Ljubljana: Geschichte, Architektur und Kunst der Hauptstadt Sloweniens [1 ed.] 9783412527068, 9783412527044

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Ljubljana: Geschichte, Architektur und Kunst der Hauptstadt Sloweniens [1 ed.]
 9783412527068, 9783412527044

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Reiner Sörries

Ljubljana Geschichte, Architektur und Kunst der Hauptstadt Sloweniens

Reiner Sörries

Ljubljana Geschichte, Architektur und Kunst der Hauptstadt Sloweniens

Böhlau Verlag Wien Köln

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2023 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Umschlagabbildung: Der Drache, das Wahrzeichen Ljubljanas, an der Drachenbrücke (Zmajski most), Foto d. Verf. Korrektorat: Vera Schirl, Wien Satz und Layout: Bettina Waringer, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52706-8

Aus einer Liebe quillt mein ganzes Sinnen, Und wo die Nacht zu ruhen es gezwungen, Lässt seinen Lauf der Morgen neu beginnen. France Prešeren aus: Sonetni venec (Der Sonettenkranz), 1834 übersetzt von Anton Frutek, Laibach 1901

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Die Identität einer Stadt . . . . . . . . . . . . . . . Der Prešeren-Platz – Das Herz der Stadt . . . . . . Eine Stadt sucht ihre Wurzeln . . . . . . . . . . . Stadtgeschichte im Spiegel ihrer Denkmäler . . . . Die Wahrnehmung des Stadtbildes . . . . . . . . .

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Emona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfahlbauten im Laibacher Moor und die vorrömische Stadt . . . . . . . . . . . . . . Colonia Julia Emona . . . . . . . . . . . . . . . . Die Gräberstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . Spätantike und frühes Christentum . . . . . . . . . „Emona war in Italien, nicht in Pannonien“ . . . . .

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Laibach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Laibach . 95 Die Jesuiten, Francesco Robba und der Laibacher Barock . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Laybach, Hauptstadt der Illyrischen Provinzen . . 116 Die Eisenbahn kommt nach Laibach . . . . . . . . 119

Das Erdbeben von 1895 und die Wiener Sezession . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Ljubljana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen . . . . . . . . . . . . . . . 150 Plečniks Ljubljana . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Belgrad und die Anfänge der Neuen Zeit . . . . . 181 Die Überlegenheit des Sozialismus . . . . . . . . . 190 Mitten in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Plečniks Vermächtnis: Der Fluss, das Ufer und die Brücken . . . . . . . . . . . . . . 220 Identität und Orientierung: Go West . . . . . . . . 239 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . 255 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Index der Personennamen . . . . . . . . . . . . . 257



Vorwort

„Die slowenische Literatur hat seit ihren Anfängen im Mittelalter und ihrer Entfaltung Ende des 18. und zu Beginn des 19.  Jahrhunderts eine konstitutive Rolle in der Entwicklung und dem Bestehen der Nation, der Sprache und nicht zuletzt der Gründung eines souveränen Staates inne“, sagte der slowenische Kulturminister Anton Peršak anlässlich der vertraglichen Vereinbarung am 20. Februar 2018, Slowenien als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2022 einzuladen.1 „Die slowenische Literatur als solche existiert jedoch schon weitaus länger als der souveräne Staat Slowenien“, ergänzte Renata Zamida, Direktorin der Slowenischen Buchagentur. Diese Souveränität war den Slowenen bis 1991 verwehrt geblieben, und ihre gemeinsame Sprache musste als identitätsstiftendes Merkmal ausreichen. Es war ein langer Weg bis zur selbstbestimmten Unabhängigkeit. Ob ihre Stadt nun Emona, Laibach oder Ljubljana hieß, ihre Herrschaften saßen in Rom, Wien oder Belgrad. Sie bestimmten Geschichte, Architektur und Kunst der Stadt, um die es in diesem Buch gehen soll. Während indes die slowenische Sprache unzweideutig ein charakteristisches, ja ein eindeutiges Merkmal des Slowenentums ist, verhält es sich mit Kunst und Architektur schwieriger. Freilich gibt es entsprechende Versuche seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, das Slowenische auch in der Kunst zu sehen: „Das Bewusstsein einer slowenischen bildenden Kunst, die als Ausdruck der Existenz und Eigentümlichkeit der slowenischen Nationalität gesehen werden könnte, stammt aus der Zeit nach Ende des 19.  Jahrhunderts.“2 Es war zuerst der Slowenische

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Vorwort

1: Ivan Grohar, Der Sämann, Öl auf Leinwand, 1907, Ljubljana, Moderna galerija.

Kunstverein (Slovensko umetniško društvo), der mit seiner Ausstellungstätigkeit versuchte, „[…] auf die bildende Kunst als eine Legitimation der slowenischen nationalen Affirmation hinzuweisen“.3 Sah man diese Affirmation vorher vor allem in Verbindung mit der Literatur, basierend auf der slowenischen Sprache, so sollte die bildende Kunst nun Ähnliches leisten. Es war zugleich die Epoche, in der man im slowenischen Impressionismus eine slowenische Eigenart und regelrecht symbolische Motive zu entdecken begann. Stellvertretend sei das Gemälde Der Sämann von Ivan Grohar genannt, in dem eine symbolische Erscheinung der nationalen Hoffnung gesehen wurde (Abb. 1). Neben Grohar gilt Rihard Jakopič als Ikone des slowenischen Impressionismus, der selbst 1910 die erste Retrospektive slowenischer Malerei in

Vorwort

2: Rihard Jakopič, An der Gradáščica, Öl auf Leinwand, vor 1943, Ljubljana, Kunstsammlung der Nova Ljubljanska banka.

Ljubljana organisierte. Er zählte auch zu jenen, die die slowenische Landschaft zum Kennzeichen Sloweniens erkoren hatten (Abb. 2). 1903 hatte sich in Wien die Künstlervereinigung Vesna (Umetnostni klub Vesna) aus ehemaligen Schülern der Laibacher Kunstschule gegründet, die ihre Motivik aus dem folkloristischen Inventar schöpften. Dabei verbanden sie die Wiener Sezession mit der slowenischen Volkskunst. Deutlich wird dies etwa an der Fassade und am Interieur der genossenschaftlichen Wirtschaftsbank (Abb.  126), deren Design von Helena Kottler Vurnik stammt. Den Künstlern folgten die Kunstwissenschaftler, um die slowenische Kunst als slowenisch zu verstehen. In diesem Sinne verfasste France Stelè 1924 seinen Abriss der Geschichte der Kunst bei den Slowenen, die erste vollständig konzipierte historische Darstellung der slowenischen bildenden Kunst.4 Ihm zufolge

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Vorwort

sei sogar schon die Kunst der älteren Zeiten, also auch vor dem 19. Jahrhundert, als slowenisch zu charakterisieren. „Infolge seines historisch bedingten ethnozentrischen Ausgangspunktes hat Stelè seine Darstellung gerade als einen Überblick der historischen Entstehung des slowenischen Kunstschaffens konzipiert.“5 Vollends aber sei das Slowenische in der Malerei der slowenischen Impressionisten zum Ausdruck gelangt, parallel zur Erweckung des Nationalbewusstseins im 19.  Jahrhundert. Sie hätten eine Stimmung eingefangen, in der, nach der Meinung einiger Kunsthistoriker, noch heute ein wissenschaftlich nur schwer zu bestimmender Nationalausdruck geahnt werden könne, der leichter zu fühlen als zu beschreiben sei.6 Die Poesie der Malerei sei durchaus mit der Poesie der slowenischen Dichtung zu vergleichen. War die slowenische Kunstgeschichtsschreibung zu Beginn des 20.  Jahrhunderts bestrebt, die Besonderheiten slowenischer Kunst herauszuarbeiten, so richtete sich der Fokus in der jüngeren Forschung darauf, dieses Kunstschaffen in Mitteleuropa zu verorten, in einem Spannungsfeld zwischen dem Mittelmeerraum und dem Norden oder genauer zwischen Italien und dem süddeutsch-böhmisch-österreichischen Raum. Exemplarisch seien die beiden von dem slowenischen Kunsthistoriker Janez Höfler mitverantworteten wissenschaftlichen Tagungen Bayern und Slowenien in der Früh- und Spätgotik (2001) und Bayern und Slowenien im Zeitalter des Barock (2006) genannt. Konkret für Ljubljana ist solche Spannung am Nebeneinander von italienischem Barock und dem von Wien ausgehenden Historismus und Jugendstil abzulesen: „Die slowenische Kultur und mit ihr auch die bildende Kunst stand immer in der Spannung zwischen Italien und dem europäischem [sic] Norden, wobei der letztere in etwa dem entsprach, was wir heute unter dem Begriff Mitteleuropa verstehen.“7 Unter diesem europäischen Gesichtspunkt kann man durchaus von einem internationalen Nebeneinander bedeutender

Vorwort

3: Kapelle im Gruber-Palais, 1773.

Künstler sprechen, wenn man in Ljubljana neben den Fresken des Italieners Giulio Quaglio d.  J. im Dom auf Malereien des Österreichers Martin Johann Schmidt, genannt Kremser Schmidt, trifft, der im Gruber-Palais die Kapelle ausgemalt hat (Abb. 3). Auf Gemälde von ihm trifft man auch in der Slowenischen Nationalgalerie. France Stelè sprach hier vom Beheima-

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Vorwort

ten der europäischen Impulse, wobei zwischen jenen Künstlern zu unterscheiden ist, die temporär in Ljubljana bzw. für die adeligen und klerikalen Auftraggeber dort wirkten, und jenen, die sich in der Stadt niederließen, wie etwa der aus Lothringen stammende Valentin Metzinger. In Ljubljana sah der Kunsthistoriker Nace Šumi das Zentrum bzw. den Koordinierungspunkt der verschiedenen Impulse, wo eine slowenische Synthese alle Extreme verband und transformierte. Spielte die Verankerung im mitteleuropäischen Raum bereits bei Stelè eine Rolle, so erst recht im Zuge der Neuorientierung Sloweniens nach 1991. Doch während es außer Frage steht, dass die slowenische Kunst und Architektur im (mittel-)europäischen Kontext zu verorten ist, ist ihre slowenische Eigenart oder gar Selbstständigkeit weitaus schwieriger zu beurteilen. Konkret für Ljubljana heißt das etwa, wie viel Slowenien steckt etwa im Schaffen ihres berühmtesten Architekten Jože Plečnik, der seinen höchst eigenen Stil als Schüler von Otto Wagner in Wien entwickelte und seine ersten international beachteten Pläne in Wien und Prag realisierte, ehe er in seine Geburtsstadt Ljubljana zurückkehrte und der Stadt seinen Stempel aufprägte? Wie konkret lässt sich ein slowenischer Sonderweg im sozialistischen Jugoslawien ausmachen, der von Edvard Ravnikar und seinen Mitstreitern beschritten wurde? Oder wie eigenständig slowenisch ist der Weg, den die junge Architektengeneration nach 1991 eingeschlagen hat? In dieser Abhandlung können und sollen diese Fragen allenfalls angerissen, aber keineswegs abschließend behandelt werden. Im Kern geht es konkret für Ljubljana eher darum, wie unter den wechselnden historischen Voraussetzungen die verschiedenen Epochen eine Stadt entstehen ließen, in der die Vielfalt und das Zusammenspiel importierter und eigenständiger Architektur und Kunst etwas Einzigartiges, Unverwechselbares erzeugt ha-

Vorwort

ben. Das Buch will ein Bild dieser Stadt nachzeichnen und ihre Erscheinungsformen in einen historischen Kontext einordnen. Dabei liegt der Fokus auf dem, was in dieser Stadt zu sehen und was daran abzulesen ist. Verbunden ist damit der Wunsch, man möge Slowenien nicht nur auf der Buchmesse besuchen, sondern auch seiner Hauptstadt Ljubljana seine Aufwartung machen. Reiner Sörries Im Frühjahr 2022

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Die Identität einer Stadt

Ljubljana ist seit 1991 die Hauptstadt der Republik Slowenien. Sie zählt damit zu den jüngsten Hauptstädten Europas und mit knapp 300.000 Einwohnern zu den eher kleineren innerhalb der europäischen Union. Zuvor war sie seit 1945 Hauptstadt der Volksrepublik Slowenien in der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien. Davor war sie seit 1919 Teil des neu gegründeten Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen sowie seit 1929 Regierungssitz der Banschaft Drau im Königreich Jugoslawien. Bis dahin hatte die Stadt Laibach geheißen und bildete das Zentrum eines österreichischen Kronlandes. Für kurze Jahre hieß die Stadt Laybach und war Hauptstadt der illyrischen Provinzen Napoleons, dann wieder der Mittelpunkt des Herzogtums und der Markgrafschaft Krain. Noch weiter zurück nannten die Römer die Stadt Emona. Davor verlieren sich die Spuren im Dunkel der Geschichte bzw. in den Sümpfen des Laibacher Moors, wo schon in grauer Vorzeit Pfahlbauten standen. Diese lange und vor allem wechselvolle Geschichte hat die Stadt geprägt, ihre Spuren hinterlassen und zuletzt ihr heutiges Aussehen bestimmt. Sie bietet ein reiches Betätigungsfeld für Historiker, Archäologen und Kunstwissenschaftler, während sich vor diesem Hintergrund für die Einwohner der Stadt die Frage nach ihrer Identität stellt.

Der Prešeren-Platz – Das Herz der Stadt

Wer auch immer die Stadt besucht, strebt über kurz oder lang zu den Drei Brücken, dem genialen Meisterwerk des ebenso genia-

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Die Identität einer Stadt

4: Tromostovje – Die drei Brücken. Eines der Wahrzeichen von Ljubljana. Errichtet 1920 bis 1932 nach Plänen von Jože Plečnik. Im Hintergrund die Kirche Mariä Verkündigung des Franziskanerklosters am Prešeren-Platz.

len Architekten Jože Plečnik, das zwischen 1929 und 1932 realisiert wurde (Abb. 4, 198). Von der Innenstadt kommend hat man vor der Brücke einen weiträumigen Platz überquert, der durchaus als Herz der Stadt bezeichnet werden kann. Dieser Platz ist jedoch nicht nur touristischer Dreh- und Angelpunkt, sondern in besonderer Weise der spirituelle Mittelpunkt der Stadt, denn er trägt den Namen von France Prešeren, der als größter slowenischer Dichter gilt. Seine Lebensspanne von 1800 bis 1849 fällt in eine Zeit, als in der Stadt noch deutsch und slowenisch gesprochen wurde. Prešeren schrieb entsprechend in beiden Sprachen, doch Ruhm erlangte er in seiner Heimat durch seine sloweni-

Der Prešeren-Platz – Das Herz der Stadt

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schen Hauptwerke. Die Themen von Krst pri Savici (Die Taufe an der Savica), veröffentlicht 1836, sind die Identität der Slowenen und ihre Bekehrung zum Christentum. 1847 erschienen seine Poezije (Poesien), beide Werke machen ihn zum Nationaldichter der Slowenen und geistigen Vater ihres nationalen Bewusstseins. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichten die Slowenen in der Bevölkerung die Mehrheit, und die Verwendung des Slowenischen hatte sich allmählich durchgesetzt. Hatten seit dem Mittelalter deutsche Sprache und Kultur das Leben der Stadt dominiert, so war der deutsche Anteil der Einwohner 1880 auf 23 % gesunken. Als Symbol der neu bzw. wieder entdeckten slowenischen Identität wurde France Prešeren 1905 ein Denkmal auf dem Platz errichtet, der seinerzeit noch Marienplatz hieß und erst später in Prešeren-Platz umbenannt wurde. Auf einem hohen Granitsockel steht die Bronzeskulptur des Dichters, über den die Muse der Dichtkunst einen Lorbeerzweig hält (Abb. 5). Die Skulptur schuf der Bildhauer Ivan Zajec, während die Konzeption des Denkmals von Max Fabiani stammt. Ein Portrait malte posthum sein Freund Franz von Kurz zum Thurn und Goldenstein, der von 1834 bis 1867 als Zeichenlehrer in Laibach wirkte. Es befindet sich heute in Kranj im Gorenjska-Museum. Das Bewusstsein, eine eigene 5: Denkmal für den slowenischen DichSprache zu besitzen, bildet die ter France Prešeren. Gestaltet 1908 von Grundlage für einen der jüngsten Ivan Zajec nach einer Konzeption von europäischen Nationalstaaten, der Max Fabiani.

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Die Identität einer Stadt

seine Eigenstaatlichkeit erst im Zuge der politischen Umbrüche Anfang der 1990er Jahre erreichte. Gleichwohl verstellt diese nationale Gewissheit weder den Blick auf die Vergangenheit noch auf die Zukunft im europäischen Haus. Schweift der Blick über den Prešeren-Platz, so changiert das Panorama zwischen der barocken Franziskanerkirche Mariä Verkündigung und Prachtbauten, die dem Stil der Wiener Sezession zuzuschreiben sind. Das sind im Prinzip die Eckpfeiler der historischen Architekturen Ljubljanas. Unverkennbar ist jedoch auch der Blick in die Zukunft, als sich Ljubljana um die Auszeichnung Kulturhauptstadt Europas 2025 bewarb. Mit dem Architekten der Drei Brücken, Jože Plečnik, und dem Schöpfer des Prešeren-Denkmals, Max Fabiani, sind zudem bereits zwei Ikonen der Architektur Ljubljanas genannt, die das Erscheinungsbild der Stadt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt haben. Ganz im Vordergrund steht indes Plečnik’s Ljubljana nicht nur im Sinne einer touristischen Vermarktung, sondern auch als kulturelles Alleinstellungsmerkmal. Mit Antrag vom 29.1.2018 stand The timeless, humanistic architecture of Jože Plečnik auf der Tentativliste zum UNESCO Weltkulturerbe.8 Für die Stadt ist dies jedoch nicht allein eine historische Reminiszenz, sondern Programm für die Fortentwicklung zu einer lebenswerten, menschlichen Stadt. So liest man auf der Website von Ljubljana Tourism: „Die aktuelle nachhaltige Vision der Stadt baut auch auf dem Werk Plečniks auf und strebt nach einem Einklang von Natur und nachhaltiger Mobilität.“9 Dieser Weg ist beschritten und führte bereits 2016 zur Auszeichnung Grüne Hauptstadt Europas und aufgrund ihrer nachhaltigen Verkehrspolitik zum Titel Velo-city 2020. Haben Barock, Historismus sowie die stadtplanerischen Konzepte und Architekturen von Max Fabiani und Jože Plečnik das Bild der Stadt geprägt, so darf die modernistische Gestaltung

Der Prešeren-Platz – Das Herz der Stadt

6: Blick über das Kultur- und Kongresszentrum Cankarjev dom auf die Hochhäuser T2 und T3. Errichtet zwischen 1962 und 1983 nach Plänen des Architekten Edvard Ravnikar.

der Stadt während der sozialistischen Phase nicht außer Acht gelassen werden. Sie ist vom Prešeren-Platz aus noch nicht zu sehen, aber an anderen Stellen unübersehbar und sogar prägend, etwa am Platz der Republik, der zunächst Platz der Revolution hieß. Gegenüber dem in den Jahren 1954–1959 nach Plänen des kroatischen Architekten Vinko Glanz als Sitz der damaligen Volksversammlung erbauten Parlamentsgebäude entstand zwischen 1962 und 1982 um den riesigen Platz herum das politische und ökonomische Zentrum der Stadt mit dem monumentalen Kaufhaus Maximarket und den Bürotürmen TR2 und TR3 sowie dem Kulturzentrum Cankarjev dom (Abb. 6). Hier wurde 1975 das Revolutionsdenkmal enthüllt und am 25. Juni 1991 die Unabhängigkeit Sloweniens verkündet. Konzeptionell tragen Platz und Architekturen die Handschrift von Edvard Ravnikar, einem Schüler Jože Plečniks. Seinen Ritterschlag hat Ravnikar

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Die Identität einer Stadt

als Architekt des Sozialmodernismus durch die Ausstellung Toward a Concrete Utopia. Architecture in Yugoslavia, 1948–1980 im Museum of Modern Art in New York 2018 erhalten, wo er als eine der herausragenden Persönlichkeiten dieser Epoche gewürdigt wurde. Ist die Sprache ein unverrückbares Kennzeichnen slowenischer Identität, so muss eine solche aus der Architektur eher vorsichtig herausgelesen werden. Die genannte New Yorker Ausstellung hat Ravnikars Schaffen unter die jugoslawische Architektur der Nachkriegszeit subsummiert, der eine bemerkenswerte Zwischenstellung zwischen Ost und West bescheinigt wurde: „Situated between the capitalist West and the socialist East, Yugoslavia’s architects responded to contradictory demands and influences, developing a postwar architecture both in line with and distinct from the design approaches seen elsewhere in

7: Die im Jahr 2010 errichtete Fleischerbrücke verbindet die Markthallen des Architekten Jože Plečnik und die Uferstraße Petkovškovo nabrežje an der Stelle, die bereits Plečnik vor 100 Jahren für den Bau der Brücke vorsah (Details Abb. 201).

Der Prešeren-Platz – Das Herz der Stadt

8: Der Burgplatz (Dvorni trg) nach der erfolgten Verkehrsberuhigung und Umgestaltung durch das Architekturbüro Atelje Vozlič, 2012.

Europe and beyond.“10 Im unabhängig gewordenen Slowenien hingegen versucht man, seine Identität eher im mitteleuropäischen Kontext zu verorten und interpretiert die zeitgenössische Architektur des Landes seit den 1990er Jahren entsprechend. Auf einem 2010 veranstalteten deutsch-slowenischen Erfahrungsaustausch über Architekturpolitik und Baukultur äußerte sich Andrej Hrausky von der DESSA Architectural Gallery in Ljubljana folgendermaßen: „In allen Projekten ist der Kontext, in dem sich das Gebäude befindet, von großer Bedeutung, das Bestreben, ein integraler Bestandteil der bereits vorhandenen Umgebung zu werden, die Fähigkeit, mit Materialien und Details umzugehen, und die Hingabe zum Ambiente. Wir glauben, dass dies die charakteristischsten Tugenden unserer Architektur sind.“ Und er fuhr entscheidend fort: „Sie sind ein Ergebnis unserer mitteleu-

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Die Identität einer Stadt

ropäischen Kultur und der Tradition unserer Architekturschule, die mit der Arbeit von Jože Plečnik begann, ohne Zweifel der wichtigste slowenische Architekt.“11 Lässt sich diese Auffassung an den Projekten zeitgenössischer slowenischer Architekten, die sich eher an der Peripherie der Stadt und in einem Kontext globaler Strömungen befinden, nicht einfach ablesen, so wird deutlicher, was gemeint ist, wenn man zum Prešeren-Platz und den Drei Brücken zurückkehrt. Blickt man die Ljubljanica entlang, spannt sich in geringer Entfernung eine weitere Brücke über den Fluss, die man Fleischerbrücke nennt. An ihrer Stelle hatte schon Jože Plečnik den Bau einer Brücke vorgesehen, gemäß seinem Wunsch, den Fluss alle 50 Meter zu überbrücken. In dieser Tradition wurde sie nun 2010 realisiert und verbindet die Uferstraße Petkovškovo mit den Markthallen von Jože Plečnik. Um aber nicht mit diesen zu konkurrieren, hat man sich in ihrem Design konsequent zurückgehalten.12 Doch hat man sie im Sinne von Plečnik als reine Fußgängerbrücke konzipiert und sie in einer beinahe überdimensionierten Breite angelegt, um den Menschen genügend Raum zu geben (Abb. 7, 203). Ihre Akzeptanz für die Brücke haben die Verliebten durch ihre Liebesschlösser ausgedrückt, die sie am Brückengeländer zu Tausenden festgemacht haben. In seinem Bestreben, den Fluss zur Lebensader Ljubljanas zu machen, oder wie man heute sagt, zum Wohnzimmer der Stadt, galt Plečniks Aufmerksamkeit nicht nur den Brücken, sondern er hat alles darangesetzt, die Uferbereiche an den Fluss heranzuführen. In eben dieser Tradition steht die 2002 erfolgte Umgestaltung des Dvorni trg (Burgplatz), der bis dahin als Parkplatz diente. Nun ist er den Fußgängern vorbehalten und eine Reihe von Treppen und Plattformen führt zum Fluss hinunter (Abb. 8). Verwendet wurden dabei verschiedene Materialien von Holz bis Stein, und nachts scheinen in die Stufen eingearbeitete Leuchten.

Der Prešeren-Platz – Das Herz der Stadt

Vielleicht ist einem diese Kontinuität vom inzwischen 2021 ins UNESCO Welterbe aufgenommenen Plečnik’s Ljubljana zur Gegenwart nicht immer und sofort bewusst, doch gerade das unterstreicht, wie erfolgreich diese Tradition ins Jetzt transformiert wird. Wenn sich Ljubljana auch an vielen Stellen mit einem eigentlich nicht homogenen Nebeneinander divergierender Architekturen auseinandersetzen muss, so ist dies kein Schaden, sondern sogar ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. Wo es möglich ist, scheut man sich nicht, alt und neu zu kontrastieren. 1993 wurde die altehrwürdige slowenische Nationalgalerie (Abb. 106) um einen im postmodernen Stil nach Plänen von Edvard Ravnikar erbauten Flügel erweitert. Beide Gebäudeteile wurden schließlich 2001 durch einen gläsernen Verbindungstrakt nach Plänen des Architektenbüros Sadar+Vuga auf eindrucksvolle Weise miteinander verbunden (Abb. 9). Auf der Rückseite spiegelt sich in dieser Glasfront die 1936 erbaute orthodoxe Kyrill-und-Method-

9: Verbindungstrakt der Slowenischen Nationalgalerie nach Plänen des Architektenbüros Sadar+Vuga, 2001

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Die Identität einer Stadt

Kirche. Solche Spiegelungen historischer Gebäude in den Glasfassaden modernen Bauten gehören ebenfalls zu der Auffassung, dem Erbe verpflichtet und der Zukunft zugewandt zu sein.

Eine Stadt sucht ihre Wurzeln

Das Wissen um die Herkunft zählt zu den Grundlagen einer Gemeinschaft. In Ljubljana begann man im 17. Jahrhundert, als die Stadt noch Laibach und das Land noch Krain hießen, diesem Wissen ein Fundament zu geben, das sich zuerst im 1689 veröffentlichten Opus magnum Die Ehre dess Hertzogthums Crain: das ist, Wahre, gründliche, und recht eigendliche Belegen- und Beschaffenheit dieses Römisch-Keyserlichen herrlichen Erblandes des 1641 in Laibach geborenen Universalgelehrten Johann Weichard von Valvasor niederschlug. In seinem Werk trug er zusammen, was ihm seinerzeit über die Geschichte des Landes, die Bauwerke und die Sitten und Gebräuche der Bewohner bekannt war. Das Werk besteht aus 15 Bänden und ist in deutscher Sprache abgefasst. Darin berichtete er auch vom Gründungsmythos der Stadt Ljubljana in grauer Vorzeit. Der Stadtgründer soll Jason gewesen sein, der nach dem Raub des Goldenen Vlieses mit den Argonauten über das Schwarze Meer und auf der Donau und der Save bis zur Quelle der Ljubljanica floh. Auf dem weiteren Weg zur Adria querten sie einen Sumpf, wo ein Ungeheuer hauste, mit dem Jason kämpfte und es tötete. Dort soll Jason die Stadt Emona, die Vorgängerin von Laibach/Ljubljana gegründet haben. In einem Kupferstich hat Valvasor die Erbauung der Stadt darstellen lassen, wobei die fiktive Szenerie eher den Bau einer mittelalterlichen Kirche zum Vorbild hat. Lediglich ein paar Säulen und Kapitelle im Vordergrund bilden die antiken Versatzstücke.13

Eine Stadt sucht ihre Wurzeln

Den historischen Forschungen des in Laibach geborenen Gelehrten Johann Gregor Thalnitscher folgend datierte Weichard von Valvasor gemeinsam mit seinem Lehrer, dem Laibacher Domdechanten Johann Ludwig Schönleben, diese Begebenheiten und die Stadtgründung von Emona recht genau auf das Jahr 1222 v. Chr. Darin spiegelt sich die mit der Renaissance einsetzende und dann in der Aufklärung fortschreitende Idealisierung der klassischen Antike, in der man seine eigene Herkunft gern verortete. Geblieben ist von diesem Mythos der Drache im Stadtwappen von Ljubljana, als Namensgeber der Drachenbrücke (Abb. Cover) und in unzähligen Souvenirs. Mag dieser Mythos reine Legende sein, aber es ist immerhin klar, dass Valvasor und seine Zeitgenossen zumindest vom römischen Ursprung ihrer Stadt wussten. Sein der Ehre dess Hertzogthums Crain beigefügter Plan der Stadt Emona gibt dabei den Grundriss der römischen Stadt schematisch, aber durchaus angemessen wieder (Abb. 10). Seit dem 20. Jahrhundert förderte die wissenschaftliche Archäologie die Suche der Stadt nach ihrer Stellung im Imperium Romanum und konnte in mehreren Kampagnen beachtliche Erfolge erzielen, den Verlauf der Stadtmauer, Straßen und Häusergevierte im Inneren sowie die Gräberstraßen vor den Toren der römischen Stadt erforschen. Bereits im Jahrbuch für Altertumskunde VII 1913 veröffentlichte Hauptmann Hermenegild Sandri einen Plan der Stadt Laibach mit den Umrissen Emonas einschließlich der Gräberstraßen (Abb. 11). Die Ausgrabungen, die in den Jahren von 1909 bis 1912 zu diesem Bild geführt hatten, sind dem in Krainburg (Kranj) geborenen Archäologen Walter Schmid zu verdanken, der zu Beginn des Jahres 1905 die Leitung des Landesmuseums in Laibach übernommen hatte.14 Die Erfolge der Archäologie regten in der Stadt die Überlegung an, das römische Emona touristisch zu vermarkten. Auf der Laibacher

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Die Identität einer Stadt

10: Schematischer Plan der Stadt Emona in „Die Ehre dess Hertzogthums Crain“ von Weichard von Valvasor 1689, Band V., S. 236.

Messe 1931 wurde ein dafür angefertigtes Modell der römischen Stadt gezeigt (Abb. 50). Es war einmal mehr Jože Plečnik, der sein Interesse der römischen Vergangenheit seiner Stadt schenkte, um sie sichtbar werden zu lassen. Sein besonderes Augenmerk galt 1936 bis 1941 der Restaurierung der römischen Stadtmauer im südlichen Stadtteil Mirje. Er wäre aber nicht Plečnik, hätte er nicht auch hier seine künstlerische Fantasie walten lassen, indem er u. a. das Stadttor mit einer völlig unrömischen Steinpyramide überhöhte (Abb. 145). Die späteren Entdeckungen eines römischen Hauses und eines frühchristlichen Komplexes erlauben es dem Stadtmarketing heute, einen Roman Trail of Ljubljana anzubieten. War die gesicherte Herkunft aus einer römischen Stadt zunächst das herausragende, identitätsstiftende Merkmal der Stadt, so folgte im 17. Jahrhundert ein Nationalbewusstsein der Krainer und spätestens im 19.  Jahrhundert kam die Überzeugung, eine

Eine Stadt sucht ihre Wurzeln

11: Plan der Stadt Laibach mit den Umrissen Emonas einschließlich der Gräberstraßen von Hermenegild Sandri, 1913, Jahrbuch für Altertumskunde, v.7 (1913), Taf. 11.

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Die Identität einer Stadt

slowenische Stadt zu sein. Das genannte erste wissenschaftliche Werk Valsavors war zwar in deutscher Sprache abgefasst, aber unverkennbar zeugen Titel und Inhalt von einer Art nationalem Selbstbewusstsein, wovon auch das Titelblatt zeugt, auf dem der thronenden und von einem Engel bekrönten Personifikation der Krain gehuldigt wird (Abb. 12). Dann stieg das Bewusstsein, dass die Krain Kernland slowenischer Besiedlung war. Als ihre Ursprünge gelten die Stammesfürstentümer Karniola und Karantanien im 7./8. Jahrhundert, die allerdings schon rasch unter bayerische bzw. fränkische Oberhoheit fielen. Seitdem blieben die Slowenen bis 1991 immer fremd beherrscht. Blieb den Slowenen über 1000 Jahre die nationale Eigenständigkeit verwehrt, so wurde ihre gemeinsame Sprache zum identitätsstiftenden Merkmal erkoren. Als der österreichische Beamte und Statistiker Karl Freiherr von Czoernig-Czernhausen 1855 bis 1857 seine dreibändige Ethnographie der österreichischen Monarchie veröffentlichte, hatte er bemerkenswerterweise auf einer Karte das im Prinzip heutige Territorium der Republik Slowenien mit Slovenen überschrieben. Zudem hatte er in einem Brief die Bedeutung der slowenischen Sprache betont.15 Man dankte es ausgerechnet Napoleon, der es den Slowenen 1809 bis 1813 in seinen Illyrischen Provinzen erlaubte, die Kinder in ihrer Landessprache zu 12: Titelblatt zu „Die Ehre dess Hertunterrichten. Er wurde als Befreier zogthums Crain“ von Weichard von vom Habsburger Joch gefeiert, und Valvasor, 1689.

Eine Stadt sucht ihre Wurzeln

13: Parlamentsgebäude des Krainer Landtages, seit 1919 Hauptsitz der Universität.

zur 120-Jahr-Feier errichtete man 1929 die illyrische Säule, die einmal mehr Jože Plečnik entwarf (Abb. 24). Die Freiheit, slowenisch zu sprechen, blieb erhalten, nachdem die Habsburger die Krain und Laibach wenige Jahre später zurückgewonnen hatten. Das slowenische Nationalbewusstsein konnte wachsen. So hatte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Beginn einer slowenischen Nationalbewegung herausgebildet, die seit der Revolution von 1848 in Ljubljana ihr Zentrum fand. 1867 legten die Staatsgrundgesetze Österreichs die Gleichberechtigung aller Nationalitäten im Staat fest und seitdem erschienen die Gesetze zweisprachig und damit auch in slowenischer Sprache. Es stiegen in Ljubljana nicht nur der slowenische Bevölkerungsanteil, sondern auch die Verwendung der slowenischen Sprache. Über viele Belange entschied seit 1861 der Krainer Landtag, der Landtag des Kronlandes Krain im Kaisertum Ös-

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terreich und Österreich-Ungarn, in dem fortan die Abgeordneten der slowenischen Parteien vor jenen der deutschen Partei die Mehrheit besaßen. Repräsentativ war das Parlamentsgebäude des Krainer Landtages, in dem seit 1919 die Universität von Ljubljana beheimatet ist (Abb. 13). Das slowenische Selbstbewusstsein gipfelte in der Errichtung des bereits genannten PrešerenDenkmals 1905 (Abb. 5). Doch auch nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie nach dem Ersten Weltkrieg war den Slowenen kein eigener Staat beschieden, stattdessen wurden sie Teil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, danach des Königreichs Jugoslawien und zuletzt der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Nicht erloschen war das slowenische Selbstbewusstsein, dem Jože Plečnik, nun schon hochbetagt, einen besonderen Ausdruck verleihen wollte. Ein neues slowenisches Parlamentsgebäude sollte nach seiner Vorstellung auf der Burg oberhalb von Ljubljana entstehen. Dazu wäre der vollständige Abriss der bestehenden Burg erforderlich gewesen, um auf diesem Grund eine Art polygonale Festung zu errichten, die an das Stauferkastell Castel del Monte in Apulien erinnert. Über eine monumentale Terrassenanlage mit offenen Pavillons sollte die Verbindung zur Altstadt hergestellt werden (Abb. 14). Dieses Projekt wurde genauso wenig realisiert wie sein Alternativentwurf einer Kathedrale des Friedens im Tivoli-Park in Form einer 110 Meter hohen zylindrischen Pyramide über einem quadratischen Sockelgeschoss mit einer Seitenlänge von 85 Metern (Abb.  15). Plečnik war damit offensichtlich über das Ziel hinausgeschossen, und seine Pläne stießen nicht auf Gegenliebe. Das mag an den vermutlich immensen Kosten gelegen haben, nicht minder aber am Einspruch der Behörden in Belgrad, die in den Entwürfen wohl zu viel slowenisches Selbstbewusstsein sahen. Das tatsächlich in den Jahren 1954 bis 1959 nach Plänen des Architekten Vinko Glanz

Eine Stadt sucht ihre Wurzeln

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15: Nicht realisiertes Projekt Kathedrale des Friedens nach Plänen von Jože Plečnik. Ausstellung Plečnik’s Unrealised Projects for Ljubljana, Ljubljana 2020. 14: Modell des nicht realisierten slowenischen Landtags nach Plänen von Jože Plečnik. Ausstellung Plečnik’s Unrealised Projects for Ljubljana, Ljubljana 2020.

errichtete Parlamentsgebäude am ehemaligen Platz der Revolution, der heute Platz der Republik heißt, entsprach den Vorstellungen einer sozialistischen Volksarchitektur bei weitem besser (Abb. 163a-c). Die Jahrzehnte nach 1945 waren einem architektonischen Ausdruck slowenischer Identität nicht förderlich, aber sie haben das Nationalbewusstsein nicht verdrängen können. Man suchte auch im Sozialismus seine Eigenständigkeit. Als nach einem kurzen Krieg in zehn Tagen mit 44 Todesopfern Slowenien 1991 die Unabhängigkeit erlangte, musste es sich in der gewonnenen Selbstständigkeit neu orientieren. Man entschied sich dabei für eine Hinwendung zum Westen, zur Europäischen Union, deren Mitglied das Land 2004 wurde. 2007 trat man dem Euro-Währungsgebiet bei und wurde Mitgliedsstaat im Schengen-Raum. Bei aller Eigenständigkeit war man bestrebt, sich aus dem sla-

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wisch-balkanischen Raum zu lösen und als Land in Mitteleuropa zu verorten. Die Archäologie war 2001 mit einem spektakulären Fund zu Hilfe gekommen. Im Bett der Ljubljanica wurde bei der Ortschaft Bevke etwa zehn Kilometer südlich von Ljubljana ein Grenzstein gefunden, der die Grenze zwischen den Stadtgebieten von AQVILEIENSIVM und EMONENSIVM markierte (Abb.  16). Interpretiert wurde der Grenzstein dahingehend, dass damit zwar die Grenze (FINIS) zwischen den Städten Aquileia und Emona gemeint ist, 16: Bei der Ortschaft Bevke gefundener Grenzstein: Seite mit der Inschrift nicht aber eine Grenze zwischen EMONENSIVM. Die andere Seite ITALIA und den römischen Proträgt die Inschrift AQVILEIENSIVM. vinzen PANNONIA bzw. DALLjubljana, Narodni muzej Slovenije. MATIA. Vielmehr soll der Stein nun belegen, dass Emona schon in der Antike Teil des Kernlandes ITALIA war. So konnte man sich von den östlichen und balkanischen Provinzen abgrenzen. Dass damit Italia auf der Landkarte eine eigenwillige Ausbuchtung nach Osten erfahren hat, blieb bei diesem archäologischen Beweis außen vor. So gesehen ist das optisch eigentlich wenig herausragende Artefakt das wichtigste Objekt im slowenischen Nationalmuseum in Ljubljana, um die Überzeugung zu bestätigen, Slowenien habe schon immer zu Mitteleuropa gehört, wobei diese Zugehörigkeit durch das jugoslawische Intermezzo 1919 bis 1990 nur unterbrochen gewesen sei.

Stadtgeschichte im Spiegel ihrer Denkmäler

Gleichwohl musste die Eigenständigkeit betont bleiben, die heute mehr denn je in der slowenischen Sprache gesehen wird.16 Die Nationalfeiertage der jungen Republik Slowenien erinnern deshalb nicht nur an historische, politische oder kriegerische Ereignisse,17 sondern sind gewissermaßen der slowenischen Sprache gewidmet. Obwohl mehr als zwei Drittel der Slowenen sich dem Katholizismus zugehörig fühlen, und Protestanten eine verschwindend geringe Minderheit darstellen, ist der Reformationstag am 31. Oktober nationaler Feier- und Gedenktag. Dabei geht es allerdings nicht um Religion, doch es war der Reformator Primož Trubar, der im 16. Jahrhundert die ersten Bücher in slowenischer Sprache drucken ließ. 1908 setzte man ihm in Ljubljana ein Denkmal (Abb. 22), und sein Konterfei ziert die slowenische 1-Euro-Münze. Ein zweiter Nationalfeiertag, begangen am 8.  Februar, ist der Prešeren-Tag oder Tag der Kultur, der eben an diesen größten slowenischen Dichter erinnert, der am 8. Februar 1849 in Kranj (Krainburg) gestorben ist. Wie gesehen ist ihm 1905 ein Denkmal gesetzt worden (Abb. 5). Schließlich wird man auch den Rudolf-Maister-Tag am 23. November dazu rechnen dürfen. Maister war zwar Offizier, der 1919 die Nordgrenze mit der Untersteiermark für das neu gegründete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen und damit die Sprachgrenze sicherte, aber er war auch slowenischer Dichter. Ihm wurde 1999 ein Denkmal vor dem Bahnhof in Ljubljana errichtet (Abb. 34).

Stadtgeschichte im Spiegel ihrer Denkmäler

Die Geschichte der Stadt Ljubljana lässt sich gut an ihren Denkmälern ablesen. Als ältestes Denkmal der Stadt darf die 1682 errichtete Mariensäule gelten, die ursprünglich den großen Hof vor der Jakobskirche mit den rechtwinklig anschießenden Gebäuden

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des Gymnasiums und des Collegiums der Jesuiten akzentuierte (Abb. 17). Über einem Sockel erhebt sich eine schlanke Säule mit der Statue der Maria immaculata conceptio zuoberst. Verbindlich eingeführt wurde das Fest als Mariä Empfängnis für die ganze katholische Kirche erst 1708 durch Papst Clemens  XI., doch schon vorher muss sie als Strategie der Jesuiten betrachtet werden. 1597 hatten die Jesuiten ihre Tätigkeit in Laibach aufgenommen und waren die Garanten einer 17: Mariensäule im Hof vor der Jakobskirche gelungenen Gegenreformation, und dem seitlichen Jesuitenkolleg, 1681. Kupbis zu der die Slowenen mehrferstich in „Die Ehre dess Hertzogthums heitlich evangelisch gewesen Crain“ von Weichard von Valvasor 1689. waren. Der Ablehnung des Marienkultes durch die Protestanten setzten sie mit der Statue bildlich den rechten Glauben entgegen. Die Marienstatue muss zugleich als politisches Manifest betrachtet werden, denn erst mit der Gegenreformation konnte die Krain wieder unverbrüchlich im Habsburgerreich etabliert werden.18 Eine ähnlich religiös-politische Funktion kann der Dreifaltigkeits- oder Pestsäule zugewiesen werden, die zunächst 1693 vor dem Augustinerkloster am Ajdovščina-Platz mit einer hölzernen Plastik errichtet wurde, die man 1722 durch eine Marmorplastik ersetzte, als deren Urheber der bedeutendste Barockarchitekt der Stadt Francesco Robba angenommen wird (Abb. 18). Maria kniet zwischen Gottvater und Gottsohn, wäh-

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rend darüber die Taube des Heiligen Geistes schwebt. Anlässlich der Neugestaltung des Kongressplatzes versetzte sie Jože Plečnik in die Achse direkt vor der Ursulinenkirche (Abb. 85a). Haben diese beiden Denkmäler die Stadt und die Krain als katholische Stadt und ebensolches Erbland des katholischen Habsburgerreiches ausgewiesen, so spricht der Brunnen der drei Flüsse am Rande des Stadtplatzes (Mestni trg) unweit des Rathauses eine neue Sprache. Denn die drei Flüsse Save, Ljubljanica und Krka19 sind die drei bedeutendsten Flüsse der Krain

18: Bekrönung der Dreifaltigkeitsoder Pestsäule, vermutlich von Francesco Robba, 1722.

19: Drei-Flüsse-Brunnen, Francesco Robba, 1743 bis 1751. Ljubljana, Narodna galerija.

