigem Hin und Her verbrachten Sommermonats aber will auch Drouet nicht mehr länger warten und bietet ein letztes Mal dem Herzog seine Initiative an. In einem ausführlichen Brief148 bringt er sein Anliegen auf den Punkt. Die Qualität der Musik stehe außer Frage  : »Liszt a dirigé l’opéra  ; Meyerbeer l’a approuvé  ; les chanteurs d’ici l’ont loué  ; on a trouvé les chœurs d’un beau caractère  ; le maître du chant m’a dit qu’il faisait avec plaisir les répétitions de cet opéra, parce qu’il y trouvait des morceaux d’ensemble très intéressant.«149 Aber der französische Text sei eben sehr schlecht und verändere oft auch den Sinn gegenüber dem deutschen Original (hier führt Drouet mehrere Beispiele an). Zwar hatte man nun auch ein 145 »Während der Klavierproben fanden alle Sänger die Oper charmant  ; seit die szenischen Proben begonnen haben, sind alle etwas abgekühlt, weil der Regisseur sagt, dass das Libretto schlecht ist, dass es lächerlich sei, und weil die Sänger glauben, dass es für eine Oper in Paris nicht ausreiche, gute und hübsche Musik zu singen zu haben, sondern dass das Libretto auch Gelegenheit geben müsse, gut zu spielen.« Aus einem Brief Drouets vom 1. August 1855 (StACo LA A 7359, f. 47–48). 146 StACo LA A 7359, f. 64–65. 147 »Auber und Halévi, die ich seit über 40 Jahren kenne  ; Adam und Berlioz, der mich gestern Abend besuchte, sind meiner Meinung, wenn ich sage, dass man im Hinblick auf das Libretto nicht so streng sein darf, da es sich ja nur um eine Übersetzung handelt.« Brief Drouets vom 6. August 1855 (StACo LA A 7359, f. 65). – Voller Stolz nennt Drouet hier die Namen von vier berühmten französischen Komponisten (Auber, Halévy, Adam, Berlioz) und hebt seine persönliche Beziehung zu ihnen hervor. 148 Brief Drouets vom 24. August 1855 (StACo LA A 7359, f. 71–75). Zum Folgenden. 149 »Liszt hat die Oper dirigiert  ; Meyerbeer hat sie abgesegnet  ; die Sänger hier haben sie gelobt  ; man findet, dass die Chöre von schöner Charakteristik seien  ; der Maitre du Chant [vgl. Musikdirektor, zuständig für die Gesangsproben] hat mir gesagt, dass ihm die Proben für diese Oper Freude machten, weil sie schöne Ensembles enthalte.«

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deutsches Libretto zur Hand, das Drouet Anfang August angefordert hat150, aber die ständigen Nachbesserungen und Streitigkeiten mit Oppelt frustrieren alle Beteiligten. Daher schlägt Drouet nun eine Änderung der Taktik vor  : Statt – wie vom Herzog befohlen – zu versuchen, alle Beteiligten bei Laune zu halten, wolle er nun richtig Druck machen  : »Je crois que cela ferait bon effet, si, par exemple, j’étais autorisé à dire, que Monseigneur étant fort étonné qu’on n’ait pas pu faire en deux mois à Paris ce qu’on a fait en un mois à Gotha«151. Zudem muss nun auch Drouet zugeben, dass der französische Dirigent Girard hinter seinem Rücken gegen das deutsche Werk vorgehe und so die Gefahr bestehe, dass die Oper niemals gegeben werde. Wie schon in der letzten, scheinbar ausweglosen Situation (als es um die Annahme des Werkes an der Pariser Oper ging) wendet sich der Herzog, der Drouets Botschaft wohl verstanden hat, an den Prinzen von Chimay. Und auf diesen ist wieder Verlass, denn er beginnt sofort, Präsenz an der Oper zu zeigen und regelmäßig von den laufenden Proben zu »Santa Chiara« zu berichten. Auch er, obwohl als Diplomat und Politiker nicht unbedingt vom Fach, ist zunächst beeindruckt von der guten Musik aus der Feder des Coburgers  : »De longtemps je n’ai entendu une musique aussi suave [?] et sympathique.«152 Doch dann besinnt er sich auf seine eigentliche Aufgabe und empfiehlt sofort, den Querulanten Oppelt vom Schauplatz zu entfernen153. Der Herzog folgt unverzüglich seinem Rat154 – und siehe da  : Drouet meldet am 7. September 1855, dass die ersten Bühnenproben gut gelaufen seien und der zweite Akt sicher einen »très bon effet« machen werde155. Die Anwesenheit des Prinzen von Chimay hat – wie Drouet schreibt – einen entscheidenden Einfluss auf alle Beteiligten, plötzlich kommt wieder Schwung in die Probenarbeit, und aller Widerspenstigkeit des Dirigenten zum Trotz finden auch ab 11. September endlich die Orchesterproben statt. Drouet berichtet, merklich aufgebaut, dass sogar von den kritischen Orchestermusikern nur Lob für die Oper zu hören 150 Hierzu die Briefe in StACo LA A 7359, f. 34–35, 36, 64–65. 151 »Ich glaube, dass es Eindruck machen würde, wenn ich beispielsweise sagen dürfte, dass mein Herr [der Herzog] sehr erstaunt sei, dass man in Paris in zwei Monaten nicht zustande bringe, was man in Gotha in einem geschafft habe«. Aus dem oben genannten Brief Drouets vom 24. August 1855 (StACo LA A 7359, f. 71–75). Auch zum Folgenden. 152 »Seit langem habe ich keine so süße [?] und angenehme Musik gehört.« Aus dem Brief des Prinzen von Chimay vom 30. August 1855 (StACo LA A 7359, f. 78–79). 153 StACo LA A 7359, f. 78–79. 154 StACo LA A 7359, f. 91 und 92. 155 Brief Drouets vom 7. September 1855 (StACo LA A 7359, f. 93). Zum Folgenden.

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sei  : »Je crois que les musiciens de l’orchestre exécutent avec plaisir et intérêt la musique de Ste Claire.«156 Und das Wunder geschieht  ! Am 27. September 1855 hat »Sainte Claire« Premiere an der Pariser Oper157. Der Prinz von Chimay fasst am 1. Oktober einige Reaktionen der Kritiker zusammen158  : Man sei sich über die gute Qualität der Musik einig, der Erfolg sei allerdings kein uneingeschränkter gewesen, »faute de quelques concessions insignifiantes, mais indispensables pour le public Français«159. Auch aus anderer Quelle160 gibt es Hinweise auf eine zurückhaltend-positive Besprechung durch Hector Berlioz, der die Oper als ein bemerkenswertes Werk mit klarem Stil und geglückten Phrasen bezeichnete, die von einer reinen und originellen Harmonie getragen würden. Die Presse war schon seit Wochen vom übereifrigen Oppelt auf die neue Oper aufmerksam gemacht worden161. Eine ganze Mappe von Rezensionen zu »Santa Chiara« wird in Coburg zusammengestellt und gedruckt162, dabei dürfte allerdings eine nicht unbedeutende Auswahl stattgefunden haben. Und so finden sich hier überwiegend sehr positive Besprechungen. In der »Wiener Musikzeitung« zum Beispiel steht zu lesen163  : »Ich beschränke mich heute darauf, den unbestreitbaren wirklichen Erfolg, wobei die Eigenschaft des königlichen Komponisten außer Anschlag blieb, zu berichten. 156 »Ich glaube, daß die Orchestermusiker die Musik der St. Claire mit Freude und Interesse spielen.« Brief Drouets vom 17. September 1855 (StACo LA A 7359, f. 94). 157 Übrigens vermerkt auch Meyerbeer dieses Ereignis in seinem Tagebuch (Meyerbeer, Bd. 6, S. 597)  ; am Tag danach besuchte Meyerbeer den Herzog in Paris. 158 Konkret nennt er Hector Berlioz, der für »Les Debats« schrieb, und den Musikkritiker Pier Angelo Fiorentino (1811–1864) von »Le Constitutionnel« (Brief vom 1. Oktober 1855, in StACo LA A 7359, f. 100–101). 159 »…mangels einiger unwesentlicher Zugeständnisse, die aber eben für das französische Publikum unverzichtbar sind…« – Leider beschreibt er nicht deutlicher, um welche Zugeständnisse es sich handelt (Brief des Prinzen von Chimay vom 1. Oktober 1855, in StACo LA A 7359, f. 100–101). 160 Vgl. Bevere, S. 74. 161 Oppelt rühmt sich selbst seiner Pressearbeit (vgl. StACo LA A 7359, f. 40–43) und stellt sich dabei nach außen völlig übertrieben als exklusiven Bevollmächtigten des Herzogs dar (vgl. NRMZ, vom 4. August 1855, S. 248 sowie StACo LA A 7359, f. 30–31). Aufgrund der ständig wechselnden Lage erschienen dank Oppelt viele Falschmeldungen im Vorfeld der Premiere (z. B. in der NRMZ, vom 28. Juli 1855, auf S. 240 eine Ankündigung der Premiere für den 15. bis 20. August 1855). 162 Sammlung von Rezensionen der »Santa Chiara« in den Coburger Akten, zu finden sowohl in StACo LA A 7363 als auch in StACo LA A 7368. 163 Die folgenden zitierten Zeitungsausschnitte sind leider ohne Datumsangabe abgedruckt. Sie

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Die Ausführung war untadelhaft. Am Schlusse der Vorstellung erhob sich die ganze Versammlung und applaudirte mit Lebhaftigkeit, indem sie sich gegen die kais. Loge wendete, und zwar in dem Augenblicke, als der Schauspieler die Verfasser des Textbuches (Frau Birch-Pfeiffer) und der Musik ankündigte. Der Fürst grüßte die Versammlung zum Zeichen des Dankes.« Ernst II. war also tatsächlich noch im letzten Moment der so oft ausgesprochenen Einladung zur Premiere nach Paris gefolgt164. Auch im »Moniteur« bleibt diese Tatsache nicht unerwähnt  : »Das Haus war gefüllt wie an seinen schönsten Abenden  ; der Kaiser gab selbst zu verschiedenen Malen das Zeichen des Beifalls, oder stimmte in den von allen Seiten erschallenden Applaus ein. Se. Hoheit der regierende Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha, welcher in der kaiserlichen Loge der Aufführung seines Werkes beiwohnte, konnte Zeuge sein sowohl von dem Eifer und Talent aller mitwirkenden Künstler, wie von dem günstigen und einstimmigen Urtheil des Publicums, das in solchen Fällen – welches auch der Rang des Componisten sein möge – absoluter und höchster Richter ist.« Sicher hat die Anwesenheit von Kaiser und Herzog die Mitwirkenden angespornt, da sie ja von der Gunst Napoleons III. lebten und auf die lohnende Anerkennung Ernsts II. hoffen konnten. Es mögen auch die Kritiker mildere Worte gewählt haben, angesichts der Tatsache, dass der Herzog als Gast des Kaisers die Oper besuchte. Dennoch schimmert auch Anerkennung für den Mut des Komponisten durch, der sich – höchstens als nebenberuflicher Musiker zu bezeichnen – dem anspruchsvollsten Opernpublikum Europas zu stellen wagte. »Und in der That der Fürst hat auch nicht anders denn als Künstler beurtheilt sein wollen und ist wie alle großen Meister und Componisten Europa’s seinerseits hierher gekommen, um für sein viertes Werk die Pariser Weihe zu empfangen, nachdem seine früheren Opern die glänzendste Aufnahme in Deutschland, in Belgien, in England, kurz auf allen Bühnen gefunden hatten, wo sie gegeben worden sind.«165 Noch deutlicher wird die patriotische »France musicale«  : »Wenn auch die Oper ›Santa Chiara‹ nicht ein

stammen – wenn nicht anders zitiert – alle aus der oben genannten Sammlung von Rezensionen. 164 Der Prinz von Chimay, aber auch Drouet und Oppelt hatten den Herzog mehrfach dazu aufgefordert (StACo LA A 7359, f. 37, 45–46, 57–62). – In »Le Figaro« vom 15. Januar 1857, S. 8, wird berichtet, dass der Herzog bei der Generalprobe zu seiner Oper den gutmütigen Regisseur Leroy wegen seiner Zwischenrufe ermahnt habe. Auch im zeitnäheren »Figaro«-­ Artikel vom 30. September 1855 ist davon die Rede, dass der Herzog bereits zur Generalprobe anwesend gewesen – und eingeschlafen sei. 165 Aus dem Artikel des »Moniteur«, abgedruckt in deutscher Sprache in der Artikelsammlung zu »Santa Chiara« (StACo LA A 7363).

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Meisterstück sein sollte, so müßte man doch den erlauchten Verfasser ehren, daß er es nicht verschmähte, auf den Kampfplatz herabzusteigen, um sich mit den übrigen Tonkünstlern zu messen.« Überhaupt fehlt in vielen Besprechungen der national-patriotische Anklang nicht. Sowohl die »France musicale« als auch die »Revue et gazette Musicale« betonen, »Santa Chiara« sei entstanden durch »tiefe« bzw. »große Studien«, und spielen damit auf die vermeintlich typisch deutsche Gelehrsamkeit an, im Gegensatz zur ebenso typischen französischen Inspiration. Der Korrespondent der »Emancipation«, der zwar ohne Einschränkung, aber fast ein wenig ungläubig die Oper des deutschen Fürsten lobt, betont, »mit eigenen Augen« gesehen zu haben, dass sogar »die Fürsten der Tonkunst« (natürlich der französischen  !), namentlich der von Ernst II. sehr geschätzte Auber, »den fürstlichen Componisten mit den wärmsten Beifallszeichen« bedachten. In den deutschen »Signalen« findet sich entsprechend die Äußerung  : »Die Freude bei dieser Vorstellung wurde durch den Gedanken nicht wenig erhöht, bei einem deutschen Fürsten, über dessen edlen Charakter nur eine Stimme herrscht, eine so lebhafte Theilnahme für die deutscheste der Künste wahrzunehmen.« Die nationalistische Gesinnung auf beiden Seiten, die während der Proben schon zu Konflikten mit dem französischen Dirigenten geführt hatte, bleibt natürlich auch in den Berichten über die Opernaufführung nicht verborgen. Einig waren sich dagegen alle zitierten Rezensionen (mit Ausnahme der »France musicale«) in ihrer positiven Beurteilung der Musik und dem Lob für die Ausführung. Von »der Ouverture angefangen, die voll origineller und glänzender Motive ist« (»Emancipation«), über die »Melodien von bewunderungswürdigem Reize« (»Moniteur«), die abwechslungsreiche Ausgestaltung der verschiedenen Akte (»Emancipation«, »Moniteur«), die »Instrumentirung wie sie sein soll« (»Moniteur«), die »mit großer Abwechselung componirten Tanz-Divertissements« (»Signale«) bis hin zum eindrucksvollen »Grabesact« (»Emancipation«) sind die Beurteilungen voll des Lobes. Übrigens rief der genannte zweite Akt, an dem ja auch während der Vorbereitung der Oper noch viel herumprobiert wurde, völlig gegensätzliche Reaktionen hervor  : Während die einen sich für die »Erhabenheit des Stils« (»Emancipation«) begeistern können, begründet in der nahezu religiösen Stimmung der Musik, empfinden andere die Wirkung dieses mittleren Aktes als »Betrübniß« (»Signale«), nach der man zum Glück zu Beginn des dritten Aktes mit den »frischen und lieblichen Gesängen der Winzer, Fischer und der braunen italienischen Mädchen« (»Signale«) wieder aufatmen könne. Aus dem Rahmen fällt eine durch und durch negative Besprechung der Premiere und des Werkes in »Le Figaro« vom 30. September 1855 (S. 8). Benoit Jouvin (1810–1886), scharfzüngiger Musikkritiker des »Figaro«, lässt nicht ein

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gutes Haar an der Person des Herzogs oder seiner Oper und spricht beiden jegliche wie auch immer geartete Qualität ab. Dabei hält er sich nur an allgemeine, nicht belegte Aussagen, wie zum Beispiel die Musik habe weder Rhythmus noch Profil. Nur das Ballett habe ihm gefallen, aber das sei ja von Auber166. Ähnlich gehässig und genauso gnadenlos stürzt sich die englische Presse auf diese Aufführung einer deutschen Oper in Paris. Der Korrespondent des »Athenaeum«167 tut sein Bestes, das Werk zu zerreißen, schießt dabei allerdings über das Ziel hinaus. So beginnt er seinen Artikel mit der Unterstellung, »Santa Chiara« sei überhaupt nur aufgrund politischer Beziehungen an der Pariser Oper angenommen worden. Das ist bekanntlich zumindest teilweise zutreffend. Allerdings behauptet der Schreiber, es seien die englisch-französischen Beziehungen gewesen, die hier wirksam gewesen seien, namentlich der Prince Consort Albert. Damit liegt er offensichtlich falsch. Als der Verfasser nach Darstellung des Handlungsverlaufs betont, alles Schlechte an der Oper sei entweder deutsch oder französisch168, wird jedem verständigen Leser klar, woher der Wind weht. Verräterisch erscheint auch der abschließende Satz  : »›Sainte-­ Claire‹ is a failure, and a failure on which it would not have been worth while to bestow a line, but for the place and circumstance of its occurrence.« Die Formulierung, dass man über dieses Werk am liebsten gar kein Wort verloren hätte, war auch schon bei »Casilda« zu lesen gewesen. Sie spiegelt die ambivalente Haltung der englischen Presse nicht nur gegenüber den Opern Ernsts II., sondern gegenüber den »Coburgern« und ihrem öffentlichen Wirken generell wider  : Man hätte sie am liebsten ignoriert, aber dafür waren beide Brüder in der Öffentlichkeit einfach zu präsent169. Der Herzog selbst fasst seine Eindrücke von der Pariser Premiere seiner Oper in einem Brief an seine Freundin Charlotte Birch-Pfeiffer zusammen, den er ihr am 4. Oktober 1855 auf Schloss Callenberg schreibt170  : 166 Diese offensichtlich von Hass auf ein deutsches Werk motivierte Besprechung steht in merkwürdigem Kontrast zu der durchaus positiv gestimmten Ankündigung der Oper in derselben Zeitung am 19. Juli 1855 (S. 7), als Ernst II. noch als geschätzter Schüler Meyerbeers beschrieben wird, der sich auf die Premiere seines Werkes in Paris freue. 167 »The Athenaeum«, Nr. 1458, vom 6. Oktober 1855, S. 1155. 168 »… all these things are told and shown in a forcible-feeble style, – of which the force is German and the feebleness is French.« 169 Die Kritik im »Observer« (vom 8. Oktober 1855, S. 7) folgt zwar der englischen Linie, hat aber keinen ganz so giftigen Tonfall und spricht sogar ein verhaltenes Lob für die Ballettmusik und die Chöre in der Oper aus. 170 Brief Ernsts vom 4. Oktober 1855 an Charlotte Birch-Pfeiffer (DTM, Nachlass Birch-­ Pfeiffer, b. 2, VIII 12183).

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»Liebe Birch  ! / Von allen Courier= und anderen Reisen auf einige Tage in die Heimath zurückgekehrt, beeile ich mich, Ihnen theure Freundin über den Succeß unserer Oper in Paris persönlich Kunde zu geben. Das gute Kind ­Chiara ist endlich in der großen Welt eingeführt. Ich glaube, daß man eher einen Dauphin de France zum König ausrufen kann, ehe es Einem zum zweiten Mal gelingen dürfte, einen ähnlichen Sieg über alle Spitzbübereien, Betrügereien und Schwierigkeiten zu erfechten. Nur die äußerste Geduld, unversiegbare Ströme Goldes, einige Machtsprüche des Kaisers konnten uns die Thore öffnen. Kapellmeister Drouet mußte drei Monate lang die Proben bewachen etc. Endlich kam der Augenblick, wo ich die letzte Hand persönlich anlegen mußte. Drei Proben, welche bis 1 Uhr Nachts währten, hatte ich zu dirigiren (wahrlich keine kleine Arbeit, das Gesindel de la grande opéra endlich dahin zu bringen, daß in die Darstellung einiges Verständniß kam). Recension  : Orchester vortrefflich, obgleich es dirigirt wurde von dem Haupt-Antagonisten der Oper, Kapellmeister Girard. Ausstattung prachtvoll, ebenso kunstgerecht als dem Libretto entsprechend. Die darstellenden Künstler waren von dem besten Eifer beseelt. Roger171 kann unübertrefflich genannt werden  ; ihm verdanken wir den Haupt-­Triumph. Madame Lafont (Chiara), eine prachtvolle Stimme und Erscheinung, vermochte den Geist der Rolle jedoch nicht aufzufaßen. Trotzdem gefiel sie ungemein und bekam vor Freude einen Fieberanfall. Die übrigen Rollen wurden zwar prachtvoll gesungen, jedoch sind die Sänger dumme Kerls, und die französische Ignoranz sieht ihnen überall zu den Nähten heraus. Die Chöre waren stark und sangen richtig. Eine Theilnahme am Stück und Mitspielen war trotz aller Mühe nicht zu erreichen. Wie ich hier gesprochen, würde der strenge Kritiker sprechen. Ich möchte noch hinzufügen, daß das Sujet der Oper trotz seiner Poesie und seinem dramatischen Gehalt nicht für die Franzosen geht, welche am Verdischen Unsinn und Scribeschen modernen Harlekinaden sich den Magen verdorben hat [sic]. Trotzdem war das Publicum artig und sogar warm. Die Musik spricht an, und das Haus ist zum brechen voll  ; und da die Oper dreimal die Woche jeden Abend zwischen 14–15000 frcs. reinen Überschuß einbringt, so bleibt sie auf dem Repertoire.« Eine weitere Zusammenfassung der Geschehnisse in Paris aus seiner Sicht gibt Ernst II. dann viele Jahre später in seiner Autobiografie172. Er habe schon 171 Für die Karriere des Sängers Gustave Roger an der Pariser Oper war die Hauptrolle in »Santa Chiara« von nicht geringer Bedeutung (vgl. hierzu die Bemerkungen Castil-Blazes im Post-Scriptum seines Buches). 172 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 270–280. Zum Folgenden.

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im Jahr vor der Premiere bei einem Aufenthalt am Kaiserhof in Paris versucht, »Einleitungen zu treffen«, damit seine Oper »Santa Chiara« in Paris gespielt werde. »Der Kaiser interessirte sich selbst in freundlichster Weise für die Aufführung meines Werkes in der großen Oper, aber ehe dies gelingen konnte, gab es außerordentliche Schwierigkeiten zu überwinden. ›Je crois, schrieb mir Napoleon in einem seiner Briefe am 25. Juli von Biarritz, que le public Parisien sera charmé d’applaudir l’opéra de Votre Altesse royale et de la juger comme maestro après avoir déjà jugé si favorablement comme Prince.‹173 – Aber die kaiserliche Patronanz konnte nur helfen, den Minister Fould für die Aufnahme der Santa Chiara in das Repertoire der großen Oper zu entscheiden. Die Durchführung hing von einer Menge von persönlichen Umständen ab, die sich zu unüberwindlichen Hindernissen gesteigert hätten, wenn mir nicht Meyerbeer hilfreich die Hand geboten hätte. Der alte Meister hatte mich schon im März 1854 in Paris besucht und verhandelte seit jener Zeit in freundschaftlichster Weise über die Aufführung der Oper mit mir  ; ich darf daher glauben, daß er sich für meine musikalischen Arbeiten wirklich und sachlich interessirte, wie er es oftmals versichert hat.«174 In der Durchsetzung seines Werkes an der Pariser Oper folgte dann ein Problem auf das andere, und Ernst gibt rückblickend zu  : »Die französischen Verhältnisse in Kunst- und insbesondere in Musiksachen waren niemals leicht zu verstehen, und ich mußte eben erst damals dieselben praktisch kennen lernen, wo ich bereits aller Uebung bedurft hätte, um meiner Oper eine gelungene Aufführung und Aufnahme zu sichern.« Überraschenderweise erinnert sich der Herzog jedoch auch an gute Erfahrungen  : »Ich machte in Begleitung von Meyerbeer allen hauptsächlichen Künstlern meinen Besuch und fand bereitwillige Unterstützung. Nur in einigen wenigen Kreisen soll eine Verstimmung darüber laut geworden sein, daß meine Oper gerade zur Zeit der Ausstellung in Paris aufgeführt werden sollte, da man dies als eine Beeinträchtigung der französischen Kunst auf Kosten eines fremden Compositeurs ansehen müßte. Wenn es übrigens überhaupt wahr ist, daß gegen mich Stimmung gemacht worden ist, so waren Vorgänge dieser Art ziemlich tief zu suchen. Von Franzosen wie Auber hatte ich mich nicht nur des freundlichsten Entgegen173 »Ich glaube, […] dass das Pariser Publikum der Oper Ihrer Königl. Hoheit gerne applaudieren wird und Sie als Maestro schätzen [beurteilen] wird, nachdem man sie schon so sehr als Prinzen schätzt.« 174 An dieser Stelle scheint die Selbstdarstellung Ernsts II. in seiner Autobiografie die Realität etwas zu verzerren  : Wie zu sehen war, tat Meyerbeer nicht allzu viel, um dem Herzog zu helfen. Ratschläge gab er gerne, aber am liebsten hielt er sich raus, wohl um seinen eigenen Erfolg nicht zu gefährden.

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kommens, sondern auch einer regen Theilnahme und des vertrautesten Umgangs während der ganzen Zeit meines Pariser Aufenthaltes zu erfreuen.« Als schließlich die Premiere bevorstand, wollte Ernst II. lieber beim Prinzen von Chimay als beim Kaiser wohnen, denn ersterer hatte »für das Gelingen meiner Pariser Kunstfahrt sich die größte Mühe gegeben«. Bemerkenswert – und mit Vorsicht zu genießen – ist die Behauptung des Herzogs, er habe in den Proben mehr als nur zuhören dürfen  : »Ich war eben recht in Paris angekommen, um die Proben leiten zu können, und durfte mit Bezug auf die höchste Vollendung der Aufführung mit aller Beruhigung der ersten Vorstellung entgegensehen. Was die große Oper nur immer aufzubieten im Stande war, wurde mit dem den Franzosen eigenen Enthusiasmus geleistet. Dennoch war mir nur zu wohl bekannt, von welchen Zufällen der Erfolg erster Aufführungen, insbesondere fremder Produkte in Paris stets bleibt, und ich war doppelt gespannt, da ich an der Seite des Kaisers und der Kaiserin, die ich in die Loge begleitete, das Schicksal meiner Santa Chiara abzuwarten hatte.« Natürlich war er dann sehr zufrieden, denn die »Vorstellung gelang aufs Glänzendste«, und ihr folgten angeblich mehr als 60 weitere Aufführungen der Oper in Paris175. Schon kurz nach der Premiere gefährden Erkrankungen und Vertragsverhandlungen der wichtigsten Sängerinnen und Sänger den Fortbestand der »Santa Chiara« auf der Pariser Bühne. Bereits am 8. Oktober 1855176 schreibt Crosnier halb ängstlich, halb pflichtbewusst an den Prinzen von Chimay, er möge den Herzog doch bitte informieren, dass die momentane Verschiebung der »Santa Chiara« wirklich durch eine Erkrankung der Sängerin Lafont177 verursacht werde und keine böse Absicht dahinterstecke178. Auch das lange Zögern um die Vertragsverlängerung des Sängers Gustave Roger (1815–1879) verursacht die eine oder andere Änderung des Spielplans. Oppelt, der gleich wieder das Schlimmste erwartet179, versucht, sich und den Herzog zu trös175 Diese vom Komponisten verbreitete Angabe konnte bisher nicht überprüft werden. 176 StACo LA A 7359, f. 107. 177 Jenny-Marguerite Lafont (1808–1842), geborene Colon. 178 Allerdings berichtet »Le Figaro« am 7. Oktober 1855 (S. 6) über eine Auseinandersetzung Crosniers mit seinem Sänger Marié (Künstlername des Mécène Marié de l’Isle, 1811–1879) im Zusammenhang mit »Sainte Claire«  ; aber ohne große Bedeutung, es geht um einen Fehler in der Ausstattung. 179 Vgl. hierzu den Brief Oppelts vom 5. November 1855 (StACo LA A 7359, f. 126–129), in dem er unkt, »Sainte Claire« werde in Paris nur von kurzer Dauer sein  : Zwar habe er gehört, dass Lafont wieder singe, aber auch, dass man Roger nicht weiter engagiere (aus finanziellen Gründen), dafür aber Cruvelli für die »Vesper« (Verdi) engagiert habe, zu einem viel höheren Preis. Man wolle also offenbar »Santa Chiara« fallenlassen.

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ten, indem er an möglichst vielen anderen Bühnen in seinem Umkreis für die Werke des fürstlichen Komponisten wirbt180. Als er im Fall der Brüsseler Oper wieder denselben Übereifer an den Tag zu legen beginnt wie in Paris, pfeift der Herzog ihn zurück181. Und allen Spekulationen zum Trotz hat es »Santa Chiara« in Paris schon am 7. November 1855 auf neun Vorstellungen gebracht182, acht Tage später sind es bereits 12183. Crosnier, den der Herzog erneut an sein Versprechen erinnert, »Santa Chiara« auf dem Spielplan zu halten184, spricht zwar schon im Dezember 1855 von sinkenden Besucherzahlen185 und rät dem Herzog, sein Werk lieber nicht vor halbleerem Saal spielen zu lassen. Aber der Sänger der männlichen Hauptrolle, Roger, sei wieder engagiert worden, und so wolle er, Crosnier, natürlich immer noch alles für den Herzog tun … Nach diesem Erfolg, der sich für den politisch wie militärisch versierten Herzog Ernst II. wie ein Sieg in einer Schlacht angefühlt haben muss, begann sogleich die Diskussion um Orden und Gratifikationen für die Mitwirkenden. Empfehlungsschreiben, dankbare und undankbare186 Antwortschreiben sowie Aufzeichnungen aus den Coburger Behörden belegen187, dass wohl folgende Beteiligten vom Coburger Herzog für ihre Verdienste um seine Oper in Paris ausgezeichnet wurden  : Generaldirektor Crosnier, der kaiserliche Ordonnanzoffizier Jacques Maurice de Chastenet, Generalsekretär Alphonse Gautier (Innenministerium des Kaisers), Abteilungsleiter Camille Doucet (Staatsministerium), Baron Georges de Soubeyran (Sekretär im Staatsministerium) sowie Büroleiter Petit (Innenministerium). Vom leitenden Opernpersonal wurden 180 Er erreicht eine erfolgreiche Aufführung der »Casilda« im März 1856 im belgischen Gent, die auch gut besprochen wird (vgl. StACo LA A 7350, f. 183, 185f., 189f., 196f., 198f., 200f., 204, 207–210) und erwähnt Kontakte nach La Haye und Lyon (f. 198f.) sowie Brüssel, Nimes und anderen Orten (f. 122). 181 Hierzu der Schriftwechsel in StACo LA A 7359, f. 200f., 212, 213–215. 182 Brief Oppelts vom 7. November 1855 (StACo LA A 7359, f. 134f.). – In »The Musical Times« vom 1. Oktober 1893, S. 619, wird übrigens behauptet, es habe nicht mehr als neun Vorstellungen insgesamt gegeben. 183 Brief Oppelts vom 15. November 1855 (StACo LA A 7359, f. 164–166). Auch hier vermutet Oppelt das nahende Ende der »Santa Chiara« auf der Bühne. 184 Briefentwurf des Herzogs an Crosnier vom 29. Dezember 1855 (StACo LA A 7359, f. 160). 185 StACo LA A 7359, f. 173f.. Zum Folgenden. 186 Der Sänger der Hauptrolle, Roger, scheint das Geldgeschenk des Herzogs abgelehnt zu haben (Brief vom 29. September 1855 an den Prinzen von Chimay, in StACo LA A 7359, f. 108–109). 187 Siehe hierzu StACo LA A 7359, f. 100–101, 102–103, 104, 105–106, 108–109, 111, 113, 114.

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berücksichtig  : Musikdirektor Narcisse Girard (trotz allem  !), der Regisseur François Leroy (1815   ?–1887) sowie die beiden »Chefs du chant« Philipp Dietsch (1808–1865) und Henri Potier (1816–1878). Großzügige Geschenke gab es für den Sänger Gustave Roger und den Ballettmeister Mazilier sowie – in kleinerem Umfang – für weitere Opernangestellte bis hinab zum Zeitungsträger188. Der vom Herzog bereits vorher dekorierte Oppelt wurde übrigens auch vom französischen Kaiser ausgezeichnet, wie der Prinz von Chimay mit einem ironischen Seitenhieb auf den aufopferungsvollen Belgier (»déjà si crucifié – par ses innombrables adversaires«189) vermeldet190. Mit dem Erfolg in der Öffentlichkeit kamen automatisch auch die Bittsteller. Sei es die an der Pariser Oper tätige Tänzerin Regina Forli, die darum bat, der Herzog möge sich beim französischen Ministerium für die Verlängerung ihres Vertrages und die Verbesserung ihrer jährlichen Gage von 6.000 auf 10.000 Francs einsetzen191. Sei es der Armenpfleger (»aumonier«) eines Pariser Militärkrankenhauses, L. Reb, der den Herzog bittet, sich um fünf deutsche Waisenkinder in seiner Obhut zu kümmern192. Auch der üblichen Einsendung von Huldigungsgedichten193, musikalischen Veröffentlichungen194 und Bearbeitungen der frisch auf die Bühne gekommenen Oper konnte sich der fürst­ liche Komponist nicht entziehen. Vor allem die Arrangements für Militärmusik erfreuten sich damals großer Beliebtheit195  : So wurde eine Bearbeitung der Musik von »Santa Chiara« durch den Musikdirektor eines Berliner Infanterie­ 188 Für die ausführenden Sänger gab es »prachtvolle Tabatieren«, für die Damen »Armbänder von grossem Werthe«. Dies erwähnt die RMZ (Bd. 6, 1855, S. 326), die auch zwei weitere Aufführungen in Paris vermeldet. 189 »… schon so gekreuzigt – von seinen unzähligen Widersachern«. 190 Brief des Prinzen von Chimay vom 25. Oktober 1855 (StACo LA A 7359, f. 130 und 131). 191 Brief der Forli vom 22. Oktober 1855 (StACo LA A 7359, f. 133). 192 Brief Rebs vom 27. September 1855 (StACo LA A 7359, f. 161). 193 Beispielsweise vom Pariser Dichter Henri Derville (1818–1870  ?), der eine Ode an den »Prince de Saxe-Cobourg« übersandte (StACo LA A 7359, f. 152–143), dafür jedoch keine Gegenleistung erhielt (f. 154). 194 Der deutschstämmige, in Paris lebende Komponist und Gesangslehrer Heinrich Panofka (1807–1887) hoffte den Herzog mit seiner Gesangsschule (»L’art de chanter«) zu beeindrucken (StACo LA A 7359, f. 155–156, 157). 195 Vom Musikverlag Gambaro aus Paris kam die Anfrage an den Herzog, die Oper »Sainte Claire« zur Militärmusik umarbeiten zu dürfen (StACo LA A 7359, f. 158). Die Erlaubnis wurde zwar erteilt, aber mit Hinweis auf die Rechte der Hofkapelle an dem Werk (StACo LA A 7359, f. 159). – Bei einem Militärkonzert in München am 22. Juli 1854 standen tatsächlich zwei entsprechend bearbeitete Stücke aus »Santa Chiara« auf dem Programm (vgl. »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 3. Jg., Nr. 31, vom 3. August 1854, S. 131).

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regiments, mit dem klangvollen Namen Gottfried Piefke (1815–1884)196, später sogar im Briefwechsel des Dirigenten Hans von Bülow (1830–1894) mit Franz Liszt sehr gelobt (»avec infiniment d’habilité«)197. Der Person des Herzogs selbst war schon während der schwierigen Probenphase besondere Aufmerksamkeit zugekommen, denn mehrere französische Zeitschriften veröffentlichten Biografien von ihm198. So nahm im August 1855 die Redaktion der »Revue Générale« aus Paris Kontakt mit Ernst II. auf, um ihm einen sehr ausführlichen Artikel zur Genehmigung vorzulegen199. Es ist wohl die Handschrift Millenets, die auf Geheiß des Herzogs große Teile der Vorlage ausstrich, insbesondere den Abschnitt über Ernsts Vater, sehr persönliche Details (wie die Konfirmation oder Ernsts ausschweifendes Leben in Dresden) sowie einen wie eine lange Entschuldigung anmutenden Absatz über die Verzögerungen der »Santa Chiara«-Premiere in Paris. Auch übermäßiges Lob wollte Ernst II. offenbar nicht in den Veröffentlichungen über seine Person lesen. Was übrig blieb, war ein kurzer, sachlicher Artikel ohne große Schmeicheleien. Ein weiterer Interessent für eine zu diesem Zeitpunkt so gefragte Lebensbeschreibung Ernsts II. war der Herausgeber der Zeitschrift »Panthéon Biographique«, Albéric de Busnes 200. Er wurde bedauerlicherweise ein Opfer des ebenso übereifrigen wie überforderten Oppelt, der den Herausgeber zwar um 100 gedruckte Exemplare des Artikels über den Herzog gebeten hatte, dies dann aber völlig vergaß. So musste der verärgerte de Busnes zuerst bei Millenet in Gotha, dann auch noch beim Herzog selbst um einen Ersatz seiner Unkosten bitten.

196 Auf den nach mancher These das österreichische Schimpfwort »Piefke« für die Deutschen zurückgeht (vgl. den entsprechenden Eintrag bei Wikipedia sowie weiterführende Links). 197 Briefwechsel Piefkes mit der Intendanz bzw. mit Lampert in Coburg vom Juli und August 1857 (StACo LA A 7360, f. 18  ; Theater 8, S. 165 und 187). Piefke erwähnt darin, dass er mit dem Herzog selbst darüber gesprochen habe. – Brief Bülows an Liszt vom 5. Dezember 1859 aus Berlin (Lipsius, Bülow, S. 279ff.). 198 Vgl. hierzu den Nachdruck eines Artikels über Ernst II. aus »Le Guide Musical« in RMZ, Bd. 6, 1855, S. 371f. 199 Schriftwechsel in StACo LA A 7359, f. 81, 82 und 83, Entwürfe auf f. 84 und 85 sowie f. 86–89. 200 Schriftwechsel hierzu in StACo LA A 7359, f. 121f., 143–151. Zum Folgenden.

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Der Verleger Henry Litolff

Einen französischen Verleger für seine Oper ließ der Herzog schon suchen, noch bevor die Premiere in Paris stattgefunden hatte. Am 15. Juli 1855201 erteilte Ernst II. seinen Vertretern Drouet und Oppelt den Auftrag, Partitur und Klavierauszug der »Santa Chiara« »für eine möglichst hohe runde Summe zum besten der Hofkapelle zu verkaufen«. Dazu sollten sie gemeinsam einen geeigneten Verlag in Paris suchen, der sich um die Veröffentlichung in Frankreich, Deutschland und »allen sonstigen Ländern« kümmern solle. Nach anfänglichen Kompetenzstreitigkeiten (Oppelt hätte das wohl gerne allein erledigt)202 trafen die ersten interessanten Nachrichten in Coburg ein. Die meisten Verleger, wie der als erster kontaktierte Louis Brandus (1816–1887)203, waren vorsichtig und wollten erst einmal den Erfolg der Premiere abwarten204. Außerdem war es unter Pariser Musikverlegern üblich, ständig im Kontakt mit den Mitgliedern der Oper zu stehen, um schon während der Probenphase die möglichen Erfolgsaussichten eines neuen Werkes einschätzen zu können205. Da waren die ständigen Streitigkeiten und Konflikte um »Santa Chiara« an der Oper natürlich nicht von Vorteil. Zudem wussten die Verleger, dass der Komponist selbst das Geld für eine Veröffentlichung hatte, und manche scheuten daher die Ausgaben206. Der Herzog reagierte darauf trotzig und betonte, er werde keinerlei Ausgaben für die Veröffentlichung der Oper machen207. Wenn Oppelt und Drouet in ­Paris 201 Briefentwurf vom 15. Juli 1855 aus Coburg an Drouet in Paris (StACo LA A 7359, f. 22f.). Zum Folgenden. 202 Vgl. dazu die Briefe Drouets in StACo LA A 7359, f. 30f. sowie 32f. 203 Vgl. Drouets Brief vom 21. Juli 1855 (StACo LA A 7359, f. 32–33). 204 Vgl. die eher zurückhaltenden Angebote von Brandus (StACo LA A 7359, f. 39, ohne Datum) sowie von Richaut (StACo LA A 7359, f. 63  ; hierzu auch f. 45 und 46), der einen sehr genauen Kostenvoranschlag vorlegt. 205 Dies beschreibt Drouet in seinem Brief vom 27. Juli 1855 (StACo LA A 7359, f. 34f.)  : »Il est vrai que les Editeurs sont en rapport avec les employés du théâtre, et prennent des informations pour connaître d’avance les chances de succès qu’un nouvel opéra peut avoir, et que c’est de mauvais augure pour la réussite de l’ouvrage s’ils ne mettent pas d’empressement pour en faire l’acquisition« (»Es ist wahr, dass die Verleger mit den Theaterangestellten in Verbindung stehen und sich informieren, um im Voraus die Erfolgschancen einer neuen Oper abschätzen zu können, und dass es ein schlechtes Vorzeichen für den Erfolg der Veröffentlichung ist, wenn sie sich nicht um einen Ankauf bemühen«). 206 Auch dieses berichtet Drouet in seinem Brief vom 27. Juli 1855 (StACo LA A 7359, f. 34 und 35). 207 Briefentwurf vom 31. Juli 1855 an Oppelt und Drouet in Paris (StACo LA A 7359, f. 36). Zum Folgenden.

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keinen Verleger finden sollten, werde man eben einen deutschen Verlag nehmen. Auch Drouet schlug schließlich vor, dass eine Veröffentlichung der »Santa Chiara« auf jeden Fall in Deutschland stattfinden solle, wenn die beschenkte Hofkapelle etwas davon haben solle208. Oppelt dagegen brachte sogleich die ebenfalls von ihm übersetzte »Casilda« ins Spiel und wagte in seiner Naivität den Vorschlag, über eine parallele Veröffentlichung eines »Casilda«-Klavierauszugs die Popularität der Werke des Herzogs zu steigern zu versuchen209. Der Herzog zeigte sich wenig interessiert und überließ die Sache ganz Oppelt, der daraufhin den Verleger Benacci-Peschier kontaktierte210. Letzterer sandte auch sofort einen Kostenvoranschlag für den Druck von Partitur und Klavierauszug der »Santa Chiara« nach Coburg und bekundete sein Interesse an »Casilda«211. Dank des unbeirrbaren Oppelt erhielt Benacci schließlich auch den Auftrag für den französischen Klavierauszug der »Casilda«212, während »Santa Chiara«213 – auf Vermittlung Liszts – bei Litolff in Braunschweig landete214. Der in den Coburger Theaterakten überlieferte Empfehlungsbrief Liszts für den vielseitig begabten Henry Charles Litolff (1818–1891) ist ein beredtes Zeugnis engagierten Mäzenatentums und wohldurchdachter Musikpolitik. Der Tonfall Liszts lässt eine Vertrautheit zwischen Schreiber und Adressaten 208 Brief Drouets vom 6. August 1855 (StACo LA A 7359, f. 64 und 65)  : »à Paris, si je ne me trompe, elle [die Hofkapelle] sera dupée«. 209 Vgl. hierzu den Brief von Meyern-Hohenbergs an Oppelt vom 24. Oktober 1855 (StACo LA A 7359, f. 115). 210 Brief Oppelts vom 31. Oktober 1851 aus Brüssel (StACo LA A 7359, f. 118 und 119). 211 Brief und Kostenvoranschlag des Musikverlegers Jean Benacci-Peschier aus Paris vom 7. Oktober 1855 (StACo LA A 7359, f. 140–142)  : Neben dem Druck von großer und kleiner Partitur sowie Stimmen übernehme er auch die Anfertigung des Klavierauszuges (500 frcs), die Anfertigung von Bearbeitungen für alle möglichen Instrumente und Ensembles (Druck und Bearbeitung inklusive  : 2.500 Frcs) sowie alle Korrekturen (500 Frcs)  ; Gesamtkosten inkl. Bearbeitungen, Korrektur etc.: 12.350 frcs (Werbung explizit nicht enthalten). 212 Hierzu mehrere Briefe, aus denen auch zu ersehen ist, dass Benacci den Auftrag schlussendlich an den Verleger Katto weitergab (StACo LA A 7359, f. 202–206). 213 Ab April 1854 hatte die Coburger Intendanz bzw. die Hofkapelle mit den Verlagen Diabelli, Bote und Bock, Breitkopf und Härtel, Schotts Söhne, Schlesinger und Glöggl Kontakt aufgenommen und – unterstützt von dem Gothaer Juristen Meibom – gleich einen ziemlich fordernden Vertragsentwurf mitgeschickt. Nur Diabelli aus Wien machte ein Angebot. Doch in einer Versammlung des zuständigen Komitees der Hofkapelle, die ja vom Herzog die Rechte an dem Werk geschenkt bekommen hatte, wurde beschlossen, »Santa Chiara« zunächst selbst vertreiben zu wollen (StACo Theater 8, S. 1–31, 41–45, 51–58  ; ThStA Gotha, Hofkapellund Theaterangelegenheiten Nr. 13, f. 68f.). 214 Vgl. hierzu die Abschrift eines Briefes von Franz Liszt an den Herzog (StACo LA A 7359, f. 216 und 217, ohne Datum). Zum Folgenden.

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spüren, hier begegneten sich zwei einflussreiche Persönlichkeiten auf Augenhöhe. Litolff war ursprünglich als Klaviervirtuose in Erscheinung getreten und komponierte auch. Durch die Heirat mit der Witwe des Musikverlegers Gottfried Meyer aus Braunschweig wurde er Chef eines renommierten Musik­ verlages, der – wie Liszt hervorhebt – vor allem durch seine »Classische Opern-­ Bibliothek« bekannt war, in der mehr als 100 Opern verschiedener Komponisten im Klavierauszug erschienen waren. Liszt nennt diese Sammlung treffend das »pain quotidien« (»täglich Brot«) der Theaterschaffenden und betont, dass sie sich sehr gut verkaufe. »A mon sens il serait avantageux pour la plus grande circulation de Sa Chiara que la Publication en soit faite par le même Editeur, dans le même format, à bon marché – car le Public est un animal d’habitude et va chercher ses provisions aux mêmes endroits.«215 Er befürwortet also ein Erscheinen der »Santa Chiara« in dieser Reihe. Davon, sich alle möglichen Angebote von allen Seiten einzuholen, hält er ganz offenbar nichts  : »Les affaires de publication sont de nature plus complexe qu’on ne le suppose d’ordinaire. Chaque éditeur ne convient pas à chaque ouvrage et il faut avoir acquis une certaine expérience en ces matières pour bien discerner les conditions les mieux appropriées à tel cas donné.«216 Litolff sei vor ein paar Monaten bei ihm in Weimar vorbeigekommen und habe ihn um eine Empfehlung nach Gotha gebeten. Das musikalische Talent Litolffs sei dem Herzog ja sicher bekannt. Durch seine Doppelstellung sowohl als guter Künstler wie als Verleger sieht Liszt in Litolff eine Art »personage amphibie«, lobt seine Intelligenz, sein gesundes Selbstbewusstsein und seinen Ehrgeiz. Liszt betont, er kenne Litolff gut genug, um sich für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit ihm zu verbürgen. Daher – und hier kommt Liszt ohne Umschweife zur Sache – empfiehlt er dem Herzog, Litolff nach Gotha einzuladen, ihn sich dort als Künstler präsentieren zu lassen und dafür zum Ritter seines Hausordens zu ernennen. So werde Litolff endlich seine »virginité de sa boutonnière«217 verlieren, und der Herzog könne sogleich zu den Verhandlungen über die Veröffentlichung der Oper 215 »Meiner Meinung nach wäre es für die größtmögliche Verbreitung der Santa Chiara von Vorteil, wenn die Veröffentlichung von demselben Herausgeber, im selben Format, zu günstigem Preis gemacht würde – denn das Publikum ist ein Gewohnheitstier und wird seinen Nachschub immer an denselben Stellen suchen.« 216 »Fragen [Geschäfte] der Veröffentlichung sind komplexer als man gemeinhin denkt. Nicht jeder Herausgeber passt zu jeder Veröffentlichung, und man braucht eine gewisse Erfahrung in diesen Dingen, um zu entscheiden, welche Bedingungen in einem konkreten Fall die geeignetsten sind.« 217 »Jungfräulichkeit seines Knopflochs«. Er hatte also noch keinen Orden erhalten.

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übergehen. Am Ende hebt Liszt noch einmal hervor, dass es Litolff wichtig sei, als Künstler, nicht als Verleger ausgezeichnet zu werden, und bietet sogar noch an, sich diesbezüglich auch noch mit dem Vertreter der Hofkapelle, Töpler, höchstpersönlich in Verbindung zu setzen. Alles geschieht, wie Liszt es geplant und eingefädelt hat  : Litolff kommt nach Gotha (bzw. Reinhardsbrunn), spielt dort und wird mit dem Kreuz des Ernestinischen Hausordens ausgezeichnet218. Nachdem die Eigentümerin der »Santa Chiara«, die Coburg-Gothaer Hofkapelle, die Angebote anderer Verleger mangels garantiertem Honorar abgelehnt hat219, beginnt Litolff schon im Dezember 1855 die Partitur zum Druck vorzubereiten220. Er lässt sich extra eine der Oppeltschen Partituren kommen, die noch die Spuren der Kämpfe in Paris trägt und deren Veränderungen gegenüber der deutschen Vorlage Litolff in den Druck teilweise einarbeitet. Den Klavierauszug mit Text in beiden Sprachen erstellt der versierte Pianist kurzerhand selbst221. Neben dem Druck der herzoglichen Oper, die Litolff auch in den üblichen Bearbeitungen erscheinen lässt222, nutzt der Verleger auch die Möglichkeit, sich als Künstler dem bekannten Gönner zu präsentieren  : So widmet er Ernst II. seine vierte Sinfonie und erzählt in seinen Briefen auch von allen möglichen weiteren Kompositionen und musikalischen Aktivitäten223. Der Herzog scheint nun als Protektor des äußerst begabten, aber oft kränkelnden Litolff an die Stelle Liszts getreten zu sein (oder zumindest neben diesen)224. Der fürstliche Komponist ist »sehr 218 Vgl. hierzu StACo LA A 7359, f. 219 und 222. – Liszt selbst war wohl auch dabei  ; denn am 4. September 1855 schreibt er in einem Brief an die Gräfin Sayn-Wittgenstein, er habe das Wochenende mit Litolff in Reinhardsbrunn verbracht (Liszt, Briefe, Bd. 4, S. 257f.). Schon am 22. August 1855 schreibt er dazu  : »[…]car la continuité de mes bonnes relations avec le Duc m’est agréable.« (»denn die Fortsetzung meiner guten Beziehungen zum Herzog ist mir angenehm«) (Lipsius, Lettres, S. 249). 219 Brief Töplers vom 16. August 1855 (StACo LA A 7359, f. 218). 220 Vgl. hierzu den Brief Litolffs vom 15. Dezember 1855 (StACo LA A 7359, f. 220f.). Zum Folgenden. 221 Übrigens musste dieser Klavierauszug wegen des anhaltenden Interesses an der Oper in den Jahren 1877 und 1878 mit viel Aufwand noch einmal neu aufgelegt werden (vgl. Schriftwechsel in StACo LA A 7363, f. 214–216, 235–237, 334f., 361f., 367–374 sowie in LA A 7364, f. 61). 222 Zum Beispiel die Ouvertüre in Bearbeitung für Klavier (2- und 4-händig). Zur Ausgabe eines kompletten Klavierauszugs zu 4 Händen vgl. den Schriftwechsel aus dem Jahr 1860 (StACo LA A 7360, f. 97–99, 104–123). 223 Hierzu der Schriftwechsel in StACo LA A 7359, f. 220–239. 224 Am 14. März 1856 schreibt Liszt an den Dirigenten von Bülow, Litolff habe mit seinen Ouvertüren »Robespierre« und »Girondins« in Gotha Furore gemacht (Lipsius, Bülow, S. 174f.).

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­befriedigt von der vorzüglichen Herausgabe«225 seiner Oper und wird auch nicht gezögert haben, die erbetenen Empfehlungsschreiben für Litolff auszustellen, beispielsweise an den Hof seines Onkels Leopold, König der Belgier226. Umgekehrt bietet Litolff auch sofort wieder seine Dienste als Verleger an, als er hört, daß Ernst II. an einer neuen Oper schreibe227. Die Litolff’sche Ausgabe der »Santa Chiara« in der Reihe »Bibliothek classischer Opern« bildet auch die Grundlage für eine sehr ausführliche Besprechung des Werkes in der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung« vom August 1865228. Der Artikel beginnt mit einer umfangreichen Fußnote zum Namen des Komponisten, in der – wie in so vielen Besprechungen – die Versicherung abgegeben wird, man schreibe hier die erste wirklich unabhängige und völlig unvoreingenommene Kritik zu der Komposition des deutschen Herzogs. Die bisherigen Opern Ernsts II. seien »von der Kritik noch wenig berücksichtigt worden«229, und wenn, dann entweder über- oder unterschätzt worden, je nach politischer Windrichtung. »Santa Chiara« habe man zur Besprechung ausgewählt, weil sie als die »gereifteste, wirkungsvollste« Oper des Herzogs gelte. Nach einer blumigen Beschreibung der künstlerisch nicht unergiebigen Studentenzeit von Ernst und Albert fällt der Verfasser als Erstes über die Librettistin der »Santa Chiara« her  : Das Sujet sei gut, die Dichtung schlecht. »In den gewöhnlichsten Reimereien […] leiern sich ganze Seiten hin.« Formulierungen wie »Wie so viele ihrer Lust- und Schauspiele lässt sich auch dieser Text kaum lesen …« oder »Wie die meisten übrigen Dichtungen der Verfasserin …« lassen darauf schließen, dass der Autor einer derjenigen zeitgenössischen Theaterkritiker war, die die äußerst erfolgreiche Bühnenschriftstellerin nicht ausstehen konnten. In der anschließenden genauen Beschreibung des Handlungsfortgangs fallen die Varianten auf, die von verschiedenen Szenen existieren230. Meistens betreffen sie die Erklärung des Scheintodes und der Rettung Charlottes, die im dritten Akt ja auf einmal »Chiara« heißt231. 225 Antwortvermerk auf einem Brief Litolffs vom August 1856 (StACo LA A 7359, f. 235). 226 Litolff hatte eine »Ouverture« über die belgische Nationalhymne komponiert, diese dem belgischen König gewidmet und hoffte sie nun vor großem Publikum in Brüssel zu dirigieren (StACo LA A 7359, f. 224, 227f.). 227 StACo LA A 7359, f. 238 und 239. 228 AMZ, Nr. 33, vom 16. August 1865 (Teil 1) und AMZ, Nr. 34, vom 23. August 1865 (Teil 2). 229 AMZ, Nr. 33, vom 16. August 1865, Sp. 537 (Titelseite). Auch zum Folgenden. 230 Dies wird auch als Fußnote erwähnt (AMZ, Nr. 33, vom 16. August 1865, Sp. 542). Zum Folgenden. 231 Wie auch aus dem Briefwechsel zur Pariser Aufführung zu ersehen war, trauten nicht alle Regisseure ihrem Publikum zu, diesen Vorgang ohne erklärende Szene zu verstehen.

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Im zweiten Teil seiner Besprechung232 konzentriert sich der Verfasser auf die Musik. Dabei lässt er zunächst einmal alle Unvoreingenommenheit fahren, die er noch zu Beginn des ersten Teils so leidenschaftlich versprochen hat, indem er betont, dass »ein fürstlicher Autor durch die ihm zu Gebote stehenden Mittel, sowie durch den Glanz des Geschlechtes, seinen Werken leichter als sonst geschieht die Bahn ebnet und die Aufmerksamkeit auf dieselben lenkt«. Dann geht er sofort zum Angriff über, mit einem Vorwurf, der Ernst II. hart treffen sollte  : »Es nimmt uns nun Wunder, dass dieselbe Persönlichkeit, die in der Politik einen so entschieden national-deutschen Standpunkt vertritt, und zwar mit einer bei dem Unterschied der rationalen Machtverhältnisse doppelt anerkennungswerthen Beharrlichkeit und Energie, in der Musik, und speciell in den eigenen Opern-Produktionen dem deutschen Kunst-Standpunkte nicht ebenso treu geblieben ist.« Mit dieser Einschätzung stellt sich der Autor gegen den Großteil der übrigen Kritiker. Seine bemerkenswerte Position wird noch deutlicher, als er die Merkmale der deutschen, französischen und italienischen Oper nennt. Die deutsche Musik müsse »dem äusseren Schönheitsprincip gerecht werde[n], dann wahrhaft, keusch und doch tief und lebendig im Ausdruck« sein und »weder von dem rein sinnlichen Element der Melodie und des Rhythmus ausschliesslich beherrscht werde[n], noch einem übermässigen Luxus in Nebendingen huldige[n].« Die französische Oper sei gar nicht in der großen Oper, sondern in der komischen stark  ; und die Italiener könnten nur »sprudelnd lebendig« schreiben. Die »wahrhaft tragische Oper« kann für den Verfasser nur deutsch sein  ; allerdings habe sie in den letzten Jahren stark gelitten. Im Folgenden attackiert der Rezensent all die Stellen der »Santa Chiara«, die an anderen Orten Gefallen gefunden haben  : die Chöre, die Ballettmusik, die virtuosen Solostellen. Immerhin lobt er den Komponisten dafür, dass sich die Oper noch erkennbar in Musikstücke aufteile und dass er in Tonarten agiere. Nachvollziehbarer als diese reichlich konfuse Kritik ist der folgende Abschnitt des Artikels, in dem der Autor auf die musikalische Charakterisierung der Figuren eingeht. Er bemängelt, dies geschehe in »Santa Chiara« eher schablonenhaft und lasse die Personen wenig lebendig erscheinen. Die von ihm angeführten Beispiele zu Charlotte (Nr 5. »Fremd steh’ ich hier« sowie das Solo im Finale des I. Akts »Es ist gescheh’n«), bei denen sich hochdramatischer Text mit heiterer Musik mehr schlecht als recht verbindet, bezeichnet der Schreiber als von »italienischem Charakter«. Die Männerrollen sowie die Ensemblestücke hält er für besser gelungen, in den Chören dagegen fehlt ihm 232 AMZ, Nr. 34, vom 23. August 1865, Sp. 553 (Titelseite) – 559. Zum Folgenden.

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die Polyphonie – und damit das deutsche »Kunstprincip«. Zum Abschluss bedauert der Autor noch einmal, dass das unbestreitbare Talent und der gute Wille des Dilettanten sich leider nicht einer anderen »Geschmacksrichtung« zugewandt habe, und wirft ihm mit den letzten Worten noch nach, »dadurch aber zur Verdrängung des deutschen Wesens in der Kunst auf heimathlichem Boden beizutragen«. Trotz des eingestreuten Lobs für manches musikalisch Gelungene und trotz der Anerkennung für die hinter dem Werk stehende Begabung dürfte es sich hier um eine der giftigsten Kritiken handeln, die gegen eine Oper Ernsts II. geschrieben wurde. Sollte er sie gelesen haben, hat sie ihn sicher nicht kaltgelassen.

Zwischenspiel  : Musik für besondere Anlässe

Ernst II. war stolz auf sein künstlerisches Schaffen und präsentierte seine Werke gerne auch anderen Fürsten oder hochrangigen Familienangehörigen. Er ließ seine Klavierauszüge (besonders im Falle von »Santa Chiara«) ungebeten an mehrere Höfe verschicken233 und setzte die Oper auf den heimischen Spielplan, wenn er hohen Besuch erwartete. Vielleicht suchte er Anerkennung und Bestätigung, auch Verständnis für seine vielfältigen Interessen und seine besondere Leidenschaft für das Theater. Ob er das erreicht hat, mag dahingestellt bleiben  ; auf jeden Fall wird es den Gästen imponiert haben, beim üblichen abendlichen Gang ins Theater bei einem Staats- oder Verwandtenbesuch ein Werk aus der Feder des Gastgebers zu sehen. Und es waren nicht wenige hochrangige Herrschaften, die Ernst II. im Laufe seiner Regierungszeit in seinem Hoftheater begrüßen konnte. Abgesehen von berühmten Theaterdirektoren und Komponisten, die von der Coburger Intendanz auch oft eingeladen wurden, gab es vom jungen Erbprinzen bis zum deutschen Kaiser Vertreter jedes Ranges in den Theatern in Coburg und Gotha zu bewundern. Sehr aufschlussreich hierzu sind die Aufzeichnungen der Orchestermusiker in den Aufführungsmaterialien der herzoglichen Opern, die in der Theaterbib-

233 Vgl. hierzu verschiedene Dokumente in StACo Theater 3683, in denen Einnahmen aus Spenden und Druckkostenzuschüssen vermerkt sind, sowie Briefe der Höfe und Gesandtschaften, die den Klavierauszug entweder höflich dankend annahmen oder auch zurücksandten. So erhielten beispielsweise Prinz Alexander von Württemberg (1804–1881) und Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen ebenso eine musikalische Sendung aus Coburg wie die österreichische und die bayerische Gesandtschaft in Dresden (1856), die beide den Auszug retournierten.

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liothek234 überliefert sind. Vor allem die Musiker, die während der Vorstellung nicht die ganze Zeit spielen mussten, also besonders die Blechbläser, hatten Zeit und Muße, am Rande ihrer Stimmhefte zu notieren, wann das jeweilige Stück gespielt wurde und welcher besondere Anlass möglicherweise gegeben war235. Neben »Casilda« und »Diana von Solange« ist es vor allem das Material zu »Santa Chiara«, das mit Anmerkungen und Kommentaren geschmückt wurde. So wurde in einer »Trombone Basso«-Stimme natürlich vermerkt, dass die Premiere am 2. April 1854 in Gotha »unter Direction des Dr. Liszt« stattfand. Auch die Anwesenheit Giacomo Meyerbeers bei Probe und Aufführung am 8. April 1855 war einen Hinweis wert236. Am 25. Mai 1855 war dann der erste hohe Gast zu Besuch, der aber nicht die ganze Oper zu sehen bekam  : »Ouverture u. Scenen bei der Anwesenheit des Königs Johann von Sachsen«. In der Regel fiel Verwandtenbesuch in Coburg und Gotha stets hochrangig aus, und oft wurde »Santa Chiara« als Festvorstellung angesetzt. Einige Beispiele aus den erwähnten Aufzeichnungen der ausführenden Musiker237  : • 17. Februar 1856 Besuch des Prinzen von Nassau, • 29. November 1857 Besuch des Herzogs von Flandern, • 29. Mai 1858 Besuch des Bruders Prinz Albert, Gemahl der Königin Victoria von England, • 13. April 1860 Besuch des Prinzen August von Coburg-Koháry (mit Gemah­ lin und Prinzen), des Prince of Wales sowie des Fürsten von Ratibor. Besonderer Glanz erfüllte das Coburger Hoftheater am 18. April 1876, als der Bassposaunist merklich beeindruckt notiert  : »3ter Osterfeiertag bei Anwesenheit des deutschen Kaisers Wilhelm und der [sic] Kronprinz von Preußen 234 LBC TB Op 243. 235 Dabei ergänzten manche ihre Datenangaben mit mehr oder weniger witzigen Sprüchen  ; wie zum Beispiel ein zweiter Chorbassist, der in seine »Santa Chiara«-Stimme notierte  : »Santa Chiara/Ein Herzog hat mich geschrieben/doch wär es besser unterblieben/Geruht hab ich sehr lange im Archiv/denn die Geschicht ging seiner Zeit sehr schief.« Es handelt sich dabei wohl um einen Kommentar aus späterer Zeit  ; so wie in der Stimme eines 1. Chortenors  : »Diese Oper hat 1927 vollständig ihre Wirkung verfehlt.« 236 Näheres hierzu im Abschnitt über Giacomo Meyerbeer. 237 Hinweise und Daten entnommen aus den Stimmheften  : »Trombone Basso« (zwei Ex.), »Cello e Basso«, »Tromba I+II«. Manchmal ist die Zuordnung von Daten zu genannten Personen aufgrund der handschriftlichen Fassung und der teilweise chaotischen Anordnung nicht ganz eindeutig.

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nebst Gemahlin – und Sohn Friedrich Wilhelm und Prinzez [sic] Beatrice von England«. Oft wurde auch nur die mitreißende Ouvertüre gespielt, quasi als musikalische Visitenkarte. Hier die Aufzeichnungen der Musiker dazu  : • 22. März 1855 »Ouverture aufgeführt bei dem Schauspiel  : Euer König  : im Herzogl. Schloß Friedenstein in Gotha wobei die hohen Herrschaften das Stück aufführten«238, • 6. Februar 1856 Ouvertüre gespielt »bei dem großen Concert des Hr. Berlioz aus Paris«239, • 12. Mai 1857 »Ouverture gemacht bei der Anwesenheit Sr. Königl. Hoheit Prinz Alfred von England«, • 9. April 1858 »Ouverture u. Fackeltanz aufgeführt bei der Anwesenheit I. K. H. Prinz u. Prinzeß von Preußen«. Daneben waren es auch regelmäßig Familienfeiern im kleinen Kreise, die mit der eigenen Musik begangen wurden. Am häufigsten war dies – und das trifft auch auf die anderen Opern Herzog Ernsts II. zu – der Geburtstag seiner Frau, der Herzogin Alexandrine, am 6. Dezember. In einer »Trombone Basso«-Stimme ist beispielsweise die Aufführung von Ouvertüre und 2. Akt der »Santa Chiara« als Geburtstagsvorstellung am 6. Dezember 1870 vermerkt. Übrigens wurde diese Kombination (Ouvertüre und 2. Akt) öfters gespielt, sie stellte für den Herzog offenbar eine repräsentative Version seiner Musik dar240. Am 3. Mai 1892, dem Tag der goldenen Hochzeit von Ernst II. und Alexan238 Im Hoftheater des Schlosses Friedenstein erklang die Ouvertüre an diesem Tag als Auftakt zu dem Lustspiel »Ein Ring« (von Birch-Pfeiffer), in dem der Herzog selbst neben anderen Angehörigen des Hofes spielte (wie ein Violaspieler in seiner Stimme respektlos vermerkt  : »Allerhöchste Herrschaften u. mehrere Affen«, s. LBC TB Op 243). Ernst II. hatte schon am 12. März 1855 die Autorin nach Gotha eingeladen (Brief Ernsts vom 12. März, in DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, b. 2, VIII 12181). Ein Theaterzettel hat sich nur zur Aufführung am 17. März 1855 erhalten (LBC Cob Q 62,24, Nr. 21). Dort werden drei Stücke als »Entr’­ actes« erwähnt, die entweder vom Herzog selbst stammen oder von seinen Themen Gebrauch machen (Festmarsch  ; »Chiara-Quadrille« von Krämer, »Casilda-Quadrille« von Fahrbach). 239 Am 6. Februar 1856 dirigierte Hector Berlioz in Gotha in einem Konzert neben der Ouvertüre zu »Santa Chiara« auch seine Komposition »L’Enfance du Christ«, op. 25 (vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 50). 240 So wurde dieser Ausschnitt wohl auch am 25. Mai 1855 in gewagter Kombination mit dem Lustspiel »Frauenkampf oder Duell der Liebe« beim erwähnten Besuch des Königs Johann I. von Sachsen (1801–1873) gespielt  ; sowie am 29. November 1857 in Anwesenheit des Grafen Philipp von Flandern (1837–1905), des zweiten Sohnes des belgischen Königs Leopold (LBC TB Op 243, »Tromba II«).

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drine, kam dann noch das von Ernsts Bruder Albert komponierte »Te Deum« dazu. Ein weiterer besonderer Anlass, den die Musik der »Santa Chiara« begleiten durfte, war die Fertigstellung der neuen Dekoration im Thronsaal des Schlosses Friedenstein  : Am 30. Dezember 1873 wurde sie mit einem Hofkonzert daselbst begangen. Auch nach seinem Tod diente »Santa Chiara« im Besonderen als Erinnerungsstück an Ernst II., sie wurde zum Beispiel zu einer »Gedächtnisfeier« am 24. September 1893, also kurz nach seinem Tod, gespielt. Auch anlässlich des 100. Geburtstages des Komponisten (21. Juni 1918) sowie zur Hundertjahrfeier des Hof-, dann Landestheaters (1927) erklang die Musik seiner vierten Oper241.

Die Verbreitung von »Santa Chiara«

Größere Bühnen Frankfurt am Main – noch vor Paris Die erste deutsche Bühne, die nach »Santa Chiara« fragt, ist das Stadttheater von Frankfurt am Main. Dessen erfahrener Direktor Johann Hoffmann (1803–1865) war in Gotha bei der Premiere von »Santa Chiara« dabei242 und will das Werk nun selbst auf die Bühne bringen. Am 15. April 1854 beruft er sich in seinem Brief nach Coburg darauf243, dass der Herzog ihm die Oper »anvertraut« habe (er also die Zustimmung zu einer Aufführung bereits erhalten habe), bittet um Partitur, Regiebuch, Dekorations- und Kostümskizzen sowie Angaben zum Honorar und fragt außerdem nach, ob die Oper »mit der beabsichtigten Änderung des 3.n Actes« sofort oder erst im Herbst auf die Bühne kommen solle. Wie zu erwarten, wird er in der Antwort244 darauf hingewiesen, dass die Oper erst in Paris gespielt werden solle. Außerdem müsse man die vorgesehenen Änderungen im dritten Akt abwarten und sich ansonsten wegen der Honorarfrage an die Hofkapelle wenden, deren Eigentum die Oper sei. Doch 241 Diese Daten entstammen dem Aufführungsverzeichnis LBC TB WW 773. 242 Er ist als Gast genannt im Artikel der »Gothaischen Zeitung«, 163. Jg., Nr. 79, vom 3. April 1854. 243 StACo Theater 8, S. 33. Zum Folgenden. 244 Entwurf des Schreibens vom 22. April 1854 (StACo Theater 8, S. 34f.). Zum Folgenden. – Im selben Brief wurde wohl auch ein Frl. Steinhauser nach Frankfurt empfohlen, was aus der nächsten Zuschrift vom 18. Mai 1854 hervorgeht (StACo Theater 8, S. 37ff.).

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es bleibt nicht bei den Änderungen im dritten Akt245, und die Angelegenheit zieht sich lange hin, so dass man im Briefwechsel auch die Zeit hat, beispielsweise den neuen »Mondapparat« des Technikers und Erfinders Romuald Božek (1814–1899) aus Prag zu diskutieren246. Im September 1854 schließlich erhält Hoffmann erste Teile des Materials, muss aber noch mehrmals nach den Skizzen fragen und erneut versichern, die Oper nicht vor ihrer Premiere in Paris aufzuführen247. Dafür empfängt er am 1. Februar 1855 dann als Zeichen des Dankes und der Anerkennung »für die Sorgfalt«, mit der in Frankfurt »Santa Chiara« einstudiert und in Szene gesetzt worden sei248, eine kostbare Dose vom Coburger Herzog249. Parallel zum Schriftwechsel mit der Intendanz entspinnt sich auch eine Kommunikation mit dem Coburger Musikdirektor Töpler, der im Namen der Hofkapelle über das Honorar für »Santa Chiara« verhandelt250. Hoffmann, der ja im Gegensatz zu den Hoftheatern ein privates Unternehmen führt, bittet um einen fairen Preis251  : »Das Honorar betreffend, kann ich nicht umhin, Ihnen aufrichtig zu sagen, daß 25 Friedrichsd’or für die Frankfurter-Theaterverhältniße eine etwas überspannte Forderung sind. Für ›Toni‹ wurde nicht mehr als 15 Friedrichsd’or verlangt.« Man einigt sich dann auf eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung252  ; aber die Forderung eines höheren Honorars (als bei »Tony«) deutet auf ein gestiegenes Selbstbewusstsein auf Coburger Seite hin. Nach der erfolgreichen Premiere von »Santa Chiara« in Frankfurt am 23. ­Januar 1855253 (letztendlich also doch vor Paris  !) kommt es noch zu ei245 »Die ganze Oper, nicht nur der lezte Akt, erleidet namhafte Umarbeitungen«, schreibt der Coburger Theatersekretär Adalbert Fugmann am 27. Mai 1854 nach Frankfurt (StACo Theater 8, S. 39). 246 Hoffmann am 18. Mai 1854  : »Ich verschreibe mir zu Santa Chiara den neuen Mond Aparat vom Mechaniker Bozek in Prag.« – Darauf Fugmann am 27. Mai 1854  : »Wie theuer kommt der Mondapparat fix und fertig  ?«, was Hoffmann im nächsten Brief vom 19. Juni 1854 detailliert beantwortet (StACo Theater 8, S. 37ff., 39, 59f.). 247 StACo Theater 8, S. 61f., 63f., 67f., 73. 248 Theaterzettel zu den Frankfurter Aufführungen finden sich lt. Katalog auch in LBC Mus 844. 249 StACo Theater 8, S. 79. 250 StACo Theater 9, f. 5, 6, 15–20. Zum Folgenden. 251 Brief Hoffmanns an Töpler vom 1. Oktober 1854 (StACo Theater 9, S. 17f.). 252 So zu lesen in der Antwort Töplers vom 4. Oktober 1854 (StACo Theater 9, S. 19f.). 253 Hinweis auf die Premiere »mit brillanter Ausstattung« in der »Neuen Wiener Musik-­Zeitung«, 4. Jg., Nr. 6, vom 8. Februar 1855, S. 25. Vgl. außerdem einen Hinweis auf die am 4. Februar des Jahres bereits zur »Zugoper« gewordene »Santa Chiara« im »Frankfurter Journal« (LA A 7368, abgedruckt in Bartholomäus  : »Urtheile der Presse«).

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ner peinlichen kleinen Auseinandersetzung mit und wegen Hoffmann. Wie ­üblich hatte die Coburger Intendanz Informationen über den Geschäftspartner, in diesem Falle eben den Theaterdirektor Hoffmann, einholen lassen, um genau zu wissen, mit wem man es zu tun habe. Der Informant, der mit dem in Gotha seit Jahrhunderten bekannten Namen Buddeus unterzeichnet254, lässt kein gutes Haar an »Herrn H.«255. Letzterer habe schon seine früheren Wirkungsstätten Riga und Prag verlassen müssen und werde auch in Frankfurt bald vor die Tür gesetzt werden, indem man ihm »alle Subventions- und Erleichterungsverträge«256 für sein Theater entziehe. Anlass der Lästerung ist ein durchaus ungewöhnliches Benehmen Hoffmanns gegenüber Herzog Ernst II.: Er bedankt sich zwar artig für die ihm als Geschenk überreichte Dose257, sendet sie aber postwendend wieder zurück, da »regierungsfeindliche Blätter« das Gerücht verbreiten, er wolle sich vom Herzog die Kosten für die Inszenierung der Oper erstatten lassen. Um jeden Eindruck zu vermeiden, er habe sich vom Herzog kaufen lassen, legt Hoffmann außerdem 100 Taler als Bezahlung für die Partitur bei. Buddeus kann sich mit diesem selbstbewussten Auftreten des Theaterdirektors gar nicht anfreunden und unterstellt ihm weitere Schandtaten  : So habe Hoffmann nach der Aufführung der herzoglichen Oper »so gemein gehandelt, wie es von ihm zu erwarten ist. Er hat z. B. erklärt, Sr. Hoheit habe den darstellenden Mitgliedern kein dankendes Wort zukommen lassen, während dies doch durch mich mündlich u. soviel mir bekannt, durch Hr. von Wangenheim ihm schriftlich aufgegeben wurde, den Mitgliedern auszusprechen.«258 Eine Reaktion des Herzogs oder seines Umfelds ist nicht bekannt. Aber jedenfalls scheint hier einer der selteneren Fälle vorzuliegen, in dem ein Verantwortlicher des Theaters eben gerade den Anschein vermeiden will, er habe eine besondere Beziehung zum Herzog. Ernst II. als Komponisten selbst kann das kaum wehgetan haben, stärkt es doch die Ansicht, sein Werk werde gespielt, weil es wert sei, auf die Bühne gebracht zu werden, und nicht weil es Orden dafür gebe.

254 Wahrscheinlich Aurelio (Aurelius) Buddeus (1817–1880), Schriftsteller, Mediziner, auch ­Redakteur der »Augsburger Allgemeinen Zeitung«. 255 StACo LA A 7358, f. 182–185, 190, 203. Zum Folgenden. 256 Brief vom 7. März 1855 (StACo LA A 7358, f. 203). 257 Brief Hoffmanns vom 5. Februar 1855 (StACo LA A 7358, f. 184f.). Zum Folgenden. 258 Brief Buddeus’ vom 7. März 1855 (StACo LA A 7358, f. 203).

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Karlsruhe – zu welchem Preis  ? Mit dem Direktor des Karlsruher Hoftheaters, Eduard Devrient, interessierte sich einer der bedeutendsten Theatermacher seiner Zeit für die Opern Herzog Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha. Devrient, der seit 1852 die Bühne in Karlsruhe leitete, hatte schon »Casilda« auf dem Spielplan. Nun fragt er im August 1854 auch nach »Santa Chiara«259. Nachdem er – wie alle anderen Interessenten – in der ersten Antwort zunächst auf die Priorität der Pariser Premiere verwiesen wurde, wird ihm am 24. Oktober 1854 als einem der Ersten mitgeteilt, dass er »Santa Chiara« nun doch aufführen dürfe, da »durch den Durchgang des Frl. Cruvelli in Paris, die dortige Aufführung noch für längere Zeit hinausgeschoben worden ist«260. Devrient, der die neue Oper gleich nach Abschluss der Proben zum »Tannhäuser« in Angriff nehmen will, lädt wie üblich den fürstlichen Komponisten zur Premiere ein und verspricht ihm in e­ inem Brief vom 4. Februar 1855, gleich zwei seiner Opern zu spielen ­(»Casilda« und »Santa Chiara«), wenn der Herzog nur lange genug bleibe261. Mit Töpler von der Hofkapelle verhandelt Devrient über die Zusendung des erforderlichen Materials262. In der Honorarfrage verhält sich Töpler ebenso unsicher wie im Falle des Frankfurter Stadttheaters  : Im Grunde überlässt er dem Gegenüber die Bestimmung des Betrages, mit der Begründung, dass er dessen genaue finan­zielle Verhältnisse nicht kenne263. Wenn dann vom Käufer eine Summe angeboten wird, ist er aber auch nicht zufrieden und fordert mehr264. An dieser zögerlichen Art wird sichtbar, wie ungewohnt es für Künstler noch war, ihre Rechte durchzusetzen und Geld für ihr Schaffen zu verlangen. Da viele Musiker auch im 19. Jahrhundert noch von der Gunst eines Fürsten 259 StACo Theater 8, S. 65f., 67f., 71f., 77, 83–86, 97a. Zum Folgenden. 260 Brief an Devrient vom 24. Oktober 1854 (StACo Theater 8, S. 71f.). 261 StACo Theater 8, S. 83–86. Wie aus dem Brief hervorgeht, war Devrient auch einmal zu Besuch im »Schloße zu Coburg« gewesen. – Der Herzog konnte die Premiere in Karlsruhe nicht besuchen (S. 97a). 262 StACo Theater 9, f. 11–13, 23–25, 43, 45–47. 263 StACo Theater 9, f. 12f. 264 StACo Theater 9, f. 23f.: Devrient bietet am 23. November 1854 den Betrag von 150 fl. rhein. an, was dem Honorar für »Casilda« und (umgerechnet) auch den 15 Louisd’or für Wagners »Tannhäuser« entspreche. – Darauf antwortet Töpler am 8. Dezember 1854 mit der vorwurfsvollen Behauptung, 150 fl. seien sogar von den kleinsten Direktionen angeboten worden, und der »Tannhäuser« koste 20 Friedrichsd’or. Erneut bittet Töpler im Namen der Hofkapelle um ein »entsprechendes Honorar«, wieder ohne einen konkreten Betrag zu nennen. (f. 24–25) – Man einigt sich schließlich auf die gebotenen 150 fl. rhein. (f. 43, 45f., 47).

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lebten, fiel es schwer, Preise festzulegen, die Leistungen bewerteten und vergleichbar machten. Das Urheberrecht, das noch in den Kinderschuhen steckte und auf vielerlei Weise umgangen wurde, vermittelte noch kein Gefühl der Rechtssicherheit, weswegen es sich niemand leisten konnte, mit seinen Forderungen zu überziehen. Andererseits war man sich durchaus bewusst, dass es keinen Sinn hatte, sich unter Wert zu verkaufen  : Was billig war, konnte nicht viel taugen. Käufer wie Verkäufer behalfen sich mit dem Vergleich ihrer Preise mit Stücken, die sie für vergleichbar hielten (hier waren das Wagners »Tannhäuser« und »Santa Chiara«  !). Im Falle der Opern Herzog Ernsts II. kommt die Schwierigkeit hinzu, dass die Einnahmen ja nicht an ihn als Komponisten gehen, sondern verschenkt wurden. Im Falle der »Santa Chiara« kann die Hofkapelle für jeden Groschen dankbar sein, den sie für ihre Kasse erhält. Eine Unterbewertung des verkauften Werkes jedoch wäre einer Beleidigung des herzoglichen Komponisten gleichgekommen. Daher entschließt sich Töpler wohl, die Bestimmung des Preises dem Geschäftspartner anheimzustellen  ; er selbst vermeidet dadurch einen Fauxpas gegenüber seinem Geldgeber. So erklären sich auch die unterschiedlichen Beträge, die von verschiedenen Bühnen gezahlt wurden und die sich aus den Auflistungen der Einnahmen aus dem Verkauf von »Santa Chiara« entnehmen lassen (Honorare/Tantiemen, Notenmaterial, Textbücher)265. Hamburg – drei Mal »Santa Chiara« In Hamburg war der bereits erwähnte Theateragent Carl Albert Sachse sehr aktiv, er meldet sich erstmals im Januar 1855 wegen »Santa Chiara« in Coburg266. Ende Januar werden Partitur, Textbücher und Stimmenmaterial nach Hamburg geschickt267, kurz nachdem sie noch für eine Aufführung der »Santa Chiara« am 28. Januar in Gotha benützt worden sind. Sachse lässt die Noten sofort kopieren und muss sie schon Mitte Februar wieder zurückschicken, da Herzog Ernst II. »mehreren fremden hohen Gästen zu Gefallen« die Oper

265 Zu den über die Jahre eingegangenen Honoraren und Einnahmen, aber auch Kosten für den Versand von »Santa Chiara« vgl. insbesondere StACo Theater 9 (f. 1), Theater 3683, 3685 sowie 3385. 266 Schriftverkehr mit Hamburg zu »Santa Chiara« in StACo Theater 8, S. 81, 87f., 89, 91–97  ; LA A 7358, f. 174–181, 186–189, 191  ; LA A 7360, f. 10, 27  ; LA A 7364, f. 75f.; Theater 14, f. 43, 46f., 49–51. 267 StACo Theater 8, S. 95f.

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schon wieder aufs Programm gesetzt hat268. Offenbar war Sachse, der sich in seinem Briefkopf selbstbewußt bezeichnet als269 »Agent des ungarischen Nationaltheaters in Pesth [sic] für Deutschland«, »Herausgeber des Bühnen Manual«, »Königl. Schwed. Hoftheater Agent«, »Eigenthümer der Hamb. Theater Chronik«, »Special Agent des Stadttheaters« sowie »Inhaber des ­Theater Magazins«, wegen seines Interesses an der Oper eigens nach Coburg gereist. In der Folge sieht er sich nun (irrtümlich  ?) als bevollmächtigt an, »Santa Chiara« nicht nur in Hamburg zur Aufführung zu bringen, sondern sie auch grundsätzlich »den Bühnen gegenüber [zu] debitiren«. Diese Annahme seiner Bevollmächtigung führt später zu reichlich Ärger mit der Coburger Hof­kapelle, der die Einnahmen aus »Santa Chiara« ja vom Herzog geschenkt worden ­waren. Zunächst einmal jedoch können sowohl Sachse als auch sein Kapellmeister Ignaz Lachner von einer erfolgreichen Premiere der »Santa Chiara« am 21. ­Februar 1855 in Hamburg berichten270. Lachner, dem von Sachse offenbar voreilig versprochen worden war, den Komponisten bei der Generalprobe und der Premiere anwesend zu sehen (was nicht der Fall ist), versichert noch kurz vor der Aufführung271  : »Da ich mir schmeicheln darf, daß selbst mein geringer Name einem so gediegenen Musikkenner wie Ew  : Königl  : Hoheit nicht unbekannt seyn dürfte, so darf ich wagen, die unterthänigste Versicherung auszusprechen, daß ich mir alle Mühe gegeben habe, die Musick den Intentionen des erlauchten Componisten entsprechend einstudiren zu lassen, wozu mich schon der hohe Werth derselben veranlaßt haben müßte  ; doch darf ich nicht verschweigen, daß auch die Ehrfurcht, welche ich vor einem Fürsten hege, der neben der Krone einem Künstlerkranz die Stelle einräumt, ihr [sic] guten Theil daran hatte, meinen Eifer zu spornen.« Glücklicherweise ist dann die Hamburger Premiere tatsächlich »vom besten Erfolge gekrönt«272, so dass Lachner mit stolzgeschwellter Feder nach Coburg vermelden kann273  : »Das Haus war gedrängt voll  ; der Beifall steigerte sich von Nummer zu Nummer. Ganz besonders gefiel im ersten Ackte das Duett zwischen Victor und Alphons  ; das wunderschöne Lied ›Am blumigen Rain‹  ; das herrliche Quartett Nro 4 268 Die nächste Aufführung in Gotha fand am 11. März 1855 statt (vgl. StACo LA A 7360). 269 Brief Sachses vom 22. Februar 1855 (StACo LA A 7358). Zum Folgenden. 270 Briefe dazu in StACo LA A 7358, f. 174f. (Sachse), 176f. (Lachner), 180f. (Sachse), 186f. (Lachner), 188f. (Sachse), 191 (Lachner). 271 Brief vom 13. Februar 1855 (StACo LA A 7358, f. 176f.). 272 Brief Sachses vom 22. Februar 1855, dem Tag nach der Premiere (StACo LA A 7358, f. 174f.). 273 StACo LA A 7358, f. 186f.

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›Er ist’s‹, welches sehr gut ausgeführt wurde und einen langen nachhaltigen Beifall erhielt  ; dann das Duett zwischen Bertha und Charlotte  ; das Quintett Nro 6  ; der Tscherkassentanz und das Finale. – Die Wirkung des zweyten Acktes war eine mächtig ergreifende. Eure Königl  : Hoheit bewiesen hierin ganz besonders dero tiefen [sic] dramatisch=musikalischen Kenntnisse und Mitteln. Es ist ein wahrhaft vollkommen künstlerischer Guß, der in der dramatischen Geschichte den ehrenvollsten Rang einnehmen und behaupten wird. Gestatten Eure Königl  : Hoheit, hierüber meine tiefste Bewunderung und Verehrung ausdrücken zu dürfen. – Nach diesem Ackte wurde das sämtliche Personale stürmisch gerufen. – Die freudigste Wirkung brachten die ebenso originellen als heiteren Chöre und Tänze des dritten Acktes hervor. Die Arie der Charlotte gefiel außerordentlich, und in diesem Grade durchgehends alle Nummern bis zum Schluße, nach welchem wieder das sämmtliche [sic] Personale und dann meine geringe Person stürmisch gerufen wurde.« Am Ende rühmt er sich noch, der Erste gewesen zu sein, der das Werk im »höchsten Norden Deutschlands« aufgeführt habe. Bei allem schmeichlerischen Überschwang war die Premiere tatsächlich gut gelungen. Es gab in relativ kurzer Zeit Wiederholungen der Oper, nämlich am 23. und 25. Februar 1855. Das Publikum »verurtheilte« allerdings den Text274, zollte aber der Musik als »Leistung eines bloßen Liebhabers und Freundes der Kunst« Anerkennung. Auch legten eifrige Musiker sogleich ihre Bearbeitungen vor, die natürlich nicht nur im Streben nach ideellem Gewinn (der Gunst des Theaterherzogs), sondern auch nach greifbarem finanziellen Profit geschrieben wurden275. Sachse selbst verewigte »Santa Chiara« in seinem »Statistischen Handbuch für deutsche Bühnen«276. Noch zwei Mal zieht »Santa Chiara« in Hamburg die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Im Februar 1881 bezeichnet sie der Chefredakteur H. Hartig in seinem umfangreichen Artikel im »Beobachter an der Elbe« als »eine der Lieblings-Opern des Hamburger Publikums«277. Auf der zeittypischen Suche 274 So berichtet es Uhde im Jahr 1879 (S. 400  ; zum Folgenden). 275 Vgl. die »Quadrille« aus Motiven der »Santa Chiara«, vorgelegt vom Orchesterdirektor Wilhelm Constantin Karl Löw (1828–1905), in StACo LA A 7360, f. 27. 276 Carl Albert Sachse  : Statistisches Handbuch für deutsche Bühnen. Wien 1865. Aus dem Artikel wird später noch zitiert. – Sachse legte schon seit vielen Jahren regelmäßig Theaterchroniken und Almanache zu den deutschen Bühnen vor. Ernst II. bat ihn um Berücksichtigung seiner Bühnen darin, was allerdings bereits geschehen war (Antwortvermerk auf Brief Sachses vom Februar 1855, in StACo LA A 7358, f. 188f.). 277 Brief Hartigs vom 6. Februar 1881 an Herzog Ernst II., beigelegt der Zeitungsartikel aus

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nach dem »echt deutschen Kunstwerk« sieht sich der Autor mit »Santa ­Chiara« am Ziel und fasst die wichtigsten Eigenschaften dieses »Meisterwerks« zusammen  : »Es verbindet bei vorherrschend melodiösem Element eine tiefe Wahrheit in der Characteristik und großartige Auffassung der dramatischen Momente  ; zu diesen Vorzügen gesellt sich noch eine höchst effectvolle Instrumentation, welche jedoch alle jene Trivialitäten verschmäht, durch die die Menge gar leicht bestochen wird.« Genau zehn Jahre später, im Februar 1891, bringt der für Hamburg so wichtige und sehr erfolgreiche Theaterdirektor Pollini »Santa Chiara« bei ihrer Wiederaufnahme sogar mit ihrem Komponisten höchstpersönlich zusammen278. Der Erfolg ist gut geplant  : Pollini hat sich vor der Aufführung sorgfältig das Einverständnis Herzog Ernsts II. mit der Besetzung der Hauptrollen gesichert279. Außerdem war von Ebart eigens zu den Proben in Hamburg angereist280. Es stehen aufgrund der anderen anstehenden Opern gute Sänger und Sängerinnen zur Verfügung281, und auch die Zeitungen versichern  : »Das bereits mehrfach mit vielem Beifall aufgenommene Werk des erlauchten Autors wird mit besonderem Glanz und in sorgfältigster Besetzung und Inscenirung über die Bretter gehen.« Voll Zufriedenheit schreibt dementsprechend der gerührte Herzog bei seiner Rückkehr aus Hamburg nach Gotha an seinen Freund Gustav Freytag282  : »Ein frohes Nachspiel zu den Sorgen, die die Pflicht mir auferlegte, bot der Abend in Hamburg. Keiner weiß wie Sie, welche Freude es für den Schaffenden ist, ein Kind seiner Muse vollendet zur Erscheinung dem »Beobachter an der Elbe«, 1. Ausgabe vom Februar 1881, Rezension der Premiere der »Santa Chiara« am 21. Februar 1855 in Hamburg (StACo LA A 7364, f. 75ff.). Zum Folgenden. 278 Aufführung am 5. Februar 1891. Dokumente und Zeitungsausschnitte hierzu in StACo Theater 14, f. 43, 46, 47, 49–51 sowie in Theater 3644 (o. Nr.). – Aus Hinweisen im Orchestermaterial (LBC TB Op 243) gehen folgende weitere Daten hervor  : 6. oder 8. Februar Hamburg, 13. Februar Altona, 17. Februar 1891 Hamburg. 279 StACo Theater 14, f. 43, 46, 47. 280 Vgl. hierzu sieben Zeitungsausschnitte ohne Angabe der Herkunft in StACo Theater 14, f. 50. Auch zum Folgenden. – Von Ebart war Pollini schon einmal in Coburg begegnet (vgl. Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 44). 281 Auf dem Spielplan standen neben »Santa Chiara« unter anderem Wagners »Siegfried« sowie Mascagnis »Cavalleria Rusticana« und »Alessandro Stradella« von Friedrich von Flotow. 282 Tempeltey 1904, S. 338, und Hirschberg 1910, S. 117. – Freytag hatte in seinem Brief vom 9. Februar 1891 an den Herzog die Hamburger Wiederaufnahme von »Santa Chiara« noch unter einem anderen Aspekt gesehen  : »Die Aufführung ist auch deshalb ein gutes Zeichen, weil sie der Reaction des Publikums gegen Wagners Bombast Ausdruck gibt.« (Tempeltey 1904, S. 336).

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gebracht zu sehen. Es war eine wundervolle Aufführung, und die lieben Hamburger von einer Wärme, die im kalten Norden doppelt wohlthuend berührte  ; das hatte mit dem ›Herzog‹ nichts zu thun, in dem spontanen Eindruck fand ich den Wiederhall von dem, was ich einst künstlerisch erstrebt und geleistet.« Umso mehr wird es den Herzog gefreut haben, dass die gelungene Hamburger Aufführung eine weitere erfolgreiche »Wiederbelebung« der »Santa Chiara« nach sich zieht, und zwar in Berlin, wo man das Werk bis dahin geflissentlich ignoriert hat. Und auch die Hofkapelle bedankt sich im Jahr 1891283 noch einmal für das Geschenk des Herzogs (i.e. die Einnahmen aus der Oper), da »in letzter Zeit durch mehrmalichen [sic] Verkauf der Oper der Herzogl. Hofkapelle ein namhafter Betrag zu Gute gekommen« sei. Leipzig – Streit um die Rechte Ärger gibt es mit dem Theateragenten Sachse erstmals im Zusammenhang mit dem Verkauf von »Santa Chiara« nach Leipzig284. Sachse, dem es wichtig ist, dass der Herzog von seinem »Wirken Kenntniß erhalte«285, will unbedingt »Santa Chiara« schon zu Beginn des Jahres 1855 im Stadttheater Leipzig auf die Bühne bringen. Er nimmt daher spätestens im November 1854 Kontakt mit dem Coburger Musikdirektor Töpler von der Hofkapelle auf286, um über seine Vollmacht, das Honorar und die Bedingungen zu verhandeln. Man wird sich offenbar jedoch nicht einig (aufgrund der Kosten für das Abschreiben der Noten)287, so daß es zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Abschluss mit Leipzig kommt. Dort findet die Premiere von »Santa Chiara« dann erst im Jahr 1859 statt. Die Unstimmigkeiten zwischen der Coburg-Gothaer Hofkapelle und Sachse setzen sich fort, als man in Gotha zu Beginn des Jahres 1856 von einer Aufführung der »Santa Chiara« in Graz aus der Zeitung erfährt288. Wie eine Nachfrage Töplers bei Anton Balvansky (1815–1881), dem Direktor des 283 Brief der Hofkapelle an den Herzog vom 19. März 1891 (StACo Theater 14, f. 95). 284 Dokumente zu den Leipziger Aufführungen der »Santa Chiara« in StACo LA A 7358, f. 174f., 178f.; Theater 9, f. 27, 29f., 50, 55–57  ; Theater 8, S. 173–176  ; LA A 7360, f. 79f., 82–88  ; LA A 7362, f. 40–42  ; 48–50  ; LA A 7364, f. 107–109 sowie in LA A 7363, f. 311–314. 285 StACo LA A 7358, S 174f. 286 Schriftwechsel in StACo Theater 9, f. 27, 29f., 50, 55–57. Zum Folgenden. 287 Als Theaterdirektor Springer aus Magdeburg zu dieser Zeit beim Leipziger Direktor Wirsing nach einer Partitur fragte, hatte der noch keine Noten von Sachse erhalten. 288 Brief an den Direktor des Stadttheaters Graz vom 12. Januar 1856 (StACo Theater 8, S. 127). Antwortschreiben vom 18. Januar 1856 (S. 129f.). Zum Folgenden.

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Stadttheaters Graz, ergibt, hatte Sachse eine Partitur dorthin zum »möglichst billigsten Preis« verkauft, nämlich für 60 fl., allerdings ohne in Coburg Nachricht von diesem Gewinn zu geben. Daraufhin schaltet das Komitee der Hofkapelle offenbar gleich zwei Juristen ein. Jedenfalls ist das nächste überlieferte Dokument ein Brief des Hofadvokaten Mücke289 aus Coburg an den Musikdirektor Töpler vom 25. Februar 1856290. Darin fragt Mücke nach, wieso man zehn Prozent der Bruttoeinnahmen jeder Aufführung beanspruche, und rät zugleich, selbst Nachforschungen bezüglich möglicher Einnahmen aus Leipzig und Graz zu betreiben. Am 29. Februar 1856 erfolgt darauf eine ausführliche Antwort aus Gotha291  : Zehn Prozent als Tantiemen seien allgemein üblich, seien auch zwischen Wangenheim bzw. Fugmann und Sachse wohl vereinbart worden, aber leider sei der Brief dazu verschwunden. Außerdem habe sich die Hofkapelle darauf geeinigt, den Anwalt Octavio Schroeder (1822–1903) in Hamburg damit zu beauftragen, den Vertrag mit Sachse aufzulösen. Zudem wolle man von Sachse Auskunft über eventuelle Honorare aus Leipzig und Graz einfordern. Mücke reagiert positiv auf die Wahl Schroeders292, mit dem er sich auch gleich verständigt zu haben scheint. Schroeders Ansicht nach sind die angepeilten zehn Prozent als Tantiemen etwas hoch gegriffen, zumal wenn man keinerlei handfeste Beweise für deren vertragliche Festlegung vorweisen könne. Dafür solle man für die Leihe des Materials der »Santa Chiara« nach Hamburg etwas verlangen, nämlich 60 fl. für die erste Vorstellung und 40 fl. für jede weitere. In den Coburger Theaterakten fehlen weitere Belege zum Ausgang des Verfahrens, aber eine dauerhafte Verstimmung Sachses scheint nicht die Folge dieses Konfliktes gewesen zu sein, sonst hätte der Theatermann, der später erfolgreich in Wien arbeitet, nicht noch 1865 seine sehr positive Besprechung der »Santa Chiara« in seinem »Statistischen Handbuch für deutsche Bühnen« veröffentlicht293. Aus heutiger Sicht ist dieser Konflikt ein Merkmal der Zeit, als sich erst allmählich ein Bewusstsein für das Urheberrecht entwickelte und im Bereich der finanziellen Möglichkeiten, Profit aus einem Kunstwerk zu ziehen, 289 Im »Herzoglich Sachsen-Coburg-Saalfeldischen Staats-Calender auf das Jahr 1819« taucht in Themar seit 1816 der »Hof- und Regierungsadvocat« Carl Samuel Mücke auf. Später wirkte er in Hildburghausen. Es handelt sich wohl um den Absender dieses Briefes. 290 StACo Theater 8, S. 133–136. 291 StACo Theater 8, S. 137–140. Zum Folgenden. 292 Brief Mückes aus Coburg vom 24. März 1856 an Fugmann in Gotha (StACo Theater 8, S. 141–144). Zum Folgenden. 293 Erschienen in Wien 1865.

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noch experimentiert wurde. Die Diskussion um die »üblichen« zehn Prozent der Bruttoeinnahmen als Tantiemen offenbart die herrschende Unsicherheit auf diesem Gebiet. Zusätzlich verkomplizierte sich der Fall der »Santa Chiara« dadurch, dass nicht einfach der Komponist (als Einzelperson) ein Honorar für sich beansprucht, sondern ein ganzes Komitee aus Abgeordneten der Hof­ kapelle ständig übereinkommen muss, was man verlangen will und was nicht. Dazu noch der sich als Vertriebspartner verstehende Sachse, mit dem offenbar auch keine klaren Absprachen existieren. Da ist es verständlich, dass am Ende jeder Beteiligte versucht, das Beste für sich herauszuholen. Nicht gerade vereinfacht wird die Angelegenheit noch durch die Einmischung eines eigentlich unbeteiligten Dritten, der quasi als Trittbrettfahrer die Gelegenheit nutzen will, sich in die Gunst des Herzogs einzuschleichen. Es handelt sich um einen jungen Arzt saalfeldischer Abstammung mit Namen R. Hagen, der dem Herzog unbedingt den Eindruck vermitteln will, er habe »Santa Chiara« erfolgreich an den Direktor Wirsing in Leipzig empfohlen294. Zunächst ist die Coburger Intendanz geneigt, dem Schwindler Glauben zu schenken. Dieser behauptet, nicht nur für die Vermittlung des Werkes, die Überbringung der Noten und die Festsetzung des Premierentermins auf den Geburtstag des sächsischen Königs verantwortlich zu sein, sondern sich angeblich auch noch für eine kompetente Besetzung der Hauptrollen stark gemacht zu haben. Doch auf eine Nachfrage beim Leipziger Direktor Wirsing stellt dieser klar295  : »Das Theater ist städtisches Eigenthum und bin ich, als Wächter desselben ganz unabhängiger Unternehmer, lasse mich auch nie durch Beeinflussung von Außen zu irgend etwas bestimmen.« Ein sehr selbstbewusstes Statement, in dem sich der Leipziger auch nicht scheut, sich klar und deutlich von den abhängigen Hoftheatern abzugrenzen. Da er die herzogliche Oper aber ganz offensichtlich freiwillig ins Programm genommen hat, sich also einen entsprechenden Kassenerfolg von dem Stück verspricht, braucht er wohl auch bei derartigen Äußerungen dem Herzog gegenüber nichts zu befürchten. Wirsing gibt zu, dass der unbekannte Hagen bei ihm nach der genannten Oper gefragt habe  ; dabei habe jener so getan, als ob er in engen Beziehungen zum Coburger Herzogshaus stehe, was aber offenkundig nicht der Fall sei. Des Rätsels Lösung offenbart sich im November 1859, als ein Brief des kühnen Hagen Coburg erreicht, mit der unumwunden vorgetragenen Bitte, ihm für sein Engagement 294 Vgl. den Briefwechsel hierzu in StACo Theater 8, S. 173–176  ; LA A 7360, f. 75–76, 89–95. Zum Folgenden. 295 Brief Wirsings vom 14. November 1859 (StACo LA A 7360, f. 93).

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in Sachen »Santa Chiara« den Titel des »Herzoglich Sachsen-Coburg-Gotha­ ischen Medicinalrathes« zu verleihen296. Eine Reaktion des Herzogs bzw. seiner Behörden ist nicht überliefert, aber – falls die vorliegenden Fakten das rechte Bild ergeben – sie dürfte nicht sehr freundlich ausgefallen sein. Das nächste Lebenszeichen von »Santa Chiara« in Leipzig stammt vom 14. Februar 1859, als der Hofopernsänger Friedrich Young (1824–1884) aus München an den Herzog wegen eines Klavierauszugs schreibt297. Nach einem Gastspiel in Leipzig hatte Direktor Wirsing den gefeierten Tenor darum gebeten, bei der zunächst für März 1859 geplanten Premiere die Rolle des Viktor zu übernehmen. Nun bittet Young, der nur eine Rolle in Händen hält, die lediglich die reine Singstimme (ohne jede Andeutung der Begleitung) wiedergibt, um die kurzfristige Überlassung eines aussagekräftigeren Klavierauszugs298. Als sich Wirsing das nächste Mal beim Herzog in Coburg meldet, ist es bereits Oktober, aber da kann er endlich von einer erfolgreichen Premiere der »Santa Chiara« berichten299  : »Die Oper ›Santa Chiara‹ hat hier einen so außerordentlichen Erfolg gehabt, wie seit langer Zeit keine andere Novität dieses Genres.« Wirsings Meinung nach ist die Oper vor allem beim Publikum beliebt aufgrund »des großen Vorzugs, den sie vor der Mehrzahl der neuern Musikdramen hat  : daß Alles in ihr ungesucht, einfach, natürlich, dabei aber auch wahrhaft edel und daher eindringlich, populär im besten Sinne ist und dabei dennoch durchgehend den strengen künstlerischen Anforderungen an ein Werk dieser Art Rechnung getragen ist.« Als der herzogliche Komponist sich Anfang Novem­ber 1859 beim Theaterdirektor bedankt, hebt er mehr dessen als seine eigene Leistung hervor300  : »Daß Sie in einer musikalisch hochgebildeten Stadt einen so schönen Erfolg mit derselben [Ernsts Oper] errungen, ist mir der sicherste Beweis für die Vortrefflichkeit der Einstudirung und Inscenesetzung.« Im Unterschied zu anderen deutschen Bühnen, wo »Santa Chiara« nach ihrem ersten Erscheinen wieder verschwindet, um dann Jahrzehnte später 296 StACo LA A 7360, f. 94–95. 297 StACo LA A 7360, f. 79–80. 298 StACo LA A 7360, f. 79–80. Der Klavierauszug wurde laut Antwortvermerk auf dem Schreiben »abgesendet«. 299 Brief Wirsings an den Herzog vom 15. Oktober 1859 (StACo LA A 7360, f. 82–83). Zum Folgenden. – Die Pressemeldung in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung« (8. Jg., Nr. 43, vom 27. Oktober 1859, S. 172) liest sich etwas weniger enthusiastisch  : »Die Oper des Herzogs von Koburg-Gotha ›Santa Chiara‹ fand Beifall  ; das melodische Element ist überwiegend, wenn auch Anklänge an Wagner (›Lohengrin‹) und Meyerbeer nicht selten auftauchen.« 300 Entwurf eines Briefes des Herzogs an Wirsing, ohne genauere Datumsangabe, zwischen Dokumenten vom 3. und 15. November 1859 einsortiert (StACo LA A 7360, f. 85–86).

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noch einmal aus der Versenkung aufzutauchen, wird diese Oper Ernsts II. in ­ eipzig in den ersten drei Jahren recht häufig gespielt. Nach ihrer Premiere L am 5. ­Oktober 1859 folgen Wiederholungen am 8., 10., 13., 16., 19., 20. und 28. desselben Monats, dann am 16. November und 2. Dezember301. Direktor Wirsing betont in seinem oben zitierten Brief, wie ungewöhnlich diese vielen Wiederholungen für das Leipziger Theater seien302  : »Es ist das für hier und unserem, in musikalischen Dingen bekanntlich sehr strengen Publikum gegenüber eine große Seltenheit, denn fast alle anderen Opern haben während der letzten sechs bis acht Jahre nicht mehr als drei, höchstens vier Aufführungen erlebt und mußten dann für immer bei Seite gelegt werden.« Auch am 2. Januar und 13. März 1860 sowie am 19. Januar 1861 handelt es sich noch um dieselbe Besetzung. Erst bei der Aufführung zugunsten des Kapellmeisters Wilhelm Karl Mühldorfer (1837–1919) am 30. Dezember 1874 und den anschließenden Wiederholungen am 3. und 24. Januar 1875 wirkt eine neue Besetzung mit303. Mühldorfer gibt in seinem Brief an die Coburger Intendanz und den Herzog einen triftigen Grund an, warum seine Wahl auf »Santa Chiara« fiel304  : »An guten Novitäten ist seit Jahren großer Mangel und das Publikum wird es nur[?] Dank wißen, ihm eines der besten älteren Werke, an dem sich mancher jetzt namhafte Componist ein Beispiel nehmen könnte, mit den besten Kräften und dem sorgfältigsten Studium vorzuführen.« Umso peinlicher ist es Mühldorfer, dass eine Zeitungskritik über die genannte Aufführung sehr schlecht ausfällt305. In einem Brief an Herzog und Intendanz306 rechtfertigt er sich damit, dass der Autor des Artikels »seit langem mein persönlicher Feind« sei, da Mühldorfer mehrere Werke, die der ebenfalls komponierende Verfasser der Rezension bei ihm eingereicht hatte, als »völlig unausführbar« zurückgewiesen hatte. Die ­mutig 301 Liste der Aufführungen der Opern Herzog Ernsts II. im Stadttheater Leipzig in StACo LA A 7364, f. 107–109. Zum Folgenden. 302 StACo LA A 7360, f. 82–83. – In einem späteren Brief vom 15. November 1859 präzisiert Wirsing, er habe bisher nur mit den Meyerbeer’schen Opern »Der Prophet« und »Die Hugenotten« derartige Aufführungszahlen in so kurzer Zeit erreicht (StACo LA A 7360, f. 87–88). 303 Die drei genannten Aufführungen sind auch durch Vermerke der Musiker in den verwendeten Stimmen aus Coburg bestätigt (LBC TB Op 243). In der Stimme der Tenorposaune ist zum 24. Januar 1875 notiert  : »der Herzog wohnte d. Vorstellung bei«. 304 StACo LA A 7362, f. 40–42. 305 Mühldorfer versucht sogar in einem Telegramm vom 1. Januar 1875 an den Coburger Intendanten Tempeltey zu verhindern, dass der Herzog die schlechte Rezension ohne Vorwarnung zu Gesicht bekommt (StACo LA A 7362, f. 50)  : »Sollte morgen Leipzig Tageblatt [sic] eintreffen, bitte betreffenden Orts vorzuenthalten. Nähere brieflich. Capellmeister Mühldorfer.« 306 StACo LA A 7362, f. 48–49. Die zitierte Kritik liegt bei.

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von Mühldorfer beigefügte Kritik von Hermann Zopff (1826–1883), einem Musikschriftsteller und Anhänger Wagners, erweist sich als nicht durchgehend gehässig, sondern verteilt am Ende sogar noch sparsames Lob an die auch von anderen Kritikern hervorgehobenen, vor allem melodiös gefälligen Nummern der Oper (Ensembles, Litanei, Tänze, Arie des Alexis usw.). Dresden – gute Presse Die sächsische Hofoper in Dresden unter ihrem Generaldirektor von Lüttichau307 zeigt sich auch sogleich interessiert an der neuen Oper des befreundeten Fürsten. Nach einer Meldung der »Neuen Wiener Musik-Zeitung« reist von Lüttichau auf Einladung Ernsts II. zu einer Vorstellung von »Santa Chiara« am 8. April 1855 nach Gotha308. Noch im selben Monat werden eine Partitur sowie mehrere Textbücher nach Dresden gesandt. Die Partitur soll abgeschrieben werden und wird im Oktober desselben Jahres aus Coburg zurückgefordert, weil sie dort offenbar für eine erneute Aufführung benötigt wird309. Das »Dresdner Journal«310 bringt eine sehr detaillierte Besprechung der Oper, in der zwar das Libretto bemängelt, die Musik aber für viel besser erklärt wird, als man von einem Dilettanten erwarten könne. Auch ein Brief von Ernsts altem Lehrer Reißiger berichtet von der Dresdner Aufführung im Januar 1856311. Etliche Jahre später, genauer im März 1876, erhält Ernst II. erneut Post aus Dresden, die sich auf »Santa Chiara« bezieht. Der Geiger, Komponist und Gesangslehrer Louis Schubert (1828–1884)312 sendet einen von ihm verfaßten Artikel zu »Santa Chiara« ein313, den er auf Anregung des dankbaren Her307 Schriftwechsel hierzu in StACo Theater 8, f. 103, 105, 107, 109. Zum Folgenden. 308 »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 4. Jg., Nr. 16, vom 19. April 1855, S. 64. Auch Meyerbeer war eingeladen. 309 StACo Theater 8, f. 109. – Möglicherweise wurde die Partitur für die im Aufführungsverzeichnis LBC TB WW 773 eingetragene Vorstellung in Coburg am 2. Dezember 1855 gebraucht. 310 Artikel aus dem »Dresdner Journal« abgedruckt in Bartholomäus  : »Urtheile der Presse« (StACo LA A 7368). 311 Brief Reißigers vom 31. Januar 1856 (in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg). – Außerdem wurden 1856 aus Dresden 210 fl. Honorar überwiesen (StACo Theater 3683, o.Nr.). 312 Hinweise zu diesem Musiker, der viele Namensvettern hatte, im Internet unter »musicamigrans.de«. 313 Briefwechsel in StACo LA A 7363, f. 17–21 (Briefe Schuberts vom 9., 30. und 31. März aus Dresden), f. 22–25 (Zeitungsartikel).

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zogs314 auch in der »Neuen Berliner Musikzeitung« veröffentlicht315. Darin bringt der Verfasser, der zur Neuinszenierung der Oper nach Gotha eingeladen worden war, nicht nur seine Bewunderung für den »bekanntlich aus Passion schaffende[n], hochstehende[n] Componist« zum Ausdruck, sondern äußert auch interessante Gedanken zum Fortschrittsdenken seiner Zeit. So gehe es in Kunst und Wissenschaft derzeit »mit Riesenschritten« voran, allerdings sei dieser Fortschritt »nach allen Seiten hin« in Frage zu stellen, zum Beispiel seien in der Musik die neueren Kompositionen zum nicht unbedeutenden Teil ohne Rücksicht auf die »naturgemässe Verwendung und den Idealismus der menschlichen Stimme« geschrieben. Daher hält Schubert es für wichtig, auf ein Werk wie »Santa Chiara« aufmerksam zu machen, das »zwar nicht himmelstürmender Art« sei, »aber anspruchslos und liebenswürdig auftritt«. »Wie sehr könnten […] hier Componisten, welche ihre höchsten Erfolge gern durch Aufbietung aller zu Gebote stehenden orchestralen und vocalen Mittel erringen, lernen, wie ein wahres Talent, ohne zu düfteln [sic], in ungesuchter Weise, und mit Aufbietung nur geringer Mittel das Schwarze der Scheibe, so zu sagen, mit einem Wurf trifft.« Als Beispiel für diese starke Wirkung trotz beschränkter Mittel wählt Schubert die Schlussszene des 2. Aktes, den »Culminationspunkt des Werkes«, für ihn »von einer nahezu grandios wirkenden Charakteristik«  : »Welche Mittel würden unsere neuesten Dramatiker aufbieten, um eine derartige Scene musikalisch zu illustriren, und mit wie wenigen Federstrichen ist dies hier geschehen  !« Nicht uninteressant dürfte für Ernst II. auch ein Hinweis Schuberts in seinem ersten Brief gewesen sein316. Demnach hatte dieser im Gespräch mit Mitgliedern der Dresdner Hofkapelle erfahren, dass »Santa Chiara« damals in Dresden zwar sehr gefallen habe, aber dennoch bloß vier oder fünf Mal gegeben worden sei, weil der Komponist ja ein Herzog sei. Darmstadt – ein treuer Direktor Ein interessanter Geschäftspartner für die Coburger Intendanz ist der Direktor des Darmstädter Hoftheaters Karl Tescher317. Der ehemalige Tänzer und 314 Antwortvermerk auf Schuberts erstem Brief  : »Brief hat Ser. sehr interessiert. & [?] Dank. Ob Beurtheilung nicht, da einmal geschrieben, zu publiciren  ?« (StACo LA A 7363, f. 17). 315 »Neue Berliner Musikzeitung«, 30. Jg., Nr. 13, vom 30. März 1876, S. 98–100 (= S. 2–4 dieser Ausgabe). Zum Folgenden. 316 Brief Schuberts vom 9. März 1876 (StACo LA A 7363, f. 17–18). 317 Briefwechsel in StACo Theater 8, S. 111–114, 117, 161, 163  ; LA A 7360, f. 1–8, 16f.; LA A 7363, f. 211.

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Ballettmeister, unter dessen Leitung das Darmstädter Theater eine Blütezeit erlebt, hatte schon »Casilda« mit Erfolg aufgeführt und bekundet Ende Oktober 1856 nun auch sein Interesse an »Santa Chiara«318. Offenbar hatte er in Bad Ems mit Herzog Ernst II. persönlich gesprochen. Der Schauspieler Emil Devrient (1802–1872), der gerade zu einem Gastspiel in Darmstadt war, will freundlicherweise die Bestellung der Oper in Coburg übernehmen. Daraufhin bemüht sich die herzogliche Intendanz, das gewünschte Material so bald wie möglich zur Verfügung zu stellen. Allerdings muss die Partitur erst abgeschrieben werden, und die Kostüm- und Dekorationsskizzen liegen noch in Paris. In Darmstadt dagegen, wo man den Herzog gerne bei der Premiere dabei hätte, müssen erst alle Sängerinnen und Sänger vollständig genesen, ehe »Santa ­Chiara« dort »mit großem Beifall«319 die Bühne betreten kann320. Am 1. Dezember 1856321 schreibt Tescher voll des Lobes für Komposition und Ausführende von der Premiere am Vorabend und verspricht, die Oper im Repertoire zu halten322. Aus dem Entwurf des Dankschreibens aus Coburg323 geht hervor, dass Ernst II. bereits mitten in den Arbeiten für sein nächstes Bühnenwerk steckte  : »Ihrer mir sehr schmeichelhaften Aufforderung, bald einmal von einer Novität meiner Composition hören zu lassen, bin ich bereits seit einiger Zeit im begriff zu entsprechen, und glaube mich der frohen Aussicht hingeben zu dürfen, daß dieselbe Diana von Solange der minder düsteren Färbung und des interessanten Librettos wegen vielleicht noch mehr Glück beim Publikum [haben  ?/machen  ?] werde als St. Chiara.« Fast zwanzig Jahre später, im April 1877, ist im Schriftverkehr zwischen dem Coburger und dem Darmstädter Hof noch einmal die Rede von »Santa

318 Brief Teschers vom 25. Oktober 1856 (StACo LA A 7360, f. 16f.). Zum Folgenden. 319 Brief Teschers vom 13. Dezember 1856 (StACo Theater 8, S. 161). – Auch Knispel schreibt in seiner Darmstädter Theatergeschichte von »großem Beifall« (S. 144). 320 Die Partitur aus Coburg wurde erst nach dem 23. November abgeschickt. Auch deshalb war es unmöglich, den ursprünglich vorgesehenen Premierentermin (9. November) zu halten. Vielleicht war die angebliche Erkrankung der beteiligten Sänger deshalb nur eine vorgeschützte Entschuldigung für die Öffentlichkeit (vgl. StACo Theater 8, S. 111–114, 117, LA A 7360, f. 1, 2). 321 Brief Teschers vom 1. Dezember 1856 (StACo LA A 7360, f. 5–6). Besonders lobend erwähnt Tescher auch seinen Kapellmeister Louis Schindelmeisser (1811–1864), der bereits 1847 eines seiner Werke an Herzog Ernst II. gesandt hatte (vgl. Schindelmeissers Brief vom 11. Dezember 1847 in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg). 322 … und überweist wenige Tage später satte 150 fl. Honorar (StACo Theater 8, S. 161, 163). 323 StACo LA A 7360, f. 3–4. Zum Folgenden.

