Lineare Algebra und Analytische Geometrie [1. Auflage 2018] 9783658226190, 3658226196

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Lineare Algebra und Analytische Geometrie [1. Auflage 2018]
 9783658226190, 3658226196

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Christian Bär

Lineare Algebra und analytische Geometrie

Lineare Algebra und analytische Geometrie

Christian Bär

Lineare Algebra und analytische Geometrie

Christian Bär Institut für Mathematik Universität Potsdam Potsdam, Deutschland

ISBN 978-3-658-22619-0 https://doi.org/10.1007/978-3-658-22620-6

ISBN 978-3-658-22620-6 (eBook)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Spektrum © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Verantwortlich im Verlag: Ulrike Schmickler-Hirzebruch Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort Die lineare Algebra gehört, neben der Analysis, seit vielen Jahrzehnten zum Standardstoff des ersten Studienjahrs im Mathematikstudium. Das liegt einfach daran, dass die meisten Teilgebiete der Mathematik und damit fast alle weiterführenden Vorlesungen auf ihr aufbauen. Dementsprechend gibt es bereits zahlreiche Lehrbücher zur Thematik; eine kleine Auswahl ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit findet sich im Literaturverzeichnis. Es stellt sich die Frage, warum ein weiteres? Ich habe die zweisemestrige Vorlesung zur linearen Algebra und analytischen Geometrie häufiger an der Universität Potsdam gehalten und dabei beobachten können, wie sich die Herausforderungen, mit denen die Studienanfängerinnen und -anfänger zu kämpfen haben, im Laufe der Jahre verändert haben. Der Einstieg in das Mathematikstudium war immer schon schwierig; er ist für die Studierenden aber nicht einfacher geworden, da aus dem Mathematikunterricht der Schule das intellektuelle Durchdringen des Stoffs, etwa in Form von Beweisen, immer mehr zu verschwinden scheint. Verschärft wird das Problem dadurch, dass man an der Schule meint, auf eine systematische mengentheoretische Notation verzichten zu können, so dass mathematische Sachverhalte oft nicht mal mehr präzise formuliert werden (können). Das alles gilt es zu bedenken, wenn man die Studierenden in eine wissenschaftliche Behandlung der Mathematik einführt. Im Laufe der Jahre hat sich so ein Vorlesungsskript entwickelt, aus dem schließlich dieses Buch hervorgegangen ist. Ich habe dabei versucht, zunächst in einem Grundlagenkapitel das Basishandswerkszeug für jedwede ernsthafte Beschäftigung mit Mathematik zu vermitteln: präzises Formulieren, mengentheoretische Notation und mathematische Beweise. Dieser Abschnitt soll in keiner Weise einer Vorlesung über Mengenlehre oder mathematische Logik Konkurrenz machen, sondern lediglich das erforderliche mathematische Grundhandwerkszeug bereitstellen. Wirklich los geht es dann im zweiten Kapitel mit der Untersuchung linearer Gleichungssysteme. Diese und der Gauß-Algorithmus zu ihrer Lösung treten in so vielen Anwendungen der Mathematik auf wie wenige andere Konzepte der Mathematik. Während das zweite Kapitel noch sehr konkret ist, wird es im dritten abstrakter, wenn z.B. allgemeine Körper und Vektorräume eingeführt werden. Mathematiknovizen haben oft zunächst Schwierigkeiten im Umgang mit abstrakten Konzepten. Lässt man sich aber darauf ein, stellt man rasch fest, dass Abstraktion die Dinge auf das Wesentliche reduziert und dadurch übersichtlicher macht. Außerdem verringert sie erheblich die mathematische Arbeit, weil man viele Untersuchungen einmal im allgemeinen abstrakten Fall machen kann und sie dann nicht mehr in jedem Beispiel aufs Neue vornehmen muss. Wenn das kein Argument ist! Im ganzen Text habe ich mich um eine enge Verzahnung von Algebra und Geometrie bemüht. Zum einen können algebraische Methoden sehr einfache Beweise für geometrische Sätze liefern, die bei einer rein geometrischen Betrachtung sehr viel mühsamer zu erhalten wären. Zum anderen liefert die Geometrie wichtige Anschauung für algebraische Konzepte.

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Ferner habe ich versucht, die Wichtigkeit der linearen Algebra durch einige ausgewählte Anwendungsbeispiele zu verdeutlichen, und zwar Anwendungen innerhalb der Mathematik (z.B. Volumenberechnungen und Differentialgleichungssysteme) als auch außerhalb (Codierungstheorie und Ranking von Webseiten). Diese Anwendungen finden sich in Anhang A. Außerdem finden sich viele Beispiele im Text und in den Aufgaben. Im Stoffaufbau habe ich mich ganz bewusst für eine gewisse Redundanz entschieden. So kommen z.B. im zweiten Kapitel bereits Untervektorräume von Rn vor während allgemeine (Unter-) Vektorräume erst im dritten Kapitel eingeführt werden. Das hat den Vorteil, dass in einem einfachen Spezialfall die Anschauung bereits geschult wurde, bevor man sich mit dem allgemeinen, abstrakten Konzept auseinandersetzen muss. Gerade am Anfang des Mathematikstudiums, wenn die Studierenden noch keine Erfahrung mit einer abstrakten Herangehensweise haben, hat sich das sehr bewährt. Der Nachteil ist natürlich, dass es Zeit kostet, nicht den „effizientesten“ Weg zu gehen, indem man die abstrakten Betrachtungen ganz an den Anfang stellt, und dadurch die Menge des behandelten Stoffs nicht maximiert wird. Dennoch ist die bessere Zugänglichkeit diesen Preis wert. Ohnehin muss eine Stoffauswahl getroffen werden. Der Text ist vom Umfang her auf eine zweisemestrige vierstündige Vorlesung ausgelegt und erhebt keinerlei Anspruch auf enzyklopädische Vollständigkeit. Steht weniger Zeit zur Verfügung, so muss der Stoff weiter reduziert werden. Dabei kann folgendes Diagramm helfen, das die logische Abhängigkeit der verschiedenen Kapitel illustriert:

1. Grundlagen B.1 Griechisches Alphabet B.2 Bew. d. Fundamentalsatzes

A.1 Graphentheorie 2. Matrixrechnung

B.3 Matrixinvertierung

3. Algebr. Grundbegriffe

B.4 Bew. d. Jordan-Normalform

4. Lineare Abbildungen

A.2 Codierungstheorie

5. Geometrie

A.3 Volumenberechnungen

6. Eigenwertprobleme

A.4 Ranking von Webseiten A.5 Differentialgleichungen

B.5 Hyperbolische Funktionen

7. Bilineare Algebra

Abb. 1 Logische Abhängigkeiten im Textaufbau

Die beiden gepunkteten Pfeile deuten an, dass die Beweise des Fundamentalsatzes der Algebra

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und des Satzes von der Jordan’schen Normalform in die beiden Anhänge B.2 bzw. B.4 ausgelagert wurden, dass man aber den Haupttext auch lesen kann ohne diese beiden Beweise zu studieren indem man die beiden Sätze einfach akzeptiert. Die Aufgaben am Ende jedes Kapitels sind integraler Bestandteil des Textes. Möchte man ein guter Fußballspieler werden, so reicht es nicht, regelmäßig die Sportschau zu schauen, sondern man muss schon selbst auf den Trainingsplatz gehen und üben, auch wenn oder gerade weil das die Sache anstrengend macht. Genauso ist es mit der Mathematik; es reicht nicht, die Dinge nur nachzuvollziehen. Man muss selbst aktiv werden, selbst Mathematik betreiben. Dafür sind die Aufgaben da. Außerdem liefern einige von ihnen Beispiele für Anwendungen des Stoffs des entsprechenden Kapitels. Um eher „handwerkliche“ Fähigkeiten zu üben, gibt es interaktive OnlineÜbungen, die mit dem nebenstehenden Symbol gekennzeichnet sind. Sie können auf internetfähigen Computern oder Mobilgeräten mittels der angegebenen URL Abb. 2 Üben1 oder des QR-Codes aufgerufen werden. Javascript muss im Browser aktiviert sein, was meistens die Voreinstellung ist. Es wird dann eine Zufallsaufgabe zum betreffenden Thema erzeugt, die die Leserin oder der Leser selbst lösen sollte. Anschließend kann man sich das Ergebnis zur Kontrolle anzeigen lassen. Die ganze Sammlung der Online-Übungen findet sich auf https://www.cbaer.eu im Pull-Down-Menü „Mathematik“. Dieses handwerkliche Können wird oft nicht ausreichend gewürdigt. Es ist zwar richtig, dass die meisten Berechnungen, sagen wir die einer Determinante, von einem Computer schneller und zuverlässiger durchgeführt werden können als von einem Menschen, aber wer sich bei solchen Rechnungen selbst unsicher fühlt, wird nicht in der Lage sein, das Ergebnis einer Computerberechnung kritisch zu bewerten. Außerdem sind diese Rechenaufgaben eine gute Kontrolle, ob man die betreffenden mathematischen Konzepte richtig verstanden hat. Also üben! An einigen Stellen gibt es auch interaktive Illustrationen, die den behandelten Stoff erhellen sollen. Sie sind mit diesem Symbol gekennzeichnet. Ich hoffe, mit dem vorliegenden Buch eine zeitgemäße Einführung in die lineare Algebra und Abb. 3 Illustrationen2 analytische Geometrie beigesteuert zu haben, die die typischen Anfangsschwierigkeiten berücksichtigt, die die mathematischen Konzepte unter anderem durch Anwendungen motiviert und es dabei nicht an mathematischer Strenge und Klarheit fehlen lässt. So viel zur Frage vom Anfang dieses Vorworts. Das Manuskript zu diesem Buch ist über viele Jahre entstanden. Dabei haben zahlreiche Menschen mitgewirkt und wertvolle Verbesserungshinweise gegeben, nicht zuletzt die Studierenden der Vorlesung. Besonders seien hier Christian Becker, Florian Hanisch, Martin Naumann, Max Lewandowski und Ramona Ziese genannt. Ich bin ihnen allen zu großem Dank verpflichtet. Alle verbleibenden Fehler hat natürlich alleine der Autor zu verantworten. Für entsprechende Hinweise an [email protected] wäre ich dankbar. Sehr angenehm und freundschaftlich war immer auch die Zusammenarbeit mit dem Verlag, insbesondere mit Frau Schmickler-Hirzebruch. Auch ihr an dieser Stelle ein großes Danke! Potsdam, im August 2018 1Künstler: Gerald_G, Quelle: https://openclipart.org/detail/50431 2Künstler: GDJ, Quelle: https://openclipart.org/detail/269989

Christian Bär

Für Gabriele

Inhaltsverzeichnis 1. Grundlagen

1.1. 1.2. 1.3. 1.4. 1.5. 1.6.

1

Präzision ist gefragt: mathematisches Formulieren Beweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollständige Induktion . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. 43 . 58 . 69 . 78 . 98 . 121

Abstraktes Rechnen: Gruppen und Halbgruppen . . . . . Zwei Rechenarten im Zusammenspiel: Ringe und Körper Vektorräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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127 145 154 160 172

177 184 204 223 230

2. Matrixrechnung

2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6.

Lineare Gleichungssysteme . . . . Lineare Unabhängigkeit und Basen Der Gauß-Algorithmus . . . . . . Geometrie der Ebene, Teil 1 . . . Die komplexen Zahlen . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . .

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3. Algebraische Grundbegriffe

3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5.

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4. Lineare Abbildungen

4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5.

Grundlegende Definitionen . . . . Lineare Abbildungen und Matrizen Determinanten . . . . . . . . . . Orientierungen . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . .

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Affine Unterräume und affine Abbildungen . Volumina . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geometrie der Ebene, Teil 2 . . . . . . . . Das Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Geometrie

5.1. 5.2. 5.3. 5.4. 5.5.

1 5 11 19 34 38

235

235 242 250 263 267

x

Inhaltsverzeichnis

6. Eigenwertprobleme

6.1. 6.2. 6.3. 6.4. 6.5. 6.6. 6.7.

Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenwerte und Eigenvektoren . . . . . . . . . . . . Diagonalisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Invariante Untervektorräume und Trigonalisierbarkeit Algebren und das Minimalpolynom . . . . . . . . . Die Jordan’sche Normalform . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bilineare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quadriken und Kegelschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Euklidische Vektorräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adjungierte Abbildungen und selbstadjungierte Endomorphismen Orthogonale Endomorphismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unitäre Vektorräume und Endomorphismen . . . . . . . . . . . . Schiefsymmetrische Endomorphismen . . . . . . . . . . . . . . . Schiefsymmetrische Bilinearformen . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. Bilineare Algebra

7.1. 7.2. 7.3. 7.4. 7.5. 7.6. 7.7. 7.8. 7.9.

339

A. Anwendungen

A.1. A.2. A.3. A.4. A.5.

Das griechische Alphabet . . . . . . . . . . . . . . . Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra . . . . . Praktische Invertierung von Matrizen . . . . . . . . . Beweis des Satzes von der Jordan’schen Normalform Hyperbolische Funktionen . . . . . . . . . . . . . .

339 358 370 379 382 391 399 402 405 411

Graphentheorie - etwas Kombinatorik . . . . . . . . . . . Codierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Volumenberechnungen . . . . . . . . . . . . . . . Ranking von Webseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differentialgleichungssysteme mit konstanten Koeffizienten

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B. Was sonst noch interessant ist

B.1. B.2. B.3. B.4. B.5.

271 281 290 303 312 323 332

411 417 421 433 438 443

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443 444 445 446 450

Literatur

453

Index

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1. Grundlagen Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen. (Ludwig Wittgenstein Tractatus logico-philosophicus)

Bevor wir uns mit linearer Algebra oder analytischer Geometrie befassen, behandeln wir zunächst einige grundsätzliche Fragen, die korrektes Formulieren und Argumentieren in der Mathematik und darüber hinaus betreffen.

1.1. Präzision ist gefragt: mathematisches Formulieren In der Mathematik befassen wir uns nur mit Aussagen, die objektiv entweder wahr oder falsch sind, unabhängig von der Person, die die Aussage macht, oder deren Vorlieben. So sind z.B. die Aussagen „8 ist eine gerade Zahl“ und „Jede Quadratzahl ist gerade“ beides mathematische Aussagen. Die erste ist wahr, die zweite hingegen falsch, da wir ja z.B. mit 9 flugs eine ungerade Quadratzahl gefunden haben, also ein Gegenbeispiel zur zweiten Aussage. Auch „Hertha BSC war seit dem zweiten Weltkrieg schon mal deutscher Fußball-Meister“ könnte man als eine mathematische Aussage betrachten, und zwar als eine falsche, da die letzte deutsche Meisterschaft der Hertha in das Jahr 1931 zurückreicht. Hingegen sind „Du hast die schönsten Augen auf dieser Welt“ oder „Leistung muss sich wieder lohnen!“ keine mathematischen Aussagen. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussagen wäre sicherlich umstritten und nicht objektiv feststellbar. So etwas überlassen wir den Romantikern und den Politikern. Zwei Aussagen A und B nennen wir äquivalent, wenn entweder A und B beide wahr oder beide falsch sind. In Symbolen schreiben wir dann A ⇔ B. Ein Beispiel für äquivalente Aussagen sind „Die ganze Zahl n ist gerade“ ⇔ „Die ganze Zahl n ist durch 2 teilbar“. Ein Doppelpunkt vor oder hinter dem Äquivalenzpfeil drückt aus, dass die Aussage auf der Seite mit dem Doppelpunkt durch die andere definiert wird. So bedeutet z.B. A :⇔„8 ist eine gerade Zahl“, dass A abkürzend für die Aussage „8 ist eine gerade Zahl“ steht. In diesem Beispiel ist die Aussage A wahr. Aussagen können verneint werden. Die Verneinung einer Aussage A ist wahr, wenn A selbst falsch ist, und umgekehrt. In Symbolen schreibt man ¬A für die Verneinung der Aussage A. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 C. Bär, Lineare Algebra und analytische Geometrie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22620-6_1

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1. Grundlagen

Ist z.B. A :⇔„8 ist eine gerade Zahl“, so ist ihre Verneinung ¬A ⇔„8 ist keine gerade Zahl“. Für die Aussage B :⇔„Jede Quadratzahl ist gerade“ haben wir ¬B ⇔ „Nicht jede Quadratzahl ist gerade“. Für letzteres könnten wir auch ¬B ⇔„Es gibt wenigstens eine ungerade Quadratzahl“ schreiben. Für C :⇔„Hertha BSC war seit dem zweiten Weltkrieg schon mal deutscher Fußball-Meister“ ist ¬C ⇔„Hertha BSC war seit dem zweiten Weltkrieg noch nie deutscher Fußball-Meister“. Die Aussage ¬C ist wahr. Wir können den Effekt der Negation (Verneinung) einer Aussage in folgender Wertetafel zusammenfassen: Negation (nicht) A ¬A falsch wahr wahr falsch Tab. 1 Wahrheitstabelle Negation

Offensichtlich ist die Verneinung der Verneinung einer mathematischen Aussage A wieder äquivalent zur ursprünglichen Aussage: ¬(¬A) ⇔ A. Aus zwei Aussagen A und B können neue Aussagen gebildet werden: die Aussage „A und B“, in Symbolen A ∧ B, sowie die Aussage „A oder B“, in Symbolen A ∨ B. Die Aussage A ∧ B ist wahr, wenn sowohl A als auch B wahr sind; ansonsten ist sie falsch. Man spricht dann auch von der Konjunktion der Aussagen A und B. Die Aussage A ∨ B ist wahr, wenn A oder B oder beide wahr sind. Nur wenn A und B beide falsch sind, ist auch A ∨ B falsch. Man spricht hier von der Disjunktion der Aussagen A und B. Die Aussagen A ∧ B und A ∨ B besitzen also folgende Wertetafeln: Konjunktion (und) A B A∧B falsch falsch falsch falsch wahr falsch wahr falsch falsch wahr wahr wahr

Disjunktion (oder) A B A∨B falsch falsch falsch falsch wahr wahr wahr falsch wahr wahr wahr wahr

Tab. 2 Wahrheitstabelle Konjunktion

Tab. 3 Wahrheitstabelle Disjunktion

Für die Aussagen A :⇔„8 ist gerade“ (wahr) und B :⇔„3 ist gerade“ (falsch) ergibt sich zum Beispiel A∧ B ⇔„8 und 3 sind gerade“, d.h. eine falsche Aussage. Andererseits ist A∨ B ⇔„8 oder 3 ist gerade“ eine wahre Aussage. Auch die Aussage „2 oder 4 ist gerade“ ist wahr. Dieses Beispiel verdeutlicht noch einmal, dass das mathematische oder nicht im Sinne von entweder oder zu verstehen ist (ein so genanntes exklusives oder). Auch wenn sowohl A als auch B wahr sind, ist A ∨ B wahr. Die Verneinung von A ∧ B ist äquivalent zu ¬A ∨ ¬B, da es für die Aussage ¬(A ∧ B) bereits genügt, dass nur eine der Teilaussagen nicht gilt. Umgekehrt ist ¬(A∨B) äquivalent zu ¬A∧¬B.

1.1. Präzision ist gefragt: mathematisches Formulieren

3

Beim Verneinen vertauschen sich also und und oder. Das wird von Anfängern oft übersehen. Seien z.B. n und m ganze Zahlen. Was ist die Verneinung der Aussage A ⇔„n und m sind gerade“? Der mathematisch Ungeübte ist versucht zu sagen B ⇔„n und m sind ungerade“. Das ist aber nicht richtig, denn wenn beispielsweise n = 2 und m = 3 ist, dann sind beide Aussagen A und B falsch. Daher kann B nicht äquivalent zur Verneinung von A sein. Die korrekte Verneinung wäre ¬A ⇔„n oder m ist ungerade“. Konjunktion und Disjunktion kann man auch für mehr als zwei Aussagen bilden, sogar für unendlich viele Aussagen. Die Konjunktion einer Serie von Aussagen ist wahr, falls alle Einzelaussagen wahr sind, und falsch andernfalls. Entsprechend ist die Disjunktion einer Serie von Aussagen wahr, wenn wenigstens eine der Einzelaussagen wahr ist. Falsch ist die Disjunktion nur, wenn alle Einzelaussagen falsch sind. Betrachten wir z.B. die Aussagen A(n) :⇔ „n ist eine gerade Zahl“, wobei n irgendeine positive ganze Zahl sein darf. Offensichtlich ist dann A(1) falsch, A(2) wahr, A(3) falsch usw. Dann ist die Konjunktion A(1) ∧ A(2) ∧ A(3) ∧ · · · falsch, da ja z.B. A(1) falsch ist. In der Tat besagt diese Konjunktion „alle positiven ganzen Zahlen sind gerade“, was falsch ist. Die Disjunktion A(1) ∨ A(2) ∨ A(3) ∨ · · · besagt, dass wenigstens eine positive ganze Zahle gerade ist, was wahr ist. Für Konjunktion und Disjunktion mehrerer Aussagen verwendet man oft eine andere Notation, die so genannten Quantoren: den All-Quantor ∀ und den Existenz-Quantor ∃. Statt A(1) ∧ A(2) ∧ A(3) ∧ · · · schreibt man dann ∀n : A(n), gesprochen: „für alle n gilt A(n)“ oder „für jedes n gilt A(n)“. Statt A(1) ∨ A(2) ∨ A(3) ∨ · · · schreibt man ∃n : A(n), gesprochen: „für ein n gilt A(n)“ oder „für wenigstens ein n gilt A(n)“ oder „es gibt ein n, so dass A(n) gilt“ oder auch „für manches n gilt A(n)“. Bemerkung 1.1. Anders als im umgangssprachlichen Gebrauch üblich, bedeutet in der Mathematik „es gibt ein. . . “ (was durch den Quantor ∃ zum Ausdruck gebracht wird) stets „es gibt mindestens ein. . . “. Möchte man dagegen ausdrücken, dass es ein und nur ein n gibt, für das A(n) wahr ist, so notiert man ∃!n : A(n), gesprochen: „ es gibt genau ein n, für das A(n) gilt“ oder „ es gibt ein eindeutiges n, so dass A(n) wahr ist“. Beispiel 1.2. Wir verdeutlichen den Einsatz von ∃ und ∃! an unterschiedlichen Quantifizierungen der Aussageform n2 = 25 : ∃! positive und ganze Zahl n: n2 = 25 ∃ positive und ganze Zahl n: n2 = 25 ∃! ganze Zahl n: n2 = 25 ∃ ganze Zahl n: n2 = 25

(wahr) (wahr) (falsch) (wahr)

4

1. Grundlagen

Wie negiert man quantorenbehaftete Aussagen? Das wissen wir schon, denn Quantoren drücken ja nur Konjunktion und Disjunktion aus. Konjunktion und Disjunktion werden beim Verneinen ausgetauscht. In Formeln heißt das: ¬(∀n : A(n)) ⇔ ∃n : ¬A(n) sowie ¬(∃n : A(n)) ⇔ ∀n : ¬A(n).

Beispiel 1.3. Ist die Aussage „Alle runden Dreiecke sind blau“ wahr oder falsch? Die spontane Reaktion der allermeisten Menschen1 lautet: falsch, denn es gibt ja überhaupt keine runden Dreiecke. Doch seien wir vorsichtig und formalisieren wir die Aussage zunächst: ∀ runde Dreiecke K : K ist blau.

(1.1)

Wir verneinen die Aussage und erhalten ∃ rundes Dreieck K : ¬(K ist blau).

(1.2)

Aussage (1.2) besagt, dass es wenigstens ein rundes Dreieck gibt, das nicht blau ist. Da es aber überhaupt keine runden Dreiecke gibt, muss Aussage (1.2) falsch sein. Da (1.2) die Verneinung von (1.1) ist, ist Aussage (1.1) wahr!

Abb. 4 Runde Dreiecke

Oft treten Quantifizierungen geschachtelt auf. Betrachten wir für n > m einmal alle Möglichkeiten der Quantifizierung, also eine Verschachtelung mit zwei Quantoren: ∀ ganze Zahl n: ∀ ganze Zahl m: n ∃ ganze Zahl n: ∀ ganze Zahl m: n ∀ ganze Zahl n: ∃ ganze Zahl m: n ∃ ganze Zahl n: ∃ ganze Zahl m: n

> > > >

m (falsch) m (falsch) m (wahr) m (wahr)

Die Reihenfolge der Quantoren ist wichtig! Vertauschen wir etwa in der zweiten dieser vier Aussagen die Reihenfolge der Quantoren, so erhalten wir 1Testen Sie doch mal Ihren Lieblingsmathematiklehrer mit dieser Frage.

1.2. Beweise

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∀ ganze Zahl m: ∃ ganze Zahl n: n > m und diese Aussage ist wahr. Gerade beim Verneinen komplizierter Aussagen, kann es sehr hilfreich sein, die Aussage mittels Quantoren zu formalisieren. So gilt ja z.B. ¬(∀n : ∀m : A(n, m)) ⇔ ∃n : ¬(∀m : A(n, m)) ⇔ ∃n : ∃m : ¬A(n, m). Generell erfolgt die Verneinung verschachtelter Quantifikationen durch das Vertauschen aller auftretenden Quantoren und die Verneinung der Aussageform. Beispiel 1.4. Wir wollen die Aussage „In so manchem Land haben alle Städte weniger als 1 Million Einwohner“ verneinen. Dazu schreiben wir die Aussage mit Quantoren hin: ∃ Land L : ∀ Stadt S in L : Anzahl der Einwohner in S < 106 . Wir vertauschen die Quantoren und verneinen die Aussageform: ∀ Land L : ∃ Stadt S in L : Anzahl der Einwohner in S ≥ 106 . Dies bedeutet aber wiederum umgangssprachlich: „In jedem Land gibt es (mindestens) eine Stadt mit mindestens 1 Million Einwohnern“.