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bzw. Sloweniens und markieren die Region, die als Slowenien zu gelten hat. Geschaffen hat dieses Meisterwerk 1743 bis 1751 Francesco Robba in Anlehnung an den Vierströmebrunnen auf der Piazza Navona in Rom. Auf dem Stadtplatz steht heute eine Kopie des Brunnens (Abb. 89), während das Original seine Aufstellung in der slowenischen Nationalgalerie gefunden hat (Abb. 19). Wie römische Flussgötter halten die Personifikationen der Flüsse ihre Amphoren als Sinnbilder für die Quellen, aus denen sie entspringen. Der Brunnen entstand etwa ein halbes Jahrhundert, nachdem Johann Weichard von Valvasor seine Ehre dess Hertzogthums Crain veröffentlicht hatte und spiegelt das erwachende nationale Selbstbewusstsein. Die vielleicht wichtigste Denkmalepoche umfasst dann die Jahrzehnte vom Ausgang des 19. bis zum frühen 20. Jahrhundert, in der den wichtigsten Vertretern einer nationalen Souveränität die Ehrung durch ein Denkmal zuteilwurde: Valentin Vodnik 1889, Weichard von Valvasor 1903, France Prešeren 1905 und Primož Trubar 1908. Vodnik, Prešeren und Trubar galten und gelten als die prominentesten Förderer der slowenischen Sprache. Valentin Vodnik (1758–1819) verfasste Bücher und Dichtungen in slowenischer Sprache und gab die erste Zeitung auf Slowenisch heraus. Sein Denkmal initiierte der slowenische Politiker und Abgeordnete Lovro Toman anlässlich des 100. Geburtstages des Dichters. Den Auftrag für das erste öffentliche slowenische Denkmal, das vor dem Gebäude der ehemaligen Mädchenschule in Ljubljana errichtet wurde, erhielt der in der Krain geborene und in Wien ausgebildete Bildhauer Alojz Gangl. Er schuf ein Bronzestandbild des Dichters über einem einfachen Steinsockel. Am 30. Juni 1889 wurde es mit einem dreitägigen Fest eingeweiht (Abb.  20). Alojz Gangl20 zeichnete auch verantwortlich für das Denkmal von Johann Weichard von Valvasor, das 1903 vor dem ehem. Provinzial- und heutigen Nationalmuseum errichtet wur-

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20: Denkmal für Valentin Vodnik, ausgeführt von Alojz Gangl, eingeweiht 1889.

de (Abb. 21). Valvasor hatte die erste 21: Denkmal für Johann Weichard von umfassende Geschichte der Krain Valvasor, eingeweiht 1903. und damit auch Sloweniens verfasst (Abb. 12). Mit diesen beiden Denkmälern war der Weg zur verstärkten Darstellung der nationalen Werte in Gestalt prominenter Persönlichkeiten des slowenischen kulturellen Lebens eröffnet. Die Enthüllung des Vodnik-Denkmals gab wohl den Anstoß, auch France Prešeren ein Denkmal zu setzen. Zumindest stammen aus dem Jahr 1889 die ersten von Studierenden geäußerten Ideen, die sich 1891 slowenische Wissenschaftler zu eigen machten. Als treibende Kraft förderte schließlich Ivan Hribar, Bürgermeister von Laibach von 1896 bis 1910 und Vertreter des slowenischen liberalen Nationalismus, gemeinsam mit dem Stadtplaner und Architekten Max Fabiani die Denkmalsetzung für den slowenischen Dichter. Den Wettbewerb gewann der in Wien ausgebildete slowenische Bildhauer Ivan Zajec. Entstanden ist ein

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fast zehn Meter hohes Denkmal (Abb.  5). Über einem dreistufigen Unterbau erhebt sich ein Felsblock mit der Inschrift PRESEREN, und darauf steht die dreieinhalb Meter große Statue des Dichters, der von einer Muse mit einem Lorbeerkranz geehrt wird. Seitlich am Sockel illustrieren zwei Bronzereliefs Motive aus Prešerens Gedichten, linkerhand mit dem Titel Slovo (Abschied) oder Črtomir und Bogomila eine Szene aus Krst pri Savici (Die Taufe an der Savica) und rechterhand den Fischer aus dem Gedicht Ribič (Fischer). Enthüllt wurde das Denkmal 1905 22: Denkmal für Primož Trubar, ausin Anwesenheit von etwa 20.000 geführt von Franc Berneker, eingeMenschen. Bedenkt man, dass die weiht 1908. Stadt zu diesem Zeitpunkt etwa 37.000 Einwohner zählte, von denen sich 30.000 als Slowenen bezeichneten, so ließ sich die Mehrheit der slowenischen Bürger dieses Ereignis nicht entgehen. Historische Aufnahmen zeigen, dass der Platz um das Denkmal von Menschenmassen gesäumt war. Es darf an dieser Stelle schon betont waren, dass die Initiatoren des Prešeren-Denkmals Ivan Hribar und Max Fabiani die treibenden Kräfte für die Stadtplanung nach dem Erdbeben von 1895 waren. Schließlich ist das 1908 errichtete Denkmal für den slowenischen Reformator Primož Trubar zu nennen, den Begründer der slowenischen Buchsprache. Geschaffen wurde es von dem slowenischen Bildhauer Franc Berneker diesmal nicht aus Bronze, sondern aus hellem Stein. Aufrecht und entschlossen steht der

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Reformator hinter einem Pult (Abb. 22). Die Denkmäler dieser vier Protagonisten des slowenischen Nationalbewusstseins dokumentieren überdeutlich die Aufbruchstimmung in der Stadt, deren Ziel wenn nicht Selbständigkeit, dann zumindest ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbstbestimmung war. Lediglich ein Denkmal dieser Epoche um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert fällt aus dem Rahmen. Es steht vor dem Justizpalast im heutigen Miklošič-Platz und trägt auch den Namen des slowenischen Philologen Franc Miklošič, der als einer der Begründer der wissenschaftlichen Slawistik gilt (Abb. 23) und insofern gut in die Riege der Förderer der slowenischen Geschichte und Sprache passt. Allerdings war dieses Denkmal bei seiner Errichtung 1908 ursprünglich dem österreichischen Kaiser Franz Josef  I. gewidmet. Der Bildhauer Svetoslav Peruzzi, der den Wettbewerb gewonnen hatte, setzte die monumentale, weit überlebensgroße Büste des Monarchen auf eine von kaiserlichen Adlern flankierte Plinthe, vor der eine Frau als Personifikation der Stadt Laibach kniet und mit ausgestrecktem Arm einen Zweig emporhält. Diese figürlich-allegorische Szene erhebt sich ihrerseits auf einem hohen Quadersockel. Initiator dieses Denkmals war Bürgermeister Ivan Hribar, der damit einerseits den Besuch des Kaisers in Laibach 23: Denkmal für Franc Miklošič, aus anlässlich seines 50-jährigen Throndem vormaligen Denkmal für Kaiser jubiläums und seine großzügige Franz Josef I. nach dem Ersten WeltUnterstützung der Stadt nach dem krieg umgewidmet.

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Erdbeben von 1895 zu würdigen gedachte, und andererseits damit die Hoffnung auf weitere Wohltaten des Kaisers zum Ausdruck brachte, die sich jedoch nicht in der gewünschten Weise erfüllte. Dem ursprünglichen Anlass gewidmet war ein Bronzerelief auf der Rückseite des Denkmals, das an die Opfer des Erdbebens erinnerte (Abb. 112). So unähnlich sind sich die Portraits des slowenischen Philologen und des österreichischen Kaisers gar nicht, wenn man dazu das Kaiserbildnis betrachtet, das nicht zerstört wurde, sondern ins Stadtmuseum von Ljubljana gelangte. Als nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie nach dem Ersten Weltkrieg dieses Denkmal in Misskredit geriet, wurde das kaiserliche Monument 1926 in eines für Franc Miklošič umgewidmet.21 Der Bildhauer Tine Kos ersetzte die Büste des Kaisers durch die Büste von Miklošič, behielt aber ansonsten das Denkmal in seiner ursprünglichen Form bei. Die Büste des Kaisers, die Franc Miklošič weichen musste, befindet sich heute im städtischen Museum von Ljubljana. Dieses Denkmal war nicht das erste und nicht das letzte für den österreichischen Kaiser in der Stadt. So hieß die heutige Drachenbrücke bei ihrer Eröffnung 1901 noch Jubiläumsbrücke und war der 40-jährigen Herrschaft von Kaiser Franz Josef I. gewidmet. Zum 86. Geburtstag des Kaisers war noch 1916 ein Kaiser-Franz-Josef-Denkmal auf der Burg enthüllt worden. So herrschte in dieser Zeit des slowenischen Nationalerwachens zumindest offiziell noch eine tiefe Verbundenheit mit der Habsburgermonarchie. Die folgende Denkmalepoche während des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, umgangssprachlich auch SHSKönigreich genannt, und des Königreichs Jugoslawien zwischen 1919 und 1941 war bestimmt vom Gedanken der Befreiung aus der Habsburger Vormundschaft. Sie fällt zugleich in die Zeit, als Jože Plečnik das Bild der Stadt nachhaltig prägte und auch verantwortlich für die ersten beiden Denkmäler dieser Epoche zeichne-

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te. Vor dem Eingang zum Rathaus wurde 1920 eine Reiterstatue für König Peter I. (1844–1921), den Befreier, errichtet. Galt den Slowenen die Integration in das SHS-Königreich als Akt der Befreiung und Selbstbestimmung, so war die Erinnerung an die Befreiung durch Napoleon ähnlich bedeutsam, denn der französische Kaiser hatte Laibach, das nun für kurze Zeit Laybach hieß, zur Hauptstadt seiner Illyrischen Provinzen gemacht. Auch wenn diese kurze Periode von 1809 bis 1813 nur wenige Jahre dauerte, so brachte sie für die Slowenen bisher ungekannte 24: Denkmal anlässlich der 120-JahrFreiheiten. Am wichtigsten daran Feier der Errichtung der Illyrischen war, dass nun Kinder in ihrer slowe- Provinzen 1809, konzipiert von Jože nischen Landessprache unterrichtet Plečnik, eingeweiht 1929. werden durften. Zur 120-Jahr-Feier der Illyrischen Provinzen konzipierte und errichtete Jože Plečnik 1929 auf dem Platz der Französischen Revolution (Trg francoske revolucije) ein Denkmal in Form eines hoch aufragenden Obelisken aus Marmor von der kroatischen Insel Hvar (Abb. 24). Die eine Seite ziert ein weiblicher Kopf als Personifikation Illyriens, die andere ein Portraitkopf Napoleons. Zur Zeremonie der Denkmalsenthüllung war der französische Botschafter gekommen mit einem goldenen Palmzweig als Geschenk, der seitlich am Obelisken angebracht wurde. Das kurzlebigste Denkmal Ljubljanas stand nur etwa für ein Jahr im Zvezda-Park, der sich entlang des Kongressplatzes in Ljubljana erstreckt, es war ein bronzenes Reiterdenkmal für den

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jugoslawischen König Alexander  I. (1888–1934) Karađorđević. Es wurde 1940 errichtet und nach der Machtübernahme durch die italienischen Faschisten 1941 wieder entfernt. Das Werk des Bildhauers Lojze Dolinar galt vielen Kunsthistorikern als das beste Reiterdenkmal dieser Zeit, doch hat es diese Einschätzung nicht vor dem Abriss bewahrt, weil es nicht mehr in die neue Zeit passte. Geblieben sind davon nur ein Bronzemodell des Bildhauers in der Modernen Galerie in Ljubljana und wenige historische Aufnahmen 25: Reiterdenkmal für den jugo(Abb. 25).22 slawischen König Alexander I. Karađorđević, ausgeführt von Lojze Überdauert hat aus dieser EpoDolinar, eingeweiht 1940. Historisches che der jugoslawischen Königreiche Foto. nur das Denkmal für Napoleon und seine Illyrischen Provinzen, aber auch die abgegangenen Monumente sind in ihrer Weise Zeugnisse für eine Zeit, in der Slowenien seine Zuversicht auf die Regentschaft der Könige in Belgrad setzte. Die folgende damnatio memoriae, die zu allen Zeiten ein probates Mittel zur Sicherung der eigenen Herrschaft war und ist, muss als wichtiges historisches Zeugnis gelten. Nach der faschistischen Besetzung von 1941 bis 1945 musste einmal mehr das nun sozialistisch gewordene Jugoslawien seine Identität finden, die es in erster Linie im blutigen, letztlich aber erfolgreichen Partisanenkampf gegen die Faschisten und in der Revolution fand. Entsprechend war das erste Denkmal Ljubljanas in der Nachkriegszeit den Helden des Partisanenkampfes gewidmet. Es befindet sich an der Südseite des Nationalen Heldenplatz

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26: Denkmal für die Helden des Partisanenkampfes, ausgeführt von Boris Kalin nach Entwurf von Edo Mihevc, eingeweiht 1949.

(Trg narodnih herojev) und birgt die sterblichen Überreste slowenischer Partisanen und ideologischer Vordenker. Über dem Grab erhebt sich ein sarkophagähnliches Monument, dessen Flanken mit Szenen aus dem Partisanenkampf versehen sind. Errichtet wurde das Denkmal 1949 nach Entwürfen des Architekten Edo Mihevc von dem Bildhauer Boris Kalin (Abb. 26). Die realistischen Reliefskulpturen an den Seiten zeigen Partisanen und Widerstandskämpfer, Gequälte, Geiseln und ein heroisches Volk.23 Die weiteren Denkmäler, die in den 1970er Jahren errichtet wurden,

27: Denkmal in Erinnerung an die slowenischen Bauernaufstände auf der Burg von Ljubljana, ausgeführt von Stojan Batič, eingeweiht 1974.

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waren in besonderer Weise dem revolutionären Gedanken, dem Aufstand des Volkes gegen die feudale Klasse und den Faschismus gewidmet. Auf der Burg von Ljubljana errichtete man anlässlich des 500.  Jahrestages der slowenischen Bauernaufstände 1974 ein Denkmal mit der Darstellung der aufständischen Bauern, die sich lediglich unzulänglich mit Sensen bewaffnet gegen die übermächtigen Feudalherren erhoben. Auf dem Sockel stehen die Jahreszahlen der wichtigsten Erhebungen von 1473 bis 1713 (Abb. 27). Zehn Jahre arbeitete der Bildhauer Drago Tršar seit 1964 an dem großen, 19 Tonnen schweren Revolutionsdenkmal, das 1975 am Platz der Revolution (heute Platz der Republik) enthüllt wurde. Das asymmetrische, wie eine Fahne im Wind flatternde Denkmal besteht aus gebrochenen Flächen mit reduzierten Figuren mit ausgestreckten Armen und symbolisiert eine Ansammlung von Partisanen in ihren Kämpfen um den revolutionären Sieg (Abb. 28). Bereits 1961 hatte der Exekutivrat der Volksversammlung der Republik Slowenien einen Antrag zum Bau eines neuen Denkmals zur Feier der sozialistischen Revolution Jugoslawiens genehmigt. Ein 25-köpfiges „Denkmalkomitee“ war gegründet und mit der Organisation eines jugoslawischen Designwettbewerbs beauftragt worden. Aus 32 eingereichten Entwürfen, darunter Vorschläge von führenden jugoslawischen Bildhauern und Architekten wie Janez Lenassi, Aleksandar Đokić und Miodrag Živković, erhielt das Konzept des slowenischen Bildhauers Drago Tršar und des Architekten Vladimir Braco Mušič den Zuschlag. Geplant war die Aufstellung bis 1965, doch verzögerten notwendige Sparmaßahmen die Ausführungen bis 1975. Neben dem Denkmal steht ein schlichter, rechteckiger Block, auf dem in erhabener Inschrift die ersten beiden einleitenden Absätze aus der Verfassung der Sozialistischen Republik Slowenien von 1974 zu lesen sind (Abb. 29). Diese Verfassung ist bemerkenswert,

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28: Platz der Republik, Revolutionsdenkmal, ausgeführt von Drago Tršar, eingeweiht 1975.

denn sie betont bei aller Verbrüderung mit anderen Völkern und Nationalitäten Jugoslawiens ausdrücklich die nationale Souveränität Sloweniens, weshalb die Sätze aus dem Monument hier in Übersetzung wiedergegeben werden sollen: Vorderseite: In der Verfassung steht geschrieben, dass die Arbeiter, Bauern, die werktätige Intelligenz und alle fortschrittlichen Menschen Sloweniens, vereint mit der allmächtigen Organisation der Befreiungsfront mit der Kommunistischen Partei an der Spitze, in der Lage waren, die alte Gesellschaftsordnung auf der Grundlage von Ausbeutung, politischer Unterdrückung und Ungleichheit der Menschen zu stürzen und begannen, eine Gesellschaft zu schaffen, in der der Mensch und seine Arbeit von Ausbeutung und Willkür befreit

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29: Platz der Republik, Gedenkstein für die Verfassung Sloweniens von 1974.

werden und in der die Voraussetzungen für die freie und umfassende Entwicklung der slowenischen Nation geschaffen werden. Rückseite: In der Verfassung steht geschrieben, dass die slowenische Nation durch den Volksbefreiungskampf und die sozialistische Revolution, untrennbar verbunden mit anderen Völkern und Nationalitäten Jugoslawiens, zum ersten Mal ihren eigenen Staat auf der Grundlage ihrer Souveränität und Macht geschaffen hat, nach tausend Jahren Unterdrückung, faschistischer Aggression und innerem Kampf. Und daraus ergibt sich die Selbstverwaltung der Arbeiterklasse und aller Werktätigen, die ihrerseits ein Teil des Bundesstaates der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien als staatliche Gemeinschaft freiwillig vereinigter Nationen und Nationalitäten ist. In geringer Entfernung steht eine Figurengruppe von etwa 15 stehenden Personen mit abstrahierten Gesichtern, unter denen nur im Vordergrund der aus Slowenien stammende Journalist Edvard Kardelj (1910–1979) individualisiert ist. Kardelj war eines der führenden Mitglieder der kommunistischen Partei Sloweniens schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Während des Kriegs

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30: Platz der Republik, Denkmal für die Partisanenführer der slowenischen Befreiungsfront, ausgeführt von Stojan Batič.

agierte er als Partisanenführer der slowenischen Befreiungsfront (Abb. 30). In der Celovška cesta 189 steht das Denkmal zur Erinnerung an die Befreiung Ljubljanas durch Titos Partisanen.24 Im Sinne der sozialistischen Staatsideologie wurden die Denkmäler der Widerstandskämpfer und Revolutionäre durch eine Würdigung der slowenischen Arbeiter ergänzt. Diese Skulptur schuf der slowenische Bildhauer Stojan Batič, der selbst bereits als 19-Jähriger Mitglied der Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee geworden war. Bauern mit Sicheln und Werktätige mit ihren Arbeitsgeräten stehen gewissermaßen Schulter an Schulter und bilden aufrecht stehend eine unverbrüchliche Einheit (Abb. 31). Ein eigenes Denkmal ist am Rande des Tivoli-Parks in der Nähe der Celovška-Straße in Spodnja Šiška dem heroischen Minenarbeiter gewidmet, geschaffen 1950 von Alojzij Kogovšek (Abb. 32). Noch ausführlicher werden die Werktätigen

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31: Denkmal der slowenischen Arbeiter, ausgeführt von Stojan Batič, eingeweiht 1975.

32: Denkmal, dem heroischen Minenarbeiter gewidmet, geschaffen 1950 von Alojzij Kogovšek.

auf dem großen Relief über dem Eingang zum Parlamentsgebäude in Szene gesetzt (Abb. 163b-c). Neben diesen ideologischen Denkmälern gibt es auch Erinnerungsorte für historische Ereignisse. So erinnert ein auf einem Sockel stehender Anker auf dem Kongressplatz an den 1954 erfolgten Anschluss des slowenischen Küstenlandes an Jugoslawien (Abb.  33). Damit war die Aneignung der slowenisch und kroatisch besiedelten Gebiete im ehemaligen österreichischen Küstenland und in Dalmatien durch Italien 1915 rückgängig gemacht worden. Als Flächendenkmal ist der Weg der Erinnerung und der Kameradschaft (Pot spominov in tovarištva) zu verstehen, der auf 33 Kilometern Länge die Stadt Ljubljana umzieht und den Verlauf des von den italienischen Streitkräften errichteten Stacheldrahtzauns markiert. Er war 1941 nach der Annexion der Provinz

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Ljubljana durch Italien gezogen worden, um Kontakte zwischen der Stadt und den slowenischen Partisanen auf dem Land zu verhindern. Dieser Pfad ist zwischen 1974 und 1985 als Erinnerungsweg angelegt worden. Zu beiden Seiten des Weges wurden 7.400 Bäume gepflanzt und Wegweiser, Informationstafeln und Metallmarkierungen angebracht. Dort, wo früher Bunker standen, befinden sich 120 achteckige Gedenksteine nach Entwürfen des Architekten Vlasto Kopàč. Neben seiner Erinnerungsfunktion hat dieser Weg heute eine Erholungsfunktion, denn er wird von Spaziergängern und Radfahren genutzt, im Winter sogar von Langläufern, wenn die Schneelage das Spuren von Loipen ermöglicht. Geschahen die Denkmalsetzungen zwischen 1945 und 1991 vorrangig im Geist einer panjugoslawischen Ideologie, wovon das Revolutionsdenkmal und die verschiedenen Partisanen-

33: Denkmal in Erinnerung an den 1954 erfolgten Anschluss des slowenischen Küstenlandes an Jugoslawien. Im Hintergrund das Denkmal für die Opfer aller Kriege.

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denkmäler zeugen, so blieb daneben das slowenische Nationalbewusstsein durchaus lebendig. Wie schon Ende des 19. und zu Beginn des 20.  Jahrhunderts war die Sprache ein signifikantes Alleinstellungsmerkmal. Nun galt der international renommierte Dichter und Schriftsteller Ivan Cankar, der bedeutendste slowenischer Autor der Moderne, als Symbolfigur. Er hatte zwar nicht nur in slowenischer Sprache geschrieben, stand aber in offener Opposition zur Habsburgermonarchie. Er war sogar als glühender Verfechter eines Zusammenschlusses der südslawischen Völker wegen Hochverrats angeklagt. Das 1982–83 nach Plänen des Architekten Edvard Ravnikar erbaute Kultur- und Kongresszentrum Cankarjev dom wurde nach ihm benannt (Abb. 166a). Davor steht das avantgardistische Denkmal des Dichters, das 1982 von dem in Maribor geborenen Bildhauer Slavko Tihec gestaltet worden war (Abb. 166b). Es besteht aus 30 Lamellen, deren Stärke unterschiedlich ist, so dass aus der Ferne das Porträt von Cankar sichtbar wird. An den Seiten befindet sich Cankars Unterschrift und das handgeschriebene Zitat: Meine Arbeit ist eine Vorahnung der Morgendämmerung. Die neue Zeit nach der Erlangung der Unabhängigkeit zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass sie die Denkmäler der sozialistischen Epoche nicht entfernt hat. Man mag sogar darüber erstaunt sein, dass es kein eigenes Unabhängigkeitsdenkmal gibt.25 Die nach 1991 geschaffenen Denkmäler beziehen sich stattdessen auf die Epoche der vorsozialistischen Zeit und das Erwachen des slowenischen Nationalbewusstseins. So erklärt sich das 1999 errichtete Reiterstandbild für General Rudolf Maister auf dem nach ihm benannten Platz (Trg generala Maistra) vor dem Hauptbahnhof von Ljubljana (Abb. 34). Er war zu Ende des Ersten Weltkriegs vom slowenischen Nationalrat in Laibach zum General erhoben worden und verteidigte Marburg (Maribor) gegen den deutsch-österreichischen Widerstand für den SHS-

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34: Reiterdenkmal für General Rudolf Maister, ausgeführt von Jakov Brdar, eingeweiht 1991.

Staat und sein Heimatland Slowenien. Er sicherte zudem die bis heute gültige Grenze zwischen Slowenien und Österreich und bewahrte diese Region vor der Annexion durch Österreich. General Maister wird deshalb in Slowenien bis heute zu den Vätern des Staates gezählt. Ikonographisch mag überraschen, dass man sich für den Entwurf des Bildhauers Jakov Brdar in Form eines herkömmlich anmutenden Reiterstandbildes entschieden hat, das in frappanter Weise an die (nicht mehr vorhandenen) Reiterdenkmäler der jugoslawischen Könige Peter und Alexander in der Stadt erinnert, auch wenn Brdar eine weniger naturalistische Interpretation gewählt hat. Zu den Vätern des slowenischen Nationalbewusstseins kann auch Ivan Hribar gezählt werden, der von 1896 bis 1910 Bürger-

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meister von Laibach war. Er war selbst slowenischer Patriot und zu seiner Zeit treibende Kraft für die Errichtung des Denkmals für France Prešeren (Abb.  5). Ihm wurde 2010 in Ljubljana anlässlich des 100. Jahrestages des Endes seines Bürgermeisteramtes selbst ein Denkmal gesetzt, das von dem akademischen Bildhauer Mirsad Begić auf dem neu gestalteten Breg geschaffen wurde (Abb.  35). Begić hat Hribars Portrait als das eines Visionärs gestaltet, der eine ganz neue Stadt vor Augen hatte. Konkret nimmt die Darstellung auf den Brief Bezug, den Hribar vom Kaiser erhalten hatte, mit der Zusage zur Unterstützung beim Wiederaufbau nach dem 35: Denkmal für Ivan Hribar, ausErdbeben. Damit ist das Denkmal geführt von Mirsad Begić, eingeweiht zugleich eine Würdigung des mo2010. dernen Ljubljana, das mit Hribars Namen verbunden ist, hatte er doch nach dem Erdbeben von 1895 die Stadtplanung wesentlich vorangetrieben. Hatte man bereits 1908 ein Denkmal für den slowenischen Reformator Primož Trubar errichtet (Abb. 22), so schrieb Ljubljana 2010 erneut einen Wettbewerb für ein weiteres Reformationsdenkmal aus, das den slowenischen Reformatoren gewidmet sein sollte, also neben Trubar auch Jurij Dalmatin, Adam Bohorič und Sebastjan Krelj, die alle als Begründer der slowenischen Literatur im 16. Jahrhundert gewürdigt werden. Der Bildhauer Lujo Vodopivec, der den Zuschlag erhielt, schuf einen monumentalen,

Stadtgeschichte im Spiegel ihrer Denkmäler

36: Denkmal für die slowenischen Reformatoren und Begründer der slowenischen Schriftsprache, ausgeführt von Lujo Vodopivec, 2010.

bronzefarbenen, schlafenden männlichen Kopf, der auf einem sanften grasbewachsenen Hügel ohne Sockel ruht. Der direkte Kontakt des Kopfes mit der von Rasen bedeckten Erde bedeutet, zu schlafen und Energie aus der Natur zu schöpfen. Darüber sind wie schwebend Bücher als Symbole der slowenischen Druckwerke angeordnet. Das Denkmal kam hinter der Evangelischen Kirche auf dem Platz der Reformation zu stehen bzw. zu liegen (Abb. 36). Die wiederentdeckte Bedeutung der Reformation für die Stadtgeschichte war Anlass, Ljubljana mit dem Ehrentitel einer Reformationsstadt Europas auszuzeichnen, eine Würdigung, die von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) anlässlich des 500. Reformationsjubiläums 2017 ins Leben gerufen worden war. Ljubljana gehört damit zu 101 Städten in 17 europäischen Ländern, die diese Auszeichnung tragen. Lange Diskussionen gingen seit 2009 dem jüngsten Denkmal der Stadt voraus. Sinn, Bedeutung, Standort, Gestaltung und zu

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Die Identität einer Stadt

37: Denkmal für die Opfer aller Kriege, errichtet 2013, eingeweiht 2017.

wählende Inschriften waren sehr kontrovers beurteilt worden. Schließlich wurde es unter dem Namen Denkmal für die Opfer aller Kriege (Spomenik žrtvam vseh vojn) neben dem Casino am Rande des Zvezda-Parks 2013 errichtet und 2017 feierlich eingeweiht. Gewidmet ist es dem Gedenken aller Opfer aller Kriege, des Ersten Weltkriegs, des Zweiten Weltkriegs, der nationalen Befreiungskämpfe sowie aller Opfer von revolutionärer und antirevolutionärer Gewalt, außergerichtlicher Tötungen und Straftaten nach dem Krieg sowie der Opfer des Unabhängigkeitskriegs. Aus dieser umfassenden Bestimmung des Denkmals wird deutlich, dass es letztlich der Verwirklichung eines langjährigen Strebens nach nationaler Versöhnung und als wichtiger Schritt zur endgültigen Aussöhnung der slowenischen Nation dienen soll.26 Daher ist das Denkmal als Dialog zwischen zwei verschiedenen, aber äquivalenten Einheiten konzipiert. Zwei ver-

Die Wahrnehmung des Stadtbildes

schiedene Wände sind in Höhe und Volumen gleich. Sie sind in Material und Verarbeitung vereint und in den Fundamenten am engsten mit einer gemeinsamen Tragplatte verbunden, werden jedoch im Raum völlig anders wahrgenommen und sind optisch immer unabhängig. So verkörpern sie das Zusammenleben und die Toleranz (Abb. 37). Das jüngste Denkmal der Stadt ist vielleicht das schwierigste, weil es so viel will, um allen gerecht zu werden. Seine abstrakte Gestaltung erleichtert das Verständnis nicht unbedingt, und neben dem konzeptionell starken Ensemble von Kongressplatz und Zvezda-Park wirkt es etwas abgestellt. Ob es sich tatsächlich als nationales, die Einheit Sloweniens verkörperndes Monument durchsetzt, wird erst die Zukunft zeigen.

Die Wahrnehmung des Stadtbildes

Der Charakter der Stadt lässt sich nicht auf einen Nenner bringen. Es gibt Barockstädte wie Eichstätt oder Fulda, Jugendstilstädte wie Riga oder Ålesund oder sozialistische Musterstädte wie Minsk oder Eisenhüttenstadt. Ljubljana hat von jedem etwas und macht daraus eine städtebauliche Symbiose, die den ganz besonderen Reiz dieser Stadt ausmacht. Die barocke Altstadt unterhalb der Burg mit ihren bisweilen mittelalterlich anmutenden Gassen (Abb. 38) prägt das historische Zentrum, das um barocke Kirchen italienischer Prägung erweitert wird. Aus der späteren Habsburger Zeit stammen historistische Prachtbauten, ehe die Stadt nach dem Erdbeben von 1895 ein neues Gewand im Stil der Wiener Sezession anlegte. Jugendstilgebäude konzentrieren sich nicht nur, aber vor allem in der Miklošičeva cesta (Abb. 39), und es sind nur wenige Schritte zur sozialistischen Stadtkultur am Platz der Republik, der ursprünglich Platz der Revolution hieß, mit den dreieckigen Bürotürmen T2 und T3 (Abb.  40,

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Die Identität einer Stadt

164), dem Maximarket Kaufhaus (Abb.  165) und dem slowenischen Parlamentsgebäude (Abb. 163). Finden sich ähnliche architektonische Elemente auch in anderen Städten, so dürfen die Akzente, die Jože Plečnik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesetzt hatte, als unver­ gleichlich und einzigartig gelten. Er hat ganzen Plätzen seinen Stempel aufgedrückt, überraschend eigenständige Bauwerke entworfen und viele Motive im Stadtbild 38: Die Stari trg (Alter Platz) genannte Gasse in der Altstadt mutet mittelalterlich an. implantiert, die kaum einem bestimmten Stil zuzuweisen sind. Detailverliebt entwarf er Lampen und Brückengeländer (Abb. 41), die überall in der Stadt zu finden sind. Ein besonderes Anliegen war ihm, die antike Substanz der Stadt sichtbar werden zu lassen (Abb. 53a, 145), doch sein Hauptaugenmerk richtete er auf den die Stadt durchziehenden Fluss Ljubljanica, den er zur Lebensader der Stadt machte (Abb. 42). Er führte die Ufer­ bereiche an den Fluss heran und verband die Ufer mit exklusiven Brücken und mit dem Höhepunkt des Drei-Brücken-Ensembles (Abb. 4, 198). Der mehrdimensionale Charakter der Stadt erschließt sich vom Dachterrassencafé des Nebotičnik, der zur Zeit seiner Errichtung 1933 mit über 70 Metern Höhe zu den höchsten Hochhäusern Europas gehörte (Abb.  130). Wendet man den Blick nach Südosten, so schweift der Blick über den markanten

Die Wahrnehmung des Stadtbildes

39: Eine Konzentration der Jugendstilhäuser findet sich in der Miklošičeva cesta.

40: Blick über den Platz der Republik auf die Hochhäuser T2 und T3.

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Die Identität einer Stadt

Blickpunkt der barocken Franziskanerkirche und die Altstadt bis zur mittelalterlichen Burg, die über der Stadt thront (Abb.  43). Nach Norden geschaut wird hingegen deutlich, wie sich im Zentrum und vom Stadtzentrum entfernend die moderne Stadt in die historische und historistische Bausubstanz einnistet bzw. sie zu dominieren beginnt (Abb.  44). Man möchte das unvermittelte Aufeinandertreffen von historischen Gebäuden auf moderne Bauten als störend betrach41: Detail mit Lampenträger von den ten, doch ist das Gegenteil der Fall, Drei Brücken (Tromostovje). wenn sich ständig neue Perspektiven öffnen oder sich die historistischen Architekturen in postmodernen Glasfassaden spiegeln und zur Auseinandersetzung mit der Stadt einladen oder regelrecht dazu auffordern (Abb. 45). Auch wenn der Zweite Weltkrieg in der slowenischen Bevölkerung tiefe Verwerfungen hinterlassen hat, die bis heute nicht aufgearbeitet sind,27 so blieb Ljubljana von Kriegszerstörungen bewahrt, so dass das, was sich im Laufe der Zeit additiv zusammengefügt hat, erhalten blieb. Freilich wird der Charakter einer Stadt nicht von ihren Architekturen und Denkmälern, sondern von den Menschen, die dort leben oder sie besuchen, bestimmt. 2019 zählte Ljubljana mehr als eine Millionen Touristen, die durchschnittlich etwa zweieinhalb Tage in der Stadt blieben. Obwohl die Stadt nicht am Meer, sondern noch in Sichtweite der Ausläufer der Alpen liegt, herrscht in ihr ein mediterranes Flair zu beinahe allen Tages- und Nachtzeiten. Es hat allen Anschein, als sei Plečniks Plan aufgegangen,

Die Wahrnehmung des Stadtbildes

42: Von Jože Plečnik wurde die Ljubljanica zur Lebensader der Stadt gestaltet mit Promenaden auf beiden Seiten des Flusses. Im Hintergrund die Schusterbrücke.

die Ljubljanica zur Wohnstube der Stadt werden zu lassen, wo sich an den Ufern Bar an Bar, Restaurant an Restaurant reihen. Besonders bemerkbar macht sich, dass Ljubljana eine Universitätsstadt mit etwa 40.000 Studierenden ist, die um die 15 % der

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Die Identität einer Stadt

43: Blick vom Nebotičnik über die Franziskanerkirche auf die Burg. Rechts von der Kirche führen die Drei Brücken (Tromostovje) über die Ljubljanica.

44: Blick vom Nebotičnik nach Norden mit dem Hochhaus Metalka.

Die Wahrnehmung des Stadtbildes

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Bevölkerung ausmachen. Mit einem Durchschnittsalter der Bevölkerung von 41,9 Jahren ist Ljubljana eine durchaus junge Stadt, jünger als der Durchschnitt in Slowenien, jünger als bspw. Berlin (43,6) und etwa gleichauf mit München (41,2).28 Die Arbeitslosigkeit lag 2019 bei lediglich 4,5 %. All das trägt zum Eindruck einer lebendigen Stadt bei, die offenkundig ihren Aufbruch in die Europäische Union genutzt hat, und wohl nicht zu Unrecht in mancherlei Beziehung als Musterknabe der 45: In den Glasfassaden der postmodernen Union gilt. Architekturen spiegeln sich die historischen Dass der Stern Sloweniens Gebäude. nicht mehr ganz so hell strahlt, darf an dieser Stelle allerdings nicht verschwiegen werden, seit der Regierung vorgeworfen wird, die Pressefreiheit zu verletzen, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden und nicht mit der neuen europäischen Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten, deren Aufgabe es ist, den Missbrauch von EU-Geldern zu untersuchen. Manche sehen die Pressefreiheit und die Zukunft des Journalismus ernsthaft bedroht und sprechen gar von einer Orbanisierung der slowenischen Medien. Bereits 2016 antwortete die EU-Kommission auf eine Anfrage der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) O-000076/2016 an die Kommission Artikel 128 der Geschäftsordnung Esteban González Pons, Milan Zver im Namen der PPE-Fraktion, (Kalenderdatum: 02-05-2016, Nummer: O-000076/2016): „Die Kommission

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Die Identität einer Stadt

hat im Hinblick auf die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in den Mitgliedstaaten bislang keinerlei Maßnahmen ergriffen. Es ist jedoch offensichtlich, dass Slowenien auf dem Weg zur Rechtstaatlichkeit Unterstützung benötigt.“ Vertieft werden soll das Thema hier allerdings nicht.

Emona

Nach dem Studium der antiken Autoren Herodot und Sozomenos hat der 1655 in Ljubljana geborene Gelehrte Johann Gregor Thalnitscher ( Janez Gregor Dolničar) 29 die Gründung Emonas durch Jason und die Argonauten auf das Jahr 1222  v.  Chr. datiert. Von diesem sagenhaften Gründungsmythos ist der Drache, den Jason im Laibacher Moor bekämpfte, als Wappentier der Stadt geblieben. Der österreichische Althistoriker Balduin Saria datierte 1938 in Folge der ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Gründung der Stadt auf den Zeitraum Ende 14, Anfang 15  n.  Chr. Beide Datierungen besitzen ihren Wahrheitsgehalt, so widersprüchlich sich das zunächst anhören mag. Gewiss kommt die Datierung durch Saria der Gründung einer römischen Stadt Emona entschieden näher, aber die Frühdatierung in die Vorzeit griechischer Mythologie durch Thalnitscher, die auch Johann Weichard von Valvasor teilte, verweist auf die längst bewiesene Tatsache, dass der Raum von Ljubljana bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt war, sogar noch weit vor dem 13. Jahrhundert v. Chr. Allerdings hieß das Siedlungswesen längst noch nicht Emona, sondern war eher namenlos.30

Pfahlbauten im Laibacher Moor und die vorrömische Stadt

Das Laibacher Moor ist eine Marschlandschaft südwestlich von Ljubljana mit einer Ausdehnung von 160 Quadratkilometern (Abb.  46). Älteste Siedlungsspuren reichen bis in die mittlere

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Emona

Steinzeit, etwa 9.000 Jahre zurück, als es dort temporäre Behausungen auf isolierten Felsinseln in der Marsch gab. Für die folgenden Zeiten sind Pfahlbauten archäologisch nachgewiesen, die allerdings immer wieder aufgegeben und neu errichtet wurden. Von diesen Pfahlbauten wusste man bereits im 19.  Jahrhundert, und 1883 entstand ein Gemälde des österreichischen Genre- und Landschaftsmalers August Ignatz Grosz, das eine Vorstellung dieser prähistorischen Siedlungen vermitteln sollte 46: Blick über das Laibacher Moor. (Abb.  47). Über tausend solcher Pfähle konnten seit 1875 in bis zu 15 Metern Tiefe gefunden werden. Gemeinsam mit 111 Fundstellen prähistorischer Pfahlbauten in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich zählt das Laibacher Moor zum UNESCO Weltkulturerbe,31 wovon allerdings heute keine Spuren mehr zu sehen sind. Waren die ersten Siedler im Laibacher Moor vorwiegend als Jäger nur temporär zugegen, so entstanden die ersten dauerhaften Wohnplätze vor etwa 6.000 Jahren. Als spektakulärster Fund im Laibacher Moor gilt ein hölzernes Rad, das 2002 geborgen wurde und ins städtische Museum in Ljubljana gelangte, wo es zu den Highlights der ständigen Ausstellung gehört (Abb.  48). Das Rad besitzt einen Durchmesser von 72 Zentimetern und in der Mitte eine quadratische Öffnung für die ebenfalls geborgene hölzerne Achse mit einer Länge von 124 Zentimetern. Das Holz stammt von einer Esche, die in der Gegend wuchs, und weist nach einer Radiocarbonuntersuchung

Pfahlbauten im Laibacher Moor und die vorrömische Stadt

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47: August Ignatz Grosz, Idealbild des Laibacher Beckens mit prähistorischen Pfahlbauten, 1883. Wien, Naturhistorisches Museum.

ein Alter von 5.150 Jahren auf. Damit ist dieses Exemplar das oder zumindest eines der ältesten Räder der Menschheitsgeschichte. Vermutlich gehörten Rad und Achse zu einem zweirädrigen Karren. Die Fundumstände in einer Grube könnten darauf hindeuten, dass Rad (und Wagen) zu einer Grab- 48: Prähistorisches Rad aus dem Laibacher Moor. Ljubljana, Stadtmuseum. ausstattung gehörten. Älteste Siedlungsspuren im Stadtgebiet von Ljubljana datieren in die späte Bronzezeit.32 Im 13./12.  Jahrhundert v.  Chr. gab es auf dem Burgberg der Stadt einen befestigten Erdwall, und für das 11./10.  Jahrhundert sind Gräber unterhalb der Burg im heutigen Stadtteil Prule nachgewiesen. Funde lassen auf Handel und Handwerk schließen. Auf die größte Ausdehnung der Siedlung im 9./8. Jahrhundert folgten aus unbekannten Gründen ein rapider Niedergang und offenbar eine Entvölkerung. Es waren wohl die strategische Lage

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Emona

an sich kreuzenden Handelswegen und der schiffbare Fluss Ljubljanica, die zu einer Wiederbesiedlung in der späten Hallstattzeit führten und im 6./5. Jahrhundert zu einem frühstädtischen Zentrum, das sich im 4./3. Jahrhundert ganz auf die Region am Fuß des Burgberges konzentrierte. Es folgten unruhige Zeiten, in denen der Ort niedergebrannt und wieder aufgebaut wird. Um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. wurden ein Wall oder sogar schon eine Steinmauer errichtet. Die wenigen Spuren erlauben es nicht, etwas über die Größe der Ansiedlung zu sagen, aber ihre schon erwähnte strategische Lage muss von solcher Bedeutung gewesen sein, dass die römischen Militärs dort ein Castrum errichteten.

Colonia Julia Emona

Die Herkunft des Namens Emona ist ungewiss, genauso wie das genaue Datum der Stadtgründung, obwohl verbreitet immer noch die Datierung von Balduin Saria auf die Jahre 14/15 n. Chr. tradiert wird. Als einziges archäologisches Zeugnis wird dafür eine Inschrift herangezogen, die bereits 1887 in der Nähe des ehemaligen östlichen Stadttores von Emona gefunden wurde, wo sich heute der Platz der Französischen Revolution befindet. Genau genommen handelt es sich um das Fragment einer Inschrift (Abb. 49).33 Aus ihr sind wohl die Namen des Kaisers Augustus und seines Stiefsohns und Nachfolgers Tiberius herauszulesen. Da Augustus 14 n. Chr. gestorben ist, sein Name aber neben dem von Tiberius genannt ist, hat die genannte Datierung durchaus ihre Berechtigung. Hypothetisch ist allerdings die Ergänzung der letzten Zeile der Inschrift, die fragmentarisch an der Bruchstelle mit ERVNT endet, mit den Worten MVRVM TVRRESQ, demzufolge die Kaiser Mauer und Türme, also die Stadtmauer

Colonia Julia Emona

49: Fragment einer monumentalen Inschrift, die in der Nähe des ehemaligen östlichen Stadttores von Emona gefunden wurde.

gestiftet hätten. Aufgrund des Fundortes der Inschrift nahe beim östlichen Stadttor hat diese Hypothese durchaus eine gewisse Berechtigung, ist aber keineswegs zwingend. Die Stiftung kann sich auch auf andere Bautätigkeiten bezogen haben.34 Erst recht problematisch ist es, dieses Datum auf die Gründung der Stadt zu beziehen, die vermutlich zumindest als Castrum schon früher bestanden hat. Es sind mehrere Gründe für die Entstehung von Emona denkbar. Sie fällt auf jeden Fall in die Phase der römischen Expansion nach Pannonien und der Konsolidierung der römischen Provinz Illyrien und diente möglicherweise der Sicherung dieser Vorstöße nach Osten. Denkbar wäre Emona auch als Ansiedlung für Veteranen, und drittens darf man die schon vor römischer Zeit geschätzte strategische Lage der Stadt nicht außer Acht lassen. Vielleicht waren die Stadt bzw. das Castrum schon in spätrepublikanischer Zeit um 35/30 v. Chr. entstanden. Immerhin datiert der älteste römische Grabstein aus spätrepublikanischer Zeit.35 Schon der griechische Historiker Strabon (ca. 63 v. bis 23 n. Chr.) beschrieb einen Handelsweg von Aquileia zum Hafen von Nauportus, wo die Waren auf Schiffe verladen wurden, um sie auf der Ljubljanica, dann auf der Save und schließlich auf der Donau weiter nach Osten zu verschiffen. Zudem war in den Dreißigerjahren des 1. Jahrhun-

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50: Modell der römischen Stadt Emona, angefertigt 1931. Ljubljana, Stadtmuseum.

derts v. Chr. von der Legio XIII Gemina36 die nach ihr benannte Via Gemina von Aquileia nach Viminacium37 gebaut worden, die durch die Stadt Emona führte und die Ljubljanica auf einer römerzeitlichen Brücke, die archäologisch nachgewiesen ist, querte. Das mögen gute Gründe gewesen sein, diesen Knotenpunkt zu sichern und für Handel zu nutzen. Die Entstehung Emonas mit ihrem regelmäßigen, rechteckigen Grundriss und den rechtwinklig sich kreuzenden Straßen kann man gut aus einem römischen Militärlager herleiten. Dementsprechend wurde bereits 1931 ein im Prinzip bis heute gültiges Modell von Emona angefertigt (Abb. 50). Die Ausdehnung der Stadt betrug 523 mal 435 Meter und bot geschätzt 5.000 Einwohnern Raum. Die Befunde lassen auf eine normale römische Stadt schließen, deren Struktur aus regelmäßigen Insulae bestand. Darin befand sich die Wohnbebauung, die an einer Stelle im sog. Emona-

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51: Zeichnerische Rekonstruktion des Emona-Haus im Archäologischen Park, Ljubljana, nach einem örtlichen Display.