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Chiara«324. Doch da im großen Theaterbrand von Darmstadt 1871 alle Dekorationen und Kostüme für »Santa Chiara« vernichtet sind, dauert es noch bis zum März 1880, bis die Oper wiederaufgenommen werden kann. Offenbar wird dafür kein Aufwand gescheut. Denn in der »Frankfurter Presse«325 berichtet man  : »Die hiesige Aufführung, die sich durch Glanz und Pracht der Decorationen und Costüme in splendider Weise auszeichnete, war natürlich sehr sorgfältig vorbereitet worden und zeigte eine durchweg tüchtige Besetzung der Hauptrollen.« Brüssel – Kritik von höchster Stelle Der übereifrige Gustave Oppelt, der sich schon in Paris um »Santa Chiara« bemüht hatte, kann als belgischer Beamter natürlich in seiner Heimat nicht stumm bleiben. Er tut alles dafür, die Oper des Herzogs auch im Brüsseler Opernhaus unterzubringen326. Dass er dabei teilweise explizit gegen die Anweisungen Ernsts II. handelt, ist ihm entweder nicht bewusst oder er ignoriert es. So bittet er eigenmächtig beim Bürgermeister von Brüssel um Intervention für die Oper327, verschickt Einladungen an die königliche Familie328, beginnt mit Übersetzungsarbeiten am Libretto der »Diana von Solange« und will die Oper »Casilda« an die Komische Oper in Paris vermitteln. Der Herzog ist zunächst an nichts von alldem interessiert, auch wenn ihm der »succes complet«329 seiner Komposition bei ihrer Premiere am 19. April 1858 an der Brüsseler Oper sicher nicht ungelegen kommt330. Zumal neben seiner Verwandtschaft, der königlichen Familie, auch das Herzogspaar von Brabant und weitere hohe Adlige 324 Brief Teschers vom 19. April 1877 (StACo LA A 7363, f. 211). 325 Zeitungsausschnitt mit einem Bericht über das Darmstädter Hoftheater vom 22. März aus der »Frankfurter Presse« (ohne Datum) in StACo LA A 7364. 326 Briefwechsel hierzu in StACo LA A 7360, f. 13, 21, 28–29, 37–46, 48–53, 55–56, 59–70, 72. Zum Folgenden. – Schon im Juli 1856 kündigte die »Neue Wiener Musik-Zeitung« zum Brüsseler Juli-Fest (Nationalfeiertag) eine Aufführung von »Sainte Claire« im Beisein des Komponisten an (»Neue Wiener Musik-Zeitung«, 5. Jg., Nr. 30, vom 3. Juli 1856, S. 119). 327 StACo LA A 7360, f. 13. 328 StACo LA A 7360, f. 59. Zum Folgenden. 329 »vollständiger Erfolg« – Telegramm von Brüssel nach Gotha in der Nacht vom 19. auf den 20. April 1858. 330 Nicht unbedeutenden Anteil am Erfolg hatte sicher die berühmte Sängerin Rosine Stoltz (1815–1903), die die weibliche Hauptrolle sang. Ernst II. erhob die unter dem Namen ­Victoire Noël geborene Diva später zur Baronin von Ketschendorf. Werke von Stoltz sind in der LBC überliefert.

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wie der Comte d’Irlande anwesend sind331. Der Direktor des Brüsseler Theaters, Théodore Letellier (1801–1877), unter dem schon »Casilda« erfolgreich in Szene gesetzt wurde, verspricht dem fürstlichen Komponisten einen Erfolg, der mit dem in Paris mindestens vergleichbar sein soll332. Er erhält dafür – ebenso wie sein Orchesterchef Charles Louis Hanssens (1802–1871) – das Ritterkreuz des Sachsen-Ernestinischen Hausordens333. Am bemerkenswertesten im Zusammenhang mit der Aufführung der »Santa Chiara« in Brüssel ist ein persönlicher Bericht darüber von Marie Henriette (1836–1902), geborene Erzherzogin von Österreich, Ehefrau des belgischen Thronfolgers Leopolds II. und somit weitläufige Verwandte Ernsts II. von Sachsen-­Coburg und Gotha. Sie schreibt am 27. April 1858 an ihren »lieben Vetter«334  : »Der liebliche Eindruck, welchen Deine Casilda vor einigen Jahren auf mich machte, war mir noch frisch im Gedächtnisse, so daß mir anfangs Deine neue Oper sehr ernst, und zu gelehrt für mein Verständniß vorkam. Doch als ich sie ein zweites Mal aufmerksam anhörte, fand ich in ihr, ebenso wie in Casilda, reizende Melodien, und wahrhaft schöne Stellen.« Die spätere Königin der Belgier (1865), die übrigens selbst eine Oper komponiert hat, spricht ihr besonderes Lob aus für den Chor zum Begräbnis im zweiten Akt, außerdem für die Arie der Charlotte am Anfang des 3. Aktes sowie das Duett zwischen Charlotte und Viktor. Die Ballade der Bertha findet sie »sehr originell«, die Chöre »durchgehends sehr kräftig, ohne so viel Instrumentarium, wie man es jetzt in so vielen Opern findet«. Sie freue sich schon auf die nächste Oper von Ernsts Hand. Wien – erster Kontakt mit Otto Prechtler Verschiedene Quellen bezeugen einen beachtlichen Erfolg der »Santa Chiara« in der theaterverwöhnten Kulturmetropole Wien im März 1858335. »Die Oper 331 Vgl. Brief des Direktors Letellier vom 26. April 1858 (StACo LA A 7360, f. 50–51). 332 Brief Letelliers vom 6. Februar 1858 (StACo LA A 7360, f.38). Ein von Letellier am 19. April 1858 unterzeichnetes handschriftliches französisches Libretto mit Regieanweisungen, Dekorations- und farbigen Kostümskizzen findet sich unter LBC TB Op 243. 333 StACo LA A 7360, f. 60–62. Der Oberregisseur Maxime René (geb. 1873) erhielt eine Medaille. 334 StACo LA A 7360, f. 57–58. Zum Folgenden. 335 Mehrere Briefe verschiedener Autoren sowie Zeitungsartikel in StACo LA A 7360, f. 23–26, 30–36, 47. Durchwegs positive Bewertungen in »Wiener Theaterzeitung«, »Telegraph«, »Ostdeutsche Post«, »Neuigkeitsblatt«, »Der Politiker« (alle in »Santa Chiara-Urtheile der Presse«, gedruckt von Bartholomäus, StACo LA A 7368). – Übrigens standen Teile des ersten Aktes

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›Santa Chiara‹ von E. H. z. S., welche Herr Direktor Hoffmann im Joseph­ städter-­Theater zur Aufführung gebracht hat, fand sowohl bei der ersten Vorstellung als bei den Wiederholungen eine sehr günstige Aufnahme. Es ist dies ein schätzbares Werk voll anmuthiger und mit feinem Geschmacke behandelter Motive, nirgends durch verbrauchte oder grobe Effekte verletzend, wohl aber oft erquickend durch natürlichen, ungezwungenen Fluß der Melodie, sorgfältige Durcharbeitung der stimmlichen Aufgaben und eine diskrete Behandlung des orchestralen Theiles, welcher nie, auch in den leidenschaftlichen Stellen des Libretto’s, durch wüstes Gelärme den gebildeten Hörer stört.«336 Dieser für den Komponisten sehr erfreuliche Zeitungsartikel scheint zusammen mit einem Brief des Bühnenautors Otto Prechtler (1813–1881) über den Gothaer Hofkapellmeister Ernst Lampert zum Herzog gelangt zu sein. Denn Lamperts Sohn Karl hält sich zur Zeit der Aufführung in Wien auf und kann so seinem Vater berichten337, »daß der Erfolg ein für die Kaiserstadt seltener, ein überaus glänzender gewesen sei.«338 Sogar der Theaterdirektor und Regisseur Johann Hoffmann, der »Santa Chiara« ja schon aus Frankfurt kannte, wird nach Angaben Karl Lamperts am Ende der Vorstellung fünf Mal hervorgerufen und beschließt aufgrund des Erfolgs, die Oper zwischen dem 14. und 21. März gleich fünf Mal zu wiederholen339. Besonders überschwänglich wird »Santa Chiara« auch in dem Brief Otto Prechtlers vom 14. März 1858 gelobt340  : »… ich fühlte, daß in diesen Melodien und Harmonien ein edler Genius zu mir sprach. Wie ist alles so rein, so wahr, so schön empfunden  !« Der Erfolg dieses Werks ist deshalb für Prechtler von besonderem Interesse, weil er schon als Librettist für von »Santa Chiara« bereits 1855 auf dem Programm einer »musikalisch-deklamatorischen Akademie« in der Wiener Hofoper. Es handelte sich um ein Benefizkonzert, für das der Herzog »Bruchstücke der neuen Oper« zur Verfügung stellte (»Neue Wiener Musik-Zeitung«, 4. Jg., Nr. 46, vom 15. November 1855, S. 184  ; und Nr. 47, vom 22. November 1855, S. 187). 336 Nicht bezeichneter Zeitungsausschnitt (»Wiener Zeitung«  ?), den wohl Otto Prechtler seinem Brief vom 14. März 1858 beigelegt hat (StACo LA A 7360, f. 26, f. 31–34). Zum Folgenden. 337 Briefe Ernst Lamperts vom 19. März 1858 (sendet Prechtlers Schreiben), Karl Lamperts vom 16. und 20. März 1858 (StACo LA A 7360, f. 30  ; 35 und 36). Zum Folgenden. 338 Einer der Lamperts hat dem Herzog dann auch noch persönlich vom »glänzenden Erfolg« der »Santa Chiara« in Wien berichtet  ; so ist es im Audienzbuch Ernsts II. unter dem 9. März 1858 zu lesen (LBC Ms 143). 339 Er erhält dann auch folgerichtig eine Auszeichnung durch den Herzog, nämlich die Medaille für Kunst und Wissenschaft (vgl. »Neue Berliner Musikzeitung«, 12. Jg., Nr. 26, vom 23. Juni 1858, S. 205). 340 StACo LA A 7360, f. 31–34. Zum Folgenden. – Prechtler setzt viele Hervorhebungen und Unterstreichungen.

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die nächste Oper Ernsts II. engagiert ist. Der jetzige Erfolg verheißt nur Gutes für das anstehende gemeinsame Projekt. Kein Wunder, dass Prechtler am Ende seines Briefes ausruft  : »Wie freue ich mich nun auf ›Diana‹  !« Köln – mit großem Echo Als Moritz Ernst (1826–1900) sicher ist, dass er ab 1. September 1875 (wieder) die Leitung des Stadttheaters Köln übernehmen wird, beginnt er sogleich mit Vorbereitungen für das Repertoire. Darin spielt auch »Santa Chiara« eine Rolle, für die sich Moritz Ernst schon im Juni die Aufführungserlaubnis einholt341. Dabei wird er sowohl vom Direktor des Leipziger Stadttheaters, Ferdinand von Strantz, unterstützt342 als auch vom Coburger Kapellmeister Traugott Krämer343. Da der Herzog jedoch gerade mit dem Gedanken spielt, sein Werk mal wieder in den eigenen Häusern zu hören344, muss sich der Kölner Direktor mit dem Material aus Dresden behelfen. Als treuer Mitarbeiter am Werk seines Herrn achtet Krämer darauf, dass nur Material, das auf dem neuesten Stand ist, also alle späteren Änderungen und Ergänzungen enthält, weitergegeben wird345. Wahrscheinlich ist ihm das so wichtig, weil er selbst im Jahr 1864 auf Befehl des Herzogs nicht unbedeutende Veränderungen im dritten und vierten Akt vorgenommen hat346. Jedenfalls sorgt er dafür, dass entsprechendes Noten­ material nach Köln gelangt. So kann »Santa Chiara« am 15. April 1877 in Köln Premiere feiern und Moritz Ernst noch stolz an Tempeltey telegrafieren  : 341 Briefwechsel in StACo Theater 9, f. 84a, 85f., 91  ; LA A 7362, f. 125–131, 134–135. – Irrtümlich nimmt der Vertreter der Hofkapelle in Coburg, Louis Weinkauff (1826–1910), an, es habe bereits eine Aufführung in Köln gegeben. Um die Rechte der Hofkapelle zu wahren, bittet er dringend um Auskunft. Doch Moritz Ernst hat die Oper noch gar nicht gespielt, will sie aber eben in Köln und dem zugehörigen Spielort Bonn aufführen lassen. 342 StACo LA A 7362, f. 126–127. 343 StACo LA A 7362, f. 128–129 und 130–131. 344 So geht es aus Krämers Brief vom 17. Juli 1875 hervor (StACo LA A 7362, f. 130–131). Es sind jedoch keine Aufführungen von »Santa Chiara« in Coburg oder Gotha im Herbst 1875 nachweisbar. 345 Dies betrifft sowohl das allgemeine Aufführungsmaterial, das von Dresden nach Köln geschickt wurde, als auch den von der Sängerin Marie Lehmann (1851–1931) persönlich in Coburg georderten Klavierauszug (StACo LA A 7362, f. 134–135  ; LA A 7363, f. 178–181). 346 Brief Krämers vom 6. [?] Mai 1876 an Kabinettsrat von Meyern-Hohenberg (StACo LA A 7363, f. 37–38)  : »Die Oper Santa Chiara wurde auf Befehl Seiner Hoheit im Jahre 1864 von mir geändert, im letzten Act bedeutende Zusätze mit neuer Instrumentation gemacht. […] Hoheit wünschten von jener Zeit an den dritten Act nicht mehr in der ursprünglichen Gestalt.« Leider gibt es keine näheren Angaben zu diesen Veränderungen.

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»Glänzender Erfolg der gestrigen ersten Aufführung [,] stürmische Hervorrufe nach allen Acten[.] Brief folgt«347. Übrigens sind auch die viel gelobten Deko­ rationen in Köln von Coburger Hand, und zwar von Friedrich Lütkemeyer (1842–1912)348. In der Presse ruft die Kölner Aufführung der »Santa Chiara« ein bemerkenswertes Echo hervor349. So sprechen die »Kölner Nachrichten«350 von einem »durchschlagenden Erfolg« und betonen  : »Es waren keine Anklänge an bereits bekannte Melodien, sondern ein vollkommen originelles characteristisches Musikstück, welches sich durch viele und große Schönheiten auszeichnet, so daß der Ruf, welcher dieser Oper von deutschen und auswärtigen Bühnen wie aus einem Munde vorangegangen, sich im vollsten Sinne des Wortes bestätigt hat.« In der »Kölnischen Volkszeitung«351 wird mehr auf den Komponisten eingegangen  : »Herzog Ernst darf als einer der eifrigsten Beschützer der Kunst und der Künstler angesehen werden. In wahrhaft fürstlicher Weise hat der hohe Herr namentlich der musikalischen und dramatischen Kunst seinen Schutz stets angedeihen lassen. Die stolzen Worte des Dichters  : ›Es soll der Sänger mit dem König gehen  ; denn beide stehen auf der Menschheit Höhen‹ hat der Herzog zur Wahrheit werden lassen. Schriftsteller und Künstler hat er als Gäste bei sich gesehen  ; mit vollen Händen hat er das künstlerische Verdienst durch äußere Zeichen der Anerkennung in jeder Weise zu achten und belohnen gestrebt. Die höchste Achtung vor der Kunst hat derselbe dadurch bethätigt, daß er, gleich dem Prinzen Louis Ferdinand, selbst ein Künstler geworden ist und die Früchte seiner Bestrebungen dem Urtheile des Publicums unterbreitet.« Der Verfasser fährt fort, die musikalische »Fruchtbarkeit« Ernsts II. zu loben, und verteidigt ihn gegen Angriffe, er komponiere seine Opern nicht selbst  : »Wie der Maler leicht nur an wenigen Strichen die fremde Hand erkennen kann, so ist es auch dem Musiker möglich, an der ganzen Mache die Autorschaft festzustellen. In dieser Hinsicht trägt die Oper ein einheitliches Gepräge und erinnert namentlich die Behandlung des Technischen an die Art und Weise des Lehrers, nämlich an Reißiger.« Das Libretto gehöre zu den »bessern [sic] und wirkungsvolleren deutschen Operntexten«, und die Musik entsage jeglichem »Formen-Schematismus«. Bei der zusammenfassenden Beurteilung 347 StACo LA A 7363, f. 187. 348 Dies wurde extra auf den Theaterzetteln vermerkt (vgl. StACo LA A 7363, f. 189–191). 349 Die nun zitierten Zeitungsartikel finden sich als Ausschnitte in der Akte StACo LA A 7363, f. 194–200. 350 »Kölner Nachrichten«, 17. Jg., Nr. 91, vom 19. April 1877, S. 2, unter »Stadt-Theater«. 351 »Kölnische Volkszeitung«, Nr. 109, vom 22. April 1877.

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der Komposition verzichtet auch dieser Rezensent nicht auf die üblichen Nationalismen  : »Der Herzog war gleich Meyerbeer mit Glück bestrebt, den Stil der verschiedenen zu jener Zeit herrschenden Schulen zu einem einheitlichen Ganzen zusammen zu fassen. In der Melodieenbildung, der Cantilene ist er italienischen, im Parlando französischen Mustern gefolgt. Die Empfindungsund Ausdrucksweise indeß muß als echt deutsch bezeichnet werden.« Bei allem Überschwang des Lobes ist doch auch eine kleine Ironie nicht zu überhören  : »Die etwas stark hervortretende Vorliebe für schmetternde Trompeten und dröhnende Posaunen darf man einem alten Reitersmann nicht verübeln.« Im »Theater-Moniteur«352 werden zwei wesentliche Faktoren für die Beurteilung der »Santa Chiara« angesprochen  : das Alter der Oper, ungewöhnlich für die nur an Novitäten (oder wenige zeitlose Klassiker) gewöhnte Theaterwelt. Und die Wirkung des zweiten Aktes, die an unterschiedlichen Orten so verschieden war. »Obgleich diese Oper schon im Jahre 1854 bei ihrem ersten Erscheinen ein außergewöhnliches Aufsehen machte, so wirkte auch heute dieses Opernwerk durch Frische und Originalität der Melodie, dramatische maßvolle Behandlung der Effecte.« – »Von ganz bedeutender Wirkung war der Erfolg des zweiten Actes, in welchem sich der Componist zu einer großen dramatischen Höhe erhebt.« Auch die »Kölnische Zeitung«353 lobt besonders den zweiten Akt, schlägt ansonsten aber eher kritische Töne an  : »Vorher und nachher dagegen bewegt sich die Musik vorzugsweise im leichteren Conversationston, wie ihn namentlich die französische Spieloper zur Zeit der Composition bei uns eingebürgert hatte  ; erst gegen den Schluß der Oper kommen wieder höhere dramatische Momente hinzu.« Auch für das Libretto kann sich der Verfasser »nicht sehr erwärmen«, unglückliche Ehen seien einfach kein gutes Thema für eine Oper. London – die Familie Pringle In England hat es »Santa Chiara« genauso schwer wie alle anderen Werke des deutschen Herzogs354. Sie wird am 7. Juli 1877 in italienischer Sprache an der Italian Opera des Covent Garden Theater aufgeführt355. Zwar zeigen der Kapell­ 352 »Theater-Moniteur, Organ für das Bühnenwesen«, hg. v. Ferd. Roeder, 22. Jg., Nr. 16, vom 22. April 1877. 353 »Kölnische Zeitung«, Nr. 107, vom 18. April 1877. 354 Briefe und Zeitungsartikel hierzu in StACo LA A 7363, f. 212f., 223–224, 227–231, 278– 288, 320–324, 328f. 355 Eine Übersetzung des Librettos zu »Santa Chiara« hatte Oppelt schon im Jahr 1857 in Paris

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meister Louis Saar (1833–1910) sowie der Regisseur und ehemalige S­ änger Joseph Tagliafico (1821–1900) bei der Vorbereitung des Werkes durchaus Interesse  : Sie bestellen sich Regiebücher und zusätzliche Klavierauszüge in Coburg. Allerdings sind sie spät dran, was Traugott Krämer zu der Äußerung veranlasst  : »Ich zweifle an dem guten Erfolg. Es ist nicht so leicht mit dieser Oper, sie bietet sehr solide Schwierigkeiten, die sich den Herrschaften erst entgegen stellen werden, wenn sie glauben dem Ziele nahe zu sein.«356 Zudem müssen die in Coburg noch übrigen Klavierauszüge erst auf den neuesten Stand gebracht werden, bevor sie nach London weitergeschickt werden können. Kein Wunder also, dass eine vertrauenswürdige Korrespondentin am 8. Juli 1877 aus London schreibt, sie würde über die Premiere der »Santa ­Chiara« lieber schweigen als berichten357. Die Identität der Schreiberin enthüllt eine erstaunliche Verbindung. Carrie Pringle (1859–1930) ist in der Literatur zu Richard Wagner eine häufig genannte, von Legenden umrankte Figur358. Sie war eines der Blumenmädchen im Bayreuther »Parsifal« von 1881 und besaß offenbar die besondere Gunst des Komponisten – was auch immer das genau geheißen haben mag359. Möglicherweise war sie auch Anlass der letzten Auseinandersetzung zwischen Cosima und Richard Wagner  : Nach einem späteren Bericht der Tochter Isolde (1865–1919) hatte Wagner die Sängerin nach Venedig bestellt, wovon Cosima aber nichts wusste. Als Wagner nun den Besuch Pringles ankündigte, kam es angeblich zu einem heftigen Streit zwischen den Eheleuten, nach dem sich Wagner in sein Zimmer zurückzog, wo er kurz darauf verstarb. Daher trägt die damals junge Sängerin noch heute bei manchen Wagner-Fans den Stempel der Schuldigen am plötzlichen Tod des Meisters. Carrie, die zwischen 1878 und 1883 in Mailand Gesangsunterricht nahm, kehrte später nach England zurück, wo sie – abgesehen von einzelnen nachweisbaren Konzerten – eine eher zurückgezogene Existenz geführt zu haben scheint. Es sind bisher nicht viele eingefädelt, indem er das Angebot des an Verdi erprobten Eugenio Caimi annahm (vgl. Brief Oppelts vom 30. Oktober 1857, in StACo LA A 7361, f. 88). Es ist allerdings nicht bewiesen, dass diese Übersetzung in London verwendet wurde. 356 Brief Krämers vom 12. Mai 1877 (StACo LA A 7363, f. 229f.). Zum Folgenden. 357 Brief Isabelle Pringles vom 8. Juli 1877 (StACo LA A 7363, f. 278–281). 358 Zu C. Pringle vgl. Cormack 2005 und 2009  ; Barker, S. 276–278  ; Mack, S. 128–130  ; Spencer. Zum Folgenden. 359 Mack betont, dass es keinerlei Beweise dafür gebe, dass Carrie Pringle wirklich Wagners letzte Geliebte gewesen sei – wie in vielen anderen Publikationen behauptet. Dennoch ging sie als sein »Todesengel« (Mack, S. 130  ; vgl. Spencer, S. 72) in die Wagner-Literatur ein.

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Informationen über ihr Leben gefunden worden. Sicher ist jedoch, dass sie die Tochter von Basil John Charles Pringle (1825–1886) war, einem musikalischen Dilettanten, der sehr vermögend war. Er hatte die ungarische Pianistin und Klavierlehrerin Isabelle de Latinovisc (1830–1906) geheiratet, mit der er mehrere Kinder hatte. Ein Bruder und zwei Schwestern lebten später mit Carrie in England. Die Familie wohnte von 1862 bis 1872 in einer großen Villa in Gotha360. Carrie, 1859 in Linz geboren, war da noch ein kleines Kind. Aber ihre Mutter muss aufgrund ihrer musikalischen Tätigkeit und gesellschaftlichen Stellung dem Hof bekannt gewesen sein. Sie ist offenbar die Korrespondentin, die im Jahr 1877 aus London über die Aufführung von »Santa Chiara« berichtet. In ihrem Brief hält Frau Pringle nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg, überlässt es aber dem adressierten »Kabinettsrat« (Adolf Becker  ?), was er davon dem Herzog mitteilen wolle. Die Darstellung sei sehr schlecht gewesen, selbst Nummern, die man »schwer todtmachen« könne, seien wirklich schlecht musiziert worden. Die Primadonna sei eine »Schlafmütze«, der Regisseur sowie der Leiter des Ensembles ebenfalls unterirdisch… Auch Traugott Krämer kommt Derartiges über die Premiere in London zu Ohren361 und er sieht seine bösen Vorahnungen bestätigt  : »Uebereilt, nichts ordentlich vorbereitet, kein Verständniß des Ganzen und schlechte Uebersetzung – das kann so nicht gehen  !« Selbst Auguste Vianesi (1837–1908), der Dirigent, der sich in mehreren Briefen nach Coburg-Gotha mit Eigenlob überschüttet362, gibt zu, dass die zweite Aufführung besser gelungen sei als die Premiere – wahrscheinlich, weil die Musiker dann die Stücke endlich kannten. Ebenso wie der Regisseur Tagliafico363 hatte Vianesi es offenbar nur auf einen Orden des Herzogs abgesehen. Die Zeitungen berichten – je nach Nationalität und politischer Ausrichtung – zurückhaltend positiv bis vernichtend über die Aufführung. Während es im französischen »Europe Artiste«364 noch heißt, die Musik sei vielleicht 360 Dort wurde auch Carries Bruder John Charles Godfrey am 30. November 1867 geboren, der ebenfalls Musik studierte und schon 1900 in England starb (Spencer, S. 78  ; daher auch die Lebensdaten der Eltern). 361 Brief Krämers vom 14. September 1877 (StACo LA A 7363, f. 320 und 323). 362 StACo LA A 7363, f. 284–285, 321f., 328f. 363 Auch von ihm traf nach der Premiere ein selbstherrlicher Brief ein (StACo LA A 7363, f. 287–288). 364 Dieser wie die im Folgenden zitierten Zeitungsartikel liegen als Ausschnitte (und daher ohne Daten) dem von Krämer weitergeleiteten Brief Vianesis bei (StACo LA A 7363, f. 283).

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ein bisschen zu ernst, habe aber durch ihre gute Ausführung trotzdem große Freude (»un très-grand plaisir«) bereitet, überschlagen sich die englischen Zeitungen wieder in Negativschlagzeilen  : »An agreeable mediocrity characterises the work« – ist noch eine der freundlicheren Formulierungen aus dem »Globe«. Der »Observer« findet die sonst so gelobten Chöre »more noisy than impressive« und drückt – wie auch Vianesi und der Rezensent im »Globe« – sein Missfallen für den zweiten Akt aus. Auch die Tatsache, dass die deutschen Zeitungen365 einen »bedeutenden Erfolg« konstatieren, kann nicht verhehlen, dass »Santa Chiara« in London ein ziemliches Desaster war.366 Berlin – spätes Glück Die Premiere der »Santa Chiara« im Berliner Kroll-Theater am 5. August 1891 löst ein so umfangreiches Presseecho aus, dass sich der Herzog sogar ein eige­ nes Buch mit den zahlreichen Rezension dazu binden lässt367. Bemerkenswert ist dies vor allem auch in Anbetracht des Alters der Oper zu diesem Zeitpunkt. So kann Ernst II. zwei Jahre vor seinem Tod noch einmal einen Erfolg auf der Bühne genießen. Gründe dafür, warum das bekannte Werk bisher in Berlin so konsequent ignoriert worden war368, können zweifelsohne im Politischen gesucht werden. So schreibt in der Rückschau die »Staats-

365 Ausschnitte aus der »Dresdner Neuen Reichszeitung« vom 29. Juli 1877 (identischer Artikel in  : »Staats-Anzeiger für Württemberg« vom 27. Juli 1877, »Neue Preußische [Kreuz] Zeitung« vom 22. Juli 1877, »Karlsruher Badische Landeszeitung« vom 31. Juli 1877) und aus dem »Berliner Fremdenblatt« vom 5. Juli 1877. Alle einliegend in StACo LA A 7363, zwischen f. 323 und 324. 366 Weitere überwiegend vernichtende englische Kritiken in »The Athenaeum«, Nr. 2578, vom 24. März 1877, S. 391, und Nr. 2593, vom 7. Juli 1877, S. 24  ; »The Musical Standard«, vom 31. März 1877, S. 193  ; »The Musical World«, vom 7. April 1877, S. 245, und vom 7. Juli 1877, S. 458  ; »The Examiner«, vom 7. Juli 1877, S. 855f. und in »The Saturday Review«, vom 21. Juli 1877, S. 78. 367 StACo LA A 7368. – Schon vorher gab es zwei Berliner Interessenten für die Oper  : Felix Jaeger (geb. 1850), Kapellmeister am Luisenstädtischen Theater, im Juni 1882 (StACo Theater 3042, o.Nr.) und den Theater-Agenten Emil Drenker, der im Januar 1883 wegen des Materials und den Konditionen für die Oper an Weinkauff verwiesen wurde (StACo Theater 9, f. 123). Offenbar brachten aber beide Interessenten keine Aufführung zustande. 368 In einem Zeitungsbericht (»Berliner Neueste Nachrichten«, 11. Jg., Nr. 390, vom 6. August 1891) ist allerdings die Rede von einer Aufführung von »Santa Chiara« in Berlin »vor längeren Jahren einmal außerhalb der Saison mit einem eigens zusammengestellten Personale zu einem wohlthätigen Zwecke«.

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bürger-Zeitung« 1891369  : »Der vielseitige Herzog, der seit langer Zeit schon nicht mehr componirt, sondern die Memoiren seines reich bewegten Lebens schreibt, hat einen äußerst populären Namen, der zu jener Zeit noch viel volkstümlicher war, als man in den deutschen Gauen überall das Deutsche Reich auf dem Wege der Schützen- und Turnfeste gründen zu können hoffte. Das ist schon lange her und das hieraus entspringende politische Verhältnis des Herzogs mag immerhin den Umstand erklären, dass die Königlich Preußische Hofoper in Berlin sich gegen den regirenden [sic] Componisten sehr spröde verhalten hat.« Auch habe damals der Intendant von Hülsen möglicherweise Rücksicht auf den russischen Hof nehmen wollen  : »Die Russen spielten ja in den fünfziger und sechsziger [sic] Jahren noch eine sehr tonangebende Rolle in Berlin und die gute, brave Charlotte [Birch-Pfeiffer] hatte es gewagt, eine der dunkelsten und heikligsten Episoden aus der Geschichte der Romanows als Libretto einer dreiactigen romantischen Oper zu behandeln, und ein deutscher, freilich sehr liberal angehauchter Fürst scheute sich nicht, solchen Stoff in Musik zu setzen.« Und so braucht es den Abstand von vielen Jahren, bis ein rühriger Theatermann auf der Suche nach lohnenden Wiederentdeckungen nun »Santa Chiara« in der Hauptstadt präsentiert  ; allerdings immer noch nicht auf der Hofbühne, sondern in seinem – ebenso bekannten – Privatunternehmen. Ganz pflichteifrig und auskunftsfreudig gibt sich der Direktor des Kroll’schen Theaters, Josef Engel (1821–1888), als er – nach Erhalt der Aufführungserlaubnis – am 29. Dezember 1890 Auskunft über seine Pläne gibt370  : »Da meine Saison in diesem Jahr am 19. April beginnt, so hat sich bis zum August das Personal so eingespielt, daß ich im Stande bin, die Oper mit einem geübten und wohlaccreditirten Ensemble in Scene gehen zu lassen. Selbstverständlich würde ich auch für eine glänzende Ausstattung und gute Inscenirung Sorge tragen. Meine beiden Kapellmeister die Herren Ruthardt und Gille hätten hinreichend Zeit, durch zahlreiche Proben die Oper einzustudiren und ich selber würde die Inscene-Setzung übernehmen.« Zu seiner eigenen Vorbereitung will Engel sogar extra im März nach Hamburg fahren, um dort eine Aufführung der »Santa Chiara« anzuschauen und »so das Werk eingehend kennen [zu] lernen«. Auch die Aufführung am 1. März 1891 in Gotha will er sich nicht entgehen 369 »Staatsbürger-Zeitung«, Nr. 362, vom 6. August 1891. 370 StACo Theater 13, f. 37f. Zum Folgenden. – Weiterer Schriftwechsel hierzu in StACo Theater 14, f. 33ff., 37f., 39, 41, 99, 103f., 105, 107f., 109, 111 und 113, 115, 119, 117, 151, 159, 173. Sammlung von Rezensionen in LA A 7367, LA A 7365.

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lassen, wie er dem dortigen Intendanten von Ebart ankündigt371. Wie viele Intendanten vor ihm lädt er den Herzog zur Generalprobe (4. August) und zur Premiere (5. August) ein und meint, etwas Gutes zu tun, indem er dem Herzog verspricht, dass dieser »der Oper in einer Loge beiwohnen könne[.], ohne in den geringsten Contact mit dem Publicum zu kommen«372. Wie so oft hat der Herzog selbst keine Zeit, in Berlin zu erscheinen, befiehlt aber seinem Intendanten von Ebart, ihn dort zu vertreten373. Eine unmittelbare Rückmeldung am Morgen nach der Premiere kommt dann allerdings von Adolf Becker, dem Vor-Vorgänger von Ebarts als Intendant, der mit demselben der Aufführung beigewohnt hatte. Er ist schlichtweg begeistert  : »Ganz offen und ehrlich muß ich gestehen, daß ich diese Oper bis jetzt noch nicht in solcher Vollendung gesehen habe«374. Die Presse, von der unzählige Meldungen in Coburg gesammelt wurden, äußert sich überwiegend positiv, besonders gefällt der vieldiskutierte zweite Akt. Allein Becker sendet Artikel von nahezu 30 verschiedenen Zeitungen über »Santa Chiara« nach Hause. In den Coburger Akten LA A 7365 und 7367 finden sich Meldungen von 19 verschiedenen Zeitungen aus dem deutschsprachigen Raum und von 23 ausländischen Zeitungen, aus Frankreich über Skandinavien bis Italien. Die meisten Berichte enthalten allerdings nur die wichtigsten Fakten kurz zusammengefasst375  : »außergewöhnlicher Erfolg«, »Herzog abwesend«, auch »Haus ausverkauft«, mitunter dazu »Ebart als Vertreter anwesend«. In der ausländischen Presse wird zudem vermerkt, dass das Publikum besonders wegen des Namens des Autors auf die Oper neugierig gewesen sei376. Amüsant in diesem Zusammenhang erscheint der Versuch des »Corriere di Napoli«377, alle aus dem Gothaer Adelskalender entnommenen Titel des Herzogs korrekt aufzuzählen. Allerdings muss die Liste in der Zeitung aus Platzgründen abgebrochen werden  : »per oggi, basta«  !

371 Brief Engels vom 27. Februar 1891 (StACo Theater 14, f. 41). 372 Brief Engels vom 28. Juli 1891 (StACo Theater 14, f. 107f.). 373 Telegramm des Herzogs aus Callenberg nach Gotha an den Intendanten von Ebart vom 2. August 1891 (StACo Theater 14, f. 111 und 113). 374 Brief Beckers vom 6. August 1891 (StACo Theater 14, f. 115). 375 Hier beispielsweise aus dem »Wiener Abendblatt«, 41. Jg., Nr. 214, vom 6. August 1891. 376 Zum Beispiel in der Tageszeitung »Le Patriote«, 8. Jg., Nr. 219, vom 7. August 1891  : »Le public berlinois, qui attendait l’exécution de cette œuvre avec impatience vu le nom de l’auteur, lui a fait un excellent accueil.« 377 »Corriere di Napoli«, Neapel, 20. Jg., Nr. 215, vom 7./8. August 1891.

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Lübeck – letzte Lorbeeren Der letzte bemerkenswerte Erfolg von »Santa Chiara«, den Ernst II. noch erleben darf, findet im März 1891 im Stadttheater Lübeck statt378. Dessen Direk­tor, Friedrich Erdmann-Jesnitzer (1854–1906), rühmt die Qualität seines Hauses und versichert, dass er sich das Material für »Santa Chiara« aus der Hamburger Leihbibliothek Richter kommen lassen werde, ehe er um Erlaubnis und nach den rechtlichen Bedingungen fragt. Tatsächlich holt sich Erdmann-Jesnitzer die Noten aus Hamburg und hat sich vielleicht gleich bei dieser Gelegenheit die dortige Aufführung der »Santa Chiara« angesehen  : »… die Oper hatte einen schönen, warmen Erfolg«379. Natürlich muss er trotz des Materials aus Hamburg die entsprechenden Tantiemen nach Coburg überweisen, die – wie er unüberhörbar hervorhebt – mit 600 Mark angeblich deutlicher höher ausfallen als die für Wagners »Walküre« (300 Mark plus zehn Prozent der Bruttoeinnahmen) oder Verdis »Aida« (300 Mark plus sechs Prozent)380. Wenig glaubwürdig erscheint auch die voreilige Versicherung Erdmann-Jesnitzers, er spekuliere sicher nicht auf eine Auszeichnung381. »Lediglich aus Plaisir bin ich zum Theater gegangen, lediglich aus Passion – ohne es nöthig zu haben – übe ich meine Kunst aus […] mit anderen Worten  : ich führe Santa Chiara seiner selbst willen auf und nicht um einen Orden zu erhalten.« Außerdem sei ihm in Lübeck eh schon die »Silberne Medaille« verliehen worden. Der Herzog nimmt sich diese Worte zu Herzen und beantwortet die Vielzahl an eifrigen Schreiben, die der Lübecker Direktor in den folgenden Wochen noch an ihn sendet, stets mit »unverbindlich gedankt«382. Trotz aller Merkwürdigkeiten im Vorfeld wird die Premiere am 13. März 1891 schließlich ein großer Erfolg. Das Haus ist ausverkauft und der Beifall begeistert. Nach der Sommerpause wird das Stück wieder aufgenommen383 und erlebt im Februar 1892 seine siebte Aufführung in Lübeck. Dazu schreibt Erdmann-Jesnitzer384  : »Die Musik Eurer Hoheit ist 378 Schriftwechsel hierzu in StACo Theater 14, f. 61–65, 67–69, 71–79, 81, 83–87, 89 (Plakat), 153, 165–171, 187, 189–192 (Plakat), 196. 379 Brief Erdmann-Jesnitzers vom 6. Februar 1891 (StACo Theater 14, f. 65). 380 Brief Erdmann-Jesnitzers vom 24. Februar 1891 (StACo Theater 14, f. 75–78). 381 Brief Erdmann-Jesnitzers vom 16. Februar 1891 (StACo Theater 14, f. 71–74). 382 Vermerk auf dem letzten Brief Erdmann-Jesnitzers vom März 1892, in dem dieser sogar schließlich um ein »sichtbares Zeichen von Huld und Gnade« bettelt (StACo Theater 14, f. 196). 383 Vgl. Theaterzettel vom 14. Oktober 1892 zur fünften Vorstellung von »Santa Chiara« (StACo Theater 14). 384 Brief ohne Datum, wahrscheinlich von Ende Februar 1892 (StACo Theater 14, f. 187).

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hier derart ins Volk gedrungen, daß ich beispielsweise die ›Romanze‹ des Victor im 1. Acte diverse Male für Theaterfreunde abschreiben lassen mußte – ja daß ich diese Romanze in Gesellschaftskreisen sogar von Dilettanten bereits vortragen hörte.« In der Presse werden Aufführung und Werk ebenfalls wohlwollend besprochen. Der Rezensent der »Lübeckischen Blätter«385 lobt zuerst den Komponisten  : »Der fürstliche Tonsetzer, mit dessen Werk wir es hier zu thun haben, hat auf musikalischem Gebiete schon seit langen Jahren eine fruchtbringende Thätigkeit entfaltet und besonders in seinen beiden Opernwerken  : Diana von Solange und Sta. Chiara, sowie in einer sehr wirkungsvoll componirten Hymne Zeichen eines nicht gewöhnlichen Talents geliefert.« Anschließend versucht er eine Einordnung des älteren Werkes, dessen Schlichtheit auf Ausführende wie Publikum geradezu wohltuend gewirkt zu haben scheint  : »Geschrieben anfangs der fünfziger Jahre, bewegt sich die Musik in den Formen einer Zeit, welcher vornehmlich durch Weber, Spohr und Lortzing der Stempel ihres Geistes aufgeprägt wurde und bietet den ausführenden Kräften durchgehends sehr dankbare Nummern, die vermöge ihrer theilweise sehr reizvollen melodischen Färbung einer freundlichen Aufnahme im Voraus sicher sind. Hervorzuheben sind in dieser Hinsicht besonders ein Quartett a capella, ein Quintett und das Finale im ersten sowie die dramatische bedeutende Scene am offenen Sarge im zweiten Act. Hübsche Fischer-Chöre in Verbindung mit einem wirkungsvoll componirten Schluß zeichnen den dritten Act aus und legen ein schönes Zeugniß ab von dem künstlerischen Ernst, mit welchem der Tonsetzer sich seinem Werke gewidmet, und von seiner Befähigung, die mannigfachen und verwickelten Formen des Opernstyles in einer den Erfolg bei den Hörern sichernden Weise zu beherrschen. […] Allerdings werden die Ansprüche der Jetztzeit, insofern die umwälzenden Leistungen Richard Wagners und seiner Schule zum Vergleiche herangezogen werden, bei dieser Musik nicht befriedigt werden können, schon weil die Verhältnisse, unter denen das Werk entstanden, einer früheren Periode angehören  ; wer jedoch bereit ist, einfachere musikalische Formen auf sich wirken zu lassen und dabei die bewiesene Selbständigkeit in der Erfindungsgabe, verbunden mit einem sicheren technischen Können anzuerkennen, wird angesichts dieser Darbietung eines eigen­ artig schöpferischen Geistes zweifellos auf seine Rechnung kommen.«

385 »Lübeckische Blätter«, 33. Jg., Nr. 22, vom 18. März 1891, S. 127–128 (auch in StACo Theater 14, S. 91–92  ; im Anschluß auf f. 93 ein nicht näher bezeichneter Zeitungsausschnitt mit einer durchaus positiven Rezension der Lübecker Aufführung).

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Kurz notiert MÜNCHEN  : In München saß zu dieser Zeit ein bedeutender Theatermann auf dem Direktorensessel des Hof- und Nationaltheaters, Franz von Dingelstedt (1814–1881). Auch er bekundete sein Interesse an »Santa Chiara«386, bestellte Abschriften, die er dann selber anfertigen lassen musste, und wurde aus Coburg mit ausführlichem Material und Informationen387 versorgt. Dingelstedts Neugier auf »Santa Chiara« wurde sicher auch durch das Engagement seiner Frau, einer berühmten Sängerin, verstärkt. Jenny Lutzer-Dingelstedt (1816– 1877) reiste im Herbst 1854 für ein Gastspiel nach Coburg und sang dort in den Vorstellungen vom 28. und 30. November die Hauptrolle in »Santa Chiara«388. In Gegenwart des Prinzregenten von Baden, des Prinzenpaares von Koháry sowie der Theaterdirektoren Hoffmann (Frankfurt) und Karl Devrient (Karlsruhe) erhielt sie für ihren Gesang und ihre Darstellung vom Publikum »die großartigsten, fast triumphartigen Auszeichnungen«. MAGDEBURG  : Schwierig waren die Verhandlungen mit dem Stadttheater Magdeburg. Dessen Direktor Johann Springer (1807–1856) behauptete im Dezem­ ber 1854, viel Gutes von »Santa Chiara« gehört zu haben389, wollte die Oper aber nicht für 14 Friedrichsd’or vom Hamburger Theateragenten Sachse kaufen. Die Coburger Intendanz kam ihm daraufhin bis auf 12 Friedrichsd’or entgegen und erklärte sich sogar noch bereit, dem Kapellmeister Joseph SchulzWeida (1830–1872), zu dessen Benefiz das Werk aufgeführt werden sollte und der daher für die Beschaffung der Stimmen verantwortlich war, das Material zur Leihe zu geben. Dennoch blieb das Werk bis in den Februar 1862 unaufgeführt, als der kühne Musikdirektor erneut begann, um den Preis zu feilschen390. Nur die Langmut der Coburger Intendanz ermöglichte schließlich die Aufführung in Magdeburg am 16. April 1862391.

386 StACo Theater 9, f. 35–36, 41 und 49. Zum Folgenden. 387 Brief Töplers an Dingelstedt vom 19. Dezember 1854 (StACo Theater 9, f. 41), in dem Töpler ein Buch (»mit der hies. scenischen Einrichtung«) und eine Partitur von »Santa Chiara« übersendet. 388 Vgl. den Bericht hierzu in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung«, 3. Jg., Nr. 51, vom 21. Dezember 1854, S. 218. Zum Folgenden. 389 StACo Theater 9, f. 31–33, 53, 54, 59–61, 69, 71f., 73. Zum Folgenden. 390 Ohne nachweisbares Ergebnis in den Coburger Theaterakten. 391 Vermerk in einer »Tromba II«-Stimme des Aufführungsmaterials (LBC TB Op 243).

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WEIMAR  : Die Weimarer Premiere, in illustrer musikalischer Gesellschaft, wurde dem Herzog durch ein Telegramm bekannt gegeben. Am 19. Februar 1855 meldete der Schriftsteller Wolfgang Robert Griepenkerl (1810–1868) aus Weimar nach Gotha an Wangenheim392  : »Santa Chiara am Dienstag. Berlioz bleibt bis zur Aufführung. Griepenkerl.« WÜRZBURG  : Das Stadttheater Würzburg war die letzte Bühne, die noch im Jahr 1855, das für »Santa Chiara« so entscheidend war, ihr Interesse bekundete393. Eine Zeitungsmeldung zu einer Würzburger Aufführung findet sich allerdings erst aus dem Jahr 1876, als die »Thüringer Zeitung« vermeldete, »Santa Chiara« sei vom Publikum in Würzburg »sehr warm aufgenommen« worden394. LINZ/GREINBURG  : In seine österreichischen Besitzungen fuhr Ernst II. vor allem zum Jagen. Doch auch seine Musik fand ihren Weg dorthin. So verlangte der Oberdirektor der Herrschaft Greinburg, Georg von Röpert (geb. 1806), am 4. Januar 1856395 eine Partitur und ein Textbuch der »Santa Chiara«, da er eine baldige Aufführung in Linz erwartete  : »In Linz ist großer Jubel daß man bald St. Chiara hören wird, der Herzog hat dort einen guten Klang, auch ohne seine schöne Musik.« Da bezog der Fürst seinen guten Ruf also eher aus der kurz zuvor geschlagenen »Fasanenschlacht«. GRAZ  : Beim Stadttheater Graz verhielt es sich genau anders als sonst  : Hier war es im Januar 1856 der Theaterdirektor Anton Balvansky, der zuerst Post aus Gotha erhielt396. Man hatte nämlich aus den Zeitungen von einer Aufführung der »Santa Chiara« in Graz erfahren und wollte nun wissen, mit welchem Material diese gemacht worden sei. Sehr verärgert war die Coburg-Gothaer Intendanz (vor allem natürlich die Hofkapelle), als herauskam, dass der Theateragent Sachse einfach eine Partitur billig (für 60 fl.) an Graz verkauft hatte, 392 »Telegraphische Depesche« in StACo Theater 8, S. 101. – Übrigens hatte Griepenkerl schon im August 1854 an der Werbung für »Santa Chiara« in der Presse mitgearbeitet (StACo LA A 7358, f. 47 und 48). 393 Briefwechsel vom 24. und 25. Dezember 1855 in StACo Theater 8, S. 119f., 121. 394 »Sonntags-Beilage« der »Thüringer Zeitung«, Nr. 12, vom 26. November 1876 (StACo LA A 7363). 395 Briefwechsel in StACo Theater 8, S. 123–126, 131. Zum Folgenden. – Zu Röpert vgl. StATh Gotha, Sachsen-Coburg und Gothaisches Staatsministerium, Dep. C, Herrschaft Greinburg, Nr. 659 und 665. 396 Briefwechsel in StACo Theater 8, S. 127, 129f. Zum Folgenden.

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ohne den entsprechenden Anteil an die Eigentümerin, die Hofkapelle, abzuführen. Immerhin war die Oper in Graz recht erfolgreich und wurde innerhalb kurzer Zeit wiederholt, was in der Presse dem Eifer und der Sorgfalt aller Mitwirkenden zugeschrieben wurde397. SONDERSHAUSEN  : Das Fürstlich Schwarzburgische Hofmarschallamt Sonders­ hausen bestellte im Juni 1856 Partitur und Buch der »Santa Chiara« in ­Coburg398. Im September 1856, als offenbar die Aufführungen im örtlichen Singverein und im Hoftheater bevorstanden, fragte der Oberstallmeister Karl von Wurmb (1759–1890) dann noch nach Textbüchern. Diese wurden ihm auch prompt aus Coburg zugesandt (gegen Bezahlung von 20 fl.), wo noch größere Bestände davon lagerten. In der Zeitung »Der Deutsche« vom 19. Februar 1857399 wurde über eine Aufführung der »Santa Chiara« unter der Leitung des Kapellmeisters Eduard Stein (1818–1864) ausführlich berichtet. Eine weitere Anfrage aus Sondershausen im Februar 1885 wurde abgelehnt400. AMSTERDAM  : Der Direktor der deutschen Oper in Amsterdam, Jan Eduard de Vries (1808–1875), wollte bei seiner Inszenierung der »Santa Chiara« offenbar auf Nummer sicher gehen. Nachdem er im Juli 1858 geschrieben hatte401, er habe nun die erforderlichen Kräfte für eine angemessene Darstellung beisammen, erhielt er ohne Umstände die Erlaubnis aus Coburg. Daraufhin wollte er im Sommer oder Frühherbst 1858 einmal nach Gotha kommen, um sich eine Aufführung anzusehen. Leider war da gerade kein entsprechendes sängerisches Personal am Coburg-Gothaer Hoftheater verfügbar, so dass dem Amsterdamer Theaterdirektor nicht geholfen werden konnte402. 397 Hierzu wie zum Folgenden vgl. »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 5. Jg., Nr. 6, vom 20. Januar 1856, S. 23. 398 Schriftwechsel hierzu wie zum Folgenden in StACo Theater 8, S. 151, 153, 155–158, 159. – In StACo LA A 7360, f. 9 zudem ein kurzer Brief vom 18. Februar 1857 eines Franz Hallmann aus Sondershausen, der einen Artikel über »Santa Chiara« verfasst hatte (nicht beiliegend). 399 »Der Deutsche«, Nr. 22, vom 19. Februar 1857 (vgl. StACo LA A 7364). 400 Brief von Carl Töpfer (1832–1909) aus Sondershausen vom 9. Februar 1885 an den Intendanten Becker wegen Fürsprache beim Herzog, lt. Vermerk abgelehnt (StACo Theater 3042, o. Nr.). 401 Briefwechsel hierzu in StACo LA A 7360, f. 74 (Brief von de Vries vom 19. Juli 1858) und Theater 8, S. 169–172 (Brief Bergers im Namen von de Vries vom 2. August 1858  ; Entwurf der Antwort aus Coburg). 402 »Santa Chiara« erschien erst am 29. Januar 1860 wieder in ihrer Heimat auf der Bühne ­(Gotha).

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BRESLAU  : In Breslau kam »Santa Chiara« im Jahr 1858 »trotz glänzender Ausstattung«403 und trotz »des von Meyerbeer sehr gelobten zweiten Aktes« nur auf vier Aufführungen404. Auch die Presse sprach verhalten von »gutem Erfolge«405. Man hatte versucht, den Herzog und Komponisten durch verschiedene Anreize nach Breslau zu locken406, damit er der Aufführung beiwohne  : durch die »schlesischen Jagden«, an denen er aber leider nicht teilnehmen konnte, und vielleicht auch durch die von ihm verehrte ungarische Schauspielerin Lila von Bulyovsky (1833–1909), die durch ihren besonderen Zugang zum sonst so verschlossenen König Ludwig II. von Bayern bekannt wurde. Ernst II. erfuhr von dem erfolgreichen Gastspiel der Bulyovsky in seiner Oper und zögerte daher nicht, sie im April 1859 der wohl mächtigsten Frau der deutschen Bühne zur Protektion ans Herz zu legen, seiner Freundin Charlotte Birch-Pfeiffer407. Diese scheint damit jedoch überhaupt nicht einverstanden gewesen zu sein408. BREMEN  : In Bremen409, von wo im Juni 1861 zehn Friedrichsdor für Buch, Partitur und Aufführung der »Santa Chiara« nach Coburg überwiesen wurden, beneidete man das Coburg-Gothaer Hoftheater vor allem um die Theatermaler Brückner410  : »die Skitzen [sic] sind so sehr hübsch und künstlerisch, wie schade, daß man nicht auch einen so tüchtigen Künstler haben kann.« Im Jahr 1877 kam es zu einer Wiederaufnahme, die u. a. in der »Weser-Zeitung«411 für ihre Qualität gelobt wurde.

403 Sittenfeld 1909, S. 87. Auch zum Folgenden. 404 Eine Ankündigung, in der neben »Santa Chiara« auch Verdis »Hernani« genannt wird, findet sich beispielsweise in der »Neuen Berliner Musikzeitung«, 12. Jg., Nr. 29, vom 14. Juli 1858. 405 »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 7. Jg., Nr. 46, vom 18. November 1858, S. 183. 406 Vgl. hierzu den Brief des Kammerherrn Horneck aus Breslau vom 11. April 1859 (StACo LA A 7360, f. 81). 407 Vgl. hierzu den Brief Ernsts an Birch-Pfeiffer vom April 1859 (DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, b.2, VIII 12190). 408 Dies geht aus handschriftlichen Vermerken der Birch auf oben genanntem Brief hervor. 409 Auf eine Aufführung von »Santa Chiara« in Bremen im Jahr 1857 verweist ein Zeitungs­ artikel aus der »Nationalzeitung« von 1891, anlässlich der Wiederaufnahme in Berlin (Ausschnitt in StACo LA A 7366). 410 Brief von Heinrich Behr (1821–1897) aus Bremen vom 19. Juni 1861 (StACo Theater 9, f. 65f und 84f.). Auch zum Folgenden. – Zur Brückner’schen Ausstattung der »Santa Chiara« vgl. Kern 2010, S. 42. 411 »Weser-Zeitung«, Nr. 10787 [?], vom 28. Januar 1877 (vgl. StACo LA A 7364).

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DETMOLD  : Dasselbe Honorar, das Bremen bezahlt hatte, wurde im Januar 1862 dann auch vom Theaterdirektor Gustav Mewes (gest. 1865) aus Detmold verlangt412. Dieser wollte »Santa Chiara« noch im Laufe der Saison unter der Leitung des Hofkapellmeisters Clemens August Kiel (1813–1871) herausbringen. REGENSBURG  : Auch in Regensburg ist »Santa Chiara« gespielt worden, denn es finden sich diesbezügliche Hinweise in den Orchester- und Gesangsstimmen413  : Genannt sind der 10. und 28. Februar 1868. KASSEL  : Zu »Kaiser=Königs Geburtstag«, dem 22. März, sollte »Santa C ­ hiara« im Jahr 1871 in Kassel erklingen. So schrieb es der Hofkapellmeister Carl Reiß (1829–1908) am 10. Februar an seinen Kollegen in Coburg414. Außerdem bat Reiß denselben noch um ein kurzes Gutachten über die junge Cellistin Wandersleb, Tochter des Gothaer Musikdirektors, die er gegebenenfalls für ein Abonnementkonzert nach Kassel einladen wollte415. Im März 1888 fragte die Kasseler Intendanz erneut nach »Santa Chiara« und erhielt aus Gotha die Auskunft, dass das Material nun 200 Mark koste, pro Aufführung würden 300 Mark fällig416. Erst kurz zuvor war in der Coburger Theaterbibliothek eine Bestandsaufnahme zu den verfügbaren Noten zu »Santa Chiara« gemacht worden417, wohl auch, um im ständigen Leihverkehr die Übersicht zu behalten. Anschließend ging das Material – wie gewünscht – nach Kassel418. STUTTGART  : Als der Oberregisseur des Königlich Württembergischen Hoftheaters Stuttgart, Karl von Jendersky (1835–1886), am 24. Juli 1874 um die Erlaubnis bat, »Santa Chiara« im Laufe der nächsten Saison auf seine Bühne bringen zu dürfen, war der Herzog zwar einverstanden, empfahl aber, besser seine »Diana von Solange« zu spielen419. Zur Begründung nannte er das »russische 412 Brief von Gustav Mewes aus Detmold vom 21. Januar 1862 (StACo Theater 9, f. 63). 413 LBC TB Op 243. Die Jahreszahl ist nur in einer Abschrift der Rolle der »Charlotte« angegeben. 414 Briefwechsel in StACo LA A 7362, f. 9–13  ; Theater 14, f. 1, 3, 4. 415 StACo LA A 7362, f. 9–10. 416 Antwortentwurf vom 22. März 1888 (StACo Theater 14, f. 4). 417 Vgl. hierzu die Auflistung des Coburger Orchestermaterials zu »Santa Chiara« vom 9. März 1888 (StACo Theater 3644, o. Nr.)  : 42 Orchester-, 24 Chorstimmen, 2 Souffleurbücher, 1 Inszenierungsbuch, 3 Partituren à 3 Bände, dazu noch Klavierauszüge, Textbücher und eine Ausgabe der Ouvertüre (nicht erkennbar, wie viele Exemplare). 418 Vgl. Vermerk zur Rücksendung aus Kassel am 30. August 1888 (StACo Theater 3644, f. 45  ?). 419 Briefwechsel in StACo LA A 7362, f. 36–38.

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Sujet« der »Santa Chiara«, gegen das man am Stuttgarter Hof möglicherweise »Bedenken« haben werde. Jendersky antwortete darauf, dass er die Entscheidung der Königin überlassen werde420. Über Generationen waren die Württemberger eng mit dem russischen Zarenhof verbunden, und seit 1864 war die Frau Karls I. (1823–1891), Olga (geb. Nikolajewna Romanowa, 1822–1892), die sehr beliebte Königin des Landes. NÜRNBERG  : Der Nürnberger Theaterdirektor Maximilian Reck hatte den seltenen Vorteil, sich unmittelbar, bevor er selbst »Santa Chiara« auf die Bühne brachte, eine Aufführung derselben im Coburger Hoftheater ansehen zu können421. Umso freudiger berichtete er von seiner eigenen Premiere in Nürnberg am 16. April 1876  : »Chiara hatte glänzenden Erfolg und fand stürmischen Beifall. Das Publikum rief mich und die Sängerin fortwährend vor die Rangen [sic]. Ausstattung glänzend. Frau Marion war als Chiara unerreichbar.«422 Die Nürnberger Presse reagierte positiv, wenn auch fränkisch-reserviert. Im »Fränkischen Kurier«423 stand zu lesen, dass die neue Oper von »E.H.z.S.«424 »von dem zahlreich versammelten Publikum mit vielem Beifall aufgenommen« worden sei. Die »Nürnberger Presse«425 nahm die außergewöhnliche Großzügigkeit des Direktors bei der Ausstattung der Oper lobend zur Kenntnis  : »Das Publikum war begeistert und zollte neben der Bewunderung der dekorativen Pracht auch der Lieblichkeit der schönen Weisen und musikalischen Gedanken, sowie den vorzüglichen Leistungen unserer Kräfte Dank und Anerkennung […]«. Direktor Reck, der vom Herzog das Ritterkreuz 2. Klasse erhielt, wollte nach diesem Erfolg auch »Diana von Solange« aufführen426, musste vorher aber erst noch ein Missverständnis um die Honorarzahlung für »Santa Chiara« klären427. 420 Außerdem empfahl er dem Herzog einen Freund, den Komponisten Wenzel Theodor ­Bradsky (1833–1881), der wenig später Hofkomponist in Berlin wurde. 421 Es handelt sich wohl um die Aufführung von »Santa Chiara« am 18. April 1876, als auch Kaiser Wilhelm I. anwesend war (StACo LA A 7363, f. 28  ; Briefwechsel und Zeitungsartikel hierzu allgemein in StACo LA A 7363, f. 26–30, 33–35, 39–44  ; LA A 7364, f. 72). 422 Telegramm vom 17. April 1876 (StACo LA A 7363, f. 29). 423 »Fränkischer Kurier«, 43. Jg., Nr. 197, vom 18. April 1876. 424 »…so bezeichnet der Zettel den Komponisten«. In Nürnberg wusste man natürlich, um wen es sich handelte. 425 »Nürnberger Presse«, 4. Jg., Nr. 108 und 109, vom 18. April 1876. 426 Vgl. die Briefe Recks vom 27. April und 5. Mai 1876 (StACo LA A 7363, f. 42, 39). 427 Wieder war es der übereifrige Louis Weinkauff von der Hofkapelle Coburg, der – ohne sich bei Krämer zu erkundigen, der bereits 420 Mark von Reck empfangen hatte – nachdrückliche, aber unberechtigte Forderungen stellte (vgl. StACo LA A 7363, f. 39–41).

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BAYREUTH  : Der Direktor des königlichen Theaters Bayreuth, Karl Stick, gab in seiner Anfrage an428, er sei auf ein Werk des Herzogs angesprochen w ­ orden und wolle daher nun »Santa Chiara« aufführen. Obwohl er seine reiche persönliche Erfahrung als Bassist und Regisseur ebenso lobte wie die Qualität seines Personals (er schickte sogar eine Liste mit), scheint man aus Coburg sicherheitshalber noch eine zusätzliche Meinung über Stick eingeholt zu haben, ehe man ihm die Aufführungserlaubnis erteilte  : Der Inspektor des Bühnenfestspielhauses Bayreuth, Jakob Moritz (1826–1904), nennt Stick in seiner Nachricht vom 24. September 1877 einen »tüchtigen Director« und »als Mensch sehr solide«429. KONSTANZ  : Der Direktor des Konstanzer Stadttheaters, Hermann Starcke, bat im Mai bzw. Juli 1877 um die Erlaubnis, »Santa Chiara« auf seiner Bühne präsentieren zu dürfen430. Ob es zu einer Aufführung kam, ist unklar  ; zumal sich Starcke erst im September des Jahres nach langer Krankheit wieder zurückmeldete431. Dass er jedoch eine Zusage des Herzogs erhalten haben dürfte, ist fast sicher  : Denn Hermann Starcke hatte kurz zuvor – zusammen mit dem Erfurter Verleger Edmund Bartholomäus (1836–1884) – in der Reihe »Inscenierung und Charakteristik deutscher, italienischer und französischer Opern« eine umfangreiche Besprechung von »Santa Chiara« herausgegeben, die dem Herzog sehr gefiel432. Auch erhielt Starcke, der sich im Juli 1876 übrigens noch als »1. Kapellmeister der Oper in Wien« betitelte433, im Jahr 1877 eine Verdienstmedaille vom Herzog434, höchstwahrscheinlich für eben diese Veröffentlichung zu »Santa Chiara«.

428 Brief Sticks vom 18. September 1877 (StACo LA A 7363, f. 317  ; zum Folgenden f. 319). 429 Brief Moritz’ vom 24. September 1877 (StACo LA A 7363, f. 318). – Weitere Schriftstücke zu Verhandlungen über »Santa Chiara« in Bayreuth in StACo Theater 3684 (o.Nr.). 430 Briefe Starckes vom 25. Mai und 23. Juli 1877 (StACo LA A 7363, f. 248, 307). 431 Brief Starckes vom 28. September 1877 (StACo LA A 7363, f. 309). 432 Ausführlicher Schriftwechsel, der die Entstehung des Heftes sowie die zunehmende Entfremdung der beiden Autoren belegt, in StACo LA A 7363, f. 56–63, 96–110, 157–169, 177, 183, 201–210, 238–274, 307–336f. Krämer gab ein positives Gutachten über die Schrift ab, deren Herstellung vom Herzog überwacht worden war. 433 Brief Starckes vom 21. Juli 1876 (StACo LA A 7363, f. 61ff.). 434 Vgl. ThStAGotha, Bestand Sachsen-Ernestinische Hausorden und Medaillen der Herzöge, Verdienstmedaille für Kunst und Wissenschaft in Silber, Nr. 38748. Außerdem StACo LA A 7363, f. 307, 309. – Bartholomäus erhielt übrigens das Ritterkreuz II. Klasse (StACo LA A 7363, f. 201).

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STRASSBURG  : Auch im Elsass, dessen politisches Schicksal Ernst II. in einer eigenen Komposition gewürdigt hatte (»An Elsaß-Lothringen«), hieß man ­ »Santa Chiara« willkommen. Der Komponist, Kritiker und Freund Berlioz’ Francois Schwab (1829–1883) schrieb aus Straßburg und übersandte einen Zeitungsartikel435. Darin sagte er dem Werk, dessen Premiere für den 15. März 1878436 angesetzt war, aufgrund seiner schönen Melodien und der gelungenen Inszenierung einen »vrai succès« (»echten Erfolg«) voraus437. Nach seiner Auskunft sollte der Kapellmeister und später als Chordirigent bekannt gewordene Bruno Hilpert (1850–1910) »Santa Chiara« dann auch noch in Colmar und Metz dirigieren438. Dass das Netz der herzoglichen Kontakte in jeden Winkel Europas reichte, zeigt der Brief eines Beamten der Straßburger Zoll- und Steuerbehörde, Carl Sauerteig439, der sich als geborener Gothaer dem Herzog verbunden fühlte und ebenfalls eine von ihm selbst verfasste Besprechung der Aufführung mitschickte440. Eine weitere Verbindung Straßburg – Coburg/Gotha ergab sich durch Alexander Hessler (1833–1900), der in seiner Funktion als Direktor des Straßburger Stadttheaters mehrere Briefe an die Coburger Intendanz richtete441. Hessler war als Bariton in der Saison 1865/66 am Coburg-Gothaer Hoftheater engagiert gewesen und verantwortete nun die Wiederaufnahme der »Santa Chiara« in Straßburg im Dezember 1880442. Wohl nichts ahnend von der miserablen Aufführung der Oper in London, empfiehlt er seinen Kapellmeister Louis Saar (vormals in London  !) anlässlich dessen Dienstjubiläums mindestens für einen Glückwunsch. Übrigens trat Hessler selbst im Dezember 435 Erster Brief vom April 1878 (StACo LA A 7363, f. 390). Weitere Briefe von September und Oktober 1880 (StACo LA A 7364, f. 64–65, 66, 73–74  ; Theater 3042, o. Nr.). 436 In einer Violinstimme des Coburger Orchestermaterials (LBC TB Op 243  ; 1. Violine, 3. Pult) werden als Daten für Straßburg der 14. und 17. März 1878 angegeben. 437 »Elsässer Journal«, Nr. 61, vom 13. März 1878 (als Ausschnitt in StACo LA A 7364). 438 Brief Schwabs vom 19. September 1880 (StACo LA A 7364, f. 64–65). – In einer Violinstimme (1. Geige, 3. Pult) im Coburger Orchestermaterial (LBC TB Op 243) haben tatsächlich zwei »Hoboisten« aus Metz unterschrieben, allerdings ohne Datum. In einer Cello-/ Bassstimme findet sich dazu die Jahresangabe 1894. 439 Brief Sauerteigs vom 13. Dezember 1880 an den Herzog (StACo LA A 7364, f. 67 und 68). 440 Diese ist leider nicht erhalten. 441 Briefe Hesslers vom 16. und 31. Oktober und vom 5. und 13. Dezember 1880 (StACo 3042, o. Nr.). Zum Folgenden. 442 Hierzu weitere Artikel Schwabs im »Elsässer Journal«, Nr. 289, vom 7. Dezember 1880, und Nr. 293, vom 11. Dezember 1880, mit viel Lob für die Ausführenden und einer positiven Sicht auf das Werk (Ausschnitt in StACo LA A 7364). – Auch in der Rolle des »Alphonse« im Coburger Orchestermaterial (LBC TB Op 243) ist eine Aufführung am 9. Dezember 1880 in Straßburg vermerkt.

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1897 in Gotha in Erscheinung, als er bei Aufführungen seines Stückes »Ernst der Fromme, Herzog zu Gotha« zugunsten eines Denkmals mitwirkte443. KÖNIGSBERG  : Im November 1878 bat der Sänger und Direktor des Königsberger Stadttheaters Max Staegemann um Rat, welche Oper des Herzogs er am besten aufführen solle444. Man empfahl ihm »Santa Chiara« und lieh ihm das Stimmenmaterial aus Coburg, die Partitur allerdings musste er sich kaufen. Am 23. März 1879445 berichtete Staegemann stolz vom großen Erfolg seiner Aufführung. Besonders »stimmungsvoll« und ergreifend fand er den zweiten Akt, der auch aufgrund des stimmigen Bühnenbilds wohl der »Höhepunkt« des Abends war. Er schämt sich auch nicht zu erwähnen, dass das Haus nicht voll war, und nennt als Grund »die Demokraten«  : »In dem leider unangenehm fortschrittlichen Königsberg war gestern der Geburtstag des Kaisers durch das Werk eines fürstlichen Componisten gefeiert Grund genug um diese Elemente prinzipiell fernzuhalten«. Er hoffe jedoch, dass das Haus bei der Wiederholung der Oper voller sein werde, denn diese sei als Benefiz zugunsten der Verunglückten von Szegedin446 angesetzt. Offen gesteht er seine eigene missliche Lage angesichts der konkurrierenden musikalisch-politischen Implikationen  : »[E]in solcher Abend darf nicht keinen Erfolg haben, das wäre entsetzlich peinlich gewesen«. Nach der Premiere am 22. März 1879447 folgte die erwähnte Benefizvorstellung am 28. März, dann musste wegen Erkrankungen der Sänger einige Male das Repertoire geändert werden, schließlich wurde am 13. Mai 1879 wieder »Santa Chiara« gegeben. Das »Berliner Fremdenblatt«448 schrieb über die Oper des Herzogs, »daß über den musikalischen Werth derselben sich die bedeutendsten Kapacitäten mit höchster Anerkennung ausgesprochen haben« und dass sie auch jetzt wieder in Königsberg »die allgemeinste und wohlverdiente Anerkennung« gefunden habe. Für den Erfolg bedankte sich der Herzog mit Auszeichnungen für den 443 Vgl. Forschungsbibliothek Gotha, Signatur Goth 8° 00145/09. 444 Brief Staegemanns vom 28. November 1878 (StACo LA A 7363, f. 382f.). Weiterer Briefwechsel zu »Santa Chiara« in Königsberg in StACo LA A 7363, f. 382–388  ; LA A 7364, f. 50–64 (inkl. Theaterzettel). 445 StACo LA A 7364, f. 50–51. Zum Folgenden. 446 In Szegedin gab es im Jahr 1879 verheerende Überschwemmungen mit vielen Toten. 447 Hierzu wie zu den folgenden Daten vgl. die Theaterzettel aus Königsberg in StACo LA A 7364, f. 54–59. 448 »Berliner Fremdenblatt«, 18. Jg., Nr. 71, vom 25. März 1879 (als Ausschnitt in StACo LA A 7364, f. 60).

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Kapellmeister Louis Rakemann (1813–nach 1898) und den Regisseur Oswald Hancke (1840–1879). AUGSBURG  : Über eine Aufführung der »Santa Chiara« im Stadttheater Augsburg berichteten mehrere Zeitungen Ende Januar 1879449. Der »Augsburger Anzeiger«450 beginnt mit der gewichtigen Warnung »Periculosa est potentium offensa«, schiebt diese sogleich beiseite und formuliert ganz offen  : »Kurz gesagt, Seine Hoheit hat mit dieser Oper, wenn auch nicht den Punkt getroffen, so doch einen Schuß in’s Schwarze gethan«. Die Premiere hatte am 20. Januar 1879 stattgefunden und wurde auch von anderen Blättern nicht unkritisch, aber eher positiv bewertet. Im »Augsburger Tageblatt«451 werden die »hübschen Melodieen« gelobt, das Libretto aber humorvoll aufs Korn genommen  : »In der Oper will Alexis seine Frau vergiften lassen  ; der griechische Leibarzt Aurelius ist aber kein Freund von drastisch wirkenden Mitteln, und reicht der Charlotte nur einen Schlaftrunk. Diesen Trunk muß Charlotte im zweiten Akt, ein halbe Stunde auf dem Paradebett liegend, vor dem Publikum ausschlafen. Hätte sich Charlotte Birch-Pfeiffer lebhaft in die peinliche Situation ihrer Charlotte Christina versetzt, sie würde diese Scene gewiß nicht angeordnet haben. Denn was du nicht willst, daß man dir thu, das füg’ auch keinem andern zu  !« Auch im »Sammler«452 wird das Libretto gerügt, und zwar besonders für die »ermüdenden Rezitative«. »Alles in allem« aber hinterlasse die Oper den Eindruck einer »zwar nicht bahnbrechenden, aber sinnigen und liebenswürdigen künstlerischen Persönlichkeit«. STETTIN  : Dass »Santa Chiara« am 26. Februar 1880 in Stettin Premiere ­feierte, ist auch aus den Eintragungen der Musiker in ihre Stimmen, die offenbar wieder nach Coburg zurückgeschickt wurden, ersichtlich453. Dass sie dabei ­einen »durchschlagenden Erfolg« errang, konnte der Coburg-Gothaer Intendant Becker dem Schreiben des offenbar begeisterten Direktors des Stadttheaters Stettin, Adolf Varena (1842–1913), entnehmen454. Im Zeitungsbericht455 lobt 449 Die Ausschnitte der im Folgenden genannten Artikel sind zu finden in StACo LA A 7364. 450 »Augsburger Anzeiger«, Nr. 19, vom 22. Januar 1879. 451 »Augsburger Tageblatt«, Nr. 19, vom 22. Januar 1879. 452 »Der Sammler«, Beilage zur »Augsburger Abendzeitung«, Nr. 10, vom 23. Januar 1879. 453 Vgl. LBC TB Op 243. Als Daten der Wiederholungen sind 2. und 8. März sowie 4. April 1880 angegeben. 454 Schriftwechsel in StACo Theater 3042, f. 1ff. 455 »Stettiner Zeitung«, Nr. 89, vom 28. Februar 1880 (vgl. StACo LA A 7364).

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der Korrespondent »H.v.R.« das Werk und die Aufführung, widmet aber einen großen Teil vor allem der Frage, wie sich die Einstellung des Publikums zu einem komponierenden Fürsten seit der Mitte des Jahrhunderts verändert habe. Während »vor nicht zu langer Zeit« die künstlerischen Bemühungen eines Fürsten noch »mitleidiges Achselzucken und ironisches Lächeln« hervorgerufen hätten und der in der Regel arme Berufsmusiker »seine durch Goldeswerth nie zu erwerbenden geistigen Gaben nicht im Besitz der herrschenden Klasse sehen« wollte, seien nun Neid und Eifersucht weniger geworden, denn in der aktuellen Zeit »geht die Kunst nach Brod und verkauft sich gern, wenn ihr ein annehmbares Gebot gemacht wird«. Daher werde die künstlerische Betätigung in höheren Kreisen jetzt in der Regel »ohne Widerstreben« akzeptiert. Denn auch die früher meist mittellosen Künstler hätten nun eine Möglichkeit, sich zumindest finanziell zu emanzipieren. Außerdem könne eine Oper wie »Santa Chiara«, die mit der »Fülle und Schönheit der Melodien« begeistere, in »unserer jetzigen so produktiv armen Zeit« erst recht Anklang finden. ROTTERDAM  : Im Juni 1885 versuchte der Berliner Theateragent Emil Drenker (1839–1887) die Oper »Santa Chiara« nach Rotterdam vermitteln456. Schon im Januar 1884 hatte der Amsterdamer Theaterdirektor Sigmund Lautenberg457 (1851–1918) vergeblich versucht, eine Aufführungserlaubnis zu erhalten458. CHEMNITZ  : Sehr bemüht zeigte sich Louis Schindler (1835–1904), Direktor des Chemnitzer Stadttheaters459. Er hatte zuerst –erfolglos – an die Theater in Königsberg, Leipzig und Altenburg geschrieben, ehe er sich im Februar 1889 an den Gothaer Intendanten von Rekowski wandte, um nach Material und Aufführungsbedingungen der »Santa Chiara« zu fragen460. Er erhielt unverzüglich das Notenmaterial461, so dass er gleich mit den Proben beginnen konnte. Im März und April folgten dann noch Regie- und Soufflierbücher, außerdem 456 StACo Theater 3043, o. Nr. 457 Wird in der Literatur zum Teil auch als »Lautenburg« geführt. 458 Brief Lautenbergs vom 26. Januar 1884, in dem der Direktor bedauert, keine Erlaubnis erhalten zu haben. Er wirbt daraufhin mit seinen guten Sänger(inne)n und bezeichnet sein Theater als das »schönste der Welt« (StACo Theater 3043, o. Nr.). 459 Schriftwechsel zu »Santa Chiara« in Chemnitz in StACo Theater 14, f. 5, 7, 9, 11f., 13, 15–22, 23, 25–31. 460 StACo Theater 14, f. 9. 461 Den Versand des Leihmaterials nach Chemnitz am 22. Februar 1889 bestätigen die Unterlagen der Coburger Theaterbibliothek  ; ebenso wie den Rückerhalt (StACo Theater 3644, f. 61).

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bestellte er auch Textbücher. Die Premiere am 19. März 1889 muss beim Publikum sehr gut angekommen sein, auch die Wiederholungen am 24. März462, vor dem 4. und am 11. April hatten laut Schindler »unbestrittenen Erfolg«463. Nach der letzten Aufführung, mit der er seine Saison beendete, schickte Schindler die vereinbarten fünf Prozent der Einnahmen (genau  : 109 Mark und 75 Pfennige) als Tantiemen nach Coburg und bekannte  : »Nochmals bedauere ich, daß ich den Erfolg der Oper nicht ausbeuten kann  ; ich hätte dieselbe im Laufe des Winters mindestens zehn Mal geben können  ; ich bin eben zu spät damit herausgekommen«464. Umso mehr freute sich Schindler dann über die Verleihung der »Herzog-Ernst-Medaille«465, die er weniger als Auszeichnung durch einen Politiker, denn als Anerkennung durch einen Künstlerkollegen begriff  : »Nach einer 30jährigen Bühnenthätigkeit ist dies die erste Auszeichnung von Künstler Hand und wird mir dieselbe ein schöner Sporn auf meiner ferneren Laufbahn sein.« HALLE an der SAALE  : Auch der Hallenser Theaterdirektor Julius Rudolph (1857–1915) scheiterte zunächst mit seiner Bitte an die Coburger Intendanz um Erlaubnis und Material für »Santa Chiara«466. Grund  : »Material bereits schon [vergeben]«. Im März 1892 versuchte Rudolph es erneut, diesmal mit Erfolg  : »Unter den üblichen Voraussetzungen genehmigt.« Schon am 10. April 1892 betrat »Santa Chiara« die Bühne in Halle467 und »hat das hiesige kunstsinnige Publikum im hohen Maße interessiert«468, so dass nach kurzer Zeit Wiederholungen stattfanden469. Der Herzog, dessen Vermerk vom April 1892 aus Nizza stammt, musste dennoch wieder einmal in der Zeitung lesen470, dass 462 Die Daten 19. und 24. März 1889 sind in Stimmen der Orchestermusiker vermerkt. In einer Rollenabschrift des »Alphonse« ist der 21. März genannt (LBC TB Op 243). 463 Brief Schindlers vom 4. April 1889 (StACo Theater 14, f. 22). 464 Brief Schindlers vom 4. April 1889 (StACo Theater 14, f. 22). 465 Dankesbrief vom 25. April 1889 (StACo Theater 14, f. 29f.; zum Folgenden) und Akte zur Auszeichnung in ThStA Gotha, Sachsen-Ernestinische Hausorden und Medaillen, Herzog-­ Ernst-Medaille, Nr. 36668. 466 Briefwechsel in StACo Theater 14, f. 57, 193, 197, 199, 201, 203. 467 Dieses Datum ist auch in der 1. Violine (2. Pult) im Coburger Orchestermaterial vermerkt (LBC TB Op 243). 468 Brief Rudolphs vom 13. April 1892 (StACo Theater 14, f. 203). Zum Folgenden. 469 Vgl. den Theaterzettel vom 12. April 1892 (StACo Theater 14). Diese Wiederholung war eine Benefizvorstellung für den Sänger Robert Meffert (1849–1903), der zugleich die Rolle des Victor übernahm. 470 In diesem Fall in der beiliegenden Kritik der »Saale Zeitung«, Halle, vom 11. April 1892.

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die »übertriebene Ausbreitung« der düsteren Stimmung im zweiten Akt nicht allen gefallen habe. »Die Scene ist und bleibt grauenhaft und wahrhaft furchtbar sind die Ausbrüche der Gewissensqual des Mörders gegenüber seinem Opfer.« Der Akt blieb also auch Jahrzehnte nach seiner Komposition umstritten, obwohl die Opernbesucher des Jahres 1892 sicher schon an mehr Grausamkeit und Dramatik gewöhnt waren als das Publikum bei Erscheinen der Oper. Doch auch lobende Worte fand ein Rezensent, der das Alter der Komposition natürlich im Blick hatte471  : »Sucht nach Effekt liegt der vorwiegend einen lyrischen Charakter tragenden, in gutem musikalischen Fluß sich gebenden Musik ferne  ; die sehr geschickte und wirkungsvolle Instrumentation verräth eine große Kenntnis der Orchestertechnik und die dankbare Behandlung der Singstimmen deutet auf vortreffliche vokale Studien hin. Aus dem Ganzen aber spricht ein hoher künstlerischer Ernst, ein warmes Empfinden, eine von den Fesseln des Dilettantismus freie Gestaltungskraft – die nur für die dramatischen Konflikte belebtere Farben haben könnte – zu uns. Am Glücklichsten erweist sich der Componist hinsichtlich der Wirkung in den Nummern, die eine gemüthvolle Tonsprache, deutsche Innigkeit vertragen«. METZ  : Einer der letzten in den Coburger Theaterakten dokumentierten Vorgänge zu »Santa Chiara« fand schon nach dem Tode des Komponisten statt  : Am 18. November 1893 bat Heinrich Adolphi (1845–1918), Direktor des Stadttheaters Metz, um Material und Aufführungserlaubnis472. Oskar Benda (1845–1915), zum zweiten Mal Intendant des Coburg-Gothaer Hoftheaters, antwortete prompt mit harten Fakten  : Überlassung des Materials auf ein Jahr, 600 Mark für das Aufführungsrecht, Klavierauszüge bei Litolff in Braunschweig zu beziehen. Adolphi stimmte zu, präsentierte »Santa Chiara« am 11. März 1894 erstmals auf seiner Bühne473 und überwies kurze Zeit später satte 400 Mark Tantiemen, die der Hofmusikus Wolf im Namen der Hofkapelle kassierte.

471 »Hallesche Zeitung« vom 11. April 1892 (Ausschnitt in StACo Theater 14, f. 206). 472 Schriftwechsel hierzu in StACo Theater 14, f. 211, 213, 215, 217, 219. 473 In einem Pressebericht der »Lothringer Zeitung/Metzer Tageblatt« vom 13. März 1894 wird die Qualität der Aufführung gelobt  : »Der Reiz der Komposition liegt in den anmuthigen Melodien […]« (vgl. Ausschnitt in ThStAGotha, Hofkapell- und Theaterangelegenheiten Nr. 13).

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Abgelehnt und ungewiss Nicht nur der Herzog allein, auch seine beratenden Fachleute von der Intendanz und der Hofkapelle entschieden darüber (mit), welche Bühne die Oper des Herzogs aufführen durfte und welche nicht. Manchmal musste man auch aus organisatorischen Gründen von einer Zusage Abstand nehmen. Eine Verkettung unglücklicher Umstände lag dabei im Falle Rostocks vor. Von dort meldete sich ein alter Bekannter des Coburger Hoftheaters, der ehemalige Ballettmeister Schäffer, der trotz anerkannter Verdienste (auch als Regisseur) unter Ernst I. der Theaterreform Ernsts II. bei seinem Regierungsantritt zum Opfer gefallen war474. Beide Seiten scheinen einander jedoch nicht gram gewesen zu sein, denn Schäffer bat in einem Brief vom 4. Februar 1862 darum, eine Oper des Herzogs zu seinen eigenen Gunsten am Stadttheater Rostock, wo er mittlerweile als Oberregisseur tätig war, aufführen zu dürfen475. Er gibt ganz offen zu  : »Der Name Er. Königl. Hoheit ist in Deutschland so geehrt und geachtet, hochdieselben sind als Componist im Norden so hochgeschätzt und beliebt, dass ich überzeugt bin, die Aufführung einer von Er. Königl. Hoheit componirten Oper, würde mir eine brillante Einnahme sichern.«476 Offenbar hatte er sich wegen der Partitur der »Santa Chiara« an den Magdeburger Kapellmeister Joseph Schulz-Weida gewandt, von dort aber zunächst keine Hilfe erhalten, so dass er angesichts des näher rückenden Datums seiner Benefizvorstellung ziemlich verzweifelt an den Coburger Theatersekretär schreibt  : »Mein lieber Fugmann, sage mir um Gotteswillen, was ich in der Angelegenheit thun soll.«477 Vielleicht durch ein Machtwort aus Coburg rückte Schulz-Weida das Material zu »Santa Chiara« schließlich heraus – doch zu spät  : Schäffers Vertrag wurde gelöst, er konnte seine Benefizvorstellung nicht mehr abhalten und unterschrieb in seiner letzten Nachricht an Fugmann  : »Schäffer (ohne Engagement)«478. Rostock war offenbar kein gutes Pflaster für die Oper des Herzogs. Jedenfalls kam auch in der Saison 1891/92 nach einer Anfrage von Nicolaus Walldorff (1840–1922)479, der ab 1890 Direktor des Thalia-Theaters Rostock war, keine Aufführung der »Santa Chiara« zustande. Die Absage der herzoglichen Intendanz konterte Walldorff 474 Näheres hierzu bei Ebart 1927, S. 27 u. a. 475 Briefwechsel hierzu in StACo Theater 9, S. 67f., 75, 79f., 81, 83  ; dazu ein Brief o. Nr. zwischen S. 70 und 71. 476 StACo Theater 9, S. 67f. 477 Brief Schäffers an Fugmann vom 18. Februar 1862 (StACo Theater 9, S. 75). 478 StACo Theater 9, S. 83. 479 Schriftwechsel in StACo Theater 14, f. 101, 157.

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mit selbstbewussten Worten  : »Auf der Rostocker Bühne sind Werke wie ›Tannhäuser‹ ›Lohengrin‹ ›Holländer‹ ›Undine‹ ›Oberon‹ und andere mehr ausgestattet u. aufgeführt worden und werde ich in dieser Saison sogar die Walküre aufführen, sollte es da nicht möglich sein das Werk Sr. Hoheit des Herrn Herzogs v. Coburg würdig zur Aufführung zu bringen  ?«480 In anderen Fällen entschied nicht die Intendanz, sondern die Hofkapelle bzw. die Kapellmeister über den Erfolg einer Anfrage. So diskutierte in ­einer Versammlung am 24. Mai 1877481 das Komitee der Hofkapelle, ob »Santa ­Chiara« an den Theaterdirektor Brauer482 in Ulm weiterzugeben sei  ; was aber der Intendant Becker auf Wunsch des Herzogs untersagte, da »ihm die Verhältnisse des Herrn Brauer als nicht sehr günstig bekannt« seien und daher »keine gute Aufführung der Oper« dort zu erwarten sei. Ebenfalls aufgrund eines negativen Gutachtens, diesmal vom Gothaer Kapellmeister Faltis, wurde 1889 die Anfrage des Theaterdirektors Richard Hagen483 (1843–1905) vom Stadttheater Koblenz abgelehnt  : Faltis glaubte nicht, dass Hagen in Koblenz die »Mittel und Kräfte« aufbringen könne, um diese große Oper »würdig aufführen und zur Geltung bringen zu können«484. Eine Absage erhielt auch Josef Hötte jr. (1838–1919) aus Münster in Westfalen, der zwar kein Theaterdirektor, aber offenbar ein großer Musikfreund war. Er wandte sich am 29. November 1889 an die Intendanz in Coburg485 mit der Frage nach einer Streicherfassung der Ouvertüre zu »Santa Chiara«. Das Material lag aber nur für großes Orchester vor. Ohne weitere Diskussion abschlägig beschieden wurden die Anfragen der Theaterdirektoren Carl Wegeler (Koblenz/Bad Kreuznach, August 1880486), Julius Nicolini (Bern, September 1891487), Eugen Berger (Hermannstadt, Ok­tober 1891488), Ferdinand Steinle (Trier, November 1891489) und Josef 480 Brief Walldorffs an von Ebart vom 9. September 1891 (StACo Theater 14, f. 157). 481 Protokoll in StACo Theater 3684 (o. Nr.). 482 Es handelt sich wohl um den erfahrenen Theaterdirektor Gustav Brauer (1817–1878), der zuvor u. a. in Nürnberg und Wien tätig gewesen war. 483 Brief Hagens vom 2. Oktober 1889 (StACo Theater 14, f. 54–55). 484 StACo Theater 14, f. 53. 485 Brief Höttes in StACo Theater 14, f. 59. Außerdem vgl. StACo Theater 3644, f. 149–159. 486 Briefe von Carl Wegeler (1851–1921) vom August und September 1880, in denen er versucht, den Preis für Material und Aufführungsrecht der Oper zu drücken (StACo Theater 3684, o. F.). 487 Brief Nicolinis vom 3. September 1891 (StACo Theater 14, f. 155  ; im Antwortentwurf auf f. 156 ist zu lesen  : »da pp. Nicolini ein höchst mittelmäßiges Theater bietet«). 488 Brief von Eugen Berger (geb. 1868) vom 8. Oktober 1891 (StACo Theater 14, f. 161–163). 489 Brief von Ferdinand Steinle (um 1847–1904) vom 4. November 1891 (StACo Theater 14, f. 175–178).

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Corneck (Brandenburg an der Havel, April 1893490). Auch Louis Schindler, der im Frühjahr 1893 seinen Erfolg mit »Santa Chiara« nun am Stadttheater Görlitz wiederholen wollte, bekam diesmal erstaunlicherweise keine positive Antwort491. Keine Antwortschreiben sind zu belegen zu den Anfragen des Theateragenten Julius Schreiber (1830–1897) aus Wien492, des Theaterdirektors Anton Zöllner (geb. 1790) aus Salzburg493, des Direktors Wilhelm ­Hasemann (1843–1910) aus Gera 494, des Direktors des Stadttheaters in Wiener Neustadt495 sowie vom Direktor des Stadttheaters Düsseldorf, Carl Simons (1829–1889)496. Auch über das Ergebnis der Anfrage497 des in Coburg geborenen Kapellmeisters Heinrich Weidt (1824–1901) vom Stadttheater Troppau ist leider nichts bekannt. Außerdem belegt z. T. fragmentarischer Schriftwechsel die wenig fruchtbaren Verhandlungen über »Santa Chiara« mit Bühnen in Altenburg und Danzig498.

Die Musik von »Santa Chiara« außerhalb der Opernhäuser

Als Konzertstück tauchte vor allem die Ouvertüre zu »Santa Chiara« öfters auf499. So wurde sie beispielsweise schon 1856 auf dem Magdeburger Musikfest gespielt500, stand im Mai 1857 auf dem Programm eines Konzertes des »Vereins für Kunst und Literatur« in Mainz501 und wurde am 28. Juli 1876 vom Leiter der Kurkapelle Bad Kissingen, Heinrich Kiehaupt (1840–1903), in einem Konzert neben Werken von Joseph Haydn und Johann Strauß dirigiert502. Eben490 Brief von Josef Corneck (1860–1901) vom 21. April 1893 (StACo Theater 14, f. 209f.). 491 Brief Schindlers vom 10. Februar 1893 (StACo Theater 14, f. 207f.). 492 Brief Schreibers vom 29. März 1858 (StACo Theater 3683, o.Nr.). Schreiber wollte die Oper nach dem Erfolg in Wien in den übrigen österreichischen Provinzen vertreiben. 493 Brief Zöllners vom Oktober 1858 (StACo Theater 3683, o. Nr.). 494 Brief ohne Datum (StACo Theater 3043, o. Nr.). 495 Brief vom 11. November 1880 (StACo Theater 3042, o. Nr.). 496 Brief von Carl Simons vom 29. Januar 1884 (StACo Theater 3043, o.Nr.). 497 In seinem Brief vom 24. August 1878 bittet Weidt um die Erlaubnis entweder »Santa Chiara« oder »Casilda« aufführen zu dürfen (StACo LA A 7363, f. 379). 498 Vgl. hierzu diverse Schriftstücke in StACo Theater 3684 (o. Nr.). 499 Vgl. hierzu auch den Abschnitt über Musik zu besonderen Anlässen. 500 NRMZ, 4. Jg., Nr. 26, vom 28. Juni 1856, S. 206f. 501 NRMZ, 5. Jg., Nr. 21, vom 23. Mai 1857, S. 167. Leitung  : Kapellmeister Friedrich Lux (1820–1895). 502 »Kissinger Kur-Anzeiger«, Nr. 60, vom 28. Juli 1876, in StACo LA A 7363, f. 64–65.

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falls 1876 erklang die Ouvertüre auch zwei Mal in Erfurt, und zwar bei einer »Abendunterhaltung« des Vereins »Ressource« (gegründet 1780) im November sowie bei einem Konzert der Kapelle des 3. Thüringer Infanterieregimentes unter der Leitung von Fürchtegott Weisenborn503. Natürlich waren Kompositionen, die sich musikalisch auf »Santa Chiara« bezogen und meist mit einer Widmung an den herzoglichen Komponisten verbunden waren, in Hofkonzerten in Coburg und Gotha besonders willkommen. Viele Beispiele dazu finden sich heute noch in der Landesbibliothek Coburg  : Neben den einheimischen Musikern (Lampert, Krämer) haben auch auswärtige Musiker wie beispielsweise Josef Adolf Leibrock (1808–1886)504, Wilhelm Constantin Löw (1828–1905)505, Leo Feld (1858–1896)506 oder Friedrich Grützmacher (1832–1903)507 sich mit der Musik des Herzogs beschäftigt. Die »Concert-Paraphrase« über Motive aus der Oper »Santa Chiara« für Klavier und Orchester von dem renommierten Pianisten Martin Wallenstein (1843–1896)508 erklang beispielsweise in einem Hofkonzert zum Jahresende 1872509. In den Akten des Coburger Staatsarchivs haben u. a. Herrmann Reinbold aus Berlin (Klavierfantasie über Motive aus »Santa Chiara«)510 und der Hofpianist Alfred Jaëll (1832–1882) aus Hannover (»Improvisation über ›Santa Chiara‹«)511 ihre Spuren hinterlassen. Auch die leicht zu übersehende »Fantasie über ›Santa Chiara‹« von Albert Erff (1830–1862) in den Akten des Staatsarchivs sei an dieser Stelle erwähnt512. In der damals üblichen Tradition der Bearbeitung beliebter Musikstücke (auch Opern) für Militärmusik entstanden neben der erwähnten Bearbeitung von Piefke auch eine des Bernburger »Stabs­ 503 Programme beider Konzert in StACo LA A 7363, f. 112–114. Wahrscheinlich eingesandt vom Verleger Bartholomäus, mit dem man gerade in Verhandlungen stand. 504 LBC Mus 3447(Ex.1) und (Ex.2). 505 »Santa Chiara-Quadrille« für Orchester (LBC Ms Mus 509). 506 »Fest-Marsch nach Motiven der Oper Santa Chiara« (LBC Ms Mus 130). 507 »Große Concert-Fantasie über Themen aus der Oper ›Santa Chiara‹« für Violoncello und Orchester op. 33 (LBC Einband-Slg./Mus 519). 508 Damals »Großherzogl. Hessischer Kammervirtuose«. 509 Programmentwurf für ein Hofkonzert am 30.Dezember 1872 (StACo Theater 12, f. 217). 510 Brief Reinbolds vom 15. Mai 1860 (StACo LA A 7360, f. 96). Sein Werk unter LBC Mus 210 und Ms Mus 354. 511 Brief Jaëlls vom 28. Januar 1861 (StACo LA A 7360, f. 100–101). – In der Coburger Landesbibliothek findet sich allerdings nur seine Klavierfantasie op. 90 über »Diana von Solange« (LBC Ms Mus 279). 512 StACo LA A 7372  ; aktuell nun auch von RISM aufgenommen.

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hornisten« Gustav Michaelis (1828–1887)513 sowie ein »Souvenir pour musique militaire« von Franz Dunkler (1816–1878)514. Dass der Herzog an diesen Bearbeitungen nicht uninteressiert war, zeigt ein Hinweis Theodor von Bernhardis in seinen Memoiren515  : Am Abend des 12. August 1858 saß Bernhardi in Reinhardsbrunn mit dem Herzog beim Diner, zu dem auch einige preußische Offiziere geladen waren. Die Gesellschaft lauschte der »Militärmusik aus Gotha, die der Herzog hat kommen lassen. Sie spielt Ouvertüren u.s.w. aus den Opern des Herzogs  ; er selbst hört mit großer Spannung zu, ob sie auch richtig vorgetragen werden.«

»Santa Chiara« und ihr Komponist in der Kritik

Zu keiner Oper Herzog Ernsts II. findet man so viele Reaktionen in der Presse wie zu »Santa Chiara«. Gründe dafür sind natürlich die außergewöhnliche Verbreitung der Oper und das durch die Stellung des Komponisten gehobene Interesse der Öffentlichkeit. Immer wieder tauchen in den Rezensionen dieselben Leitmotive auf, die noch über Jahrzehnte hinweg die Rezeption der Werke des fürstlichen Tonschöpfers prägen. Besonders gut sichtbar sind sie in den vielen Besprechungen, die anlässlich der späten Wiederaufnahme der »Santa Chiara« (z. B. Leipzig 1874, Bremen 1877, Berlin 1891 usw.) entstanden, denn zu dieser Zeit war Herzog Ernst II. ein alter Mann ohne großen politischen Einfluss, und die hitzigen Diskussionen um seine Person und seine Versuche als Künstler waren längst einer entspannten Abgeklärtheit gewichen. Nach der Aufführung im Kroll’schen Theater im August 1891 erschienen Artikel zu »Santa Chiara« unter anderem in516  : »Neue Berliner Musikzeitung«, »Deutscher Reichs-Anzeiger«, »Berliner Fremdenblatt«, »Bank- und Handelszeitung Berlin«, »Berliner Lokal-Anzeiger«, »Tägliche Rundschau«, »Das kleine Journal«, Emil Drenkers »Theater-Figaro« (enthält Rezensionen aus verschiedenen Zeitungen), »Berliner Börsen-Zeitung«, »Neue Preussische Zeitung«, »Berliner Tageblatt«, »Die Post«, »Berliner Börsen-Courier«, »Berliner LokalAnzei­ger«, »National-Zeitung«, »Vossische Zeitung«, »Staatsbürger-Zeitung«, »Ber­liner Zeitung«, »Volks-Zeitung«, »Berliner Neueste Nachrichten«, »Beilage 513 Drei Briefe von Gustav Michaelis aus den Jahren 1858/59 (StACo LA A 7360, f. 71, 73, 78). 514 LBC Ms Mus 668. 515 Bernhardi 1894, S. 68. Zum Folgenden. 516 Alle Zeitungen je nach Erscheinungstag entweder vom 6., 7. oder 8. August 1891.

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zum Kleinen Journal« (»Kunst, Wissenschaft und Literatur«), »Norddeutsche Allgemeine Zeitung«, »Staats- und Handelszeitung Berlin«, »Der R ­ eichsbote«, »Sport-Welt«, »Freisinnige Zeitung«, »Wiener Fremden-Blatt«, »Deutsche Landwirthschaftliche Zeitung«, »Deutsche Musiker-Zeitung«, »Deutsche Bühnen-­­Genossenschaft«, »Berliner Gerichts-Zeitung«517. Ernst II. hatte es sich ja zur Gewohnheit gemacht, seinen Namen nicht vollständig anzugeben, sondern nur ein Kürzel wie »H.E.z.S.« oder »E.H.z.S.« oder Ähnliches angeben zu lassen, wenn er mit seinen Opern an die Öffentlichkeit trat. Doch stellten Verfasser von Artikeln zu seinen Bühnenwerken gerne klar, dass es niemals ein echtes Geheimnis war, wer sich hinter den Buchstaben versteckte. »Große romantische Oper von H. E. z. S., lautete die heutige Ankündigung des Krollschen Theaters – nicht – geheimnißvoll, denn seit einem halben Menschenalter kennt alle Welt den Schöpfer dieses Werkes, den Künstler, dessen Haupt eine deutsche Fürstenkrone schmückt.«518 Fraglich ist, wie das Publikum (vor allem in den 1850er Jahren) reagiert hätte, wäre Ernst II. mit seinem vollen Titel als Komponist aufgetreten. Womöglich hätten ihn noch mehr der Vorteilnahme bezichtigt, indem er seine Opern an manchen Häusern (noch) leichter hätte durchsetzen können. Für ihn selbst war es wohl unvorstellbar, einerseits seinen politischen Namen derart im Theatermilieu zu benutzen, andererseits sich so offenbar der Konkurrenz mit weniger prominenten Musikern zu entziehen. Er suchte ja gerade den Kontakt, den er im »normalen« gesellschaftlichen Leben auf Grund seiner Herkunft nie erleben durfte. Hier liegt wohl auch die Erklärung für das gänzliche Verbergen seines Namens bei zwei später entstandenen Werken, deren Noten bisher noch nicht aufzufinden waren. Zwei Operetten mit den Titeln »Der Schuster von Straßburg« und »Alpenrosen« veröffentlichte der Herzog unter den Pseudonymen »Otto Wernhard« und »N.v.K.«. »Wenn ein regierender Herr in edler Liebe zur Kunst dieser und denen, die dieselbe pflegen, jeglichen Schutz und alle erdenkliche Förderung angedeihen läßt, so ist das in unserem deutschen Vaterlande kein so seltenes Vorkommniß [sic]. Wenn aber einer jener hohen Herren sich selber mit den Künstlern in Reihe und Glied stellt, keine Mühe und Arbeit scheut und mit emsigem Bemü­ 517 Die entsprechenden Ausschnitte aus den meisten der genannten Zeitungen sind auch in den Akten überliefert (StACo Theater 14  ; LA A 7364,7366, 7368). In StACo Theater 16 findet sich eine Zusammenstellung von Kritiken durch den früheren Offizier Arthur von Wittner, der in Berlin als Journalist tätig war. 518 »Die Berliner Neuesten Nachrichten«, vom 6. August 1891.

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hen sich alle die großen und kleinen Geheimnisse zu eigen macht, um ein Werk der komplizirtesten Gattung zu schaffen, so ist das etwas, Außerordentliches, etwas, was unser regstes Interesse in Anspruch nimmt.«519 Unumwunden gibt die Presse zu, dass das Ausbrechen Ernsts II. aus den gewohnten Bahnen fürstlichen Verhaltens, das sich in der Regel520 nur auf die Förderung – nicht aber auf die Ausübung – der Künste bezog, natürlich besondere Aufmerksamkeit erzeugte. Dieses gesteigerte Interesse war für Ernst II. Fluch und Segen zugleich. Zunächst einmal schien der Großteil des Publikums den Produktionen eines Mannes, der nicht von seiner Musik lebte, nicht allzu viel zuzutrauen. »Man weiß, dass hinter diesen Initialen [H.E.z.S.] der kunstsinnige Herzog Ernst zu Sachsen Koburg-Gotha zu suchen ist  ; aber wer die Vorstellung besucht hat in der Erwartung, dem vielleicht recht gelungenen Werk eines fürstlichen Musik­ dilettanten, aber immer doch dem Werk eines Dilettanten zu begegnen, der wird sich angenehm enttäuscht gesehen haben, denn es ist ein durchaus ernster, vollkommen durchgebildeter Musiker, der hier zu uns spricht.«521 Wie auch immer man aus heutiger Sicht die Musik Ernsts II. im Kontext ihrer Zeit bewerten mag, so ist doch nicht außer Acht zu lassen, dass er zu Lebzeiten mit diesem Vorurteil konfrontiert war. Oft genug finden sich in Rezensionen auch Formulierungen wie »admirable amateur«522, die mit einer leichten Verachtung herabschauen auf die Kühnheit eines Nicht-Profis, der es wagt, seine in der Freizeit komponierten Opern einem an Mozart und Wagner geschulten Publikum zu Gehör zu bringen. Auf der anderen Seite steht außer Frage, dass die Stellung des Fürsten ihm auch große Vorteile verschaffte. Er selbst konnte seine Opern in kostspieliger Ausstattung von ausgewählten Kräften in seinem Hoftheater aufführen und durch Einladung möglichst vieler Prominenter zur Premiere Werbung dafür machen. Zudem werden viele andere Hofopern eine regelrechte Verpflichtung gespürt haben, die Werke des »Vetters« zu spielen. Auch in Paris war, wie gesehen, der Einfluss des Kaisers letztlich ausschlaggebend. Selbst bei der späten Wiederaufnahme der »Santa Chiara« in den 1890er Jahren verkneift sich das 519 »Die Berliner Neuesten Nachrichten«, vom 6. August 1891. 520 Natürlich gab es vor und zu der Zeit Ernsts II. auch andere komponierende Fürsten. Im Vergleich zur Gesamtheit war es dennoch eine verschwindend geringe Zahl, zumal die meisten nur für ihre eigenen Zirkel schufen und ihre Werke nicht einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen wagten. 521 »Vossische Zeitung«, Nr. 362, vom 6. August 1891. 522 »The Athenaeum«, Nr. 2578, vom 24. März 1877, S. 391.

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Feuilleton einer Zeitung nicht die Bemerkung  : »Man muss ein deutscher Fürst sein, um das an einem Kunstwerk zu erleben«523. Doch hin und wieder schimmert selbst in einer Kritik Verständnis für den Zwiespalt des herzoglichen Komponisten durch. »Der fürstliche Tonsetzer verfügt über einen Reichthum musikalischer Erfindung und über eine Kraft der Gestaltung, die keinen Zweifel darüber aufkommen lässt, dass er zur Meisterschaft auf künstlerischem Gebiete berufen gewesen wäre, hätte der Zufall ihn nicht auf einen Fürstenthron gestellt.«524 Wie stark man seine »Kraft der Gestaltung« auch einschätzen mag, Herzog Ernst II. hatte zweifelsohne eine so große Liebe zur Musik und zum Theater, dass es keine abwegige Spekulation erscheint, ihn als einen der vielseitigen Künstler-Theaterdirektoren seiner Zeit zu sehen, hätte nicht von Geburt an eine andere Aufgabe auf ihn gewartet. Nun stellt sich die Frage, inwieweit sein eigentlicher Beruf Einfluss hatte auf die Kompositionsweise, auf seine künstlerische Ausübung. Natürlich tauchen in diesem Zusammenhang in der Presse immer wieder – allerdings recht selten – Zweifel daran auf, ob der Herzog seine Opern eigentlich wirklich selber schreibe, insbesondere angesichts seines in derselben Presse ja nicht unbeachtet gebliebenen Pensums an politischer Aktivität525. Trotz aller Kritik an seiner Person gab es darüber offenbar nie wirklich Diskussionen, zumal der Herzog selbst ja kein Geheimnis daraus machte, dass seine Werke von anderen instrumentiert wurden. Als Beispiel soll hier noch einmal die »Rheinische Musik-Zeitung« aus dem Jahr 1855 zu Wort kommen526  : »Wie der Herzog von Coburg seine Opern componirt, wurde früher in mehreren Musikalischen Zeitungen auf verschiedene Weise besprochen  ; wir erfahren so eben aus sicherer Quelle Folgendes. Der Herzog gibt nur die Motive, da Derselbe niemals gründlichen Unterricht in der Harmonielehre genommen, weil es demselben an Zeit und Ausdauer fehlte. Die Opern ›Zayre‹, ›Tony‹ und ›Casilda‹ hat Herr Capellmeister Lampert in Gotha instrumentirt, da aber der geringe Erfolg derselben der zu starken Instrumentirung zugeschrieben wurde, so wurde Herrn Kraemer von Coburg die Bearbeitung der ›Santa Chiara‹ anvertraut.« 523 »Sport-Welt«, Feuilleton-Artikel von Georg Malkowsky (ohne Datum, als Ausschnitt in StACo LA A 7366). 524 »Berliner Börsen-Courier«, Nr. 392, Morgen-Ausgabe vom 6. August 1891, Verfasser  : »G. D.«. 525 Dies bezieht sich natürlich auf die Entstehungszeit der Opern, die zugleich die Phase höchster Aktivität des Herzogs im politischen Bereich war. 526 RMZ, Bd. 6, 1855, S. 44.

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Auch der finanzielle Aspekt der Aufführungen von Opern des Herzogs unterlag Spekulationen und Verdächtigungen. Die Verleihung von Orden und Verteilung von Geschenken an Künstler, die sich um seine Werke verdient gemacht hatten, rückten Herzog Ernst II. zuweilen in die Nähe des Bestechungsverdachts. Wie erwähnt entschieden sich einzelne Beschenkte daher auch, die Auszeichnung nicht anzunehmen, da sie ihre künstlerische Freiheit nicht in Zweifel gezogen sehen wollten. Eine zeitgenössische Theaterpublikation527 sah sich daher auch veranlasst klarzustellen  : »Die Opern des Herzogs wurden (und werden noch) wie alle anderen Bühnenwerke honorirt  ; das Honorar fließt Denjenigen zu, denen der Herzog den Ertrag als Geschenk überwiesen hat  : bald ist es der eine oder der andere seiner Capellmeister, bald (wie z. B. bei ›Santa Chiara‹) die gesammte Herzogliche Capelle. Die Kaufverhandlungen finden regelmäßig zwischen den Bühnen und den durch Schenkung Eigenthumsberechtigten statt  ; an den Herzog gelangt nur die Frage, ob er überhaupt die Aufführung an der betreffenden Bühne, die darum nachsucht, genehmigt.« Dem Herzog selbst war es also nur wichtig, darüber zu entscheiden, wo sein Werk aufgeführt wurde. Wie gesehen, lehnte er auch oft genug ab, meist weil er kein Vertrauen in die Qualität einer Bühne hatte, manchmal aber auch einfach nur, weil er das Material gerade nicht herausgeben wollte oder konnte. Die Anfragen interessierter Theaterdirektoren kamen von allen Seiten, von Hof- wie von privat geführten Stadttheatern, und es deutet nichts darauf hin, dass Herzog Ernst II. ernsthaft Druck ausgeübt oder mit Geld nachgeholfen hat, um seine Werke irgendwo »durchzudrücken«. Als Ausnahmen sind hier allerdings die ungefragt an mehrere Hofbühnen gesandten Klavierauszüge seiner ersten Oper »Zayre« zu nennen sowie natürlich das – von Geld unterstützte – Taktieren in Paris. Und wie zeigt sich die von seinem gesellschaftlichen Stand geprägte Persönlichkeit Ernsts II. in seinem Komponieren  ? Auch hierzu finden sich immer wieder bestimmte Stichworte in den Besprechungen seiner Werke. Eigenschaften wie Vornehmheit, Maß- und Zurückhaltung, Zuschreibungen wie »edel«, »nobel« oder »fein« schließen durchwegs an das traditionelle Bild vom Adeligen an. »[Der Komponist Ernst II.] ist aber, in des Wortes bester Bedeutung, ein musikalischer Eklektiker, der seine selbständigen Wege geht, durchaus an keiner Schablone dilettantenhaft stehen bleibt und in der zielbewußten Erfindung seiner vokalen und instrumentalen Arbeiten mit dem Feingefühl eines

527 Uhde, S. 400 (Fußnote).

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vornehmen Künstlers alle Trivialitäten vermeidet.«528 Neben der Eigenständigkeit nehmen die Kritiker also vor allem auch eine Vermeidung des allzu Anspruchslosen wahr, das in Form von Possen und Lustspielen ja damals die Theaterbühne dominierte. »Die Composition des Librettos ist, ohne auf tiefere Originalität zu dringen, eine charakteristische und noble, aller Banalität aus dem Wege gehend, voll an feinen Empfindungen, an leidenschaftlicher Bewegt­heit und an geistvollen Wendungen.«529 Nachteil des bewussten Maßhaltens, der edlen Zurückhaltung im Ausdruck ist der Mangel an Dramatik, an mitreißender Leidenschaft in der Musik des Herzogs. Dieses Defizit wird besonders im Rückblick offensichtlich, denn Ernst II. konnte und wollte mit den rauschartigen musikalischen Zuständen, wie sie ein Richard Wagner in den Theatern erzeugte, nicht mithalten. Bei »Santa Chiara« sieht man das besonders im Zusammenhang mit dem zweiten Akt. Der Kritiker des »Deutschen Reichs-Anzeigers«530 spürt zwar die düstere Stimmung und bewundert die »feierlichen kirchlichen Weisen«, »doch um Schrecken und Grausen von ehrfurchtgebietender Macht in Tönen zu malen, bedarf es einer kraftvolleren dramatischen Gestaltungsfähigkeit«. Allgemeiner ausgedrückt  : »der Palette des Componisten fehlen für die scharfen Lichter eines dramatischen Conflicts offenbar die Farben«531. Dieser Mangel an spürbarer Leidenschaft, herrührend von der vom Komponisten gepflegten maßvollen Zurückhaltung, war damals die größte Schwäche seiner Musik im Vergleich zu den Zeitgenossen. Einzig in den Märschen und Tänzen seiner Opern schaffte es Ernst II., seine Zuhörer mitzureißen, hier öffnete er sich der leidenschaftlichen Melodie. Bezeichnenderweise  : Denn diese Formen waren vorgegeben – wie viele andere traditionelle Elemente der Oper auch, die Ernst II. folgsam berücksichtigte. Ironisch, aber durchaus nicht böse, beschreibt dies ein Artikel zu »Santa Chiara« aus dem Jahr 1891532  : »Was man von einem solchen Ergötzungsgebilde in der Zeit verlangte, da es noch als Grundsatz galt, in der Oper müsse nur viel und melodisch gesungen werden, es müsse nur recht vielerlei auf der Szene vorgehen, – das bietet dies Werk. Satanischer Bosheit steht engel­ gleiche Güte gegenüber, und der Giftbecher spielt seine in der alten Oper so wichtige Rolle. Sein Inhalt wurde entweder noch rechtzeitig vergossen, oder 528 »Die Post«, Berlin, 26. Jg., Nr. 214, vom 7. August 1891, Verfasser  : »Mx. Br.«. 529 »Staatsbürger-Zeitung«, Nr. 362, vom 6. August 1891. 530 »Deutscher Reichs-Anzeiger«, Nr. 185, vom 6. August 1891. 531 »Berliner Börsen-Zeitung«, vom 6. August 1891 (vgl. StACo Theater 14). 532 »Berliner Tageblatt«, 20. Jg., Nr. 393, vom 6. August 1891.

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es hatte, wie hier, ein rettender Engel statt des Giftes nur einen Schlaftrunk in den Wein gemischt. Das Trinklied fehlt nicht  ; auch das Ballet tritt in sein angestammtes Opernrecht. Den Tanz unterbricht die Abendglocke, und alles sinkt zum Gebet auf die Kniee – kurz, was eine rechtschaffene Oper vor einem halben Jahrhundert sein mußte, das ist Santa Chiara.« In den zeitgenössischen Presseartikeln geht die Vorstellung von der maßvollen Empfindsamkeit meist noch mit einem anderen Begriff einher  : »deutsch«. »Der Genius küßt nur wenigen Auserwählten die Stirn  ! Hochzurühmen bleiben aber Diejenigen, deren distinguirte Feinfühligkeit eklektisch das schöne Maß zu halten weiß, – der deutschen Signatur ihr erkämpftes Recht in künstlerischer Hand hochhält und mit der Töne edler Sprache zum Herzen zu sprechen weiß, wie Herzog Ernst  !«533 Das Besondere im Hinblick auf Ernst II. ist dabei, dass er in den Entstehungsjahren seiner Opern (1840er und 1850er Jahre) meist vor allem deshalb als typisch »deutsch« bezeichnet wird, weil er als Politiker für eine Vereinigung des deutschen Reiches eintrat. In musikalischer Hinsicht war er durchaus nicht auf deutsche Kunst spezialisiert, das zeigt sein vielfältiges Hoftheaterrepertoire, das vor allem auch die französische Musik seiner Zeit nicht vernachlässigte. Aber als Schirmherr vieler Vereine, deren gemeinsames Ziel – gleichgültig, ob es sich um Schützen, Turner oder Sänger handelte – die Festigung eines deutschen Nationalgefühls war, wurde er in der Öffentlichkeit als machtvoller Vertreter des »Deutschen« wahrgenommen. Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang ein Vorfall am Hoftheater Darmstadt im Jahr 1860. Nach einem Bericht der Niederrheinischen Musik-Zeitung534 war für den 23. Dezember eine Wiederholung von »Santa Chiara« auf den Spielplan gesetzt. »Durch den Telegraphen« bestellten sich 200 Interessenten aus Offenbach Plätze für diese Vorstellung – die daraufhin kurzfristig abgesagt wurde, »weil man von den wegen Betheiligung am National-Verein verfolgten 200 Offenbachern Demonstrationen befürchtete.« Hier ging es also nicht um »Santa Chiara« als musikalisches Werk, sondern einzig und allein um den Komponisten, der in seiner Funktion als regierender Herzog dem Deutschen Nationalverein seinen Schutz angeboten hatte. Und dass eine Oper einen Aufstand auslösen konnte, war spätestens seit der Aufführung von Aubers Oper »Die Stumme von Portici« in Brüssel am 25. August 1830 gemeinhin bekannt535. 533 »Berliner Lokal-Anzeiger«, Nr. 363, vom 7. August 1891, Verfasser  : »Mx. Br.«. 534 NRMZ, 9. Jg., Nr. 1, vom 5. Januar 1861, S. 8. Zum Folgenden. 535 Nach der Aufführung von Aubers Oper begann in Brüssel die Julirevolution. Wahrschein-

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Viele Jahre später, als das Deutsche Reich gegründet und der Kampf um die deutsche Nation in andere Bahnen gelenkt war, wurde das Schaffen Ernsts II. wiederum als »deutsch« bezeichnet, diesmal aber mit ganz anderer Konnotation. Nun ging es um die Beschreibung einer Musik, die nicht wild und zügellos über die Stränge schlug, sondern sich maßvoll, ein wenig bescheiden, nicht kalt, aber doch sehr zurückhaltend in althergebrachte Formen einpasste536. So heißt es zu »Santa Chiara«  : »Ihr Hauptcharakter ist ein lyrischer, der zuweilen mit unvergleichlicher Innigkeit sich offenbart, und das Ganze wird getragen von echt deutschem Empfinden.«537 Neben dem »Empfinden« ist es auch das »Gemüt«, das unverkennbar »deutsch« sein soll  : »In klangvollen Arien und tonschönen Liedern tritt ein echtes deutsches Gemüthsleben ans Licht, frisch und herzlich, weich und zart«538. Einige Kritiker gehen gar ins Detail und machen Elemente der Oper aus, die mehr oder weniger »deutsch« sein sollen. So schreibt ein Autor im »Kleinen Journal« 539, dass zwar der »Kern« der Oper »deutsch« sei, inspiriert von Marschner und Weber, »wenn auch hie und da in italienischer Weise garnirt«  ; dass aber der letzte Akt ganz und gar »welschem Einfluss« erlegen sei, was der Einheit des Werkes schade. Dennoch konstatiert der Verfasser einen bemerkenswerten Erfolg der Oper so lange nach ihrer Entstehung und fasst zusammen  : »Dieser Erfolg dürfte in erster Linie dem anheimelnden deutschen Grundzuge, den die Oper wenigstens in den ersten beiden Akten aufweist, zuzuschreiben sein.« Der Einfluss von Stilrichtungen, die als »nicht deutsch« eingeschätzt werden, wird von den Kritikern unterschiedlich beurteilt. Einerseits ist die Qualität der unterhaltsamen Chöre und Arien im erfrischenden italienischen Ambiente des dritten Aktes – besonders in ihrem wohltuenden Kontrast zum vorhergehenden »Grabesakt« – nicht zu leugnen  : »Die liederreiche Prinzessin ist nun eine lich hatten sich einige Revolutionäre, die um die Wirkung der patriotischen Texte der Oper wussten, zu dieser Aktion verabredet und nutzten deren Wirkung auf das Publikum aus, um wiederum das Volk auf der Straße anzustacheln (vgl. Walter 1997, S. 312f.). 536 Natürlich gab es Anklänge an diese Begrifflichkeit schon früher, vgl. Sachse 1865, S. XVI  : »Lyrische Tiefe, stetes Streben nach dramatischer Wahrheit und beharrliches Verschmähen aller jener musicalischen Trivialitäten, durch welche die große Menge nur zu leicht bestochen wird, machen ›Santa Chiara‹ zu einem ächt deutschen Kunstwerke, welches über vereinzelte neidische Angriffe erhaben dasteht.« – Aber es geht hier um eine Verschiebung des Schwerpunkts in der Wahrnehmung  : Als »deutsch« wahrgenommen wurde Ernst II. in der Mitte des Jahrhunderts vor allem noch als Politiker, nach 1871 als Komponist. 537 »Berliner Gerichts-Zeitung«, 39. Jg., Nr. 92, vom 8. August 1891. 538 »Deutscher Reichs-Anzeiger«, Nr. 185, vom 6. August 1891. 539 »Das kleine Journal«, Berlin, 13. Jg., Nr. 213, vom 6. August 1891. Zum Folgenden.