1.2. Beweise Nun, da wir wissen, wie wir mathematische Sachverhalte formulieren, wollen wir auch ihren Wahrheitsgehalt sicherstellen können. Dazu müssen wir schlussfolgern können. Wir sagen, die Aussage A impliziert die Aussage B oder aus A folgt B, in Symbolen A ⇒ B, wenn im Fall, dass A wahr ist, auch B wahr ist. Wenn A die Aussage B impliziert und A falsch ist, dann wissen wir nichts über B; B kann dann wahr oder falsch sein. In anderen Worten, falsche Aussagen können auch wahre implizieren. Beispiel 1.5. Seien n und m ganze Zahlen. Aus n = m folgt sicherlich stets n2 = m2 . Für n = 1 und m = −1 ist die erste Aussage falsch, die zweite ist dann aber trotzdem wahr. Dass zwei Aussagen äquivalent sind, heißt nichts anderes, als dass sie auseinander folgen. In anderen Worten, A ⇔ B bedeutet A ⇒ B und B ⇒ A. Genau genommen, sind zu zwei Aussagen A und B auch A ⇔ B und A ⇒ B wieder Aussagen, ähnlich wie das bei Konjunktion und Disjunktion war, und zwar mit folgenden Wertetabellen:

6

1. Grundlagen

Implikation (impliziert) A B A⇒B falsch falsch wahr falsch wahr wahr wahr falsch falsch wahr wahr wahr

Äquivalenz (äquivalent) A B A⇔B falsch falsch wahr falsch wahr falsch wahr falsch falsch wahr wahr wahr

Tab. 4 Wahrheitstabelle Implikation

Tab. 5 Wahrheitstabelle Äquivalenz

Mathematische Beweise sind dazu da, sicherzustellen, dass eine mathematische Aussage wahr ist. Im einfachsten Fall hat ein mathematischer Beweis folgende Struktur: Wir wollen sicher feststellen, dass die Aussage A wahr ist; d.h. wir wollen die Aussage A beweisen. Wir finden eine Aussage A(1), von der wir wissen, dass sie wahr ist, und eine endliche Kette von Implikationen, in der die letzte auftretende Aussage gerade die zu beweisende Aussage A ist, A(1) ⇒ A(2) ⇒ A(3) ⇒ · · · ⇒ A(N) ⇒ A. Da die erste Aussage A(1) wahr ist, ist auch A(2) wahr. Daher ist auch A(3) wahr usw. Schließlich muss auch die letzte Aussage, d.h. A, wahr sein. Beispiel 1.6 (Lösen quadratischer Gleichungen). Seien b und c reelle Zahlen, so dass b2 ≥ 4c. Wir wollen beweisen, dass  b b2 x=− + −c 2 4 die Gleichung x 2 + bx + c = 0 erfüllt. Bevor wir mit dem eigentlichen Beweis beginnen, stellen wir fest, dass wegen der Voraussetzung b2 ≥ 4c der Term unter der Wurzel positiv oder 0 ist, so dass wir die Wurzel auch ziehen können. Nun führen wir den Beweis ganz pingelig durch:  b b2 x=− + −c (1.3) 2 4     2 b2 b2 b b 2 ⇒ x = − + −c −c (1.4) ∧ x=− + 2 4 2 4   b2 b2 b2 b2 b 2 ⇒ x = −b −c+ −c ∧ x =− + −c (1.5) 4 4 2 4 4 b2 b2 b2 b2 b2 −b −c+ − c ∧ bx = − + b −c (1.6) ⇒ x2 = 4 4 4 2 4  b2 b2 b2 b2 b2 ⇒ x 2 + bx = −b −c+ −c− +b −c (1.7) 4 4 4 2 4

1.2. Beweise

7



x 2 + bx = −c

(1.8)



x + bx + c = 0

(1.9)

2

Zur Erläuterung: Wir beginnen mit Aussage (1.3), die nach Voraussetzung wahr ist. Aussage (1.4) ist eine Konjunktion zweier Teilaussagen. Damit diese wahr ist, müssen beide Teilaussagen wahr sein. Tatsächlich folgen beide Teilaussagen von (1.4) aus (1.3), denn die zweite Teilaussage von (1.4) ist nichts anderes als die Aussage (1.3); die erste Teilaussage von (1.4) folgt aus (1.3) durch Quadrieren beider Seiten. Aussage (1.5) folgt aus (1.4), denn in der ersten Teilaussage wird lediglich die rechte Seite ausmultipliziert während die zweite Teilaussage unverändert bleibt. Aussage (1.6) folgt aus (1.5), denn die erste Teilaussage bleibt unverändert während in der zweiten Teilaussage beide Seiten mit b multipliziert werden. Aussage (1.7) folgt aus (1.6), denn die beiden Gleichungen aus (1.6) werden addiert. Nun haben wir nur noch eine Teilaussage. Aussage (1.8) folgt aus (1.7), da sich die beiden Wurzelterme und die b2 -Terme auf der rechten Seite wegheben. Aussage (1.9) folgt aus (1.8) durch Addition beider Seiten mit c. Damit ist der Beweis beendet. Bemerkung 1.7. Auf ähnliche Weise kann man beweisen, dass unter denselben Voraussetzungen auch  b b2 x=− − −c 2 4 die Gleichung x 2 + bx + c = 0 erfüllt. Dies überlassen wir als kleine Übung. Sobald wir das bewiesen haben, wissen wir also, dass sowohl   b2 b2 b b x=− + − c als auch x = − − −c 2 4 2 4 die Gleichung x 2 + bx + c = 0 erfüllen. Dies ist dann wieder eine Konjunktion zweier Einzelaussagen. Bemerkung 1.8. Seien wieder b und c reelle Zahlen, so dass b2 ≥ 4c. Tatsächlich sind   b2 b2 b b − c und x = − − −c x=− + 2 4 2 4 die einzigen Lösungen der Gleichung x 2 + bx + c = 0.   2 2 Warum? Dazu definieren2 wir x1 := − 2b + b4 − c und x2 := − 2b − b4 − c. Durch Ausmultiplizieren sieht man dann leicht, dass die Aussage ∀ reelle Zahlen x : (x − x1 )(x − x2 ) = x 2 + bx + c 2Ähnlich wie bei der Äquivalenz von Aussagen wird für mathematische Größen durch das Symbol := die linke Seite durch die rechte definiert.

8

1. Grundlagen

wahr ist. Sei nun x eine Lösung von x 2 + bx + c = 0. Wir schlussfolgern: ⇒ ⇒ ⇒

x 2 + bx + c = 0 (x − x1 )(x − x2 ) = 0 x − x1 = 0 ∨ x − x2 = 0 x = x1 ∨ x = x2

(1.10) (1.11) (1.12) (1.13)

Also muss x eine der beiden Lösungen x1 oder x2 sein. Weitere Lösungen gibt es nicht. Aussage (1.12) folgt aus (1.11), weil ein Produkt reeller Zahlen nur dann 0 ist, wenn wenigstens einer der beiden Faktoren 0 ist. Bemerkung 1.9. Fassen wir die Diskussion über die Lösungen quadratischer Gleichungen kurz zusammen. Seien b und c reelle Zahlen, so dass b2 ≥ 4c. Dann besitzt die Gleichung x 2 + bx + c = 0 die beiden Lösungen

  b2 b2 b b x=− + − c und x = − − − c. 2 4 2 4 Weitere Lösungen gibt es nicht. Sobald wir die komplexen Zahlen kennen gelernt haben, werden wir auf die Voraussetzung b2 ≥ 4c auch noch verzichten können. Warnung. Wir haben jetzt den direkten Beweis kennen gelernt. Leider wird dieser, gerade an Schulen, oft falsch eingesetzt. Anstatt die zu beweisende Aussage A aus einer wahren Aussage herzuleiten, wird eine Kette von Implikationen von Aussagen angegeben, die mit A beginnt (statt mit A zu enden, wie es richtig wäre), A ⇒ A(2) ⇒ A(3) ⇒ · · · ⇒ A(N).

Dann wird gesagt, wenn die letzte Aussage A(N) in der Kette wahr ist, ist A bewiesen. Das ist aber kein gültiger Beweis, da auch falsche Aussagen wahre Aussagen implizieren können, wie wir schon gesehen haben. Beispiel 1.10. Seien x und y positive reelle Zahlen. Wir „beweisen“ die Aussage  x + y = x 2 + 2xy + y 2 wie folgt: x+y=



(1.14)

x 2 + 2xy + y 2



(x + y)2 = x 2 + 2xy + y 2



x 2 + 2xy + y 2 = x 2 + 2xy + y 2 .

Dass die erste Implikation gilt, sieht man durch Quadrieren beider Seiten, bei der zweiten durch Ausmultiplizieren der linken Seite. Die letzte Aussage ist wahr. Daher meinen nicht wenige, die Aussage (1.14) sei hierdurch bewiesen.

1.2. Beweise

9

Wäre das ein gültiger Beweis, dann könnten wir auch folgende falsche Aussage beweisen: 1 = −1.

„Beweis“. 1 = −1 ⇒ ⇒

(1.15)

1 = (−1) 1 = 1. 2

2

(1.16) (1.17)

Da die letzte Aussage wahr ist, müsste auch 1 = −1 wahr sein.



Daher hat eine solche Argumentation auch bei wahren Aussagen keine Beweiskraft. Dieser Unfug ist nicht zu verwechseln mit einer anderen, korrekten und sehr wichtigen Beweismethode, dem indirekten Beweis. Der indirekte Beweis beruht auf folgender Beobachtung: Nehmen wir an, wir haben zwei Aussagen A und B. Wenn A die Aussage B impliziert, dann impliziert auch ¬B die Aussage ¬A. Denn, nehmen wir an B ist falsch und A ist wahr, dann ist wegen A ⇒ B auch B wahr, was wir gerade ausgeschlossen hatten. Man kann sich das auch anhand der Wertetabellen überlegen: A⇒B wahr wahr falsch wahr

A B falsch falsch falsch wahr wahr falsch wahr wahr

¬B ¬A wahr wahr falsch wahr wahr falsch falsch falsch

¬B ⇒ ¬A wahr wahr falsch wahr

Tab. 6 Wahrheitstabelle für Widerspruchsbeweis

Die Implikation A ⇒ B ist logisch äquivalent zur Implikation ¬B ⇒ ¬A. Der indirekte Beweis oder Widerspruchsbeweis funktioniert nun so: Wir wollen die Aussage A beweisen. Finde dazu eine endliche Kette von Implikationen von Aussagen, die mit ¬A beginnt und mit einer Aussage endet, von der wir wissen, dass sie falsch ist, ¬A ⇒ A(2) ⇒ A(3) ⇒ · · · ⇒ A(N). Wie wir uns gerade überlegt haben, ist diese Kette von Implikationen gleichbedeutend mit ¬A(N) ⇒ ¬A(N − 1) ⇒ · · · ⇒ ¬A(3) ⇒ ¬A(2) ⇒ ¬(¬A). Da A(N) falsch ist, ist ¬A(N) wahr. Wegen der Implikationskette ist auch ¬(¬A) wahr, somit ist A wahr, was wir beweisen wollten. Einen solchen Widerspruchsbeweis formuliert man in der Regel so: Wir wollen A beweisen. Angenommen, A wäre falsch. Dann würde A(2) folgen. Daraus würde A(3) folgen usw. bis

10

1. Grundlagen

schließlich A(N) folgt. Nun ist aber A(N) falsch, also haben wir einen Widerspruch hergeleitet. Daher kann A nicht falsch sein, sondern muss wahr sein. Das Erreichen des Widerspruchs, d.h. der falschen Aussage A(N), kennzeichnet man häufig mit einem Blitz . Wir führen beispielhaft einen Widerspruchsbeweis, um zu zeigen, dass es unendlich viele Primzahlen gibt. Zunächst die Definition von Primzahlen: Definition 1.11. Eine ganze Zahl heißt Primzahl, falls sie größer als 1 und nur durch sich selbst und 1 teilbar ist. Beispiele für Primzahlen sind 2, 3, 5, 7, etc. Dagegen ist 6 keine Primzahl, da 6 = 2 · 3. Zur Vorbereitung des eigentlichen Satzes über unendlich viele Primzahlen beweisen wir zunächst Proposition 1.12. Jede ganze Zahl n ≥ 2 kann als Produkt von Primzahlen geschrieben werden. Zum Beispiel stellt 6 = 2 · 3 die Zahl 6 als Produkt von Primzahlen dar. Auch 3935743 = 7 · 71 · 7919 ist eine Darstellung als Produkt von Primzahlen. Beweis von Proposition 1.12. Ist n selbst eine Primzahl, so ist n = n selbst die Primzahlproduktdarstellung von n (mit nur einem Faktor). Andernfalls können wir n durch eine ganze Zahl m1 teilen, die zwischen 1 und n liegt. In anderen Worten, wir können n = m1 · m2 schreiben, wobei m1 und m2 ganze Zahlen zwischen 1 und n sind. Nun wiederholen wir dieses Vorgehen mit m1 und m2 statt n und fahren solange mit den neu auftretenden Faktoren fort, bis alle Faktoren Primzahlen sind. Das muss nach endlich vielen Schritten der Fall sein, da die Faktoren bei jeder Zerlegung kleiner werden, aber stets größer als 1 bleiben müssen.  Das Schöne an diesem Beweis ist, dass er nicht nur sicherstellt, dass Proposition 1.12 richtig ist, sondern uns auch ein Verfahren liefert, wie wir konkret eine Zahl in Primfaktoren zerlegen können. Führen wir dies am Beispiel der Zahl n = 37700 durch. Im ersten Schritt zerlegen wir n = 377 · 100. Im zweiten Schritt zerlegen wir 377 = 13 · 29 und 100 = 10 · 10. Damit haben wir n = 13 · 29 · 10 · 10. Nun sind 13 und 29 bereits Primzahlen. Aber wir können 10 im dritten Schritt weiter zerlegen, 10 = 2 · 5. Dies liefert n = 13 · 29 · 2 · 5 · 2 · 5. Nun sind alle Faktoren Primzahlen und die Zerlegung ist abgeschlossen. Wir werden diesen Beweis später nochmal mittels vollständiger Induktion etwas strenger formulieren, siehe Beispiel 1.71. Jetzt aber zum eigentlichen Satz über Primzahlen. Satz 1.13. Es gibt unendlich viele verschiedene Primzahlen.

1.3. Mengen

11

Beweis. Wir gehen von der Widerspruchsannahme aus, dass es nur endlich viele Primzahlen gäbe. Sei dann N die Anzahl der Primzahlen und seien p1 = 2, p2 = 3, p3 = 5, . . ., p N die Primzahlen. Nun setzen wir k := p1 · p2 · . . . · p N + 1. Bei Division der Zahl k durch irgendeine der Primzahlen bleibt stets der Rest 1. Daher ist die positive ganze Zahl k durch keine Primzahl teilbar. Das muss aber falsch sein, denn k kann gemäß Proposition 1.12 als Produkt von Primzahlen geschrieben werden und muss daher durch die Primzahlen teilbar sein, die in diesem Produkt auftreten. Wir haben also einen Widerspruch hergeleitet. Somit ist die Annahme nur endlich vieler Primzahlen falsch.  Dieser Widerspruchsbeweis wird Euklid zugeschrieben und ist somit über 2000 Jahre alt. Euklid lebte ca. von 365 bis 300 v. Chr. und war einer der bedeutendsten Mathematiker der Antike. Sein berühmtestes Werk, die vielbändigen Elemente, fasst den damaligen Kenntnisstand in Geometrie und Arithmetik zusammen. Wir zitieren die Wikipedia: Über Euklid erzählt man sich viele Anekdoten: Ein Schüler fragte, als er den ersten Satz gelernt hatte: „Was kann ich verdienen, wenn ich diese Dinge lerne?“ Da rief Euklid seinen Sklaven und sagte: „Gib ihm drei Obolen, denn der arme Mann muss Geld verdienen mit dem, was er lernt.“

Abb. 5 Euklid 3

Es gibt eine weitere wichtige Beweismethode, die der vollständigen Induktion, auf die wir später noch zurückkommen werden.

1.3. Mengen Mathematische Aussagen werden heutzutage in der Regel in der Sprache der Mengenlehre formuliert. Die Mengenlehre wurde vom deutschen Mathematiker Georg Cantor Ende des 19. Jahrhunderts begründet. Er gab 1895 folgende Definition einer Menge: Unter einer „Menge“ verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die „Elemente“ von M genannt werden) zu einem Ganzen. Dies ist keine strenge mathematische Definition, da sie andere Begriffe Abb. 6 Georg Cantor verwendet, wie „Zusammenfassung“, die selbst wieder einer Definition (1845–1918) 4 3Fotograf: Mark A. Wilson, Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Euklid 4Fotograf unbekannt, Quelle: http://www.math.uni-hamburg.de/home/grothkopf/fotos/math-ges/, aus einem Fotoalbum der Mathematischen Gesellschaft Hamburg

12

1. Grundlagen

bedürften. Wir wollen uns hier aber nicht mit der logischen Begründung der Mengenlehre aufhalten, sondern werden diese intuitive Definition akzeptieren. Wir betrachten die Mengennotation hauptsächlich als Hilfsmittel, mathematische Aussagen prägnant zu formulieren. Mengen können auf unterschiedliche Weise angegeben werden. Hat die Menge nur endlich viele Elemente, können wir sie aufzählen. Beispiele 1.14. 1. Die Menge M := {1, 2, 3, 4, 5} hat also genau die Zahlen 1, 2, 3, 4 und 5 als Elemente. 2. Die einfachste Menge ist die leere Menge {}. Sie wird auch mit dem Symbol ∅ = {} geschrieben. Sie hat überhaupt keine Elemente. Die Elemente einer Menge haben keine ausgezeichnete Reihenfolge. Es gilt also z.B.: {1, 2, 3, 4, 5} = {5, 4, 3, 2, 1} = {2, 3, 4, 5, 1}. Das Wort „wohlunterschieden“ in Cantors Definition deutet darauf hin, dass jedes Element nur einmal in einer Menge vorkommen kann. Wir dürfen zwar bei der Angabe einer Menge dasselbe Element mehrfach auflisten, es gilt aber immer nur als ein Element. Wir haben somit z.B.: {1, 2, 3, 4, 5} = {1, 1, 1, 2, 3, 3, 4, 5} Die Elemente einer Menge können selbst Mengen sein. So hat z.B. die Menge {1, ∅, {1}} drei Elemente, nämlich 1, ∅ und {1}. Man beachte, dass 1 nicht dasselbe ist wie {1}. Daher sind dies zwei verschiedene Elemente dieser Menge. Beispiel 1.15. Die Menge {∅} ist nicht die leere Menge, denn sie hat ein Element, nämlich die leere Menge! Mitunter kann man auch Mengen mit unendlich vielen Elementen durch Aufzählung angeben. Beispiele 1.16. 1. Die Menge N = {1, 2, 3, . . .} der natürlichen Zahlen, 2. die Menge N0 = {0, 1, 2, 3, . . .} der natürlichen Zahlen inklusive der Null, 3. die Menge Z = {. . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .} der ganzen Zahlen. Um auszudrücken, dass ein Objekt m Element einer Menge M ist, schreibt man m ∈ M. Falls m nicht Element von M ist, schreibt man m  M. Wir haben z.B. 0  ∅ und 0  N, aber 0 ∈ N0 und 0 ∈ Z. Für die Anzahl der Elemente einer Menge M schreibt man #M.

1.3. Mengen

13

Beispiele 1.17. 1. #∅ = 0. 2. #{∅} = 1. 3. #{∅, {}, {∅}} = 2, denn ∅ = {}. 4. #N = #N0 = #Z = ∞. Definition 1.18. Seien M und N Mengen. Dann heißt M Teilmenge von N, falls jedes Element von M auch Element von N ist. Wir schreiben dafür: M ⊂ N :⇔ ∀m ∈ M : m ∈ N . Ist M Teilmenge von N, so heißt N Obermenge von M, symbolisch N ⊃ M :⇔ M ⊂ N .

Beispiele 1.19. 1. Die leere Menge ist Teilmenge einer jeden beliebigen Menge M, ∅ ⊂ M. 2. Offensichtlich gilt N ⊂ N0 ⊂ Z. 3. Für M = {♦, ♥, ♠, ♣} ist ♦ ∈ M und damit {♦} ⊂ M. Ebenso kann für ♥, ♣ ∈ M auch {♥, ♣} ⊂ M geschrieben werden. Bemerkung 1.20. Zwei Mengen M und N sind genau dann gleich, wenn jedes Element von M auch Element von N ist und umgekehrt, d.h.: M =N ⇔ M ⊂ N∧N ⊂ M Bemerkung 1.21. Ist M ⊂ N, so gilt #M ≤ #N. Um eine Teilmenge T einer Menge M anzugeben, schreibt man oft T = {m ∈ M | Eigenschaft, die die Zugehörigkeit von m zu T charakterisiert}.

Beispiele 1.22. 1. Die Menge M der geraden Zahlen ist gegeben durch M = {m ∈ Z | m ist durch 2 teilbar} oder auch M = {m ∈ Z | ∃n ∈ Z : m = 2 · n}.

14

1. Grundlagen

2. Satz 1.13 besagt #{m ∈ N | m ist Primzahl} = ∞. 3. Sei R die Menge aller reellen Zahlen. Eine reelle Zahl heißt rational, wenn sie sich als Bruch zweier ganzer Zahlen schreiben lässt. Die Menge der rationalen Zahlen ist somit gegeben durch Q := {x ∈ R | ∃ n, m ∈ Z : m  0 ∧ x = n/m}. An dieser Stelle kann man sich fragen, ob womöglich alle reellen Zahlen rational sind. Gibt es überhaupt irrationale Zahlen? Ja, die gibt es: Satz 1.23. Die Wurzel aus 2 ist irrational, d.h. √ 2  Q.

Bevor wir den Satz beweisen, leiten wir folgende Hilfsaussage her: Lemma 1.24. Sei n ∈ Z. Dann gilt: n ist gerade ⇔ n2 ist gerade .

Beweis von Lemma 1.24. Es ist die Äquivalenz zweier Aussagen zu beweisen. Dies bedeutet, dass zwei Implikationen zu beweisen sind, nämlich n ist gerade ⇒ n2 ist gerade

und

n2 ist gerade ⇒ n ist gerade.

a) Wir beweisen zunächst n ist gerade ⇒ n2 ist gerade. Sei also n gerade. Dann ist n von der Form n = 2 · m für eine ganze Zahl m. Also ist n2 = 4 · m2 = 2 · (2m2 ) ebenfalls gerade. b) Nun beweisen wir n2 ist gerade ⇒ n ist gerade. Dies ist aber äquivalent zu n ist ungerade ⇒ n2 ist ungerade. Dies gilt, da das Produkt ungerader Zahlen stets wieder ungerade ist.5 5Warum eigentlich?



1.3. Mengen

15

Nun aber zum Beweis von Satz 1.23, was eine schöne Gelegenheit darstellt, Widerspruchsbeweise zu üben. √ Beweis von Satz 1.23. Nehmen wir an, 2 wäre rational. Dann gäbe es m, n ∈ Z mit m  0 und √ n (1.18) 2= . m √ Da 2 positiv ist, müssen m und n entweder beide positiv oder beide negativ sein. Im letzteren Fall können wir m und n durch −m bzw. −n ersetzen. Also können m und n auf jeden Fall positiv gewählt werden, was wir von jetzt an auch annehmen. Sind n und m beide gerade, so kürzen wir den Faktor 2 im Bruch solange bis n oder m ungerade geworden ist. Wir können also in (1.18) n und m aus N wählen und zwar so, dass sie nicht beide gerade sind. Nachdem wir n und m so gewählt haben, quadrieren wir beide Seiten in (1.18) und erhalten 2=

n2 m2

(1.19)

und daher 2m2 = n2 .

(1.20)

Daraus folgt, dass n2 gerade ist. Gemäß Lemma 1.24 ist dann auch n gerade. Es gibt also ein k ∈ Z, so dass n = 2k. Wir setzen dies in (1.20) ein und erhalten 2m2 = (2k)2 = 4k 2 und daher m2 = 2k 2 . Daher ist m2 gerade. Gemäß Lemma 1.24 ist dann auch m gerade. Wir haben hergeleitet, dass n und m gerade sind, was aber falsch ist, da wir n und m so gewählt hatten, dass genau das nicht der Fall ist. Wir haben somit einen Widerspruch hergeleitet zu der Annahme, dass sich √ √ 2 wie in (1.18) schreiben lässt. Daher kann 2 nicht rational sein.  Auch dieser Widerspruchsbeweis findet sich bereits in Euklids „Elemente“ und ist daher bereits über 2000 Jahre alt. Er stellte die antike griechische Ma√ thematik allerdings vor ein großes Problem. Die Griechen kannten nämlich 2 noch keine reellen Zahlen,√sondern nur rationale. Insofern besagte Satz 1.23 1 für die Griechen, dass es 2 nicht gibt. 1 Andererseits kannte man bereits den Satz von Pythagoras, der im Fall eines √ Abb. 7 2 rechtwinkligen Dreiecks mit Kathetenlängen 1 besagt, dass die Hypotenuse √ die Länge 2 haben muss. Hier hatte man ein Dreieck, dessen Hypotenusenlänge es nicht zu geben schien. Da waren die Griechen schon verblüfft, zumindest die, die die Mathematik ihrer Zeit kannten. Doch nun weiter mit der Mengenlehre. Aus zwei Mengen M und N können wir uns auf drei Weisen eine neue Menge verschaffen:

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1. Grundlagen

Vereinigung M ∪ N = {x | x ∈ M ∨ x ∈ N}

M

N

Schnittmenge M ∩ N = {x | x ∈ M ∧ x ∈ N}

M

N

Mengendifferenz M \ N = {x | x ∈ M ∧ x  N}

M

N

Abb. 8 Mengenoperationen

Für diese Mengenoperationen gelten folgende Regeln: Satz 1.25 (de Morgan’sche Gesetze). Seien M, N1 und N2 Mengen. Dann gilt: (i) M ∩ (N1 ∪ N2 ) = (M ∩ N1 ) ∪ (M ∩ N2 ). (ii) M ∪ (N1 ∩ N2 ) = (M ∪ N1 ) ∩ (M ∪ N2 ). (iii) M \ (N1 ∪ N2 ) = (M \ N1 ) ∩ (M \ N2 ). (iv) M \ (N1 ∩ N2 ) = (M \ N1 ) ∪ (M \ N2 ).