Haus für den interessierten Besucher konserviert und zugänglich ist. Erhalten sind die Grundmauern eines aus dem 1. Jahrhundert stammenden und mehrfach umgebauten Hauses, doch bedarf es schon der Rekonstruktion, um sich ein Bild aus den zugegeben spärlichen Überresten zu machen (Abb. 51). Am eindrucksvollsten sind der mit einem schwarz-weißen, ornamentalen Mosaik belegte Boden des zentralen Innenhofes sowie ein Raum, der durch eine typische Hypokaustenanlage und eine Wandröhrenheizung beheizbar war. Sichtbar geblieben ist auch der Kanal, durch den die warme Luft von der Heizstelle (Präfurnium) in den Raum geleitet wurde, dessen Wände verputzt waren. Dies ist alles nicht spektakulär und in derselben Weise in vielen römischen Städten zu sehen. Aber diese sichtbar gemachten Befunde können verdeutlichen, dass man in Emona den typisch römischen Prinzipien des Städtebaus und der Wohnarchitektur folgte. Für den Komfort der Bewohner sorgten Abwasserkanäle, die an verschiedenen Stellen der antiken Stadt sichtbar gelassen wurden (Abb. 52). Bereits das Modell von 1931 ging von einem repräsentativen kultischen und öffentlichen Zentrum in der Mitte der Stadt

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aus, dem Forum, das zwar in den 1960er Jahren entdeckt wurde und heute unter der Jakopič Gallery in Teilen noch zu sehen ist, doch ein genaues Bild konnte dadurch nicht gewonnen werden. Lediglich Spuren eines Gebäudes mit Apsis, vielleicht die öffentliche Basilika, und einer Rotunde (Abb.  170b) konnten verifiziert werden sowie das Fragment einer Säule von den ehemaligen Kolonnaden, die um das Forum herumführten. Kapitelle, die in der Rotunde gefunden wurden, lassen sich stilistisch 52: Abwasserkanal (Kloake) im römians Ende der Antike, etwa an das schen Emona. Ende des 5. oder zu Beginn des 6. Jahrhunderts datieren. Die späte Zeitstellung macht es wahrscheinlich, hier einen kirchlichen Kontext zu vermuten, denn öffentliche, profane Bauten wurden wohl kaum mehr errichtet. Gleichwohl bleiben Funktion und Bedeutung im Dunkeln. Die für eine römische Stadt anzunehmenden Tempel, Theater oder öffentlichen Bäder bleiben hingegen eine nicht bewiesene Annahme. Gleichwohl vertreten lokale Historiker im Analogieschluss zu anderen römischen Städten diese Überzeugung: “That is what the forum really was: an open space rectangular in plan, lined with temples, sanctuaries and public buildings, warehouses and shops; it served as a religious, administrative, political and social centre of the city. The forum of Emona allowed the local magistrates to perform their public duties on a wholly Roman stage, whereas the open spaces under the colonnades lining the forum and the spaces protected against cold in the basilica

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53a: Abschnitt der restaurierten, südlichen römischen Stadtmauer.

53b: Zeichnerische Rekonstruktion der römischen Stadtmauer mit Stadttor in Emona nach einem örtlichen Display.

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situated on the forum’s eastern edge accommodated negotiatores, or merchants.”38 Trotz der kaiserlichen Inschrift ist die Bedeutung, die Emona in der Antike besaß, anhand der bisherigen Befunde schwer abzuschätzen. Immerhin deutet aber die im Süden der Stadt erhaltene bzw. rekonstruierte Stadtmauer auf ihre Wehrhaftigkeit hin (Abb. 53a). Sie umgab den Stadtkern in Form eines Rechtecks, war 2,40 Meter tief und sechs bis acht Meter hoch und besaß 26 Türme, die in gleichmäßigen Abständen angeordnet waren. Allerdings hilft auch hier erst die Rekonstruktionszeichnung zum Verständnis ihrer fortifikatorischen Funktion mit ihren befestigten Stadttoren und Wehrtürmen (Abb. 53b). Sind auch bislang keine Tempel oder Heiligtümer in Emona entdeckt worden, so legen zahlreich gefundene Weiheinschriften ihre Existenz in der Stadt selbst oder zumindest im engeren Umkreis von Emona nahe.39 Wichtiger an ihnen ist jedoch, dass sie etwas über die Religiosität ihrer Bevölkerung und ihre Herkunft aussagen. Denn neben den traditionellen römischen Gottheiten, die u. a. auch die Hausaltäre geschmückt haben und auf eine römische Klientel schließen lassen, deuten vorrömische, keltische und autochthone Gottheiten auf eine einheimische Bevölkerung hin.40 Neben dem keltischen Gott Belenus (Abb. 54) sind es vor allem die Weiheinschriften und Altäre für die praktisch nur im Umkreis von Emona vorkommende Gottheit Aecorna. Ein Exemplar befindet sich im Stadtmuseum von Ljubljana (Abb. 5541), weitere sind im slowenischen Nationalmuseum, darunter ein Weihestein, der außer der Weiheinschrift eine Nische für ein (verlorenes) Götterbild besitzt.42 Die nur lokal verehrte Gottheit ist unter den Namen Aequorna, Aecurna und Aecorna mehrfach belegt, aber ihr Kult, ihre Attribute und ihre spezifische Funktion sind unbekannt. Šašel Kos nimmt an, dass sie in erster Linie von Kaufleuten und Händlern verehrt wurde, und sieht in ihr eine

Colonia Julia Emona

54: Figürchen des Gottes Belenus, Bronze. Ljubljana, Narodni muzej Slovenije.

56: Silbervotive in Dreiecks- und Palmettenform vom Heiligtum in Moste bei Žirovnica. Ljubljana, Stadtmuseum.

55: Weihestein für die Gottheit Aecorna. Ljubljana, Stadtmuseum.

57: Bronzefigürchen der Göttin Venus. Ljubljana, Stadtmuseum.

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58: Amulett in Phallusform. Ljubljana, Stadtmuseum.

59: Öllampe mit erotischer Szene, Ljubljana, Stadtmuseum.

lokale venetische Gottheit, welche noch in römischer Zeit über starken Einfluss auf die autochthone Bevölkerung verfügte. Mit Laburus ist eine zweite, nur in Emona verehrte lokale Gottheit bezeugt, in der vermutlich eine Wassergottheit zu sehen ist. Allein die verehrten Gottheiten können belegen, dass sich die Einwohnerschaft von Emona aus fremden, zugezogenen Römern und einer indigenen Bevölkerung zusammensetzte, die aber die Überzeugung teilten, man könne sich die göttlichen Kräfte durch fromme Stiftungen gewogen machen. Vielleicht sind sie sogar gemeinsam zu offenkundig lokalen Heiligtümern gezogen, die auf einem Hügel nahe der Ortschaft Godič nahe Kamnik und in Moste bei Žirovnica gefunden wurden, die beide unweit von Emona gelegen waren. An beiden Heiligtümern wurden u. a. Silbervotive gefunden, die dreieckig oder in Palmettenform dem üblichen Brauch im römischen Wallfahrtswesen entsprechen (Abb.  56). Besonders in Liebesdingen vertraute man auf göttlichen Einfluss, den man sich am ehesten von der Liebesgöttin Venus erwartete (Abb. 57) oder mit Hilfe von Phallusamuletten

Die Gräberstraßen

herbeizuzaubern suchte (Abb.  58). Man war auch nicht prüde und zierte die Spiegel der im Haushalt oder besser beim erotischen Tête-à-Tête verwendeten Öllämpchen mit einer Liebesszene (Abb. 59). Neben vielen anderen der zahlreich gefundenen Hinterlassenschaften des alltäglichen Gebrauchs deuten die genannten Artefakte auf eine im Wesen typisch spätantike Gesellschaft hin, die der Wunsch nach einem guten Leben einte.

Die Gräberstraßen

Wie in vielen römischen Städten zählen die Gräber bzw. ihre Grabsteine auch in Ljubljana zu den besonders wichtigen Fundstücken, wie bei einem Rundgang durch das slowenische Nationalmuseum auf den ersten Blick deutlich wird (Abb. 60). Dort und im benachbarten, 2007 neu errichteten Lapidarium in Form eines gläsernen Pavillons werden mehr als 200 Grabsteine präsentiert, die wesentlich aus der Zeit vom 1. bis 3.  Jahrhundert stammen und damit die Blütezeit von Emona dokumentieren. Sie sind durchaus eindrucksvoll und entsprechen dem üblichen Repertoire in anderen Römerstädten, besitzen jedoch kunsthistorisch keine herausragende Bedeutung, umso mehr sind sie wichtige Zeugnisse für die Regionalgeschichte.43 Dem römischen Recht entsprechend befanden sich in Emona die Grabstätten außerhalb der ummauerten Stadt und reihten sich entlang der Ausfallstraßen (Abb.  61). Diese führten in Richtung Norden nach Celeia (Celje) bzw. Virunum, westlich nach Aquileia und östlich nach Neviodonum. Bereits um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert erweckten römische Grabsteine das Interesse lokaler Historiker. Es war der bereits erwähnte Johann Gregor Thalnitscher, der Anfang des 18. Jahrhunderts 13 römische Grabsteine bzw. deren Fragmente in

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Emona

60: Galerie mit römischen Grabsteinen im Narodni muzej Slovenije, Ljubljana.

61 Schematische Darstellung der Stadt Emona und der Gräberstraßen (rot unterlegt) an den Ausfallstraßen im Narodni muzej Slovenije, Ljubljana.

62: Doppelgrabstein eines Ehepaares, vermauert in der Außenwand des Doms, dem sog. Thalnitscher Lapidarium

Die Gräberstraßen

den Mauern der Kathedrale von Ljubljana und des benachbarten Seminargebäudes sichtbar vermauern ließ, um sie im Bewusstsein der Bevölkerung wachzuhalten. Diese frühe Präsentation antiker Fundstücke zumeist aus Ljubljana wird als Thalnitscher Lapidarium (Dolničarjev lapidarij) bezeichnet.44 Darunter befindet sich z.  B. der Doppelgrabstein eines Ehepaares, den der Ehemann zu Lebzeiten für sich und seine Frau errichten ließ (Abb. 62).45 Wie oftmals hat der Grabinhaber in seiner Inschrift die Größe seines Grabes in Bezug auf die Gräberstraße genannt und mit 15 Fuß (IN FRONTE PEDES XV) angegeben, um jede missbräuchliche Nutzung seines Grabeigentums zu verhindern. Thalnitscher begründete sein Vorgehen mit folgenden Worten (in Übersetzung): „Um das Kapitel zu krönen, müssen wir uns noch die Inschriften und Denkmäler merken, die hier sowie in den Vororten und an benachbarten Orten gefunden wurden, wo die römischen Einwohner der Stadt einst ihre Villen und Ländereien hatten. Diese wurden kürzlich auf meine Initiative gesammelt, um zu einer Feier des Ruhmes der antiken Stadt Ljubljana beizutragen.“46 Spricht aus den Worten Thalnitschers der Stolz des Patrioten, dem das Lapidarium am Dom seine Einrichtung verdankt, so folgte Ende des 19. Jahrhunderts eine wissenschaftliche Sammlertätigkeit, als 1888 das Krainische Landesmuseum (seit 1921 Slowenisches Nationalmuseum) eröffnet wurde, das seinerzeit noch den Namen Rudolfinum trug, zu Ehren des österreichischen Kronprinzen Rudolf. Der damalige Direktor des Museums Karl Deschmann verfasste den ersten Führer durch die Sammlungen.47 Der spektakulärste Fund eines römischen Grabmonumentes war jedoch schon 1837 beim Bau des Casinos (Kazina, Abb. 97) am heutigen Zvezda-Park und damit auf dem nördlichen Gräberfeld gelungen. Dabei handelt es sich um eine etwa einein-

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Emona

64: Römerzeitlicher Sarkophag vor dem nördlichen Stadttor.

halb Meter hohe, vergoldete Bronzestatue eines römischen Bürgers, die ursprünglich auf einer hohen Säule stand, die rekonstruiert eine Höhe von etwa fünf Metern besaß. Die Toga kennzeichnet den Mann als einen Bürger, während sonst die 63: Eine Kopie der Säule mit der ohnehin nur wenigen bekannten Bronzestatue des Emona Citizen steht Säulenmonumente Angehörigen im Zvezda-Park auf dem Kongressdes Kaiserhauses vorbehalten waplatz. ren. Selten ist auch die Erhaltung einer bronzenen Statue, da das Material in späteren Zeiten oft eingeschmolzen und wiederverwendet wurde. In Ljubljana vergleicht man das Emona-Monument gern mit der berühmten Trajanssäule in Rom, wie sie auf einer römischen, zwischen 112 und 114 n. Chr. geprägten Silbermünze dargestellt ist. In Ljubljana gilt der dargestellte Verstorbene als der römische Bürger der Stadt schlechthin, als Emona citizen. Eine Kopie hat man im Zvezda-Park aufgestellt (Abb. 63).

Spätantike und frühes Christentum

Fanden die Bestattungen in den ersten Jahrhunderten als Brandbestattungen mit der Verbringung der Asche in eine Urne statt, so änderte sich im Verlauf des 3./4. Jahrhunderts die Bestattungsart zur Erdbestattung in Sarkophagen. Solche schmucklosen Steinkästen, deren Deckel ein Haus andeuten, fanden sich zahlreich in Ljubljana, sind aber nur vereinzelt sichtbar aufgestellt wie ein Exemplar außerhalb des ehem. nördlichen Stadttores (Abb. 64). Sie markieren kulturgeschichtlich zugleich den Übergang zur Spätantike, in der das Christentum auch in Emona Einzug hielt.

Spätantike und frühes Christentum

Bei systematischen Ausgrabungen entlang der Gosposvetska cesta in den Jahren 2017/18 konnte ein großes Gräberfeld mit etwa 350 Bestattungen freigelegt und untersucht werden. Mestni muzej Ljubljana (MGML) haben diese Forschungen auf ihrer Internetseite Surprising discoveries from Gosposvetska cesta ausführlich in Wort und Bild dokumentiert.48 Ein eindrucksvolles Foto zeigt die ehemalige Gräberstraße, die heute längst von der modernen Stadt überbaut wurde (Abb. 65). Die Verstorbenen waren hier in einfachen Erdgräbern oder Sarkophagen beigesetzt worden, manche sogar in kleinen Grabhäusern, weshalb diese Bestattungen in die Spätantike datiert werden können. Zu diesem Zeitpunkt hatte allgemein ein Wandel von der Feuer- zur Erdbestattung eingesetzt. Die Körper-Erdbestattung allein ist allerdings noch kein hinreichender Hinweis darauf, dass die Bestatteten Christen waren, denn der Wechsel von der Brand- zur Körperbestattung war ein allgemeines Phänomen der Spätantike. So mag zwar die Zahl der Christen nach der Tolerierung der christlichen Religion im Mailänder Edikt von 313 im 4. Jahrhundert auch in Emona ge-

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65: Ausgrabungen eines spätantiken Gräberfeldes entlang der Gosposvetska cesta. Ljubljana, Stadtmuseum.

stiegen sein, aber sie hatten noch nicht das Gewicht, auf kulturelle Belange wie die Bestattung Einfluss zu nehmen. Sie lebten zunächst noch über viele Jahrzehnte mit den Angehörigen der römischen Religion oder der 66: Blaue Glasschale aus dem damals ebenfalls erstarkenden Sarkophag eines weiblichen Mysterienkulte in der Stadt zuIndividuums von der Gospossammen und waren Teil einer vetska cesta (Abb. 65). multireligiösen Gesellschaft. Unter all diesen Gräbern der Gosposvetska cesta ragt eines deutlich hervor. Das Grab, in dem eine erwachsene Frau mit einer Körpergröße von 153 cm bestattet war, befand sich in einem Grabhaus, das schon nach kurzer Zeit durch ein größeres ersetzt wurde und weitere Bestattungen an sich zog. Solche Situationen waren öfter in christlich-antiker Zeit anzutreffen, wenn sich wei-

Spätantike und frühes Christentum

tere Bestattungen um ein besonders verehrtes Grab etwa eines Heiligen oder oder einer Märtyrerin scharten. Man bezeichnet solche Konstellationen auch als ad sanctos im Sinne von beigesetzt bei den Heiligen. Historisch sind für Emona allerdings keine Märtyrerinnen oder Märtyrer nachgewiesen. Die Frau war in einem Steinsarkophag bestattet, im Bereich ihres Beckens war eine blaue, durchscheinende Glasschale mit etwa 21 cm Durchmesser deponiert. Sie ist mit Weinranken und Trauben dekoriert und trägt umlaufend die Inschrift: PIE ZHCAIC AEI ΠOΛΛOI XPRONOI etwa in der Bedeutung eines Trinkspruchs Trinke und lebe lange für viele Jahre (Abb. 66). Sowohl die Dekoration als auch der Spruch passen in den gewöhnlichen, gehobenen Alltag ebenso wie in einen religiösen Kontext, der wiederum im Dionysoskult, im Christentum o. ä. angesiedelt sein kann. Da sich solche im Prinzip unspezifischen, aber mit einem frommen Wunsch versehene Artefakte auch in dezidiert christlichem Kontext finden, und aufgrund einer zu vermutenden Grabsituation ad sanctos neigen die Archäologen zu einer christlichen Deutung des Fundes. Unter allen in Ljubljana (Emona) gefundenen Grabsteinen befindet sich darüber hinaus nur ein einziger, für den möglicher-

67: Spätantike Grabinschrift für die Söhne MARCELLINVS und IOANES. Ljubljana, Narodni muzej Slovenije.

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weise ein christlicher Hintergrund angenommen werden kann (Abb.  67). Aufgrund seines gegenüber klassischen Inschriften schlechten Schriftbildes ist der Grabstein sicher in die Spätantike, ins 4. oder sogar 5. Jahrhundert zu datieren, weshalb er in die christliche Epoche gehört. Gesetzt haben ihn Eltern für ihre Söhne Marcellinus, der nur drei Jahre alt geworden war, und seinen Bruder IOANES ( Johannes), dessen Lebensspanne in traditioneller Manier mit fünf Jahren, acht Monaten und 20 Tagen angegeben ist. Der Grabstein besitzt weder christliche Symbole, noch hält die Inschrift entsprechende Kriterien bereit. Es ist allein der Name des Kindes Johannes, der einen christlichen Kontext möglich erscheinen lässt, denn der Name erscheint als solcher erstmals im Neuen Testament als griechische Variante des hebräischen Namens Jochanan, der so viel bedeutet wie Gott ist gnädig. Auch sonst sind Kleinfunde (Grabbeigaben) christlichen Charakters aus Emona eher rar, etwa eine Öllampe mit einem Christusmonogramm auf dem Spiegel, eine Fibel mit demselben Symbol oder eine kleine silberne Platte (Patene?), vielleicht auch ein Spiegel mit Kreuzsymbolen (Abb. 68). Aufschlussreicher sind die historischen Quellen, die belegen, dass Emona zumindest seit dem Ende des 4. Jahrhunderts einen Bischof besaß, einen episcopus.49 Ein solcher mit Namen Maximus findet sich unter den Teilnehmern einer Synode in Aquileia, die 381  n.  Chr. stattfand, auf der innerkirchliche Streitigkeiten ausgetragen wurden. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob Jesus Christus wahrer Gott oder nur ein vorbildlicher, von Gott erwählter Mensch ist, wie es Arius (um 260–327), ein Presbyter aus Alexandria, vehement und kämpferisch vertreten hatte. In diesem sog. arianischen Streit um das Wesen Christi stand Maximus von Emona auf der Seite des Mailänder Bischofs Ambrosius, der die wahre Gottessohnschaft vertrat. Das relativ späte gesicherte Zeugnis eines Bischofs von Emona in den Synodalakten von

Spätantike und frühes Christentum

Aquileia sagt natürlich nichts darüber aus, wie lange Maximus schon Bischof in der Stadt gewesen ist; auch kann er namentlich nicht bekannte Vorgänger besessen haben. Allerdings ist auch festzuhalten, dass für Poetovio (Ptuj) ein Bischof bereits in den Listen der Synode von Serdica 343 erscheint, dort sogar ein gewisser Victorinus bekannt ist, der 304 das Martyrium erlitten 68: Silberne Platte (Patene?) mit Kreuzsymbolen. Ljubljana, Narodni hatte und wahrscheinlich Bischof muzej Slovenije. dieser Gemeinde gewesen war. Etwa aus der Zeit von Bischof Maximus datieren zwei Briefe des Kirchenvaters Hieronymus, die er an Nonnen in einem Kloster in Emona und einen gewissen Antonius ebenda schrieb. Hieronymus stammt aus Stridon, einer bis heute nicht lokalisierten Ortschaft in Dalmatia, von der aber angenommen wird, dass sie in Kroatien oder eben in Slowenien lag, wo man ihn in Ljubljana fast zum Stadtheiligen proklamiert. So stand eine wissenschaftliche Tagung in Ljubljana 2019 unter dem Titel HIERONYMUS NOSTER, unser Hieronymus. Im späten 4. oder frühen 5. Jahrhundert ist dann ein Archidiakon Antiocus epigraphisch belegt, der in einer Stifterinschrift im Bodenmosaik der Portikus des Baptisteriums von Emona genannt ist. Demnach hat der Archidiakon Antiocus das Baptisterium und die Portikus mit Ruhm und Freude angefertigt bzw. machen lassen.50 Dieses Baptisterium mit seiner oktogonalen Piscina besitzt ebenfalls farbige, ornamentale Bodenmosaiken, wobei weitere Stifterinschriften erkennen lassen, dass weitere Personen an seiner Ausschmückung beteiligt waren (Abb. 69a). Fundamente um die Piscina herum erlauben die Rekonstruktion eines Baldachins über dem Tauf-

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69a: Polygonales Taufbecken (Piscina) im Baptisterium von Emona.

69b: Zeichnerische Rekonstruktion des frühchristlichen Komplexes in Emona nach einem örtlichen Display.

becken. Zwischen den Säulen darf man Vorhänge annehmen, die den unbekleideten Täufling beim Taufakt den Blicken der Umstehenden entzogen. Dieser eigentliche Taufraum ist das einzige Bauteil inmitten eines größeren Komplexes, der funktional zu bestimmen ist. Die Portikus war das Bindeglied zwischen dem Taufraum und der

Spätantike und frühes Christentum

eigentlich vorauszusetzenden Basilika, wobei vorhandene Reste der Grundmauern und das ganze Areal durch die anschließende Wohnbebauung zerstört wurden. Die Deutungen der übrigen Räume, die bisweilen als Aus- und Ankleideraum für die Täuflinge, als consignatorium51 usw. betrachtet werden, bleiben ebenso hypothetisch wie die funktionale Benennung einer Hypokaustenanlage sowie der Brunnen und Bäder, die vielleicht zu einem (bischöflichen?) Privatbad gehört haben. Eine Rekonstruktion des Baukomplexes mag für die Besucher anschaulich sein, mit der Realität hat sie nur bedingt zu tun (Abb. 69b). Ungeachtet der Unsicherheiten in der funktionalen Bestimmung des Komplexes gehen die Archäologen davon aus, dass die Bebauung dieses Quartiers (Insula) im 1.  Jahrhundert n.  Chr. begonnen hat und im 4.  Jahrhundert die Umwandlung in einen christlichen Versammlungsraum erfuhr. Gegen Ende des Jahrhunderts entstand schließlich ein frühchristliches Zentrum mit einem Taufhaus als Mittelpunkt des Bischofssitzes von Emona. Ob es vielleicht in der Folgezeit weitere Kirchen in der Stadt gab, ist denkbar, vielleicht sogar wahrscheinlich, aber archäologisch (bisher) nicht belegt. Die vermutete kirchliche Nutzung der Rotunde (Abb. 170b) am Forum ist gleichfalls nicht belegbar. Historiker und Archäologen gehen davon aus, dass der kirchliche Komplex mitsamt der Stadt beim Ansturm der Hunnen 452 zugrunde ging,52, ja sogar eine Entvölkerung Emonas einsetzte. Zu dieser Zeit ist zu beobachten, dass mit Beginn der Völkerwanderung Menschen immer häufiger zunächst temporär, dann auch permanent Zuflucht auf sog. Höhensiedlungen suchen, die im südöstlichen Alpenraum, in Slowenien wie in Kärnten mehrfach anzutreffen sind, einschließlich einer kirchlichen Infrastruktur.53 Mindestens 30 solcher befestigter Höhensiedlungen lassen sich dem 5. und 6. Jahrhundert zuordnen. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass Emona nicht völlig in Schutt und Asche gelegt war,

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sondern in vielleicht bescheidenerem Umfang fortexistierte. Die Situation in Emona war durch den Hunneneinfall 452 schwierig geworden. Noch einschneidender war das Ende des Römischen Reiches mit seinem letzten Kaiser Romulus Augustulus im Jahre 476 mit dem Zusammenbruch der öffentlichen Verwaltung. Es ist vielfach belegt und darf ebenso für Emona angenommen werden, dass daraufhin Bischof und Kirche diese Lücke gefüllt und das öffentliche Leben aufrechterhalten haben. Ende des 5.  Jahrhunderts hatte 70: Ostgotische Trachtbestandteile Theoderich an der Spitze eines ostvom Friedhof in Dravlje, Ljubljana, gotischen Heeres fast ganz Italien Stadtmuseum. unterworfen und residierte seit 491 als Theodericus Rex in Ravenna. Zu seinem Reich gehörten große Teile des Balkans. Bei Emona war offenbar eine ostgotische Garnison stationiert, worauf ein Friedhof in Dravlje hindeutet, ein seit 1953 eingemeindeter Stadtteil von Ljubljana. Die dort gefundenen ostgotischen Trachtbestandteile und Schmuckstücke gelangten ins Stadtmuseum von Ljubljana und sind letzte Zeugnisse einer ostgotischen Herrschaft in diesem Raum (Abb. 70). Im 8. Jahrhundert hat ein anonymer Historiker für die ostgotische Epoche den Ortsnamen Atamin überliefert, vielleicht eine Verballhornung der Bezeichnung Ad Emonam. In Emona mögen nun auch einige ostgotische Zuwanderer gelebt haben, doch haben sie sicher nicht die Bevölkerung dominiert. Die den Ostgoten seit 568 nachfolgenden Langobarden haben in Emona keine Spuren hinterlassen. Immerhin ist noch für eine

„Emona war in Italien, nicht in Pannonien“

Synode in Grado, die in den 570er Jahren stattfand, die Teilnahme des Bischofs Patricius aus Emona belegt.54 Letztmals wird ein Bischof aus Emona, wiederum Patricius als Teilnehmer einer Synode in Marano 588/90, in der Geschichte der Langobarden von Paulus Diaconus, genannt. Erst danach wird man mit dem Vordringen der Slawen 599 das Ende Emonas und den Untergang der antiken Institutionen im ganzen Land annehmen dürfen.

„Emona war in Italien, nicht in Pannonien“

Über viele Jahrhunderte war Slowenien, das damals noch Krain hieß, ein Teil des Habsburgerreiches und wurde von Wien aus verwaltet. Die kulturelle Zugehörigkeit zu Mitteleuropa stand außer Frage. Mit dem Erwachen und Erstarken des slowenischen Nationalbewusstseins stieg die Abneigung gegen diese Vormundschaft. Als Europa im Verlauf und in der Folge des Ersten Weltkriegs einer politischen Neuordnung zustrebte, sah man in Slowenien die Stunde der Loslösung von Wien gekommen. Am 30. Mai 1917 forderten die slowenischen Abgeordneten im Wiener Reichstag die „Vereinigung aller Länder der Monarchie, in denen Slowenen, Kroaten und Serben leben, zu einem selbständigen, von jeder fremden Herrschaft freien und auf demokratischer Ordnung gegründeten Staatskörper“,55 den sie wohl noch „unter dem Zepter der habsburgisch-lothringischen Dynastie“ sahen, aber eben in größtmöglicher Autonomie. Die Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen am 1. Dezember 1918 war nach dem Ende der Habsburgermonarchie die Folge und damit die Vereinigung mit Ländern, die auf dem Balkan liegen. Knapp ein Dreiviertel-Jahrhundert später forderte eine Deklaration am 8.  Mai 1989, man wolle künftig „in einem souve-

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ränen Staat des slowenischen Volkes leben und als souveräner Staat selbständig über die Verbindungen mit den jugoslawischen und anderen Völkern in einem erneuerten Europa […]entscheiden“.56 Hatte die erste Mai-Deklaration den Weg in einen jugoslawischen Staat auf dem Balkan vorbereitet, so war die zweite Mai-Deklaration ein Schritt aus Jugoslawien heraus, zurück nach Mitteleuropa. Die fast 70 Jahre dauernde Zugehörigkeit zu einem im Wesen fremden Staatswesen war zu einem Trauma geworden, dem man mit der Losung Los von Jugoslawien zu begegnen suchte. Die Architektur vom italienischen Barock über den habsburgischen Historismus bis zur Wiener Sezession konnte ihren Beitrag zur Verortung der eigenen Identität im Westen leisten und schließlich kam die Archäologie zu Hilfe. Wo lag Emona? Lag die Stadt gemeinsam mit Aquileia in Italien oder in der benachbarten Provinz Pannonia Superior und damit auf dem Balkan? Die Grenzziehungen römischer Provinzen sind aus historischer Sicht nicht immer klar nachzuvollziehen, doch im Sinne der Losung Los von Jugoslawien gewann die Lage von Emona eine hohe, durchaus politische Bedeutung. Eine Landkarte mit der entsprechenden Provinzeinteilung, wie sie im Slowenischen Nationalmuseum gezeigt wird, ordnet nun Emona ganz eindeutig ITALIA zu (Abb. 71). Dabei muss auffallen, dass sich hier ITALIA mit einer Art Beule in die benachbarten Provinzen NORICUM, PANNONIA SUPERIOR und DALMATIA hinein wölbt. Seit den 1980er Jahren gewann entsprechend der politischen Entwicklung die Lokalisierung von Emona an Gewicht.57 Erstmals hatte der griechische Historiker Herodian 238 n. Chr. expressis verbis Emona als Stadt in Italien bezeichnet; sie sei von Osten kommend die erste Stadt in Italia.58 Der römische Gelehrte, Offizier und Verwaltungsbeamte Plinius d. Ä. hatte dagegen um 50 n. Chr. in seiner Naturalis historia Emona gemeinsam mit

„Emona war in Italien, nicht in Pannonien“

71: Schematische und hypothetische Grenzverläufe zwischen Italia und den Provinzen Pannonia und Dalmatia nach einem Display. Ljubljana, Narodni muzej Slovenije.

den Städten Poetovio und Neviodunum der Provinz Pannonia zugeordnet, wodurch sich ein geradlinigerer Grenzverlauf ergeben würde. Die ältere Forschung ging deshalb davon aus, dass Emona in den ersten beiden Jahrhunderten zu Pannonien gehörte, und erst ab dem 3. Jahrhundert unter Kaiser Hadrian Italien zugeschlagen wurde, vielleicht sogar etwas früher. Immerhin blieb eine ursprüngliche Gründung der Stadt auf dem Balkan der Stachel im Fleisch slowenischer Neuorientierung nach Westen. Im Verlauf der Diskussion, die hier nicht in Gänze wiedergegeben werden muss, argumentierte Jaroslav Šašel, dass schon zu Caesars Zeiten Illyricum, das spätere Pannonien nie bis in das Laibacher Becken gereicht haben könne, vielmehr sei diese Gegend Bestandteil von Gallia cisalpina (Gallien diesseits der Alpen) gewesen, das von 203 bis 41 v. Chr. eine Provinz des Römischen Reiches und danach fester Bestandteil des römischen

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Kernlandes war.59 Die Diskussion führte Marjeta Šašel Kos fort und kam unter Aufbietung aller geostrategischen, literarischen und epigraphischen Argumente zu dem Schluss: „EMONA WAS IN ITALIA, NOT IN PANNONIA“60 Archäologischer Höhepunkt in der Argumentationskette war dann der bereits erwähnte, 2001 gefundene Grenzstein, an der Grenze zwischen Aquileia und Emona (Abb. 16).61 Solche Grenzsteine markierten in dieser Art, so die Argumentation, immer die Grenze zwischen zwei städtischen Verwaltungsbezirken, nicht aber zwischen Provinzen. Deshalb müsse Emona gemeinsam mit Aquileia zu ITALIA gehört haben. Wichtig dabei war natürlich die Datierung des Grenzsteins in die augusteische, und damit in die Gründungszeit Emonas, um eine unter Berufung auf Plinius angenommene Gründung als Stadt in Pannonien ablehnen zu können. Marjeta Šašel Kos führte diesen Nachweis mit epigraphischen und materialtechnischen Argumenten.62 Abschließend betont sie die herausragende Bedeutung des Grenzsteines für die schon lange angenommene Zugehörigkeit Emonas zu Italien. In diesem Sinne fasst sie abschließend zusammen: „Bis zur Entdeckung des Bevke-Grenzsteines konnte ich kaum einen einzigen Beweis erwarten, der Emonas administrative Position bestätigen würde. Durch die Anhäufung von Beweisen hätte man jedoch schon früher den Schluss ziehen können, dass die Stadt seit ihrer Gründung als römische Kolonie höchstwahrscheinlich zu Italien gehörte […] Der Bevke-Grenzstein kann nun als materieller Beweis angesehen werden, der zweifelsohne beweist, dass Emona immer zu Italien gehörte.“63 Quod erat demonstrandum!

Laibach

Der Name Laibach wird erstmals 1144 erwähnt. Die Zeit davor bis zum Ausgang der Antike ist archäologisch schlecht dokumentiert.64 Nach dem Untergang des ostgotischen Reiches und dem Abzug der Langobarden herrschten um 600 auf dem Territorium von Slowenien ähnliche Zustände wie in vielen Teilen Europas, die Papst Gregor der Große in einem Brief 595 an den byzantinischen Kaiser Maurikios schildert. Er spricht von ‚zerstörten Städten, verlassenen Kastellen, entvölkerten Provinzen, in denen niemand das Land bestellt, und von einem barbarischen Recht‘.65 Diese Verhältnisse erlaubten es den Slawen, in diese Gebiete vorzudringen, wobei ihre Präsenz im Ostalpenraum bis in die Gegend von Lienz in Osttirol vor allem durch Zerstörungen belegt ist.66 Eine erste slawische Besiedlung in Zentralslowenien hat erst im 7. Jahrhundert stattgefunden in Form weit auseinander liegender armer Hütten und häufiger Siedlungsbewegungen, wobei sich die Siedlungen in unzugänglichen Wäldern neben Flüssen, Seen und Mooren befanden. Die Stelle, die das früheste Vorhandensein von Slawen in der Umgebung von Ljubljana dokumentiert, ist der südliche Fuß des Berges Gradišče oberhalb von Pržan (heute ein Stadtteil von Ljubljana). Hier fanden sich Gruben mit einfachen Vordächern und Spuren der Eisenerzverarbeitung. Innerstädtisch, also im Bereich des antiken Emona, das wohl nur noch aus Ruinen bestand, fanden sich lediglich slawische Gräber, die häufiger in den Überresten älterer Gebäude anlegt wurden. Der größte bekannte slawische Friedhof mit über 200 dokumentierten Gräbern lag in der Umgebung der Peterskirche

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(Hrvatski trg). Er stammt mit seinen Körper-Erdbestattungen aus dem 9. bis 11.  Jahrhundert und wurde neben der vorromanischen Kirche angelegt, deren Ursprünge im 9.  Jahrhundert liegen. Sie verdankt sich der Missionstätigkeit von Paulinus II., dem Patriarchen von Aquileia (787–802), die zugleich die Bekehrung der hier siedelnden Slawen zum Christentum erklärt, die nun christlichem Glauben entsprechend ihre Verstorbenen auf einem Kirchhof bestatteten. Die Lage des Friedhofs und der Kirche hängt wahrscheinlich mit der Nähe sowohl des für die Überquerung des Flusses geeigneten Ortes als auch des noch nicht identifizierten Siedlungskerns am linken Ufer der Ljubljanica zusammen. St. Peter darf als die älteste Kirche Ljubljanas gelten, und der Friedhof wurde bis ins 18. Jahrhundert benutzt. Zwischen 1730 und 1733 wurde sie im Barockstil nach den Plänen des Architekten Carlo Martinuzzi völlig neu errichtet. Zur Zeit der Entstehung des Friedhofs um 800 war die Gegend zumindest nominell unter fränkische Hoheit gelangt. Seit 976 gehörte dieser Raum zum Herzogtum Kärnten und damit zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Aus dieser Zeit in der zweiten Hälfte des 10.  Jahrhunderts sind erste Befestigungsspuren auf dem Burgberg oberhalb von Ljubljana nachweisbar. Bei den Ausgrabungen im Bereich des späteren Palastes wurden die Überreste eines befestigten Holzkomplexes mit einem Verteidigungsgraben entdeckt. Ebenso wurden Siedlungsspuren entlang der Ljubljanica und beim heutigen Rathaus vorsichtig auf das 11. Jahrhundert datiert. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts wurde die vorübergehende Bindung an das Herzogtum Kärnten aufgehoben und die Markgrafschaft Krain gegründet, die von wechselnden Adelsgeschlechtern regiert wurde. Die älteste Erwähnung des Ortes als Laibach 1144 fällt in die Zeit, als die Burg an die Kärntner Spanheimer überging, die sich allmählich als die bekanntesten Feudalherren im zentralen

Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Laibach

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72: Inneres der dem hl. Georg geweihten Burgkapelle mit den 1747 angebrachten Wappen der Landeshauptmänner der Krain.

Teil des Ljubljana-Beckens durchsetzen konnten. Die danach in bunter Reihe wechselnden Burgherren finden ihren deutlichsten Niederschlag in der Burgkapelle, wo ihre Wappen im Zuge einer Barockisierung an Wände und Decken gemalt wurden (Abb. 72).

Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Laibach

Die sichtbaren Spuren des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Laibach sind spärlich. Immerhin sieht man fast von überall her die Burg auf ihrem Hügel thronen (Abb. 43). Sie stammt zwar aus dem frühen bis hohen Mittelalter, doch trotz ihres wehrhaften Charakters (Abb.  73) erhielt sie ihre heutige Form erst im späten Mittelalter, nachdem sie im 15.  Jahrhundert nach einer Zerstörung praktisch neu aufgebaut worden war. Gleichwohl ist

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73: Burg von Laibach/Ljubljana.

sie ein eindrucksvoller Hinweis auf die dann über Jahrhunderte wachsende Bedeutung der Stadt. In diese Zeit führt auch eine Keramikschale mit floralem Dekor und einem gekrönten Frauenkopf, die eine gehobene Wohnkultur erkennen lässt (Abb. 74). Es ist kaum möglich, sich vor Ort ein Bild von der mittelalterlichen Stadt zu machen. Am ehesten gelingt das noch in der Altstadt am Oberen Platz (Gornji trg), wo einige Häuser noch in mittelalterlicher Manier giebelseitig zur Gasse stehen (Abb. 75), während man im Barock die traufständige Position bevorzugte, bei der Dachtraufe und First parallel zur Straße verlaufen. Zu diesem traufständigen Typ gehört bereits das wohl älteste Haus der Stadt, das recht unspektakulär am Fisch-Platz (Ribji trg 2) steht und 1528 erbaut wurde (Abb. 76). Folgen die Häuser in der Altstadt dieser eher barocken Bauweise, so hinterlässt die Alter Markt (Stari trg)

Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Laibach

genannte Gasse durchaus einen altertümlichen Eindruck (Abb. 38). Ein im 19.  Jahrhundert angefertigtes Modell der Stadt, dem ein Kupferstich von Andreas Trost zugrunde liegt, der u. a. in Valvasors Ehre dess Herzogtums Krain abgedruckt war, zeigt dementsprechend zwar die Verhältnisse aus 74: Polychrome, glasierte Keramikdem späten 17. Jahrhundert, aber im- schale, 15. Jh. Ljubljana, Stadtmumerhin den Zustand der Stadt vor der seum. großen Barockisierung (Abb. 77). Die Kernstadt erstreckt sich mit eng beieinanderstehenden Häusern unterhalb der Burg und ist am Fluss mit einer Mauer umwehrt.

75: Überwiegend giebelständige Häuser in der Altstadt am Oberen Platz (Gornji trg).

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Die Stadt hatte sich schon diesseits des Flusses ausgedehnt, wo neben Gärten und kleinen Häuschen das Kloster des Deutschen Ordens stand.67 Nicht mehr zu sehen ist die romanische Klosterkirche aus dem 12. Jahrhundert, die aufgrund von archäologischen Untersuchungen in der heutigen, 1714–1715 erbauten Kirche Unserer Lieben Frau der Barmherzigkeit als dreiapsidale Kirche rekonstruiert wird. 76: Das älteste Haus der Stadt steht am FischAuch die stürmischen Platz (Ribji trg 2) und wurde 1528 erbaut; mit Zeiten am Ende des Mitdem Jungfraubrunnen, 19. Jh. telalters und zu Beginn der Frühen Neuzeit haben keine sichtbaren Spuren hinterlassen und sind doch wichtiger Teil der kollektiven Erinnerung. Die windischen Bauernkriege, die in Kärnten schon in den 1470er Jahren begonnen hatten, erreichten 1515, ein Jahrzehnt vor dem Bauernkrieg in Deutschland, ihren Höhepunkt. Gnadenlos waren sie niedergeschlagen worden. Das 1974 errichtete Denkmal auf der Burg erinnert an die kollektive Erhebung gegen die ausbeuterische Feudalherrschaft (Abb.  27). Nicht zuletzt haben mehr als 20 Türkeneinfälle in der Krain zwischen 1469 und 1499 dazu geführt, dass die ohnehin gegebene Not der Bauern durch weitere Türkensteuern zusätzlich verschärft worden war. Und irgendwie hängt alles mit allem zusammen: Im selben Jahr 1515 ließ Kaiser Maximilian I. alle Juden aus der Krain vertreiben. Wo immer Not herrschte, mussten sie als Sündenböcke herhalten. Im Stadt-

Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Laibach

bild von Ljubljana erinnern lediglich die Straßennamen jüdische Straße (Židovska ulica) und jüdische Gasse (Židovska steza) an das jüdische Viertel, in dem mehrere hundert Juden lebten, zumeist als Handwerker, Kaufleute und Geldverleiher. Einige von ihnen sollen Bauern mit einem Stückchen Land gewesen sein. Sie lebten seit dem 13.  Jahrhundert in Laibach und waren im 14. Jahrhundert sogar bewusst angesiedelt worden. Kein Haus in den genannten Gassen stammt aus dieser Zeit, aber die Gassen sind schmäler als sonst in der Stadt, wie es häufig in jüdischen Vierteln anzutreffen ist (Abb.  78). Anstelle des Hauses in der Židovska ulica 6 stand ehedem die Synagoge. Zudem besaß die jüdische Gemeinde ein Rabbinerhaus und eine eigene Schule.

77: Modell der Stadt Laibach nach einem Kupferstich von Andreas Trost, Ende 17. Jahrhundert, im Stadtmuseum, Ljubljana.