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Koloratursängerin geworden. Ist der einheitliche Stil der Oper dadurch auch etwas unterbrochen, so wird dadurch das Lokalkolorit des dritten Aktes doch erhöht.«540 Andererseits wird gerade dieser Stilbruch, der ohne Zweifel als bewusster Kontrast gesetzt ist, als ein Mangel wahrgenommen, der dem Werk Ausdruckskraft geraubt habe  : »Wäre in dem Werke eine größere Stileinheit gewahrt, es würde sich noch jetzt lebensfähig erweisen.«541 Zudem gab es in späteren Jahren immer weniger Sängerinnen, die den stimmlichen Anforderungen dieser stilistisch vielfältigen Partie gewachsen waren542. Doch nicht nur mangelnde Stileinheit, auch die Struktur der »Santa Chiara« allgemein, ihre veralteten Formen, werden als Grund dafür gedeutet, warum sie nach ihrem Erscheinen so bald wieder von den Bühnen abtreten musste. »[D]er Hauptgrund dürfte darin zu finden sein, daß gerade um jene Zeit [der Entstehung der Oper] sich die musikalischen Wege zu scheiden begannen und daß die ›neuere Richtung‹ eine Kampfesstimmung aufkommen ließ, die Alles verwarf, was nicht zu ihr stand. Heute, wo die Gemüther sich längst wieder beruhigt haben, kann jedes Werk eine durch keine Voreingenommenheit beeinträchtigte Würdigung erwarten«543. Diese Unvoreingenommenheit ist das Entscheidende, sie ermöglicht im Rückblick eine Relativierung der Ansprüche und damit eine Aufnahme des Werkes ohne vernichtende Vergleiche  : »Bei der Beurtheilung der Oper muß man natürlich von all dem absehen, was das neuere Musikdrama durch Richard Wagner gewonnen. Santa Chiara entstammt noch einer Zeit, in der die Wagner’schen Opern von abergläubischen Leuten wie die Lokomotive für Werke des musikalischen ††† angesehen wurden. Es geht in dieser Oper noch alles mit rechten Dingen zu«544. Nur unter diesem Blickwinkel kann »Santa Chiara« noch im Jahr 1891 (und später) bestehen und als sehens- und hörenswerte Oper betrachtet werden – wie so viele Bühnenwerke derselben Periode545. 540 »National-Zeitung«, Nr. 460, vom 6. August 1891, Verfasser  : »M.H.«. 541 »Berliner Fremdenblatt«, vom 7. August 1891, Verfasser  : Wilhelm Blanck. 542 Hierzu Wittmann, S. 17, im Blick auf die Rolle der »Charlotte«  : »Die ausgesprochenen Koloratursängerinnen reichen zu den dramatischen Affekten nicht aus, während es den meisten dramatischen Sängerinnen, die heutzutage nur dem modernen Wagnerischen Stil huldigen, an der für solche Aufgaben unentbehrlichen Beweglichkeit der Stimme gebricht.« 543 »National-Zeitung«, Nr. 460, vom 6. August 1891, Verfasser  : »M. H.«. 544 »Berliner Presse«, Nr. 182, vom 7. August 1891. 545 Nach einer Mitteilung von Francois Schwab in seinem Artikel zu »Santa Chiara« (»Elsässer Journal«, Nr. 64, vom 16. März 1878) bezeichnete Franz Liszt sie damals als eine der besten deutschen Opern – wegen ihrer Melodien und ihrer Formgebung (»réunissant le génie mélodique au talent de la forme«).

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In »Santa Chiara« sind es neben dem Orchestersatz Krämers vor allem die Melodien und Ensembles, die der Herzog komponiert hat, die dem Ohr gefällig bleiben. Sie werden in fast allen Kritiken zu der Oper gelobt, gleichgültig aus welcher Zeit. »Die schöne wohlklingende Instrumentirung des Orchesters, der korrekte Satz einiger mehrstimmiger Stücke und manche hübsch erfundene Melodie indeß lassen uns noch heute gern einmal die Oper hören«, schreibt der Rezensent der »Berliner Neuesten Nachrichten« vom 6. August 1891546. Besonders interessant werden solche Stücke natürlich in Phasen starker Nachfrage bei mangelndem Angebot verwendbaren Materials547. »Bei der Dürre der heutigen Opernproduction in Deutschland tritt die Richtschnur vergangener Tage sehr beneidenswert hervor und selbst Productionen steigen im Werte, die sich zurzeit ihres ersten Erscheinens garnicht so bemerkbar in den Vordergrund drängten«548. Allerdings scheint ein Vorurteil auch 1891 (und heute  ?) nicht zu verschwinden, nämlich das des Fürsten, dessen eitle Geltungssucht kein gültiges Produkt hervorgebracht haben könne. Obwohl positiv gestimmt, klingt es immer noch nach einer ungläubigen Rechtfertigung, wenn einer der Rezensenten abschließend schreibt  : »Es ist musikalischer Zug und Fluss in der Oper, die Stimmen sind geschickt und wirksam behandelt, es klingt alles gut, und das Orchester bekundet eine namhafte Fertigkeit in der Kunst des Instrumentirens«549. Offensiver dagegen formuliert der Rezensent der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung«550  : »Eine ganze Anzahl Opern sogenannter Musiker von [sic] Fach kommt an musikalischem Werthe dieser Bühnenarbeit eines Herzogs auf dem Throne nicht gleich. Nicht, daß wir dieselbe durchaus verherrlichen könnten oder wollten, auch nicht, daß wir meinten, sie würde sich jetzt auf der Szene einbürgern, was ihr in den 37 Jahren ihres Daseins nicht gelungen ist – aber wir sind der Anerkennung voll für ein durchaus werthvolles Werk, dessen Mängel nur diejenigen der Zeit seiner Entstehung sind.« Ähnlich souverän und in keine Richtung überzogen ist auch die Bewertung in der »Vossischen Zeitung«551  : »Alles in Allem ist Santa Chiara zwar durchaus kein Werk, welches 546 Artikel als Ausschnitt in StACo Theater 14, f. 133. 547 Hierin liegt eine offensichtliche Parallele zwischen den Jahren um 1890 und der heutigen Zeit. 548 »Staatsbürger-Zeitung«, Nr. 362, vom 6. August 1891. 549 »Berliner Tageblatt«, 20. Jg., Nr. 393, vom 6. August 1891. – Dass die »Kunst des Instrumentirens« nicht beim Herzog lag, war dem Verfasser sicher bekannt  : ein kleiner Seitenhieb  ? 550 »Norddeutsche Allgemeine Zeitung«, Nr. 363, vom 7. August 1891 (vgl. StACo Theater 14). 551 »Vossische Zeitung«, Nr. 362, vom 6. August 1891.

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die tiefsten Tiefen der Seele aufwühlt und sich mit Flammenschrift in den Geist des Zuhörers prägt – wann kann man das überhaupt einmal von einem Bühnenstück sagen  ? […] Aber es ist die Schöpfung eines sicher und feinsinnig gestaltenden Künstlers, welches Jeder mit Vergnügen hören wird, der noch genug Gemüthsfrische besitzt, um auch die Erzeugnisse früherer Kunstepochen mit voller Unbefangenheit auf sich wirken zu lassen«.

Zwischenakt: Musik und Nation – die singenden Vereine

Hof, Theater und Politik1

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha war ein Landesfürst, der die Nähe zu seinen Untertanen nicht scheute. Obwohl ihm sein Hof einen Rückzugsraum bot, in dem er im Kreise der gehobenen Gesellschaft ungestört seinen Aufgaben und Vergnügungen hätte nachgehen können, war es ihm offenbar ein Bedürfnis, Menschen aller Gesellschaftsschichten zu begegnen und sie kennenzulernen. Es gibt zahllose Anekdoten über seine freundliche, aufgeschlossene Art, zum Beispiel auf Jagdausflügen oder auf Reisen mit anderen ins Gespräch zu kommen. Auch sein vergleichsweise bescheiden geführter Haushalt stand regelmäßig Gästen an der Tafel oder im Schloss offen, es scheint kaum eine Woche ohne Besuch gegeben zu haben. Seine Privatsekretäre wählte Ernst II. schon seit 1843 aus bürgerlichen Kreisen, worin – aufgrund der wichtigen Funktion des Sekretärs – zuweilen auch ein gewisses Risiko liegen konnte 2. Zu den beliebten Gothaer Hofbällen ließ der Herzog viele Bürger einladen, die ausdrücklich auch ihre Frauen und Töchter mitbringen sollten, was wiederum der Stimmung auf dem Ball sehr zuträglich war. Bei Volks- und Vereinsfesten trat Ernst II. regelmäßig auf, besonders in seiner politisch aktivsten Zeit, und mischte sich dann gerne unters Volk3. Seine Nahbarkeit schaffte eine Basis des Vertrauens, die ihn die politischen Stürme seiner Zeit gut überstehen ließ. Trotz aller Jovialität war sich Ernst II. ohne Zweifel seiner Machtstellung wie auch seiner Verantwortung nur allzu bewusst. Seine Liberalität ist nicht mit dem Streben nach echter Demokratie zu verwechseln, die er bis in die letzten Lebensjahre energisch bekämpft hat. Seine Hofgesellschaft in Coburg blieb bis ins späte 19. Jahrhundert hinein ein streng begrenzter Kreis von Adeligen, deren konservative Grundhaltung durch die Mitwirkung in Vereinen und das Aufgreifen des modernen wirtschaftlichen Denkens im Kern nicht 1 Zum Coburger Hof vgl. die Publikationen von Andrian-Werburg, Reif und Izenberg. 2 Man denke an die Affäre Bollmann (vgl. im Kapitel zur Biografie Ernsts II.). 3 Vgl. hierzu den englischen Bericht vom Gothaer Schützenfest, als der Herzog seine Kutsche selbst lenkte und – zum großen Erstaunen des Reporters – mit jedermann sprach (ausführlich im Kapitel zur Biografie).

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berührt wurde4. Zwar kosteten die Hofhaltungen in Coburg und Gotha eher etwas weniger als vergleichbare Höfe andernorts5, aber erst relativ spät und nach zähen Verhandlungen ließ sich Ernst II. auf die Festlegung von Zivillisten und die Trennung von Staats- und Dynastievermögen ein. Bei seinem Auftreten gegenüber den Untertanen ist ein Hang zur Selbstdarstellung nicht von der Hand zu weisen, wie ihn auch seine Publikationen (vor allem seine umfangreiche Autobiografie) belegen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden ja derartige »Selbstinszenierungen und Legitimationsbemühungen«6 in der herrschenden Klasse zur Mode (Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gab seine gesammelten Reden und Trinksprüche heraus, Queen Victoria eine Autobiografie), dienten aber in der Regel mehr der Abgrenzung als der Verständigung mit dem Volk. Doch mit seiner Verbindung von echtem Interesse für die Menschen und kalkulierter Pflege seines Bildes in der Öffentlichkeit stand Herzog Ernst II. eher dem Typus des »Bürgerkönigs« nah, wie es beispielsweise Max I. Joseph (1756–1825) von Bayern gewesen war. Natürlich hätte Ernst II. sich wie manche seiner Zeit- und Standesgenossen an den Glanz der Vergangenheit klammern, der Reaktion dienen und den Ruf nach Fortschritt niederknüppeln lassen können7. Doch es war vor allem die Erkenntnis, den gesellschaftlichen Forderungen der Zeit nicht entgegenhandeln zu können, die den Coburger Herzog in seinem Wirken leitete. Diese Erkenntnis war angesichts der geringen Größe und Macht seines Herzogtums geradezu überlebenswichtig 8  : Gotha mit einem Gebiet von 140 Quadratkilometern, dazu das kleine Coburg mit ca. 56 Quadratkilometern, die größere Residenzstadt zur Jahrhundertmitte mit über 100.00 Einwohnern, die kleine mit gut 45.000. Diese kleinen Verhältnisse im ohnehin völlig zersplitterten Thüringen zwangen den Herzog von Coburg und Gotha dazu, sich dienend in einen größeren Zusammenhang zu stellen, sonst hätte er über kurz oder lang seine Selbständigkeit eingebüßt – wie es ja auch im Frankfurter Paulskirchenparlament einige Male diskutiert

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Näher hierzu bei Andrian-Werburg, S. 214, sowie Reif, S. 213. Vgl. hierzu die Statistiken bei Daniel, S. 120f. und S. 119–125. Zum Folgenden. Daniel, S. 29. Auch zum Folgenden. Als Beispiele seien hier mit Veit Valentin (Bd. 1, S. 213, 22f., 199f.) der weltfremd-romantische Weimarer Großherzog Carl Alexander, der gegen Demonstranten brutal vorgehende Prinz Johann von Sachsen sowie der »Menschenverächter« König Ernst August (1771–1851) von Hannover angeführt, dessen Landesverfassung noch 1840 von reaktionärem Absolutismus geprägt war. 8 Die folgenden Daten bei Andrian-Werburg, S. 209, sowie Daniel, S. 120.

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wurde9. Daher fixierte er sich auf den Gedanken einer mächtigen deutschen Nation, auf die Schaffung eines Kaiserreichs, das im Europa der Großmächte bestehen konnte. Doch auch im Inneren des Herzogtums wirkte sich die beschränkte Größe des Territoriums merklich aus, denn die »unbehinderte Durchschaubarkeit aller Lebensverhältnisse«10 führte zu einer besonders engen Wechselwirkung zwischen Hof und Bevölkerung vor Ort. Während in Coburg die Vorgänge bei Hof von der Bevölkerung interessiert verfolgt wurden und viele Einwohner der Familie des Herzogs eine treuherzige Verehrung entgegenbrachten11, gab es in Gotha ein starkes und selbstbewusstes Bürgertum, das es wagte – gestärkt vom ökonomischen Erfolg –, dem Hof Paroli zu bieten. Gleichzeitig begannen die aufstrebenden Bürger aber auch, die Lebens- und Verhaltensweisen des Adels zu kopieren12, so dass sich ein starker Austausch zwischen diesen einst unvereinbaren Gesellschaftsgruppen ergab. Eine der wichtigsten Stätten für diese Kommunikation war das Hoftheater. »Das Hoftheater bildet in Coburg den Hauptvereinigungspunkt der geselligen Vergnügungen«, so ist es in einer »Kurzen Beschreibung der Herzoglich Sächsischen Residenzstadt Coburg« aus dem Jahr 1846 zu lesen13. Wie stark die Anziehungskraft des Theaters damals auf alle Schichten der Gesellschaft war, lässt sich heute nur noch schwer nachvollziehen. »Wir pflegen Opernaufführungen nicht mehr als Unterhaltungsangebote zu betrachten  : Das hat uns die weitgehend gelungene Umfunktionierung der Theater zu bildungsbürgerlichen Weihetempeln und Bühnen intellektueller Selbstinszenierung abgewöhnt.«14 Um zu verstehen, was für ein wichtiger Ort der Kommunikation das Theater damals war, muss man sich vor Augen führen, dass es nur wenig andere Veranstaltungen mit einer derart breiten gesellschaftlichen Unterhaltungsfunktion gab. »Die Menschen der vergangenen Jahrhunderte […] kannten ein anderes Theater  : eines, das, allen Theaterreformern und der ›Schaubühne als moralischer Anstalt‹ (Friedrich Schiller) zum Trotz, zum Zwecke   9 Vgl. hierzu Valentin, Bd. 1, S. 209ff., und Bd. 2, S. 394f. 10 Andrian-Werburg, S. 209. 11 Man denke beispielsweise an die rührenden Versuche der Bevölkerung, die Kutsche der Herzogin Luise, Mutter von Ernst und Albert, aufzuhalten, als sie das Land verlassen musste. 12 Große Villen, strenge Verhaltensregeln, standesgemäße Heiraten und aufwändige Kleidung sind nur einige Merkmale dieser Entwicklung (Näheres hierzu bei Izenberg, S. 234ff.; auch zum Folgenden). 13 Kurze Beschreibung der Herzoglich Sächsischen Residenzstadt Coburg, 1846, S. 47. 14 Daniel, S. 10.

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der Unterhaltung, der Geselligkeit und der Repräsentation betrieben, besucht und geschätzt zu werden pflegte. Ganz besonders galt dies für die Oper, das opulenteste und illusionsstärkste Gesamtkunstwerk, das der Befriedigung der Schau- und Hörlust vor dem Filmzeitalter zur Verfügung stand.«15 Das Theater und die Oper boten Unterhaltung für Bürger wie für gelangweilte Höflinge, nach der Verbreitung der Eisenbahn zunehmend auch für die ländliche Bevölkerung. Was Berechnung von Effekten und Einsatz ästhetischer Mittel angeht, war das Theaterspiel dem höfischen Leben gewissermaßen verwandt. Daher war es auch nichts Besonderes, dass im Zuge »feudaler Selbstrepräsentation«16 Fürsten und Prinzen in Balletts und Theaterstücken auftraten  : Maria Theresia (1717–1780) soll ihren sechsjährigen Sohn und Thronfolger Joseph (1741– 1790) extra dazu angehalten haben, Theater zu spielen, um »für die Kunst der Repräsentation« zu lernen. In der Wechselwirkung wurden für die Darstellung idealer, erfolgreicher Menschen auf der Bühne die äußeren Kennzeichen (Kleidung, Haltung usw.) der Hofgesellschaft übernommen. Die Helden der vom bürgerlichen Publikum beklatschten Stücke traten also mit den Attributen der Aristokratie auf. Als Vor-Bilder animierten sie das aufstrebende Bürgertum zur Nachahmung17, woran selbst hofkritische Stücke, die im 19. Jahrhundert zunahmen18, zunächst nichts ändern konnten. Erst mit dem allmählichen Einzug des bürgerlichen Milieus auf der Bühne, in der Darstellung privater Konflikte und Beziehungsgeflechte, änderte sich diese Projektion. Die Präsentation bürgerlichen Lebens in Theaterstücken, die nur in seltenen Fällen einen ernsten politischen oder sozialkritischen Unterton trugen, war das eigentliche Merkmal der »Verbürgerlichung« des Theaters in jener Zeit19. Im Grunde ging es jedoch sowohl bei einem Hoftheater wie in Coburg-­ Gotha als auch bei privaten oder anderen öffentlichen Theaterunternehmungen immer darum, das vielschichtige Publikum gut zu unterhalten. Die Meinung der Masse bestimmte über Gedeih und Verderb eines Theaterbetriebs, und diese Meinung konnte selbst ein Herrscher auf Dauer nicht beeinflussen. Mit der Öffnung der Hoftheater für zahlendes Publikum wuchsen die Einnah15 Daniel, S. 11. Zum Folgenden  : S. 34–41. 16 Daniel, S. 37. Zum Folgenden. 17 Was Izenberg, S. 234, an der allgemeinen Behauptung von Historikern zweifeln lässt, das Bürgertum habe im 19. Jahrhundert den unumschränkten Sieg davongetragen. Vielmehr habe es die Aristokratie geschafft, ihre Werte und Vorstellungen auf das Bürgertum zu übertragen. 18 Auch an Hoftheatern waren hofkritische Stücke keine Seltenheit (vgl. Daniel, S. 150f.). 19 Näheres hierzu bei Daniel, S. 127–152.

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men und damit die Möglichkeiten für die Theaterschaffenden, aber auch die Macht des Publikums. Allen Verklärungen des Theaters als Lehranstalt und Ort der sittlichen Läuterung zum Trotz waren die gefragtesten Stücke das ganze Jahrhundert hindurch die leichten, heiteren, oberflächlichen Lustspiele. Sie dominierten die Spielpläne und füllten die Kassen. Daneben wartete die Oper mit spektakulären Effekten und immer neuen Klangsteigerungen auf, was von den Mitwirkenden eine zunehmende Spezialisierung in ihrer Tätigkeit verlangte. Die Ansprüche im Bereich des Musiktheaters stiegen in den Himmel und brachten die ersten »Stars« modernen Zuschnitts hervor. Wer hier erfolgreich war, konnte – womöglich noch gestützt durch Orden und Auszeichnungen eines musikbegeisterten Herzogs – einen gesellschaftlichen Aufstieg erleben. Dies begann schon bei reisenden Virtuosen wie Paganini und Liszt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und setzte sich fort in der großen Zahl von Primadonnen und Heldentenören gegen Ende des Jahrhunderts. Inwieweit dieser (allmähliche) gesellschaftliche Aufstieg der Künstler mit einer Verpflichtung zur Mitwirkung an aktuellen Entwicklungen verbunden war, darüber gab es insbesondere im Revolutionsjahr 1848 sehr verschiedene Meinungen. Ein nicht genannter Autor in der »Neuen Zeitschrift für Musik«20 fordert eine aktive Beteiligung von Musikern an der Revolution. Doch viele Musiker stünden durch die Nähe zu ihren Fürsten und durch ihre Internationalität im Begriff, »das Interesse für ihr Vaterland [zu] verlieren«. Er setzt seine Hoffnungen daher in das bürgerliche Engagement in den Männergesangvereinen und behauptet  : »eine schlechte künstlerische Leistung durch solche Volksmassen ist mir in diesem Sinne lieber, als die größte Kunstfertigkeit ­einer Sängerin im fürstlichen Salon«. Außerdem glaubt er an eine tiefgreifende kulturelle Veränderung in der Folge der Revolution  : »ich erwarte von dem allgemeinen Aufschwung, daß die Kunst einen neuen Inhalt erhalten werde«. Dagegen hegt Eduard Krüger (1807–1885) aus Emden in einem Artikel vom Mai 184821 starke Zweifel daran, ob Musik überhaupt spontan auf Ereignisse reagieren könne und solle. Eigentlich könne Musik nur zu vollendeten Ereignissen Stellung beziehen, und die Revolution war zu dieser Zeit ja noch in vollem Gange. Außerdem ist seine Meinung mit einem bestimmten Kunstverständnis verbunden, denn die oberflächliche Verarbeitung aktueller Geschehnisse lässt er offenbar nicht gelten  : »meint nur nicht, Künstler zu sein, wenn ihr einen Zeitungsartikel in Musik gesetzt habt«. 20 NZfM, Nr. 33, vom 22. April 1848, S. 193–196. Zum Folgenden. 21 AMZ, Nr. 25, vom 21. Juni 1848, Sp. 401–405.

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Als Erwiderung auf den Artikel von Krüger schreibt Fritz Schnell »[u]eber den Zusammenhang zwischen Musik und Politik«22. Am Beispiel des Hoftheaters Hannover bringt er seine Hoffnung zum Ausdruck, dass durch die revolutionären Umbrüche »auch in der Verwaltung der Musik nicht der verdorbene Geschmack der hohen Herrschaften mehr maassgebend sein, sondern nunmehr zuvörderst auf den Geschmack der wahrhaft Gebildeten, dadurch aber auch auf das wahre Bedürfniss und die Veredlung des Volkes durch die Kunst Rücksicht genommen werden wird.« Speziell bezieht sich der Autor dabei auf den italienischen Operngeschmack des Hannoveraner Kronprinzen und ruft diesem zu  : »wie glüht man nicht an anderen Orten für Kräftigung der jungen deutschen Musik  !« Außerdem fordert Schnell, die Verwaltung der Kunst müsse »solchen Männern anvertraut werden, welche deutschen Geist und Gesinnung haben, welche fühlen, wie das deutsche Volk seiner innern Natur nach fühlen muss, welche wissen, was dem Volke zur Bildung und Veredlung dient.« Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Autoren hofft Schnell demnach auf eine günstige Veränderung der äußeren Verhältnisse der Musik. Außer in theoretischen Diskussionen schlugen sich die revolutionären Bewegungen in der Kunstszene auch in konkreten Werken nieder23. In der Oper gab es zum Beispiel zwei Werke, deren politische Konnotationen unüberhörbar waren. Der »Gefangenenchor« aus Verdis »Nabucco« war das Lied der Aufständischen in Mailand gegen die Habsburger. Im Kampf Italiens um seine Einheit wurde Verdis Musik eine politische Dimension verliehen, sein Name in überzogener Verehrung sogar als Abkürzung für »Vittorio Emanuele Re d’Italia« gedeutet24. Noch stärker (und früher) war die Wirkung der Oper »Die Stumme von Portici« von Auber. Eine Aufführung dieses Werkes animierte am 25. August 1830 eine Menge in Brüssel zum Aufstand gegen die Niederländer25. Auch im Jahr 1848 gab es nach Vorstellungen der »Stummen von Portici« Tumulte und Diskussionen in verschiedenen Opernhäusern. Mehr Spiegel als Auslöser für revolutionäre Empfindungen waren dagegen Werke wie die »Revolutionsetüde« von Frédéric Chopin oder die im Entwurf steckengebliebene »Revolutionssinfonie« von Franz Liszt26. Der stets um Diplomatie bemühte Liszt entschloss sich dann noch, beeindruckt vom Weberaufstand in Lyon 1834, in 22 AMZ, Nr. 33, vom August 1848, Sp. 538–542. Zum Folgenden. 23 Zum Folgenden vgl. Fuchs. 24 Näheres hierzu bei Maehder, Die italienische Oper. 25 Näheres hierzu bei Walter, S. 312f., und Fuchs, S. 56. Noch vor Ende der Vorstellung strömte das Publikum auf die Straßen und zündete den Palast des Justizministers an. 26 Näheres hierzu bei Fuchs, S. 56ff.

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seinem »Album d’un voyageur« der Klavierfantasie »Lyon« das Motto der Textilarbeiter (»Vivre en travaillant ou mourir en combattant«27) voranzustellen. Die meisten mit der Revolution von 1848 in Verbindung stehenden Werke sind jedoch Gesänge (vor allem Chöre) und Märsche28. Hunderte von ­Liedern, Arien und Chören entstanden im Dunstkreis der Revolutionäre. Da es vor allem darum ging, einen bestimmten, meist patriotisch-freiheitlichen Text zu transportieren, waren sie in der Regel durch eine einfache musikalische Struktur gekennzeichnet. Außerdem wurden sie in den seltensten Fällen in gediegener Konzert- oder Opernhausatmosphäre vorgetragen29  : »Musik in revo­lutionären Zusammenhängen […] muss freiluft- und massentauglich sein, d. h. sie muss eine einprägsame und mitreißende Melodik aufweisen, und ihre Rhythmik muss große Menschenmengen zusammenschweißen und anfeuern können.« Chöre von Schumann und Lortzing oder Märsche für Klavier von Schumann und Johann Strauß Sohn seien hier als Beispiele genannt. Vieles geriet nach der Gegenrevolution wieder in Vergessenheit, hatte bei den frustrierten Nationalliberalen zunächst seine Kraft verloren. Auch Küstner spricht in seinen Erinnerungen von den Zusammenhängen zwischen der Revolution und dem Theater im Jahr 184830. Seiner Meinung nach war das Theater damals gar nicht politisch, sondern wurde nur »zu politischen Zwecken benutzt«, was ihm als Intendanten viel Ärger einbrachte. »Das Theater war während der Unruhen und bis zur Wiederherstellung der ­Ordnung im November 1848, wo die Truppen einrückten, ein Tummelplatz der politischen Meinungen und der verschiedenen Parteien  ; man betrachtete es als eine öffentliche Versammlung, wo Jeder sich für sein politisches Glaubensbekennt­ niß aussprechen konnte  ; dazu wurden in den Stücken vorkommende Stellen, so wenig sie auch mit diesem Glaubensbekenntniß in Berührung standen, benutzt, um Beifall oder Misfallen zu bezeigen  ; das Kunstinstitut wurde zu ­einem politischen Club«31. Als Beispiele für Stellen, die das Publikum besonders kommentierte, nennt Küstner aus »Wilhelm Tell« den Satz »Denn herren­ los ist auch der Freieste nicht, / Ein Oberhaupt muß sein, ein höchster Richter, / Wo man das Recht mag schöpfen in dem Streit.« Außerdem wurde die Auseinandersetzung des Sehers Teiresias mit König Kreon im Drama »Antigone« von 27 »Leben und arbeiten oder im Kampf sterben.« 28 Näheres hierzu bei Fuchs, S. 63–73. 29 Zum Folgenden vgl. Fuchs, S. 61. 30 Zum Folgenden vgl. Küstner 1853, S. 192–195. 31 Küstner 1853, S. 192.

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den Demokraten heftigst beklatscht. Andererseits erhielten die widersprüchlichen Sätze aus Ernst Raupachs »Die Royalisten« beide Beifall  : »Von Gottes Gnaden bin ich König« wie auch »Es gibt keinen Thron in England mehr  !«32 Nach den Berichten Küstners gewöhnte sich das Berliner Publikum in dieser Zeit derart starke Meinungsäußerungen im Theater an, dass auch die Leistungen der Schauspieler und Sänger viel stärker quittiert wurden. So konnte angeblich ein langweiliges Stück einmal nicht zu Ende gespielt werden, und obwohl er kurzfristig ein anderes Werk einschieben ließ, zog nach der Vorstellung eine wütende Menge vor sein Haus. Die Theater hatten sich im Revolutionsjahr zu einem politischen Forum entwickelt, auf dem die offen aufgebrochenen gesellschaftlichen Konflikte ausgetragen wurden. Entweder wurden die Häuser ganz geschlossen, sei es weil sie als Hoftheater von einem Fürsten abhängig waren, der sie in den turbulenten Zeiten nicht unterstützen wollte, sei es weil sie aufgrund starken Besucherschwunds pleitegingen. Oder sie boten einen Raum für öffentliche Kund­ gebungen aller Art, die gelegentlich auch in Demonstrationen oder Unruhen ausarten konnten, wie in Berlin. So war das Theater in dieser Zeit weniger »moralische Anstalt« als vielmehr »Kirche für freie Weltanschauung, Schule und Hörsaal für die Verehrung von Freiheitshelden, Laboratorium für das soziale Experiment, Tribunal und Schauplatz für die Volksversammlung. Die Kunst hatte dabei nicht mehr viel zu sagen.«33 Nur in seltenen Fällen, wie in Coburg und Gotha, lief der Theaterbetrieb relativ unbeschadet weiter. Von den politischen Umbrüchen, die im Theater ihre Spuren hinterließen, war die Gattung der Oper in besonderer Weise tangiert34. Als teuerste Form der Bühnenunterhaltung war sie auf eine stabile finanzielle Grundlage angewiesen, weshalb sie gerade auch an Hoftheatern wie in Coburg-Gotha zu dieser Zeit einen konstanten Aufschwung erlebte. Darüber hinaus war sie anfangs dem gut betuchten Publikum vorbehalten, denn die Preise für Opernvorstellungen waren oft deutlich höher als für kleinere Produktionen. Die Oper war lange Zeit ein »Paradebeispiel« für die angesprochene »Imitation aristokrati32 Ein ähnlicher Bericht des Bankiers Franz von Schloißnigg (1777–1850) aus München von 1849 wird bei Valentin, Bd. 2, S. 656, zitiert  : Bei der Aufführung eines Melodrams in Gegen­ wart des bayerischen Königspaares reagierte das Publikum auf die Sätze »Der Kaisergeist schlief einst in deutschen Landen / Des Kaisers Herrlichkeit – sie ist erstanden  !« mit »eisiger Ablehnung«. Bayern war ja strikt gegen ein Kaisertum Preußens. 33 Valentin, Bd. 1, S. 257. 34 Zum Folgenden vgl. Döhring/Henze-Döhring 2006, Fuhrimann, Müller/Toelle, Würffel sowie Walter.

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scher Gepflogenheiten, Lebensformen und Verhaltensnormen durch das aufstrebende Bürgertum«35. Der repräsentative Charakter der Oper begann schon beim Gebäude, in dem sie gespielt wurde, setzte sich fort in den aufwendigen Inszenierungen sowie den hochbezahlten Stars auf der Bühne und endete mit der Selbstrepräsentation des Publikums, das kam, um zu sehen und gesehen zu werden. Eigentlich alles an einer Opernproduktion konnte irgendwie politisch gedeutet werden (auch wenn das gar nicht in der Absicht der Komponisten stand). Der Bau eines Opernhauses war an sich schon eine politische Entscheidung, denn damit wurde der Bevölkerung ein »öffentlichkeitswirksamer und politisierbarer Kommunikationsraum«36 zur Verfügung gestellt. Ob der Bau von Herrschenden oder von Bürgern einer Stadt finanziert wurde, ob sich Untertanen aus Loyalität an den Baukosten eines Hoftheaters beteiligten, wie das Theater innen aufgebaut war (privilegierende Logen oder gleichberechtigte Sitzreihen bzw. Stehplätze), wie sich Eintrittspreise und –bedingungen gestalteten, all diese Faktoren konnten schon Hinweise geben auf Stellung und Funktion des Theaters am konkreten Ort. Im Falle von Coburg und Gotha ist dazu zu bemerken, dass die Gleichzeitigkeit der Neubauten die Gleichberechtigung der beiden Residenzen betonte, die vom Herzog Ernst I. ausgehende Initiative ein Zugehen auf die Bedürfnisse des Volkes signalisierte, die innere Ausstattung der Theater auf eine nur moderate Heraushebung der herzoglichen Familie abzielte (zumal Ernst II. dann sowieso meist die Proszeniumsloge benutzte), und die niedrigen Eintrittspreise den Charakter eines echten Volkstheaters stärkten, das für alle Gesellschaftsschichten erschwinglich sein sollte. Auch die Gestaltung des Spielplans war eine politische Entscheidung, denn hier waren unterschiedliche Interessen gegeneinander abzuwägen. Zuallererst mussten natürlich die äußeren Mittel für die Darstellung bestimmter Werke gegeben sein (Sängerinnen und Sänger, Orchester, Ausstattung). Dass das nicht immer so einfach war, ist aus den vielen Briefen in den Coburger Theaterakten zu ersehen, in denen sich Direktoren um die Opern des Herzogs bewarben, da sie meinten, nun endlich die erforderlichen Kräfte zur Verfügung zu haben – was ihnen nicht immer geglaubt wurde. Auch die reduzierten »Coburger Fassungen« der groß besetzten Opern von Richard Wagner37 sind beredte Zeugnisse dafür, dass manche Häuser schon an diesen äußeren Umständen zu schei35 Fuhrimann, S. 39. Zum Folgenden S. 40–43. 36 Müller/Toelle, S. 9. 37 Näheres hierzu im Abschnitt zu Franz Liszt, Richard Wagner und Ernst II.

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tern drohten. Ob man gegebenenfalls bereit war, mehr Geld in das Haus zu investieren, um große Oper auf dem Spielplan überhaupt zu ermöglichen, war ebenfalls eine politische Entscheidung – wie in der Coburger Krise von 1881/82 sichtbar wurde, als die Oper aus finanziellen Gründen vom Herzog eingestellt wurde, was zu so großen Protesten in der Bevölkerung führte, dass man nach einigen Monaten mit Gastverträgen das Musiktheater bald wieder komplettierte. Welche Werke dann Bestandteil des Spielplans wurden, bestimmten nicht nur die Fürsten bzw. die Intendanten, sondern auch das Publikum. Denn weder Stadt- noch Hoftheater konnten es sich auf Dauer leisten, den Geschmack des zahlenden Volkes gänzlich zu ignorieren. Griff ein Landesherr so bestimmend in das Repertoire seines Hoftheaters ein wie Herzog Ernst II. dies tat, handelte es sich wiederum um einen politischen Akt. In den ausgewählten Stücken zeigten sich seine kulturpolitischen Absichten. Dass er das deutsche Repertoire pflegte, dabei auch jungen und unbekannten Komponisten (bei aussichtsreicher Begutachtung durch seine Kapellmeister) eine Chance gab und nicht zuletzt selbst die deutsche Oper durch fünf Kompositionen zu bereichern suchte, unterstreicht die patriotische Ausrichtung seiner Theaterleitung. Dabei standen in dieser Hinsicht nur wenige als deutsche »Nationalopern« aufgefasste Werke zur Verfügung, allenfalls der vielgespielte »Freischütz«, dem Ernst II. mit seiner Oper »Tony« nacheiferte. Dafür verlegte sich der Herzog in seinen eigenen Kompositionen eher auf den anderen Typus der großen Oper, den Meyerbeer aufgebaut hatte  : die auf historischen Stoffen basierende Oper, die zwar eine erfundene Handlung präsentierte, deren historisch-realistischer Rahmen aber »der künstlerischen Fiktion das Siegel der Authentizität und damit ein Höchstmaß an Charakteristik«38 verlieh. Diese »imaginierte Realität«39 verlangte nach einer Unterstützung durch szenische Mittel, »gebaute – und nicht gemalte – Dekorationen, eine Verräumlichung des Bühnengeschehens, historisch exakte Kostüme, sowie die Verdeckung der Bühnenmaschinerie«. All diese modernen Tricks und Kniffe waren dank der guten Ausstattung der Theater in Coburg und Gotha sowie dank der hervorragenden Bühnenateliers Brückner und Mühldorfer40 verfügbar. Der Eindruck einer vielschichtigen, aber in sich stimmigen und geschlossenen Geschichte auf der Bühne wurde oft noch verstärkt durch den wirkungsvollen Tod einer der Hauptfiguren am Ende 38 Döhring/Henze-Döhring, S. 116. 39 Walter, S. 310. Auch zum Folgenden. 40 1864 gründete der Maler Wilhelm Mühldorfer (1835–1867) ein »Dekorationsmaleratelier« in Coburg.

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des Dramas. Dieser Bühnentod, der auch in allen fünf Opern der Herzogs eine Rolle spielt, durfte jedoch nicht zu realistisch dargestellt werden41. Im Falle von »Diana von Solange« wurde sogar auf Bitten der Dresdner Intendanz eine abgewandelte Fassung hergestellt, in der die Hauptfigur entgegen der ursprünglichen Konzeption Ernsts II. überlebt42. Überhaupt durfte die große Oper der Zeit trotz historischen Anstrichs und detailgetreuer Ausstattung nicht zu realistisch wirken. Es fand hier keine »Verbürgerlichung« des Bühnengeschehens wie im Sprechtheater statt. Stattdessen erwartete der Zuschauer Prachtentfaltung und maximale Effekte, er wollte beeindruckt und mitgerissen, nicht belehrt werden. Am deutlichsten wird dies bei Betrachtung des mächtigsten Opernhauses der Zeit, der Pariser Oper. Dessen Organisation war kompliziert und spiegelt in gewisser Weise die widersprüchlichen politischen Entwicklungen im Frankreich der Jahrhundertmitte wider43. Denn einerseits gab es einen mächtigen Direktor, der über die Wahl des Repertoires entschied und den Theaterbetrieb bis ins Detail (Proben, Premierentermine, Besetzungen) steuerte44. Er war gezwungen, wirtschaftlich zu handeln wie ein privater Theaterpächter, konnte aber dementsprechend bei erfolgreicher Unternehmensführung an dem großen Haus auch ein Vermögen machen. Andererseits jedoch unterlag die Pariser Oper nach wie vor der kaiserlichen Verwaltung, die sich einmischen und Stücke befehlen oder verbieten konnte45. Diese Zwickmühle verlangte vom jeweiligen Direktor der Oper ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen sowohl in die Wünsche des kaiserlichen Hauses als auch in die Bedürfnisse des Publikums46. Einer der erfolgreichsten unter ihnen, Louis Véron (1798–1867), erfasste seine wichtigste Zielgruppe mit sicherem Instinkt47  : »Ich sagte mir  : ›Die Julirevolution ist der Triumph der Bourgeoisie. Diese siegreiche Bourgeoisie will glänzen und sich amüsieren  ; die 41 Näheres hierzu bei Walter, S. 310f. Hier wird auch erwähnt, dass ein Selbstmord auf der Bühne von der Zensur in der Regel verboten wurde. 42 Vgl. im Kapitel zu »Diana von Solange«. 43 Zum Folgenden vgl. Walter, S. 37–70, sowie Spies. 44 Was Herzog Ernst II. im Zusammenhang mit seiner Oper »Santa Chiara«, die er an der Pariser Oper einreichte, leidvoll erfahren musste (vgl. das Kapitel zu »Santa Chiara«). 45 Walter, S. 66  : »Das eigentliche Dilemma des jeweiligen Leiters der Opéra war der staatliche Anspruch auf eine repräsentative Opernbühne, der mit dem privaten Anspruch des finanziellen Profits in Einklang gebracht werden mußte, wobei sich hinsichtlich der Finanzen das französische System zumindest aus Sicht des Staates lange Jahre als günstiger erwies als das deutsche Hofopernsystem.« 46 Vgl. hierzu auch Hauptmann, S. 117–125. 47 Im Folgenden ein Zitat aus der Autobiografie Vérons. Zitiert nach Walter, S. 55.

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Opéra wird ihr Versailles werden, sie wird dorthin strömen und in Scharen den Platz der grands seigneurs und des exilierten Hofes einnehmen.‹« Es ging also nach wie vor um aristokratische Attitüden und repräsentative Prachtentfaltung, auch wenn die Adressaten des Pomps sich verändert hatten. »Im Grunde verlor die Oper nie ihren höfischen Charakter, und sie legte nach 1840, als sie in neue Häuser übersiedelte und ihr Repertoire ergänzte und erneuerte, an Prachtentfaltung eher noch zu.«48 Der Komponist, der es am besten verstand, diese neue Form der Oper erfolgreich zu präsentieren, war Giacomo Meyerbeer49. Als künstlerischer Kosmopolit, der zwar in Deutschland geboren war, aber verschiedene Länder bereist und deren musikalische Besonderheiten studiert hatte, war es ihm ein Leichtes, die unterschiedlichsten »Couleurs locales« und »Couleurs de temps«50 auf die Bühne zu zaubern. So konnte er, der immer bis zum letzten Moment an seinen Opern feilte, seine Musik auf die jeweilige Situation am Theater und das dortige Publikum zuschneiden. Seine Erfolge waren für die Konkurrenz kaum zu begreifen, fast alle seine Opern wurden Dauerbrenner. Dabei spielte auch sein geschickter Einsatz von Massenszenen auf der Bühne eine wichtige Rolle, denn das einst revolutionäre Publikum erkannte sich darin wieder. Die Emotionalisierung der Massen durch die Musik bei Meyerbeer war eine Neuheit, die Heinrich Heine Meyerbeers Werke als mehr »sozial« denn als »individuell« bezeichnen ließ51. Damit aber verstärkte sich wiederum der meinungsbildende, politisch relevante Aspekt der Oper in dieser Zeit. Leider aber – so muss es Herzog Ernst II. gesehen haben – eignete sich der Weltbürger Meyerbeer, der lieber in Paris als in Berlin lebte, nicht zum Vorreiter einer neuen deutschen Oper, zumal er sich in seiner Musik verschiedener Nationalstile bediente. Neben dem Fehlen guter deutscher Opernlibretti war auch ein Mangel an zeitgenössischen deutschen Komponisten spürbar, die an der Entwicklung ­eines nationalspezifischen Opernstils mitarbeiteten. Diese Lücke klaffte besonders schmerzhaft in einem Deutschland, das noch nicht zu einer staatlichen Identität gefunden hatte52. Hier fühlte sich Herzog Ernst II. berufen, tätig zu werden  : als Förderer, als Unterstützer und sogar als Komponist deutscher Kunst, der er zuletzt noch in einem Kompositionswettbewerb (1893) aufzuhel48 Mayer, S.207. 49 Vgl. Döhring/Henze-Döhring, S. 117. 50 Musik, die bestimmte Orte oder Zeiten evozierte (z. B. Zigeunermusik, Kirchenchoräle usw.). 51 Döhring/Henze-Döhring, S. 117. 52 Vgl. hierzu Döhring/Henze-Döhring, S. XIII.

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fen versuchte. Auch er war von einer gewissen Weltläufigkeit geprägt und daher in keiner Weise engstirnig oder ignorant, was Kunst anging. Er bediente sich in seinen Opern historischer Stoffe aus verschiedenen Ländern und Zeiten und blieb nicht bei klischeehaft-deutschen Sujets hängen (vielleicht mit Ausnahme des »Tony«). Doch dahinter verbarg sich keineswegs eine rückwärtsgewandte Sehnsucht nach einer verklärten Vergangenheit  : »Der Historismus war nicht etwa ein archaisches, lebloses und passives Anhängsel, das die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts im weiten Abstand hinter sich herschleppten.«53 Vielmehr stand hinter der Förderung des allgemeinen Geschichtsbewusstseins die Absicht, die Zuschauer zur Besinnung auf die gemeinsame Geschichte zu bringen, damit daraus eine neue Zukunftsper­ spektive entwickelt werden konnte. »Das ist der Hintergrund der Versuche, ein neues Einverständnis zu schaffen, indem man auf Altertümliches, Historisches, auf Bekanntes, auf Nationales, auf Einfaches zurückgreift, damit Kunst, so der große Traum, doch wieder Gemeinschaft bilde.«54 Insofern müssen auch die Opern Herzog Ernsts II. als »Ausdruck des politisch motivierten Bedürfnisses [betrachtet werden], Musik zur Sinnstiftung zu nutzen«55.

Herzog Ernst II. als Unterstützer der national-liberalen Bewegung im Volk

Hätte sich Ernst II. in seinem Wirken auf sein kleines Herzogtum beschränkt – so wie es viele seiner Untertanen auch von ihm erwarteten56 –, wäre sein Leben womöglich in ruhigeren Bahnen verlaufen. Veit Valentin beschreibt den durch die Kleinstaaterei bedingten typisch deutschen Lokalpatriotismus jener Zeit57  : »Aus der Loyalität der Untertanen entwickelte sich der Kleinstaatspatriotismus, dessen geschichtliche Bedeutung darin besteht, daß er alle Gevatterschaft und Klüngelei, alles Lokalbonzentum und alle Geschäfteschieberei mit einer Goldschicht von Edelsinn überzog, in der sich nun der höfische Glanz mit Wohlgefallen spiegelte. So wurde man von Deutschland wohltätig abgelenkt und bekümmerte sich nur noch mit heiligem Eifer um die Ereignisse von Neustrelitz oder Darmstadt, verwies jugendliche Enthusiasten auf Männerchöre oder 53 Mayer, S. 187. 54 Nipperdey, S. 46. 55 Müller/Toelle, S. 13. 56 Man denke hier an die Diskussion um die Broschüre von Schmidt-Weißenfels aus dem Jahr 1861 (vgl. hierzu den Abschnitt in der Biografie). 57 Valentin, Bd. 1, S. 168.

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Philosophie, und schnurrte voll wachsenden Selbstbewußtseins seinen Kreislauf ab, den lieben Gewohnheiten getreu, durch bescheidenen materiellen Erfolg belohnt, von Familie, Nachbarschaft und Stammtisch geachtet, manchmal sogar fürstlicher Gnade gewürdigt.« Solche Untertanen gab es in Coburg und Gotha auch zur Genüge, sie waren es, die sich in den überlieferten Anekdoten in Kritik an ihrem ehrgeizigen Landesfürsten übten. Denn ihr Herzog dachte von Anfang an über die Landesgrenzen hinaus und orientierte sich, angespornt von den politischen Aktivitäten seiner über ganz Europa verstreuten mächtigen Familie, am Gedanken der deutschen Nation  : »Das Wertvolle, Voranstrebende in diesen Staatensplittern mußte noch mehr als sonstwo dem Gesamtvaterlande dienen und angehören.«58 Als Weg zum Ziel wählte Ernst II. dabei – den Prinzipien seiner Erziehung treu bleibend – den Liberalismus, der in Deutschland bis zur Reichsgründung wesentlich mit dem Streben nach einer starken, vereinten Nation verbunden war59. Die gewaltige Kraft der aufbrechenden gesellschaftlichen Strömungen hatte der junge Herzog 1848 miterlebt, auch wenn er selbst aufgrund seiner entgegenkommenden Haltung nicht gefährdet gewesen war. »Man konnte diese Masse in Deutschland vorwärtsführen, man konnte sie zur Einheit schmieden  ; man konnte sie auch niederschlagen und aushungern, mit all der überlegenen mili­ tärisch-­politischen und ökonomischen Potenz, die den alten Mächten durch die Revolution gelassen war  ; aber als politisch-gesellschaftliche Kraft vernichten konnte auch der mächtigste Einzelmensch diese Masse nicht mehr.«60 Dies war Ernst II. schon früh bewusst, und er entschied sich für eine führende Rolle innerhalb der fortschrittlich-liberalen Bewegung, die er damit zugleich in bestimmte Bahnen lenken wollte. Durch Reaktion und Gegenrevolution zurückgedrängt, bündelten sich die neuen gesellschaftlichen Strömungen in Vereinen, deren Zielsetzungen an der Oberfläche harmlos und unpolitisch klangen  : Turner, Schützen und Sänger. Sie entstanden im ganzen deutschsprachigen Raum und erfassten mit ihrer Orga­ 58 Valentin, Bd. 1, S. 210. 59 Noch einmal zur Unterscheidung von Liberalismus und Demokratie  : »Der Liberalismus ist Weltanschauung – die Demokratie politische Programm  ; der Liberalismus geht von der Person, von der Bildung, von der Humanität aus  ; die Demokratie vom Staatsvolk, vom Interesse, von der Macht.«, Liberalismus verlangt die Freiheit von etwas, Demokratie will garantierte Freiheit, »Liberalismus glaubt an den wohlmeinenden Fürsten« und sieht im Zusammenspiel der vorhandenen Kräfte Möglichkeiten zur Entfaltung und Entwicklung  ; Demokratie fordert die Republik (vgl. Valentin, Bd. 1, S. 327). 60 Valentin, Bd. 1, S. 568.

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nisation die politisch engagierten und interessierten Massen. In regelmäßigen Versammlungen sowie auf großen Festen entwickelte sich bei den Vereinen eine Musikkultur, die dem Volk noch näher stand als die eher ­elitäre bürgerliche Kulturform der Oper61. Denn bei allen Feiern und sonstigen Vereinsaktivitäten spielte der (Männerchor-)Gesang eine wichtige Rolle, er begleitete und prägte Rituale, war auch bei Veranstaltungen mit geringem kulturellem Anspruch ein unverzichtbarer Bestandteil. Dabei ging es um mehr als nur Musik, der Männergesang »markierte gleichsam die rituelle Kernzone nationaler Gesinnungsäußerungen«62. Anfänglich waren zwar viele Vereine der gehobenen Gesellschaft vorbehalten und setzten sich vorwiegend aus Offizieren und Beamten zusammen63. Doch im Laufe der Jahrzehnte wuchs der bürgerliche Anteil stark an, bis auch Handwerker und Arbeiter schließlich als Turner und Sänger aktiv wurden. Die Funktion der gutbürgerlichen Gründer des Vereinswesens darf dabei nicht unterschätzt werden, denn sie gaben der Organisation die notwendige Struktur, mit Lokalvereinen, die in einem landesweiten Netzwerk verbunden waren, mit festen Versammlungsterminen sowie festgeschriebenen Satzungen. Dies war die Voraussetzung dafür, dass die Vereine auf Dauer überhaupt politisch wirksam werden konnten  : »Richtig ist zwar, daß all diese Vereine das Leitbild der Nation in das Denken und Fühlen vieler Menschen einsenkten und sie als Träger nationalen und im gewissen Umfang auch liberalen Gedankenguts das politische Klima und die öffentliche Meinung mitbestimmten. […] Entscheidend für ihr politisches Wirksamwerden blieb jedoch, daß eine strategiefähige bürgerliche Funktionselite die insgesamt eher diffusen Meinungen und Stimmungen bündelte und für ihre Zwecke instrumentalisierte.«64 Hier eröffnete sich ein ideales Betätigungsfeld für Herzog Ernst II.: Sein traditioneller Führungsanspruch in Verbindung mit seinem liberalen Gedankengut, seine Fähigkeit, mit Menschen umzugehen, und seine Begabung, als Komponist an der Musikkultur dieses Vereinswesens mitzuwirken, ließen ihn einen idealen Nährboden für seine politischen Absichten finden. In allen wichtigen Vereinssparten erwies er sich als einflussreicher Taktgeber.

61 Vgl. Daniel, S. 42f., die die Musikkultur der Vereine als »egalitäre Musikkultur« bezeichnet. 62 Klenke 1998, S. 4. 63 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Gall 1994, S. 30–39. 64 Biefang, S. 37.

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Turner, Schützen, Sänger, Nationalverein und nationale Feste Die Turner65 Schon nach den Napoleonischen Befreiungskriegen wurden viele Turnvereine ins Leben gerufen. Die Grundidee für die Entstehung dieser Bewegung war die Stärkung des nationalen Selbstbewusstseins, ein Aspekt auch die körperliche Ertüchtigung zur Wehrfähigkeit. Die zahlreichen lokalen Vereine, die miteinander in Verbindung standen, öffneten sich für Menschen aller Standesund Altersklassen und erreichten dadurch rasch hohe Mitgliederzahlen. Bei den Zusammenkünften und Festen achtete schon der als »Turnvater« bekannt gewordene Friedrich Ludwig Jahn (1778–1852), der Initiator der deutschen Turnbewegung, auf das regelmäßige Singen patriotischer Lieder. Der Gesang wurde ein fester Bestandteil der Turner-Rituale, und es gab bald eigene Liederbücher der Turner66. Die emotionale Wirkung vaterländischer Gesänge in der Masse, zum Beispiel auf dem Deutschen Turnfest in Leipzig 1863 (mit 20.000 Teilnehmern67), wurde von den politisch motivierten Anführern nicht verkannt. Wie alle anderen Vereine erlebten die Turner nach dem Scheitern der Nationalversammlung in Frankfurt und der Revolution bzw. Gegenrevolution von 1848 schwierige Phasen, gaben ihre Ideen und Ziele aber nie preis. Im Juni 1849 nahm »Turnvater Jahn« als Mitglied der Erbkaiserlichen Partei an einer Tagung in Gotha teil – die im Hoftheater abgehalten wurde68. Gleichzeitig tagten auch noch die Thüringer demokratischen Vereine in Gotha, und in dieser Zeit soll sich die Bezeichnung »Gothaer« als Begriff für einen Politiker eingebürgert haben, der für eine Einigung Deutschlands unter der Führung Preußens mit einer bundesstaatlichen Verfassung und einem Parlament eintrat. Am 18. Oktober 1816 fand das erste öffentliche Schauturnen Gothaer Gymnasiasten zum dritten Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig statt69. Auch das Wartburgfest 1817 sowie das erste Thüringer Turnfest im nahen Erfurt am 2. und 3. August 1818 wurde von vielen Turnern (meist Schülern und Studenten) besucht. Nach den restriktiven Karlsbader Beschlüssen wurde diese organisierte Form der Leibesertüchtigung jedoch als politisch anrüchig 65 Näheres hierzu bei Düding. Zum Folgenden S. 135ff. 66 Vgl. hierzu Braun, S. 110. 67 Düding, S. 313. 68 Hierzu Roob, S. 46. Zum Folgenden. 69 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Raschke 2010.

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ins Private verbannt, und auch die Gothaer Vereinsaktivitäten lebten erst kurz vor der Jahrhundertmitte wieder auf. 1847 wurde in Gotha eine »Turnschule« errichtet70, im Mai 1860 dann der Gothaer Turnverein gegründet. Dessen Ziel war laut Satzung die »Entwicklung der Körper- und Geisteskräfte und Weckung des deutschen Nationalgefühls«71. Innerhalb weniger Wochen zählte der Verein, der sich Handwerkern, Bürgern und Akademikern gleichermaßen öffnete und von mittellosen jungen Interessenten keinen Beitrag verlangte, mehr als 100 Mitglieder. Neben dem Turnen waren geselliges Beisammensein und Wanderungen wichtige Bestandteile des Vereinslebens. Dabei wurde auch das Singen intensiv gepflegt, die Übungsstunden sogar vom erfahrenen Chorleiter und Musikdirektor Friedrich Adolf Wandersleb (1810–1884) geleitet. Von nun an waren die Gothaer Turner an allen großen Feiern in ihrer Stadt beteiligt, wirkten bei der Feuerwehr mit, organisierten vielfältige gesellschaftliche Veranstaltungen (Bälle, Vorträge, Damenkränzchen, Fecht- und Schwimmstunden usw.) und übernahmen im Krisenjahr 1866 – gemeinsam mit den Schützen – zeitweise die Aufgabe einer Bürgerwehr. Anlässlich eines Turntages in Gotha im April 1861 mit Teilnehmern aus 14 benachbarten Vereinen wurde der Thüringer Turnverein gegründet, der nun regelmäßig Turnfeste organisierte. Dabei gab es, bedingt auch durch personelle Überschneidungen, grundsätzlich ein enges Zusammenwirken mit den gleichgesinnten Sängern und Schützen in Gotha. Besonders Anfang der 1860er Jahre wuchs die Zahl der Mitglieder in den Thüringer Turnvereinen exorbitant72. Im Jahr 1868 wurde dann als Dachorganisation für die vielen lokalen Zusammenschlüsse in den deutschen Ländern die »Deutsche Turnerschaft« gegründet. In Coburg wurde am 16. und 17. Juni 1860 das erste deutsche (!) Turnfest gefeiert, zu dem Vertreter von ca. 70 Vereinen erschienen73. Die Wahl des Ortes erläutert einer der Initiatoren, Theodor Georgii (1826–1892), in seinem »Erinnerungsblatt« wie folgt74  : »Im Rufe war frischweg Coburg als Festort bezeichnet worden  ; so ziemlich in der Mitte von Deutschland gelegen, hat 70 Hierzu wie zum Folgenden Schmidt 1937, S. 213, 215, 222. 71 Zitiert nach Raschke 2010, S. 28. Zum Folgenden. 72 Im Jahr 1862 gab es in Thüringen in 125 Ortschaften 142 Turnvereine mit weit über 12.000 Mitgliedern. In Gotha waren es in diesem Jahr 275 Turner, in Coburg 217 (Raschke 2010, S. 39). 73 Vgl. »Programm für das erste allgemeine deutsche Turn- und Jugendfest zu Coburg am 16., 17. und 18. Juni 1860«, in LBC Q 59,8 f. 24. 74 Georgii, S. 3. Das ganze »Blatt« zum Folgenden  ; dort sehr detailliert die Reden und die einzelnen Programmpunkte.

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es einen Fürsten, den Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha, der schon mehrfach bewiesen, daß ihm des Vaterlandes Wohl, die Förderung deutschen Wesens am Herzen liege, und von dem sich erwarten ließ, er werde sein Land Deutschlands Turnern nicht verschließen.« Die »Festordnung«, also der Ablaufplan, sah für den Samstag die Anmeldung der Ankommenden in der Coburger Theaterhalle (!) vor, wo die Turner auf ihre Quartiere verteilt wurden75. Die meisten reisten mit der Bahn an und wurden mit Gesang vom Bahnhof zur Innenstadt begleitet. Danach stand ein geselliges Beisammensein auf der Veste an. Der Herzog, der nicht von Anfang dabei sein konnte, weil er sich gerade auf dem »Fürstentag« in Baden-Baden aufhielt, lud vier auswärtige Mitglieder des Turnerausschusses auf sein Schloss ein. Außerdem öffnete er seine Gebäude (Reithalle, Theater, Gewächshäuser) für die Veranstaltungen der Turner. Der Sonntag begann mit einem »Festgesang« früh um sieben Uhr auf dem Marktplatz, anschließend besichtigte man die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Zur »Turnerischen Berathung« wurde dann das Lied »Brüder reicht die Hand« gesungen. Um 14 Uhr zog die Versammlung im Festmarsch zum Turnplatz76, wo einer der Initiatoren, Carl Kallenberg (1825–1900), in seiner feierlichen Begrüßung die Anwesenden aufrief  : »Tragen wir bei, was an uns liegt, sammeln und vereinigen wir unsere Kräfte, auf daß der Lebensbaum des deutschen Volkes grüne und blühe und mächtig hereinrage in den Völkerfrühling«. Wie als Erwiderung auf die pathetische Rede Kallenbergs sangen die Turner nun »Was ist des Deutschen Vaterland«. Dann begann das eigentliche Turnen, dem noch eine abschließende Festrede Georgiis folgte. Nach dem Zug zurück in die Stadt ergab sich abends beim erneuten geselligen Beisammensein die Gelegenheit zum offenen Meinungsaustausch, »auf dem freien deutschen Boden Coburg-­ Gothas«77 hatten die Redner ja nichts zu fürchten. Eine Feuerwehrübung auf dem Marktplatz eröffnete den Montag, danach fanden eine Versammlung und anschließend ein »Turngang« zu den Schlössern in Callenberg und zur Rosenau statt. Das Turnfest endete mit einem großen Ball im Theater78  : »[D]er Herzog selbst, der bald mit seiner Gemahlin erschien und Stunden lang mitten im Gedränge mit vielen Turner[n] sich unterhielt, wurde gedrängt und geschoben  ; Kallenbergs rauschend aufgenommenes Hoch zeigte aber auch, wie dankbar 75 Laut Georgii beteiligte sich die Coburger Bevölkerung mit großem Engagement  : Über 1.200 Turner konnten kostenfrei bei Familien in der Innenstadt untergebracht werden. 76 Georgii, S. 30, hebt hervor, dass die Wachen salutierten, als die schwarz-rot-goldene Fahne an der Ehrenburg vorbeizog. 77 Georgii, S. 52. 78 Zum Folgenden vgl. Georgii, S. 57.

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Alle die Zuvorkommenheit und das Zeitverständniß des deutschen Fürsten zu würdigen wußten.« Während des ganzen Turnfests wurde gesungen. Sowohl als offizieller Programmpunkt als auch an den gemütlichen Abenden war Musik ein fester Bestandteil der Feierlichkeiten. In dem Heft von Georgii sind etliche Lieder abgedruckt, auch ein Marsch79 findet sich im Anhang. Viele dieser Stücke wurden eigens für den Anlass komponiert. Beim Gesang am Morgen auf dem Marktplatz waren auch Mitglieder des Hoftheaters sowie der Coburger Verein »Sängerkranz« vertreten. Interessanterweise betont Kallenberg in seiner Begrüßungsrede die Bedeutung der Musik, als er das antike Griechenland als vorbildliche Nation schildert80  : »Wer nicht Gymnastik trieb und Musik, der galt ihnen mit Recht für einen Barbaren  ; Gymnastik war für den Körper, was Musik und alles Hohe, was Menschenherzen füllt, für den Geist. Mit dem Verfall dieses edelsten Strebens sank dieses Volk dahin.« In der Verbindung von Turnen und Gesang sah man demnach eine Möglichkeit zum Aufbau einer Nation. Die Musik war dabei mindestens gleichberechtigt mit der körperlichen Ertüchtigung. Die Schützen Auch die Schützenvereinigungen erlebten in den 1860er Jahren einen Zulauf, der ihnen viel mehr Mitglieder bescherte als noch im Vormärz81. Beim ersten deutschen Schützenfest 1861 in Gotha, zu dem neben den 1.000 Schützen aus ganz Deutschland auch 500 Turner gekommen waren82, wurde unter dem Protektorat Herzog Ernsts II. der Deutsche Schützenbund gegründet83. Zu diesem für die Vereine in ganz Deutschland bedeutsamen Ereignis kamen vom 8. bis 11. Juli 1861 auch unzählige Besucher nach Gotha84. Der Herzog war Ehrenpräsident des Schützentreffens, für das eigens eine Schießhütte sowie Scheibenstände auf einem abgeschlossenen Festplatz errichtet wurden. Die ganze Stadt schmückte 79 »Vis unita fortior. Defilir-Marsch zur Feier des ersten allgemeinen deutschen Turnfestes, componirt von Gustav Hartwig. Op. 11«. 80 Georgii, S. 11. 81 Düding, S. 313. 82 Zeitgleich fand ein Turnerfest statt. Turner und Schützen verwendeten die gleichen Symbole bei ihren Feierlichkeiten (Brusniak 1991, S. 107f., mit etwas niedrigeren Teilnehmerzahlen  ; Raschke, S. 180). 83 Näheres bei Michaelis. Zum Folgenden. 84 Zum Folgenden vgl. Schlegel, S. 82–84. Gotha hatte zu dieser Zeit ca. 16.600 Einwohner.

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sich festlich zum Empfang der Besucher, die Gothaer Schützen und Turner erhielten neue Fahnen. Am Vormittag des 8. Juli zog der Festzug, in dem ca. 80 verschiedene Fahnen mitgetragen wurden, unter Kanonendonner und Glockengeläut zum Schießhaus. Nach einer kurzen Ansprache des Herzogs begann das Schießen, während sich die Turner zum Turnplatz zurückbegaben, um dort ihre Übungen vorzuführen. Das Turnerfest endete schon am 9. Juli nach einer Fahrt in den Thüringer Wald. Im Schießhaus dagegen verteilte der Herzog jeden Mittag die Tagesprämien, danach setzten sich alle zum Essen an eine große Tafel. Im Theater fand am 10. Juli der obligatorische Ball statt. Am 11. Juli war »Schützentag«, unter dem Vorsitz Ernsts II. wurde der deutsche Schützenbund gegründet. Abends gab der Herzog dann noch die Hauptpreise aus, ehe sich die Stadt mit einem Feuerwerk von ihren Besuchern verabschiedete. Eine Schützengesellschaft gab es in Gotha wohl schon seit dem 15. Jahrhundert, vereinsmäßig organisiert wurde sie aber erst – ähnlich den Turnern – zu Beginn des 19. Jahrhunderts85. 1822 wurde mit der Errichtung des Schützenhofes ein angemessener Raum für die nun regelmäßig stattfindenden Schützenfeste geschaffen. 1846 nahm sogar die Schwägerin des Herzogs, Queen Victoria, an einem solchen Fest teil und stiftete eigens einen silbernen Pokal dafür. So bildeten auch die Schützenvereine eine Verbindung zwischen dem Herzogshaus und den nationalliberalen Kreisen im Volk, und viele Gothaer Schützen engagierten sich im 1859 gegründeten, vom Herzog geförderten Nationalverein. Im Laufe weniger Jahre jedoch verstärkten sich mancherorts die radikalen Züge innerhalb der deutschen Schützenbewegung, und bereits 1862 nahm Herzog Ernst II. erst nach reiflicher Überlegung am Schützenfest in Frankfurt teil86. Er befürchtete, etwaige Ausschreitungen bei dieser Versammlung – die zehn Mal größer war als die vorangegangene in Gotha – nicht mehr im Griff behalten zu können. Danach nahm der Herzog nie mehr an einem Bundesschießen teil, nur noch an kleineren Veranstaltungen. Seiner Popularität unter den Schützen tat dies keinen Abbruch. Als er 1885 nachdrücklich noch einmal zum Bundes- und Jubiläumsschießen in Frankfurt eingeladen wird, lehnt er ab mit den Worten87  : »Gerade aus dem Grunde, weil der Jubel sehr groß sein würde, kann ich nicht kommen. Kanzler und Bundesfürsten würden es nicht verzeihen.« Er halte es für besser, künftig im Schatten zu bleiben  ; den Ärger über seine Person habe er 85 Hierzu wie zum Folgenden Jordan, S. 17. 86 Vgl. hierzu Michaelis, S. 111ff., und Ruete, S. 16. 87 Michaelis, S. 115. Zum Folgenden.

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nur ausgehalten, solange er und sein Verhalten für Deutschland nützlich sein konnten. Dass auch die Versammlungen und Feiern der Schützen nicht ohne patriotische Gesänge abliefen, war selbstverständlich. Es gab sogar Komponisten, die sich von der Euphorie der großen Feste inspirieren ließen. In einer Anzeige der Musikalienhandlung von Johann André aus Offenbach88 vom März 1863 wird beispielsweise für eine »Polka-Mazurka und Schottisch für Klavier« von Christian Spintler geworben, die den Titel trägt  : »Erinnerung an das Bundesschiessen«. Die Sänger89 Während bei Turnern und Schützen der Gedanke der Erziehung zur Wehrfähigkeit eine bedeutende Rolle spielte, stand bei den Sängern das Gemeinschaftsgefühl besonders im Vordergrund. Die gemeinsame Betätigung vermittelte ihren Teilnehmern ein Gefühl von Geborgenheit, Zugehörigkeit und Anerkennung, konnte aber andererseits durch bestimmte Inhalte auch eine weitergehende Wirkung entfalten. »Im gemeinschaftsstiftenden Gesang blieb das Vaterland nicht abstrakt, sondern wurde konkret emotional erlebt«90. Die Prägung eines neuen deutschen Nationalbewusstseins hing ganz eng mit der gezielten Pflege und Förderung des deutschen Liedgutes in den Gesangvereinen zusammen. Wie erfolgreich diese Entwicklung war, an der sich Ernst II. ja von seiner gehobenen Position aus maßgeblich beteiligte, zeigt nicht zuletzt Bismarcks berühmter Ausspruch vom »deutschen Lied als Kriegsverbündeten« gegen Ende des Jahrhunderts91. Sängerfeste und Gesangvereine gab es in größerer Zahl schon ab Ende der 1820er Jahre92, während die Turnvereine sich in diesen Jahren erst von den Verboten der Karlsbader Beschlüsse (1819) erholen mussten93. Auch erlebte die Sängerbewegung im Unterschied zu Turnern und Schützen keinen g­ roßen Einbruch vor der Jahrhundertmitte94, da sich die Gesangvereine oft bewusst

88 AMZ, Nr. 12, vom 18. März 1863. 89 Zu diesem Abschnitt vgl. die Publikationen von Brusniak 1991 und 1993, Düding, Klenke 1995 und 1998, Bernd Wagner sowie – sehr detailliert – Nickel. 90 Mecking, S. 125. 91 Vgl. Mecking, S. 106. 92 Als Beispiel sei das erste schwäbische Sängerfest 1827 genannt (hierzu Klenke 1998, S. 3). 93 Hierzu Klenke 1998, S. 4. 94 Im Revolutionsjahr 1848 fanden allerdings so gut wie keine Sängerfeste statt, während es in den Jahren zuvor ca. 50 bis 60 pro Jahr gewesen waren (Brusniak 1991, S. 76f.).

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unpolitisch gaben95. Anfänglich existierten verschiedene ­Vereinsstrukturen96  : die eher in Norddeutschland vorkommenden »Liedertafeln«, die ihre Mitglie­ der individuell auswählten und deren Gesamtzahl begrenzten, sowie der süddeutsche Typ des »Lieder«- oder »Sängerkranz«, der Mitglieder aller sozialen Schichten aufnahm, deren Zahl nicht limitiert war und die nicht einmal singen können mussten97. Die 1836 in Coburg gegründete »Liedertafel« übernahm Merkmale beider Vereinstypen98, indem sie ihre Mitgliederzahl zwar auf 46 beschränkte (mit der Begründung, alle müssten um einen Tisch sitzen können), aber auch passive Mitglieder aufnahm. Die meisten Sängervereine zogen Kleinbürger und Mittelständler an, vor allem aus dem kaufmännisch-gewerblichen Bereich. Stärker als andere Vereine beförderten die Gesangvereine die Überwindung von Standesschranken und verbanden dadurch unterschied­ liche Bevölkerungsschichten. In der Regel handelte es sich aber immer um reine Männerchöre. Durch viele Neugründungen in den 1840er Jahren waren die Gesangvereine am Vorabend der Revolution von 1848 zu einer mächtigen gesellschaftlichen Bewegung angewachsen, die in ca. 1.100 Männer-Gesangvereinen mehr als 100.000 Mitglieder organisierte99. Während es regionale »Liederfeste«, z. B. in Franken und Thüringen, schon früher gab, bürgerte sich die regelmäßige Abhaltung großer Sängerfeste erst in den 1840er Jahren ein. Zum ersten deutschen Sängerfest in Würzburg vom 4. bis 6. August 1845 erschienen 1.508 Sänger aus 94 deutschen Städten und Gemeinden100. Vom Erfolg beflügelt und durch das wachsende Eisenbahnnetz ermöglicht, folgten weitere deutsche Sängerfeste in Köln (1846) und Lübeck (1847)101. Wichtige Programmpunkte auf den Sängerfesten waren neben der Musik patriotische Ansprachen, gemeinsames Essen und Trinken sowie Umzüge aller  95 Vgl. Biefang, S. 36. – Nach dem Hambacher Fest 1832 wurden oppositionelle Aktivitäten besonders streng überwacht, so dass nur die Sänger zunächst relativ unbehelligt weiterwirken konnten (vgl. Klenke 1998, S. 4).  96 Hierzu Düding, S. 176–178.  97 An dieser Stelle sei noch einmal auf die Geschichte des Vereinswesens (Gall 1994, S. 30–39) hingewiesen, in deren Verlauf sich erst allmählich eine unbeschränkte Öffnung gegen alle Gesellschaftsschichten entwickelte.  98 Hierzu Düding, S. 178, Fußnote 631 sowie StACo D 2814.  99 Düding, S. 180. 100 Düding, S. 190. – Übrigens war Reißiger, ein Lehrer Ernsts II., als Komponist bei diesem Fest vertreten. 101 Die Veranstaltung in Lübeck war mit ca. 1.100 Mitwirkenden etwas kleiner als das Würzburger Sängerfest (vgl. Bernd Wagner, S. 411).

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Art. Außerdem erwarteten die Sänger festlich geschmückte Veranstaltungsorte, bei den größeren Festen sogar eigens errichtete Hallen oder riesige Festzelte. Eine eigene Festfahne sowie ein kennzeichnender Schmuck für alle Teilnehmer (Eichenlaub) dienten als Symbole festlicher Verbundenheit. Ein nicht zu vernachlässigender Faktor dieser Sängerfeste war außerdem der spezielle Klang des Männerchors  : Er erzeugte eine »eigentümlich sakrale Aura«102 und erinnerte in seiner Verbindung von Männlichkeit und Pathos an ein »heroisches Treuegelöbnis« im militärischen Zusammenhang. Kamen – wie auf den meisten großen Sängerfesten – sehr viele Stimmen zusammen, so präsentierten sich die vielstimmig vorgetragenen patriotischen Chöre als »eindrucksvolle Inszenierung der nationalen Verbundenheit«103, denn die Sänger kamen ja aus ­allen Landesteilen. Oft wurden Vertreter von Sängerbünden aus umstrittenen Landesteilen, wie Schleswig-Holstein oder dem Elsass, besonders euphorisch begrüßt. Die liberale Haltung des Landesfürsten ermöglichte in Coburg-Gotha schon seit den 1840er Jahren die regelmäßige Abhaltung von Sängerfesten104. Bereits im September 1839 versammelten sich die Sänger in Gotha105. Drei Jahre später folgte eine Veranstaltung mit ca. 600 Sängern auf der Burgruine Gleichen bei Wandersleben, die den Anstoß gab zur Gründung des Thüringer Sängerbundes im Januar 1843106. In der Satzung heißt es107  : »Zweck des Thüringer Sängerbundes ist, das deutsche Lied zu pflegen und mehr und mehr zum Gemeingut zu machen, auch durch die Macht desselben vaterländischen Sinn, der in geistiger und sittlicher Erhebung des deutschen Volks, in einer innigeren Einigung seiner verschiedenen Stämme, in unverbrüchlicher Treue gegen die angestammten Herrscher und in unverletzlichem Gehorsam gegen die Landesgesetze seine Befriedigung findet.« Ein erstes Fest dieses Sängerbundes fand am 16. August 1843 in Molsdorf statt, getragen von Euphorie und Enthusiasmus108. Hier zeigte sich jedoch erstmals die Grenze der Liberalität des Herzogshauses (noch unter Ernst I.), denn die Genehmigung zur Abhaltung des Festes wurde erst nach längeren Verhandlungen und unter strengen Auflagen erteilt, 102 Klenke 1995, S. 141. Zum Folgenden S. 142. 103 Klenke 1995, S. 144. 104 In Bayern war dies zum Beispiel so nicht möglich (Klenke 1995, S. 153). 105 Vgl. hierzu die Publikation »Chorbewegung im Landkreis Gotha«, S. 21. Auch zum Folgenden. 106 Schlegel, S. 62. Detailliert zum Thüringer Sängerbund Nickel, S. 161–203. 107 Zitiert nach Nickel, S. 164. 108 Vgl. hierzu Storch sowie Weigel/Köllner. Das Datum auch bei Schlegel, S. 63.

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da man politische Unruhe unbedingt vermeiden wollte109. Da dies in Molsdorf gelang, konnten in der Folge noch weitere und größere Sängerfeste im Herzogtum stattfinden. So versammelten sich zum zweiten Liederfest des Thüringer Sängerbundes, das in Gotha am 12. August 1844 abgehalten wurde110, alle Liedertafeln Thüringens mit ca. 600 Sängern  ; dazu kamen drei »Musikchöre« (Orchester) sowie drei Militärkapellen (Gotha, Langensalza, Erfurt). »Vormittags neun Uhr zogen die Betheiligten vom Vorplatze des Theaters aus in festlichem Zuge auf den Festplatz zur Generalprobe, dann war Mittagstafel auf dem südwestlichen Plateau des Friedensteins. Zwei Uhr Nachmittags begann bei prächtiger Witterung das Hauptfest, neun Gesänge wurden gemeinschaftlich, fünf von einzelnen Liedertafeln gesungen. Die Bürgergarde sorgte für Aufrechterhaltung der Ordnung. […] Abends war Ball auf dem Schützenhofe.« Zum nächsten Sängerfest in Gotha am 1. September 1845111 erschienen nicht nur viele Vereine, sondern gleich zwei Königspaare  : Neben 1.000 Sängern und 180 Instrumentalisten waren auch Albert und Victoria aus England sowie der belgische König Leopold mit seiner Frau anwesend. Die Engländer waren am Abend des 28. August feierlich in die Stadt eingezogen und hatten bereits am Vogelschießen, einer Jagd und einem Hofball teilgenommen. Nach einem weiteren Ball im Theater reisten sie am 3. September wieder ab. In Coburg gab es 1851 ein erstes Sängertreffen, das Signalwirkung hatte, da in anderen Regionen nach 1848 noch kaum wieder Leben in die Sängerbewe­ gung gekommen war112. Mehrere Sängervereinigungen aus der Umgebung hatten den Liederzyklus »Soldatenleben« des Männerchorkomponisten und Dresdner Kreuzkantors Julius Otto (1804–1877)113 einstudiert, trafen sich am 27. Juli 1851 auf der Veste, um dort gemeinsam zu singen, zogen danach hinunter in die Stadt und reisten nach durchzechter Nacht wieder ab114. Ende Juli 1855 lud der Coburger »Sängerkranz« erneut zu einem »Sängertag« ein, zu dem ca. 900 Sänger von 28 Vereinen kamen115. Der Herzog war diesmal persönlich anwesend, lauschte einer Aufführung seiner Kantate »Aller Seelen« und stellte im Übrigen auch seine Räumlichkeiten (Reithalle, Hoftheater, Veste) zur Verfügung. Nach dem Fest widmete er – offenbar beeindruckt von ­deren 109 Im Detail hierzu Nickel, S. 173–177. 110 Vgl. hierzu Schlegel, S. 64. Zum Folgenden. 111 Hierzu wie zum Folgenden Schlegel, S. 65, sowie Roob, S. 33. 112 Brusniak 1991, S. 86. 113 Näheres zu dieser äußerst beliebten Komposition bei Klenke 1998, S. 85–91. 114 Vgl. hierzu NZfM, Bd. 35, 1851, S. 60. 115 Vgl. hierzu NRMZ, 3. Jg., Nr. 33, vom 18. August 1855.

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­Leistungen – seine Hymne »Lobpreiset laut« den Würzburger Vereinen116. Vom 21. bis 24. Juli 1860 wurde der dritte »Sängertag« in Coburg abgehalten, bei dem sich Vereine aus Thüringen und Bayern trafen und bei dem auch die genannte Hymne des Herzogs auf den Text von Müller von der Werra117 in der Morizkirche zur Aufführung kam. Ernst II., tief gerührt von der Wirkung seiner Komposition, für die er vom Wiener Männergesang-Verein sogar einen »Ehrensold« erhalten hatte, bedankte sich bei den Sängern mit den Worten118  : »Sie selbst aber, meine Herren, stehen in meinen Augen nicht minder hoch durch das echt deutsche Vertrauen, mit welchem Sie mich als den angesehen haben, der ich in Wahrheit sein möchte – ein Gleicher unter Gleichen.« Damit war dieser Sängertag wohl eines der schönsten Erlebnisse des Herzogs, denn die Freude der Menschen an der Musik, die fühlbare Verbundenheit untereinander und die sichtbare Verehrung für seine Person waren wohl Balsam auf seine von der Erfolglosigkeit in der großen Politik geschundene Seele119. Überhaupt war das Fest der Sänger in Coburg 1860 besonders von patriotischer Stimmung getragen, denn erst kurz zuvor hatte die Versammlung der Turner stattgefunden und seit 1859 war Coburg ja auch Sitz des Nationalvereins. Mit Sängerbünden, die nicht nach Coburg hatten kommen können, hielt man per Telegramm Kontakt, was das grenzüberschreitende Zusammengehörigkeitsgefühl noch steigerte120. So reifte der Plan für eine viel größere Veranstaltung, die im Jahr darauf in Nürnberg stattfinden sollte. Das große Deutsche Sängerfest vom 20. bis 23. Juli 1861 in Nürnberg war dann ein Meilenstein in der Geschichte der Sängerbewegung121. Ca. 5.300 Sänger waren gekommen122, zu ihnen gesellten sich 14.000 Zuhörer und rund 60.000 Festgäste123. Eine eigens errichtete Festhalle fasste ca. 16.000 Personen124. In diesem kaum vorstellbaren Ambiente erklang erstmals die eigens vom Herzog komponierte Hymne »An die deutsche Trikolore«125  ; leider 116 Brusniak 1991, S. 88f. 117 Künstlername des deutschen Dichters und Arztes Friedrich Konrad Müller (1823–1881). 118 Zitiert nach Brusniak 1991, S. 97. 119 Brusniak 1991, S. 98, erwähnt, dass der Herzog bei fast allen Feierlichkeiten dabei war. 120 Brusniak 1991, S. 97f. 121 Zum Folgenden vgl. NRMZ, Nr. 26, vom 29. Juni 1861, S. 207, und Nr. 31, vom 3. August 1861, S. 241ff., sowie Klenke 1998, S. 104–121. 122 Laut der angegebenen Zeitungsberichte der NRMZ sogar Abgesandte aus New York und Konstantinopel. 123 Brusniak 1993 (o. S.). 124 Weitere Details bei Klenke 1995, S. 158ff. 125 Näheres hierzu im Kapitel über Ernst II. als Komponist.

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konnte er selbst nicht dabei sein126. Daneben gab es weitere 15 gemeinsame Gesänge, die zum Teil von 5.000 Sängern gleichzeitig ausgeführt wurden und durchwegs heroisch-patriotischen Inhalts waren. In einigen Texten wurde die außenpolitische Lage Deutschlands bewusst dramatisiert und oft der Erzfeind Frankreich bedrohlich heraufbeschworen, was die Männer in ihrer Treue zum deutschen Vaterland noch weiter zusammenschweißen sollte127. Im Zusammenspiel mit dem geradezu kathedralähnlichen Raum (der riesigen Halle), in dem die Versammlungen sich abspielten, erzeugten die Lieder gleichsam eine »nationalreligiöse Stimmung«128. Der Festausschuss der Nürnberger Organisatoren verwendete sogar den Begriff einer »Gefühlspolitik des Volkes«129. Bei den Mitwirkenden wie bei den Unterstützern des Nürnberger Sängerfestes waren vom Arbeiter über den Handwerker bis zum Akademiker alle Gesellschaftsschichten vertreten. Von den veranschlagten Unkosten von 60.000 Gulden rhein. waren von Nürnberger Bürgerseite schnell 20.000 gezahlt worden. Die Berichte über Ablauf und Erfolg der Veranstaltungen wurden in der Presse massenhaft verbreitet und ließen dadurch auch Interessenten, die nicht dabei gewesen waren, nachträglich an der Atmosphäre und den Inhalten teilhaben. Damit besaß dieses Fest eine Strahlkraft bis tief in die Gesellschaft hinein, die auch über die Feiertage selbst weit hinausging. Nach dieser kraftvollen öffentlichen Demonstration des Zusammenhalts war es nur eine Frage der Zeit, bis aus der Sängerbewegung eine strukturierte nationale Organisation wurde. Und so kam es, dass im Jahr darauf, am 21. September 1862, in Coburg der Deutsche Sängerbund gegründet wurde. Dabei waren 68 Abgeordnete von 41 Sängerbünden anwesend, die zusammen ca. 45.300 Sänger130 vertraten. Um die Organisation effizient zu gestalten, fungierten der Ausschuss des schwäbischen Sängerbundes sowie zehn Mitglieder aus anderen Teilen Deutschlands (darunter der Assessor Eberhardt aus Coburg) als Geschäftsführer. Ein weiteres deutsches Sängerfest in Dresden 1865 konnte dann schon 16.000 Sänger zusammenbringen131. Angesichts dieser Massen an 126 Brusniak 1991, S. 109. Dennoch war Herzog Ernst II. auf einem Erinnerungsblatt des Nürnberger Sängerfestes 1861 abgebildet (Brusniak, S. 107) 127 Näheres hierzu bei Klenke 1995, S. 164f. 128 Brusniak 1991, S. 101ff., mit noch mehr Details zum Nürnberger Sängerfest. 129 Klenke 1998, S. 115. 130 Diese Sängerbünde waren nicht nur in Deutschland und Österreich ansässig, sondern auch in England, Frankreich und Russland. – In einem Bericht der NRMZ vom 11. Oktober 1862, S. 327, ist von über 43.000 organisierten Sängern die Rede. Zum Folgenden. 131 Düding, S. 313.

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Menschen, die in den Sängervereinen organisiert waren und bei den Festen zusammenkamen, ist die politische Macht der Männerchorbewegung unübersehbar. Die Vereine fungierten bis zur Reichsgründung als »politisches Sprachrohr des aufstrebenden Bürgertums«132. In ihnen bildeten und festigten sich die »›vaterländischen‹ Gemeinschaftsideale, die den machtpolitischen Aufstieg Deutschlands in die Wege leiten sollten«. Neben den Sängervereinen, in denen sich vor allem Sänger in den Städten organisierten, gab es zunehmend auch »Landliedertafeln«, in denen sich die interessierte Landbevölkerung zusammenfand. Auch auf diesem Gebiet hatte man in Coburg-Gotha wieder eine Vorreiterrolle inne133  : Das erste »Bundesfest der Landliedertafeln« fand im Juli 1861 auf Schloss Callenberg statt, Initiator war der Rodacher Kantor Carl Düsel. Ein weiteres »Fest der coburgischen Landliedertafeln«, deren Zahl auf 20 angewachsen war, wurde ein Jahr später auf der Veste gefeiert und ist in einem ausführlichen Artikel in der Zeitschrift »Die Gartenlaube« dokumentiert134. Ein Konzertprogramm des »Sängerbundes Coburgischer Landliedertafeln« am 16. September 1862 in der Reithalle in Coburg umfasste Lieder, Märsche und Chöre135. Der Nationalverein Im Nachgang der gescheiterten Revolution von 1848 und gleichsam als Vorläufer für eine liberale Partei hatte sich im Jahr 1859 der Deutsche Nationalverein gegründet136. Ziel war die »Errichtung eines nationalen Bundesstaats mit kompetenzstarker Zentralgewalt und direkt gewählter Nationalvertretung«137. Der rein zentralistisch organisierte Verein, der von einem nationalen Ausschuss geführt wurde, hatte mit Genehmigung des Herzogs seinen Sitz in Coburg. Die dortige Geschäftsstelle mit bis zu acht Mitarbeitern wurde von dem Anwalt Fedor Streit geleitet. In den Jahren 1862/63 verfügte der Nationalverein bereits über knapp 25.000 Mitglieder, obwohl ein relativ hoher Jahresbeitrag die Zielgruppe auf die gutbürgerlich-vermögende Mittelschicht beschränkte. 132 Klenke 1998, S. 2f., auch zum Folgenden. 133 Zum Folgenden Brusniak 1991, S. 109f., 113. 134 »Die Gartenlaube«, Heft 41, 1862, S. 644–646, Artikel »Ein Bauern-Sängerfest«. Vgl. auch Carl Düsels Stück »Deutschlands Erniedrigung und Erhebung« in der Landesbibliothek ­Coburg (LBC Ms 300/4,86). 135 Vgl. hierzu das Programm in LBC CO Q 59 8, Nr. 26. 136 Zum Folgenden vgl. Biefang. 137 Biefang, S. 25.

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Anders als die Turner-, Schützen- und Sängervereine wollte der Nationalverein nicht für sich möglichst viele Mitglieder werben, sondern durch gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die Meinung der Massen beeinflussen. Außerdem gehörte es zum Plan, durch personelle Verflechtungen die informelle politische Vorherrschaft über die Vereine der Arbeiter, Turner und Schützen zu gewinnen138. Besonders bei den Schützenvereinen waren Mitglieder des Nationalvereins führend beteiligt, sie scheiterten allerdings bei dem Versuch, im Sinne ihrer Wehrpolitik Einfluss zu nehmen. Im Hinblick auf die Sänger war die Zielsetzung dagegen eine andere139  : »Gegenüber den Sängervereinen galt es aus der Sicht des Nationalvereins hauptsächlich, das allgemeine patriotische Potential dieser viele soziale und kulturelle Schranken überspielenden Massenbewegung für die eigenen Ziele nutzbar zu machen. Dem Nationalverein ging es um die emotionale Einstimmung weiter Bevölkerungskreise auf das politische Leitbild der Nation.« Daher legte der Nationalverein (wie andere Vereine auch) immer Wert auf musikalische Darbietungen bei seinen öffentlichen Veranstaltungen. Dies galt insbesondere für nationale Feste. Nationale Feste »Nationsbildung nimmt ihren Ausgang in den Köpfen, und zwar zunächst in den Köpfen weniger, in der Regel einer intellektuellen Avantgarde, von der sie dann in einem komplexen kommunikativen Prozeß auch breiteren Bevölkerungsschichten identitätsstiftend und mobilisierend vermittelt wird. Der modernde Nationalismus, wie er sich seit der Amerikanischen und der Französischen Revolution herausbildete, ist Ideologie und politische Bewegung zugleich. Er hat sich in der Geschichte als ein in hohem Maße dynamisches, kollektive Emotionen erweckendes Prinzip erwiesen.«140 Am besten sind kollektive Emotionen durch gemeinschaftliches Tun zu erwecken, weshalb die Turner-, Schützen- und Sängerfeste so wichtig für den deutschen Liberalismus waren. Herzog Ernst II. war einer dieser Köpfe, von denen die Bewegung ins Volk getragen wurde, und vertrat damit auch ganz die politische Linie seiner Familie. Im September 1861 schrieb Prinz Albert aus Balmoral an den preu-

138 Viele Mitglieder des Nationalvereins waren zugleich bei anderen Vereinen aktiv. Bei der Sängerbewegung waren eher Freimaurer an der Führung beteiligt (Brusniak 1991, S. 25). 139 Biefang, S. 33. 140 Franz J. Bauer, S. 52.

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ßischen König Wilhelm in Berlin141  : »Jedes, das geringste Zeichen deutscher und volksthümlicher Bestrebung, wie ein Schützenfest, Turnfest oder was es auch sein mag, nimmt das geängstigte Volk mit fast kindischer Freude und kindischem Enthusiasmus auf  ; ist es doch wenigstens in der rechten Richtung.« Auf diesen Volksfesten formte sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das die Grundlage für eine neue politische Stärke Deutschlands bilden sollte. »Die Idee der Nation überwölbte und überwand die Sonderung der gesellschaftlichen Gruppen nach geburtsständischen Merkmalen und ordnete – zumindest tendenziell – alle partikularen Identitäten dem Loyalitätsanspruch der durch gemeinsame Sprache, Kultur und Geschichte begründeten nationalen Schicksalsgemeinschaft unter. Sie war zweifellos ein wirksames Instrument der kommunikativen und politischen Integration breiter Bevölkerungsschichten.«142 In den Vereinen begegneten sich zwar Menschen aus verschiedenen Bevölkerungsschichten, aber die Tätigkeiten der Vereinsmitglieder waren in einem gewissen Rahmen vorgegeben (turnen, schießen, singen). Um noch größere Anteile der Bevölkerung anzusprechen, führte man die feierliche Begehung nationaler Gedenktage ein, die ausgewählten Vorbildern deutscher Kultur gewidmet waren, wie Goethe, Schiller, Mozart, Beethoven, Dürer. Es handelte sich in der Regel um bereits verstorbene Persönlichkeiten aus dem deutschen Sprachraum, deren Leistungen als unumstritten und vorbildlich gelten konnten. Dabei lag die Betonung auf der kulturellen Bedeutung der jeweiligen Person, eine politische war nicht gewünscht. Auf diese Weise konnten Konflikte mit der reaktionären Obrigkeit vermieden werden. »Vorzugsweise kehrten die deutschnationalen Kräfte in der Öffentlichkeit statt ihres staatsnationalen Gedankenguts einen zensorkompatiblen deutschen Kulturnationalismus heraus, indem sie nicht die politische Einheit eines deutschen Nationalstaates, sondern lediglich die kulturelle Einheit sowie die gemeinsamen kulturellen Werte aller Deutschen beschworen.«143 Dabei war das zentrale verbindende Element zwischen den Identifikationsfiguren aus verschiedenen Kunstbereichen die deutsche Sprache. Zu den nationalen Feiern kamen oft tausende Menschen144, was zweifelsohne auch am gängigen Programm der Feierlichkeiten lag  : Gemeinsame Essen, gesellige Abende, Ausflüge, Umzüge oder Festmärsche sowie Bälle gehörten zu 141 »Aus dem politischen Briefwechsel des deutschen Kaisers mit dem Prinz-Gemahl von England aus den Jahren 1854 bis 1861.« Gotha 1881, S. 111. 142 Franz J. Bauer, S. 57f. 143 Weibel, S. 214. 144 Vgl. hierzu die detaillierte Schilderung von verschiedenen Festen bei Weibel (S. 217ff.).

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den meisten nationalen Festen, die dadurch stets den Charakter eines Volksfests erhielten. So verband sich die zwanglose Feierfreude, die alle gesellschaftlichen Schranken überwand, mit einem Gefühl der kulturellen Verbundenheit, das durch die führenden Köpfe der liberalen Bewegung (u. a. Herzog Ernst II.) mit Begriffen eines neuen deutschen Nationalbewusstseins unterfüttert wurde. In späteren Jahren wurde diese Identitätsstiftung durch kulturelle Veranstaltungen dann ergänzt bzw. ersetzt durch militärische Aktivitäten. Im deutsch-deutschen, vor allem aber im Deutsch-Französischen Krieg konkretisierten sich die auf dem Nährboden der kulturellen Einheitsvision gewachsenen nationalen Kräfte. »Kultur als legitimatorische Instanz wird dann ersetzt durch die gemeinsame Erfahrung des Krieges 1870/71  ; die Zerschlagung des Feindbilds wird für das Kaiserreich von 1870/71 zum zentralen identitätsstiftenden Ereignis.«145 In den teilweise kriegsverherrlichenden, verschiedene Feindbilder (Dänemark, Frankreich, Russland) heraufbeschwörenden Texten der omnipräsenten Männerchöre war das Volk ja gleichsam auf die kriegerischen Auseinandersetzungen vorbereitet worden146. Dies war nach dem Sieg über Frankreich 1871 nicht mehr nötig. Daher wandelten sich viele Festarten, die ursprünglich fortschrittlich-liberal ausgerichtet waren, nach der Reichsgründung zu unpolitischen, eher konservativen Veranstaltungen147. Die Vereine verloren in dieser Zeit auch Mitglieder an die neu gegründete Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, die im Jahr 1875 bei einer Versammlung in Gotha aus der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein hervorging148. Im Kulturbereich, vor allem im Theater, kam es wiederum zu einem Festhalten am Vertrauten, einem bewussten Sich-Beschränken  : Posse und Operette waren nun wieder die beliebtesten Gattungen auf der Bühne. Deren Beschwörung kleinbürgerlicher Werte war zugleich ein Kontrapunkt zu den gesellschaftlichen Umwälzungen, die durch die Industrialisierung hervorgerufen worden waren149. Auch in Coburg und Gotha fanden neben den feierlichen Versammlungen der Sänger, Turner und Schützen nationale Feste statt, bei denen in der Regel bedeutender deutscher Komponisten oder Schriftsteller gedacht wurde. Oft 145 Schmoll, S. 93. 146 Hierzu im Detail Klenke 1998, z. B. S. 85–96. 147 Bernd Wagner, S. 411. 148 Klenke 1998, S. 205  : »Das waren zumeist Arbeiter, die ihre sozialen Aufstiegshoffnungen zuvor in der nationalen Vision aufgehoben gesehen hatten, sich aber nach Erreichen des Einigungsziels enttäuscht abwendeten.« 149 Vgl. hierzu Klotz.

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war das Hoftheater der Rahmen, fast immer waren Theatermitglieder tragende Mitwirkende der Veranstaltungen. So beging man Goethes 100. Geburtstag am 28. August 1849 im Coburger Hoftheater150 mit der »Egmont«-Ouvertüre von Ludwig van Beethoven, Szenen aus verschiedenen Dramen (»Iphigenie«, »Torquato Tasso«, »Faust«) sowie der Aufstellung von »lebenden Bildern« und natürlich weiterer Musik. Zu Friedrich Schillers (1759–1805) 50. Todestag fand am 10. Mai 1855 ebenfalls eine Festvorstellung im Coburger Hoftheater statt151, bei der eine Ouvertüre zu »Don Carlos« von Ferdinand Ries (1784– 1838) gespielt wurde, dann folgten ein eigens gedichteter Prolog von Kawaczynski und schließlich eine Neueinstudierung von »Don Carlos«. Wolfgang Amadeus Mozarts (1756–1791) 100. Geburtstag wurde auch mit einer Neueinstudierung begangen, und zwar der äußerst populären Oper »Don Juan« (»Don Giovanni«), der ein »Festchor« mit einem Text von Kawaczynski vorangestellt wurde152. In der »Schillerstiftung« engagierten sich hervorragende Kräfte aus verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen. So wirkten der Coburger Bürgermeister Leopold Oberländer (1811–1868), Kabinettsrat Gustav von Meyern-Hohenberg, Schuldirektor Ernst Friedrich Eberhard (1809–1868), Bankdirektor Friedrich von Feustel und der Schriftsteller Friedrich Gerstäcker (1816–1872) im Jahr 1858 bei einer Benefizvorstellung zugunsten der Schillerstiftung zusammen153. Im Jahr darauf wurde der 100. Geburtstag Schillers sowohl in Coburg als auch in Gotha – wie an vielen anderen Orten in Deutschland – mit großem Aufwand begangen. In Coburg zog das Stiftungskomitee alle Register154 und beging den nationalen Feiertag mit einem »Freudenfeuer« am Vorabend, Festmusik vom Morizturm, Festakten in den Schulen, einem festlichen Umzug, feierlichem Gesang, Reden, der Bekränzung einer Büste sowie einer Festvorstellung am Abend im Theater (»Maria Stuart«). In Gotha trat der Bildungsverein als Veranstalter der Festivitäten auf155. Bereits um sieben Uhr früh des 10. November 1859 spielten Turmbläser von den beiden Gothaer Haupttürmen, eine Stunde später folgte ein Festzug mit zwei Musikchören zum Hauptmarkt. Dort wurde gesungen und ein Vortrag gehört, ehe die neu errichtete Schiller-Statue enthüllt wurde. Nach »Absingung noch zweier Lieder« bewegte sich der Zug zurück zum 150 Ebart, 100 Jahre, S. 36. 151 Ebart, 100 Jahre, S. 49. 152 Ebart, 100 Jahre, S. 51. 153 Ebart, 100 Jahre, S. 54. 154 Ebart, 100 Jahre, S. 55f., auch zum Folgenden. 155 Zum Folgenden vgl. Schlegel, S. 81.

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Ausgangspunkt, wo er sich auflöste. Im Anschluss begannen die Feiern in den Schulen, um 14 Uhr gab es ein großes Festmahl im Gasthaus »Zum Mohren«. Am Abend brannte ein großes Freudenfeuer auf dem Seeberg und ein Fackelzug begab sich zum Marktplatz, wo einige Gedichte vorgetragen wurden. Auch das Hoftheater beteiligte sich an den Feierlichkeiten, indem es am 11. November eine Präsentation von Schillers »Glocke« mit zehn lebenden Bildern bot. Am Vorabend des 100. Geburtstags von Ludwig van Beethoven (1770–1827) im Jahr 1870 spielte man im Coburger Hoftheater dessen berühmte fünfte Sinfonie sowie die Ouvertüre zu »Fidelio«, dazwischen erstaunlicherweise nicht die Oper Beethovens, sondern das »Genrebild mit Gesang« »Adelaide« von Hugo Müller (1831–1881)156. Beethovens 50. Todestag wurde 1877 in Gotha begangen, mit einem großen Konzert mit Mitgliedern des Musikvereins, in dem sein Es-Dur-Klavierkonzert sowie die neunte Sinfonie gespielt wurden157. Der 100. Geburtstag des von Herzog Ernst II. so verehrten Carl Maria von Weber war in ganz Deutschland ein »nationaler Gedenktag«158 und wurde im Coburger Hoftheater mit einer Aufführung von »Preciosa« gefeiert, einem Schauspiel von Pius Alexander Wolff, zu dem Weber eine Schauspielmusik geschrieben hatte. Ein Versuch, die Erhebung und Verehrung nationaler Vorbilder auch im eigenen kleinen Land zu verankern, manifestierte sich in der »Säkularfeier« für den Gothaer Komponisten Johann Ludwig (»Louis«) Böhner (1787–1860) im Frühjahr 1887159. Sogar ein Verein zur Pflege des musikalischen Erbes dieses genialen, aber im Leben gescheiterten Komponisten aus der Heimat wurde gegründet, jedoch blieb das Unternehmen ohne nennenswerten Erfolg. In Gotha hatten militärische Gedenktage wie der 18. Oktober (Sieg über Napoleon) und der 2. September (»Sedantag«) auch aufgrund der teils ­hohen Verluste des Gothaer Regiments besondere Bedeutung160. Während der 18. Oktober im Jahr 1827 nur durch einen Fackelzug der Gymnasiasten begangen wurde161, kamen im Jahr 1860 zum selben Anlass bereits Turn-, Bildungs- und Männergesangverein sowie Liederkranz und Liedertafel in Gotha zusammen162. Das Ritual des Fackelzugs blieb gleich, aber in den Teilnehmern spiegelt sich die Entwicklung bürgerlichen Vereinslebens in Gotha wider. 156 Ebart, 100 Jahre, S. 77. 157 Ebart, 100 Jahre, S. 86. 158 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 104. 159 Ebart, 100 Jahre, S. 105. Zum Folgenden. 160 Vgl. Roob, S. 52. 161 Schlegel, S. 51. 162 Schlegel, S. 82.

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Außerdem waren Coburg und Gotha besonders von der Person Martin Luthers (1483–1546) bzw. den Ereignissen der Reformation berührt worden, was natürlich ebenfalls Anlass zu national gestimmten Feierlichkeiten gab. Zum 300. Jahrestag der Übergabe der »Augsburger Konfession« vom 25. bis 27. Juni 1830 feierten in Gotha neben der Geistlichkeit vor allem die Kinder und Schüler, denn nach einem Umzug und einem Gottesdienst fanden eine Speisung sowie ein Ball für Schüler statt163. Auch der 300. Todestag Martin Luthers am 18. Februar 1846 wurde feierlich begangen164, denn man verehrte den Reformator zu dieser Zeit weniger als religiösen Erneurer denn als nationalen Freiheitshelden, der sich der römischen Kirche mutig widersetzt hatte165. Herzog Ernst II. selbst verwendete einmal für sich den Begriff des »Reforma­ tors«, als er mit Gustav Freytag über seine Rolle in der Welt diskutierte  ; Luther war insofern ein Vorbild für ihn166. Neben diesen Feiern für Persönlichkeiten der deutschen Kultur gab es auch Feste zu konkreten Anlässen. Eine besondere Stimmung muss beispielsweise bei der Enthüllung des Albert-Denkmals auf dem Coburger Marktplatz im Jahr 1865 geherrscht haben167, als die prominente englische Verwandtschaft in der kleinen Residenzstadt erschien und – wie es üblich war – mit Reden und Musik an den traurigen Grund für diesen Vorgang erinnerte. Ganz im Gegensatz dazu stand die »Friedens-Feier« am 27. Februar 1871, zu der alle Coburger Vereine in einem fröhlichen Fest zusammenkamen168. Die ganze Stadt war hell erleuchtet, und in dem abendlichen Festzug ging die gesamte Coburger Bürgerschaft mit  : Feuerwehr und Stadtmusik am Anfang, dann Sänger- und Liederkranz mit ihren Fahnen und Standarten, anschließend Kriegerverein, Abendgesellschaft, Bürgerkranz, Gesellenverein, Casinogesellschaft, der »Gabelsberger Stenographenverein«, Musikverein, Harmoniegesellschaft, Kunstund Gewerbeverein, Turngenossenschaft, »Spar- und Hülfeverein« sowie der Turnverein. Den Abschluss bildeten die Fackelträger. Im Musikprogramm des Festes mischten sich religiöse und patriotische Gesänge  : Neben den Chorälen »Lobe den Herrn« und »Nun danket alle Gott« erklangen auch »Die Wacht am Rhein« und »Deutschland, Deutschland über alles«. Während das »Frie163 Schlegel, S. 54f. 164 Schlegel, S. 66, ohne Details. 165 Vgl. hierzu Klenke 1998, S. 87. 166 Brief Herzog Ernsts II. an Freytag vom 28. Juni 1856 (Tempeltey 1904, S. 60–65, hierzu besonders S. 61f.). 167 Vgl. hierzu das Programm der Feierlichkeiten in LBC CO Q 59 8, Nr. 27. 168 Vgl. hierzu das gedruckte Programm in LBC Q 59,8 f. 33. Zum Folgenden.

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dens-Fest« (nach dem Vorfrieden von Versailles, der die Kampfhandlungen des Deutsch-Französischen Krieges beendete) als echtes Volksfest in den Straßen gefeiert wurde, beging man den eigentlichen Friedensschluss von Frankfurt im Mai 1871 mit einer offiziellen Feier im Hoftheater169. Dabei wurde der »Kaiser­marsch« von Richard Wagner gespielt, ein Prolog des Hoftheaterdirektors Theodor Löwe (1830–1898) vorgetragen sowie ein »Zeitbild« des Schriftstellers Ernst Wichert (1831–1902) mit dem Titel »Vor Paris  ! oder 1814–1871« präsentiert. Aus den Programmen all dieser Feste geht die elementare Bedeutung der Musik in diesem Zusammenhang hervor170. Bei Feiern für Komponisten, die man zu nationalen Denkmälern erklärt hatte, ließ man deren Werke wieder lebendig werden. Von ausgebildeten Musikern im prächtigen Theatergebäude wiedergegeben, war es für diese Musik ein Leichtes, ein Gefühl des nationalen Stolzes in den Zuhörern zu erwecken. Bei Feiern im großen Rahmen bediente man sich dagegen eher der verbindenden Wirkung des Chorgesangs, um die Masse in Einklang zu bringen. Die äußerst patriotischen Texte brachten dabei die Ziele der politischen Bewegung in Erinnerung. Durch die Verwendung eines allgemein bekannten und in zahllosen Liederbüchern verbreiteten Repertoires an Gesängen zu den verschiedensten Anlässen (Gedenktage, Einweihungen, Konferenzen usw.) vertiefte sich deren Wirkung. Außerdem verlieh die gelegentliche Kombination mit Kirchenchorälen (beispielsweise beim Friedensfest) der patriotischen Veranstaltung einen pseudo-religiösen Charakter. Die Verwendung von Musik – neben anderen Symbolen – erhöhte den Grad der Feierlichkeit und damit die Eindrücklichkeit beim Publikum. Coburger Vereine In Coburg gab es ab 1800 ein vielfältiges Vereinsleben, was sich sehr positiv auf die Musikkultur der Stadt auswirkte171. Sowohl Herzog Ernst I. als auch sein Sohn Ernst II. waren volksnah und liberal genug, diese Manifestationen wachsenden bürgerlichen Selbstbewusstseins gewähren zu lassen. Dies war – vor 169 Ebart, 100 Jahre, S. 78. 170 Vgl. hierzu den Sammelband LBC CO Q 59 8, in dem viele Programme und weitere Dokumente zu derartigen Feierlichkeiten zu finden sind. Selbst bei Veranstaltungen wie Lehrerkonferenzen (vgl. Nr. 47 und 48 in dieser Quelle) wurden dieselben patriotischen Lieder gesungen. 171 Nicht für das Musikleben relevante Vereine wie z. B. die 1813 gegründete »Technologische Gesellschaft« (vgl. StACo MIN D 4756, f. 5–17) werden hier nicht besprochen.

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allem in den Anfangsjahren – keineswegs selbstverständlich, und es sind einige skeptische Bemerkungen Coburger Beamter zu den Vereinsaktivitäten überliefert. Daher waren auch alle Vereine streng organisiert und mussten ihre Satzungen (sowie deren Änderungen) dem Landesherrn zur Genehmigung vorlegen. »Casino« Schon seit 1800 war die Casino-Gesellschaft aktiv172, Statuten sind aber erst von 1816/17 überliefert173. In den ersten Jahren scheint die Initiative zur Gründung des Vereins eher von der herzoglichen Verwaltung ausgegangen zu sein als von Bürgern der Stadt. Der früheste nachweisbare Vorgang ist im Februar 1801 die Erteilung einer Erlaubnis (»Privileg«) zur Abhaltung von »Redouten, Entrée-Bällen und Casino« an zwei Hofangestellte, nämlich den Kammerdiener Georg Bernhard Erfurth (1747–1827) und den Hofverwalter Johann Christian Elias Friedrich 174. Sie standen stets unter der Aufsicht des Oberhofmarschalls von Wangenheim und waren offenbar so erfolgreich, dass sie im Januar 1804 den Befehl erhielten, einen Plan für die Institutionalisierung eines Kulturbetriebs zu entwerfen175. Ihr Vorschlag lautete, aus Mitteln des herzoglichen Hauses das mittlere Stockwerk des Zeughauses entsprechend einzurichten, um dann dort Veranstaltungen gegen Eintritt abhalten zu können. Zum Beispiel könne man im Winter 16 Konzerte spielen, für die die Mitglieder »des Casino« als Abonnenten bezahlen müssten. Außerdem solle man dem Casinoverein eigene Räume zuweisen, eine Zusammenarbeit mit dieser Gesellschaft sah man überhaupt als erstrebenswert an. Allerdings war sowohl dem Verwalter Friedrich als auch den zuständigen Behörden von Anfang an klar, dass ein derartiges Kulturunternehmen nicht wirtschaftlich zu führen sein würde. Dieses drohende Defizit mag den ohnehin hoffnungslos überschuldeten Herzog Ernst I. davon abgehalten haben, den genannten Plan zur Ausführung zu bringen. Jedenfalls ignorierte der Herzog beharrlich den Vorschlag, das Zeughaus herzurichten176. Die Redouten fanden daher im Riesensaal der Ehrenburg statt, und anstelle der Einrichtung des Zeughauses bat Friedrich um 172 Dies geht hervor aus StACo MIN D 4755, f. 3 und 4. 173 StACo MIN D 4755. Zum Folgenden. 174 Auch zum Folgenden vgl. StACo MIN D 4803. 175 Im Theater war dies noch die Zeit der Wandertruppen. Herzog Ernst I. verfolgte hier also offenbar die Absicht, einen eigenen kleinen Kulturbetrieb auf die Beine zu stellen, bevor er sich in das Wagnis der Gründung einer Hofbühne stürzte. 176 Bis ins Jahr 1810 (vgl. StACo MIN D 4802).

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den Umbau des »Glas- und Gewächshauses im Herrengarten«177. Auch wenn der Herzog nicht allen Bitten seiner Kulturagenten nachkam, erteilte er doch ohne Einwände der Casinogesellschaft die Erlaubnis für die Abhaltung von Maskenbällen178. Als die Casinogesellschaft aufgrund wachsender Mitgliederzahlen im Jahr 1816 ein eigenes »Local« im »Ahlischen Wohnhaus« (Theatergasse 1) erwarb, wurden offenbar auch die Statuten festgelegt179. Unter den Mitgliedern befanden sich zu dieser Zeit Beamte, Offiziere, Kaufleute, auch einige Kammermusiker und sogar Frauen. §1 der »Gesetze für die Casino-Gesellschaft«180 lautet  : »Alle Mitglieder dieser Gesellschaft haben gleiche Rechte und Verbindlichkeiten. Weder Stand noch Rang darf sich einen Vorzug oder Ausnahme anmaßen.« Versammlungen waren täglich um 15 Uhr vorgesehen, »Hauptgesell­schaftstage« waren jedoch Sonntag und Mittwoch. Die vom Vorstand zu bestimmenden Veranstaltungen des Vereins sollten »Bälle, Konzerte, Komödien und andere der Gesellschaft zur Unterhaltung dienenden Vergnügungen« umfassen. Dass man sich aber auch sozialen Anliegen verpflichtet fühlte, zeigt die Abhaltung einer Lotterie zugunsten der Armen durch den Verein im Jahr 1817. Erst dreißig Jahre später wurden die Statuten erneuert181. Der Verein erhielt – wohl entgegen einem Antrag – nicht die Rechte einer juristischen Person zuerkannt, da er »sich lediglich das gesellige Vergnügen zur Aufgabe« stellte. Die Fassung des Vereinsziels fiel nun etwas konkreter aus (§1)  : »Der Zweck der Casino-­ Gesellschaft ist Unterhaltung durch Gespräch, Lectüre, Spiel, Musik, Tanz und sonstige gesellschaftliche Vergnügungen.« Spätestens ab 1816 organisierte die Casino-Gesellschaft auch Theateraufführungen  : Entweder spielten die einheimischen Theaterliebhaber182 oder es wurden auswärtige Gruppen für Gastspiele eingeladen183. Das wachsende Selbstbewusstsein des Vereins zeigt sich in einer Auseinandersetzung mit dem Herzog über die Verteilung der Einnahmen aus den Theatervorstellungen. Ernst I. 177 Vgl. StACo MIN D 4802. 178 Nachweise aus den Jahren 1808, 1809 und 1815 in StACo MIN D 4804. 179 Zum Folgenden vgl. StACo MIN D 4755. 180 Insgesamt waren es 53 Paragrafen. 181 …und mussten daher auch erneut durch die Landesregierung genehmigt werden (StACo L.Reg. 4750, zum Folgenden). 182 Im Februar 1816 wurde in einer Liebhaber-Aufführung Kotzebues »Der Westindier« gespielt. Weitere Vorstellungen, meist von Lustspielen, folgten in den Jahren 1818 bis 1820 (vgl. StACo MIN D 4758). 183 Zum Beispiel eine »Ambergische Privatgesellschaft« im Februar 1819 (StACo MIN D 4758).