Beweis. Wir beweisen hier nur das erste Gesetz. Die Beweise der anderen sind ganz ähnlich und werden der Übung überlassen. Aussage (i) besagt eine Gleichheit von zwei Mengen. Um diese zu beweisen, zeigen wir, dass die Menge auf der linken Seite in der Menge auf der rechten Seite enthalten ist, und umgekehrt. a) Wir beweisen M ∩ (N1 ∪ N2 ) ⊂ (M ∩ N1 ) ∪ (M ∩ N2 ). Dazu müssen wir zeigen, dass jedes Element von M ∩ (N1 ∪ N2 ) auch Element von (M ∩ N1 ) ∪ (M ∩ N2 ) ist. Sei also x ∈ M ∩ (N1 ∪ N2 ). Dann ist x ∈ M und x ∈ N1 ∪ N2 . Die zweite Bedingung sagt, dass x ∈ N1 oder x ∈ N2 . 1. Fall: x ∈ N1 . Dann ist x ∈ M∩N1 . Wegen M∩N1 ⊂ (M∩N1 )∪(M∩N2 ) ist dann auch x ∈ (M∩N1 )∪(M∩N2 ). 2. Fall: x ∈ N2 . Dann ist x ∈ M ∩ N2 . Wegen M ∩ N2 ⊂ (M ∩ N1 ) ∪ (M ∩ N2 ) gilt auch dann x ∈ (M ∩ N1 ) ∪ (M ∩ N2 ). In beiden Fällen ist x ∈ (M ∩ N1 ) ∪ (M ∩ N2 ), was zu zeigen war. b) Nun beweisen wir M ∩ (N1 ∪ N2 ) ⊃ (M ∩ N1 ) ∪ (M ∩ N2 ). Sei also x ∈ (M ∩ N1 ) ∪ (M ∩ N2 ). Dann ist x ∈ M ∩ N1 oder x ∈ M ∩ N2 . 1. Fall: x ∈ M ∩ N1 . Dann ist x ∈ M und x ∈ N1 . Wegen N1 ⊂ N1 ∪ N2 ist dann auch x ∈ N1 ∪ N2 und daher x ∈ M ∩ (N1 ∪ N2 ).

1.3. Mengen

17

2. Fall: x ∈ M ∩ N2 . Dann ist x ∈ M und x ∈ N2 . Wegen N2 ⊂ N1 ∪ N2 ist dann auch x ∈ N1 ∪ N2 und daher wiederum x ∈ M ∩ (N1 ∪ N2 ). In beiden Fällen ist x ∈ M ∩ (N1 ∪ N2 ), was zu zeigen war.  Die Bildung von Vereinigungsmenge, Schnittmenge und Mengendifferenz kann hier geübt werden. Das sollten Sie tun bis Sie sicher sind, alles richtig verstanden zu haben. http://ueben.cbaer.eu/10.html Definition 1.26. Zwei Mengen M und N heißen disjunkt, falls M ∩ N = ∅, d.h. falls sie keine gemeinsamen Elemente haben. Beispiel 1.27. Die Mengen {1, 2} und {3} sind disjunkt, die Mengen {1, 2} und {2, 3} dagegen nicht, da {1, 2} ∩ {2, 3} = {2} . Zu einer gegebenen Menge kann man alle möglichen Teilmengen betrachten und diese dann als Elemente einer neuen Menge betrachten. Definition 1.28. Sei M eine Menge. Dann ist die Potenzmenge P(M) die Menge aller Teilmengen von M, d.h. P(M) := {T | T ⊂ M}. Die Potenzmenge einer Menge M kann niemals leer sein, denn es ist stets ∅ ⊂ M und daher ∅ ∈ P(M). Beispiele 1.29. 1. Die leere Menge ∅ hat genau eine Teilmenge, nämlich die leere Menge selbst. Die Potenzmenge der leeren Menge hat daher genau ein Element, nämlich die leere Menge. Somit ist P(∅) = {∅}. 2. Nehmen wir einmal M = {♥, ♠, ♣} her. Dann ist P(M) = {∅, {♥} , {♠} , {♣} , {♠, ♣}, {♥, ♣}, {♥, ♠}, M } . Die Bildung von Potenzmengen kann jetzt hier geübt werden. Also los: http://ueben.cbaer.eu/11.html Definition 1.30. Seien M1, . . ., Mn Mengen. Sind x1 ∈ M1, . . . , xn ∈ Mn Elemente dieser Mengen, so bezeichnet man den Ausdruck (x1, . . . , xn ) als ein geordnetes n-Tupel. Man beachte, dass die Reihenfolge der Elemente wichtig ist. Ist z.B. n = 2 und M1 = M2 = Z,

18

1. Grundlagen

so sind (1, 2) und (2, 1) zwei verschiedene geordnete 2-Tupel (oder geordnete Paare, wie man im Fall n = 2 auch sagt). Definition 1.31. Seien M1, . . ., Mn Mengen. Dann ist das kartesische Produkt M1 ×. . .×Mn die Menge aller geordneten n-Tupel mit Elementen aus M1 bis Mn . In Formeln: M1 × . . . × Mn := {(x1, . . ., xn ) | x1 ∈ M1 ∧ . . . ∧ xn ∈ Mn }.

Am besten kann man sich das kartesische Produkt vorstellen, wenn n = 2 ist und die beiden Mengen M1 und M2 endlich sind. Dann entsprechen die Elemente von M1 × M2 den Kästchen einer Tabelle, in der die Elemente von M1 horizontal und die von M2 vertikal aufgelistet sind. Beispiel 1.32. Ist M1 = {♦, ♥, ♠, ♣} und M2 = {7, 8, 9, 10, B, D, K, A}, dann tritt jedes Element von M1 × M2 an genau einer Stelle folgender Tabelle auf:

♦ 7 8 9 10 B D K A





(♦, 7) (♥, 7) (♠, 7) (♦, 8) (♥, 8) (♠, 8) (♦, 9) (♥, 9) (♠, 9) (♦, 10) (♥, 10) (♠, 10) (♦, B) (♥, B) (♠, B) (♦, D) (♥, D) (♠, D) (♦, K) (♥, K) (♠, K) (♦, A) (♥, A) (♠, A)

♣ (♣, 7) (♣, 8) (♣, 9) (♣, 10) (♣, B) (♣, D) (♣, K) (♣, A)

Abb. 9 Spielkarten

Tab. 7 Elemente von M1 × M2

In diesem Beispiel entspricht jedes Element von M1 × M2 einer Spielkarte im Skat. Bemerkung 1.33. Man schreibt das n-fache kartesische Produkt einer Menge M mit sich selbst auch als M n , d.h.: M × . . . × M ⇔: M n Häufig schreibt man n-Tupel auch als Spalten statt als Zeilen, d.h.:  ⎧ ⎫  ⎪ ⎪ x ⎪ ⎪ 1 ⎪ ⎪

 ⎨ ⎪ ⎬ ⎪  ..  ∀i ∈ {1, . . . , n} : x n . M = .  i ∈ M ⎪ ⎪  ⎪ ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ xn  ⎪  ⎩ ⎭

1.4. Abbildungen

19

1.4. Abbildungen Mengen werden durch Abbildungen zueinander in Bezug gesetzt. Definition 1.34. Seien M und N Mengen. Eine Abbildung f : M → N ist eine Vorschrift, die jedem Element x ∈ M genau ein Element f (x) ∈ N zuordnet. Hierbei heißt dann M Definitionsbereich und N Wertebereich von f . f

M

N

Abb. 10 Abbildung

Abbildungen können alles Mögliche beschreiben. Zum Beispiel könnte in einem physikalischen Experiment der Definitionsbereich die Menge aller Einstellungen des Experiments sein, der Wertebereich R und die Abbildung liefert den Messwert des Experiments, den man bei jeder Einstellung erhält. Oder der Definitionsbereich könnte die Menge aller Produkte eines Supermarkts sein, der Wertebereich Q und die Abbildung liefert den Preis eines jeden Produkts in Euro. Nehmen wir die Menge M := M1 × M2 aus Beispiel 1.32, deren Elemente den Spielkarten im Skat entsprechen, als Definitionsbereich und N0 als Wertebereich, so könnten wir jedem Element von M den Punktewert der entsprechenden Karte im Skat zuordnet, also z.B. f (♦, 9) = 0 und f (♠, K) = 4. Um die Funktionsvorschrift einer Abbildung f : M → N anzugeben, schreibt man häufig x → f (x). Beispiele 1.35. 1. f : Z → N0,

x → x 2 .

2. f : R × R → R, 3. f : R → N,

(x, y) → x + y.  1 falls x ∈ Q x → 0 falls x  Q

4. f = id M : M → M, Identität von M.

x → x. Diese Abbildung heißt identische Abbildung von M oder

20

1. Grundlagen

Definition 1.36. Sei f : M → N eine Abbildung und M  ⊂ M eine Teilmenge. Dann heißt f (M ) := { f (x ) | x  ∈ M } ⊂ N das Bild von M  unter f .

f

M

N f (M )

M

Abb. 11 Bild

Bemerkung 1.37. Im Fall M  = M, also wenn M  der gesamte Definitionsbereich ist, nennt man f (M) auch einfach das Bild von f . Dafür verwendet man auch die Notation im( f ) := f (M), wobei „im“ für das englische Wort „image“ für Bild steht. Definition 1.38. Sei f : M → N eine Abbildung und N  ⊂ N eine Teilmenge. Dann heißt f −1 (N  ) := {x ∈ M | f (x) ∈ N  } ⊂ M das Urbild von N  unter f .

M

f

N N

f −1 (N  )

Abb. 12 Urbild

Beispiel 1.39. Wir nehmen M := R × R und N := R und die Abbildung f : R × R → R mit f (x, y) = x + y. Sei M  := {(0, y) ∈ R × R | y ∈ R}. Dann ist das Bild von M  unter f gegeben durch f (M ) = { f (0, y) | y ∈ R} = {0 + y | y ∈ R} = R.

1.4. Abbildungen

21

Sei nun N  = {0}. Wir bestimmen das Urbild: f −1 (N  ) = {(x, y) ∈ R × R | f (x, y) ∈ N  } = {(x, y) ∈ R × R | x + y ∈ {0}} = {(x, y) ∈ R × R | x + y = 0} = {(x, y) ∈ R × R | y = −x} = {(x, −x) | x ∈ R} . In diesem Beispiel hatte die Menge N  nur ein Element. Dennoch hat das Urbild f −1 (N  ) unendlich viele Elemente. Bemerkung 1.40. Ist f : M → N eine Abbildung und möchte man das Urbild einer Teilmenge N  ⊂ N betrachten, das genau ein Element hat, d.h. N  = {y} für ein y ∈ N, dann schreibt man statt f −1 ({y}) auch einfacher f −1 (y). Das Urbild der Menge {y} und das Urbild des Elements y sind also per Konvention dasselbe. Beispiel 1.41. Nehmen wir M = M1 × M2 aus Beispiel 1.32, also die Menge der Skatkarten, und f : M → N0 die Abbildung, die jeder Karte ihren Punktwert zuordnet. Dann ist das Bild von f die Menge der möglichen Punktwerte, also f (M) = {0, 2, 3, 4, 10, 11}. Das Urbild von {0} ist gegeben durch f −1 (0) = {(♦, 7), (♥, 7), (♠, 7), (♣, 7), (♦, 8), (♥, 8), (♠, 8), (♣, 8), (♦, 9), (♥, 9), (♠, 9), (♣, 9)}. Ein Skatspieler würde f −1 (0) als die Menge der Luschen bezeichnen. Beispiel 1.42. Schachstellungen können wir wie folgt durch Abbildungen beschreiben: Zunächst setzen wir Schachbrett := {a, b, c, d, e, f , g, h} × {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8}.

0Z0Z0Z0Z Z0Z0Z0Z0 0Z0Z0Z0Z 5 Z0Z0Z0Z0 4 0Z0Z0Z0Z 3 Z0Z0Z0Z0 2 0Z0Z0Z0Z 1 Z0Z0Z0Z0 8

Die Elemente der Menge Schachbrett entsprechen den Feldern des Schachbretts, (a, 1) z.B. dem Feld ganz links unten. Nun betrachten wir die Menge der möglichen Spielfiguren im Schach,

7 6

a

b

c

d

e

f

g

h

Abb. 13 Schachbrett

  Figuren := K, Q, R, B, N, P, k, q, r, b, n, p .

22

1. Grundlagen

Die erste Idee ist nun, eine Schachstellung durch eine Abbildung zu beschreiben, die jeder Figur das Feld zuordnet, auf dem sie steht. Das wäre eine Abbildung Schachstellung : Figuren → Schachbrett. Dabei haben wir aber das Problem, dass Figuren mehrfach vorkommen können und dass manche Figuren möglicherweise auch überhaupt nicht vorkommen, weil sie im Laufe der Schachpartie bereits geschlagen wurden. Richtig ist es daher, jeder Figur die Menge der Felder zuzuordnen, auf denen sie vorkommt. Diese Menge kann auch leer sein. Wir bekommen daher eine Abbildung, deren Wertebereich nicht Schachbrett, sondern die Potenzmenge von Schachbrett, Schachstellung : Figuren → P(Schachbrett). So würde die Abbildung Schachstellung zur folgenden Position aus der Partie Fischer-Tal (Mar del Plata 1959)6 erfüllen

0s0l0ZkZ Z0Z0apZp 6 0ZRZnZpZ 5 Z0Z0o0O0 4 BZpZPZQZ 3 Z0O0A0O0 2 0Z0Z0OKZ 1 Z0Z0Z0Z0 8 7

a

b

c

d

e

f

g

  Schachstellung K = {(g, 2)},   Schachstellung Q = {(g, 4)}, Schachstellung (R) = {(c, 6)}, Schachstellung (B) = {(a, 4), (e, 3)}, Schachstellung (N) = ∅, Schachstellung (P) = {(c, 3), (e, 4), ( f , 2), (g, 3), (g, 5)}

h

Abb. 14 Fischer-Tal 1959

usw.

Wenn wir zwei Abbildungen haben, für die der Wertebereich der einen mit dem Definitionsbereich der anderen übereinstimmt, dann können wir diese beiden Abbildungen zu einer neuen zusammensetzen. Definition 1.43. Seien g : X → Y und f : Y → Z zwei Abbildungen. Dann heißt f ◦g: X → Z

mit

( f ◦ g)(x) = f (g(x))

für alle x ∈ X die Komposition oder die Verkettung von f mit g. Etwa ist für f : R → R, y → y 2 , und g : R → R, x → x 3 , die Verkettung von f mit g gegeben durch ( f ◦ g)(x) = f (g(x)) = f (x 3 ) = (x 3 )2 = x 6 . 6Weiß am Zug gewinnt. Wie?

1.4. Abbildungen

23

Bemerkung 1.44. In diesem Beispiel gilt f ◦ g = g ◦ f . Das ist allerdings Zufall. Ist X  Z, so ist g ◦ f überhaupt nicht definiert. Aber selbst wenn X = Z ist, gilt in den allermeisten Fällen f ◦g  g ◦ f. Beispiel 1.45. Für f : R → R, x → x + 1, und g : R → R, x → x 2 , ist ( f ◦ g)(x) = f (g(x)) = f (x 2 ) = x 2 + 1 während (g ◦ f )(x) = g( f (x)) = g(x + 1) = (x + 1)2 = x 2 + 2x + 1 ist. Für alle x  0 ist somit ( f ◦ g)(x)  (g ◦ f )(x), also ist f ◦ g  g ◦ f . Bemerkung 1.46. Liegen drei Abbildungen h : A → B, g : B → C und f : C → D vor, so können wir zunächst g ◦ h bilden und schließlich f dahinterschalten. Dabei kommt dann f ◦ (g ◦ h) heraus. Andererseits können wir auch erst ( f ◦ g) bilden und schließlich h von rechts „herankringeln“. Dies liefert ( f ◦ g) ◦ h. Diese Unterscheidung macht uns glücklicherweise keine Sorgen, denn in der Tat gilt stets: ( f ◦ g) ◦ h = f ◦ (g ◦ h). Warum? Durch viermaliges Anwenden der Definition der Verkettung finden wir für alle a ∈ A : (( f ◦ g) ◦ h)(a) = ( f ◦ g)(h(a)) = f (g(h(a))) = f ((g ◦ h)(a)) = ( f ◦ (g ◦ h))(a). Wir brauchen uns bei der Verkettung von Abbildungen keine Gedanken um die Klammerung zu machen. Daher können wir einfach f ◦ g ◦ h := ( f ◦ g) ◦ h = f ◦ (g ◦ h) schreiben.

Als Nächstes besprechen wir drei der wichtigsten Eigenschaften, die Abbildungen haben können. Definition 1.47. Eine Abbildung f : M → N heißt surjektiv :⇔ ∀y ∈ N ∃x ∈ M : f (x) = y. In anderen Worten, das Bild von f stimmt mit dem Wertebereich überein, f (M) = N. Jedes Element des Wertebereichs N wird also bei einer surjektiven Abbildung von mindestens einem Element des Definitionsbereichs getroffen.

24

1. Grundlagen

M

f

N

Abb. 15 Surjektive Abbildung

Beispiele 1.48. 1. Die Abbildung f : Z → N0 , n → |n|, ist surjektiv, da jedes y ∈ N0 im Bild von f liegt. Setze für gegebenes y ∈ N0 z.B. x := y und bemerke, dass f (x) = f (y) = |y| = y. Man könnte auch x := −y setzen. 2. Die Abbildung f : Z → Z, n → |n|, ist nicht surjektiv, da die negativen Zahlen nicht im Bild von f liegen. 3. Sei Q+ die Menge der positiven rationalen Zahlen, Q+ := {x ∈ Q | x > 0}. Dann ist die Abbildung f : N × N → Q+ , (n, m) → mn , surjektiv, da jede positive rationale Zahl als Quotient natürlicher Zahlen geschrieben werden kann. Beispiel 1.49. Sei P die Menge der ungeraden Primzahlen, P = {p ∈ N | p ist Primzahl ∧ p ≥ 3}. Da die Summe zweier ungerader Zahlen stets gerade ist, erhalten wir eine Abbildung G : P × P → {n ∈ N | n ist gerade ∧ n ≥ 6},

(p, q) → p + q.

Ist diese Abbildung surjektiv? Mit anderen Worten, lässt sich jede gerade Zahl n mit n ≥ 6 als Summe zweier Primzahlen schreiben? Testen wir dies an kleinen Zahlen n, so scheint es zu stimmen: 6 = 3 + 3, 8 = 3 + 5, 10 = 5 + 5, 12 = 5 + 7, 14 = 7 + 7, 16 = 5 + 11, 18 = 7 + 11 = 5 + 13 usw. Ob es allgemein stimmt, d.h. ob die Abbildung G surjektiv ist, weiß man nicht. Es wird vermutet, dass dem so ist, da man es mit Computern für sehr viele und hohe Zahlen n überprüft hat. Ein allgemeiner Beweis ist das natürlich nicht. Die Frage geht auf den deutschen Gelehrten Christian Goldbach (1690–1749) zurück und ist daher als Goldbach’sche VermuAbb. 16 Brief von Goldbach an tung bekannt. Viele Mathematiker und Laien haben sich daran Euler 7 versucht, konnten bis heute aber keinen Beweis finden. Zwei Verlage lobten im Jahr 2001 sogar ein Preisgeld von einer Million Dollar für den Beweis der Surjektivität von G aus. Inzwischen wurde das Preisgeld wieder zurückgezogen. Die Vermutung ist nach über 250 Jahren noch immer offen. 7Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Goldbach

1.4. Abbildungen

25

Definition 1.50. Eine Abbildung f : M → N heißt injektiv :⇔ ∀x1, x2 ∈ M : f (x1 ) = f (x2 ) ⇒ x1 = x2 . Wie wir natürlich sofort erkennen, ist ∀x1, x2 ∈ M : x1  x2 ⇒ f (x1 )  f (x2 ) dazu äquivalent.

Bei einer injektiven Abbildung werden verschiedene Elemente von M stets auf verschiedene Elemente von N abgebildet. In anderen Worten, auf jedes Element von N wird höchstens einmal abgebildet. M

f

N

Abb. 17 Injektive Abbildung

Beispiele 1.51. 1. Die Abbildung f : N → N, x → x 2 , ist injektiv, da es zu jedem y ∈ N höchstens eine positive ganze Quadratwurzel gibt. 2. Die Abbildung f : Z → Z, x → x 2 , ist nicht injektiv, da z.B. f (1) = f (−1). Definition 1.52. Eine Abbildung f : M → N heißt bijektiv :⇔ f ist injektiv und surjektiv. In anderen Worten: ∀y ∈ N ∃!x ∈ M : f (x) = y. Bei einer bijektiven Abbildung wird auf jedes Element in N genau einmal abgebildet. M

f

N

Abb. 18 Bijektive Abbildung

Beispiele 1.53. 1. Sei M eine beliebige Menge. Dann ist die Abbildung idM : M → M bijektiv.

26

1. Grundlagen

2. Die Abbildung f : R → R, x → x 3 , ist bijektiv.

3. Die Abbildung f : Z → Z, x → x 3 , ist zwar injektiv, nicht aber surjektiv, also auch nicht bijektiv. Die dritte Wurzel aus einer ganzen Zahl ist im Allgemeinen nicht ganz. Notation 1.54. Sind M und N zwei Mengen, so schreiben wir für die Menge aller Abbildungen von M nach N künftig Abb(M, N).

Satz 1.55. Seien M und N nicht leere Mengen. Sei f ∈ Abb(M, N). Dann gilt: (i) f ist surjektiv



∃g ∈ Abb(N, M) : f ◦ g = id N .

(ii) f ist injektiv



∃g ∈ Abb(N, M) : g ◦ f = id M .

(iii) f ist bijektiv



∃g ∈ Abb(N, M) : f ◦ g = id N ∧ g ◦ f = id M .

Definition 1.56. Im ersten Fall nennt man g eine rechtsinverse Abbildung von f , im zweiten Fall eine linksinverse Abbildung und im dritten Fall einfach inverse Abbildung oder auch Umkehrabbildung von f .

Beweis von Satz 1.55. Zu (i): Für eine Äquivalenz müssen wir die beiden Beweisrichtungen „⇐“ und „⇒“ überprüfen. Zu „⇐“: Sei g ∈ Abb(N, M), so dass f ◦ g = id N gilt. Wir zeigen, dass f dann surjektiv ist. Es muss also zu jedem y ∈ N ein Urbild unter f geben. Sei also y ∈ N beliebig. Wir setzen x := g(y) ∈ M. Wir wenden auf dieses Element die Abbildung f an und nutzen schließlich die Voraussetzung f ◦ g = id N . Es gilt: f (x) = f (g(y)) = ( f ◦ g)(y) = id N (y) = y. Zu „⇒“: Sei nun f als surjektiv vorausgesetzt. Für beliebiges y ∈ N konstruieren wir g wie folgt: Da f surjektiv ist, existiert mindestens ein (von y abhängiges) Element x y ∈ M mit f (x y ) = y. Dann setzen wir einfach g(y) := x y, d.h. die Abbildung wählt zu jedem vorgegebenen y ein Urbild x y aus.

1.4. Abbildungen

27

M

f

N

g Abb. 19 Rechtsinverse einer surjektiven Abbildung

Dann gilt für alle y ∈ N: ( f ◦ g)(y) = f (g(y)) = f (x y ) = y = id N (y), also f ◦ g = id N . Zu (ii): Zu „⇐“: Sei g ∈ Abb(N, M), so dass g ◦ f = id M gilt. Wir zeigen, dass f dann injektiv ist. Seien dazu x1, x2 ∈ M mit f (x1 ) = f (x2 ). Wir müssen zeigen, dass x1 = x2 ist. Wir wenden die Abbildung g auf das Element f (x1 ) = f (x2 ) an und erhalten ⇒ ⇒ ⇒

g( f (x1 )) = g( f (x2 )) (g ◦ f )(x1 ) = (g ◦ f )(x2 ) id M (x1 ) = id M (x2 ) x1 = x2 .

Zu „⇒“: Sei nun f als injektiv vorausgesetzt. An dieser Stelle geht ein, dass M nicht leer ist. Demnach existiert wenigstens ein Element in M. Wir wählen eines aus und nennen es x0 ∈ M. Wir definieren g : N → M wie folgt:  eindeutiges x ∈ M mit f (x) = y , falls y ∈ f (M), g(y) := x0 , sonst. M

f

x0 g Abb. 20 Linksinverse einer injektiven Abbildung

N

28

1. Grundlagen

Dann gilt für alle x ∈ M : (g ◦ f )(x) = g( f (x)) = x = id M (x). Zu (iii): Zu „⇐“: Sei g ∈ Abb(N, M) so, dass f ◦ g = id N und g ◦ f = id M gilt. Dann folgt aus (i), dass f surjektiv ist und aus (ii), dass f injektiv ist. Also ist f bijektiv. Zu „⇒“: Sei f nun bijektiv, also surjektiv und injektiv. Wegen (i) folgt die Existenz einer Abbildung g1 ∈ Abb(N, M) mit f ◦ g1 = idN und wegen (ii) die einer Abbildung g2 ∈ Abb(N, M) mit g2 ◦ f = id M . A priori ist nicht klar, dass g1 = g2 gilt. Dies sehen wir aber wie folgt ein: g1 = id M ◦ g1 = (g2 ◦ f ) ◦ g1 = g2 ◦ f ◦ g1 = g2 ◦ ( f ◦ g1 ) = g2 ◦ id N = g2 . Somit hat g := g1 = g2 die verlangten Eigenschaften.