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Nur wenige Jahre verstrichen, bis in den 1530er Jahren von der Kanzel der Domkirche, die seit 1461 Sitz eines Bischofs war, in slowenischer Sprache gepredigt und allmählich reformatorisches Gedankengut verbreitet wurde: Der Prediger war Primož Trubar, der 1508 in einem Weiler bei Großlaschitz (Velike Lašče), etwa 30 km südlich von Ljubljana geboren war. Im Streit mit seinem Bischof Christophorus Rauber musste er 1540 die Stadt wieder verlassen und wurde von dessen Nachfolger Urban Textor 1547 sogar exkommuniziert. Trubar war daraufhin zunächst nach Triest gegangen, lebte dann aber in verschiedenen deutschen Städten, wo er schließlich 1550 zu Schwäbisch Hall den Katechismus in der windischen Sprache drucken ließ, das erste Buch in slowenischer Sprache. Im selben Jahr veröffentlichte er ein Abecednik (Abecedarium68) genanntes Buch, das zum Erlernen des Lesens und Schreibens gedacht ist. Er legte damit den Grundstein, dass einfache Leute in Slowenien lesen und schreiben lernen konnten. Insgesamt veröffentlichte er mehr als 25 Bücher in slowenische Sprache, darunter 1557/58 eine Übersetzung des Neuen Testamentes ins Slowenische (Abb.  79). Dies hat ihn zu einer identitätsstiftenden Persönlichkeit für das slowenische Nationalbewusstsein werden lassen, weshalb er 1908 mit einem Denkmal (Abb.  22) gewürdigt und in eine Reihe mit Valentin Vodnik und France Prešeren gestellt wurde. Weitere Ehrungen des slowenischen Reformators 78: Blick zur deutlich sich verengenden Židovska ulica. sind die 1952 nach ihm benannte,

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vom Prešeren-Platz ausgehende Trubarjeva cesta sowie der Park der Slowenischen Reformation. Sein Portrait wurde auf eine slowenische 10-Tolar-Banknote gedruckt, zusammen mit seinem Abecedarium, und mit der Einführung des Euro erschien sein Konterfei auf der slowenischen 1-Euro-Münze. Zwischenzeitlich noch einmal nach Laibach zurückgekehrt, wurde Trubar im Jahr 1565 erneut aus der Stadt vertrieben und ging zurück nach Deutschland, wo er 1586 in Derendingen 79: Titelseite des von Primož Trubar bei Tübingen starb. Trubar hatte 1557/58 ins Slowenische übersetzten Neuen Testamentes. durchaus Mitstreiter gefunden, und große Teile der Bevölkerung bekannten sich zum evangelischen Bekenntnis, doch durchsetzen konnte sich die Reformation auf Dauer nicht, denn das katholische Habsburg duldete die Glaubensausübung im reformatorischen Geist nicht. Um dies anschaulich zu machen, sei an dieser Stelle die Stadt einmal verlassen. Es waren vor allem die Landstände, die den evangelischen Glauben förderten. Die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Mehrzahl nach protestantischen Verordneten von Steiermark hatten beschlossen, in Sachsenfeld bei Cilli (Celje)69 eine protestantische Kirche erbauen zu lassen. Mit dem Bau hatte man nach den Plänen des italienischen Baumeisters Peter Antonio Pigrato 1582 begonnen. Drei Jahre später befahl Erzherzog Karl II. Franz von Innerösterreich den protestantischen Bauherrn, „dass sie als verordnete Baucommissarien nicht nur das ohne unser Wissen

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und Willen vorgenommene Kirchengebeu, sondern auch das darin habende Exercitium der neuen Religion ein- und abzustellen haben“.70 Trotzdem wurde der Kirchenbau 1589 fertiggestellt. Es war ein im Sinne der Reformation moderner Zentralbau mit innerem Stützenkranz, der es der Gemeinde erlaubte, sich um das Wort des Evangeliums zu scharen, das von der Kanzel am Ansatz zum Chor gepredigt wurde. Im Jahr 1600 erreichte die dritte der insgesamt sechs Religions-Reformations-Commissionen Sachsenfeld. Diese waren mit dem Auftrag in der Steiermark und in der Krain bewaffnet unterwegs, um die Kirchen, in welchen protestantischer Gottesdienst gehalten wurde, wieder dem katholischen Kultus zuzuführen oder zu sprengen, die Bücher zu verbrennen und Renitenten auszuweisen oder aufzuhängen. Entsprechend erfolgte am 20.  Januar 1600 die Sprengung der Kirche, die nur elf Jahre gestanden hatte. Die Rekatholisierung oder Sprengung von evangelischen Kirchen war ein Instrument der Gegenreformation, ein zweites war die Ansiedlung des Jesuitenordens. Unter Erzherzog Karl und seinem Nachfolger Ferdinand gründeten die Jesuiten ihre strategisch wohldurchdachten Niederlassungen als Aktionszentren der katholischen Gegenreformation und als Bollwerke des rechten Glaubens. In Laibach nahmen die Jesuiten ihre Tätigkeit im Jahr 1597 auf und bezogen zuerst das Augustinerkloster bei der St. Jakobskirche. Mit ihnen begann die Stabilisierung der Kirche, die ihren architektonischen Ausdruck darin fand, dass ihre Gotteshäuser im Stil des Barock umgebaut wurden.

Die Jesuiten, Francesco Robba und der Laibacher Barock

Ljubljana ist eine Barockstadt – nicht nur und nicht in erster Linie, aber sie ist es auch. Die wichtigsten Innenstadtkirchen sind in diesem Stil erbaut, und mehr noch ist es ihre künstlerische

Die Jesuiten, Francesco Robba und der Laibacher Barock

Ausstattung, die schon die Bewunderung der Zeitgenossen hervorrief. Es waren venezianische Bildhauer, die im 18. Jahrhundert den Laibacher Barock prägten, der bis nach Kärnten, Istrien und Kroatien ausstrahlte. Die Bürgerschaft stand der Geistlichkeit nicht nach und ließ ihre Häuser und Paläste in diesem Stil umbauen oder errichten. Das weltliche Pendant zu den Jesuiten war die 1693 nach dem Vorbild der italienischen Akademien gegründete Academia operosorum Labacensium71, die sich der Bildung und Wissenschaft widmete. Ihr Glanzstück ist die von ihnen initiierte Bibliothek im Priesterpalast, die als versteckte Perle der barocken Stadt Ljubljana gilt. Wenig später folgte 1701 die Gründung der Academia Philharmonicorum als erste Musikvereinigung in Slowenien und Trägerin der barocken Musik.72 Die barocke Epoche begann mit den Jesuiten, die wirklich befähigte Künstler beschäftigten und Laibach zu einem bedeutenden Kunstzentrum werden ließen. Um ihre Tätigkeit ausüben zu können, benötigten die Jesuiten eine Residenz und umgaben die von ihnen bezogene Jakobuskirche mit einem im Geviert angelegten Komplex, in dem sie ihr Collegium mit Schulräumen und einem Auditorium einrichteten. Die Fertigstellung erfolgte zwischen 1603 und 1617. Eine anonyme perspektivische Zeichnung aus dem dritten Viertel des 17.  Jahrhunderts muss helfen, sich die monumentale Anlage zu vergegenwärtigen, die 1774 einem Großbrand zum Opfer fiel (Abb. 80). Gegenüber errichteten sie ein Gymnasium, und so entstand ein geschlossener Innenhof, der für Theateraufführungen geeignet war. Die Jesuiten waren bekannt dafür, dass sie Glaubensinhalte über geistliche Theaterspiele verbreiteten. 1682 wurde der Platz durch eine Mariensäule akzentuiert (Abb.  17). Die Jakobskirche selbst hatte in ihrer spätgotischen Gestalt nicht dem künstlerischen Anspruch der Jesuiten entsprochen, weshalb sie alsbald mit ihrer Umgestaltung begannen, die 1615 vollendet war, wobei das Ausmaß umstritten

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80: Das Jesuitenkolleg in Laibach nach einer anonymen Zeichnung aus dem 3. Viertel des 17. Jh. Zagreb, Staatsarchiv. Hinterlassenschaft Valvasor.

81: Mariensäule und Jakobskirche nach einer historischen Postkarte.

Die Jesuiten, Francesco Robba und der Laibacher Barock

82: Inneres der Jakobskirche mit dem Hochaltar von Francesco Robba.

ist.73 Ihr Äußeres entspricht nicht mehr ihrem barocken Aussehen, denn nach schweren Schäden durch das Erdbeben von 1895 wurde sie nach Plänen des Architekten Raimund Jeblinger aus Linz umgestaltet, die Fassadentürme abgetragen, die Fassade selbst verändert und ein mächtiger Glockenturm an der Südseite errichtet. Ebenso war die Mariensäule vor der Kirche auf den Platz neben der Kirche versetzt worden (Abb. 81). Erhalten blieb indes die Inneneinrichtung der Kirche, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts so erneuert und barock eingekleidet wurde, dass „auch ein aufmerksames Auge in ihr keinesfalls die alte Kirche wiedererkennen würde“74 (Abb.  82). Malereien und Stuckaturen zeigten die himmlischen Heerscharen, die Apostel und Kirchenväter, den legendären Kampf des Kirchenpatrons Jakobus gegen die Sarazenen und nicht zuletzt Begebenheiten aus dem Leben der Jesuitenheiligen Ignatius von Loyola und Franz Xaver. Doch als Prunkstücke der Ausstattung gelten die Altäre

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der italienischen Steinbildhauer Angelo Putti, Jacopo Contieri und schließlich Francesco Robba, der weit über die Grenzen Laibachs hinaus berühmt wurde. Francesco Robba war 1698 in Venedig geboren worden, wo er 1711 bis 1716 bei Pietro Baratta gelernt hat. Im Jahre 1720 zog er nach Ljubljana, wo er heiratete und 1727 die Werkstatt seines Schwiegervaters Luka Mislej übernahm. Anlass für die Barockisierung der Jesuitenkirche St.  Jakob war offenkundig die zu Beginn des 18. Jahrhunderts begonnene Neugestaltung des Doms St.  Nikolaus in Laibach, hinter dessen künstlerisch neugestaltetem Interieur die Jesuiten nicht zurückstehen wollten. Zwischen 1701 und 1706 war der Dom nach Plänen des italienischen Malers und Architekten Andrea Pozzo ganz im Stil der neuen Zeit umgestaltet worden, mit Fresken von Giulio Quaglio (Abb.  83), Skulpturen von Angelo Putti und Altären von den Brüdern Paolo und Giuseppe Groppelli. Den Altar im linken Querschiff schuf Francesco Robba. Damit lieferte der Dom den Auftakt für die Barockisierung nicht nur der Jesuitenkirche, sondern auch für andere Kirchen und Bauwerke. Man kann sogar sagen, dass die Stadt an sich ein barockes Gewand anlegte. Markanter im Stadtbild als Jakobskirche und Dom ist die 1646/60 erbaute Kirche Mariä 83: Inneres des Doms zu Laibach/ Verkündigung des FranziskanerLjubljana mit Fresken von Giulio klosters am Prešeren-Platz, deren Quaglio.

Die Jesuiten, Francesco Robba und der Laibacher Barock

84: Inneres der Franziskanerkirche Mariä Verkündigung mit dem Hochaltar von Francesco Robba.

Fassade um 1700 neu gestaltet wurde (Abb. 4). Anpassungen im neuen Stil erfuhr gleichermaßen der Innenraum um die Mitte des 18.  Jahrhunderts, wobei der monumentale Hauptaltar von Francesco Robba geschaffen wurde, der überall seine Spuren hinterließ (Abb. 84). Den Glanz der bei dem Erdbeben 1895 zerstörten Gewölbefresken ließ der slowenische Maler und Restaurator Matej Sternen 1935/36 wieder auferstehen. So wie die Kirche Mariä Verkündigung den Prešeren-Platz mitprägt, so verleiht die Dreifaltigkeitskirche des Ursulinenklosters mit ihrer prägnanten Fassade dem Kongressplatz seinen monumentalen Abschluss (Abb. 85a). Errichtet wurde sie 1726 bis 1728 unter Leitung des Architekten Carlo Martinuzzi, der Anleihen beim römischen Architekten Francesco Borromini genommen hatte. Wiederum war es Francesco Robba, der 1730/40 den barocken Innenraum mit seinem Hochaltar krönte (Abb. 85b).

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85a: Dreifaltigkeitskirche des Ursulinenklosters am Kongressplatz. In der Achse davor steht die Dreifaltigkeits- oder Pestsäule.

85b: Inneres der Dreifaltigkeitskirche des Ursulinenklosters mit dem Hochaltar von Francesco Robba.

Ein völlig anderes Bild bietet die Kirche des hl. Florian am Oberen Platz mit einem fast dörflichen Charakter. An keiner anderen Stelle wirkt Ljubljana österreichischer als hier, und die Kirche könnte ebenso in der Steiermark oder eben in der Krain stehen. Erbaut wurde sie 1672 nach einem Brand, der 1660 Laibach heimgesucht hatte (Abb. 86). Da zur Zeit von Jože Plečnik eine Straßenbahn durch die Straße vor dem Haupteingang fuhr, verlegte er 1933 den Eingang an die Seitenfassade und installierte dort eine neue Treppe, die im Vergleich zum schmalen, neuen Eingang völlig überdimensioniert wirkt. Aber diese Konfiguration ist ganz im Sinne des religiösen Architekten die schmale Pforte, die zum Heil führt. In die geschlossene Nische des ehem.

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Haupteingangs platzierte er eine von Francesco Robba 1727 geschaffene Barockstatue des hl. Johannes von Nepomuk. Obwohl sie wohl die älteste Kirche der Stadt ist, findet sich St. Peter, in der Nähe des Hrvatski trg, nach einem quasi Neubau, den der Architekt Carlo Martinuzzi zwischen 1730 und 1733 ausführte, hier unter den barocken Kirchen. Martinuzzi hatte sich bei seiner Planung an der Kirche San Giorgio Maggiore in Venedig orientiert. In der barocken Manier hat sich indes nur der Innenraum erhalten (Abb. 87a), während nach dem Erdbeben von 1895 das Äußere vom Architekten Raimund Jeblinger im neobarocken Stil renoviert wurde. Doch auch dabei ist es nicht geblieben, denn eine weitere Neugestaltung erfolgte durch Ivan Vurnik 1938 bis 1940, weil die geringe Qualität des Jeblinger Baus heftige Kritik hervorgerufen hatte. Zwischen die historisierenden Türme hatte Vurnik eine schnörkellose Fassade eingefügt (Abb. 87b), deren bildliche Elemente seine Frau Helena Kottler Vurnik geschaffen hatte. Über der Haupttüre befindet sich ein Mosaik mit der Schlüsselübergabe an Petrus, das man dem Nazarenerstil zuordnen möchte, dessen Motivik aber über viele Jahrhunderte zurückreicht. Ganz anders erscheinen oben an der Fassade die vier Evangelisten, die Christus flankieren, zusammengesetzt aus hellen, bunten Farbflächen mit klaren Konturen. Mag auch die Fassadengestaltung der Genossenschaftlichen Wirtschaftsbank (Abb.  126) ihr bekanntes- 86: Kirche St. Florian.

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tes Werk sein, so hat sich Kottler Vurnik doch vielfach mit der Gestaltung von Kirchenbildern und liturgischen Gewändern befasst. Eine komplette Serie pontifikaler Messgewänder hat sie für die Kathedrale in Ljubljana geschaffen, weitere sind heute in der slowenischen Nationalgalerie ausgestellt.75 Mit der sachlichen, nur sparsam ornamentierten Fassade kontrastiert der barocke Innenraum (Abb.  87a) 87a: Barocker Innenraum der St.-Peter-Kirche. mit den Deckenfresken des Barockmalers Franc Jelovšek und den Altarbildern von Valentin Metzinger. Während die Fresken in einem großartigen Szenario sowie das Blatt des Hauptaltars dem Apostelfürsten Petrus gewidmet sind, thematisieren die Altarblätter schwerpunktmäßig die Himmelskönigin Maria sowie die Heiligen Florian und Nepomuk. Vom religiösen und künstlerischen Aufschwung, den die Jesuiten gebracht hatten, wurde die ganze Stadt ergriffen. Am bekanntesten unter den profanen Bauten ist die Neugestaltung des im späten 15. Jahrhundert errichteten Rathauses. Sein Umbau in barocker Manier erfolgte in den Jahren 1717 bis 1719 durch den Baumeister Gregor Maček  sen. nach Plänen von Carlo Martinuzzi, der aus dem italienischen Friaul stammte76 und die Fassade im Stil venezianischen Barocks gestaltete (Abb. 88). Leicht versetzt vor dem Rathaus steht am Stadtplatz (Mestni trg) das zweifellos berühmteste Werk von Francesco Robba: der Brun-

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nen der drei Flüsse des Landes Krain (Abb.  89, 19). Geschaffen hat ihn Laibachs berühmtester Bildhauer in den Jahren 1743–51. Über einem kleeblattförmigen Grundriss erhebt sich das Brunnenbecken mit den Personifikationen der wichtigsten Flüsse des Landes, Save, Ljubljanica und Krka. Es war Robbas letztes Werk und Vermächtnis, bevor er nach Fertigstellung des Brunnens 1755 nach Zagreb übersiedelte und wenig später 1757 dort starb. Um die künstlerische Qualität zu sichern, wurde der 87b: Fassade der St.-Peter-Kirche nach Brunnen in den neuen Trakt der der Neugestaltung durch den Architekten Slowenischen Nationalgalerie Ivan Vurnik. versetzt und am Ort durch eine Kopie ersetzt. Wer es sich unter den Bürgern der Stadt leisten konnte, eiferte der neuen Mode nach. Eigentlich trägt die gesamte Altstadt entlang des Alten Marktes (Stari trg) barockes Gepräge. Gleich neben dem Rathaus eröffnet das elegante Haus der Familie Thalnitscher, auch Dolničar-Haus genannt (Abb. 90), den Reigen teils aufwändiger, teils bescheidener Barockhäuser, unter ihnen mit der Hausnummer  4 auch das vermutete Geburtshaus von Johann Weichard von Valvasor, das 1637/38 erbaut worden ist (Abb. 91). Besonders detailreich ist die Fassade des sog. Schweiger-Hauses (Nr. 11a), errichtet 1748–49 nach den Plänen des 1712 in Triest geborenen Architekten Candido Zulliani (Abb. 92). Schließlich säumt eine Reihe typischer Barockhäuser den Alten Markt, wo er in den

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88: Fassade des Rathauses am Stadtplatz (Mestni trg).

89: Die Kopie des Drei-Flüsse-Brunnens von Francesco Robba am Stadtplatz mit dem Dom im Hintergrund.

Levstik-Platz mündet, in dessen Mitte eine Kopie des von Francesco Robba geschaffenen Herkulesbrunnens steht (Abb. 93).77 Dem Architekten des Rathauses Carlo Martinuzzi ist am gegenüberliegenden Ufer der Ljubljanica am Neuen Platz (Novi trg) mit dem Palais für Orpheus Graf Strassoldo im Zusammenspiel mit den benachbarten Häusern das vielleicht harmonischste Barockensemble der Stadt gelungen (Abb. 94). Am selben Platz steht das Palais, in dem die Akademie der Wissenschaften ihren Sitz hat. Errichtet wurde es mit seiner frühklassizistischen Fassade zwischen 1786 und 1790 nach Plänen des Laibacher Architekten Joseph Schemerl von Leythenbach (Abb. 95).

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90: Das Dolničar-Haus am Alten Markt (Stari trg 2).

Laibach stand in der Barockzeit künstlerisch unter starkem italienischem Einfluss. Das galt neben der Architektur und der Plastik natürlich auch für die Malerei, die sich ganz überwiegend religiösen Themen widmete. Ihr namhaftester Vertreter war Giulio Quaglio d. J., der aus einer angesehenen italienischen Künstlerfamilie stammte. Als sein Hauptwerk gelten die Malereien im Inneren des Laibacher Doms (Abb.  83) wie auch an den Außenwänden (Abb.  96). Seinem Stil fühlten sich die slowenischen

91: Das vermutete Geburtshaus von Johann Weichard von Valvasor.

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92: Das Schweiger-Haus am Alten Markt (Stari trg 11a).

93: Barockhäuser am Levstik-Platz mit dem Herkulesbrunnen (Kopie) von Francesco Robba.

Maler verpflichtet wie Franc Jelovšek, der die Fresken in St. Peter ausführte (Abb. 87a), oder sein Zeitgenosse Valentin Metzinger. Ihre Werke sind neben jenen anderer Maler in der Slowenischen Nationalgalerie vertreten. Die Bilder der Künstler mit ihren religiösen Motiven in den Kirchen finden in der Slowenischen Nationalgalerie ihre Fortsetzung. Sie stehen vielfach unter dem Einfluss der wieder erstarkten katholischen Kirche nach der Gegenreformation. Illusionistische Visionen und Apotheosen von Heiligen verherrlichen die siegreiche katholische Kirche. Neben den einheimischen Malern finden sich auch Zugewanderte, doch alle stehen zumeist unter dem Einfluss der italienischen, bzw. der venezianischen Kunst. Zunehmend wird das ikonographische Repertoire jedoch durch Landschaften,

Die Jesuiten, Francesco Robba und der Laibacher Barock

94: Barockensemble am Neuen Platz (Novi trg).

95: Palais Lontovž, heute Sitz der Akademie der Wissenschaften am Neuen Platz (an der südwestlichen Ecke des Novi trg).

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Genreszenen, Schlachten, Tier­ bilder und Stillleben ergänzt. Solche dekorativen Genres waren hauptsächlich für die Ausstattung der privaten Palais gedacht, die neben den Kirchen ein wachsendes Tätigkeitsfeld für Künstler darstellten. Hinzu kamen hier die Porträts des krainischen Adels und der bürgerlichen Oberschicht. Die Maler begannen außerdem, dem Alltagsleben und der normalen Bevölkerung ihre Aufmerksamkeit zu schen96: Verkündigung an Maria. Fresko an ken. Charakteristisch dafür ist der der Außenwand des Doms von Giulio Mann mit der Brezel des sloweniQuaglio d. J. schen Malers Fortunat Bergant, den man zu den außergewöhnlichen Malern dieser Zeit in Ljubljana rechnen darf (Abb. 207).

Laybach, Hauptstadt der Illyrischen Provinzen

Die napoleonische Ära in Slowenien war kurz, aber nachhaltig. Sie dauerte nur von 1809 bis 1813, hat praktisch keine sichtbaren Spuren hinterlassen, und war doch von großer Bedeutung für das slowenische Nationalbewusstsein, weshalb Ljubljana zu den Ausnahmestädten zählt, die dem französischen Kaiser ein dankbares Denkmal gesetzt haben (Abb. 24). Nach dem Österreichisch-Französischen Krieg hatte Österreich 1809 im Frieden von Schönbrunn das Herzogtum Krain an Frankreich abtreten müssen. Unmittelbar danach erfolgten die

Laybach, Hauptstadt der Illyrischen Provinzen

Bildung der Illyrischen Provinzen und die Einführung der französischen Gesetzgebung (Code civil). An der Spitze der Verwaltung stand ein französischer Generalgouverneur, und Laibach war nun unter dem Namen Laybach zur Hauptstadt der Provinces Illyriennes geworden. 1813 war die Krain von österreichischen Truppen zurückerobert worden. Die Slowenen hatten die Herrschaft der Franzosen keineswegs als Eroberung oder gar als Beschneidung ihrer Rechte empfunden, vielmehr erlebten sie diese Zeit als Befreiung vom österreichischen Joch und als Stärkung ihrer nationalen Selbstbestimmung. Napoleon beendete die Feudalwirtschaft und bescherte den leibeigenen Bauern die Freiheit. Begonnen wurden zudem zahlreiche Infrastrukturprojekte. Wesentlich war jedoch die Freiheit, die slowenische Sprache zu benutzen, in der nun auch die Kinder in den Schulen unterrichtet werden durften. Die Franzosen hatten in der Normalschule Slowenisch anstelle des Deutschen als Unterrichtssprache eingeführt und versuchten außerdem, in den höheren Klassen Französisch und Italienisch zu fördern. Slowenische Lehrbücher für die Grundschule erleichterten die Unterrichtung. Zweifellos wurde dadurch der Grundstein für die Steigerung des Nationalbewusstseins im 19. Jahrhundert gelegt. Zudem erfolgte unter französischer Administration 1810 die Gründung der ersten slowenischen Universität in Laybach, die 1813 allerdings wieder aufgelöst wurde, nachdem Österreich die territoriale Kontrolle wiedererlangt hatte. Stattdessen wurde das kaiserlich-königliche Lyzeum als Hochschuleinrichtung wiederhergestellt. Erst 1919 konnte die Universität wieder eingerichtet werden. Um bleibende sichtbare Zeugnisse in der Stadt zu hinterlassen, dazu war die Zeit zu kurz gewesen. Allerdings gibt es mit dem Botanischen Garten und dem Tivoli-Park zwei Landschaftsdenkmäler aus der Zeit der französischen Herrschaft. Auf

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Anregung des slowenischen Botanikers und Universitätslehrers Franz von Paula Hladnik (1773–1844) wurde 1810 der Botanische Garten jenseits des Gruberkanals angelegt. Bei seiner Eröffnung war der französische Generalgouverneur der Illyrischen Provinzen Marshal Auguste Frédéric Louis Viesse de Marmont anwesend und pflanzte eine Linde. Man kann vermuten, dass dies durchaus ein symbolischer Akt war, denn die Linde ist ein traditionelles slowenisches Nationalsymbol. Bis heute versammeln sich prominente slowenische Politiker unter Sloweniens ältester Linde, der Najevnik-Linde, in Ludranski vrh im nördlichen Slowenien, um eine jahrhundertealte Tradition aufrechtzuerhalten. Denn der Baum erinnert an den legendären, vorchristlichen König Matjaž, dessen Name auch mit dem Führer der Bauernarmee verbunden wird, der gegen die Türken in der Schlacht von Kokovo im Juli 1478 kämpfte. Matjaž ist der gerechte König und Verteidiger seines Volkes sowie der Bringer des goldenen Zeitalters des Wohlstands. In den 1980er Jahren, als der slowenische Frühling in voller Blüte stand, erkor man das Lindenblatt zum stolzen Symbol slowenischer nationaler Bestrebungen. Als immer mehr Menschen eine eindeutige slowenische nationale Identität annahmen, wurde das Lindenblatt als informelles nationales Symbol verstanden. Nach der erreichten Unabhängigkeit machten viele den Vorschlag, das Lindenblatt auf die neue Flagge des Landes zu setzen, der jedoch letztlich nicht angenommen wurde. Ebenfalls noch zur Zeit der französischen Herrschaft wurde 1813 von Ingenieur Jean Blanchard ein Park angelegt, der seit 1835 nach einem gleichnamigen Café und Hotel Tivoli-Park genannt wird, heute das größte und beliebteste Freizeitareal der Stadt. Blanchard verband zwei bestehende Gärten von Herrenhäusern und entwickelte daraus eine gepflegte Parklandschaft, die mit der Stadt verbunden war. Wer heute die breite sog. JakopičPromenade zum Schloss Tivoli, dem ehem. Schloss Unterthurn

Die Eisenbahn kommt nach Laibach

(Grad Pod turnom), hinauf flaniert, erlebt hingegen die raumgestaltende Arbeitsweise von Jože Plečnik, der hier die Achse von der Burg durch die Stadt bis zum Schloss Tivoli vollendete.

Die Eisenbahn kommt nach Laibach

Anlässlich des Laibacher Kongresses 1821 war die Stadt in den internationalen Fokus gelangt. Neben Kaiser Franz I. von Österreich nahmen der russische Zar Alexander I. und König Ferdinand I. beider Sizilien teil; Preußen, Frankreich, das Königreich Sardinien, das Herzogtum Modena, das Großherzogtum Toskana und der Kirchenstaat waren durch Abgesandte vertreten. Beschlossen hatten sie eine militärische Intervention im Königreich beider Sizilien zur Niederschlagung eines liberalen Putsches. Laibach war auf der Bühne Europas angekommen, und nach dem französischen Intermezzo hatte das österreichische Kaiserhaus begonnen, den Status von Laibach konsequent weiter zu heben. Optisch gehören zu dieser Epoche einige Großbauten wie das 1832 errichtete Casino am Zvezda-Park als Treffpunkt für die gehobenen Schichten der Stadt (Abb. 97). Errichtet im Stil des ausgehenden Klassizismus ist das Casino eines der wenigen Gebäude, die sich in der Stadt aus der ersten Hälfte des 19.  Jahrhunderts erhalten haben. Bis zu seinem Abbruch 2011 gehörte auch das sog. Coliseum dazu, dessen Erbauung in die Jahre zwischen 1845 und 1847 fällt (Abb. 98). Das mehrstöckige Gebäude war zu seiner Zeit das größte in Laibach und diente als Mehrzweckbau. Vorrangig dienten solche Einrichtungen, die es ebenso in anderen Städten gab, der temporären Unterbringung von Soldaten, die sonst in anderen öffentlichen Gebäuden oder auch privat einquartiert wurden. Somit sollte die Bevölkerung von solchen Maßnahmen verschont werden. Im Coliseum, das

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97: Casino am Kongressplatz.

98: Das Coliseum. Ausschnitt aus Anton Jurmann, Erinnerung an Laibach, 1850.

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99: Bahnhofsgebäude in Laibach an der Südbahn Wien–Triest, 1848.

privat finanziert worden war, gab es neben den Quartieren für die Soldaten Freizeiteinrichtungen, Restaurants, einen Park usw. Als es dann Kasernen in Laibach gab, hatte das Coliseum seinen ursprünglichen Zweck verloren und diente fortan unterschiedlichen Zwecken. Erhalten hat sich das 1848 fertiggestellte Bahnhofsgebäude an der Strecke der Wiener Südbahn von Wien über Laibach zum wichtigsten österreichischen Hafen Triest. 1849 hatte der Schienenstrang Laibach erreicht, womit gewissermaßen die neue Zeit eingeläutet war (Abb. 99). Zweifellos war damit ein wirtschaftlicher Aufschwung verbunden, der sich u. a. in einer Verdoppelung der Bevölkerung bis zur Jahrhundertwende von 18.000 auf 36.000 Einwohner niederschlug. Dem Bildungswesen schenkte man fortan hohe Aufmerksamkeit. 1871 eröffnete die erste Realschule, die Kaiserlich-Königliche Staats-Oberrealschule, deren hohe Wertschätzung man architektonisch in einem repräsentativen

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100: Kaiserlich-Königliche Staats-Oberrealschule in Laibach, 1871.

Neubau zum Ausdruck brachte (Abb. 100). Das dreistöckige Gebäude mit neoromanischen Stilelementen entwarf der Wiener Architekt Alexander Bellon, während die Krainische Sparkasse die Finanzierung übernommen hatte. Neben dem Eingang stehen die Personifikationen von Handel und Industrie des Wiener Bildhauers Franz Mitterlechner. Bis 1910 war die Zahl der Realschulen in Laibach auf 29 gestiegen. Mit dem Bau der ersten Realschule hatte stilistisch der Historismus Einzug gehalten, und es muss auffallen, dass im Gegensatz zur Barockzeit mit dem Einfluss italienischer Architekten und Künstler nun österreichische Architekten vorzugsweise aus Wien den Ton angaben. Der Historismus verlieh auch den anderen Neubauten Laibachs sein Aussehen. Neben der Bildung gewann die Förderung des kulturellen Lebens an Bedeutung, die gleichfalls in repräsentativen Architekturen ihren Nieder-

Die Eisenbahn kommt nach Laibach

schlag fand. Das bereits 1821 als Krainisch Ständisches Museum gegründete, spätere Slowenische Nationalmuseum erhielt 1885 einen Neubau nach Plänen des Wiener Architekten Wilhelm Rezori im Stil der Neorenaissance (Abb. 101). Kurz darauf erhielt die 1867 gegründete dramatische Gesellschaft ihre Spielstätte in Gestalt des heutigen Opernhauses, das 1890 bis 1892 ebenfalls im Stil der Neorenaissance von den tschechischen Architekten Jan Vladimír Hráský und

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101: Slowenisches Nationalmuseum, 1885.

102: Seitenansicht des Opernhauses mit Blick auf den Erweiterungsbau im Hintergrund.

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103a: Slowenische Philharmonie am Kongressplatz.

Anton Hruby errichtet worden war (Abb. 102). Seiner ursprünglichen Bestimmung als krainischem Provinztheater entsprechend zieren die reich gegliederte Fassade die Personifikationen von Komödie und Tragödie, gestaltet von dem slowenischen, an der Akademie der Bildenden Künste in Wien ausgebildeten Bildhauers Alojz Gangl78. Zur selben Zeit wurde 1891 das Gebäude der Slowenischen Philharmonie am Kongressplatz nach Plänen des Grazer Architekten Adolf Wagner79 wiederum im Stil der Neorenaissance eröffnet (Abb. 103a). Wie bereits erwähnt reicht die Geschichte der Philharmonie bis ins Jahr 1701 zurück, als unter dem Namen Academia Philharmonicorum der erste Musikverein und Hauptförderer der Barockmusik in Slowenien gegründet wurde. 1794 wurde die Academia von der Philharmonischen Gesellschaft abgelöst, dem unmittelbaren Vorgänger der Slowenischen Philharmonie, zu deren Mitgliedern Komponisten wie Josef Haydn, Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms sowie der Geiger Niccolò

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Paganini gehörten. Gustav Mahler war zu Beginn seiner musikalischen Laufbahn in der Saison 1881/1882 in Ljubljana Dirigent an der Akademie. Ihm widmete die Stadt ein Denkmal am Dvorni trg, das vom Bildhauer Bojan Kunaver geschaffen und 2011 enthüllt wurde (Abb. 103b). Im Zuge des Bedeutungszuwachses der Stadt waren Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur ergriffen worden, u. a. 1861 mit der Einführung der öffentlichen Gasbeleuchtung und 1890 mit dem 103b: Denkmal für Gustav Mahler Bau der öffentlichen Wasserverbeim Dvorni trg. sorgung. Ab 1901 fuhren Straßenbahnen durch die Stadt. Das Streckennetz war fünf Kilometer lang und wurde mit elektrischen Bahnen befahren (Abb.  114). Der öffentlichen Gesundheit diente das nach Plänen des Grazer Architekturbüros Wilhelm Brückner 1899 bis 1901 gebaute öffentliche Bad (Abb.  104), der Versorgung ein Schlachtaus und der sozialen Fürsorge das Armenhaus aus denselben Jahren. Die quasi hoheitliche Post bezog einen 1894 bis 1896 errichteten Neubau mit einem halbrunden Entree mit einer bekrönenden Kuppel (Abb. 105). Den Bau hatte der österreichische Architekt Friedrich Setz entworfen, der als k. k. Oberbaurat und posteigener Architekt führend in der Planung von Postämtern war. Er zeichnete für 26 Postämter in der k. u. k. Monarchie zwischen Lemberg und Karlsbad verantwortlich.

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104: Öffentliches Bad an der Prečna ulica, heute Kinderspielhaus.

105: Gebäude der Hauptpost mit dem turmartigen Eingang.

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106: Ehem. Volkshaus und heutige Slowenische Nationalgalerie.

Einen Höhepunkt des öffentlichen Lebens bildete das 1896 nach Plänen des aus Prag stammenden Architekten František Edmund Škabrout eröffnete Volkshaus (Narodni dom) mit seiner im Neorenaissancestil gestalteten Fassade (Abb.  106). Das prachtvolle Gebäude diente u.  a. verschiedenen slowenischen Vereinen als Treffpunkt und besaß im Erdgeschoss sogar eine Turnhalle. Heute beherbergt das ehemalige Volkshaus die 1918 gegründete Sammlung der Slowenischen Nationalgalerie, die hier 1925 einzog. Ebenso erhielten die Institutionen der Administration neue Gebäude, unter denen der Justizpalast in seiner Monumentalität herausragt, zumal wenn man bedenkt, dass er zur Zeit seiner Errichtung quasi am Rande der Stadt inmitten niedriger Wohnbebauung lag und erst etwas später ein adäquates Umfeld erhielt. Die Fassade des 1898 bis 1902 im neoklassizistischen Stil erbau-

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107: Justizpalast am Miklošič Park.

ten Justizpalastes erfuhr allerdings in den 1950er Jahren eine Veränderung, als nach Plänen des Architekten Joseph Costaperaria der Bau um ein Stockwerk erhöht wurde (Abb. 107). Den Höhepunkt im Transformationsprozess des Provinzstädtchens Laibach zu einer selbstbewussten Metropole im Habsburgerreich stellte die Errichtung des Versammlungsgebäudes des Krainer Landtags dar. Das im Stil der Neorenaissance errichtete Krainer Landhaus stammt aus den Jahren 1899 bis 1902 (Abb.  13) und trägt hoch über seinem Eingang stolz das Wappen des Herzogtums Krain (Abb. 108). Nicht einmal zwei Jahrzehnte sollte es dauern, bis der Krainer Landtag und die Zugehörigkeit Sloweniens zum österreichischen Kaiserhaus der Vergangenheit angehörten. Im selben Maß, wie sich Laibach zu einer Metropole entwickelte, strebten die politischen Verhältnisse ihrem Umbruch entgegen.

Die Eisenbahn kommt nach Laibach

108: Das Wappen des Herzogtums Krain am Gebäude des Krainer Landtags

Mit der Eisenbahn hatten 1848/49 zeitgleich die Auswirkungen der Revolutionen dieser Jahre Laibach erreicht und das slowenische Nationalbewusstsein gestärkt. Forderungen nach slowenischer Selbstverwaltung waren laut geworden. Sie fanden ihren Niederschlag im Manifest für ein Vereintes Slowenien (Zedinjena Slovenija) des katholischen Priesters und Sprachforschers Matija Majar-Ziljski (1809–1892) oder in der 1854 veröffentlichten Karte der slowenischen Länder und Regionen (Zemljovid Slovenske dežele in pokrajin) des in Laibach ansässigen Peter Koster. Die Karte enthielt ausschließlich die slowenischen Ortsbezeichnungen, weshalb sie von den österreichischen Behörden verboten wurde (Abb. 109). Der Dichter France Prešeren (Abb. 5) trat in seinen literarischen Werken für die Selbstbestimmung der Slo-

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109: Karte der slowenischen Länder und Regionen von Peter Koster von 1854.

wenen ein, und Ivan Cankar, der als bedeutendster slowenischer Autor der Moderne gilt, forderte die Einheit der südslawischen Völker. Das 1980 eröffnete Kulturzentrum (Cankarjev dom) wurde nach ihm benannt und 1982 wurde ein Denkmal für den Dichter davor aufgestellt (Abb. 166b). So sehr das Stadtbild vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark durch die österreichischen Einflüsse geprägt wurde, so wuchs praktisch im Gegensatz dazu der slowenische Nationalgedanke.

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Die Revolutionsjahre 1848/49 hatten in der österreichischen Monarchie durchaus ihre Spuren hinterlassen. Eine davon war die weitere Liberalisierung in religionspolitischen Angelegenheiten. Hatte bereits Kaiser Josef II. in seinem Toleranzpatent von 1781 die Ausübung des seit der Gegenreformation verbotenen evangelischen Glaubens zugestanden, so erfolgten weitere Lockerungen 1848 mit der Anerkennung der Evangelischen Kirche A. B. (Augsburgischen Bekenntnisses) in Österreich als gleichberechtigte Kirche. In Laibach bedeutete dies, dass die Protestanten der Stadt, meist zugezogene Kaufleute oder Soldaten, eine Kirche bauen konnten. Hatten sie sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum Gottesdienst noch in Privathäusern versammeln müssen, so erhielten sie 1850 die Baugenehmigung für eine Kirche. Im selben Jahr noch gründeten die etwa 200 Evangelischen, die bis dahin zur Triester evangelischen Kirchengemeinde gehörten, eine eigene Gemeinde. Mit dem Bau der Kirche wurde der Architekt Gustav Lahn beauftragt, der 1848 auch am Bau des Deutschen Stadttheaters in Maribor (heute Slowenisches Nationaltheater) beteiligt war. Nach seinem Entwurf entstand, finanziert aus den Mitteln des Gustav-Adolf-Vereins,80 eine im Inneren mit umlaufenden Emporen ausgestattete Hallenkirche im neuromanischen Stil. Besaß sie anfangs nur einen mit Glocken bestückten Dachreiter über dem Giebel am Eingang, so wurde 1897 an der Seite des Kirchenschiffs ein Glockenturm mit drei Glocken hinzugefügt (Abb. 110). Bis heute ist die evangelische Gemeinde eine kleine Diasporagemeinde. Sie gehört zur Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Slowenien, die landesweit etwa 20.000 Gemeindemitglieder zählt. Mit der Kirche des Heiligen Herzens Jesu (Cerkev Srca Jezusovega) ist noch eine weitere Kirche aus dem 19. Jahrhundert zu nennen, die sich im Stadtteil Tabor befindet. Sie verdankt ihre Gründung 1880 der Initiative des Missionsordens der Lazaristen

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110: Evangelische Kirche.

und seiner Missionarin Janez Kukovič. Im neugotischen Stil erbaut entspricht sie dem Zeitgeist und liefert so das letzte Glied historistischer Baustile in Ljubljana (Abb.  111). Ihr Architekt war der bereits erwähnte Adolf Wagner. Geweiht wurde die Kirche am 1. Juli 1883 und nur wenige Tage später am 13.  Juli von Kaiser Franz Joseph I. besucht. Zwölf Jahre später 1895 brachte ein schweres Erdbeben große Zerstörungen mit sich und öffnete doch den Weg Laibachs in eine moderne, architektonisch anspruchsvolle und zugleich höchst eigenständige Stadt.

111: Kirche des Heiligen Herzens Jesu im Stadtteil Tabor.

Das Erdbeben von 1895 und die Wiener Sezession

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Das Erdbeben von 1895 und die Wiener Sezession

Ein Jahr nach dem schweren Erdbeben wurde Ivan Hribar 1896 Bürgermeister von Laibach und trug entscheidend zum Wiederaufbau und zur Modernisierung der Stadt bei. In Erinnerung an den großen Erneuerer beschloss Ljubljana 2009, ihm ein ausdrucksvolles Denkmal zu setzen (Abb.  35). Das Denkmal, gestaltet vom akademischen Bildhauer Mirsad Begić, zeigt den kraftvollen Visionär, wie er einen Brief des Kaisers erhält, mit der Zusage, der Stadt beim Wiederaufbau zu helfen. Die Dankbarkeit gegenüber dem österreichischen Kaiser Franz Josef I. fand ihren Ausdruck in einem Denkmal, das man ihm 1908 setzte. Es wurde zwar nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie 1926 in ein Monument für den slowenischen Philologen Franc Miklošič umgewidmet (Abb.  23), doch geblieben ist auf der Rückseite ein Bronzerelief, das an die Opfer des Erdbebens erinnert (Abb. 112). In den Nacht- und frühen Morgenstunden des 14.  April 1895 erschütterte ein Erdbeben die Stadt, das als das schwerste gilt, das in dieser Region seit Beginn der Aufzeichnungen registriert wurde. Sein Epizentrum lag wenige Kilometer östlich von Ljubljana. Zwar blieb glücklicherweise die Zahl der Todesopfer gering, aber die Zerstörungen waren verheerend. Zehn Prozent der Häuser waren 112: Relief, das an die Opfer des Erdbebens von 1895 erinnert, an der so schwer beschädigt, dass sie zum Rückseite des ursprünglich Kaiser Abriss bestimmt wurden. Viele der Franz Josef I. gewidmeten Denkmals einsturzgefährdeten Häuser mussten am Miklošič-Park (Abb. 23)

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113: Erdbebenschäden in Laibach von 1895. Fotografie von Wilhelm Helfer.

114: Straßenbahn fährt über den Stadtplatz (Stari trg). Historische Postkarte, um 1900.

Das Erdbeben von 1895 und die Wiener Sezession

provisorisch mit Balken gestützt werden. Die Schäden hat der 1864 in Olmütz geborene Fotograf Wilhelm Helfer in zahlreichen Aufnahmen festgehalten (Abb.  113). Doch war diese Katastrophe für die Stadt der Aufbruch in ein neues Zeitalter, denn Ivan Hribar sah darin die Chance für eine zukunftsweisende Stadtplanung. Dabei erhielt die bereits im 19.  Jahrhundert begonnene Aufwertung der Stadt durch historistische Großbauten unter dem Einfluss der Wiener Sezession völlig neue Akzente. Ivan Hribar stellten sich die Fragen, was benötigt wird, und wie es umgesetzt würde. Mit dem Bau eines Kraftwerks schuf er 1898 die Voraussetzung für die Elektrifizierung der Stadt und eine elektrische Straßenbahn (Abb. 114).81 Ein öffentlicher Schlachthof sollte der Versorgung der Bevölkerung dienen, Bäder der allgemeinen Hygiene, Schulen der Bildung, Krankenhäuser dem Gesundheitswesen und Armenhäuser der Versorgung mittelloser Bürger. Grünanlagen sollten ebenfalls in die Stadt integriert werden. Manches davon war bereits vor dem Erdbeben angedacht, doch nach der Katastrophe sollte die Chance ergriffen werden, die Maßnahmen in eine konzeptionelle Gestaltung der Stadt einzubetten. Hribar wandte sich nach Wien mit der Frage nach geeigneten Stadtplanern. Schließlich waren es Camillo Sitte und Max Fabiani, die die Gesamtplanungen für Laibach vorlegten, wobei das Konzept von Fabiani schließlich die Grundlage lieferte, an der sich das städtische Baubüro unter der Leitung von Jan Duffé orientierte. Fabianis 1895 vorgelegter Erläuterungs-Bericht zum Entwurf eines General-Regulirungs-Planes der Stadt Laibach (Abb.  115) machte dabei unmissverständlich deutlich, dass überall Städte auf dem Weg in die Moderne durch verschiedene Ursachen zu einer Revision der Stadtplanung gezwungen seien und dabei ungeheure Opfer82 bringen müssen. In Laibach sei dieser Anlass durch ein entsetzliches Naturereignis über Nacht gegeben, und es gelte, dem Unglücke

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115: General-Regulirungs-Plan der Stadt Laibach von Max Fabiani, 1895.

die beste Seite abzugewinnen. Es müsse im Sinne einer vorgefassten großen Stadtplanung ein Ganzes angestrebt werden, wobei gleichförmige Berücksichtigung verkehrstechnischer, hygienischer und ästhetischer Momente auf die Ausgestaltung des Ganzen bestimmend seien.