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wünschte, dass eine Hälfte an die Armen und die andere Hälfte an das Waisenhaus abgegeben werden solle. Doch schon 1818 wehrte sich der Vereinsvorstand gegen die Vorgabe und wollte lieber selbst (und teils auch zugunsten des Vereins) über die Verwendung des Geldes entscheiden. Der Herzog aber blieb stur und drohte mit dem Verbot weiterer Aufführungen. Hier war also die Grenze seiner Liberalität. Etliche seiner Beamten hätten das Vereinsleben offenbar am liebsten grundsätzlich unterbunden. Dies ist aus vereinzelten Bemerkungen in den Akten zur Casino-Gesellschaft zu entnehmen. Auf den Antrag, im Garten des ehemaligen Sängers und Bierbrauers Carl Griebel (1835–1901) das Singspiel »Die beiden Savoyarden« aufführen zu dürfen184, antwortet der Referent der Landesregierung ablehnend, er weise auf die »Gründe, welche theatralischen Gesellschaften [?] Vereinen überhaupt entgegenstehen« hin185. Und am 22. Januar 1824 empfahl das Staatsministerium dem Herzog, ein Gesuch der Gesellschaft bezüglich einer Theateraufführung abzulehnen, »weil theatralische Gesellschaften und Vorstellungen dieser Art sich überhaupt nicht sonderlich zu empfehlen scheinen«186. Zu den Theatervorstellungen gehörte immer auch Musik, die – nach entsprechender Anfrage – vom Herzog meist ohne Erhebung von Kosten gestellt wurde  ; es ist somit davon auszugehen, dass die Hofkapelle spielte (wie bei den Wandertruppen). Neben Lustspielen wurden hin und wieder auch Opern aufgeführt, beispielsweise im Februar 1819 von der »Ambergischen Privatgesellschaft«187. Überhaupt scheinen die musikalischen Veranstaltungen der Casino-Gesellschaft im Lauf der Jahre immer mehr zugenommen zu haben. Im Februar 1848 berichtete sogar die Presse188 über »mehrere anziehende musikalische Abendunterhaltungen« der Casino-Gesellschaft, bei denen Mitglieder der Hofkapelle und des Hoftheaters mit eigenen oder eigens arrangierten Stücken aufgetreten seien. Nach Gründung des Sängerkranzes Coburg im Jahr 1843 teilten sich beide Vereine die Räumlichkeiten und arbeiteten auch zusammen. Die Organisationen waren dennoch strikt getrennt, so dass die Casino-Gesellschaft ab 1856 für einen vom Sängerkranz angeschafften Flügel Miete bezahlen 184 In Griebels Garten fanden regelmäßig Tanzabende und hin und wieder auch größere musikalische Veranstaltungen statt. Offenbar arbeitete Griebel dabei mit der Casino-Gesellschaft zusammen (vgl. StACo MIN D 4759, f. 35, 41–44, alle Dokumente aus dem Jahr 1822). 185 Bericht der Landesregierung Coburg vom 18. Januar 1822 (StACo MIN D 4758, f. 41–42). Die Gründe sind nicht näher erläutert. 186 StACo MIN D 4758, f. 45. 187 Näheres in StACo MIN D 4758, f. 28–29. 188 AMZ, Bd. 50, Nr. 6, Februar 1848, Sp. 90.

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musste189. Auch die Leidenschaft für das Theaterspiel scheint bei den Mitgliedern des Vereins nie eingeschlafen zu sein. Jedenfalls bat der Vorstand im Februar 1861 um die Überlassung ausrangierter Utensilien aus dem Hoftheater190 und im März 1870 um die leihweise Überlassung von Dekorationen191. »Erholung« Der im Jahr 1810 gegründete Verein mit dem schönen Namen »Erholung« wurde von ministerieller Seite als Privatgesellschaft von Staatsdienern und höhe­ren Beamten bezeichnet, weshalb man es in diesem Falle mit der polizeilichen Aufsicht nicht so genau nahm192. Der Verein mietete die erste Etage des Hauses Nr. 101 in der Herrngasse und veranstaltete dort jährlich zwölf Konzerte mit Mitgliedern der Hofkapelle und anderen Musikern. Dirigent war der Hofkapellmeister und gespielt wurde aus den Noten der Hofkapelle. Ab 1816 diskutierte man über eine Zusammenarbeit des Vereins mit der CasinoGesell­schaft, bezog dann aber 1826 doch ein eigenes neues Vereinslokal im neu errichteten Hinterhaus des Gasthofs »Zum Schwan«. Dort wurde dann auch extra ein Flügel aufgestellt. Diese dem Hof offensichtlich sehr nahestehende Gesellschaft bestand zunächst nur bis 1834. Im Jahr 1843 jedoch befahl Herzog Ernst I. ihre Wiederherstellung193, um sie mit einer geeigneten Nutzung der Räumlichkeiten im neu erbauten Theater zu betrauen. Nachdem der Herzog der Übernahme der Schirmherrschaft über den neu belebten Verein zugestimmt hatte, fanden sich insgesamt 106 Familien oder Einzelpersonen bereit, das Anliegen zu unterstützen. Offenbar betrieb der Verein »Erholung« dann über 30 Jahre lang die »Buffetwirthschaft am hiesigen Hoftheater«194, bevor im August 1879 der Konditor Oertel das Geschäft übernahm.

189 Hierzu StadtACo Bestand A, Sign. 12.254, »Acten des Sängerkranzes« 1852–1854, f. 18 (Mietvertrag über den Konzertflügel) sowie A. 12.252. 190 Vgl. StACo Theater 251, f. 9. 191 Vgl. StACo Theater 264. 192 Vgl. hierzu den Entwurf des Landesministeriums vom 12. Dezember 1810 (StACo MIN D 4756, f. 2). Zum Folgenden StACo MIN D 4756. 193 StACo MIN D 4756, f. 42 und 43. Zum Folgenden. 194 Hierzu wie zum Folgenden StACo Theater 94 (f. 34ff.) und 95.

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»Harmonie« Die Gesellschaft »Harmonie« wurde 1816 oder 1817 gegründet und gehörte zu den Vereinen, die sich von Anfang an auf eine bestimmte Mitgliederzahl begrenzten (in diesem Falle 80 Personen)195. Dies war mancherorts so vorgeschrieben und sollte politisch motivierter Unruhe in der Bevölkerung vorbeugen. Vom Coburger Herzog sind zwar derartige Vorschriften nicht bekannt, jedoch bestand er bei allen Vereinen auf der Vorlage der Statuten und genehmigte ihr Fortbestehen nur unter der Bedingung, dass sie keinen Anlass zu Klage böten196. In den erneuerten Vereinsgesetzen von 1828 werden »musikalische Unterhaltungen« als erster Zweck der Gesellschaft genannt, danach folgen »anständige Geselligkeit und Wohlthätigkeit gegen Arme«197. Ähnlich wie bei der Casino-Gesellschaft lautet der erste Paragraf der Vereinsgesetze  : »Die Mitglieder der Harmonie-Gesellschaft haben gleiche Rechte und Verbindlichkeiten und ist weder Stand noch Rang dazu geeignet, sich einen Vorzug oder Ausnahmen anzumaßen.« Der wöchentliche Hauptversammlungstag war der Samstag, »wenn jedoch durch das hier bestehende Herzogl. Hoftheater dieser Tag zu den gewöhnlichen, ungestörten Versammlungen nicht geeignet erscheint«198, könne auch auf den Montag ausgewichen werden. Es gab also eine enge Verbindung zum Hoftheater. Bemerkenswert erscheint auch §31 der Satzung  : »Damit keine Stöhrungen während der Musick entstehen, muß noth­ wendig allgemeine Stille beobachtet werden. Auch darf während eines Concertes im Saale, wo dasselbe stattfindet, kein Taback geraucht werden.« Der musikalische Schwerpunkt in den Veranstaltungen dieses Vereins ist nicht zu übersehen. Bei einer erneuten Bestätigung der Statuten im Jahr 1856 heißt es allerdings nur noch199  : »§1. Der Zweck der Gesellschaft ist gesellige Unterhaltung.« Von anhaltenden Aktivitäten im Theaterbereich zeugen Ausleihbelege aus der herzoglichen Theaterbibliothek  ; so wurde am 22. Januar 1862 von der Harmoniegesellschaft das ganze Material zu »Leonore« ausgeliehen200. Der Verein bestand bis ins 20. Jahrhundert. 195 Hierzu wie zum Folgenden StACo L.Reg. 4743 und 4744 sowie Theater 299. 196 Zum Beispiel in der Bestätigung des Vereins »Harmonie« vom 26. November 1828 (StACo L.Reg. 4744, f. 4). 197 StACo L.Reg. 4743, f. 6. 198 §7 der Statuten der Gesellschaft Harmonie (StACo L.Reg. 4744, f. 6–13  ; auch zum Folgenden). 199 StACo L.Reg. 4744, f. 17–19. 200 StACo Theater 299.

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Der Name »Harmonie« war übrigens sehr typisch für einen Verein dieser Zeit201. Auch viele Sängerbünde nannten sich »Harmonia« oder »Concordia«, um den gemeinschaftsstiftenden Charakter ihrer Aktivitäten zu betonen. Die Stärke des männerbündischen Vereinswesens war eben ihre Besinnung auf die Macht des kraftvollen Zusammenwirkens, des Teamgeists, wie man neudeutsch formulieren würde. Diese Kooperation war im kleinen Kreis, im Lokalverein, ebenso wichtig wie auf nationaler Ebene. Wie alle Vereine beteiligte sich auch die Gesellschaft »Harmonie« an der Gestaltung der Festlichkeiten zur Vermählung Ernsts I. mit Marie von Württemberg im Jahr 1832202. Das »Gratulationsgedicht« des Vereins betont in den letzten beiden Strophen den Zusammenhalt von Volk und Herzog  : »Glaub’ an uns’res Herzens Sprache, / Sie ist offen, wahr und rein  ; Keine Falschheit, keine Klage, / Durfte unsern Bund entweih’n. Eintracht herrscht in uns’rer Mitte  ; / Schlingt um uns ihr dauernd Band, Seit, bei Dir des Schutzes Bitte / Freundliche Gewährung fand. Vierfach sind der Lyra Corden / Silberhell blieb stets ihr Klang, Doch nur vier ganz schlichten Worten, / Zollen wir dafür den Dank  : Frohsinn, Wahrheit, Gottvertrau’n, / Freundschaft  ; nimmer wanken sie, Und liebevoll auf And’re schau’n, / Das ist uns’re Harmonie  !«

Die »Abendgesellschaft« Im Februar 1819 wurde »von Bürgern und Einwohnern« die »Abendgesellschaft« gegründet, »die in regelmäßigen Zusammenkünften gegenseitige Unterhaltung und Bildung aller Art durch Vorlesen und Besprechen gemein nützlicher Schriften und Aufsätze bezweckt, und dabey auch auf andere Weise sich und ihren Nebenmenschen nützlich zu seyn wünscht«203. Dieser stark religiös geprägte Verein hatte nur wenig mit Musik zu tun, immerhin verteilte er neben Bibeln auch Gesangbücher an arme Familien. Im Vorstand waren meist Pfarrer 201 Näheres hierzu bei Klenke 1998, S. 3. 202 Hierzu die Festschrift »Beiträge zu Coburgs Annalen auf das Jahr 1832, Oder  : Kurze Beschreibung der Feierlichkeiten bei der hohen Vermählung Sr. Durchlaucht des regierenden Herrn Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha mit Ihro Königlichen Hoheit Marie gebornen Herzogin von Würtemberg«, Coburg 1833. Zum Folgenden  : S. 40–43. 203 StACo MIN D 4759, f. 2–3. Zum Folgenden weitere Dokumente aus dieser Akte sowie aus StACo L.Reg. 4743.

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oder Theologen vertreten, die Mitglieder (1832/33 ca. 100 Personen) waren zu einem guten Teil Handwerker. Abgesehen von der Förderung religiöser Bildung zeigte dieser Verein durchaus Überschneidungen mit den musikalisch aktiveren Gesellschaften. Am 23. Dezember 1832 beschreibt der Vorstand Philipp Carl Gotthard Karche (1780–1854) den Zweck seines Vereins einleitend damit, »die Genüsse des geselligen Lebens für sich zu veredeln, und zur Bildung des Geistes und Herzens zu benutzen«204. Der Verein bestand mindestens bis 1844. Musikvereine Neben den etablierten Vereinen wie Casino und Harmonie, die sich auch, aber nicht nur mit musikalischen Veranstaltungen hervortaten, gab es in Coburg auch einige rein musikalische Vereinigungen. Zum 50. Stiftungsfest des 1838 gegründeten »Musikvereins« im Jahr 1888 traten vier Vereine auf205  : »Liedertafel«, »Liederkranz«, »Sängerkranz« und eben der »Musikverein«. Die Coburger Liedertafel war 1826 auf Anregung des von der Schweizer Singbewegung geprägten Johann Daniel Elster (1796–1857) gegründet worden, wurde vom Musikdirektor Lübke geleitet und nahm nach dem Vorbild süddeutscher Liedertafeln auch passive Mitglieder auf. Hirschberg erwähnt den Chor in seiner Schilderung der Grundsteinlegung für das neue Theater am 22. Oktober 1837206. Da trugen die Sänger der Coburger Liedertafel ein eigens vom Kapellmeister Lübke auf einen Text von Kawaczynski komponiertes Lied vor. Sie vertraten somit die Coburger Bürgerschaft auf musikalische Weise. Der »Liederkranz« wird in einem Zeitungsartikel von 1846 dafür gelobt207, dass er während des Aufenthalts des Hofes (und damit der Hofmusik) in Gotha mit seinen Benefizkonzerten das musikalische Leben in Coburg aufrechterhielt, wenn auch – laut Presse – ohne besonderen »Kunstwerth«. Der »Musikverein« entstand schon 1838, stellte aber wohl erst 1848 seine eigenen Statuten auf208. Diesmal war es ein Vertreter des Stadtmagistrats, der am 4. Februar 1848 um die Genehmigung der Satzung des Vereins bat209  : »Seit ungefähr zehn Jahren hat sich hier eine Gesellschaft junger Leute, meistens 204 Brief Karches vom 23. Dezember 1832 an den Herzog (StACo MIN D 4759, f. 9–12). 205 Vgl. hierzu das gedruckte »Fest-Programm« zum 50. Stiftungsfest des Musikvereins zu ­Coburg am 5. bis 7. Mai 1888 (StACo Min D 4107). Zum Folgenden. 206 Hirschberg, S. 94–97. 207 NZfM, Bd. 24, 1846, S. 203. Zum Folgenden. 208 Zum Folgenden StACo L. Reg. 4751 sowie MIN D 4107. 209 StACo L. Reg. 4751, f. 1. Zum Folgenden.

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hiesige Bürgerssöhne, gebildet, deren hauptsächlichster Zweck ist, sich in den Abendstunden durch Musik, declamatorische und theatralische Vorstellungen zu unterhalten.« Das beste Argument für die Zustimmung des Herzogs war, dass sich die Mitglieder bisher immer »in den Schranken der Ordnung« gehalten hatten. Wie wichtig auch hier die Musik war, ist wiederum in §1 der Satzung zu lesen  : »Der Zweck der Gesellschaft ist Erholung [,] Unterhaltung ihrer Mitglieder durch Musik.« Es gab sogar das Amt des »Musikvorstehers« (§11)  : »Dem Musikvorsteher liegt es ob, für gute musikalische Unterhaltung an den Gesellschaftabenden zu sorgen und die von Zeit zu Zeit stattfindenden Concerte zu organisieren.« Der Musikverein arbeitete – wie am Festprogramm zum 50-jährigen Jubiläum leicht festzustellen ist – offenbar problemlos mit anderen Vereinen zusammen. Dazu gehörte auch der Coburger Sängerkranz, der 1843 gegründet wurde und heute noch besteht. Dieser Verein war musikalisch wie politisch von besonderer Bedeutung, denn er organisierte die erfolgreichen Coburger Sängertage (1851, 1855, 1860 u. a.), wirkte regelmäßig bei Hofkonzerten sowie im Hoftheater mit und gestaltete besondere Anlässe im Herzogshaus sowie in der Stadt Coburg. Im Jahr 1860 zählte der Sängerkranz ca. 80 aktive Mitglieder (und knapp doppelt so viele passive) und war damit in dieser Zeit ein mittelgroßer Verein210. Von der engen Verbundenheit Herzog Ernsts II. mit den Mitgliedern des Sängerkranzes zeugt beispielsweise das Gartenfest, zu dem der Landesvater im Juli 1892 exklusiv die Sänger mit ihren Gattinnen einlud211. Angesichts der Zahl an Vereinen mit durchaus ähnlichen Zielsetzungen scheint es erstaunlich, wie viele (musikalisch) engagierte Bürger es in Coburg gab. Wie es die älteren Vereine schon ausdrücklich in ihren Satzungen erwähnten, ging es aber nie nur um Musik, sondern immer auch um Geselligkeit und Austausch. Auf expliziten Wunsch Herzog Ernsts I. kam dann noch die Gemeinnützigkeit hinzu, denn alle Vereine hatten auch die Aufgabe, regelmäßig Geld für die Armen oder das Waisenhaus zu sammeln. Dieses soziale Engagement war sogar eine Voraussetzung für die Genehmigung der Vereins­ aktivitäten durch die herzogliche Verwaltung. Es trug sicher auch zur Akzeptanz der Vereine in der Gesellschaft bei. Außerdem scheinen die Vereine problemlos nebeneinander bestanden und teilweise sogar kooperiert zu haben. Es gab also offenbar genügend Interessenten und ausreichende Unterschiede in der Programmgestaltung. Während in Liederkranz, Liedertafel und Sänger210 Mecking, S. 111. 211 Näheres hierzu im Kapitel zur Biografie Ernsts II.

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kranz wohl vor allem aktive Sänger organisiert waren, trafen sich im Casino Beamte, Offiziere und das gehobene Bürgertum. Die »Privatgesellschaft Erholung« war eher ein elitärer Kreis höherer Beamter, der sich rein organisatorisch betätigte, während der Verein Harmonie dem Hoftheater sehr nahestand. Die Abendgesellschaft versammelte die frommen Seelen, während sich der Musikverein an junge Menschen mit bürgerlichem Hintergrund wandte. Nach der Auflösung einiger der genannten Vereine gab es Neugründungen mit ähnlicher Zielgruppe. So wurde im Jahr 1873 der heute noch bestehende »gesellige Verein« (heute »VEREIN e.V. Coburg«212) gegründet, der sich – der Casino-­ Gesellschaft nicht unähnlich – musikalische Veranstaltungen, Bälle, Festessen und Theaterveranstaltungen im eigenen Gesellschaftshaus vorgenommen hatte. Mitglieder wurden auch hier eher aus den gehobenen bürgerlichen Schichten rekrutiert. Gothaer Musikfeste und -vereine Gotha profitierte ebenso wie Coburg von der Liberalität seines Landesherrn. Das Vereinsleben war auch hier rege und vielfältig, das selbstbewusste Bürgertum auf vielen Gebieten aktiv213. Durch erfolgreiche Großereignisse wie das erste deutsche Schützenfest 1861 machte Gotha in ganz Deutschland von sich reden und empfahl sich als Kongressstadt. Getragen vom relativ liberalen Versammlungsrecht und unterstützt von Gothaer Vereinen fanden im Lauf des 19. Jahrhunderts in der stetig wachsenden Stadt214 Konferenzen der verschiedensten Interessengruppen statt  : von den Sozialdemokraten über die Tierschützer bis hin zu den Radfahrern. Im Thüringer Raum etablierte sich ab 1810 innerhalb von gut zwei Jahrzehnten die Form des »Musikfestes«, das nicht mit einem Sängerfest zu verwechseln ist215. Ausgehend von dem Bad Frankenhausener Kantor und Lehrer Georg Friedrich Bischoff (1780–1841) sowie dem Gothaer Kapellmeister Louis 212 Vgl. hierzu die Festschrift »VEREIN e.V. Coburg. 140 Jahre Coburger Kulturgeschichte 1873–2013«. 213 Roob, S. 46, spricht von ca. 40 lokalen Vereinen in Gotha im Jahr 1850. Besonders in den 1870er Jahren wurden viele Vereine gegründet, beispielsweise der »Verschönerungs-Verein«, der Leichenverbrennungsverein, der Feuerbestattungsverein, der Frauenfortbildungsverein, der Thüringer Waldverein etc. (Wettig, S. 10–16). 214 Im Jahr 1856 zählte Gotha ca. 15.300 Einwohner (Roob, S. 46), im Jahr 1870 ca. 19.000 und im Jahr 1914 bereits 40.000 (Umbreit, S. 269). 215 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Weibel.

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Spohr216 fanden 1810 und 1811 in Bad Frankenhausen mehrtägige musikalische Veranstaltungsreihen statt. Im September 1812 folgte diesen dann das erste Gothaer Musikfest, bei dem auch Carl Maria von Weber als Pianist mitwirkte217. Aus den anfangs noch von Idealisten veranstalteten Konzertreihen an kleinen und mittleren Orten entwickelten sich in den 1830er und 1840er Jahren aufsehenerregende Festivals, bei denen die berühmtesten Musiker der Zeit sowie riesige Chöre zu pompösen Aufführungen zusammenkamen (vgl. die Niederrheinischen Musikfeste unter Felix Mendelssohn Bartholdy). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer weitreichenden Kommerzialisierung der Musikfeste, die sie ihrem ursprünglich volkstümlichen Charakter zumeist entfremdete. In Gotha gingen der Aufschwung des bürgerlichen Musiklebens sowie die Gründung von musikalisch aktiven Vereinen in besonderer Weise von einzelnen prägenden Persönlichkeiten aus. So wirkte unter dem exzentrischen Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772–1822) der berühmte Geiger Louis Spohr in Gotha für sieben Jahre erfolgreich als Hofkapellmeister. Dieser setzte sich sehr für ein bürgernahes Konzertleben ein und spielte bzw. dirigierte – außer in den Hofkonzerten – auch im Gasthaus »Zum Mohren«218. Die von ihm in der Saison 1808/1809 eingeführten öffentlichen Abonnementkonzerte litten allerdings darunter, dass in Gotha auch bei den Hofkonzerten das Volk Zutritt hatte219. Spohrs Nachfolger, Andreas Romberg, ebenfalls ursprünglich ein Violinvirtuose, gründete 1819 den ersten bürgerlichen Gesangverein (»Singverein«) in Gotha. Dieser ging wiederum in der von dem langjährigen Chorleiter Friedrich Adolf Wandersleb am 19. April 1837220 gegründeten Gothaer Liedertafel auf, die bei der Grundsteinlegung für das neue Gothaer Theater am 21. Mai 1837 erstmals öffentlich sang. Ein weiterer Initiator für die Gründung von Gesangvereinen im Thüringer Raum war der abenteuerlustige Johann Daniel Elster, der auf seinen Reisen auch einem der Urväter der Singbewegung in der Schweiz begegnet war, Hans Georg Nägeli (1773–1836). In dessen Sinne regte Elster nach der Rückkehr in seine Hildburghausener Heimat im Jahr 1829 die Bildung offener Männergesangvereine an, die im Gegen216 Spohr war ab 1805 in Gotha tätig und heiratete dort ein Jahr später seiner erste Frau Dorette Scheidler, 1813 ging er nach Wien. 217 Hierzu auch Raschke, S. 130f., und Roob, S. 33. Auch zum Folgenden. 218 Raschke, S. 130f. Zum Folgenden auch Lehmann (Gothaer Theatergeschichte) und Roob, S. 33. 219 Motschmann, S. 7. 220 Datum aus Schlegel, S. 59.

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satz zu den von Carl Friedrich Zelter (1758–1832) gegründeten geschlossenen »Liedertafeln« die breite Bevölkerungsmasse ansprechen sollten. Der »Singverein« (»Gesangverein«)221 und die Gothaer Liedertafel Der von Romberg 1819 gegründete »Singverein« ging ursprünglich auf musikalische Soireen in einem Gothaer Privathaus zurück222. Romberg begrenzte die Anzahl der Teilnehmer (vielleicht auch aufgrund der Räumlichkeiten) auf 27, ließ aber von Anfang an auch Frauen zu, so dass ein vierstimmiger Chorsatz mit Sopran und Alt möglich war. Nach dem frühen Tod Rombergs 1821 übernahm der Stadtkantor Justinus Felsberg (1780–1849) den Verein, der fortan auch als »Felsbergscher Singverein« in den Quellen erscheint. Die Gothaer Liedertafel dagegen, die 1837 gegründet wurde, bildete sich auf Anregung der bereits ein Jahr zuvor in Coburg entstandenen Liedertafel223. Anfangs wurden die Gothaer noch als »auswärtige Mitglieder« des Coburger Vereins geführt, darunter auch der spätere Chorleiter Adolf Wandersleb. Im April 1837 konstituierte sich dann unter der Leitung des Musikdirektors Lübke die Gothaer Liedertafel als eigener Verein, in dessen Statuten die relativ offene Gestaltung der Aufnahme von Mitgliedern festgeschrieben wurde224  : »Die Liedertafel ist eine Vereinigung von Männern, die abgesehen von ihrem Stande und einer bürgerlichen Stellung, lediglich durch ihre gemeinschaftliche Liebe zum Gesange geleitet, zum Vortragen und Anhören von Gesängen und, zu einer dementsprechenden insbesondere Frohsinn und Heiterkeit verbreitenden Unterhaltung zusammengekommen sind«225. Auch in weiteren Paragraphen der Satzung wird betont, dass die »Förderung der Kunst« der Hauptzweck des Vereins sei, wodurch politische Implikationen zumindest von der Oberfläche verschwanden. Ab 1838 übernahm Wandersleb die Leitung des Chores und scharte die Vereinsmitglieder regelmäßig in »kleinen« und »großen Liedertafeln« um sich. Für die bis 1847 jährlich abgehaltenen Sängerfeste im Thüringer 221 Zum Folgenden vgl. Schmidt 1931, S. 393–400, und Motschmann. 222 Näheres hierzu in der Broschüre »Chorbewegung im Landkreis Gotha«, S. 17. 223 Näheres hierzu bei Motschmann, Rabich und »Chorbewegung im Landkreis Gotha«, S. 18, zum Folgenden. 224 Wie das Coburger Vorbild orientierte sich die Gothaer Liedertafel eher am süddeutschen Typus der Liedertafel, der Zahl und Herkunft der Mitglieder nicht so stark einengte. Im Gegensatz zum geschlossenen Gothaer Singkreis war die Liedertafel allerdings auf Männer beschränkt. 225 Zitiert aus den Statuten der Gothaer Liedertafel, § 1 (»Chorbewegung im Landkreis Gotha«, S. 18, 20  ; auch zum Folgenden).

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Raum war die Gothaer Liedertafel ein wichtiger Initiator und Veranstalter. Als Wandersleb um die Jahrhundertmitte zusätzlich den Singverein übernahm, näherten sich beide Chöre allmählich – wenn auch widerstrebend – an, gaben zunächst gemeinsame Konzerte und vereinten sich schließlich 1875. Überhaupt war die Sängerbewegung nach der Reichsgründung 1871 in eine Krise geraten  : Durch Erreichen des langjährig propagierten politischen Ziels schwand die Motivation und somit auch die Zahl der Mitglieder. Zwar galten die Chöre immer noch als Träger des patriotischen Gedankens und Unterstützer des neuen Kaisertums, aber die revolutionäre Begeisterung der ersten Jahre bzw. Jahrzehnte der Bewegung war verschwunden. In der Liedertafel reagierte man mit der Gründung eines gemischten Chores, der auch modernes Repertoire und große Oratorien wiedergeben konnte. Unterstützt wurden die Sänger dabei ab 1873 durch den »Dilettanten-Orchesterverein«. Außerdem entstand 1876 eine neue Konzerthalle für die Liedertafel, die nun in harter Konkurrenz zum erfolgreichen »Musikverein« stand. 1882 machte der mittlerweile 70-jährige Adolf Wandersleb endlich Platz für einen Nachfolger, den Kantor und Komponisten Ernst Rabich (1856–1933). Nun ging es mit der Liedertafel wieder aufwärts, die Zahl der Mitglieder stieg, die Hofkapelle stellte sich für die Orchesterkonzerte zur Verfügung und bei einem Chorwettbewerb in Wiesbaden gewann der Chor einen dritten Preis226. Rabich wirkte nicht nur sehr erfolgreich in der Liedertafel, sondern gründete 1884 daneben auch noch den Kirchengesangverein. Durch die Zusammenarbeit der Chöre konnten große Oratorien aufgeführt werden, beispielsweise anlässlich des Deutschen Kirchengesangvereinstages, der 1889 in Gotha stattfand227. Rabich probte, dirigierte, sprang zur Not als Sänger ein und verfasste auch eigene Kompositionen, die ihm die Anerkennung des Herzogs einbrachten228. Zum Tode des Herzogs sangen die vereinten Männergesangvereine unter Rabichs Leitung dessen Chorsatz »Trennung«. Weitere Chorgemeinschaften in Gotha Mit zunehmender Beliebtheit der Chorbewegung in der Bevölkerung wuchs auch die Zahl der Sängervereinigungen in Gotha229. So gründete der Lehrer 226 Rabich, S. 6. 227 Hierzu Rabich, S. 6. 228 Beispielsweise die Komposition »Columbus«, die Ernst II. 1883 im Hofkonzert spielen ließ (Rabich, S. 37f.). 229 Zum Folgenden vgl. »Chorbewegung im Landkreis Gotha«, S. 26.

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und Musikdirektor Johann Christian Friedrich Sundhausen 1854 einen »Sängerkranz«, der seine Teilnehmer vor allem aus Handwerks- und Handelskreisen bezog230. Ein Jahr später spaltete sich unter dem Musikdirektor Köllner der »Köllnerschen Männergesangverein« von der Gothaer Liedertafel ab, dessen Mitglieder aber 1868 wieder zur Liedertafel zurückkehrten, da mittlerweile Adolf Wanderslebs Sohn Theodor (vorübergehend) die Leitung beider Chöre übernommen hatte. Im Jahr 1857 gründete der Kantor Friedrich Wilhelm Hellmann 1857 den »Männergesangverein des Gewerbevereins«. Der Versuch, in einem »Gothaischen Männergesangverein« 1862 die Kräfte der verschiedenen Gruppen zu bündeln, scheiterte schon drei Jahre später. Einer­seits machten die Chöre einander Konkurrenz, beispielsweise indem der sehr erfolgreiche Sängerkranz ein viel moderneres Repertoire pflegte als die Liedertafel oder der Singverein. Andererseits kam es immer wieder zu Kooperationen in Form von gemeinsamen Konzerten. Auch im letzten Drittel des Jahrhunderts gab es Neugründungen oder Überschneidungen bei den Gothaer Chören, und als im Jahr 1890 ein letztes Mal der Versuch unternommen wurde, alle organisierten Sänger in einem »Gothaer Sängerbund« zu vereinen231, tauchten neben den Konstanten (Liedertafel, Sängerkranz und Gewerbeverein) auch neue Vereinigungen auf mit Namen wie »Arion«, »Harmonie«, »Phönix«, »Liederkranz« sowie der »Sängerclub« (seit 1875). Doch wieder funktionierte der Zusammenschluss nicht, wurde aber durch den allgemeinen Beitritt zum wiederbelebten Thüringer Sängerbund ohnehin überflüssig. Der Musikverein Im Jahr 1868 wurde das bürgerliche Gothaer Vereinsleben noch um den »Musikverein« bereichert232, der vor allem als Veranstalter großbesetzter Chor- und Orchesterkonzerte hervortrat. Ursprünglich aus einem kleinen Sing- und Quartettverein ehemaliger Jenaer Studenten erwachsen, machte die Gruppierung bereits seit den 1860er Jahren zunächst mit kleineren Veranstaltungen auf sich aufmerksam. Erfolgversprechende Konzerte unter dem Klavierlehrer und Chordirigenten Heinrich Stiehl (1829–1886) führten schließlich zur Gründung des »Musikvereins« im Dezember 1868 unter der Leitung von Hermann Tietz, der im Jahr darauf zum Hofpianisten ernannt wurde. In konsequenter 230 Vgl. hierzu Schmidt 1931, S. 393f. Auch zum Folgenden. 231 Vgl. hierzu »Chorbewegung im Landkreis Gotha«, S. 54. 232 Hierzu »Chorbewegung im Landkreis Gotha«, S. 26f., und Engel, S. 53.

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Arbeit baute Tietz, der bis zu seinem Tod die Leitung des Musikvereins innehatte, ein immer größer werdendes Konzertprogramm auf, indem er weder aufwändige Orchesterstücke noch teure Solistenauftritte scheute. Er soll in 50 Jahren an der Spitze des Musikvereins 388 Konzerte mit 167 Chor- und 185 Orchesterwerken geleitet haben, unter anderem im Jahr 1879 die »Legende der Heiligen Elisabeth« von Franz Liszt in Gegenwart des greisen Komponisten233. Außerdem führte er eine neue Sitzordnung des Publikums in den bürgerlichen Konzerträumen ein234  : Statt im Kreis um einen Tisch oder eine Tafel saßen die Zuhörer nun in geraden Reihen dem auf einer Bühne aufgestellten Chor gegenüber. Wie angesehen Tietz’ musikalische Arbeit gewesen sein muss, zeigt auch die Erlaubnis zur Benutzung des Gothaer Hoftheaters (zwei Mal im Jahr), die dem Musikverein ab 1877 erteilt wurde235. Außerdem gründete Tietz 1884 ein zweites Konservatorium in Gotha236 und half somit, die Zukunft des Musikvereins sowie des musikalischen Lebens in der Stadt überhaupt zu sichern. Am Ausgang des 19. Jahrhunderts war der Gothaer Musikverein neben der Liedertafel damit der einflussreichste und bedeutendste Träger bürgerlicher Musikkultur in Gotha. Gothaer Vereine und Veranstaltungen Wie in Coburg gab es auch in Gotha eine »Kasinogesellschaft« und eine Gesellschaft »Harmonia«237. Das »Kasino« war ein Treffpunkt für höfische Beamte, Offiziere und reiche Kaufleute und tagte im Gasthof zum Mohren. Die »Harmonia« dagegen begnügte sich zunächst mit dem Café Lincoln in der Schützenallee, bis sie ins Gasthaus Schützen umzog. Die Gothaer Vereine sorgten neben ihren regelmäßigen Versammlungen auch für ein abwechslungsreiches Unterhaltungsprogramm, beispielsweise mit Vorträgen verschiedener Gelehrter oder den beliebten Bällen im Schießhaus. Neben diesen kulturellen Veranstaltungen sowie den Festen der Turner, Schützen und Sänger lag im öffentlichen Leben Gothas der Schwerpunkt auf Wirtschaft und Handel. Landwirtschaftliche Feste, die regelmäßig stattfanden, 233 Vgl. Schmidt 1931, S. 393. 234 Vgl. hierzu »Chorbewegung im Landkreis Gotha«, S. 28f. 235 Vgl. hierzu »Chorbewegung im Landkreis Gotha«, S. 29. 236 Näheres hierzu im Kapitel »Hinter den Kulissen«. 237 Näheres hierzu bei Umbreit, S. 266ff., zum Folgenden.

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und vor allem Gewerbeschauen, zu denen teilweise mehr als 1.000 Unternehmer aus ganz Thüringen ins Gothaer Schloss kamen238, waren von großer Bedeutung für die Entwicklung der Stadt. Im Unterschied zu Coburg veränderte sich Gotha, das von Anfang mehr wirtschaftliches Potential besessen hatte als die fränkische Residenz, im Laufe der Regierungszeit Ernsts II. erheblich. Der traditionell stärkste Stand in Gotha, das Handwerk239, profitierte vom technischen Fortschritt ebenso wie von den verbesserten Eisenbahn- und Transportverbindungen. Aus vielen kleinen Gothaer Betrieben wurden im 19. Jahrhundert überregional bedeutende Industriebetriebe240. So entwickelte die Stadt im Zuge der Industrialisierung in der zweiten Jahrhunderthälfte eine breite und einflussreiche Schicht an vermögendem Bürgertum241. Dessen Macht und Interessen spiegelten sich in dem vielfältigen Vereinsleben, dem durch einzelne prägende Persönlichkeiten und Institutionen schon in der Zeit des Vormärz der Boden bereitet worden war. Ernst Wilhelm Arnoldi, ein gebürtiger Gothaer, war als überaus erfolgreicher Unternehmer mit mehreren Fabriken und von ihm gegründeten Versicherungen in seiner Zeit eine Stütze für Bildung und Kultur in der Stadt  : Er war 1818 einer der Mitbegründer der ersten deutschen Handelsschule für kaufmännische Lehrlinge, setzte sich nach einer Hungersnot 1817 für seine Mitmenschen ein und förderte sowohl den Theater- als auch den Eisenbahnbau. Auch das Verlagswesen war in Gotha von großer Bedeutung. So betätigte sich der in der Revolution von 1848 aktive Schriftsteller Ludwig Storch (1803–1881) als Verlagsgründer (»Neuer Thüringer Bote«). Joseph Meyer (1796–1856), zunächst Kaufmann, begründete hier 1826 sein durch das Konversationslexikon bekannt gewordenes »Bibliographisches Institut«242. Von weitreichendem Einfluss und größter Bekanntheit war auch der Verlag von Justus Perthes (1749–1816)243, der seit 1785 den berühmten »Gothaischen ­Genealogischen Hofkalender« (den »Gotha«) herausgab. Ab 1816 widmete sich der Verlag schwerpunktmäßig der Geografie und zog damit auch ­wichtige 238 Vgl. hierzu Schlegel, der beispielsweise über ein großes landwirtschaftliches Fest im Gothaer Schützenhaus im Oktober 1852 und über die vom 1. August bis 10. September 1853 dauernde »Thüringische Gewerbeausstellung« berichtet, die von über 22.000 Personen besucht wurde und ganze 30 Räume des Schlosses Friedenstein belegte (S. 76f.). 239 Hierzu Umbreit, S. 265. 240 Vgl. hierzu Wenzel. 241 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Roob, S. 39–56, und Lehmann, Gothaer Theatergeschichte. 242 …das allerdings schon 1828 nach Hildburghausen verlegt wurde (vgl. Roob, S. 43). 243 Näheres hierzu auch unter www.perthes.de.

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­ issenschaftliche Kreise in die Stadt244. Im »Kunstverein zu Gotha«, der vom w Herzog unterstützt wurde, organisierten sich später bis zu 890 Mitglieder. Und im Herzoglichen Museum, das zwischen 1864 und 1879 errichtet wurde, konnten die beeindruckenden Sammlungen des herzoglichen Hauses bewundert werden245. Gestützt wurde dieses reiche bürgerliche Kulturleben von mehreren sehr guten Schulen in Gotha, die die nächste Generation an Unternehmern, Wissenschaftlern und Kulturliebhabern heranzogen. In der Regierungszeit Herzog Ernsts II. scheint die Prägung der Gesellschaft durch Unternehmertum und Industrialisierung in Gotha stärker gewesen zu sein als im deutlich kleineren Coburg. Vielleicht liegt in der daraus resultierenden größeren Unabhängigkeit des vermögenden Gothaer Bürgertums der Grund dafür, dass die Gothaer ihrem Herzog in seinen politischen Ambitionen weniger zu folgen geneigt waren als die Coburger.

244 Vgl. hierzu die Entstehungsgeschichte zur Afrika-Reise Herzog Ernsts II. (im Kapitel zur Biografie). 245 Die öffentliche Zugänglichkeit des Museums war eine der Bedingungen für die Unterstützung des Baus durch den Landtag.

Zu lang: »Diana von Solange«

Überblick und Handlung

Nach dem Erfolg von »Santa Chiara« konnte Ernst II. einfach nicht mit dem Komponieren großer Opern aufhören. Zwar hatte er viele Auseinandersetzungen und Diskussionen um sein Werk durchstehen müssen, am Ende jedoch muss er sich durch den Erfolg in Paris sowie in ganz Deutschland bestätigt gefühlt haben. Kein Wunder also, dass er schon bald Pläne für ein nächstes großes Werk ins Auge fasste. Auch diesmal bildet ein historischer Stoff die Grundlage für das Opernbuch. Als im Jahr 1580 der letzte portugiesische König aus dem Hause Avis, Heinrich I. (1512–1580), ohne Erben starb, war nach Heinrichs Testament der spanische König Philipp II. (1527–1598) als Nachfolger vorgesehen. Denn Philipp II. war als Enkel des portugiesischen Königs Manuels I. und Neffe Heinrichs I. ein naher Verwandter. Doch sowohl ein unehelicher Spross des portugiesischen Königshauses, Antonio von Crato (1531–1595), ebenfalls ein Enkel des portugiesischen Königs Manuel I., wie auch der Herzog Johann I. von Braganza (1543–1583), dessen Ehefrau Katharina auch eine Enkelin Manuels I. war, griffen die Thronfolge Philipps II. an. Allerdings ohne Erfolg  : Philipp II. von Spanien regierte ab August 1580 in Personalunion als Philipp I. auch Portugal. Diese Intrigen und Kämpfe um den portugiesischen Thron geben den Stoff ab für die letzte Oper des Herzogs, die sich in fünf Akte gliedert. Der erste Akt spielt in einem Wirtshaus an der spanischen Grenze, wo vielerlei Reisende und Wallfahrer aufeinander treffen. Der bunt gemischten Gesellschaft nähert sich ein Paar  : Fuegos und Diana. Vom Wirt freundlich begrüßt, wendet sich Fuegos an die Anwesenden und bietet Arbeit an  : Der Auftrag lautet, einen Reisenden aus Lissabon, der bald hier durchkommen soll, für eine Stunde festzuhalten, ihm jedoch nichts anzutun. Einige »Banditen« erklären sich bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Daraufhin verspricht Diana in einem »Duettino« ihrem (Geschäfts-)Partner Fuegos, den Fremden zu verführen  : »Mein Herz ist stark und frei mein Geist, / Ich weiß, daß Liebe – Schwäche heißt.« Es wird deutlich, dass beide offenbar im Sold des französischen Königshauses stehen. Doch Diana denkt nicht nur politisch  : »Mich reizt Gefahr«. Der Chor der Anwesenden begrüßt das beginnende Spiel.

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Schließlich trifft der erwartete Marquis von Varsal, Armand, beim Wirtshaus ein. Eigentlich möchte er gleich weiterreiten und verlangt vom Wirt frische Pferde. Doch als der Marquis Diana erblickt, die Fuegos ihm als seine Schwester vorstellt, ist er augenblicklich fasziniert und bittet sie, ein Lied für ihn zu singen. Diana, die von dem Marquis ebenso beeindruckt scheint wie er von ihr, singt eine anrührende Romanze über eine einsame Rose. Der Marquis bedankt sich für das Lied und will nun endlich weiter, doch die bezahlten Banditen halten ihn zurück. Diana verhindert einen Kampf der beiden Parteien und muss schließlich von Fuegos weggebracht werden. Sie scheint dem Marquis regelrecht verfallen. Der Akt schließt mit einer Wiederholung des Anfangschores. Der zweite Akt beginnt in einem Saal des königlichen Schlosses zu Cintra. Fuegos und Celema, der »Groß-Almosenier des Reiches«, sprechen über die möglichen Nachfolger des im Sterben liegenden Königs. Noch wünscht der König selbst sich Antonio als Erben, Fuegos und Celema jedoch wollen die Krone bei Don Philipp sehen. Als Celema Fuegos vor der Klugheit des am Hofe erwarteten Marquis warnt, versichert ihm Fuegos, jener sei schon in ­Dianas Liebesnetz gefangen. Es folgt ein feierlicher Aufzug des königlichen Hofes. Der König freut sich, den Marquis zu treffen, der ihm wiederum Grüße von Antonio überbringt. In einem beeindruckenden Quintett offenbaren die fünf Hauptpersonen auf der Bühne ihre Gefühlslagen  : Der König fühlt seinen Tod nahen, doch die Herzogin von Braganza sowie der Marquis versuchen seine Lebenskraft neu zu wecken. Celema und Fuegos hoffen auf den baldigen Tod des Königs und das Scheitern der Nachfolge Antonios. Der Chor kommentiert dazu die sichtbare Schwäche des Königs. Als der Marquis der Herzogin von Braganza die Liebesgrüße Antonios übermittelt, hört er im Hintergrund Diana, die sich mit der bekannten Romanze nähert. Auch die Herzogin kennt die Sängerin und nennt dem Marquis deren Namen  : Diana von Solange, eine Hofdame aus der Provence. Als Diana den Raum betritt, erkennt der Marquis in ihr die Sängerin aus dem Wirtshaus an der spanischen Grenze wieder. Sie jedoch, ihre Intrige fortspinnend, bestreitet dies. Die ebenfalls noch anwesende Herzogin macht sich daraufhin über die große Zahl von Dianas Verehrern lustig (Terzett). Der verwirrte Marquis jedoch beginnt angesichts der entschlossenen Haltung Dianas an seiner Liebe zu zweifeln (Rezitativ und Arie). Derweil ringt der alte König in der Kirche mit der Entscheidung über seine Nachfolge. Während der Chor der Mönche ihn auf die göttliche Allmacht ver-

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weist, bittet Heinrich um Gottes Hilfe. Da tritt Fuegos ein, gibt sich als Bote des Papstes zu erkennen und überbringt dessen Wunsch, dass Don Philipp von Heinrich als Erbe eingesetzt werden möge. Der König jedoch widerspricht  : »Das Volk braucht Liebe, Liebe wohnt / Nicht in Don Philipps harter Brust  !« Fuegos dagegen hält eine starke Führung für wichtiger. Er erhöht den Druck auf den König, indem er ihm vom drohenden Bannspruch des Papstes spricht, da Antonio ja kein als Fürstensohn anerkanntes, legitimes Kind sei. Eingeschüchtert und voller Angst deutet der König sein Nachgeben an. In völlig anderer Atmosphäre beginnt der dritte Akt. Im Garten schaffen schwärmerische Chorgesänge (»Harfen klingen, Lieder schallen«) eine romantische Stimmung für Diana und den Marquis. Das später in der Kritik viel gerühmte Lied der vier Troubadoure »Komm’ stille Nacht, dich ruft die Liebe« vertreibt auch die letzten Zweifel an der Gefühlslage der beiden Hauptpersonen. Diesmal singt auch der Marquis ein Lied für Diana (»Wenn Dämmerung mich umwebet«). Diana ist tief bewegt (»Welch ein Aufruhr durchtost meine Brust  !«), einerseits von Liebe erfüllt, sich andererseits aber auch ihrer Lügen und Schuld bewusst. Nachdem Diana und der Marquis einander in einem Duett nun endlich ihre Liebe gestanden haben, will Diana ihm ihre ursprüngliche Absicht gestehen. Genau in diesem Moment stürzt Fuegos herein und hält sie unter Drohungen zurück. Der Marquis begreift die Situation, sieht Diana dabei aber als reines Opfer. Diese wiederum hat Angst vor den möglichen Folgen ihrer Intrige. Kommentierend und doch kontrastierend fällt der Chor ein  : »Neue Spiele winken der Liebe«. Und noch einmal kippt die Stimmung ganz plötzlich, als der Chor der Mönche aus dem Hintergrund die Totenklage anstimmt, Celema den Anwesenden den Tod des Königs verkündet und am Ende des Aktes alle auf das Schloss nach Lissabon gebeten werden, wo endgültig die Entscheidung über die Thronfolge fallen soll. Schon vor der königlichen Burg in Lissabon (Beginn des 4. Aktes) geraten Fuegos und der Marquis aneinander. Die eintreffende Herzogin von Bra­ ganza kann einen Kampf gerade noch verhindern. Sie bringt außerdem das Testament des verstorbenen Königs mit, in dem ihr geliebter Antonio, der Prinz von Evora, zum Nachfolger bestimmt ist. Daraufhin schwören sich ihre und Antonios Anhänger aufeinander ein, Fuegos Sache scheint verloren. Doch der gibt noch nicht auf  : Nach einer Verwandlung (Korridor in der Burg) nimmt sich Fuegos Diana noch einmal vor und droht ihr, sie und den Marquis umzubringen, wenn sie seinen Anweisungen nicht Folge leiste. Sie solle mit dem Marquis abreisen und ihm auf der Reise das Testament entwenden. Voller Angst willigt Diana ein. Am Ende des Aktes betet sie um

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göttlichen Schutz und Beistand, sie will sogar ihr Leben für den Geliebten opfern. Der fünfte Akt, im Schloss der Herzogin von Braganza angesiedelt, bringt nur noch die Auflösung der Intrige. Die zum Guten bekehrte Diana gesteht ihrem geliebten Marquis den ganzen Plan Fuegos sowie ihre Rolle darin. Der zunächst schockierte Marquis macht sich daraufhin auf die Suche nach Fuegos, um ihn zu stellen. Ab dieser Stelle des Dramas gibt es zwei Versionen der Handlung  : In einer Variante (Textbuch, gedruckt Karlsruhe 1859  ; die ursprüngliche Fassung) findet Fuegos die allein zurückgelassene Diana und tötet sie. Der zurückkehrende Marquis kann sich noch von der Sterbenden verabschieden. In der Alternative (die, wie zu lesen sein wird, dem Komponisten von erfahrenen Theaterleuten nahegelegt und von ihm auch gebilligt wurde) überlebt Diana, ihr wird verziehen und sie darf mit dem Marquis in glücklicher Liebe zusammenfinden. In beiden Fällen endet die Oper mit dem gemeinsamen Treueschwur aller Überlebenden auf den neuen König.

Libretto und Entstehung

Wie bei allen seinen Opernlibretti hatte der herzogliche Komponist auch in diesem Fall eine besondere Beziehung zum Handlungsumfeld seiner Figuren. Denn Portugal war für Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha kein unbekanntes Land. Im April 1836 hatte sein Vetter Ferdinand, der der katholischen Linie Sachsen-Coburg-Koháry entstammte, die verwitwete portugiesische Königin Maria II. da Gloria (1819–1853) geheiratet. Bei seinem Besuch im Jahr 1840 bewunderte Ernst II. die Standhaftigkeit seines Cousins in den Wirren der portugiesischen Politik und lobte dessen Engagement für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Zustände in seinem Land (Ackerbau)1. Fer­nando II., wie er nach der Geburt seines Sohnes im Jahr 1837 als König genannt wurde, war wie Ernst II. ein musischer Geist und beschäftigte sich in seiner zweiten Lebenshälfte, in der er wenig mit den Regierungsgeschäften zu tun hatte, vor allem mit Malerei, Wissenschaft und der Förderung von Kunst und Kultur. Er heiratete in zweiter Ehe eine Opernsängerin und ging als »Rei-­ Artista« in die portugiesische Geschichte ein2. 1 Vgl. hierzu die Äußerungen Ernsts II. in »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 81–86. 2 Näheres hierzu auch bei Nicklas, S. 108–123.

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Ferdinands erste Frau Donna Maria, die schon mit 16 Jahren Witwe war und dann sofort wieder heiraten musste, um den Fortbestand der Dynastie möglichst bald zu sichern, machte auf Ernst II. einen bleibenden Eindruck. Noch viele Jahre später erwähnt der Herzog sie in seinen Memoiren3  : »Donna Maria ist auf den ersten Blick, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, ein psychologisches Rätsel. Ich habe es mir zur besondern Aufgabe gemacht, sie zu studieren.« Ob sie vielleicht eine Inspiration für die Figur der ebenso schwer durchschaubaren Diana von Solange in seiner Oper war  ? Gemeinsam sind der realen wie der erfundenen Frauengestalt jedenfalls die politische Intrige und das ungeschickte Taktieren, das beide in Schwierigkeiten brachte. So musste sich die Königin auf der Flucht vor politischen Unruhen mit ihrer Familie mehrmals in Belém in Sicherheit bringen. Dort traf sie auch Ernst II. wieder an, als er 1846 erneut auf der Durchreise in Portugal Halt machte. In seinen Erinnerungen schildert er eine absurde Situation, die mit ihren krassen Kontrasten fast an eine Opernszene erinnert4  : »In später Abendstunde saßen wir in Belem auf der Terrasse beim Thee  ; auf der Rhede dicht vor uns lag eine zum Schutz der königlichen Familie beorderte Fregatte, deren Musikbande die Töne des bekannten Strauß’schen Gabrielenwalzers wie zur Ironie herübersandte. Von dem auf der andern Seite des Tajo auf einem hohen Berg­rücken gelegenen Fort Almada vernahm man Kanonendonner und erkannte das Kleingewehrfeuer von angreifenden Colonnen.« Erst das Einrücken spanischer Truppen in Portugal im Juni 1847 beendete übrigens diese Unruhen. Ein weiterer, diesmal nicht historischer, sondern allgemeiner Bezug Ernsts II. zu seinem Libretto darf nicht unerwähnt bleiben  : In der Szene zwischen Fuegos und dem alten König (2. Akt, Nr. 12) geht es um die Frage des idealen Herrschers. Während Fuegos die Notwendigkeit einer starken Führung betont, spricht der sterbende König von der Liebe zu seinem Volk. Fuegos setzt ihm folgende Worte entgegen, die auch auf das im 19. Jahrhundert von Unruhen und Aufständen geplagte Portugal zutreffend erscheinen  : »Dies Land ist krank an heißem Blut / Und schlägt sich selber Wunden  ; / Da ist ein strenger Arzt ihm gut, / Den Arzt hast du gefunden. / Don Philipps starke Majestät / Sie brennt die Höllenwunde, / Im Sommerhauch der Liebe geht / Entnervt dies Volk zu Grunde.« Die Argumentation Fuegos’ ist nicht von der Hand zu weisen  : Nur eine starke und durchsetzungsfähige Autorität kann dem politischen Chaos Einhalt gebieten. In der 3 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 82. Ernst zitiert hier aus einem damals nach England geschriebenen Brief. 4 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 177. Zum Folgenden auch S. 182.

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Realität trat ja auch genau dieser Fall ein, sowohl im 16. Jahrhundert, als Philipp von Spanien schließlich das Land unter seiner Herrschaft befriedete, als auch fast 300 Jahre später, als wieder spanische Truppen einrücken mussten, um den Bürgerkrieg innerhalb Portugals zu beenden. Die Figur Fuegos’ hat also durchaus nichts rein Dämonisch-Irreales an sich, sondern erhebt ihre Stimme für eine politische Partei mit völlig berechtigter Argumentation. Es ist nur die Art ihres Vorgehens, die sie dem Publikum unsympathisch werden lässt. Dagegen steht der alte König Heinrich als Idealist da  : »O arme Welt, wenn wahr dies Wort  ! / Doch dünkt’s mich hart und trübe. / Recht und Gesetz sey unser Hort  ; / Ein leidend Volk braucht Liebe. / Nicht ohne Segen dieser Art, / Will ich mein Volk verlassen  ; / Ein mildes Recht soll, treu gewahrt, / Mein ganzes Reich umfassen.« Aus seinen Worten wird aber auch ersichtlich, dass es Heinrich nicht mehr um die Prinzipien eines aktiven Herrschers geht, sondern um sein Vermächtnis (die Hervorhebung des Worts »Segen« ist original), also vor allem um das, wodurch er in Erinnerung bleiben will. Liebe, Segen und Milde kann er sich nur deshalb erlauben, weil er nicht mehr lange die Verantwortung tragen wird. Daher auch sein Zurückschrecken, als er vom möglichen Kirchenbann erfährt – er fürchtet um das Wohl nach (!) seinem Tod. Die Darstellung der widerstreitenden Figuren Fuegos – Heinrich in diesem Libretto ist also durchaus nicht einseitig, sondern versucht, die Komplexität des Konfliktes widerzuspiegeln. Dieser Konflikt, die Frage nach den Grundsätzen des Herrschens, war für Herzog Ernst II., der sich darüber auch viel mit seinen Verwandten austauschte, nichts Unbekanntes. Doch wie in den früher komponierten Opern, wo es um Fragen der Moral, des Standesdenkens und Ähnliches ging, berührt der Komponist dieses fundamentale Thema nur am Rande, deutet es an, lässt es aber nicht als Keim einer stärkeren dramatischen Entwicklung sich entfalten. Und wie schon in den vorherigen Werken entscheidet er sich für die Liebe als stärkste Macht – am Ende geschieht Heinrichs Wille. Hätte Ernst II. bzw. einer seiner Librettisten der Auseinandersetzung um die Macht mehr Raum in dem Buch gegeben als dem Kampf um die Liebe, wäre wohl eine viel spannendere Textvorlage daraus entstanden. Dazu hätten aber auch die beiden Hauptkontrahenten im Hintergrund, der Prinz von Evora (Antonio) und König Philipp von Spanien, auf der Bühne erscheinen müssen. Ihr Schattendasein ist ein weiterer Schwachpunkt des Librettos, wie ein späterer Rezensent der Oper urteilt5  : »Ob der Thron von Portugal 5 Aus einer Rezension der Berliner Aufführung von »Diana von Solange« im Jahre 1882 (Zeitungsausschnitt aus der »National-Zeitung«, in StACo LA A 7364, f. 97).

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an König Philipp oder an den Prinzen von Evora fällt, kann uns Zuschauern völlig gleichgültig sein, denn wir lernen sie nicht selbst, sondern nur die Vertreter ihrer Sache kennen, die dadurch wieder in ihrem politischen Pathos verlieren, was sie menschlich für uns gewinnen. Die Interessen des Staates und des Herzens zu gleich wichtigen Momenten im Seelenleben des Helden zu machen, ist Prechtler nicht gelungen, nur das letztere hält wahrhaft Stich [sic], während das erstere über die Hauptperson hinaus und in die leere Luft weist.« Ob Ernst II. auch diesmal zuerst seine Freundin Charlotte Birch-Pfeiffer um die Erstellung eines Librettos gebeten hat, ist nicht zu belegen. Seine Freundschaft zu ihr legt es nahe6  ; ihr Ärger jedoch über seine Änderungswünsche und seine Unsicherheit im Umgang mit »Santa Chiara« lässt eine Ablehnung ihrerseits sicher erscheinen. Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist eine spätere Äußerung der Schriftstellerin in einem Brief an Ludwig Anzengruber (1839–1889), der sie kurz vor ihrem Tod noch um ein Libretto für den Komponisten Edmund Kretschmer (1830–1908)7 gebeten hatte8  : »[…] an einen Operntext kann ich in diesem Leben nicht mehr denken, denn es gibt für mich keine anstrengendere und undankbarere Aufgabe, denn 1.) habe ich entschieden kein Talent zu diesem Fach, weshalb ich mich mit einem Libretto mehr abquäle als mit drei Dramen zusammen  ! und 2.) geht es dem Librettisten genau wie dem Arzt  : stirbt der Kranke, so hat es der Doctor gethan, genest er, so that es seine gute Natur – und fällt eine Oper durch – so ist das Buch schuld, macht sie Glück, so ist es einzig der Compositeur, der es ermöglicht – enfin – in Deutschland ist keine Ehre mit einem Operntext zu holen.« Relativ häufig lehnte die Birch-Pfeiffer Anfragen von Komponisten ab, möglicherweise aufgrund der aus ihrer Sicht schwierigen Erfahrungen mit dem Buch zu »Santa Chiara«. Obwohl die Birch-Pfeiffer also für ein weiteres Opernprojekt mit dem Herzog nicht zur Verfügung stand, war es ihm wichtig, ihre Meinung zu seiner neuesten Schöpfung zu erfahren. Im Juni 1858 schickt er ihr das Libretto zu »Diana von Solange« zur Begutachtung  ; dabei betont er den »streng historische[n] Hintergrund« der Handlung9. Am 5. Januar 1859 lädt Ernst II. seine

6 Auch Ernsts wichtiger Ratgeber Gustav Freytag hatte sie erneut nachdrücklich empfohlen  : »Ich weiß in Deutschland immer noch Niemand bessern, als Lotte Birch.« (Brief Freytags vom 21. April 1856, zitiert nach Hirschberg, S. 107). 7 Von dem auch ein Brief in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg zu finden ist. 8 Vgl. Pargner, Ausstellungskatalog, S. 12. Auch zum Folgenden. 9 Brief Ernsts II. vom 26. Juni 1858 (DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, b.2, VIII 12188).

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alte Freundin in einem Brief zur Gothaer Premiere ein10  : »Ich habe nun auch meine Diana in die Welt geschickt und erfreue mich des Succeßes dieses Werks. Sehr begierig wäre ich auf den Eindruck, den es auf Sie macht, liebe Freundin. Am 9ten wird die Oper hier in Gotha zum ersten Male über die Bühne gehen.« In demselben Brief beschwört der herzogliche Komponist auch seine enge Verbindung zu Birch-Pfeiffer und betont, »wie ich von Herzen hoffe, daß wir noch eine lange Reihe von Jahren als alte Freunde neben einander her­ ziehen möchten  !« Da nun die alte Freundin als Librettistin ausfiel, wandte sich der Herzog in der Manier des erfahrenen Theatermäzens an einen anderen sehr erfolgreichen Bühnenschriftsteller seiner Zeit, den Österreicher Otto Prechtler11. Dieser hatte sich schon früh in lyrischen Werken im Umgang mit Versen geübt, in den 1840er Jahren seine ersten dramatischen Arbeiten veröffentlicht und sich ab 1850 in seinen Dramen mit Vorliebe historischen Stoffen gewidmet. Seine Stücke wurden auf dem Wiener Burgtheater mit Erfolg gegeben, und auch als Opernlibrettist war Prechtler nicht unerfahren12. In Coburg-Gotha waren Prechtlers Werke bekannt, sowohl einige seiner lyrischen Werke wie auch mehrere seiner Dramen sind in der Bibliothek überliefert und wurden nachweislich gespielt13. Der erste Kontakt zwischen Prechtler und dem Coburger Herzog kam wohl über Gustav Freytag zustande, der Anfang des Jahres 1856 die Anfrage des Herzogs an den im österreichischen Finanzministerium tätigen14 Prechtler weiterleitete15. Prechtler freut sich ganz offensichtlich über das in ihn gesetzte Vertrauen und beantragt seine Beurlaubung in Wien für eine Reise nach Coburg, Dresden und Leipzig Ende April 185616. Er verspricht dem Herzog, 10 Brief Ernsts aus Gotha vom 5. Januar 1859 (DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, b.2, VIII 12189). Zum Folgenden. 11 Zum Folgenden vgl. den Artikel »Prechtler, Otto« von Anton Schlossar in ADB, Bd. 26, 1888, S. 540–541. 12 Stieger (Bd. 2, S. 747f.) verzeichnet 25 Werke, darunter neben »Diana von Solange« z. B. auch »Anna von Bretagne« (Graf Fr. Gatterburg, Gotha 1863) und »Leonore« (Otto Bach, Coburg 1874). 13 Zum Beispiel der Gedichtband »Die Zeitlosen« von 1855 (LBC HP–57,1336) oder das frühe Drama »Isfendiar« von 1843 (LBC TB ST 922). Weiteres dazu ist dem OPAC-Katalog der LBC zu entnehmen. 14 Prechtler war als Schützling Franz Grillparzers (1791–1872) ab Mitte 1856 dessen Nachfolger als Archivdirektor im Wiener Finanzministerium. 15 Vgl. Briefwechsel hierzu in StACo LA A 7361, f. 37–44. 16 Brief Prechtlers aus Wien vom 20. April 1856 (StACo LA A 7361, f. 37f.). Zum Folgenden.

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»für seinen Genius den rechten Stoff sangbar zu gestalten«. Im Mai in Coburg angekommen17, ziert sich der Autor dermaßen bei der Festlegung seines Honorars (aus Ehrfurcht  ? oder aus Geschäftssinn  ?), dass Gustav Freytag am Morgen des 17. Mai 1856 genervt folgende Nachricht an »Otto Prechtler / Hochwohlgeboren / auf dem / Callenberg / Gaststube / im Bett« schickt18  : »Guten Morgen  ! Ich muß jetzt den Contract machen, es ist die letzte Stunde. Sagen Sie beim Teufel doch endlich, was Sie an Honorar beanspruchen. Zartgefühl ist angenehm, aber man kann daraus keinen Contract machen. / Ihr Freytag«. Der Vertrag, den Prechtler tatsächlich noch am selben Tag unterschreibt19, legt das Honorar auf 300 Taler fest. Dafür soll der Schriftsteller ein Opernbuch nach Motiven seines Dramas »Adrianna«20 entwerfen, nach mündlichen genaueren Absprachen im Laufe des Sommers fertigstellen und – wie damals üblich – dem Herzog als Eigentum überlassen. Am 30. Mai bedankt sich Prechtler beim Herzog21 und verspricht  : »Nächste Woche beginne ich die Oper.« Und tatsächlich folgt schon am 1. Juli 185622 die Übersendung des »vor einigen Tagen« fertig gewordenen Librettos aus Wien, an dem Prechtler nach eigener Aussage »mit Liebe und ungetheiltem Sinn« gearbeitet hatte. Er will es dem Herzog unbedingt recht machen und versichert  : »Das Buch ist, mit geringen Ausnahmen, welche in der Beilage bezeichnet und motivirt sind, ganz nach dem, auf Schloß Callenberg entworfenen Plan verfaßt.« Er hoffe nun, dass sich der Herzog durch seine Verse »zur Composition angeregt« fühle. Nur wenige Tage später erhält Prechtler die ausführliche Antwort seines Auftraggebers23. Ernst II. hatte es offenbar kaum erwarten können und das Buch nach Erhalt sofort mehrfach durchgelesen. Er betont in seinem Schreiben, dass 17 Den Aufenthalt Prechtlers in Coburg beschreibt auch Herzogin Alexandrine in ihrem Tagebuch (Bachmann, Diana, S. 106f.). 18 Kopie (?) des Schriftwechsels zwischen Prechtler und Freytag vom 17. Mai 1856 (StACo LA A 7361, f. 43f.). 19 StACo LA A 7361, f. 45. 20 Unter dem Titel »Adrienne« war dieses Stück Prechtlers von 1847 bereits 1849 in Gotha (Febr. 1849) und Coburg (Sept. 1849) gespielt worden (vgl. LBC TB ST 1023), wie unter anderem auch den Noten zu der darin als Schauspielmusik verwendeten Ouvertüre von Peter von Winter zu entnehmen ist (LBC TB Ouv 16). 21 Brief Prechtlers aus Wien vom 30. Mai 1856 (StACo LA A 7361, f. 46). Zum Folgenden. 22 Brief Prechtlers aus Wien vom 1. Juli 1856 (StACo LA A 7361, f. 47–50). Zum Folgenden. – Diesem Brief legt Prechtler außerdem das Schauspiel eines unbekannten Verfassers (er selbst  ?) sowie ein Empfehlungsschreiben für eine junge Schauspielerin bei. 23 Entwurf der Antwort des Herzogs vom 7. Juli 1856 an Prechtler (StACo LA A 7361, f. 51f.). Zum Folgenden.

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er das Libretto streng beurteilen werde, da er sich »fest vorgenommen [habe], in keiner Weise etwas Mittelmäßiges zu schaffen«. Geschickt beginnt er seine Ausführungen mit lobenden Worten  : »Was den Gedankengang, die eigentliche Handlung, die Vertheilung der Scenen u. Nummern anbelangt, so glaube ich nicht, daß auch dem schärfsten Critiker gelingen dürfte, einen wirklichen Makel zu finden«. Es seien wohl nur kleine Änderungen im Detail notwendig. »Ferner ist es Ihnen gelungen, Wärme u. Poesie die Scenen durchscheinen [?] zu lassen. Auch von dieser Seite ist das Werk unantastbar.« Doch dann legt der Komponist die Karten auf den Tisch und kritisiert offen Sprache und Versmaß des Buches. Obwohl man im Vorgespräch diesen Aspekt »besonders berührt« habe, findet Ernst II. die Verse Prechtlers schlecht und »bedauert«, »daß nur Weniges sich für die Composition eignen dürfte«. Auch die Prosateile seien, wie er deutlich hervorhebt, »so nicht zu componiren«. Offenbar war der Herzog wirklich überrascht, wie wenig die Vorlage seinen Vorstellungen entsprach, und mutmaßt – fast schon entschuldigend – im Hinblick auf den Autor  : »Sollten Sie nicht zu schnell gearbeitet haben  ?« Jedenfalls sei eine »gänzliche Neubearbeitung der Detail-Dichtung […] daher leider unumgänglich nothwendig.« Da diese detaillierte Änderung der Sprache unmöglich auf dem Briefwege erfolgen könne, bietet Ernst II. an, die Umarbeitung der Verse selbst zu übernehmen. Wenig sensibel rät er außerdem dem Bühnenautor, selbst noch einmal seine Verse von einem »Freunde beim Theater« in Wien begutachten zu lassen. Prechtlers Versmaß sei für Arien oder Chöre völlig ungeeignet, auch findet er die Strophen generell zu lang. Am Ende bittet der Herzog noch um Entschuldigung für seine Offenheit. Ähnlich pikiert wie wenige Jahre zuvor Birch-Pfeiffer reagiert Prechtler prompt und nicht weniger deutlich auf die Kritik aus Coburg24. Höflich, aber distanziert bedankt er sich zunächst für die »edle Aufrichtigkeit«, ist aber von der Kritik an seinen Versen »befremdet, weil einerseits viele bewährte Componisten mir die Gabe componibler Versstruktur im hohen Grade zusprachen, andererseits weil ich eben dieser Oper mehr Liebe u. Fleiß in dieser Beziehung zugedachte, als sonst je  ; allein bei näherer Prüfung der scharfsinnigen Bemerkungen Ew. Hoheit fühlte ich, daß ich es – der Spezialität Ihres schaffenden Geistes gegenüber – hauptsächlich in der Versform u. der Wahl des Metrums versehen [sic] habe.« Er erinnert sich zerknirscht, dass der Herzog sich einen jambischen Rhythmus in der Sprache gewünscht habe. »Nun muß ich gestehen, daß mir die jambische Form (3 u. 4 füßig) (oder Trochäen desgl.) eben 24 Brief Prechtlers aus Wien vom 10. Juli 1856 (StACo LA A 7361, f. 53f.) Zum Folgenden.

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so, wie Eurer Hoheit vorzugsweise schön erscheint und daß ich für diese Form selbst am meisten Sympathie habe  ; allein die meisten Componisten, denen ich Bücher schrieb, zogen fast ausschließlich (bis auf Nicolai) die dactylischen u. verwandten Metra vor, die mir viel schwerer von der Hand gehen, als die edleren, regelmäßigeren jambischen Liedformen.« Er entschuldigt sich, obwohl er bei bestem »Willen und Können« gehandelt habe, und stimmt zu, dass »die langathmigen Anapaesthen schwerer zu componiren u. nicht so melodiensehnsüchtig« seien. Bei den Prosa-Rezitativen sei ihm allerdings »die Intention und der spezielle Wunsch« des Herzogs nicht ganz klar, hier gehe es ja vor allem um die »Eigenthümlichkeit der musikalischen Sprache«  ; der Herzog solle sie am besten selber umarbeiten. Da er Ehrlichkeit in der Aussprache in Kunstdingen für eine »heilige Pflicht« halte, sei er nicht beleidigt. Dennoch scheint eine kleine Stichelei durch, wenn Prechtler anfügt  : »Ich gewahre mit innerer Freude, daß Ew. Hoheit, wie ich es ahnte u. bald fühlte, es als Künstler ehrlich und recht mit der Kunst meinen und daß Ihr Genius längst den Staub des (wenn auch schönen) Dilettantismus von den aetherischen Flügeln abgeschüttelt hat.« Nach all diesen Zugeständnissen besteht Prechtler dann jedoch darauf, die Umarbeitung der Verse (nicht der Prosa) auf jeden Fall selbst vornehmen zu wollen. Dabei versteigt er sich sogar zu der schwülstigen Bitte, »gebieten Ew. Hoheit, daß ich darf, was ich zu müssen eingesehen  !« Sollte der Herzog darauf bestehen, selbst Hand an den Text zu legen, bitte er wenigstens darum, die Änderungen einsehen zu dürfen, »um an die neue, vermischte Lesart die letzte Feile u. Klärung anzubringen«. Hier wird deutlich spürbar, wie wichtig für Prechtler sein Selbstverständnis als Autor dieses Textes ist und dass er seine Rechte daran nur äußerst ungern einschränken lässt. Am Ende des Briefes wehrt er sich noch gegen den Vorwurf, zu schnell gearbeitet zu haben. Er habe den Text eben in kurzer Zeit fertigstellen können, da er »mit voller Liebe und innerlicher Gewissenhaftigkeit« sich in die Arbeit gestürzt habe  : »Ich habe nämlich ununterbrochen tagtäglich 6–7 Stunden durch volle drei Wochen daran gedichtet u. gefeilt und muß wiederholen, daß nur ein Irrthum über die Spezialität Ihres schaffenden Geistes mich den Ton und die Form der Verse vergreifen ließ.« Der Herzog, der mit der Absegnung des geänderten Textes durch Prechtler einverstanden ist25, handelt – wie immer in solchen Angelegenheiten – mit fachkundiger Rückendeckung aus Coburg-Gotha. Zur Beurteilung der Precht25 Vgl. hierzu den Briefentwurf aus Coburg an Prechtler in Wien vom 20. Juli 1856 (StACo LA A 7361, f. 58).

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ler’schen Arbeit zieht er seinen Vertrauten Gustav Freytag hinzu, der über den Kollegen wenig günstig bemerkt26  : »Dieser gemüthliche Prechtler ist ein ächter Wiener, und sein Brief eben so schlau, als seine Verse dumm.« In komplizenhafter Absprache vereinbaren Freytag und der Herzog, dass man den Coburger Regisseur Kawaczynski mit der Verbesserung der Verse beauftragen werde. Am Ende solle dann Freytag ein endgültiges Gutachten über den Text abgeben, wovon aber offenbar weder Kawaczynski noch Prechtler erfahren sollen, da Freytag die Eifersucht der Kollegen fürchtet. Nicht ohne Vergnügen versichert er dem Herzog  : »Also ich bin bereit zu jeder Art von schwarzer That.« Umso bemerkenswerter erscheint die nicht mindere Vertrautheit, mit der im September 1856 Freytag an einen »Freund« schreibt27, dass der Text zur Oper trotz aller Verbesserungen nicht gut werden könne  : »Prosaisch, und ein eifriges Bestreben des Librettisten seine Gefühle in Plattitüden auszudrücken.« Nach dem scheinbar so offenen Austausch mit dem Herzog wirkt es fast ein bisschen hinterhältig, wenn Freytag hinzufügt  : »Aber Sie haben Recht, wir wollen dem Herrn nicht noch mehr gegen den Text sagen, den er doch bis zu gewissem Grade lieb gewinnen muß.« Freytag glaubt also von Anfang an nicht an einen Erfolg des Werkes – denn ohne ein gutes Buch kann die Oper kaum gelingen. Er behält das im Gespräch mit seinem Herzog aber offenbar lieber für sich. Derweil erfüllt der erfahrene Theatermann Kawaczynski brav seine Aufgabe und nimmt nach den Angaben des Herzogs zahlreiche Änderungen an Prechtlers Buch vor. Am 5. August 1856 sendet er seine Fassung an den Herzog mit den Worten28  : »Ich bin bei der Bearbeitung dieses Werkes den gegebenen Andeutungen möglichst treu gefolgt, habe mich aber noch außerdem, namentlich in Bezug auf den Bühneneffect, noch zu mancherlei Aenderungen, Kürzungen und Zusätzen, während der Arbeit, veranlaßt gesehen.« Auch Kawaczynski ist jedoch nicht hundertprozentig überzeugt von dem Text, was er nicht verhehlt  : »Wir mir scheint, ist das Buch in dieser Form etwas glätter, und für die musi­ kalische Composition geeigneter, geworden, obwohl sich, im Ganzen, noch mancherlei aussetzen ließe.« 26 Brief Freytags vom 14. Juli 1856 aus Siebleben an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 55–57). Zum Folgenden. 27 Brief Freytags an einen nicht genannten »Freund« vom 18. September 1856 (StACo LA A 7361, f. 59f.). Möglicherweise handelt es sich um Kawaczynski, und Freytag hat aus seiner Oberaufsicht über die Korrekturen am Libretto doch kein Geheimnis gemacht. – Zum Folgenden. 28 Brief Kawaczynskis aus Coburg vom 5. August 1856 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 69). Zum Folgenden.

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Im Oktober 1856 wird dann der überarbeitete Text zur Einsichtnahme durch Prechtler nach Wien geschickt29. Ob dessen Lob für die Änderungen30 ehrlich gemeint ist, lässt sich angesichts der geradezu überbordenden Begeisterung Prechtlers für die »besonders in den Rezitativen substituirten einfacheren und kürzeren Worte«, die zwar »hie und da weniger poetisch« klängen, jedoch »deutlicher«, »musikalischer und entschiedener« wirkten, kaum entscheiden. Besonders gefallen haben mag dem Herzog dieser Satz Prechtlers31  : »Die musikalischen Formen sind hie u. da so scharf hervortretend, daß ich mich der Vermuthung nicht erwehren kann, als habe Seine Hoheit stellenweise oder einige dieser Szenen bereits componirt.« Als Prechtler dann im November 1856 sein vereinbartes Honorar von 300 Talern erhält32, ist sein Engagement für die herzogliche Oper erst einmal beendet. Im März des darauffolgenden Jahres schreibt ihm der Herzog noch einmal33, kondoliert herzlich zu einem Todesfall in Prechtlers Familie und vergißt dabei nicht zu erwähnen, dass er gerade die Komposition des vierten Aktes der »Diana von Solange« beende. »Trotz vieler Störungen und Unterbrechungen ist es mir dennoch gelungen, rasch vor zuschreiten [?]  ; und wie das jüngste Kind immer der Liebling der Eltern ist, so glaube ich auch, dass dieses Werk nicht nur durch seine dramatischen Vorzüge, sondern auch in musikalischer Beziehung das werthvollste sein wird.« Ähnlich wie bei Charlotte Birch-Pfeiffer (wenn auch weit weniger intensiv) sucht der Herzog hier eine persönliche Verbindung zu seinem Librettisten, dem Mitarbeiter an seinem Werk. Er spricht Persönliches aus und hofft wohl auf eine ehrliche Anerkennung für sein künstlerisches Schaffen, über alle Standesgrenzen hinweg.

Zwischen Recht und Anerkennung  : Der Zwiespalt des Bearbeiters

Unmittelbar nach Fertigstellung des Librettos – wahrscheinlich schon parallel34 – begann der Herzog (mithilfe seiner Frau Alexandrine) die Niederschrift seiner 29 Entwurf eines Briefes aus Coburg vom 5. Oktober 1856 (StACo LA A 7361, f. 61f.). 30 Brief Prechtlers aus Wien vom 21. Oktober 1856 (StACo LA A 7361, f. 63f.). Zum Folgenden. 31 Im Original ist diese Stelle angestrichen und mit Ausrufezeichen versehen (offenbar von Empfängerseite). 32 Brief mit Quittung aus Wien vom 4. und 8. November 1856 (StACo LA A 7361, f. 65f.). 33 Brief Ernsts II. vom 25. März 1857 aus Gotha an Prechtler (Henrici, S. 23). Zum Folgenden. 34 Bereits am 28. August 1856 ist in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung« (5. Jg., Nr. 38, S. 152) zu lesen  : »Der Herzog von Sachsen-Koburg ist mit der Komposition seiner 5. Oper beschäftigt. Sie hat den Titel ›Diana‹. Das Buch ist von Otto Prechtler.«

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musikalischen Gedanken für die Oper. Der musikalischen Skizzierung durch den Herzog folgte wie üblich die Instrumentierung und Bearbeitung durch das herzogliche Fachpersonal. Im Falle von »Diana von Solange« war es der Hofmusiker Traugott Krämer. Dessen Brief vom 25. Mai 1857 gibt einen seltenen Einblick in die Kompositionswerkstatt der herzoglichen Opern35  : »Ich erlaube mir die Preghiera Eurer Hoheit, bearbeitet für die Instrumentation, zur Prüfung vorzulegen. Ob die Begleitung angemessen sein wird und die kleine Harmonieänderung in den ersten Tacten wobei aber die Melodie unberührt blieb, Beifall findet, davon werden mich Hoheit gnädigst in Kenntniß setzen. Im 7ten Tact bei den Worten ›im Staub lieg’ ich vor dir‹ muß nothwendig die Stimme ­fallen, man kann die Demuth mit erhobener Stimme nicht darstellen  ; die Verlegung der Noten in die untere Octave dürfte deßhalb am Platze sein.« Krämer beschränkt sich demnach nicht nur auf die Instrumentierung, sondern nimmt nach Gutdünken auch Änderungen in Harmonie und Melodie vor, damit, wie er später betont, die Musik auch »von gewünschtem Effect« sei. Anschließend bittet er um Urlaub ab dem bevorstehenden Ende der Opernsaison (31. Mai), falls der Herzog nichts mehr für ihn zu tun habe. »Der 3te Act, der längste in der Oper, und die beiden großen Ensemble’s des 4ten Actes bis zu dem Duett zwischen Diana und Fuegos Nr. 23 sind fertig Instrumentirt [sic] und zwar mit alle mir nur möglichen Sorgfalt und Bühnenkenntniß. Absichtlich habe ich die schwersten Acte zu erst in Angriff genommen weil hier viele Stellen durch ungewöhnliche Klangfarben und Contraste wirken sollen wozu nicht blos Technische Gewandheit sondern auch – es gibt keinen andern Ausdruck – die Speculation, mit zu Hülfe genommen werden muß, was bei den ersten Acten weniger nöthig ist  ; deßhalb bearbeite ich auch den 1ten Act mit der Ouverture zuletzt.« Am Ende bittet Krämer daher »[u]m Rückgabe des Blattes […] da der Orchester= Schluß noch fehlt.« Nach dem Antwortvermerk auf Krämers Brief ist der Herzog zunächst mit der Arbeit zufrieden und lässt ihn nach Gotha zurückkehren, hält sich aber eine weitere Besprechung bezüglich der Oper offen. Zuverlässig liefert Krämer dann im August 1857 die geprüfte Druckvorlage für das Textbuch36 und tauscht mit Kawaczynski eine zweite Abschrift der Partitur, die Anmerkungen für den Herzog enthält37. Dabei schlägt Krä35 Brief Krämers aus Coburg vom 25. Mai 1857 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 67f.). Zum Folgenden. – Skizzen oder nähere Informationen zur Entstehung der Partituren Ernsts II. liegen ja leider bisher nicht vor. Dieser Brief ist einer der wenigen Belege für das Vorgehen der einzelnen Beteiligten. 36 Brief Krämers aus Gotha vom 12. August 1857 (StACo LA A 7361, f. 80–81). 37 Briefwechsel vom 14. und 15. August 1857 (StACo LA A 7361, f. 82, 83).

»Diana von Solange« 

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mer vor, ein Metronom anzuschaffen, damit man Metronomangaben in die Partitur eintragen könne38. Auf seine Nachricht vom 2. Januar 1858, dass der Klavierauszug (»mit allen Aenderungen«) fertig, das Textbuch im Druck, die Korrekturen der ersten drei Akte beendet seien und die Partitur gerade kopiert werde, erhält Krämer einen der wenigen Dankesbriefe für seine Arbeit39. An den Herzog schreibt er am selben Tag ebenfalls einen langen Brief, in dem er versichert, er habe sich bei seinen Korrekturen streng an die zu Beginn ausgemachten Vorgaben gehalten40. Anschließend bringt er seine Bewunderung für Ernst II. zum Ausdruck  : »[…] die geistige Thätigkeit eines Fürsten noch insbesondere ist auf die vielfachste Art in Anspruch genommen, und von ihm fordert man stets das richtigste [sic] und letzte Urtheil in Allen, selbst den heterogensten Dingen.« Ein deutliches Urteil des Herzogs hat dann auch Krämer getroffen, und zwar offenbar im Hinblick auf die Komposition der »Preghiera« und des Finales des vierten Aktes. Blumig beschreibt Krämer, wie ihm die Idee zu der Melodie im »fiebernde[n] Traum« gekommen sei. Der Herzog ist davon aber wenig beeindruckt und lehnt den Vorschlag Krämers ab. Devot versichert der Untergebene  : »Weit entfernt mich verletzt zu fühlen danke ich vielmehr, und werde stets dankbar sein für jede offene Aussprache die von Ihnen mein gnädigster Herr selbst kommt, denn oft ist mir wesentlicher Nutzen aus diesem Urtheil gekommen.« Überhaupt ist die Position Krämers als Mitarbeiter an den Werken des Herzogs keine einfache  : Er fungiert als Kritiker und Kritisierter zugleich, soll Außergewöhnliches leisten und doch in der gewohnten Anstellung verbleiben. Dies verursacht viele Widersprüche, unter denen der stets nach Anerkennung strebende Krämer besonders leidet  ; auch wenn man dem Herzog zugutehalten muss, dass er – im Unterschied zu anderen künstlerisch ambitionierten Fürsten – nie ein Geheimnis um seine Mithelfer macht. 38 Brief Krämers aus Gotha am 15. August 1857 an Kabinettsrat von Meyern-Hohenberg (StACo LA A 7361, f. 83)  : »Eine Frage möchte ich mir noch erlauben. Ist Seiner Hoheit [sic] vielleicht im Besitz eines Metronoms  ? – Bei der Kapelle haben wir auch keinen, und doch ist es bei einem so großen Werk was grade in bezug auf Tactbestimmung nicht ohne Schwierigkeit ist, höchst nöthig hin und wieder einen bestimmten Leidfaden [sic] durch den Metronom zu bezeichnen.« 39 Vgl. den Brief Krämers aus Coburg vom 2. Januar 1858 an Kabinettsrat von Meyern-Hohenberg sowie den darauf vermerkten Entwurf einer Antwort (StACo LA A 7361, f. 92–93). – Doch erst am 30. August 1858 liegen dann endlich 30 Partituren und 40 Ausgaben der Ouver­ türe im Druck vor (StACo LA A 7361, f. 111). 40 Brief Krämers aus Coburg vom 2. Januar 1858 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 94–96). Zum Folgenden.

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Am 8. Juni 1857 schreibt Krämer aus dem Heimaturlaub in Gotha an den Kabinettsrat von Meyern-Hohenberg41. Offenbar hat er Zeit gehabt, über seine Arbeit für den Herzog nachzudenken. Auch ist seine Position innerhalb der Hofkapelle nicht einfach, denn einerseits genießt er das besondere Vertrauen des Herzogs, hat damit sogar den gleichaltrigen, ihm aber vorgesetzten Kollegen Lampert quasi überholt  ; andererseits muss er gleichzeitig über seinen normalen Dienst hinaus viel arbeiten und erhält dafür keine adäquate Vergütung. Auch an der Komposition von »Santa Chiara« hatte er ja schon entscheidend mitgearbeitet, deren Einkünfte aber waren vom Herzog der Hofkapelle als ganzer geschenkt worden. Sorgfältig und vorsichtig formuliert er daher sein Anliegen42  : »Man hat mir nach Beendigung der Chiara, allerlei Schwierigkeiten und Intriguen in den Weg gelegt, zwar nicht unerwartet, und leicht zu durchschauen, aber so ärgerlicher Art das ich wirklich damals gewünscht habe, Hoheit hätten sein Vertrauen dem überlaßen der es früher genoß. Die Folge war, das durch mein offenes, allen derartigen Erbärmlichkeiten fremdes Wesen, sehr unangenehme Situationen entstanden  ; solche, die meinem Character und Denkungsart total zu wieder sind und ewig bleiben werden  ; es findet sich später einmal Gelegenheit auf einzelheiten [sic] zu kommen, die niemand außer mir kennt. – Nach Vollendung des neuesten Werkes Seiner Hoheit, dessen Instrumentalantheil ich seit einem Jahre meine Thätigkeit widme, sind dieselben Unannehmlichkeiten wieder zu ahnen, denen ich aber durchaus nicht begegnen will und kann. Am 2ten Januar 1858 wird Seiner [sic] Hoheit die fertige Partitur nebst Clavier=Auszug der Oper Diana v. Solange aus meinen Händen erhalten. Ihm steht dann die weitere Verfügung zu, ich werde mich, wenigstens bei der Aufführung an unserer Bühne, nicht im geringsten betheiligen, weder beim Einstudiren noch sonst. Die Partitur wird so gewissenhaft sein, das nur gänzliches Ungeschick oder böser Wille würde Störungen veranlaßen können. Seiner Hoheit wird dann die Ueberzeugung gewinnen das er sein Vertrauen nicht zu bereuen hat. – Bis dahin giebt es freilich noch manche Note zu schreiben  ; eine angenehme Beruhigung giebt es indeßen wenn man die Aussicht hat, das der materiale Vortheil der Arbeit, später der Familie zu Gute kommen wird. Deßhalb bitte ich Sie Herr CabinetsRath, als einen Mann zu dem ich das aufrichtigste Vertrauen habe, Sr Hoheit dahin zu bestimmen das er die Gnade hat, das Eigenthums=Recht der Oper ›Diana v. Solange‹ in Partitur und Clavier=Auszug, mir gnädigst zu verwilligen  ; Lampert hat bei den früheren 41 Brief Krämers aus Gotha vom 8. Juni 1857 (StACo LA A 7361, f. 72–73). 42 Brief Krämers aus Gotha vom 8. Juni 1857 (StACo LA A 7361, f. 72–73).

»Diana von Solange« 

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Werken dieselbe Gnade genossen um welche ich schon – aber leider vergeblich – bei der Chiara bat. Ich glaube das der Wunsch nicht unbillig ist und hoffe deßhalb sicher auf gewährung [sic]. – Für den Druck des Clavier=Auszuges sorge ich dann selbst, und eben so für die Verbreitung der Partitur  ; Seiner Hoheit soll sich überzeugt halten das die Angelegenheit solide und in jeder Art Seiner würdig von mir behandelt werden wird. Mir wird der Gewinn zur Wohlthat, schon da er mir die Mittel gewährt den Aufführungen größerer Bühnen beizuwohnen, und Hoheit wird es gern vergönnen, da er Zuversichtlich großen Ruhm von diesem Werke erndten wird.« Offenbar gibt es also Neider im Kreise der Hofkapelle, und Krämer muss fürchten, am Ende ohne Lohn für die viele Arbeit dazustehen. Auch sein schwieriges Verhältnis zu Lampert wird spürbar, wenn er so stark betont, dass er sich vom Einstudieren und Dirigieren der Oper (traditionell Lamperts Aufgabe) gänzlich fernhalten werde. Der Herzog hat wohl in diesem Fall der Bitte Krämers entsprochen. Zwar ist der entsprechende Brief nicht bei den Akten zu finden, aber viele Jahre später (1884), als es erneut gilt, die Rechte an »Diana von Solange« zu klären, vermerkt der Herzog  : »an Krämer geschenkt«43. Auch als im Jahr 1889 das Regensburger Theater nach den Konditionen für »Diana von Solange« fragt, melden sich die hinterbliebenen Töchter Krämers, berufen sich auf den Briefwechsel ihres verstorbenen Vaters mit von Meyern-Hohenberg und bitten als Erben um Überlassung der Tantiemen – was auch geschieht44. Dass die Würdigung seiner Arbeit im Rahmen der herzoglichen Opern kein einfaches Thema für Krämer ist, wird in mehreren seiner Schreiben deutlich. Als er am 2. Januar 1858 dem Komponisten den fertigen Klavierauszug und die Partitur von »Diana von Solange« übersendet, wendet er sich in außergewöhnlich offenen Worten an seinen Herzog45. Er betont, dass er »am heutigen Tag« 25 Jahre im Dienste des Herzogs stehe, und führt wenig bescheiden aus  : »Allen erlahmenden Einflüßen, denen die Musikzustände kleinerer Städte nicht entgehen können, den, sehr oft gar nicht kunstfördernden Anordnungen welche eine Reihe von 4 Intendanten und 7 Kapelldirectoren über ein solches 43 Brief des Advokaten Dr. Oskar Friedrich Eirich (1845–1921) aus Wien vom 29. Mai 1884 an den Herzog (StACo LA A 7364, f. 90–91)  : Darin bietet sich Eirich als Vertreter (auch für den Vertrieb) des Herzogs in den Angelegenheiten seiner Opern an. Er sei vom Direktor der Grazer Oper darauf aufmerksam gemacht worden, dass der Herzog seine »Diana von Solange« selbst vertreibe. – Antwortvermerk auf dem Schreiben  : »Nicht mehr möglich, da an Krämer geschenkt.«. 44 Briefwechsel hierzu in StACo Theater 15, f. 3 (Bleistift), 5–7, 9–12 (Bleistift), 20f. 45 Brief Krämers aus Coburg vom 2. Januar 1858 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 94–96).

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Institut wohl verfügt haben könnten, den [hier durchgestrichen  : pecuniären] allerlei Enttäuschungen und endlich den pecuniären Calamitäten zum Trotz, sich durchzuarbeiten und an der Kunst in der edelsten Bedeutung fest zu halten und so vorwärts zu schreiten, das einen Mann von solcher geistigen Kraft wie Ew. Hoheit, damit gedient werden konnte, setzt wenigstens Character und Ausdauer, wahrscheinlich aber auch Selbsterkenntniß und damit verbunden Sicherheit voraus. Vorliebe für eigene Sachen wird auch nicht stark sein, ich arbeite seit 6 Jahren nur für Ew. Hoheit und habe für meinen Namen gar nichts gethan.« Er fügt sogar – reichlich überzogen – hinzu, dass er selbst nie Opern schreiben würde, »denn Hoheit müßen für Ihre Werke eine Instrumentation allein haben welche nicht weiter gehört werden darf.« Nun bittet er aber darum, dass wenigstens seine vorhandenen Kompositionen (Kantaten, Sinfonien etc.) vom Herzog nach England empfohlen würden. Außerdem habe seine Familie nach seiner langen Dienstzeit doch ein »sorgenfreies Loos« verdient  ; er aber müsse immer noch mit 450 Gulden eine Familie von sieben Personen ernähren. Seine abschließende Versicherung, den Herzog wirklich nie wieder mit einer Bitte belästigen zu wollen, dürfte für den Empfänger der einzig erfreuliche Satz des langen Briefes sein. Es ist anzunehmen, dass Krämer auf dieses Schreiben keine Antwort erhalten hat. Was hätte der Herzog auch tun sollen  ? Zu diesem Zeitpunkt ist der Erfolg von »Diana von Solange« noch keineswegs gewiss, weshalb der Herzog wohl nicht zu großen Sondervergütungen aufgelegt sein dürfte. Und die loben­den Worte, nach denen Krämer offenbar so sehr dürstet, scheinen auch nicht zu fallen. Sonst würde der arme Bearbeiter wohl kaum eine Woche später schon wieder einen derartigen Brief loslassen, diesmal allerdings wie gewohnt an den Kabinettsrat von Meyern-Hohenberg46  : Gleich zu Beginn beschwert Krämer sich über die Kosten für Kopien und Abklatsch (Druck) der Partitur von ­»Diana von Solange« – dabei hat er selbst darum gebeten, dass ihm die Rechte am Druck überlassen würden. Dann unterstreicht er, dass er mit den »musikalischen Privatarbeiten« für den Herzog voll ausgelastet sei, »und da dieselben der Öffentlichkeit übergeben werden, auch große Verantwortung nach sich ziehen können weil der Name des Fürsten genannt wird und grade dieses Feld auf welches sich der Herr begiebt das allerschwierigste ist worauf man sich nur befinden kann. Die musikalische Kritik ist unbarmherzig weil sie gewöhnlich selbst erlittene Niederlagen zu rächen hat, und es ist immerhin 46 Brief Krämers aus Gotha vom 10. Januar 1858 an den Kabinettsrat [von Meyern-Hohenberg] (StACo LA A 7361, f. 125–126). Zum Folgenden.

»Diana von Solange« 

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eine Auszeichnung das seit 5 Jahren außer Tannhäuser nur die Chiara auf deutschen Bühnen, und doch meistens mit Beifall, zur Ausführung gelangt ist.« Da ihm klar zu sein scheint, dass für die wiederholte Bitte um Geld (auf die alles hinausläuft) noch nicht genug schmeichelnde Worte zu lesen waren, fügt er an  : »Wenn auch die Instrumentation etwas mehr als früher zum gelingen [sic] beigetragen haben sollte, so muß ich doch erkennen [?] das der Herzog selbst erst, durch seine geistreiche und scharfsinnige Auffassung moderner Kunstwerke, manche neue Ansicht in mir erweckt und die Bahn selbst bezeichnet auf welcher Ihm gedient werden konnte  ; wenigstens wird es mein Bestreben sein dieselbe zu verfolgen.« Am Ende rechnet er noch vor, wie viel Geld die Hofkapelle schon mit dem Verkauf von Partituren zu »Santa Chiara« verdient habe47 und dass er hoffe, mit »Diana von Solange« aufgrund der billigeren Vervielfältigungsmethode (Abklatsch) noch mehr Gewinn zu machen. Kein Wunder also, dass die Intendanz nach Beschluss des Herzoglichen Privatbüros Ende des Jahres 1858 (nach den ersten Erfolgen der Oper) anordnet, Krämer solle seine Druckkosten von 343 fl. und 14 kr. rheinl. aus den erzielten Honoraren bestreiten48. Auch für die Textbücher zu »Diana von Solange«, die kurz vor der Premiere noch gedruckt werden müssen, überträgt man ihm die finanzielle Verantwortung49. Ein vorerst letztes Mal bäumt er sich auf und schreibt am 9. Januar 1859 erbost an die Intendanz50  : »Die Oper kann sich einer großen Verbreitung zu erfreuen haben, dennoch sollte man sich in bezug auf die Einnahmen keine chimärische Vorstellung machen da wir in Deutschland leben wo Dichter und Componisten selten andere Vergünstigung genießen als die – von der Einkommensteuer befreit zu sein.« Das Gefühl mangelnder Anerkennung, wahrscheinlich regelmäßig befeuert durch die üblichen Konflikte im Orchester und am Theater, nagt offenbar jahrelang an Krämers Gemüt. In einem Schreiben vom 6. [?] Mai 187651 reißt 47 Zu diesem Zeitpunkt (10. Januar 1858) waren nach Krämers Angaben Partituren der »Santa Chiara« verkauft nach  : Karlsruhe (150 fl.), Frankfurt (175), London (»Prinz Albert«) (191), Brüssel (König) (200), Dresden (210), Sondershausen (96 fl. 15 kr), Gratz [sic] (67 fl. 12 kr), Hamburg (127 fl. 45 kr), Darmstadt (150), Breslau (150), Leipzig (100). Die Summe der Einnahmen beträgt demnach 1617 fl. und 12 kr, davon müssen 450 fl. »Copialkosten« abgezogen werden, es bleiben als Gewinn also 1167 fl. und 12 kr. 48 Briefe hierzu in StACo LA A 7361, f. 127–129. 49 Dokumente hierzu vom 23. und 26. November 1858 in StACo Theater 10, f. 19 und 21. 50 Brief Krämers aus Gotha vom 9. Januar 1859 an die Intendanz (StACo LA A 7361, f. 128– 129). 51 Brief Krämers aus Coburg vom 6. (?) Mai 1876 an den Kabinettsrat (StACo LA A 7363, f. 37–38). Zum Folgenden.

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er erneut alte Wunden auf, vielleicht auch weil zu dieser Zeit die Einnahmen aus »Diana von Solange« stark zurückgehen. »Die Verbreitung der Herzoglichen Compositionen ist das Wesentlichste  ; diese Sache wird seit Jahren mit Anstand und zur Ehre des Componisten von mir geleitet.« Nachdem er diese Leistung seinerseits betont hat, geht er dazu über, Forderungen zu stellen. Hintergrund seiner Unzufriedenheit sind offensichtlich Intrigen (»Wühlereien einzelner Mitglieder«) innerhalb der Hofkapelle. Außerdem scheint Krämer schlichtweg neidisch zu sein auf den finanziellen Ertrag aus »Santa Chiara«, der ja allen Mitgliedern der Hofkapelle zugutekam  : »Der Ertrag der Oper an die Kapelle von damals 1854 sollte eine Anerkennung der musicalischen Leistung sein, und war es im vollsten Sinne, denn die Herrn erhielten in Zeit von [sic] 7 Jahren von 17 Bühnen die Summe von 1600 Gulden, während ich während der Arbeitszeit von 3 Jahren gar nichts erhielt, und von da an eine jährliche Remuneration von 50 Gulden.« Dabei bezieht er sich nicht nur auf seine Arbeit an der Oper »Diana von Solange«, die ihm ja im Jahr 1858 ebenso wie »sämmtliche noch folgenden Compositionen, die unter meiner Mitwirkung entstehen würden, […] als Ertragsobjecte« vom Herzog überlassen worden seien. Vielmehr bezieht er sich nun auf seine Änderungsarbeiten am dritten und vierten Akt von »Santa Chiara«, die er im Jahr 1864 auf Wunsch des Herzogs vorgenommen habe  : »Da von der Chiara der dritte Act seit 1864 umgeändert ist, so müßen natürlich diese Verbesserungen auch erworben werden, weil Seiner Hoheit ohne dieselben die Genehmigung nicht ertheilen würden.« Alles in allem fordert Krämer eine Nachzahlung des Herzogs, auch für den Aufwand, den er betreibe, indem er immer wieder das ganze Material an irgendwelche Theaterdirektionen sende. Es entspinnt sich ein heftiger Briefwechsel52, in dem die Intendanz alle Zahlungen an Krämer aus den Jahren 1856 bis 1876 auflistet und feststellt, dass die Änderungen Krämers an »Santa Chiara« von 1864 »noch lange keine Aufhebung der Schenkung« der Oper an die Hofkapelle begründeten. Noch ein letztes Mal zahlt man ein Sonderhonorar von 200 Mark an Krämer, dafür macht man ihm klar, dass er keinerlei Recht habe, irgendwelche Honorare aus Aufführungen von »Santa Chiara« für sich zu behalten53. Wütende Briefe Krämers, die sich bis ins Jahr 1883 erstrecken, belegen jedoch sein nie befriedigtes Verlangen nach Anerkennung (und Geld). 52 Dokumentiert in StACo Theater 9, f. 93–121a. Zum Folgenden. 53 Im April 1880 hatte Krämer zugegeben, »für die Bearbeitung der Oper Santa Chiara« je zehn Prozent der Honorare aus Bremen (1876), Königsberg und Stettin behalten zu haben (StACo Theater 3684, o. F.).

»Diana von Solange« 

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Fertigstellung und Premiere

Angesichts all dieser Diskussionen und der vielfältigen Aufgaben des Herzogs wurde seine fünfte Oper nur langsam fertig54. Im Juni 1858 schreibt Ernst II. an seine alte Freundin Birch-Pfeiffer55  : »Seit Monaten habe ich nichts mehr componirt  ; einmal hatte ich wenig Zeit und konnte auch nicht in die Stimmung kommen, und zum anderen Mal war ich durch die letzte Feile, die ich an meine neue Oper legte, ganz in Anspruch genommen.« »Die letzte Feile« meint auch noch einmal den Text, mit dem Ernst II. nach wie vor nicht zufrieden ist56. Um fachkundigen Rat einzuholen, aber auch in der Hoffnung auf eine baldige auswärtige Aufführung von »Diana von Solange«, lässt der Herzog das Buch an die Hoftheater von Berlin und Dresden senden57. Wieder fungiert Gustav Freytag als Vermittler der Nachrichten, er analysiert ausführlich die vom Berliner Generalintendanten von Hülsen geäußerten Bedenken58  : »Daß die Oper stark auf Effect erfunden und daß feinere charakterisierende Momente von dem Dichter nicht gefunden sind, ist keinem der Betheiligten ein Geheimniß. Inwiefern dieser Umstand auf den Erfolg der Oper einen ungünstigen Einfluß ausüben soll, vermag ich nicht einzusehen, ich kenne wenig Textbücher der neuen Zeit, die nicht nach denselben Eigenschaften trachten. Etwas mehr Wahrheit hat das Bedenken gegen die Aufführung in diesen Monaten  ;* (*Wegen der Figur des geisteskranken Königs in der Oper.) denn allerdings würde die Erinnerung an den Zustand des Königs bei der Aufführung weit lebhafter werden, als sie beim Lesen ist. Aber der Grund kann doch nicht für lange gelten. Jedenfalls enthält der Brief eine Ablehnung. Und der letzte Grund des Herrn von Hülsen dürfte sein, daß er unsicher ist, ob nicht der neue Hof jetzt, wo unser Herr als Oheim der künftigen Königin auch den Berlinern mit erhöhter Autorität umkleidet erscheint, ein ›Preisgeben‹ seiner Individualität an die Tageskritik sehr ungern sehen würde. In der That glaube ich, daß 54 Die musikalische Aktivität des Herzogs blieb in dieser Zeit nicht unbemerkt. Am 2. Januar 1858 vermerkte das »Linzer Wochen-Bulletin für Theater, Kunst und Belletristik« unter »Mis­ cellen«  : »Der Herzog von Coburg schreibt jetzt wieder eine neue Oper.« 55 Brief Ernsts II. vom 26. Juni 1858 (DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, b. 2, VIII 12188). 56 Im erwähnten Brief an Birch-Pfeiffer schreibt er auch  : »Der Stoff ist nicht übel, die Versification aber schlecht.« (Brief Ernsts II. vom 26. Juni 1858, in DTM, Nachlass Birch-Pfeiffer, b. 2, VIII 12188). 57 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Hirschberg, S. 108–111. 58 Brief Freytags an den Intendanten von Meyern-Hohenberg vom 22. Februar 1858 (Tempeltey 1904, S. 88f.; auch zitiert bei Hirschberg, S. 108).

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man in dieser Beziehung zu Berlin gerade so nervös empfindet als anderswo. Einige Pfeifer, die ein Freund des Herrn von Gerlach** (** Führer der Kreuzzeitungspartei) auf die Gallerie senden könnte oder ein schlechter Scherz des Kladderadatsch würden als eine Kompromittirung fürstlicher Würde und als eine Kränkung des Familienstolzes empfunden werden. Deshalb ist mein Rath, daß der Herr erst an andern Bühnen einige gute Erfolge abwartet und nicht von Berlin ein Entree erwartet. Es ist Dresden, Hannover, Wien und allenfalls Darmstadt, wo es noch Opernhäuser giebt. Die großen Städte sind ganz herunter, und die wenigen fürstlichen Opern sind immer noch die tonangebenden. Uebrigens sehe ich nicht ein, warum die Oper nicht zuerst in Gotha gegeben werden soll. Es ist doch für den Herrn dort die beste Gelegenheit, zu sehen, was etwa noch fehlt und was sich hübsch macht. Der ruhigste Genuß und die bequemste Generalprobe.« Während Berlin also generell abwinkte – und zwar vor allem aus politischen Gründen –, kamen aus Dresden Änderungswünsche zum Inhalt des Stückes59. Hauptkritikpunkt war das tragische Ende der Heldin  : In Dresden wollte man lieber ein Happy End sehen. Freytag äußert sich differenziert  : »Mit dem dramatischen Inhalt des Stückes, wie Ew. Hoheit ihn gedacht und damals auf dem Kallenberg dem Dr. Prechtler vorgelegt haben, wäre ein solcher Schluß unvereinbar. Hätte der Dichter die Kraft und tragische Würde gehabt, die dunkle und dämonische Seite in den Beziehungen Diana’s so hervorzuheben, wie wünschenswerth war, so wäre ihr Tod ganz unvermeidlich gewesen, und ich glaube, auch die Dresdner würden nicht den Wunsch haben, sie gerettet zu sehen. Bei der Armuth des Textbuches an feineren Character- und Gemüthszügen stellt sich das Verhältnis etwas anders. Wer die ganze Handlung nur aus dem Textbuch kennen lernt, mag wohl nach dem dreiaktigen ängstlichen Sturm in Dianas Herz eine friedliche Versöhnung wünschen dürfen. Ich habe den Text selbst möglichst unbefangen von diesem Standpunkt durchgelesen, und ich finde in den gedruckten Worten nur wenig, was hinderlich wäre. Dies Wenige liegt nicht sowohl in den Selbstanklagen der Dame, als in ihrem dunkeln und zweideutigen Verhältniß zu Fuegos. Das gesammte deutsche Publikum empfindet nämlich so  : ist sie noch Jungfrau, so soll sie den Geliebten kriegen, ist aber früher irgend etwas vorgefallen, so wird die Sache Essig. Deshalb, wie lächerlich das Ew. Hoheit sein mag, rathe ich, falls die Pabstsche60 Aenderung 59 Brief Freytags vom 14. Mai 1858 an den Herzog (Tempeltey 1904, S. 90f.; Hirschberg, S. 109f.). Zum Folgenden. 60 Vgl. Julius Pabst, Theatersekretär in Dresden.

»Diana von Solange« 

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adoptirt werden sollte, auch auf das Personenverzeichnis zu setzen  : Fuegos, Graf von Cortreal, / Diana von Solange, sein Mündel. / Dann wird Alles fein gemüthlich und spießbürgerlich für unsere lieben Deutschen. Ich rathe aber im Ernst zu Pabsts Aenderung. Lassen Ew. Hoheit sich diese Variation nicht schwer werden. Die Deutschen sind einmal keine Franzosen, und wenn sie auf der Bühne sich drei Stunden für jemanden interessiren, so freuen sie sich herzlich, ihn zuletzt glücklich zu sehen.« Wie fast immer in derartigen Streitfragen geht der Herzog anstandslos auf den Rat seiner Fachleute ein und genehmigt die Abänderung des Ausgangs61 – ohne Veränderungen an seiner Musik, versteht sich. Im Herbst 1858 begannen endlich die Vorbereitungen für die Premiere in Coburg. Die im Oktober von der Hofmusikintendanz vorgelegten Kostenvor­ anschläge für die Ausstattung der Oper wurden diskutiert, und die Kosten dann zwischen der Theaterkasse und der Privatschatulle des Herzogs aufgeteilt  : Von den veranschlagten Gesamtkosten von 1.750 fl. 28 ½ kr.62 übernahm der Herzog 1.200 fl., eine beträchtliche Summe63. Die hohen Kosten waren wohl auch auf sein Drängen auf eine baldige Aufführung (9. Januar 1859) in ­Gotha zurückzuführen, denn deswegen hatte der Theaterzimmermann Eschner vorzeitig nach Gotha abreisen müssen, um dort mit den Arbeiten zu beginnen64. Auch hatte der herzogliche Komponist wieder genaue Vorstellungen davon, wer in seinem Werk mitwirken sollte, weshalb er beispielsweise den Sänger(inne)n Réer, Pabcke und Schweitzer entsprechende Anweisungen zukommen ließ65. Ende November begannen die Proben66, die anfangs sogar 61 Entwurf eines Briefes an Dr. Julius Pabst in Dresden vom 25. [28.?] Mai 1858 (StACo LA A 7361, f. 108). 62 Stand vom 16. Dezember 1858. Vgl. hierzu den Brief des Hoftheaterinspektors Wilhelm Hartleb von der »Herzogl. Hoftheater-Oekonomie-Verwaltung« vom 16. Dezember 1858 (StACo Theater 10, f. 12). Weitere Dokumente zur Ausstattung der Oper »Diana von Solange« in derselben Akte unter f. 7–15. Zum Folgenden. 63 Da ein erster Kostenvoranschlag vom 22. September 1858 noch von Gesamtkosten in Höhe von 2.986 fl. 18 kr. spricht (StACo Theater 11, o. Nr.), hat der Herzog offenbar deutliche Kürzungen befohlen, wahrscheinlich auch, um seine Privatschatulle nicht noch mehr zu belasten. 64 So erklärt zumindest Hartleb die erhöhten Kosten (StACo Theater 10, f. 12). 65 Briefentwürfe an die genannten Personen vom 23. und 30. November 1858 (StACo Theater 10, f. 14, 15). 66 Im Orchestermaterial zu »Diana von Solange« (LBC TB Op 261) sind in der Partitur P1 folgende Daten von der Hand des Kapellmeisters Lampert vermerkt  : » Erste Probe im Herzogl. Residenzschloß den 20ten November / 1858 Abends 8 Uhr«, Quartettprobe am 26. November, Generalprobe am 1. Dezember.

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in der Ehrenburg stattfanden. Am 14. November 1858 schreibt Ernst II. an Freytag67 von – trotz eisigen Winterwetters – »wohltuenden Empfindungen«  : »Diese wurden erzeugt durch die zum ersten Male mir entgegenquellenden Töne aus unserer neuen Oper, die sich, bei den sich mehr und mehr klärenden Proben, wie eine Rosenknospe entfaltet  ; ich glaube, daß mir Vorzügliches gelungen ist. Am 6ten, dem Geburtstag meiner Frau (oder auch am 5ten), hoffe ich das Werk vorführen zu können.«68 In dieser Zeit lässt auch der leitende Kapellmeister Lampert den Herzog seine Meinung über die neue Komposition wissen69  : »Die Zukünftler werden ungestüm über die Partitur herfallen«, aus Kritik an der konservativen Form des Werkes würden sie »ein fürchterliches Geschrei erheben«. Die sich ergebende intensive Diskussion sei jedoch nicht nur zum Schaden der Oper  : »Möglicher [sic], ja schon wahrscheinlicher Weise gewinnt das Ganze dennoch dabei.« Um die Bekanntheit des Werkes noch weiter zu steigern, wurde zu diesem Zeitpunkt auch bereits über verschiedene Formen der Drucklegung verhandelt  : Henry Litolff, der schon bei der Umarbeitung der »Santa Chiara« in Paris mitgeholfen hatte, bot sich schon Ende November 1858 auch für »Diana von Solange« an70. Kurz vor der Premiere in Coburg, die tatsächlich am 5. Dezember 1858 stattfand, wurden dann noch Einladungen versandt, beispielsweise nach Dresden an Ernsts ehemaligen Lehrer und Hofkapellmeister Carl Gottlieb Reißiger

67 Tempeltey 1904, S. 105f., und Hirschberg, S. 110. – Freytag selber, der den Tod seines Bruders zu beklagen hatte, konnte nicht zur Premiere erscheinen, schreibt aber am 5. Dezember teilnahmsvoll  : »Möchte der heutige Tag meinem gnädigen Herrn viel Freude machen, sehr gern stände ich heute hinter Ihnen, wo der Kunstteufel HöchstIhre diamantene Krone von Ihrem hübschen Kopfe reißt und trotzig in der Luft schwenkt und wo Sie dasitzen, durchaus grade so bibbernd, wie jeder andere gewöhnliche dramatische Künstler vor Hochdero Souverain, dem allergnädigsten Publico. Wenn meines Herrn momentaner Souverain nur nicht so dumm wäre.« (Tempeltey 1904, S. 107). 68 Im Orchestermaterial zu »Diana von Solange« (LBC TB Op 261) sind in der Bassposaunenstimme eine Korrekturprobe und drei Generalproben vermerkt. 69 Brief Lamperts vom 22. November 1858 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 113). Zum Folgenden. 70 Aus dem Briefwechsel mit Henry und Theodor Litolff vom November 1858 bis zum Oktober 1861 (StACo LA A 7361, f. 116, 120, 121, 135, 176, 202–205) geht hervor, dass Henry Litolff zunächst vor allem für eine französische Ausgabe von »Diana von Solange« engagiert wurde. Litolff druckte einen Klavierauszug (auch vierhändig) des Werkes. – Auch die Verlage Glöggl in Wien (Januar 1859  ; vgl. StACo LA A 7361, f.122–124), Kistner in Leipzig (April 1877  ; vgl. StACo LA A 7363, f. 222) und Felix Blochs Erben in Berlin (Februar 1891  ; vgl. StACo Theater 15, f. 87) bekundeten ihr Interesse an »Diana von Solange«.

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sowie den Hoftheatersekretär Dr. Julius Pabst (1817–1881)71. Sowohl bei der Coburger Aufführung wie auch kurze Zeit später bei der Gothaer Premiere waren auf Wunsch des Herzogs dann einige Prominente der Theaterwelt anwesend72  : sein alter Freund Franz Liszt73, der Liederkomponist und Stuttgarter Hofkapellmeister Friedrich Wilhelm Kücken (1810–1882), Ernsts späterer Hoftheaterintendant Dr. Eduard Tempeltey, der bekannte Schriftsteller Gustav zu Putlitz (1821–1890)74, der in Coburg geborene Schauspieler Karl Fichtner (1805–1873) vom Wiener Hofburgtheater sowie die Intendanten Franz von Dingelstedt aus Weimar, Graf Julius von Platen-Hallermund aus Hannover und Wolf August von Lüttichau aus Dresden mit dem erwähnten Theatersekretär Julius Pabst. Natürlich war auch der Librettist Prechtler eingeladen, der den Proben zuhören und im Schloss Ehrenburg wohnen durfte75. Begeistert erzählt Putlitz später in seinen Memoiren von der illustren Runde in Coburg76  : »Das Zusammensein mit dem stattlichen Kreis bedeutender Männer, die in ungezwungener Weise miteinander verkehrten, ihre Ansichten austauschen konnten, die große Liebenswürdigkeit, mit der Liszt durch seine einzig genialen musikalischen Leistungen die Gesellschaft belebte, vor Allem aber die außerordentliche gütige und herzliche Gastlichkeit des Herzogs und der Herzogin, gaben den Tagen ein ungewöhnliches und anziehendes Gepräge.« »Diana von Solange« geht schließlich am Tag vor dem Geburtstag der Herzogin Alexandrine »unter grossem Beifalle«77 über die Bühne. In manchen Berichten wird das neue Werk des Herzogs gleich als »das gelungenste«78 gefeiert. Auch Liszt stellt fest, dass der Erfolg dieser Uraufführung größer gewesen sei 71 StACo Theater 10, f. 16ff. 72 Folgende Liste der Personen aus dem Bericht über die Coburger Premiere von Andreas Späth (StACo LA A 7361, f. 150–151). – Hirschberg (S. 110f.) erwähnt nur Franz Liszt mit seinem Intendanten Franz von Dingelstedt (1814–1881). In Gotha sei neben Gustav Freytag auch der Komponist und Schweriner Hoftheaterintendant Friedrich von Flotow dabei gewesen. 73 Bei Ebart (100 Jahre, S. 53) findet sich der Hinweis, Liszt habe nach der Premiere zur Baronin von Meyern über die Musik geäußert  : »C’est trop sensible aux Huguenots.« 74 Tempeltey und Putlitz werden auch erwähnt in der »Neuen Berliner Musikzeitung«, 12. Jg., Nr. 50, vom 8. Dezember 1858, S. 396. 75 Vgl. »Neue Berliner Musikzeitung«, 12. Jg., Nr. 49, vom 1. Dezember 1858, S. 388. – Auch Franz Liszt berichtet der Gräfin Sayn-Wittgenstein von der außergewöhnlichen Wohngemeinschaft im Schloss  : Prechtler, Dingelstedt und Liszt waren Tür an Tür in der Ehrenburg untergebracht (Liszt, Briefe, Bd. 4, S. 441f.). 76 Aus »Gustav zu Putlitz, ein Lebensbild aus Briefen zusammengestellt und ergänzt von Elisabeth zu Putlitz«, Berlin 1894. Zitiert nach Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 32. 77 NRMZ, 6. Jg., Nr. 52, vom 25. Dezember 1858, S. 415f. Zum Folgenden. 78 Vgl. beispielsweise »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 7. Jg., Nr. 52, vom 23. Dezember 1858, S. 203.