Bemerkung 1.57. Der Schluss des Beweises des Satzes zeigt auch, dass die Umkehrabbildung einer bijektiven Abbildung eindeutig ist. Wir schreiben sie üblicherweise als f −1 . Rechts- und Linksinverse sind im Allgemeinen aber nicht eindeutig. Zwei endliche Mengen M und N haben genau dann gleich viele Elemente, wenn es eine bijektive Abbildung f : M → N zwischen ihnen gibt. Jedes Element von M entspricht genau einem Element von N unter der bijektiven Abbildung f . Allgemein machen wir folgende auch für unendliche Mengen gültige Definition: Definition 1.58. Zwei Mengen M und N heißen gleichmächtig, wenn es eine bijektive Abbildung f : M → N gibt. Beispiel 1.59. Die Abbildung f : N0 → N, n → n + 1, ist bijektiv. Also sind N0 und N gleichmächtig. Das ist bemerkenswert; obwohl N eine echte Teilmenge von N0 ist, hat N nicht weniger Elemente als N0 ! Dass so etwas passieren kann, unterscheidet gerade die unendlichen Mengen von den endlichen. Beispiel 1.60. Auch N0 und Z sind gleichmächtig, da folgende Abbildung f : N0 → Z bijektiv ist: x f (x)

0 0

1 −1

2 3 1 −2

4 5 2 −3

6 3

7 8 −4 4

Tab. 8 Bijektive Abbildung f : N0 → Z

Es gibt also nicht mehr ganze Zahlen als natürliche Zahlen!

... ...

1.4. Abbildungen

29

Ein komplexeres Beispiel, welches „verschiedenene Typen“ der Unendlichkeit illustriert, ist bekannt unter dem Namen Hilberts Hotel.8 In einem Hotel mit endlich vielen Zimmern können bekanntlich keine Gäste mehr aufgenommen werden, sobald alle Zimmer belegt sind. Stellen wir uns nun ein Hotel mit unendlich vielen Zimmern vor, durchnummeriert, beginnend bei 1 und mit nur einem möglichen Gast pro Zimmer. Man könnte annehmen, dass dasselbe Problem auch hier auftritt. Die naive Vermutung hierzu wäre: Wenn unendlich viele Gäste im Hotel Abb. 21 Hilberts Hotel sind, kann kein weiterer Gast aufgenommen werden. Sehen wir uns einmal an, welche Erlebnisse eine Arbeitswoche in Hilberts Hotel bereithält: Montag: Alle Zimmer sind belegt und ein neuer Gast reist an. Der Hoteldirektor bittet den Gast im Zimmer 1 nach Zimmer 2 umzuziehen, den Gast im Zimmer 2 nach Zimmer 3 umzuziehen, usw. Auf diese Weise ziehen alle „alten“ Gäste in das Zimmer mit der nächsthöheren Zimmernummer um. Dadurch wird Zimmer 1 frei und der neue Gast kann einziehen. Mathematisch steckt folgende injektive und nicht surjektive „Umzieh-Abbildung“ hinter diesem Prinzip: f : N → N, n → n + 1. Die Injektivität stellt dabei sicher, dass niemals zwei Gäste in einem Zimmer einquartiert werden. Andererseits ist f nicht surjektiv, denn offenbar wird 1 ∈ N nicht als Bild von f angenommen, d.h. es gilt f (N) = { f (n) | n ∈ N} = N \ {1} = {2, 3, 4, . . .} , also 1  f (N). Das heißt gerade, dass Zimmer 1 für den neuen Gast frei geworden ist. Dienstag: Alle Zimmer sind belegt und ein Bus mit k neuen Gästen trifft ein (k ∈ N). Wieder hat der clevere Hoteldirektor eine Lösung parat: Jeder „alte“ Gast zieht in das Zimmer, dessen Nummer um k größer ist als das bisherige. Dadurch werden die Zimmer 1, . . ., k frei. Diesmal liegt die injektive aber nicht surjektive Abbildung f : N → N, n → n + k, zu Grunde, für die f (N) = N \ {1, . . . , k} = {k + 1, k + 2, . . .} gilt. Daher ist {1, . . ., k} ∩ f (N) = ∅, die ersten k Zimmer sind für die neuen Gäste frei geworden.

8benannt nach dem deutschen Mathematiker David Hilbert (1862–1943), siehe http://de.wikipedia.org/ wiki/David_Hilbert

30

1. Grundlagen

Mittwoch: Alle Zimmer sind belegt und ein Bus mit ∞ vielen Gästen trifft ein, deren Sitzplätze mit 1, 2, 3, . . . durchnummeriert sind. Selbst hier weiß sich der Hoteldirektor zu helfen: Die „alten“ Gäste ziehen in das Zimmer mit der doppelten Zimmernummer und die neuen Gäste belegen dann die frei gewordenen ungeraden Zimmernummern. Hier ist unsere injektive und nicht surjektive „Umzieh-Abbildung“ durch f : N → N, n → 2n, gegeben. Das Bild der Abbildung lautet f (N) = {2n | n ∈ N} . Für die neu eingetroffenenen Gäste nehmen wir die „Neubelegungs-Abbildung“: g : N → N, n → 2n − 1. Hierbei ist g injektiv und es gilt g(N) = {2n − 1 | n ∈ N} und damit f (N) ∩ g(N) = ∅. Die „neuen“ und die „alten“ Gäste kommen sich also nicht in die Quere. Donnerstag: Alle Zimmer sind belegt und ∞ viele Busse mit jeweils ∞ vielen Gästen treffen ein, wobei Busse und Sitzplätze jeweils mit 1, 2, 3, . . . durchnummeriert sind. Donnerstag ist ein sehr stressiger Tag in Hilberts Hotel. Die „alten“ Gäste müssen zunächst wie am Mittwoch in die Zimmer mit den doppelten Zimmernummern umziehen. Natürlich sind diese Zimmernummern dann gerade. Die „neuen“ Gäste quartieren wir wieder in den Zimmern mit ungeraden Nummern ein. Sein Faible für Euklid bringt den Hoteldirektor auf folgende Idee: Er ordnet als erstes jedem Bus eine ungerade Primzahl zu, d.h. p1 = 3, p2 = 5, p3 = 7, p4 = 11, . . . Als mathematisch gebildeter Mensch weiß der Hoteldirektor, dass es unendlich viele Primzahlen gibt, von denen nur eine gerade ist. Daher kann der Hoteldirektor jeden Bus mit je einer eigenen ungeraden Primzahl versorgen. Die Fahrgäste aus Bus 1 belegen nun nach und nach die Zimmer 31, 32, 33, . . .. Die Fahrgäste aus Bus 2 belegen dann sukzessive die Zimmer 51, 52, 53, . . ., die aus Bus 3 belegen 71, 72, 73, . . . usw. Damit hat es der Direktor mal wieder geschafft! Nun legen wir uns diese Angelegenheit noch einmal mathematisch zurecht, behalten dazu unsere „Mittwochs-Umzieh-Abbildung“ f : N → N mit f (n) = 2n bei und definieren schließlich die „Neubelegungs-Abbildung“ g : N × N → N, (m, n) → pnm . Dabei beschreibt m die Busnummer und n die Sitzplatznummer. Überlegen wir also, dass  g injektiv ist: Für alle (m, n) und (m, n) folgt aus g(m, n) = g(m, n), dass pnm = pnm , also    pm = pm  ∧ n = n , d.h. m = m ∧ n = n . Nun ist f (N) ∩ g(N) ⊂ {n ∈ N | n gerade} ∩ {n ∈ N | n ungerade} = ∅

1.4. Abbildungen

31

und daher f (N) ∩ g(N) = ∅. Freitag: Alle Zimmer sind frei und ein neuer Bus mit ∞ vielen Gästen trifft ein, wobei die Sitzplätze mit√ den reellen Zahlen des Intervalls (0, 1) durchnummeriert sind, also unter anderem π auch mit 15 , 22 oder etwa 10 . Heute muss der Hoteldirektor allerdings passen und kann zu seinem Bedauern nicht allen angereisten Gästen ein Zimmer anbieten. Wie man nun richtig vermutet, unterscheidet sich die Anzahl ∞ der Sitzplätze im Bus zur Anzahl ∞ der Hotelzimmer. Exakt begründen wir diesen Sachverhalt mit Satz 1.61. Es gibt keine injektive Abbildung g : (0, 1) → N. Beweis. Wir machen die Widerspruchsannahme, dass es doch eine injektive Abbildung g : (0, 1) → N gibt. Das Bild von g ist eine Teilmenge von N. Nennen wir das kleinste Element dieser Teilmenge y1 . Da y1 im Bild von g liegt, gibt es ein x1 ∈ (0, 1) mit g(x1 ) = y1 . Da g injektiv ist, ist dieses x1 eindeutig. Nun betrachten wir das zweitkleinste Element y2 ∈ g((0, 1)) ⊂ N und das zugehörige x2 ∈ (0, 1) mit g(x2 ) = y2 . So fahren wir fort; allgemein sei xi ∈ (0, 1) das Element, für das g(xi ) das i-te Element im Bild g((0, 1)) ⊂ N ist. Damit haben wir eine Auflistung der Elemente von (0, 1) erhalten, (0, 1) = {x1, x2, x3, . . .}.

(1.21)

Nun nutzen wir das so genannte Cantor’sche Diagonalverfahren, um einen Widerspruch herzuleiten. Wir schreiben die Elemente xi ∈ (0, 1) in Dezimalbruchentwicklung hin: „Sitzplatz im Bus“ x1 = 0, a11 a12 a13 . . . x2 = 0, a21 a22 a23 . . . x3 = 0, a31 a32 a33 . . . .. .

„zugeordnete Zimmernummer“ g(x1 ) minimal g(x2 ) zweitkleinstes Element g(x3 ) drittkleinstes Element .. .

Tab. 9 Cantors Diagonalverfahren

Dabei ist ai j ∈ {0, . . ., 9} die j-te Ziffer in der Dezimalentwicklung der i-ten Zahl xi . Wir konstruieren nun eine neue reelle Zahl y = 0, b1 b2 b3 . . . mit b j ∈ {0, . . ., 9}, wobei  3, falls a j j  3 b j := 4, falls a j j = 3. Dann erhalten wir in der Tat eine reelle Zahl y ∈ (0, 1) mit der Nachkommaunterscheidung b j  a j j , so dass für alle j ∈ N gilt: y  x j . Also ist y ∈ (0, 1) eine neue reelle Zahl, die noch nicht in unserer Liste auftaucht. Dies widerspricht (1.21), wonach alle Zahlen aus (0, 1) in der Liste x1, x2, x3, . . . vorkommen. 

32

1. Grundlagen

Wir haben zwei unendliche Mengen gefunden, die nicht gleichmächtig sind, nämlich N und (0, 1). Tatsächlich hat (0, 1) mehr Elemente als N. Es gibt also verschiedene „Unendlichs“. Satz 1.62. Die Mengen N und Q+ sind gleichmächtig. Beweis. Um eine bijektive Abbildung f : N → Q+ zu konstruieren, schreiben wir die Elemente von Q+ in folgender unendlicher Tabelle auf; horizontal tragen wir den Zähler auf, vertikal den Nenner:

1 2 3 4 .. .

1

2

3

4

1 1 1 2 1 3 1 4

2 1 2 2 2 3 2 4

3 1 3 2 3 3 3 4

4 1 4 2 4 3 4 4

.. .

.. .

.. .

··· ··· ··· ··· ··· .. .

.. .

Tab. 10 Positive rationale Zahlen

Da jede positive rationale Zahl sich als Quotient zweier natürlicher Zahlen schreiben lässt, kommt jedes x ∈ Q+ in der Tabelle vor. Allerdings kommt es mehrfach vor, da z.B. 11 = 22 = 3 3 = · · · . Um nun f anzugeben, klappern wir die Elemente in der Tabelle „diagonalweise“ ab, wobei wir jede Zahl, die schon mal erreicht wurde, auslassen. 







···









···









···







···

.. .

.. .

.. .

.. .

..

.

Abb. 22 Auflistung der Tabelleneinträge

Es ist also f (1) = 11 = 1, f (2) = 12 , f (3) = 21 = 2, f (4) = 13 , f (5) = 31 = 3 (und nicht f (5) = 22 , denn 22 = 11 = f (1) hatten wir schon), f (6) = 14 , usw. Die so konstruierte Abbildung ist surjektiv, da jede rationale Zahl irgendwann erreicht wird und daher im Bild von f liegt. Wegen des Überspringens bereits erreichter Zahlen, ist f auch injektiv.  Korollar 1.63. Die Mengen Z und Q sind gleichmächtig.

1.4. Abbildungen

33

Beweis. Sei f : N → Q+ die bijektive Abbildung aus obigem Beweis. Wir erhalten eine bijektive Abbildung F : Z → Q durch ⎧ ⎪ f (n), ⎪ ⎨ ⎪ n → 0, ⎪ ⎪ ⎪ − f (−n), ⎩

falls n > 0, falls n = 0, falls n < 0. 

Da N und Z ebenfalls gleichmächtig sind, erhalten wir auch Korollar 1.64. Die Mengen N und Q sind gleichmächtig.



Definition 1.65. Eine Menge M heißt abzählbar unendlich, falls M und N gleichmächtig sind. Ist M unendlich, aber nicht zu N gleichmächtig, dann heißt M überabzählbar.

Diese Sprechweise rührt daher, dass man falls M abzählbar unendlich ist, eine bijektive Abbildung f : N → M finden kann und daher die Menge M schreiben kann als M = { f (1), f (2), f (3), . . .}. Man kann die Elemente einer abzählbar unendlichen Menge M auflisten. Für überabzählbare Mengen ist dies nicht möglich. Beispiel 1.66. Wir haben gesehen, dass die Mengen N, N0 , Z, Q+ und Q abzählbar unendlich sind. Hingegen ist das reelle Intervall (0, 1) überabzählbar. Definition 1.67. Seien M und N Mengen und M  ⊂ M eine Teilmenge. Sei f ∈ Abb(M, N) eine Abbildung. Die Einschränkung von f auf M  ist die Abbildung f | M  ∈ Abb(M , N), die durch ∀x  ∈ M  : f | M  (x ) := f (x ) gegeben ist. Beispiel 1.68. Wir überlegen uns, dass R überabzählbar sein muss. Wäre nämlich R abzählbar unendlich, so gäbe es eine bijektive Abbildung f : R → N. Die Einschränkung einer injektiven Abbildung ist stets wieder injektiv. Also wäre die Einschränkung von f auf das Intervall (0, 1) wiederum eine injektive Abbildung f |(0,1) : (0, 1) → N. Dies widerspricht aber Satz 1.61.

34

1. Grundlagen

1.5. Vollständige Induktion Als letzten Abschnitt im Kapitel über Grundlagen besprechen wir noch ein wichtiges Beweisprinzip, das wir in Abschnitt 1.2 zunächst noch zurückgestellt hatten, die vollständige Induktion. Sie kommt häufig zum Einsatz, wenn eine ganze Serie von Aussagen A(1), A(2), A(3), . . . zu beweisen ist. Zum Beispiel könnten wir beweisen wollen, dass 1+2+···+n =

n(n + 1) . 2

für alle n ∈ N gilt. Das Prinzip der vollständigen Induktion besagt, dass es reicht, statt A(1), A(2), A(3), . . . die Aussagen B(1), B(2), B(3), . . . zu beweisen, wobei B(1) und für n ≥ 2 B(n)

:⇔

:⇔

A(1)

(A(1) ∧ A(2) ∧ · · · ∧ A(n − 1) ⇒ A(n))

ist. Zunächst mal fragen wir uns, warum das eine Erleichterung darstellt. Für den Beweis der ersten Aussage A(1) ändert sich nichts; die müssen wir beweisen. Für n ≥ 2 ist B(n), d.h. die Folgerung A(1) ∧ A(2) ∧ · · · ∧ A(n − 1) ⇒ A(n) aber oft leichter zu zeigen, als direkt A(n), weil wir die Gültigkeit von A(n) nur unter Annahme der Gültigkeit von A(1), . . ., A(n − 1) zu zeigen haben. Mit anderen Worten, B(n) zu zeigen, bedeutet A(n) zu zeigen, aber wir dürfen bei der Herleitung die vorangegangen Aussagen A(1), . . . , A(n − 1) benutzen! Warum ist das Prinzip der vollständigen Induktion zulässig? Nehmen wir an, wir haben B(1), B(2), B(3), . . . gezeigt. Dann gilt A(1), da es ja äquivalent zu B(1) ist. Wegen B(2) folgt nun A(2) aus A(1) und ist daher auch gültig. Wegen B(3) folgt nun A(3) aus A(1) und A(2) und ist daher ebenfalls gültig, usw. Den Nachweis von B(1), d.h. von A(1) nennt man den Induktionsanfang. Den Nachweis von B(2) ∧ B(3) ∧ · · · nennt man den Induktionsschritt. Beim Nachweis von A(n) in der Implikation B(n) nennt man A(1)∧· · · ∧ A(n −1) die Induktionsvoraussetzung. Es ist ein häufig auftretender Spezialfall, dass man von der Induktionsvoraussetzung nur die direkt vorangehende Aussage A(n − 1) benutzt. Beispiel 1.69. Genug der Vorrede. Zeigen wir, dass 1+2+···+n =

n(n + 1) . 2

für alle n ∈ N gilt. Induktionsanfang: Dazu ist die Aussage für n = 1 zu beweisen. In der Tat ist 1=

1(1 + 1) 2

offensichtlich wahr und der Induktionsanfang ist abgeschlossen.

(1.22)

1.5. Vollständige Induktion

35

Induktionsschritt: Sei dazu n ≥ 2. Wir zeigen die Aussage (1.22) für dieses n und dürfen dabei die Aussage für 1, . . . , n − 1 verwenden. In diesem Beispiel reicht es aus, die Induktionsvoraussetzung mit n − 1 zu benutzen. Nach Induktionsannahme gilt also 1 + 2 + · · · + (n − 1) =

(n − 1)((n − 1) + 1) . 2

Wir addieren auf beiden Seiten n und berechnen 1 + 2 + · · · + (n − 1) + n =

(n − 1)((n − 1) + 1) n(n + 1) +n = . 2 2

Damit ist der Beweis abgeschlossen. Zu dieser Formel gibt es eine nette Anekdote. Im Alter von sieben Jahren kam Carl Friedrich Gauß (1777–1855), der später einer der bedeutendsten Mathematiker aller Zeiten werden sollte, in die Volksschule. Dort stellte der Lehrer den Schülern die Aufgabe, die Zahlen von 1 bis 100 zu addieren, um sie eine Weile zu beschäftigen. Anstatt stumpfsinnig loszurechnen, überlegte sich Gauß die Formel (1.22) und hatte das Ergebnis in kürzester Zeit gefunden, 1 + 2 + · · · + 100 =

100 · 101 = 5050. 2

Abb. 23 Carl Friedrich Gauß (1777–1855) 9

Der Lehrer dürfte einigermaßen verblüfft gewesen sein. Beispiel 1.70. Wir zeigen mittels vollständiger Induktion: Für jede endliche Menge M gilt #P(M) = 2#M .

(1.23)

Zunächst müssen wir überlegen, wie die Aussagen A(n) hier überhaupt lauten sollen. Es bietet sich an, hier folgende Aussagen zu zeigen: A(n) :⇔ Hat M genau n Elemente, dann hat P(M) genau 2n Elemente. Der Kenner würde sagen, wir machen vollständige Induktion über die Zahl der Elemente von M. Induktionsanfang: n = 1. Es ist also zu zeigen: Hat M genau ein Element, dann hat P(M) genau zwei Elemente. Dies ist wahr, denn falls M genau ein Element hat, dann ist P(M) = {∅, M}. Da M  ∅, hat P(M) genau zwei Elemente. Der Induktionsanfang ist abgeschlossen. 9Künstler: Gottlieb Biermann, Fotograf: A. Wittmann, Quelle: Sternwarte der Universität Göttingen, https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Friedrich_Gau%C3%9F#/media/File:Carl_Friedrich_ Gauss.jpg

36

1. Grundlagen

Induktionsschritt: Sei n ≥ 2. Wir zeigen A(n), wobei wir A(1), . . ., A(n − 1) benutzen dürfen. Auch in diesem Beispiel benötigen wir nur A(n − 1). Schreiben wir M erst mal hin: M = {x1, x2, . . ., xn }. Dabei sind die xi die paarweise verschiedenen Elemente von M. Wir setzen M  := {x1, . . ., xn−1 }. Wir haben also ein Element weggelassen. Die Menge M  hat genau n − 1 Elemente. Daher gilt nach A(n − 1) (der Induktionsvoraussetzung), dass #P(M ) = 2n−1 .

(1.24)

Nun teilen wir P(M) in zwei disjunkte Teilmengen auf: X := {T ∈ P(M) | xn ∈ T }, Y := {T ∈ P(M) | xn  T }. Wegen P(M) = X ∪ Y und X ∩ Y = ∅ ist #P(M) = #X + #Y .

(1.25)

Die Teilmengen von M, die xn nicht enthalten, sind genau die Teilmengen von M , also Y = P(M ) und wegen (1.24) somit #Y = 2n−1 . (1.26) Fügen wir zu den Teilmengen von M  das Element xn hinzu, so erhalten wir gerade die Teilmengen von M, die xn enthalten. In anderen Worten, die Abbildung Hinzufügen : P(M ) → X, ist bijektiv. Daher haben X und

P(M )

T → T ∪ {xn },

gleich viele Elemente. Wiederum wegen (1.24) ist

#X = #P(M ) = 2n−1 .

(1.27)

Wir setzen (1.26) und (1.27) in (1.25) ein und erhalten #P(M) = 2n−1 + 2n−1 = 2 · 2n−1 = 2n, was zu beweisen war. Damit ist die vollständige Induktion abgeschlossen. Wir haben gezeigt, für jede Menge mit genau n Elementen, wobei n ∈ N, hat die Potenzmenge genau 2n Elemente. Dabei haben wir einen Fall übersehen, die leere Menge. Sie hat 0 Elemente, die Potenzmenge genau eines, nämlich die leere Menge. Also ist die Behauptung auch in diesem Fall wahr, es gilt ja 20 = 1. Tatsächlich wäre es geschickter gewesen, den Induktionsanfang mit der leeren Menge zu beginnen. Dazu hätten wir die Aussagen A(n) wie folgt wählen können: A(n) :⇔ Hat M genau n − 1 Elemente, dann hat P(M) genau 2n−1 Elemente. Alternativ kann man die Aussagen auch lassen, wie sie waren und dafür auch die Aussage A(0) mit berücksichtigen. Dann ist der Beweis von A(0) der Induktionsanfang und der Induktionsschritt zeigt dann für n ≥ 1, dass aus A(0), . . . , A(n − 1) die Aussage A(n) folgt.

1.5. Vollständige Induktion

37

 Von jetzt an werden wir auch die Schreibweise mit dem Summenzeichen und dem Produktzei 10 chen verwenden. Wir schreiben also statt x1 +. . .+ x10 auch j=1 x j . Der Summationsindex j  kann natürlich auch anders genannt werden. Analog ist x1 · · · x10 = 10 k=1 x k . Beispiel 1.71. Wir beweisen Proposition 1.12 nochmals, diesmal mittels vollständiger Induktion. Wir erinnern uns an die Aussage: Für alle n ∈ N, n ≥ 2, gilt n lässt sich als Produkt von Primzahlen schreiben. Dieses Mal ist der Induktionsanfang bei n = 2 durchzuführen. In der Tat ist 2 selbst eine Primzahl, so dass die Gleichung 2=2 die gewünschte Primzahlzerlegung darstellt (ein Produkt mit nur einem Faktor). Der Induktionsanfang ist abgeschlossen. Induktionsschritt: Sei n ≥ 3. Ist n selbst eine Primzahl, so ist wiederum n = n die gewünschte Primzahlzerlegung und wir sind fertig. Falls nicht, so können wir n = m1 · m2 schreiben, wobei m1, m2 ∈ {2, . . ., n − 1}. Nach Induktionsvoraussetzung besitzen m1 und m2 Primzahlzerlegungen, k    m1 = pi und m2 = q j, i=1

j=1

wobei die pi und die q j Primzahlen sind. Dann ist n=

k  i=1

pi ·

 

qj

j=1

eine Primzahlzerlegung von n und der Induktionsschritt ist abgeschlossen. Schließlich wollen wir vollständige Induktion noch verwenden, um folgende sehr nützliche Aussage zu zeigen. Lemma 1.72 (Hotelzimmerlemma). Seien X und Y endliche Mengen mit gleich vielen Elementen. Sei f : X → Y eine Abbildung. Dann sind äquivalent: (1) f ist injektiv. (2) f ist surjektiv. (3) f ist bijektiv.

Dieses Lemma ist sehr plausibel, denn stellen wir uns vor, X ist eine Menge von Hotelgästen und Y eine Menge von Hotelzimmern. Wir haben vorausgesetzt, dass es gleich viele Hotelgäste

38

1. Grundlagen

wie Hotelzimmer gibt. Die Abbildung f ordnet nun jedem Hotelgast ein Hotelzimmer zu. Nun bedeutet z.B. dass f injektiv ist, dass jeder Hotelgast sein eigenes Hotelzimmer bekommt, das er mit niemandem teilen muss. Da wir gleich viele Hotelzimmer wie Hotelgäste haben, sind dann alle Zimmer belegt, d.h. f ist auch surjektiv und damit bijektiv. Setzen wir umgekehrt voraus, dass f surjektiv ist, so sind alle Zimmer belegt. Da wir gleich viele Gäste wie Zimmer haben, kann kein Zimmer mehrfach belegt sein, also muss f auch injektiv sein. Wenn X und Y verschieden viele Elemente haben oder wenn X und Y unendlich viele Elemente haben dürfen, dann gilt das Lemma nicht mehr, wie die Diskussion um Hilberts Hotel gezeigt hat. Beweis von Lemma 1.72. Wir beweisen die Aussage mittels vollständiger Induktion über die Anzahl n der Elemente von X und Y. Induktionsanfang: n = 0. Hier gilt X = Y = ∅ und die einzige Abbildung f : ∅ → ∅ ist die leere Abbildung, die überhaupt nichts abbildet. Diese Abbildung ist injektiv und surjektiv, also bijektiv. Aussagen (1)–(3) sind daher im Fall n = 0 stets wahr und damit äquivalent. Induktionsschritt: Sei n ≥ 1. Wir müssen zeigen, dass aus der Injektivität von f die Surjektivität folgt und umgekehrt. Sei f zunächst als injektiv vorausgesetzt. Wir wählen ein Element x0 ∈ X und setzen y0 := f (x0 ) ∈ Y . Dann haben X  := X \ {x0 } und Y  := Y \ {y0 } jeweils n − 1 viele Elemente. Da f injektiv ist, wird kein Element aus X  auf y0 abgebildet. Also können wir f zu einer Abbildung fX  : X  → Y  einschränken. Da die Einschränkung einer injektiven Abbildung stets wieder injektiv ist, ist fX  : X  → Y  eine injektive Abbildung zwischen zwei Mengen mit je n − 1 Elementen. Nach Induktionsannahme ist fX  : X  → Y  dann auch surjektiv. Somit liegt jedes Element von Y  im Bild von f . Für y0 gilt dies sowieso. Also liegt jedes Element von Y im Bild von f , d.h. f ist surjektiv. Sei nun umgekehrt f als surjektiv vorausgesetzt. Angenommen, f wäre nicht injektiv. Dann gäbe es x1, x2 ∈ X mit x1  x2 , so dass f (x1 ) = f (x2 ). Wir setzen X  := X \ {x1 }. Dann wäre fX  : X  → Y immer noch surjektiv. Nun aber hätte X  nur n − 1 Elemente, daher kann auch das Bild f (X ) höchstens n − 1 Elemente haben. Da Y aber n Elemente hat, kann fX  : X  → Y nicht surjektiv sein, Widerspruch. 