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Während Fabiani die Altstadt östlich der Ljubljanica weitgehend unangetastet ließ, sah er vor, die Neustadt mit einem 28 Meter breiten, baumbestandenen Boulevard zu umgeben, wobei die Anleihen bei der Wiener Ringstraße unübersehbar sind. Entlang der Laibacher Ringstraße sollten wenn möglich die Kasernen angesiedelt sein und jenseits derselben alle Anlagen hygienischer Natur, Spitäler und ähnliche Utilitätsbauten, Versorgungshäuser, öffentliche Badeanlagen, Waschhäuser, Eislaufplätze, öffentliche Spielplätze usw. Die Hauptstraßen innerhalb der Ringstraße bildeten danach das neue Zentrum und sollten Sichtachsen auf die Burg eröffnen. Genau hier nahm die Architektur neue Formen an. Der bisher vorherrschende Historismus wurde durch markante Akzente im Stil der Wiener Sezession und des Jugendstils zwar nicht völlig verdrängt, aber unübersehbar ergänzt. Bei dieser architektonischen Mischung ist es bis heute geblieben, wobei Jože Plečnik, die sozialistische Moderne und die Postmoderne des unabhängigen Slowenien an dieser Vielfalt weiter mitgewirkt haben. Max Fabiani war 1865 in Kobdilj im westlichen Slowenien als Kind einer angesehenen österreichisch-italienisch-slowenischen Familie geboren worden, wuchs dreisprachig auf, studierte 1883 bis 1889 an der Technischen Hochschule in Wien und unternahm ausgedehnte Studienreisen durch Europa, ehe er sich die Stadtplanung für Laibach zu eigen machte. Zu dieser Zeit war Fabiani in Wien Mitarbeiter im Atelier von Otto Wagner, der schon zu seiner Zeit als einer der führenden Architekten Europas und Visionär galt. Fabiani hatte ein Bild der Stadt vor Augen. So entwarf er 1900 mit dem Haus für den Stadtrat, Juristen und Fabrikanten Valentin Krisper eine Art Vorbild (Abb.  116). Das dreistöckige Haus besitzt als zentrales Element an der abgerundeten Ecke ein Türmchen über einer abgetreppten Konsole mit einer schmückenden Kuppel. Gestützt wird sie von gusseisernen Säulchen.

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Türmchen und erster Stock besitzen umlaufend rohe rechteckige Steinquader, das zweite Stockwerk ein Band floraler Elemente. Gedacht war das Haus als Muster für alle späteren Eckhäuser am Slovenski trg bzw. Miklošičev trg, mit dessen Planung Fabiani beauftragt worden war.83 Alle weiteren Häuser sollten dieselbe Höhe und eine ähnliche Ecklösung haben. Gefolgt sind dieser Vorgabe dann mehrere Häuser an diesem Platz, darunter das Haus Cud116: Krisper-Haus nach Plänen von Max nova (Abb.  117) nach Plänen von Fabiani (Miklošičeva cesta 20). Ciril Metod Koch 1901 und das Haus Regali (Abb. 118) von Franc Berneker 1906. So wurde der Platz fast komplett von Gebäuden gerahmt, die zwischen 1900 und 1907 gebaut wurden, und repräsentiert somit exemplarisch den Jugendstil in Ljubljana. Dieselben Prinzipien finden sich darüber hinaus an vielen Häusern der Stadt. Max Fabiani hat in dieser Weise nicht nur als Stadtplaner, sondern auch als Architekt konkreter Projekte gewirkt. Ablesbar wird seine Handschrift am Haus, das er für den Bürgermeister Ivan Hribar entwarf. Das viergeschossige Haus unweit des Miklošič-Parks besitzt im Erdgeschoss große Panoramafenster für gewerbliche Zwecke. Die Fassade, die sich an einer Seite dreifach vorwölbt, prägt ein geometrisches Würfelmuster, das dezent von Kanneluren mit goldenen Löwenköpfen unterbrochen wird. Die Ecken des Hauses sind mit glatten Kissenquadern in Rustika-Technik betont, und den Dachabschluss bildet ein breites gelb-gold-grünes Kranzgesims (Abb. 119).

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Während Fabiani die Jugendstilakzente eher vorsichtig setzte oder bei der Mädchenschule am Levstik-Platz praktisch ganz auf sie verzichtete (Abb.  120), ­waren andere Architekten deutlich entschiedener. Paradebeispiel des Sezessionsstils ist das nach Plänen von Ciril Metod Koch 1901 errichtete Pogačnik-Haus (Abb.  121). Auffallend sind seine grüne Fassadenfarbe, die floralen und ornamentalen Bänder über den Fensterreihen sowie das ausdrucksstarke Relief über dem Eingang. Die sitzende Frau ist vielleicht als Symbol der Fruchtbarkeit, der Erde oder Sloweniens zu interpretieren. Folgte Koch dem Stil der Wiener Sezession, so wirkt der Hauseingang zu einem dreigeschossigen Wohnhaus in der Dalmatinova ulica (Abb. 122) wie eine verkleinerte Kopie der Stadtbahnstation am Karlsplatz in Wien von Otto Wagner. In dieser Phase Laibachs ist die Verbindung zur Wiener Sezession und ihrem Hauptvertreter Otto Wagner greifbar. 118: Regali-Haus nach Plänen von Franc Berneker.

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117: Cudnova-Haus nach Plänen von Ciril Metod Koch.

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119: Hribar-Haus nach Plänen von Max Fabiani (Tavčarjeva ulica 2).

120: Mädchenschule am Levstik-Platz nach Plänen von Max Fabiani.

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121: Pogačnik-Haus nach Plänen von Ciril Metod Koch (Cigaletova ulica 1).

Neben vielen sezessionistischen Solitären im ganzen Stadtgebiet besitzt vor allem die Miklošičeva cesta ihr ganz eigenes Gepräge, wo sich solche Architekturen wie in einem Bilderbuch aneinanderreihen und miteinander korrespondieren. Wie zwei Paläste in strahlendem Weiß liegen das Hotel Union und die Volkskreditbank einander gegenüber, beide entworfen von dem renommierten österreich-ungarischen Architekten Josip Vancaš und errichtet zwischen 1900 und 1907. Die beiden Flügel des Hotels Union werden mit einem

122: Hauseingang zu einem dreigeschossigen Wohnhaus in der Dalmatinova ulica.

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123: Fassade des Hotels Union

Eckturm verbunden, und die Fassaden sind mit Jugendstilmotiven verziert (Abb. 123). Das gegenüberliegende Bankgebäude steht ihm in der Dekorationsfreude in nichts nach. Die Miklošičeva cesta beginnt bereits am Prešeren-Platz mit einem fulminanten Auftakt in Gestalt des Hauses Urbanc, in dem sich heute die Galerija Emporium, das Luxuskaufhaus der Stadt, befindet. Der Kaufmann Felix Urbanc hatte 1895 die Genehmigung zum Bau eines viergeschossigen Warenhauses, dem ersten der Stadt, erhalten und beauftragte mit der Planung den Grazer Architekten Friedrich Sigmundt. Bestechend wirkt die Ecklösung des spitzwinklig zulaufenden, zweiflügeligen Gebäudes und dem Eingang mit seinem fächerartigen Gusseisen-Glasdach (Abb. 124). Überragt wird die schmale Eingangsfassade von einer Statue des Mercurius, dem Gott des Handels und der Kaufleute. Nicht minder auffallend ist die auskragende Traufkante als Dachabschluss. Ganz anders, dem Kaufhaus aber im Geist verwandt,

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ist das ihm gegenüberliegende Hauptmann-Haus. Das Gebäude hatte das Erdbeben beinahe unbeschadet überstanden, doch der Farbenhändler Adolf Hauptmann, der das Haus erworben hatte, ließ es von Ciril Metod Koch renovieren und der neuen Mode anpassen. Er verlieh dem fünfstöckigen Eckhaus eine ornamental mit bunten Keramikfliesen akzentuierte Fassade und ein vorkragendes Dach (Abb. 125). Alle Architekten standen unter Wiener Einfluss, doch waren sie durchaus bestrebt, lokale Elemente in ihren Entwürfen zu berücksichtigen. Am sichtbarsten ist dies an der genossenschaftlichen Wirtschaftsbank, die den Reigen der Jugendstilhäuser in der Miklošičeva cesta in ganz besonderer Weise akzentuiert (Abb. 126). Hier integrierte der slowenische Architekt Ivan Vurnik 1922 volkstümliche Ornamente in die reich verzierte Fassade, wobei er eng mit seiner Frau Helena Kottler Vurnik zu125: Hauptmann-Haus, Renovierung nach Plänen von Ciril Metod Koch.

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124: Urbanc-Haus (Galerija Emporium) nach Plänen von Friedrich Sigmundt.

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sammenarbeitete, die sich von traditionelle Trachten und Muster inspirieren ließ. Dominierend sind die Farben Rot, Blau und Gelb, die sich im Innenraum fortsetzen. Dabei sind die eher streng geometrischen Ornamente an den Fenstern in blattartige Dekore eingebunden. So wurden manche Experimente gewagt. Den Gegenpol zur verspielt-­ dekorativen Fassade der genossenschaftlichen Wirtschaftsbank bildet diesbezüglich die sachlich-karge Fassade des Drofenig-Hauses am Markt126: Genossenschaftliche Wirtschaftsbank platz in unmittelbarer Nähe des nach Plänen von Ivan Vurnik in Zusambarocken Rathauses. Für den Gemenarbeit mit seiner Frau Helena Kottler schäftsmann Franc Drofenig hatte Vurnik. der Architekt Karl Brünnler 1914 ein funktionales Kaufhaus mit großen, raumhohen Fensterflächen errichtet. Es war das erste Gebäude der Stadt, das in Stahlbeton ausgeführt wurde, wobei die vorgefertigte Eisenfassade mit schwarzem Marmor belegt wurde (Abb. 127). Der Weg vom verspielten Jugendstil zum expressionistischen Funktionalismus war vorgezeichnet. Dies hatte sich bereits bei Max Fabiani und seiner Mädchenschule (Abb.  120) abgezeichnet. Ganz ähnlich entwarf er 1907/8 das Mädchen-Lyzeum als L-förmigen Komplex in einem streng-sachlichen Stil (Abb.  128a), dessen dekorative Elemente erst auf den zweiten oder dritten Blick wahrgenommen werden. Die weiße Fassade ist im Erdgeschoss mit rotem Backstein verkleidet, aus dem auch die vertikalen Schmuckbänder bestehen.

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Rechts oberhalb des Eingangs befindet sich ein Relief mit girlandentragenden Mädchen und den Wappen des Herzogtums Krain, der Stadt Ljubljana mit dem Drachen und der Familie des Geschäftsmannes Josip Gorup, der die Schule finanziert hatte (Abb.  128b). Dort wurde ab 1907 eine private Mädchengrundschule der Bildungsgesellschaft Mladika („Nachwuchs“) betrieben, die dem MladikaKomplex ihren Namen gab. 1910 wurde der Komplex um ein nach Plänen des Architekten Ciril 127: Drofenig-Haus nach Plänen von Karl Metod Koch errichtetes Internat Brünnler (Mestni trg 23). erweitert, das näher am Wiener Sezessionsstil liegt. Bestechend sind die klaren Rechteckformen, die durch die kontrastierende Zweifarbigkeit der Fassade noch unterstrichen werden (Abb.  128c). Es war offenbar sehr verlockend, dieses Gebäude zweckentfremdend zu nutzen, denn nacheinander zogen hier die italienische Armee, die deutsche Wehrmacht und schließlich 1945 die jugoslawischen Partisanen ein. Heute dient es als Sitz des Außenministeriums der Republik Slowenien. Nach dem Erdbeben 1895 hatte sich das Stadtbild stark verändert. Dabei war der Einfluss der Wiener Sezession durchaus prägend, doch hat er keineswegs zu einer uniformen Einheitlichkeit geführt. Neben eher konventionellem Jugendstil gab es Raum für manche Varianten und Experimente. Dabei muss festgehalten werden, dass auch nach 1895 noch historistische Bauten

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128a: Mädchen-Lyzeum nach Plänen von Max Fabiani.

128b: Relief mit girlandentragenden Mädchen und mittig dem Wappen der Stadt Ljubljana sowie links daneben des Herzogtums Krain am Mädchen-Lyzeum.

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128c: Erweiterung des Mladika-Komplexes durch Ciril Metod Koch.

129: Ehem. Deutsches Theater, heute Schauspielhaus nach Plänen von Alexander Graf.

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entstanden sind. Hier muss zuletzt das heutige Schauspielhaus genannt werden (Abb. 129). Auf seinem Giebel war ursprünglich die Aufschrift Deutsches Theater angebracht. Es war in Konkurrenz zum 1890/2 errichteten Slowenischen Theater als Schauspielhaus für die deutsche Volksgruppe und auf Bestreben ihres Deutschen Theatervereins in Laibach entstanden. Errichtet wurde das neobarocke Theater 1909 bis 1911 nach Plänen des Wiener Architekten A ­ lexander Graf, der auch mehrere Theaterbauten für die deutsche Volksgruppe in Tschechien entworfen hatte, und so ist die Verwandtschaft mit dem etwa zeitgleich erbauten Schauspielhaus in Ústí nad Labem (Tschechien) nicht zu leugnen. Seiner Bestimmung entsprechend enden die Lisenen oberhalb des Eingangs in antikisierenden Theatermasken.

Ljubljana

Im Slowenischen bedeutet ljubljena die Geliebte und bisweilen liest man, der Name Ljubljana leite sich davon ab und bedeute dann so viel wie geliebte Stadt. Diese etymologische Deutung gab bereits der slowenische Dichter Franc Miklošič, der den Namen aus der Wurzel *ljub- (lieben) ableitete und darin sowohl den deutschen Namen Laibach wie den slowenischen Namen Ljubljana verortete. Er verwies darauf, dass die Wurzel *ljub- auch in anderen Städtenamen zu finden ist wie etwa im polnischen Lubin und Lublin, im tschechischen Libeň und im deutschen Lübeck, das 1138 erstmals als Ljubice erwähnt wird. Gemeint ist damit jeweils ein geliebter Ort. In Erwägung gezogen wurde auch eine Ableitung vom lateinischen alluvio in der Bedeutung von Überflutung. Nach einer gewissenhaften Analyse aller versuchten Herleitungen kam der in Leiden lehrende Sprachforscher Tijmen Pronk zu dem Schluss, dass der Deutung von Franc Miklošič hohe Wahrscheinlichkeit zukommt.84 Seit dem hohen Mittelalter werden sowohl die deutsche Benennung als Laibach, wie sie erstmals 1144 erscheint, als auch der slowenische Name Luwigana verwendet, der zwei Jahre später bezeugt ist. Hat sich im Slowenischen Ljubljana durchgesetzt, so ist dies der offizielle Name der Stadt seit 1918, als Slowenien nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie Teilstaat des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen geworden ist.

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Vom Neubeginn in einem Staat der vereinigten Südslawen hatte sich Slowenien nicht weniger versprochen als die Vereinigung aller Slowenen in einem Staatsgebilde. Das war zumindest einer der Gründe, warum man sich dem Königreich Serbien angeschlossen hatte und am 1. Dezember 1918 Teil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen wurde.85 Serbien zählte zu den Siegermächten des Ersten Weltkriegs, und man rechnete mit seinem Einfluss bei der Neuordnung Europas. Doch die neuen Grenzziehungen entsprachen nicht den Erwartungen. Die slowenische Küstenregion war an Italien gefallen und das slowenische Südkärnten verblieb nach einer Volksabstimmung bei Österreich. Mehr als ein Drittel der Slowenen blieb außerhalb des neuen Staates. Ebenso wenig erfüllten sich die Erwartungen nach mehr Eigenständigkeit. Nicht nur, dass die Slowenen neben Kroaten und Serben die kleinste Bevölkerungsgruppe im neuen Staat bildeten, vielmehr machte sich ein von Belgrad ausgehender Zentralismus bemerkbar, der 1929 in der Umbenennung des SHS-Königtums in das Königreich Jugoslawien gipfelte. Trotzdem sehen die meisten slowenischen Historiker den Übergang von den Habsburgern zum Königreich von Belgrads Gnaden eher positiv. Schließlich waren die Slowenen nicht mehr nur Minderheit, sondern erstmals staatstragende Nation, was das Selbstbewusstsein stärkte. Außerdem habe sich Slowenien kulturell und wirtschaftlich stärker entfalten können als in der Monarchie. Diese Einschätzung teilt der Historiker und ehemalige slowenische Botschafter in Österreich Andrej Rahten nicht, der stattdessen die geo- und kulturpolitische Verlagerung Sloweniens auf den Balkan konstatiert. Immerhin lässt sich daraus ableiten, dass das Datum 1918 in der slowenischen Selbstwahrnehmung durchaus ambivalent gesehen wird. Dementsprechend

Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen

war 2018 der Verzicht auf eine Hundertjahrfeier nur konsequent. Stattdessen feierte man den 100.  Jahrestag der Gründung der Universität von Ljubljana und den 100. Geburtstag der Slowenischen Nationalgalerie. Die schwierige Einordnung der Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen überließ man stattdessen der Akademie der Wissenschaften und Künste (Slovenska akademija znanosti in umetnosti, SAZU), die ein zweitägiges Symposium veranstaltete. Bedenkt man, dass 1908 das Denkmal für Kaiser Franz Josef I. auf dem heutigen Miklošičev-Platz (Vgl. Abb. 23) und noch 1916 ein weiteres auf der Burg errichtet worden war, so kam die neue slowenische Staatlichkeit scheinbar über Nacht. So gab es einerseits durchaus noch im Sommer 1918 slowenische Politiker, die der Habsburgermonarchie loyal gegenüberstanden, weil sie sich durchaus eine territoriale Vereinigung der Südslawen unter der österreichischen Herrschaft vorstellen konnten. Andererseits war bereits 1917 in der Deklaration von Korfu die Gründung eines vereinigten Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen unter der Herrschaft der Karađorđević-Dynastie vereinbart worden. Petar I. Karađorđević, Fürst von Serbien 1903–1918, war dann der erste König der Serben, Kroaten und Slowenen. Wie bereits gesehen, dauerte die nach dem Erdbeben von 1895 begonnene Modernisierung auch nach 1918 weiter an, und im Stadtbild ist angesichts veränderter politischer Rahmenbedingungen zunächst keinerlei Bruch feststellbar. Ohne großes Aufsehen wurden die Denkmäler für den Kaiser abgeräumt bzw. vor dem Justizpalast in ein Denkmal zu Ehren von Franc Miklošič umgewidmet (Abb. 23). Auch das Andenken an Anton Alexander Graf Auersperg (Anastasius Grün) hatte die neuen Zeiten nicht überstanden. 1876 hatte der Stadtrat beschlossen, den neuen Platz (Novi trg), wie man ihn in österreichischer Zeit nannte, anlässlich des 70. Geburtstages des Dichters und Politi-

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kers in Auerspergplatz umzubenennen, und 1884/86 hatte man am Kloster des deutschen Ritterordens (heute Križanke) eine Gedenktafel für ihn angebracht. Man hatte sie unter den neuen Vorzeichen 1919 wieder entfernt, und 1923 den Auerspergplatz in Karl-Marx-Platz umgetauft (allerdings nur bis 1928, als er seinen alten Namen zurückerhielt, allerdings nun Novi trg hieß. Auersperg oder Anastasius Grün, wie er sich als Dichter nannte, war indes bereits zu Lebzeiten nicht unumstritten. 1809 wurde er in Laibach geboren, während der kurzen französischen Zeit (1809 bis 1813) in der die slowenische Sprache in den Ämtern erlaubt und an den Schulen Unterrichtssprache war. In der folgenden Phase wachsenden slowenischen Selbstbewusstseins hatte sich Anastasius Grün der Volkssprache zugewandt und uralte slowenische Volksweisen in die deutsche Sprache übertragen. So hätte er als Dichter durchaus als Brückenbauer zwischen Slowenen und Deutschen fungieren können, doch als Politiker stand er immer für das Deutschtum und die Habsburgermonarchie.86 Er war also den Slowenen wie den neuen Herrschern aus Belgrad suspekt und hatte im neuen Königreich keinen Platz mehr.87 Stattdessen hatte man angesichts der neuen Zeit 1920 vor dem Rathaus ein Reiterstandbild für König Peter I. aufgestellt, das allerdings auch nicht mehr steht. In dieser Weise sind selbst Denkmäler, die nicht mehr stehen, durchaus Zeugen der wechselvollen Geschichte. Damit versicherte Ljubljana dem König in Belgrad seine Loyalität und blieb doch seiner Suche nach nationaler Identität treu. Dabei mag es ein Glücksfall gewesen sein, dass mit Jože Plečnik ein Architekt in seine Heimatstadt zurückgekehrt war, der in Wien seine ersten Meriten verdient hatte, und hier in unnachahmlicher Weise wirkte. Ljubljana konnte sich so von allem absetzen, was sonst im Königreich geschaffen wurde, und wurde unverwechselbar. Man mag außerdem in Erwägung ziehen, ob

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auch ein weiteres Wahrzeichen der Stadt, der Nebotičnik (was „Wolkenkratzer“ bedeutet), die wirtschaftliche Prosperität Sloweniens im Vergleich zu Kroatien und Serbien signalisieren sollte (Abb.  130). Das 13-stöckige und 70 Meter hohe Hochhaus übertraf zum Zeitpunkt seiner Errichtung 1933 alle anderen Gebäude auf dem Balkan an Höhe und konkurrierte mit den höchsten Häusern in Europa. Errichtet wurde es nach Plänen des slowenischen Architekten Vladimir Šubic, der sich an amerikanischen 130: Nebotičnik („Wolkenkratzer“) nach Plänen von Vladimir Šubic (Slovenska Vor­bildern orientierte. Diese mit cesta). Art-déco-Elementen akzentuierte Ikone der Architektur besticht nicht nur durch ihr Äußeres, in Ljubljana einzigartiges Erscheinungsbild, sondern die Wertigkeit und konsequente Eleganz setzt sich im Eingangsbereich und vor allem in der schwindelerregenden Wendeltreppe im Inneren fort. Der Nebotičnik ist seinerseits nur das Eckhaus eines größeren Komplexes, der sich zu beiden Seiten des Wolkenkratzers in mehrstöckigen Gebäuden fortsetzt, deren Entwürfe ebenfalls von Vladimir Šubic stammen. Entlang der Hauptstraße schließt sich das Gebäude der Slowenischen Bank an, deren Fassade mit ihrem strengen Gliederungssystem besticht (Abb. 131). Über dem Eingang wird das erste Stockwerk von mächtigen Atlanten getragen. Es ist offenkundig, dass sich der slowenische Teilstaat im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen und seit 1929 im Kö-

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nigreich Jugoslawien nach Europa orientierte. Man fühlte und gab sich moderner als seine Brudernationen der Serben und Kroaten und suchte nach einem optischen Ausdruck. Dies gelang z.  B. dem 1896 in Laibach geborenen Hermann Hus, einem der wichtigsten Architekten des slowenischen Funktionalismus, beim kleinen Bruder des Nebotičnik, dem sog. Mali Nebotičnik, dem kleinen Wolkenkratzer (Abb.  132). Bei diesem Geschäfts- und Wohnhaus verband Hus die beiden 131: Verwaltungsgebäude der SloweniFlügel des mehrstöckigen Hauses schen Nationalbank (Slovenska cesta). mit einer turmartigen Ecklösung, die wie eine Neuinterpretation der fabianischen Ecktürmchen erscheint. Die von Fabiani favorisierten runden Ecklösungen nahm Hus in der Gestaltung der Balkone ebenfalls auf. Bei aller funktionalen Sachlichkeit verzichtete Hus nicht auf die Kunst am Bau und setzte über einen der Eingänge eine Skulptur, die eine Mutter mit Kind darstellt. Die Verbindung von strenger Sachlichkeit und weicher Ecklösung bestimmt dann noch eines der letzten Bauvorhaben vor dem Zweiten Weltkrieg, das 1939 nach Plänen von Franjo Lušičić errichtete, unter dem Namen Dom službe bekannte Mehrzweckgebäude und heutige NamaWarenhaus (Abb. 133). Quasi mit dem letzten Atemzug hatte man 1940 ein Denkmal für den jugoslawischen König Alexander I. errichtet (Abb. 25), das unmittelbar nach dem Einmarsch der Italiener 1941 wieder entfernt wurde. Die Italiener hatten die Provincia di Lubiana ausge-

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rufen und sahen sich einem aktiven Partisanenkampf ausgeliefert. Notgedrungen umgaben die Italiener Ljubljana mit einem 33 km langen Stacheldrahtzaun, um den Kontakt zwischen der Stadt und den Partisanen zu unterbinden. Der Weg der Erinnerung und der Kameradschaft (Pot spominov in tovarištva) entlang des ehemals Sperrzauns erinnert seit 1974 an diese drastische, wahrhaft einschneidende Maßnahme. Übrig geblieben sind aus diesen dunklen Jahren die Plakate, mit denen die Menschen aufgefordert wurden, sich den Partisanen anzuschließen

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132: Mali Nebotičnik (‚Kleiner Wolkenkratzer‘) nach Plänen von Hermann Hus (Igriška ulica 3).

133: Dom službe (Nama-Warenhaus) nach Plänen von Franjo Lušičić (Slovenska cesta).

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(Abb. 134). Im Kontext des Nationalen Befreiungskampfes hatte sich das spezifische Phänomen der sogenannten Partisanen-Graphik als bedeutende Erscheinung herausgebildet, die ausdrücklich an das Erbe des Expressionismus anknüpfte. Geblieben sind allerdings auch die Verwerfungen in der slowenischen Bevölkerung, die durch die Besatzungszeit entstanden sind. Ihrer Aussöhnung soll das 2017 eingeweihte Denkmal für die Opfer aller Kriege (Spomenik žrtvam vseh vojn) dienen (Abb. 37). Die ersten Jahrzehnte Sloweniens 134: Plakat mit dem Aufruf, sich den ohne Habsburg, dafür mit Belgrad, Partisanen anzuschließen. Ljubljana, ohne Kaiser, stattdessen mit König, Stadtmuseum. mögen unterschiedlich beurteilt werden, als Akt der Befreiung oder Zeit neuer Bevormundung,88 doch betrachtet man nur das Stadtbild, so hat sich Ljubljana durchaus weiterentwickelt. Die Stadt hat ihr eigenes Gepräge erhalten, nicht nur, aber vor allem durch Jože Plečnik.

Plečniks Ljubljana

Nach seiner Rückkehr 1921 in seine Heimatstadt begann Jože Plečnik das Bild der Stadt in besonderer Weise zu prägen. Seine Bedeutung für die Stadt Ljubljana wird wohl nicht zu Unrecht mit jener verglichen, die Antoni Gaudi für Barcelona besitzt, weil er eine ähnlich unverwechselbare Handschrift besaß. Wohl wird Plečnik als Architekt der Moderne bezeichnet, aber seine Mo-

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derne ist individuell und einzigartig, die einerseits in ihrer Weise keine Nachahmer gefunden hat, andererseits die nachfolgende Architektengeneration geprägt hat. Geboren wurde er 1872 in Laibach, zurückgekommen war er nach Ljubljana. Das scheint den Architekten nicht besonders beeinträchtigt zu haben, vielmehr war ihm an der Stadt an sich gelegen, und er hatte hier ziemlich freie Hand. Plečnik war als drittes Kind eines Tischlers in Laibach geboren worden und begann 1888 auf Drängen seines Vaters eine Tischlerlehre an der Gewerbeschule in Graz. Nach dem Tod seines Vaters 1892 wechselte er zur Hof-Bau-Kunsttischlerei J. W. Müller in Wien. Schließlich besuchte er die Akademie der Bildenden Künste in Wien und wurde Schüler von Otto Wagner, der ihn ebenso prägte wie seine Reisen durch Europa, wo ihn vor allem die Antike stark beeindruckte. Ehe Plečnik nach Ljubljana zurückkehrte, hatte er bereits in Wien und Prag als renommierter Architekt gewirkt. 1922 wurde er an die Universität in Ljubljana berufen, wo er bis ein Jahr vor seinem Tod 1957 lehrte (Abb. 135). Er lebte in seinem äußerlich unscheinbaren Elternhaus im Vorort Trnovo, das er seinen Bedürfnissen entsprechend um einen Atelieranbau und einen Wintergarten erweiterte. Kern des Anbaus ist ein zweigeschossiger Rundbau, in dem sich Plečniks Arbeitsund Schlafzimmer befanden (Abb.  136). Beide Zimmer waren mit Arbeitstischen bestückt, und der Schlafraum besaß lediglich zusätzlich eine karge Bettstatt. Die übrigen Räume sind ausgesprochen klein und wenig wohnlich. Am deutlichsten wird das in dem Raum, in dem Plečnik hin und wieder Besuch empfing. Ein Tisch, zwei Stühle, ein Samowar. Aus seiner Hinterlassenschaft stammen einige Pfeifen, die auf seinen Opiumkonsum schließen lassen. Den einzigen Luxus in seinem Wohnumfeld bildet ein dem Garten zugewandter Wintergarten.

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135: Jože Plečnik mit seinem Hund Sivka, ca. 1935. Repro eines Fotos im Plečnik-Haus-Museum in Ljubljana.

Blickt man sich in seinem Haus um, das heute als Museum zugänglich ist, so wird man an Plečniks Anfänge als Tischler und Möbeldesigner erinnert (Abb. 137a), besonders aber fallen antike Artefakte auf ebenso wie religiöse Objekte. Plečnik war der klassischen Antike besonders zugetan, die sich sowohl in Modellen in seinem Atelier als auch in dem von ihm geprägten Stadtbild wiederfindet. Unübersehbar folgen die beiden Kioske zu beiden Seiten der Drei Brücken einem idealisierten klassischen Tempelchen, das es freilich in der Antike so nie gegeben hat (Abb. 137b). Manche Architekturhistoriker ziehen sogar in Erwägung, Plečnik habe bei seiner Stadtplanung das antike Athen als Vorbild vor Augen gehabt. Doch war er weit davon entfernt, antike Formen zu kopieren, vielmehr setzte er sie frei zu immer neuen Kompositionen zusammen, wie an der großen Säule an der Nationalbibliothek zu studieren ist. Dort kombinierte er ein aus einer Art Eierstab geformtes Kapitell mit ionisch wirkenden Voluten. Plečnik war zudem ein ausgesprochen frommer Mensch, dem

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137a: Stühle nach Entwürfen von Jože Plečnik. Plečnik-Haus-Museum.

136: Modell der Erweiterung von Plečniks Wohnhaus. Ljubljana, Plečnik-Haus-Museum.

der Bau von Kirchen ein besonderes Anliegen war. Zudem hat er auch zahlreiche Vasa Sacra wie Abendmahlsgeräte, Patenen, Kreuze usw. entworfen (Abb. 138). So verrät das Haus einiges über seinen Bewohner, der allerdings als Architekt in keine Schublade passt. In den wenigen Jahren zwischen 1925 und dem Zweiten Weltkrieg ist es ihm gelungen, seiner Heimatstadt ihr ganz eigenes Gepräge zu geben. Bis kurz

137b: Kiosk an den Drei Brücken von Jože Plečnik.

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138: Eucharistischer Kelch nach einem Entwurf von Jože Plečnik. Plečnik-Haus-Museum.

vor seinem Tod hat er dann auch noch im sozialistischen Jugoslawien als Universitätslehrer gewirkt. An seinen fantastischen, nicht realisierten Projekten wird deutlich (Abb. 14, 15), dass er sich in seiner Exzentrik weit von der Realität entfernt hatte. Manche Architekten sind untrennbar mit bestimmten Bauten verbunden, und auch Plečnik hat ganz eigene und charakteristische Architekturen geschaffen, doch seine städtebauliche Vision galt der ganzen Stadt im Großen wie im Kleinen. Sein Hauptmotiv bei der Neugestaltung Ljubljanas war die

139: Schusterbrücke in Ljubljana nach Plänen von Jože Plečnik (Detail Abb. 199).

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140: Sitzbank, entworfen von Jože Plečnik. Plečnik-Haus-Museum.

konsequente Ausgestaltung und Verbindung der Wasserachse entlang der Ljubljanica und der Landachse zwischen dem Rožnik-Hügel und der Burg. Ihren Kreuzungspunkt hat Plečnik mit seinem vielleicht bekanntesten Bauwerk der Drei Brücken (Tromostovje) unverwechselbar markiert (Abb.  4, 41, 141: Türklinke an der Nationalbib198). Überhaupt galt den Brücken über liothek in Ljubljana. den Fluss seine besondere Aufmerksamkeit (Abb.  139). Ihnen und ihrer konsequenten Fortentwicklung in der Gegenwart ist deshalb am Schluss ein eigener Abschnitt gewidmet. Gleichermaßen ist nicht zu übersehen, dass sich bestimmte Formelemente in der ganzen Stadt finden. Dazu zählen die charakteristischen Leuchten, barock anmutenden Geländer und Balustraden sowie antikisierende

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Elemente, die überall in der ganzen Stadt auffallen. Selbst für die Sitzbänke hat Plečnik einen völlig eigenständigen Prototyp geschaffen (Abb. 140). Nichts scheint er dem Zufall überlassen zu haben, und seine Detailversessenheit schloss sogar die Türklinken an den von ihm entworfenen Bauten mit ein (Abb. 141). Plečniks Eingriffe in das Stadtbild werden mal als sensibel, mal als radikal bezeichnet, und vielleicht trifft beides zu. Er initiierte die Umgestaltung von Plätzen und scheute auch nicht zurück, Denkmäler zu versetzen und Fassaden neu zu gestalten. Ein besonderes Anliegen war ihm die Neuformierung des Kongressplatzes mit dem daneben liegenden Sternpark (Zvezda Park), um hier den monumentalen Ausgangspunkt für die Stadtlandschaft von Ljubljana zu schaffen. Den Kongressplatz pflasterte er mit einem schwarz abgesetzten Raster aus hellen Betonplatten, versetzte die Dreifaltigkeitssäule in die Achse zwischen Ursulinenkirche (Abb. 85a) und Philharmonie (Abb. 103a) und betonte sie zusätzlich durch eine Abfolge von Lampen (Abb. 142a). Damit erhielt zugleich die Kirche eine dominierende Rolle, die er durch eine neue Treppenanlage vor dem Hauptportal unterstrich. Auf dem bereits bestehenden Sternpark ersetzte er die Kastanienbäume durch Platanen, verengte die Wege und ließ durch den Bildhauer Boris Kobe einen neuen Brunnen gestalten. Eigentlich lassen sich seine Maßnahmen nur mit Hilfe von Luftbildern oder anhand historischer Fotos (Abb. 142b) in Gänze erkennen. Sein Anliegen, Räume und Plätze zu schaffen, ergänzte Plečnik durch die Anlage von Achsen, mit denen er symbolträchtige Orte miteinander verband. Als Querachse zur Wasserachse wurde bereits die Verbindung zwischen dem Rožnik Hügel bzw. dem Tivoli-Park und der Burg genannt, die quer durch die Stadt entlang der Cankarjeva cesta und der Čopova ulica, über den PrešerenPlatz sowie die Drei Brücken und den Stadtplatz führt. Dort sollte am Rathaus vorbei eine kaskadenartige Treppe zur Burg führen

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142a: Kongressplatz (Kongresni trg) in Ljubljana.

142b: Historische Postkarte mit Sternenpark und Kongressplatz, dahinter die Ursulinenkirche.

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143: Promenade zum Schloss Tivoli, gestaltet von Jože Plečnik.

(Abb. 14). Wurde dieses ambitionierte Vorhaben nicht realisiert, so immerhin die breite Promenade zum Schloss Tivoli am anderen Endpunkt der Achse (Abb. 143). Es kann auch die Vegova ulica genannt werden, die den geschichtsträchtigen Kongressplatz mit dem Platz der Französischen Revolution (Trg francoske revolucije) mit dem Denkmal der Illyrischen Provinzen verbindet (Abb.  24). Plečnik konzipierte diese Straße als Kulturallee, die entlang der Musikakademie (Glasbena matica) parkähnlichen Charakter annimmt, wo die Grünfläche als von einer Mauer begrenzte Terrasse gestaltet ist. Hier stehen Stelen mit den Büsten slowenischer Musiker im Verbund mit Ahornbäumen (Abb. 144). Es ist bestimmt kein Zufall, dass Plečnik gerade diese Achse als Kulturallee wählte, denn die Vegagasse verläuft entlang der ehem. östlichen Stadtmauer der Römerstadt Emona, deren Sichtbarmachung sein städtebauliches Konzept mitbestimmte.

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Sichtbar ist die römische Stadtmauer in ihrem südlichen Verlauf (Abb. 53a), die Plečnik wieder herstellen ließ. Sein unkonventioneller Geist wird dort sichtbar, wo er das römische Stadttor nicht nur rekonstruieren, sondern mit einer völlig unrömischen Pyramide überhöhen ließ (Abb. 145). Ihm ging es nicht um Originales, sondern eher um Originalität. Überhaupt zählten Pyramiden zu seinen Lieblingsmotiven, die an mehreren Stellen der Stadt wiederkehren, z. B. in Gestalt der sog. Zois-Pyramide (Abb.  146) zu Ehren des Gelehrten und Unter- 144: Denkmäler slowenischer Musiker auf der terrassenartigen Grünanlage nehmers Sigmund Zois von Edelentlang der Vegova ulica. stein in der Zoisstraße oder am südlichen Zugang zum Križanke-Komplex (Abb.  147). Vier Pyramiden säumen das Geländer der Trnovo-Brücke (Abb.  148). Pyramiden entsprachen seinem Hang zur Antike, obwohl man sie im römischen Ljubljana keineswegs finden würde. Aber Plečnik mag die Cestius-Pyramide in Rom vor Augen gehabt haben, und es fiel ihm nicht schwer, sie nach Ljubljana zu importieren, wenn auch in einem verkleinerten Maßstab. Die bisher genannten Beispiele lassen bereits erkennen, dass sich Plečniks Schaffen weder auf bestimmte Genres noch auf einen bestimmten Stil eingrenzen lässt. Seine Herangehensweise an Konzepte und Architekturen war derart unkonventionell, dass er als Architekt der Moderne lange kaum beachtet wurde. Internationale Aufmerksamkeit fand er erst 1983 in einer Ausstellung

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145: Römisches Stadttor an der südlichen Stadtmauer von Emona, restauriert und umgeformt von Jože Plečnik.

im Museum of Modern Art in Oxford89 und bei einer Präsentation 1986 im Centre Pompidou in Paris90. Heute wird Plečnik allgemein der Moderne zugerechnet, freilich – wie es der Architekturtheoretiker und Stadtforscher Tomáš Valena ausdrückt – nicht dem Mainstream der klassischen Moderne, sondern einer höchst individuellen, von den Zwängen der Manifeste unabhängigen Seitenlinie. Innerhalb dieser alternativen Moderne befinde er sich in Gesellschaft von Erik Gunnar Asplund, Alvar Aalto, Josef Frank, Dimitris Pikionis, Hans Döllgast, Antoni Gaudí und anderen, diesen nicht formal ähnlich, sondern geistesverwandt,91 was aber nichts anderes bedeutet, als dass sich Plečniks Werk einer Kategorisierung entzieht. Man muss sich etwas eingelesen haben, um an seinen Eingriffen in die Stadtgestaltung oder an seinen Bauten seine Handschrift zu erkennen. Doch wer sich einmal mit seiner Formensprache vertraut gemacht hat, entdeckt Plečnik an allen Ecken und Enden, vor allem an den un-

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146: Denkmal für den Gelehrten und Unternehmer Sigmund Zois von Edelstein in Form einer Pyramide (Zoisova cesta).

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147: Südlicher Eingang zum KrižankeKomplex.

verwechselbaren grünen Bänken (Abb. 140) und den stets wiederkehrenden Lampen (Abb. 41, 199), Säulen (Abb. 139, 143) und Pyramiden (Abb. 145–148, 200), die oft genug scheinbar unmotiviert herumstehen. Die Einbettung der Architektur in stadträumliche Bezüge spielte im Denken von Jože Plečnik eine entscheidende Rolle. Am liebsten plante er ganze Komplexe, wofür exemplarisch sein Markt (Tržnice) stehen kann, den er nicht wie üblich als überdachte Halle, sondern landseitig als tempelartige Promenade entlang dem Flussufer zwischen den Drei Brücken (Tromostovje) und der Drachenbrücke (Zmajski most) konzipierte (Abb. 149a). Ihr antikisierendes Erscheinungsbild wurde zu Beginn der Reihe der Marktgebäude durch einen Blumenladen (heute Kiosk) unterstrichen, den Plečnik nach palladianischem Vorbild als Tempel

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148: Trnovo-Brücke mit Pyramiden und Johannes-Statue.

im Tempel entwarf (Abb. 137c). Ein völlig anderes Bild bietet die scharfe Kante des Marktes auf der Uferseite (Abb. 149b), deren scheinbar abweisende Fassade nach Plečniks Plänen allerdings mittels einer Brücke mit dem gegenüberliegenden Ufer hätte verbunden werden sollen. Im Zentrum des Marktes hatte er eine überdachte Brücke vorgesehen, die als einzigartige Stadtloggia über den Fluss fungieren sollte (Abb. 201). Ihre Realisierung verhinderte allerdings der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, und seine Idee wurde erst 2010 durch die Errichtung der Fleischerbrücke vollendet (Abb. 7; 203). Man kann die Komposition des Marktes, an den sich noch das neue Rathaus hätte anschließen sollen, durchaus als Plečniks Unvollendete bezeichnen. Unweit des Marktes und nahe bei der Drachenbrücke steht ein Gebäude, das man möglicherweise gar nicht besonders wahrnimmt und allenfalls für ein Pastiche halten könnte, zusammengesetzt aus Werken verschiedener Herkunft. Die asymmetrische Fassade des über einem dreieckigen Grundriss errichteten Hauses besitzt im Erdgeschoss und im ersten Stock unverkennbar Elemente der Renaissance. Die darüber liegenden Stockwerke

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wirken wie nachträglich aufgesetzt und münden an der schmalen Giebelseite in einen großzügig verglasten Wintergarten (Abb. 150). In dieser architektonischen Kühnheit offenbart sich gleichermaßen die stilistische Unbekümmertheit und individuelle Genialität von Jože Plečnik, der mit diesem eigenwillig zugeschnittenen Grundstück umzugehen wusste, und einen markanten Eckpunkt setzte. Für die ungewöhnliche Form des Hauses hatte der Volksmund bald den Ausdruck Bügeleisen (Peglezen) gefunden.

149a: Landseitige Kolonnade des Zentralmarktes.

149b: Uferseitige Ansicht des Zentralmarktes.