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als bei den vorhergehenden Opern79. Die Sitzverteilung im Coburger Theater, die die besondere Beziehung des Herzogs zu seinem Opernhaus sichtbar macht, findet sogar Eingang in den Pressebericht der NRMZ  : »Der fürstliche Tondichter mit seiner Gemahlin wohnte der Aufführung in der Prosceniums-Loge bei, dessgleichen der Herzog von Württemberg, während für die übrigen auswärtigen Gäste des Hofes die grosse herzogliche Mittelloge bestimmt war. Unter den zahlreichen Geladenen befand sich auch Herr Otto Prechtler, der Verfasser des Textes.« Wie zu erwarten geben alle Kräfte des Hoftheaters ihr Bestes und finden dafür entsprechende Anerkennung in der Fachpresse80  : »Die Hauptdarsteller wurden wiederholt gerufen. Die übrigen Leistungen, namentlich die der Chöre und des Orchesters waren sehr gut zu nennen  ; sie zeugten von dem Eifer der Ausführenden und von der wackeren Leitung des Kapellmeisters Herrn Lampert.« Die sehr anspruchsvolle Titelpartie der Diana meistert die seit kurzem in Coburg-Gotha engagierte Sängerin Natalie Frassini. Jedoch scheinen die mächtigen Aufzüge und Bilder in der Oper dem Rezensenten der »Neuen Berliner Musikzeitung«81 etwas zu groß für die Coburger Bühne, so dass er die Vermutung äußert, »dass die Oper erst auf den grösseren Bühnen zu ihrer wirklichen verdienten Geltung gelangen wird.« Damit spricht er wohl dem herzoglichen Komponisten aus der Seele, denn der hatte ja auch zunächst versucht, die Premiere seines Werkes auf einer größeren Bühne (Berlin, Dresden) stattfinden zu lassen. Ermutigend fügt der zitierte Rezensent hier an  : »Dem Geschmacke des tonangebenden Publikums der grösseren Hauptstädte ist in der Oper vollständig Rechnung getragen.« Ein anderer, sehr einseitig lobender Bericht über die Coburger Premiere von »Diana von Solange«82 sagt der Oper 79 Brief Liszts vom 5. Dezember 1858 an die Gräfin zu Sayn-Wittgenstein  : »L’opéra du Duc  : Diana de Solange a du mouvement et de l’effet – meme de la passion. En somme, cet ouvrage est beaucoup mieux réussi que les précédents. Je vous en dirai plus long verbalement.« (Liszt, Briefe, Bd. 4, S. 441f.). 80 »Neue Berliner Musikzeitung«, 12. Jg., Nr. 52, vom 22. Dezember 1858, S. 414. Zum Folgenden. 81 »Neue Berliner Musikzeitung«, 12. Jg., Nr. 52, vom 22. Dezember 1858, S. 414. Zum Folgenden. 82 Der Bericht, der offenbar aus der Hand des Coburger Konzertmeisters Andreas Späth stammt, wurde vom Autor selbst an die Intendanz gesandt. Späth gesteht, dass der Redakteur der Leipziger »Zeitschrift für Musik« den Artikel kritisiert habe, da er »zu sehr in die Lobposaunen gestoßen« habe, um seinem Herzog zu gefallen. Späth war nämlich schon länger auf eine Gehaltserhöhung aus (Brief und handschriftlicher Artikel in StACo LA A 7361, f. 134 und 150–151). Im Druck findet sich Späths Artikel stark verkürzt (»Neue Zeitschrift für Musik«, 26. Jg., 1859, Bd. 50, S. 10).

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ebenfalls weiteren Erfolg voraus, aber aus einem anderen Grund  : »Sein Werk ist um so willkommener, als die deutsche classische Oper Mozarts und Webers im Moment an einer Unfruchtbarkeit leidet, die kein vorhergehendes Jahrzehent [sic] gekannt.« Trotz der beschränkten Verhältnisse seines Hoftheaters ist der Herzog sowohl mit der Premiere als auch mit der Wiederholung am 12. Dezember 185883 so zufrieden, dass er am Tag vor Weihnachten allen Mitgliedern der Hofkapelle, die daran mitgewirkt haben, Geldprämien zukommen lässt84. Die Kammermusiker Mundt, Eichhorn, Schillbach, Rössler, Sollmann, Reissen­ weber, Werveck, Eberbach und Gödecke erhielten jeweils 15 fl., die Hofmusiker Möricke, Gärtner, Trotz I, Motschmann, Trotz II, Schell, Wagner, Müller, Jacobi, Knorr, Siebeck, Greiling, Seidenstücker, Weinkauff, Popp, Brückner, Sauerteig, Schiller, Eichhorn, Tunk, Graefe und Weissenborn, die Assistenten Geyersbach, Probst und Gödecke sowie die »Accessisten« Ritter und Möricke jeweils 10 fl. Der konsequenten hierarchischen Stufung der Auszeichnungen gemäß empfangen der ausführende Kapellmeister Ernst Lampert sowie der für die Orchestrierung zuständige Konzertmeister Traugott Krämer jeweils das Verdienstkreuz des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Hausordens, der Regisseur Friedrich Wilhelm Kawaczynski, der Prechtlers Verse überarbeitet hatte, die Verdienstmedaille in Gold85. Ebenfalls eine Verdienstmedaille erhält ganze 24 Jahre später der »kaiserlich russische Hofschauspieler« Hermann Nissen (1857–1914), der im Dezember 1883 dem Herzog zum 25-jährigen Bühnenjubiläum seiner Oper »Diana von Solange« gratuliert und aus diesem Anlass eine Liste der Bühnen, die diese Oper gespielt haben, an den Herzog sendet86. Den Coburger Aufführungen (am 26. Dezember 1858 findet eine weitere statt) folgt nahtlos die Premiere in Gotha am 9. Januar 1859 (mit anschließenden vier Wiederholungen). Die »Gothaische Zeitung« merkt dazu an87  : »Es ist nicht unsers Amts, in eine kritische Erörterung dieser jüngsten Schöpfung 83 In der »Trombone Basso«-Stimme eines Mitwirkenden (LBC TB Op 261) wird angegeben, dass diese zweite Aufführung der Oper, die »außer Abonnement« stattfand, »nicht sehr voll« gewesen sei, während die dritte Vorstellung am 26. Dezember ein »sehr volles Haus« sah. Übrigens erwähnt derselbe Musiker, dass es »1 Correcturprobe, 1 Orchester- u. 3 Generalproben« vor der Premiere gegeben habe. 84 Dokumente hierzu in StACo Theater 10, f. 24, 25 (Liste der Musiker). 85 Über diese Auszeichnungen berichtet die »Gothaische Zeitung«, 1859, 168. Jg., Nr. 4, vom 6. Januar 1859. 86 Undatierter Brief Nissens, dem Vermerk nach aus dem Dezember 1883 (StACo LA A 7364, f. 110–111). 87 »Gothaische Zeitung«, 168. Jg., Nr. 7, vom 10. Januar 1859.

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des erlauchten Tondichters einzugehen, die, wie unsere Leser wissen, auswärts bereits die glänzendsten Bühnenerfolge gewonnen hat. Wir haben nur mit aufrichtigster Freude und gerechtem Stolze die Thatsache zu constatiren, daß ›Diana von Solange‹ auf die außerordentlich zahlreich versammelte und mit gespanntester Aufmerksamkeit lauschende Zuhörerschaft einen großartigen und gewaltigen Eindruck machte und mit allen Zeichen wahrer Hochachtung und freudigster Bewunderung aufgenommen wurde.« Dass die hervorragenden Sängerinnen und Sänger (u. a. Abt, Réer) sowie die prachtvolle Ausstattung einen beträchtlichen Anteil an diesem Erfolg haben, bleibt nicht unerwähnt. Die Investition des Herzogs sowie die genaue Planung machten sich also wieder bezahlt. Im Coburg-Gothaer Hoftheater stand »Diana von Solange« ab 1858 relativ regelmäßig auf dem Programm, bis 1868 ganze 23 Mal (1 Mal mehr als »Santa Chiara« in den ersten zehn Jahren)88. Sie war damit die erfolgreichste Oper Ernsts II. in seinem eigenen Land. Wie bei allen seinen Bühnenwerken ließ der Herzog das Werk besonders gerne dann auf den Spielplan setzen, wenn sich hoher Besuch ankündigte. Im Notenmaterial der Oper89 finden sich dazu wieder einige interessante Notizen  : • Die zweite Vorstellung in Coburg am 12. Dezember 1858 (außer Abonnement) war »nicht sehr voll«, dafür war die »Erbherrschaft von Meiningen« zugegen90. • Dagegen hatte die dritte Vorstellung in Coburg wie auch die Premiere am 9. Januar 1859 in Gotha »[sehr] volles Haus«. • Am 25. Februar 1859 wurde in Anwesenheit des Prinzen und der Prinzessin von Reuss »[n]ur die Ouverture« gespielt. • Am 19. Februar 1860 saß Meyerbeer im Publikum91, der in seinem Tagebuch äußert, die Oper enthalte »sehr interessante melodiöse Stücke«. • Die Aufführung am 15. April 1860 [?] sah illustre Gesellschaft  : der Prinz von Wales, der Herzog August von Coburg mit seiner Frau und Fürst Ratibor. • Am 24. März 1863 war die »Frau Großfürstin Michael von Russland« zugegen. 88 Daten aus dem Aufführungsverzeichnis LBC TB WW 773. 89 LBC TB Op 261. Daten zu Coburg-Gotha vor allem in der Bassposaunen-Stimme. 90 Letzteres ist vermerkt in der zweiten Trompetenstimme (LBC TB Op 261). 91 Meyerbeer selbst beschreibt den Aufenthalt in seinem Tagebuch (Meyerbeer, Bd. 8, S. 16f.). Näheres im Abschnitt zu Giacomo Meyerbeer.

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• Am 12. Mai 1864 erklang »Diana von Solange« als Festoper zur ­Vermählung des Erzherzogs Joseph mit der Prinzessin Clotilde von Coburg-Gotha-­ Koháry92. • Am 15. April 1866 lauschte Prinz Alfred der Tonschöpfung seines Onkels. • Am 13. Januar 1867 waren Prinz Ludwig von Darmstadt mit seiner Frau sowie der Kronprinz und die Kronprinzessin von Preußen im Theater. • Am 19. April 1868 hörten fast dieselben hohen Gäste zu  : »Kronprinzessin von Preußen, Prinzes [?] Ludwig von Darmstadt«. • Zehn Jahre nach der Premiere erklang die Oper erneut, am 6. Dezember 1868, diesmal genau am Geburtstag der Herzogin Alexandrine. • Am 7. Juni 1881 gab man die Oper als letzte Vorstellung in Coburg vor einer vorübergehenden Aufhebung des Musiktheaters (aus finanziellen ­ Gründen)93. • Am 29. Januar 1882 wurde sie ebenso als erste Oper nach der Wiedereröffnung gespielt94. Auch zur Tagung von ca. 80 Abgeordneten deutscher Gesangvereine, die im September 1862 in Coburg die Gründung des Deutschen Sängerbundes vorbereiteten, stand »Diana von Solange« als Abendunterhaltung auf dem Spielplan95. So begleitete diese Oper viele Höhepunkte im gesellschaftlichen Leben des Coburg-Gothaer Hofes.

92 Ernst II. berichtet in seiner Autobiografie (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 451f.) von der Hochzeit, die in Anwesenheit des Herzogs von Edinburgh (als Vertreter der Queen), des Erzherzogs Stephan, des Prinzen Georg von Sachsen mit Gemahlin sowie »der meisten Orleans’schen Prinzen und Prinzessinnen« in einem Saal der Ehrenburg stattfand, »den ich zu einer Art katholischer Kapelle herrichten ließ«. Die Trauung nahm der Erzbischof von Bamberg vor. 93 Dieses Datum ist tatsächlich in allen Stimmen, die Daten vermerken, angegeben (vgl. LBC TB Op 261). 94 Auch hierzu finden sich Kommentare der Musiker in den Noten, diesmal natürlich freund­ licher  : »Oper ist schon wieder complet« (»Tromba I« in LBC TB Op 261). 95 Allerdings musste sie wegen der Heiserkeit einer Sängerin kurzfristig gegen Gounods »Faust« eingetauscht werden (Näheres hierzu sowie zur Tagung allgemein in »The Musical World«, vom 11. Oktober 1862, S. 646).

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Zwischenspiel  : Ernst Lampert und die »Compositionsweise des Herzogs« – eine Verteidigung

Woher ausgerechnet im Sommer 1861 die anonym, aber öffentlich geäußerten Verdächtigungen stammen, der Herzog schreibe seine Opern ja gar nicht selbst, ist unbekannt. Umso mehr fällt die Verteidigung des komponierenden Herzogs ausgerechnet durch seinen Kapellmeister Ernst Lampert ins Auge, der sich zu dieser Zeit ja als Mitarbeiter am Werk seines Fürsten eher zurückgesetzt fühlen musste. In der NRMZ, Nr. 42, vom 19. Oktober 1861, S. 335f., ist Folgendes zu lesen  : »Die Bemerkungen eines Ungenannten über die Compositionsweise des Herzogs von Coburg-Gotha, welche in einigen Blättern abgedruckt worden sind, haben folgende Entgegnung (in Nr. 41 der Deutschen Musik-Zeitung) hervorgerufen  : ›Nachdem in Nr. 38 der Deutschen Musik-Zeitung vom 23 d. Mts. mein Name an erster Stelle als künftiger Zeuge über die Compositionsweise Sr. Hoheit des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha genannt worden ist, so stehe ich nicht an, dem unbekannten Frager schon jetzt die bestimmte und rückhaltlose Antwort zu geben, dass Se. Hoheit der alleinige Compositeur seiner Compositionen ist, und dass speciell meine Aufgabe darin bestanden hat, die von dem fürstlichen Autor erfundenen und mehrstimmig zu Papier gebrachten Compositionen für grosses Orchester zu instrumentiren, jedoch auch dies immer mit Rücksicht auf höchsteigene Notizen des Herzogs bezüglich der Wahl und Benutzung einzelner Instrumente. / Die Vorschule Sr. Hoheit, Höchstwelcher in Dresden bei Reissiger die ernstesten Studien in allen Zweigen der Tonkunst, selbst in den ältesten Kirchen-Compositionen eines Palestrina, Durante, Marcello, Pergolese gemacht hat und vollkommen vertraut mit der Anwendung der Harmonielehre ist, setzt ihn in den Stand, die originellen musikalischen Gedanken, welche seiner reichen Phantasie mit seltener Lebhaftigkeit entströmen, gleich einem Componisten von Fach kunstgerecht an einander zu fügen und regelrecht mehrstimmig zu Papier zu bringen. Dass der hohe Herr nicht die Zeit und wohl auch nicht die technische Gewandtheit und Erfahrung eines Fachmanns zur Instrumentirung besitzt, dürfte sich von selbst verstehen. Uebrigens lieben es bekanntlich manche unserer berühmtesten modernen Componisten, sich für diese Arbeit noch eines geschickten Gehilfen zu bedienen. Se. Hoheit hat aber auch noch niemals Anspruch darauf gemacht, der Instrumentirer seiner Opern zu sein. So viel hiervon. Was schliesslich den Zweifel des unbekannten Fragestellers betrifft, dass bei Lebzeiten des Herzogs

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die Wahrheit wohl schwerlich wegen der »»guten Bezahlung«« [sic] unserer geleisteten Dienste an den Tag kommen dürfte, so bedaure ich, darauf erwidern zu müssen, dass ein Zweifel wohl über letztere (wenn auch nicht meinerseits), nicht aber über erstere obwalten kann. / Coburg, den 7. October 1861. / Ernst Lampert.‹« Ergänzend sei hier noch aus dem Artikel über Herzog Ernst II. aus Julius Schuberths (1804–1875) »Kleinem musikalischem Conversations-Lexikon« von 186596 zitiert, der aus demselben Zeitraum stammt. Schuberth nennt im Zusammenhang mit den kompositorischen Aktivitäten Ernsts II. am Ende auch noch dessen Frau Alexandrine, die als »Pianistin gediegener Richtung […] eine vorzügliche Beihülfe des Herzogs« darstellte, da sie »durch ihr Spiel die Composition desselben, wenn sie eben der Feder entflossen, vergegenwärtigt und wobei dann stets etwaige Aenderungen sofort vorgenommen werden.« Diese bereits früher erwähnte »Beihilfe« der Herzogin steht in keinerlei Wider­ spruch zur alleinigen Urheberschaft ihres Mannes an seinen Werken. Seine Art, die Melodien und deren harmonischen Satz vorzugeben, hat ja gerade zur liedhaften Struktur seiner Werke geführt, die um diese Zeit von der allgemeinen musikalischen Entwicklung, insbesondere aber im Opernbereich, längst überholt war. Übrigens äußert sich Schuberth auch ausführlich zu »Diana von Solange«97 und versucht sich als Zeitgenosse mutig an einer stilistischen Einordnung  : »Unverkennbar sucht der hohe Componist in diesem Werke eine Verschmelzung und Versöhnung allgemeiner, musikalisch dramatischer Auffassung mit der durch Wagner und seine Anhänger theilweise mit Glück versuchten neuen Richtung anzustreben  ; daher in dieser Beziehung historisch bemerkenswerth, und für die fernere Entwickelung unserer dramatischen Musik fördernd. Im Allgemeinen neigt sich neuerdings der Styl des fürstlichen Componisten dem Romantisch-Lyrischen zu. Die Musik ist rein deutsch empfunden  ; das Studium Weber’s wird überall durchgefühlt, während, was die äussere Form anbelangt, die Meisterwerke Meyerbeer’s und Wagner’s nicht ohne Einfluss geblieben scheinen.«

96 6. Auflage, Leipzig/New York 1865, S. 95–97. Zum Folgenden. 97 Schuberth, S. 96. Zum Folgenden. – Da diese Oper das neueste Werk des Herzogs war und gerade über die Bühnen Deutschlands wanderte, beschreibt Schuberth sie genauer. Die anderen Werke erwähnt er lobend.

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Verbreitung und Aufführungen

Größere Bühnen Berlin – späte Aufmerksamkeit »Bei meinen früheren Werken habe ich den Fehler begangen, sie zuerst auf meiner Bühne erscheinen zu lassen  ; für die größeren Bühnen u. das Publicum verloren sie dadurch den Reiz der Neuheit.« So schreibt Ernst II. Anfang 1858 nach Berlin98, wo er seine Oper »in der nächsten Wintersaison an der königlichen Oper aufgeführt« zu sehen hofft. Er habe vor einiger Zeit dem König von seinem neuen Werk erzählt und übersende nun – dessen Befehl gemäß – zwei Exemplare des Librettos. »Obgleich ein Libretto im Ganzen bei der Oper nur die zweite Stelle einnimmt, so weiß ich doch aus eigener Erfahrung, daß nicht unbedeutende musikalische Kunstwerke durch mangelhafte Librettos [sic] sich unmöglich machten«. Daher legt er die Partitur noch nicht bei, sondern will zunächst ein Urteil über das Libretto hören. Wie die Antwort von Hülsens ausfällt, wurde bereits erwähnt99  : Neben Schwächen der dramatischen Gestaltung nennt er vor allem politische Gründe, um die Oper des Herzogs abzulehnen. Am plausibelsten klingt dabei der Hinweis, dass ja der (preußische) König aktuell krank sei und der Intendant keinerlei Werk aufführen wolle, »in welchem das Publikum analoge Beziehung finden könnte«. Im Jahr 1860 kam kurze Zeit das gerade erst gegründete Victoria-Theater in Berlin-Mitte als Aufführungsort für »Diana von Solange« ins Gespräch. Der für seine Reform der Berliner Feuerwehr berühmt gewordene Ludwig Scabell (1811–1885), königlicher »Brand-Direktor« und zugleich »Spezialkommissar für die Verwaltung des Victoria-Theaters«, versprach am 22. August 1860 in seinem Brief an von Meyern-Hohenberg100, sich für eine Aufführung der Oper in dem genannten Theater einzusetzen101. Es vergingen aber noch weitere Jahre,  98 Brief Ernsts II. ohne Ort und Datum sowie ohne Angabe des Adressaten. Die Anrede »Baron« sowie die Aktenlage lassen auf einen Brief an Baron von Hülsen, Generalintendant der königlichen Hofoper Berlin, schließen, wahrscheinlich Anfang Februar 1858 (StACo LA A 7361, f. 97–98). Zum Folgenden.  99 Neben dem oben zitierten Brief Freytags existiert auch das Schreiben von Hülsens vom 20. Februar 1858 (StACo LA A 7361, f. 103–104). 100 Brief Scabells vom 22. August 1860 (StACo LA A 7361, f. 182). 101 Nach einem Brief des herzoglichen Sekretärs Bollmann vom 14. August 1860 (StACo LA A 7361, f. 181) wollte Scabell die Oper für die Aufführung ins Italienische übersetzen lassen. Auch Dr. Gustav Kasch, der aus dem Hotel Goldener Adler in Coburg schreibt, erwähnt die

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bis »Diana von Solange« schließlich ihren Weg nach Berlin fand. Zwei Mal versuchte der Berliner Theateragent Ferdinand Roeder, das Werk zu vermitteln. Beim ersten Mal, im Juli 1872102, fragte er im Namen des Theaterdirektors Heinrich Hirsch (1840–1910) aus Pest an. Er wurde wohlwollend an Krämer verwiesen, der ja im Namen der Hofkapelle die Vermarktung der Oper übernommen hatte. Die zweite Vermittlung Roeders, diesmal an die Kroll-Oper in Berlin, war von nachhaltigerer Wirkung. Auftraggeber Roeders war diesmal der ungarische Kapellmeister Josef bzw. Jakob Engel103, der mit Auguste Kroll (1821–1907) verheiratet war, der Erbin des großen Unterhaltungs- und Theaterunternehmens am Rande des Berliner Tiergartens. Engel will das Aufführungsrecht für »Diana von Solange« erwerben und sich dann das Material dafür in Coburg leihen. Krämer gegenüber behauptet Engel sogar104, die leihweise Überlassung der Noten sei ihm von höchster Stelle zugesagt worden. Auch Engels folgende Äußerung lässt vermuten, dass er möglicherweise einmal direkten Kontakt mit dem Herzog gehabt hat  : »Daß sich Seine Hoheit schon vor Jahren bitter beklagt hat, daß Berlin die einzige große Stadt sei, wo noch keine seiner Opern aufgeführt wurde, ist mir bekannt.« Schließlich erhält der Berliner das gewünschte Material105 und lädt am 10. Juli 1882 stolz zur bevorstehenden Premiere der »Diana von Solange« in seinem Hause ein106. Am 15. Juli 1882107 betritt »Diana von Solange« endlich eine Berliner Bühne und löst damit ein gehöriges Echo in den Zeitungen aus108. Engel, dessen Haus finanziell stets am Rande des Abgrunds steht, muss

Idee Scabells, »Diana von Solange« als italienische Oper auf dem Victoriatheater spielen zu lassen (StACo LA A 7361, f. 183). 102 Brief Ferdinand Roeders aus Berlin vom 12. Juli 1872 an Tempeltey (StACo LA A 7362, f. 7). Zum Folgenden. 103 Brief Roeders aus Berlin vom 21. Januar 1882 an den Kabinettsrat Becker in Gotha (StACo Theater 15, 1a blau in Bleistift). Zum Folgenden. 104 Brief Krämers aus Coburg am 10. März 1882 an den Kabinettsrat (StACo Theater 15, f. 1b blau/11 Bleistift). 105 Vgl. den Dankesbrief an Becker vom 3. Februar 1882 (StACo Theater 3042, o.Nr.). 106 Briefe Engels vom 10. Juli 1882, wohl an Becker (StACo Theater 3042, o. Nr.) sowie an den Herzog (StACo LA A 7364, f. 81). 107 Das Datum der Premiere sowie der Wiederholung am 17. Juli ist auch im Coburger Orchestermaterial vermerkt (LBC TB Op 261, »Tromba I«). 108 Vgl. Briefe und Artikel in StACo LA A 7364, ab f. 92. Rezensionen dort u. a. aus  : »National-Zeitung«, »Vossische Zeitung«, »Nichtpolitische Rundschau«, »Berliner Fremdenblatt«, »Das kleine Journal«, »Berliner Montags-Zeitung«, »Die Post«, »Berliner Tageblatt«, »Neue Börsen-Zeitung«, »Berliner Presse (Unterhaltungs-Blatt)«, »Norddeutsche Allgemeine Zeitung«. Außerdem in StACo LA A 7363, f. 391–394, eine lobende Besprechung aus dem

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auf diese große Aufmerksamkeit spekuliert haben, sonst wäre er wohl kaum das Wagnis eingegangen, auch noch eine berühmte Sängerin als Gast für die Hauptrolle zu engagieren  : Marie Basta (1856–1902), damals königlich bayerische Hofopernsängerin. Allerdings ist mit ihrer Abreise aus Berlin die Oper bald schon wieder vom Spielplan des Hauses Kroll-Engel verschwunden109. Adolf Becker, Intendant des Coburg-Gothaer Hoftheaters, wird vom Herzog als Vertreter zur Premiere nach Berlin geschickt und sendet eine Sammlung von Kritiken nach Hause110. Allen Besprechungen ist gemeinsam, dass sie das Alter der Oper betonen, denn »Diana von Solange« entstammt ja streng genommen einer musikalisch längst überholten Zeit. Dennoch finden die meisten Kritiker lobende Worte, wie beispielsweise der Autor des Artikels in der »Post«111  : »Die Partitur, die wohl mindestens vor drei Jahrzehnten von dem erlauchten Tondichter geschrieben ist, dokumentirt eine ausgesprochene Begabung für das Lyrische der Vocalmusik. Sie geht ihre eigenen Pfade und macht weder Anleihen bei hochstehenden Meistern, noch verflacht sie sich irgendwie zu sogenannter Kapellmeistermusik. […] Eine ungekünstelte Noblesse, die wahre Vornehmheit eines künstlerisch geläuterten Empfindens durchströmt das Ganze und so stand auch der Allgemeinerfolg der Oper bei Weitem über dem Maß eines Achtungserfolges.« Zu diesem Erfolg trägt auch die Qualität der Aufführung bei, die ebenfalls von den meisten Kritikern gelobt wird. Angesichts der musikalischen Herausforderungen in der Partitur sowie im Hinblick auf die Gegebenheiten der Kroll-Oper, die eigentlich gar kein richtiges Opernhaus, sondern eher ein Unterhaltungslokal mit Bühnenbetrieb war, erscheint dies umso bemerkenswerter112. Der Rezensent der »Post« vermerkt jedoch »Anhaltinischen Staats-Anzeiger« aus Dessau, Nr. 168, vom 21. Juli 1882. Auch im Ausland fand die Aufführung Erwähnung (»The Musical Times«, vom 1. August 1882, S. 453). 109 Vgl. hierzu den Brief Engels vom 25. September 1882 (StACo Theater 3042, o. Nr.), in dem er auch bestätigt, dass das Notenmaterial bereits nach Coburg zurückgesandt wurde und von den 500 bestellten Textbüchern noch 270 übrig sind. Der finanzielle Erfolg der Berliner Aufführung war vermutlich viel kleiner, als das große Medienecho erwarten lässt. 110 Brief Beckers vom 21. Juli 1882 an den Herzog (StACo LA A 7364, f. 92). 111 »Die Post«, 17. Jg., Nr. 191, vom 17. Juli 1882, S. 2. Zum Folgenden. 112 Der Rezensent in »Das kleine Journal« hebt diese Leistung der Kroll-Oper hervor  : »Man muß dabei eingedenk sein, daß es sich hier um das Unternehmen eines Privattheaters handelt, daß dies Theater jeden Abend eine künstlerisch abgerundete Oper herausbringen muß – wie es denn in 9 Wochen einige 20 Opern vor die Lampen gebracht und uns etwa 40 mehr oder minder illustre Gäste vorgeführt hat. – Inmitten des Betriebes einer solchen Organisation eine neue Oper in fünf Acten einzustudiren, wie diese, das ist eine ganz seltene Leistung […]« (Zeitungsausschnitt in StACo LA A 7364).

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auch, dass die »zündende[n] Pointen der Oper« nur in den ersten drei Akten zu finden seien, während in den letzten beiden Aufzügen die »schöpferische Kraft« merklich nachlasse. Als beste Musikstücke hebt er die Romanze der Diana hervor, die nach ihrem vollständigen Erscheinen im ersten Akt immer wieder musikalisch anklingt, das Quintett im zweiten sowie das Troubadour-Quartett und die Romanze des Marquis im dritten Akt. Abgesehen von den Romanzen sind es also vor allem die kunstvoll komponierten Ensembles, die auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung die Zuhörer noch zu beeindrucken vermögen113. Eine der etwas kritischeren Berliner Besprechungen sticht durch ihren recht humorvollen wie auch offenherzigen Tonfall heraus. Sie stammt aus der »Berliner Montags-Zeitung«114 und kann – wie so viele Rezensionen von Werken Ernsts II. – auf keinen Fall über den gesellschaftlichen Stand des Komponisten einfach so hinweggehen  : »Am Sonnabend verstarb im Krolltheater das edle ›Fräulein von Solange‹. – Nach dem Wunsche der Autoren erwarb sich Herr Adolfi (Fuegos) besondere Verdienste um den Meuchelmord der liebreizenden, von Frau Basta trefflich und mit Feuer gesungenen Donna  ; denn sein Dolch – nicht etwa seine Stimme – war es, der diese musikalische Präsidentin eines provençalischen Liebeshofes in gothaischem Stil in das bessere Jenseits hinüberbeförderte. Der Dichter des Textes – Otto Prechtler – ist seit geraumer Zeit todt  ; und von den Todten soll man nur das Beste sagen  ; wir entledigen uns dieser Pflicht, indem wir ehrlich bekennen, daß wir das Buch viel zu wenig verstanden haben, um ihm etwas Uebles nachreden zu können. Die Aufführung war – Krollgemäß – ihres Preumayr’s115 würdig, d. h. brillant einstudirt und inscenirt. Was die Musik betrifft, so ist die ihr vorgezeichnete Tonart das Kreuz – – des Sachsen-Ernestinischen Hausordens  ; und da sich dasselbe bei all unsern Direktoren, Schauspiel- und Gesangskünstlern etc. etc. des besten Klanges erfreut so wäre schon dadurch für dieses wichtigste Erforderniß einer guten Oper gesorgt, selbst wenn dieselbe mit weniger Geschick und Geschmack geschrieben wäre, als die in Rede stehende. In Wahrheit muß man bekennen, daß dem kronentragenden Componisten gar manche hübsche Erfindung, gar manche einschmeichelnde Melodie nachzurühmen sei und dies – sollte ich meinen – wäre für einen zwar nicht diri- aber regierenden Maëstro 113 Die genannten Stücke werden auch in den meisten anderen Kritiken hervorgehoben, z. B. im »Berliner Tageblatt«, in der »Berliner Presse« (dort werden noch mehr Nummern besprochen) oder im »Berliner Fremdenblatt« (alle in StACo LA A 7364). 114 Zeitungsausschnitt in StACo LA A 7364. Der Verfasser unterschreibt mit »R.F.«. 115 Reinhold Preumayr (1830–1904), Kapellmeister der Krolloper.

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immerhin genug. Wir gehören im Allgemeinen zu den musikalischen Thomassen, glauben aber doch, daß sich ›Solange‹ so lange auf dem Repertoir der Krollund anderer guten Opern-Institute erhalten wird, als nur irgend ein anderes Musikwerk von minder hoher Abstammung und gleich hohem Werthe –   !«. Neben allen Sprachspielereien findet sich hier noch die nicht unbedeutende Information, dass in der Berliner Aufführung von »Diana von Solange« wieder das ursprüngliche Finale gespielt wurde, nämlich mit dem Tode Dianas. Dieses tragische Ende entspricht im Jahr 1882 wohl eher den Erwartungen der Opernbesucher als im Entstehungszeitraum des Werkes. Zwei Haupt(kritik)punkte werden in fast allen längeren Besprechungen der Berliner Aufführung von »Diana von Solange« aufgegriffen. Einerseits die gesellschaftliche Stellung des Komponisten, dessen politische Aktivitäten und Beliebtheit beim Volk im Jahr 1882 bereits mehr der Vergangenheit angehören  ; andererseits die mangelnde dramatische Gestaltung und Einheit der Oper, die zwar grundsätzlich schöne Melodien und auch etliche packende Szenen enthält, aber kein attraktives Ganzes bildet 116. Wie sehr Ernsts Ansehen als Herzog die Kritiker beeinflusst, ist nicht zuletzt an der oben zitierten, sprachgewandten Besprechung aus der »Berliner Montags-Zeitung« wieder einmal deutlich zu sehen. Und selbst in den 1880er Jahren wird diese Stellung des Komponisten auch noch als entscheidend für die Art seiner musikalischen Äußerungen begriffen117  : »daß er aber von dem gebildeten Geschmack der guten Gesellschaft durchdrungen ist, verräth sich in der Abwesenheit alles Verletzenden, und dies ist ein Vorzug, den man nicht immer von deutschen Musikern rühmen kann.« Eine Erklärung für den Mangel an innerem Zusammenhang der Oper wird dagegen nicht nur im Libretto gesucht118 oder in der Konzen­ tration des Komponisten auf liedartige Melodien119, sondern auch in seiner stilistischen Orientierung. Dazu schreibt aufschlussreich der Autor des Artikels in der »National-Zeitung«120, dass »Diana von Solange« in einer Zeit entstanden sei, als Meyerbeer »in voller Blüthe stand«, aber auch Wagners Musiksprache 116 Sehr deutlich werden diese beiden Punkte beispielsweise in der kritischen Betrachtung Hermann Erlers (1844–1918) im »Berliner Fremdenblatt« (Zeitungsausschnitt in StACo LA A 7364). 117 Rezension von »G. E.« in der »Vossischen Zeitung« (Zeitungsausschnitt in StACo LA A 7364). 118 Beispielsweise in der Rezension im »Berliner Tageblatt« oder im Artikel Ferdinand Gumberts in der »Nichtpolitischen Rundschau« (Zeitungsausschnitte in StACo LA A 7364). 119 Vgl. Erler im »Berliner Fremdenblatt« (vgl. StACo LA A 7364). 120 Zeitungsausschnitt in StACo LA A 7364, f. 97. Zum Folgenden.

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sich mit seinen ersten Opern »Bahn gebrochen hatte«. Der Komponist von »Diana von Solange« habe nun »die Wahrheit in der Mitte zu finden« gesucht  : »An die Oper im Sinne Halevy’s und Meyerbeer’s erinnern das Breite des historischen Stoffes, die Massenwirkungen in Aufzügen und Ballets, die Scenen des provençalischen Liebeshofes bei Diana, mit einem Worte Alles, was eine glänzende Schaustellung bedingt, während sich der Einfluß Wagner’s in der Konzentration der Handlung auf ein bestimmtes Ziel und der, wenn auch sparsamen, so doch unverkennbaren Verwendung des Leitmotives zu Zwecken der Charakteristik zeigt.« Als Beispiele für diese Leitmotivik führt der Verfasser die Romanze der Diana aus dem ersten Akt an, die außer in der Ouvertüre und im ersten Akt auch bei Auftritt des Marquis’ im zweiten Akt im Hintergrund erklingt sowie erneut am Ende der Oper. Auch das Posaunenthema, das den Eintritt des Königs mit seinem Gefolge im zweiten Akt markiert, taucht später in der Oper im Zusammenhang mit dem Testament des Königs erneut auf. Doch der Rezensent macht klar, dass diese verschiedenen Elemente der Musik sich keinesfalls zu einem neuen, einheitlichen Stil zusammenfügen  : »Es handelt sich in ›Diana von Solange‹ um keinen neuen Stil, sondern um die glückliche Anpassung des vorhandenen Guten durch eine weiche Künstlernatur.« Nur leider fehlte der genannten Künstlernatur eben das Talent zum dramatischen Durchkomponieren. In dieser letzten großen Oper Ernsts II. wird dieser Mangel noch stärker spürbar als in den vorigen Werken, die sich musikalisch zum Teil noch in einem ganz anderen Kontext bewegten. Selbst den wohlwollend urteilenden Zeitgenossen konnte das – gerade im Rückblick – nicht entgehen121  : »So erscheint das Werk mehr aus Einzelheiten, die zum Theil recht interessant sind, zusammengesetzt, nicht aber als ein dramatisches Ganzes, in welchem sich Alles und Jedes um einen Mittelpunkt herum gruppirt.« Immerhin brachten die guten Einzelnummern dem Werk eine freundliche Aufnahme in Berlin, die Romanze der Diana wurde sogar »Da capo« verlangt122. Zusammenfassend scheint es angebracht, sich dem Urteil des bereits mehrfach zitierten Rezensenten der »National-Zeitung« anzuschließen123  : »Wir Alle haben schon bessere und schlechtere Musik gehört.«

121 Aus der Besprechung in der »Berliner Presse (Unterhaltungsblatt)« (Zeitungsausschnitt in StACo LA A 7364). 122 Vgl. einen mit »Stephan« unterzeichneten Brief aus Berlin vom 18. Juli 1882 an den Herzog (StACo LA A 7364, f. 99). 123 Zeitungsausschnitt in StACo LA A 7364, f. 97.

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Dresden – zugunsten des neuen Konservatoriums Neben Berlin war Dresden eine der ersten Bühnen, bei der Ernst II. sein neues Werk anpries124. Wie berichtet ließ er sich sogar zur Abänderung des Ausgangs der Oper überreden (unter Beibehaltung der Musik) und lädt den General­ intendanten Wolf August von Lüttichau sowie dessen Sekretär, Dr. Julius Pabst, zur Premiere der Oper in Coburg ein125. Im Gegenzug erreicht ihn die Bitte, dem neu gegründeten Konservatorium für Musik in Dresden126 als Ehrenmitglied beizutreten. Da diese Bitte erst einige Zeit nach der Gründung an den Herzog herangetragen wird und viele Mitglieder des Konservatoriums bei der Vorbereitung der Oper des Herzogs beschäftigt sind, vermutet Freytag127, dass mit dieser Geste die Hoffnung auf einen Erlass der Honorarzahlungen für die Aufführung der herzoglichen Oper verbunden ist128. Der Herzog bewilligt daraufhin einen jährlichen Beitrag zugunsten des Konservatoriums, und der Aufführung seiner Oper in der sächsischen Hauptstadt steht nichts mehr im Wege. Dekorations- und Kostümskizzen sowie weiteres Material zu »Diana von Solange« sendet Pabst schon am 20. Dezember 1858 wieder von Dresden zurück nach Coburg und bemerkt dazu129  : »Die Klavierproben schreiten, wie ich mit Vergnügen hinzufügen kann, rüstig vorwärts […]«. Auch in der Presse bleibt nicht unbemerkt, dass die Oper fast gleichzeitig in Coburg, Dresden und Hannover geprobt wird130. Die Premiere von »Diana von Solange« am 25. J­anuar 1859 in Dresden gefällt »außerordentlich«131, sodass Wiederholungen am 124 Die »Neue Berliner Musikzeitung«, 12. Jg., Nr. 17, vom 21. April 1858, S. 134, meldet sogar  : »Dresden. Die neue Oper des Herzogs Ernst von Coburg ›Diana von Solange‹ wird dem Vernehmen nach hier zuerst aufgeführt werden.« – Die Dresdner Premiere fand dann jedoch wenige Wochen nach der Coburger statt. 125 Weitere Unterlagen hierzu wie zum Folgenden in StACo LA A 7361, f. 99–102, 105–108, 110, 114, 115. 126 Heute die Hochschule für Musik »Carl Maria von Weber«, gegründet 1856 als privates Konservatorium. 127 Brief Freytags für den Herzog an Meyern-Hohenberg aus Siebleben vom 20. Oktober 1858 (Tempeltey 1904, S. 102f.). Zum Folgenden. 128 Freytag schreibt  : »So ist die Bitte im Grund eine zart angelegte Bettelei.« (Tempeltey 1904, S. 103). 129 Brief von Julius Pabst aus Dresden vom 20. Dezember 1858 (StACo Theater 10, f. 29). 130 »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 7. Jg., Nr. 50, vom 16. Dezember 1858, S. 199. Diese Nachricht ist mit ihrer Ankündigung der Oper für Coburg-Gotha allerdings etwas zu spät. 131 Undatierter Brief aus Dresden von einem nicht identifizierten Schreiber mit genauer Beschreibung der Premiere von »Diana von Solange« in Dresden (StACo LA A 7361, f. 140– 142). Zum Folgenden.

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27. und 30. des Monats angesetzt werden. Dieser Erfolg sei umso schöner, als es in Dresden eine »ungeheure Wagner’sche Partei, die nur was aus deßen Feder fließt gut heißt« gebe. Pabst schreibt noch am 26. Januar 1859 nach Coburg132 und berichtet vom Applaus für die Sänger sowie vom Bühnenbild, in dem einige Gemälde von Rubens, die in Dresden hingen, nachgestellt wurden, was dem Publikum sehr gefallen habe. Auch »daß Diana am Leben bleibt, wurde allgemein als wohlthuend empfunden«133. Etwas weniger begeistert, wenn auch nicht durchwegs negativ, klingt der Bericht in der »Niederrheinischen Musik-Zeitung«134  : »Obgleich die Ausführung dieses Werkes eine gelungene zu nennen ist, so war doch der Erfolg nur mässig und die Aufnahme von Seiten des Publicums keine enthusiastische […] Bei allem dem ist die Oper nicht schlechter, als eine so genannte deutsche ›Capellmeister-Oper‹.« Deutlich positiver sind die Äußerungen über »Diana von Solange« in Dresden offenbar Franz Liszt gegenüber. In einem Brief an Wangenheim vom 16. Januar 1860135 schreibt Liszt  : »Mein Wunsch die neueste Schöpfung des erlauchten Meisters (Diane de Solanges) zu hören bevor ich Deutschland wieder verlasse, war stets sehr groß, ist aber seit meinem Aufenthalte in Dresden noch viel größer geworden, da ich dort von Künstlern wie von Layen dem Werke so warmes begeistertes Lob spenden höre.« Paris – Schlachtplan gescheitert Im Juli 1857 hielt sich Ernst II. in Brüssel auf, wo er auch den unermüdlichen Gustave Oppelt wiedertraf. Geschult vom Kampf um »Santa Chiara« entwarf der Herzog diesmal einen genauen Plan, wie er »Diana von Solange« in Paris durchsetzen wollte. In einem »Memorandum pour M. Gustave Oppelt«136 legt Ernst II. am 28. Juli 1857 Schritt für Schritt fest, wie Oppelt, der wieder sein Agent in Paris 132 StACo LA A 7361, f. 155ff. 133 Übrigens nutzt Pabst die gute Stimmung zwischen Dresden und Coburg für Werbung in eigener Sache  : Er schickt seine Oper »Die letzten Tage von Pompeji« nach Coburg. Lampert lehnt das Werk jedoch ab mit dem Hinweis, man verfüge nicht über die erforderlichen Kräfte. Im internen Gutachten heißt es  : »Die Musik der fragl. Oper ist melodiös und enthält Vieles daß [sic] sich jedem aufmerksamen Ohr beim ersten Anhören unvergeßlich einprägt  : Leider mangelt derselben aber Eigenthümlichkeit, echt dramatisches Leben, ferner echt [?] geistvolle Wandlungen und Ein- sowie Reinheit in Form und Styl.« (vgl. StACo LA A 7361, f. 152–154). 134 NRMZ, vom 19. Februar 1859, S. 63. 135 Henze-Döhring, Bd. 8, S. 9. Zum Folgenden. 136 StACo LA A 7361, f. 74–75. Zum Folgenden. – Einige weitere Anweisungen folgen im Brief des Herzogs aus Gotha an Oppelt in Brüssel vom 9. August 1857 (StACo LA A 7361, f. 76).

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sein soll, vorzugehen habe  : Für die Übersetzung des Librettos von »Diana von Solange« ins Französische137 solle Oppelt in Paris Kontakt aufnehmen mit dem Übersetzer und Dramatiker Gustave Vaëz (1812–1862)138  ; auf dessen Wunsch wenn nötig auch mit Alphonse Royer (1803–1875). Gemeinsam sollen sie ein französisches Textbuch der »Diana von Solange« anfertigen, wobei auch Henry Litolff einbezogen werden solle. Letzteren betrachtet Ernst II. offenbar vor allem als den Musiker im Team, der dafür Sorge zu tragen habe, dass Verse und Musik zusammenpassen. Letzte Autorität beim Text solle aber bei Vaëz liegen (»la forme et la versification définitives«). Ansonsten behält sich der Herzog natürlich die endgültige Absegnung des Buches vor, das dann sofort bei der Pariser Opernverwaltung eingereicht werden solle. Ausdrücklich wünscht sich der Herzog eine Aufführung seiner Oper innerhalb eines Jahres nach Einreichung der Partitur. Gegebenenfalls solle man dafür wieder die Unterstützung des Prinzen von Chimay anfordern. Der Schlachtplan Ernsts II. gerät gleich zu Beginn ins Stocken  : Vaëz begegnet der Oper mit Skepsis139. Er wolle die Aufgabe nur übernehmen, wenn er die Erfolgsaussichten des Werkes für gut genug befinde (»Il faut que je voie dans l’ouvrage toutes les chances d’un succès.«). Ganz offen fragt er Oppelt, ob das Stück nicht zu viel auf die Bühne bringe, was man schon gesehen habe. Dabei bezieht sich Vaëz weniger auf den Handlungsverlauf als auf die Situation, die Ausstattung usw. der Oper. Auch hält er ein Zeitlimit für unrealistisch, da dies im Ermessen der Opernverwaltung liege. Im September 1857140 schickt Oppelt seine freie Übersetzung zur Korrektur an den Herzog, der wiederum eine »poetische Versifikation« fordert. Im Dezember rechtfertigt sich Oppelt141, dass er ja nur eine freie Übersetzung angefertigt habe, ein »squelette de l­’œuvre 137 … die der Herzog offensichtlich diesmal nicht Oppelt allein überlassen will, nach den Erfahrungen mit »Santa Chiara«. 138 Eigentlich Jean-Nicolas-Gustave van Nieuwen-Huysen, belgischer Dramatiker und Übersetzer, der in Paris mit Alphonse Royer, ebenfalls Dramatiker, Librettist und Theaterdirektor, zusammenarbeitete. 139 Die folgenden Informationen stammen aus einem Brief Oppelts vom 3. August 1857 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 77–79). 140 Brief Oppelts vom 23. September 1857 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 87). Mit Antwortvermerk. 141 Brief Oppelts vom 12. Dezember 1857 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 90). Zum Folgenden. – Im Oktober hatte sich Oppelt ebenfalls beim Herzog gemeldet, diesmal auf dessen Wunsch mit Informationen zu einem Redakteur der Zeitung »Figaro II«, I. Simart, der dem Herzog ein »Album poetique de l’Allemagne« widmen wollte (vgl. hierzu StACo LA A 7361, f. 84–86, 88).

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originale«. Dies habe er nun Vaëz vorgelegt. Außerdem, so stichelt er, sei es natürlich sehr nützlich, wenn für die endgültige »Versification« endlich die Musik vorliegen würde, »afin de mettre la poésie constamment en harmonie avec le caractère de la partition et avec le sentiment de la phrase musicale«142. Wohl in denselben Zeitraum ist ein undatierter Brief Litolffs an den Coburger Intendanten von Wangenheim143 einzuordnen  : Litolff berichtet, er habe in Paris mit Camille Doucet gesprochen und wegen einer möglichen Aufführung von »Diana von Solange« in Paris nachgefragt. Nun werde das Libretto an den Direktor des Theatre Lyrique weitergegeben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist also die letzte Oper des Herzogs in Paris angekommen, fraglich bleibt allerdings, ob sie dort je aufgeführt wurde. In der Presse dieser Zeit wird sie mehrfach erwähnt144, allerdings ohne Hinweise auf ein konkretes Datum. Über Litolff kommt offenbar auch der Kontakt zu den Leitern des Theaters der Weltausstellung zustande, die von April bis November 1867 in Paris stattfindet. Sowohl mit dem Verwaltungsdirektor Lefebre als auch mit dem Theaterdirektor Regnier wird über eine Aufführung von »Diana von Solange« anlässlich der »Exposition Universelle« verhandelt145. Dabei tritt auch ein Angehöriger der mit Coburg-Gotha verbundenen jüdischen Bankiersfamilie Königswarter als Vermittler auf146. Da das »Theatre International« auf der Welt­ ausstellung jedoch von Anfang an große finanzielle Probleme hat und – auch aufgrund der übermächtigen Konkurrenz durch das reiche Pariser Theater­ 142 »um den Text mit dem Charakter der Partitur und dem Ausdruck der musikalischen Phrasen dauerhaft zu verbinden«. 143 Brief Litolffs aus Melun ohne Datum (StACo LA A 7361, f. 176). Zum Folgenden. – Litolff betont in diesem Brief, er habe Doucet zu verstehen gegeben, dass er nicht im Auftrag des Herzogs handle. Möglicherweise wollte der Herzog diesmal mehr im Hintergrund bleiben als bei seinem Feldzug für »Santa Chiara«. 144 Zum Beispiel in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung«, 8. Jg., Nr. 33, vom 18. August 1859, S. 132, unter »Paris«  : »Man spricht auch von der neuen Oper des Herzogs von Sachsen-­ Koburg ›Diana von Solanges‹ [sic].« – Oder in »Le Figaro« vom 21. November 1858, S. 3, im Artikel des bissig-ironischen Auguste Villemot (1811–1870)  : »On annonce aussi que M. Royer, assisté de M. Vaëz, Desarbres entendu, a reçu un opéra du duc de Saxe-Gotha. – C’est toujours avec plaisir que je vois les jeunes compositeurs faire leur chemin.« 145 Brief Lefebres vom 30. Januar 1867 (StACo LA A 7361, f. 215). Regnier wird im Brief Königswarters erwähnt. Im Folgenden. 146 Wahrscheinlich handelt es sich um Henri Königswarter (1819–1876), Kaufmann und »Minis­ terresident« Sachsen-Coburg und Gothas in Paris, oder dessen Sohn Jules (vgl. Drewes, S. 353). Die Familie erwähnt Ernst II. auch in seiner Autobiografie (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 412). Der Brief Königswarters vom 18. Februar 1867 an Meyern-Hohenberg ist zu finden in StACo LA A 7361, f. 212–214.

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leben – sich bald auf exotische Darbietungen verlegt147, bleiben die Verhandlungen bezüglich der herzoglichen Oper wohl ohne Erfolg148. Dass Herzog Ernst II. die Weltausstellung dennoch besuchte, berichtet er selbst in seinen Memoiren149. Liszt schreibt seiner Geliebten beeindruckt davon, dass der französische Kaiser den Herzog in seiner Unterkunft aufgesucht habe150. Hannover – Marschner oder Fischer  ? Auch an Hannovers Hoftheater und den dortigen Kapellmeister Marschner dachte Herzog Ernst II. schon bald nach Herausgabe seiner neuen Oper. Hannovers Intendant von Platen-Hallermund, der sich 1853 erfolgreich für die Oper »Tony« eingesetzt hatte, verleiht in einem Brief vom 21. April 1858151 seiner Überraschung darüber Ausdruck, dass der Herzog sich ausgerechnet Marschner als Dirigenten seiner neuen Oper wünsche. Dessen Kollege, Kapellmeister Carl Ludwig Fischer (1816–1877), sei doch viel besser als Marschner, da er »voller Thätigkeit und Energie« jede Rolle einzeln mit den jeweiligen Sängern einstudiere, während Marschner erst bei den Ensembleproben einsteige und alles andere dem Korrepetitor überlasse. »Ueberhaupt ist M. nur für seine eigenen Werke eingenommen und bekümmert sich wenig über den Gang anderer, daher er denn auch nach und nach den größten Theil der von ihm dirigirten Opern an Fischer abgeben mußte, der sich Seitens der Allerhöchsten Herrschaften des größten Beifalls erfreut, während M. immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird. / Diese Gründe bestimmen mich zu dem lebhaften Wunsch, daß Letzterem die Leitung der herzoglichen Oper nicht zuerkannt werden möchte, zumal er schon bei der unter meinem Vorgänger gegebenen Oper  : Toni Beweise seiner Gleichgültigkeit abgelegt hat, indem diese nicht so zur Aufführung gebracht worden ist, wie man es von ihm erwarten 147 Näheres zu den Theatern und anderen Unterhaltungsshows auf der Weltausstellung bei Barth, S. 322–338. 148 Außerdem hatte angeblich schon die Aufführung von »Santa Chiara« in Paris zu Zeiten der ersten Weltausstellung in Paris 1855 den Unmut der patriotischen Franzosen erregt (vgl. im Kapitel zu »Santa Chiara«). 149 Vgl. u. a. »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 646f. Ernst schreibt, er sei von Mitte bis Ende Juni in Paris gewesen, habe dort die Nachricht vom Tod »des unglücklichen Kaisers Max« (1832–1867) in Mexiko erhalten und einen in seinen Augen geschlagenen französischen Kaiser zurückgelassen, den er erst am Tag nach der Schlacht bei Sedan wiedersehen sollte. 150 Brief Liszts an die Gräfin Sayn-Wittgenstein vom 30. Juli 1867 (Liszt, Briefe, Bd. 6, S. 136). 151 Brief von Platens aus Hannover vom 21. April 1858 (StACo Theater 10, f. 2–3).

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konnte. Dagegen bin ich völlig überzeugt, daß Fischer mit ganzer Lust und Liebe seine Aufgabe übernehmen und lösen werde, und bin eines großartigen Erfolges sicher.«152 Von Platens Entschlossenheit, die neueste Oper Ernsts II. bestmöglich zur Aufführung zu bringen, klingt hier unüberhörbar durch. Dementsprechend beeilt sich die Intendanz in Coburg, das erforderliche Material zur Verfügung zu stellen  : Am 4. Mai 1858 übersendet Krämer die von ihm für das Hoftheater Hannover kopierte Partitur und verspricht, eine bessere (ohne die vielen Korrekturen) bis Ende Juni nachzuliefern – ein ehrgeiziges Unterfangen angesichts der über 140 Bogen handschriftlicher Noten. Im Laufe des Jahres werden dann außer der Partitur auch noch verschiedene Skizzen und Entwürfe zwischen Hannover und Coburg hin und her geschickt153. Die Premiere findet am 22. Dezember 1858 statt, es folgen zwei Wiederholungen. Die Musik wird wegen ihrer »Jugendfrische und Naturkraft« gelobt154. Wien – mit Prechtlers Hilfe Der in Wien ansässige Librettist Prechtler setzte sich natürlich auch dort für »Diana von Solange« ein. Ab November 1858 wird das Werk an der Wiener Hofoper einstudiert155. Prechtler verspricht in einem Brief an den Intendanten von Wangenheim156, »aufmerksam und geistesthätig« bei den Proben anwesend zu sein. Als im Februar – trotz diverser Erkrankungen im Ensemble157 – die Premiere näher rückt, versorgt Prechtler die Wiener Presse mit Berichten und freut sich in einem Brief158 an den Herzog über die optimale Besetzung der Hauptrollen sowie die positiven Äußerungen des Kapellmeisters Heinrich Joseph Esser (1818–1872), der den ersten Akt ein »reizendes Meisterstück« genannt habe. Auch übermittelt er dem Komponisten die dringende Bitte der Ausführenden, den ursprünglichen, tragischen Ausgang des Stückes mit dem 152 Nach Weber 1995, S. 66, war Fischer dann auch der Dirigent der Hannoveraner Premiere am 22. Dezember 1858, der noch zwei Wiederholungen folgten. Zum Folgenden. 153 Briefwechsel hierzu in StACo Theater 10, f. 5, 6, 30. 154 Vgl. Katzenberger 2008, S. 102. 155 Vgl. die Meldung in der »Neuen Berliner Musikzeitung«, 12. Jg., Nr. 48, vom 24. November 1858, S. 382. 156 Brief Prechtlers aus Wien vom 14. November 1858 (StACo LA A 7361, f. 111–112). 157 Was wohl auch der Grund für die letztendlich überflüssige Vorwarnung in der Presse war, »Diana von Solange« werde »bis nahe an das Ende der deutschen Saison« nach hinten verschoben (»Neue Wiener Musik-Zeitung«, 8. Jg., Nr. 11, vom 17. März 1859, S. 42). 158 Brief Prechtlers vom 21. Februar 1859 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. f. 157–158). Zum Folgenden.

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Tod Dianas wiederherstellen zu dürfen  : »Man verspricht sich hier damit eine viel größere Wirkung  ; der Poesie u. dem Drama ist es wohl auch gemäßer.«159 Außerdem sei er, Prechtler, vom Oberstkämmerer Lanckoronski gebeten worden, die Worte »Papst« und »Rom« auszutauschen, da diese auf der Wiener Opernbühne nicht ausgesprochen werden dürften. Geschickt ersetzt er sie durch »Italien« und »die sieben Hügel« und fügt im Spaß hinzu  : »Ew Hoheit hätte nicht den Teufel an die Wand mahlen sollen.« Da er nun – nicht zuletzt im eigenen Interesse – kurz vor der Premiere noch einmal tüchtig Werbung für die Oper machen wolle, bittet er um möglichst viele Informationen zur Musik. Er habe schon Lampert kontaktiert, aber der habe nur einen Bericht über die Uraufführung mitgeschickt160. Nun bittet Prechtler den Herzog um »eine unmittelbare schriftliche Berührung u. Klarmachung der künstlerischen Intention«. In einem langen Artikel wolle er nämlich »das Publikum in würdiger und geistvoller Weise auf den rechten Standpunkt der Beurtheilung, vielleicht auch des Eindrucks […] setzen.« Anschließend verkündet der Librettist pathetisch, er finde keine Worte für seinen Dank an den Herzog  : »Aber der Genius Ew. Hoheit hört auch die stumme Sprache meiner Seele  !« Einer kurzen Ankündigung der Oper »Diana von Solange« in der »Neuen Wiener Musik-Zeitung«161 ist zu entnehmen, dass es Prechtler offenbar gelungen ist, das Interesse des Theaterpublikums zu wecken  : »[…] nach dem, was man über den edleren Gehalt der Musik, gestützt auf ein interessantes Textbuch, in öffentlichen Blättern vernimmt«, wird das Werk gespannt erwartet. Der zuständige Regisseur Carl Just (1808–1861) hat sich eigens in Coburg gemeldet162, um »einige die scenischen Hauptpunkte betreffenden Andeutungen«, weitere Textbücher (mit szenischen Anmerkungen) sowie Kostüm- und Dekorationsskizzen zu erhalten. Leider wird die Premiere am

159 Bei der Gelegenheit weist Prechtler auf einen schweren Fehler in der Partitur hin  : Der Text der sterbenden Diana wurde auch in der geänderten Fassung (Happy End) beibehalten, so dass die Worte mit dem anschließenden »Du lebst  ?« keinen Sinn ergeben. 160 Später im Brief ist zu lesen, dass Prechtler sich offenbar mit dem Herzog näher über Ernst Lampert ausgetauscht hatte. Prechtler schreibt, der Herzog sehe »sehr tief«, wenn er den Charakter Lamperts »in gewißer moralischer Beziehung als bedenklich u. falsch« bezeichne (StACo LA A 7361, f. 157–158). 161 8. Jg., Nr. 11, vom 17. März 1859, S. 42. Zum Folgenden. 162 Brief Carl Justs aus Wien vom 12. Januar 1859 (StACo Theater 10, f. 31). Zum Folgenden. – Die Kostümskizzen waren schon für die Coburger Uraufführung vom Wiener Kostümdirektor Girolamo Franceschini (1820–1859) entworfen worden, weshalb die Coburger Intendanz den Regisseur an diesen verweist.

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19. März 1859163 dann durch zwei Faktoren negativ beeinflusst, die so gut wie alle Vorschusslorbeeren aufbrauchen  : Die Sängerin der Hauptrolle, Marie Luise Dustmann-Meyer (1831–1899), wird im Verlauf der Oper immer heiserer und kann ab dem dritten Akt ihre Stimme kaum mehr entfalten164. Und die Oper geht ohne die notwendigen Kürzungen über die Bühne, dauert also fast vier Stunden und ist damit für Wiener Verhältnisse deutlich zu lang165. So entsteht wohl auch der Spitzname »Diana von so lange«, der später noch öfter kolportiert wird166. Selbst Prechtler muss in seinem Brief vom 21. März 1859167 zugeben, dass der Erfolg der Premiere deutlich eingeschränkt war. Beispielsweise kann er nicht verstehen, warum die Huldigungshymnen im vierten Akt ohne besondere Wirkung blieben  : »Niemand auf der Bühne konnte es begreifen  ; Alle hatten sich davon die größte Wirkung versprochen.« Vielleicht war dies aber auch darauf zurückzuführen, dass niemand vom Hof anwesend war168 und sich das Publikum deshalb nicht zum höflichen (!) Applaus verpflichtet fühlte, als auf der Bühne der Königsmacht gehuldigt wurde. Prechtler fügt noch hinzu, dass der zweite Akt in Wien begeisterter aufgenommen worden sei als in Coburg und dass die Ausstattung in Wien nicht so »künstlerisch schön«, dafür »würdig und theilweise prachtvoll« gewesen sei. Da er »der reinsten Wahrheit getreue[n] Bericht« abliefern möchte, gesteht er ebenso, dass die Meinungen in den Zeitungen geteilt seien, dafür aber einig in der Bedeutung des Werkes. Bei näherer Betrachtung der Nachrichten über »Diana von Solange« in der Wiener Fachpresse erscheint die Einschätzung Prechtlers ganz zutreffend. Die »Neue Wiener Musik-Zeitung«169 kritisiert nach anfänglichem Lob für Precht163 In der »Neuen Wiener Musik-Zeitung«, 9. Jg., Nr. 2, vom 12. Januar 1860, S. 7, ist irrtümlich vom 16. März die Rede. Dort ist auch die Information verzeichnet, dass es insgesamt nur drei Aufführungen gab. 164 Dies ist in den meisten Berichten der Presse und von privater Hand zu lesen. Vgl. den Brief von Friedrich von Borsch (1809–1881) vom 20. März 1859 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 159–160). Zum Folgenden. 165 Die Angabe von 4 Stunden Dauer entstammt dem oben genannten Brief von Borschs (StACo LA A 7361, f. 159–160). Zum Vergleich  : Im Coburger Aufführungsmaterial (LBC TB Op 261) finden sich in der ersten Trompetenstimme folgende Angaben zur Dauer der Oper  : 1. Akt 28 Min., 2. Akt 44, 3. Akt 39, 4. Akt 26, 5. Akt 14, insgesamt 2 Stunden 31 Min. 166 Vgl. den Bericht in der »Berliner Presse«, Nr. 182, vom 7. August 1891  : »der Wiener Volkswitz nannte die Oper wegen ihrer ungewöhnlichen Ausdehnung ›Diana von so lange‹«. 167 StACo LA A 7361, f. 161–162. Zum Folgenden. 168 Auch das erwähnt Prechtler im zitierten Brief  ; allerdings nicht in diesem Zusammenhang. 169 8. Jg., Nr. 12, vom 24. März 1859, S. 46f. Zum Folgenden.

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ler vor allem den wenig logischen Aufbau des Librettos sowie das Fehlen der eigentlichen Hauptpersonen (Evora, Philipp) auf der Bühne. Daher entstehe beim Zuschauer kein »wärmeres Interesse« für den Konflikt. Dennoch  : »Der Erfolg war im Ganzen ehrenvoll, die Ausführung der Oper eine vorzügliche, Orchester und Chor unter Esser’s Leitung ließen nichts zu wünschen übrig.« Wie in vielen anderen Kritiken wird vor allem der »provençalische Liebeshof« im dritten Akt hervorgehoben. Eine ausführlichere Besprechung der Musik findet sich dagegen in der »Wiener Theaterzeitung« vom 3. April 1859170. Der Verfasser meldet bereits die dritte Aufführung von »Diana von Solange«. Seine Formulierung »[…] und hat jene ehrende Aufnahme gefunden, welche das Werk des erlauchten Componisten in vollstem Maße verdient« deutet auf eine leicht devote Haltung des Kritikers gegenüber dem Herzog hin. Dies bestätigt sich in der durchgehend zurückhaltend positiven Besprechung der einzelnen Nummern der Oper. Die Zusammenfassung klingt wie eine freundliche Umschreibung des Wortes »langweilig«  : »Das Ganze erscheint in einem Guße voll harmonischer Schönheit, nirgends eine Ueberladung oder Ueberfüllung der musikalischen Architektonik.« Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch der zunehmende Erfolg der Oper von Aufführung zu Aufführung, der vor allem auf die ansteigende Form der Sänger zurückzuführen sein dürfte171. Die stärker applaudierte dritte Vorstellung markiert nach Prechtlers Meinung dann offenbar den richtigen Zeitpunkt, um endlich die ersehnte »Anerkennung« für die Sänger und Musiker in Wien durch den Herzog zu erbitten172. Dieser jedoch möchte eine besondere »Belobung« der Künstler erst nach »sorgsamer Wiederholung der Oper« vornehmen. Möglicherweise ist dies der entscheidende Anreiz, die Oper in der nächsten Saison wieder aufzunehmen173. Eduard Hanslick (1825–1904), einer der prominentesten Kritiker seiner Zeit, wundert sich im März 1860174  : »Das Reper170 »Wiener Theaterzeitung«, 53. Jg., vom 3. April 1859 (auch in StACo LA A 7361, f. 166– 167). Zum Folgenden. 171 Vgl. hierzu auch den Brief der Wiener Hofschauspielerin Antonie Kronser-Fournier (1809– 1882), die offenbar den Redakteur der zitierten »Wiener Theaterzeitung«, Adolf Bäuerle (1786–1859), auf die Oper aufmerksam gemacht hatte (vgl. Briefe in StACo LA A 7361, f. 163–167). 172 Brief Prechtlers vom 21. September 1859 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 174–175). Mit Antwortvermerk des Herzogs. Zum Folgenden. 173 Hadamowsky (Bd. 2, S. 95) nennt folgende Aufführungsdaten in Wien  : 19., 24. und 29. März 1859 sowie 28. Februar und 27. März 1860.- Für die Wiederaufnahme fordert Krämer im November 1860 sein Honorar aus Wien ein (StACo LA A 7361, f. 191). 174 Hanslick, Bd. I/5, S. 154f. (Pressebericht vom 1. März 1860). – Entgegen seiner Darstellung

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toire des Kärntnerthor-Theaters hat vorgestern wieder eine seltsame Bereicherung erfahren  : ›Diana von Solange‹ heißt dieser unerwartete Besuch. Die Oper ist hier bekanntlich vor Einem Jahre [sic] mit großer Achtung durchgefallen und brachte es nicht zur dritten Vorstellung. Jetzt mußte sie neu studirt, ja zum Theil neu besetzt werden. Was die Direction mit dieser That beabsichtige, mag sie ganz allein wissen. Dem Publicum hat sie damit nur einen neuen Beweise geliefert, daß sie nichts versäume, was irgend geeignet sein kann, ihr die letzten Freunde und Vertheidiger abwendig zu machen.« Übrigens bleibt es nicht bei der Wiederaufnahme der Oper  : Der Wiener Orchesterverein »Euterpe« veranstaltet am Nachmittag des 18. März außerdem ein Konzert zu Ehren Herzog Ernsts II. mit seinen Kompositionen175. Darmstadt – mit voller Unterstützung aus Coburg-Gotha Der als Schriftsteller und Journalist erfahrene und weitgereiste Manfred Dräxler (eigentlich Karl Dräxler, 1806–1879), seit 1854 Dramaturg am Hoftheater Darmstadt, schreibt am 2. Dezember 1858 nach Coburg, er habe in der Zeitung gelesen, dass in Coburg die Aufführung der neuen Oper »Adele [sic  !] von Solanges [sic]« bevorstehe. Da sich das Darmstädter Hoftheater immer der Werke des Herzogs angenommen habe, bitte er um Übersendung zweier Textbücher176. Doch erst 20 Jahre später kommt »Diana von Solange« in Darmstadt zur Aufführung. Im April 1878 bedankt sich die »Großherzogl. Hoftheater-Oekonomie-Inspektion« bei der Coburger Intendanz für die Unterstützung bei der Ausstattung der Oper. Außerdem fragt man nach den Kostümen der weiblichen Hauptrollen177. Neben dem leihweise überlassenen Orchestermaterial178 wird auch der Coburger Kammersänger Eduard Fessler (1841–1901) war »Diana von Solange« in ihrer ersten Saison in Wien drei Mal aufgeführt worden (vgl. NRMZ, vom 28. Januar 1860, S. 60). 175 Gespielt wurden die Ouvertüre zu »Santa Chiara«, die Lieder »An die Ferne« und »Ave Maria« sowie die »Fantasia symphonica« über Themen aus Werken des Herzogs von Franz v. Suppé (1819–1895) (»Neue Wiener Musik-Zeitung«, 9. Jg., Nr. 12, vom 22. März 1860, S. 46). Das genannte Werk von Suppé findet sich auch unter LBC TB Fan 12. 176 Brief Dräxlers aus Darmstadt vom 2. Dezember 1858 (StACo LA A 7361, f. 117). Mit Vermerk  : »übersandt«. 177 Diese Frage wurde aus Gotha mit dem Hinweis beantwortet, dass Damenkostüme dort nicht gestellt würden (StACo LA A 736, f. 117). 178 … das erst im Mai 1880 dankend zurückgeschickt wurde (Brief der Direktion des Hoftheaters Darmstadt vom 31. Mai 1880  ; in StACo Theater 3042, o. Nr.). Im Coburger Orches-

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eigens nach Darmstadt gesandt, um dort an einer erfolgreichen Aufführung mitzu­wirken179. Nach nur fünf Proben findet am 25. April 1878180 »zur Feier ­Ihrer Königl. Hoheit der Frau Großherzogin von Hessen und bei Rhein und Main«181 die Premiere statt. Aufgrund des hohen Anlasses, des Geburtstags der Fürstin, sind auch etliche hohe Gäste zugegen182. Die Auswahl der Komposition eines fürstlichen Verwandten ist in diesem Zusammenhang sicher kein Zufall. Kurz nach der Aufführung erhalten alle leitenden Mitwirkenden eine Auszeichnung durch den Herzog183. Ein Kritiker schreibt in den »Neuen Hessischen Volksblättern«184 freundlich  : »Die Handlung ist spannend, wenn auch mitunter etwas gedehnt, die Musik gefällig, melodiös und in manchen Nummern von treffender Charakteristik.« Neben einer ebenso höflich-wohlwollenden Beurteilung des Werkes liefert der Rezensent der »Darmstädter Zeitung« noch die nicht unwichtige Information, dass auch in Darmstadt das Finale der Oper derart abgeändert wurde, dass weder Diana noch Fuegos am Ende sterben185.

termaterial (LBC TB Op 261) finden sich auch Vermerke der Musiker aus Darmstadt  ; im zweiten Band der Partitur P1 hat der Darmstädter Chordirektor Änderungen und Kürzungen eingetragen. 179 Vgl. Zeitungsausschnitt in StACo LA A 7363, f. 397. Auch Knispel (S. 217) erwähnt, dass Fessler kurzfristig für den erkrankten Darmstädter Kammersänger Karl Becker (1820–1879) einspringen musste. Fesslers Leistung wurde in der Darmstädter Presse besonders gelobt (vgl. Ausschnitt »Vermischte Mittheilungen« aus Darmstadt vom April 1878, in StACo LA A 7364), später wurde er an das dortige Hoftheater fest engagiert. 180 Daten im Orchestermaterial (LBC TB Op 261, »Tromba Alto«, »Tromba I« und »Tromba II«). Proben demnach am 16. April um 10 Uhr und um 17 Uhr, am 17. um 16 Uhr, sowie jeweils am 20. und 24. April (ohne Zeitangabe). Eine Wiederholung fand am 20. April 1879 statt, was auch die späte Rückgabe der Noten erklärt. 181 Knispel (S. 217) beschreibt die sorgfältige Vorbereitung für die prachtvolle »Fest-Vorstellung« zum Geburtstag der Großherzogin Alice, die eine Nichte Ernsts II. war. 182 Im Ausschnitt eines nicht näher identifizierten Zeitungsartikels in StACo LA A 7364 (f. 106) werden Prinz Wilhelm von Preußen und der Fürst von Leiningen genannt. 183 Vgl. Knispel, S. 217. – Im Coburger Orchestermaterial (LBC TB Op 261, »Tromba II«) findet sich übrigens ein Hinweis auf eine weitere Aufführung der Oper in Darmstadt, und zwar am 20. April 1879. 184 »Neue Hessische Volksblätter«, Nr. 98, vom 27. April 1878. Artikel als Zeitungsausschnitt in StACo LA A 7363, f. 397, sowie in LA A 7364, f. 106. Zum Folgenden. 185 »Darmstädter Zeitung« vom 27. April 1878 (als Ausschnitt in StACo LA A 7364, f. 106)  : »Bei der gestrigen Aufführung starb Diana nicht, auch fiel Fuegos nicht durch den Schuß.« – Unverändert jedoch blieb der Schlusschor mit dem Treueschwur an König und Vaterland.

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Leipzig – ein guter Ort für die Opern des Herzogs Im August 1860 wendet sich der Direktor des Stadttheaters Leipzig, Rudolf Wirsing, sowohl an den Kapellmeister Krämer in Gotha als auch an den Intendanten von Meyern-Hohenberg in Coburg186. Nach dem Erfolg von »Santa Chiara« will er nun auch deren Nachfolgerin zur Aufführung bringen. Krämer, der befürchtet, die Oper sei für das Leipziger Publikum zu lang, bittet den Herzog um die Absegnung von »streichbaren Stellen«187, die er offenbar vorgeschlagen hatte. Außerdem werden – wie üblich – Dekorations- und Kostümskizzen sowie ein Klavierauszug zur Vorbereitung nach Leipzig geschickt188. Nach der Premiere am 16. Oktober 1860 schreibt Wirsing mit »großer Freude« an Meyern-Hohenberg189, dass er für »Diana von Solange« nun denselben Erfolg erwarte wie ihn »Santa Chiara« in Leipzig hatte. Nach seinem Bericht waren die am meisten beklatschten Nummern die Romanze der Diana sowie das Finale des ersten Aktes, die Arie des Marquis sowie die leicht gekürzte Szene König/Fuegos im zweiten Akt sowie das erste Bild im dritten Akt, das aufgrund der neuen Dekoration und der Gruppenaufstellung des Balletts mit nicht enden wollendem Beifall begrüßt worden sei. Nach dem vierten und fünften Akt seien jeweils alle Mitglieder hervorgerufen worden. Man wolle gleich am 19. Oktober eine Wiederholung der Oper geben. Der Coburger Intendant von Meyern-Hohenberg, selbst ehrgeiziger Bühnenschriftsteller, wird von Wirsing zur Aufführung seines Stückes »Prinz Eugen« in Leipzig eingeladen190 und fährt hin, um am Abend vorher auch eine Vorstellung von »Diana von Solange« zu besuchen191. Begeistert meldet er sich am 29. Oktober 1860 beim Herzog192  : »Die Inscenierung ist vortrefflich, wegen des Ballets besser als bei uns«. Die Oper sei bei vollem Haus mit viel Beifall begrüßt worden. Überhaupt sei das Leipziger Publikum auf Seiten des Herzogs, seit dessen »Santa Chiara« dort 14 Mal gegeben worden sei. Er schlägt vor, 186 Briefwechsel hierzu in StACo LA A 7361, f. 180, 184–190. Zum Folgenden. 187 Brief Krämers aus Gotha vom 13. August 1860 (StACo LA A 7361, f. 180). 188 Vermerk Fugmanns vom 17. September 1860 (StACo Theater 10, f. 39’). 189 Brief Wirsings aus Leipzig an Meyern-Hohenberg vom 17. Oktober 1860 (StACo LA A 7361, f. 186). Zum Folgenden. – Auch Küstner schrieb vom Erfolg der Leipziger Premiere (StACO LA A 7361, f. 187). 190 Brief Wirsings vom 17. Oktober 1869 (StACo LA A 7361, f. 186). 191 Brief von Meyern-Hohenbergs vom 18. Oktober 1860 (StACo LA A 7361, f. 184–185). 192 Brief von Meyern-Hohenbergs vom 29. Oktober 1860 (StACo LA A 7361, f. 188–189). Zum Folgenden. – Er hatte die dritte Vorstellung von »Diana von Solange« gesehen.

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Wirsing für dessen Verdienste um die Opern des Herzogs das Verdienstkreuz zu verleihen193. Außerdem habe er bei seinem Besuch in Leipzig gleich noch einen neuen Bassisten für das Coburg-Gothaer Hoftheater engagiert (für 350 fl.) und bitte nun um Genehmigung dafür. Nach einer Zusammenstellung aller Aufführungen von Opern des Herzogs in Leipzig194 wurde »Diana von Solange« dort am 16., 19., 26. und 31. Okto­ ber sowie am 7. November und 30. Dezember 1860 gespielt und dann im Jahr 1872 noch einmal wiederaufgenommen (25. und 28. Mai, 29. Dezember). Zu dieser Wiederaufnahme gibt es einen Artikel im »Illustrirten Wiener Extra­ blatt«, der im Juni 1872 vom Herausgeber Ottokar Franz Ebersberg (»O.F. Berg«, 1833–1886) an den Komponisten geschickt wird195  : Herzog Ernst habe selbst die »freundliche Aufnahme« seines Werkes in Leipzig erlebt196, die ihn umso mehr gefreut haben dürfte, »als das dortige Theaterpublikum seiner Bedächtigkeit und Nüchternheit wegen von allen Direktoren und Schauspielern gefürchtet wird.« Allerdings meldet die AMZ197 zur Vorstellung am 25. Mai 1872  : »Die Partien waren gut besetzt und die Darstellung daher befriedigend, der Erfolg jedoch nicht sehr gross.« Am 9. Februar 1873 spielen dann etliche Mitglieder des Leipziger Stadttheaters die Oper noch einmal in Gotha198  : »unter Direction des Capellmeister Schmidt von Leipzig wurde aus den Leipziger Stimmen aufgeführt«, wobei auch die Partien der »Diana« sowie des »Armand« von Sänger(inne)n aus Leipzig übernommen wurden.

193 Am 15. November 1860 wird Wirsing für Anfang Januar nach Gotha eingeladen, wo er eine Auszeichnung erhalten soll (StACo LA A 7361, f. 190). 194 Zu finden in StACo LA A 7364, f. 107ff. 195 »Illustrirtes Wiener Extrablatt« (hg. von »O.F. Berg« und F. J. Singer), Nr. 67, vom Samstag, 1. Juni 1872, S. 4, Sp. 2. Zusammen mit der Mitteilung Bergs in StACo LA A 7361, f. 1 und 2–5. Zum Folgenden. – Interessant ist noch der Hinweis, der Herzog schreibe bereits an einem neuen Werk. Es muss sich dabei um eine der beiden verschollenen Operetten handeln. 196 Auch die britische Zeitschrift »The Illustrated Review« vom Juni 1872 (S. 760) berichtet vom Besuch Ernsts II. in der Leipziger Oper anlässlich einer Aufführung von »Diana von Solange«. Die Musik der Oper wird hier als mittelmäßig bis langweilig bezeichnet. – In »The Orchestra« (vom 21. Juni 1872, S. 184) wird der Erfolg (»considerable success«) der Wiederaufnahme in Leipzig betont. 197 AMZ, 7. Jg., Nr. 25, vom 19. Juni 1872, S. 406. Zum Folgenden. 198 Vermerk in der »Trombone Basso«-Stimme des Coburger Orchestermaterials (LBC TB Op 261).

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Prag – Wirsings Tradition Vier Jahre nach der Premiere von »Diana von Solange« in Leipzig wechselte Rudolf Wirsing als Direktor an das deutsche königliche Landestheater in Prag. Von dort bringt er sich am 6. März 1874199 beim Herzog »nach einem längeren Zeitraum« in Erinnerung. Er habe nun ein gutes Ensemble beisammen und wolle eine Oper des Herzogs ins Repertoire nehmen. Der Herzog empfiehlt ihm daraufhin sein letztes Werk und verweist ihn für die Vertragsverhandlungen an Krämer. Im April 1874 meldet Wirsing200 eine Verzögerung der Vorbereitungen, da das Material nach Rotterdam verliehen war  ; er wolle »Diana von Solange« in der Wintersaison bringen. Im November 1874 übersendet er die Besetzungsliste und bittet (erfolgreich) um Ersatz eines in Rotterdam gebliebenen Textbuchs. Am 12. Februar 1875 schließlich verkündet Wirsing stolz, dass »Diana von Solange« am Vortag »auf das Glänzendste aufgenommen« worden sei, und zwar vor vollem Haus inklusive der ganzen Aristokratie Prags. In relativ kurzer Zeit folgen drei Wiederholungen, was Wirsing zu folgender Erklärung gegenüber dem Herzog veranlasst201  : »Das hiesige Publikum ist bei der großen Stadt doch ein kleines  ; daher muß ich, wenn die Zugkraft nicht nachlassen soll, beliebte Werke nur in kleinen Zwischenräumen aufeinander folgen lassen, was früher in Leipzig, namentlich in der Messe, nicht nöthig war.« Doch trotz des kleinen Hauses scheint das Interesse für »Diana von Solange« in Prag anzudauern  ; jedenfalls lohnt es sich, die Oper im Februar 1876 wiederaufzunehmen202. Wirsing, der ja selbst schon mit dem Hausorden bedacht worden war, scheut sich nicht, bei Meyern-Hohenberg offen um eine Auszeichnung seines Oberregisseurs Emil Claar (1842–1930) und seines Kapellmeisters Ludwig Slansky (1838–1905) zu bitten203. Gustav von Meyern-Hohenberg, der sich aufgrund der Abwesenheit des Herzogs als »Briefbote« betätigt, versichert sich über meh199 Brief Wirsings aus Prag vom 6. März 1874 an den Herzog (StACo LA A 7362, f. 20–21). Mit Antwortvermerk. 200 Hierzu wie zum Folgenden vgl. den Briefwechsel in StACo LA A 7362, f. 33–34, 44 und 46, 51–53, 56–59, 65–71, 75–81. – Wirsing schreibt meist parallel an den Herzog und den Intendanten, so dass einige Briefe fast gleichen Inhalts doppelt existieren. 201 Brief Wirsings an den Herzog vom 6. März 1875 (StACo LA A 7362, f. 79–80). – Die zweite Aufführung war am 17. Februar, die vierte in der Woche nach dem 6. März. 202 Theaterzettel vom 23. Februar 1876 sowie Schriftwechsel in StACo LA A 7363, f. 15 und 16. 203 Für sich selbst erbittet er sogar die Ernennung zum Hofrat, was auf Empfehlung von Meyern-Hohenbergs aber auf die Zeit nach Wirsings Pensionierung verschoben wird (StACo LA A 7362, f. 68–71, 75–76).

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rere Quellen204 der Qualität der Aufführung und leitet dann im Namen des Herzogs die Auszeichnungen und den Dank des Herzogs weiter205. Neben den erfolgreichen Aufführungen im Theater beschäftigen sich auch verschiedene Journalisten in Prag mit »Diana von Solange«. Alfred Meißner (1822–1885), liberaler Journalist und Schriftsteller und Bekannter Gustav Freytags, schreibt im Januar 1861 einen Artikel über »Diana von Solange«, den er dem Herzog zusendet und den er auch zu veröffentlichen gedenkt206. Er äußert sich überaus positiv über die Oper des Herzogs  : »Es gilt mit aller Bestimmtheit auszusprechen, daß hier ein Tonwerk vorliegt, daß sich den ersten modernen Werken, den Schöpfungen Meyerbeers und Wagners ehrerbietig an die Seite stellt.« In anderem Zusammenhang ist eine umfangreichere Beurteilung der musikalischen Betätigung Herzog Ernsts II. von Meißner überliefert, die von einer tiefen Einsicht in die Welt des Theaters und der Kritiker zeugt207  : »Man will nicht glauben, daß ein Souverän, der von hundert Vergnügungen und Pflichten in Anspruch genommen ist, sich die Zeit nehmen könne, die nötig, sich in ein großes Werk künstlerisch zu vertiefen. Das Genie wohnt, der Meinung der Menge nach, noch immer in der Dachkammer und ißt sich selten satt. Der Beifall, den die Oper eines Fürsten in seiner Hauptstadt findet, wird lächelnd abgelehnt und der Loyalität der leicht befriedigten Landeskinder zugeschrieben. Die Kapellmeister und zünftigen Musiker anderer Städte, die über Annahme von Opern ein Wort zu sagen haben, wehren sich mit Händen und Füßen gegen den vornehmen Eindringling, sie haben ja selbst jeder eine Oper im Pulte, die sie nicht anbringen können, sie begreifen nicht, wie man eine Oper schreiben könne, ohne Jahre lang dirigiert zu haben. Sie gestehen es dem Fürsten zu, sein Ministerconseil zu leiten, sein Regiment, vielleicht auch eine Armee zu kommandieren, diplomatische Noten zu entsenden  ; die musikalischen Noten aber gehören ihnen allein und von Rechts wegen. Wird endlich solch eine fürstliche Komposition zur Aufführung gebracht, so tritt 204 Unter anderen war das frisch verheiratete Prinzenpaar Ferdinand Philipp (1844–1921) und Louise (1858–1924) von Sachsen-Coburg und Gotha bei einer Vorstellung von »Diana von Solange« in Prag anwesend. Von Meyern-Hohenberg schreibt, sie hätten »eifrig mit applaudirt« (StACo LA A 7362, f. 68–71). 205 Dankesbriefe der Ausgezeichneten sowie ein Rundschreiben Wirsings an alle Mitwirkenden bestätigen dies (StACo LA A 7362, f. 56, 57, 58–59, 67, 81). 206 Schriftwechsel hierzu in StACo LA A 7361, f. 192–197. Zum Folgenden. – Im August 1860 hatte Krämer Material der »Diana von Solange« nach Prag geschickt (StACo LA A 7361, f. 180)  ; möglicherweise basiert Meißners Kenntnis der Oper auch darauf. 207 Zitiert nach Ohorn, S. 220f. Ohorn bezeichnet Meißner als seinen Freund.

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ein neues Hindernis hinzu. Der den Menschen angeborene Neid weigert sich lange, Personen, die das Schicksal in so vielen Punkten bevorzugt hat, noch von einer andern Seite als begünstigt anzuerkennen. Man nimmt die Oper mit einem kritischeren Sinne auf, als jede andere. Die Journalisten stimmen ihr Lob auf das niedrigste Maß, denn sie fürchten als Scheinrichter zu gelten. Vielen unter ihnen ist’s ein Hochgenuß, einem Fürsten was am Zeuge zu flicken und ein Exempel ihrer nivellierenden Gesinnung geben zu können. Und so ist’s manchmal – wie im Leben, so in der Kunst – recht störend, ein Fürst zu sein.« Weitere Artikel, die sich mit »Diana von Solange« in Prag beschäftigen, erscheinen von einem Advokaten Dr. Franz von Linhardt208, den Wirsing als »ein[en] ganz vortreffliche[n] Musiker und Musikkritiker« bezeichnet, sowie im »Tagesboten aus Böhmen«209, dessen Musikkritiker »Diana von Solange« besser findet als »Santa Chiara«, den Höhepunkt der Oper eindeutig im dritten Akt sieht und die sehr gute Qualität der Aufführung lobt. Straßburg – Streit im Opernhaus Die erste Probe für »Diana von Solange« im Straßburger Stadttheater fand am Karfreitag des Jahres 1875 statt210. Die Premiere folgte schon eine knappe ­Woche später, am Donnerstag, den 1. April211. Der bereits im Kapitel über »Santa Chiara« vorgestellte Direktor Alexander Hessler setzt sich im September 1873 wegen der Aufführungserlaubnis für ­»Diana von Solange« mit dem Herzog in Verbindung212. Im April des folgenden Jahres muss er die geplante Aufführung auf den nächsten Herbst verschieben, da zwei wichtige Sängerinnen Kinder bekommen haben213. Die bereits übersandten Noten darf er so lange behalten214. Im März (!) 1875 spricht sich 208 Dessen Artikel hatte Wirsing nach Coburg geschickt (StACo LA A 7362, f. 75–78). Zum Folgenden. 209 »Tagesbote aus Böhmen«, Nr. 43, vom 12. Februar 1875 (Zeitungsausschnitt in StACo LA A 7363, f. 397). 210 So ist es einer Aufzeichnung im Coburger Orchestermaterial (»Tromba I«) zu »Diana von Solange« zu entnehmen (LBC TB Op 261). Auch zum Folgenden. – Der Trompeter in Straßburg scheint es auch gewesen zu sein, der in seiner Stimme die Dauer der Oper auf 2 Stunden und 31 Minuten berechnet. 211 Theaterzettel und-plakat in StACo LA A 7362. 212 Brief Hesslers aus Straßburg vom 21. September 1873 (StACo LA A 7362, f. 14–15). 213 Brief Hesslers vom 22. April 1874 (StACo LA A 7362, f. 32). 214 Ein Vermerk zum Aufführungsort Straßburg findet sich beispielsweise im Klavierauszug K1

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in Straßburg dann herum, dass die Premiere von »Diana von Solange« unmittelbar bevorstehe, weswegen der Straßburger Musikalienhändler Schiedmayer in Coburg anfragt, wo eigentlich ein Klavierauszug für das Werk zu beziehen sei215. Ungefähr um dieselbe Zeit bricht im Stadttheater ein folgenschwerer Konflikt aus, der sich an der Einstudierung von »Diana von Solange« entzündet216. Gegner in der Auseinandersetzung sind der genannte Theaterdirektor Hessler, der dem Coburger Herzog unbedingt imponieren will, sowie dessen Kapellmeister Wendelin Weißheimer (1838–1910), der ein glühender Wagner-Verehrer ist und unter den Überlastungen des ehrgeizigen Theaterbetriebs zu leiden hat. Hessler wollte »Diana von Solange« eigentlich schon zur Eröffnung des Straßburger Theaters im Jahr 1873 bringen. Nachdem dieser Plan gescheitert ist, sucht er nun nach dem nächstmöglichen Termin, der aber immer wieder verschoben wird. Weißheimer wehrt sich gegen den Druck und argumentiert mit der hohen Belastung durch das laufende Theaterprogramm sowie der notwendigen Probenzahl für das schwierige neue Werk. In einem Brief an den Herzog zählt Weißheimer die Opernvorstellungen einer Woche auf und stellt fest, dass dabei viel zu wenig Probenzeit für »Diana von Solange« übrig bleibe217. Recht gibt ihm der Redakteur und spätere Archivar Dr. Bernhard Endrulat (1828–1886), den Ernst II. wohl seit dem Krieg in Schleswig-Holstein kannte218. Auch er warnt vor einer »möglicherweise drohende[n] Beeinträchtigung« der Qualität der Premiere durch die vorschnelle Terminfestsetzung Hesslers219. Sänger und Orchester seien noch nicht sicher genug, auch wenn sich Weißheimer bemühe. Hessler jedoch wirft Weißheimer vor, die Oper des Herzogs mit Absicht zu verzögern, und entlässt ihn kurzer-

des Coburger Orchestermaterials (LBC TB Op 261), der vor allem von den Souffleuren verwendet wurde. 215 Briefwechsel vom März 1875 (StACo LA A 7362, f. 54–55). – Schiedmayer wurde an Brandus und Dufour in Paris verwiesen. 216 Aus der Zusammenschau des Briefwechsels in StACo LA A 7362, f. 82–85, 87–94. Alle Briefe sind zwischen dem 25. und 30. März 1875 geschrieben. 217 Im März 1875 wurden laut Weißheimer gespielt  : am 14. »Zauberflöte«, am 16. »Rienzi«, am 18. »Figaros Hochzeit«, am 20. »Postillon [von Lonjumeau]« und am 21. »Lohengrin« (Brief Weißheimers vom 30. März 1875 an den Herzog  ; in StACo LA A 7362, f. 91–94). 218 Brief Endrulats aus Straßburg vom 28. März 1875 an den Herzog (StACo LA A 7362, f. 89– 90). 219 In einem Brief vom 22. April 1875 spricht Endrulat Hessler jede Befähigung für sein Amt ab (StACo LA A 7362, f. 115–116).

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hand220. Die letzten Proben sowie die Premiere finden dann unter der Leitung des vormaligen zweiten Kapellmeisters Rudolf Herfurth221 (1844–1915) statt. Der irritierte Coburger Herzog222 holt sicherheitshalber die Meinung eines Experten ein, nämlich die seines ehemaligen Theaterintendanten Eduard Tempeltey, der hinreichend Erfahrungen im schwierigen Theatergeschäft gesammelt hatte. Dieser äußert am 31. März 1875223 beruhigend  : »Ich glaube nicht an Intriguen, weder des Directors noch des Kapellmeisters. Ob der Letztere ein fanatischer Wagnerianer ist, thut nichts. Ist er dabei ein tüchtiger Musiker, so setzt er seinen Stolz darein, die seiner Leitung übergebene Oper brillant herauszubringen. Als Wagnerianer allein hat er noch keinen Grund, gegen Ew. Hoheit zu intriguiren  ; und als Kapellmeister weiß er sehr wohl, daß ein Theater nicht blos von Rienzi, Tannhäuser und Lohengrin zehren kann.« Sogleich hat er einen Vergleich aus der Heimat zur Hand (den ewigen Zwist zwischen Krämer und Lampert) und resümiert, »daß man nämlich nie eine Oper herausbringt, wenn man auf den Kapellmeister wartet. So diametral Lampert und Krämer sind, – jeder von beiden sagte auf der Generalprobe einer von ihm einstudierten Oper  : Ja, wenn ich nun noch acht Tage hätte  !« Außerdem stünden die Privatdirektionen (anders als die Hoftheater) wirtschaftlich besonders unter Druck und erklärten gemeinhin 14 Tage für das Studium einer Oper für ausreichend. Er glaube, dass die Aufführung im Interesse aller schon ordentlich ausfallen werde, und betont auch die Besonderheit, dass hier das Stück eines deutschen Komponisten vor einer »halbfranzösischen Bevölkerung« gespielt werde. Salomonisch lässt Herzog Ernst II. nach der Premiere sowohl an Weiß­heimer als auch an Herfurth eine Medaille verleihen, Hessler erhält sogar das Ritterkreuz zweiter Klasse224. Informationen über die Straßburger ­Aufführung bezieht 220 In einer Stimme des zweiten Horns im Coburger Orchestermaterial (LBC TB Op 261) hat ein Musiker den Streit zwischen dem Direktor und dem Dirigenten dokumentiert  : »le 26 Mars à 10 heures du Matin grande discussion entre le Directeur et chef d’orchestre«. 221 Herfurth war von 1891 bis 1893 als Kapellmeister beim Philharmonischen Orchester Berlin (Muck, Bd. 1, S. 142) sowie von 1910 bis 1911 als Dirigent des Loh-Orchesters Sondershausen tätig. 222 Vermerk auf einem Brief Hesslers  : »Ganze Angelegenheit mir unverständlich« (StACo LA A 7362, f. 82–85). 223 Brief Tempelteys vom 31. März 1875 an den Herzog (StACo LA A 7362, f. 117–120). Zum Folgenden. 224 Vgl. Vermerk auf dem Brief Hesslers vom 2. April 1875, in dem dieser dem Herzog dankt und sich selbst lobt (StACo LA A 7362, f. 97). Dankesbriefe von Hessler, Weißheimer und Herfurth sowie vom Regisseur Richard Miller, auf dessen Leistung Hessler noch aufmerksam

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der Komponist von A. Hesselbach225 aus dem Hotel Prosky in Straßburg226, von einem »Kaiserl. Richter« aus Straßburg227, vom Redakteur des »Journal d’Alsace«, François Schwab228, sowie von Krämer, den er als Vertrauens­mann dorthin geschickt hat229. Während die privaten Mitteilungen von einer wenig gelungenen Aufführung sprechen230, konzentriert sich der Artikel im »Elsässer Journal«231 auf den Komponisten und seine Musik  : Der Herzog sei ja schon lange als Förderer und Liebhaber der Kunst bekannt, sei mit der Bühne und dem Publikum vertraut und habe noch nie von der Presse eine Gefälligkeit verlangt oder erwartet (!). Seine »Diana von Solange« stehe weit über jeder Dilet­ tantenmusik und habe außerordentliche Qualitäten  : »La mélodie y est abondante, généralement noble, le style dramatique, la couleur variée, et plusieurs morceaux à grandes dimensions attestent une main experimentée en l’art du développement et des effets de masse.«232 Der dritte Akt scheine von ganz besonderer Inspiration getragen. Überhaupt lobt der Kritiker alle Stücke ab dem dritten Akt, denn er beschreibt den Ablauf sehr detailliert. Im Hinblick auf die stilistische Einordnung schreibt er  : »Diana von Solange est également éloignée des mystères wagnériens et des pédantesques imitations classiques, et si parfois le style italien fait une gracieuse apparition, elle est discrète et fait place aussitôt au style propre à l’auteur, qui est chaleureux et plein de rhythme.«233 gemacht hatte, in StACo LA A 7362, f. 110, 111, 114, 124. – Musikdirektor Dr. Fritz Keiser, der wohl einen Teil der Proben übernommen hatte, beschwert sich am 17. April 1875, dass er nicht auch besonders berücksichtigt worden sei (f. 112–113). 225 Wahrscheinlich handelt es sich um den bei Römhild geborenen Tenor Alexander Hesselbach (1839–1890), der um diese Zeit am Stuttgarter Hoftheater engagiert war (Personalakte im Landesarchiv Baden-Württemberg, StA Ludwigsburg, E 18 II Bü 422). 226 Briefe in StACo LA A 7362, f. 87–88, 99–102. 227 Brief von einem nicht identifizierten Absender vom 2. April 1875 (StACo LA A 7362, f. 95 und 96). 228 Briefe und Zeitungsausschnitte in StACo LA A 7362, f. 98. 229 Dies erwähnt Hesselbach in seinem Brief vom 8. April 1875 (StACo LA A 7362, f. 99–102). 230 Hesselbach schreibt am 8. April, dass sich die Befürchtungen in der Premiere bestätigten, »da einige Sänger noch nicht einmal wußten, wann sie auftreten und abgehen sollten.« (StACo LA A 7362, f. 99–102). 231 »Elsässer Journal und Niederrheinischer Kurier. Journal d’Alsace et Courrier du Bas-Rhin«, vom 3. April 1875, »Feuilleton« auf der Titelseite. Zeitungsausschnitt auch in StACo LA A 7362, f. 106. Zum Folgenden. 232 »Es gibt Melodie im Überfluss, immer elegant, und der dramatische Stil, die variierten Farben und mehrere Stücke von großem Umfang belegen die Erfahrung des Verfassers in der Kunst der Entwicklung und des Masseneffektes.« 233 »Diana von Solange ist von Wagnerischen Rätseln wie von pedantischen Nachahmungen

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Olmütz und Teplitz – Fragen der Kritik Carl Joseph von Bertalan (1833–1912  ?) war ein sehr aktiver und erfolgreicher Theaterdirektor, der oft mehrere Bühnen gleichzeitig betrieb234. So war er zwischen 1876 und 1878 sowohl für das Theater in Olmütz als auch für das in Teplitz zuständig, wo er mit großem Engagement und beträchtlichem Aufwand neben Schwänken und Operetten auch große Opern auf die Bühne brachte. Daher kann er selbstbewusst betonen, »über ein Orchester [zu] verfüge[n], welches bekanntlich in ganz Österreich zu den besten zählt«, als er sich im November 1875 bei Herzog Ernst II. um eine Aufführungserlaubnis für dessen »Diana von Solange« bewirbt235. Auch Krämer bestätigt die außerordentlich vorteilhaften Bedingungen, die an Bertalans kleinen Theatern herrschen236  : Sie gingen über die »Verhältniße von Provinztheatern« hinaus, Bertalan verfüge über einen 40 Mann starken Chor und im neuen, 400.00 Gulden teuren Tep­ litzer Opernhaus über alle technischen Möglichkeiten. Auch die Qualität des Ensembles hält Krämer für gut, da man dort ständig neue und große Opern, zum Beispiel von Richard Wagner, gebe. Der Herzog verläßt sich offenbar auf den fachkundigen Rat und erteilt seine Genehmigung. Am 30. August 1876 feiert »Diana von Solange« im Teplitzer Stadttheater Premiere237. Bertalan berichtet begeistert238  : »Der Erfolg war ein durchwegs schöner – u. fehlte es an reichem Beifall nicht – mit welchem schon die Ouverture ausgezeichnet wurde.« Auch Krämer hat Briefe erhalten, die von einer erfolgreichen Aufführung sprechen, und schlägt den Direktor deshalb direkt für eine Auszeichnung durch den Herzog vor239. Dabei betont er, beder Klassiker gleichermaßen weit entfernt, und wenn einmal der italienische Stil ein wenig aufscheint, fällt das nicht auf und macht auch sogleich wieder Platz für den eigenen Stil des Autors, der warmherzig und voller Rhythmus ist.« 234 Vgl. hierzu den Artikel zu Bertalan in der Tschechischen Theaterenzyklopädie (http://ency klopedie.idu.cz/de/bertalan-carl-joseph-von). Zum Folgenden. 235 Brief von Bertalans aus Olmütz vom 14. November 1875 an den Herzog (StACo LA A 7362, f. 136–137). 236 Brief Krämers aus Coburg vom 12. Juni 1876 (StACo LA A 7363, f., 54–55). Mit Vermerk  : »Genehmigt«. 237 Der Theaterzettel ist erhalten in StACo LA A 7363, f. 70. Selbstverständlich hatte von Bertalan den Herzog eingeladen (StACo LA A 7363, f. 67–68). Eine kurze Meldung über die Vorbereitung der Oper findet sich u. a. auch in »The Musical World«, vom 23. September 1876, S. 648. 238 Brief von Bertalans ohne Datum (StACo LA A 7363, f. 69). 239 Brief Krämers vom 6. September 1876 (StACo LA A 7363, f. 66). Zum Folgenden.

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sonders die österreichischen Direktoren hätten es auf »eine sichtbare Auszeichnung« abgesehen, und fügt hinzu  : »vielleicht beliebt es Sr Hoheit einen Glücklichen mehr zu machen«240. Die Verleihung des erwarteten Ordens an den Theaterdirektor erfolgt dann aber erst, nachdem die Oper des Herzogs auch in Olmütz »in recht günstiger Weise aufgenommen«241 worden ist242. Dort findet die Premiere – nach einigen Verzögerungen – am 26. Januar 1877 statt243. Die Pressereaktionen auf die Aufführungen von »Diana von Solange« in Teplitz und Olmütz fallen nicht ganz einheitlich aus. Während die Kritiker der »Teplitz-Schönauer Nachrichten« und der »Teplitzer Zeitung«244 sich zurückhaltend positiv äußern, die Oper als »glücklichen Griff« und »interessante Novität« bezeichnen, die – wie andernorts auch – zwar »keine enthusiastische Aufnahme« gefunden, aber einen »recht achtungswerthen Erfolg« errungen habe, erscheint im »Teplitz-Schönauer Anzeiger« eine äußerst kritische Beurteilung, die jedoch sichtbar auf das Theater und die Mitwirkenden abzielt245. Der »Achtungserfolg« der Oper, »der wohl mehr der Person des Compositeurs, als seinem eben nicht sehr originell angelegten Werke galt«, sei vor allem durch die Fehlbesetzung der Frauenrollen sowie die mangelnde Vorbereitung des Orchesters beeinträchtigt worden. »Unter so bewandten Verhältnissen erzielte diese an und für sich wenig gehaltvolle Oper nur einen geringen Erfolg.« Von Bertalan schäumt vor Wut über diese negative Besprechung, die über dunkle

240 Diesen Hinweis wiederholt Krämer noch einmal (nach der erfolgreichen Premiere in Olmütz) in einem Brief vom 3. Februar 1877 (StACo LA A 7363, f. 155f.)  ; da war die Auszeichnung von Bertalans mit dem Ritterkreuz zweiter Klasse bereits angeordnet (s. Vermerk auf dem Brief von Bertalans vom 30. Januar 1877  ; in StACo LA A 7363, f. 134). Zum Folgenden. 241 »Olmützer Zeitung«, 3. Jg, Nr. 68, vom 31. Januar 1877. Auch in StACo LA A 7363, f. 142– 143. 242 Von Bertalan bedankt sich am 22. Februar 1887 beim Herzog für die Auszeichnung und bezeichnet den Orden als »Leitstern […] auf dem Lebenswege, den mir das Geschick zu durchwandern vorzeichnet«. Außerdem nennt er sich von nun an »von Bertalanffy« bzw. »de Bertalanffa« (StACo LA A 7363, f. 137–138). 243 Theaterzettel unter StACo LA A 7363, f. 141. Von Bertalan wollte die Oper eigentlich schon im Oktober 1876 in Olmütz bringen und lud den Herzog dazu ein, der jedoch dankend ablehnte (vgl. Briefe in StACo LA A 7363, f. 82–83, 127, 128, 131). 244 »Teplitz-Schönauer Nachrichten«, Nr. 36, vom 2. September 1876. »Teplitzer Zeitung«, 7. Jg., Nr. 99, vom 1. September 1876. Beide auch in StACo LA A 7363, f. 71–72, 73–74. Zum Folgenden. 245 Der angesprochene Artikel aus dem »Teplitz-Schönauer Anzeiger« vom 2. September 1876 wurde von einem anonymen Absender eingesandt (StACo LA A 7363, f. 75).

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Kanäle ihren Weg nach Coburg findet246. Er vermutet hinter dem Angriff einen Journalisten, dem er den Freiplatz in seinem Theater entzogen habe und der nun aus Rache eine ungünstige Kritik über »Diana von Solange« geschrieben habe247. Zum Beweis für die verlässliche Qualität seiner Arbeit schickt er weitere lobende Zeitungsartikel mit, unter anderem über eine Aufführung von Meyerbeers »Robert le Diable« in Olmütz. Allen Beteuerungen von Bertalans zum Trotz hinterlässt der negative Artikel Spuren bei den Coburgern. Krämer teilt in einem Schreiben an die Intendanz zunächst die durchaus erfreuliche Tatsache mit248, dass sowohl »Santa ­Chiara« als auch »Diana von Solange« seit bald drei Wochen auf dem Spielplan in Teplitz stünden. Dann jedoch wird er selbstkritisch und gibt zu, dass die Oper vielleicht besser beurteilt würde, wenn Meyerbeer oder Wagner die Instrumentation übernommen hätten. Allerdings habe Ersterer ja seine Arbeit begutachtet und für gut befunden, Letzterer »lehnte ganz ab«  : »Noch unlängst erwähnte Wagner in Bayreuth gegen mich dieser alten Geschichte.« Und er fügt im Hinblick auf alle Opern des Herzogs hinzu  : »Es gereicht diesen Werken zum Nachtheil, daß jeder annimmt er habe ein Dilettantenwerk vor sich und dürfe blos darnach den Maßstab anlegen. Unparteiische Fachleute thun das nicht, weil sie finden müssen, daß in der Partitur, wenn auch Mängel, doch aber keine sogenannten Dilettantenarbeiten vorliegen.« Grundsätzlich beurteilt Krämer die Situation optimistisch  : Er sieht in den letzten 20 Jahren nur die Opern Wagners sowie Gounods »Faust« als echte »Weltrepertoireopern«, mit allen anderen könnten sich »Santa Chiara« und »Diana von Solange« seiner Ansicht nach »wohl messen«. Außerdem gebe es auch unter Fachleuten sehr verschiedene Ansichten. So habe ein Fachmann geäußert, »Diana von Solange« sei »corruptes Zeug«, »Casilda« dagegen sehr gut, wegen der »Wagner’schen Finales«. Während Krämer also durch die schlechte Kritik ins Grübeln gerät, reagieren der Herzog und seine Intendanz gewohnt professionell und lassen von mehreren Seiten Meinungen über den umstrittenen von Bertalan einholen. So erkundigt sich Krämer beim Würzburger Theaterdirektor249 und in

246 Der anonyme Absender hatte den Artikel an Krämer geschickt, der ihn wiederum an die Intendanz weiterleitete (vgl. den Brief Krämers vom 17. September 1876  ; in StACo LA A 7363, f. 79–80). 247 Brief von Bertalans aus Teplitz vom 21. September 1876 (StACo LA A 7363, f. 77–78). – Der Brief zeugt von der antisemitischen Gesinnung seines Schreibers. 248 Brief Krämers vom 17. September 1876 (StACo LA A 7363, f. 79–80). Zum Folgenden. 249 Vgl. Brief Krämers vom 25. November 1876 (StACo LA A 7363, f. 81).

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Nürnberg250, erhält allerorten aber nur günstige Bescheide. Als dann noch die freundlichen Nachrichten von der Olmützer Premiere Coburg erreichen, zusammen mit von Bertalans Ankündigung, mehrere Wiederholungen anzusetzen251, scheint der Herzog vollends beruhigt. Einige der Rezensionen der Aufführung von »Diana von Solange« in Olmütz fallen durch ihre sorgfältig abwägende Haltung auf  : »›Diana von Solange‹ ist ein Musikwerk, welches auf einen durchschlagenden Bühnenerfolg nicht leicht rechnen darf, u.z. aus dem Grunde, weil es der sogenannten Schlager entbehrt. Die Oper enthält nicht eine einzige Numer [sic] von packender Wirkung, und eine nicht unbedeutende Zahl von Einzelsätzen, welche der Musiker von Fach zu würdigen versteht, geht an dem großen Publicum spurlos vorüber«252. Nach der lobenden Besprechung einiger dieser Einzelsätze geht der Verfasser wiederum zur Kritik über  : »außerdem enthält die Oper noch eine Anzahl hübscher Motive, die leider viel zu wenig verwerthet werden, welche, kaum begonnen, schon wieder verklingen und so das Gefühl der Enttäuschung zurücklassen.« Die Komposition – wie danach auch die Aufführung – bewertet er in genauer Formulierung überwiegend positiv  : »Hie und da erinnert die Musik an bekannte Componisten  ; im ganzen jedoch ist das Werk original und wird die Reminiscenz nirgends zur directen Entlehnung  ; die Instrumentation ist von der ersten bis zur letzten Numer gehaltvoll, doch stärker in der Verwerthung der Harmonie, wie in der Verwendung des Quartetts.« In der »Olmützer Zeitung«253 dagegen wird wieder einmal die Person des Komponisten besonders in den Mittelpunkt gerückt  : »Wenn wir auch diese Oper nicht von jenem kritischen Standpunkt aus beurtheilen wollen, wie die eines Musikers, der die Kunst zu seinem Lebensberuf gewählt hat, so können wir dennoch mit Vergnügen constatiren, daß wir ein höchst achtbares musikalisches Werk hörten, welches auch vom Publikum in recht freundlicher Weise aufgenommen wurde. Der erlauchte Kunst-Mäcen hat uns bewiesen, daß er weit über den Dilettantismus erhaben, ja mit manchen Nummern dieser Oper sich selbst in die Reihe der besten Tondichter unserer Zeit stellen darf.« Die sich anschließende ausführliche Beschreibung einzelner Sätze mündet in ein 250 Vgl. Brief Krämers vom 19. Januar 1877 (StACo LA A 7363, f. 129–130). 251 Brief von Bertalans ohne Datum (wohl unmittelbar nach der Olmützer Premiere) an den Hofkapellmeister (StACo LA A 7363, f. 132–133). 252 Aus einem nicht näher bezeichneten Zeitungsartikel (vgl. StACo LA A 7363, f. 144). Zum Folgenden. 253 »Olmützer Zeitung«, 3. Jg, Nr. 68, vom 31. Januar 1877. Auch in StACo LA A 7363, f. 142– 143.

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Resümee, das Ernst II. vor allem als Mäzen (nicht als Komponisten  !) lobt und in dem auch eine leise Kritik an landeseigenen Verhältnissen anzuklingen scheint  : »Wir würden so manchem Lande einen so erlauchten und für die Kunst begeisterten Mäcen wünschen, den Sachsen-Koburg-Gotha besitzt, die Kunst würde sehr gefördert werden.« »Die Neue Zeit«254 aus Olmütz liefert bereits am Tag vor der Premiere einen sehr detaillierten Vorbericht, in dem der Werdegang Ernsts II. als Komponist ebenso eingehend besprochen ist wie der Inhalt von »Diana von Solange«. Hervorzuheben ist hier die Einschätzung des Librettos, das nach Ansicht des Verfassers eine Einschränkung für den Komponisten darstellt  : »Wenn gleich der Librettist, (man nennt als Verfasser den bekannten Dichter Otto Prechtler) mit der Bearbeitung dieses Stoffes zu einem musikalischen Drama nicht besonders glücklich gewesen ist, denn der lyrische Theil der Oper ist bedeutend vernachlässigt, so ist doch anderseits [sic] dem Componisten durch die vorkommenden Festlichkeiten, feierlichen Aufzüge und großen Waffenlärm Gelegenheit geboten, die Chor und Orchestermassen in großen Ensemble-Sätzen ins Treffen zu führen und sich durch die geschickte Behandlung derselben als ein Meister in der Instrumentirung zu zeigen. Leider ist dem Componisten durch den Librettisten die Lyrik in dieser Oper fast ganz entzogen, auf welchem Felde derselbe, wie seine Compositionen von Männerchören darthun, ganz Anerkennenswerthes und Bedeutendes leistet.« Riga – Einzelausgaben erwünscht Kontaktschwierigkeiten gab es mit dem Intendanten des ständischen Theaters in Riga, Karl Freiherr von Ledebur (1840–1913). Der hatte bereits am 26. Oktober 1876 »Diana von Solange« zur Aufführung gebracht (nachdem er im April 1875 die Erlaubnis eingeholt hatte), sie am 7. November noch einmal wiederholt und brav bereits 120 Reichsmark an Krämer in Coburg überwiesen255. Am 20. Februar 1877 schreibt er nun, ihm sei zu Ohren gekommen, dass Krämer nicht mehr im Amt sei  ; außerdem habe er auf seinen letzten Brief überhaupt keine Rückmeldung erhalten, weder vom Herzog noch vom Inten254 »Die Neue Zeit«, Olmütz, 30. Jg., Nr. 20, vom 25. Januar 1877. Auch in StACo LA A 7363, f. 145. 255 Brief Ledeburs vom 20. Februar 1877 (StACo LA A 7363, f. 170f.), mit Antwortvermerk. Zum Folgenden. – Eine Ankündigung der Premiere findet sich auch in der »Sonntags-Beilage« der »Thüringer Zeitung«, Erfurt, Nr. 12, vom 26. November 1876 (auch in StACo LA A 7363 f. 116). Der Theaterzettel zur Premiere findet sich in StACo LA A 7363, f. 174.

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danten Becker. Da erhält er endlich Antwort aus Coburg, mit dem Hinweis, dass Krämer immer noch zuständig sei, und Ledebur doch bitte Zettel und Mitteilungen von den Aufführungen in Riga schicken möge. Dem Wunsch entspricht Ledebur256 und berichtet ausführlich, welch »freundliche, ja warme Aufnahme« die Oper bei seinem kritischen und Wagner-orientierten Publikum gefunden habe. Er erzählt detailliert vom Erfolg der einzelnen Nummern und bittet um Einzelausgaben der beliebtesten Stücke (wie der Rosenromanze und des Troubadour-Quartetts). Diese Anregung greift man in Coburg gerne auf257, und Krämer – um seine Meinung gefragt – schlägt vor, dem Verlag Kistner in Leipzig die »Orchestersachen« (wie die Ouvertüre und den Marsch) zu überlassen, während Bartholomäus die »kleinen Piecen« (die Rosenromanze und das Liebeslied des Marquis) drucken solle. Ledebur bringt auch seinen Stolz darüber zum Ausdruck258, »[d]aß es mir vergönnt war, das treffliche musikalische Werk zum ersten Male über die Gränzen [sic] unseres deutschen Vaterlandes – soviel mir bekannt – zur Aufführung bringen zu dürfen, das Werk eines deutschen regierenden Herrn, war mir eine wahre Herzensfreude und daß die Aufführung eine durchaus würdige war, kann ich versichern.« Daran fügt er ausdrückliches Lob für seinen Kapellmeister Julius Ruthardt (1841–1909) und den Regisseur Konrad Butterweck (1825–1899) an. Der Herzog ließ seinen Dank an alle Mitwirkenden ausrichten259 und verlieh an Ledebur das Ritterkreuz260. Aachen – »echt deutscher Geist« am Stadttheater Im Mai 1877 holte der Direktor des Aachener Stadttheaters, Ludwig Ubrich (1828–1903), die Erlaubnis für die Aufführung von »Diana von Solange« 256 Brief Ledeburs vom 21. März bzw. 2. April 1877 (StACO LA A 7363, f. 172f.). Zum Folgenden. 257 Auch wenn es bereits einige wenige Sonderausgaben gab (vgl. Brief Krämers vom 27. April 1877  ; in StACo LA A 7363, f. 222. Zum Folgenden). 258 Wieder aus dem Brief Ledeburs vom 21. März bzw. 2. April 1877 (StACO LA A 7363, f. 172f.). Zum Folgenden. 259 Vgl. hierzu den Vermerk auf dem Brief Hesselbachs vom 23. April bzw. 5. Mai 1877 (StACo LA A 7363, f. 219–221). Hesselbach berichtet (wie schon aus Straßburg) von der gelungenen Premiere in Riga, spricht sich für eine höhere Anerkennung der Verdienste des offenbar befreundeten Kapellmeisters Ruthardt aus und nimmt die Kontaktaufnahme mit Coburg zum Anlass, einen Termin beim Herzog zu erbitten, um seine Fortschritte präsentieren zu können. Er wird an die Intendanz verwiesen. 260 Dankesbrief Ledeburs in StACo LA A 7363, f. 217f.

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ein261. Am 20. Juli 1877 folgte die Premiere, die von professionellen wie privaten Kritikern als »besonders gut« bezeichnet wurde262 und in der – so Ubrich – »alles gelang«263. Stolz vermeldet der Theaterdirektor auch, dass »ungewöhnlich viele Fremde«264 die Vorstellung besucht hätten. Den Kritiker, der die Rezension in der »Aachener Zeitung«265 schreibt, bezeichnet Ubrich als besonders streng, weswegen dessen Lob umso mehr wert sei266. Jener versucht sich sichtlich seiner Unabhängigkeit zu versichern, wenn er zu Beginn der Besprechung von »Diana von Solange« schreibt267  : »Für den wirklichen Kunstfreund hat es kein Gewicht, ob eine Oper so oder soviele Aufführungen nach einander erlebt, ob dieselbe sich des einstimmigen Beifalls der Kritik zu erfreuen gehabt, da es ja hinlänglich bekannt ist, durch welche leichte Mittel die Neugierde eines Publikums rege gemacht, dieser Beifall erkauft werden kann.« Anschließend weist er darauf hin, dass man »Diana von Solange« nicht mit den Opern Meyerbeers oder Rossinis vergleichen dürfe, da sie ja das »Geistesproduct eines erlauchten Componisten« darstelle, »der die Unparteilichkeit auch in der Musik als Richtschnur seines Wirkens betrachtet.« Somit unterstellt er Ernst II., sich bewusst nicht für eine der herrschenden Musikrichtungen entschieden zu haben. Möglicherweise will er damit nur elegant vorbereiten, was er dann doch im Folgenden nicht unausgesprochen lassen kann  : den Vorwurf eines Mangels an Einheitlichkeit im Werk. »Bald ist die Musik von lyrischer Empfindung, bald nimmt sie einen Anlauf zum tragischen Pathos, zuweilen bewegt sie sich in den einfachen Formen, um bald darauf, geschmückt mit allen Künsten der Instrumentation und Modulation vor uns hinzutreten. Ueberall jedoch begegnet uns das Streben nach dem Vollkommensten und Besten, vereint mit einer regen, geschäftigen und gestaltungsreichen Phantasie  ; gar häufig scheinen die Melodien aus dem Borne der echten und wahren Empfindung geschöpft zu sein.« Nach dieser wohlverpackten Kritik widmet er sich den schönsten Nummern der Oper, verurteilt 261 Schriftwechsel zur Aachener Aufführung in StACo LA A 7363, f. 235, 267–269, 290–303f., 310. 262 In seinem Brief vom 29. Juli 1877 beruft sich Krämer auf verschiedene Berichte (StACo LA A 7363, f. 303f.). 263 Brief Ubrichs vom 21. Juli 1877 (StACo LA A 7363, f. 297–300). 264 Brief Ubrichs vom 24. Juli 1877 (StACo LA A 7363, f. 301–302). 265 »Aachener Zeitung«, Nr. 171, vom 24. Juli 1877. Auch in StACo LA A 7363, f. 295f. Zum Folgenden. 266 Brief Ubrichs vom 24. Juli 1877 (StACo LA A 7363, f. 301–302). 267 »Aachener Zeitung«, Nr. 171, vom 24. Juli 1877. Auch in StACo LA A 7363, f. 295f. Zum Folgenden.