1.6. Aufgaben 1.1. Begründen Sie, warum die Regel „Keine Regel ohne Ausnahmen“ in sich widersprüchlich ist. 1.2. In einem Dorf rasiert ein Barbier genau diejenigen Männer, die sich nicht selbst rasieren. Rasiert der Barbier sich selbst? Sie werden bei dieser Frage auf ein Problem stoßen. Erläutern Sie, wodurch dieses Problem entsteht. 1.3. a) Ein Rätsel von Lewis Carroll, dem Autor von „Alice im Wunderland“. Wir wissen Folgendes:

1.6. Aufgaben

39

(1) Die einzigen Tiere in diesem Haus sind Katzen. (2) Jedes Tier, das gerne in den Mond starrt, ist als Schoßtier geeignet. (3) Wenn ich ein Tier verabscheue, gehe ich ihm aus dem Weg. (4) Es gibt keine fleischfressenden Tiere außer denen, die bei Nacht jagen. (5) Es gibt keine Katze, die nicht Mäuse tötet. (6) Kein Tier mag mich, außer denen im Haus. (7) Kängurus sind nicht als Schoßtiere geeignet. (8) Nur fleischfressende Tiere töten Mäuse. (9) Ich verabscheue Tiere, die mich nicht mögen. (10) Tiere, die bei Nacht jagen, starren gerne in den Mond. Nun die Frage: Mag ich Kängurus? Zur Beantwortung dieser Frage formalisieren Sie die Aussagen und verwenden Sie Aussagenlogik. b) Ein weiteres Rätsel. Wir wissen Folgendes: (1) Jeder unverheiratete Nichtraucher ist Briefmarkensammler. (2) Jeder Briefmarkensammler aus Löbau ist ein Raucher, oder es gibt unter den briefmarkensammelnden Nichtrauchern keinen, der nicht in Löbau wohnt. (3) Seitdem er sich auf Drängen seiner Frau das Rauchen abgewöhnt hat, ist das Briefmarkensammeln die größte Leidenschaft des Leipzigers Peter Schulze. Frage: Ist jeder Löbauer Junggeselle Raucher? 1.4. Vervollständigen Sie den Beweis der Morgan’schen Gesetze, d.h. zeigen Sie für alle Mengen M, N1, N2 : a) M ∪ (N1 ∩ N2 ) = (M ∪ N1 ) ∩ (M ∪ N2 ); b) M \ (N1 ∪ N2 ) = (M \ N1 ) ∩ (M \ N2 ); c) M \ (N1 ∩ N2 ) = (M \ N1 ) ∪ (M \ N2 ). 1.5. Sei f : X → Y eine Abbildung und seien A ⊂ X, B ⊂ Y Teilmengen. Zeigen Sie: a) Es gilt stets f −1 ( f (A)) ⊃ A; b) f ist injektiv ⇔ ∀A ⊂ X : f −1 ( f (A)) = A; c) Es gilt stets f ( f −1 (B)) ⊂ B; d) f ist surjektiv ⇔ ∀B ⊂ Y : f ( f −1 (B)) = B.

40

1. Grundlagen

1.6. Seien X und Y zwei Mengen. Finden Sie heraus, wie viele Abbildungen von X nach Y es gibt, wie viele davon injektiv, surjektiv bzw. bijektiv sind, und zwar falls a) #X = 2 und #Y = 3; b) #X = 3 und #Y = 2; c) #X = #Y = 3. 1.7. Seien M, N und P Mengen. Beweisen Sie folgende Aussagen zur Mächtigkeit: a) Jede Menge M ist gleichmächtig zu sich selbst. b) Ist M zu N gleichmächtig, so ist auch N zu M gleichmächtig. c) Ist sowohl M zu N gleichmächtig als auch N zu P gleichmächtig, so ist auch M zu P gleichmächtig. d) Die Mengen Z und R sind nicht gleichmächtig. Eine nachträgliche Bemerkung: Die Punkte (a) bis (c) besagen, dass die Eigenschaft, gleichmächtig zu sein, eine sogenannte Äquivalenzrelation definiert. Eigenschaft (a) wird dabei auch als Reflexivität, (b) als Symmetrie und (c) als Transitivität bezeichnet. 1.8. Zeigen Sie: a) Die Menge aller endlichen Teilmengen von N ist abzählbar; b) Die Menge P(N) aller Teilmengen von N ist nicht abzählbar. 1.9. Zeigen Sie mittels vollständiger Induktion: Für alle n ∈ N ist 3n+1 − 9 durch 18 teilbar. 1.10. Beweisen Sie mittels vollständiger Induktion: Für alle n ∈ N mit n ≥ 2 ist 2n > n + 1. 1.11. Die berühmten Fibonacci-Zahlen fn sind folgendermaßen definiert: Es gilt f1 = f2 = 1 und für jedes n ≥ 3 ist fn die Summe der beiden vorangehenden Fibonacci-Zahlen, fn = fn−1 + fn−2 . Es gilt also f3 = f2 + f1 = 1+1 = 2, f4 = f3 + f2 = 2+1 = 3, f5 = f4 + f3 = 3+2 = 5 usw. Beweisen Sie mittels vollständiger Induktion, dass für alle n ∈ N gilt: f12 + f22 + . . . + fn2 = fn · fn+1 . 1.12. Im Land Methylien sind die Bewohner dem Trauben- und Gerstensaft nicht abgeneigt und das hat natürlich Konsequenzen für die Verkehrssicherheit. Um den armen Meythylianern das Leben zu erleichtern, beschließt die Regierung, alle Städte direkt mit Straßen untereinander zu verbinden, so dass es also stets eine direkte Verbindung von Stadt A nach Stadt B gibt. Diese Straßen kreuzen sich nicht, sondern werden mit Brücken und Tunneln aneinander vorbeigeführt.

1.6. Aufgaben

41

Leider liefert das immer noch keine befriedigende Lösung des Verkehrsproblems, denn der lästige Gegenverkehr bereitet den angeheiterten Meythylianern Probleme. Deshalb ergreift die Regierung eine drastische Maßnahme und erklärt alle Straßen des Landes zu Einbahnstraßen. Wie nicht anders zu erwarten, sind aber auch die Arbeiter, die die entsprechende Beschilderung vornehmen, während ihrer Tätigkeit nicht ganz nüchtern, so dass die erlaubten Fahrtrichtungen völlig willkürlich festgelegt werden. Nachdem das Kind nun in den Brunnen gefallen ist, stellt sich der Regierung die Frage, ob sie überhaupt noch alle Städte von einer Hauptstadt aus erreichen kann. Beruhigen Sie die Regierung von Methylien indem Sie durch vollständige Induktion (nach der Anzahl der Städte) zeigen: Es gibt eine Stadt in Methylien, die sich als Hauptstadt eignet, weil sich von ihr aus alle anderen Städte so durch korrektes Befahren von Einbahnstraßen erreichen lassen, dass man einen Umweg über höchstens eine andere Stadt fahren muss. Hinweis: Für den Induktionsschritt ist es hilfreich, eine kleine Karte mit den Städten und Einbahnstraßen von Methylien zu zeichnen und sich zu überlegen, welche verschiedenen Fälle bei Hinzunahme einer weiteren Stadt eigentlich auftreten können. 1.13. Wir „beweisen“ jetzt, dass alle Musiker dasselbe Instrument spielen. Dazu zeigen wir mittels vollständiger Induktion für alle n ∈ N die Aussage A(n) : In jeder Menge bestehend aus genau n Musikern spielen alle Musiker dasselbe Instrument. Induktionsanfang: Die Aussage A(1) ist wahr, denn in jeder Menge bestehend aus genau einem Musiker spielen alle Musiker (ist ja nur einer) dasselbe Instrument. Induktionsschritt: Sei n ≥ 2. Wir zeigen A(n). Sei dazu M eine n-elementige Menge von Musikern. Wir entfernen einen Musiker a ∈ M und erhalten eine (n − 1)-elementige Menge M1 := M \ {a} von Musikern. Nach Induktionsannahme ist A(n − 1) wahr und somit spielen alle Musiker in M1 dasselbe Instrument. Da n ≥ 2 ist können wir auch einen anderen Musiker b ∈ M, b  a, entfernen und erhalten eine weitere Menge M2 := M \ {b} von Musikern. Nach Induktionsannahme spielen auch alle Musiker in M2 dasselbe Instrument. Da a ∈ M2 ist, spielt a ebenfalls dasselbe Instrument wie alle anderen Musiker in M. Also spielen alle Musiker in M dasselbe Instrument. Wo ist der Fehler in diesem „Beweis“?

2. Matrixrechnung Wake up, Neo. The Matrix has you. Follow the white rabbit. (Larry und Andy Wachowski The Matrix)

Matrizen erlauben eine übersichtliche Schreibweise für lineare Gleichungssysteme. Man kann mit Matrizen in vielerlei Hinsicht ähnlich rechnen wie mit Zahlen. Sie dienen auch der Beschreibung linearer Abbildungen, z.B. in geometrischen Anwendungen.

2.1. Lineare Gleichungssysteme Lineare Gleichungssysteme (LGS) treten in unzähligen Anwendungsproblemen auf. Beginnen wir mit einigen Beispielen. Beispiel 2.1. Wir wollen das Gewicht zweier Obstsorten, Apfelsinen und Bananen, durch zwei Wägungen mit einem 2kg-Gewicht bestimmen.

40cm 15cm

50cm

25cm

50cm 25cm

Abb. 24 Obstwägung

In den beiden bildlich dargestellten Konfigurationen sei die Waage im Gleichgewicht. Daraus wollen wir das Gewicht A der Apfelsinen (in kg) und das der Bananen B (ebenfalls in kg) bestimmen. Wir erhalten A · 15 + B · 40 = 2 · 50, A · 25 = 2 · 25 + B · 50.

(2.1)

Wir bringen die Terme mit den Unbekannten A und B auf die linke Seite und kürzen die Vorfaktoren soweit möglich: © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 C. Bär, Lineare Algebra und analytische Geometrie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22620-6_2

44

2. Matrixrechnung

3 · A + 8 · B = 20, A − 2B = 2. Ziehen wir von der ersten Zeile das 3-fache der zweiten Zeile ab, so erhalten wir 14 · B = 14



B = 1.

Setzen wir dies in die zweite Gleichung ein, so ergibt sich A = 2 + 2B = 4. Bisher ist damit gezeigt: Wenn das LGS (2.1) eine Lösung (A, B) besitzt, so muss A = 4 und B = 1 gelten. Durch Einsetzen sieht man auch umgekehrt, dass A = 4 und B = 1 die Gleichungen (2.1) tatsächlich löst. Insgesamt ist dann (2.1) erfüllt ⇔ A = 4 ∧ B = 1. Wir drücken das auch so aus, dass die Lösungsmenge die Menge {(4, 1)} ist. Die beiden Wägungen haben das Gewicht der beiden Obstsorten also eindeutig bestimmt, das Gewicht der Apfelsinen beträgt 4 kg, das der Bananen 1 kg. Beispiel 2.2. Nun zu einem explosiven Beispiel aus der Chemie.1 Betrachtet werden die Substanzen Toluol C7 H8 , Salpetersäure HNO3, Wasser H2 O sowie Trinitrotoluol C7 H5O6 N3 , besser bekannt unter der Abkürzung TNT. Die zugehörige Reaktionsgleichung lautet:

x · C7 H8 + y · HNO3 → z · C7 H5O6 N3 + w · H2 O

(2.2)

Wir benötigen zur Herstellung von TNT somit Toluol und Salpetersäure und erhalten als Nebenprodukt Wasser. Wie viel mol2 Toluol und Salpetersäure benötigen wir nun zur Herstellung von z mol TNT und wie viel Wasser wird dabei erzeugt? Bekanntlich bleiben chemische Elemente bei (chemischen) Reaktion erhalten. Aus (2.2) erhalten wir dann folgendes LGS mit vier Gleichungen in vier Unbekannten für: Kohlenstoff C : 7 · x + 0 · y Wasserstoff H : 8 · x + 1 · y Stickstoff N : 0·x+1· y Sauerstoff O : 0·x+3· y

= 7 · z + 0 · w, = 5 · z + 2 · w, = 3 · z + 0 · w, = 6 · z + 1 · w.

1Dieses Beispiel dient der Illustration linearer Gleichungssysteme. Von einer tatsächlichen Durchführung des Experiments wird aus medizinischen und juristischen Gründen dringend abgeraten. 2Ein Mol ist eine Einheit für die Stoffmenge bei chemischen Reaktionen. Ein Mol enthält ungefähr 6 · 1023 Teilchen.

2.1. Lineare Gleichungssysteme

45

Dieses LGS ist äquivalent zu x 8x + y y 3y

= z, = 5z + 2w, = 3z, = 6z + w.

Die zweite Gleichung folgt aus der ersten, dritten und vierten. Wir erhalten sie, indem wir von achtmal der ersten fünfmal die dritte abziehen und zweimal die vierte hinzuzählen. Daher können wir die zweite Gleichung weglassen. Das System ist äquivalent zu x = z, y = 3z, w = 3z. Die Lösungsmenge ist also {(z, 3z, z, 3z) | z ∈ R} ⊂ R4 . Im Gegensatz zum vorangegangen Beispiel erhalten wir eine unendliche Lösungsmenge, denn jedes z ∈ R liefert eine andere Lösung. Dies war aus der Aufgabenstellung heraus zu erwarten, denn wir haben die Menge z von TNT, die wir herstellen wollten, ja nicht festgelegt. Wir haben herausgefunden, dass wir zur Herstellung von z mol TNT, z mol Toluol und 3z mol Salpetersäure benötigen. Dabei erhalten wir 3z mol Wasser als Nebenprodukt.

Beispiel 2.3. In einem Land, in dem der Jahreshaushalt aufzustellen ist, gibt es drei Ministerien: das Ministerium für Bildung und Soziales, dasjenige für Protz und Prunk sowie das für Angriff und Verteidigung. Der Angriffsminister verlangt für sein Ministerium so viel Geld wie die beiden anderen Ministerien zusammen haben. Der Protzminister wiederum beharrt darauf, dass er ein Drittel des Budgets des Angriffsministers bekommt, abzüglich des Budgets des Bildungsministers. Wie muss das Gesamtbudget auf die Ministerien aufgeteilt werden? Nennen wir das Budget des Ministeriums für Bildung und Soziales x, das des Protzministers y und das des Angriffsministers z, jeweils in Prozent des Gesamtbudgets. Dann muss natürlich x + y + z = 100 gelten. Die Forderung des Angriffsministers lautet z=x+y und die des Protzministers

1 z − x. 3 Zusammengefasst ergibt sich das Gleichungssystem y=

46

2. Matrixrechnung

x + y + z = 100, x + y − z = 0, 1 x + y − z = 0. 3 Ziehen wir die zweite Gleichung von der ersten ab, so sehen wir 2z = 100, also z = 50. Wegen der zweiten Gleichung gilt auch x + y = 50. Setzen wir diese Werte in die dritte Gleichung ein, so erhalten 50 − 13 · 50 = 0, was nicht stimmt. Die Lösungsmenge des LGS ist in diesem Fall leer, die Forderungen der Minister sind nicht erfüllbar. Die Beispiele zeigen, dass es keine, genau eine und unendlich viele Lösungen geben kann. Aber sind dies bereits alle Möglichkeiten? Oder gibt es vielleicht auch LGS mit genau zwei Lösungen? Führen mehr als eine Lösung stets zur Existenz unendlich vieler Lösungen? Und unter welchen Bedingungen entstehen welche qualitativen Typen von Lösungsmengen? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, studieren wir lineare Gleichungssysteme nun systematisch und beginnen mit der folgenden formalen Definition:

Problematisierung.

Definition 2.4. Ein lineares Gleichungssystem (LGS) ist ein Gleichungssystem der Form A11 · x1 + A12 · x2 + . . . + A1n · xn =b1, .. . Am1 · x1 + Am2 · x2 +. . . + Amn · xn =bm . Hierbei ist n die Anzahl der Unbekannten und m die Anzahl der Gleichungen. Man beachte, dass m und n im Allgemeinen nicht übereinzustimmen brauchen. Die Koeffizienten Ai j sowie die bi ∈ R sind vorgegeben. Die Unbekannten x1, . . ., xn dagegen sind gesucht. Gilt b1 = . . . = bm = 0, so heißt das LGS homogen und ansonsten inhomogen. So lagen etwa dem Obstkorb-Beispiel ebenso wie Beispiel 2.3 inhomogene LGS zu Grunde. Das LGS im Falle des Sprengstoff-Beispiels war homogen. Bemerkung 2.5. Im Falle eines homogenen LGS kann die Lösungsmenge niemals leer sein, da dann x1 = · · · = xn = 0 stets eine Lösung ist. Um lineare Gleichungssysteme übersichtlich aufzuschreiben, führen wir die MatrixSchreibweise ein:

2.1. Lineare Gleichungssysteme

47

Definition 2.6. Eine m × n-Matrix reeller Zahlen ist ein rechteckiges Schema der Form

A11 · · · .. .. . . Am1 · · ·

A1n ..  .  , Amn 

wobei Ai j ∈ R für alle i ∈ {1, . . ., m} und j ∈ {1, . . . , n} ist.

1 1 4



 So ist zum Beispiel (0 0) eine 1 ×2-Matrix, 2 5 eine 3 ×2-Matrix und 2 eine 3 ×1-Matrix. 3 3 6 Wir werden nachfolgend die Menge aller reellen m × n-Matrizen mit Mat(m × n, R) bezeichnen. 1 4

Für uns ist dann also zum Beispiel 2 5 ∈ Mat(3 × 2, R). 3 6 Definition 2.7. Eine 1 × n-Matrix nennen wir Zeilenvektor und eine m × 1-Matrix Spaltenvektor.

Definition 2.8. Ist

A11 · · · . .. A = .. . Am1 · · · eine m × n-Matrix, so heißt die n × m-Matrix

A1n ..  .  Amn 

A11 · · · . .. A = .. . A1n · · ·

Am1 ..  .  Amn 



die zu transponierte Matrix. Beispiele 2.9. 1. Für die oben angeführte 3 × 2-Matrix ergibt sich    1 4

1 2 3 2 5 = .  4 5 6 3 6

48

2. Matrixrechnung

2. Die Transponierte eines Zeilenvektors ist ein Spaltenvektor und umgekehrt. 3. Transponiert man zweimal, so ergibt sich wieder die ursprüngliche Matrix, d.h. für alle Matrizen A gilt (A ) = A. Nachfolgend werden wir die Konvention verwenden, dass die Elemente aus Rn stets Spaltenvektoren, d.h. n × 1-Matrizen sind. Folglich gilt: ⎧ ⎫ ⎪ ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪

x1  ⎨ ⎪ ⎪ ⎬ ..   n R = Mat(n × 1, R) = .   x1, . . . , xn ∈ R = {(x1, . . ., xn ) | x1, . . ., xn ∈ R}.  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ xn ⎪ ⎩  ⎭ Bemerkung 2.10. Als Konvention für die Einträge von Matrizen A bzw. B aus Mat(m × n, R) nutzen wir der Definition entsprechend Ai j bzw. Bi j also

A11 · · · . .. A = .. . Am1 · · ·

A1n ..  .  Amn 

bzw.

B11 · · · B1n . ..  .. B = .. . .  . Bm1 · · · Bmn 

Der erste Index i ist der Zeilenindex, der zweite Index j der Spaltenindex. Sehen wir uns einmal an, welche Rechenoperationen mit Matrizen möglich sind. Addition von Matrizen. Seien A, B ∈ Mat(m × n, R) mit der Darstellung wie oben. Die Matrizen stimmen also in Höhe und Breite überein. Dann können die beiden Matrizen addiert werden. Dabei hat A + B definitionsgemäß die Einträge

(A + B)i j = Ai j + Bi j . Man spricht auch davon, dass die Addition komponentenweise erklärt ist, etwa im Fall 8 14 1 + 7 4 + 10 7 10 1 4







2 5 + 8 11 = 2 + 8 5 + 11 = 10 16     3 6 9 12 3 + 9 6 + 12 12 18 oder im Spezialfall der Vektoraddition −1 1−2 −2 1



0 + 1  = 0+1  = 1 .     −1 3  −1 + 3 2  Für die prägnante Unterscheidung zwischen Matrizen reeller Zahlen und reellen Zahlen selbst bezeichnet man letztere auch häufig als Skalare.

2.1. Lineare Gleichungssysteme

49

Multiplikation von Matrizen mit Skalaren. Sei A ∈ Mat(m × n, R) mit Einträgen wie oben und λ ∈ R. Dann hat λ · A ∈ Mat(m × n, R) die Einträge

(λ · A)i j = λ · Ai j , z.B.

2 8 2·1 2·4 1 4







2 · 2 5 = 2 · 2 2 · 5 = 4 10 3 6 2 · 3 2 · 6 6 12

oder

2 2·1 1



  2 · 0  = 2 · 0  = 0  . −1 2 · (−1) −2

Naiv könnte man nun auf die Idee kommen, auch die Multiplikation zweier Matrizen komponentenweise zu definieren. Wie sich herausstellen wird, ist dies wenig sinnvoll, wohl aber die folgende Definition der Multiplikation zweier Matrizen. Sei A ∈ Mat(m × n, R) und B ∈ Mat(n × k, R). Die Breite der ersten Matrix muss also mit der Höhe der zweiten Matrix übereinstimmen. Das Resultat der Matrix-Multiplikation von A mit B wird eine m × k-Matrix sein, A · B ∈ Mat(m × k, R). Die Formel für die Matrix-Multiplikation kann man sich mit Hilfe des so genannten FalkSchemas merken. Kürzen wir dazu das Produkt als C ab, d.h. C := A · B, dann sieht das Falk-Schema folgendermaßen aus:

B A C

bzw.

A A12 A13

11

A21 A22 A23   A A A 31 32 33 

B

11 B21 B31 C

11 C21 C31

B12 B22 B32 C12 C22 C32

B13

B23  B33  C13

C23  C33 

Tab. 11 Falk-Schema

Zur Berechnung, etwa von C23 , geht man nun simultan die 2. Zeile von A und die 3. Spalte von B durch, multipliziert in jedem Schritt die entsprechenden Einträge und addiert schließlich die Produkte auf: (A · B)23 = C23 = A21 · B13 + A22 · B23 + A23 · B33 . Ganz allgemein ist der Eintrag der i-ten Zeile und der j-ten Spalte des Produkts gegeben durch: (A · B)i j := Ai1 · B1 j + Ai2 · B2 j + . . . + Ain · Bn j =

n  l=1

Ail · Bl j .

(2.3)

50

2. Matrixrechnung

Zum Beispiel gilt:

1 2 3 4

5   1 · 1 + 5 · 0 2 · 1 + 6 · 0  6 1 1 2 = · 3 · 1 + 7 · 0 7 0 1 3 8 4 · 1 + 8 · 0

1·1+5·1 2·1+6·1 3·1+7·1 4·1+8·1

1 · 2 + 5 · 3 1 6 17 2 · 2 + 6 · 3 2 8 22 . = 3 · 2 + 7 · 3 3 10 27 4 · 2 + 8 · 3 4 12 32

Das Multiplizieren von Matrizen muss man beherrschen ohne groß darüber nachzudenken. Es wird empfohlen, es hier zu üben bis es sitzt: http://ueben.cbaer.eu/08.html Bemerkung 2.11. Fassen wir die drei Rechenoperationen noch einmal in Gestalt von Abbildungen zusammen und halten fest, auf welchen Mengen diese arbeiten: (A, B) → A + B (λ, A) → λ · A (A, B) → A · B

auf Mat(m × n, R) × Mat(m × n, R) → Mat(m × n, R), auf R × Mat(m × n, R) → Mat(m × n, R), auf Mat(m × n, R) × Mat(n × k, R) → Mat(m × k, R).

Welche Rechenregeln gelten nun für Matrizen?

Satz 2.12. Reelle Matrizen genügen den folgenden Rechenregeln: (i) Für alle A, B ∈ Mat(m × n, R) gilt: A+ B = B + A. (ii) Für alle A, B, C ∈ Mat(m × n, R) gilt: (A + B) + C = A + (B + C) . (iii) Für alle λ ∈ R und für alle A, B ∈ Mat(m × n, R) gilt: λ · (A + B) = λ · A + λ · B . (iv) Für alle λ, μ ∈ R und für alle A ∈ Mat(m × n, R) gilt: (λ + μ) · A = λ · A + μ · A . (v) Für alle λ, μ ∈ R, für alle A ∈ Mat(m × n, R) und für alle B ∈ Mat(n × k, R) gilt: (λ · μ) · (A · B) = (λ · A) · (μ · B) .