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Ganz anders präsentiert sich die 1936–1941 errichtete Nationalbibliothek mit ihrer glatten Ziegeloberfläche, die von rustikalen Steinlagen unterbrochen und plastisch belebt wird. Akzentuiert wird die Fassade zusätzlich durch die dreieckig vorkragenden Fenster in den oberen Geschossen. Das Ganze wirkt wie ein Palast aus dem Phantasialand, wobei die Assoziation mit einem Palast durchaus gewollt ist, denn die Bibliothek steht anstelle eines Herzogspalastes, der sich vor150: Im Auftrag des Direktors des städtiher an dieser Stelle erhoben schen Bauamtes Matko Prelovšek 1933/34 hat. Von ihm und aus dem alten errichtetes Haus am Anfang der Poljanska Emona stammen auch die in cesta, sog. Bügeleisen (Peglezen). die Fassade eingefügten Steine (Abb.  151). Dabei hatte Plečnik keinen neuen Palast entworfen, sondern einen Tempel des Wissens, dem man nur mit Ehrfurcht begegnet. Entsprechend gelangt man nach dem Eingang über eine Treppe vom Dunkel ins Licht, das vom Eingang zum Lesesaal ausgeht. Die Treppe und die monumentale Eingangshalle werden von einem schwarzen Kalkstein dominiert, der Marmor sehr ähnlichsieht. Der Stein wurde im slowenischen Podpeč gebrochen, galt regelrecht als nationales Symbol und wurde von Plečnik in diesem Sinne verwendet, wie er überhaupt bestrebt war, in seinen Architekturen heimatliche Bezüge herzustellen. Seiner religiösen Einstellung dagegen ist es zuzuschreiben, dass er über dem Nebeneingang eine Mose-Statue des Bildhauers Lojze Dolinar plat-

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151: Östliche Fassade der Nationalbibliothek in Ljubljana mit der Statue des Mose vor dem Eingang.

zierte. Auf seine bis zu den Türgriffen reichende Detailverliebtheit wurde bereits hingewiesen (Abb. 141). Der Nationalbibliothek optisch am nächsten kommt das große, 1928–1930 errichtete Verwaltungsgebäude, das Plečnik in der Nähe des Bahnhofs für die Versicherung auf Gegenseitigkeit entworfen hatte. Die Ecke des spitz zulaufenden Baus ist abgeflacht, um den nicht vorhandenen rechten Winkel zu kaschieren (Abb. 152). Die rote, durch Halbsäulen gegliederte Ziegelfassade, die sich über der hellen Sockelzone von Erdgeschoss und erstem Stock erhebt, wird ihrerseits durch helle Bänder und Balustraden akzentuiert. Entlang der Dachgesimse reihen sich zwei Streifen mit Frauengestalten, die durch Bänder miteinander verbunden sind und die von der Versicherung verheißene Solidarität ausdrücken sollen. Die Detailverliebtheit des Architekten zeigt sich einmal mehr in der aus einem Blätterkelch ra-

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152: Verwaltungsgebäude der Versicherung auf Gegenseitigkeit.

153: Schulgebäude für die Nonnen des Ursulinenklosters.

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154: Eingang zur Handels-, Handwerks- und Industriekammer.

genden, antik anmutenden Vase mit den eingravierten Worten DEO GRATIAS. Bei der Betrachtung des gut zehn Jahre später entstandenen Schulgebäudes für die Nonnen des Ursulinenklosters kann man dann die Frage stellen, ob es sich der Variabilität des Meisters oder seiner Fortentwicklung verdankt (Abb. 153). Seine optische Erscheinung ist von den beiden vorgenannten Bauten völlig unterschieden. Die Fensterlaibungen sind halbrund, doch geblieben sind die horizontalen Gliederungen und die Profilierungen der Fenster. Plečnik hatte das Gebäude funktional so konzipiert, dass sich alle Klassenzimmer auf der Südseite in Richtung Garten befanden, während an der nach Norden gerichteten Hauptfassade nur Büroräume und die große Lobby für verschiedene Veranstaltungen und andere Aktivitäten zu liegen kamen. Immer war ihm zum Wohl der Menschen an der Einbindung der Natur gelegen. Für viele Bauten von Jože Plečnik ist das Wissen um seine Urhe-

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155a: Straßenseitige Fassade der Kirche zum Heiligen Franz von Assisi in Ljubljana.

berschaft unumgänglich, um sie ihm zuordnen zu können, denn er hat in seinem Schaffen quasi alle Stilepochen durchgespielt. Das gilt exemplarisch für das von ihm geplante, 1927/28 errichtete Gebäude für die Handels-, Handwerks- und Industriekammer in der Beethovenstraße, das man ohne weiteres der (Neo-)Renaissance zuordnen würde mit seinem Rustika-Erdgeschoss und den Giebeln oder Segmentbögen über den Fenstern (Abb. 154). Plečnik ist Vielfalt. Sie zeigt sich nicht minder in seinen Kirchenbauten, die ihm ein besonderes Herzensanliegen waren. Schon vor seiner Rückkehr nach Ljubljana hatte er in Wien mit seinen Sakralbauten Aufsehen erregt, mit der Heilig-Geist-Kirche aus den Jahren 1911–13 und mit der Karmeliterkirche zur Heiligen Familie von 1915. In Ljubljana entwarf er die Pläne für zwei

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155b: Rückseite der Kirche zum Heiligen Franz von Assisi mit Turm. 155c: Detail einer Lampe im Außenbereich der Kirche zum Heiligen Franz von Assisi.

Kirchen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Beide stehen außerhalb des Stadtzentrums, weshalb Plečnik vielleicht noch freier agieren konnte. Die Franziskaner hatten ihm den Auftrag für die Kirche zum Heiligen Franz von Assisi erteilt, mit deren Bau 1925 begonnen wurde. Ihre Front wirkt in neoklassizistischer Manier wie eine Tempelfassade durchsetzt von barocken Fensterelementen (Abb. 155a). Den Haupteingang flankieren mächtige Säulen, auf deren ägyptisierenden Kapitellen das Symbolbild der Franziskaner zu sehen ist, die vor einem Kreuz sich kreuzenden Arme von Jesus und Franziskus. Darüber steht in einem Sprenggiebel die Statue des Heiligen Franziskus. 1931 wurde dem Kirchengebäude ein Glockenturm mit Säulenreihen in den oberen Etagen hinzugefügt, über denen sich das spitz zulaufende Turmdach erhebt (Abb.  155b). Wie sonst auch achtete Plečnik auf Details wie Türklinken und Lampenkörper (Abb. 155c). Der

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156: Kirche St. Michael im Laibacher Moor.

quadratische, mit Säulen umstandene Kirchenraum erhält ähnlich einer frühchristlichen Basilika sein Licht durch obenliegende Fenster, zwischen denen sich Bilder von Heiligen befinden. An der Ostwand steht in der Blickachse der Tabernakel, während der Tischaltar weit in den Laienraum vorgerückt und in einer rechteckigen U-Form von den Kirchenbänken eingeschlossen ist. Es war das Bestreben des Architekten, die Gemeinde möglichst nahe und geschlossen an den Ort des Sakramentes heranzuführen. Man kann in dieser Anordnung durchaus ein kirchendemokratisches Anliegen sehen, wie es allgemeinverbindlich erst gut drei Jahrzehnte später auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil festgelegt wurde. Noch konsequenter verfolgte Plečnik sein liturgisches Anliegen beim Bau der Kirche St. Michael im Laibacher Moor, die er

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als Querkirche errichtete (Abb. 156). Überhaupt ist diese in den Jahren 1937–40 erbaute Kirche eines seiner originärsten Werke. Auf morastigem Untergrund stehend ruht ihr Fundament auf zahllosen Pfählen, und sie trägt diesem Umstand optisch Rechnung, indem sich der Kirchenraum über dem quasi als Fundament dienenden Erdgeschoss erhebt und nur über eine von Säulen gesäumte Freitreppe zugänglich ist. Dabei führt der Weg ins Innere der Kirche durch einen offenen Glockenträger, der einem Campanile ähnelt. Konträr zu diesem italienisch anmutenden Element folgt die Natursteinbauweise der im slowenischen Karst üblichen Tradition. Das Innere wiederum ist ganz aus Holz gefertigt und erinnert an ein slowenisches Bauernhaus. Wie in der Franziskuskirche ist ein Tischaltar nahe an die Gemeinde gerückt. Zuletzt hat es Plečnik nicht versäumt, vor die Kirche ein antik anmutende Säule zu stellen, an der vorbei der Blick über das geschichtsträchtige Moor schweift, dorthin, wo die Anfänge der Stadt liegen. Sein umfassendstes religiöses Projekt galt allerdings dem bereits 1906 eröffneten Hauptfriedhof der Stadt im Stadtteil Bežigrad, dem Žale Friedhof. Zwischen 1936 und 1942 wurde Plečniks Plan des Aussegnungsbereiches realisiert, den er im Sinne eines Allerheiligengartens gestaltete. Sein markantes Erscheinungsbild ist die antikisierende, zweigeschossige Peristylhalle, welche die Stadt der Lebenden von der Stadt der Toten trennt, die Polis von der Nekropolis (Abb. 157a). Sie wird bekrönt von einer den Menschen, den Trauernden zugewandten Christusfigur, welche die Hände im Segensgestus ausbreitet und in der Linken ein Buch hält. Dahinter sind im Allerheiligengarten unregelmäßig 14 Aussegnungskapellen angeordnet, die den häufigsten Namenspatronen und den Pfarrheiligen der Stadt geweiht sind. Diese intimen, stilistisch höchst unterschiedlich gestalteten Kapellen (Abb. 157b) sind der familiären Abschiednahme von den

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157a: Eingang zum Friedhof Žale im Stadtteil Bežigrad.

157b: Eine der Abschiedskapellen im Allerheiligengarten im Friedhof Žale.

Verstorbenen vorbehalten, ehe sie zur zentralen Gebetsstäte gebracht werden, wo sie zunächst unter einem Baldachin aufgebahrt werden. Die Trauerhalle selbst wirkt spartanisch mit einem kontrastreichen, monumentalen Altarbereich (Abb.  157c). Fällt bereits bei der Betrachtung der Trauerhalle erneut die Detailversessenheit von Plečnik auf, wenn er sie mit antikisierenden Säulen umgibt, so findet sie eine ungewohnte Fortsetzung in der Fassadengestaltung der Werkstatt der Sargmacher. Das nicht öffentliche und eigentlich rein zweckmäßige Gebäude besitzt ein

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ungewöhnliches Gewand, wenn die Zwischenräume zwischen den Fenstern mit schwarz-weißen Klinkertapeten versehen sind, über denen sich gobelinartig ein Fries von Christusszenen befindet, welche die Bestattung als Werk der christlichen Barmherzigkeit charakterisieren (Abb. 157d). Plečniks Ljubljana sei – um noch einmal Tomáš Valena zu zitieren – „ein singuläres städtebauliches Phänomen – nicht nur im 20.  Jahrhundert, sondern auch in der gesamten Stadtbaugeschichte, wenn wir die Dichte der Eingriffe und die Größe des betroffenen

157c: Inneres der Trauerhalle auf dem Friedhof Žale.

157d: Detail von der Fassade der Werkstatt der Sargmacher auf dem Friedhof Žale.

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Stadtgebiets berücksichtigen. Nirgends sonst konnte ein einzelner Architekt eine ganze Innenstadt nach einer einheitlichen Konzeption umformen und ihr seine individuelle Handschrift aufprägen.“92 Gleichwohl bleibt es schwierig, diese Einmaligkeit mit wenigen Worten zu beschreiben. Auf der eingangs schon erwähnten Tentativliste zum UNESCO Weltkulturerbe war es folgendermaßen zusammengefasst: The timeless, humanistic architecture of Jože Plečnik – Plečniks Schaffen sei zeitlos und humanistisch. Die Zeitlosigkeit mag man darin sehen, dass Plečnik die verschiedensten zeitgebundenen Stilelemente von der Antike bis zum Klassizismus neu erfindet, kombiniert und verfremdet. Seine Moderne scheint aus einer anderen Zeit zu stammen. Noch schwieriger ist das Humanistische in seinem Werk zu fassen. Es ist weder philosophisch noch religiös zu verstehen, am ehesten im Sinne von human, dem Menschen zugewandt. Verständlich wird dieser Ansatz vielleicht, wenn er die Stadt und ihre Menschen an den neu regulierten Fluss heranführt, dort Promenaden zum Flanieren schafft und die Stadt zu einem Erlebnis- und Bildungsraum werden lässt. In der Sichtbarmachung des antiken Emona evoziert er das kollektive Bewusstsein einer tief in der Geschichte verankerten Identität, mit seiner Kulturachse in der Vegagasse betont er die Notwendigkeit von Bildung, Wissen und Solidarität. Als Architekt plante er hauptsächlich Gebäude, die diesem Ziel dienten: Schulen, die Nationalbibliothek oder die Versicherung auf Gegenseitigkeit. Vieles, was Plečnik geschaffen hat, wirkt planvoll, bisweilen gemischt mit einer gehörigen Portion Eigensinn,93 der zuletzt in utopischen Projekten gipfelte, die weder finanziell zu stemmen waren, noch in die neue Zeit passten (Abb.  14; 15). Nicht wenige seiner Visionen waren einfach zu fantastisch und zu groß, als dass sie hätten umgesetzt werden können. Plečnik hatte wie vor ihm Fabiani 1929 Pläne für die Weiterentwicklung der Stadt

Belgrad und die Anfänge der Neuen Zeit

entworfen, die vor allem die Erweiterung der Stadt nach Norden und einen Entwurf für ein Velike Ljubljana, ein Groß Ljubljana umfassten.94 Umgesetzt wurden sie zumindest in diesem Umfang nicht. Trotzdem: Er war ein Macher, der realisierte, was ging, ggf. auch rücksichtslos historische Gegebenheiten und Zusammenhänge negierte bzw. sie seinem Willen unterwarf. Immerhin galt sein Streben nicht weniger als einer architectura perennis, einer Architektur für die Ewigkeit. Mit diesen Worten hatte sie der Kunsthistoriker und Chefkonservator der Stadt, Franc Stele, bezeichnet.95 Plečniks ungetrübtes Selbstbewusstsein führte schließlich zum Bruch mit seinem besten Schüler und Mitarbeiter, als nicht er, sondern Edvard Ravnikar den Zuschlag für den Bau der Modernen Galerie erhielt. Aber alles, was die Persönlichkeit von Jože Plečnik ausmachte, hat zu dem geführt, was heute als Plečniks Ljubljana Berühmtheit erlangt hat.

Belgrad und die Anfänge der Neuen Zeit

Plečniks Schaffen und sein individueller Stil konnten sich anscheinend unabhängig von den Belgrader Zentralisierungsbestrebungen entfalten. Überhaupt waren die neuen Machtverhältnisse in Ljubljana zunächst nur an wenigen Stellen sichtbar. Lediglich die 1920 vor dem Eingang zum Rathaus errichtete Reiterstatue für König Peter  I. war eine Ausnahme. Während dieses Denkmal längst wieder entfernt ist, so blieb als Zeichen der neuen Zeit die serbisch-orthodoxe, den Heiligen Kyrill und Method geweihte Kirche bestehen. Kurz nach Errichtung des Königreiches war 1920 die Metropolie von Zagreb und Ljubljana gegründet worden, und es gab wohl in Ljubljana nun auch orthodoxe Christen. Ihre Kirche wurde in den Jahren 1932 bis 1936 nach Plänen von Momir Korunović gebaut, einem der renom-

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miertesten Vertreter der neobyzantinischen Architektur. Dementsprechend handelt es sich in Ljubljana um eine traditionelle Kreuzkuppelkirche mit fünf Kuppeln (Abb.  158), die durchaus einen Hauch von Exotik verströmt in einer Stadt, die sonst von katholischen Barockkirchen mitgeprägt wird. Erst recht verstärkt sich der exotische Charakter nach dem Betreten des Innenraums, der im Sinne orthodoxer Bildsprache vollständig mit ebenfalls byzantinisieren158: Orthodoxe Kirche zu den Heiligen den Fresken ausgemalt ist. Sie Kyrill und Method in Ljubljana. stammen von den serbischen Malern Dragomir Jašović und Mišo Mladenović. Für die Ikonostase hingegen zeichnete der in Ljubljana geborene slowenische Maler und Restaurator Mirko Šubic verantwortlich, von dessen Bruder Vladimir die Pläne für den Nebotičnik stammen. Eben dieser Wolkenkratzer (Abb.  130), errichtet 1933, mag allerdings verdeutlichen, dass Plečniks stilpluralistische Denkund Arbeitsweise durch eine sachlich-strukturierte Architektur Konkurrenz erhielt. Das pragmatische Herangehen von Vladimir Šubic zeigt sich nicht nur in der schnörkellosen Fassade des Nebotičnik, sondern ebenso an dem 1926 entstandenen Wohnungskomplex Mexiko (Meksika) an der Njegoševa cesta (Abb.  159) oder am 1928 errichteten Gebäude der Arbeiterkammer (Palača Delavske zbornice) in der Miklošičeva cesta

Belgrad und die Anfänge der Neuen Zeit

159: Der Wohnkomplex Meksika, entworfen von Vladimir Šubic, 1926 (Njegoševa cesta 6).

160: Das Gebäude der Arbeiterkammer, entworfen von Vladimir Šubic, 1928 (Miklošičeva cesta).

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(Abb. 160). Diese Bauwerke besitzen zwar immer noch dekorative Elemente, doch bleiben sie deutlich hinter Plečniks Fantasiereichtum zurück und nehmen praktisch die nüchterne sozialistische Architektur vorweg. Meksika wurde der Wohnkomplex nach dem Sammelplatz für Soldaten genannt, die für Kaiser Maximilian in Mexiko in den Krieg gezogen waren, und ist das erste Beispiel für kollektives Wohnen in Ljubljana, das als Reaktion auf die anhaltende Wohnungsnot in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg von der Gemeinde Ljubljana gebaut worden war. Vladimir Šubic entwarf das Gebäude nach dem Vorbild des Wiener Sozialwohnungsbaus. 82 Wohneinheiten mit minimalem Standard gruppieren sich um den zentralen Innenhof mit einem großen Brunnen, der in der Mitte einen Obelisken trägt. Da die Wohnungen keine Badezimmer hatten, standen ein öffentliches Bad und eine Waschküche im Erdgeschoss zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. Trotzdem erweckt das Gebäude den Eindruck eines monolithischen und mächtigen Wohnpalastes, so dass der Eindruck eines majestätischen Residenzschlosses entsteht. Entsprechend entbehrt der Komplex auch nicht der dekorativen Elemente. Das Eingangsportal flankieren die Statuen einer Frau und eines Mannes (Mutter und Vater?) des Bildhauers Lojze Dolinar. Im Gewölbe der Eingangshalle hat Rihard Jakopič 1927/28 sechs Wandmalereien in Temperatechnik ausgeführt, die jeweils ca. 2x3 m groß sind. Sie schildern an der Nordwand des Bogens Sämann, Baumeister und Familie sowie kontrastierend an der Südwand gegenüber Obdachlosigkeit, Migration und Arbeit, und sie erscheinen wie ein Vorgriff auf die sozialistische Zeit. Das ebenfalls nach den Plänen des Architekten Vladimir Šubic errichtete Gebäude der Arbeiterkammer (Abb.  160) mit seiner klassischen dreiteiligen Fassade ist nicht weniger schlicht und gleichsam repräsentativ. Die Portale werden von Atlanten

Belgrad und die Anfänge der Neuen Zeit

gestützt, und auf dem Dach stehen sieben Personifikationen der Arbeits- und Industriezweige, ebenfalls Werke des Bildhauers Lojze Dolinar. In dieser architektonischen Kontroverse zwischen historischem Eklektizismus und strenger Sachlichkeit musste Plečnik beim Bau der Modernen Galerie eine bittere Niederlage gegen seinen besten Schüler Edvard Ravnikar hinnehmen. Ravnikar war zugleich Schüler und Mitarbeiter bei Jože Plečnik, als der Meister 1936 den Auftrag zum Bau der Modernen Galerie in Ljubljana erhielt. Sein Auftraggeber, der Kunsthistoriker Izidor Cankar, verband damit den Wunsch, Plečnik möge seinen jungen Mitarbeiter Ravnikar als Entwurfsarchitekten ins Planungsteam einbeziehen. Gleichwohl ließ es sich der Altmeister nicht nehmen, selbst die Planung vorzunehmen. So entstanden in den folgenden Jahren Ideen und Skizzen von beiden, doch erhielt nicht Plečniks Idee den Zuschlag, sondern Ravnikar hatte sich mit einer ebenso funktionalen wie kostengünstigen Variante durchgesetzt. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhinderte zunächst die Ausführung, die erst in den frühen 1950er Jahren realisiert wurde. Ravnikar hatte ein Gebäude von schlichter Eleganz entworfen und ihm mit seinem strengen baldachinartigen Vorbau zugleich eine repräsentative Note verliehen (Abb.  161). Erst bei genauem Hinsehen lässt die detailreich strukturierte Fassade erkennen, dass Ravnikar der Schüler Plečniks war. Dabei war die Moderne Galerie nicht nur richtungsweisend für die Nachkriegszeit, sondern zugleich der Start für Ravnikars kometenhafte Karriere im sozialistischen Jugoslawien. Er sollte nun wie einst Plečnik das Bild der Stadt prägen. Der Altmeister hingegen hatte seinen Zenit überschritten und passte als ebenso konservativer wie religiöser Mensch nicht mehr in die Zeit. „Vor allem nach dem Zweitem Weltkrieg [galt er als] unmoderne, wenn nicht explizit retardierte bzw. regressive Erscheinung.“96 Er

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161: Fassade mit Haupteingang der Modernen Galerie, entworfen von Edvard Ravnikar.

blieb zwar noch bis kurz vor seinem Tod 1957 Hochschullehrer, doch verwirklichte er außer dem Denkmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs nur noch ein größeres Projekt. In den Jahren 1952–1956 verwandelte er das ehemalige Kloster des Deutschen Ordens aus dem 13. Jahrhundert in einen der zentralen Kulturschauplätze der Stadt und schuf das Freilichttheater Križanke. Dabei griff er noch einmal in seinen stilistischen Baukasten und nahm sich die Renaissance zum Vorbild. Glanzstück ist der von Loggien gesäumte Innenhof, den man kaum ins 20. Jahrhundert datieren möchte (Abb.  162). Die Dekorationen ahmen die alte Sgraffito-Technik nach, wie sie im 16. Jahrhundert in Italien beliebt war und sich von dort über weite Teile Europas verbreitete. An die ursprünglich religiöse Funktion dieses Ortes mit der barocken Kirche erinnern die Plastiken von Christus und Maria. Die neue Zentralgewalt in Belgrad, die seit 1945 nicht mehr vom König, sondern vom Ministerpräsidenten der Volksrepublik

Belgrad und die Anfänge der Neuen Zeit

162: Sog. Höllenhof im Freilichttheater Križanke.

Jugoslawien Josip Broz, genannt Tito, und der Kommunistischen Partei ausging, hatte wohl noch keine Einwendungen gegen den Umbau eines Klosters in ein Theater, doch anders sah es mit den Plänen Plečniks aus, die Burg über Ljubljana zu schleifen und statt ihrer das Slowenische Parlament wie einen königlichen Gral zu errichten (Abb.  14). Eine solche Selbstdarstellung slowenischen Nationalbewusstseins stieß nicht auf Gegenliebe und blieb die Vision eines alten Mannes. Zwar sah das neue föderale Prinzip auch im sozialistischen Jugoslawien regionale Parlamente der Teilstaaten vor, doch hatte man dazu eigene Vorstellungen. Die Burg als Symbol ehemals feudalistischer Strukturen konnte es nicht sein, stattdessen sollte die Stadt an sich ein neues Gewand anlegen. Auch der Kongressplatz mit dem alten Landtag schien dafür nicht geeignet, aber Raum war dort vorhanden, wo

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163a: Haus des Slowenischen Parlaments in Ljubljana.

sich die Gärten des Ursulinenklosters befanden. Dort entstand zwischen 1962 und 1982 das neue politische und ökonomische Zentrum, wesentlich geplant von Edvard Ravnikar, doch der erste Schritt war das neue Parlamentsgebäude, das zwischen 1954 und 1959 nach Plänen von Vinko Glanz errichtet wurde, einem der vielen Schüler von Jože Plečnik. Das erlaubt die Anmerkung, dass der Altmeister nach dem Zweiten Weltkrieg zwar als Person an Einfluss verloren, aber doch eine nachfolgende Generation an Architekten geprägt hat. Glanz war seit 1953 Baurat im Exekutivrat der Sozialistischen Republik Slowenien. Sein Gebäude der Slowenischen Volksversammlung drückt gemeinsam mit den zahlreich entstandenen Denkmälern die neue sozialistische Doktrin von einem Staatsgefüge aus, in dem die Werktätigen und die Bauern das Fundament der Gesellschaft legen (Abb. 163a). Mag man bereits in Ravnikars Moderner Galerie zumindest Anklänge eines sozialistischen Klassizismus sehen, der ab den 1930er Jahren der offizielle Kunststil in der Sowjetunion war, so

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163b: Eingang zum Slowenischen Parlament mit Plastiken im Stil des sozialistischen Realismus.

tendiert auch das Gebäude der Slowenischen Volksversammlung dorthin. Zwar neigt die strenge Architektur des vierstöckigen Würfels schon zur sozialistischen Moderne, doch die betonte Eingangssituation folgt konsequent den Vorgaben eines sozialistischen Realismus, in dem Themen aus dem Arbeitsleben und der Technik des sozialistischen Alltags in den Vordergrund gerückt werden (Abb.  163b). Männer und Frauen, unbekleidet und mit

163c: Werktätige. Detail vom Eingang zum Slowenischen Parlament.

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idealem Körperbau, formieren sich mit ihren charakteristischen Arbeitsgeräten zur Gesellschaft der Werktätigen, an der gleichfalls die Kinder Anteil haben (Abb. 163c). Geschaffen wurden die Plastiken von den slowenischen Bildhauern Zdenko Kalin und Karel Putrih. Schärfer als zur romantisch-religiösen Auffassung, die Plečnik noch kurz zuvor bei der Gestaltung des Sommertheaters Križanke zelebrierte, könnte der Kontrast nicht sein.

Die Überlegenheit des Sozialismus

Der Verbleib Sloweniens bei Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg war eigentlich selbstverständlich, gewissermaßen alternativlos und in weiten Teilen der Bevölkerung von einem revolutionären Enthusiasmus getragen. 1944 hatte sich Slowenien nach vier Jahren der Besatzung durch das faschistische Italien und der damit einhergehenden völligen Entrechtung ein zweites Mal für einen jugoslawischen Staat entschieden. Slowenien war nun Teilrepublik in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Die damit verbundene Erwartung eines hohen Maßes an staatlicher Eigenständigkeit erfüllte sich freilich angesichts des Belgrader Zentralismus nicht.97 Die Belgrader Zielsetzung, aus Jugoslawien ein sozialistisches Musterland der Werktätigen zu schaffen, war bereits an der eben skizzierten Ikonographie der Slowenischen Volksversammlung abzulesen, und diese Politik formte noch manche Denkmäler in Ljubljana. Der optimistisch gestimmte Aufbruch zu einem modernen Staat mit einer besseren Gesellschaftsordnung sollte entsprechend in der Umgestaltung der Stadt zum Ausdruck gebracht werden. Einfach umzusetzen war die Maßnahme, die urbane Achse, die heutige Slovenska cesta, in Titova cesta umzubenennen. In die bestehende, gewachsene Stadt konnte man allerdings

Die Überlegenheit des Sozialismus

nicht in der erforderlichen Weise eingreifen, weshalb man das politisch-ökumenisch-kulturelle Zentrum quasi an ihrem Rand neu formierte. Die Gärten hinter dem Ursulinenkloster waren dazu ausersehen, und die Errichtung eines Gebäudes für die Slowenische Volksversammlung der erste Schritt. Geplant war jedoch viel mehr, nämlich ein riesiger Platz mit einer umgebenden Infrastruktur, die Größe und Prosperität der neuen Gesellschaftsordnung zum Ausdruck bringen sollte. Das historische Ljubljana mit seinem Kongressplatz, den barocken Kirchen und den fabelhaften Architekturen der Jugendstil- und Plečnik-Zeit mussten dagegen wie eine Miniaturlandschaft wirken. Mit dieser architektonischen Zukunftsgestaltung wurde Edvard Ravnikar beauftragt, der bereits mit der Modernen Galerie seine Visitenkarte hinterlassen hatte (Abb. 161). Edvard Ravnikar, geboren 1907 in Novo Mesto, hatte kurz in Wien studiert, war aber hauptsächlich Schüler von Jože Plečnik, trennte sich von seinem Meister und ging schließlich eigene Wege. Zwischen seinen Entwürfen für die Moderne Galerie (die erst nach dem Krieg umgesetzt werden konnten) und seiner Beauftragung für die Gestaltung des Platzes der Revolution (heute Platz der Republik) lagen zwei entscheidende Jahre, als er 1938/39 Mitarbeiter bei Le Corbusier war und dessen architektonische Auffassung kennenlernte, die man als Brutalismus bezeichnet. Gemeint ist damit keine zerstörerische Brutalität im populären Sinn, sondern der Begriff steht für das Rohe, für béton brut, für unverputzten Formbeton mit sichtbaren Unebenheiten und Holzmaserungen der Schalung. „Brutal“ im Sinne von Le Corbusier war zudem die Idee vom Kahlschlag in den Städten, und vom Neuaufbau im neuen Geist. Ein solcher Kahlschlag durch kriegerische Bombardements hatte zwar in Ljubljana nicht stattgefunden, doch galt es auch hier im Sinne eines neuen Staates und einer neuen Gesellschaftsordnung wahrlich Neues zu gestalten. Ravnikar hatte dafür

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den entsprechenden Raum zugewiesen bekommen, um das neue Ljubljana zu bauen. Diese Mammutaufgabe bewältigte er in zwei Jahrzehnten zwischen 1962 und 1982. In durchaus vergleichbarer Weise wie Plečnik hatte Ravnikar die Stadtraumgestaltung übernommen. Das neue Zentrum bildete der Platz der Revolution mit seiner riesigen Plattform, die Kundgebungen und Aufmärsche erlaubte. Gegenüber dem Haus der Volksversammlung, aber in einem enormen 164: Blick auf die Hochhäuser T2 und T3. Abstand durch den Platz geIm Hintergrund das Parlamentsgebäude. trennt, setzte Ravnikar mit den Hochhäusern T2 und T3 die Ikonen der Moderne, die alles überragten, was bis dahin in Ljubljana gebaut worden war. Über dreieckigem Grundriss erheben sich die Zwillingstürme und bilden Körper im Raum. Sie ruhen jeweils auf einem Sockel aus Ziegelsteinmauerwerk und Beton, bestehen aus einem vorgefertigten Stahlbetonskelett und ihre Fassaden sind mit dünn geschnittenen Granitplatten, ihre expressiven, spitzen Aufsätze mit grün schimmerndem Kupfer verkleidet (Abb. 40, 164). Man kann schon sagen, dass hier das neue Ljubljana im neuen Jugoslawien Gestalt annahm. Bereits 1953 hatte sich der jugoslawische Staatschef Tito von der Sowjetunion ab- und dem Westen vorsichtig zugewandt, doch immer darauf bedacht, einen eigenen Weg zu gehen. Seine Architekten durften ins westliche Ausland reisen, und der

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165: Kaufhaus Maxi am Platz der Republik.

Konsum wurde nicht als kapitalistische Verirrung gebrandmarkt. Vielmehr bildet das gigantische Kaufhaus Maxi einen weiteren Schwerpunkt des Platzes an seiner Ostseite und als quergelagerter Koloss das horizontale Gegengewicht zu den hochaufragenden Türmen (Abb. 165). Der Konsumtempel ist so auf Pfeilern errichtet, dass im Untergeschoss eine Ladenpassage entstand, in der Teile von römischen Häusern konserviert sind, die bei den Baumaßnahmen zutage traten. An die Westseite des Platzes setzte Ravnikar das zwar unverzichtbare, im Vergleich zur Monumentalität des Raumes aber nahezu bescheidene Revolutionsdenkmal (Abb.  28). Die letzte Erweiterung des neuen Zentrums bildete 1982 das slowenische Kongress- und Kulturzentrum Cankarjev, benannt nach dem slowenischen Schriftsteller Ivan Cankar (Abb. 166a), das von jeder Seite aus betrachtet mit verschiedenen Perspektiven überrascht. Es bietet umfangreiche Raumprogramme für Theater, Kino, Konzert und Veranstaltungen. Um das Ge-

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166a: Kulturzentrum Cankarjev.

166b: Denkmal von Ivan Cankar vor dem Kulturzentrum Cankarjev.

bäude im Schatten der Hochhaustürme vergleichsweise niedrig zu halten, befinden sich die meisten Räume unter der Erde. Mit der Benennung des Kulturzentrums nach Ivan Cankar hatte man die alte Tradition aufgegriffen, die slowenische Nationalität über die slowenische Sprache zu definieren, als deren Exponenten den slowenischen Dichtern und Schriftstellern Denkmäler errichtet worden waren. So blieb es nicht allein bei der Benennung des Kulturzentrums nach dem bedeu-

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tendsten slowenischen Schriftsteller, sondern man errichtete ihm davor stehend ein zeitgemäßes Denkmal mit dem Porträt von Ivan Cankar (Abb. 166b). Auf diesem Platz wurde am 25.  Juni 1991 die Unabhängigkeit Sloweniens ausgerufen, doch der Platz blieb in seiner sozialistischen Prägung erhalten, aus Respekt vor der Geschichte, aus Respekt vor seinem Architekten, der zu seiner Zeit mit einem innovativen Raumkonzept das neue Zentrum Ljubljanas gestal- 167: Hochhaus Metalka, entworfen von tet hatte. Auch das slowenische Edo Mihevc 1960 (Dalmatinova ulica 2). Parlament blieb in dem Gebäude der slowenischen Volksversammlung beheimatet. Es zeichnet Ljubljana aus, dass jeweils das Neue das Alte nicht verdrängte, sondern neben ihm Platz fand. Deshalb fand die neue sozialistische Architektur innerhalb der Stadt nur einen begrenzten Bewegungsraum. Zu den Ausnahmen zählt das Metalka genannte, fünfzehnstöckige Hochhaus, das sein Architekt Edo Mihevc 1960 neben niedere Häuser aus den Dreißigerjahren gesetzt hatte (Abb. 44). Der schmale, hoch aufragende Bau auf rechteckigem Grundriss ist in eine metallische Fassade mit silbrig glänzenden Aluminiumpaneelen zwischen den Fenstern gekleidet (Abb. 167). Manche sehen darin eine Anleihe beim 1958 erbauten Seagram Building von Mies van der Rohe in New York und den gelungenen Anschluss der slowenischen Architektur an den Westen. Die vorgefertigten Aluminiumpaneele hatte der Industriedesigner und Aluminiumfachmann Branko Kraševac entworfen. Ein

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ähnlich anspruchsvolles Projekt war die Errichtung eines Hotels, das internationalen Ansprüchen gerecht werden musste. So wurde 1964 das ebenfalls fünfzehnstöckige Hotel Lev an der Peripherie der Stadt hinter der Evangelischen Kirche errichtet (Abb. 168). Ebenfalls an der Peripherie entwickelte Milan Mihelič den Masterplan Nördliches Stadttor am Ende der Slovenska cesta, der indes nur zum Teil umgesetzt wurde. Geplant waren zwei identische Zwillingstürme, die 168: Hotel Lev (Vošnjakova ulica 1). gewissermaßen das Entree zur Stadt zu beiden Seiten der Straße markieren sollten. Gebaut wurde jedoch nur der 60 Meter hohe Büroturm S2 mit einer Fassade aus getöntem Glas und Aluminium, die den voluminösen Bau fast schwerelos erscheinen lässt (Abb. 169). Die Errichtung der Hochhäuser auf Stelzen erfolgte in Ljubljana mehrfach, wodurch sich zugleich die Gelegenheit für monumentale Eingangssituationen ergab, und man glaubt sich fast an die Detailversessenheit eines Jože Plečnik erinnert. Einmal mehr zeigt sich beim Büroturm S2 das unverkrampfte Nebeneinander von Alt und Neu, als ihm 2017 ein 83 Meter hoher Hotelturm zur Seite gestellt wurde, wodurch zwar ein neues Ensemble entstand, aber der Blick auf das Bestehende erhalten blieb. Ljubljana prosperierte und zeigte dies, indem es architektonisch neue Kleider anlegte. Seine Einwohnerzahl war schon 1960 auf über hunderttausend gestiegen. Dies erforderte vor allem auch den

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Bau neuer Wohnungen. Sie waren mindestens genauso wichtig wie die öffentlichen Bauten, wobei sie den neu zu entwickelnden Vorstellungen ei­ner allgemeinen Verbesserung der Wohnsituation entsprechen sollten. Immerhin zählte dies zu den Erwartungen, die man an den Sozialismus herantrug. Edvard­Ravnikar widmete sich dieser Aufgabe genauso intensiv wie der Gestaltung des öffentlichen Raums. Am Rande der südlichen Altstadt und ziemlich exakt dort, wo sich das römische Forum ­befunden hatte, 169: Hochhaus S2 nach dem Masterplan errichtete er 1975 die Wohnanla- Nördliches Stadttor von Milan Mihelič ge Ferant-Garten (Ferantov vrt) (Slovenska cesta 57). mit einer Vielzahl von Wohnungen in sechs- bis zehnstöckigen Komplexen, die er um einen großen Innenhof gruppierte, unter dem er Parkgaragen ansiedelte (Abb. 170a). Die Gebäude in Stahlbetonskelettbauweise ruhen auf Stützen im Erdgeschoss. In den zurückspringenden verglasten Sockelgeschossen befinden sich die Gewerbeeinheiten wie Ladenlokale und Restaurants, welche in Verbindung mit dem Innenhof einen kommunikativen Raum bilden. Für die Bewohner sollte so ein attraktives Wohnumfeld geschaffen werden, im Sinne Ravnikars ein Gegenmodell zu den seelenlosen Plattenbauten, mit denen man in den meisten sozialistischen Staaten versuchte, die Wohnungsnot zu bekämpfen. Bei den Baumaßnahmen des Ferant-Garten waren Spuren des römischen Forums zutage getreten, darunter ein in seiner

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170a: Wohnanlage Ferant-Garten (Ferantov vrt).

170b: In die straßenseitige Fassade der Wohnanlage Ferant-Garten integrierte Rotunde aus spätantiker Zeit.

Funktion nicht geklärter Rundbau, den Ravnikar gewissermaßen in der Tradition von Jože Plečnik bewahrte und in der Fassade des Komplexes in einer Rekonstruktion sichtbar ließ (Abb. 170b). Der zylindrische Baukörper bildet einen Teil der Außenwand der Jakopič-Galerie, in der Ausstellungen zeitgenössischer Kunst gezeigt werden. Ravnikars modellhaft angelegtes Projekt Ferant-Garten fand in dem 1984 errichteten Wohnkomplex im Vorort Trnovo praktisch gegenüber von Plečniks Geburts- und Wohnhaus einen Nachfolger nach denselben Prinzipien (Abb. 171). Zu beiden Seiten des begrünten Innenhofs, unter dem sich die Garagen für die PKWs befinden, gruppieren sich mehrgeschossige Wohnanlagen, die sämtlich mit einem Balkon versehen sind. Wachsen konnte

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171: Wohnanlage im Stadtteil Trnovo.

Ljubljana jedoch hauptsächlich nach Norden, wo vor allem im Stadtteil Bežigrad zahlreiche Wohnungen entstanden, besonders in Nove Stožice mit futuristisch anmutenden Komplexen des Architekten Ilija Arnautović, einem Schüler von Ravnikar. Am bekanntesten ist sein 1967 realisierter Komplex BS3, der sich über die gewaltige Fläche von 800 mal 250 Metern erstreckt. Wie Raketen strecken sich die Hochhäuser mit ihren spitzen Giebeln in den Himmel (Abb. 172). Der Vergleich der beiden Wohnkomplexe Ferant-Garten und BS3 kann am ehesten verdeutlichen, mit welcher Experimentierfreude sich die Planer den Herausforderungen der neuen Zeit stellten. Es scheint, als wären dem Erfindungsgeist keine Grenzen gesetzt gewesen, und man experimentierte offensichtlich mit den Stilmitteln von Ost und West.

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172: Wohnkomplex BS3 im Stadtteil Bežigrad/Nove Stožice.

Kreativ und offen in viele Richtungen war der Schüler und Weggefährte von Ravnikar, der slowenische Architekt Stanko Kristl mit über 60 Bauten in ganz Slowenien. In Ljubljana schuf er 1956–59 das Apartmenthaus in Prule für akademische Mitarbeiter der Universität, zweckmäßig und funktional mit ganz zurückhaltendem Dekor an der Fassade. Bei dem 1968–1977 errichteten Universitätsklinikum in Ljubljana formte er die komplexen funktionalen Anforderungen der medizinischen Aktivitäten in eine ausgesprochen dynamische Architektur aus horizontalen Linien mit durchgehenden Fensterbändern. Es war zu seiner Zeit der größte und modernste Krankenhauskomplex im ehemaligen Jugoslawien und kann durchaus als bewusst gesetztes Zeichen seiner Fortschrittlichkeit verstanden werden, die sich von den Bruderrepubliken absetzt und gleichzeitig mit dem Westen Schritt halten kann. Der Aufschwung hatte in den 1950er Jahren begonnen, und es gab eine kontinuierliche Entwicklung bis in die 1980er Jahre.

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Abzulesen ist dies an einigen Gebäuden, die noch in die Kernstadt implementiert werden konnten. In der Slovenska cesta entwarf Emil Medvešček 1955 unweit des Nebotičnik ein Bürogebäude für die Genossenschaftszentrale des Baugewerbes mit einer sachlich strengen Fassade, deren Fensterflächen leicht hinter ein Raster aus vertikalen und horizontalen Natursteinbändern zurückgesetzt sind, wodurch eine ausgesprochen plastische Wirkung entsteht. Ausschließlich horizontal gegliedert ist hingegen das unweit gelegene Kozolec-Gebäude, das 1955/57 nach Plänen von Edo Mihevc entstand, und seine Verwandtschaft mit Le Corbusiers Unités d’Habitation nicht verleugnen kann, einer Art Wohnmaschine, die der französische Architekt im Kern schon 1925 vorgestellt hatte (Abb. 173). Im Kozolec-Gebäude war

173: Das Kozolec-Gebäude entwarf Edo Mihevc 1955/57 mit Stilmitteln der in Slowenien Kozolec genannten Harpfen (Slovenska cesta), siehe Abb. 108

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das Erdgeschoss mit den mächtigen Säulen für Geschäfte und das Zwischengeschoss ursprünglich für Clubs und Restaurants konzipiert. Seinen Namen verdankt das Gebäude mit seinen querverlaufenden Fensterachsen den für Westslowenien typischen Harpfen, Gestelle aus Holz mit senkrechten Pfosten und waagerechten Brettern zum Trocknen von Heu oder Getreide, die slowenisch kozolec genannt werden (Abb. 208). So knüpft das Gebäude, das als ein Musterbeispiel des slowenischen Modernismus gilt, bewusst an traditionelle Formen des Landes an. Darin findet der Wille, sozialistisches Bauen mit europäischen Formen und heimischen Elementen zu verbinden, seinen besonderen Ausdruck. Eine ähnliche Fassadenstruktur besitzt das 1958 bis 1961 erbaute Bürogebäude für die Tageszeitung Ljudska pravica, doch hinsichtlich seiner Farbgestaltung gelang Ravnikar ein Unikat, denn die gliedernden Querbänder leuchten in einem knalligen Gelb, was dem Gebäude den Namen Kanarienvogelhaus eingetragen hat (Abb. 174). Der Architekt stand in städtebaulicher Hinsicht vor einer schwierigen Aufgabe, denn das funktionale Gebäude musste in ein historisch gewachsenes Gelände integriert werden, in dem es u. a. mit dem unmittelbar danebenstehenden Bügeleisenhaus (Peglezen) von Jože Plečnik bestehen musste (Abb. 150). Die Lösung konnte gegenüber dem stilistisch eigenwilligen Peglezen nur die Wahl eines klar strukturierten Baukörpers sein. Die Konkurrenz zwischen diesen beiden Häusern verdeutlicht wie an kaum einer anderen Stelle der Stadt, wie Plečniks Schüler Ravnikar dem Alten das Neue entgegensetzte. Sie verkörpern nicht nur zwei zeitgebundene Stile, sondern zwei kontrastreich aufeinanderstoßende Epochen. Zwei Epochen dokumentieren ebenso zwei nebeneinanderstehende Gebäude, das 1960/63 errichtete Metalka-Hochhaus (Abb. 167) und die Zentrale der SKB Bank aus dem Jahr 1980.

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174: Bürogebäude für die Tageszeitung Ljudska pravica, sog. Kanarienvogel-Haus, erbaut 1958 bis 1961 nach Plänen von Edvard Ravnikar.

175: Zentrale der SKB Bank in Ljubljana mit dem danebenstehenden Metalka-Hochhaus.

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176: Zentrale der Post- und Telegraphengesellschaft, 1972/78 nach Plänen von Milan Mihelič (Cigaletova ulica 15).