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das Libretto, lobt die Ausführenden der Aachener Premiere und bezeichnet »Diana von Solange« »weniger [als] das Werk eines mit sich fortreißenden, als eines denkenden echt deutschen Geistes«. Düsseldorf – widersprüchliche Kritiken »Diana von Solange« wurde erst im zweiten Anlauf268 in Düsseldorf gegeben, und zwar unter dem Intendanten Albert Schirmer (1838–1902) im Jahr 1878. Nachdem Schirmer, unterstützt von seinem Kapellmeister Karl Franck (gest. 1890), die Qualität seines Theaters hinreichend gelobt und dementsprechend die Erlaubnis zur Aufführung erhalten hatte269, folgte der übliche Briefwechsel mit der Versicherung der besten Bemühungen um das Werk, der Einladung an den hohen Komponisten sowie den Berichten vom »glänzenden Erfolg« der Premiere am 25. Januar 1878 im Düsseldorfer Stadttheater270. Krämer, der für den Verkauf der Rechte an »Diana von Solange« ebenso zuständig war wie für die Vermittlung von zusätzlichem Material (zum Beispiel Hinweise zur Inszenierung), freute sich über den Erfolg der Werke seines Herzogs »in Nord und Süd«271, hatte nur Gutes über die Aufführung gehört und empfahl Schirmer für eine Auszeichnung272. Die Oper war in kurzer Zeit vier Mal gegeben worden, so dass man sie als Erfolg einstufen konnte. Ganz andere Töne aber kamen aber aus einer nicht-theaterinternen Quelle. Wie so oft hatte der Herzog versucht, unabhängige Informationen über die Düsseldorfer Vorstellung zu erhalten. In den Akten des Coburger Staatsarchivs findet sich ein Zettel mit einem Briefentwurf an eine Ms. Crowe im englischen Generalkonsulat Düsseldorf273. Sie wurde gebeten, die Aufführung zu besuchen und, in Erinnerung an die Leipziger Vorstellung (die sie offenbar gesehen hatte), ein unbefangenes Urteil darüber abzugeben. Es kann sich bei der Adressatin dieses Briefes eigentlich nur um Asta Crowe (1841–1908), geb. von Barby, handeln, die im April 1861 in Gotha den englischen Kunsthistoriker 268 Nach Krämers Aussage hatte Düsseldorf bereits 1875 die Erlaubnis zur Aufführung der Oper erhalten (vgl. StACo LA A 7363, f. 334f.), Schirmer fragte im September 1877 noch einmal nach (StACo LA A 7363, f. 315, 316). 269 Brief Francks vom 6. September 1877 sowie Brief Schirmers und Francks vom 5. September 1877 (StACo LA A 7363, f. 315, 316). 270 Briefwechsel in StACo LA A 7363, f. 153–154 (Theaterplakate), 338–342, 344, 348. 271 Brief Krämers vom 31. Januar 1878 (StACo LA A 7363, f. 345f.). 272 Brief Krämers vom 27. März 1878 (StACo LA A 7363, f. 363f.). Zum Folgenden. 273 StACo LA A 7363, f. 347ff.

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und Diplomaten Joseph Archer Crowe (1825–1896) geheiratet hatte. Diese antwortet wie gewünscht am 26. Januar und zeigt sich einigermaßen entsetzt über die Qualität der Aufführung274  : Musik und Ausstattung seien hübsch gewesen und hätten auch die günstige Aufnahme der Oper beim Publikum bewirkt. Aber die Rollen seien wirklich in schlechten Händen gewesen. Diana »sang zwar viel, hatte aber z. B. keine Ahnung wie das reizende Lied von der Rose aufgefaßt werden muß«. Fuegos und der König seien noch am besten besetzt gewesen. »Die hiesigen Kräfte sind mehr wie mangelhaft – der Tenor hatte gar keine Stimme«. Die auffallend elegante Inszenierung sowie die Musik seien schön, aber die Darbietung wirklich sehr schlecht275. Es ist leicht anzunehmen, dass dieser negative Bericht der Grund dafür war, dass die Auszeichnung Schirmers, die Krämer nachdrücklich forderte, erst einmal unterblieb276. Auch die Besprechungen der Zeitungen schlagen nicht gerade einen überschwänglichen Ton an. So kritisiert die »Düsseldorfer Morgen-Zeitung«277 deutlich das schlechte Libretto sowie die mangelnde Verarbeitung der »Unmenge von Einzelmotiven«. Auch die resümierende Formulierung ist wenig angetan, dem Herzog zu gefallen  : »Alles in Allem werden wir es einem Dilettanten zumal in der Stellung eines regierenden Fürsten immerhin hoch anzurechnen haben, wenn er solche Werke zu schaffen vermochte.« Während ein weiterer nach Coburg eingesandter Zeitungsartikel278 voll des Lobes über das Werk ist, kann der Kritiker der »Düsseldorfer Zeitung«279 wieder nicht von der Diskussion um die Person des Komponisten lassen  : »Wenn man einen Herzog zum Protektor hat, so darf man versichert sein, daß man sich in guter Gesell274 Brief Crowes vom 26. Januar 1878 an Tempeltey (StACO LA A 7363, f. 353–358). Zum Folgenden. 275 Ob Frau Crowe wirklich selbst in der Vorstellung war, ist nicht ganz sicher. Denn unweit ihres Briefes findet sich in den Akten auch ein kaum zu entziffernder kleiner Brief eines nicht genannten Absenders (StACo LA A 7363, f. 349 und 359), dem zu entnehmen ist, dass Frau Crowe »wirklich nicht gehen« konnte. Der Herzog solle aber froh sein, dass er nicht anwesend war, denn die Vorstellung sei unter aller Kritik gewesen. Vielleicht stützt sich die Schilderung Frau Crowes auf diesen Bericht (ihres Mannes  ?). 276 Vgl. hierzu Briefe Krämers vom März, Juni und November 1878 (StACo LA A 7363, f. 363f., 375f., 380f.). – Schirmer scheint mit der Coburger Intendanz regelrecht um eine Auszeichnung gefeilscht zu haben. 277 »Düsseldorfer Morgen-Zeitung (Rheinisch-Westfälische Zeitung)«, Nr. 28, vom 28. Juni 1878. Auch in StACo LA A 7363, f. 351–352. Zum Folgenden. 278 Dieser konnte leider nicht zugeordnet werden. Zu finden in StACo LA A 7363, f. 351v. 279 »Düsseldorfer Zeitung«, Nr. 26, vom 27. Januar 1878. Auch in StACo LA A 7363, f. 359f. Zum Folgenden.

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schaft bewegt – und so ergeht es vorstehendem Werke, das bereits an den besseren Bühnen Deutschlands und – irren wir nicht, an Her Majesty Theater [sic] in London – zur Aufführung gelangte. Wir dürfen mit der Wahl dieser Oper für unser Stadttheater im allgemeinen zufrieden sein, denn – man hat schon schwächere Opern hier aufgeführt, und wollen wir für heute, da wir uns weder Textbuch noch Partitur zu diesem Werke beschaffen konnten, nur andeutungsweise uns äußern. […] Dramatisch steht die Oper auf großem Boden und ebenso wie der Schöpfer derselben bewegt auch sie sich in hohen aristokratischen Kreisen. Es ist ja ein lautes Geheimniß, daß die Oper Seine Durchlaucht der hochbegabte und kunstsinnige Herzog Ernst von Coburg componirte und verdient derselbe die vollste Anerkennung für dieses musikalische Product.« In der kurz gehaltenen Besprechung der Musik ergänzt der kritische Autor noch, dass die Romanze Dianas im ersten Akt (die sonst in nahezu allen Kritiken gelobt wird  !) leider zu viel Ähnlichkeit mit dem maurischen Ständchen in Kreutzers »Nachtlager von Granada« aufweise. Allen Unkenrufen der Kritiker zum Trotz nahm Schirmer »Diana von Solange« Anfang 1880 noch einmal auf280 und erhielt nun dafür die begehrte Auszeichnung. Sondershausen – späte Einkünfte Der Hofkapellmeister Carl Schroeder (1848–1935) aus Sondershausen, nach dem heute die dort ansässige Musikschule benannt ist, fragt gleich drei Mal nach einer Aufführungserlaubnis für »Diana von Solange«. In seinen Briefen vom Juli und August 1882281 versichert er erst dem Intendanten Becker (erfolglos), dann dem Herzog höchstpersönlich (mit Erfolg), dass er über ein ausgezeichnetes Orchester von 50 Mann verfüge, mit dem er die Oper würdig aufführen könne. Nur das Ballett müsse gestrichen werden. Aber auch »Santa Chiara« habe man ja schon »mit großem Beifall« in Sondershausen aufgeführt. Außerdem spricht er von einer möglichen weiteren Aufführung in Eisenach282. Schroeders anhaltende Bemühungen um »Diana von Solange« waren von Erfolg gekrönt. Am 13. Januar 1883 lädt Schroeder zur bevorstehenden Pre-

280 Vgl. Briefe von Schirmer sowie seinem Kapellmeister Carl Riegg vom Juli 1879, Februar und Juli 1880. Zum Folgenden. 281 Briefe Schroeders vom 1. Juli, 1. und 30. August 1882 (StACo Theater 3042, o. Nr.; LA A 7364, f. 82–83). 282 Hinweise für eine Aufführung in Eisenach gibt es im Coburger Orchestermaterial (»Tromba I«), allerdings erst mit dem Datum 15. Februar 1887.

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miere ein, gerne auch schon zur Generalprobe 283. Das Coburger Orchester­ material verzeichnet Vorstellungen in Sondershausen am 21. Februar und 1. März 1883284. Der Sondershausener Direktor Anton von Weber (1830–1895) schickte gleich am 22. Februar 1882 einen Artikel des »Moniteur« nach Coburg 285. Demzufolge machten die außergewöhnlichen Bemühungen aller Beteiligten die Premiere zu »einer Art von Gala-Vorstellung«, die einen »unzweifelhaften Erfolg« beim Publikum erzielte. Wohltuend ehrlich bemerkt der Verfasser zur Person des Komponisten  : »Der Herzog Ernst von SachsenCoburg-­Gotha hat […] einen zu klaren Geist und kennt das Treiben der Welt, in welcher er sich als kluger Fürst einer fast kaiserlichen Volkverehrung erfreut, zu gut, um den Schmeichlern zu trauen, welche ihn vielleicht zu den Musikheroen dieses und des vorigen Jahrhunderts zählen möchten, wie andererseits der fürstliche Herr dessen sicher sein darf, daß ihm die Wahrheit nicht so schrecklich sein wird, wie dem Jüngling, welcher das Bild von Sais ent­hüllte«286. Letztere hatten auch diesmal wieder energisch für ihre Rechte gekämpft287. Die Tochter des Bearbeiters, Caroline Krämer, schrieb am 31. Januar 1889 an den Herzog, sichtlich selbst erstaunt über den späten Ertrag aus der Arbeit ihres Vaters, dass »zur Zeit, als Ew. Hoheit die Gnade hatten den finanziellen Vortheil der Oper meinem Vater, auf alle Fälle zuzusichern Niemand wissen konnte, daß noch nach 30 Jahren, und nach dem Tode meines Papa, das Werk verkauft würde«. Sie konnte zwar keine schriftlichen Belege für ihren Anspruch mehr vorlegen, erhielt aber das Geld, wohl auch weil sie zu erkennen gegeben hatte »nicht in der pekuniairen Lage [zu sein], einen derartigen Zuschuß leicht entbehren zu können.«

283 Brief Schroeders vom 13. Januar 1883 (StACo Theater 3043, o. Nr.). Der hier genannte Premierentermin ist der 6. Februar. 284 In LBC TB Op 261, »Trombone Alto«. 285 Ohne nähere Angaben zur Ausgabe als Zeitungsausschnitt in StACo LA A 7364, f. 85. 286 Derselbe Artikel fast wörtlich in »Der Deutsche – Zeitung für Thüringen und den Harz«, Nr. 45, vom 23. Februar 1883 (auch als Ausschnitt in StACo LA A 7364, f. 88). Dort kleine, nicht ganz unbedeutende Abweichungen, z. B. »[…] in welcher er sich als junger Fürst einer fast kaiserlichen Volksverehrung erfreute […]«. 287 Briefwechsel zu den Honoraransprüchen der »Krämerschen Erben«, vertreten durch die Tochter Caroline Krämer sowie den Schwiegersohn Rose, im Zusammenhang mit der Regensburger Aufführung von »Diana von Solange«, in StACo Theater 15, f. 4–7, 9–12 (Bleistift). Zum Folgenden.

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Bremen – verschiedene Zeugenaussagen Alexander Senger (1840–1902), Direktor des Stadttheaters Bremen, bat bereits im Mai 1891 um die Zusendung des Materials zu »Diana von Solange«288. Dass er bei der Premiere am 10. März 1892 auch wirklich das Coburger Orchestermaterial verwendete, belegen die darin vermerkten Daten289. Neben mehreren Zeitungsberichten liegen auch private Zeugnisse für die Bremer Aufführung vor  : Heinz Nielsen vom »Sachsen-Coburg und Gotha­ ischen Consulat« in Bremen bestätigt in einem Brief vom 13. März 1892290 die Meldung Sengers, dass das Stück »mit einem außerordentlichen Beifall aufgenommen wurde«. Deutlich umfangreicher ist der Bericht von Magdalene von Heymann (1828–1893)291, der Ehefrau des Bremer Konsuls Eduard von Heymann (1826–1876), der Herzog Ernst II. wohl als Bremens Vertreter im Deutschen Schützenbund bekannt war292. Die begeisterte Zuhörerin hatte dem Herzog bereits einen Lorbeerkranz als Zeichen ihrer Anerkennung geschickt, nun folgte die detaillierte Schilderung der Vorstellung. »Die Oper wurde für hiesige Theaterverhältniße gut durchgeführt, wenngleich ich weiß, daß Hoheit’s vollendete Kritik viel noch getadelt haben würde. Der Decoration, die oft außerordentlich schön, fehlte besonders beim entzückenden Liebeshofe, die glänzendste Beleuchtung.« Auch sei ausgerechnet das Troubadour-Quartett gestrichen worden. Dafür seien die Kostüme tadellos gewesen, und die Hauptdarsteller »sangen ihre Rollen mit Verständniß und vollständiger Hingebung«. Und so war »[d]er Abend […] für mich ein Entrücktsein aller irdischen kleinen Leiden. Fast krank ging ich hin, als sie beendet, die wundervolle Oper, hatte mich Freude und Begeisterung gesund gemacht.« Am Ende erwähnt Magdalene von Heymann noch, dass sie neben einem Professor namens Grote gesessen habe, der im Klavierauszug mitlas und von dem sie gehört habe, dass er öfter »unmotivierte Briefe« an den Herzog schreibe. Wahrscheinlich handelt es sich um den vor allem als Schmetterlingsforscher bekannt gewordenen Augus288 Hierzu wie zum Folgenden vgl. den Briefwechsel in StACo Theater 15, f. 91, 95 sowie weitere o. Nr. 289 LBC TB Op 261 (»Trombone II«, »Tr. Alto«)  : 10. und 30. März 1892. – Die Rollenverteilung fand Mitte September 1891 statt, wie aus einem Hinweis in der Rollenabschrift des Königs (TB Op 261) hervorgeht. 290 Brief Nielsens aus Bremen vom 13. März 1892 (StACo Theater 15, o. Nr.). 291 Brief von Heymanns (Heyman) vom 12. März 1892 (StACo Theater 15, o. Nr.). Zum Folgenden. 292 Vgl. Schulz, Vormundschaft und Protektion, S. 671.

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tus Radcliffe Grote (1841–1903)293, von dem einige kleine Musikhandschriften in der Landesbibliothek Coburg zu finden sind. Von Heymann empfiehlt ihn dem Herzog als »geniale[n] Mann«. Magdalene von Heymann schickt auch einen Artikel der »Weser-Zeitung« nach Coburg, mit deren Kritik sie sich aber nicht ganz einverstanden zeigt. Heinrich Bulthaupt (1849–1905) schreibt in der »Morgen-Ausgabe« der »Weser-­Zeitung« vom 12. März 1892294 zunächst voller Begeisterung über das Engagement der »sächsischen Herzogthümer« für die Kunst und lobt im Besonderen Herzog Georg von Meiningen und Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha. An »Diana von Solange« gefällt ihm das Libretto von Prechtler, das er in einem »flüssigen, im Ganzen wohllautenden Vers« gehalten sieht, sowie die »gefällige, wohlklingende, weichgeartete Musik«  : »Zwanglos mischen sich in diese einfache Handlung die üblichen Ingredienzien der großen Oper, Festgesänge, Märsche, Tänze und Todtenklagen, und niemals tritt die Intrigue, das, was Richard Wagner den ›staats- und modegesetzlichen Wirrwarr‹ nannte, so herrschmächtig in den Vordergrund, daß sie mit ihrer kalten Hand das warme musikalische Leben zurückscheuchte. Nur einen rascheren Gang hätte sie einschlagen dürfen, denn das Gefüge ist bald durchschaut.« Als Bulthaupt nun zur genaueren Beurteilung übergehen will, schickt er vorsichtshalber voraus  : »Einen Kronenträger zu recensiren gehört ja an sich nicht zu den dankbarsten Aufgaben, denn eine nicht ganz sattelfeste Seele verfällt, wenn sie der Scylla eines Paragraphen des Strafgesetzbuches entgehen möchte, gar zu leicht der Charybde der Schmeichelei, und vor die Wahl gestellt, entscheide ich mich immer noch für das Wort des Posa, der vor den Augen seines Königs lieber als Verbrecher denn als Thor gehen wollte.« Außerdem sei Herzog Ernst II. ja daran gewöhnt, beurteilt zu werden. Im Folgenden kritisiert er die Reihung »melodische[r] Artigkeiten« in der Ouvertüre, betont, dass es sich natürlich um Musik einer »verschwundenen Periode« handle, und sieht die Höhepunkte an den gefühlsbetonten Stellen mit den »innigsten« Tönen. Treffsicherer als viele Kritiker vor ihm ordnet er die Musik des Herzogs mehr dem »Lied der deutschen Romantik« zu, auch wenn sie bisweilen an Meyerbeer und Auber erinnere. Übrigens erwähnt Bulthaupt in seinem Artikel auch den Bremer Kapellmeister Seidel  : Es handelt sich dabei wohl um Arthur Seidel, der »Diana von Solange« 293 Dessen Sohn Louis Ruyter Radcliffe Grote (1886–1960), der offenbar des Vaters Liebe zur Musik geerbt hatte, studierte später Medizin und gilt heute als Begründer der medizinischen Musiktherapie. 294 Zeitungsausschnitt auch in StACo Theater 15. Zum Folgenden.

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schon in Rotterdam und Königsberg geleitet hatte. Seine sichere Kenntnis des Werkes dürfte viel zum Gelingen der Aufführung beigetragen haben. Auch der Autor des betreffenden Artikels in den »Bremer Nachrichten«295 lobt Seidel und seine Kollegen und meldet zwei Tage nach der Premiere von »Diana von Solange« die »überaus freundliche Aufnahme beim Publikum«. Auch wenn die Musik »nicht gerade neue Bahnen« beschreite, weise sie doch »alle Kennzeichen einer ausgeprägten künstlerischen Individualität« sowie »viel Kraft des Ausdrucks« auf. Als »Zug der Vornehmheit« lobt der Rezensent das Fehlen jeglicher Effekthascherei und dass in dieser Oper ausnahmsweise nicht »das Orchester zum Hauptfactor des Ganzen« gemacht werde. Ansonsten nimmt sich dieser Artikel nahezu wie ein (voreiliger) Nachruf auf Ernst II. aus, indem er ein ausführliches Porträt des alten Fürsten an den Anfang stellt  : »Herzog Ernst hat ein sehr reiches Leben hinter sich, in der politischen Geschichte unserer Nation sind ihm sehr wichtige Aufgaben zugefallen. In einer Zeit, wo unser liebes Vaterland noch unter der Zerrissenheit seiner Glieder seufzte, wo sich alle Welt nach einer Einigung aller deutschen Stämme sehnte und wo doch kaum eine Aussicht vorhanden war, dieselbe zu bewirken, da fanden die Einheitsbestrebungen im Herzog von Koburg-Gotha den eifrigsten Förderer. Als freigesinnter Fürst wußte er sich in den 60er Jahren durch sein echt menschliches Benehmen, durch seine Theilnahme an den Festen der Bürger eine solche Popularität in den weitesten Schichten des deutschen Volkes zu gewinnen, wie kein zweites gekröntes Haupt unter seinen Zeitgenossen. Aber nicht nur in der Politik bleiben seine Verdienste ungeschmälert, auch auf dem Gebiete der Kunst, in der Musik wird sein Name mit Ehren genannt werden. Als Componist nimmt Herzog Ernst eine sichere Stellung ein, die er seiner vielseitigen ausgezeichneten Begabung verdankt.« Auch die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung«296 schaut mit freundlicher Distanz auf das Werk, das sie zwar als alt, aber »in keiner Weise veraltet« bezeichnet. Die leichte und fließende Melodik biete Gelegenheit zum »bel canto«. Die Musik sei originell und »von feinem, anmuthigem Empfinden«. Wie schon bei der vorher zitierten Rezension hat der Leser hier den Eindruck, beim Kritiker eine gewisse Erleichterung zu spüren angesichts der Einfachheit der Musik und der übersichtlichen Ansprüche an den Hörer, die diese 295 »Bremer Nachrichten«, vom 12. März 1892 (Zeitungsausschnitt in StACo Theater 15). Zum Folgenden. 296 »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« vom 16. März 1892 (Zeitungsausschnitt in StACo Theater 15). Zum Folgenden.

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»alte« Komposition im Jahr 1892 an das Publikum stellte. Die Schlichtheit dieser Oper, die ihr früher oft zum Vorwurf gemacht worden war, stellte in der musikalisch eher schwierigen Phase gegen Ende des 19. Jahrhunderts schon wieder einen gewissen Vorzug dar. Kurz notiert LONDON  : Ein gebürtiger Hannoveraner stellte die erste Verbindung zwischen »Diana von Solange« und England her  : Julius Rodenberg (1831–1914), ein deutscher Jurist und Schriftsteller. Am 7. Dezember 1858297 schreibt Rodenberg begeistert von der bevorstehenden Aufführung in seiner Heimatstadt  : »Man erzählt sich im Publicum bereits viel von der Pracht u. dem Glanz, mit welchem diese neue Oper in Scene gehen wird.« Eigentlich aber lebte Rodenberg zu diesem Zeitpunkt bereits in England298. Nach England, insbesondere natürlich London, wollte auch der Herzog gerne sein neuestes Werk vermitteln. Zu diesem Zweck kontaktierte er im Januar 1859 einen offenbar gut vernetzten Gefolgsmann in Berlin299, der wiederum mit verschiedenen einflussreichen Personen in England in Verbindung trat, um die Möglichkeit einer Aufführung von »Diana von Solange« in der britischen Hauptstadt zu prüfen. Die Chancen standen jedoch schlecht, nicht zuletzt – wie angeblich der um seine Meinung gefragte englische Aristokrat und Schriftsteller Henry Greville (1801–1872) verlauten ließ – weil das Ensemble am Opera House nicht gut genug für ein derart anspruchsvolles Werk sei300. Nachdem dieser erste Vermittlungsversuch nicht fruchtete, schrieb man aus Coburg einige Monate später auch an Prinz Alberts Unterkammerherrn am Londoner Hof, Francis Seymour (1813–1890)301. Dieser wurde beauftragt, die Partitur von »Diana von Solange« an den einfluss­ reichen Komponisten und Dirigenten Michael William Balfe (1808–1870) weiterzuleiten, welcher wiederum versprach, sich für das Werk einzusetzen. 297 Brief Rodenbergs vom 7. Dezember 1858 an Gustav von Meyern-Hohenberg (StACo LA A 7361, f. 118–119). Zum Folgenden. 298 Mit seinem Brief übersendet Rodenberg auch eine Übersetzung von Liedern Jean-Pierre de Bérangers. 299 … der leider nicht identifiziert werden konnte, da er nur in Abkürzung unterschreibt. Briefe vom Januar und Februar 1859 in StACo LA A 7361, f. 136–139, 143–148. Zum Folgenden. 300 Aus dem Brief des nicht identifizierten Engländers vom 9. Februar 1859 (StACo LA A 7361, f. 143–148). 301 Briefwechsel vom Juli 1859 in StACo LA A 7361, f. 168–172 (inkl. des Briefes von Balfe an Seymour). Zum Folgenden.

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KARLSRUHE  : Am treu verbundenen Hoftheater in Karlsruhe wurde »Diana von Solange« schon früh gespielt. Eduard Devrient, seit 1852 Direktor der Bühne, beeilte sich bereits im Dezember 1858 nach dem neuesten Werk des Herzogs zu fragen, da ja andere Bühnen die Oper bald brächten302. Mit der Übersendung des Honorars für die Oper in Höhe von 150 fl. im September 1859303 dürfte er besonders dem eifrigen Traugott Krämer eine besondere Freude gemacht haben. SCHWERIN  : Eine weitere der frühzeitig an »Diana von Solange« interessierten Bühnen war das Hoftheater Schwerin unter seinem Intendanten Friedrich von Flotow. Bereits im März 1859 konnte der dortige Musikdirektor Johann Adolf Schmiedekampf (gest. 1864) die Opernpartitur zurückgeben, die man den Schwerinern zum Abschreiben überlassen hatte304. Er machte dabei auf einen überzähligen Bogen in der Partitur des ersten Akts aufmerksam. Am 26. April 1859 berichtete Flotow in einem Brief305 von der Aufführung von »Diana von Solange« und ihrem Erfolg in Schwerin. WEIMAR  : Am 27. März 1859 hatte »Diana von Solange« am Weimarer Hoftheater Premiere306. Dazu die »Weimarer Zeitung« vom 3. April des Jahres307  : »Seit Aufführung der Toni ist kein Werk des Komponisten dieser Oper über die Bühne gegangen – um so günstiger trat vielleicht der Fortschritt hervor, welcher sich in der DIANA VON SOLANGE offenbart. […] Die Aufführung, unter Leitung des Herrn Musikdirektor STÖR, war eine fleißig und sorgfältig einstudirte  ; nur über Unsicherheit der Tempi und namentlich über große Uebereilung aller Instrumental= und Ensemblesätze haben wir wiederholt zu klagen. Von Seiten unseres Sängerpersonals wurde das Beste geleistet.« Eine weitere Wiederholung fand am 14. Mai 1859 statt308. STUTTGART  : Friedrich Wilhelm Kücken, Kapellmeister in Stuttgart, hatte ja der Uraufführung von »Diana von Solange« in Coburg beigewohnt. Kein Wunder 302 Brief Eduard Devrients aus Karlsruhe vom 22. Dezember 1858 (StACo Theater 10, f. 27). 303 Brief Eduard Devrients aus Karlsruhe vom 19. September 1859 (StACo Theater 10, f. 39). 304 Brief Schmiedekampfs aus Schwerin vom 24. März 1859 an die Intendanz (StACo Theater 10, f. 34). 305 In der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg. 306 Der Theaterzettel zu dieser Aufführung im ThHStA Weimar (10419/46, Blatt 118) ist im Internet einsehbar. 307 »Weimarer Zeitung«, Nr. 79, vom 3. April 1859, S. 314. 308 Dieses Datum nennt Roenneke, S. 54.

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also, dass er kurze Zeit später im Namen seines Theaters das Interesse an dem Werk bekundete. In einem Antwortschreiben an den Stuttgarter Intendanten Ferdinand von Gall (1807–1872)309 bot Herzog Ernst II. seine Dekorationsund Kostümskizzen an und verwies an Krämer als Empfänger des Honorars. Kücken jedoch sandte auch regelmäßig eigene Werke an den Herzog, im März 1860 erhielt er schließlich eine Auszeichnung310. Als im Juli 1874 der Regisseur Jendersky die Oper »Santa Chiara« in Stuttgart auf die Bühne bringen wollte, empfahl ihm der Herzog, lieber »Diana von Solange« zu spielen, wegen des politisch weniger verfänglichen Themas311. WARSCHAU  : Der Direktor des königlichen Theaters, Jan Jasinski (1806–1879), war offenbar zu einer Aufführung von »Diana von Solange« in Coburg  : Jeden­ falls erwähnte er in seiner Anfrage vom 19. März 1860312, dass seine in Eile in Coburg aufs Papier geworfenen Skizzen für Kostüme und Dekoration nicht ausreichend seien für eine fundierte Vorbereitung der Oper in seinem Haus. Daher bitte er um die Zusendung der entsprechenden Skizzen, da die Oper ja gerade schon einstudiert werde. Wenig später wurden sechs Dekorationsskizzen und 13 Figurinen aus Coburg nach Warschau geschickt313, im April bereits wieder retourniert, im Juni folgte die polnische Übersetzung des Librettos314, im Juli dann die Rückgabe des Materials sowie der Bericht von der erfolgreichen Premiere, die am 21. Juli 1860 »mit vollem Beifall eines zahlreich versammelten Publikums« stattgefunden hatte315. ROTTERDAM  : Der Kapellmeister Arthur Seidel (auch »Seidl«, 1849–1910)316 von der Deutschen Oper Rotterdam versicherte in seinem Brief vom 29. Au309 Briefentwurf aus Coburg an den Baron von Gall in Stuttgart vom 13. Juli 1859 (StACo Theater 10, f. 35). 310 Vgl. die Briefe Kückens in der Autografensammlung der Kunstsammlungen der Veste Coburg. 311 Siehe im Kapitel zu »Santa Chiara« in Stuttgart. Briefwechsel dazu in StACo LA A 7362, f. 36–38. 312 Brief Jasinskis vom 19. März 1860 (StACo Theater 10, f. 36). Zum Folgenden. 313 Vgl. Schriftwechsel in StACo Theater 10, f. 37, 38. Zum Folgenden. 314 Brief Jasinskis vom 23. Juni 1860 (StACo LA A 7361, f. 177). Das polnische Libretto befindet sich heute in der Landesbibliothek Coburg (LBC HP–59,334). 315 Brief Jasinskis vom 22. Juli 1860 (StACo LA A 7361, f. 178). 316 Bekannt durch seine Bearbeitungen von Wagnerschen Werken (Opernfantasien) für Militär­ musik. Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Professor vom Leipziger Konservatorium bzw. mit Anton Seidl (1850–1898), dem Kapellmeister, der dieselbe Oper 1891 in

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gust 1872317, dass er ein sehr gutes Ensemble zur Verfügung habe, um »Diana von Solange« darzustellen, und bat um die Erlaubnis zur Aufführung. Offenbar waren seine Ausführungen überzeugend318, jedenfalls feierte die Oper am 16. März 1874319 in Rotterdam Premiere, und zwar »mit entschiedenem Erfolge«320. Eine Wiederholung fand am 18. März 1874 statt321. Jedoch berichtete Seidel in seltener Ehrlichkeit an den Herzog322  : »Gestatten Ew. Hoheit zu bemerken daß das holländische Publikum sich erfahrungsmäßig einer Novität gegenüber stets mehr oder weniger reservirt hält. Dieser Eigenthümlichkeit mußte es denn auch zugeschrieben werden daß die Aufname [sic] der beiden ersten Akte, wenn man von dem entschiedenen Erfolg von Fräulein Kempner mit der spanischen Romanze des ersten Aktes, welcher stürmischer Applaus folgte, absehen wollte, wohl etwas kühl zu nennen war. Dieselbe erwärmte sich jedoch sehr entschieden vom Gesang ab der Troubadoure im dritten Akt, der ganz vortrefflich gelang da Herr Direktor Pfläging selbst den ersten Tenor übernommen, lebhaftest Da Capo verlangt und wiederholt werden mußte, von Akt und Akt [sic] mehr und mehr.«323 BRÜNN  : Relativ kurz war die Zeitspanne zwischen Kontaktaufnahme und Premiere der Oper in Brünn. Im Juni 1875 leitete der Coburg-Gothaer Hoftheater­ intendant Adolf Becker ein Schreiben des Direktors des Brünner Stadttheaters, Heinrich Hirsch324, an den Herzog weiter. Hirsch hatte um die Aufführungserlaubnis für »Diana von Solange« gebeten und zugleich klargemacht, dass er nicht in der Lage sei, ein Honorar dafür zu bezahlen. Er werde aber im Gegenzug einen vom Coburger Theater begehrten Schauspieler früher aus dem

New York leitete. Letzterer scheint Arthurs Bruder gewesen zu sein (vgl. Brief Seidels vom 29. August 1872  ; in StACo LA A 7362, f. 8). 317 Brief Seidels vom 29. August 1872 (StACo LA A 7362, f. 8). 318 Weitere Briefe in StACo LA A 7362, f. 16–18. 319 Vgl. hierzu die Theaterzettel sowie ein Telegramm des Theaterdirektors Jean Pfläging (1832– 1878) vom Tag nach der Premiere (StACo LA A 7362, f. 24–29). 320 Brief Seidels aus Rotterdam vom 18. März 1874 an den Intendanten (StACo LA A 7362, f. 22). 321 Vgl. Theaterzettel in StACo LA A 7362. 322 Brief Seidels vom 18. März 1874 an den Herzog (StACo LA A 7362, f. 23 und 30). Zum Folgenden. 323 Die britische Zeitung »The Academy« bezeichnet die erste Aufführung von »Diana von Solange« in Rotterdam sogar als »fiasco« (»The Academy«, vom 2. Mai 1874, S. 504). 324 Dieser hatte schon drei Jahre zuvor über den Berliner Theateragenten Ferdinand Roeder für das Theater in Pest angefragt.

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Kontrakt entlassen. Becker unterstützte dieses Anliegen, und so konnte »Diana von Solange« schon am 19. November 1875 in Brünn über die Bühne gehen (Wiederholung am 26. November)325. STETTIN  : Emanuel Faltis, der von 1879 bis 1893 Hofkapellmeister in Coburg-­ Gotha war, lernte »Diana von Solange« bereits im Jahr 1876 kennen, als er als junger Kapellmeister am Stadttheater Stettin unter seinem Direktor Carl Friedrich Ackermann (geb. 1820)326 die Einstudierung leitete327. Am 5. Februar 1876 hatte die Oper hier Premiere328 und wurde aufgrund des großen Anklangs gleich am nächsten Tag noch einmal wiederholt. Der Herzog konnte zwar selbst nicht dabei sein, sandte aber seinen Intendanten Adolf Becker zur Vorstellung am 17. Februar 1876329. Die Mühe Ackermanns wurde ihm mit »Decoration u. Diplom« belohnt330. Eine sehr lobende Besprechung der Oper in der »Stettiner Zeitung«331 dürfte dem Herzog sehr gefallen haben, wenn sie auch die positiven Tendenzen des Werks etwas überzeichnet  : »Die ganze Anlage und die Komposition der Oper läßt die neuere Schule erkennen  ; der mehr lyrische Charakter der älteren Oper mit dem Vorwiegen einzelner Arien und Melodien ist verschwunden, statt dessen erhalten wir ein vollkommen dramatisch angelegtes Werk, mit der ganzen Gewalt der Leidenschaften und Affekte, ein vollständig in Musik gesetztes Drama.« NÜRNBERG  : Unmittelbar nach dem Erfolg von »Santa Chiara« am Nürnberger Stadttheater begann dessen Direktor Maximilian Reck mit den Vorberei-

325 Daten im Orchestermaterial (LBC TB Op 261) in den Stimmen »Tr. Alto«, »Tromba I, II« sowie »Corno IV«. 326 Dieser war dann von Mai 1877 bis Januar 1878 Direktor des Stadttheaters Bremen, musste aber Insolvenz anmelden. 327 Schriftverkehr zwischen dem Stadttheater Stettin (Carl Ackermann) und der Intendanz in Coburg vom Januar und Februar 1876 in StACo LA A 7363, f. 3–14. Zum Folgenden. 328 Theaterzettel erhalten in StACo, LA A 7363, f. 7–8. 329 Vgl. Vermerk auf dem Brief Ackermanns vom 13. Februar 1876 (StACo LA A 7363, f. 11). 330 Vermerk auf dem Brief Ackermanns ohne Datum (StACo LA A 7363, f. 5–6). Dankesbrief Ackermanns vom 22. Februar 1876 (StACo LA A 7363, f. 12). – Übrigens hatte sich der Coburger Archivsekretär Gustav Schwarz, dessen Tochter offenbar am Stettiner Stadttheater unter Vertrag stand, gewünscht, dass seine Tochter die Auszeichnung überreichen dürfe. Dies wurde aber abgelehnt (Brief Schwarz’ vom 26. Februar 1876, in StACo LA A 7363, f. 13–14). 331 »Stettiner Zeitung«, Morgenausgabe, Nr. 63, vom 8. Februar 1876 (StACo LA A 7363, f. 9–10). Zum Folgenden.

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tungen für »Diana von Solange«332. Zunächst veranstaltete er ein Konzert, in dem auch die berühmte Romanze aus »Diana von Solange« gesungen wurde333. Dann fragte er in Coburg mehrmals nach den Dekorationsskizzen für die Oper, die jedoch verschwunden blieben334. Am 21. Dezember 1876 lud Reck den Herzog zur bevorstehenden Premiere ein, die am 25. Dezember im Stadttheater Nürnberg stattfand (ohne den Herzog)335. Am Tag danach fuhr Reck sogar eigens nach Coburg, um mit Tempeltey über Umstände der Aufführung zu sprechen, die er in einem Brief nicht erwähnen wollte336. Die Anerkennung seiner Bemühungen scheint Reck sehr wichtig gewesen zu sein, und er tat sein Bestes, die Oper des Herzogs entsprechend auf die Bühne zu bringen. Dies kommt auch in einer Rezension der »Nürnberger Stadtzeitung«337 zum Ausdruck, die für die Wiederholung der Oper am 28. Dezember 1876 ein »recht zahlreiches Auditorium« ankündigt  : »Denn nicht nur die Musik hat eine Anzahl recht lieblicher und besonders in den letzten beiden Akten auch dramatisch wirksamer Stellen, sondern vor Allem die in hohem Maß vollendete, vom hingebendsten [sic] Eifer getragene Darstellung aller einzelnen Rollen und die brillante, eine wahrhaft verschwenderische Pracht mit hohem Kunstgeschmack effectvolle [sic] Scenerie vereinende Ausstattung nimmt Aug’ und Ohr des Publikums in ununterbrochener Folge gefangen.« WÜRZBURG  : Eduard Reimann (1833–1898), der als Theaterdirektor über die Bühnen des Stadttheaters Würzburg und des Kurtheaters Bad Kissingen gebot, hatte sich laut eigenen Angaben338 bei einem Zusammentreffen mit dem Herzog die Erlaubnis für die Aufführung einer der herzoglichen Opern eingeholt. Am 9. November 1876 brachte er nun »Diana von Solange« zum ersten Mal, in Anwesenheit Krämers als Vertreter des Herzogs339. Reimann selbst berichtet 332 Der Briefwechsel zum Folgenden in StACo LA A 7363, f. 45–48, 51–53, 88–89, 119–125. 333 Vgl. Brief Recks vom 29. Mai 1876 sowie Programmzettel (StACo LA A 7363, f. 46, 51– 52). Bei dem Konzert sangen der herzoglich anhaltinischen Kammersänger Franz Diener (1849–1879) sowie die Sängerinnen Henriette Marion (1845–1921) und Pauline Bethmann. Marion sang im ersten Teil die Romanze »Es blüht die Rose« aus »Diana von Solange«. 334 Der Verdacht, der ehemalige Intendant von Wangenheim habe die Skizzen mitgenommen, wurde von diesem zurückgewiesen (StACo LA A 7363, f. 88–89). 335 Theaterzettel in StACo LA A 7363, f. 123. 336 Brief Recks vom 26. Dezember 1876 (StACo LA A 7363). 337 »Nürnberger Stadtzeitung«, hg. v. Friedrich Monninger, 3. Jg., Nr. 308, vom 28. Dezember 1876. Auch in StACo LA A 7363, f. 125. Zum Folgenden. 338 Brief Reimanns aus Würzburg vom 17. September 1876 (StACo LA A 7363, f. 88–89). 339 Briefwechsel hierzu in StACo LA A 7363, f. 91–95, 397 (Zeitungsartikel).

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am Tag nach der Premiere340, »daß seit Jahren einem Tonwerke hier kein tiefer greifendes Studium, keine größere und freudigere Hingabe Aller gewidmet wurde.« Neben einigen positiven Besprechungen in der Presse341 erhielt er dafür auch aus Coburg das Verdienstkreuz342. Aus den Kritiken sei hier nur eine aus der »Würzburger Presse«343 herausgehoben, die in selten deutlicher Weise die Verbindung zwischen den Schlagworten Musik – Adel – Deutsch herstellt. Der Verfasser ordnet die Musik aus »Diana von Solange« zunächst dem »Schulton unserer neuen deutschen Tondichter« zu und fährt dann fort  : »Die vielen schönen Gedanken, welche vorkommen, sind strenge nach den Vorschriften der Schule geboren u. erzogen, keine Extravaganz, keine Unregelmäßigkeit ist erlaubt, es herrscht Salon- oder Hofton darin, der oft erwärmt und erfreut, oft auch wegen seines ceremoniellen Erscheinens kalt läßt, aber nie unangenehm berührt, immer fein ist.« Mit zeittypischer Charakterisierung fasst er anschließend zusammen  : »Das Ganze ist außerordentlich fleißig gearbeitet und verräth darum seinen deutschen Ursprung.« MAGDEBURG  : Nach Angaben Krämers in einem Brief vom 17. November 1877 hatten die Stadttheater von Düsseldorf und Magdeburg bereits 1875 bzw. 1876 die Aufführungserlaubnis für »Diana von Solange« eingeholt344  ; allerdings seien bis dato keine Aufführungen in den genannten Häusern zustande gekommen. Im Januar 1883 war es erstaunlicherweise der Chefredakteur des »Magdeburger Tageblatts«, Dr. Max Oberbreyer (1851–1918), der sich für eine Aufführung von »Diana von Solange« am »aufblühenden« Magdeburger Stadttheater stark machte345. Kapellmeister Varena sei ja mit dem Werk des Herzogs schon aus seiner Zeit am Stadttheater Stettin vertraut346. Als Termin wollte man den Geburtstag des Kaisers am 22. März wählen  ; leider ist kein Antwortvermerk erhalten. 340 Brief Reimanns vom 10. November 1876 (StACo LA A 7363, f. 93–94). Zum Folgenden. 341 Siehe verschiedene Zeitungsartikel in StACo LA A 7363, f. 397. 342 Dankesbrief Reimanns vom 18. November 1876 (StACo LA A 7363, f. 95). Außerdem dazu auch eine Meldung in »The Musical World«, vom 16. Dezember 1876, S. 834. 343 »Würzburger Presse«, Nr. 267, vom 10. November 1876. In StACo LA A 7363, f. 397. 344 Brief Krämers vom 17. November 1877 (StACo LA A 7363, f. 334f.). Dies bestätigt der Brief des Magdeburger Theaterdirektors Friedrich Schwemer (1818–1902) vom 7. November 1876 (StACo LA A 7363, f. 115). Allerdings hatte sich Schwemer verkalkuliert und musste bereits 1877 das Stadttheater Magdeburg wieder verlassen. 345 Brief Oberbreyers vom 31. Januar 1883 (StACo Theater 3042, o. Nr.). 346 Dort hatte Varena allerdings »Santa Chiara« einstudiert.

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KÖNIGSBERG  : Immer im Monat März meldete sich der Direktor des Königsberger Stadttheaters, Albert Goldberg (1847–1905), bei der Coburger Intendanz  : Im Jahr 1880 stellte er sich als Nachfolger Max Staegemanns vor und bat um die Bücher zu »Diana von Solange« und »Casilda«347. Ein Jahr später teilte er mit, dass er nun »Diana von Solange« vorbereite und als Festvorstellung zum Geburtstag des Kaisers plane348. Und wieder ein Jahr später übersandte er die Zettel von der Premiere von »Diana von Solange« am Stadttheater Königsberg am 22. März 1882349. Die Oper, die vom Kapellmeister Arthur Seidel350 geleitet wurde, hatte nach Goldbergs Angaben »sehr gefallen«351, was die drei Hervorrufe nach dem vierten Akt belegten. LÜBECK  : Der Kontakt zwischen dem Stadttheater Lübeck und der Coburg-­ Gothaer Intendanz im Hinblick auf eine Aufführung der »Diana von Solange« kam über den Berliner Theateragenten Emil Drenker zustande352. Drenker warb im Dezember 1883 überzeugend  : »Die Oper in Lübeck ist in diesem Jahre besonders gut zusammengestellt und wird das Werk in glänzender Ausstattung eine gute Aufführung finden.« Für die daraufhin erteilte Aufführungserlaubnis bedankte sich der Direktor des Stadttheaters Lübeck, Wilhelm (»Willy«) Hasemann, in einem Brief vom 24. März 1884353. Er führte selbst Regie und berichtete von den guten Proben mit den »aufstrebenden Talenten und begeisterten Kunstjüngern« seiner Bühne. Die Premiere von »Diana von Solange« am 25. März 1884354 ging dann mit »fast tadellosem Ensemble und bestmöglicher Darstellung«355 über 347 Brief Goldbergs vom 29. März 1880 (StACo Theater 3042, o.Nr.). 348 Brief Goldbergs vom 2. März 1881 (StACo Theater 3042, o.Nr.). 349 Brief Goldbergs und Theaterzettel vom März 1822 (StACo LA A 7364, f. 77–79). – Eine Meldung zur Aufführung in Königsberg findet sich auch in »The Musical standard«, vom 22. April 1882, S. 252. 350 Wie schon an der Deutschen Oper Rotterdam 1872. 351 Brief Goldbergs vom März 1822 (StACo LA A 7364, f. 77–78). Zum Folgenden. 352 Brief Drenkers vom 25. Dezember 1883 (StACo Theater 15, 1c blau/11 Bleistift). Zum Folgenden. 353 Brief Hasemanns vom 24. März 1884 an den Herzog (StACo LA A 7364, f. 113–114). Zum Folgenden. – Weitere Briefe hierzu von Krämer (der sein Honorar einfordert), von Drenker (der 300 Mark an Krämer bezahlte) sowie von Hasemann (der sich für die Überlassung des Leihmaterials bedankt) von Anfang 1884 (StACo Theater 3043, o. Nr.). Außerdem fragt Hasemann im September 1884 ungeduldig nach, ob er nun endlich auch »Santa Chiara« aufführen dürfe (StACo Theater 3043, o. Nr.). 354 Datum auch im Orchestermaterial vermerkt (LBC TB Op 261, »Trombone Tenore«). 355 Telegramm aus Lübeck vom 29. März 1884 an den Intendanten Becker (StACo LA A 7364, f. 86–87).

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die Bühne und fand ein nachhaltiges Echo in der Fachpresse. Eine Wiederholung am 27. März 1884 ist unter anderem in einem aus Coburg geliehenen Klavierauszug dokumentiert356. Im Oktober 1885 fragte dann der neue Direktor des Lübecker Stadttheaters, Sigmund Lautenberg, ob er nach dem Erfolg von ­»Diana von Solange« nun auch »Santa Chiara« aufführen dürfe357. REGENSBURG  : Am Stadttheater Regensburg wurde »Diana von Solange« ab Anfang Januar 1889 geprobt, Premiere und erste Wiederholung fanden »bei gut besetztem Hause« am 12. und 22. Februar 1889 statt358. Der Direktor des Theaters, Carl Berghof (geb. 1840), hatte sich mit seiner Frage nach den Konditionen für »Diana von Solange« erst an den Gothaer Musikdirektor Rudolph Fischer (geb. 1850) gewandt359, welcher wiederum mit der Coburger Intendanz in Verbindung trat360. In wenigen Briefen wurde alles geregelt  : Berghof erhielt die Aufführungserlaubnis und – nach den Aufführungen – eine Herzog-Ernst-Medaille. Dafür gab er 22 übrig gebliebene Textbücher zurück und überwies fünf Prozent der Bruttoeinnahmen (32,20 Reichsmark) an Krämers Erben. New York – die Musik des Herzogs in Amerika Die ungewöhnlichste Premiere von »Diana von Solange« war aus heutiger Sicht wohl die am 9. Januar 1891 in der Metropolitan Opera New York. Wer weiß, ob der Herzog selbst es sich hätte träumen lassen, dass es eine seiner Opern sogar bis nach Amerika schaffen würde. Die Erklärung für diese außerordentliche Verbreitung des nicht gerade herausragenden Werkes ist jedoch recht einfach  : Für die deutschen Opern an der Met waren auch deutsche Kapellmeister bzw. 356 LBC TB Op 261, K1  : »Lübeck 27. März 1884. Zum Benefiz für den Kappelmeister [sic] Herrn Hugo Hache«. Auch in »Corno IV«. 357 Brief Lautenbergs vom 7. Oktober 1885 (StACo Theater 3043, o. Nr.). 358 Daten aus dem Coburger Orchestermaterial (LBC TB Op 261, »Tromba I, II«)  : Proben am 5. Januar und 3. Februar 1889, Aufführungen am 12. und 22. Februar 1889. – Am 28. Dezember 1888 hatte der Theaterdirektor bei der Coburger Theaterbibliothek um die Überlassung des Leihmaterials für drei Monate gebeten, am 5. Januar 1889 bereits dessen Eingang bestätigt (StACo Theater 3644, f. 51). 359 Vielleicht weil eine erste Anfrage vom Oktober 1883 – trotz Unterstützungsschreiben Krämers – ohne Erfolg geblieben war (Brief Berghofs vom 25. Oktober 1883, in StACo Theater 3043, o. Nr.). 360 Schriftwechsel von Januar bis Juni 1889 (StACo Theater 15, f. 1, 3, 13, 15, 17, 20f., Bleistift). Zum Folgenden.

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Theaterdirektoren verantwortlich, und die brachten natürlich ihr Repertoire aus Europa mit. Dass Ernst II. grundsätzlich mit der »Aufführung [seiner] Werke jenseits des Oceans einverstanden«361 ist, geht schon aus einem Briefwechsel mit dem polnischen Schauspieler und Theaterdirektor Stanislaus Lesser (1840–1907) hervor, der im Oktober 1876 den Kontakt vermittelt zwischen dem komponierenden Coburger Herzog und dem Direktor des Germania Theaters in New York, Adolf Neuendorff (1843–1897). Neuendorff hat sein Interesse an den Werken Ernsts II. bekundet und erhält – nach dem ersten Brief Lessers – nun jeweils einen Klavierauszug von »Santa Chiara« und »Diana von Solange« zugeschickt. Nachdem er diese offenbar eingehend studiert hat, entscheidet sich Neuendorff dafür, auf einer Konzerttournee einige Nummern aus »Diana von Solange« zu spielen362. Und so erklingt in einem Benefizkonzert363 in der Steinway Hall am 13. Mai 1877 erstmals Musik aus einer Oper des Herzogs in der Neuen Welt. Laut der »New Yorker Staatszeitung«364 wurden nach Werken von Richard Wagner, Gustav Bergmann (1837–1892), Ferdinand Dulcken (1835–1901) und anderen zum Abschluss »Ouverture, Beschwörungscene und Doppel-Chor« aus »Diana von Solange« gespielt. Der Berichterstatter der Zeitung fügt hinzu, diese Stücke »erregten ein besonderes Interesse dadurch, daß sie hier vollkommen unbekannt sind. Es sind drei äußerst wirkungsvolle Nummern, welche durch die Originalität und Frische der Melodien, sowie durch die höchst charakteristische, farbenreiche und kraftvolle Instrumentation Effekt machten und den Wunsch wach riefen, noch mehr von diesem Werke kennen zu lernen. Die A[u]fführung ging glatt und gerundet von Statten und das Publikum nahm dieselbe mit großem Beifall, welcher sowohl dem Werke, wie den Mitwirkenden galt, auf.« Der nächste Vermittler zwischen New York und Coburg ist der Berliner Theateragent Ludwig Crelinger (1836–1904), Neffe der berühmten Schauspielerin Auguste Crelinger (1795–1865) und selbst ehemaliger Schauspieler und Regisseur. Am 11. Juni 1889 schreibt er an den Intendanten von Rekowski in

361 Vgl. Brief Lessers aus Darmstadt an den Herzog vom 22. Oktober 1876 (StACo LA A 7363, f. 90). Zum Folgenden. 362 Weiterer Briefwechsel vom April bis Juni 1877 in StACo LA A 7363, f. 214f, 275f, 277 (Zeitungsausschnitte). Zum Folgenden. 363 Das Konzert fand zugunsten der Errichtung eines Grabsteins für den 1876 verstorbenen Dirigenten Carl Bergmann (geb. 1821) statt. 364 Ausschnitt in StACo LA A 7363, f. 277. Zum Folgenden.

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Coburg365  : »Es dürfte Ihnen nicht unbekannt sein, mit welchem Feuereifer der Intendant der Metropolitan Oper [sic] in New York Herr Stanton für die deutsche Kunst jenseits des Oceans wirkt und wie die deutsche Oper seinen Bestrebungen ein würdiges künstlerisches Heim zu danken hat.« Der für den genannten Edmund C. Stanton (1854–1901) als Opernregisseur tätige ehemalige Tenor Theodor Habelmann (1834–1920) sei gerade in Berlin und wolle jeweils Klavierauszug und Regiebuch der beiden herzoglichen Opern »Santa Chiara« und »Diana von Solange« erhalten. Im Juli 1889 schaltet sich auch noch der Kammersänger Eduard Fessler366 aus Darmstadt ein, der ebenfalls in Berlin mit Habelmann zusammengetroffen war, und bittet um eine Übersendung der Textbücher von »Santa Chiara« und »Diana von Solange« an denselben367. Habelmann, der sich mittlerweile in Großsalza bei Magdeburg aufhält, nimmt dort im September 1889 alle aus Coburg versandten Bücher (inkl. Klavierauszüge und Regiebücher) für die beiden Opern in Empfang und darf sie auch »auf einige Zeit nach New York« mitnehmen, um sie in Ruhe zu studieren und mit den Beteiligten an der deutschen Abteilung der Metropolitan Opera eine Wahl zu treffen368. Die Entscheidung zwischen den beiden Opern scheint nicht einfach zu sein, Intendant Stanton und sein Kapellmeister Seidl sind sich zunächst offenbar nicht einig. Denn Stanton fragt am 18. Oktober 1889 in einem Brief an den Herzog369, woher er das Material für »Diana von Solange« beziehen könne. Dagegen schreibt sein hochgeachteter Dirigent Anton Seidl (1850–1898) am 1. November 1889 an den Herzog voller Begeisterung von »Santa Chiara«370  : »Durchlauchtigste Hoheit  ! Es gereicht mir zur grossen Ehre und Freude, dass ich Eurer Hoheit berichten kann, in welch hohem Grade mich ›Santa ­Chiara‹ interessiert und zu tieferem Studium angespornt hat. Jedenfalls eignet sich das 365 Brief Crelingers vom 11. Juni 1889 (StACo Theater 15, f. 23 blau). Zum Folgenden. 366 Fessler hatte die Partie des Königs erst in Coburg, dann auch in Darmstadt gesungen. Er war mittlerweile in Darmstadt engagiert. 367 Ursprünglich hatte Fessler Habelmann versprochen, die Bücher aus seiner Bibliothek zuzusenden, konnte sie dann aber angeblich nicht finden. Vgl. Brief Fesslers vom 5. Juli 1889 (StACo Theater 15, f. 29f.). – Den Erhalt der Textbücher bestätigt Habelmann am 14. Juli 1889 (Beleg in StACo Theater 3644, f. 97). 368 Briefwechsel hierzu in StACo Theater 15, f. 47f., 49. 369 Brief Stantons aus New York an den Herzog vom 18. Oktober 1889 (StACo Theater 15, f. 39–45). Zum Folgenden. – Die Aufführungserlaubnis hatte Stanton zu diesem Zeitpunkt bereits erhalten. 370 Brief Seidls aus New York an den Herzog vom 1. November 1889 (StACo Theater 15, f. 35– 37).

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Werk in seiner dramatisch packenden, wie in musikalisch ungemein fein und treu ausgearbeiteter Beziehung für meine Anlagen  ; ich habe mit unserem Intendanten Edm. C. Stanton in diesem Sinne warm gesprochen, und hoffe es in der nächsten Saison (18890 [sic] – 1891) auf der Bühne des Metropolitan Opera Houses bestimmt zur Aufführung zu bringen.« Seidl spricht also von »Santa Chiara«, aus »Diana von Solange« interessiert ihn dagegen nur ein bestimmtes Stück  : »Das amerikanische Publikum ist vorläufig in den Opern noch an das Ballet so sehr gewöhnt, dass es dasselbe haben will auch dort, wo es ursprünglich nicht existiert. Wir haben in diesem Winter den Verdi’schen Maskenball und den Marschner’schen Templer zu bringen, und da möchte ich gerne in einer dieser Opern die reizende Balletmusik aus ›Diana von Solange‹ aufführen, wenn Eure Hoheit mir die Erlaubnis dazu geben wollten. Ich könnte dadurch auch den Namen des Erlauchten [sic] Componisten schon vor der Zeit in die hiesige Theater- und Kunstwelt einführen.« Seidls Plan ist es demnach, aus »Diana von Solange« nur die Ballettmusik zu verwenden, und zwar indem er sie in eine erfolgversprechende Oper einfügt. Durch diesen ersten positiven Eindruck will er das Interesse des amerikanischen Publikums für die Musik des deutschen Herzogs wecken und dadurch die Chancen auf regen Zuspruch zu »Santa Chiara« erhöhen, die er danach auf den Spielplan setzen will. Leider wird dieser geschickte Plan nicht in die Tat umgesetzt, und es bleibt bei Stantons Option für »Diana von Solange«. Wer von den beiden den besseren Instinkt für die Bühne hat, wird dann erst nach dem Misserfolg von »Diana von Solange« an der Met sichtbar werden  : Stantons Karriere ist schnell zu Ende, während Seidls Aufstieg ungebremst weitergeht371. Nach Stantons Entscheidung ist es wohl auch kein Zufall, dass der weitere Briefwechsel zur Aufführung von »Diana von Solange« in New York nur noch vom Regisseur Habelmann geführt wird372  ; ein Brief Seidls ist nicht mehr zu finden. Habelmann organisiert Sänger373 und Material374 für die Aufführung, hält die Coburger Intendanz über die Vorgänge und Proben auf dem Laufen371 1891 übernimmt er das New York Philharmonic Orchestra. 372 Habelmann war wohl auch persönlich mit dem Herzog zusammengetroffen. Jedenfalls bedankt er sich in seinem Brief vom 14. Januar 1891 (StACo Theater 15, f. 67–70) für die »Liebenswürdigkeiten«, die ihm bei seinem Aufenthalt in Reinhardsbrunn zuteil geworden seien. 373 Briefe Habelmanns vom August 1890 (StACo Theater 15, f. 61f., 63–66). Die Sänger, die alle aus Europa anreisen, sollen im Herbst/Sommer 1890 ihre Partien studieren und dann im November 1890 fertig studiert in New York antreten. – Zum Folgenden. 374 Das Coburger Orchestermaterial wurde mithilfe des »Commerzienrat C. A. Bischoff« über den Atlantik geschickt (Unterlagen hierzu in StACo Theater 3644, f. 139ff.).

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den und regt Einzelausgaben besonders beliebter Stücke der Oper an  : »Die Oper ist drüben ganz neu, der Componist ein gekröntes Haupt, und was noch mehr sagen will, ein allbeliebter und populärer Fürst, dazu liefert unser Opernhaus eine Ausstattung und Aufführung, die unvergleichlich mit einer hiesigen Bühne dastehen wird, und von dem Werk selbst zu sprechen, habe ich darin so viel lieblich [sic] und einschmeichelndes entdeckt, daß der Nachdruck einzelner Stücke geradezu unvermeidlich wird.« Der Eifer auf amerikanischer Seite ist so groß, dass der ursprünglich als Vermittler tätige Crelinger bereits im November 1890, also noch vor der Premiere von »Diana von Solange«, eine Auszeichnung Stantons durch den Herzog anregt, und zwar für die »Hebung der deutschen Oper in Amerika«375. Habelmann tut viel dafür, die Erfolgschancen der Oper zu erhöhen376  : Als die Generalprobe nicht gut läuft, verschiebt er kurzerhand den Premierentermin und lässt lieber noch eine weitere Probe folgen. Die Schlussszene, die ja bereits andernorts zu Unbehagen geführt hatte, verändert er völlig und setzt eine eindrucksvolle Massenszene mit insgesamt 280 Personen auf der Bühne ans Ende der Oper, in der pantomimisch die Krönung des neuen Königs dargestellt wird. Dazu wird die beliebte Hymne aus dem vierten Akt wiederholt. Überhaupt scheut Habelmann sich nicht, alle Möglichkeiten des gut ausgestatteten Opernhauses zu nutzen, und kann die Coburger Intendanz mit der Aussage beeindrucken, dass »während der großen Scenen in der Oper 380 bis 396 Menschen kostümirt auf der Bühne standen«. Auch Kapellmeister Seidl und seine 70 Orchestermusiker bezeichnet er stolz als »brillant«. Dennoch kann auch Habelmann nicht verbergen, dass das Werk bei seiner Premiere am 9. Januar 1891 keineswegs einhelligen Anklang fand  : »Nun, die Oper hat beim Publikum sehr angesprochen, dagegen kann man dies bei der Presse weniger behaupten, aber das war vorherzusehen, daß die republikanische Presse, mit der wir überhaupt auf keinem guten Fuß stehen, über Deutsche und Deutschthum herfallen, namentlich bei einer solchen Gelegenheit. Der 1. Act und der 3te haben ganz besonders gefallen, und schon bei Aufgang des Vorhangs wurde sehr lebhaft applaudirt.« Tatsächlich schwanken die Artikel in den amerikanischen Zeitungen, die Habelmann ungeachtet ihres Inhalts übersendet, überwiegend zwischen dis375 Brief Crelingers aus Berlin vom 13. November 1890 an den Herzog (StACo Theater 3039, o. Nr.). Laut Antwortvermerk war dies bereits geschehen. 376 Zum Folgenden vgl. den Brief Habelmanns aus New York vom 14. Januar 1891 (StACo, Theater 15, f. 67–70), mit Bericht von der Premiere.

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tanzierter Verwunderung über einen Fürsten aus dem alten Europa, der seine Zeit mit der Oper verbringt, und Verärgerung über das wenig interessante Werk, für das man an der Met so viel Aufwand betrieben hatte. Durch einen wirklich gehässigen Tonfall tut sich nur der Autor des Artikels in der »New York Times« vom 10. Januar 1891, S. 7, hervor, der nicht mit Spott über den europäischen Adel spart und in Ernst II. ein leichtes Opfer findet  : »There may be many reasons for the production of ›Diana von Solange‹, but it would be difficult to discover them. The Duke of Saxe-Coburg-Gotha is said to be an amiable old gentleman (he was born in 1818) and he has an unlimited supply of orders. The Coburg order is so cheap that in Europe it is known as the ›omnibus‹. All you have to do is to produce one of the Duke’s operas and presto  ! you are decorated. Indeed, if you are concerned in any way in the production and do not desire to be decorated, you must take to the woods«. Zur Oper selbst, die mittlerweile die zweite Aufführung in New York erlebt hat, äußert der Verfasser  : »It was reported before the production of ›Diana von Solange‹ that the music was Donizetti and water. Poor Donizetti  ! He was drowned  : It was all water […]«. Später fügt er sogar noch hinzu  : »the music is simply rubbish«. Als einziger Rezensent kritisiert dieser Autor auch die Qualität der Aufführung und erklärt lediglich das Ballett zum »most agreeable feature of the evening«. Relativ milde, wenn auch nicht wirklich begeistert, äußert sich die auf Deutsch erscheinende »New Yorker Staatszeitung«377  : »Von H. E. z. S. (Herzog Ernst zu Sachsen), wie sich dieser Komponist zu zeichnen pflegte, ist hier überhaupt sehr wenig, so gut wie nichts bekannt. Und doch hat dieser fürstliche Komponist Lieder, große Cantaten für Soli, Chor und Orchester, Kammermusikstücke, Orchestersachen und sogar einige Opern komponiert. Von seinen Opern haben ›Santa Chiara‹ (1854) und ›Diana von Solange‹ am meisten gefallen. Am bekanntesten wurde ›Santa Chiara‹, in welchem Werke Herzog Ernst sich sehr an Wagner anlehnte. Von der großen Oper ›Diana von Solange‹, deren Textbuch sich auf historischer Grundlage (der Geschichte Portugal’s) aufbaut, wird man das nicht behaupten können. Weder von der ge377 Ausschnitt aus der »New Yorker Staatszeitung«, in StACo Theater 15, f. 61f.; wohl von Habelmann übersandt. Ein viel ausführlicherer, aber inhaltlich deckungsgleicher Artikel aus dem »Sonntagsblatt der New Yorker Staatszeitung«, vom 11. Januar 1891, findet sich als Ausschnitt in StACo Theater 15, f. 69r. Hier wird eine ausführliche Biografie Ernsts II. sowie eine detailliertere Besprechung der Oper geboten. Die hervorgehobenen Nummern der Oper sind dieselben wie in den meisten anderen Rezensionen (Romanze, Ensembles, Ballett­ musik).

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nauen Kenntnis, noch von der Einwirkung der Wagner’schen Muse kann man in der Partitur dieser Oper viel merken. Meyerbeer in erster Linie, und dann auch wohl Verdi haben dem Komponisten als Vorbilder gedient – aber auch nur als Vorbilder. Es macht sich in dieser Musik ganz entschieden das Streben nach einem eigenen, charakteristischen Style bemerklich. Daß der Komponist das angestrebte Ziel vollkommen erreicht hat, möchten wir nicht unbedingt behaupten. Aber abgesehen davon verräth die Musik, welche Herzog Ernst für ›Diana von Solange‹ geschrieben hat, ebenso viel Geschmack, wie künstlerische Bildung. Hoch anzurechnen ist demselben, daß er ein musikalisches Bühnenwerk geschaffen hat, welches nicht durch Trivialitäten die künstlerische Form verhältnismäßig stört, das durch keine ordinären Motive die Charakteristik schädigt, sondern vielmehr in Bezug auf charakteristischen Ausdruck und interessante Instrumentation, sowie auf melodische und harmonische Begleitung eine durchweg sorgfältige und sichere Hand zeigt, so daß der Hörer stets angenehm und künstlerisch berührt wird.« Recht ähnlich klingt die Beurteilung in »Sombergs Nachrichten«378, in der ebenfalls Meyerbeer als Vorbild Ernsts II. bezeichnet wird. »Man hört es ihr [der Musik dieser Oper] an, daß der Komponist sehr viel Musik gehört, sehr fleißig studirt – und sehr viel behalten hat, und es fehlt ihr nichts weiter als ein wenig Originalität und Inspiration. Sie enthält einige recht hübsche Melodien, namentlich das Lied Diana’s im ersten Akte, – welches von Frl. Schöller wunderschön gesungen, und deshalb auch vom Publikum sehr beifällig aufgenommen wurde, – und die Balletmusik, dann aber auch einige Ensemblesätze, die den gebildeten Musiker verrathen.« Eine Erklärung für die Auswahl dieser wenig eingängigen Oper für den deutschen Spielplan der Met versucht das »Sonntagsblatt«379 zu liefern  : »Es ist von gut unterrichteter Seite mit Nachdruck behauptet worden, daß der Verwaltungsrath des Metropolitan Opera House sich in dieser Saison genau innerhalb der Grenzen des einmal bestimmten Programmplanes halten wird. In Einklang damit steht, daß Direktor Edmund C. Stanton die ausgesuchten Novitäten in ziemlich kurzen Zwischenräumen zur Aufführung bringt. Rücksichten auf die durch diese liberale Politik entstehenden Kosten braucht Herr Stanton nicht zu nehmen, da es der Wunsch der Direktoren, die ja zugleich Eigenthümer des Opernhauses sind, ist, daß die Oper nicht des schnöden Gelderwerbes wegen, sondern nur als Kulturinstitut betrieben werden soll, welches der Hebung und 378 Zeitungsausschnitt in StACo Theater 15, f. 69r. Zum Folgenden. 379 Zeitungsausschnitt, bei dem leider der Titel abgeschnitten ist, in StACo Theater 15, f. 69r.

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Förderung der Musik in New-York, d. h. zugleich in den Vereinigten Staaten, zu dienen hat. Jede Novität soll genügende Wiederholungen erleben, um auch den nicht in New-York wohnenden Opernfreunden Gelegenheiten zu geben, diese neuen Werke kennen zu lernen.« Nach dieser Meinung war es also vor allem Stantons Bestreben, unbekannte Werke zur Aufführung zu bringen, die nicht notwendigerweise sehr erfolgreich sein mussten. Diese besondere Bildungsaufgabe der deutschen Oper an der Met thematisiert zu Anfang auch ein weiterer Artikel, der stark beschnitten nach Coburg weitergereicht wurde380  : »[…] Auf die große deutsche Oper des Metropolitan findet dies natürlich keine Anwendung, denn diese wird bekanntlich unter ganz andern Voraussetzungen geleitet und es stehen ihr Mittel zur Verfügung, über welche andere Operndirektoren nicht zu gebieten haben. Zudem wird diese Oper auch gar nicht als Geschäft betrachtet, wenigstens ist sie nicht in’s Leben gerufen, um damit ein Geschäft zu machen. In der letzten Woche bot man uns in diesem Hause ›Fidelio‹, ›Fliegender Holländer‹, ›Tannhäuser‹ und – worauf man einigermaßen gespannt gewesen war – zum erstenmale in diesem Lande ›Diana von Solange‹, große Oper in fünf Aufzügen und sechs Bildern von Otto Prechtler, Musik vom Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha. Der Komponist ist nämlich der berühmte Schützenherzog, der sich in den 50er Jahren auf allen Schützen-, Turn- und Sängerfesten Deutschland’s zeigte und die Begeisterung für die Wiedererweckung des deutschen Reiches im deutschen Volke so sehr anfachte, daß man ihm nachsagte, er selbst habe ein Auge auf die deutsche Kaiserkrone, und daß er deshalb von den übrigen deutschen Fürsten mit scheelem Auge angesehen wurde, – und nicht am wenigsten vom König von Preußen. Als aber 1870 nach den großartigen Siegen der Deutschen über die Franzosen das deutsche Volk in Waffen die Wiederherstellung des deutschen Reiches so entschieden verlangte, daß die deutschen Fürsten sich dem nicht mehr zu widersetzen wagten, weil sie fürchteten, daß sie sonst das Schicksal der Depossedirten von 1866 würden theilen müssen  ; als das deutsche Reich wirklich wiedererstanden war und der zum deutschen Kaiser gewordene König von Preußen es in die Tasche gesteckt hatte, da klopfte er dem Schützenherzoge freundlich auf die Schulter und erklärte ihm, daß er seine Sache gut gemacht habe. Der Herzog Ernst von Coburg-Gotha blieb trotzdem aber immer nur Herzog von Coburg-Gotha und mußte noch sehr froh sein, daß er das noch geblieben war, er hatte also wirklich bei all den Schützen-, Sänger- und Turnfesten nur ›pour le roi de Prusse‹ gearbeitet.« Als er endlich auf die Aufführung 380 In StACo Theater 15, f. 69r.

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von »Diana von Solange« zu sprechen kommt, betont der Autor die Qualität der Ausführung  : »Die Oper war sehr sorgfältig in Szene gesetzt und einstudirt, jede Rolle gut besetzt und die Ausstattung nicht nur von herzoglicher, sondern von wahrhaft königlicher Pracht und bewunderswerthem Geschmack. Auch die beiden großen Ballets gehörten zu den schönsten, die in diesem Hause noch geboten worden waren. Trotzdem kann aber nicht behauptet werden, daß die Aufführung dieser Oper von Erfolg gekrönt gewesen sei.« Habelmann, der hofft, dass die »theilweise gehäßigen Kritiken der amerikanischen Presse«381 dem Herzog nicht die Laune verdürben, schickt im Februar schließlich das Orchestermaterial nach Coburg zurück. In New York hatte man aufgrund des größeren Orchesters zusätzliche Stimmen angefertigt, die nun mit zurück nach Europa gesendet werden. So finden sich im Coburger Notenmaterial zu »Diana von Solange«382 zahlreiche Stimmenabschriften auf einem stärkeren Papier, mit besserer Bindung und in sauberer Handschrift, die offenbar auch deshalb mit dem ursprünglichen Material zurückkamen, da man in New York mit einer weiteren Verwendung nicht rechnete. In den neuen Stimmen finden sich viele schriftliche Zeugnisse (z. T. mit Bildern und Karikaturen) der amerikanischen Musiker. Es handelt sich um Grüße ausgewanderter deutscher Musiker an ihre Kollegen in der alten Heimat383, auch die üblichen Datenvermerke384 und Anmerkungen wie beispielsweise, dass »Diana von Solange« in New York nicht »zieht« und deshalb die dritte geplante Aufführung durch »Fidelio« ersetzt wurde385. Es blieb also bei zwei Aufführungen der Oper (9. und 12. Januar 1891). Nach dem Misserfolg von »Diana von Solange« bemüht sich Habelmann um eine geordnete Abwicklung der Geschäftsverhältnisse  : Er schickt die Noten mit dem »Sonnabend Steamer«386 nach Hause, verspricht die baldige Über381 Brief Habelmanns vom 26. Februar 1891 (StACo Theater 15, o. Nr.). Zum Folgenden. 382 LBC TB Op 261. 383 Zum Beispiel auf der letzten Seite der »Bombardone«-Stimme, unter eingeklebten Theaterzetteln aus New York und in etwas unsicherem Deutsch  : »Mein Grus an alle meine werden [sic] Collegen zur freudlige [sic] Erinnerung von America. Antony Reiter a. Bayern. Hammelburg a. d. Saale«. Er gibt sich auch noch als Mitglied des »Aschenbroedel Vereins« zu erkennen, einer Organisation deutscher Musiker in New York. 384 Zum Beispiel in einer Abschrift der ersten Violinstimme  : »Max Gastorff. Brooklyn d. 25. Novbr. 1890«. – Es dürfte sich dabei um das Datum der Fertigstellung der Abschrift handeln  ; denn es existieren weitere Stimmenkopien in dieser Handschrift. 385 Ausführliche Anmerkungen (»Diana v. S. zieht nicht, is nischt drin.«) mit Zeichnungen in einer »Trombone Tenore«-Stimme (LBC TB Op 261). 386 Brief Habelmanns vom 26. Februar 1891 (StACo Theater 15, o. Nr.). Zum Folgenden.

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weisung der Tantiemen387 und bedankt sich für die Auszeichnungen, die er auch an Stanton und Seidl weitergegeben habe388. Seine Freundlichkeit hat auch einen bedauerlichen Hintergrund  : Die deutsche Oper an der Metropolitan Opera New York wird mit der beendeten Saison geschlossen, Habelmann kehrt auf der Suche nach einer neuen Aufgabe nach Europa zurück. Lange hat er noch verhandelt, um eventuell an der italienischen Oper in New York weiter beschäftigt zu werden  ; allerdings ohne Erfolg. In seinem Brief vom 17. März 1891389 bietet er sich vorsichtig dem Intendanten von Ebart an  : »Arbeiten ist mir noch immer ein malum necessarium und so werde ich mich bemühen so bald als nur möglich wieder ein Unterkommen zu finden, wobei ich im Auge behalte, nach meiner fünfunddreißigen [sic] Bühnenlaufbahn in ruhigere und weniger aufregende Verhältniße zu gerathen und das umsomehr, als ich auf großes Einkommen nicht mehr zu sehen brauche. / Gern würde ich meine erworbenen Kenntniße, und langjährigen Erfahrungen in Theater und Bühnenverhältniße Ihnen Herr Intendant zur Disposition stellen, wenn ich nicht fürchtete Ihnen aufdringlich zu erscheinen, oder gar in den Verdacht gerathe, ein ander Menschenkind, das sich bei Ihnen dieser angenehmen Stellung erfreut, verdrängen zu wollen.«

Zwischenspiel  : Deutsche Oper an der Metropolitan Opera New York390

Die Metropolitan Opera New York wurde am 22. Oktober 1883 mit einer auf Italienisch gesungenen Vorstellung von Gounods »Faust« eröffnet. Als Kulturinstitution, die vor allem von durch Handel, Eisenbahn und wirtschaftlichen Aufschwung reich gewordenen Bürgern getragen wurde, hatte die Met von Anfang an den Anspruch, »große Oper« zu bieten. Mit dem ersten Leiter, Henry Abbey (1846–1896), der in 14 Wochen 19 große Opern auf die Bühne brachte (darunter »Lohengrin« und mehrere Werke von Meyerbeer  ; alles auf 387 Zunächst kündigte Habelmann über 1.000 Mark an, dann überwies Stanton jedoch nur gut 380 Mark. Im Juli 1891 verspricht Habelmann dem Coburger Intendanten von Ebart, sich um die Differenz zu kümmern (Brief Habelmanns vom 1. Juli 1891, in StACo Theater 15, o.Nr.). 388 Briefe Habelmanns vom 6. April und 17. März 1891 (StACo Theater 15, o. Nr.). Auch zum Folgenden. 389 StACo Theater 15, o. Nr. 390 Die Informationen des folgenden Abschnitts sind (soweit nicht anders angegeben) entnommen aus der Publikation von Hiller, dem Programmheft sowie dem Textheft der Metropolitan Opera New York für »Diana von Solange« 1890/91 (StACo Theater 15).

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Italienisch), hatte man wenig Glück  : Mit einem Defizit von über 600.000 Dollar musste er schon nach einem Jahr wieder abtreten. An seine Stelle trat Leopold Damrosch (1832–1885), eigentlich ein Arzt aus Breslau, der aber 1855 die musikalische Laufbahn eingeschlagen hatte (Vio­linist, Kapellmeister) und 1872 nach Amerika ausgewandert war. Er hatte sich in New York als Leiter mehrerer Chöre sowie als Gründer des New York Symphony Orchestra einen Namen gemacht. Aus der deutschen Opernszene brachte er die Vorstellungen und Erfahrungen mit, mit denen er die Met in die Erfolgsspur brachte  : ein festes Ensemble, keine exorbitanten Gagen für Stars mehr, ein internationales Repertoire mit Schwerpunkt auf deutschen Opern, ein eigenes Orchester (sein New York Symphony Orchestra  !) und ein eigener Chor sowie geschickte Organisation und Verhandlungen mit Sängern, die er auf Reisen durch Europa zusammensuchte. Sein immenses Engagement für das Opernhaus war von Erfolg gekrönt, allerdings bezahlte Leopold Damrosch auch einen hohen Preis. Nachdem er zwischen der Eröffnung der Met unter seiner Leitung am 17. November 1884 und dem 9. Februar 1885 alle (!) Vorstellungen geleitet hatte – eingeschlossen die Einstudierung von nicht weniger als 12 Opern in diesen drei Monaten – wurde er schwer krank und starb innerhalb weniger Tage. Zum Glück konnte er noch seinen Sohn Walter Damrosch (1862–1950) anleiten, der kurzfristig die Dirigate des Vaters übernahm und dann von 1885 bis 1891 Assistent an der Met war391. Die ca. 250.000 deutschstämmigen Einwohner New Yorks stellten wohl den wichtigsten Anteil an Damroschs Opernpublikum. Er ließ fast alle Werke auf Deutsch singen und widmete sich ganz besonders dem Bühnenwerk Richard Wagners. Oft engagierte er Sänger und Sängerinnen aus Bayreuth direkt nach New York, so dass zwischen den Aufführungen der Opern in Europa und Amerika oft nur erstaunlich wenig Zeit verging. Das Konzept machte sich bezahlt  : Schon nach nur einer Spielzeit konnte Damrosch das Defizit auf 40.000 Dollar senken. Dennoch blieb nach Leopold Damroschs Tod zunächst offen, ob und wie es mit der deutschen Oper weitergehen sollte. Walter, der Sohn, war mit 22 Jahren einfach noch zu jung für die große Aufgabe  ; er befand sich selbst noch in der Ausbildung, nahm beispielsweise Dirigierunterricht bei von Bülow. Als Kompromiss einigte man sich auf eine neue Aufgabenverteilung  : Edmund C. Stanton (1854–1901), bisher Sekretär des Direktoriums (»Board of 391 In seiner Autobiografie berichtet Walter Damrosch vom aufopferungsvollen Engagement seines Vaters für die deutsche Oper (v. a. Wagner) in Amerika (Damrosch, S. 56 u. a.).

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Directors«), das das Unternehmen Met führte, wurde zum Verwaltungschef ernannt. Neben ihm setzte man den erfahrenen Dirigenten Anton Seidl als künstlerischen Leiter ein. Seidl war mit dem Wagner’schen Repertoire bestens vertraut392, genoss hohes Ansehen bei Musikern und Sängern und konnte einige Stars der Opernbühne dazu bewegen, Europa zugunsten der (auch im Theaterbereich) »Neuen Welt« zu verlassen. 1886 feierte Seidl mit Wagners »Tristan« einen geradezu legendären Erfolg an der Met, auch wenn sich das amerikanische Publikum erst allmählich an die langen, nicht immer aktions­ geladenen großen Bühnenwerke Wagners gewöhnte. Ein erfolgreiches Gastspiel des mittlerweile auf italienische Opern spezialisierten Abbey brachte 1887 die Überlegung auf, die italienische und die deutsche Abteilung der Met zusammenzulegen  ; was aber zunächst organisatorisch unmöglich erschien. Während Seidl in der Saison 1888/89 die beiden Meyerbeer-Opern »Die Hugenotten« und »Die Afrikanerin« präsentierte, gehörte die anschließende Spielzeit wieder ganz überwiegend Richard Wagner. Nach diesem Übergewicht der Wagner’schen Musik in den Jahren 1885 bis 1890 wollte Seidl offenbar etwas Neues ausprobieren und nahm einige unbekannte Werke verschiedener Komponisten ins Repertoire. Daran war wohl auch das leitende 13-köpfige »Board of Directors« der Met nicht ganz unbeteiligt. Aus dem in den Coburger Theaterakten überlieferten Programmheft der Metropolitan Opera New York für »Diana von Solange« geht hervor, dass die Direktoren ein möglichst vielfältiges, jeden Geschmack ansprechendes Programm anbieten wollten. Dazu gehörten neben deutschen auch französische und italienische Opern, was sich im Spielplan für die Saison 1890/91 (50 Abovorstellungen und 17 Matineen in 17 Wochen) widerspiegelt  : Dort sind neben Kassenschlagern wie Beethovens »Fidelio«, Verdis »Aida« und Gounods »Faust« auch Alberto Franchettis (1860– 1942) »Asrael«, Edouard Lalos (1823–1892) »Le Roi d’Ys« oder eben »Diana von Solange« von Ernst II. aufgeführt. Auch das Ballett spielte eine wichtige Rolle  ; für die genannte Saison werden drei Neueinstudierungen angekündigt. Das Personal der deutschen Oper setzte sich überwiegend aus Musikern deutscher Herkunft zusammen. Für die genannte Spielzeit werden im Programmheft sechs Soprane, drei Altistinnen, vier Tenöre, drei Baritone und drei Bässe genannt. Allerdings hatten gerade einige bewährte Sängerinnen und Sänger das Ensemble verlassen, so dass die deutsche Oper in dieser Hinsicht geschwächt 392 Nach einer von Hiller (S. 64) kolportierten Anekdote war Seidl in der Lage, bei der ersten Probe zu »Lohengrin« an der Met ganze 186 Fehler in der Partitur aus dem Gedächtnis zu korrigieren.

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war393. In leitender Position wirkten neben Anton Seidl (Dirigent) und seinem Assistenten Walter Damrosch der Regisseur Theodor Habelmann sowie als Organist und Chorleiter Frank Damrosch (1859–1937), der Bruder Walter Damroschs. Um die anspruchsvollen Opern des verehrten Richard Wagner dem amerikanischen Publikum noch näherzubringen, bot Walter Damrosch in der Saison 1890/91 zusätzlich eine Reihe von sechs »lecture recitals« an, in denen er »Die Meistersinger« und »Parsifal« am Klavier vorstellte und erklärte. »Diana von Solange« wurde als 20. Abonnementvorstellung für Freitag, den 9. Januar 1891, angekündigt, mit einer offenbar von Anfang an festgesetzten Wiederholung am 12. Januar. Bemerkenswerterweise wird als Komponist lediglich »Ernst II.« angegeben  : ohne Verwendung der üblichen Abkürzung, aber auch ohne nähere Erläuterung des Namens. Offensichtlich legte man Wert auf die (auch optische) Gleichberechtigung aller Beteiligten, die auf dem Plakat zu lesen waren. Zudem wollten die Direktoren, die in ihren Zielen explizit ein Kulturangebot »free from all distinction as to class or prejudice« postulierten, ihr republikanisches Publikum wohl nicht durch die ausführliche Betitelung eines Fürsten aus dem alten Europa vor den Kopf stoßen. Das Metropolitan Opera House selbst war ja schließlich als Gegenentwurf zur vom alten Adel dominierten New Yorker »Academy of Music« gegründet worden394. So überrascht es nicht, dass es selbst im zweisprachigen Textheft zu »Diana von Solange«395 nur heißt  : »Music by Ernst II.« Trotzdem dürfte es durch die Ankündigungen in den Zeitungen sowie den Zusatz »II.« allen Interessierten klar gewesen sein, dass es sich hier um einen regierenden Fürsten handelte. Eine dritte Aufführung von »Diana von Solange« wurde angeblich durch eine Petition verhindert, die über 300 Theaterbesucher unterschrieben haben sollen396. Die Oper war den Zuhörern einfach zu langweilig, weshalb sie kurzerhand durch »Fidelio« ersetzt wurde. Dabei entlud sich an »Diana von Solange« nur der Unmut eines Publikums, das von der Leitung der deutschen Oper offenbar schon länger überstrapaziert worden war. Das Ende der deutschen Oper an der Met war gekommen  : »Die Akzentuierung des deutschen Elements und die Abwesenheit der großen Stars hatten letztendlich dazu geführt, daß der Vertrag mit der deutschen Kompagnie nicht mehr erneuert 393 So Hiller, S. 72. 394 Näheres hierzu sowie zum Leben und Wirken Leopold Damroschs in der Autobiografie seines Sohnes Walter (Damrosch, S. 51–62). 395 Ebenfalls zu finden in StACo Theater 15. 396 Die Anekdote kolportiert Hiller, S. 72. Zum Folgenden.

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wurde. Die Aktionäre wollten nicht länger endlose Monologe germanischer Götter und Helden über sich ergehen lassen, denen sie nichts abzugewinnen vermochten. Um sich zu langweilen, brauchte man schließlich nicht in die Oper zu gehen«397. Noch im Januar wurde eilig wieder Abbey zum Leiter des Theaters ausgerufen, der nun für italienische wie deutsche Opern die Verantwortung übernehmen sollte. Es erscheint verwunderlich, dass der einst so erfolglose Direktor nun auf einmal als Retter in der Not wiederkehren konnte. Vieldeutig schreibt auch Theodor Habelmann in einem Brief vom 26. Februar 1891398 an die Coburger Intendanz  : »Sehr interessant dürfte es für Sie sein, die Geschichte der deutschen Oper und deren plötzlichen Zusammenbruch der Wahrheit gemäß von mir persönlich zu erfahren.« Obwohl der deutsche Akzent an der Met nun stark zurückging, behielt die neue Leitung einige der bewährten Opernmitglieder (z. B. Seidl), wodurch beispielsweise in der Wagner-Pflege eine gewisse Kontinuität gewährleistet war. Die Maßstäbe, die Seidl und seine Kollegen im Repertoire wie auch in der Orchesterarbeit gesetzt hatten, blieben nicht ohne Nachwirkung. »Die deutschen Jahre der Metropolitan Opera waren in vieler Hinsicht Pionierjahre. So lernte man zu unterscheiden zwischen einem kostümierten Konzert, wie es die italienischen Truppen bis dahin geboten hatten, und einem Musikdrama, das mit den Mitteln der Musik wirklich ein Drama darbot. Man lernte zuzuhören und zuzusehen, statt nur auf die Arien zu warten und sich die Zwischenzeit anderweitig – etwa mit Kartenspiel – zu vertreiben. Die wichtigste Errungenschaft war aber gewiß die Überwindung des Star- und Stagionesystems. Ensemblegeist, der sich etwa darin bezeugte, daß die ersten Sänger nicht selten auch kleine Rollen übernahmen, und Repertoire­ theater sollten in der weiteren Geschichte der Met zur Regel werden. Beides hatte man aus Deutschland importiert«399.

Anfragen und musikalischer Nachhall

Von einigen Theaterleitern sind lediglich die Anfragen an die Coburger Intendanz bzw. den herzoglichen Komponisten bezüglich einer Aufführungserlaubnis für »Diana von Solange« überliefert. Über den jeweiligen Ausgang der Verhandlungen ist in diesen Fällen nichts bekannt. So fragt der Direktor des 397 Hiller, S. 73. 398 StACo Theater 15, o. Nr. 399 Hiller, S. 74.

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Theaters in Pest, Heinrich Hirsch, über den Berliner Theateragenten Ferdinand Roeder im Juli 1872 an400. Der Olmützer Schauspieler, Julius Schwabe (gest. 1901), nun Theaterdirektor in Laibach, schreibt im Dezember 1875 an den Herzog, rühmt seine »vorzügliche Operngesellschaft« und bittet um Erlaubnis, »Diana von Solange« aufführen zu dürfen401  ; er wird immerhin an Krämer verwiesen. Carl Heinrich Hoffmann (1828–1911, Direktor 1878–1896402) vom Stadttheater Kiel schreibt in derselben Sache im Juli 1880403. Der Direktor des Stadttheaters Chemnitz, Emil Schönerstädt (geb. 1830), meldet sich im November 1880404, er hat eine Aufführung der Oper in Leipzig gehört. Emil Hillmann (gest.1902) vom Stadttheater Breslau erkundigt sich im Oktober 1882 erst einmal vorsichtig nach den Konditionen für die herzogliche Oper405. Dagegen ist »Diana von Solange« dem Direktor des Theaters in Essen, Albert Berthold (1841–1926), von seinem langjährigen, inzwischen verstorbenen Musikdirektor Cramer empfohlen worden, wie er im September 1884 schreibt406. Ganz allgemein nach einer Oper von Herzog Ernst II. fragt im Oktober 1885 der Leiter des Ulmer Theaters, Paul Hiller (1853–1934)407. Dagegen bemüht sich Emanuel Raul (1843–1916), Theaterdirektor aus Karlsbad, gleich zweimal um »Diana von Solange« (im April 1886408 und im Juni 1890409), hat beim zweiten Versuch 1890 aber das Pech, dass das Coburger Notenmaterial gerade in New York gebraucht wird. Im Falle des Stadttheaters Halle ist immerhin 400 Brief Ferdinand Roeders aus Berlin vom 12. Juli 1872 an den Intendanten Tempeltey (StACo LA A 7362, f. 7). 401 Brief von Schwabes (als Direktor des »landschaftlichen Theaters« in Laibach) vom 6. Dezember 1875 an den Herzog (StACo LA A 7363, f. 118). Mit Antwortvermerk. – Zum Folgenden. 402 Vgl. Dannenberg, S. 58, 64. 403 Brief Hoffmanns vom 10. Juli 1880 (StACo Theater 3042, o. Nr.). Hoffmann bittet um die unentgeltliche Überlassung der Aufführungserlaubnis sowie des Materials zur Förderung seines Theaters. Dafür spiele man ja auch vor dem Prinzen Heinrich von Preußen (1862–1929), einem Sohn der Kaiserin Victoria (Nichte Ernsts II.), der gerade seine Marineausbildung absolvierte. 404 Brief Schönerstädts vom 25. November 1880 (StACo Theater 3042, o. Nr.). 405 Brief Hillmanns vom 27. Oktober 1882 (StACo Theater 3042, o. Nr.). 406 Brief Bertholds vom 24. September 1884 (StACo Theater 3043, o. Nr.). 407 Brief Hillers vom 20. Oktober 1885 (StACo Theater 3043, o. Nr.). 408 Brief Rauls vom 24. April 1886 (StACo Theater 3043, o. Nr.). 409 Briefe Rauls vom 4. und 21. Juni 1890, Zettel mit internem Vermerk der Intendanz Coburg (StACo Theater 15, f. 51, 53, 55). Da das Coburger Material zu »Diana von Solange« gerade in New York ist, will sich Raul das Material von einem Freund leihen. Ihm wird mitgeteilt, dass er 5% der Bruttoeinnahmen an die Krämerschen Erben abzuführen habe.

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Zu lang

bekannt, dass dessen Direktor Julius Rudolph im Juli 1889 die Erlaubnis zur Aufführung sowie zur Leihe des Materials erhält410. Völlig erfolgslos dagegen ist die allgemeine Anfrage des Direktors Heinrich Adolphi aus Metz im Juni 1890, da alle Materialien zu den großen herzoglichen Opern gerade verliehen sind411. Ferdinand Arlt (1856–1926) ist ein weiterer Theaterdirektor (diesmal vom Stadttheater Troppau), der von seinem Kapellmeister auf »Diana von Solange« aufmerksam gemacht worden ist und nun im Januar 1891 danach fragt412. Der doppelte Einsatz von Sänger (dem Bassisten Wilhelm Grabenstein, 1856–1911) und Kapellmeister (Joseph Wilhelmi) aus Reval führt leider nicht zum Erfolg, alle Briefe vom März 1891 bis zum November 1892 werden abschlägig beschieden413. Auch der Direktor des herzoglichen Hoftheaters zu Altenburg (im Sommer im Kurtheater Wildbad), Peter Liebig (1853–1910), scheitert im Juli 1891 mit seiner Anfrage, da von Ebart seine Bühne für zu klein hält414. Im Stadttheater Koblenz, dessen Direktor Richard Hagen im November 1892 schreibt, darf »Diana von Solange« ebenso wenig aufgeführt werden415. Indirekt wissen wir auch noch von einer Anfrage des Stadttheaters Iglau im Jahr 1889, die auf Anraten Emanuel Faltis’ jedoch abgelehnt wird416. Wie schon »Santa Chiara« bot auch »Diana von Solange« ausreichend Material für Bearbeitungen. Traugott Krämer nutzte seine Nähe zu Werk und Komponisten für eine gesonderte Ausgabe der Männerchöre (Troubadourquartett, Liebeslied des Marquis), die er an alle Gesangvereine im Umfeld Coburg-­ Gothas senden wollte417. Als Mitarbeiter an der Oper war es auch Krämer, 410 Brief Rudolphs vom 1. Juli 1889 mit beiliegendem Antwortentwurf. Bezüglich des Honorars wird Rudolph an die »Krämerschen Erben« verwiesen (StACo Theater 15, f. 27–28). 411 Brief Adolphis vom 30. Juni 1890 (StACo Theater 15, f. 57). Antwortvermerk  : »In diesem Jahr unmöglich. Amerika habe Diana, Hamburg Santa Chiara, Leipzig Casilda«. 412 Brief Arlts vom Januar 1891(?) (StACo Theater 15, f. 59). 413 Brief Grabensteins vom 5. März 1891 und Brief Wilhelmis vom März 1891, weiterer Brief aus Reval vom 24. Oktober und 5. November 1892 (StACo Theater 15, f. 8383–8385, letztes Dokument der Akte). 414 Brief Liebigs vom 2. Juli 1891 (StACo Theater 15, f. 97). Das Material war außerdem Bremen versprochen. 415 Brief Hagens vom 11. November 1892 (StACo Theater 15, o.Nr.). Mit Antwortvermerk  : »Nein«. 416 Brief Faltis’ aus Breslau vom 10.(?) Juli 1889 (StACo Theater 15, f. 31, 34). Faltis hatte sich über die Verhältnisse des Iglauer Theaters erkundigt und hielt es für zu klein für eine Oper wie »Diana von Solange«. Auf dem Brief findet sich der Vermerk  : »Material soll unter diesen Umständen nicht abgegeben werden.« 417 Brief Krämers vom 7. November 1864 an den Herzog (StACo LA A 7361, f. 211). – Schon am 9. November 1864 erschien in Rochlitz’ AMZ auf S. 768 eine Werbeanzeige des Gothaer

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der um ein Gutachten gebeten wurde über eine Fantasie für Violoncello über Themen aus »Diana von Solange«, die der Meininger Kammermusiker Wilhelm Müller (1834–1897) im April 1861 eingereicht hatte418. Nachdem Krämer die Komposition als »sehr anständige Arbeit« gelobt hatte, entschloss sich der Herzog zur Annahme der Widmung. Nochmals einige Jahre später wandte sich ein Duo aus Klavier und Geige nach Coburg  : Der Geiger Bernhard Rie (geb. 1839) hatte ein Stück über Motive aus »Diana von Solange« komponiert, das er gerne mit seinem Pianisten Leopold Dancla (1822–1895) spielte419. Nach dem Urteil Krämers klang das Stück »gut und ist gefällig«420. Stets gefragt waren auch Fantasien über Opernthemen für Militärmusik. Im Februar 1880 erbat sich der Militärkapellmeister Alfons Czibulka (1842–1894) aus Prag eine Partitur von »Diana von Solange«, um eine Bearbeitung zu schreiben, die er im Sommer in Karlsbad spielen wollte421.

Verlages M. Ziert, in dem »Zwei Gesänge für Männerchor aus der Oper ›Diana von Solange‹« angekündigt wurden. 418 Vgl. Brief mit positivem Gutachten Krämers sowie weitere zugehörige Briefe vom April 1861 (StACo LA A 7361, f. 198–201). Zum Folgenden. 419 Brief Danclas vom 3. Mai 1877 (StACo LA A 7363, f. 239). 420 Brief Krämers vom 10. Mai 1877 (StACo LA A 7363, f. 242). 421 Brief Czibulkas vom 29. Februar 1880 (StACo Theater 3042, o. Nr.).

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Zwischenakt: Gustav Freytag – ein Vertrauter des Herzogs Gustav Freytag (1816–1895) war ein deutscher Schriftsteller, der ab 1844 Theaterstücke, Romane und theoretische Werke (»Bilder aus der deutschen Vergangenheit«, »Technik des Dramas«) veröffentlichte. Ab 1848 gab er gemeinsam mit Julian Schmidt (1818–1886) in Leipzig die liberale Zeitschrift »Die Grenzboten« heraus und wurde in der Folge wegen seiner regimekritischen Artikel in Preußen polizeilich gesucht. 1851 zog er nach Siebleben bei Gotha, erhielt eine Anstellung als »Vorleser« am Gothaer Hof (wodurch er der Verhaftung entging) und wurde 1854 zum Hofrat, 1872 zum Geheimen Hofrat ernannt. 1867 zog er als Abgeordneter der Nationalliberalen Partei in den Reichstag ein, seine politische Karriere währte allerdings nur kurz. Freytag hatte ein besonders vertrautes Verhältnis zu Herzog Ernst II. und dessen Frau Alexandrine. In seinen Memoiren erzählt er1  : »Durch Herzog und Herzogin lernte ich ihre hohen Verwandten kennen  : die Höfe von Baden und Darmstadt, die englischen Herrschaften, den Kronprinzen und die Kronprinzessin. Die fröhlichsten Stunden aber habe ich mit ihnen allein verlebt, beide haben die Eigenschaft, welche an Fürsten besonders anmutig ist, daß sie jede Menschennatur unbefangen und mit freudiger Anerkennung gewähren lassen und im Austausch auch sich selbst reichlich mitzuteilen wissen. Während sonst vornehme Herren gewohnt sind, unter gefälligen Formen und bei vertraulichem Verkehr andere für ihre Zwecke zu gebrauchen, hat mein Herzog mit einem Zartgefühl, das ich oft dankbar anerkannt habe, nie den Wunsch geäußert, meine Feder in Anspruch zu nehmen, und nie ein Ansinnen gestellt, dem ich mich hätte versagen müssen. Seinem Vertrauen, soweit es mir zuteil werden konnte, glaube ich durch offene Ehrlichkeit entsprochen zu haben. Nicht immer vermochte ich den Flug dieses rastlosen Geistes zu begleiten, aber ich war sicher, daß ich in den Tagen großer Entscheidung seinen Entschlüssen mit innigem Einverständnis folgen durfte.« Der Herzog erwähnt Freytag ebenfalls in seinen Memoiren2  : »Mein persönliches Verhältniß zu Gustav Freytag war und blieb ein rein menschliches, wie es in seinem Ursprung auf dem wärmsten Antheil für seine poetischen Schöp1 Freytag, S. 26f. 2 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 317.

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fungen von meiner Seite, auf dem Bedürfniß verständnißvoller Theilnahme von der seinigen beruhte.« Bemerkenswert ist die Offenheit, mit der Ernst II. und Gustav Freytag miteinander kommunizieren. In der Regel geschieht dies auf brieflichem Wege, da Begegnungen der beiden aus terminlichen Gründen nur selten stattfinden3. Oft gibt Freytag – auch ungefragt – seine Meinung zu Plänen und Vorhaben des Herzogs ab. So schreibt er im Juni 1856 zu Ernsts Geburtstag 4  : »Mit dem Frieden dieses Jahres sind auch Ihnen stille Hoffnungen verflüchtigt worden, der lebhafte Ehrgeiz meines Fürsten hat jetzt kein großes einheitliches Ziel, und er wird, wie eine Flamme, welche fortwährend Nahrung braucht, sich an Verschiedenes heften. Mein Herzog wird keine Armeen führen, er wird componiren, Theater regieren und noch vieles Andere mit Erfolg treiben. Wenn ich einen Wunsch im stillen Herzen bewahre, für Ihr Glück und Ihre Größe, so ist es der eine  : daß Sie nicht in so Vielem Erfolg haben möchten. Wer in etwas groß werden will, und nicht vergehen will am Himmel seines Volkes, wie ein Nachtmeteor, der muß sich beschränken, und seine Seele concentriren auf einen Mittelpunkt.« Doch nicht nur als Ratgeber will der Schriftsteller verstanden werden, auch als Freund  : »Sie sind mir lieb geworden, so wie Sie jetzt sind, würden Sie anders, grade ich würde dadurch am ersten verlieren, denn es sind vorzugsweise die leichten Zerstreuungen meiner Kunst, welche Ew. Hoheit mich erträglich machten. Aber ich würde das huldvolle Vertrauen Ew. Hoheit nicht verdienen, wenn ich die Ueberzeugung zurückhielte, daß mein Fürst jetzt, grade jetzt, auf dem kritischen Wendepunkt des Lebens angekommen ist, wo Derselbe über seine Zukunft einen festen Entschluß fassen, seinem Ehrgeiz, wie seiner Thatkraft ein bestimmtes Ziel setzen und dieser herrschenden Idee zu Liebe auf manchen glänzenden Schmuck seiner Jugend verzichten muß.« Ähnlich offenherzig antwortet am 28. Juni 1856 der Angesprochene, der sich gerade in Bad Ems aufhält5  : »Ich habe mich durch mich selbst und aus mir selbst heraus gebildet. Der Umstand, ein Fürstensohn zu sein, ist in unsren Zeiten ein Hemmniß  ; ich mußte diesen fatalen Zufall so gut als möglich ausbeuten, ich mußte ihn unschädlich machen, wo er mir hindernd im 3 Vgl. hierzu Pregiel, S. 33  : Wenn Ernst II. im Winter nach Gotha zog, hielt sich Freytag in der Regel in Leipzig auf. Überschneidungen gab es nur, wenn der Herzog im August nach Reinhardsbrunn kam. 4 Tempeltey 1904, S. 57. Zum Folgenden. 5 Tempeltey 1904, S. 60–65. Zum Folgenden.

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Wege stand. Vor Allem galt es die Menschen und dann das Volk, endlich die Zustände kennen zu lernen.« Selbstdarstellung bleibt nicht außen vor, aber es scheint dem Herzog auch um Vertrauensbildung zu gehen, wenn er sich selbst zu charakterisieren versucht  : »Ich bin von Natur ein ernster Mensch mit Kraft und Entschlossenheit ausgerüstet  ; die Seite des Gemüths überragt aber die des Verstandes. Eine Natur kann man corrigiren, aber nicht ganz umbilden  ; gelänge auch letzteres, so wäre sie eben der Natur zuwider, krank und lebensunfähig. Ich mußte also das Gemüth in Fesseln legen und den Geist stets üben und stärken. Dies war nach Innen meine Aufgabe und ist es noch täglich, stündlich.« Anschließend geht er auf Freytags Kritik an seiner Betätigung als Komponist und Theatermacher ein  : »Sie sind meinen persönlichen Kunstbestrebungen gram. Das wundert mich nicht. Wenn ich auch Gefühl und Verständniß habe, so werde ich immer nur ein Dilettant bleiben und nicht einmal ein besonderer. Die Kunst brauche ich nicht allein, weil es Beruf ist, sie zu fördern und durch sie die Massen zu veredeln  ; sie dient mir zu doppeltem Zweck. Ein Mal wiederhole ich, daß ich durch ihre Sprache in ihrem Kleide den Einzelnen mich näher bringen konnte als im Fürstenmantel und auch selbst mehr Menschen kennen lernen konnte, und dann, – lachen Sie mich nur recht aus, – ich brauche die Kunst als Nahrung für mein eigenes Herz. In ihr liegt für mich die Poesie des Lebens, sie ist meine Religion  ; ich kann ohne sie nicht leben, sie erhält mich jung, sie belebt die Phantasie. Doch wie gesagt ein jeder Mensch bedarf seiner individuellen Nahrung  ; dies ist die Meine  ; die dürfen Sie mir nicht verkümmern wollen.« Sein erstaunlich persönliches Bekenntnis beschließt der Herzog mit den Worten  : »Ich bin wirklich nicht eitel auf mich und mein Schaffen in dieser Richtung.« Manchmal scheint Freytag fast ein Mittler zu sein zwischen dem Herzog, den er als Person so nah kennenlernte wie wohl kaum ein anderer außerhalb der herzoglichen Familie, und dem Volk, mit dem der Journalist und Schriftsteller mehr und auf andere Art verkehrte als der Fürst. So scheut Freytag nicht davor zurück, die Wirkung Ernsts II. auf seine Mitmenschen demselben offen darzustellen6  : »Denn Sie haben bei Ihrem reichen Gemüthsleben und lebhaften Interesse für Vieles die seltene und verführerische Eigenschaft, gleich bei der ersten Bekanntschaft so viel von sich zu geben, daß die ersten Eindrücke, welche Sie auf solche machen, denen zugleich Ihre hohe Erdenstellung imponirt, fast immer bezaubernd sein werden. So ist es auch mir gegangen. Und wer so mit Ihnen in Berührung gekommen, der meint wohl anspruchsvoll, schon 6 Brief Freytags vom 20. Juni 1858 (Tempeltey 1904, S. 93–95). Zum Folgenden.

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recht viel von Ihnen zu haben. Er irrt sich. Denn was Sie im Anfange von sich und Ihrem innern Leben geben, thun Sie mehr in dem Bedürfniß gemüthlicher und geselliger Production als aus Attachement an fremdes Wesen. Wer Sie nun allmählich näher kennen lernt, der findet vielleicht auch in Ihnen manches, was ihm nicht gefällt, und er wird Ihnen gegenüber kritisch und beobachtend. So ist es ganz in der Stille auch mir gegangen.« Solche Offenheit hat der Herzog sicher nicht oft erfahren. Doch der Dramatiker schafft noch die Wende  : »Und wer Sie dann endlich in verschiedenen Stimmungen und Lagen erkannt hat, dem bleibt, so meine ich, wenn er nicht arm im eigenen Herzen ist, zuletzt als eine Art verklärter Stimmung das Gefühl der aufrichtigen und treuen Liebe zu Ihrem guten, goldenen Herzen, das Ihnen aller kleine Egoismus Ihrer Souveränität nicht verhüllen kann, und zu einem männlichen, eifrigen, klaren Gemüth, das merkwürdig vorurtheilsfrei die Bilder der Außenwelt in sich aufnimmt.«7 Die Antwort Ernsts II.8 auf diese nicht ganz einfache Einschätzung Freytags fällt versöhnlich aus  : »Unter verschiedenen Sternen geboren, verschieden erzogen, in verschiedener Lebensstellung, haben wir uns ohne weitere Absicht gefunden, und ich hoffe von Herzen, daß wir noch ein langes Stücke Weg zusammen fortwandeln werden.« Eine wichtige Gemeinsamkeit im Denken liegt bei beiden in dem Anspruch, sich in den Dienst einer höheren Sache stellen. Dies kommt beispielsweise in einem Brief des Schriftstellers aus dem Jahr 1859 zum Ausdruck9  : »Zuletzt kommt für den Einzelnen doch Alles darauf an, nicht ob er für sich selbst vieles erreicht hat, sondern ob er tüchtig fürs Ganze gearbeitet hat, denn ich meine, nur das Letztere macht stärker und besser.« Beiden liegt die Zukunft Deutschlands am Herzen, auch wenn sie darüber bisweilen in heftige Diskussion geraten. In einer brieflichen Auseinandersetzung im Januar 186010, in der sie über den Umgang mit der zögerlichen preußischen Regierung sowie die Vertrauenswürdigkeit einiger politischer Berater des Herzogs streiten, nutzen beide Seiten Bilder aus der Theaterwelt, um ihre Sicht der Dinge zu illustrie  7 Ähnlich liest sich ein Geburtstagsbrief Freytags an den Herzog aus dem Jahr 1862 (Tempeltey 1904, S. 161–163), in dem es heißt  : »Kommt meinem lieben Herrn dann einmal die Stunde, wo er nach Fürstenweise den Andern für sich benützen will, so wird, wer Sie nicht ganz kennt, wohl gar verletzt, weil, der sich eben für einen fast gleichstehenden Vertrauten hielt, plötzlich die Empfindung erhält, ein Werkzeug zu sein. Wer freilich weiß, wie warm und weich der Grund Ihres gütigen Herzens ist, der wird Sie selten falsch beurtheilen.«   8 Brief Ernsts II. vom 24. Juni 1858 (Tempeltey 1904, S. 95–97).   9 Brief Freytags vom 20. Juni 1859 (Tempeltey 1904, S. 114–117). 10 Briefwechsel in Tempeltey 1904, S. 121–134. Zum Folgenden.

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ren. So schreibt der Herzog11  : »In der Politik geht es zu wie auf der Bühne  ; ehe der Vorhang aufgeht, kann sich ein jeder Schauspieler für einen großen Künstler halten  ; das Publikum richtet, wenn der Vorhang gefallen ist«. In seiner Antwort greift Freytag das Bild auf12  : »Daß die Schauspieler in Berlin ihre Rollen oft herzlich schlecht spielen, kann Niemand tiefer beklagen, als ich selbst […]«. Und während der Herzog spürbar genervt betont  : »Auch werde ich mich nicht irre machen lassen, zu rathen, wenn ich gefragt werde, und zu handeln wenn ich es für nothwendig halte.« So rechtfertigt der Hofrat seine offene Kritik  : »Ich bin nicht Ihre Geliebte, sondern Ihr bescheidener, treuer Freund. Wenn ich daher zu wählen haben sollte zwischen Ihrer persönlichen Neigung und Ihrer Ehre – ich würde mit tiefem Leid die Neigung missen, um Ihren Ruhm und Ihr Ansehen zu erhöhen.« Am Ende der Diskussion fasst Ernst II. die gemeinsame Aufgabe, die er bei sich und seinem Freund sieht, so zusammen13  : »Die deutschen Völker werden dann unbedingt mit Preußen gehen, wenn patriotisch-freisinnige Empfindungen von oben wirklich gehegt, aber nicht geheuchelt werden […]. Daß dies geschieht, ist jetzt unsere Aufgabe. Dahin müssen wir öffentlich wie im Stillen wirken.« Eine Diskussion der beiden bei Tisch im selben Jahr 1860 gibt Theodor von Bernhardi in seinen »Tagebuchblättern aus den Jahren 1860–1863« wieder14  : »Der Herzog zieht darauf ohne Schonung los über den Idealismus der Deutschen, der immer gegen sich selbst Partei nimmt. G. Freytag nimmt das etwas übel und meint, gerade diese Objektivität, diese Fähigkeit, sich an die Stelle des andern zu setzen, sei der eigenthümliche Vorzug des Deutschen. Der Herzog ergeht sich fort und fort in bitterm Spott über die schönen Ergebnisse, zu denen dieser Idealismus uns geführt habe. Ich nehme für G. Freytag Partei und mache geltend  : der Geltung, die wir dereinst auch in der politischen Welt als Nation hoffen dürfen, hat jedenfalls der deutsche Idealismus sehr tüchtig vorgearbeitet. Seitdem die Leute wissen, was deutsche Wissenschaft und Kunst ist und bedeutet, hat der Deutsche in Frankreich und in England eine ganz andre Geltung als früher. Der Herzog wollte das im Anfang nicht zugeben.« 11 Brief Ernsts II. vom 18. Januar 1860 (Tempeltey 1904, S. 121–123). Auch zum Folgenden. 12 Brief Freytags vom 21. Januar 1860 (Tempeltey 1904, S. 123–126). Auch zum Folgenden. 13 Brief Ernsts II. vom 31. Januar 1860 (Tempeltey 1904, S. 134). 14 Bernhardi, Tagebuch 1860–1863, S. 39. – An anderer Stelle äußert Bernhardi, der Freytag bei einem Besuch in Reinhardsbrunn im August 1858 kennenlernte, dass Freytag tatsächlich seine politische Meinung gegenüber dem Herzog jederzeit frei heraus sagen dürfe (Bernhardi 1894, S. 46f.).

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Der Herzog versuchte sein wichtigstes politisches Anliegen auch durch sein Wirken als Komponist zu verfolgen und sah daher eine Verbindung zu Freytag auf künstlerischer Ebene, da jener ja dieselben Ziele auf seinem Gebiet der Schriftstellerei zu verwirklichen suchte15. So ergeben sich auch einige Berührungspunkte zwischen den beiden im Zusammenhang mit Ernsts Aktivitäten als Opernkomponist. Bereits im April 1856 legt Freytag dem Herzog ein Libretto vor, das er selbst vor Jahren begonnen und halb fertig liegen gelassen hatte16. Er scheint zwar selbst wenig überzeugt von der Qualität seiner Arbeit und bittet, den Vorschlag vertraulich zu behandeln, rät dem Herzog aber zugleich, keinen der überstrapazierten Stoffe mit mittelalterlicher Thematik zu wählen  : »Denn der große Apparat der Romanzen  : Ritterkostüm, Orgel u.s.w., verliert alljährlich an Anziehungskraft.« Den Rat Freytags nimmt der Herzog an, das Libretto nicht. Auch ein kurze Zeit später von Friedrich Gerstäcker17 vorgelegtes Textbuch lehnt der Herzog ab, nach entsprechender Beurteilung durch Freytag18. Für die weitere Zusammenarbeit empfiehlt der Schriftsteller ausdrücklich die bereits durch Ernsts vierte Oper »Santa Chiara« erprobte Charlotte Birch-Pfeiffer, die Freytag wenig herzlich, doch professionell zu beurteilen scheint19  : »Meinem Dafürhalten nach müßte für Ew. Hoheit der Text von einer Person gemacht werden, die auf dem Theater recht sicher ist und mit jeder Art von Bühnenwirkung vertraut. Denn man kann einem fertigen Text ohne Mühe in Kleinigkeiten viel nachbessern, aber Fehler in der Handlung selbst sind sehr schwer wegzubringen, es wird Flickarbeit. Ich weiß in Deutschland immer noch Niemand bessern, als Lotte Birch. Sie macht schauderhaft Verse und unterliegt zuweilen der Versuchung in Plattituden zu verfallen, aber das läßt sich beides noch am leichtesten herausbringen. Dagegen versteht sie das Handwerk, und kennt alle Geheimnisse der Coulissen, mit denen Fritz Gerstäcker so unbekannt ist wie ein neugebornes Kind.« Auch als der Herzog im Jahr 1875 in »Mariken van Nimwegen« von Luise von Plönnies (1803–1872) ein Libretto für eine neue Oper gefunden zu haben 15 In einem Brief vom 3. Juli 1880 schreibt der Herzog an Freytag  : »[A]uf dem Gebiet der Kunst kann man die Gebilde seiner Phantasie frei und aus sich heraus darstellen  ; beim praktischen Wirken pfuscht Einem jeder Stümper dazwischen und entstellt die ursprüngliche Idee.« (Tempeltey 1904, S. 290f.). 16 Brief Freytags vom 1. April 1856 (Hirschberg, S. 105f.). Zum Folgenden. 17 Der Schriftsteller und Weltreisende Gerstäcker war ein Begleiter des Herzogs auf dessen Afri­ ka­reise 1862. 18 Brief Freytags hierzu vom 21. April 1856 (Hirschberg, S. 107). 19 Brief Freytags vom 21. April 1856 (Hirschberg, S. 107).