2.1. Lineare Gleichungssysteme

51

(vi) Für alle A ∈ Mat(m × n, R), für alle B ∈ Mat(n × k, R) und für alle C ∈ Mat(k × l, R) gilt: (A · B) · C = A · (B · C) . (vii) Für alle A, B ∈ Mat(m × n, R) und für alle C ∈ Mat(n × k, R) gilt: (A + B) · C = A · C + B · C . (viii) Für alle A ∈ Mat(m × n, R) und für alle B, C ∈ Mat(n × k, R) gilt: A · (B + C) = A · B + A · C .

Hier wurde die übliche Konvention „Punkt vor Strich“ verwendet, d.h. A · C + B · C ist als (A · C) + (B · C) zu verstehen. Beweis. Wir zeigen alle Teile außer den Aussagen (iv), (v) und (viii). Diese verbleiben als Übungsaufgabe 2.3. Zu (i): Seien A, B ∈ Mat(m × n, R). Dann gilt für alle i ∈ {1, . . ., m} und j ∈ {1, . . ., n} : (A + B)i j = Ai j + Bi j = Bi j + Ai j = (B + A)i j . Also gilt A + B = B + A. Zu (ii): Seien A, B, C ∈ Mat(m × n, R). Dann gilt für jedes i ∈ {1, . . . , m} und jedes j ∈ {1, . . ., n}: ((A + B) + C)i j = (A + B)i j + Ci j = (Ai j + Bi j ) + Ci j = Ai j + (Bi j + Ci j ) = Ai j + (B + C)i j = (A + (B + C))i j Aus der Gleichheit aller Komponenten folgt (A + B) + C = A + (B + C). Zu (iii): Seien λ ∈ R und A, B ∈ Mat(m × n, R). Dann gilt für jedes i ∈ {1, . . . , m} und jedes j ∈ {1, . . ., n}: (λ · (A + B))i j = λ · (A + B)i j = λ · (Ai j + Bi j ) = λ · Ai j + λ · Bi j

52

2. Matrixrechnung

= (λ · A)i j + (λ · B)i j = (λ · A + λ · B)i j . Es folgt λ · (A + B) = λ · A + λ · B. Zu (vi): Sei A ∈ Mat(m × n, R), sei B ∈ Mat(n × k, R) und sei C ∈ Mat(k × l, R). Dann gilt für alle i ∈ {1, . . . , m} und j ∈ {1, . . . , l} : ((A · B) · C)i j = = =

k  s=1 k 

(A · B)is · Cs j 

n 

s=1 r=1 k  n 



 Air · Brs · Cs j Air · Brs · Cs j



s=1 r=1

=

k n   

Air · Brs · Cs j



r=1 s=1

=

n  r=1

=

n 

Air ·

k  

Brs · Cs j



s=1

Air · (B · C)r j

r=1

= (A · (B · C))i j . Es folgt (A · B) · C = A · (B · C). Zu (vii): Seien A, B ∈ Mat(m × n, R) und sei C ∈ Mat(n × k, R). Dann gilt für alle i ∈ {1, . . . , m} und jedes j ∈ {1, . . . , k} : n  ((A + B) · C)i j = (A + B)il · Cl j l=1

= = =

n  l=1 n  l=1 n  l=1

(Ail + Bil ) · Cl j (Ail · Cl j + Bil · Cl j ) Ail · Cl j +

n 

Bil · Cl j

l=1

= (A · C)i j + (B · C)i j = (A · C + B · C)i j .

2.1. Lineare Gleichungssysteme

53

Dies zeigt (A + B) · C = A · C + B · C.



Bemerkung 2.13. Diese Rechenregeln versetzen uns in die Lage, mit Matrizen fast so wie mit reellen Zahlen zu rechnen. Allerdings müssen wir beachten, dass für die Matrix-Multiplikation A · B = B · A im Allgemeinen nicht gilt. Sei etwa A ∈ Mat(m × n, R) und B ∈ Mat(n × m, R). Wie wir wissen, ist dann A · B ∈ Mat(m × m, R) und B · A ∈ Mat(n × n, R). Ist nun m  n, so besitzen die beiden Produkte offenbar verschiedene Abmaße und insbesondere gilt somit A · B  B · A. Falls m = n, so kann sowohl der   Fall A · B  = B· A als auch der Fall A · B  B · A 1 0 1 3 eintreten. Etwa für die Matrizen A = und B = erhalten wir einerseits: 0 1 2 4 

 1 3 A·B = = B · A. 2 4    1 3 1 0 ergibt sich jedoch: und B = Mit A = 1 1 2 4 



   1 3 4 3 A·B =  = B · A. 3 7 6 4 Die Reihenfolge der Faktoren ist bei der Multiplikation daher wesentlich. Warum haben wir die Matrix-Multiplikation eigentlich so definiert, wie wir es getan haben, und nicht etwa komponentenweise so wie bei der Addition? Dies versteht man, wenn man die Beziehung zwischen LGS und Matrizen kennt. Sei hierfür A ∈ Mat(m × n, R) sowie speziell x ∈ Mat(n × 1, R) = Rn . Es gilt:

A11 · · · . .. A · x = .. . Am1 · · · Das LGS

A1n x1 A11 · x1 + A12 · x2 + . . . + A1n · xn  ..  ..  .. . .  · .  = .  Amn  xn  Am1 · x1 + Am2 · x2 + . . . + Amn · xn  ⎧ A · x + . . . + A1n · xn = b1 ⎪ ⎪ ⎨ 11 1 ⎪ .. . ⎪ ⎪ ⎪ A · x +...+ A · x = b mn n m ⎩ m1 1

(2.4)

ist äquivalent zur Matrix-Gleichung A · x = b,

A11 · · · . .. wobei A = .. . Am1 · · ·

A1n

x1 . ..  .  die Koeffizientenmatrix des LGS (2.4) ist und x = ..  sowie Amn  xn 

54

2. Matrixrechnung

b1 .  b = .. .  bm  Das funktioniert nur für unsere etwas kompliziertere Definition der Matrix-Multiplikation. Die Rechenregeln für Matrizen erleichtern uns den Umgang mit LGS erheblich, wie sich bereits im Beweis des nächsten Satzes zeigen wird. Zunächst jedoch führen wir noch einen Bezeichner für die Menge aller Lösungen eines LGS ein. Definition 2.14. Sei A ∈ Mat(m × n, R) und b ∈ Rm . Dann heißt Lös(A, b) := {x ∈ Rn | A · x = b} die Lösungsmenge von (2.4).

Notation 2.15. Seien m, n ∈ N. Die Nullmatrix schreiben wir als

0 · · · . 0 := .. 0 · · ·

0 ..  .  ∈ Mat(m × n, R). 0

0 . Speziell haben wir Nullspaltenvektoren 0 = ..  und Nullzeilenvektoren 0 = (0, . . ., 0).  0 Diese Notation ist etwas ungenau, da die Abmessungen der Matrix, d.h. die Zahl der Spalten und Zeilen, nicht mit aufgeführt werden. Sie werden jedoch stets aus dem Kontext klar sein. Bemerkung 2.16. Offensichtlich gilt für jede Matrix A ∈ Mat(m × n, R) A + 0 = 0 + A = A.

0 . Untersuchen wir zunächst homogene LGS, also den Spezialfall b = 0 = .. .  0 Satz 2.17. Die Lösungsmenge des homogenen LGS A · x = 0 hat folgende Eigenschaften: (i) Es ist 0 ∈ Lös(A, 0). Insbesondere ist Lös(A, 0)  ∅.

2.1. Lineare Gleichungssysteme

55

(ii) Sind x, y ∈ Lös(A, 0), so ist auch x + y ∈ Lös(A, 0). (iii) Ist x ∈ Lös(A, 0) und λ ∈ R, so ist auch λ · x ∈ Lös(A, 0).

Beweis. Zu (i): Sicherlich gilt A · 0 = 0 und daher ist 0 ∈ Lös(A, 0). Zu (ii): Seien x, y ∈ Lös(A, 0), d.h. es gilt A · x = 0 und A · y = 0. Mit Satz 2.12 (vi) erhalten wir dann: A · (x + y) = A · x + A · y = 0 + 0 = 0. Folglich ist auch x + y ∈ Lös(A, 0). Zu (iii): Sei schließlich x ∈ Lös(A, 0) und λ ∈ R. Nun nutzen wir die dritte Aussage von Satz 2.12 und bekommen: A · (λ · x) = λ · (A · x) = λ · 0 = 0. Also gilt λ · x ∈ Lös(A, 0).



Diese Eigenschaften der Lösungsmengen homogener LGS sind so wichtig, dass sie zu folgender Definition führen. Definition 2.18. Eine Teilmenge V ⊂ Rn heißt Untervektorraum, falls gilt: 1. Es ist 0 ∈ V. 2. Sind x, y ∈ V, so ist auch x + y ∈ V. 3. Ist x ∈ V und λ ∈ R, so ist auch λ · x ∈ V.

Nach Definition ist Lös(A, 0) somit stets ein Untervektorraum von Rn . Beispiele 2.19. 1. Der kleinste Untervektorraum von Rn ist der Nullvektorraum V = {0}. 2. Ist hingegen v ∈ Rn mit v  0, dann ist V = {v} kein Untervektorraum. Tatsächlich sind sogar alle drei Bedingungen aus der Definition verletzt. 3. Der größtmögliche Untervektorraum von Rn ist V = Rn selbst.

56

2. Matrixrechnung

4. Sei v ∈ Rn . Dann bildet die Menge aller Vielfachen von v einen Untervektorraum V = {t · v | t ∈ R}. Definition 2.20. Seien v1, . . . , vk ∈ Rn gegeben. Vektoren der Form t1 · v1 + · · · + t k · vk nennt man Linearkombinationen von v1, . . ., vk . Die Menge aller Linearkombinationen von v1, . . ., vk ∈ Rn bezeichnen wir mit L(v1, . . ., vk ) := {t1 · v1 + · · · + t k · vk | t1, . . ., t k ∈ R} und nennen sie die lineare Hülle von v1, . . ., vk . Wir erlauben auch einen leeren Satz von Vektoren und setzen L() := {0}. Bemerkung 2.21. Die lineare Hülle von Vektoren im Rn bildet stets einen Untervektorraum des Rn . Seien dazu k Vektoren v1, . . . , vk ∈ Rn gegeben. Überlegen wir kurz, dass für V = L(v1 . . ., vk ) die drei Bedingungen aus Definition 2.18 erfüllt sind. Es ist 0 ∈ V, da wir hierzu nur t1 = · · · = t k = 0 setzen müssen. Seien x, y ∈ V. Dann gibt es nach Definition von V zum einen Zahlen t1, . . ., t k mit x = t1 · v1 + · · · + t k · vk und zum anderen Zahlen, nennen wir sie zur Unterscheidung s1, . . ., s k ∈ R mit y = s1 · v1 + · · · + s k · vk . Dann ist x + y = (t1 + s1 ) · v1 + · · · + (t k + s k ) · vk , also auch x + y ∈ V. Damit ist die zweite Bedingung verifiziert. Ist schließlich x ∈ V , also von der Form x = t1 · v1 + · · · + t k · vk für gewisse Koeffizienten t1, . . . , t k ∈ R, und ist λ ∈ R, so ist λ · x = (λ · t1 ) · v1 + · · · + (λ · t k ) · vk , also auch λ · x ∈ V. Dies zeigt die dritte Bedingung. Bemerkung 2.22. Stets sind v1, . . ., vk wieder Elemente ihrer linearen Hülle, d.h. es gilt v1, . . ., vk ∈ L(v1, . . ., vk ). Um dies einzusehen, schreiben wir einfach v1 = 1 · v1 + 0 · v2 + . . . + 0 · vk ∈ L(v1, . . ., vk ) und analog für die Vektoren v2, . . ., vk . Des Weiteren gilt allgemein: L(v1, . . . , vk ) ⊂ L(v1, . . . , vk , vk+1, . . ., vm ) . Denn: t1 · v1 + . . . + t k · vk = t1 · v1 + . . . + t k · vk + 0 · vk+1 + . . . + 0 · vm . Bemerkung 2.23. Der Nullvektor ist stets in der Lösungsmenge eines homogenen LGS enthalten. Hat das homogene LGS mehr Unbekannte als Gleichungen, so besitzt es auch Lösungen  0 (und damit unendlich viele Lösungen, da alle Vielfachen einer Lösung wieder Lösungen sind). Warum gibt es dann eine Lösung  0? Dies zeigen wir durch vollständige Induktion nach der Anzahl m der Gleichungen. Induktionsanfang: Haben wir nur eine Gleichung A11 · x1 + A12 · x2 + . . . + A1n · xn = 0,

2.1. Lineare Gleichungssysteme

57

aber n ≥ 2 Unbekannte, so ist z.B. x := (−A12, A11, 0, . . ., 0) eine Lösung. Ist A11  0, dann ist x  0 wie gewünscht. Ist dagegen A11 = 0, dann ist x  := (1, 0, . . . , 0) eine Lösung  0. Induktionsschritt: Seien nun m ≥ 2 viele Gleichungen mit n > m vielen Unbekannten gegeben. Sind alle Koeffizienten Ain von xn gleich 0, dann ist x := (0, . . ., 0, 1) eine Lösung  0. Ist dagegen wenigstens einer dieser Koeffizienten Ain  0, dann können wir die i-te Gleichung nach xn auflösen: 1 (Ai1 x1 + . . . + Ai,n−1 xn−1 ). xn = − Ain Setzen wir das in die übrigen Gleichungen ein, so erhalten wir ein homogenes LGS mit m − 1 Gleichungen und n − 1 Unbekannten. Da n − 1 > m − 1 ist, besitzt dieses kleinere LGS nach Induktionsvoraussetzung eine Lösung (x1, . . ., xn−1 )  0. Dann ist (x1, . . ., xn−1, − A1in (Ai1 x1 + . . . + Ai,n−1 xn−1 ))  0 eine Lösung des ursprünglichen LGS. Bemerkung 2.24. Für jede Matrix A gilt A · 0 = 0. Ist also 0 in der Lösungsmenge eines linearen Gleichungssystems enthalten, so muss das LGS homogen sein. In anderen Worten, die Lösungsmenge eines inhomogenen LGS ist niemals ein Untervektorraum. Wohl aber lassen sich Lösungmengen inhomogener Systeme auf Lösungsmengen homogener Systeme zurückführen. Satz 2.25. Sei A ∈ Mat(m × n, R) und sei b ∈ Rn . Weiterhin sei Lös(A, b)  ∅ und y ∈ Lös(A, b). Dann gilt: Lös(A, b) = {x + y | x ∈ Lös(A, 0)} . Beweis. Um die behauptete Gleichheit beider Mengen zu zeigen, beweisen wir Lös(A, b) ⊃ {x + y | x ∈ Lös(A, 0)} sowie Lös(A, b) ⊂ {x + y | x ∈ Lös(A, 0)}. Der Beweis wird übrigens durch die Verwendung der sehr effizienten Matrixnotation und der entsprechenden Rechenregeln sehr übersichtlich und ziemlich einfach. Zu „⊃“: Sei x ∈ Lös(A, 0) und y ∈ Lös(A, b). Wir überprüfen, dass x + y das inhomogene System löst. Es gilt A · (x + y) = A · x + A · y = 0 + b = b und somit x + y ∈ Lös(A, b). Zu „⊂“: Sei nun z ∈ Lös(A, b). Wir setzen x := z − y, denn dann gilt z = x + y. Nun ist zu zeigen, dass tatsächlich x ∈ Lös(A, 0) gilt. Betrachte dazu: A·x = = = =

A · (z − y) A · (z + (−1) · y) A · z + A · (−1) · y A · z + (−1) · A · y

58

2. Matrixrechnung

= b + (−1) · b = 0. Das heißt nun aber gerade x ∈ Lös(A, 0) und somit gilt z ∈ {x + y | x ∈ Lös(A, 0)}.



Die Lösungsmenge eines inhomogenen LGS kann man also dadurch bestimmen, dass man eine Lösung y findet (sofern überhaupt eine existiert), dann das zugehörige homogene LGS löst, das dadurch entsteht, dass man die „rechte Seite“ b durch 0 ersetzt, und dann zu allen Lösungen des homogenen Systems y addiert. Führen wir dies in folgendem sehr einfachen Beispiel mit nur einer Gleichung und zwei Unbekannten einmal durch: Beispiel 2.26. Für x1 + 3x  2 = 7 haben wir die Koeffizientenmatrix (1 3) sowie b = (7). Wir 1 erraten die Lösung y = dieses inhomogenen LGS und brauchen nun dem Satz nach nur 2 noch das zugehörige homogene LGS x1 + 3x2 = 0 zu lösen. Es ist:      x1  ∈ R2  x1 + 3x2 = 0 Lös(A, 0) =  x2     −3x2  =  x2 ∈ R x2       −3  = x2 ·  x2 ∈ R 1       −3  = t· t ∈ R . 1  Weiter nach dem Satz genügt es dann, y hinzuzuzählen. Wir erhalten als Lösungsmenge:            −3 1  1 − 3t  Lös(A, b) = t · + t ∈ R = t ∈ R . 1 2  2+t  Im folgenden Abschnitt werden wir Konzepte entwickeln, die es erlauben, Untervektorräume des Rn (und damit die Lösungsmengen homogener LGS) effektiv zu beschreiben.

2.2. Lineare Unabhängigkeit und Basen Betrachten wir noch einmal einige Beispiele für lineare Hüllen in dem Spezialfall von Vektoren im R3 . Es seien dazu 1

v1 := 0 , 0

0

v2 := 1 , 0

0

v3 := 0 , 1

0

v4 := 1 . 1

2.2. Lineare Unabhängigkeit und Basen

59

Beispiel 2.27. Die lineare Hülle von v1 ist gegeben durch ⎫ ⎧  ⎪ λ ⎪ ⎪  ⎨ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪   λ ∈ R = 0 ⎪ ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ ⎩ 0

⎧ ⎪ ⎪ ⎨ ⎪

1

L(v1 ) = λ · 0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ 0

⎫  ⎪ ⎪  ⎬ ⎪  λ ∈ R . ⎪  ⎪ ⎪ ⎭

Geometrisch ist L(v1 ) die Gerade durch den Ursprung 0, die der x1 -Achse entspricht: x1 L(v1 ) x3

v1

x2 Abb. 25 Lineare Hülle von v1

Beispiel 2.28. Die lineare Hülle von v2 und v3 ist gegeben durch ⎧ ⎪ 0 0 ⎪ ⎨ ⎪  L(v2, v3 ) = {s · v2 + t · v3 | s, t ∈ R} = s  + 0 ⎪ ⎪ ⎪ 0 ⎩  t 

⎧ ⎫  ⎪ ⎪ 0 ⎪ ⎪  ⎨ ⎪ ⎬ ⎪   s, t ∈ R = s  ⎪ ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ ⎩ t 

⎫  ⎪ ⎪  ⎬ ⎪   s, t ∈ R . ⎪  ⎪ ⎪ ⎭

Geometrisch ist dies die x2 -x3 -Ebene: x1

x3 v3

L(v2, v3 )

v2 x2 Abb. 26 Lineare Hülle von v2 und v3

Beispiel 2.29. Nimmt man nun zu v2 und v3 noch den Vektor v4 hinzu, so erhält man L(v2, v3, v4 ) = {λ · v2 + μ · v3 + η · v4 | λ, μ, η ∈ R} ⎫ ⎧ ⎪ ⎪ 0 0  0 ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎨  ⎪ = λ + 0  + η   λ, μ, η ∈ R ⎪ ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 0 ⎭ ⎩  μ η 

60

2. Matrixrechnung

⎧ ⎪ 0 ⎪ ⎨



= λ + η  ⎪ ⎪ ⎪ μ+η  ⎩ = L(v2, v3 ).

⎫  ⎪ ⎪  ⎬ ⎪   λ, μ, η ∈ R ⎪  ⎪ ⎪ ⎭

Die Hinzunahme von v4 hat die lineare Hülle nicht verändert. Dies liegt daran, dass v4 bereits in der linearen Hülle von v2 und v3 liegt. Die Darstellung der x2 -x3 -Ebene als L(v2, v3, v4 ) ist offenbar weniger effizient als die durch L(v2, v3 ). x1

x3 v3 v2

L(v2, v3, v4 )

v4 = v2 + v3 x2

Abb. 27 Lineare Hülle von v2 , v3 und v4

Beispiel 2.30. Bilden wir dagegen die lineare Hülle von v1, v2 und v3 , so erhalten wir L(v1, v2, v3 ) = R3 . Im Beispiel 2.29 erhielten wir für die lineare Hülle dreier Vektoren (nur) eine Ebene. Für einen leicht abgeänderten Satz von Vektoren, wie im Beispiel 2.30, bekamen wir dagegen ganz R3 . Unser nächstes Ziel ist es, die Systematik hinter diesem Phänomen zu verstehen. Der Schlüssel hierfür ist folgendes Lemma: Lemma 2.31. Seien v1, . . ., vm ∈ Rn . Dann sind folgende Aussagen äquivalent: (1) ∃λ1, . . . , λm ∈ R, nicht alle gleich 0, so dass: λ1 v1 + . . . + λm vm = 0. (2) ∃l ∈ {1, . . ., m} : vl ∈ L(v1, . . ., vl−1, vl+1, . . . , vm ). (3) ∃l ∈ {1, . . ., m} : L(v1, . . ., vl−1, vl+1, . . . , vm ) = L(v1, . . ., vm ).

Für Aussage (1) sagt man auch, dass sich 0 nichttrivial aus den Vektoren v1, . . ., vm linearkombinieren lässt. Aussage (2) besagt, dass einer der Vektoren bereits in der linearen Hülle der anderen enthalten ist. Aussage (3) besagt, dass die Hinzunahme dieses Vektors die lineare Hülle nicht vergrößert.

2.2. Lineare Unabhängigkeit und Basen

61

Beweis. Für die behauptete Äquivalenz der drei Aussagen genügt der Nachweis folgender Implikationen: (1) ⇒ (2) und (2) ⇒ (3) sowie (3) ⇒ (1). Zu „(1) ⇒ (2)“: Seien λ1, . . ., λm ∈ R und davon wenigstens ein λl  0, so dass λ1 v1 + . . . + λm vm = 0. Indem wir den l-ten Summanden auf die andere Seite bringen, erhalten wir: −λl vl = λ1 v1 + . . . + λl−1 vl−1 + λl+1 vl+1 + . . . + λm vm . Da λl  0 ist, dürfen wir durch −λl teilen und erhalten: vl =

λ1 λl−1 λl+1 λm v1 + . . . + vl−1 + vl+1 + . . . + vm ∈ L(v1, . . ., vl−1, vl+1, . . ., vm ). −λl −λl −λl −λl

Zu „(2) ⇒ (3)“: Sei vl ∈ L(v1, . . . , vl−1, vl+1, . . ., vm ). Wir zeigen L(v1, . . . , vl−1, vl+1, . . ., vm ) = L(v1, . . ., vm ). Nach Bemerkung 2.22 ist „⊂“ bereits klar. Wir zeigen noch L(v1, . . ., vl−1, vl+1, . . ., vm ) ⊃ L(v1, . . ., vm ). Sei hierfür x ∈ L(v1, . . ., vm ). Dann existieren λ1, . . ., λm ∈ R, so dass x = λ1 v1 + . . . + λm vm . Da nach Voraussetzung vl ∈ L(v1, . . . , vl−1, vl+1, . . ., vm ) ist, können wir für geeignete Koeffizienten μk ∈ R vl = μ1 v1 + . . . + μl−1 vl−1 + μl+1 vl+1 + . . . + μm vm schreiben. Diesen Ausdruck setzen wir in die Darstellung für x ein und sortieren geeignet: x =λ1 v1 + . . . + λl−1 vl−1 + λl vl + λl+1 vl+1 + . . . + λm vm =λ1 v1 + . . . + λl−1 vl−1 + λl (μ1 v1 + . . . + μl−1 vl−1 + μl+1 vl+1 + . . . + μm vm ) + λl+1 vl+1 + . . . + λm vm =(λ1 + λl μ1 )v1 + . . . + (λl−1 + λl μl−1 )vl−1 + (λl+1 + λl μl+1 )vl+1 + . . . + (λm + λl μm )vm ∈L(v1, . . ., vl−1, vl+1, . . . , vm ). Es folgt L(v1, . . . , vm ) ⊂ L(v1, . . ., vl−1, vl+1, . . ., vm ). Zu „(3) ⇒ (1)“: Sei L(v1, . . ., vl−1, vl+1, . . ., vm ) = L(v1, . . . , vm ). Wegen vl ∈ L(v1, . . . , vm ) = L(v1, . . ., vl−1, vl+1, . . ., vm ) gibt es Zahlen μk ∈ R, k ∈ {1, . . ., l − 1, l + 1, . . . , m}, so dass vl = μ1 v1 + . . . + μl−1 vl−1 + μl+1 vl+1 + . . . + μm vm . Dann ist μ1 v1 + . . . + μl−1 vl−1 + (−1)vl + μl+1 vl+1 + . . . + μm vm = 0 eine nichttriviale Linearkombination von 0 durch die Vektoren v1, . . ., vm .



62

2. Matrixrechnung

Definition 2.32. Gilt eine (und damit alle) der Aussagen aus dem Lemma, dann heißt der Satz von Vektoren v1, . . ., vm linear abhängig, ansonsten linear unabhängig. Möchte man einen Untervektorraum (z.B. die Lösungsmenge eines LGS) als lineare Hülle L(v1, . . ., vm ) möglichst übersichtlich angeben, wird man keine „überflüssigen“ Vektoren verwenden wollen. In anderen Worten, man wird die Vektoren v1, . . . , vm linear unabhängig haben wollen. Wie weist man nun nach, dass gegebene Vektoren v1, . . . , vm linear unabhängig sind? Verwendet man das erste Kriterium aus Lemma 2.31, dann muss man für alle λ k ∈ R die Gültigkeit folgender Implikation nachprüfen: λ1 v1 + . . . + λm vm = 0



λ1 = . . . = λm = 0.