Binnen zweier Jahrzehnte war an die Stelle eines nahezu transparenten, hoch aufragenden Baukörpers eine blockhaft verschachtelte Architektur getreten (Abb. 175), denn auch die slowenischen Architekten orientierten sich am Wandel internationaler Bauweise. Das ist einer der Gründe, warum es so schwerfällt, die oftmals behauptete Eigenständigkeit slowenischer Architektur wirklich nachzuvollziehen. Gerade in der Betrachtung des Westens lernte man, was machbar ist, und was die modernen Materialien erlaubten, abzulesen etwa an der Zentrale der Post- und Telegraphengesellschaft, die 1972/78 nach Plänen von Milan Mihelič erbaut wurde. Im Rahmen seines Masterplans Nörd-

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liches Stadttor konstruierte er das Gebäude mit einer gebogenen Verglasung aus Einscheibensicherheitsglas und schuf damit das erste Hightech-Gebäude der Stadt (Abb.  176). Aufgrund der geschwungenen Glasfassade nannten es die Ljubljaner bald nur noch das Klavier. Doch trotz des volkstümlichen Namens war der Bau eine große technologische Herausforderung; ihre Bewältigung ließ ihn schnell zu einer architektonischen Ikone werden. Bereits vor der politischen Wende 1991 hatten die Architekten einen tiefgreifenden Wandlungsprozess eingeläutet. Entsprechend schwierig ist es, in der modernen Architektur Ljubljanas das oft zitierte Erbe von Jože Plečnik und Edvard Ravnikar wirklich zu erkennen. Vielleicht ist es am ehesten der Stilpluralismus oder die Unbekümmertheit, immer wieder unterschiedliche Bauformen zu verwenden. Manche Bauten traut man nicht, ein- und demselben Entwerfer zuzuschreiben. Über den Bau der Neuen Galerie hatten sich Lehrer und Schüler entzweit, und Ravnikar entwickelte vor allem der neuen Zeit entsprechend einen eigenen Stil, wobei viel darüber gestritten werden kann, wie viel Plečnik noch in Ravnikar steckt. In einem sind sich beide aber sehr ähnlich, nämlich in ihrer stilistischen Vielfalt. Das lässt sich ablesen an zwei höchst unterschiedlichen Bauaufgaben, denen sich Ravnikar stellte. Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war im Dezember 1939 das Gebeinhaus für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs eingeweiht worden, vorwiegend für Gefallene der k. u. k Armee, aber auch für Kriegsgefangene und Revolutionäre. Ravnikar hatte dazu einen monolithisch wirkenden Tholos entworfen. Zu ihm führen einige Stufen hinauf, wo auf einer Plattform die Skulptur eines Soldaten steht, die der Bildhauer Lojze Dolinar geschaffen hat (Abb. 177). Diesem Monument auf dem Friedhof Žale sei eine ebenfalls von Ravnikar 1969 entworfene Tankstelle gegenüberge-

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177: Gebeinhaus für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs auf dem Friedhof Žale, Edvard Ravnikar 1939.

178: Tankstelle an der Tivolska cesta 43 in Ljubljana nach einem Entwurf von Edvard Ravnikar 1969.

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stellt, die mit ihrem nahezu schwebenden Dach an Leichtigkeit nicht zu übertreffen ist (Abb. 178). Freilich kann man einwenden, es handle sich um zwei völlig verschiedene Bauaufgaben, und es liegen drei Jahrzehnte dazwischen, in denen sich Ravnikar entwickelt hat, und doch scheinen sie auf den ersten und zweiten Blick nicht von ein- und demselben Architekten zu stammen. Wie Plečnik war Ravnikar eine lange Schaffensdauer beschieden, und er besaß dieselbe Gabe, sich ganz unterschiedlich auf unterschiedliche Aufgaben einzulassen.

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Seit 1991 ist Ljubljana Hauptstadt der selbstständig gewordenen Republika Slovenija. Während die anderen Teilrepubliken beim Zerfall Jugoslawiens für ihre Selbstständigkeit in jahrelangen Bürgerkriegen einen hohen Blutzoll entrichten mussten, dauerte der Slowenische Unabhängigkeitskrieg vom 26.  Juni bis zum 7. Juli 1991 glücklicherweise nur zehn Tage. Dabei hatte die Jugoslawische Volksarmee 44 Gefallene und 146 Verwundete, die slowenische Seite 18 Tote und 182 Verwundete zu beklagen. Zuvor hatte Slowenien am 25. Juni 1991 seine Unabhängigkeit verkündet. Aufgrund des Brioni-Abkommens vom 7. Juli 1991 setzte Slowenien (wie Kroatien) die Erklärung für drei Monate außer Kraft, und der Vollzug der Unabhängigkeit erfolgte am 8. Oktober 1991. Slowenien hatte sich aus der Vormundschaft Belgrads und der damit verbundenen Balkanisierung gelöst und war nach (Mittel-) Europa zurückgekehrt. Es ist eine Kontroverse der Historiker, ob Sloweniens Zeit im ersten und zweiten Jugoslawien den Weg nach Europa bereitet hat oder ein fataler Ausrutscher der Geschichte war. Sloweniens Entwicklung nach 1991 war rasant. Der wirtschaftliche Aufschwung hatte dazu geführt, dass Slowenien

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179: Industrie- und Handelskammer in Ljubljana, SADAR+VUGA 1996/99 (Dimičeva ulica 13).

mit einem Markt gesegnet war, der regelrecht nach Architektur dürstete. Eine junge Genration von Architekten scheint nur auf diesen Moment gewartet zu haben, um ihr kreatives Potenzial auszuschöpfen. Sie hatten in Ljubljana studiert, aber viele waren in Europa unterwegs, wo sie Eindrücke und Erfahrungen sammelten. Man nannte sie schließlich die Sixpack-Generation nach der gleichnamigen Wanderausstellung 6IX PACK Contemporary Slovenian Architecture in 2005,98 die internationale Aufmerksamkeit weckte und den Verdacht nährte, Slowenien könne zu einem architektonischen Epizentrum werden. Als Präludium der neuen slowenischen Architektur gilt indes das Gebäude der Industrieund Handelskammer in Ljubljana (Abb. 179). Den Wettbewerb dazu hatte 1996 das Büro SADAR+VUGA gewonnen, und der 1999 realisierte Bau gilt als eine der Ikonen der modernen Architektur des Landes. Vor ein bereits bestehendes Gebäude setzten SADAR+VUGA eine Stahl-Glas-Konstruktion aus scheinbar horizontal verschiebbaren Etagen, die nur locker übereinander liegen. So wirken die Bauteile trotz ihres Volumens schwerelos

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und fragil. Farbige Akzente setzt der in unterschiedlichen Farben gehaltene Lichtschutz. Ist dies die zeitgemäße Umsetzung einer ausdrucksstarken Fassadengestaltung, wie sie bereits zum Repertoire von Jože Plečnik und Edvard Ravnikar gehörte? Immerhin wird in der Architekturkritik oftmals auf diese Traditionslinie verwiesen. Mit zahlreichen anderen zeitgenössischen Architekturen teilt die Handelskammer das Schicksal, weit außerhalb der Kernstadt zu liegen, sodass das Stadtbild 180: Inneres des Verbindungstraktes der durch sie nicht geprägt wird. Al- Slowenischen Nationalgalerie, Sadar+ Vuga 2001. lerdings gibt es doch bis in die historische Altstadt hinein einige ausgesprochen kreative architektonische Akzente, sensible Eingriffe in die historische Substanz, die sie in einem neuen Licht erscheinen lassen. Licht ist das Stichwort für den 2001 fertiggestellten Verbindungstrakt zwischen den beiden bestehenden Trakten der Slowenischen Nationalgalerie nach Plänen von SADAR+VUGA (Abb. 9). Schlanke Stahlträger bilden das Gerüst des vollständig verglasten, lichtdurchfluteten Raums (Abb. 180). Glas ist auch das beherrschende Thema der Neugestaltung und Erweiterung des Stadtmuseums 2004 durch Ofis arhitekti, wobei durch eine im Wesentlichen spiralförmige Struktur Foyer, Ausstellungsbereiche, vor Ort konservierte Ausgrabungsfunde und Cafeteria miteinander verbunden wurden (Abb. 181). Allein wegen dieser optischen Finessen lohnt ein Besuch des Stadtmuseums für architektonisch Inter-

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181: Stadtmuseum Ljubljana, Ofis arhitekti 2004.

essierte. Mit einem regelmäßig gefalteten Glasdach wurden die Innenhöfe des historischen Rathauses von ATELIERarhitekti überdacht (Abb. 182), und seine Arkadengänge mit Glasflächen verschlossen. Den bekanntesten Glaskasten der Stadt nutzen nicht nur die Ljubljaner, sondern beinahe alle Touristen auf ihrem Weg zur Burg. Die Idee, die Stadt mit einer Seilbahn oder einem Schrägaufzug zu verbinden, war schon hundert Jahre alt und stammt von seinem damaligen Bürgermeister Ivan Hribar, doch erst seit 2006 transportiert eine Standseilbahn die Menschen vom Krekov trg, gegenüber dem Zentralen Marktplatz in der Altstadt, hinauf zur Burg. Ziel bei der Entwicklung war nicht allein der erleichterte Aufstieg zur Burg, sondern es war beabsichtigt, die Fahrt selbst zu einem Erlebnis werden zu lassen. So entwarfen Miha Kerin

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und Majda Kregar vom Architekturbüro Ambient eine vollverglaste Fahrkabine, die einen unverstellten Panaromablick auf die Stadt ermöglicht (Abb.  183). Die Burg selbst wird bereits seit 1969 kontinuierlich restauriert und mit zahlreichen Kultur- und Freizeiteinrichtungen versehen. Gleichzeitig soll sie zu einem wichtigen Bestandteil des sozialen Lebens der slowenischen Hauptstadt werden. Von der Seilbahn kommend gelangt man vorbei an archäologischen Funden in 182: Gläserne Dachkonstruktion über dem den Burghof, der mit Cafés Innenhof des historischen Rathauses, bestückt ist und zugleich als ATELIERarhitekti 2001. Verteilzentrum zu den verschiedenen Kultureinrichtungen dient (Abb.  184), darunter die Burgkapelle (Abb.  72), die Ausstellung zur slowenischen Geschichte und das Puppenmuseum. Um die Entwicklung des neuzeitlichen Ljubljana jedoch verstehen zu können, muss man die Stadtplanung als solche wahrnehmen. 2004 trat das Land der Europäischen Union bei und führte 2007 den Euro ein. Ljubljana ist dabei die slowenische Speerspitze in der Entwicklung zum europäischen Musterknaben, setzt radikal auf ein grünes Image, verbannt den motorisierten Individualverkehr weitgehend aus der historischen Innenstadt, räumt Fahrradfahrern und Fußgängern oberste Priorität ein und ist bestrebt, einen sanften Tourismus zu fördern. Nicht umsonst

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tuckert die Touristenbahn vollelektrisch mit dem Motto Izberi zeleno – choose green durch die Altstadt (Abb. 185). Zu den auffälligen Erscheinungen im Stadtbild gehören die farbig und mit Symbolen gekennzeichneten Container für eine konsequente Abfalltrennung, die in unterirdischen Systemen mit einem zentralen Recyclingsystem verbunden sind (Abb.  186). Sie fallen ebenso ins Auge wie die versenkbaren Poller, die nur stundenweise einen Individualverkehr in der 183: Standseilbahn zur Burg. Kabinendesgin Kernstadt für Anlieger und Architekturbüro Ambient 2006. den Lieferverkehr erlauben. Am besten soll alles den Fußgängern und Fahrradfahrern vorbehalten sein, denen mittlerweile ein ausgebautes Radwegenetz von ca. 230 km zur Verfügung steht, ergänzt durch ein flächendeckendes Verleihsystem von Fahrrädern. Wie gravierend diese Maßnahmen waren, mag man an Beobachtungen noch aus den späten 1990er Jahren ablesen, in denen davon gesprochen wurde, dass die Stadt „mit vielen urbanistischen Problemen belastet ist“ und im Verkehr erstickt.99 Den radikalen Umbau zur verkehrsberuhigten Stadt markiert 2015 die Umwandlung der zentralen Achse der Stadt, der Slovenska cesta, von der vierspurigen Verkehrsader zum Boulevard für Fußgänger mit schattenspendenden Bäumen. Diese Gemeinschaftsaufgabe mehrerer Architekturbüros wurde als Manifest für

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184: Neugestaltung des Burghofs, Architekturbüro Ambient, seit 1969.

die Zukunft von Ljubljana deklariert. Der breite, beinahe platzartige Raum ist mit einem geometrischen, teppichartigen Pflaster belegt, nur ein schmaler Asphaltstreifen markiert den Bereich für den öffentlichen Busverkehr. Ljubljanas zielstrebige Bemühungen fanden international Aufmerksamkeit und Anerkennung. Mit der Verleihung des European Green Capital Award wurde Ljubljana zur Grünen Hauptstadt Europas 2016 gekürt. Gemäß dem Copenhagenize Index rangiert die Stadt 2019 auf Platz 14 der fahrradfreundlichsten Städte der Welt. Hinzu kommen Auszeichnungen für einen sanften und nachhaltigen Tourismus. Doch Ljubljana ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern bewarb sich um die Auszeichnung European Capital of Culture 2025. Auch wenn

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185: Touristenbähnchen mit dem Motto „Wähle grün!“

186: Container für eine konsequente Abfalltrennung.

die Stadt im nationalen Wettbewerb Nova Gorica unterlegen ist, so bleiben die Impulse, die von dieser Bewerbung ausgingen. Die Förderung von Kunst und Kultur, von Künstlerinnen und Künstlern oder die Veranstaltung von Konzerten, Lesungen und Events schlagen sich nicht unmittelbar sichtbar nieder, aber sie bilden einen wesentlichen Teil der modernen Stadt Ljubljana. Keimzelle einer autonomen Kultur, Künstlerszene und politischen Agitation ist das Kulturzentrum Metelkova, das 1993 auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne entstand, eine Art Freizone für Künstler, Musiker, Galeristen, Veranstalter und Sozialarbeiter mit Kleinkunstbühnen und Bars. Entstanden war ein buntes bis skurriles Potpourri fantasievoller Wandbemalungen und Skulpturen (Abb. 187). Das Projekt war keineswegs unumstritten und stieß bisweilen auf heftigen Widerstand, aber nach

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187: Autonomes Künstlerviertel Metelkova

der Jahrtausendwende gab es gewissermaßen eine Verbrüderung von autonomer und öffentlicher Kultur, indem südlich angrenzend das neue Museumsquartier SEM und MSUM Einzug hielt mit nochmals spektakulären Architekturen. 2006 war der Neubau des Slowenischen Ethnographischen Museums (SEM) als Anbau an einen Teil des historischen Kasernenkomplexes eröffnet worden. Seine aus geschichteten Glas- und Granitquadern zusammengesetzte Fassade scheint regelrecht an einer puristischen Stahlkonstruktion zu hängen (Abb.  188). Im Anschluss daran erfolgte 2011 die Sanierung und Erweiterung des Komplexes für das Museum für zeitgenössische Kunst (MSUM), völlig anders als hermetischer Bau, in dessen Sichtbetonfassade nur schmale Fensterstreifen eingelassen sind (Abb. 189). In beiden Fällen war

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188: Slowenisches Ethnographisches Museum, Groleger Arhitekti 2006.

189: Museum für zeitgenössische Kunst, Groleger Arhitekti 2011.

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dem Büro Groleger Arhitekti einmal mehr eine gelungene Symbiose zwischen Altbau und Neubau gelungen. Zwischen beiden Museen steht die ebenfalls neu errichtete Zweigstelle des Nationalmuseums mit seiner kulturgeschichtlichen Abteilung. Nicht unähnlich war die Herangehensweise beim Bau des großen Mercator Einkaufszentrums, das von Ofis arhitekti auf einem ehemaligen Industriegelände im Osten der Kernstadt geplant und 2008 fertiggestellt wurde. Hier stand ein Schlachthof, dessen Fassade sie restauriert stehen ließen, um anschließend neuen Raum für den Konsumtempel zu schaffen. Dessen Sichtbetonfassade erhielt Verkleidungsplatten, die als gepunktete Hülle die Mercator-Punkte symbolisieren, ein landesweit bekanntes Bonusprogramm und Markenzeichen der Einkaufskette. Der Schlachthof war 1881 nach Plänen von Adolf Wagner erbaut worden, in den 1990er Jahren aber verfallen. Avantgardistische Neubauten verdankten ihre Entstehung der expandierenden Universität von Ljubljana, etwa für die mathematische Fakultät, die Fakultät für Biotechnologie oder das Studierendenwohnheim. Doch zu den ungewöhnlichsten Bauaufgaben gehörte die Anlage des Islamischen Zentrums. Zahlreiche Muslime waren schon seit den 1960er Jahren eingewandert, zunächst vorwiegend aus den islamisch geprägten Teilrepubliken Jugoslawiens, dann auch im Zuge der großen Migrationswelle, sodass der Bau einer Moschee notwendig wurde. Es haben, so der seit 2006 regierende Bürgermeister der Stadt Zoran Jankovic, auch Muslime an der Entwicklung des neuen Slowenien mitgewirkt, weshalb ihnen wie allen anderen Religionsgemeinschaften ein eigener Kultort zustünde. Man kann zwar beklagen, dass der 2019 begonnene Neubau in einem Gewerbegebiet entstand, doch dem Projektteam von Bevk Perović arhitekti gelang eine Lösung, die moderne Elemente mit traditionell islamischen Akzenten verbindet. Der Komplex besteht aus im Dreieck angeordneten

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190: Seitenansicht des Islamischen Kulturzentrums mit Minarett, Bevk Perović arhitekti 2019.

Kuben mit der quadratischen Moschee und einem Minarett im Zentrum (Abb. 190). Von einer Seite aus führen begrünte Terrassen zu einem alle einladenden Café. Der gläsernen Fassade des Komplexes ist ein rautenförmiges Gitter vorgelagert, das in seiner Form auf die Maschrabiyya Bezug nimmt, die dekorativen Holzgitter in der islamischen Architektur. Sie dienten dazu, den privaten Raum vor neugierigen Blicken zu schützen und gleichzeitig den Blick von innen nach außen zu ermöglichen. Mitten in Europa und damit in einer globalisierten Welt angekommen hieß für Slowenien und Ljubljana auch, die Geißeln des Kapitalismus zu spüren, vor allem die weltweite Finanzkrise ab 2007. Zahlreiche große Bauvorhaben konnten in den Folgejahren nicht realisiert werden, darunter drei Dutzend Wolkenkratzer. Doch die prominenteste Baustelle ist der 2010 begonnene, 2020 noch nicht fertiggestellte Komplex in Stožice mit Fußballstadion, Arena und Einkaufszentrum. Ausgelobt

Mitten in Europa

191: Arena im Stadtteil Bežigrad mit dem Wohnkomplex BS3 im Hintergrund (Abb. 172).

war 2007 ein internationaler Wettbewerb, den das Büro SADAR+VUGA gewonnen hatte. Fertiggestellt wurden bis 2020 jedoch nur das Stadion und die austernförmige Arena (Abb. 191), während das Einkaufszentrum infolge einer Insolvenz des Investors nur als Bauruine existiert. Es gibt Stimmen, die ein Erlahmen der kulturellen Kreativität befürchten, gerade weil Slowenien in Europa angekommen ist, wo der Markt diktiert, was gebraucht wird. Slowenien hat zwar die lange ersehnte nationale Unabhängigkeit erreicht, sich doch gleichzeitig in neue Abhängigkeiten begeben, die auch die Zukunft von Ljubljana mitbestimmen werden.

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Plečniks Vermächtnis: Der Fluss, das Ufer und die Brücken

Der Fluss und seine Brücken prägen das Antlitz von Ljubljana. Es gibt Städte, die an größeren Flüssen liegen, mit Brücken, die berühmter sind, aber es gibt kaum eine Stadt, in der der Fluss und seine Brücken derart im Mittelpunkt einer stadtplanerischen Konzeption stehen wie in der slowenischen Hauptstadt. Brücken waren seit jeher wichtig, um die beiden Ufer der Ljubljanica miteinander zu verbinden. Bereits im 19.  Jahrhundert war man bestrebt, sie repräsentativ zu gestalten, aber es war erst Jože Plečnik, der dem Fluss, seinen Ufern und den Brücken seine ganze Aufmerksamkeit mit einer Detailverliebtheit widmete, die ihresgleichen sucht. Manches, was Plečnik nicht realisieren konnte, vollendete die Generation der Gegenwart in den Jahren nach 2010 mit demselben Engagement und präzisierte die Ideen des genialen Architekten im Sinne eines Lebensraums für die Menschen. Dabei war die Ljubljanica über viele Jahrhunderte durchaus ein Sorgenkind der Stadt, denn sie wurde immer wieder heftig überschwemmt. Bereits Johann Weichard von Valvasor wusste 1689 in Die Ehre dess Hertzogthums Crain zu berichten, dass im Jahr 1190 nach einem drei Wochen dauernden Regenfall der Fluss über seine Ufer trat und bis zu den Fenstern der oberen Stockwerke angrenzender Häuser anschwoll. Er wusste ebenso, dass bereits im 16.  Jahrhundert erste Überlegungen angestellt worden waren, den Fluss zu regulieren.100 Dazu waren 1544 zwei italienische Architekten aus Mantua und Bologna in die Stadt gerufen worden, um mit einem Kanal an der Stadt vorbei die Fluten ggf. zu reduzieren. Doch verhinderten die zu hohen Kosten die Realisierung entsprechender Pläne. Ebenso scheiterten weitere Versuche, ehe im 18.  Jahrhundert ein entsprechendes Vorhaben gelang.

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Es war der Jesuitenpater und Professor der Mathematik am Kolleg der Jesuiten Gabriel Gruber, der einen realisierbaren Plan vorlegte. Ein Kanal sollte hinter dem Burgberg an der Stadt vorbeigeführt werden, um die Fluten zu verhindern. 1771 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, die 1780 zum Abschluss kamen. In Erinnerung an das Werk des Jesuitenpaters wurde der Kanal nach ihm Gruber-Kanal genannt. Nach einer Reinigung und Vertiefung von Fluss und Kanal, ausgeführt in den Jahren 1825 192: Obelisk zur Erinnerung an die Erbis 1827, errichtete man 1829 einen öffnung des Gruber-Kanals, 1829. Obelisken, dessen an den vier Seiten umlaufende Inschrift (in lateinischer Sprache) auch an seinen Ideengeber erinnert (in Übersetzung): „Der Bau für die Nachgeborenen des Vaterlands, der vor langer Zeit von Gabriel Gruber begonnen, aber […] zeitweise unterbrochen wurde“ (Abb. 192). Weitere Maßnahmen erfolgten 1888 durch den tschechischen Ingenieur Ivan Podhagsky, und weitere Maßnahmen sollten nach Plänen des Grazer Architekten Alfred Keller erfolgen, die aber der Erste Weltkrieg verhinderte. Zuletzt hat Jože Plečnik dem Fluss seinen Stempel aufgedrückt. Er konzentrierte sich auf den Flusslauf der Ljubljanica zwischen dem Gradaščica-Bach, der im Stadtteil Trnovo in die Ljubljanica mündet, und der Einmündung des Gruber-Kanals flussabwärts. Der Architekt hatte nicht vergessen, dass der Fluss trotz der Verwüstungen, die er immer wieder heraufbeschworen hatte, seit alters die Lebensader der Stadt war. Seine Funktion als

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Handelsweg bestimmte schon die römische Gründung von Emona, und über die Zeiten behielt die Ljubljanica diese Bedeutung. Plečnik führte demnach nicht nur die Regulierung des Flusses durch die Stadt fort, sondern vollendete seine Bedeutung als Lebensader und Mittelpunkt der Stadt. Zwar hatten Bauarbeiten zur Regulierung des Flusses schon 1913 begonnen, und eine historische Postkarte vermittelt einen Eindruck vom Umfang der Maßnahmen, als hunderte Arbeiter am Werk waren, sogar Schienen gelegt wurden, um den Abraum mit Loren entfernen und Baumaterial 193: Bauarbeiten zur Kanalisierung der herankarren zu können, unterbroLjubljanica. Historische Postkarte von 1913. chen durch den Ersten Weltkrieg wurden Plečniks Planungen dennoch umgesetzt und in den 1930er Jahren vollendet, wobei nicht alle seine Ideen verwirklicht werden konnten (Abb. 193). Bereits für das 13. Jahrhundert sind zwei Brücken bezeugt, die wohl noch in hölzerner Bauweise ausgeführt waren. An der Stelle der gegenwärtigen Drei-Brücken-Anlage führte die Alte Brücke oder auch Untere Brücke genannt über den Fluss. Ihr Pendant war die sog. Obere Brücke an der Stelle der heutigen Schusterbrücke. Zunächst nur lokale Bedeutung besaß der Vorläufer der St.-Peter-Brücke, der im 16. Jahrhundert als hölzerner Steg den Bischöfen diente, um ihre Besitzungen jenseits des Flusses zu erreichen. 1776 musste die Brücke vergrößert werden, denn nun benutzen sie die Soldaten der St.-Peter-Kaserne. Der grö-

Plečniks Vermächtnis: Der Fluss, das Ufer und die Brücken

194: Steinbogenbrücke mit der Widmungsinschrift für den österreichischen Erzherzog Karl Franz, die von Jože Plečnik als mittleres Element in seine Drei Brücken integriert wurde.

ßer werdenden Stadt diente an dieser Stelle, also im Norden der Stadt, eine 1835 gebaute Brücke, auf der seit Anfang des 20. Jahrhunderts sogar eine Straßenbahn verkehrte. Erst 1918 ersetzte der Bau der heutigen Eisen- und Betonbrücke die alte Holzbrücke, die versetzt wurde und als Prule-Brücke diente. Das Pendant zur St.-Peter-Brücke im Süden der Stadt bildete die Jakobsbrücke von 1824, die ebenfalls noch in hölzerner Bauweise errichtet worden war. Sie wurde 1915 durch eine Steinbrücke ersetzt. Der Bau repräsentativer Brücken in der Stadt begann mit dem Neubau, der die Alte Brücke ersetzte und zum Vorläufer der Drei-Brücken-Anlage (Tromostovje) wurde. Nach einem Entwurf des italienischen Architekten Giovanni Picco erfolgte

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ihre Eröffnung 1842. Sie war dem österreichischen Erzherzog Karl Franz gewidmet. Beim spektakulären Umbau der Brücke 1929/32 durch Jože Plečnik ließ er mit der Steinbogenbrücke als zentralem Element der neuen Brücke zugleich die Widmungsinschrift stehen: ARCHI DVCI FRANCISCO CAROLO MDCCCXLII CIVITAS (Abb. 194). Gut ein halbes Jahrhundert später ersetzte man weiter flussabwärts eine ältere, beim Erdbeben 1895 schwer beschädigte Holzbrücke durch eine zu ihrer Zeit revolutionäre Stahlbetonbrücke, die aber ihren aus Split in Kroatien stammenden Architekten Jurij Zaninović nicht daran hinderte, aus ihr ein Kleinod der Wiener Sezession zu machen, das die Handschrift seines Lehrmeisters Otto Wagner deutlich erkennen lässt. Bekannt ist die Brücke heute als Drachenbücke, eingeweiht wurde sie bei ihrer Fertigstellung 1901 jedoch als Franz-Josef-Gedächtnisbrücke, noch in Erinnerung an sein 40-jähiges Thronjubiläum 1848–1888 (Abb. 195). Es war in Ljubljana die letzte architektonische Würdigung der Habsburgermonarchie, nach deren Ende man den Namen der Brücke in Drachenbrücke umwandelte. Diese Fabeltiere sitzen an den vier Enden der Brüstungen der Brücke und sind als Symbol der Stadt in allen Andenkenläden präsent (Abb. Cover). Die anderen Brücken, die noch im 19.  Jahrhundert gebaut wurden, um dem Verkehr in der größer gewordenen Stadt Rechnung zu tragen, haben zwar längst nicht dieselbe Berühmtheit erlangt und, weil etwas außerhalb des historischen Zentrums gelegen, weniger Besucher gefunden, besitzen aber ihrerseits gestalterische Feinheiten. Bei der Mitte des 19. Jahrhunderts, wohl 1864, fertiggestellten Brücke über den Gruber-Kanal101 (Karlovški most stari) verdienen die gusseisernen Geländer durchaus Aufmerksamkeit. Ähnliches gilt für die nach dem ehem. Bürgermeister von Ljubljana, Janez Nepomuk Hradecky, benann-

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195: Brüstung der Drachenbrücke mit der Erinnerung an das 40-jährige Thronjubiläum 1848–1888 des Monarchen.

te Hradecky-Brücke, die früher auch Leichenbrücke genannt wurde, weil auf ihr früher die Verstorbenen vom Krankenhaus in Ljubljana zur Leichenhalle transportiert wurden. Die Brücke befand sich ursprünglich dort,102 wo heute die Schusterbrücke über die Ljubljanica führt. Sie war bei ihrer Eröffnung 1867 die erste Gusseisenbrücke in Slowenien und nach den Plänen des leitenden Ingenieurs Johann Hermann aus Wien in der Eisengießerei Auersperg in Dvor bei Žužemberk (Slowenien) vorgefertigt worden. Die Zeitgenossen würdigten sie gleichermaßen als modern, elegant und wirtschaftlich. Noch vor dem Ende des Ersten Weltkriegs ersetzte man 1915 die hölzerne Konstruktion der Jakobsbrücke durch eine Stahlbetonbrücke. 1918 folgte ein

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Neubau der Prule-Brücke, an deren Stelle zuvor die transferierte St.-Peter-Brücke als Übergang gedient hatte. Brücken über die Ljubljanica zu schlagen war seit alters eine Notwendigkeit. Den Fluss zu bändigen, um Überschwemmungen zu verhindern, hatte man sich seit der frühen Neuzeit zur Aufgabe gemacht. Man hatte sich auch um eine ansprechende Gestaltung bemüht, doch erst Jože Plečnik war bestrebt, daraus ein Gesamtkunstwerk zu entwickeln. Er renovierte alte und schuf neue Brücken, führte die Stadt an den Fluss heran und entwickelte die Uferbebauung zu einem Verweilraum mit einladenden Spazierwegen, die er mit Bäumen und Büschen säumte. Als er 1921 nach Ljubljana zurückkehrte, schob sich der Fluss eher zweckmäßig gebändigt in einem breiten Bett durch die Stadt mit anschließenden Hausfassaden und nur auf einer Seite mit einem begehbaren Ufer. Diese Monotonie sollte einem lebendigen Raum weichen. Die Regulierung der Ljubljanica lag nicht länger in den Händen von Ingenieuren, sondern war zur Lebensaufgabe eines Architekten und Stadtplaners geworden. Zudem betrachtete er den Fluss nicht isoliert, sondern sah in ihm die Wasserachse, die auf die Landachse zu beziehen war. So berühmt auch seine Dreibrückenanlage (Tromostovje) ist und touristisch als Aushängeschild dient, so sollte kein einzelnes Bauwerk isoliert betrachtet werden, wenn man der Intention des Architekten gerecht werden will. Gleichwohl ist jede Uferbebauung, jede Brücke ein Individuum, dem die Fantasie Plečniks seinen je eigenen Charakter verlieh. Dem Fluss passte Plečnik ein enges Korsett an, das ihn heute wie einen Kanal erscheinen lässt, woraus sich die Möglichkeit ergab, die Uferbebauung vor allem auf der westlichen Uferseite großzügig und einladend zu gestalten (Abb.  196). Zudem war er bestrebt, die westliche Innenstadt durch Wege und Treppen an den Fluss heranzuführen (Abb. 197), wobei er diese Zugän-

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196: Heutige Ansicht der Ljubljanica, deren neue Regulierung auf Jože Plečnik zurückgeht. Im Hintergrund die Drei-Brücken-Anlage; im Vordergrund die Fischbrücke (Ribja brv) nach Plänen von Arhitektura d.o.o.

ge gern mit Säulen markierte. So sehr alle Maßnahmen einem Konzept entsprangen, so gleicht kein Element dem anderen. Als Repräsentanten von Plečniks Fantasie haben sich seine Drei Brücken zum Hauptanziehungspunkt der Stadt entwickelt. Der bestehenden Erzherzog-Karl-Franz-Brücke (Abb. 194) fügte er zu beiden Seiten je eine Fußgängerbrücke hinzu, die allerdings nicht parallel, sondern in einem spitzen Winkel zu ihr verlaufen, wodurch erst die Eigenwilligkeit der Drei-Brücken-Anlage entstand, die bis heute das fotogenste Motiv und die Ikone der Stadt bildet, mit dem das Fremdenverkehrsportal visitljubljana für einen Besuch der Stadt wirbt (Abb. 198). Nicht minder wid-

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197: Zur Ljubljanica hinabführende Treppenanlage von Jože Plečnik, sog. Gerbertreppe, die auf die erst 2012 fertiggestellte Fischbrücke zuführt.

mete sich Plečnik den Details wie den Brückengeländern oder den Lampen (Abb. 41). In der Berühmtheit mag die Schusterbrücke hinter den Drei Brücken zurückstehen, doch Plečnik entwarf sie mit derselben Detailverliebtheit. Mit seinem bekannten Faible für die Antike

Plečniks Vermächtnis: Der Fluss, das Ufer und die Brücken

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198: Tromostovje oder Drei-Brücken-Anlage, das Meisterwerk von Jože Plečnik, ist die attraktivste Touristenattraktion Ljubljanas, die zum wichtigsten Werbeträger der Stadt geworden ist.

rahmte er sie mit antikisierenden Säulen, deren Kapitelle ein bisschen korinthischen und ein bisschen ionischen Vorbildern nachempfunden sind (Abb. 199; 139). Antike und Christentum prägen gleichermaßen die Trnovo-Brücke, die als Verbindung zwischen den beiden Stadtteilen Krakovo und Trnovo das Flüsschen Gradaščica überquert und geradewegs auf die Kirche St. Johannes des Täufers zuführt (Abb. 200, 148). Massive Pyramiden markieren die vier Ecken

199: Detail mit Säulen und Lampen der Schusterbrücke von Jože Plečnik.

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der Brückenbrüstung und eine Statue Johannes des Täufers steht auf der Brückenmitte. Fahrbahn und Fußgängerwege wurden durch Baumbepflanzung voneinander getrennt. Die 1929–32 gebaute Brücke von Trnovo bildete den Kern der Neugestaltung des GradaščicaUfers, das Plečnik bis zur Hahnbrücke und zur Einmündung in die Ljubljanica begehbar gestaltete, wo sich der Trnovski-Pristan-Damm mit seinen breiten Steinstufen zum Fluss hin anschließt. Nicht alle Pläne konnte Plečnik 200: Trnovo-Brücke über das Flüsschen Gradaščica, die auf die Kirche umsetzen, nach dessen VorstellunSt. Johannes d. Täufers zuführt. gen alle 50 Meter eine Brücke den Fluss überqueren sollte. U.  a. hatte er noch in den späten 1930er Jahren eine Querung der Ljubljanica als Verbindung zum Zentralmarkt (Abb. 201) geplant, die in Gestalt einer gedeckten Brücke über den Fluss führen sollte, um so zu einem Bestandteil des Marktes zu werden. Finanzielle Probleme und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatten dieses Projekt verhindert. Das letzte Flussbauwerk nach Plänen von Jože Plečnik konnte dann jedoch noch während des Kriegs in den Jahren 1940 bis 1943 fertiggestellt werden. Dem Stauwehr am Ausgang des Flusses aus der Stadt, das der Regulierung des Wasserstands in der Stadtmitte dient, verlieh er eine monumental-künstlerische Gestalt, wie man sie für eine technisch-hydraulische Anlage nicht unbedingt erwarten würde. Für Plečnik aber war es gleichsam sein Lebewohl für die Ljubljanica, die ihm stadtplanerisch so viel

Plečniks Vermächtnis: Der Fluss, das Ufer und die Brücken

201: Fotografische Simulation der von Jože Plečnik 1930 geplanten Brücke zum Zentralmarkt.

bedeutete (Abb. 202). Das Stauwehr wird von drei mit Steinplatten verkleideten Türmen gehalten, die an ägyptische Architekturen erinnern. Stadtseitig stehen davor kurze dorische Säulen mit etruskisch anmutenden Schalen, deren Henkel in Drachenköpfen enden. Flussabwärts blicken stilisierte Menschengesichter zwischen ionischen Säulenvoluten dem enteilenden Fluss nach. Über ihnen führt ein Steg über das Wehr, das so gleichzeitig zu einer Fußgängerbrücke wird. Hier hatte Plečnik noch einmal unter Beweis gestellt, dass er keinem Stil, sondern nur seiner eigenen synkretistischen Fantasie verpflichtet war, die den weiten Bogen von der Antike bis zur Moderne spannte. Die Entwicklung der Stadt und der stetig zunehmende Verkehr hatten auf die Flusslandschaft im Sinne seines Schöpfers keine Rücksicht genommen. Zu Beginn des 21.  Jahrhunderts musste man feststellen, dass der Fluss jenen Geist verlorenen

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202: Stauwehr zur Regulierung der Ljubljanica nach Plänen von Jože Plečnik, 1940–1943.

hatte, den Plečnik ihm gegeben hatte. Als herausragender öffentlicher Raum hatte er seine Bedeutung verloren, denn ein Großteil der ursprünglich geschaffenen Flächen war dem Fahrzeugverkehr und dem wahllosen Parken untergeordnet. Zugleich hatten die Gegenden um den Fluss gegenüber der Neustadt ihre wirtschaftliche Bedeutung verloren. So beschloss der Stadtrat 2004, unter Einbeziehung lokaler Architekturbüros, dieser negativen Entwicklung entgegenzuwirken. Der Fluss Ljubljanica sollte als Leitprinzip der Stadtplanung die Rolle wieder aufnehmen, die Plečnik ihm übertragen hatte. Realisiert wurden diese Pläne in den folgenden Jahren, und es gelang, nicht nur das Werk Plečniks zu bewahren, sondern es in gewisser Weise zu vollenden. Zu den Zielen des Projektes gehörte die Verdrängung des automobilen Individualverkehrs zugunsten einer fußgängerfreundlichen Erschließung der Uferbereiche. Entsprechend weist der inzwischen umgesetzte Generalplan von 2012 fünfzehn Einzel-

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maßnahmen aus, darunter neue Brücken sowie das Redesign von zwei Platzanlagen. Eindrucksvoll ist die sanfte Treppenanlage, die nun den Dvorni trg prägt (Abb. 8), während beim Novi trg eine ruhige Pflasterung die Großräumigkeit des Platzes optisch hervorhebt und von der geteerten Straße abgrenzt. Zudem verhindern schlanke Poller eine Zufahrt mit Kraftfahrzeugen (Abb. 94). Beide Plätze wurden vollständig den Fußgängern zurückgegeben. Das bekannteste der neuen Projekte ist die Realisierung der bereits von Jože Plečnik spektakulär angedachten Fleischerbrücke (Abb. 201), welche die Markthallen des Architekten Jože Plečnik und die Uferstraße Petkovškovo nabrežje verbindet (Abb.  7).103

203: Die ausschließlich für Fußgänger großzügig dimensionierte Fleischerbrücke nach Plänen von ATELIERarhitekti, 2010–2013.

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Entworfen wurde sie von Jurij Kobe und 2010 eröffnet. Obwohl als reine Fußgängerbrücke angelegt ist sie außerordentlich großzügig dimensioniert (Abb. 203). Damit erinnert sie einerseits an die Idee, auf der Brücke die Verkaufsstände der Metzger einzurichten, bringt aber andererseits zum Ausdruck, den Fußgängern den größtmöglichen Raum einzuräumen. Unzählige Verliebte haben die Brücke indes zur Brücke der Liebe gemacht und ihre Liebe symbolisch mit Vorhängeschlössern an den Geländern „festgemacht“ und dann die Schlüssel in den Fluss Ljubljanica unter der Brücke geworfen. Die beiden Randstreifen der Brücke sind gläsern durchsichtig gestaltet. Künstlerisch geprägt wird die Brücke durch die Skulpturen des zeitgenössischen slowenischen Bildhauers Jakov Brdar, der mit seinen Figuren Prometheus, Satyr sowie Adam und Eva antike und christliche Mythologie zitiert und damit auf Jože Plečnik anspielt, der seinerseits immer wieder Elemente von Antike und Christentum in seinem Werk aufgriff. Ein zweites Brückenprojekt schloss als Flussübergang die Lücke zwischen den Drei Brücken und der Schusterbrücke und verbindet nun die Gerbertreppe mit dem Fischmarkt (Abb. 197). Auch für diese Stelle hatte bereits Jože Plečnik eine Brücke vorgesehen. War zunächst nach Plänen von Studierenden eine schlichte Holzbrücke errichtet worden, um die öffentliche Akzeptanz eines solchen Übergangs zu prüfen, stellte sich nach dem erfolgreichen Test dieses Provisoriums die Frage nach ihrer dauerhaften Gestaltung. Angesichts der Alternative zwischen einer optisch starken Lösung und einer diskreten, ruhigen Architektur fiel die Entscheidung zugunsten einer nahezu immateriellen Bauweise. Ausschlaggebend war die Überlegung, in einem von Jože Plečnik stark geprägten Umfeld nicht mit dem Meister konkurrieren zu wollen. Entstanden ist 2014 eine nahezu schwebende, völlig transparente Konstruktion, die ihre Funk-

Plečniks Vermächtnis: Der Fluss, das Ufer und die Brücken

204: Špica- oder Gruber-Brücke (Špica brv) über den Gruberkanal nach Plänen von DANS arhitekti

tion als Brücke erfüllt und gleichzeitig den Blick über den Fluss nicht verstellt (Abb. 196).104 Im Architekturmagazin Baumeister charakterisierte man die Brücke als fast nicht da.105 Zudem entfaltet die Fischbrücke (Ribja brv) nachts mit ihrer eingebauten indirekten Beleuchtung einen fast unwirklich anmutenden Reiz. Strebt die Fischbrücke nahezu zur Unsichtbarkeit, so betont eine weitere Brücke die Kraft der Ingenieurskunst (Abb. 204).106 Sie verbindet im Süden der Stadt den Stadtteil Prule und den Špica-Park mit dem grünen Hinterland jenseits des Gruberkanals, weshalb die Fußgängerbrücke Špica- oder Gruber-Brücke genannt wird. Mehrfach preisgekrönt spannt sich die Brücke als räumliche Stahlkonstruktion fast wie ein Musikinstrument über den Kanal, wobei sie zur Mitte hin gleichzeitig ansteigt und sich verengt. Sie sollte zur besseren Unterscheidung als Špica-Brücke (Špica brv) bezeichnet werden, denn es gibt eine weitere, über den Gruber-Kanal führende Brücke (Gruberjeva

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205: Uferpromenade Trnovski pristan.

brv). Sie dient seit 1939 in Verlängerung der Streliška-Straße der Überquerung des Kanals und wurde 2012 einer grundlegenden Erneuerung unterzogen. Geblieben ist der Bogen mit seinem gusseisernen Geländer, während der zu überwindende Höhenunterschied, der ursprünglich mit einer symmetrischen Treppe überwunden wurde, nun zusätzlich mit einem Aufzug bewältigt werden kann.107 Sind die neuen Fußgängerbrücken ein Element der zeitgemäßen Umsetzung der Konzeptionen im Sinne von Jože Plečnik, so sind es die neugestalteten Uferbereiche nicht minder, mal in Form von das Flussufer begleitenden Treppen, mal in Gestalt von Sitzgelegenheiten und Terrassen. Eine Vielzahl von Liegeplätzen dient den touristischen Ausflugsbooten zum Anlegen.

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Heute wie damals gilt es, die Uferbereiche als Erholungsraum zu gestalten, teils als großzügige Flaniermeilen, teils als eher intime Rückzugsorte. Ersteres gilt etwa für die bereits in den 1930er Jahren von Plečnik gestaltete und 2007 weiterentwickelte Uferpromenade Trnovski pristan (Abb. 205). Mit ihren großen, zum Fluss absteigenden Steintreppen ist sie eine ganz besondere Architekturschöpfung des großen Meisters Jože Plečnik und einer der schönsten Spazierwege Ljubljanas. In diesem Bereich, wo man einst Schiffe mit Steinen aus Podpeč, die für den Bau der Stadt bestimmt waren, entlud, mündet der kleine GradaščicaBach in die Ljubljanica, und selbst hier folgte die Ufergestaltung zwischen der alten Trnovo-Brücke und der neuen, 2007 errichteten Barjanka-Brücke einem ähnlichen Prinzip (Abb. 206). Im Zuge der Revitalisierung der Uferbereiche der Ljubljanica schuf die jüngere Zeit intimere Rückzugsorte mit der Einladung zum Verweilen. Je nach Situation changieren die neu gestalteten Uferbereiche zwischen langgestreckten Uferwegen und punktuellen Verweilzonen. Der Fokus aller Designprozesse, die wesentlich zwischen 2007 und 2010 durchgeführt wurden, lag auf subtilen, sanften Entwicklungen, die dem öffentlichen Raum neue Qualität verleihen 206: Ufergestaltung am Gradaščica-Bach sollten, ganz im Sinne von Jože zwischen der alten Trnovo-Brücke und Plečnik. der neuen, 2007 errichteten BarjankaBrücke.