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meint, bezieht Freytag klar Position und rät davon ab20  : »Aber ich widerrathe sehr bestimmt und leidenschaftlich diesen Stoff. Verlasse sich mein gnädigster Herr auf meine Fühlung, es ist nichts Vortheilhaftes daraus zu machen.« In seiner Antwort21 diskutiert der Herzog zwar einige Kritikpunkte, die Freytag geäußert hatte, und hält sich eine weitere Planung offen  : »Ich werde versuchen, die Sache erst noch weiter durchzudenken […]«. Letztendlich scheint dieses Projekt dann aber im Sande verlaufen zu sein. So wie Freytag den Herzog immer wieder um Hilfe für in Not geratene Künstler und Kollegen bittet22, so wendet sich Ernst II. im Februar 186123 an ihn wegen einer Vermittlung zum Verlag Breitkopf und Härtel, der eine Bearbeitung der Oper »Santa Chiara« für Klavier zu vier Händen verlegen soll24. Die letzte Begegnung Freytags mit dem Herzog im musikalischen Kontext findet beim Abschlussfest der Opernfestspiele in Gotha Ende Juli 1893 statt. Am nächsten Tag, dem 1. August, hat Ernst den Schlaganfall, an dessen Folgen er am 22. August verstirbt25. Im Jahr 1866 schreibt Freytag in einem Artikel über das Verhältnis von Fürst und Künstler26 (ausgehend von Richard Wagners besonderer Beziehung zum bayerischen König Ludwig II.)  : »Es hat in Deutschland eine Zeit gegeben, wo die Gunst der Mächtigen dem Künstler unentbehrlich war. Sie vorzugsweise gaben ihm durch ihre Aufträge die Möglichkeit zu gedeihen, sie boten seinem äußern Leben Schutz und Schirm, in ihren Kreisen waren vorzugsweise die Charaktere und Stimmungen, die sichere und selbstbewußte Auffassung des Lebens zu finden, die der Künstler für seine Kunst nicht missen kann. Diese Zeit ist nicht mehr. Die Kunst der Gegenwart wird von der ganzen Nation getragen  ; wenn dem Künstler gelingt, ihren Herzschlag in seinen Kunstwerken wiederzugeben, bedarf auch sein äußeres Leben keiner anderen Stütze. Unsere Fürsten aber sind ebenfalls tief von den realen Interessen der Zeit umfangen, 20 Brief Freytags vom 20. Juni 1875 (Hirschberg, S. 111f.). 21 Brief des Herzogs vom 30. Juni 1875 (Hirschberg, S. 112f.). 22 Beispielsweise für einen jungen Schleswiger Philologen namens Friedrich Dörr (geb. 1831), den der Herzog tatsächlich in Gotha aufnimmt, der dann aber kurze Zeit später als Lehrer nach Hamburg geht (Brief Freytags vom 5. März 1857  ; vgl. Tempeltey 1904, S. 74–76)  ; oder auch Otto Ludwig (1813–1865), einen mittellos gewordenen Dichter und Schriftsteller (Brief Freytags vom 18. April 1857  ; vgl. Tempeltey 1904, S. 76f.). 23 Brief Ernsts II. vom 22. Februar 1861 (Tempeltey 1904, S. 150). Zum Folgenden. 24 Der Herzog optimistisch  : »Beide Opern sind so beliebt, daß an einem Absatz wohl nicht zu zweifeln ist.« 25 Tempeltey 1904, S. 350. 26 Freytag 1911, S. 316–320.

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sie sind Geschäftsmänner geworden wie wir andern auch, ihr hoher Beruf fordert so vielfachen Aufwand ihrer Theilnahme, daß ihnen die Kunst, gerade wenn sie ihrem Beruf Genüge thun, nur Zierde und Unterhaltung weniger Stunden werden kann. Wenn sie sich auch mit Kunstinteressen umgeben, so thun sie dies aus dem Bestreben, Bedeutendes zum Schmuck ihres Lebens an sich zu fesseln. Eine wirkliche, warme und herzliche Freude an dem Werdenden in der Kunst ist bei den Regenten größerer Staaten nur selten und wird nach dem Lauf der Dingen [sic] noch seltner werden.« Doch diese Liebe und Anerkennung für Kunst hat Gustav Freytag gerade bei »seinem« Herzog Ernst II. gefunden.

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Finale: Herzog Ernst II. als Musiker und Förderer der Künste Die Schauspielerin Marie Knauff (1841–1895), die in jungen Jahren am Hoftheater engagiert war und später nach Weimar ging, erzählte einmal von ihrer Zeit in Coburg-Gotha1  : »Ich mußte eines Abend [sic] […] unter dem unmittelbaren Eindruck der Nachricht von dem Tode meines Vaters spielen, weil die Anwesenheit fürstlicher Gäste eine Aenderung im Repertoire nicht möglich machte. Der Herzog, welcher davon erfuhr, suchte mich während der Vorstellung in einer Pause auf. Ich stand in einem Eckchen und ließ meinen Tränen freien Lauf. Er dankte mir für meine Selbstüberwindung, er sprach so herzliche Trostesworte, so teilnehmend  ; ja, er bot mir selbst einen längeren Urlaub an, denn er meinte, wenn einem recht weh ums Herz ist, muß man sich Ruhe gönnen. Als ich bald darauf das Engagement in Coburg verließ, nahm ich dies als die liebste Erinnerung an seinen Fürsten mit.«

Förderer und Amateur

Herzog Ernst II. hatte selbst eine starke künstlerische Ader. Die Veranlagung, die ihm in die Wiege gelegt war, wurde durch die vielfältige Ausbildung in der Kindheit und Jugend gefördert, durch die reiche Kulturlandschaft, in der er aufwuchs, genährt, auf den vielen Reisen, die er schon in jungen Jahren unternahm, weiterentwickelt und durch seinen unruhigen, strebsamen Geist lebenslang wachgehalten. Zu einer gewissen Bodenständigkeit erzogen – durchaus ungewöhnlich für einen Prinzen der damaligen Zeit –, suchte er die Nähe von Künstlern, Musikern und Schauspielern und verkehrte mit ihnen nahezu auf Augenhöhe. Im Theater bevorzugte er die bühnennahe Proszeniumsloge vor dem traditionellen Platz des Fürsten, nach den Vorstellungen lud er die Darsteller und Musiker oft an seinen Tisch, berühmte Musiker auf Reisen durften in seinen Schlössern logieren. Unzählige Briefe in den Archiven2 zeugen davon, wie gut der Herzog in Künstlerkreisen vernetzt war. Dabei enthalten die Doku­ mente oft eine persönliche Kommunikation, die über den üblichen Tonfall 1 Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 34f. 2 In Coburg vgl. StACo, LBC, Kunstsammlungen der Veste Coburg. Dazu die Gothaer Archive.

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zwischen einem Fürsten und einem Untergebenen hinausgeht. Auch in seiner viel verspotteten Praxis der Ordensverleihung kam die besondere Anerkennung des Herzogs für den Stand der Künstler zum Ausdruck. Diese profitierten natürlich davon, menschlich (vgl. die eingangs erwähnte Episode) wie in beruflicher Hinsicht. Dabei erstreckte sich die Solidarität des Herzogs mit Künstlern und Musikern nicht nur auf Angestellte seines Hofes. Beispielsweise ermöglichte er 1887 die Ehescheidung und Wiederverheiratung von Johann Strauß, die in der katholischen Heimat des Komponisten nicht möglich war3. Die zum Dank gewidmete, teilweise in Coburg entstandene Operette »Simplicius« wurde allerdings nach negativer Begutachtung durch den Kapellmeister August Langert (1836–1920)4 in Coburg-Gotha nicht gegeben und hatte auch bei ihrer Uraufführung in Wien keinen besonderen Erfolg. Doch nicht nur zeitgenössischen Musikern galt das Interesse des Herzogs, auch für die Bedeutung historischer Persönlichkeiten der Musik- und Kunstgeschichte hatte er einen Sinn, wovon die umfangreiche Autografensammlung in den Kunstsammlungen der Veste Coburg (mit Handschriften Bachs, Mozarts und vieler anderer) Zeugnis gibt. Das Leben der Theaterschaffenden im 19. Jahrhundert war immer noch von (Rechts-)Unsicherheit und Verarmung im Alter bedroht, weshalb es mit zunehmender gesellschaftlicher Bedeutung der Bühnenkunst zur Gründung einiger Einrichtungen kam, die der Absicherung von Künstlern dienen sollten. Herzog Ernst II. engagierte sich bereitwillig für derartige soziale Organisationen. So übernahm er, auf Vorschlag des Berliner Generalintendanten von Hülsen, das Protektorat über die Altersversorgungsanstalt »Perseverantia«, die ab 1. Januar 1857 in Aktion trat und zu deren Ausschuss auch von Meyern-Hohenberg und Gustav Freytag gehörten5. Im Jahr 1858 fand im Coburger Hoftheater ein Benefizkonzert mit Mendelssohns »Elias« zugunsten der Gesellschaft statt. ­Außerdem unterstützte Ernst II. die 1871 in Weimar gegründete »Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger«, für die ebenfalls jedes Jahr eine Benefizveranstaltung in Coburg-Gotha stattfand6. 3 Johann Strauß hat mehrere seiner Kompositionen dem Herzog gewidmet, auch schon vor der Verheiratung. Hierzu umfangreiche Literatur, u. a. mehrere Arbeiten von Potyra (s. Literaturverzeichnis) sowie »Johann Strauß und Coburg«, hg. v. Historische Gesellschaft Coburg e.V., Coburg 1990. 4 Vgl. StACo LA A 7370. 5 Vgl. hierzu Ebart, 100 Jahre, S. 53f., sowie Heinz 1997, S. 137. 6 Vgl. hierzu Ebart, 100 Jahre, S. 83f., sowie Heinz 1997, S. 137.

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So, wie er sich auf sozialem Gebiet für Künstler einsetzte, so tat es der Herzog – auf seine Weise – auch auf gesellschaftlichem Gebiet. Ernst II. war der erste Fürst, der Schauspielern und Sängern (sowie anderen Mitwirkenden am Theater) regelmäßig Orden verlieh7. In einem Brief an die Schauspielerin Marie Seebach (1829–1897) vom 23. Februar 1857 gibt er dafür folgende Erklärung8  : »Die größten Geister ihrer Zeit unter den Monarchen, Feldherren und Staatsmännern haben die Künstler stets als ihres Gleichen betrachtet. Nur die reproduzierende dramatische Kunst hat noch nicht zu einer gleichen Höhe gelangen wollen, und den großen Künstlern und Künstlerinnen auf diesem Gebiete ist man noch oft mit Vorurtheilen entgegengetreten, die für Dichter, Maler und Bildhauer selten existiert haben. Mein eifrigstes Bestreben ist es, die wirklichen und würdigen Jünger auch dieser Kunst sowohl in die Prunkgemächer, als in den trauten Familienkreis der Paläste einzuführen.« Dass dabei der Weg über Ordensverleihungen durchaus der richtige war, zeigt eine Äußerung Theodor Fontanes (1819–1898) anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Hohen­zollernorden im Jahr 18899  : »Angesichts der Thatsache aber, daß man in Deutschland und speziell in Preußen nur dann etwas gilt, wenn man ›staatlich approbirt‹ ist, hat solch ein Orden einen wirklich praktischen Wert  : man wird respektvoller angekuckt und besser behandelt.« Erhebungen in den Adelsstand, in Preußen eine gängige Form der Auszeichnung10, kamen für den Herzog in diesem Zusammenhang allerdings nur äußerst selten in Frage11. Lediglich auf Bitten seines Verwandten, des portugiesischen Königs ­Ferdinands II., der nach dem Tod seiner ersten Frau Maria die Opernsängerin Elise Hensler (1836– 1929) heiraten wollte, erhob Ernst II. die Bürgerliche zur »Gräfin von Edla«12. In der Regel jedoch beschränkte er sich bei der Auszeichnung von Künstlern   7 Heinz 1997, S. 135ff., schreibt, die Ordensverleihung an Emil Devrient im Jahr 1853 sei die erste derartige Auszeichnung eines Schauspielers durch einen Fürsten gewesen.   8 Zitiert nach Hirschberg, S. 123.   9 Zitiert nach Izenberg, S. 239. 10 Vgl. hierzu Mayer, S. 100f.: Nobilitierungen durch preußische Könige oder den deutschen Kaiser waren keine Seltenheit, verdiente »Großbürger« bedachte man aber auch eher mit anderen Zeichen der Anerkennung. 11 Ein bekannter Fall ist die »Freifrau von Ketschendorf«, Rosine Stoltz, eine berühmte Operndiva. 12 Im Umfeld Ernsts II. gab es einige Ehen zwischen Fürsten und Sängerinnen, z. B. Ellen Franz, mit der sich der Herzog Georg II. von Meiningen in dritter Ehe vermählte, Natalie Frassini, die den Prinzen Ernst von Württemberg heiratete (zu beiden vgl. Ebart, 100 Jahre, S. 56f.) sowie Constanze Geiger (1839–1890), eine musikalische Universalbegabung, die am 23. April 1863 »in aller Stille« den Coburger Prinzen Leopold (Koháry-Linie), einen Oberst der k.u.k. Infanterie, ehelichte (vgl. NRMZ, Nr. 23, vom 8. Juni 1861, S. 183f.).

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auf die verschiedenen Formen seines Hausordens, auf Medaillen und teure Geschenke. 1833 wurde der Sachsen-Ernestinische Hausorden gestiftet, der zunächst in sieben, ab 1864 in acht Stufen verliehen wurde13. Daneben gab es ab 1835 die Verdienstmedaille und ab 1850 das Verdienstkreuz für Kunst und Wissenschaft. Beides wurde in den Jahren 1837 bis 1864 insgesamt 68 Mal verliehen, davon nur sieben Mal an einen Einwohner des Herzogtums. Auch das Großkreuz des Hausordens ging in überwiegender Mehrheit an Ausländer, zwischen 1833 und 1890 insgesamt 138 Mal. Ein beträchtlicher Teil der Ausgezeichneten waren Musiker14, was einen Journalisten in der »Neuen Zeitschrift für Musik« im Jahr 1849 zu der Bemerkung veranlasste15  : »Glücklich der Componist, der, damit seine Opern zur Aufführung kommen, Medaillen und Orden vertheilen kann.« Natürlich rief ein derartiges Verhalten des Herzogs auch Neid und Missgunst hervor. Der Dirigent Hans von Bülow ist ein Beispiel dafür, dass es auch Künstler gab, die den Herzog deswegen verachteten. Außerdem ist in den Theaterakten manche Auseinandersetzung darüber dokumentiert, wer bei welcher Gelegenheit wie ausgezeichnet werden sollte und wer nicht16. Übrigens waren zwar die meisten, aber nicht alle dekorierten Musiker von außerhalb  : So wurden auch die Einheimischen Caspar Kummer (1795–1870) und August Langert im Jahr 1864 vom Herzog berücksichtigt17. Neben der sozialen Absicherung und der gesellschaftlichen Aufwertung von Künstlern engagierte sich Ernst II. auch für die Förderung des musikalischen Nachwuchses. Als Schirmherr des deutschlandweit agierenden, in Gotha ansässigen Mozart-Vereins18 konnte er gleich in zweierlei Hinsicht Zeichen setzen  : 13 Hierzu wie zum Folgenden die Publikationen von Andrian-Werburg sowie Hans. 14 Man vergleiche hierzu die Ordensakten im ThStAGotha. 15 NZfM, Bd. 31, 1849, S. 204. Die Äußerung steht im Zusammenhang mit einer Ordensverleihung an den Kapellmeister Schindelmeisser in Frankfurt. Sie ist nur ein Beispiel von vielen vergleichbaren Kommentaren. 16 Besonders freigebig war der Herzog, wenn es um Mitwirkende an seinen eigenen Opern ging. Manches Mal ließ er sich Empfehlungen von Insidern geben, wen er wie auszuzeichnen habe. Bei anderen Gelegenheiten beschwerten sich Einzelne darüber, dass sie nicht (angemessen) berücksichtigt worden seien. Und nicht selten gab es auch offene Bitten um eine sichtbare Anerkennung durch den Herzog. 17 Vgl. hierzu AMZ, Nr. 3, vom 20. Januar, Sp. 56, sowie AMZ, Nr. 27, vom 6. Juli 1864, Sp. 472. 18 »Mozart-Vereine« oder »Mozart-Stiftungen« gab es in Deutschland bereits mehrere, z. B. seit 1829 in Nürnberg oder seit 1838 in Frankfurt am Main. Der Mozartverein in Coburg-Gotha profitierte besonders von der Leitung des Herzogs und der Anwerbung einflussreicher Unterstützer durch ihn.

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als Vorstand eines gemeinnützigen Vereins, der sich unter dem Namen des großen deutschen Komponisten der Unterstützung junger Musiker in deutschen Landen verschrieb, und als Unterstützer der musikalischen Jugend, die die Zukunft der deutschen Kunst garantieren sollte. Hier verbanden sich Nationalgedanke und kulturpolitisches Wirken des Herzogs auf besonders anschauliche Weise. Mit der Übernahme des Protektorenamtes, das traditionell Adligen und Fürsten angetragen wurde19, konnte Ernst II. seinem Anspruch auf eine Beteiligung an der allgemeinen »Meinungs- und Ideenentwicklung«20 Ausdruck verleihen. Am 24. und 25. August 1855 fand im Gothaer Theater eine »General-­ Versammlung der deutschen Tonkünstler« statt, »Behufs Stiftung des Mozart-­ Vereins«21. Der provisorische Vorstand, Rechtsanwalt Carl Haushalter (1810– 1893) aus Gotha, rechnete mit der Protektion des Herzogs und erhoffte sich von dessen Kontakten eine wirkungsvolle Unterstützung des Vereins. ­Außerdem sollte ein Mozart-Album herausgegeben werden, für das interessierte Musiker um Beiträge gebeten wurden. Nach den im Juli 1855 entworfenen und im August 1855 beschlossenen Statuten22 war es Ziel des Vereins, »aufstrebende musikalische Talente zu fördern und hülfsbedürftige Künstler wie deren Familien zu unterstützen.« Antragsteller mussten ihre »unverschuldete Bedürftigkeit« nachweisen oder konnten eine Komposition einreichen, deren Herausgabe dann übernommen werden konnte. Die Finanzierung des Vereins sollte durch Mitgliedsbeiträge und Spenden sowie durch Benefizveranstaltungen (Konzerte oder Theateraufführungen) erfolgen. Die Organisation umfasste eine jährliche Mitgliederversammlung sowie die Wahl eines Direktoriums, die letzte Entscheidung lag jedoch immer beim Herzog. Sitz des Vereins war ­Gotha. Zur Gründungsversammlung erschienen 24 Mitglieder aus allen Teilen des Herzogtums und darüber hinaus (Leipzig, Erfurt), unter anderen die Musiker Ernst Lampert, Adolf Wandersleb und Louis Weinkauff aus Gotha sowie Traugott Krämer aus Coburg. Es lag aber bereits eine lange Interessentenliste mit Namen aus ganz Deutschland vor, darunter Franz Liszt, Louis Spohr, Gottlieb 19 Hierzu Vierhaus, S. 130f. 20 Vierhaus, S. 131. 21 Vgl. hierzu wie zum Folgenden RMZ, Bd. 6, 1855, S. 262f. Übrigens wurden zu diesem Anlass auch die Kunstsammlungen in Gotha für Besucher geöffnet. 22 Hierzu wie zum Folgenden vgl. ThStAGotha Akten der Herzogl. Landes-Regierung Loc. 97 Nr. 17 (»den zum zwecke der Unterstützung hülfsbedürftiger, talentvoller Musiker und Componisten unter dem Namen ›Mozartverein‹ in hiesiger Stadt zusammen getretenen Verein betr« 1856).

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Reißiger, Heinrich Marschner, dazu Rechtsanwälte, Buchhändler und andere Bürger. Im Januar 1856 verlieh der Herzog dem Verein die Rechte einer öffentlichen Person. In einem Brief, den Haushalter in der RMZ abdrucken ließ23, hatte sich Ernst II. begeistert gezeigt von der Idee, »mittelst eines grossartigen Vereins, unter dem Namen des unsterblichen Mozart, aufstrebende musikalische Talente zu fördern und hilfsbedürftige Tonkünstler zu unterstützen«. Der Schirmherr ließ auch sogleich eine Benefizvorstellung zugunsten des neuen Vereins ansetzen. Nicht nur in Gotha wurde die Initiative des Vereins aufgegriffen. In der Presse24 finden sich Berichte von Benefizvorstellungen in Karlsruhe, Weimar und Darmstadt, weitere Konzerte in 15 Städten waren geplant. Außerdem zeitigten die guten Kontakte des Herzogs sehr schnell ihre Wirkung, und innerhalb kürzester Zeit vertrat das »Who is Who« der deutschen Theaterszene die Interessen des Mozartvereins. In der Landesbibliothek Coburg ist ein von vielen prominenten Musikern unterzeichnetes Dankschreiben an den Herzog überliefert25, in dem auch der nationale Gedanke hinter diesem Förderungswerk zur Sprache kommt  : »Wir halten uns zu diesem Acte um so mehr für verpflichtet, als wir am besten zu würdigen wissen, daß, wenn in dem Mozartvereine – wozu jetzt gegründete Aussicht vorhanden – ein Werk deutscher Einheit zu Stande kam, dieser Erfolg vorzugsweise Eurer Hoheit wesentlicher Mitwirkung zu verdanken ist.« In das Direktorium wurden gewählt  : Meyerbeer, Marschner, Lindpaintner, Hiller, Liszt und Franz Lachner. In den Akten der Coburger und Gothaer Archive ist das erfolgreiche Schalten und Walten des Mozartvereins bzw. der Mozart-Stiftung bis in die Jahre 1930/31 dokumentiert26. So erhielt der Verein 1857 sogar eine Spende in Höhe von 100 Golddukaten vom österreichischen Kaiser. Im »Hof- und Staatshandbuch für Sachsen-Coburg-Gotha« von 1890 (S. 31) wurde noch einmal klargestellt  : »Die Stipendien werden nur durch Se. Hoheit den Herzog vergeben, und sind die diesbezüglichen Gesuche direct an Se. Hoheit den Herzog zu richten.« Im Laufe der Jahre wurden viele Antragsteller vom Mozartverein unterstützt, so dass mit Sicherheit behaup23 Hierzu wie zum Folgenden vgl. RMZ, Bd. 7, 1856, S. 85f. 24 »The Musical World«, vom 26. Januar 1856, S. 55  ; NRMZ, vom 8. März 1856, S. 80. 25 LBC Ms 299/30. Das Schreiben aus dem Jahr 1856 ist unterschrieben von Spohr, Marschner, Meyerbeer, Friedrich Wilhelm Markull (Musikdirektor aus Danzig), Reißiger, Wilhelm Tschirsch (Kapellmeister aus Gera), Lampert, Franz Lachner, Lindpaintner, Hiller und dem Juristen Haushalter. Vgl. auch Meyerbeer, Bd. 7, S. 539. 26 Vgl. StACo Theater 3101 bis 3107 sowie R1 bis R65  ; ThStAGotha, Acten für das Herzogl. Ministerium, Stiftungen, Loc. XX 7, Nr. 64, Mozartverein. Zum Folgenden.

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tet werden kann, dass der Herzog und seine Mitstreiter hier einen wertvollen kulturpolitischen Beitrag geleistet haben. Allerdings27  : »Von den sogenannten vielversprechenden Talenten, die Ernst II. in seiner Großmut ausbilden ließ und förderte, hat er nur selten Dank und Erfolg geerntet und ist doch bis zuletzt nicht müde geworden in dem regen Interesse an der Kunst, hauptsächlich der Musik und den Künstlern.« Eine weitere Möglichkeit der Kulturförderung war die Unterstützung der im 19. Jahrhundert vermehrt aufkommenden Gesamtausgaben großer Künstler. Auch hier war Herzog Ernst II. von Anfang an mit dabei  : Er übernahm die Schirmherrschaft über die 1856 gegründete »Deutsche Händelgesellschaft«, die es sich zum Ziel setzte, die erste Gesamtausgabe des umfangreichen Werkes Georg Friedrich Händels (1685–1759) zu erstellen. Händel war insofern ein Sonderfall, als er zwar in Deutschland geboren war, aber vor allem in England gelebt hatte und dort auch seine größten Erfolge gefeiert hatte. Angesichts seines nahenden 100. Todestages und einer nur unvollständigen englischen Ausgabe seiner Kompositionen galt es nun, eine vollständige deutsche Ausgabe, »von Deutschen für Deutschland«28, vorzulegen. »Diese Aufgabe anzugreifen haben sich, auf den Anlass der bevorstehenden Säcularfeier, auf Anregung und unter der hohen Protection und Förderung Sr. Hoheit, des kunstsinnigen Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha die Unterzeichneten aus allen Theilen Deutschlands zu einem Ausschusse vereinigt«. Dass dieses Projekt durchaus nicht nur aus künstlerischen Motiven begonnen wurde, zeigt sich in dem Aufruf »An das deutsche Publicum«29, der ein Jahr später, am 1. Dezember 1857, vom mittlerweile gewählten Direktorium der deutschen Händelgesellschaft unter der Leitung von Friedrich Chrysander (1826–1901) verfasst wurde. Darin gibt Chrysander zu, dass der erste Appell zur Unterstützung des Unternehmens noch keinen ausreichenden Erfolg gehabt habe. Er beklagt die Zurückhaltung und Ausreden mancher potentieller Förderer und appelliert stark an deren patriotische Gefühle  : »Wenn man dem deutschen Volke ankündigte, dass ein Schatz von unbekannten Werken Goethe’s, an Zahl dem Bekannten wenigstens gleich, entdeckt sei und um einen hohen Preis gehoben werden könne, wer würde sich mit dem Fach entschuldigt halten, seinen Einsatz für ein so vaterländisches Opfer zu weigern  ! […] Und wir richten noch einmal 27 Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 48. 28 Vgl. hierzu die »Ankündigung« im ersten Band der Händel-Gesamtausgabe, hg. v. Friedrich Chrysander, Leipzig 1858. Auch zum Folgenden. 29 Ebenfalls im ersten Band der Händel-Gesamtausgabe, Leipzig 1858. Zum Folgenden.

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an die deutsche Nation vertrauensvoll unsere Bitte und Mahnung, in solch einer wahrhaft vaterländischen Sache nicht zurückzubleiben.« Diese Verbindung von Kultur- mit Nationalpolitik war ganz im Interesse des Herzogs, der sich hier zugleich als Förderer der Künste und als Verfechter der »vaterländischen Sache« präsentieren konnte. Der Herzog als Schauspieler Im Rahmen seiner Erziehung hatte Ernst II. schon seit Kindertagen gelernt zu malen, zu dichten, Klavier zu spielen sowie Lieder und andere kleine Stücke zu komponieren. Es sind sowohl Bilder30 als auch Gedichte31 vom jungen Erbprinzen überliefert, im Jahr 1838 schrieb er sogar an Joseph von Eichendorff (1788–1857) um ein Gedicht, das ihm wohl als Vorlage dienen sollte32. Außerdem war die Mitwirkung an sogenannten Dilettantenaufführungen ein beliebter Zeitvertreib in fürstlichen Familien, den Ernst II. selbst als Herzog noch ganz ohne falsche Scham pflegte. Von Ebart berichtet, dass auch Ernsts Onkel Leopold und Ferdinand im kleinen Kreis Theater spielten33. Ernst II. führte also nur eine Familientradition fort, als er zwischen 1855 und 1869 immer wieder eine Rolle in einem Schauspiel übernahm. Anders als seine Verwandten scheute er allerdings nicht den größeren Kreis, auch wenn es sich nur um geladene Gäste handelte34. Im März 1855 schreibt der Herzog an seine gute Freundin Charlotte Birch-­ Pfeiffer und lädt sie zu einer Aufführung ihres Stückes »Der Ring« ein35. Listig schlägt er ihr vor, »ein Tractat mit ›M. Grippe‹ [zu] schließen« (weil sie wohl so kurzfristig keinen Urlaub bekommen würde), und verspricht, dafür ihre Reisekosten zu übernehmen. Es war ihm offenbar sehr wichtig, dass Birch-Pfeiffer 30 Vgl. hierzu beispielsweise die Bilder »Winterlandschaft« und »Zwei Bernhardinerhunde im Schnee« von Ernst II. in den Kunstsammlungen der Veste Coburg. 31 Aus Jugendtagen existieren Lieder, zu denen Ernst den Text, Albert die Musik geschrieben hat. Auch in späteren Jahren wurden Ernst II. vereinzelt »patriotische Dichtungen, die unter anderem Namen an’s Licht traten, wenigstens vom Gerücht zu geschrieben [sic]« (Lorck, Sp. 457). 32 Vgl. Niggl, Bd. 1, S. 480f.: Eichendorff übersandte »Das zerbrochene Ringlein« im Autograf. Ernst bedankt sich überschwänglich auch im Namen seines Bruders und bezeichnet sich selbst als »schwachen Anfänger«. 33 Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 36. 34 Vgl. hierzu die langen Gästelisten und Sitzpläne in ThStAG Oberhofmarschallamt Nr. 359 (»betr. die Theater-Vorstellungen in dem Schloße Friedenstein«). 35 Vgl. hierzu wie zum Folgenden den Brief Ernsts II. vom 12. März 1855(?) (DTM, Nachlass Charlotte Birch-Pfeiffer, b. 2, VIII 12181).

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ihn auf der Bühne sah  : »Der Zettel erhält einen Trauerrand, wenn sie nicht kommen…[…] also, also Sie kommen, nicht wahr  ?  !  ?  ?« Der Zettel36, der dann übrigens keinen Trauerrand erhielt, datiert die Vorstellung auf den 17. März 1855 und weist Max von Wangenheim als Regisseur dieser Liebhaberaufführung aus. Interessant ist neben der höfischen Besetzung auch die Zwischenaktmusik, die unter anderem einen Festmarsch aus der Feder des Herzogs sowie eine »Santa-Chiara-Quadrille« von Traugott Krämer und eine »Casilda-Quadrille« von Philipp Fahrbach (1815–1885) enthielt. Daher gibt es auch Vermerke von Musikern in ihren Stimmen zu dieser Vorstellung, zum Beispiel den respektlosen Kommentar eines Bratschers zu den Darstellern37  : »Allerhöchste Herrschaften u. mehrere Affen«. Wieder im März38, ein Jahr später, stand der Herzog in der Rolle des ­»Vicomte von Bolingbroke« in Birch-Pfeiffers »Die Marquise von Villette« auf der Bühne39. Das Stück, dessen Buch sich Ernst II. schon 1854 bei der Autorin selbst besorgen wollte40, war offenbar sehr beliebt, denn es wurde in den Jahren 1857 und 1870 mehrfach wiederholt41. Im März 1868 wagte sich der Herzog sogar unter der Regie Friedrich Haases auf die Bühne, diesmal in »Das Glas Wasser« von Eugène Scribe42. Haase erzählt in seinen Memoiren43, er habe vom Herzog die ausdrückliche Anweisung erhalten, »selbst die geringsten Fehler streng zu rügen«. »Das war nun etwas schwer, weil eine recht freundliche Summe grosser Fehler abzustellen war, bevor ich an die geringfügigen denken konnte. Der Herzog war Feuer und Flamme für die Sache, und die Frische und Erregtheit übertrug sich ersichtlich auf das ganze vornehme Ensemble.« Doch trotz vieler Proben sei der Herzog recht ungeschickt und auf die Hilfe des 36 LBC Cob Q 62,24 Nr. 21  : »Theatralische Vorstellung im Herzoglichen Residenzschlosse. / Sonnabend, den 17. März 1855. / ›Ein Ring‹ / Original-Intriguenstück in 6 Abtheilungen, von Charl. Birch-Pfeiffer. / Regisseur  : Herr Max von Wangenheim.« 37 Vgl. Viola-Stimme in LBC TB Op 243. 38 Offenbar spielte man gerne im alten Ekhof-Theater in Gotha, daher fanden die meisten Dilettantenvorstellungen mit dem Herzog dort statt. 39 Vgl. hierzu StACo LA A 7344 und ThStAGotha Oberhofmarschallamt Nr. 359. 40 Vgl. hierzu den Brief Charlotte Birch-Pfeiffers vom 31. Mai 1854, in dem sie antwortet, sie sei leider schon seit Jahren nicht mehr im Besitz eines Buches des »Marquis von Villette«  ; sie gibt an, wo man es kaufen könne (LBC Ms 299/27). 41 Vgl. hierzu StACo LA A 7344 sowie ThStAGotha Oberhofmarschallamt Nr. 359. Außerdem Wittmann, S. 29f. und Ebart, 100 Jahre, S. 75. 42 Vgl. hierzu StACo LA A 7345. Die Vorstellung des Stückes in der Übersetzung von Alexander Cosmar (1805–1842) fand am 3. März 1868 statt. 43 Haase, S. 92–96. Zum Folgenden.

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Souffleurs angewiesen geblieben. Beim anschließenden Nachtessen habe der Herzog ihn gefragt, welche Gage er wohl mit seiner Leistung erzielen könne. Haase berichtet, er habe geantwortet  : »Ich denke – achthundert Thaler – bei mittleren Bühnen.« Ins allgemeine Gelächter habe der Herzog bemerkt  : »Na, da kann ich also nicht caput gehen.« Dass Ernst II. aber wirklich kein begabter Schauspieler war, bestätigt auch von Ebart, der rückblickend bemerkt44  : »Er konnte den geborenen Fürsten in keiner Rolle verleugnen.« Dennoch wagte der Herzog sich ein weiteres Mal auf die Bühne, und zwar als »Tellheim« in Lessings »Minna von Barnhelm«. Gespielt wurde am 19. und 20. März 1869 in Gotha und am 26. Mai 1869 in Coburg45. Besonders fasziniert war Ernst II. von der Tatsache, dass 102 Jahre zuvor genau dasselbe Werk in Gotha über dieselbe Bühne gegangen sei, und zwar mit Ekhof und Ernsts Großvater als Darsteller46. Überhaupt nicht begeistert vom schauspielerischen Ehrgeiz seines Fürsten war Gustav Freytag, der schon Anfang März 1857 in gewohnter Offenheit an Ernst II. schrieb47  : »Da trägt mir durch Zufall der Wind die düstere Nachricht zu, daß wieder Comödie zu spielen die Absicht ist. Habe diese Neuigkeit durchaus ohne Freude vernommen  ; erstens und vor Allem, wegen Ihrem Befinden  ; dann aber, weil Ew. Hoheit mir in jeder andern Situation besser gefallen, als frisirt [sic] und geschminkt vor dem Souffleurkasten. Sie spielen ja gar nicht schlecht, besser als einer Ihrer Gesellschaft, aber zuletzt ist von wirklicher Kunst ja auch bei Ew. Hoheit Spiel nicht die Rede, und das ganze Vergnügen läuft auf eine anmuthige Thätigkeit vor versammeltem Volk und kleine Befriedigung allerliebster und wohlberechtigter Eitelkeit hinaus. Doch gestehe ich, daß mir jede andere Methode sich zu präsentiren bei einem Herrn, wie Ew. Hoheit ist, besser gefällt, als dies Weibervergnügen, Toilettenwechsel und einstudirte Attituden.«

44 Ebart, Das Coburg-Gothaische Hoftheater, S. 36. 45 Vgl. hierzu StACo LA A 7346  ; Ebart, 100 Jahre, S. 74f. Die Inszenierung lag in den Händen von Emil Devrient. 46 So äußerte sich der Herzog gegenüber Liszt nach dessen Angaben (Brief Liszts an Sayn-Wittgenstein aus Meiningen vom Dienstag, 23. März 1869, vgl. Liszt, Briefe, Bd. 6, S. 213f.). 47 Brief Freytags an den Herzog aus Leipzig vom 5. März 1857 (Tempeltey, 1904, S. 73–76).

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Der Herzog als Komponist

Neben dem Schauspiel war auch die Musik eine klassische Beschäftigung adliger Damen und Herren, komponierende Fürsten waren im 18. und 19. Jahrhun­ dert keine Seltenheit. Im Umfeld Herzog Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha gab es zum Beispiel Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg48, die Kurfürstin von Sachsen Maria Antonia (1724–1780)49 sowie Victoria von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Duchess of Kent, die Mutter von Ernsts Schwägerin Queen Victoria50. Auch Ernsts Bruder Albert komponierte von Jugend auf, sogar eine Oper »Hedwig von Linden« soll er noch 1840 in London fertiggestellt haben51. Allerdings war die Musik bei Albert eindeutig eine Freizeit­ beschäftigung, für die aufgrund zunehmender familiärer und politischer Aufgaben immer weniger Zeit blieb und die sicher nicht denselben Stellenwert hatte wie im Leben seines Bruders. Andere dagegen fanden auch noch als Fürsten Zeit zum Komponieren. Mokrauer-Mainé52 stellt in einem Porträt Ernst II. in eine Reihe mit den Kaisern Leopold I. (1640–1705), Joseph I. (1678–1711), Karl VI. (1685–1740), mit Erzherzog Rudolf (1788–1831), mit den preußischen Königen Friedrich II. (»der Große«), Friedrich Wilhelm III. (1831–1888), Friedrichs II. Schwester Anna Amalie von Preußen (1723–1787), König Georg V. (1819–1878) von Hannover, Prinz Gustav Oscar (1827–1852) von Schweden, Herzog Max in Bayern (1808–1888) und anderen. Von allen Genannten sind Tonschöpfungen überliefert, sie praktizierten die Musik nicht nur als Ausübende, sondern investierten auch Zeit in die Schaffung eines ­Werkes. Warum die Beschäftigung mit der Musik  ? Warum Musik als Teil der adligen Erziehung  ? Gustav Schilling (1805–1880), dessen Schrift »Musikalische Didaktik oder die Kunst des Unterrichts in der Musik« (Eisleben 1851) Herzog Ernst II. gewidmet ist, betont im Vorwort53 die »sittlichendere Kraft« des Musikunterrichts, die zum Ausgleich von Verstand und Gefühl beitrage  : »Der eine 48 Von ihm sind Kompositionen in den Kunstsammlungen der Veste Coburg überliefert (vgl. RISM-Katalog). 49 Sie verfasste unter anderem mehrere Opern und versteckte übrigens auch ihren Namen (allerdings einen Künstlernamen) hinter einem Kürzel (»ETPA«). 50 Von ihr sind mehrere Märsche, Lieder und ein Quintett in der LBC überliefert. Vgl. hierzu auch die Liste adliger Komponistinnen in der LBC (Rita Fischer 2009). 51 Vgl. hierzu Hugo Riemann  : Opern-Handbuch. Leipzig o. J. [1887], Nachdruck Hildesheim 1979, S. 207f. 52 Zum Folgenden vgl. Mokrauer-Mainé, S. 3. – Der Autor nennt »König Gustav von Schweden«, gemeint ist aber wohl der zeitgenössische komponierende Prinz Gustav Oscar. 53 Schilling, S. IX.

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wie der andere ist und bleibt für die Gesellschaft gefährlich, der bloße Verstandes- wie der bloße Gefühlsmensch.« Ernst II. äußert in einem Brief an Gustav Freytag  : »[…] ich brauche die Kunst als Nahrung für mein eigenes Herz«54. Über die intellektuelle Herausforderung des Erlernens und Beherrschens musikalischer Fähigkeiten hinaus war es demnach die Wirkung der Musik auf das Gemüt sowie die Möglichkeit zum Ausdruck von Gefühlen im sonst streng von Äußerlichkeiten und offiziellen Aufgaben bestimmten Alltag, die eine musikalische Betätigung für Personen dieses Standes so attraktiv erscheinen ließ. Das galt selbstverständlich nur für Menschen, denen eine derartige Neigung und Begabung zur Musik in die Wiege gelegt war. Unter welch außergewöhnlichen Umständen dabei manchmal die Musik im Leben eines Herrschers hervortrat, dazu erzählt Ernst II. selbst in seinen Erinnerungen eine Episode mit seinem Onkel Leopold aus der Zeit der Napoleonischen Kriege55  : »Als Führer einer russischen Garde=Cavallerie=Brigade war König Leopold unmittelbar nach der Schlacht von Kulm in Teplitz eingerückt. Er fand die Stadt von Truppen überfüllt und um sich und seinen Stab einzuquartieren, blieb ihm nichts übrig, als das Clarysche Palais in Anspruch zu nehmen, wo Kaiser Franz sein Quartier hatte. Als der Prinz ins Haus trat, um den Kaiser zu bitten, daß ein Theil der Appartements zu Gunsten der ermüdeten Offiziere geräumt werde, fand er den Kaiser beim Triospiel, in der behaglichsten Stimmung, mit der er während des Kanonendonners von Kulm seiner musikalischen Leidenschaft hingegeben war. Indem nun der Kaiser sogleich sich bereit erklärte dem an ihn gestellten Ansuchen zu willfahren, sagte er mit unverwüstlichem Gleichmuth  : ›Ei ja, recht gern, wir können ja auch da unten weiter geigen.‹ Und so geigte er im untern Stockwerk vergnügt weiter.« Doch für Herzog Ernst II. war die Musik mehr als nur ausgleichender Zeitvertreib, darauf deutet schon die Wahl der Gattung »Oper« als musikalischer Ausdrucksform hin. Er ging mit seinen Werken an die Öffentlichkeit, suchte die große Bühne. Hätte er nur für den kleinen Kreis, die herzogliche Hausmusik, komponiert, wäre eine Verbreitung seiner Stücke innerhalb des höfischen Zirkels und in den Hofkonzerten völlig ausreichend gewesen – und so war es ja auch bei vielen anderen komponierenden Adligen und Fürsten. Aber Ernst II. suchte bewusst das größere Publikum und förderte auch das Bekanntwerden seiner Kunst außerhalb seines Herzogtums. Seine Musik galt nicht allein der persönlichen Muße und Erholung, sondern war zugleich eine Botschaft. Dies 54 Brief bei Tempeltey 1904, S. 60–65. 55 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 1, S. 7.

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unterscheidet ihn von den anderen Komponisten hohen Standes. Dieses Wirken-Wollen nach außen wird auch darin sichtbar, dass der Herzog nicht als Instrumentalist Stücke für sich selbst verfasste56, sondern als Opernkomponist auf die Ausführung durch andere angewiesen war. Kompositionsweise Leider stehen keine Skizzen oder Entwürfe in der Handschrift Ernsts II. zur Verfügung, die den Prozess des Komponierens dokumentieren. Nach Angaben Potyras liegt eine einzige gesicherte Notenhandschrift des Herzogs vor, und zwar ein Entwurf des Liedes »Einsamkeit«57. Ob die Abschrift des Chores »An Elsaß-Lothringen« im Album »Straßburger Sängerhaus«58 von 1886 wirklich von der Hand des Herzogs ist, darf bezweifelt werden. Aber wahrscheinlich gab es auch nicht viele Skizzen, denn Ernst II. hatte nach Angaben von Zeitzeugen eine ganz eigene Art zu komponieren59  : »Der Herzog hat zu heißes Blut, um Notenköpfe malen zu können, in welche die Musik seines Innern gebändigt sei. Lebt der Gedanke in seinem Kopf, so schreitet der Herzog durch sein Arbeitscabinet auf und ab, die Melodie vor sich hin pfeifend oder singend, welche seine Gemahlin mit kunstverständigem Sinn währenddem niederschreibt und in Tönen des Flügels wol [sic] auch dann zur Prüfung wiedergibt. So entsteht das neue Werk stückweise und aus Genuß geschaffen.« Schreiber hebt in seiner Biografie der Herzogin Alexandrine deren Rolle noch deutlicher hervor60  : »Auch auf dem Gebiete der Opern- und Liederkomposition wußte die hohe Frau mit feinem Verständnis den Arbeiten ihres erlauchten Gemahles zu folgen und denselben aus der Fülle ihres eigenen Geistes manch’ wertvolle Anregung und Förderung angedeihen zu lassen. ›Des Herzogs treueste Helferin beim Komponieren‹ – so erzählt im Jahre 1859 ein dem Hofe nahestehender Schriftsteller – ›ist die Herzogin, seine Gemahlin. Eine ausgezeichnete Pianistin der gediegensten Schule, vergegenwärtigt sie 56 In diesem Zusammenhang sind wohl die frühen Werke, die Klavierlieder und kleinen Kompositionen, zu sehen. 57 Nr. 1 aus den »Sieben Liedern« (vgl. Potyra 1993, S. 208). 58 »Straßburger Sängerhaus. Sammlung bisher ungedruckter musikalischer und poetischer Blätter in autographischer Darstellung«, hg. v. Straßburger Männer-Gesangverein. Straßburg 1886. 59 Zum Folgenden Schmidt-Weißenfels, S. 25. 60 Zum Folgenden Schreiber, S. 25. Im Anschluss an das Zitat übernimmt Schreiber die Schilderung Schmidt-Weißenfels’.

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durch ihr Spiel dem hohen Komponisten alle seine Ideen, und der Stöckersche Flügel, an welchem alle Opern des Herzogs entstanden sind, steht unmittelbar hinter dem Arbeitstische der Herzogin in ihrem Zimmer, das dicht an das Kabinett des Herzogs stößt.‹« Auch Gustav Freytag erinnert anlässlich der goldenen Hochzeit des Herzogspaares am 3. Mai 1892 an »die Melodien des Flügels, welche unser lieber Herr bei seinen Compositionen der hohen Gemahlin vorsang«61. Angesichts der ähnlichen Aussagen verschiedener Zeugen dürfte also davon auszugehen sein, dass die Vorstellung, der Herzog habe die Melodielinien vorgegeben und seine Gemahlin sie aufgeschrieben, nicht ganz unrichtig sein kann. Durch die Notierung der Gesangsstimmen und wohl auch einer zugehörigen Basslinie62 stand am Ende dieses Prozesses eine Art Particell, vielleicht ergänzt durch Hinweise zum Klang oder zu bestimmten Effekten (Musik auf oder hinter der Bühne usw.). Denn es erscheint naheliegend, dass der Herzog als nahezu täglicher Theaterbesucher ein Repertoire an Bühnen- und Klang­ effekten beherrschte. Die Orchestrierung übernahm dann ein Kapellmeister, woraus Ernst II. ja nie ein Geheimnis macht. »Ehrenrührig« wäre eine derartige Arbeitsteilung aber selbst für einen Berufsmusiker der damaligen Zeit nicht gewesen63, zumal es ja noch keinerlei Prinzip einer rechtlich geschützten Werk­ einheit gab. Weitere Werke Bühnenwerke Die fünf Opern Ernsts II. entstanden direkt hintereinander in den Jahren 1845 bis 1858, dann schien der Herzog erst einmal von der Bühnenkomposition zurückzutreten. Allerdings ahnte schon Hermann Mendel (1834–1876) in seinem »Musikalischen Conversations-Lexikon« Anfang der 1870er Jahre64, dass dies nicht die letzten Werke des hohen Komponisten waren  : »Wenn ein 61 Tempeltey 1904, S. 346. 62 Es ist kaum anzunehmen, dass die musikalische Vorstellung ohne Harmonie einherging. 63 So auch Loos 1996, S. 22  : »Häufig ist die Frage gestellt worden, inwieweit der Herzog sich vielleicht der Hilfe von Berufsmusikern bedient habe. Nach allem, was bislang bekannt ist, hat sich diese Tätigkeit allein auf das Instrumentieren der Komposition bezogen, nach dem Verständnis der Zeit eine absolut zweitrangige Hilfsarbeit, die ohne Verlust an Authentizität abgegeben werden konnte.« 64 Zum Folgenden vgl. Mendel, S. 417.

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regierender Fürst neben seinen Berufsgeschäften eine solche Zahl der verschiedenartigsten musikalischen Kunstschöpfungen, wie sie manche Musiker von Fach nicht aufzuweisen vermögen, geschaffen und noch in der Lebensvollkraft steht, so lässt sich annehmen, dass derselbe in der Kunst noch nicht das letzte Wort gesprochen hat.« Und tatsächlich legte der Herzog in dieser Zeit noch einmal zwei größere Werke für die Bühne nach. Obwohl er gegenüber Marie Seebach so vehement sein Talent zum heiteren Genre verneint hatte, handelte es sich um zwei Operetten  : 1871 »Der Schuster von Straßburg« und 1873 »Alpenrosen«. Beide Werke wurden unter Pseudonymen veröffentlicht, die diesmal nicht so leicht zu durchschauen waren wie sein Namenskürzel65. Sie wurden auch bei weitem nicht so oft aufgeführt wie die Opern, was ein Grund dafür sein dürfte, warum das Notenmaterial bisher nicht aufzufinden war. Während »Der Schuster von Straßburg« am 19. Oktober 1871 im Strampfer-Theater in Wien uraufgeführt wurde66, hatte »Alpenrosen« am 3. Februar 1873 in Hamburg Premiere. Den Text zu »Alpenrosen« hat übrigens Gustav von Meyern-Hohenberg verfasst. »Der Schuster von Straßburg« ist die besser dokumentierte der beiden fast vergessenen Operetten67. Zu dem Einakter, der sich auf eine Episode in der Geschichte des Elsass beziehen soll, existiert ein gedrucktes Textbuch68. Das Werk, dessen Musik Johann Strauß gelobt haben soll69, leidet unter schwerfälligen Versen und ungelenken Reimen. Die Sprache ist bisweilen sehr pathetisch, was nicht zuletzt auf das patriotische Thema der Operette zurückzuführen ist. Es geht um den alten Streit zwischen Deutschland und Frankreich um das Elsass. Die Handlung spielt im Jahr 1681, als Straßburg von den Franzosen in großer Übermacht belagert wird. Der Bürgermeister sowie der Magistrat wollen die Stadt kampflos übergeben. Der Schuster Wilhelm Redlich jedoch, der in Marie, die Nichte des Stadtschreibers, verliebt ist, will auf keinen Fall kapitulieren. Marie ist zunächst auf der Seite ihres Onkels und trägt mit Wilhelm wilde Wortgefechte über die Unterschiede zwischen Deutschen und Franzosen aus. 65 Beim »Schuster von Straßburg« nennt er sich »Otto Wernhard«, der Komponist von »Alpenrosen« wird mit »N. v. K.« angegeben. 66 Hierzu wie zum Folgenden Stieger, Teil II, Bd. 1, S. 312. 67 Z. B. auch erwähnt bei Anton Bauer, Opern und Operetten in Wien, S. 90. 68 »Der Schuster von Straßburg. Historische Operette in einem Akt. Text und Musik von Otto Wernhard. In Wien am Strampfer-Theater den 19. Oktober 1871 mit großem Erfolge zum ersten Male aufgeführt. Die Partitur wird nur auf feste Bestellung eingesandt.« Wien 1871. – Digital verfügbar im OPAC der BSB. 69 Vgl. Heußel, S. 40.

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Sie bezeichnet Wilhelm als »groben Deutschen« (4. Szene) und versichert  : »Es gibt unter den Franzosen ebenso ehrliche Leute, als unter den Deutschen, nur daß sie höflicher sind. Ihr könntet viel von ihnen lernen«. In einer höchst amüsanten Ariette äfft Marie dann sowohl den »deutschen Trampel« als auch den französischen Weiberheld nach (beim Tanz, bei der Brautwerbung) und stellt deren Arten gegenüber. Wilhelm, dessen Wut Marie noch durch einen Flirt mit einem Franzosen anstachelt, bricht mit ihr. Als es schließlich zur Übergabe der Stadt an die französischen Truppen kommt, gibt Wilhelm einen Schuss ab (»Daß nicht die Nachwelt einst entsende / Die Trauermähr dem deutschen Mann  : / Straßburg fiel in Feindeshände, / Und habe keinen Schuß gethan.«). Er wird verhaftet und der Stadt verwiesen, wobei Marie und ihr französischer Verehrer Schlimmeres verhindern. In der letzten (10.) Szene schließlich wider­ ruft Marie ihre Schwärmerei für die Franzosen (»…da fühlte ich, was ein deutscher Mann werth sei gegenüber all’ den Zierlingen und feigen Memmen«) und verlässt mit Wilhelm die Stadt. Im Unterschied zu den Opern wird Ernst II. in diesem Werk offen politisch und zuweilen auch polemisch. In einem Lied in der zweiten Szene heißt es  : »Es ist des Deutschen Sitt und Art,/ Zu leben mit der Welt in Frieden, / Wir schaffen Arbeit, schwer und hart, / Und tragen, was uns Gott beschieden. / Wir sitzen so froh beim Glase Wein / Und lassen uns nicht gern zum Zanken ein, / Verzeihen manche schwere Schuld. / Berühmt ist unsere Geduld. / Doch hilft nicht mehr Güte, Liebe / Noch ein Mittel übrig bliebe  : / Deutsche Hiebe  !« In der zweiten Strophe geht es dann gegen die Franzosen  : »… Bleib’ Du in Deinem Frankenland. / Reich’ freundlich uns die Bruderhand.« Denn sonst drohten  : »Deutsche Hiebe  !« Man darf hier natürlich den nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Sieg über Frankreich und der Gründung des deutschen Kaiserreichs nicht außer Acht lassen. Aber angesichts der Form und des Inhalts des Textes erscheint es – besonders im Vergleich mit den fünf Opern – nicht besonders verwunderlich, dass sich der Herzog bei diesem Werk hinter einem Pseudonym zu verstecken suchte und auch die Verbreitung nicht weiter befördert zu haben scheint. Immerhin gibt es einige wenige Zeilen, in denen die Werte und Vokabeln der national-liberalen Partei noch einmal anklingen. So etwa in der neunten Szene, wenn Wilhelm als Vertreter des selbstbewusst-­ patriotischen Bürgertums singt  : »Wenn mancher hohe Herr auch schweigt / Und kriechend seinen Nacken beugt – / Der Bürger dien’ euch nicht zum Spotte, / Er trotzt auch noch im Eisenband.« Auch der Satz Wilhelms am Ende der zweiten Szene scheint mehr politisch gemeint  : »Einig, einig, einen Tag nur einig, und die Welt gehört uns.«

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Zu der Aufführung der Operette in Wien gab es kurze Meldungen in der Presse. Die »Revue et gazette musicale de Paris«70, die das Werk natürlich französisch betitelt (»Le Cordonnier de Strasbourg«), hatte das Pseudonym sofort durchschaut und schrieb zur Musik  : »Le haut et puissant dilettante s’inspire tantot de Verdi, tantot d’Offenbach.«71 Etwas später, am 22. November 1871, nahm sich auch ein Rezensent der »Allgemeinen musikalischen Zeitung«72 des Werkes an. Bemerkenswerterweise urteilt er  : »Der Text ist interessanter als die über den gewöhnlichen Opernstil nicht hinausgehende äusserst erfindungsarme Musik.« Auch wenn er die Aufführung am Wiener Theater als »musterhaft« lobt, beschreibt er die »kleine Novität« als »für eine Oper zu genrehaft und klein gedacht, für eine Operette mit zu schwerfälligem Beiwerke belastet«. Die politischen Implikationen blieben aber auch so weit vom Elsass entfernt natürlich nicht unbemerkt  : »Jene Stellen der zu Ludwig XIV. Zeiten spielenden Operette, in welchen sich so recht manifestirte, dass damals gegen die annectirenden Franzosen von den Elsässern dieselben Standreden wie jetzt gegen die Deutschen gehalten wurden, erweckten sympathischesten [sic] Beifall.« Nicht lange nach den beiden Operetten hatte Ernst II. offenbar ein Buch gefunden, das er sich als Libretto für eine neue Oper vorstellen konnte. Er schickte es zur Begutachtung an Gustav Freytag, hatte demnach also den Gedanken an die Komposition weiterer Bühnenwerke keineswegs bereits aufgegeben. In einem Brief zum Geburtstag des Herzogs im Juni 187573 bezieht sich Freytag auf das epische Gedicht »Mariken van Nimwegen« von Luise von Plönnies74. Er habe es gelesen und rate dringend davon ab. »Ich meine, es sind Melodien aus dem Thema der Diana v. Solange, welche meinem lieben Herrn noch in der Seele summen, weil Prechtlers Arbeit das, was Sie damals wollten, nicht voll zur Geltung brachte.« Der Stoff – im Wesentlichen die Konfrontation einer Heldin mit dem Teufel – sei abgenutzt, so Freytag. Und obwohl er nicht sicher sei, was für einen Stoff der Herzog eigentlich suche, ermuntert Freytag ihn  : »Aber geben Ew. Hoheit die Absicht, wieder aus freier Seele et70 »Revue et gazette musicale de Paris«, 38. Jg., Nr. 41, vom 5. November 1871, S. 315. Zum Folgenden. 71 »Der hohe und mächtige Dilettant lässt sich mal von Verdi, mal von Offenbach inspirieren.« 72 AMZ, Nr. 47, vom 22. November 1871, Sp. 750. 73 Brief Freytags an den Herzog vom 20. Juni 1875 (Tempeltey 1904, S. 268–270). Zum Folgenden. 74 Luise von Ploennies lebte nach 1847 einige Jahre in Belgien und war dort Mitglied der königlichen Akademie. Das erwähnte Werk erschien 1853 in Berlin.

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was größeres zu schaffen, ja nicht auf. Ihre Neigung dazu habe ich mit wahrer Freude begrüßt, denn in solcher Sammlung und Vertiefung, wie sie der Schaffende nöthig hat, liegt immer ein Segen, und dergleichen Arbeit giebt den Tagen eine Weihe.«75 Der Herzog antwortet zehn Tage später76, er halte das Sujet der »Teufelin« noch nicht für abgenutzt und man könne es außer in der Art Webers oder Offenbachs77 auch noch auf andere Weise musikalisch umsetzen  : »Aber ich meine, es ist eine dritte Auffassung denkbar, die des poesievollen Märchens, der geheimnisvollen Sage, und diese ist gerade in unsern Tagen durch Richard Wagner in Mode gekommen. Erinnern Sie sich nur an den Tannhäuser und Lohengrin, – unsere ungläubige Welt wird gläubig vor dem Wunder, das sich auf der Opernbühne vollzieht. In solchem Sinne hatte ich mir das Thema gedacht, und so müßte auch das Libretto, falls es überhaupt möglich ist, behandelt werden.« Er stimme allerdings mit Freytag darin überein, dass das Buch so zu lang und »mit ungenießbarer Romantik getränkt« sei. »Ich werde versuchen, die Sache erst noch weiter durchzudenken, namentlich auch mit Berücksichtigung dessen, was die moderne Bühne an wirksamen Ausstattungs- und Maschinerie-Ueberraschungen gestattet. Und dann werde ich mich bemühen, Ihnen schriftlich Situationen und Stimmungen, eigentlich also die Fabel, wie ich sie mir vorstelle, klar darzulegen, um aufs neue Ihr Urtheil darüber zu hören.« Dies sollte jedoch nie geschehen, unter anderem auch deshalb, weil Freytag sich in den nächsten Wochen und Monaten um seine schwer kranke Frau kümmern musste, die am 13. Oktober des Jahres dann verstarb78. Zwei Hymnen Zwei sehr bekannte Stücke von Herzog Ernst II. heißen »An die deutsche Trikolore« und »Auf die Macht des Gesanges/Lobpreiset laut«. Beide Kompositionen sind für Männerchor mit Blechbläserbegleitung gesetzt und werden 75 Diese Äußerung steht übrigens in deutlichem Widerspruch zu Freytags diesbezüglichen Ratschlägen in früheren Jahren, als er dem Herzog riet, sich mehr auf das politisch-militärische Geschäft zu konzentrieren (vgl. das Kapitel zu Gustav Freytag). Wahrscheinlich hatte Freytag bemerkt, dass der Herzog nach Vollendung seines großen politischen Ziels (1871) wieder Beschäftigung für seinen unruhigen Geist suchte. 76 Brief Ernsts II. an Freytag vom 30. Juni 1875 (Tempeltey 1904, S. 270–271). Zum Folgenden. 77 Freytag hatte vorgeschlagen, das Thema ähnlich wie Weber oder Offenbach zu vertonen. Dafür hielt sich der Herzog jedoch nicht für befähigt. 78 Vgl. hierzu Tempeltey 1904, S. 271 (Fußnote) und 272.

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gelegentlich einfach nur als »Hymne« bezeichnet. In den Akten wie in Besprechungen werden sie daher manchmal verwechselt79. »An die deutsche Trikolore« ist ein patriotischer Chor, dessen Text Gustav von Meyern-Hohenberg verfasst hat. Das Stück steht in B-Dur, im ¾-Takt80 und beginnt mit den Worten »Altes Banner deutscher Größe«. Es wurde auf den Sängerfesten, für die es eigens komponiert war, regelmäßig gesungen. Die Uraufführung fand auf dem Nürnberger Sängerfest von 1861 statt81  : »Dort stand die Sehnsucht nach alter Reichsherrlichkeit, nach deutscher ›Größe‹ und deutschem ›Ruhm‹ im Mittelpunkt. Im Komponisten erblickte die Nationalbewegung zeitweilig einen heimlichen ›Volkskaiser‹, eine charismatische Führergestalt im Kreise der Bundesfürsten, von der sie sich laut Liedtext die Erlösung von der nationalen ›Zwietracht‹ als dem Grundübel der deutschen Geschichte erhoffte.« So schwärmt diese Flaggenhymne von einer neuen Reichsherrlichkeit mit einem starken Volkskaiser. Wie bekannt die Komposition im gesamten deutschsprachigen Raum war, zeigt beispielsweise ein Brief des Direktors der Teplitzer Turmmusikkapelle vom 30. März 188782, der einen Zeitungs­artikel über das Schlusskonzert des Teplitzer Männergesangvereins nach Coburg schickte, in dem »An die deutsche Trikolore« vorgetragen worden war. Auch die oft nur als »Hymne für Männerchor« bezeichnete Vertonung eines Texts von Müller von der Werra (Beginn  : »Lobpreiset laut«) war regelmäßiger Programmpunkt bei Vereins- und Sängerfesten, wurde nach späteren Angaben des Verlages sogar auf jedem deutschen Musikfest gesungen83. Ohorn berichtet84, der Herzog selbst habe den Dichter 1859 in die Ehrenburg bestellt und um einen Text für einen »markigen Hochgesang, eine Hymne« gebeten. Den Stoff habe Müller von der Werra selbst wählen dürfen. Als Vorlage empfahl ihm der Herzog angeblich den Choral »Ein feste Burg ist unser Gott«. Sehr passend erscheint da die Legende zur Entstehung des Textes, der dem Dichter bei einem Spaziergang auf der oberen Bastei der Veste Coburg in den Sinn gekommen sein soll. Auch rhythmisch orientierte sich Müller von der Werra an dem alten Choral, und die neue Hymne wurde gerade auch wegen des Tempo­ 79 In der Literatur z. B. bei Wittmann, Santa Chiara. 80 Vgl. hierzu auch die Einträge im RISM-Katalog. 81 Klenke 1995, S. 167. Vgl. außerdem einen Zeitungsartikel in StACo LA A 7364 sowie Klenke 1998, S. 111. 82 StACo LA A 7364, f. 122–123. 83 Vgl. Loos 1996, S. 25. 84 Zum Folgenden Ohorn, S. 216–218. Die Beliebtheit der Komposition bestätigt auch Mokrauer-Mainé, S. 28.

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wechsels schnell ein beliebtes Chorstück. Es beginnt im 4/4-Takt in As-Dur und ist in allen möglichen Arrangements überliefert85. Die Aufführungen im In- und Ausland sind kaum zu zählen86. Als Beispiele seien hier das Bielefelder Sängerfest der »Norddeutschen Liedertafeln« im Juli 186087, ein Konzert des Mainzer Männer-Gesangvereins am 17. Dezember 186088, ein Hofkonzert in Coburg am 18. Dezember 186989 sowie ein »Großes Vocal- und Instrumentalconcert«90 mit einer freien Sängervereinigung und der Kapelle des 3. Thüringischen Infanterie-Regiments im Jahr 1877 in Erfurt genannt. Später erfuhr die »Hymne« von Müller von der Werra eine interessante Umarbeitung, indem sie mit französischem Text91 als »Hymne à la paix« in Belgien und Frankreich aufgeführt wurde. In Belgien erklang sie zur Eröffnung des neuen Konzertsaals in Brüssel im September 1869  ; hierzu existiert ein großformatiges Album mit Noten und Bildern im Coburger Staatsarchiv92. Zum 20-jährigen Jubiläum der Schießstätte »Tir National« im Norden Brüssels fand eine weitere Aufführung der »Hymne« statt, diesmal – nach Angaben des Chorleiters und Offiziers Edouard Meurant (gest. 1916)93 – mit sage und schreibe 800 Musikern und in Anwesenheit des belgischen Königs. In Frankreich dagegen gewann die französische Version der ursprünglich deutschen Hymne einen Preis beim Wettbewerb von Dreux94. Das Stück, das wohl die am weitesten ver85 Vgl. hierzu die Kataloge von LBC und RISM. Es gab z. B. Bearbeitungen für Klavier vierhändig oder mit großem Orchester. 86 Im RISM-Katalog fällt auf, dass das Stück offenbar auch in der Schweiz gerne gesungen wurde. 87 Klenke 1998, S. 100. 88 NRMZ, 9. Jg., Nr. 1, vom 5. Januar 1861, S. 8  : Bei dem Konzert, das unter der Leitung von Kapellmeister Lux stand, wurde der Männerchor von einem Orchester unterstützt. Auf dem Programm standen viele patriotische Kompositionen, z. B. ein deutsches Lied von Fr. Schneider, der »Germania-Marsch« von Lux, die Chöre »Haltet Wacht« und »Das treue deutsche Herz« von Carl Friedrich Zöllner sowie »Soldaten-Abschied« von Julius Stern  ; auch Mendelssohns Ouvertüre zu »Ruy Blas«. Die Einnahmen kamen schleswig-holsteinischen Beamten zugute. 89 Vgl. hierzu StACo Theater 12, f. 213. 90 Vgl. Programmzettel in StACo LA A 7363, f. 161ff., leider ohne genaues Datum. 91 »Le roi des rois de sa grandeur«, französischer Text von Gustave Oppelt. 92 Vgl. StACo Bildsammlung VI 6, 16°-0. Details dazu im RISM-Katalog unter ID no. 45011 3935. 93 Vgl. Brief Meurants in StACo LA A 7363, f. 332f., leider ohne genaues Datum. 94 Vgl. Artikel in den »Bremer Nachrichten« vom 12. März 1892 (enthalten in StACo Theater 15), in der »Geraer Zeitung« vom 13. April 1892 (in StACo Theater 14). Allerdings wird hier behauptet, die »Hymne à la paix« sei eine Umarbeitung der Hymne »An die deutsche Trikolore«.

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breitete Komposition Herzog Ernsts II. darstellt, hatte demnach ein interessantes Schicksal  : Als ursprünglich deutsch-patriotischer Chor für nationale Sängerund Vereinsfeste geschrieben, wurde es durch Umtextierung im Feindesland auf einmal zu einem prämierten Friedenslied, das dann wiederum auf einer militärischen Ausbildungsstätte in Belgien von den Massen dem gewählten König vorgetragen wurde. Ursprünglich wollte der Herzog mit diesen Kompositionen ganz offensichtlich einen Beitrag leisten zur Vielzahl der patriotischen Kompositionen, mit denen das Gemeinschafts- und Nationalgefühl der Massen gestärkt werden sollte. Als wichtiger Vertreter der Nationalbewegung, der der herrschenden Elite angehörte, wandte er sich hier auf direktem Wege an sein Volk, das er für seine politischen Ziele zu motivieren versuchte95. Sowohl »An die deutsche Trikolore« als auch die »Hymne für Männerchor« wurden dem Hofmusikalienhändler Ziert in Gotha in Kommission gegeben96. Kurz nach Erscheinen, in den Jahren 1860 bis 1863, verkauften sich beide Werke extrem gut. Allein zwischen Mai und November 1860 verkaufte Ziert von der »Hymne für Männerchor« 143 Partituren, 193 Klavierauszüge sowie 720 Singstimmen. Im Jahr darauf waren es sogar 147 Partituren, 200 Klavierauszüge und 758 Singstimmen, die Freiexemplare nicht mitgerechnet. Anders als bei den Opern dürften die Drucker und Händler mit diesen Werken des Herzogs ein gutes Geschäft gemacht haben. Eine Kantate Ein weiteres erwähnenswertes Stück aus der Feder des komponierenden Herzogs ist die Kantate »Aller Seelen«, die auf einen Text von Eduard Duller (1809–1853) gesetzt ist. Die Orchestrierung ist von Ernst Lampert, das Werk entstand wohl kurz vor Regierungsantritt des Herzogs97. Nach der Uraufführung in einem Gothaer Hofkonzert am 16. Januar 1844, bei einem der letzten öffentlichen Auftritte Herzog Ernsts I.98, wurde die Kantate in Coburg am 21. Juni des Jahres wiederholt – sie mag zur noch von Trauer überschatteten Geburtstagsstimmung des jungen Herzogs gepasst haben. Sie wurde dann erneut am 4. April 1847 in Coburg aufgeführt99, erklang unter anderem in 95 Zur Vermittlung der Ziele des Nationalismus in der Musik vgl. auch Mecking. 96 Hierzu wie zum Folgenden vgl. StACo LA A 7371. 97 Vgl. LBC TB Ser 35. Näheres im KBM, Bd. 20/1, S. 334. Dort auch einige Aufführungsdaten. 98 Ein weiteres Hofkonzert fand zwei Tage später statt. Dabei wurde in Anwesenheit Liszts das Werk »Immer Liebe« von Ernst II. gespielt. 99 Wittmann, Santa Chiara, S. 9, behauptet, dies sei die Premiere gewesen.

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einem Hofkonzert an Neujahr 1850 im Riesensaal der Ehrenburg100 und war auch die Trauermusik für die verstorbene Herzogin Marie, die Stiefmutter Ernsts II., im Jahr 1860101. Außerdem begleitete diese Musik auch den Sarg ihres Komponisten, als dieser zu Beginn des Trauergottesdienstes in die Morizkirche getragen wurde102. Übrigens war – trotz des bedächtigen geistlichen Textes – der Choral aus dieser Kantate das Eröffnungsstück für den zweiten Coburger Sängertag, zu dem der Coburger Sängerkranz am 29. und 30. Juli 1855 eingeladen hatte103. Eine Kantate von Ernst II. wurde auch am 20. April 1879 in Salzburg aufgeführt, in einem Festkonzert des Dom-Musik-Vereins und des Mozarteums, das anlässlich der bevorstehenden Silberhochzeit des österreichischen Kaiserpaares und zugunsten des Pensionsfonds des Mozarteum-Orchesters veranstaltet wurde. Dazu existiert ein ausführlicher Briefwechsel104, in dem sich der »Kapellmeister und Artist. Director des Mozarteums«, Otto Bach (1833–1893), mit der Intendanz in Coburg auseinandersetzt. Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei der gespielten Kantate (die leider nicht näher bezeichnet wird) um eine stark veränderte Fassung von »Aller Seelen«, zugeschnitten auf den feierlichen Anlass. Sie trug nun den Titel »Lenz und Friede«105. Am 19. Februar 1879106 wendet sich Bach erstmals an die Coburger Intendanz und wünscht sich für sein geplantes Festkonzert am 20. April eine neue Komposition des Herzogs, am besten einen Hymnus für Chor und Orchester mit einer Dauer von ca. 15 Minuten. Zunächst verweist man ihn offenbar auf bereits bekannte Werke Ernsts II.107, aber Bach bleibt hartnäckig, bis er die Auskunft erhält, eine eigens angefertigte Neukomposition werde gerade instrumentiert und abgeschrieben. Interessant ist ein Brief des Kapellmeisters Krämer an den Kabinettsrat Becker vom 10. März 1879108, in dem jener den 100 Ebart, 100 Jahre, S. 36. 101 Letzteres ist laut Potyra (KBM, Bd. 20/1, S. 334) aus dem Orchestermaterial zu entnehmen. 102 Vgl. das Programm der Feierlichkeiten zur Beisetzung Ernsts II. am 28. August 1893 (LBC Q 59 8, Nr. 39). 103 Vgl. hierzu das Programm des »zweiten Coburger Sängertags« (StadtACo Bestand A., Signatur 12.255 »Acten des Koburger Sänger=Kranzes«, f. 33). 104 StACo LA A 7364. 105 Vgl. LBC TB Ser 19 (KBM, Bd. 20/1, S. 335)  : »Lobgesang für Sopran- und Tenor-Solo, Chor und grosses Orchester«. Die Kopie ist auf März 1879 datiert, was zeitlich genau zu den geschilderten Vorgängen passt. 106 StACo LA A 7364, f. 4 und 5. Zum Folgenden. 107 Vgl. Briefwechsel in StACo LA A 7364, f. 6–20. Zum Folgenden. 108 StACo LA A 7364, f. 9 und 10.

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Eingang einer Kantatenpartitur bestätigt und zusichert, dass ein Stück der gewünschten Art »daraus zu machen sein würde  ; freilich mit gänzlich verändertem Text und Hinweglaßung nicht paßender – besonders Mollsätze.« Einige Kritik, die Krämer in den folgenden Zeilen an der Musik und der Instrumentierung äußert, scheint vor allem gegen seinen langjährigen Konkurrenten, Kapellmeister Lampert, gerichtet zu sein109. Trotzdem entschuldigt Krämer sich vorsichtshalber für seine Offenheit, verspricht, das ganze Werk »einheitlicher« zu gestalten, und schlägt konkrete Kürzungen und Änderungen vor. Außerdem meint er sich zu erinnern, dass dieses Werk vor 35 Jahren im Beisein Liszts beim letzten Konzertbesuch Ernsts I. in Gotha gespielt worden sei (wobei er sich allerdings um zwei Tage getäuscht haben dürfte). Als Bach unter Zeitdruck immer dringender um die Zusendung der Noten bittet, stellt Krämer ein Team von geübten Schreibern auf die Beine, die in kürzester Zeit das ganze Material kopieren bzw. neu schreiben (darunter 150 Chorstimmen  !). Stolz meldet er am 31. März 1879 an Becker  : »Ich habe fertig gebracht, die Wünsche Sr. Hoheit in Allem zur Ausführung zu bringen indem – mit Benutzung der alten – eine ganz neue Cantate entstanden ist. Auch äußerlich erinnert nichts an das alte Werk.« Am 20. April ging die Kantate mit über 300 Mitwirkenden unter Bachs Leitung in Salzburg über die Bühne110. Weitere Programmpunkte in diesem Konzert waren unter anderem der Hochzeitsmarsch und Brautchor aus Wagners »Lohengrin«, ein »Largo« von Händel und ein Chor von Beethoven. Bach selbst, sein Chordirektor Franz Xaver Jelinek (1818–1880), aber auch die Presse berichten vom großen Erfolg des Konzertes. Bach, der in einem Brief an den Herzog den Beifall für dessen Kantate besonders hervorhebt, bietet im gleichen Atemzug sein Werk »Die Argonauten« für das Hoftheater an. Doch während Krämer, der dem Herzog die Drucklegung der Kantate empfiehlt, im Dezember 1880 schließlich Partitur und Klavierauszug als Geschenk überlassen bekommt111, muss Bach damit leben, dass sein eingesandtes Stück in Coburg-Gotha nicht zur Aufführung kommt112. Die Kantate »Lenz und Friede« 109 Zum Beispiel bemängelt Krämer die Doppelgriffe in den Streichern und die Instrumentierung des Chorals »Aller Seelen«, die der des Chores »Wachet auf« in Mendelssohns Oratorium »Paulus« zu sehr ähnele. 110 Krämer hatte von der großen Besetzung in Salzburg erst zu spät erfahren und zu wenig Orchesterstimmen geschickt. Krämer schreibt, er habe sich an der Coburger Besetzung orientiert (3xVl1, 3xVl2, 2xVla, 3Vc+B), die Salzburger Forderung lautete aber 6–5–3–2–2. Hierzu wie zum Folgenden StACo LA A 7364, f. 19–41. 111 StACo LA A 7364, f. 69. 112 StACo LA A 7364, f. 40 und 41.

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wurde dann noch einige Jahre in Hofkonzerten aufgeführt, unter anderem am 2. Januar 1889113. In einem Porträt des herzoglichen Komponisten in der Zeitschrift »Daheim« 114 wird sie lobend erwähnt. Der Fackeltanz Seinen »Fackeltanz«, komponiert für die Vermählung des Prinzregenten von Baden mit der Prinzessin Luise von Preußen (1838–1923) am 20. September 1856, erwähnt Ernst II. sogar in seinen Memoiren115 – in denen die Musik ansonsten keine Rolle spielt. »Die musikalische Forderung, welche zu diesem Zwecke an den Componisten gestellt ist, bietet große Schwierigkeiten, denn es handelt sich dabei um eine Art von Polonaise im dreiviertel Takt, welche doch weit entfernt von der Leichtigkeit eines Walzers, den Charakter des Feierlichen und Ernsten bewahren soll. Unter den Concurrenzarbeiten, die vorlagen, waren die meinige und die von Meyerbeer angenommen worden.« Darauf war der Herzog spürbar stolz, sicher auch, weil der Fackeltanz eine alte Tradition am preußischen Hofe darstellte. Im Kleinen war diese Komposition eine Verbindung von musikalischer Neigung, Pflege höfischer Tradition und Gestaltung eines vor allem politisch relevanten Aktes, was vielleicht der Grund dafür ist, warum Ernst II. ausgerechnet dieses Werk in seiner Autobiografie anspricht. Zudem genoss sein Werk »ganz außerordentlichen«116 Erfolg bei der Aufführung in Berlin. Eine der insgesamt vier Fackeltanz-Kompositionen von Giacomo Meyerbeer hörte der Herzog übrigens bei einem Aufenthalt in Paris, als er dem Instrumentenbauer Adolphe Sax (1814–1894) einen Besuch abstattete, um dessen Instrumente (Saxophon, Saxhorn) kennenzulernen117. Und auch der herzog­ liche Kapellmeister und Mitarbeiter an den Opern, Traugott Krämer, versuchte sich einmal an einem »Fackeltanz«, als ihm um die Jahreswende 1877/1878 ein paar »Mußestunden« zur Verfügung standen118.

113 StACo Theater 12, f. 241. 114 »Daheim«, Jg. 28, Nr. 37. Ausschnitt in StACo Theater 17, f. 21. Zum Folgenden. 115 Zum Folgenden vgl. »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 344. 116 Wittmann, Santa Chiara, S. 30. 117 Dies geht aus einem Tagebucheintrag Meyerbeers vom 11. März 1854 hervor (Meyerbeer, Bd. 6, S. 272). Zum Folgenden. 118 Vgl. Brief Krämers an den Kabinettsrat Becker vom 19. Januar 1878 (StACo LA A 7363, f. 340–341).

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Lieder, Märsche, Kammermusik Neben den Opern und den genannten Werken für besondere Anlässe schrieb Herzog Ernst II. noch eine größere Anzahl an Liedern, Märschen und Kammermusikstücken. In einem Verzeichnis aller Musikalien in der Herzoglichen Privatbibliothek von 1877 sind die Kompositionen des Landesherrn in einem eigenen Bestand zusammengefasst119. Ihre Zahl ist mit 30 angegeben, was angesichts der vielen aus den Jugendjahren stammenden Lieder zu niedrig erscheint. Den größten Teil der Liste nehmen Abschriften und Bearbeitungen der Opernmusik ein, dazu die Hymnen und der Fackeltanz in verschiedenen Arrangements. Nur wenige Lieder sind genannt (»Ave Maria«, »Zum grünen Kranz«, »Die Wolke«, »Der Spielmann«  ; »Heimweh«, kleines Lied auf einen Text von Rückert), dazu die Deklamation mit Klavier und Cellobegleitung »An die Ferne« sowie eine Fantasie für Klavier, Cello und Aelodicon. Außerdem lagen damals noch zwei interessante Mappen vor  : eine mit »Musicalischen Entwürfen«, eine weitere mit Kompositionen der nächsten Verwandten Ernsts II. (Albert  ; Herzog August von Gotha  ; Duke of Edinburgh). Auch in einigen musikalischen Sammelwerken (Mozart-Album, Weber-Album) war der Herzog mit kleinen Beiträgen vertreten. Ein 1885 von Leuckart in Leipzig gedruckter »Festmarsch«120 des Herzogs ist in dem Verzeichnis nicht nachgetragen worden. Diese kleineren Kompositionen scheinen ausdrücklich für die Verwendung im Familienkreise oder bei den Hofkonzerten verfasst zu sein. Ein Hinweis darauf ist, dass nicht alle gedruckt wurden und dass selbst bei Drucklegung nur eine sehr begrenzte Anzahl an Exemplaren vom Herzog angefordert wurde121. Lieder und Arien des Herzogs waren bis zu seinem Lebensende konstant in den Hofkonzerten vertreten. Die Programme waren oft sehr bunt durchmischt, gelegentlich auf bestimmte Solisten ausgerichtet. Von den Liedern sind beispielsweise »An die Ferne« in einem Hofkonzert im Januar 1888 und »Wenn Deine Lieben von dir gehen« (in einer Bearbeitung für Klavier zu vier Händen, Aelodicon und Horn) im Dezember 1871 nachweisbar122. Der Umgang mit diesen Kompositionen ist ein gänzlich anderer als das Verhalten des Herzogs im Bezug auf seine Opern. Diese schrieb er für die größtmögliche Öffentlich119 StACo LA A 7363, f. 233–234v. 120 Vgl. den Schriftwechsel mit der Firma Leuckart aus dem Jahr 1885 (StACo LA A 7364, f. 116, 117, 119). 121 Beim erwähnten »Festmarsch« waren es nur 20 bis 24 Exemplare. 122 Vgl. hierzu die Programme der Hofkonzerte (StACo Theater 12  ; zu den zitierten Konzerten f. 199, 215).

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keit, förderte (auch unter finanziellen Verlusten) ihre Verbreitung und geizte nicht mit Orden und Auszeichnungen für die Ausführenden. Dagegen waren die kleineren Kompositionen oft Ergebnisse der Lehrzeit in der Jugend oder während des Studiums und waren nicht mit demselben Ehrgeiz verfasst wie die auf ein größeres Publikum zielenden Werke. Betrachtungen zu Herzog Ernst II. als Komponisten Herzog Ernst II. war sich trotz aller künstlerischen Ambitionen stets bewusst, dass er »nur ein Dilettant«123 war, und »nicht einmal ein besonderer«. Abgesehen von seiner persönlichen Vorliebe für die Musik, die er als »Nahrung für sein Herz« empfand, sah er seine verschiedenen Aktivitäten im Bereich der Kunst und des Theaters auch als Weg an, sich dem Volk zu nähern und die Menschen für sich zu gewinnen. Daher lehnt er auch im bereits zitierten Brief an Freytag die Fixierung auf eine einzige Tätigkeit ab124  : »Die Deutschen sind ein eigen Volk  ; man muß in fremder Tracht sich nähern, um gesehen zu werden und so komme ich als Künstler, Gelehrter, Militär gekleidet.« In der Vielseitigkeit sah der Herzog gerade seine Stärke, und diese spielte er nach seinen Möglichkeiten aus. Auf dem Gebiet der Musik war er sich seiner Fähigkeiten relativ sicher, scheute sich auch nicht, gegebenenfalls einen Mangel zuzugeben. Seine Opern ließ er regelmäßig von erfahreneren Komponisten begutachten und nahm Hinweise zur Verbesserung meist an. In einem Brief vom 23. Februar 1857125 an Marie Seebach, die ihn offenbar aufgefordert hatte, doch einmal etwas Komisches zu schreiben, konstatiert der Herzog sachlich  : »Hatten sie mir die Ehre erwiesen, mich zu einer so schwierigen Arbeit zu erwählen, so bedaure ich unendlich, daß ich weder Fähigkeit, noch Beruf dazu besitze. Mein geringes Talent neigt sich allein zur opera seria, – hat ja auch mein ganzes Leben zu sorgenlosem Scherz keine Ursache gehabt  ! Sollte daher der Wunsch in Ihnen noch rege sein, irgend eine Dichtung, die Ihnen lieb ist, mit dem prunklosen Gewande meines musikalischen Accompagnements umgeben zu lassen, so bitte ich um ernst-lyrische Dichtungen, Balladen, gehaltene Gefühlsergießungen u.s.w. Die melodramische [sic] Form leiht besonders schwermüthigen 123 Vgl. die Äußerung in einem Brief aus dem Jahr 1856 an Gustav Freytag (Tempeltey 1904, S. 60–65  ; auch zum Folgenden). Vgl. hierzu auch das Kapitel zu Gustav Freytag. 124 Tempeltey 1904, S. 63. Noch mehr zu diesem Brief im Kapitel zu Gustav Freytag. 125 Hier zitiert nach Hirschberg 1910, S. 123.

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und tiefgehenden Dichtungen einen besonderen Reiz.« Ähnlich äußert sich Ernst II. auch gegenüber Gustav Freytag, als er mit diesem im Jahr 1875 die mögliche Vertonung eines vorliegenden Librettos diskutiert126  : »Was nun die beiden Opernstile betrifft, die Sie für das Süjet als die einzig möglichen statuiren (Weber oder Offenbach), so habe ich für beide kein Talent, halte auch beide für ziemlich abgenutzt.« Seine musikalischen Vorbilder standen dem Herzog aufgrund seiner umfassenden Repertoirekenntnisse klar vor Augen  : Vor allem Mendelssohn hatte es ihm angetan. In einem Vortrag über Musikgeschichte127 lobt Ernst II. den Komponisten ohne Einschränkung  : »Er ist unbestritten der größte Musiker unserer Zeit«. Dabei imponiert dem eigenwilligen Herzog besonders, dass Mendelssohn wie ein »leuchtender Stern« »seine eigenen Bahnen« gezogen sei. Der Herzog spricht vielleicht auch aus persönlicher Sympathie, denn er war Mendelssohn mindestens einmal länger begegnet. Davon schreibt Mendelssohn selbst in einem Brief an seine Mutter vom 19. Juli 1842128. Er berichtet über eine Einladung durch Prinz Albert in den Buckingham Palace, den Mendelssohn als »das einzige, freundliche Englische Haus« bezeichnet. Albert wollte, dass der berühmte Komponist seine Orgel besichtige, und spielte diesem sogar auswendig und mit Pedal einen Choral vor, »so hübsch und rein und ohne Fehler, daß mancher Organist sich was draus nehmen konnte«. Währenddessen sei die Königin – ganz ohne Dünkel – damit beschäftigt gewesen, die heruntergefallenen Notenblätter aufzuheben. »Drauf sollte ich spielen, und fing meinen Chor aus dem Paulus ›wie lieblich sind die Boten‹ an. Noch ehe ich den ersten Tact ausgespielt hatte, fingen sie beide an den Chor ordentlich mitzusingen, und der Prinz Albert zog mir nun so geschickt die Register zum ganzen Stück […] daß ich wirklich ganz entzückt davon war, und mich herzlich freute. Dann kam der Erbprinz von Gotha dazu, und es wurde wieder conversirt, und unter andern fragte die Königin, ob ich neue Lieder componirt hätte, und sie sängen die gedruckten sehr gern.« Daraufhin habe man vergeblich nach den Noten gesucht, weil die Königin Mendelssohn eigentlich eines seiner Lieder vorsingen wollte. »Die Prinzeß von Gotha war unterdeß noch dazu gekommen, und so gingen wir 5 durch die Corridors und Zimmer, bis zu dem Wohnzimmer der Königinn, wo neben dem Erard129 ein gewaltig dickes Schaukelpferd stand, 126 Zum Folgenden vgl. Hirschberg, S. 112f. 127 StACo LA A 7389. Zum Folgenden. Zitat zu Mendelssohn auf f. 51v und 52. 128 Mendelssohn, Sämtliche Briefe, Bd. 8, S. 452–456. Zum Folgenden. 129 Ein Flügel.

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und 2 große Vogelbauer und Bilder an den Wänden, und schön gebundne Bücher auf den Tischen, und Noten auf dem Clavier. Die Herzoginn von Kent kam dazu, und während die sprechen, krame ich ein wenig unter den Noten und finde mein allererstes Liederheft darunter.« So konnte die Königin den kritischen Ohren des Komponisten doch noch etwas vorsingen, ehe auch ihr Gatte sich als Liedsänger betätigte. Doch zuerst musste noch der Papagei aus dem Zimmer getragen werden, »worauf Prinz Albert klingelte, und der von Gotha sagte, ich will ihn selbst heraustragen, und ich sagte  : das erlauben Sie mir zu thun […]«. Abschließend improvisierte Mendelssohn noch über zwei von Albert gegebene Themen sowie die vorgetragenen Lieder auf der Orgel. Mit Albert und Victoria hatte Mendelssohn wesentlich mehr Kontakt als mit Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha. Nur im Jahr 1845 gab es einen kurzen Briefwechsel mit der Coburger Intendanz130, als Mendelssohn eine persönliche Abschrift seines Festmarsches aus dem »Sommernachtstraum« für Coburg aus Krankheitsgründen absagte. Das tat aber der Verehrung des Herzogs für den schon 1847 verstorbenen Komponisten keinerlei Abbruch. Daneben hegte Ernst II. auch tiefe Bewunderung für Carl Maria von Weber131, der für ihn – zusammen mit Beethoven – eine Stütze der deutschen Romantik darstellte. Weber bildete nach Meinung des Herzogs die Grundlage für das Schaffen Meyerbeers und Wagners. In dieser Zeit wurde Weber als einziger echt deutscher Komponist angesehen, denn es war ihm gelungen, aus der Verarbeitung verschiedener Einflüsse eine eigene Tonsprache zu kreieren132  : »Weber scheute sich nicht, andere Kulturen – in seinem Fall die zeitgenössische französische Oper – zu importieren und zu adaptieren, um damit eine eigene Kultur, konkret ein deutsches Opernrepertoire, zu schaffen.« Dieser Blick auf andere Nationen und deren Kunst war auch ein Merkmal Ernsts II., der auf seinen Reisen wie auch in seinen umfangreichen Kunstsammlungen die Begegnung mit anderen Stilrichtungen und ästhetischen Konzepten suchte. Die »deutsche Oper« entstand in der Komposition Webers wie in der Vorstellung Ernsts II. aus einer universellen Musiksprache, die zwar dem europäischen Kosmos entsprang, sich aber im deutschsprachigen Umfeld verdichtete133. Eine 130 Vgl. Brief Mendelssohns vom 20. Januar 1845 (LBC Ms 299/11). 131 Über Aufenthalte Webers in Gotha in den Jahren 1812 und 1814 berichtet von Ebart in den »Blättern für Haus und Kirchenmusik«, 3. Jg., 1899, S. 27–29. 132 Ther, S. 91. Auch zum Folgenden vgl. S. 91–95. 133 Man denke hier an den italienischen Revolutionär Giuseppe Mazzini (1805–1872), der Musik als »Medium zur Einigung Italiens« ansah und die deutsche und die italienische Schule zu einer »europäischen Musik« verbinden wollte (Ther, S. 92).

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abgrenzende, benachbarten Entwicklungen gegenüber feindselige Haltung kennzeichnete dann erst die nächste wichtige deutsche Identifikationsfigur in der Musik, Richard Wagner. Dessen Denken war ja auch von einem ethnischen Nationalismus geprägt, dem Herzog Ernst II. nie zu folgen bereit gewesen wäre. Andererseits war ein Weltbürger wie Giacomo Meyerbeer wieder zu wenig greifbar für die Definition einer »deutschen Musik«, denn genau diesen engen Begrifflichkeiten wollte der Komponist ja entfliehen134  : »In der Grand Opéra, wie sie Meyerbeer geprägt hat, manifestiert sich das künstlerische Bewußtsein, aus der nationalen Verengung heraustreten zu wollen, Innovationen zu wagen und den Schritt zu einer universalen Ausdrucksform zu vollziehen.« Wie gesehen, stand der Herzog zwar mit Meyerbeer und Wagner in Kontakt und respektierte deren Erfolge, sein musikalischer Geschmack orientierte sich aber eher an Mendelssohn und Weber. Daher ist es auch kein Wunder, dass sich Ernst II. den fortschrittlichen Tendenzen in der Musik seiner Zeit (»Neudeutsche Schule«) zunächst verschloss. An dieser Stelle muss der Coburger Komponist Felix Draeseke135 erwähnt werden, der sich im Umfeld Wagners und Liszts als kompromisslos moderner Tonschöpfer hervortat, damit aber bei seinem Herzog auf Ablehnung stieß. Erst 1892, ein Jahr vor dem Tod Ernsts II., erhielt Draeseke aufgrund der Widmung seines »Jubiläumsfestmarsches« op. 54 den begehrten Hausorden. Auch Berlioz hatte die konservativen Ansichten des Herzogs schon früh zu hören bekommen136. In einem Brief vom 31. März 1854137 schreibt er, dass Liszt ihn eingeladen habe, mit nach Gotha zu kommen (zur Uraufführung von »Santa Chiara«). Er habe aber abgesagt, weil ihn die Herzogin nicht leiden könne – die angeblich sogar in Paris Stimmung gegen ihn gemacht habe – und der Herzog ihm seine Oper »Benvenuto Cellini« nicht vergeben könne. Der Fürst habe die Oper in London gehört und festgestellt, dass sie nur wenig mit seiner Idee von Musik zu tun habe138. Dennoch lud der Herzog im September des Jahres Berlioz ein, im Frühjahr 1855 für ein oder zwei Konzerte nach Gotha zu kommen, was jener auch annahm. Nach einem für Berlioz peinlichen Scheitern dieses Vorhabens (er war in Weimar aufgehalten worden) bewies der 134 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Heinz Becker, S. 180. 135 Vgl. hierzu Gutierrez-Denhoff. 136 Zu Berlioz’ Beziehungen zum Herzog vgl. das Autograf in den Kunstsammlungen der Veste Coburg sowie die aufschlussreiche Internetseite »Berlioz in Gotha« (www.hberlioz.com/Germany/gotha.htm). Zum Folgenden. 137 Vgl. Lipsius, Hervorragende Zeitgenossen, Bd. 1, S. 326f., zum Folgenden. 138 …»qui s’accorde probablement fort peu avec l’idée qu’il se fait de la musique«.

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Herzog wieder einmal Langmut, indem er ihn für das Jahr darauf noch einmal einlud. Wahrscheinlicher Hintergrund dieser außergewöhnlichen Großzügigkeit war auch die Hoffnung, dass Berlioz sich in Paris für »Santa Chiara« einsetzen würde. Doch Berlioz, der die Oper des Herzogs als langweilig erlebt hatte, schrieb nur einen diplomatischen Artikel für das »Journal des Débats«139. Im Februar 1856 kam Berlioz dann schließlich nach Gotha, wo er unter anderem sein Werk »L’Enfance du Christ« dirigierte, das beim Publikum sehr gut ankam. Trotz der Meinungsverschiedenheiten im Vorfeld – und vielleicht auch, weil Berlioz neben seinem eigenen Stück die »Santa Chiara«-Ouvertüre aufs Programm gesetzt hatte – empfing das Herzogspaar den Komponisten und dessen Frau sehr herzlich, er bekam einen Orden verliehen und sie wurden zur Tafel sowie zum Hofball eingeladen. Berlioz selbst bleibt in seinen schriftlichen Zeugnissen allerdings deutlich auf Distanz zu Ernst II. und erwiderte dessen Zuneigung nicht. Dass hinter der Haltung Ernsts II. gegen die neue Musikrichtung auch ein ganz banaler Grund, nämlich die Rivalität mit dem Weimarer Hof, stehen könne, erwähnt Liszt in einem Brief an die Fürstin Sayn-Wittgenstein vom Karfreitag 1856140. Erst kürzlich habe der Herzog die Aufführung einer Draeseke-Sinfonie in Coburg verhindert, da der Komponist sich als Anhänger der neuen Musikrichtung erklärt habe. Auch Brendel141 habe ihm erzählt, dass der Herzog keine Gelegenheit auslasse, sich gegen die fortschrittliche Partei in der Musik142, wie sie die »Neue Zeitschrift« repräsentiere, auszusprechen. Die Musik der »Neudeutschen Schule« war also nicht nach dem konservativen Geschmack des Herzogs, lag kompositorisch außerhalb seiner Möglichkeiten und wurde in Weimar, einem (wohl aus Sicht des Herzogs) konkurrierenden Kulturzentrum, sehr gefördert. Sie wurde aber von vielen Kritikern auch als »undeutsch« empfunden  ; ein Vorwurf, dem sich der Herzog niemals hätte ausgesetzt sehen wollen. Für die Anhänger der Romantik hatte das »Deutsche« in der Musik immer noch zu tun mit maßvoller Zurückhaltung, der Einhaltung von Regeln und würdevoller Gemütsäußerung. Noch lange wurden in manchen Kreisen Kompositionen, die diesen Vorstellungen entsprachen, ausländischen oder modernen deutschen Stücken vorgezogen. Ein Artikel in der AMZ143 for139 »Journal des Débats« vom 2. Oktober 1855 (vgl. www.hberlioz.com/Germany/gotha.htm). 140 Hierzu wie zum Folgenden vgl. Liszt, Bd. 4, S. 305f. (Nr. 222). 141 Franz Brendel (1811–1868), ab 1844 Redakteur der »Neuen Zeitschrift für Musik« (NZfM) in Leipzig, Verfechter der Neudeutschen Schule. 142 »contre le parti du progrès en musique«. 143 AMZ, 2. Jg., Nr. 34, vom 24. August 1864, Sp. 569–573  : »Die deutsche Oper der Gegenwart«.

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muliert den Anspruch an die deutsche Musik der Zeit so  : »Nur wenn in der Seele des Componisten einem so gebildeten sich auch ein wahrhaft sittlicher Sinn gesellt, wird der deutschen Oper jene würdige Haltung, jene gemüthvolle Innigkeit verbunden mit einem edlen Maass, einer Keuschheit im Ausdruck wie in Anwendung der Mittel, kurz alles Das bewahrt bleiben, was von jeher alle deutsche Kunst so vortheilhaft ausgezeichnet hat.« Auch wenn Herzog Ernst II. in seinen letzten beiden großen Opern eine Weiterentwicklung seines konservativen Stils versuchte, blieb er doch zutiefst diesen Vorstellungen einer geordneten Gefühlsmusik verhaftet. Die Wahrnehmung des herzoglichen Komponisten Durch die Verbreitung seiner Opern wurde Herzog Ernst II. bald als Komponist bekannt. Neben der Tages- und Fachpresse erwähnten auch einige musikalische Lexika und Handbücher schon zu Lebzeiten die musikalischen Aktivitäten des Herzogs. Der bereits zitierte Gustav Schilling144 verehrt ihn in seinem Lehrbuch als »erhabene[n] Beschützer und Beförderer der schönen Kunst der Töne« und betont den besonderen Stellenwert der Komposition im Gegensatz zur bloß ausübenden Kunst145  : »Die Compositionslehre ist eine Kunstlehre, die uns das Können, die That, und zwar die freie, aus uns selbst entsprungene That, nicht blos ein Wissen und Nachmachen überantwortet.« Darüber hinaus schildert er die Vielfalt der Leistungen von nicht-professionellen Musikern, die er nicht generell abgewertet sehen will146  : »So giebt es eben so viele und mannigfaltige Arten von Dilettanten und Dilettantismus, als es Fälle, innere und äußere, als es Gemüthsanlagen und Lebensverhältnisse giebt, vermöge welcher der Mensch sich unter den Einfluß unserer Kunst, der Musik, stellen kann.« Während bei Schilling demnach ein gewisser inhaltlicher Zusammenhang zwischen der Widmung an den komponierenden Herzog und den Aussagen des Autors auszumachen ist, findet das Schaffen des Fürsten in anderen Lexika der Zeit entweder bloße Erwähnung147 oder wird im Zusammenhang mit seinem Lebenslauf ausführlich besprochen148. 144 Gustav Schilling  : Musikalische Didaktik oder die Kunst des Unterrichts in der Musik. Eis­ leben 1851. 145 Schilling, S. 611. 146 Schilling, S. 77. Im Folgenden (S. 78) fordert Schilling zudem, dass ausübende Dilettanten mit derselben Gründlichkeit unterrichtet werden sollten wie Berufsmusiker. 147 Z. B. Paul Frank  : Geschichte der Tonkunst. Leipzig 1863. S. 210. 148 Eine Biografie Ernsts II. verfasste z. B. Millenet für das »Pantheon biographique universel«,

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Ferdinand Gleich (1816–1898) stellt den Herzog in seinem »Wegweiser für Opernfreunde« von 1857 wie folgt vor  : »Dieser als milder und gerechter Regent, als Krieger und durch seine deutsche Gesinnung ausgezeichnete deutsche Fürst […]«. In seinem Artikel bezieht sich Gleich – dem Titel des Buches entsprechend – vor allem auf die damals schon bekannten Opern »Casilda« und »Santa Chiara«, die er als bedeutendste Werke Ernsts II. benennt149  : »Die Musik beider Opern hat eine nobele [sic] Haltung, ist dabei überwiegend melodiös – in dieser Beziehung nicht frei von italienischem und französischem Einflusse – geschickt formulirt und nicht ohne besonders hervorragende Momente. Die Orchestration der Opern des Herzogs Ernst rührt, so viel wir wissen, von anderer Hand her  ; sie ist sehr geschickt und reich an glänzenden Effecten.« In höchster Konzentration sind hier alle wichtigen Stichpunkte aufgeführt, die über Herzog Ernst II. und seine musikalischen Werke zu seinen Lebzeiten zur Sprache kamen150  : Er war regierender Fürst, hatte sich auf militärischem Gebiet hervorgetan (Eckernförde), setzte sich offen für eine liberale Politik mit dem Ziel einer einheitlichen deutschen Nation ein, komponierte eine »noble«, d. h. maßvolle und einfach strukturierte Musik, hatte Talent für gute Melodien, war auch musikalisch international gebildet und verstand es, seine Musik wenigstens hin und wieder in ausdrucksstark-dramatischen Höhepunkten zu verdichten. Außerdem machte er keinen Hehl daraus, dass ihm sehr gute Mitarbeiter zur Verfügung standen, die seine Werke instrumentierten. Auch in Julius Schuberths »Kleinem musikalischen Conversations-Lexikon« von 1865151 gibt es einen ausführlichen Artikel zu Ernst II., in dem nicht nur seine Familie und sein Werdegang genau geschildert werden, sondern in dem neben den bekannten Opern auch weitere Kompositionen genannt werden. Dabei bemerkt der Autor zur unterschiedlichen Verbreitung der Stücke152  : »Außerdem existieren noch viele hübsche Compositionen im Manuscript, welche nur in engerem Kreise bekannt sind.« Es war demnach kein Geheimnis, dass es Kompositionen des Herzogs gab, die für die größere Öffentlichkeit bestimmt waren, und solche, die nur im Haus musiziert werden sollten. Während die kleinen Klavierlieder sowie kammermusikalische Stücke eher für den hg. v. Albéric de Busnes, Paris 1854. Vgl. auch Henri Guillaumots »Ernest, Duc de SaxeCobourg-­Gotha« von 1870. 149 Gleich, S. 197–198. 150 Vgl. hierzu ausführlich die vielen Presseartikel über die Opern des Herzogs (in den jeweiligen Kapiteln). 151 Schuberth, S. 95–97. Zum Folgenden. 152 Schuberth, S. 95.

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»Hausgebrauch« gedacht waren und oft aus jungen Jahren stammten, wandte sich der Komponist in seinen Opern und den größeren Kompositionen wie dem »Fackeltanz«, den »Hymnen« oder der Kantate »Aller Seelen« bewusst an ein breitgestreutes Publikum. Die Nachrufe nach dem Tod des Herzogs sind ungezählt. In den meisten sind die musikalischen Bemühungen des Fürsten wenigstens erwähnt, häufig wird seine Oper »Santa Chiara« genannt. Am erstaunlichsten erscheinen die geradezu versöhnlichen Artikel in der englischen Presse, die zu Lebzeiten meist kein gutes Haar an dem ehrgeizigen deutschen Herzog gelassen hatte. »The Musical Times« vom 1. September 1893153 schreibt  : »Germany loses in him a Prince who was ever an earnest and even enthusiastic patron of the arts, and more particularly of music. Being himself a composer of some note, he was ever ready to extend his patronage to any enterprise which was likely to further the interests and redound to the glory of his art.« In »Musical news«154 versucht der Autor sogar, vordergründig eine Entschuldigung für die mangelhafte Qualität der Opern des Herzogs zu finden  : »[He] suffered, as most composers do, from the weakness and absurdities of the plays he set to music.« Hier werden sogar die Kammermusik und die Lieder des Komponisten vor die Opern gestellt. Außerdem findet die Queen Erwähnung, die sich mit Freude an die Aufführung von Liedern durch die beiden Brüder erinnere. Während ein weiterer Nachruf in »The Review of reviews«155 sowohl das politische als auch das künstlerische Wirken des Verstorbenen positiv würdigt, bleibt sich nur »The Athenaeum«156 treu und giftet, der Herzog hinterlasse keine Lücke in der Musikwelt. Am meisten bestaunt und analysiert wurde an der Person Ernsts II. die Verbindung von Fürst und Komponist. Hermann Mendel, der den Herzog in seinem berühmten »Musikalischen Conversations-Lexikon« ausführlich ­bespricht157, fasst im Eröffnungssatz diese zwei scheinbar unvereinbaren Cha­ rakteristika zusammen  : »Ernst II., seit 1844 regierender Herzog zu Sachsen-­ Coburg-Gotha, im deutschen Reiche ebenso als patriotischer Förderer der Einheitsbestrebungen des Volkes, wie als Tondichter und Kunstkenner gerühmt, 153 »The Musical Times«, vom 1. September 1893, S. 539f. Hier wird der Herzog nur in seiner Rolle als Komponist beschrieben. Dabei werden auch – wie nur selten – die zwei Operetten erwähnt. 154 »Musical news«, Nr. 131, vom 2. September 1893, S. 201. 155 »The Review of reviews«, vom Oktober 1893, S. 398. 156 »The Athenaeum«, Nr. 3435, vom 26. August 1893, S. 299. Immerhin werden die Oper »Diana von Solange« sowie der Opernwettbewerb von 1893 lobend erwähnt. 157 Mendel, Bd. 3, 1873, S. 416f.

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ist in jeder Beziehung eine in dem Herrscherstande, besonders was die musikalische Kraft anbetrifft, seltene Erscheinung.« Zwar war, wie angesprochen, Ernst II. bei weitem nicht der einzige komponierende Fürst oder Adlige, aber in seiner Zeit eben der aktivste – und noch dazu auf politischem Gebiet nicht ohne Ansehen. Oft wurden die künstlerischen Äußerungen des Herzogs politisch gedeutet, zum Teil bis ins Detail, und immer mit einem Blick für typisch »Deutsches« (was immer man darunter im Einzelfall verstehen mochte). Auch sparte kaum ein Rezensent mit doppeldeutigen Begriffen, vor allem aus dem militärischen Bereich, um auf die Vielseitigkeit der Persönlichkeit des Komponisten mehr oder weniger geschickt anzuspielen. Exemplarisch für viele ähnliche Besprechungen sei hier aus der Zeitschrift »Daheim« zitiert158  : »Der fürstliche Komponist bewegt sich in seinen Opern auf romantischen Pfaden  : seine Melodik ist edel, von schlichtem, deutsch anmutendem Charakter, seine Harmonik ist ebenso gewählt wie geistreich und von bemerkenswerter Selbständigkeit. Meisterhaft sind die Ensembleszenen aufgebaut  : hier zeigt der Komponist seine glänzende Heerschaft [sic] über alle Mittel künstlerischen Ausdrucks, hier offen­bart er einen wahren Feldherrnblick für Massenwirkungen und ein feinsinniges Instrumentationstalent.« In der Person Herzog Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha wird die Überschneidung der alten Stellung des Fürsten mit der neuen Stellung des Künstlers im 19. Jahrhundert sichtbar159  : »Der Künstler ist einsam in der sozialen Welt, er ist Außenseiter in einer prosaischen und bornierten Gesellschaft, er leidet an dieser Gesellschaft, und er vertritt gegen sie den Sinn fürs Höhere, fürs göttliche Recht der Schönheit.«160 Der Mythos vom unverstandenen Künstler, »vom Heroen, der über Leid und Enttäuschung sich dennoch bewahrt und verwirklicht«, manifestierte sich auch in der großen Zahl der Künstlerbiografien dieser Zeit, in die sich die Autobiografie des Herzogs nahtlos einreihen lässt. Die höhere Sache, für die der Herzog eintrat, motivierte sein politisches Handeln und fand in vaterländischen Kompositionen wie den Hymnen und Männerchören (»An die deutsche Trikolore«, »An Elsaß-Lothringen« u. a.) unmittelbaren Ausdruck. Für die Menschen seiner Zeit wurde Ernst II. durch seine Opernkompositionen mehr als Künstler denn als Fürst erfahrbar. Von vielen reaktionären, fortschrittsfeindlichen Fürsten enttäuscht, 158 »Daheim«, Jg. 28, Nr. 37. Ausschnitt in StACo Theater 17, f. 21. Zum Folgenden. 159 Zum Folgenden vgl. Nipperdey, S. 46. 160 Vgl. hierzu auch ein ähnliches Zitat von Liszt (im Kapitel zu Liszt, Wagner und Ernst II.).

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»sahen [sie] die Würde und Moralität der deutschen Nation am besten bei den Künstlern und ihrer Kunst aufgehoben. Nicht der Adlige, sondern der Künstler verkörperte die wahre nationale Elite.«161 An genau diesen Platz wollte Herzog Ernst II. gestellt werden, und – aus den zeitgenössischen Artikeln ist es abzulesen – er wurde es. Merkmale der Musik des Herzogs Betrachtet man sowohl die musikalischen Gattungen, derer sich Ernst II. bei seinem Schaffen bediente, als auch die Art und Weise, wie er komponierte, so wird schnell offensichtlich, dass die Stärke des Herzogs in der Bildung einer Melodielinie, in der Regel einer Gesangslinie, lag. Seine besten Werke sind alle Gesangsstücke, da sie seiner musikalischen Vorstellung am nächsten kamen162. Dabei ist nicht ohne Bedeutung, dass er trotz durchgängigen Unterrichts während der Kindheit und Jugend offenbar keine besondere Beziehung zu einem Instrument entwickelt hatte. Zwar ist bekannt, dass er Klavier spielen konnte, aber dies überließ er später offenbar gerne seiner Ehefrau. Außerdem hatte er sich seit dem ersten Kompositionsunterricht in der Form der Liedkomposition geübt163. Er sah darin auch eine typisch deutsche Gattung in der Musik164  : »Dies ist ein Feld, auf welchem wir deutschen Componisten so recht eigentlich zu Hause sind. – Wir bringen Wärme der Empfindung und tiefe Gedanken mit und bewegen uns in einem Rahmen, der gerade groß genug ist, unser gewöhnliches Angesicht einen geschmackvollen und regelrecht dramatischen Ausdruck für unsere Gedanken zu finden, zu verhüllen.« In seinem musikalischen Schaffen wirkte sich Ernsts Neigung zum Lied nun in zweierlei Hinsicht aus  : Einerseits gelang es ihm, gute und eingängige Liedund Chorsätze zu schreiben. Seine Hymnen, beide sehr erfolgreich, sind gute Beispiele hierfür. Und da der Gesang, vor allem auch der Chorgesang, in jener Zeit die Stimme des Volkes zu Gehör brachte, verstand es der Herzog aufs Trefflichste, sich auf diesem Gebiet seinem Volk anzunähern. Hier war ihm ein Weg gegeben, im nationalen Sinne wirksam zu werden  : »da ahnte sein weit­ 161 Klenke 1998, S. 103. 162 Die besonders gelobten Stücke aus den Opern sind in den meisten zeitgenössischen Artikeln dieselben (vgl. hierzu die Presseberichte in den Kapiteln zu den Opern). Es sind in der Regel die melodiösen Arien wie die des Alfonso aus »Casilda« (1. Akt) oder die Romanze aus ­»Diana«. Dazu kommen die weit verbreiteten Hymnen. 163 Vgl. hierzu auch Mokrauer-Mainé, S. 26ff. 164 Aus dem Vortrag Ernsts II. über Musikgeschichte (StACo LA A 7389, f. 50v–51r).

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blickender Geist gar wohl, dass nur das deutsche Lied es vermöge, die Herzen des zersplitterten deutschen Vaterlandes zu einen und ein geistiges unauflös­ liches Band um sie zu schlingen«165. Andererseits schaffte Ernst II. es nie wirklich, sich von der liedartigen Struktur zu lösen. Auch in seinen Opern dominiert die Liedform, was in den ersten drei Bühnenstücken noch nicht sonderlich auffällt. Mit »Santa Chiara« und »Diana von Solange« aber, als er sich an die wirklich große Oper wagt, werden die diesbezüglichen Defizite des herzoglichen Komponisten sichtbar. Ihm fehlt der »lange Atem«, die sich entwickelnde Linie, die Geduld zum Fortspinnen eines Motivs oder Themas. Getrieben von seinem unruhigen Geist und gedrängt vom Zeitdruck durch andere Aufgaben werden alle Ideen zu einem schnellen Abschluss geführt. Dies jedoch widersprach gänzlich der Opernsprache spätestens ab der Mitte des Jahrhunderts. Kein Wunder, dass es Kritiker gab, die dem Herzog empfahlen, lieber Sing- und Liederspiele zu schreiben, anstatt an der großen Oper zu scheitern. Die fünf großen Opern, die den Schwerpunkt des musikalischen Schaffens Herzog Ernsts II. ausmachen, wurden und werden meist als Grundlage für seine Beuteilung als Komponist herangezogen. Nur gelegentlich wurden auch andere Werke, vor allem die Hymnen oder die Kantate »Aller Seelen«, berücksichtigt. Van Bevere166 zitiert eine Äußerung von Hector Berlioz, der im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von »Santa Chiara« gesagt haben soll  : »Il est noble, pour un prince surtout, d’aimer l’art musical, le plus exigeant et le plus perfide de tous les arts, au point de braver, pour cet amour, les travaux, les fatigues, les insomnies qu’il impose«167. Dass der Herzog sich also überhaupt den Anstrengungen und Unwägbarkeiten dieser anspruchsvollen Kunstform verschrieben hatte, wurde aus berufenem Munde geschätzt und geachtet. Gerade ein Komponist wie Berlioz wusste, dass die kompositorische Betätigung Ernsts II. dessen Verständnis für die Nöte und Ansprüche der Musiker verstärken würde. Denn auch der Herzog selbst hatte erkannt168  : »Die Musik lebt ein kurzes Leben und am Schnellsten ist ihr Verbrennungs=Prozeß auf der Bühne.« Ernst II. war von Jugend an fast täglich im Theater und verfolgte die Entwicklungen des Musiktheaters in seiner Zeit sehr genau. Betrachtet man seine 165 Mokrauer-Mainé, S. 28. 166 Van Bevere, S. 73–74. Zum Folgenden. 167 »Es ist edel, besonders für einen Prinzen, die musikalische Kunst, diese anspruchsvollste und treuloseste aller Künste, so sehr zu lieben, dass man für diese Liebe allen Arbeiten, Mühen und schlaflosen Nächten trotzt, die sie mit sich bringt.« 168 Aus dem Vortrag über Musikgeschichte (StACo LA A 7389, f. 48v).

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fünf Opern, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, er versuchte geradezu, einen Katalog an typischen Merkmalen der großen Oper abzuarbeiten. Angefangen bei den Libretti, deren Schwäche ein steter Grund zur Klage bei den Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts war  : Ernst II. setzte auf historische Stoffe, zum Teil mit lokalen Bezügen (»Tony«, »Casilda«), zum Teil vor dem Hintergrund der großen Politik (»Santa Chiara«, »Diana von Solange«). Leider war seine Musik nicht durchgängig mitreißend genug, um die Mangel­ haftigkeit der Textbücher vergessen zu lassen, weswegen sich in den Rezensionen oft auch Angriffe auf den jeweiligen Librettisten finden. Im Falle von Charlotte Birch-Pfeiffer führte dies zu Auseinandersetzungen zwischen dem Herzog und der Autorin, da diese im Gegensatz zu ihm erkannt hatte, dass vor allem ihre Person Ziel der Kritik war und dass sie es ihren Kritikern und Neidern nie würde recht machen können. Vom äußeren Aufbau her tastete sich Ernst II. allmählich an die fünfaktige Form der Grand Opéra heran169  : Während »Zayre« und »Tony« noch in drei Akte gegliedert sind, umfasst »Casilda« bereits vier. »Santa Chiara« besteht dagegen aus drei großen Akten, von denen der mittlere ziemlich aus dem Rahmen fällt (Szene mit der vermeintlich Toten). »Diana von Solange« hat dann die obligatorischen fünf Akte – was der Oper den Garaus machte, da der Herzog weder im Drama noch in der Musik die Spannung über eine so lange Strecke zu halten vermochte170. Weiteren zeitgemäßen Erfordernissen wie dem Einbau von Balletts, mächtigen Chören und wirkungsvollen Ensembles vermochte er dagegen erfolgreicher nachzukommen  : Häufig wurden gerade diese Stücke in seinen Opern gelobt. Das Durchkomponieren größerer szenischer Zusammenhänge stellte ihn, der sich in kleinteiliger Melodik am besten auszudrücken vermochte, vor schier unlösbare Herausforderungen – denen er sich auch erst in »Diana von Solange« wirklich zu stellen versuchte. Die wenigen Solonummern aber, die üblich waren, gestaltete er meist sehr charakteristisch und mit den üblichen hohen stimmlichen Anforderungen. Chor- und Massenszenen (»tableaux«), die das Volk als Handlungsträger beteiligen, kommen durchaus in allen Opern des Herzogs vor und bilden oft den Rahmen für die Akte (Einleitungen, Finale). Ihre Sätze sind eingängig und charakteristisch, zum Teil volkstümlich und mit deutlicher »Couleur 169 Zu den charakteristischen Merkmalen der Grand Opéra vgl. beispielsweise Hauptmann, S. 120–125. – Die Aussagen zu den Opern des Herzogs stützen sich auf die Erkenntnisse in den jeweiligen Kapiteln. 170 Man denke an die in Wien (oder New York) aufgekommene Verballhornung des Titels zu »Diana von Solangweilig«.