Der Nullvektor darf sich also nur auf triviale Art aus den Vektoren linear kombinieren lassen. Sehen wir uns einige Beispiele an. Beispiel 2.33. In welchem Fall ist ein einziger Vektor v ∈ Rn linear (un-)abhängig? 1. Fall: Sei v = 0. Dann ist λ · v = 0 für alle λ ∈ R, nicht nur für λ = 0. Also ist der Nullvektor v = 0 linear abhängig. 2. Fall: Sei v  0. Dann muss mindestens ein Eintrag in diesem Vektor  0 sein. Multiplizieren wir v mit λ ∈ R \ {0}, dann ist der entsprechende Eintrag von λ · v ebenfalls  0 und damit ist λ · v  0. Der Nullvektor lässt sich mithin nur auf triviale Weise aus v linear kombinieren, 0 · v = 0. Somit ist jeder Vektor v ∈ Rn \ {0} linear unabhängig. Wir fassen zusammen: Ein einzelner Vektor ist linear unabhängig genau dann, wenn er nicht der Nullvektor ist. Beispiel 2.34. Wann sind zwei Vektoren v1, v2 ∈ Rn linear abhängig? Laut Definition gilt unter anderem: v1, v2 sind linear abhängig ⇔ v1 ∈ L(v2 ) oder v2 ∈ L(v1 ) ⇔ v1 ∈ {t · v2 | t ∈ R} oder v2 ∈ {s · v1 | s ∈ R} ⇔ ∃ t ∈ R : v1 = t · v2 oder v2 = t · v1 . Zwei Vektoren sind also genau dann linear abhängig, wenn einer sich als Vielfaches des anderen schreiben lässt. Ist v1 Vielfaches von v2 , d.h. v1 = t · v2 , dann ist meistens auch v2 Vielfaches von v1 , denn v2 = 1t · v1 . Das funktioniert nur dann nicht, wenn t = 0. Dann ist v1 der Nullvektor und v2 irgendein Vektor. Diese beiden Vektoren sind linear abhängig, v1 ist Vielfaches von v2 , aber v2 ist nicht Vielfaches von v1 (es sei denn, v2 ist ebenfalls der Nullvektor).

2.2. Lineare Unabhängigkeit und Basen

63

Definition 2.35. Sei V ⊂ Rn ein Untervektorraum und seien v1, . . ., vm ∈ V paarweise verschieden. Dann heißt die Menge B = {v1, . . . , vm } dieser Vektoren Basis von V, falls zugleich gilt: 1. v1, . . ., vm sind linear unabhängig. 2. L(v1, . . ., vm ) = V.

Eine Basis von V ist somit ein minimaler Satz von Vektoren, deren lineare Hülle gerade V ergibt. Bemerkung 2.36. Sei B = {v1, . . ., vm } eine Basis von V wie in Definition 2.35. Die zweite Bedingung besagt, dass sich jedes Element v von V als Linearkombination von v1, . . ., vm schreiben lässt, m  v= tj · vj . j=1

Die erste Bedingung sagt nun, dass diese Darstellung von v als Linearkombination von   v1, . . ., vm eindeutig ist. Gilt nämlich v = mj=1 t j · v j und v = mj=1 s j · v j , dann können  wir die beiden Gleichungen von einander subtrahieren und erhalten 0 = mj=1 (t j − s j ) · v j . Die lineare Unabhängigkeit liefert nun für alle j ∈ {1, . . . , m}, dass t j − s j = 0, d.h. t j = s j . Vektoren v1, . . . , vm ∈ V bilden also eine Basis von V genau dann, wenn sich jedes Element von V auf eindeutige Weise als Linearkombination dieser Vektoren schreiben lässt. Wir verwenden die Konvention, dass auch die leere Menge eine Basis ist und zwar eine Basis des Nullvektorraums V = {0}. Man beachte, dass {0} keine Basis ist, da der Nullvektor linear abhängig ist. ⎫ ⎧ ⎧ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ t  1 ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎬ ⎪ ⎨  ⎪ ⎨ ⎪ ⎪ 3 Beispiel 2.37. Für V = 0  t ∈ R ⊂ R ist z.B. B1 = 0 eine Basis, ebenso ⎪ ⎪ ⎪ ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 0 ⎪ 0 ⎪ ⎭ ⎩  ⎩ ⎭ ⎧ ⎪ ⎪ 2 ⎫ ⎪ ⎪ ⎬ ⎨ ⎪ ⎪  B2 = 0 . Überhaupt liefert jede reelle Zahl ungleich 0 in der ersten Komponente eine ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 0 ⎪ ⎩ ⎭ Basis von V. ⎧ ⎪ 0 ⎪ ⎨ ⎪ Beispiel 2.38. Der Untervektorraum V = λ1  ⎪ ⎪ ⎪ λ2 ⎩ 

⎫  ⎪ ⎪  ⎬ ⎪  λ ⊂ R3 , d.h. die x2 -x3 -Ebene, , λ ∈ R  1 2 ⎪  ⎪ ⎪ ⎭

64

2. Matrixrechnung

⎧ ⎧ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 0 ⎫ 0 0 ⎫ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎨ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎨ ⎪ ⎪    besitzt zum Beispiel die Basis X = 1 , 0 . Hingegen ist die Menge Y = 1 keine ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 1 ⎪ ⎪ ⎪ 0 1 ⎪ ⎩ ⎭ ⎩  ⎭ Basis von V, da die zweite definierende Eigenschaft einer Basis nicht erfüllt ist. Genauer gesagt gilt einerseits ⎫ ⎧ ⎪ ⎪ 0  0 ⎪ ⎬ ⎪ ⎨  ⎪



⎪ L 1 = λ · 1  λ ∈ R ⊂ V, ⎪ ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 1 ⎩ 1 ⎭ andererseits ist aber z.B. 0 0



1 ∈ V \ L 1 .   2 1  Beispiel 2.39. Der Anschauungsraum V = R3 besitzt z.B. die Basis ⎧ ⎪ ⎪ 1 0 0 ⎫ ⎪ ⎬ ⎪ ⎨ ⎪ ⎪    B = 0 , 1 , 0 . ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 0 0 1 ⎪ ⎩   ⎭ Diese Menge B wird auch als Standardbasis und die Basisvektoren mit e1, e2, e3 bezeichnet. Beispiel 2.40. Allgemeiner ist die Standardbasis von V = Rn gegeben durch ⎫ ⎧ ⎪ ⎪ 0 ⎪ 1 0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪





⎪ ⎪    . ⎪ ⎪ . 1 0 ⎪ ⎪    . ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎨   ⎪     B = 0 , 0 , . . ., 0 . ⎪ ⎪ ⎪ .  .  ⎪ 0 ⎪ ..  ..  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪   ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 0 0 1 ⎪ ⎭ ⎩   Auch ihre Elemente bezeichnen wir künftig abkürzend mit e1, e2, . . ., en . Beispiel 2.41. V = R2 hat unter anderem die Basen           1 0 1 1 , und B2 = , . B1 = 0 1 −1 1 Das folgende Lemma sagt, dass ein Satz linear unabhängiger Vektoren nicht zu lang sein kann. Lemma 2.42. Seien w1, . . ., wk ∈ Rn und v1, . . . , vm ∈ L(w1, . . . , wk ). Sind v1, . . . , vm linear unabhängig, dann gilt m ≤ k.

2.2. Lineare Unabhängigkeit und Basen

65

Beweis. a) Wir machen zunächst eine Vorüberlegung. Sind die w1, . . ., wk linear abhängig, so können wir nach Lemma 2.31 ein Element entfernen, ohne die lineare Hülle zu ändern. Dies wiederholen wir so oft wie möglich, d.h. wir entfernen nach und nach Elemente aus {w1, . . . , wk } so lange das möglich ist, ohne die lineare Hülle zu ändern. Im letzten Schritt erhalten wir eine linear unabhängige Teilmenge mit derselben linearen Hülle wie {w1, . . ., wk }. Ist k  die Anzahl der Elemente dieser Teilmenge, so gilt sicherlich k  ≤ k. Wenn wir die Aussage des Lemmas für diese linear unabhängige Menge von Vektoren zeigen können, haben wir sie auch für die ursprüngliche Menge, denn dann gilt ja m ≤ k  ≤ k. Aus diesem Grund reicht es, die Aussage nur für den Fall zu beweisen, dass auch die w1, . . . , wk linear unabhängig sind. Man sagt dann, wir können ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass die w1, . . ., wk linear unabhängig sind, was wir für den Rest des Beweises tun. b) Jedes v j lässt sich als Linearkombination der w1, . . ., wk ausdrücken. Es gibt also Zahlen α jl ∈ R, so dass für alle j = 1, . . . , m gilt: vj =

k 

α jl wl .

(2.5)

l=1

Wir untersuchen nun, für welche Zahlen t1, . . ., tm ∈ R die Gleichung m  tjvj = 0

(2.6)

j=1

gilt. Wir setzen (2.5) in (2.6) ein und sehen, dass (2.6) äquivalent ist zu  k  m k m   



tj α jl wl = 0= t j α jl  wl . j=1 l=1 l=1 j=1  Da w1, . . . , wk linear unabhängig sind, ist (2.7) äquivalent dazu, dass m  ∀l = 1, . . ., k : t j α jl = 0.

(2.7)

(2.8)

j=1

Somit gilt (2.5) genau dann, wenn die t j das homogene LGS (2.8) mit k Gleichungen lösen. Wäre nun m > k, dann hätten wir mehr Unbekannte als Gleichungen, also gäbe es gemäß Bemerkung 2.23 eine Lösung (t1, . . . , tm )  0 von (2.6). Dies hieße aber, dass die v1, . . ., vm linear abhängig sind, Widerspruch.  Korollar 2.43. Sind v1, . . ., vm ∈ Rn linear unabhängig, so gilt m ≤ n. Beweis. Dies folgt direkt aus Lemma 2.42, da Rn = L(e1, . . ., en ). Wie verschafft man sich eine Basis eines Untervektorraums V ⊂ Rn ?



66

2. Matrixrechnung

Algorithmus zur Bestimmung einer Basis:

0. Ist V = {0}, so ist ∅ eine Basis und man ist fertig. 1. Ist V  {0}, so wähle v1 ∈ V \ {0} und bilde L(v1 ). Dann ist v1 linear unabhängig und L(v1 ) ⊂ V. Ist L(v1 ) = V, so ist {v1 } eine Basis und das war’s. 2. Ist L(v1 )  V, so wähle v2 ∈ V \L(v1 ) und bilde L(v1, v2 ). Dann sind v1, v2 linear unabhängig und es gilt L(v1, v2 ) ⊂ V. Ist L(v1, v2 ) = V, so ist {v1, v2 } eine Basis und die Suche ist beendet. 3. Ist L(v1, v2 )  V, so wähle v3 ∈ V \ L(v1, v2 ) und bilde L(v1, v2, v3 ). ... Dass wir in jedem Schritt linear unabhängige Vektoren v1, . . ., vk erhalten, liegt an folgendem Sachverhalt, der in Aufgabe 2.6 bewiesen wird: Sind v1, . . ., vk−1 linear unabhängig und gilt vk  L(v1, . . . , vk−1 ), dann sind auch v1, . . ., vk linear unabhängig. Wegen Korollar 2.43 endet das Verfahren spätestens nach dem n-ten Schritt. Etwa im Fall R3 endet der Algorithmus also nach maximal 3 Schritten. Betrachten wir hierzu ein Beispiel und bestimmen wir einmal eine konkrete Basis zu einer vorgegebenen Lösungsmenge eines homogenen LGS, d.h. eines Untervektorraums V ⊂ R3 .   Beispiel 2.44. Wir ermitteln eine Basis von V = x ∈ R3 | x1 + x2 + x3 = 0 . 1

Ist V = {0}? Nein, denn wähle z.B. v1 := −2 ∈ V \ {0}. Dann ist 1 ⎫ ⎧ ⎪ ⎪ 1  ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎨  ⎪  L(v1 ) = t · −2  t ∈ R . ⎪ ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ ⎩ 1 −2

Ist V = L(v1 )? Nein, denn z.B. v2 := 1  löst die Gleichung ebenfalls, d.h. v2 ∈ V, aber v2 ist 1 kein Vielfaches von v1 , also v2 ∈ V \ L(v1 ). Es ist: ⎫ ⎧ ⎫ ⎧ ⎪ ⎪ t − 2s  ⎪ ⎪ −2  1 ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎨

⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎨ ⎪



    L(v1, v2 ) = t · −2 + s · 1   t, s ∈ R = −2t + s  t, s ∈ R . ⎪ ⎪ ⎪  ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ t+s ⎪ ⎪ ⎪ 1 1    ⎭ ⎭ ⎩ ⎩ Sei nun x = (x1, x2, x3 ) ∈ V, d.h. x1 +x2 +x3 = 0. Setzt man t := 13 (x3 −x2 ) und s := 13 (x2 +2x3 ) so stellt man fest, dass t − 2s x

1

x2  = −2t + s .   t + s x 3 

2.2. Lineare Unabhängigkeit und Basen

67

Also ist x ∈ L(v1, v2 ). Dies zeigt, dass V ⊂ L(v1, v2 ). Da die umgekehrte Inklusion sowieso ⎧ ⎪ ⎪ −2 ⎫ 1 ⎪ ⎬ ⎪ ⎨ ⎪ ⎪   gilt, haben wir V = L(v1, v2 ). Somit ist {v1, v2 } = −2 , 1  eine Basis von V . ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 1 ⎩  1 ⎭ Als Folgerung können wir auch festhalten: Korollar 2.45. Jeder Untervektorraum V ⊂ Rn besitzt (mindestens) eine Basis.



Basen gibt es also immer. Ein Untervektorraum des Rn hat allerdings im Allgemeinen sehr viele verschiedene Basen. Immerhin gilt: Satz 2.46. Sei V ⊂ Rn ein Untervektorraum. Sind B und B Basen von V, so haben sie gleich viele Elemente #B = #B . Beweis. Setze m := #B und k := #B. Wenden wir Lemma 2.42 an, wobei die Elemente von B die Rolle der v j und die von B die der wl spielen, so erhalten wir m ≤ k. Indem wir die Rollen von B und B vertauschen, so erhalten wir auch k ≤ m und damit insgesamt m = k.  Definition 2.47. Sei V ⊂ Rn ein Untervektorraum und B eine Basis von V. Dann heißt die Zahl dim(V ) := #B die Dimension von V. Diese Definition ist nur auf Grund von Satz 2.46 sinnvoll. Überlegen wir auch hierzu einige Beispiele. Beispiel 2.48. Für V = Rn hat die Standardbasis B = {e1, . . ., en } die Länge n. Damit besitzen alle Basen von V die Länge n und es gilt: dim(Rn ) = #B = n. Beispiel 2.49. Für den Nullvektorraum V = {0} haben wir ∅ als Basis festgelegt. Somit ist: dim({0}) = #∅ = 0.

68

2. Matrixrechnung

Beispiel 2.50. Im Beispiel (2.44) ermittelten wir für V = Basis der Länge 2. Folglich gilt auch:



 x ∈ R3 | x1 + x2 + x3 = 0 eine

dim(V ) = 2. Beispiel 2.51. Betrachten wir den Untervektorraum: V = {x ∈ Rn | xm+1 = xm+2 = . . . = xn = 0} Dessen Elemente besitzen die Gestalt λ x

.1 .1 .  .  .  .    x m  λ m  =  x =   xm+1  0  .  .  ..  ..    x n  0 mit λ1, . . . , λm ∈ R. Dann bilden die Vektoren e1, . . . , em ∈ V gegeben durch 0 1

.

. . . . .    0  , . . ., 1 ← m-te Komponente 0 ← (m + 1)-te Komponente 0   . . ..  ..    0 0 eine Basis von V. Daher gilt:

dim(V ) = m.

Beispiel 2.52. Für den Spezialfall R3 ergeben die Untervektorräume     bzw. U = x ∈ R3 | x2 = x3 = 0 V = x ∈ R3 | x3 = 0 die räumlichen geometrischen Interpretationen der x1 -x2 -Ebene (im Fall von V ) bzw. der x1 -Achse (im Fall von U). So überrascht es nicht, dass ihre Dimensionen durch dim(V ) = 2

bzw.

dim(U) = 1

gegeben sind. Ein Satz linear unabhängiger Vektoren in einem Untervektorraum lässt sich stets zu einer Basis ergänzen.

2.3. Der Gauß-Algorithmus

69

Satz 2.53 (Basisergänzungssatz). Ist V ⊂ Rn ein Untervektorraum und sind v1, . . ., vm ∈ V linear unabhängig, so gibt es eine Basis B von V mit v1, . . ., vm ∈ B. Beweis. Wir können den Algorithmus zum Auffinden einer Basis von V mit v1, . . . , vm beginnen: Ist L(v1, . . ., vm ) = V, so ist {v1, . . ., vm } eine Basis von V und wir sind fertig. Ist L(v1, . . . , vm )  V, so wähle vm+1 ∈ V \ L(v1, . . ., vm ). Dann sind v1, . . . , vm+1 linear unabhängig und es gilt L(v1, . . ., vm+1 ) ⊂ V. Ist L(v1, . . ., vm+1 ) = V, so ist {v1, . . . , vm+1 } eine Basis von V und wir sind fertig. Falls nicht, wähle vm+2 ∈ V \ L(v1, . . ., vm+1 ) usw. wie im Algorithmus. Wegen Korollar 2.43 endet der Algorithmus spätestens, wenn wir n Vektoren v1, . . ., vn erhalten haben.  Das folgende Korollar besagt, dass größere Räume auch die höhere Dimension haben. Korollar 2.54. Seien U, V ⊂ Rn Untervektorräume. Dann gilt: (i) Ist U ⊂ V, so ist (ii) Ist U ⊂ V und U  V , so ist

dim(U) ≤ dim(V ). dim(U) < dim(V).

Beweis. Beide Aussagen folgen daraus, dass wir eine Basis von U zu einer Basis von V ergänzen können.      Beispiel 2.55. Für U = x ∈ R3 | x1 = 0 und V = x ∈ R3 | x2 = 0 gilt zwar dim(U) = dim(V ) = 2, jedoch ist U  V, da weder U ⊂ V noch V ⊂ U zutrifft. Nachdem wir nun Untervektorräume besser verstehen, erinnern wir uns an den Ausgangspunkt: Untervektorräume interessieren uns als Lösungsmengen linearer Gleichungssysteme. Im folgenden Abschnitt konzentrieren wir uns darauf, LGS in eine optimale Form zu transformieren.

2.3. Der Gauß-Algorithmus Beim Gauß’schen Lösungsalgorithmus für LGS ändern wir das Gleichungssystem durch bestimmte Transformationen ab, ohne dabei die Lösungsmenge zu ändern. Ziel dieser Transformationen ist es, das Gleichungssystem in eine Form zu bringen, bei der man die Lösungsmenge

70

2. Matrixrechnung

direkt ablesen kann. Die folgenden drei Manipulationen an einem LGS ändern die Lösungsmenge nicht: ◦ Multiplikation einer Gleichung mit λ ∈ R \ {0} : Ai1 x1 + . . . + Ain xn = bi λ0

⇔ λ(Ai1 x1 + . . . + Ain xn ) = λbi ⇔ (λAi1 )x1 + . . . + (λAin )xn = λbi ◦ Vertauschen zweier Gleichungen ◦ Addition des Vielfachen einer Gleichung zu einer anderen Gleichung:  Ai1 x1 + . . . + Ain xn = bi A j1 x1 + . . . + A jn xn = b j  Ai1 x1 + . . . + Ain xn = bi ⇔ (A j1 + λAi1 )x1 + . . . + (A jn + λAin )xn = b j + λbi Für ein LGS

⎧ A11 x1 + . . . + A1n xn = b1 ⎪ ⎪ ⎨ ⎪ .. . ⎪ ⎪ ⎪ A x +...+ A x = b mn n m ⎩ m1 1

haben wir die kompakte Matrix-Schreibweise A·x = b kennen gelernt, wobei wir A als Koeffizientenmatrix bezeichnen. Nun lassen sich auch A und b in einer Matrix zusammenfassen. Das Resultat ist die so genannte erweiterte Koeffizientenmatrix von A · x = b, nämlich:

A11 · · · . .. (A, b) := .. . Am1 · · ·

A1n .. . Amn

b1 ..  .  bm 

Definition 2.56. Folgende Transformationen einer Matrix bezeichnet man als elementare Zeilenumformungen: ◦ Multiplikation einer Zeile mit λ ∈ R \ {0}, ◦ Vertauschen zweier Zeilen, ◦ Addition des Vielfachen einer Zeile zu einer anderen Zeile.

2.3. Der Gauß-Algorithmus

71

Bemerkung 2.57. Die Lösungsmenge eines LGS bleibt bei Anwendung elementarer Zeilenumformungen auf die erweiterte Koeffizientenmatrix unverändert. Achtung: Spaltenumformungen (z.B. die Vertauschung zweier Spalten) dagegen ändern die Lösungsmenge im Allgemeinen und sind daher nicht zulässig! Das Wichtige ist nun, dass man elementare Zeilenumformungen nutzen kann, um die Koeffizientenmatrix eines LGS in eine Form zu bringen, bei der man die Lösungsmenge leichter bestimmen kann. Dabei handelt es sich um die so genannte (spezielle) Zeilenstufenform. Definition 2.58. Eine Matrix A ∈ Mat(m × n, R) hat genau dann Zeilenstufenform, wenn für alle i ∈ {2, . . . , m} und alle k ∈ {2, . . ., n} gilt: Sind die ersten (k − 1) Einträge der (i − 1)-ten Zeile = 0, so sind auch die ersten k Einträge der i-ten Zeile = 0. Ferner hat A spezielle Zeilenstufenform, falls zusätzlich für alle i ∈ {1, . . ., m} gilt: Sind Ai1 = Ai2 = . . . = Ai j = 0, und ist Ai j+1  0, so ist Ai j+1 = 1. In anderen Worten: Eine Matrix ist in Zeilenstufenform, wenn jede Zeile mindestens eine führende 0 mehr hat als die darüberliegende (es sei denn die darüberliegende Zeile hat nur Nullen, dann hat auch die nächste nur Nullen). Eine Matrix ist in spezieller Zeilenstufenform, wenn zusätzlich in jeder Zeile der erste von 0 verschiedene Eintrag 1 ist. Einige Beispiele dazu: ◦ Zeilenstufenform: Jede Zeile der Matrix hat mindestens eine führende 0 mehr als die darüber liegende, 1 3 −7 5 1 3 −7 5



d.h. etwa für ∗ ∗ ∗ ∗ wird 0 ∗ ∗ ∗ gefordert. 0 0 ∗ ∗  ∗ ∗ ∗ ∗ 1 3 −7 5 1 3 −7 5



Ebenso o.k. wäre aber z.B. auch 0 0 0 ∗ , nicht aber 0 0 0 ∗ . 0 2 0 0 0 0 0 0

◦ spezielle Zeilenstufenform: 1 3 −7 5 1 3 −7 5



 Hier verschärft sich die Forderung zu 0 1 ∗ ∗ respektive 0 0 0 1 . 0 0 0 0 0 0 1 ∗  

 0 0 0 1 1 2 0 1



0 1 0 Auch besitzt Zeilenstufenform, und 0 0 1 1 sowie 0 0 0 0 sind in spe0 0 5 0 0 0 0 0 0 0 1 zieller Zeilenstufenform.

72

2. Matrixrechnung

Mit Hilfe des folgenden Algorithmus können wir jede beliebige Matrix A ∈ Mat(m × n, R) in spezielle Zeilenstufenform bringen. Algorithmus zur Transformation einer Matrix in spezielle Zeilenstufenform

1. Vertausche die Zeilen so, dass in der ersten Zeile der erste Eintrag  0 nicht weiter rechts steht, als in allen anderen Zeilen. 2. Multipliziere die Zeilen mit geeigneten λ ∈ R \ {0} so, dass in den Zeilen, bei denen der erste Eintrag  0 an der gleichen Stelle wie in der ersten Zeile steht, dieser Eintrag 1 wird. (Dies schließt auch die erste Zeile ein!) 3. Subtrahiere die erste Zeile von allen anderen Zeilen, in denen der erste Eintrag  0 an derselben Stelle steht wie in der 1. Zeile. 4. Die erste Zeile wird von jetzt an nicht mehr verändert. Wir starten den Algorithmus neu mit Schritt 1., angewandt auf diejenige Teilmatrix, die durch Streichung der ersten Zeile entsteht.

Beispiel 2.59. Wir führen den Algorithmus einmal an der Matrix 0 1 1

5 10 −20  2 8 4  durch und symbolisieren dabei die Transformationsschritte mit dem Pfeil „“: 0 1

5 10 2 8 1 2 3.

 0 1 0 2

1 5 10 −20 1 2 −4 1

1.

2.

2.

−20  0 1 1   0 1 1   0 4  4  2 8 2 8 4  1 −4 1 2 −4 1 2 −4 1

4./2.

4./3.

4./2.

   1   0 1 1   0 1 1   0 6 0 1 3  0 0 2  0

2 −4

1 1  4 2 2 −4

1 1  . 0 1

Nach so viel Matrixumgestaltung wollen wir nun endlich sehen, wie uns die Überführung von Matrizen in Zeilenstufenform bei der Lösung von LGS hilft und welche Rolle sie letztlich für den Gauß-Algorithmus spielt. Es fehlt uns noch eine effektive Entscheidungshilfe, wann ein inhomogenes LGS A · x = b überhaupt lösbar ist: Bemerkung 2.60. Ist (A, b) die erweiterte Koeffizientenmatrix eines LGS, und ist (A, b) in Zeilenstufenform, so gilt genau dann Lös(A, b) = ∅, wenn es eine Zeile (sagen wir, die i-te) gibt, in der alle Einträge von A nur aus Nullen bestehen, aber die rechte Seite bi  0 ist.