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Den räumlichen Abschluss all dieser Maßnahmen bildet das Zusammenspiel von Wasser und Land an der Landspitze (Špica), wo sich Ljubljanica und Gruberkanal trennen. Hier entstand 2010 der Špica-Park nur zehn Minuten vom Stadtzentrum entfernt, ein Areal von Grünanlagen, Holzterrassen und gestalteten Räumen, die mit Liegestühlen einladend wirken wie ein Badestrand. Charakteristisch sind auch hier die zum Fluss hinabführenden Steintreppen, die sich um die ganze Landspitze herumziehen. Der Fluss, der einst die Stadt bedroht und mehr als einmal überschwemmt hat, hat sich gewandelt. Er dient auch nicht mehr dem Warenverkehr, und statt Lastkähnen schippern kleine Ausflugsboote durch die Stadt. Er hat der Stadt ein Gesicht gegeben und einen ganz besonderen Raum. Jože Plečniks Idee hat sich durchgesetzt und unter neuen Bedingungen eine unverwechselbare, zeitgemäße Form angenommen. Ausschließlich einheimische Architekten und Büros haben ihn gestaltet und damit vielleicht die immer wiederkehrende Frage nach der Eigenart slowenischer Architektur beantwortet.

Identität und Orientierung: Go West

Die Frage darf man ruhig stellen, wohin Ljubljana gehört zwischen Belgrad und Wien, zwischen Balkan und Zentraleuropa: die Frage hat Slowenien mit seiner Hauptstadt Ljubljana für sich und durch seinen Beitritt zur EU und NATO 2004 sowie zum Euro- und Schengenraum 2007 beantwortet. Ljubljana hat dies durch seine Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2025 unterstrichen, auch wenn sie letztlich nicht zum Erfolg führte. Die Geschichte war da nicht immer so eindeutig. Doch vor die Beantwortung dieser Frage hatten die Slowenen seit dem 19. Jahrhundert die Suche nach der Eigenständigkeit ihrer Nation gesetzt und sie im Slowenentum gefunden. Genau betrachtet jedoch lässt sich das eine nicht vom anderen trennen. Die Betrachtung eines Gemäldes kann diesen Sachverhalt verdeutlichen. 1907 entstand Ivan Grohars Gemälde Der Sämann (Abb. 1). Das Werk wurde von der Öffentlichkeit sofort als das bedeutendste Bild der slowenischen Nation anerkannt, da der Maler darin die Mythologie des Slowenentums visualisiert habe. Es sei programmatisch gestaltet und alle Elemente des Gemäldes wurden symbolisch interpretiert.108 Betrachtet man das Bild eher aus kunsthistorischem Blickwinkel, so wird man unverkennbar impressionistische Vorbilder und insbesondere den Einfluss von Vincent van Gogh konstatieren, also eindeutig westliche Einflüsse. Der slowenische Maler Grohar hatte nach ersten Lehrjahren an der Landeszeichenschule in Graz sein Können an der Ažbe-Schule in München mit impressionistischen Pinselzügen vervollkommnet. Wenn man so will, ist der Sämann zugleich nationales Manifest und impressionistische Malerei.

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Aber natürlich konnte schon dargelegt werden, dass in Ljubljana, als es noch Laibach hieß, die Einflüsse aus Österreich und Italien unverkennbar waren. Entweder man holte die Künstler aus Rom, Venedig oder Wien oder die slowenischen Künstler gingen dort in die Lehre. Einer unter ihnen war Fortunat Bergant, der sich zwischen 1756 und 1760 ständig in Venedig und Rom aufhielt, wo er an der Accademia di San Luca studierte. Ist nun 207: Fortunat Bergant (1721–1769), Mann mit sein Mann mit der Brezel der Brezel, Öl auf Leinwand, 1761. Ljubljana, (Abb. 207) ein slowenisches, Narodna galerija Slovenije. ein italienisches oder ein europäisches Gemälde? Die Tatsache, dass er zur Zeit der Entstehung des Gemäldes 1761 wieder nach Laibach zurückgekehrt war, ist wohl von nebensächlicher Bedeutung. Immerhin ist das Postulat einer Zugehörigkeit zu Italien, zum deutschen Sprachraum, eben zum Westen gleichrangig neben die ethnische und nationale Eigenständigkeit getreten. In diesem Sinne wird wie gesehen der Grenzstein zwischen Aquileia und Emona (Abb.  16) interpretiert, und bereits 1929 hatte Stanko Vurnik, Kurator des 1923 gegründeten ethnographischen Museums in Ljubljana, die bemalten Bienenstockstirnbretter (Abb. 208), wie sie in Slowenien, Teilen Kärntens und der westlichen Untersteiermark verbreitet sind, zum Anlass genommen,

Identität und Orientierung: Go West

208: Bemaltes Bienenstockbrett mit Ernteszenen; linkerhand eine der slowenisch Kozolec genannten Harpfen zum Trocknen von Heu, Ljubljana, Slovenski etnografski muzej.

209: Aleksij Kobal, Behind the Scenes of an Afternoon (Ausschnitt), Öl auf Leinwand, 2012. Ljubljana, Stadtmuseum.

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die große Nähe der Slowenen zum europäischen, deutsch-niederländischen Norden zu betonen. Dieser habe vom Beginn an den nachhaltigsten Einfluss auf die Slowenen ausgeübt. Vielleicht würde man nicht ohne weiteres auf diese Einschätzung von Vurnik stoßen, aber ein Paneel im neuen, 2004 eröffneten ethnographischen Museum in Ljubljana zitiert u.  a. diese entsprechenden Passagen. Streben nach nationaler Identität und Beheimatung in der (westlichen) Welt bleiben die Parameter auch in der Moderne. Die Architekten des 20. Jahrhunderts von Plečnik über Ravnikar bis zur jungen Generation haben nichts unversucht gelassen, ihre nationale, slowenische Tradition zu betonen und haben sich doch multikulturell bis global orientiert. So sind gleichermaßen die zeitgenössischen Werke der bildenden Kunst Ausdruck eines künstlerischen Internationalismus. Betrachtet man im Stadtmuseum das Gemälde Behind the Scenes of an Afternoon von Aleksij Kobal (Abb.  209), so wird man es kaum als slowenisch einstufen. Kobal hatte an der Akademie der Schönen Künste in Ljubljana studiert und blieb der Stadt auch treu – von einem zweimonatigen Studienaufenthalt in Paris abgesehen. Aber die Welt ist heute zusammengerückt, Lehr- und Wanderjahre nicht mehr entscheidend, an ihre Stelle ist das World Wide Web getreten. Künstler kennen die Welt, und sie spiegelt sich in ihren Werken. Wie andere Städte auch ist Ljubljana ein Teil dieser Welt geworden, die so oft als die westliche bezeichnet wird. Und zu dieser will Slowenien gehören. Um nicht in einer unspezifischen Moderne aufzugehen, verfügt die Stadt über ein unverwechselbares Stadtbild, in dem sich seine Geschichte facettenreich spiegelt. Zwei Dinge sind hervorzuheben, die den Charakter der Stadt heute ausmachen. Da ist zum einen die Unbekümmertheit eines Jože Plečnik (und seiner Nachfolger), unterschiedlichste Stile zu verwenden und zu kombinieren. In seinem Sinn galt etwa in der Denkmalpflege der drei-

Identität und Orientierung: Go West

ßiger bis fünfziger Jahre des 20.  Jahrhunderts die Maxime Der Architekt hat das erhaltene Original neu zu interpretieren.109 Da sind zum anderen Ljubljanas multiple Identitäten, die mit den Worten von Jörg Stabenow die Architektur der Stadt zwischen Donaumonarchie und jugoslawischem Königreich prägen.110 Und – der Gedanke weitergesponnen – die Zusammenhänge zwischen Architektur und Politik setzen sich bis in die Gegenwart fort. Ist Demokratie die ideelle Grundlage dieser westlichen Welt so verortet man sie heute im politisch-kulturellen Slowenien bereits in der slowenischen Architektur des 20. Jahrhunderts, zu Zeiten als Slowenien noch Teil einer Monarchie war. So widmete das slowenische Nationalmuseum vom 16. Dezember 2021 bis 8. Mai 2022 den Architekten Fabiani, Plečnik und Vurnik eine Ausstellung, in deren Schaffen man Forms for a New Democracy zutage treten sieht: „Forms for a new democracy is based on the idea that architecture helps create our identity, shaping the underlying character of society and the messages it conveys. […] Through his lavish visual language, Plečnik was able to combine the heritage of the ancient cultures, the Classical period, Central European tradition and Slovenian cultural practices. Fabiani deliberately distanced himself from histori(ci)sm in later life, seeking instead a contemporary architectural language, while Vurnik consciously set out to create a Slovenian national style. Despite the differences between them, they all strove to create democratically designed spaces and the best possible architectural and urban-planning solutions. In this way, forms unite with democracy to create a sustainable architectural heritage.“ Bleibenden Charakter erhielt die Ausstellung durch die virtuelle Präsentation Pioneers of Slovenian Modern Architecture – Fabiani, Plečnik and Vurnik – Forms for a New Democracy111 und einen prächtigen Bildband. Politische Parameter sind heute allerdings auch die Freiheiten des Kapitalismus und eine damit verbundene vorkonfektionier-

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Identität und Orientierung: Go West

te Investorenarchitektur, die von Skandinavien bis Spanien, von Prag bis Paris, von Slowenien bis nach Deutschland zu einer Verpackungsarchitektur und zu einem Reklame-Städtebau geführt haben. Zumindest die slowenische Architektin Mika Cimolini sieht auch Ljubljana dieser Gefahr ausgesetzt, wenngleich die moderne Architektengeneration versucht, sich ihr zu widersetzen.112 Spielen sich diese Entwicklungen (noch) weitgehend an der Peripherie der Stadt ab, so wird die Zukunft zeigen, inwieweit die Innenstadt vom Prinzip der Konsum- und Kapitalorientierung der Spekulanten verschont bleiben kann.

Anhang Anmerkungen 1

Infolge der COVID-19-Pandemie wurde der Status von Slowenien als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse auf 2023 verschoben. 2 Milček Komelj, Geschichtliche Lage und Ergebnisse der slowenischen Kunst, in: France Bernik und Reinhard Lauer, Hrsg., Die Grundlagen der slowenischen Kultur – Bericht über die Konferenz der Kommission für interdisziplinäre Südosteuropa-Forschung im September 2002 in Göttingen, Berlin 2010, S. 245. 3 Ebd. 4 France Stelè, Oris zgodovine umetnosti pri Slovencih. Kulturnozgodovinski poskus, Ljubljana 1924. 5 Milček Komelj (Anm. 2), S. 247. 6 Nace Šumi, Pogledi na slovensko umetnost. Ljubljana 1975. 7 Damjan Prelovšek, Slowenische bildende Kunst und ihre Einbindung in den mitteleuropäischen Raum, in: Muzikološki zbornik 40 (1/2)., 2009, S. 241–248, hier: S. 242. 8 https://whc.unesco.org/en/list/1643/ (01.02.2023). 9 Auf der Website von visitljubljana: https://www.visitljubljana.com/ de/besucher/entdecken-sie/aktivitaeten/besichtigungen/artikel/ gruenes-ljubljana/ (29.01.20). 10 https://www.moma.org/calendar/exhibitions/3931?locale=de (31.01.20). 11 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Hrsg., Panorama D < > SLO. Deutsch-slowenischer Erfahrungsaustausch über Architekturpolitik und Baukultur, Berlin 2010, S.  46 (Übersetzung vom Verf.). 12 Ihr künstlerisches Erscheinungsbild ist hingegen von Skulpturen des anerkannten zeitgenössischen slowenischen Bildhauers Jakov Brdar geprägt. 13 Barbara Murovec, Graphische Darstellungen der Geschichte Jasons im Lichte der Herausgeber- und Sammeltätigkeit Johann Weichard Valvasors, in: Metoda Kokole u.  a., Hrsg., Mediterranean Myths from Classical Antiquity to the Eighteenth Century, Ljubljana 2006, S. 259–276. 14 Hans Pirchegger für den Historischen Verein der Steiermark,

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Univ.-Prof. Dr. Walter Schmid zum 70. Geburtstag, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark 37., 1946, S. 113–116. Hans Goebl, Ein ethnopolitisch brisanter Brief des Statistikers Carl von Czoernig an den österreichischen Kultusminister Karl von Stremayr aus dem Jahr 1873, in: Ladinia – Revista scientifica dl Istitut Ladin Micurá de Rü 2008, S. 19–49. Zur Bedeutung der slowenischen Sprache im Selbstverständnis der unabhängigen Republik Slowenien siehe u. a. France Bernik, Nationale Identität der slowenischen Literatur, in: Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät 85., 2006, S. 109–120; Ksenija CvetkovićSander, Sprachpolitik und nationale Identität im sozialistischen Jugoslawien (1945–1991): Serbokroatisch, Albanisch, Makedonisch und Slowenisch, Wiesbaden 2011. 27. April: Tag des Widerstandes gegen die Besatzung; 25. Juni: Unabhängigkeitstag; 17.  August: Vereinigung der Slowenen aus der Region Prekmurje mit dem Muttervolk nach dem Ersten Weltkrieg; 15. September: Die Heimkehr des Küstenlandes zum Mutterland; 26. Dezember: Tag der Unabhängigkeit und Einheit. Die Mariensäule wurde im Zuge einer neuen Fassadengestaltung der Kirche und der Platzgestaltung 1929 von Jože Plečnik verändert und an ihren heutigen Platz (Levstikov trg) versetzt. Gemeint ist die slowenische Krka. Es gibt auch einen kroatischen Fluss gleichen Namens. Von Alojz Gangl stammen auch die Figuren am Opernhaus in Ljubljana. Entfernt wurde nach dem Ersten Weltkrieg auch das Denkmal zu Ehren des in Laibach geborenen, auf Deutsch schreibenden Dichters Anton Alexander Graf Auersperg (Anastasius Grün). S.u.! Božidar Jezernik, Power of remembrance, supremacy of oblivion. History of the ‘National Monuments’ in Ljubljana, in: Peter J. M. Nas und Annemarie Samuels, Hrsg., Hyper City. The Symbolic Side of Urbanism, London 2006, S. 85–112, hier: S. 101–104. Špelca Čopič, Damjan Prelovšek und Sonja Žitko, Outdoor Sculpture in Ljubljana (Ljubljana: Državna založba Slovenije, 1991), S. 54. Individuelle Partisanendenkmäler wurden errichtet für Franc Rozman und Boris Kidrič sowie im Tivoli-Park das Denkmal zu Ehren der Geiseln von Rožna Dolina. Auf dem Friedhof Žale steht das Denkmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Bürger. In diesen Kontext gehört außerdem das Freiheitsdenkmal in der

Anmerkungen

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Celovška cesta 148 sowie das Denkmal für die Opfer des Zweiten Weltkriegs im Stadtteil Trnovo. Lediglich auf dem Friedhof Žale wurde ein Denkmal für die Gefallenen des Zehn-Tage-Kriegs errichtet, mit dem die Unabhängigkeit von Jugoslawien 1991 erreicht wurde. Gemeint sind die bis heute nicht ausgestandenen Verwerfungen zwischen Partisanen und ihren Anhängern einerseits und den Kollaborateuren der Besatzungsmacht. Wie Anm. 26. Zahlen für das Jahr 2018. Johann Gregor Thalnitscher war der erste, der ein Lapidarium gefundener römischer Grabsteine anlegte, indem er sie in der Wand des Doms vermauern ließ (Abb. 62). Umfassend zum prähistorischen und römischen Emona: Andrej Gaspari, Prehistoric and Roman Emona. A Guide through the Archaeological Past of the Ljubljana’s Predecessor, Ljubljana 2014. Prehistoric Pile Dwellings around the Alps: http://whc.unesco. org/en/list/1363 (10.02.20). Ausführlich zum vor-römischen Emona: Petra Vojakovič, Predrimska Emona v luči novih arheoloških odkritij/Pre-Roman Emona in the Light of New Archaeological Discoveries, in: Emona. Mesto v Imperiju / A City of the Empire. On the 20th anniversary of the construction of Emona, Ljubljana 2014, S. 65–78. [Imp(erator) Caesar divi f.] Augustu[s pont(ifex) max(imus)] [co(n)s(ul) XIII imp(erator) XXI trib(unicia) potest(ate)] XXXVII pate[r patriae], [Ti. Caesar divi (?) Au]gusti f(ilius) Aug[ustus] [pont(ifex) max(imus) (?) co(n)s(ul) II imp(erator)] VI trib(unicia) potest(ate) XV[I] [- - - d]ederunt. Zur Inschrift und zum Gründungsdatum: Marjeta Šašel Kos, Kaj se je leta 14/15 dogajalo v Emoni – cesarski napis in upor panonskih legij/ What Was Happening in Emona in AD 14/15? An Imperial Inscription and the Mutiny of the Pannonian Legions, in: Emona. Mesto v Imperiju / A City oft he Empire. On the 20th anniversary oft he construction of Emona, Ljubljana 2014, S. 79–93. Der Grabstein des Titus Caesernius Diphilus wurde 1935 im Flussbett der Ljubljanica in 3  m Tiefe, beim Novi trg gefunden. Die Inschrift lautet: T(itus) Caesernius / Assupae l(ibertus) Diphilus

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/ Aquileiae sex/vir(!) v(ivus) s(ibi) f(ecit) // Dignus / l(ibertus) v(ivus). Verwahrort ist das Slowenisches Nationalmuseum in Ljubljana. 36 Die Legio XIII Gemina war 30 v. Chr. auf den Balkan verlegt worden und von 16 v. Chr. bis 9 n. Chr. in Emona stationiert. 37 In der Nähe des heutigen Kostolac in Serbien gelegen. 38 Bernarda Županek, Emona: mesto v imperiju/Emona: A City of the Empire, in: Emona. Mesto v Imperiju / A City oft he Empire. On the 20th anniversary of the construction of Emona, Ljubljana 2014, S. 52 f. 39 Marjeta Šašel Kos, Divinities, priests and dedicators at Emona, in: Maria Letizia Caldelli, Gian Luca Gregori und Silvia Orlandi, Hrsg., Atti della XVIe recontre sur l’épigraphie in onore di Silvio Panciera con altri contributi di colleghi, allievi e collaboratori, (Tituli, 9), Roma 2008 (2), S. 687–710. 40 Marjeta Šašel Kos, Pre-Roman Divinities of the Eastern Alps and Adriatic (Situla 38), Ljubljana 1999. 41 Die Inschrift auf dem 104/107 n. Chr. datierten Weihestein lautet: Aecornae Aug(ustae) / P(ublius) Cassius Secundus / praef(ectus) alae Brit(annicae) / milliariae c(ivium) R(omanorum) / bis torquatae donis / donatus bis bello / Dacico ab / imp(eratore) Caesare Nerva / Traiano Aug(usto) Ger(manico) / Dacico / coronis vexillis hastis. 42 Der Inschrift zufolge hat Caius Claudius Priamus der Göttin gegenüber ein Gelübde eingelöst: C(aius) Cl(audius) Pri/am(us) Aec(ornae) / v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito). 43 Marjeta Šašel Kos, The Disappearing Tombstone and Other Stories from Emona, Ljubljana 2015; Marjeta Šašel Kos und Peter Kos, The lapidarium of the National Museum of Slovenia, in: Sylloge Epigraphica Barcinonensis (SEBarc), VII, 2009, S. 109–125. 44 Marjeta Šašel Kos, Dolnicarjev lapidarij, in: Arheološki vestnik (Arli. vest.) 49., 1998, Sp. 329–353. 45 Die Inschrift lautet: Fronto Vib(i) f(ilius) / vi(v)us fec(it) sibi et / co(n)iugi Secund(ae) / Maximi f(iliae) viv(a)e / o(bitae) an(norum) C et o(bitus) an(norum) C / et / et Bugiae Sexti fi(liae) / o(bitae) an(norum) LX et / Fronto Luci / f(ilius) o(bitus) an(norum) LX et / l(ocus) m(onumenti) in f(ronte) p(edes) XV. 46 Ioanne Gregorio Thalnitschero, Historia cathedralis Ecclesiae Labacensis, S. Nicolao archiepiscopo myrensi sacrae, Labaci 1701,

Anmerkungen

S.  67. Restat pro coronide huius capitis, ut inscriptiones et monumenta, quae tum hic, tum in suburbiis ac vicinis locis ubi olim Romani incolae urbis suas habuere villas et praedia, me hortatore collecta ad excitandam veteris urbis Labacensis gloriam, neofabrice accessere annotemus, initium sumamus. Übersetzung des Autors. 47 Karl Deschmann, Führer durch das Krainische Landes-Museum Rudolfinum in Laibach, Laibach. 1888. 48 https://mgml.si/en/city-museum/news/454/surprising-discoveries-from-gosposvetska-cesta/ (22.04.22). 49 Zu den Bischöfen der frühchristlichen Zeit s. Rajko Bratož, Bischofsitze und Kirchenorganisation in Slowenien, in: Römisches Österreich 39., 2016, S. 173–196. 50 Archi / diacono / Antioco / batteste / rium et / porticus / cum glo / ria et lae / titia per / fectum est. 51 Raum für die Firmung des Täuflings. 52 Das legt zumindest eine Brandschicht im Kirchenkomplex nahe, unter der eine zwischen 408 und 423 geprägte Münze des Honorius gefunden wurde. 53 Slavko Ciglenečki, Höhenbefestigungen als Siedlungsgrundeinheit der Spätantike in Slowenien, in: Arheološki vestnik 45., 1994, Sp. 239–266. 54 Es gibt zwei Listen, die einmal einen Patricius Emolnensis (!) und einmal einen Patricius episcopus Emonensis nennen. 55 Deklaracija Jugoslovenskog kluba vom 31. Mai 1917. 56 Dazu der Mitverfasser der Deklaration Dimitrij Rupel, Slovenska pot do samostojnosti in priznanja, Ljubljana 1999. 57 Jaroslav Šašel, Zur verwaltungstechnischen Zugehörigkeit Emonas, in: Acta Archaeologica Hungarica 41., 1–4, 1989, S. 169–174. 58 Vgl. dazu August Dimitz, Geschichte Krains von der ältesten Zeit bis auf das Jahr 1813. Erster Teil: Von der Urzeit bis zum Tode Kaiser Friedrichs III. (1493), 1874, S. 17. 59 Jaroslav Šašel, Zur Frühgeschichte der XV. Legion und zur Nordostgrenze der Cisalpina zur Zeit Caesars, in: Archäologisch-epigraphische Studien 1, Wien 1985, S. 547–555. 60 Marjeta Šašel Kos, Emona was in Italy, not in Pannonia, in: M. Šašel Kos und P. Scherrer, Hrsg., The autonomous towns of Noricum and Pannonia / Die autonomen Städte in Noricum und Pannonien (Situla 41), Ljubljana 2002, S. 10–19.

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61 Marjeta Šašel Kos, The Problem of the Border between Italy, Noricum, and Pannonia, in: TYCHE. Beiträge zur Alten Geschichte, Papyrologie und Epigraphik, Band 29, 2014, S.  153–164; Marjeta Šašel Kos, Boundary between Aquileia and Emona reconsidered, in: Epigraphica. Periodico internazionale di epigrafia Vol. LXXVIII – 78., 2016, S. 221–233. 62 „The monument is dated to the reign of Augustus, which is confirmed both by the provenance of stone (limestone of Aurisina) and by palaeography.“ Ebd. (Boundary…), S. 221. 63 Marjeta Šašel Kos, Emona was in Italy, not in Pannonia, in: M. Šašel Kos und P. Scherrer, Hrsg., The autonomous towns of Noricum and Pannonia / Die autonomen Städte in Noricum und Pannonien (Situla 41), Ljubljana 2002, S.  17 (Originaltext)„Until the discovery of the Bevke Boundary stione wi could hardly expect to have a single cinclusive proof that would ultimately confirm Emona´s administrative position. Yet Through accumulating evidence, it could have been concluded even earlier that the town most probably belonged to Italy ever since its foundation as a Roman colony […]. The Bevke boundary stone can now be consideres material evidence which proves beyond doubt that Emona always belinged to Italy.“ Im ausgesparten Text des Zitats räumt sie lediglich ein, dass Emona gelegentlich und zeitlich beschränkt aus militärischen Gründen unter pannonischer Veraltung stand. 64 Die Ausführungen folgen auf ein Minimum reduziert Andrej Gaspari, Prehistoric and Roman Emona. A Guide through the Archaeological Past of the Ljubljana’s Predecessor, Ljubljana 2014, S. 256–268. 65 „Ecce cuncta in Europae partibus barbarorum iuri sunt tradita destructae urbes, eversa castra, depopulatae provinciae, nullus terram cultor inhabitat, saeviunt et dominantur quotidie in necem fi delium cultores idolorum.“ 66 Ablesbar ist dies etwa daran, dass in Kärnten und Osttirol bis in die Gegend von Lienz die frühchristlichen Kirchen nur als Ruinen erhalten sind, und die mittelalterlichen Kirchen an neuen Standorten errichtet wurden. Jenseits von Lienz, in Tirol und Südtirol, gibt es jedoch eine Kontinuität von den frühchristlichen zu den mittelalterlichen Kirchen. 67 Dort befindet sich heute das Križanke genannte Sommertheater, dessen Konzeption auf Jože Plečnik zurückgeht.

Anmerkungen

68 Ein Abecedarium ist ein alphabetisch strukturierter Text, der das praktische Erlernen von Inhalten erleichtern soll. 69 Sachsenfeld liegt etwa 50 km östlich von Ljubljana. 70 Zitat und Angaben zum Kirchenbau entnommen von Josef Wastler, Die protestantische Kirche zu Scharfenau bei Sachsenfeld, in: Mittheilungen des Historischen Vereines für Steiermark Heft 38, 1890, S. 123–143. 71 Akademie der engagierten Bürger Laibachs. 72 Über dem Gebäude am Kongressplatz prangt zwar der Name Academia Philharmonicorum mit der Jahreszahl 1701, doch stammt das Gebäude im Stil der Neorenaissance von 1891. 73 Ana Lavric, Das Jesuitencollegium in Laibach und seine künstlerischen Verbindungen mit den benachbarten Ordenshäusern, in: Herbert Karner und Werner Telesko, Hrsg., Die Jesuiten in Wien. Zur Kunst- und Kulturgeschichte der österreichischen Ordensprovinz der „Gesellschaft Jesu“ im 17. und 18. Jahrhundert, Wien 2003, S. 131–145, insb. S. 136. 74 Zeitgenössisches Zitat aus den Jahresberichten der Laibacher Jesuiten (Litterae annuae) nach Ana Lavric, ebd., S. 137. 75 Other Modern: The Liturgical Art and Design of Helena Vurnik, in: Liturgical Arts Journal, August 22, 2018, https://www.liturgicalartsjournal.com/2018/08/other-modern-liturgical-art-and-design. html (14.04.22). 76 Er lebte seit 1698 in Ljubljana und fungierte ab 1710 als Provinzbaumeister der Krain. 77 Die originale Plastik hat ihre Aufstellung im Rathaus gefunden. 78 Alojz Gangl schuf auch die Denkmäler für Valentin Vodnik (Abb. 20) und Johann Weichard von Valvasor (Abb. 21). 79 Adolf Wagner war 1873 zum Vorstand des städtischen Bauamts in Laibach berufen worden und entwarf u.  a. die Pläne für eine Volksschule, für die Badeanstalt Kolezija, für den Zentralschlachthof und die Herz-Jesu-Kirche. 1883 soll er dieses Amt aufgrund des zunehmenden slowenischen Nationalismus niedergelegt haben und ist nach Graz zurückgekehrt. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 399. 80 Zu den Hauptaufgaben des 1832 gegründeten Gustav-AdolfWerks mit seinen regionalen Vereinen gehört die Unterstützung protestantische Minderheitskirchen, u. a. beim Bau von Kirchen. 81 Die erste Straßenbahn in Laibach fuhr 1901 wenige Jahre nach In-

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betriebnahme der elektrischen Tram in Graz 1898. In Österreich hatte die erste elektrische Straßenbahn am 22. Oktober 1883 zwischen Mödling und Hinterbrühl den Betrieb aufgenommen. Mit Opfern waren u.  a. auch Einschränkungen der Bürger hinsichtlich der Baugestaltung bis hin zu notwendigen Enteignungen gemeint. Allerdings wurde die Platzgestaltung selbst nicht nach Fabianis Plänen vorgenommen und ist auch gegenüber der Zeit um 1900 heute völlig verändert. Tijmen Pronk, The etymology of Ljubljana – Laibach, in: Folia Onomastica Croatia 16., 2007, S. 185–192. Dem Versuch, aus den von Österreich abgespalteten südslawischen Gebieten des Kaiserreiches einen eigenständigen Staat der Serben, Kroaten und Slowenen zu formieren, war kein Erfolg beschieden. Zwar war seine Gründung am 29. Oktober 1918 proklamiert worden, doch der Zusammenschluss mit dem Königreich Serbien gut einen Monat später war wohl unausweichlich. Mira Miladinović-Zalaznik, Anastasius Grün und das vereinte Slowenien, in: Clemens Ruthner, Hrsg., Festschrift für Roland Duhamel, in: Germanistische Mitteilungen 67 (2008), S. 51–63. Immerhin erinnert noch das Turjaška palača oder Auerspergova palača an seine Familie, die das Haus zwischen 1654 und 1658 durch Umbau der mittelalterlichen Häuser, die auf dem Gelände standen, errichtete. Das barocke Gebäude, das seine klassizistische Fassade im 19. Jahrhundert erhielt, beherbergt seit 1937 das Stadtmuseum von Ljubljana. Wolfgang Höpken, Slowenien im ersten und zweiten Jugoslawien, in: France Bernik und Reinhard Lauer, Hrsg., Die Grundlagen der slowenischen Kultur – Bericht über die Konferenz der Kommission für interdisziplinäre Südosteuropa-Forschung im September 2002 in Göttingen, Berlin 2010, S. 83–120, hier: S. 87–103. Ian Bentley u. a., Jože Plečnik, 1872–1957: Architecture and the city, Oxford 1983. Francois Burkhardt u. a., Jože Plečnik, Architecte, 1872–1957, Paris 1986. Tomáš Valena, Jože Plečnik. Für eine humanistische Architektur, München 2019. Tomáš Valena, Plečniks Ljubljana als humanistischer Stadtumbau, in: archimaera Heft 7, 2018, S. 46–61, hier: 59.

Anmerkungen

93 So ließ bspw. seine eigenwillige Rekonstruktion der römischen Stadtmauer den Archäologen die Haare zu Berge stehen (Abb. 145). 94 Jože Plečnik, “Študija regulacije Ljubljane in okolice,” Dom in svet, 42(5), 1929, supplement 4. 95 France Stelè, Anton Trstenjak, & Jože Plečnik, Architectura perennis, Ljubljana, 1941. 96 Milćek Komelj, Geschichtliche Lage und Ergebnisse der slowenischen Kunst, in: France Bernik und Reinhard Lauer, Hrsg., Die Grundlagen der slowenischen Kultur – Bericht über die Konferenz der Kommission für interdisziplinäre Südosteuropa-Forschung im September 2002 in Göttingen, Berlin 2010, S. 258. 97 Wolfgang Höpken, Slowenien im ersten und zweiten Jugoslawien, in: France Bernik und Reinhard Lauer, Hrsg., Die Grundlagen der slowenischen Kultur – Bericht über die Konferenz der Kommission für interdisziplinäre Südosteuropa-Forschung im September 2002 in Göttingen, Berlin 2010, S. 83–120, hier: S. 103–113. 98 Beteiligt waren folgende sechs Büros: Bevk Perović arhitekti (Matija Bevk, Vasa Perović), Dekleva Gregoric arhitekti (Aljosa Dekleva, Tina Gregoric), Elastik (Mika Cimolini, Igor Kebel), Maechtig Vrhunc Arhitekti (Tomaz Maechtig, Ursa Vrhunc), Ofis arhitekti (Rok Oman, Špela Videčnik), Sadar+Vuga Arhitekti ( Jurij Sadar, Boštjan Vuga). Ausstellungskatalog: Andrej Hrausky, Hrsg., 6IX Pack: Contemporary Slovenian Architecture, Ljubljana 2005. 99 Peter Vodopivec, Laibach/Ljubljana: Die Hauptstadt der Republik Slowenien, in: Harald Heppner, Hrsg., Hauptstädte zwischen Save, Bosporus und Dnjepr. Geschichte-Funktion-Nationale Symbolkraft, Wien 1998, S. 29. 100 Matija Žargi, Regulation of the Ljubljanica, in: Peter Turk, Janka Istenič, Timotej Knific und Tomaž Nabergoj, Hrsg., The Ljubljanica – a River and its Past, Ljubljana 2009, S. 184–188. 101 Wahrscheinlich gab es schon bei der Anlage des Gruber-Kanals 1780 hier eine Brücke, über die aber nichts weiter bekannt ist. Parallel zur alten Brücke wurde 1979 eine neue Brücke errichtet. 102 Sie befindet sich seit 2011 an der Verlängerung der Hren-Straße zwischen dem Krakauer Damm und dem Grudener Damm, die den Bezirk Trnovo und das Viertel Prule verbindet, und wird nur noch als reine Fußgängerbrücke genutzt. 103 Errichtet nach Plänen von ATELIERarhitekti, Ljubljana. 104 Errichtet nach Plänen von Arhitektura d.o.o., Ljubljana.

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105 https://www.baumeister.de/fussgaengerbruecke-ljubljana (01.02.2023 106 Errichtet nach Plänen von DANS arhitekti, Ljubljana. 107 Errichtet nach Plänen von SANING, sanacije in gradnja objektov, d.o.o., Kranj. 108 https://www.ng-slo.si/si/stalna-zbirka/1900–1918/sejalec-ivan-grohar?workId=1783 (10.05.22). 109 Iva Curk, Architektur und Denkmalpflege in Slowenien, in: Hefte des Deutschen Nationalkomitees (ICOMOS), Bd. 12, 1993, S. 49. 110 Jörg Stabenow, Multiple Identitäten. Architektur in Ljubljana zwischen Donaumonarchie und jugoslawischem Königreich, in: Planen und Bauen im Grenzraum; Innsbrucker Beiträge zur Baugeschichte ibb, Berlin und München 2019, S. 84–101. 111 https://www.gov.si/en/registries/projects/pionirji-slovenske-sodobne-arhitekture-fabiani-plecnik-in-vurnik-oblike-za-novodemokracijo/ (25.05.22); https://www.nms.si/en/exhibitions/10961Forms-for-a-New-Democracy (01.02.2023) 112 https://www.db-bauzeitung.de/architektur/verpackungs-architektur/ (11.05.22).

Weiterführende Literatur

Weiterführende Literatur Hendrik Bohle und Jan Dimog, Architekturführer Slowenien, Berlin 2019. Judith Hopfengärtner, Hrsg., Jože Plečnik, Edvard Ravnikar, Danilo Fürst, Stanko Kristl, Oton Jugovec – experimenteller Regionalismus in Slowenien 1920–70, Zürich 2013. Andrej Hrausky u. a., Max Fabiani, Klagenfurt 2015. Sonja Ifko, Slovenian Architecture in the Period of Socialism, in: ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkomitees, Bd. 58 (2013), S. 95–100. Breda Mihelič, Darja Pergovnik u. a., Plečnikova Ljubljana: portret mesta / Plečnik’s Ljubljana: portrait of a city, Ljubljana 2017 (file:///C:/ Users/Admin/Downloads/Portrait%20of%20a%20City%20-%20 Ple%C4%8Dnik’s%20Ljubljana.pdf ). Breda Mihelić, Jelka Pirkovič-Kocbek u. a., Fabianijeva Ljubljana: portret mesta / Fabianis Ljubljana: Portrait of a City, Ljubljana 2016 (file:///C:/Users/Admin/Downloads/fabianijeva-ljubljana.pdf ). Damjan Prelovšek, Jože Plečnik. Architectura perennis, New Haven und London 1997. Jörg Stabenow, Jože Plečnik. Städtebau im Schatten der Moderne, Wiesbaden 1995. Adolph Stiller, Hrsg., Slowenien. Architektur_Meister & Szene, Salzburg 2008 . Peter Vodopivec, Laibach/Ljubljana: Die Hauptstadt der Republik Slowenien, in: Harald Heppner, Hrsg., Hauptstädte zwischen Save, Bosporus und Dnjepr, Wien 1998, S. 9–30.

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Bildnachweis Soweit im Folgenden nichts anderes angegeben ist, stammen die Bildvorlagen vom Verfasser, aufgenommen in den Jahren 2019–2022. Historische Postkarten/Fotografien: 25; 81; 113; 114; 142b; 193 General-Regulirungs-Plan der Stadt Laibach von Max Fabiani, 1895: 115 Mestni muzej Ljubljana (MGML) = https://mgml.si/en/city-museum/news/454/surprising-discoveries-from-gosposvetska-cesta/#&gid=null&pid=9: 65 Visitljubljana. https://www.visitljubljana.com/sl/poi/tromostovje/: 198 Weichard von Valvasor, Die Ehre dess Hertzogthums Crain, 1689, Bd. V.: 10; 12; 17 Wikimedia Commons public domain: 1; 2; 47; 79; 80; 109; 207

Index der Personennamen

Index der Personennamen

A Alexander I., Karađorđević 44, 154 Ambient 210, 211, 212, 213 Antiocus 85 Antonius 85 Arnautović, Ilija 199 ATELIERarhitekti 210, 211, 233, 253 Auersperg, Anton Alexander Graf 151, 152, 246 Augustus 68 B Baratta, Pietro 106 Batič, Stojan 45, 49, 50 Begić, Mirsad 54, 133 Bellon, Alexander 122 Bergant, Fortunat 116, 240 Berneker, Franc 40, 138, 139 Bevk, Matija.  Siehe Bevk Perović Arhitekti Bevk Perović Arhitekti 217, 218, 253 Blanchard, Jean 118 Bohorič, Adam 54 Borromini, Francesco 107 Brdar, Jakov 53, 234, 245 Brückner, Wilhelm 125 Brünnler, Karl 144, 145 C Cankar, Ivan 52, 130, 193, 194, 195 Cankar, Izidor 185

Contieri, Jacopo 106 Costaperaria, Joseph 128 Czoernig-Czernhausen, Karl Freiherr von 30 D Dalmatin, Jurij 54 Deschmann, Karl 79, 249 Dolinar, Lojze 44, 170, 184, 185, 205 Dolničar, Janez Gregor.  Siehe Thalnitscher, Johann Gregor Drofenig, Franc 144 Duffé, Jan 135 F Fabiani, Max 19, 20, 39, 40, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 144, 154, 180, 243, 252 Ferdinand (Nachfolger Erzherzog Karls) 102 Franz I. 119 Franz Josef I. 41, 42, 133, 151 G Gangl, Alojz 38, 39, 124, 246, 251 Glanz, Vinko 21, 32, 188 Gorup, Josip 145 Graf, Alexander 147, 148 Grohar, Ivan 10, 239 Groleger Arhitekti 216, 217 Groppelli, Paolo und Guiseppe 106 Grosz, August Ignatz 66, 67

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Anhang

Gruber, Gabriel 221 Grün, Anastasius.  Siehe Auersperg, Anton Alexander Graf H Hauptmann, Adolf 143 Helfer, Wilhelm 134, 135 Hermann, Johann 225 Herodian 90 Hieronymus 85 Hladnik, Franz von Paula 118 Höfler, Janez 12 Hradecky, Janez Nepomuk 224 Hráský, Jan Vladimir 123 Hrausky, Andrej 23 Hribar, Ivan 39, 40, 41, 53, 54, 133, 135, 138, 210 Hruby, Anton 124 Hus, Hermann 154, 155 J Jakopič, Rihard 10, 11, 184 Jankovic, Zoran 217 Jašović, Dragomir 182 Jeblinger, Raimund 105, 109 Jelovšek, Franc 110, 114 Josef II. 131 K Kalin, Boris 45 Kalin, Zdenko 190 Kardelj, Edvard 48 Karl Franz, Erzherzog 223, 224 Karl II. Franz von Innerösterreich 101 Keller, Alfred 221 Kerin, Miha.  Siehe Ambient Kobe, Boris 162 Kobe, Jurij 234

Koch, Ciril Metod 138, 139, 141, 143, 145, 147 Kogovšek, Alojzij 49, 50 Kopàč, Vlasto 51 Korunović, Momir 181 Koster, Peter 129, 130 Kos, Tine 42 Kottler Vurnik, Helena 11, 109, 110, 143, 144 Kraševac, Branko 195 Kregar, Majda.  Siehe Ambient Krelj, Sebastjan 54 Kremser Schmidt.  Siehe Schmidt, Martin Johann Krisper, Valentin 137 Kristl, Stanko 200 Kukovič, Janez 132 Kunaver, Bojan 125 Kurz, Franz von Kurz zum Thurn und Goldenstein 19 L Lahn, Gustav 131 Le Corbusier 191, 201 Leythenbach, Joseph Schemerl von 112 Lušičić, Franjo 154, 155 M Maček, Gregor 110 Maister, Rudolf 35, 52, 53 Majar-Ziljski, Matija 129 Marmont, Auguste Frédéric Louis Viesse de 118 Martinuzzi, Carlo 94, 107, 109, 110, 112 Maximilian I. 98 Maximus (episcopus) 84, 85 Medvešček, Emil 201

Index der Personennamen

Metzinger, Valentin 14, 110, 114 Mihelič, Milan 196, 197, 204 Mihevc, Edo 45, 195, 201 Miklošič, Franc 41, 42, 133, 149, 151 Mislej, Luka 106 Mitterlechner, Franz 122 Mladenović, Mišo 182 N Napoleon I. Bonaparte 17, 30, 43, 44, 117 O Ofis arhitekti 209, 210, 217, 253 Oman, Rok.  Siehe Ofis architekti P Patricius episcopus 249 Paulus Diaconus 89 Perović, Vasa J.  Siehe Bevk Perović Arhitekti Peruzzi, Svetoslav 41 Picco, Giovanni 223 Pigrato, Peter Antonio 101 Plečnik, Jože 14, 18, 20, 24, 28, 31, 32, 33, 37, 42, 43, 58, 61, 108, 119, 137, 152, 156, 157, 158, 159, 160, 162, 164, 165, 166, 167, 169, 170, 171, 173, 175, 176, 177, 179, 180, 181, 184, 185, 187, 190, 196, 198, 202, 205, 209, 220, 221, 222, 223, 224, 226, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 236, 237, 242, 243 Plinius d. Ä. 90 Podhagsky, Ivan 221

Pozzo, Andrea 106 Prešeren, France 18, 19, 38, 39, 40, 54, 100, 129 Pronk, Tijmen 149 Putrih, Karel 190 Putti, Angelo 106 Q Quaglio, Giulio 13, 106, 113, 116 R Rahten, Andrej 150 Rauber, Christophorus 100 Ravnikar, Edvard 14, 21, 25, 52, 181, 185, 186, 188, 191, 192, 193, 197, 198, 202, 203, 205, 206, 207, 209 Rezori, Wilhelm 123 Robba, Francesco 36, 37, 38, 102, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 112, 114 Romulus Augustulus 88 Rudolf, Kronprinz von Österreich 79 S Sadar+Vuga Arhitekti 25, 208, 209, 219, 253 Sadar, Jurij.  Siehe Sadar+Vuga Arhitekti Sandri, Hermenegild 27, 29 Saria, Balduin 65, 68 Šašel, Jaroslav 91 Šašel Kos, Marjeta 74, 92 Schmidt, Martin Johann, genannt Kremser Schmidt 13 Schmid, Walter 27, 246 Schönleben, Johann Ludwig 27

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Anhang

Setz, Friedrich 125 Sigmundt, Friedrich 142, 143 Sitte, Camillo 135 Škabrout, František Edmund 127 Stelè, France 11, 12, 13, 14 Sternen, Matej 107 Strabon 69 Šubic, Mirko 182 Šubic, Vladimir 153, 182, 183, 184 Šumi, Nace 14 T Textor, Urban 100 Thalnitscher, Johann Gregor (slow. Dolničar, Janez Gregor) 27, 65, 77, 79, 247 Theoderich 88 Tiberius 68 Tihec, Slavko 52 Tršar, Drago 47 Tršar, Dusan 46 Trubar, Primož 35, 38, 40, 54, 100, 101 U Urbanc, Felix 142 V Valvasor, Johann Weichard von 26, 27, 28, 30, 36, 38, 39, 65, 97, 111, 113, 220, 251 Vancaš, Josip 141 Videčnik, Špela.  Siehe Ofis arhitekti Vodnik, Valentin 38, 39, 100,

251 Vodopivec, Lujo 54, 55 Vuga, Boštjan.  Siehe Sadar+Vuga Arhitekti Vurnik, Ivan 109, 111, 143, 144 W Wagner, Adolf 124, 132, 217, 251 Wagner, Otto 14, 137, 139, 157, 224 Z Zajec, Ivan 19, 39 Zaninović, Jurij 224 Zois, Sigmund Freiherr von Edelstein 165, 167 Zulliani, Candido 111