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locale« (Wildschützen, Zigeuner usw.). Auch die bei den Aufführungen flexibel gehandhabten Balletts, die in manchen Opernhäusern absolut unverzichtbar waren, tragen gelegentlich zu einer sehr charakteristischen Atmosphäre bei (zum Beispiel der Bolero in »Casilda«). Diese musste aber vor allem durch die äußere Ausstattung erzeugt werden, weswegen der Herzog stets höchsten Wert auf angemessene Dekorationen, Kostüme usw. legte. Dies war auch ein Grund für die Ablehnung etlicher Anfragen von kleinen Bühnen, die dem Herzog nicht gut genug ausgestattet erschienen, um seine Werke adäquat darstellen zu können. Um den Zuschauer nicht zu langweilen, sollte mindestens jeder Akt anders aussehen, aber auch Schauplatzwechsel innerhalb eines Aktes wurden (nicht zuletzt aufgrund verbesserter Bühnentechnik) möglich. Ein Versinken im Boden oder Verschwinden durch eine Falltüre, wie es am Ende des zweiten Aktes von »Santa Chiara« mit Charlotte geschieht, war ein sehr gefragter Effekt. Von kaum zu überschätzender Bedeutung jedoch waren die optischen Reize, die durch eine möglichst prächtige Ausstattung, auffällige Kostüme und großartige Bühnenmalereien gesetzt wurden. Herzog Ernst II. selbst versuchte, alle diese Aspekte bei der Verwirklichung seiner Oper in seinen Hoftheatern zu berücksichtigen. Da er selbst einen Großteil der Produktionskosten aus eigener Tasche bezahlte, war gegen die verschwenderische Pracht der Neuausstattungen inklusive bester Bühnenbilder (beispielsweise von den Brückners) nichts einzuwenden. Andernorts konnte der Herzog solches für seine Werke nur erhoffen oder erbitten. Auf diesem Gebiet waren Ernsts Opern übrigens auch typische Werke ihrer Zeit, denn sie boten allerlei Gelegenheiten für großartige Bilder171. Aufzüge von Rittern (»Zayre«), Zigeunern (»Casilda«), Popen (»Santa Chiara«) oder eines Hofstaats konnten immer eindrucksvoll dargestellt werden, und die Musik des Herzogs war sehr dazu geeignet, deren Wirkung zu unterstreichen. Franz Liszt, der diese Entwicklung zum Optischen hin bei Meyerbeer in Perfektion verwirklicht sah, schrieb dazu172  : »Die Pracht der Decorationen, der Luxus der scenischen Einrichtung, die außerordentlichen Ballette, die feenhaften Maschinerien, kurz die dem Auge gebotenen Herrlichkeiten hörten auf, Zugaben zu sein, wie bisher sie jedes Theater nach Kräften bewerkstelligen mochte, sie wurden integrirender Bestandtheil, organisches Glied eines jeden Werkes, indem sie dazu dienten, das Interesse, die Wichtigkeit, die malerische Wirkung der Situationen zu erhöhen. Damit wuchs denn auch die Nothwendigkeit der 171 Vgl. hierzu auch den Aufsatz von Linhardt. 172 Franz Liszt in »Dramaturgische Blätter«, hg. v. Redepenning und Schilling, Wiesbaden 1989, S. 33f. (zitiert nach Niemöller, S. 307f.).

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Entfaltung unerhörter Hülfsmittel in Orchester und Chören, ihrer mannichfaltigsten Combinationen, ihrer gesteigertsten Effecte, wenn sie nicht vernichtet oder zum zweiten Rang herabgedrückt werden sollten durch den überwiegenden Reiz, welchen die Entfaltung scenischen Reichthums auf das große Publikum üben mußte. Von jetzt an mußte jede Oper irgend ein großartiges Spectakel in dem gespanntesten oder pikantesten Moment als eine Art Pointe der Situationen enthalten.« Die Opern Ernsts II. enthielten alle diese Merkmale, wenn auch in einem weitaus geringeren Maße als die von Meyerbeer, der alles bis ins Extrem steigerte. Aber wirkungsvoll waren viele Szenen in den herzoglichen Opern doch, seine zuweilen pathetische Musik passte gut dazu, und die geringeren technischen Anforderungen machten die Aufführungen seiner Opern auch an weniger gut ausgestatteten Häusern möglich. Eine Verbindung dieser verschiedenen großen Bilder zu einem ganzheitlichen Ablauf geschah bei Meyerbeer oft über den Klang  : »Instrumentatorische Mittel werden von Meyerbeer sowohl zur Individualisierung der jeweiligen musikdramatischen Situation, als auch zur Beziehungsstiftung innerhalb des Opernzusammenhangs eingesetzt.«173 Die von Kapellmeistern vorgenommene Instrumentation der Opern Ernsts II. wurde zwar in den Rezensionen oft gelobt, konnte aber allein schon aufgrund der Größe der herzoglichen Hof­kapelle nicht mit den Möglichkeiten eines Orchesters an der Berliner oder Pariser Oper mithalten. Und eine übergreifende musikalische Vernetzung war auch ein seltenes und bewusst eingesetztes Mittel (zum Beispiel die »Romanze« in »Diana von Solange«), keine subtil verwendete Zutat in der Komposition. Ein wichtiges Element der Grand Opéra, das Ernst II. besonders eindrücklich in »Santa Chiara« umzusetzen versuchte, war der Kontrast zwischen einem stillen, friedlichen Bild (»tableau«) und einem Schock, einem völlig unerwarteten Ereignis174. In »Santa Chiara« ist dies im zweiten Akt die Szene, als die vermeintliche Leiche Charlottes, die den ganzen Akt über aufgebahrt in der Mitte der Bühne liegt, beim Eintreten ihres Gatten und Mörders Alexis die Hand hebt. Dieser in anderen Opern der Zeit ähnlich verwendete Überraschungseffekt wirkt besonders auch durch die unheimliche Atmosphäre, die durch die Präsentation einer leblosen Figur auf der Bühne entsteht. Die Konfrontation des Publikums mit dem Tod, mit einem skrupellosen Mörder sowie – am Ende des Aktes – Totengesängen überstieg für viele die Grenzen 173 Jacob, S. 258. Hierzu auch Nitsche. 174 Hierzu auch Linhardt, S. 191.

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des guten Geschmacks. Um den zweiten Akt von »Santa Chiara« gab es viele Diskussionen175, die einen fanden ihn faszinierend, die anderen abscheulich. Dabei kommen zwei Themen, die die Grand Opéra im Kern berühren, ins Spiel  : der Kontrast zwischen einer säkularisierten Welt und einer wachsenden »Kunstreligion« sowie der Gegensatz zwischen Theaterwelt und realer Welt grundsätzlich. Alle Opern Ernsts II. enthalten pseudo-religiöse Szenen wie Gebete, Kirchengesänge (gerne auch hinter der Bühne) oder den Auftritt von Geistlichen. In »Tony« findet die Hauptperson sogar am Ende Erlösung durch den Eintritt in ein geistliches Leben, die Oper endet mit Orgelklängen und Glockengeläut. In »Santa Chiara« ist der Auftritt der Popen deutlich unheimlicher, denn sie verschließen den Sarg der scheinbar Ermordeten, nachdem sie ihr einen traurigen Abschiedschoral gesungen haben. Doch die Emotionen sind hier vielschichtiger als in »Tony«, denn der aufmerksame Zuschauer weiß, dass Charlotte noch lebt, und ist unzufrieden damit, dass ihr mörderischer Ehemann noch frei herumläuft. Diese Darstellung von Frömmigkeit und Religion auf der Bühne war ebenfalls ein typisches Element in den großen Opern dieser Zeit. In gewisser Weise stellte sie eine Verdoppelung dar  : Denn die Bühne an sich, die zum täglichen Treffpunkt und Vergnügungsort für tausende Bürger geworden war, hatte bis zu einem bestimmten Grad die Kirchen ersetzt, deren gesellschaftliche Kraft nach der Säkularisation stark nachgelassen hatte. »Der in das bürgerliche Leben eingebundenen ästhetischen Kultur kam […] eine weitere genuin bürgerliche Funktion als säkularer Ersatz religiöser Andacht in einer entsakralisierten Welt zu. […] Kontemplation, Muse und Feierlichkeit, die in der säkularisierten, zunehmend vom kapitalistischen Verwertungsprinzip durchdrungenen Welt verloren gegangen waren, sollten in der Kunst und ihren Institutionen wenigstens noch einen Ort haben.«176 Ernst II. selbst frönte ohne Zweifel diesem neuen Glauben, auch wenn er durchaus als gläubiger Protestant auftrat. Bemerkenswert ist daher, dass alle religiösen Szenen in den Opern des lutherischen Herzogs sich entweder katholischer oder orthodoxer Texte bzw. Symbole bedienen. Vielleicht ging die Verwendung echt lutherischer Symbole (man denke an »Ein feste Burg ist unser Gott« bei Meyerbeer) ihm dann doch zu weit. Ein Vorwurf, der dem Komponisten im Zusammenhang mit dem zweiten Akt von »Santa Chiara« gemacht wurde, war der, dass die Szene zu grausam sei, um sie auf der Opernbühne zu zeigen. Oper sollte unterhalten, amüsieren, 175 Näheres im Kapitel zu »Santa Chiara«. 176 Bernd Wagner, S. 279.

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wenn es sein musste noch ein kleines bisschen moralisch belehren – aber sich nicht zu sehr an die Realität annähern. Der Tod auf der Bühne war in der Grand Opéra nur als mystisch verklärter Helden- oder Opfertod erlaubt, möglichst noch von schöner Musik untermalt. Die Konfrontation mit einer Leiche, die noch dazu einen ganzen Akt lang für alle sichtbar auf der Bühne lag, war undenkbar. Einige Bühnen versuchten das Problem zu lösen, indem sie den Scheintod Charlottes sehr offensichtlich machten. Es sei hier auch erinnert an die Einwände gegen den Tod Dianas am Ende von »Diana von Solange«, der bei einigen Aufführungen einfach weggelassen wurde, weil das Publikum ihn als zu grausam empfunden hätte. Die Verklärung von Tod und Elend auf der Opernbühne stand in krassem Gegensatz zu dem, was viele Zuschauer dieser Zeit erlebt hatten und erlebten. Auch Herzog Ernst II. war als Offizier im Krieg mit Situationen und Bildern von größter Grausamkeit konfrontiert gewesen. Es klingt fast wie ein Operntext, wenn er in seiner Autobiografie den Anblick des Schlachtfeldes von Sedan am Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1871 beschreibt177  : »Es war ein schöner stiller Sommerabend, zu welchem die ringsum brennenden Dörfer einen grausigen Gegensatz bildeten. Bald tönte uns das Jubelgeschrei unserer siegreichen Truppen entgegen. ›Die Fahnen flatterten,‹ so beschrieb ich am folgenden Tage den großen Moment, ›die Musiken spielten ihr Heil Dir im Siegerkranz, Alles umarmte und küßte sich vor Freude. Manchem tapferen Kameraden wurde im Sterben die Hand gedrückt, doch habe ich keinen trotz gräßlichster Zerstörungen, die man sehen mußte, klagen gehört. Dazwischen tausende von französischen Gefangenen, die genommenen Geschütze, um welche haufenweise die bedienende Mannschaft todt und verwundet dalag, da blieb kein Auge thränenleer, es war der großartigste und zugleich furchtbarste Anblick und Eindruck, welcher in diesem Leben denkbar ist. Langsam zog dann die Nacht über das furchtbare Bild und verwischte die entsetzliche Gegenwart.‹« Ähnlich dem verklärend-pathetischen Heldentod auf der Bühne schildert der Herzog dann noch seine Begegnung mit einem sterbenden französischen General, der gewichtige letzte Worte spricht178. Doch als es um die genaue Beschreibung des Schlachtfeldes geht, das der Herzog angeblich zusammen mit dem preußischen König und dem Kronprinzen besichtigte, heißt es in den Memoiren179  : »Ich lasse den Vorhang über die 177 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 655. 178 Die Episode (»Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 655f.) ist im Kapitel zum Lebenslauf zitiert. 179 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 3, S. 659.

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schrecklichen Bilder der Zerstörung und des menschlichen Elends fallen, die sich vor uns entrollten.« Während er also im zweiten Akt von »Santa Chiara« die Grenzen des guten Geschmacks für manche seiner Zeitgenossen überschritten hatte (andere hielten diesen Akt für das Beste, was der Herzog je geschrieben hatte  !), wählte Ernst II. in seiner viel später entstandenen Autobiografie wiederum den verklärenden Tonfall, der eine wohltuende Distanz zwischen Realität und künstlerischer Darstellung schaffen sollte. Zwar hatte Ernst II. als Herzog den Vorteil, seine Opern im eigenen Hoftheater spielen zu können, sie anderen Hoftheatern aufdrängen zu können und durch Orden und Auszeichnungen große Anreize für weitere Aufführungen setzen zu können. Andererseits jedoch war es ihm aufgrund seiner hohen und vielfältigen Arbeitsbelastung verwehrt, die Produktion seiner Werke an auswärtigen Bühnen im Detail zu begleiten. Gelegentlich schickte er Vertreter (wie Drouet nach Paris), doch diese konnten in der Regel nicht allzu viel ausrichten. Dagegen hatte der erfolgreichste Komponist der Grand Opéra, Giacomo Meyerbeer, es sich zur Gewohnheit gemacht, alle Phasen der Einstudierung zu begleiten und aufs Genaueste vorzubereiten. Diese minutiöse Mitarbeit an der konkreten Umsetzung seiner Stücke war ein wesentlicher Faktor für die Durchschlagskraft seiner Opern. Der Herzog hatte nicht viel Zeit und verließ sich auf seine Mitarbeiter sowie Empfehlungen von außen, wodurch natürlich viele verschiedene Köche am Brei mitrührten. Zuweilen nahm er zähneknirschend einen Rat an und merkte erst hinterher, dass das keine gute Idee war – man denke hier nur an Birch-Pfeiffers Ärger über seine mangelnde Standfestigkeit in Bezug auf Kritiker. Schon bei der Instrumentation seiner Opern hörte seine Kontrolle über das Werk auf, manchmal ließ er auch nachträglich eingefügte Stücke (Ballett) ganz von seinen Kapellmeistern komponieren. Doch betrachtet man den Briefverkehr, vor allem zu »Santa Chiara«, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es ihm eigentlich nicht recht war, wenn er am ursprünglichen Entwurf seiner Opern etwas ändern musste. Zwar waren kleinere Anpassungen wie Transpositionen, Anpassungen von Partien an die Bedürfnisse der Sänger oder auch Kürzungen in überschaubarem Maße offenbar kein Problem. Aber bei wesentlichen Änderungen oder größeren Eingriffen finden sich immer Protest oder zumindest Diskussionen von Seiten des Herzogs. Vergleicht man dieses Verhalten mit der minutiösen Probenarbeit, der ständigen Anpassung und laufenden Überarbeitung des bereits im Studium befindlichen Materials, wie es Meyerbeer an seinen Opern vornahm, so ergibt sich eine weitere mögliche Begründung für den mäßigen Erfolg der herzoglichen Opern. Im Gegensatz zu

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anderen, erfolgreichen Opernkomponisten der Zeit konnte Ernst II. nur selten »dranbleiben«, wenn sein Werk einstudiert wurde, konnte keine geschickten Änderungen vornehmen und hatte keinen Einfluss auf Streichungen und Kürzungen. Großflächige Eingriffe in die Partituren waren bei den Grands Opéras der Zeit durchaus üblich, weswegen ihnen noch heute das Image einer weniger wertvollen Operngattung anhaftet180. Damit diese Änderungen nicht das Werk als Ganzes entstellten, war es sinnvoll und oft notwendig, dass die Komponisten die Phase der Einstudierung begleiteten, um gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Dies konnte Ernst II. aus verschiedenen Gründen nicht leisten. Die Folgen sind kaum auszumalen. Als Beispiel sei hier nur die Streichung des sonst so gerühmten »Troubadours-Quartetts« aus »Diana von Solange« bei der Bremer Aufführung im Jahr 1892 genannt. »In der Musik, wie in allen Künsten, wie in der Dichtung und der Wissen­ schaft, hat der Zeitgeist auch seinen Spiegel gefunden. Ueberall begegnen wir der Einwirkung der zeitweiligen socialen Verhältnisse.«181 So hatte es der Herzog selbst erkannt und wählte für seine Opern überzeitliche Stoffe mit der Darstellung menschlicher Konflikte. Anders als in seinen Hymnen und Männerchorkompositionen sprach er keine politischen Inhalte offen an. Lediglich in der negativen Darstellung des russischen Hofes (»Santa Chiara«) in der Zeit des Krimkrieges kann eine gewisse Absicht gesehen werden, denn die russenfeindliche Stimmung trug (zumindest in Paris) so kurz nach dem Sieg über die Russen bei Sewastopol zum Erfolg des Werkes bei. Ansonsten überwiegen in den Opern Ernsts II. unglückliche Liebeskonstellationen, die auf verschiedenen Wegen mehr oder weniger glückliche Lösungen finden. Oft spielen dabei Standesunterschiede eine Rolle, vor allem in »Tony« und »Casilda«. Denn in allen Opern Ernsts II. ist die Welt des Adels vertreten, hier war er ähnlich konservativ wie in seiner Musik. Dabei gelingt es ihm doch, fünf sehr verschiedene Hintergründe für seine Hauptpersonen zu erschaffen  : den von Kreuzrittern bedrohten Orient (»Zayre«), die Bergheimat der Jäger (»Tony«), die ganz eigene Gesellschaft der Zigeuner im Konflikt mit der geordneten Gesellschaft ­(»Casilda«), das düstere Russland und das heitere Süditalien (»Santa Chiara«) sowie das umkämpfte Portugal (»Diana von Solange«). Gemeinsam ist allen Opern eine »Botschaft der Versöhnung«182, sei es die Versöhnung zwischen zwei Nationen (Europa-Orient), zwischen streitenden Hauptpersonen 180 Vgl. Everist, S. 2. 181 Aus dem Vortrag des Herzogs über Musikgeschichte (StACo LA A 7389, f. 28v). 182 Vgl. Loos 1996, S. 24.

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(»Tony«), ­zwischen widersprüchlichen Gesellschaftskreisen (Zigeuner-Adlige), die Versöhnung einer Person mit ihrem Schicksal (Charlotte) oder die gerechte Zuteilung einer Krone (Portugal). Und immer ist es die Liebe, die hilft, alle Widerstände zu überwinden, selbst Standesschranken oder – vermeintlich – den Tod. Das Vermittelnde, Versöhnende war dabei nicht nur Thema der Opern des Herzogs, sondern spiegelte sich auch in seiner Musik, die italienische, französische und deutsche Elemente verband wie die seines Vorbildes Carl Maria von Weber. Einen Ausgleich der Nationen strebte Ernst II. nicht nur in seinen Opern und in seiner Musik, sondern auch in seinem politischen Wirken an. Einem frühromantischen Verständnis folgend183 setzte er die Musik als »Mittlerin und ausgleichendes Element in der menschlichen Gemeinschaft« ein. Darin liegt die eigentliche politische Botschaft der Opern des Herzogs. Obwohl die Opern Ernsts II. keine konkreten politischen Aussagen enthalten, wurden sie oft politisch aufgefasst. Eine geplante Aufführung von »Santa Chiara« am Hoftheater Darmstadt musste wegen drohender Unruhen abgesagt werden184  ; der Herzog galt als Galionsfigur der Liberalen, selbst als Opernkomponist. Sogar im Ausland wurde er in dieser doppelten Funktion gesehen  : Bei einem Besuch in Pest im Jahr 1852 erhielt er nicht nur ein Ständchen vom Orchester des Nationaltheaters, sondern auch ein Album mit Bildern von Oppositionellen185. Sein Bruder Albert schrieb ihm zur Vollendung der »Casilda«186  : »Zur dritten Oper gratulire ich Dir  ; ist sie noch nicht von Polizei wegen verboten worden  ? Die Stumme von Portici ist es in Berlin  ; da singt wahrscheinlich der Don Juan in Wien wieder viva la regatta statt liberta und die Gedichte des Königs von Baiern werden wieder verboten. O welche Tiefe der menschlichen Dummheit  !« Doch die Wirkung des Theaters auf die Gesellschaft in dieser Zeit war nicht zu unterschätzen. Ständig wurde über alle Vorgänge in allen Theatern des Landes Bericht erstattet, es gab ein dichtes Netz an Zeitungen, die Nachrichten schnell weiterreichen und verbreiten konnten187. Durch diese enge Vernetzung verschiedener Orte fand eine Gemeinschaftsbildung statt, die es in der Zeit vor den ersten Massenmedien so noch nicht gegeben hatte. Außerdem war das Personal, das an Opernhäusern und Theatern arbeitete, überschaubar, 183 Vgl. Loos 1996, S. 24. Zum Folgenden. 184 Vgl. im Kapitel zu »Santa Chiara«. 185 Hierzu »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 50, sowie »Neue Wiener Musik-Zeitung«, 1. Jg., Nr. 34, vom 19. August 1852, S. 150. 186 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 39. 187 Vgl. hierzu wie zum Folgenden Logge, S. 397–400.

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es gab viele, die von Bühne zu Bühne wanderten und die neuesten Entwicklungen und Nachrichten weitertrugen. Auch auf diesem Wege verbreiteten sich liberale und nationale Ideen im Volk. Da man sich nun in Verbindung mit anderen und dadurch stärker fühlte, wirkte das neue Gedankengut länger und nachhaltiger aufgrund der »Aufladung lokalen Handelns mit nationaler Bedeutung«188. In Bezug auf die Opern des Herzogs ist dies nicht nur in der genannten Wahrnehmung seiner Person als Führungsperson der liberalen Richtung spürbar, sondern auch in der Beurteilung und Beschreibung seiner Werke. Hier tauchte nun verdächtig oft das Wort »deutsch« auf, das sich vom künstlerischen Standpunkt aus gerade in den Jahren der ersten Opern Ernsts II. noch mit den verschiedensten Inhalten füllen ließ. Als Deutsch = Wagner galt, war der Herzog schon nicht mehr musikdramatisch aktiv. Doch in den Jahren bis zur Reichsgründung wurde sein Bild in der Öffentlichkeit gerade auch von den neuen Medien geprägt und verbreitet. »Die Abbildung der Nation in den technischen Verbreitungsmedien könnte grundsätzlich und wesentlich zur ›Nationalisierung der Massen‹ (George L. Mosse) im 19. Jahrhundert beigetragen haben.«189 Dabei war es im Hinblick auf das Theater weniger bedeutend, was genau geschah, als dass etwas geschah. Dass der Herzog sich als einer der Köpfe der liberalen und nationalen Bewegung in Deutschland auch als Opernkomponist betätigte und demnach an einem der nachrichtenträchtigsten Orte der damaligen Gesellschaft (Theater) präsent war, war somit viel wichtiger, als wie gut seine Opern wirklich waren.

188 Logge, S. 399. Diese Betrachtungsweise trifft gleichermaßen auf das Theater wie auf das Vereinswesen zu. 189 Logge, S. 399.

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Macht und Musik – das waren die Leitmotive im Leben Herzog Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha. Als regierender Herzog eines kleinen Staates, dessen innere Teilung er nie wirklich beseitigen konnte, setzte er sich mit aller Kraft für den Aufbau einer deutschen Nation ein. Die Gründung des deutschen Reiches 1871 war für ihn der Höhepunkt seiner politischen Laufbahn, deren Erfolg auch wesentlich von seinen familiären Beziehungen zu Regierenden in ganz Europa gefördert wurde. Daneben erbte er von seinem Vater die Liebe zu Kunst, Musik und Wissenschaft, seine beiden Residenzstädte wurden zu regionalen Kulturzentren mit bedeutenden Sammlungen, Bibliotheken, Schulen und zwei neu erbauten Theatern. Seiner liberalen Haltung entsprechend gewährte er vielen politisch verfolgten Schriftstellern und Journalisten Zuflucht und erlaubte ein vielfältiges und freies Vereinsleben. Als Schirmherr von Turnern, Schützen und Sängern avancierte er in der Zeit der Massen­bewegungen zu einem der beliebtesten Fürsten in ganz Deutschland. Auch sein soziales Engagement, mit dem er unter anderem für eine bessere Absicherung von Künstlern sorgte oder junge Musiker zu fördern versuchte, wurde im Volk gewürdigt. Seine Liebe zur Musik ging weit über das Maß einer Freizeitbeschäftigung hinaus. Von Jugend an durch Unterricht und (nahezu) täglichen Theater­besuch geschult, entwickelte er eine besondere Vorliebe für das Musiktheater. Sein unkomplizierter Umgang mit Menschen und sein Bedürfnis nach Anerkennung beförderte wohl die Wahl dieser musikalischen Gattung für sein eigenes Schaffen. Musik war für ihn ein Ausdruck seiner Persönlichkeit, er sah sich als Künstler (wenn auch als Dilettant) und litt darunter, wenn ihm die Zeit zum Komponieren fehlte. Bemerkenswert ist auch, dass seine fünf großen Opern nicht etwa in den ruhigen Phasen seines Lebens entstanden, sondern in der Zeit höchster politischer Aktivität. Gleichzeitig war er stolz auf seine besonderen Fähigkeiten, präsentierte seine Werke gerne den hohen Besuchern seines Hofes und sorgte für die Verbreitung an andere Bühnen. Zwar schrieb Ernst II. auch Lieder und etwas Kammermusik, aber diese überwiegend frühen Kompositionen waren eher für einen kleinen Kreis gedacht und wurden nur gelegentlich in Hofkonzerten aufgeführt. Dagegen waren seine Opern definitiv an ein größeres Publikum gerichtet, schon die erste, noch relativ unsichere Komposition »Zayre« ließ er an befreundete Hoftheater schicken. Mit zunehmen-

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der Erfahrung und steigendem Selbstbewusstsein sorgte er bei seinen späteren, ausgereifteren Opern für eine weitreichendere Beachtung. Im Falle von »Santa Chiara« musste er in Paris auch auf politische Mittel und Kontakte zurückgreifen, um seine Oper dort durchzusetzen. Daneben schrieb er patriotische Gesänge für Männerchor, die auf den von ihm geförderten und zum Teil auch besuchten Sänger- und Schützenfesten zum Standardrepertoire wurden. Sie steigerten seine Popularität und verhalfen ihm besonders in Zeiten politischer Turbulenzen zu einer Volksnähe, die seine eigene Stellung als Fürst sicherte. Dafür wurde er in höchsten Kreisen der Politik oft angefeindet, sei es aus Neid, sei es, weil man ihn für einen gefährlichen Demokraten hielt. Der Herzog jedoch zweifelte nie an seiner Berufung zum Anführer der neuen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, er wollte lieber als Liberaler vorangehen denn als kleiner Duodezfürst ein Opfer der nationalen Massenbewegungen zu werden. Politische Macht verlieh ihm eigentlich nur seine Stellung als Chef des Hauses Coburg, das auf allen Thronen Europas Verwandte sitzen hatte. Sein Herzogtum selbst war viel zu klein, um ihm Bedeutung zu verleihen. Daher bediente er sich des Mittels der Musik, insbesondere des Musiktheaters, um auf sich aufmerksam zu machen und die Massen in seiner Richtung zu beeinflussen. Das Theater war die wichtigste Unterhaltungsform im 19. Jahrhundert, die Oper die angesehenste und erfolgreichste Gattung. In der Oper trafen sich alle Gesellschaftsschichten, insbesondere in Häusern, die niedrige Eintrittspreise anboten – wie das Hoftheater Coburg-Gotha. Nahezu täglich kamen viele Menschen zusammen, denen der Herzog begegnen konnte und wollte. Wurde eines seiner Werke gespielt, sprach er gleichsam zu den Menschen, auch wenn er gar nicht anwesend war. Dabei vermied er es, explizite politische Botschaften in seine Opern zu verpacken  ; das hob er sich für die plakativen »Hymnen« für die Volksfeste auf. In den Opern konzentrierte er sich eher auf überzeitliche, allgemein gültige Themen wie Liebe und Versöhnung. Die einzige echte Botschaft seiner Opern für seine Zeitgenossen war der Respekt vor allen Menschen, egal welchen Standes und welcher Nation, und vor anderen Kulturen. Ein ethnischer Nationalismus, wie ihn spätestens Richard Wagner artikulierte, war dem weitgereisten und weltgewandten Herzog fremd. Auch wenn er in Zeiten der Konfrontation mit Frankreich einen patriotischen Chor »An Elsaß-Lothringen« und eine klischeehafte Operette »Der Schuster von Straßburg« verfasste, hatte er stets die Vision eines friedvollen Europas vor Augen, in dem eine vereinte deutsche Nation unter der Führung Preußens ihr Wort mitzureden hatte. In der Politik wie in der Musik versuchte er die Rolle eines Versöhners und Vermittlers zu spielen, was ihm phasenweise auch gelang.

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So blieb sein Herzogtum von den Revolutionswirren 1848 relativ unberührt, und er konnte es sich sogar leisten, bei Unruhen persönlich besänftigend einzugreifen. In seiner Musik ist Herzog Ernst II. eher dem konservativen Lager zuzuordnen, seine Vorstellungen scheinen der frühromantischen Ästhetik am nächsten zu sein. Obwohl er sich intensiv mit der Entwicklung des zeitgenössischen Musiktheaters auseinandersetzte, verharrten seine eigenen Werke in einer Lieder- oder Singspiel-Tradition, die bald die Verbindung zur aktuellen Musikdramatik abreißen lassen musste. Innerhalb der fünf Opern ist eine deutliche Entwicklung spürbar, doch für das Verfassen großer dramatischer und durchkomponierter musikalischer Zusammenhänge fehlten dem Herzog Begabung, Zeit und Durchhaltevermögen. Er liebte den Austausch mit Künstlern aller Art, ließ sich gerne bei seinen künstlerischen Aktivitäten beraten und war durchaus willens und in der Lage, Kritik anzunehmen. Sein Netzwerk zu Komponisten und Theaterschaffenden scheint riesig gewesen zu sein, die überlieferten Akten belegen Kontakte bis nach Amerika und in alle Länder Europas. Einerseits suchte der Herzog die Begegnung auf Augenhöhe, andererseits konnte er seiner Stellung als Fürst nicht entfliehen. Die Verleihung von Orden, als Geste der Aufwertung und des Dankes gedacht, vertiefte diesen Zweispalt noch. Viele Künstler, denen er mit großer Wärme und Großzügigkeit entgegentrat, sahen in ihm den Machtmenschen und erwiderten seine Gefühle nicht. So erlebte Herzog Ernst II. sowohl im politischen als auch im künstlerischen Bereich ein Dilemma  : Er setzte sich für die große Einheit der deutschen Nation ein, schaffte es aber im Kleinen nicht, Gothaer und Coburger zu einer echten Vereinigung des Territoriums zu bewegen. Er komponierte zwar große Opern und erfolgreiche Chöre, wurde aber in der Künstlergemeinde nie wirklich als Gleicher unter Gleichen akzeptiert. Wie sehr er darunter litt, ist aus den Briefen an Gustav Freytag oder Charlotte Birch-Pfeiffer herauszulesen. Beiden vertraute er sich ungewöhnlich offen an, aber beide vergaßen nie seine Stellung als Landesherr. Die Auswirkungen der Kulturpolitik Ernsts II. waren vielfältiger Natur. Zuerst einmal bewirkte seine Doppelnatur als Künstler und als Fürst, dass er selbst ein sehr abwechslungsreiches und interessantes Leben führen konnte. Besonders bei der unmittelbaren Berührung von Politik und Musik war er in seinem Element. Dies ist beispielsweise im Zusammenhang mit seinen Aufenthalten in Paris spürbar, bei denen er sowohl eine politische Mission zu erfüllen hatte (engen Kontakt mit Napoleon III., um dessen Absichten zu ergründen) als auch seine Oper »Santa Chiara« zu vermitteln versuchte. Dazu schreibt

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Ernst II. in seinen Memoiren1  : »In dem getheilten Interesse von Kunst und Politik und in dem Wechsel der Eindrücke, welche ich bald durch die Ausstellung in den Champs Elysées, bald durch die militairischen und politischen Conferenzen mit dem Kaiser und den Ministern erhielt, fand ich mich in die Zeiten versetzt, von denen man erzählt, daß die Politik sich eines Deckmantels bedienen mußte und die großen Staatsgeheimnisse der Könige und Minister durch reisende Maler oder Musiker von einem Lande in das andere getragen worden seien. […] Wiewohl man von Seite der gewohnheitsmäßigen Politiker und Diplomaten meine Reisen sonst nicht ganz unbemerkt ließ, so hatte ich in dieser Weltausstellungszeit die angenehme Genugthuung, so angesehen zu werden, als hätte ich lediglich den Interessen der Musik und des Theaters meine Zeit gewidmet. Um so ungestörter konnte ich meine Erfahrungen über die Lage der Dinge in Europa sammeln und meine Beobachtungen über die Absichten der Mächte für die nächste Zeit in aller Stille feststellen.« Diese Doppelfunktion des Herzogs hatte natürlich für ihn als Person den gewünschten Nebeneffekt, dass er mehr öffentliche Aufmerksamkeit genoss. Diese hatte – wie immer – zwei Seiten, und zwar sowohl im Hinblick auf die Politik wie auch im künstlerischen Bereich  : Er wurde geliebt und verachtet für seine Rolle als liberaler Fürst, der immer in der großen Politik mitmischen wollte. Gleichermaßen verehrt und verlacht wurden seine Bemühungen in der Theaterwelt, denn einerseits förderte und unterstützte er viele Künstler, andererseits forderte er für sich selbst die Anerkennung seiner künstlerischen Bemühungen. Eine weitere Folge der Kulturpolitik Herzog Ernsts II. war zudem, dass das Hoftheater Coburg-Gotha unter seiner Regierung zu einer kleinen, aber feinen Bühne heranwuchs, die für die Qualität ihrer Aufführungen im ganzen Land bekannt war. Viele berühmte Sänger und Musiker machten Station in Coburg oder Gotha, was weniger auf pekuniäre Anreize zurückzuführen war als auf den guten Ruf des Hauses und die bevorzugte Behandlung am Hof. Auch das festangestellte Personal bestand aus hervorragenden Kräften, weshalb das Coburg-Gothaer Hoftheater auch viel weniger Schwankungen unterworfen war als andere Bühnen in dieser Zeit. Lediglich die vorübergehende Einstellung des Musiktheaters aus finanziellen Gründen 1881/82 markiert einen Tiefpunkt, verursacht durch die vom Herzog gewünschte gute Ausstattung der Bühne. Doch selbst in dieser Situation wird eine positive Auswirkung seiner konsequenten Theaterpolitik sichtbar, denn durch die jahrelange Unterstüt1 »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, Bd. 2, S. 270–280.

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zung und Förderung des Hoftheaters – oft auch aus eigener Kasse – hatte es der Herzog geschafft, das Theater zu einer so wichtigen gesellschaftlichen Einrichtung wachsen zu lassen, dass die Bürger seiner Residenzen eine Einstellung der Oper schlichtweg nicht akzeptierten. Ihre Bereitschaft zu höheren Beiträgen ermöglichte eine rasche Wiederbelebung dieses im Leben der Bevölkerung tief verankerten Instituts. Dabei sei noch einmal hervorgehoben, dass der Betrieb eines Theaters mit einem derart hohen Anspruch in zwei so kleinen Städten durchaus nicht einfach war, da ein relativ großes Repertoire zur Verfügung stehen musste, um das Publikum nicht zu langweilen. Trotzdem schafften es die Intendanten, die der Herzog sorgfältig auswählte und überwachte, immer wieder, am Puls der Zeit zu bleiben und auch neue Trends und Entwicklungen aufzugreifen. Selbst Aufführungen von Wagner-Opern, deren Anforderungen eigentlich weit über die Möglichkeiten der kleinen Häuser hinausgingen, wurden durch geschickte Umarbeitungen ermöglicht. Natürlich wurden auch die Opern des Herzogs in den eigenen Häusern gespielt (die Operetten wohl nicht), wodurch sich die Beziehung des Herzogs zu seinem Hoftheater noch verfestigte. Dabei verlangte er einerseits natürlich beste Leistungen seiner Sänger und Musiker, die sich als Untergebene sicher auch dazu verpflichtet fühlten – was immer sie wirklich über die Musik des Herzogs dachten. Andererseits übernahm der Herzog aber auch Sonderkosten aus eigener Tasche, beispielsweise für die prachtvolle Ausstattung von »Diana von Solange«, offenbar wollte er seine eigenen Kompositionen nicht über die anderer Autoren stellen. Seine Mitarbeiter, vor allem die Kapellmeister, behandelten ihren komponierenden Herzog stets mit Respekt, scheuten aber ab und zu auch nicht ein offenes Wort, was offenbar kein Problem war, da Ernst II. die Fachkompetenz seiner Theatermitglieder anerkannte. Während in der Heimat eigentlich immer eine gute Aufnahme der Opern zu erwarten war (nur wenige trauten sich, die künstlerischen Versuche ihres Landesherrn offen zu kritisieren), versuchte der Komponist bei auswärtigen Aufführungen, echte Publikumsreaktionen zu erfahren. Die Coburger Intendanz forderte im Namen des Herzogs immer Rezensionen der Opernaufführungen an anderen Bühnen an, gelegentlich nutzte man sogar persönliche Kontakte an den jeweiligen Orten, um ungeschönte Erfahrungsberichte zu erhalten. Wahrscheinlich fand bei der Weiterleitung der Berichte an den herzoglichen Komponisten doch eine gewisse Zensur statt, denn es fällt auf, dass der Großteil der Besprechungen positiv ausfällt. Doch nicht vor allen kritischen Nachrichten blieb der Herzog verschont, der ja selbst oft versicherte, auf eine ehrliche Meinung über seine Werke Wert zu legen.

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Noch viel direkter war die Reaktion des Publikums auf seine Person bei den großen Volksfesten, bei denen er sich gerne als gütiger Landesherr und jovialer Organisator präsentierte. Zwar wurde Ernst II. hier viel mehr in seiner Funktion als politischer Anführer wahrgenommen, doch er milderte die Distanz durch seine Nahbarkeit (Bälle, Tafel) und den Verzicht auf äußere Symbole der Macht (kleidet sich im Schützenrock, lenkt selbst seine Kutsche). Dazu kam noch seine Betätigung als Chorkomponist. Die Männerchorkomponisten waren Idole der nationalen Bewegung, da sie es schafften, mit ihren Werken Stimmung zu erzeugen, die Massen zu verbinden und ein ungekanntes Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Die Nation als »Ereignis«2 entstand in den Momenten, als tausende von Männern gemeinsam »Was ist des Deutschen Vaterland« sangen. Der Herzog bot diesen Ereignissen Raum und Legitimation, half bei der Konstituierung der Bewegung in verschiedenen Organisationen (Nationalverein, Deutscher Sängerbund usw.) und stellte sich als Schirmherr schützend vor sie, gegen reaktionäre Angriffe. Des Weiteren lieferte er selbst mindestens zwei sehr erfolgreiche musikalische Beiträge (»An die deutsche Trikolore«, »Lobpreiset laut«), die ihm die Herzen der Menschen öffneten. Mit seinen äußeren Möglichkeiten wie mit seiner inneren Begabung verschrieb er sich ganz und gar diesem Engagement, vielen Kritikern zum Trotz. Versucht man aus heutiger Sicht sich der Person Ernsts II. anzunähern, so wird man ihn genau hier finden  : an der Schnittstelle zwischen Macht und Musik. Der Herzog hat weder die Geschichte der Oper durch seine Beiträge maßgeblich verändert noch das Deutsche Reich im Alleingang gegründet. Doch er hat durch seine Kulturpolitik zu diesen beiden prägenden Entwicklungen im Deutschland des 19. Jahrhunderts einen Beitrag geleistet, der weit über das hinausging, was angesichts seiner Voraussetzungen und seiner Stellung zu erwarten gewesen wäre.

2 Vgl. Logge, S. 404.

Literaturverzeichnis

Abkürzungen  :

LBC  : Landesbibliothek Coburg StACo  : Staatsarchiv Coburg StadtACo  : Stadtarchiv Coburg ThStA  : Thüringer Staatsarchiv ThHStA  : Thüringer Hauptstaatsarchiv BSB  : Bayerische Staatsbibliothek DTM  : Deutsches Theatermuseum München ADB  : Allgemeine Deutsche Biographie NDB  : Neue Deutsche Biographie Quellen  :

Staatsarchiv Coburg (StACo)  : Bestände »Theater«, »LA A«, »MIN D«, »L.Reg.« und »NL« (Nachlass) Stadtarchiv Coburg (StadtACo)  : Cob. IV/10 Almanach des Herzogl. Saechs. Hoftheaters zu Coburg Saison 1861, hg. vom Souffleur Heine. Cob. IV/1 Denkschrift zur Jubiläums-Feier des Fünfundzwanzigjährigen Bestehens der Herzogl. Hofbühne zu Coburg und Gotha am 1. Juni 1852. Cob. IV/2 Weiss, Carl  : Das Herzogl. S. Hoftheater zu Coburg-Gotha, 1. Juni 1877. Cob. IV/ 3a Herzogl. Sächs. Hoftheater und Hofkapelle 1827–1902. Cob. I/253 Nr. 10 Zeichnung vom alten Ballhaus. Bestand A, Sign. 12.254 »Acten des Sängerkranzes«. Landesbibliothek Coburg (LBC)  : BZ N5 93 Gesetze für das Herzogl. S. Hof-Theater zu Coburg. Coburg 1827. Cob 3.30/56 (Ex.2) Reinhart, Michael  : Zur wirtschaftlichen Entwicklung im Raum Coburg im 19. Jahrhundert. Referat bei einem Kolloquium, veranstaltet vom Haus der Bayerischen Geschichte, Coburg 27./28.2. 1996. Cob 7.51/20 Haus-Ordnung für das Herzogl. Sächs. Hoftheater. Coburg 1899. Cob 9 ERN(II.) 16 Sammelband Coburgensia 145. Cob Q 62,24 (5) (Bekanntmachung der Errichtung eines Hoftheaters 1827). Cob Q 62,24 (6+7) Hoftheaterdiener Kämmer zum Saisonschluss 1837 und 1838. Cob Q 62,24 »Prolog und Epilog zur Jubiläums-Feier des Fünfundzwanzigjährigen Bestehens der Herzogl. Hofbühne zu Coburg und Gotha  ; am 1. Juni 1852«. Cob Q 62,24 Mappe mit verschiedenen alten Theaterzetteln. Cob. 9 EBA 3 Vortragsmanuskript von Paul von Ebart, zu Richard Wagner und Coburg (transkribiert von Fabian Kern) [zitiert  : Ebart, Vortrag]. D27 Cob 7.51 26 (Ex. 1) Das Herzoglich sächsische Hoftheater in Coburg 1827–1918. Ansichten und Pläne. Sonderausstellung des Staatsarchivs Coburg zur 175. Wiederkehr der Theater-

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Literaturverzeichnis

gründung 1827 vom 14.Mai bis 14. August 2002. Konzeption von Stefan Nöth, Aufbau von Rainer Grimm und Stefan Nöth. Eb K47 Sammelband Coburgensia 144 HP–66,1217 Sammelband Privatbibliothek 7 Ms 110 Manuskript »Tony oder Die Vergeltung – Romantische Oper in IV Akten von Fr. von Elsholz«. Ms 111a Deutsches Textbuch zu »Diana von Solange«, möglicherweise zum Teil autograf von Herzog Ernst II. und Otto Prechtler, mit einliegenden Entwürfen zum Bühnenbild. Ms 111b Deutsches Textbuch zu »Diana von Solange« Ms 112 Französisches Textbuch zu »Diana von Solange«, übersetzt von H. Lefebure. Ms 113 Französisches Textbuch zur Oper »Casilda«, übersetzt durch Gustave Oppelt. Ms 114 Italienisches Textbuch zur Oper »Casilda«, übersetzt durch Giancarlo Casanova. Ms 115 Französisches Textbuch zur Oper »Santa Chiara«, übersetzt von Gustave Oppelt. Mus. 3332 Sammelband mit Arien in Klavierauszugsfassung, Drucke zwischen ca. 1800 und 1825. TB WW 77 Weiss, Carl  : Das Herzogl. S. Hoftheater zu Coburg Gotha. Am 1. Juni 1877, dem Tag des fünfzigjährigen Bestehens. Coburg 1877. [Weiss 1877] TB WW 202 Weiss, Carl  : Erstaufführungen. Verzeichnis der Stücke nach dem Alphabet. [Coburg, um 1830]. TB WW 745 Theaterzettelbuch 1794–1806 (ohne Seiten-/Blattzählung). TB WW 745 (1775/1776) »Comödienzettel des herzoglich-gothaischen Hoftheaters« 1775–1776. TB WW 745 (1827) (I. Ankündigung der Eröffnung des Herzoglichen Hoftheaters. II. Zwei Theaterzettel der ersten Vorstellungen Coburg-Gotha.) TB WW 773 Landestheater Coburg  : Aufführungen 1827–1940. Bd. 1,1  : A-L. Bd. 1,2  : M-Z, Register. Notenmaterial zu den fünf Opern von Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha in der LBC  : Die Klavierauszüge zu den Opern sind im Onlinekatalog (OPAC) der LBC einsehbar. »Zayre«  : LBC TB Op 350 »Tony«  : LBC TB Op 228, Ms. Mus 136a, Ms. Mus 136, Ms. Mus 294, Ms. Mus 357 Beachte auch   : BSB St.th. 726–1, 2, 3 (historisches Aufführungsmaterial der Bayerischen Staatsoper von 1854) sowie WRha DNT 346 (Hochschule Weimar). »Casilda«  : LBC TB Op 311 Beachte auch  : BSB St.th.720 (historisches Aufführungsmaterial der Bayerischen Staatsoper). »Santa Chiara«  : LBC TB Op 243 »Diana von Solange«  : LBC TB Op 261 Textbücher  : Handschriftliche Textbücher (oft in Übersetzung) finden sich unter LBC Ms 110 bis 115 (s. oben). Bei den genannten Orchestermaterialien in der LBC finden sich jeweils auch gedruckte Textbücher zu den Opern. Zayre. Oper in drei Abtheilungen. [München ca. 1860]. Tony, romantische Oper in drei Aufzügen von Fr. von Elsholtz. Musik von E. H. z. S. München 1854. Die Hand der Vergeltung. Romantische Oper in drei Akten. Gotha [ca. 1855].

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AMZ  : Allgemeine Musikalische Zeitung AWMZ  : Allgemeine Wiener Musik-Zeitung LAMZ  : Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung NZfM  : Neue Zeitschrift für Musik NRMZ  : Niederrheinische Musik-Zeitung für Kunstfreunde und Künstler RMZ  : Rheinische Musik-Zeitung für Kunstfreunde und Künstler Hinweis  : Ist die Zeitschrift nur einmal zitiert, wird die Ausgabe angegeben. Ansonsten werden die relevanten Jahrgänge genannt. The Academy  : 1874, 1890 Allgemeine Musikalische Zeitung (AMZ)  : 1840, 1848, 1850, 1863, 1864, 1865, 1871, 1872 Allgemeiner musikalischer Anzeiger  : 12. Jg., 1840, Nr. 10, 5. März 1840, S. 40 Allgemeine Wiener Musik-Zeitung (AWMZ)  : 1847 (Bd. 7+8) The Athenaeum  : 1851, 1852, 1855, 1860, 1865, 1877, 1887, 1890, 1893 Berliner musikalische Zeitung  : 1845 Chicago Daily Tribune, 29. August 1893, S. 5 The Contemporary Review  : 1. Juli 1892, S. 153–164 The Cornhill magazine, Oktober 1861, S. 488–496 Deutsche Theater-Zeitung, Berlin, 2. November 1853, S. 352 The Examiner  : 1852, 1877 Frankfurter Konversationsblatt, 7. Mai 1851, S. 435f. Gothaische Zeitung  : 1851 Harper’s New Monthly Magazine  : 1861 The Illustrated Review, Juni 1872, S. 760 Kurier für Niederbayern. Tagblatt aus Landshut. 1863, Nr. 27, 27. Januar 1863, Titelblatt. The Leader and Saturday analyst, 1859, 3. September, S. 1003 Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung (LAMZ)  : 1865–1868 The Leisure Hour, a family journal of instruction and recreation  : 1860, 1888 The Literary Gazette  : A weekly journal of literature, science, and the fine arts, 7. August 1852, S. 613f. The London Review of politics, society, literature, art and science. 19. März 1864, S. 305 Macmillan’s Magazine, 1. November 1876, S. 482–491 The Monthly Musical Record  : 1892, 1893 Musical News, 2. September 1893, Titelseite The Musical Standard  : 1873, 1877, 1879, 1880, 1882, 1889, 1894 The Musical Times  : 1882, 1893 The Musical World  : 1851–1856, 1862, 1863, 1871, 1875–1877 Neue Berliner Musikzeitung  : 1851, 1858 Neue Zeitschrift für Musik (NZfM)  : 1846–1849, 1851, 1892 The New York Times  : 1875, 1883, 1890, 1891 New Sporting Magazine, Public Amusements of the Metropolis, August 1852, S. 149 Niederrheinische Musik-Zeitung für Kunstfreunde und Künstler (NRMZ)  : 1861 The Observer, 8. Oktober 1855, S. 7 The Orchestra, 21. Juni 1872, S. 184

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Folgende Quellen bzw. Texte sind im Internet frei zugänglich  : Allgemeine Deutsche Biographie, Neue Deutsche Biographie RISM-Katalog der Musikhandschriften in den Kunstsammlungen der Veste Coburg Theaterzettelsammlung des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar. Hinweis zur Zitierweise  :

Bücher  : Autorenname (+ Erscheinungsjahr, wenn mehrere Veröffentlichungen desselben Autors zitiert werden)  ; in Zweifelsfällen wird zusätzlich ein Titelstichwort angegeben. Akten  : Name des Archivs (Abkürzung) + Name des Bestandes + Nummer der Akte (+ Seitenoder Blattangabe, wenn verfügbar).

Personenverzeichnis Abbas, Alfons (geb. 1894), Kammermusiker in Meiningen 167 Abbey, Henry (1846–1896), Theaterdirektor 518, 520, 522 Abt, Karl Julius (1822–1900), Sänger und Musikdirektor 117, 136, 260f., 458 Ackermann, Carl Friedrich (geb. 1820), Sän­ ger und Theaterdirektor 505 Adam, Adolphe (1803–1856), Komponist 303 Adolfi, Franz (1850–1921), Sänger 465 Adolphi, Heinrich (1845–1918), Theater­ direktor 365, 524 Albert (1819–1861), Prinz von Sachsen-­ Coburg und Gotha, Bruder Ernsts II. und Prinzgemahl der Königin Victoria von England 14ff., 19ff., 27f., 30–44, 46, 51, 54, 57, 59, 65, 69, 74, 78f., 83f., 89, 103, 124, 193, 216, 308, 319, 322, 324, 383, 404, 408, 413, 449, 501, 541, 544, 558, 560f., 577 Albert Edward (1841–1910), als erster Sohn Victorias und Alberts Prince of Wales, später König Edward VII. 322, 458 Alexander (1804–1881), Prinz von Württem­ berg, Bruder der Stiefmutter Ernsts II. 51, 321 Alexander I. (1777–1825), Kaiser von Russ­ land 267 Alexandrine (1820–1904),Herzogin von Sachsen-­­Coburg und Gotha, geborene Prin­ zessin von Baden, Ehefrau Ernsts II. 46f., 118, 125, 134, 153f., 226, 229, 269, 323, 439, 443, 455, 459, 461, 526, 546f., 562 Alfred (1844–1900), Herzog von Sachsen-­ Coburg und Gotha, Nachfolger Ernsts II. 44, 87, 323, 459 Alice (1843–1878), Großherzogin von Hessen und bei Rhein, Nichte Ernsts II. 73, 478 Althaus, Gertrud von (1866–1942), geborene Gertrud Porth, mutmaßlich uneheliche Tochter Ernsts II. 38 André, Johann (1775–1842), Musikverleger 401

Anna Amalie (1723–1787), Prinzessin von Preußen und Komponistin, Schwester Friedrichs des Großen 544 Antoinette (1779–1824), Herzogin von Würt­ temberg, geborene Prinzessin von Sach­ sen-Coburg-Saalfeld, Tante und zugleich Mutter der Stiefmutter Ernsts II. 20 Anzengruber, Ludwig (1839–1889), Schrift­ steller 437 Arlt, Ferdinand (1856–1926), Theaterdirektor 524 Arndt, Ernst Moritz (1769–1860), Schriftstel­ ler, Historiker und Politiker 36 Arnoldi, Ernst Wilhelm (1778–1841), Unter­ nehmer und Kulturförderer in Gotha 221, 429 Auber, Daniel-François-Esprit (1782–1871), Komponist 116, 221, 255f., 303, 307f., 310, 376, 386, 499 Auffenberg, Joseph von (1798–1857), Theater­intendant 109 August (1772–1822), Herzog von Sachsen-­ Gotha-Altenburg, Vater der Mutter Ernsts II. 424, 544, 558 August (1818–1881), Prinz von Sachsen-­ Coburg und Gotha, katholische Koháry-­ Linie, Vater des späteren Zaren Ferdi­ nand I. von Bulgarien, Cousin Ernsts II. 21, 47, 243, 322, 458 Augusta (1811–1890), preußische Königin und deutsche Kaiserin, geborene Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach 73, 165 Auguste Caroline Sophie (1757–1831), Herzogin von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Großmutter Ernsts II. 20, 34, 245, 267 Aurnheimer (Auernheimer), Georg Leonhard (1766–1829), Wirt und Theaterunterneh­ mer 239, 250 Bach, Johann Sebastian (1685–1750), Kom­ ponist 535 Bach, Otto (1833–1893), Kapellmeister und Direktor des Mozarteums 438, 555f.

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Balfe, Michael William (1808–1870), Komponist und Dirigent 501 Balvansky, Anton (1815–1881), Theaterdirektor 332, 354 Barbot Caroline (1830–1893) und Joseph-­ Théodor-Désiré (1824–1897), Sängerehepaar 196 Bartholomäus, Edmund (1836–1884), Verleger in Erfurt 325, 337, 341, 359, 369, 492 Basta, Marie (1856–1902), Sängerin 464f. Bäuerle, Adolf (1786–1859), Redakteur 476 Beatrice (1857–1944), Prinzessin von Großbritannien und Irland, Nichte Ernsts II. 323 Beaulieu-Marçonnay, Karl von (1811–1889), Intendant 147–150 Becker, Adolf (1836–1906), Intendant 166, 231, 233, 246, 249, 260f., 347, 350, 355, 362, 367, 463f., 492, 496, 504f., 508, 555ff. Becker, Friedrich Gottlieb (1792–1865), Hofrat in Gotha 60 Becker, Karl (1820–1879), Sänger 478 Beethoven, Ludwig van (1770–1827), Komponist 41, 45, 152, 170, 230, 256, 409, 411f., 520, 556, 561 Behr, Heinrich (1821–1897), Sänger und Theaterdirektor 356 Bellini, Vincenzo (1801–1835), Komponist 104, 242, 255f. Benacci-Peschier, französischer Musikverlag, gegründet von Jean Benacci und Claudine Peschier 316 Benda, Georg Anton (1722–1795), Kapellmeister 218 Benda, Oskar (1845–1915), Intendant 261, 365 Béranger, Jean-Pierre de (1780–1857), Lyriker 501 Berger, Eugen (geb. 1868), Schriftsteller und Theaterdirektor 367 Berghof, Carl (geb. 1840), Theaterdirektor in Regensburg 509 Bergmann, Carl (1821–1876), Dirigent 510 Bergmann, Gustav (1837–1892), Komponist 510 Berlioz, Hector (1803–1869), Komponist

123, 151, 155, 176, 303, 305, 323, 354, 360, 562f., 569 Bernhardi, Theodor von (1802–1885), preußischer Politiker 61, 63, 89, 370, 530 Bertalan, Carl Joseph von (1833–1912  ?), Theaterdirektor 487–490 Berthold, Albert (1841–1926), Theaterdirektor 523 Bethmann, Pauline, Sängerin 506 Birch-Pfeiffer, Charlotte (1800–1868), Schauspielerin und Bühnenautorin 6, 124, 127, 136, 152, 159, 161f., 255, 266, 268–281, 283, 291, 294f., 306, 308f., 323, 349, 356, 362, 437f., 440, 443, 451, 531, 541f., 570, 575, 581 Bischoff, Georg Friedrich (1780–1841), Kantor und Lehrer 423 Bismarck, Otto von (1815–1898), Politiker und Staatsmann 20, 72f., 79, 84, 89f., 170, 401 Blanck, Wilhelm, Pianist und Musikkritiker in Berlin 378 Bleibtreu, Karl (1859–1928), Journalist und Schriftsteller 90 Bock, Gustav (1813–1863), Herausgeber und Musikkritiker 109, 154, 179–182, 316 Böhner, Johann Ludwig (»Louis«) (1787– 1860), Komponist 412 Boieldieu, François (1775–1834), Komponist 86, 221 Bollmann, Karl Friedrich, Privatsekretär Ernsts II. 69, 381, 462 Borsch und Borschod, Friedrich Franz von (1809–1881), Geheimer Rat und Ministerresident in Wien 475 Bott, Jean Joseph (1826–1895), Kapellmeister 190 Božek, Romuald (1814–1899), Techniker und Erfinder des »Mondapparates« für die Bühne 325 Bradsky, Wenzel Theodor (1833–1881), Komponist 358 Brand (Brandt), Carl (1828–1881), Bühnentechniker 235 Brandus, Louis (1816–1887), Verleger 192, 315, 484

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Brauer, Gustav (1817–1878), Theaterdirektor 367 Braun, Georg, ab 1805 Schauspieler und Theaterdirektor in Nürnberg, ab 1823 in München 250 Brehm, Alfred Edmund (1829–1884), Zoologe und Schriftsteller 71f. Breidenstein, Heinrich Carl (1796–1876), Universitätsmusikdirektor und Komposi­ tionslehrer Ernsts II. 41ff. Brentano, Clemens (1778–1842), Schriftsteller 23 Brexendorff (Bötticher-Brexendorff), Clara (geb. 1823), Sängerin 114 Brückner, Gotthold (1844–1892), Theatermaler 154, 170f., 238, 356, 390, 571 Brückner, Heinrich (1805–1892), Sänger und Theatermaler, Vater von Gotthold und Max 170f., 177, 181, 279, 356, 390, 571 Brückner, Max (1836–1919), Theatermaler 154, 170f., 238, 356, 390, 571 Brühl, Karl von (1772–1837), Intendant 234 Buddeus, Aurelio (Aurelius) (1817–1880), Schriftsteller, Mediziner, Redakteur 326 Bülau, Friedrich (1805–1859), Schriftsteller 266 Bülow, Hans von (1830–1894), Dirigent 154, 314, 318, 519, 537 Bulthaupt, Heinrich (1849–1905), Redakteur 499 Bulyovsky, Lila von (1833–1909), Schauspielerin 356 Burney, Charles (1726–1814), Musikhistoriker 218 Busnes, Albéric de, französischer Autor 314, 565 Butterweck, Konrad (1825–1899), Regisseur 492 Cabarrus, Thérésa (1773–1835), Mutter des Prinzen von Chimay 286 Cabel, Marie (1827–1885), Sängerin 196 Caimi, Eugenio, italienischer Autor und Übersetzer in Paris 346 Carl Alexander (1818–1901), Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 64, 135, 151, 382 Carl August (1757–1828), Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 23ff.

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Carl Friedrich (1783–1853), Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 236 Carvalho, Léon (1825–1897), Theaterdirektor 195 Casanova, Giancarlo (geb. 1820), Sänger und Übersetzer 193 Cavour, Camillo Benso von (1810–1861), Premierminister Sardiniens 14 Charlotte Amalie (1730–1801), Herzogin und Regentin von Sachsen-Meiningen 22 Charlotte Christine Sophie (1694–1715), Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel, verheiratet mit dem Zarewitsch Alexej, Mutter des Zaren Peter II. 266, 270 Chastenet de Puységur, Jacques-Maurice de (1825–1879), französischer Offizier 312 Cherubini, Luigi (1760–1842), Komponist 86 Chimay, Prinz von: s. Riquet de Caraman Chrysander, Friedrich (1826–1901), Herausgeber 540 Claar, Emil (1842–1930), Regisseur 481 Clémentine (1817–1907), Prinzessin von ­Orléans, Frau des Coburger Prinzen ­August, Koháry-Linie 47, 322, 353 Clotilde (1846–1927), Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, Koháry-Linie, Frau des Erzherzogs Joseph Karl Ludwig von Österreich 459 Conway von Waterford-Perglaß (1806–1855), August, Theaterdirektor 138–141 Corneck, Josef (1860–1901), Theaterdirektor 368 Cornet, Julius (1793–1860), Theaterdirektor 240, 256 Corvin, Otto von (1812–1886), Journalist und Schriftsteller 33 Cosmar, Alexander (1805–1842), Schriftsteller und Übersetzer 542 Crato, Antonio von (1531–1595), unehelicher Spross des portugiesischen Königs­ hauses 431 Crelinger, Ludwig (1836–1904), Schauspieler, Regisseur und Theateragent, Neffe der berühmten Schauspielerin Auguste Crelinger (1795–1865) 510f., 513 Crosnier, François Louis (1792–1867),

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­Generaldirektor der Pariser Oper 285, 292, 296ff., 311f. Crowe, Asta (1841–1908) und Joseph Archer (1825–1896), Diplomaten 494f. Cruvelli, Künstlername der Sophie Crüwell (1826–1907), Sängerin 193, 286, 289, 292, 311, 327 Czibulka, Alfons (1842–1894), Komponist und Militärkapellmeister 525 d’Aubert, Luise-Hilda-Agnes (1812–1837), uneheliche Cousine Ernsts II. 267 d’Agoult, Marie (1805–1876), langjährige Lebensgefährtin von Franz Liszt 151 Damrosch, Frank (1859–1937), Organist und Chorleiter 521 Damrosch, Leopold (1832–1885), Geiger und Kapellmeister 519, 521 Damrosch, Walter (1862–1950), Kapellmeister 519, 521 Dancla, Leopold (1822–1895), Pianist und Komponist 525 Darwin, Charles (1809–1882), Naturforscher 71f. Derville, Henri Joseph (1818–1870  ?), französischer Dichter 313 Devrient, Eduard (1801–1877), Schauspieler und Intendant 44, 235, 327, 502 Devrient, Emil (1802–1872), Schauspieler 44, 339, 536, 543 Devrient, Karl (1797–1872), Theaterdirektor 353 Dickens, Charles (1812–1870), Schriftsteller und Herausgeber 67f. Diener, Franz (1849–1879), Sänger 506 Dietsch, Philipp (1808–1865), »Chef du chant« an der Pariser Oper 313 Dingelstedt, Franz von (1814–1881), Theaterdirektor 91, 164, 353, 455 Döbbelin, Konrad (1799–1856), Regisseur 259ff. Donizetti, Gaetano (1797–1848), Komponist 514 Dörr, Friedrich (geb. 1831), Philologe und Lehrer 532 Doucet, Camille (1812–1895), Dramatiker und Theaterbeauftragter 285, 287f., 293, 312, 471

Draeseke, Felix (1835–1913), Coburger Komponist 151, 155, 562f. Dräxler, Manfred (Karl) (1806–1879), Schriftsteller und Dramaturg 477 Drenker, Emil (1839–1887), Theateragent 348, 363, 370, 508 Drouet, Louis (1792–1873), Flötist und Kapellmeister 125, 259ff., 284f., 295f., 298–306, 309, 315f., 575 Droysen, Johann Gustav (1808–1884), Historiker 89 Dufour, Sélim François (1799–1827), Musikverleger 484 Dulcken, Ferdinand (1835–1901), Pianist und Komponist 510 Duller, Eduard (1809–1853), Dichter 554 Dulong, Jules, französischer Dramatiker 290 Duncker, Max (1811–1886), Historiker und Berater des preußischen Kronprinzen 69 Dunkler, Franz (1816–1878), Komponist für Militärmusik 370 Dürer, Albrecht (1471–1528), Maler und Kupferstecher 409 Düsel, Carl Gottlob, Kantor in Rodach und Komponist (vgl. Werke in der LBC) 407 Dustmann-Meyer, Marie Luise (1831–1899), Sängerin 475 Ebart, Paul von (1855–1936), Kammerherr und Intendant 51, 69, 84f., 87, 95, 152f., 166, 169, 190, 199, 201, 213, 218, 226–234, 242–246, 249, 252, 258f., 261, 271, 323, 331, 350, 366f., 411f., 414, 455, 518, 524, 534ff., 540–543, 555, 561 Eberhard, Ernst Friedrich (1809–1868), Lehrer, Schuldirektor und Schulrat in Coburg 406, 411 Ebersberg, Ottokar Franz (1833–1886), Herausgeber 480 Eberwein, Friedrich (1796–1856), Theaterdirektor 221 Eckardt, Sebastian (1782–1846), Coburger Hofmaler und Kunsterzieher Ernsts II. 32 Egon Moritz (1853–1896), Prinz von Ratibor 322, 458 Eichendorff, Joseph von (1788–1857), Dichter 541 Eilers, Albert (1830–1896), Sänger 170

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Eirich, Oskar Friedrich (1845–1921), Rechtsanwalt 447 Ekhof, Conrad (1720–1778), Schauspieler und Theaterdirektor 22, 214f., 218, 542f. Elsholtz (von Blomberg), Franz (1791–1872), Diplomat im Dienste Coburg-Gothas 127, 134f., 145f., 216 Elster, Johann Daniel (1796–1857), Chorleiter 421, 424 Emich Carl (1763–1814), Fürst zu Leiningen, erster Mann von Ernsts Tante Victoire 216 Endrulat, Bernhard (1828–1886), Redakteur und Archivar 484 Engel, Jakob Karl (auch: Josef ) (1821–1888), Geiger und Theaterdirektor 349f., 463f. Erdmann-Jesnitzer, Friedrich (1854–1906), Theaterdirektor 351 Erff, Albert (1830–1862), Komponist und Pianist 369 Erfurth, Georg Bernhard (1747–1827), Kammerdiener am Coburger Hof 415 Erler, Hermann (1844–1918), Musikkritiker 466 Ernst (1807–1868), Prinz von Württemberg, Bruder der Stiefmutter Ernsts II. 51, 231, 536 Ernst (1830–1904), Prinz, ab 1856 Fürst zu Leiningen 72, 478 Ernst August I. (1771–1851), König von Hannover 382 Ernst I. (1784–1844), Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld, ab 1826 Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, Vater Ernsts II. 14, 18, 20f., 26–36, 38, 40, 43, 46, 48, 124, 152, 205, 221, 225, 244, 255, 266, 366, 389, 403, 414ff., 418 Ernst II. (1745–1804), Herzog von Sachsen-­ Gotha-Altenburg 22, 543 Ernst, Moritz (1826–1900), Theaterdirektor 343 Esser, Heinrich Joseph (1818–1872), Kapellmeister 473, 476 Esterházy de Galantha, Nikolaus III. von (1817–1894) 85 Fahrbach, Philipp (1815–1885), Komponist 323, 542 Faltis, Emanuel (1847–1900), Kapellmeister 85, 167, 261, 367, 505, 524

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Faust, Friedrich, Drucker in Erfurt 109 Feige, Karl (1780–1862), Schauspieler und Theaterdirektor 235f. Feld, Leo (1858–1896), Komponist 369 Felsberg, Justinus (1780–1849), Stadtkantor in Gotha 425 Ferdinand (1785–1851), Prinz von Sachsen-­ Coburg-Saalfeld, Onkel Ernsts II., durch Heirat mit der Erbin Maria Antonie von Koháry (1797–1862) Begründer der katholischen Koháry-Linie 20, 51, 541 Ferdinand bzw. Fernando II. (1816–1885), König von Portugal, Cousin Ernsts II. 4, 21, 434f., 536 Ferdinand Philipp (1844–1921), Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha, verheiratet mit Louise (1858–1924), Tochter König Leopolds II. 482 Fessler, Eduard (1841–1901), Sänger 477f., 511 Fétis, Francois-Joseph (1784–1871), Musikpädagoge und möglicherweise Theorielehrer Ernsts II. 40 Feuerbach, Paul Johann Anselm (1775–1833), Jurist 23 Feustel, Friedrich von (1824–1891), Bankier 169, 411 Fichte, Johann Gottlieb (1762–1814), Philosoph 23 Fichtner, Karl (1805–1873), Schauspieler 455 Fioravanti, Valentino (1764–1837), Komponist 221 Fiorentino, Pier Angelo (1811–1864), Musikkritiker 305 Fischel, Eduard (1826–1863), Jurist und Schriftsteller 63 Fischer, Carl Ludwig (1816–1877), Kapellmeister 472f. Fischer, Ernst, Garderobier und Theaterschneider am Hoftheater Coburg-Gotha 170 Fischer, Rudolph (geb. 1850), Musikdirektor in Gotha 1889 509 Fischer-Birnbaum, Vincenz (1798–1879), Architekt und Baurat 105f. Florschütz, Johann Christoph (1794–1882), Erzieher Ernsts II. 18, 32–37

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Flotow, Friedrich von (1812–1883), Komponist und Intendant 123, 270, 331, 455, 502 Fontane, Theodor (1819–1898), Dichter und Schriftsteller 536 Formes, Karl (1810–1889), Sänger 146f. Förster, August (1828–1889), Theaterdirektor 240, 251, 256 Forster, Josef (1838–1917), Komponist 86 Fould, Achille (1800–1867), französischer Minister 285, 288f., 293, 299f., 310 Franceschini, Girolamo (1820–1859), Kostümdirektor 474 Franchetti, Alberto (1860–1942), Komponist 520 Franck, Karl (gest. 1890), Kapellmeister 494 Francke, Karl Philipp (1805–1870), Regierungspräsident 50, 60, 89 Franz (Frank), Ellen (1839–1923), auch »Freifrau von Heldburg«, Opernsängerin und dritte Frau des Herzogs Georg II. von Sachsen-Meiningen 239, 536 Franz Friedrich Anton (1750–1806), Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Großvater Ernsts II. 20–23, 26, 29, 266 Franz I. (1768–1835), Kaiser von Österreich, als Franz II. letzter römisch-deutscher Kaiser 545 Franz Joseph (1830–1916), Kaiser von Österreich 64, 73, 85, 182, 185, 539, 555 Frassini, Natalie (1836–1905), Sängerin 117, 126, 231, 456, 536 Freytag, Gustav (1816–1895), Schriftsteller und Vertrauter Ernsts II. 50, 60–63, 70, 72, 74, 78f., 82, 84, 152, 156, 268f., 276ff., 280, 331, 413, 437ff., 442, 451f., 454f., 462, 468, 482, 526–533, 535, 543, 545, 547, 550f., 559, 581 Fricke, Richard (1818–1903), Solotänzer und Ballettmeister 169 Friedrich I. (1826–1907), Prinz, ab 1856 Großherzog von Baden, Schwager Ernsts II. 51, 64 Friedrich II. (1712–1786), »der Große«, König von Preußen und Flötist 179, 544 Friedrich Josias (1737–1815), Prinz von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Reichs-Generalfeldmarschall 28

Friedrich VII. (1808–1863), König von Dänemark 73 Friedrich VIII. (1829–1880), Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg 73 Friedrich Wilhelm III. (1831–1888), deutscher Kaiser und Mann Victorias, der ältesten Nicht Ernsts II. 78f., 83, 95, 321ff., 544 Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), preußischer König 58, 62, 382 Friedrich, Johann Christian Elias, Verwalter am Coburger Hof, 1817 am Jagdschloss Rodach 415 Füchs, Ferdinand Karl (1811–1849), Komponist 185 Fugmann, Adalbert (ca. 1816–1884), Theatersekretär in Coburg 109, 147, 325, 333, 366, 479 Füldner, Heinrich Christian, Theaterdirektor, 1804/1805 in Coburg, 1822 Insolvenz in Altenburg 216 Gall, Ferdinand von (1807–1872), Intendant 503 Garibaldi, Giuseppe (1807–1882), Kämpfer für die italienische Einigungsbewegung 155 Gautier, Alphonse (geb. 1809), Sekretär im französischen Innenministerium 312 Geiger, Constanze (1839–1890), »Freifrau von Ruttenstein«, Musikerin und Frau des Prinzen Leopold von Sachsen-Coburg und Gotha (1824–1884), Koháry-Linie 536 Genast, Eduard (1797–1866), Sänger und Regisseur 148f., 276 Genée, Rudolph (1824–1914), Schriftsteller und Theaterdirektor 69, 110, 223, 234 Georg I. (1761–1803), Herzog von Sachsen-Meiningen 23 Georg II. (1826–1914), Herzog von Sachsen-­ Meiningen 16, 237ff., 459, 499, 536 Georg V. (1819–1878), König von Hannover und Komponist 544 Georgii, Theodor (1826–1892), Mitbegründer der Deutschen Turnerschaft 397ff. Gerl, Helene (1847–1905), Sängerin 197 Gerstäcker, Friedrich (1816–1872), Schriftsteller 411, 531

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Gille, Carl (?) (1861–1917), Kapellmeister 349 Girard, Narcisse (1797–1860), Chefdirigent an der Pariser Oper 285, 296, 298, 301, 304, 309, 313 Gleich, Ferdinand (1816–1898), Musikschriftsteller 565 Glimes, Jules de (1814–1881), Komponist und Gesangslehrer Ernsts II. 40 Glöggl, Franz (1796–1872), Verleger und Musikalienhändler 186, 316, 454 Goethe, Johann Wolfgang von (1749–1832), Dichter, Staatsmann und Theaterleiter 23, 38, 62, 252, 409, 411, 540 Goldberg, Albert (1847–1905), Sänger, Regisseur und Theaterdirektor 197, 199, 508 Goldmark, Carl (1830–1915), Komponist 85 Golinelli, Jean (geb. 1857), Ballettmeister in Leipzig 199 Gounod, Charles (1818–1893), Komponist 76, 288, 459, 489, 518, 520 Grabenstein, Wilhelm (1856–1911), Sänger 524 Gregorovius, Ferdinand (1821–1891), Schriftsteller und Historiker 78 Greville, Henry (1801–1872), englischer Aristokrat und Schriftsteller 501 Griebel, Carl (1835–1901), Sänger, Veranstalter und Bierbrauer 417 Griepenkerl, Wolfgang Robert (1810–1868), Schriftsteller 354 Grillparzer, Franz (1791–1872), Archivdirektor und Schriftsteller 438 Gropius, Karl Wilhelm von (1793–1870), Maler 188 Groß, Adolf von (1845–1931), Finanzverwalter der Bayreuther Festspiele 169f. Grote, Augustus Radcliffe (1841–1903), Natur­forscher und Musikliebhaber 498f. Grote, Louis Ruyter Radcliffe (1886–1960), Sohn von Augustus, Arzt und Musiker 499 Gruben, Eduard von (1809  ? –1868), Kammerherr und Intendant 116, 230f., 259ff. Grüner, Adolf, Komponist und Pianist, 1850–1854 in Wien 117 Grützmacher, Friedrich (1832–1903), Komponist 369

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Guhr, Carl Wilhelm (1787–1848), Kapellmeister und Musikkritiker 42, 110 Gustav Adolf IV. (1778–1837), König von Schweden und Theaterfreund 46, 544 Gutzkow, Karl (1811–1870), Bühnenautor 51, 230, 276 Haase, Friedrich (1825–1911), Schauspieler und Regisseur 231f., 240, 260f., 542f. Habelmann, Theodor (1834–1920), Sänger und Intendant 511–514, 517f., 521f. Hache, Hugo, Kapellmeister in Lübeck 509 Hagen, Johann Baptist (1818–1870), Kapellmeister 189 Hagen, Richard (1843–1905), Sänger, Schauspieler und Theaterdirektor 367, 524 Hahnemann, Samuel (1755–1843), Arzt und Begründer der Homöopathie 46 Halévy, Jacques Fromental (1799–1862), Komponist 256, 303, 467 Hancke, Oswald (1840–1879), Regisseur 362 Händel, Georg Friedrich (1685–1759), Komponist 540, 556 Hanslick, Eduard (1825–1904), Musikkritiker 476 Hanssens, Charles Louis (1802–1871), Dirigent 341 Hanstein, Alexander (Maximilian) von (1804–1884), »Graf von Poelzig«, zweiter Mann Luises, der Mutter Ernsts II. 27, 34 Hanstein, Maximilian von (1803–1857), Reisemarschall und Intendant 259, 261 Hardenberg, Karl August von (1750–1820), preußischer Staatsminister 234 Harmening, Ernst (1854–1913), Jurist und Publizist 83 Hartleb, Wilhelm (gest. ca. 1867), Hoftheaterinspektor in Coburg 453 Hartogensis, Veit Victor von (geb. um 1857), Rechtsanwalt und Legationsrat 85 Hartwig, Gustav (1837–1901  ?), Komponist 399 Hasemann, Wilhelm (»Willy«) (1843–1910), Theaterdirektor 368, 508 Hassenstein, Carl Heinrich (1803–1864), Physik- und Chemieprofessor 226 Haushalter, Carl (1810–1893), Rechtsanwalt 538f.

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Hawkins, Charles Halford (1838–1900), Shakespeare-Experte 213, 237 Haydn, Joseph (1732–1809), Komponist 368 Haydn, Michael (1737–1806), Komponist 95 Haym, Rudolf (1821–1901), politisch aktiver Literaturwissenschaftler 69 Hegel, Friedrich (1770–1831), Philosoph 23 Heine, Heinrich (1797–1856), Dichter 123, 392 Heinrich I. (1512–1580), König von Portugal 431 Heinrich, Alois (1812–1861), Theateragent 188, 244, 259 Heldritt, Ernst Carl Wilhelm von, Major und Kommandant der Coburger Bürgerwehr 1848/1849 243 Hell, Theodor (1775–1856), Bühnenautor 221 Hellfahrt, Carl, Inhaber einer »Lithographischen Anstalt« in Gotha 105f. Hellmann, Friedrich Wilhelm, Stadtkantor in Gotha 427 Helmerding, Carl (1822–1899), Schauspieler und Komiker 50 Helmerding, Fritz (1859–1947), Schauspieler und Wehrpflichtiger 50 Henning, Wilhelm (gest. 1882), Kapellmeister 114 Hensler, Elise (1836–1929), »Gräfin von Edla«, Opernsängerin und zweite Frau von König Ferdinand II. von Portugal 536 Herbig, Julius (1846–1910), Hofmusiker 190 Herder, Johann Gottfried (1744–1803), Dichter und Philosoph 23 Herfurth, Rudolf (1844–1915), Kapellmeister 485 Hérold, Ferdinand (1791–1833), Komponist 122 Hess (Heß), Carl (1800–1871), Staatsrat und Regierungspräsident in Coburg 110 Hess, Leon (1836–1905), Schauspieler und Bibliothekar 198 Hesselbach, Alexander (1839–1890), Sänger 486, 492 Hessler, Alexander (1833–1900), Sänger und Theaterdirektor 360, 483ff. Heymann, Magdalene (1828–1893) und

Eduard (1826–1876) von, Bremer Konsul 498f. Hiller, Ferdinand von (1811–1885), Komponist 116, 539 Hiller, Paul (1853–1934), Theaterdirektor 523 Hillmann, Emil (gest.1902), Theaterdirektor 523 Hilpert, Bruno (1850–1910), Kapellmeister und Chordirigent 360 Hirsch, Heinrich (1840–1910), Theaterdirektor 463, 504, 523 Hoffmann, Carl Heinrich (1828–1911), Theaterdirektor 523 Hoffmann, Johann (1803–1865), Theater­ direktor 145, 324ff., 342, 353 Hoffmann, Josef (1831–1904), Maler 171 Hohenlohe-Langenburg, Hermann zu (1832–1913), Verwandter Ernsts II. 72 Hohenzollern, Karl Anton von (1811–1885), preußischer Ministerpräsident 60 Hötte, Josef jr. (1838–1919), Musikfreund 367 Hülsen, Botho von (1815–1886), Intendant 154, 186f., 278, 280, 349, 451, 462, 535 Isouard, Niccolò (1775–1818), Komponist 256 Jacobi, Karl (1790–1852), Fagottist und Kapellmeister 259, 261, 457 Jaeger, Felix (geb. 1850), Kapellmeister in Berlin 348 Jaëll, Alfred (1832–1882), Komponist und Pianist 369 Jahn, Friedrich Ludwig (1778–1852), »Turnvater Jahn«, Pädagoge 396 Jahn, Wilhelm (1837–1900), Theaterdirektor 85 Jasinski, Jan (1806–1879), Dramatiker und Theaterdirektor 503 Jelinek, Franz Xaver (1818–1880), Chordirektor 556 Jendersky, Karl von (1835–1886), Regisseur 357f., 503 Johann (1782–1859), Erzherzog von Österreich, »Reichsverweser« 1848–1849 241 Johann I. (1543–1583), Herzog von Braganza 431

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Johann I. (180–1873), König von Sachsen 322f., 334 Joseph I. (1687–1711), römisch-deutscher Kaiser und Komponist 544 Joseph II. (1741–1790), römisch-deutscher Kaiser, Sohn Maria Theresias 384 Joseph Karl Ludwig (1833–1905), Erzherzog von Österreich, Mann der Coburger Prinzessin Clotilde 117, 229, 459 Joukowsky, Paul von (1845–1912), russisch-­ deutscher Bühnenbildner und Schriftsteller 171 Jouvin, Benoît (1810–1886), Musikkritiker 307f. Juliane (1781–1860), Großfürstin von Russland (Anna Feodorowna), geborene Prinzessin von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Tante Ernsts II. 20, 51, 266ff. Jungmann, Eduard Julius (1815–1862), Hauptmann und Beteiligter am Gefecht von Eckernförde 56 Just, Carl (1808–1861), Sänger und Regisseur 474 Kallenberg, Carl (1825–1900), Kaufmann und Turner 398f. Kanitz, Hermann, Buchhändler und Verleger in Gera 276 Karche, Philipp Carl Gotthard (1780–1854), Prediger, Lehrer und Historiker 214, 421 Karl I. (1600–1649), König von England 208 Karl I. (1823–1891), König von Württemberg 358 Karl VI. (1685–1740), römisch-deutscher Kaiser und Komponist 544 Karoline Amalie (1771–1848), Herzogin von Sachsen Gotha, (Stief-)Großmutter Ernsts II. 34, 36, 47 Kasch, Gustav, Zeichner und Graphiker aus Berlin 462 Kawaczynski, Friedrich Wilhelm von (1806– 1876), Schauspieler und Regisseur 106, 213, 232f., 260f., 411, 421, 442, 444, 457 Kiehaupt, Heinrich (1840–1903), Kapellmeister 368 Kiel, Clemens August (1813–1871), Kapellmeister 357 Kinsky, böhmisches Hochadelsgeschlecht 259

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Klingemann, Ernst August Friedrich (1777– 1831), Theaterdirektor 205 Knauff, Marie (1841–1895), Schauspielerin 534 Knispel, Hermann (1855–1919), Schauspieler 198, 339, 478 Koch, Carl Siegmund (1793–1875), Komponist und Musiklehrer Ernsts II. 32 Königswarter, Henri (1819–1876) und Jules, jüdische Bankiersfamilie 471 Konstantin (1779–1831), russischer Großfürst, Bruder Zar Alexanders I. 20, 267 Kotzebue, Wilhelm von (1813–1887), Bühnenautor 416 Krämer, Traugott (1818–1884), Hofmusiker und Mitarbeiter des Herzogs 162, 230, 274, 281, 296, 323, 343, 346f., 358f., 369, 379, 444–450, 457, 463, 473, 476, 479, 481f., 485–495, 497, 502f., 506–509, 523ff., 538, 542, 555ff. Krause, Julius (1810–1881), Sänger 115 Kretschmann, Theodor von (1762–1820), Jurist und Staatsmann 29 Kretschmer, Edmund (1830–1908), Komponist 437 Kreutzer, Conradin (1782–1849), Komponist 143, 200, 202, 496 Kroll, Auguste (1821–1907), Tochter des Gründers der Krolloper Joseph Kroll (1797–1848) 463 Kronser-Fournier, Antonie (1809–1882), Schauspielerin 476 Krüger, Eduard (1807–1885), Musikschriftsteller 385f. Kücken, Friedrich Wilhelm (1810–1882), Kapellmeister und Komponist 455, 502f. Kummer, Caspar (1795–1870), Flötist und Komponist 537 Küstner, Karl Theodor von (1784–1864), Theaterdirektor und Generalintendant 111, 113ff., 154, 178, 205–212, 225, 239f., 254, 256, 280, 387f., 479 Lachner, Franz (1803–1890), Komponist und Kapellmeister 116, 122f., 539 Lachner, Ignaz (1807–1895), Kapellmeister 190f., 329 Lafont, Jenny-Marguerite (1808–1842), geb. Colon, Sängerin 309, 311

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Lalo, Edouard (1823–1892), Komponist 520 Lampert, Ernst (1818–1879), Kapellmeister 95, 107, 109ff., 114, 119, 125f., 136f., 140ff., 147–150, 159, 167–170, 177, 181, 187, 189–192, 230, 260f., 296, 314, 342, 369, 373, 446f., 453f., 456f., 460f., 469, 474, 485, 538f., 554, 556 Lampert, Karl (1811–1886), Theaterkritiker 342 Lanckoronski-Brzezie, Karl (1799–1863), Oberstkämmerer am Wiener Hof 474 Langert, August (1836–1920), Kapellmeister 261, 535, 537 Latinovisc, Isabelle de (1830–1906), Pianistin und Klavierlehrerin, Mutter von Carrie Pringle 347 Laube, Heinrich (1806–1884), Dramatiker 251 Lautenberg (auch: Lautenburg), Siegmund (1851–1918), Theaterdirektor 363, 509 Lebrun, Karl August (1792–1842), Schauspieler und Theaterdirektor 240 Ledebur, Karl von (1840–1913), Intendant 491f. Lehmann, Marie (1851–1931), Sängerin 146, 343 Leibrock, Josef Adolf (1808–1886), Komponist 369 Leopold (1790–1852), Großherzog von Baden, Schwiegervater Ernsts II. 46f., 51 Leopold (1790–1865), König der Belgier, Onkel Ernsts II. 4, 18, 21, 30, 35, 37, 49, 51, 53f., 70, 73f., 202, 267f., 285f., 319, 323, 404, 541, 545 Leopold (1824–1884), Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha, Koháry-Linie, Oberst der k.u.k. Infanterie 51, 536 Leopold I. (1640–1705), römisch-deutscher Kaiser und Komponist 544 Lepel, Ferdinand von (1779–1873), Staatsminister und Diplomat 48 Leroy, François-Hippolyte (1815  ? – 1887), Regisseur und Librettist 306, 313 Lesser, Stanislaus (1840–1907), Schauspieler und Theaterdirektor 510 Letellier, Théodore (1801–1877), Theaterdirektor 341

Leuckart-Verlag, gegründet in Breslau von Franz Leuckart (um 1748–1817), ab 1870 in Leipzig weitergeführt von seinem Enkel Constantin Sander (1826–1905) 558 Levi, Hermann (1839–1900), Musikdirektor 85f. Liebig, Peter (1853–1910), Theaterdirektor 524 Lind, Jenny (1820–1887), Sängerin 114 Lindpaintner, Peter Josef (1791–1856), Kapellmeister 110, 116, 255, 539 Linhardt, Franz von (1793–1876  ?), Advokat und Musikkritiker 483 Liszt, Franz (1811–1886), Klaviervirtuose und Komponist 16, 40, 45, 103, 135f., 148f., 151–167, 169ff., 273, 276, 279ff., 303, 314, 316ff., 322, 378, 385f., 389, 428, 455f., 469, 472, 538f., 543, 554, 556, 562f., 567, 571 Litolff, Henry Charles (1818–1891), Musiker und Verleger 152, 315–319, 365, 454, 470f. Litolff, Theodor (1839–1912), Musikverleger, adoptierter Sohn Henry Litolffs 454 Lorenz, Ottokar (1832–1904), Historiker 80f., 92ff. Lortzing, Albert (1801–1851), Kapellmeister und Komponist 189, 256, 352, 387 Louis Ferdinand (1772–1806), Prinz von Preußen, Pianist und Komponist 179, 344 Louise Marie (1812–1850), Königin der Belgier, geborene Prinzessin d’Orléans 21, 51 Löw, Wilhelm Constantin Karl (1828–1905), Komponist 330, 369 Löwe, Theodor (1830–1898), Regisseur und Theaterdirektor 260f., 414 Löwenfels, Eduard von (1808–1892), unehelicher Cousin Ernsts II. 267 Lübcke, Adolf (gest. 1838), Musikdirektor 259, 261 Ludwig II. (1777–1848), Großherzog von Hessen und bei Rhein 235 Ludwig II. (1845–1886), König von Bayern 158, 171, 356, 532 Ludwig III. (1806–1877), Großherzog von Hessen 73, 235, 459 Ludwig, Otto (1813–1865), Dichter und Schriftsteller 532

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Luise (1800–1831), geborene Prinzessin von Gotha-Altenburg, Mutter Ernsts II. 18, 20, 27, 34, 383 Luise (1838–1923), Prinzessin von Preußen, Großherzogin von Baden 557 Lüpschütz, Felix (1852–1894), Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor 85 Luther, Martin (1483–1546), Reformator 413, 573 Lütkemeyer, Friedrich (1842–1912), Theatermaler 257, 344 Lüttichau, Wolf August von (1786–1863), Intendant 125, 337, 455, 468 Lutzer-Dingelstedt, Jenny (1816–1877), Sängerin und Frau des Theaterdirektors Franz von Dingelstedt 353 Lux, Friedrich (1820–1895), Organist und Kapellmeister 194, 368, 553 Malkowsky, Georg von (1851–1921), Journalist und Kunsthistoriker 373 Malortie, Carl Ernst von (1084–1887), Intendant und Oberhofmarschall 141f., 150 Maria (1875–1938), Königin von Rumänien, Tochter Herzog Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha 50, 87f. Maria Antonia (1724–1780), Kurfürstin von Sachsen und Komponistin 544 Maria II. da Gloria (1819–1853), Königin von Portugal, von Ernst II. »Donna Maria« genannt 434f., 536 Maria Pawlowna (1786–1859), Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, Tochter Zar Pauls I. 236, 249 Maria Theresia (1717–1780), Kaiserin von Österreich 384 Marie (1799–1860), Prinzessin von Württemberg, Cousine und Stiefmutter Ernsts II. und Alberts 27, 34, 47, 51, 420, 555 Marie Antonie (1797–1862), Erbin des Hauses Koháry, Frau Ferdinands I. 20 Marie Henriette (1836–1902), Königin der Belgier, geborene Erzherzogin von Österreich 341 Marié, Künstlername des Mécène Marié de l’Isle (1811–1879), Sänger 311 Marion, Henriette (1845–1921), Sängerin 358, 506

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Markull, Friedrich Wilhelm (1816–1887), Musikdirektor und Musikkritiker 539 Marra-Vollmer, Marie von (1822–1878), Sängerin 146 Marschner, Heinrich (1795–1861), Kapellmeister und Komponist 122, 138–141, 143, 185, 256, 377, 472, 512, 539 Martersteig, Max (1853–1926), Theaterdirektor 204, 210f. Marx, Pauline (1819–1881), Sängerin 114 Mascagni, Pietro (1863–1945), Komponist 85, 331 Mathy, Karl (1807–1868), liberaler Journalist und Politiker 50 Matkowsky, Adalbert (1857–1909), Schauspieler 252 Max (1808–1888), Herzog in Bayern und Komponist 544 Max I. Joseph (1756–1825), König von Bayern 382 Maximilian I. (1832–1867), Kaiser von Mexiko, Erzherzog von Österreich 21, 472 Mayer, Christian Friedrich (1823–1888), Redakteur 68 Mazilier, Joseph (1797 oder 1801–1868), Ballettmeister 300f., 313 Mazzini, Giuseppe (1805–1872), italienischer Revolutionär 561 Meffert, Robert (1849–1903), Sänger 364 Meißner, Alfred (1822–1885), Schriftsteller und Journalist 482 Mendel, Hermann (1834–1876), Musikschriftsteller 547, 566 Mendelssohn Bartholdy, Felix (1809–1847), Komponist 44, 46, 189, 230, 424, 535, 553, 556, 560ff. Mensdorff-Pouilly, Alexander von (1813– 1871), Cousin Ernsts II., österreichischer Außenminister 32, 51, 73f. Messemaeckers, Louis (1809–1889), Pianist und Klavierlehrer Ernsts II. 40 Metternich, Klemens Wenzel Lothar von (1773– 1859), österreichischer Staatsmann 27f. Meurant, Edouard (gest. 1916), Offizier und Chorleiter in Brüssel 553 Mewes, Gustav (gest. 1865), Theaterdirektor 357

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Meyer, Gottfried (gest. 1849), Verleger in Braunschweig 317 Meyer, Joseph (1796–1856), Kaufmann und Verlagsgründer 285, 429 Meyerbeer, Giacomo (1791–1864), Komponist 43, 45, 51, 95, 111–115, 122–126, 147, 162, 164, 166, 184, 194, 208f., 221, 226, 255f., 273ff., 278, 281, 288, 294f., 299, 302f., 305, 308, 310, 322, 335ff., 345, 356, 390, 392, 458, 461, 466f., 482. 489, 493, 499, 515, 518, 520, 539, 557, 561f., 571ff., 575 Meyern-Hohenberg, Gustav von (1820– 1878), Intendant 69, 140f., 166, 219, 230f., 260f., 285, 289f., 316, 343, 411, 445–448, 451, 455, 462, 468, 471, 479, 481, 482, 501, 535, 548, 552 Michaelis, Gustav (1828–1887), Komponist und Militärmusiker 370 Millenet, Johann Heinrich (1785–1859), Künstlername »Tenelli«, Dichter und Gymnasialprofessor 95, 107, 110, 124, 172, 178, 245, 276f., 284, 287f., 314, 564 Moltke, Helmuth von (1800–1891), preußischer Generalfeldmarschall 77 Monninger, Friedrich (1839–1922), Herausgeber 506 Moritz, Jakob (1826–1904), Theaterinspektor 359 Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791), Komponist 45, 255f., 372, 409, 411, 457, 535, 538f., 558 Mücke, Carl Samuel, Jurist aus Schwarzau, 1816 Hofadvokat, später in Themar und Hildburghausen 333 Mühldorfer, Wilhelm (1835–1867), Theatermaler 257, 390 Mühldorfer, Wilhelm Karl (1837–1919), Kapellmeister 336f. Mühling, August (1786–1847), Komponist und Theaterdirektor 240 Müller, Bernhard (1825–1895  ?), Arrangeur für Militärmusik 117 Müller, Friedrich Konrad (1823–1881), »Müller von der Werra«, Arzt und Dichter 405, 552f. Müller, Hugo (1831–1881), Komponist 412

Müller, Wilhelm (1834–1897), Cellist und Meininger Kammermusiker 525 Muther, Rudolf (1823–1898), Bürgermeister von Coburg 247 Nägeli, Hans Georg (1773–1836), Chorleiter, Komponist und Musikschriftsteller 424 Napoleon I. (1769–1821), Kaiser von Frankreich 24, 26, 28, 30, 95, 219, 222, 236, 298, 396, 412, 545 Napoleon III. (1808–1873), Kaiser der Franzosen 12ff., 59, 62f., 194, 196, 284–291, 293, 295f., 306, 309–313, 372, 391, 472, 581f. Naumann, Victor (1865–1927), Jurist und Schriftsteller 85 Neuendorff, Adolf (1843–1897), Theater­ direktor 510 Nicolini, Julius (1839–1894), Theaterdirektor 175, 198, 367 Nissen, Hermann (1857–1914), Schauspieler 457 Novalis, Pseudonym von Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (1772–1801), Schriftsteller 23 Oberbreyer, Max (1851–1918), Redakteur und Herausgeber 507 Oberländer, Leopold (1811–1868), Bürgermeister von Coburg 411 Oertel, Konditor und Betreiber des Theaterlokals in Coburg 418 Offenbach, Jacques (1819–1880), Komponist 550f., 560 Ohorn, Anton (1846–1924), Lehrer und Hofrat 68, 91, 482, 552 Olga (1822–1892), Königin von Württemberg, Frau Karls I., geborene Nikolajewna Romanowa 358 Oppelt, Gustave (1817–1888), Hofbeamter in Brüssel 192, 284–288, 290–293, 296ff., 300ff., 304ff., 311–316, 318, 340, 345f., 469f., 553 Orsini, Felice (1819–1858), Rechtsanwalt und Attentäter 13 Otto, Julius (1804–1877), Dresdner Kreuzkantor und Komponist 404 Pabst, Julius (1817–1881), Hoftheatersekretär 452f., 455, 468f.

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Padberg, Bertha von (geb. 1839  ?), geborene Fischer, mutmaßliche uneheliche Tochter Ernsts II. 38 Paganini, Nicolò (1782–1840), Geigenvirtuose 218, 385 Panam, Pauline (1789–1840), Geliebte Herzog Ernsts I. 26 Panofka, Heinrich (1807–1887), Komponist und Gesangslehrer 313 Pasqué, Ernst (1821–1892), Sänger und Regisseur 147 Patzig, Alfred (1850–1927), Pianist 258 Paul I. (1754–1801), Kaiser von Russland 267 Paur, Emil (1855–1932), Dirigent 199 Pawel-Rammingen, Emil von (1807–1886), Beauftragter für das Hoftheater Coburg-Gotha 135, 226, 249 Pelletier, Jules (1823–1875  ?), Generalsekretär im französischen Innenministerium 287 Perthes, Clemens (1809–1867), Jurist 36 Perthes, Justus (1749–1816), Verlagsinhaber 70, 429 Petermann, August (1822–1878), Kartograf und Geograf 70f. Pfläging, Jean (1832–1878), Theaterdirektor 504 Pfohl, Ferdinand (1862–1949), Musikkritiker 201ff. Philipp II. (1527–1598), König von Spanien 431 Philipp, Graf von Flandern (1837–1905), zweiter Sohn des belgischen Königs Leopold 322f. Piefke, Gottfried (1815–1884), Militärmusikdirektor 314, 369 Platen-Hallermund, Julius von (1816–1889), Intendant 141f., 455, 472f. Plönnies, Luise von (1803–1872), Schriftstellerin 531, 550 Pohl, Bernhard (1838–1897), genannt »Pollini«, Theaterdirektor 241 Popp, Wilhelm (1828–1903), Hofpianist und Flötist 117, 457 Porth, Gertrud (1866–1939), auch »Freifrau von Althaus«, mutmaßliche uneheliche Tochter Ernsts II. 38

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Potier, Henri (1816–1878), Komponist und »Chef du chant« an der Pariser Oper 313 Pranz, Wilhelm (1819–1870), Musikpädagoge 257f. Prechtler, Otto (1813–1881), Bühnen­ autor 341ff., 437–443, 452, 455ff., 465, 473–476, 491, 499, 516, 550 Preumayr, Reinhold (1830–1904), Kapellmeister 465 Pringle, Basil John Charles (1825–1886), Vater von Carrie Pringle 347 Pringle, Carrie (1859–1930), Sängerin 159, 345–348 Pringle, John Charles Godfrey (1867–1900), Musiker und Bruder von Carrie Pringle 347 Proch, Heinrich (1809–1878), Kapellmeister 185 Putlitz, Gustav zu (1821–1890), Schriftsteller und Theaterdirektor 455 Quandt, Daniel Gottlieb (1762–1815), Theaterdirektor 214 Quincke, Wolfgang (1859–1940), Regisseur 261 Raabe, Wilhelm (1831–1910), Schriftsteller 64 Rabich, Ernst (1856–1933), Kantor und Komponist 425f. Radziwill, Anton (1775–1833), polnischer und preußischer Politiker, Komponist 179 Raff, Joachim (1822–1882), Komponist 189 Rakemann, Louis (1813-nach 1898), Pianist und Kapellmeister 362 Raul, Emanuel (1843–1916), Theaterdirektor 523 Raupach, Ernst (1784–1852), Bühnenautor 388 Reck, Maximilian (1818–1885), Theater­ direktor 248, 250f., 358, 505f. Redern, Friedrich Wilhelm von (1802–1883), Intendant 154, 209, 280 Réer, Julius (1819–1884), Sänger 110, 453, 458 Reimann, Eduard (1833–1898), Theaterdirektor 506f. Reinbold, Hermann, Geiger am Königstädter Theater, Komponist und Pianist in Berlin 369

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Reinecke, Carl (1824–1910), Professor und Dirigent 85 Reiß (Reiss), Carl (1829–1908), Kapellmeister 357 Reißiger, Carl Gottlieb (1798–1859), Kapellmeister und musikalischer Ratgeber Ernsts II. 43f., 122, 337, 344, 402, 454, 460, 539 Rekowski (Rekowsky), Konstantin von (gest. 1902), Intendant 167, 231, 233, 261, 363, 510 René, Maxime (geb. 1873), Oberregisseur an der Brüsseler Oper 341 Richter, Eugen (1838–1906), Reichstagsabgeordneter der Freisinnigen Partei 83 Richter, Hans (1843–1916), Dirigent 170 Rie, Bernhard (geb. 1839), Geiger und Komponist 525 Riegg, Carl, Kapellmeister, verheiratet mit der Sängerin Carola Köppler 496 Ries, Ferdinand (1784–1838), Komponist 411 Riquet de Caraman, François Joseph de (1771–1843), Prinz von Chimay, Vater von Joseph 286 Riquet de Caraman, Joseph de (1808–1886), Prinz von Chimay, belgischer Diplomat 12, 284–289, 292f., 295f., 304ff., 311ff., 470 Ristori, Adelaide (1822–1906), italienische Schauspielerin 13 Rodenberg, Julius (1831–1914), Jurist und Schriftsteller 501 Roeder (auch »Röder«), Ferdinand (1809– 1880), Theaterdirektor und -agent 256, 345, 463, 504, 523 Roger, Gustave (1815–1879), Sänger 301, 309, 311ff. Romberg, Andreas (1767–1821), Kapellmeister und Komponist 218, 424f. Röpert, Georg von (geb. 1806), Oberdirektor der Herrschaft Greinburg 354 Roquet (Roquette), französischer Generalleutnant während der Napoleonischen Befreiungskriege 289f. Rossini, Gioachino (1792–1868), Komponist 255f., 493 Rothbart, Georg Konrad (1817–1896), Maler und Baumeister 105, 177, 189, 228, 279

Royer, Alphonse (1803–1875), Dramatiker und Theaterdirektor 470f. Rückert, Friedrich (1788–1866), Schriftsteller und Orientalist 28, 558 Rudolf (1788–1831), Erzherzog von Österreich, Kardinal und Erzbischof von Olmütz, Komponist 544 Rudolph, Julius (1857–1915), Theaterdirektor 364, 524 Ruthardt, Julius (1841–1909), Komponist und Kapellmeister 349, 492 Saar, Louis (1833–1910), Kapellmeister 346, 360 Sachse, Carl Albert (1823–1894), Theateragent 224f., 232, 241, 280, 328ff., 332ff., 353f., 377 Sadler-Grün, Friederike (1836–1917), Sängerin 170 Sain d’Arod, Prosper (1814–1887?), Kapellmeister 125 Saint-Georges, Jules-Henri de (1799–1875), Librettist 118, 293 Samwer, Karl (1819–1882), Politiker und Staatsrat 50, 60, 62, 70 Sand, George (1804–1876), Pseudonym von Amantine Dupin de Francueil, Schriftstellerin und Lebensgefährtin des Komponisten und Pianisten Frédéric Chopin (1810–1849) 157 Sax, Adolphe (1814–1894), Instrumentenbauer 557 Sayn-Wittgenstein, Carolyne zu (1819–1887), langjährige Lebensgefährtin von Franz Liszt 151f., 157, 318, 455f., 472, 543, 563 Scabell, Ludwig (1811–1885), »Brand-Direktor« und Theaterbeauftragter 462f. Schauroth, Wilhelm von (1787–1867), Festungskommandant und Kammerherr 34 Scheidler, Dorette (1781–1834), Frau von Louis Spohr, Harfenistin aus Gotha 218, 424 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph (1775– 1854), Philosoph und Professor 23 Schiedmayer, Musikalien- und Instrumentenhändler in Straßburg 484 Schiller, Friedrich (1759–1805), Dichter 23, 51, 115, 237, 383, 409, 411f.

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Schilling, Gustav (1805–1880), Musikschriftsteller 544, 564 Schindelmeisser, Louis (1811–1864), Kapellmeister 339, 537 Schindler, Louis (1835–1904), Theaterdirektor 363f., 368 Schirmer, Albert (1838–1902), Intendant 494ff. Schirmer, Emil (1840–1915), Schauspieler und Theaterdirektor 198 Schlegel, August Wilhelm (1767–1845) und Caroline (1763–1809), Literaturhistoriker und Schriftstellerin 23, 36 Schloißnigg, Franz von (1777–1850), Bankier 388 Schlotthauer (Schlothauer), Ernst Christian, Wachtmeister und Theaterkastellan 107 Schmidt, Friedrich Ludwig (1772–1841), Theaterdirektor 240 Schmidt, Gustav (1816–1882), Komponist und Kapellmeister 480 Schmidt, Heinrich Julian (1818–1886), Redakteur und Herausgeber 526 Schmidt, Johann Philipp Samuel (1779– 1853), Komponist 95 Schmidt, Wilhelm (1815–1871), Theater­ sekretär, später Intendanzrat 137 Schmidt-Weißenfels, Eduard (1833–1893), preußischer Politiker und Schriftsteller 48f., 52f., 66ff., 88, 92, 393, 546 Schmiedekampf, Johann Adolf (gest. 1864), Musikdirektor 502 Schmitt, Gustav (1816–1882), Komponist 270 Schneider, Georg Abraham (1770–1839), Komponist 95 Schneider, Johann Christian Friedrich (1786–1853), Kapellmeister und Komponist 553 Schneider, Laurenz (1766–1855), Kapellmeister 40, 217 Schnell, Fritz (Friedrich) (1832–1868  ?), Jurist und Komponist 386 Schöller, Pauline (1859–1941), Sängerin 515 Schönerstädt, Emil (geb. 1830), Theaterdirektor 523 Schreiber, Julius (1830–1897), Theateragent 368

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Schroeder, Carl (1848–1935), Kapellmeister 496f. Schroeder, Octavio (1822–1903), Anwalt 333 Schubert, Louis (1828–1884), Geiger, Komponist und Gesangslehrer 337f. Schuberth, Julius (1804–1875), Verleger und Musikschriftsteller 258, 461, 565 Schuch, Ernst (1846–1914), Generalmusikdirektor 85 Schulz-Weida, Joseph (1830–1872), Kapellmeister 353, 366 Schumann, Robert (1810–1856), Komponist 44, 123, 387 Schwab, François (1829–1883), Komponist und Musikkritiker 360, 378, 486 Schwabe, Julius (gest. 1901), Schauspieler und Theaterdirektor 523 Schwarz, Wilhelm Heinrich Gustav, Archiv­ sekretär, später Archivrat (1860–1885) in Coburg-Gotha 505 Schweitzer, Louise (gest. 1875), Sängerin 453 Schwemer, Friedrich (1818–1902), Theaterdirektor 507 Scribe, Eugène (1791–1861), Librettist 118, 123, 278, 285, 290–294, 309, 542 Seebach, Camillo von (1808–1894), Staatsminister Ernsts II. 76 Seebach, Marie (1829–1897), Schauspielerin 536, 548, 559 Seidel, Arthur (1849–1910), Kapellmeister 503 Seidl, Anton (1850–1898), Kapellmeister 503, 511ff., 518, 520ff. Senger, Alexander (1840–1902), Theater­ direktor 498 Seymour, Francis (1813–1890), Unterkammerherr Prinz Alberts am Londoner Hof 501 Siebold (auch: Heidenreich von Siebold bzw. Heiland), Charlotte (1788–1859), Hebamme Ernsts II., seines Bruders Alberts sowie Victorias 31 Simon, Paul (1857–1902), Musikschriftsteller 200 Simons, Carl (1829–1889), Theaterdirektor 368

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Slansky, Ludwig (1838–1905), Kapellmeister 481 Soden, Julius von (1754–1831), Reichsgraf 216 Sontag, Karl (1828–1900), Schauspieler 228f., 253f., 259 Sophie Wilhelmine (1801–1865), Schwiegermutter Ernsts II., Tochter des schwedischen Königs Gustav IV. Adolf 46 Soubeyran, Jean-Marie Georges Girard de (1828–1897), Sekretär im französischen Ministerium 287, 312 Späth, Andreas (1790–1876), Hofmusiker und Komponist 120f., 217, 219, 230, 455, 456 Spätzel, Johann Georg Christian, Drucker 106f. Sperling, Otto (gest. um 1915), Theatermaschinendirektor 170 Spielhagen, Friedrich (1829–1911), Schriftsteller und Journalist 229 Spintler, Christian, Komponist (wahrscheinlich Sohn des Ohrdrufer Kantors und Musikdirektors Ernst Spintler) 401 Spohr, Louis (1784–1859), Geiger, Hof­ kapell­meister und Komponist 123, 218, 236, 256, 352, 424, 538f. Spontini, Gasparo (1774–1851), Komponist 255 Springer, Johann (G.?) (1807–1856), Theaterdirektor 332, 353 Staegemann, Max (1843–1905), Theaterdirektor 240, 361, 508 Stanton, Edmund C. (1854–1901), Intendant 511ff., 515f., 518f. Starcke, Hermann (Gustav) (1848–1921  ?), Kapellmeister und Theaterdirektor 359 Stawinsky, Karl (1794–1866), Regisseur 187 Stein, Dietrich Carl August von (1793–1867), Staatsminister in Coburg 242 Stein, Eduard (1818–1864), Dirigent und Kapellmeister 355 Steinle, Ferdinand (um 1847–1904), Sänger und Theaterdirektor 367 Stephan (1817–1867), Erzherzog von Österreich 229, 459 Stern, Julius (1820–1883), Komponist 553

Sternheim, Helene von (1839–1900), geborene Marie Helene Steinpflug, uneheliche Tochter Ernsts II. 38 Stick, Karl, (Mozart-)Sänger und Theater­ direktor (Olmütz, Eger, Bayreuth) 359 Stiehl, Heinrich (1829–1886), Klavierlehrer und Chordirigent 427 Stockmar, Christian Friedrich von (1787– 1863), Arzt, Hofmarschall und politischer Berater Ernsts II. 36 Stockmar, Ernst von (1823–1886), Jurist, Historiker, Politiker 93 Stoltz (Stolz), Rosine (1815–1903), Pseudonym von Victoire Noël, auch »Baronin von Ketschendorf«, Sängerin 340, 536 Stör, Karl (1814–1889), Musikdirektor 502 Storch, Ludwig (1803–1881), Schriftsteller und Verlagsgründer 403, 429 Strantz, Ferdinand von (1821–1909), Theater­direktor 240, 343 Strauß, Johann (1825–1899), Komponist 183, 368, 387, 435, 535, 548 Streit, Fedor (1820–1904), Anwalt und Vertreter der Demokraten 54, 407 Sucher, Joseph (1843–1908), Kapellmeister 85f. Sundhausen, Johann Christian Friedrich, Lehrer und Musikdirektor in Gotha 427 Suppé, Franz von (1819–1895), Komponist 477 Tagliafico, Joseph (1821–1900), Sänger und Regisseur 346f. Taubert, Karl Gottfried Wilhelm (1811– 1891), Kapellmeister 111, 114f. Teichmann, Johann Valentin (1791–1860), Theatersekretär und Hofrat 113 Tempeltey, Eduard von (1832–1919), Kabinettspräsident, Intendant und Schriftsteller 60f., 72, 74, 78f., 82, 84f., 88, 92f., 166, 197, 230ff., 260f.. 331, 336, 343, 413, 451f., 454f., 463, 468, 485, 495, 506, 523, 527–532, 543, 545, 547, 550f., 559 Tescher, Karl (1812–1883), Theaterdirektor 188, 235, 338ff. Thümmel, Moritz von (1738–1817), Schriftsteller 22

Tieck, Ludwig (1773–1853), Dichter und Schriftsteller 23 Tietz, Hermann (1844–1901), Pianist und Musikdirektor 258, 427f. Töpfer, Carl (1832–1909), Theaterdirektor 355 Töpler, Joseph (1799–1877 oder 1878), Musikdirektor 257, 318, 325, 327f., 332f., 353 Treitschke, Eduard Heinrich von (1796–1867), sächsischer Generalleutnant 56, 89f. Trinius, August (1851–1919), Pseudonym von Carl von Küster, Schriftsteller 88 Tschirch (Tschirsch), Wilhelm (1818–1892), Kapellmeister 539 Ubrich, Ludwig (1828–1903), Theaterdirektor 492f. Ullmann, Karl (1796–1865), Theologieprofessor an der Universität Heidelberg 46 Umlauft, Paul (1853–1934), Komponist 86 Vaëz, Gustave (1812–1862), Pseudonym von Jean-Nicolas-Gustave van Nieuwen-Huysen, Dramatiker und Übersetzer 470f. Varena, Adolf (1842–1913), Kapellmeister und Theaterdirektor 362, 507 Verdi, Giuseppe (1813–1901), Komponist 189, 198, 255, 287ff., 291–294, 296, 299f., 309, 311, 346, 351, 356, 386, 512, 515, 520, 550 Verne, Jules (1828–1905), französischer Schriftsteller 71 Véron, Louis (1798–1867), Theaterdirektor 391 Viala-Mittermayr, Marie (1817–1900), Sängerin 134 Vianesi, Auguste (1837–1908), Dirigent 347f. Viardot-Garcia, Pauline (1821–1910), Sängerin 114 Victor Emmanuel II. (1820–1878), König von Sardinien-Piemont, Anführer der italienischen Einigungsbewegung 155 Victor I. (1818–1893), Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey 322, 458 Victoria (1786–1861), Duchess of Kent, geborene Prinzessin von Sachsen-Coburg-­ Saalfeld, Tante Ernsts II., Mutter der englischen Königin Victoria 20, 216, 544, 561 Victoria (1819–1901), Cousine und Schwä-

gerin Ernsts II., Königin von England 4, 14, 19ff., 31, 37f., 40, 43, 51, 73, 79, 216, 268, 298, 322, 382, 400, 404, 459, 544, 561, 566 Victoria (1840–1901), genannt »Vicky«, Königin von Preußen und deutsche Kaiserin, älteste Tochter Alberts und Victorias, Nichte Ernsts II., Frau des deutschen Kaisers Friedrich III. 62, 78, 83, 459, 523 Villemot, Auguste (1811–1870), Musikkritiker 471 Vogel, Bernhard (1847–1898), Komponist und Musikkritiker 200, 202f. Vogel, Eduard (1829–1856), auf einer Afrika-­ Expedition verschollener Forscher 70f. Voltaire, Pseudonym von François-Marie Arouet (1694–1778), Philosoph und Schriftsteller 95, 118 Vries, Jan Eduard de (1808–1875), Theater­ direktor 355 Wagner (geb. Planer), Minna (1809–1866), Schauspielerin, erste Frau Richard Wagners 43, 164–167 Wagner (verh. Beidler), Isolde (1865–1919), Tochter Cosimas und Richard Wagners 346 Wagner, Cosima (1837–1930), zweite Frau Richard Wagners und Tochter von Franz Liszt 151f., 158f., 167, 171, 346 Wagner, Richard (1813–1883), Komponist 43ff., 119, 123, 145, 151–155, 157–171, 184, 189, 198, 202, 255, 273, 327f., 331, 335, 337, 346, 351f., 372, 375, 378, 389, 414, 461, 466f., 469, 482, 484–487, 489, 492, 499, 503, 510, 514f., 519–522, 532, 551, 556, 561f., 567, 578, 580, 583 Walldorf (Walldorff, auch: Zürndorff), Nicolaus (1840–1922), Theaterdirektor 366f. Wallenstein, Martin (1843–1896), Pianist und Komponist 369 Wandersleb, Cellistin, Tochter des Gothaer Musikdirektors 357 Wandersleb, Friedrich Adolf (1810–1884), Musikdirektor 357, 397, 424–427, 538 Wandersleb, Theodor, Chorleiter in Gotha, Sohn von Adolf Wandersleb 427 Wangenheim, Gustav Udo von, Major 33

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Wangenheim, Karl August von (1778–1850), Vizepräsident der Landesregierung 215ff., 415 Wangenheim, Maximilian von (1810–1894), Intendant 125, 134, 147, 149f., 153, 230f., 244, 260f., 326, 333, 354, 469, 471, 473, 506, 542 Weber, Anton von (1830–1895), Schauspieler und Theaterdirektor 497 Weber, Carl Maria von (1786–1826), Komponist 45, 104, 123, 127, 143, 153, 163, 176, 207, 241, 255, 291, 352, 377, 412, 424, 457, 461, 468, 551, 558, 560ff., 577 Wegeler, Carl (1851–1921), Theaterdirektor und Kommunalpolitiker 367 Weidt, Heinrich (1824–1901), Kapellmeister 368 Weinbrenner, Friedrich (1766–1826), Theater­architekt 222f. Weinkauff, Louis (1826–1910), Hofmusiker 343, 348, 358, 457, 538 Weisenborn (Weißenborn), Fürchtegott, Militärkapellmeister und Musikdirektor in Erfurt 369 Weißheimer, Wendelin (1838–1910), Kapellmeister 484f. Wernhard, Otto, Pseudonym von Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha 371, 548 Westmoreland, 11. Earl of (auch: John Fane, Lord Burghersh) (1784–1859), Politiker und Komponist 179 Wichert, Ernst (1831–1902), Schriftsteller 414 Wichmann, Georg von (gest. 1861), Oberstleutnant 36 Wieland, Christoph Martin (1733–1813), Dichter, Übersetzer und Herausgeber 23 Wilhelm (1783–1851), preußischer Prinz 95 Wilhelm I. (1797–1888), preußischer König

und deutscher Kaiser 19, 62, 77, 322, 357f., 361, 409, 507f., 516 Wilhelm II. (1777–1847), Kurfürst von Hessen-­Kassel 236 Wilhelm, Prinz von Baden (1829–1897) 87 Wilhelmi, Joseph, Kapellmeister und Theaterdirektor in Reval und Köln 524 Winter, Peter von (1754–1825), Komponist 95, 439 Wirsing, Rudolf (1814–1878), Theaterdirektor 240, 251, 256, 332, 334ff., 479–483 Wittmann, Carl Friedrich (1839–1903), Dramatiker und Herausgeber 198, 378, 552, 554, 557 Woldemar (1824–1895), Fürst zu Lippe 250 Wolff, Pius Alexander (1782–1828), Schauspieler und Schriftsteller 172, 175, 412 Woltersdorf (Woltersdorff), Arthur (1817– 1878), Theaterdirektor 145 Wurmb (von Zinck), Karl (1795–1890), preußischer Offizier 355 Young, Friedrich (1824–1884), Sänger 335 Zander, Ernst (1803–1872), Journalist und Redakteur 75 Zelter, Carl Friedrich (1758–1832), Chorleiter und Komponist 425 Zerr, Anna (1822–1881), Sängerin 110 Ziegesar, Ferdinand (1812–1854), Intendant 148f., 178 Ziert, M., Hofmusikalienhandlung in Gotha (ab 1866 unter Carl Wolff, 1873 unter Julius Grunert) 525, 554 Zöllner, Anton (geb. 1790), Theaterdirektor 368 Zöllner, Carl Friedrich (1800–1860), Komponist 553 Zopff, Hermann (1826–1883), Musikkritiker 337 Zschokke, Heinrich (1771–1848), Schriftsteller 266, 270, 278