2.3. Der Gauß-Algorithmus

73

Denn dann lautet die i-te Gleichung 0 · x1 + 0 · x2 + . . . + 0 · xn = bi . Diese Gleichung (und damit das gesamte LGS) besitzt keine Lösung, da die linke Seite 0 wäre, die rechte aber  0. Bestehen dagegen alle Zeilen von A nur dann aus Nullen, wenn auch die entsprechende Komponente der rechten Seite bi = 0 ist, dann finden wir Lösungen und die Lösungsmenge lässt sich durch sukzessives Lösen der einzelnen Gleichungen von unten nach oben ermitteln. Am besten, wir sehen uns die beiden Fälle einmal im Beispiel an: Beispiel 2.61. Wir betrachten einerseits die erweiterte Koeffizientenmatrix von 4 1 2 4 x1

0 0 1 x2  = 5 ,    0 0 0  x3  1 d.h. 1 2 4 4

(A, b) = 0 0 1 5 . 0 0 0 1 Aus der letzten Zeile der Matrix wird unmittelbar ersichtlich, dass A · x = b nicht lösbar ist, d.h. Lös(A, b) = ∅. Beispiel 2.62. Nun wandeln wir das Gleichungssystem ab, indem wir die 1 auf der rechten Seite durch 0 ersetzen, 1 2 4 x1 4



0 0 1 x2  = 5 .    0 0 0  x3  0 In diesem Fall erhalten wir 1 2 4 4

(A, b) = 0 0 1 5 . 0 0 0 0 Sukzessives Auflösen von unten nach oben liefert:   Lös(A, b) = x ∈ R3 | 1 · x1 + 2 · x2 + 4 · x3 = 4 ∧ 1 · x3 = 5   = x ∈ R3 | x3 = 5 ∧ x1 + 2x2 + 4 · 5 = 4   = x ∈ R3 | x3 = 5 ∧ x1 = −2x2 − 16 ∧ x2 ∈ R beliebig ⎫ ⎧ ⎪ ⎪ −2x2 − 16  ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎨



 3   ∈ R . x ∈ R beliebig = x2 2   ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 5  ⎭ ⎩ Für die konkrete Ermittlung der Lösungsmenge lohnt sich offenbar die Überführung der erweiterten Koeffizientenmatrix eines LGS in Zeilenstufenform. Die Lösungen lassen sich dann, wie gesehen, nach und nach durch „Rückwärtseinsetzen“ ermitteln. Fassen wir die bisherigen Ergebnisse dieses Abschnitts zusammen und formulieren den

74

2. Matrixrechnung

Gauß-Algorithmus zum Lösen linearer Gleichungssysteme.

b ∈ Rm gegeben. Gesucht sind alle x ∈ Rn, für die A · x = b gilt.

Seien A ∈ Mat(m ×n, R) und

1. Stelle die erweiterte Koeffizientenmatrix (A, b) auf. ˜ so, dass ( A, ˜ Zeilenstu˜ b) ˜ b) 2. Überführe (A, b) durch elementare Zeilenumformungen in ( A, fenform besitzt.3 ˜ = ∅ gilt. ˜ b) 3. Prüfe, ob Lös( A, ˜  ∅, so löse Ax ˜ b) ˜ = b˜ durch sukzessives Lösen der einzelnen Gleichun4. Ist dagegen Lös( A, gen von unten nach oben. Manchmal interessiert man sich nur für die Lösbarkeit eines inhomogenen LGS und nicht für die Lösungsmenge selbst. Ein passendes Hilfsmittels hierfür ist der so genannte Rang einer Matrix. Definition 2.63. Für

A11 · · · A 21 A= . .. Am1 · · ·

A1i A2i .. .

···

Ami · · ·

A1n A2n  ..  .  Amn 

und i ∈ {1, . . . , n} heißt

A1i A  2i  ai := .  ∈ Rm ..   Ami  i-ter Spaltenvektor von A. Damit setzt sich A aus den Spaltenvektoren a1, . . . , an zusammen. Bemerkung 2.64. Häufig ist es nützlich, den i-ten Spaltenvektor ai wie folgt auszudrücken. Durch Einsetzen sieht man direkt, dass für jedes i ∈ {1, . . ., n} gilt A · ei = ai, wobei ei der uns bekannte i-te Einheitsvektor aus der Standardbasis von Rn ist.

˜ gilt. ˜ b) 3Wir wissen, dass dann Lös(A, b) = Lös( A,

2.3. Der Gauß-Algorithmus

75

Definition 2.65. Für A ∈ Mat(m × n, R) heißt rg(A) := maximale Anzahl linear unabhängiger Spaltenvektoren von A = dim(L(a1, . . ., an )) der Rang (bzw. Spaltenrang) von A. Beispiel 2.66. Es gilt 0 1 0

rg 1 0 0 = 3 1 1 1 und

1 0 1 −1

rg 1 1 2 0  = 2. 0 1 1 1 

Wie angekündigt, folgt nun die Charakterisierung der Lösbarkeit eines (inhomogenen) LGS durch den Rangbegriff: Satz 2.67. Sei A ∈ Mat(m × n, R) mit den Spalten a1, . . ., an und sei b ∈ Rm . Dann gilt: (i) Lös(A, b)  ∅ ⇔ b ∈ L(a1, . . ., an ) ⇔ rg(A, b) = rg(A). (ii) Lös(A, b) = ∅ ⇔ b  L(a1, . . ., an ) ⇔ rg(A, b) = rg(A) + 1.

Beweis. Da die Hinzunahme einer Spalte den Rang höchstens um eins erhöhen kann, gilt entweder rg(A, b) = rg(A) oder rg(A, b) = rg(A) + 1. Der Satz ergibt sich aus folgenden Äquivalenzen, wobei wir beim zweiten „⇔“ Korollar 2.54 (ii) benutzen:

⇔ ⇔ ⇔ ⇔ ⇔

rg(A, b) = rg(A) dim(L(a1, . . ., an, b)) = dim(L(a1, . . . , an )) L(a1, . . ., an, b) = L(a1, . . ., an ) b ∈ L(a1, . . ., an ) ∃t1, . . ., tn ∈ R : t1 a1 + . . . + tn an = b ∃t1, . . ., tn ∈ R :

t 1 . A · ..  = b  t n 

76

2. Matrixrechnung



Lös(A, b)  ∅.



Beschließen wir diesen Abschnitt mit einem Beispiel, in dem der Gauß-Algorithmus verwendet wird, um eine Basis des Lösungsraumes eines homogenen LGS zu bestimmen. Beispiel 2.68. Die TNT-Reaktionsgleichung (2.2) führte uns auf das homogene LGS A · x = 0 der konkreten Gestalt:

7 8 0 0

0 1 1 3

−7 0 x1 0 −5 −2 x2  0   = . −3 0  x3  0 −6 −1 x4  0

Bekanntlich ist Lös(A, 0) ein Untervektorraum von R4 . Wir ermitteln eine Basis von Lös(A, 0). ˜ denn Lös(A, 0) = Mit dem Gauß-Algorithmus überführen wir dazu A in Zeilenstufenform A, ˜ 0). Es gilt: Lös( A, −7 0

1 8  −5 −2 A =  0  −3 0  −6 −1 0

1 0 −1 0

1 0 1 3 − 1  4   0  8 8  0 1 −3 0  0  0 3 −6 −1  0

1 0 −1 0

1 0 1 3 −2  0    0 0 −6 2  0  1 0 1 −2 − 3 0

7 8 0 0

1 0  0 0

0 1 1 3

0 −1 0

1 0 1 3 −2    0 0 1 − 13  1 0 1 −3 0

0 1 1 3 0 1 1 3

−1 0

1 1  −5 −2  0  −3 0  −6 −1 0 −1 0

1 0  3 −2   0 −3 0  −6 −1 0

0 −1 0

1 0 1 3 −2  0 0 −6 2  5 0 −5 3  0 0 −1 0 1 3 −2  ˜  =: A. 0 1 − 13  0 0 0

0 −1 0 5 1 1 8 −8 −4  1 −3 0  3 −6 −1  0 −1 0 1 3 −2  0 −6 2  3 −6 −1 0 −1 0 1 3 −2   0 1 − 13  0 −5 53 

Beginnend bei der untersten Zeile von A˜ lösen wir das LGS nun sukzessive auf und bekommen: ˜ 0) Lös(A, 0) = Lös( A,

2.3. Der Gauß-Algorithmus

77

⎧ ⎪ ⎪ ⎪

x1  ⎪ x1 − x3 = 0 ⎪  ⎨ x2  ⎪ 4 =  ∈ R  x2 + 3x3 − 2x4 = 0 x3  ⎪  ⎪ ⎪ x3 − 13 x4 = 0 ⎪  ⎪ ⎪ x4 ⎩  ⎧ ⎪ ⎪ x1 ⎪  ⎪ x1 − x3 = 0 ⎪  ⎨ x2  ⎪ 4 =  ∈ R  x2 + 3x3 − 2x4 = 0 ⎪ x3   ⎪ ⎪  x4 = 3x3 ⎪ ⎪ ⎪ x4 ⎩  ⎧ ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪

x1  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪   ⎨ x2  ⎪ ⎬ ⎪ x − x = 0 1 3 4 = ∈R  ⎪ x3   x2 = 3x3 ⎪ ⎪ ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 3x3 ⎪ ⎩  ⎭ ⎧ ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪

x1  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪  ⎨ 3x3  ⎪ ⎬ ⎪ 4 =  ∈ R  x1 = x3 x3  ⎪ ⎪  ⎪ ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 3x3 ⎪ ⎩  ⎭ ⎧ ⎫ ⎪ x3 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪

 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪  ⎨ 3x3  ⎪ ⎬ ⎪  4 =  ∈ R  x3 ∈ R ⎪ ⎪   ⎪ ⎪ ⎪ x3  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 3x3 ⎪  ⎩ ⎭ ⎧ ⎫ ⎪ ⎪ 1 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪

 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 3  ⎨ ⎪ ⎬ ⎪   4 = x3 ·  ∈ R  x3 ∈ R ⎪ ⎪ 1  ⎪ ⎪  ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 3  ⎩ ⎭ 1



3  = L  . 1  3

⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭

Da (1, 3, 1, 3) nicht der Nullvektor ist, ist er linear unabhängig. Also ist X = {(1, 3, 1, 3) } eine Basis von Lös(A, 0).

78

2. Matrixrechnung

2.4. Geometrie der Ebene, Teil 1 Bislang haben wir algebraische Probleme untersucht, nämlich das Lösen von Gleichungssystemen. Nun wenden wir uns erstmals der Geometrie zu. Lineare Algebra und analytische Geometrie ergänzen sich auf ideale Weise. Zum einen sind algebraische Hilfsmittel wie Vektoren und Matrizen sehr nützlich für die Geometrie, z.B. um einfache Beweise für geometrische Sätze zu finden, zum anderen liefert die Geometrie auch bei rein algebraischen Fragestellungen oft eine anschauliche Interpretation, die dem Verständnis sehr zugute kommt. Als mathematisches Modell für die Ebene verwenden wir R2 und fassen die Ebene als ein unbegrenzt ausgedehntes, flaches, zweidimensionales Objekt auf. Dies bedeutet, dass wir die Ebene koordinatisieren, d.h. wir identifizieren Punkte der Ebene anhand zwei reeller Zahlen, ihren Koordinaten. Die Vorgehensweise, Vektorrechnung für geometrische Überlegungen zu nutzen und Koordinaten in der Ebene einzuführen, geht auf den französischen Philosoph René Descartes zurück. Man spricht daher auch von kartesischen Koordinaten, die gerade die beiden Komponenten des entsprechenden Vektors in R2 sind. In Schulbüchern finden sich oft Schreibweisen wie P(0|1) für einen Punkt P, der die Koordinaten 0 und 1 hat. Wir verwenden diese Notation nicht und machen auch keinen Unterschied zwischen einem Punkt der Ebene und seinem Ortsvektor. Wollen wir dem   Punkt mit den Koordinaten 0 und 1 den Namen P 0 geben, so schreiben wir einfach P := . 1 Nach den Punkten sind die Geraden die einfachsten geometrischen Objekte in der Ebene. Definition 2.69. Eine Gerade in der Ebene ist eine Menge der Form G a,v = {a + t · v | t ∈ R} ⊂ R2 . Hierbei ist a ∈ R2 ein Aufpunkt und v ∈ R2 \ {0} ein Richtungsvektor der Geraden. x2

a x1 v

G a,v

Abb. 28 Gerade

Wäre v = 0 zugelassen, so führte das zu einer Menge G a,0 = {a} , welche offenbar nur einen Punkt enthält - nicht gerade das, was wir uns unter einer Gerade vorstellen. Daher verlangen wir in der Definition, dass v  0. An den Aufpunkt gibt es keine Einschränkung.

2.4. Geometrie der Ebene, Teil 1

79

Wir zeigen nun, dass der Aufpunkt einer Geraden gegen jeden beliebigen Punkt der Gerade austauschbar ist. Lemma 2.70. Ist G a,v ⊂ R2 eine Gerade und p ∈ G a,v, so gilt: G a,v = G p,v .

Beweis. Zu „G a,v ⊃ G p,v “: Sei q ∈ G p,v gegeben. Wir müssen zeigen, dass nun auch q ∈ G a,v zutrifft. Wegen p ∈ G a,v gibt es ein t0 ∈ R, so dass p = a + t0 · v (2.9) gilt. Da ferner q ∈ G p,v gilt, gibt es ein t1 ∈ R, so dass q = p + t1 · v gilt und wir (2.9) einsetzen können: q = p + t1 · v = a + t0 · v + t1 · v = a + (t0 + t1 ) · v ∈ G a,v . Zu „G a,v ⊂ G p,v “: Sei x ∈ G a,v . Wir zeigen, dass auch x ∈ G p,v gilt. Zunächst existiert wegen p ∈ G a,v ein t0 ∈ R, so dass p = a + t0 · v (2.10) gilt. Wegen x ∈ G a,v gibt es ein t2 ∈ R, so dass x = a + t2 · v gilt. Umstellen von (2.10) nach a und Einsetzen führt schließlich auf: x = a + t2 · v = p − t0 · v + t2 · v = p + (t2 − t0 ) · v ∈ G p,v .



Wir beweisen nun, dass der Richtungsvektor aus zwei verschiedenen Punkten der Gerade gebildet werden kann. Insbesondere legen somit zwei verschiedene Punkte eine Gerade eindeutig fest. Lemma 2.71. Ist G ⊂ R2 eine Gerade und sind a, b ∈ G mit a  b, so gilt: G = Ga,b−a .

80

2. Matrixrechnung

Beweis. Laut Definition gibt es für die Gerade G einen Aufpunkt p ∈ R2 und einen Richtungsvektor v ∈ R2 \ {0} , so dass G = G p,v gilt. Wegen Lemma 2.70 können wir p durch a ersetzen, d.h. es gilt auch G = G a,v . Ist nun b ∈ G a,v ein weiterer Punkt der Gerade, dann existiert ein t0 ∈ R, so dass b = a + t0 · v

(2.11)

und wegen a  b insbesondere t0  0 gilt. Nach diesen Vorüberlegungen zeigen wir G a,v = G a,b−a . Zu „G a,v ⊂ G a,b−a “: Zu x ∈ G a,v existiert ein t1 ∈ R, so dass x = a + t1 · v gilt. Da t0  0 ist, kann die Gleichung (2.11) nach v umgestellt und das Resultat v=

1 · (b − a) t0

eingesetzt werden: x = a + t1 · v = a + t1 ·

1 t1 · (b − a) = a + · (b − a) ∈ G a,b−a . t0 t0

Zu „G a,v ⊃ G a,b−a “: Umgekehrt zieht y ∈ G a,b−a die Existenz eines t2 ∈ R nach sich, so dass y = a + t2 · (b − a) gilt. Auch lässt sich die Gleichung (2.11) nach b − a = t0 · v überführen und damit ist: y = a + t2 · (b − a) = a + t2 · t0 · v = a + (t2 t0 ) · v ∈ G a,v .



Wir gehen nun der Frage nach, wie man eigentlich Abstände in der Ebene misst. Wie kann die Länge eines Vektors berechnet werden? Ein wichtigstes Hilfsmittel hierfür und für Winkelberechnungen liefert

2.4. Geometrie der Ebene, Teil 1

81

    y1 x1 ,y = ∈ R2 heißt Definition 2.72. Für x = x2 y2 x, y := x1 · y1 + x2 · y2 Skalarprodukt der Vektoren x und y. Bemerkung 2.73. Offenbar ist das Skalarprodukt eine Abbildung: ·, · : R2 × R2 → R Dabei gelten für alle x, x , y ∈ R2 und alle t ∈ R folgende Rechenregeln: (i) x + x , y = x, y + x , y, (ii) t · x, y = t · x, y, (iii) x, y = y, x, (iv) x, x ≥ 0, (v) x, x = 0 ⇔ x = 0. Definition 2.74. Zu x ∈ R2 heißt  x :=



x, x =



x12 + x22

die Norm von x.

x2

x  x x1 Abb. 29 Norm

Die Norm eines Vektors ist eine andere Bezeichnung für seine Länge. Aus den Rechenregeln (iv) und (v) für das Skalarprodukt ergibt sich für die Norm weiterhin  x ≥ 0 und  x = 0 ⇔ x = 0

82

2. Matrixrechnung

für alle x ∈ R2 . Aus den Rechenregeln (ii) und (iii) finden wir für alle x ∈ R2 und jedes t ∈ R :  t · x = t · x, t · x  = t · x, t · x  = t · t · x, x  = t 2 · x, x   = t 2 · x, x = |t | ·  x . Der noch ausstehende, allgemeine Abstandsbegriff erfordert nun zunächst einen kleinen Abstecher in die Analysis: Definition 2.75. Sei I ⊂ R. Eine Abbildung f : I → R heißt monoton wachsend, falls für alle t1, t2 ∈ I gilt: t1 ≤ t2 ⇒ f (t1 ) ≤ f (t2 ) So ist etwa die Funktion f : R → R, x → x, monoton wachsend, während g : R → R, x → x 2 , nicht monoton wachsend ist, da z.B. für −2 ≤ 0 gilt g(−2) = 4 > 0 = g(0). Schränken wir g auf I := R+ := {t ∈ R | t > 0} ein, so ist diese √ Einschränkung monoton wachsend. Ferner ist + + auch h : R0 := {t ∈ R | t ≥ 0} → R0 , x → x, monoton wachsend. Diese Eigenschaft wird sich im Beweis des folgenden Satzes und dessen Folgerung als hilfreich erweisen. Satz 2.76 (Cauchy-Schwarz-Ungleichung). Für alle x, y ∈ R2 gilt: |x, y| ≤  x · y .     y1 x1 und y = und berechnen die Differenz der Quadrate Beweis. Wir schreiben x = x2 y2 beider Seiten. Es gilt: ( x ·  y)2 − (|x, y|)2 =  x 2 ·  y 2 − x, y 2  2  = x, x · y, y

2

− x, y 2

= x, x · y, y − x, y 2 = (x12 + x22 ) · (y12 + y22 ) − (x1 y1 + x2 y2 )2  = x12 y12 + x12 y22 + x22 y12 + x22 y22 − x12 y12 + 2x1 x2 y1 y2 + x22 y22 = x12 y22 − 2x1 y1 x2 y2 + x22 y12

2.4. Geometrie der Ebene, Teil 1

83

= (x1 y2 − x2 y1 )2 ≥ 0. Insgesamt haben wir also ( x ·  y)2 ≥ (|x, y|)2 . Aufgrund der Monotonie der Wurzelfunktion bleibt die Ungleichung erhalten, wenn man auf beiden Seiten die Wurzel zieht. Dies liefert  x ·  y ≥ |x, y| . 

Korollar 2.77 (Dreiecksungleichung für ·). Für alle x, y ∈ R2 gilt: x + y ≤  x +  y

Beweis. Wir berechnen:  x + y 2 =



x + y, x + y

2

= x + y, x + y = x, x + y + y, x + y = x + y, x + x + y, y = x, x + y, x + x, y + y, y = x, x + 2 x, y + y, y =  x 2 + 2 x, y + y 2 CSU

≤  x 2 + 2 x  y + y 2

= (x +  y)2 . Dabei steht CSU nicht etwa für eine bekannte politische Partei, sondern für die CauchySchwarz-Ungleichung. Wieder führt das Anwenden der Wurzelfunktion auf beiden Seiten zum gewünschten Resultat. 

Anhand folgender Abbildung erklären wir, weshalb die eben bewiesene Ungleichung den Namen „Dreiecksungleichung“ trägt:

84

2. Matrixrechnung

x2

x+y

x

y

x1

Abb. 30 Dreiecksungleichung

Offenbar ist der direkte Weg x + y stets höchstens so lang, wie der „Umweg“  x + y . Passend angeordnet, bilden x, y und x + y ein Dreieck, welches nur dann konstruierbar ist, wenn zwei Seiten zusammen mindestens so lang sind, wie die dritte Seite. Nun können wir sinnvoll den Abstandsbegriff zweier Punkte in der Ebene definieren: Definition 2.78. Zu x, y ∈ R2 heißt d(x, y) :=  x − y euklidischer Abstand von x und y.

Die Norm eines Vektors ist also nichts anderes als der euklidische Abstand vom Nullvektor,

 x =  x − 0 = d(x, 0). Bemerkung 2.79. Sind x, y ∈ R2 , so gilt d(x, y) = d(y, x), denn

d(x, y) =  x − y = (−1) · (y − x) = |−1| ·  y − x = y − x = d(y, x). Nicht nur für die Norm, auch für den euklidischen Abstand gibt es eine Dreiecksungleichung: Korollar 2.80 (Dreiecksungleichung für d). Sind x, y, z ∈ R2, so gilt: d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z).

2.4. Geometrie der Ebene, Teil 1

85

x2 z x y x1 Abb. 31 Dreiecksungleichung

Beweis. Wir beginnen mit der linken Seite und rechnen los: d(x, z) = x − z = x − y + y − z = (x − y) + (y − z) Kor. 2.77

≤  x − y +  y − z = d(x, y) + d(y, z).



Lemma 2.81 (Mittelpunkts-Lemma). Sei G ⊂ R2 eine Gerade und a, b ∈ G, a  b. Dann existiert genau ein Punkt c ∈ G, so dass gilt: d(a, c) = d(b, c) Für diesen Punkt c gilt ferner: 1 c = (a + b) 2

und

1 d(a, c) = d(b, c) = d(a, b) 2

b c a Abb. 32 Mittelpunkt

Beweis. Nach Lemma 2.71 wissen wir, dass G durch die auf ihr befindlichen Punkte a  b eindeutig festgelegt ist, d.h. es gilt: G = G a,b−a = {a + t · (b − a) | t ∈ R} . Sei nun q = a + t0 · (b − a) ∈ G für ein bestimmtes t0 ∈ R. Dann gilt d(a, q) = a − q

86

2. Matrixrechnung

= a − (a + t0 · (b − a)) = (−t0 ) · (b − a) = |t0 | · b − a und analog d(b, q) = = = = =

b − q b − (a + t0 · (b − a)) b − a − t0 · b + t0 · a (1 − t0 ) · (b − a) |1 − t0 | · b − a .

Damit erhalten wir ein Kriterium dafür, dass q von a und b denselben Abstand hat: d(a, q) = d(b, q) ⇔ |t0 | · b − a = |1 − t0 | · b − a ab

⇔ |t0 | = |1 − t0 | ⇔ t02 = (1 − t0 )2 ⇔ t02 = 1 − 2t0 + t02 1 ⇔ t0 = . 2

Damit ist

1 1 1 1 c := a + (b − a) = a + b − a = (a + b) 2 2 2 2 der einzige Punkt auf G, der von a und b denselben Abstand hat. Dieser Abstand berechnet sich dann zu d(b, c) = d(a, c)  = d a, 12 (a + b) ! ! = !a − 12 (a + b)! ! ! = !a − 12 a − 12 b! ! ! = ! 1 (a − b)! = =

2 1 2 a − b 1 2 d(a, b).

Definition 2.82. Der Punkt 12 (a + b) heißt Mittelpunkt von a und b. Diese Definition ist auch im Fall a = b zulässig.



2.4. Geometrie der Ebene, Teil 1

87

Definition 2.83. Zwei Geraden G a,v und G b,w heißen genau dann parallel, wenn ihre Richtungsvektoren v, w linear abhängig sind. x2 a b x1

w v G a,v

G b,w

Abb. 33 Parallele Geraden

Bemerkung 2.84. Für parallele Geraden G a,v und G b,w gilt: G b,w = G b,v und G a,v = G a,w, denn, da v und w linear abhängig sind, gilt w = αv für ein geeignetes α ∈ R \ {0} und somit: G b,w = {b + tw | t ∈ R} = {b + t(αv) | t ∈ R} = {b + (tα)v) | t ∈ R} = {b + t v | t  ∈ R} = G b,v . Mit G a,v = G a,w verfährt man analog. Das folgende Lemma ist charakteristisch für die zweidimensionale Geometrie. In höheren Dimensionen wird dies nicht mehr richtig sein. Lemma 2.85. Zwei Geraden G und G in der Ebene sind genau dann parallel, wenn entweder G = G oder G ∩ G = ∅ gilt. Beweis. a) Seien G und G parallel. Wir zeigen, dass dann G = G oder G ∩ G = ∅ gilt. Nehmen wir also an, dass G ∩ G  ∅, denn sonst sind wir schon fertig. Dann gibt es ein a ∈ G ∩ G. Wegen Lemma 2.70 können wir dann G = G a,v und G = G a,w für bestimmte v, w, ∈ R2 \ {0} schreiben. Da G und G parallel sind, gilt wegen Bemerkung 2.84: G a,w = G a,v,

88

2. Matrixrechnung

d.h.

G = G .

b) Sei nun umgekehrt G = G oder G ∩ G = ∅. Wir zeigen, dass dann G und G parallel sind. Falls G = G gilt, so ist dies klar. Sei also G ∩ G = ∅. Untersuchen wir, was diese Bedingung bedeutet. Ein Punkt x in G ∩ G lässt sich sowohl in der Form x = a + t1 v als auch in der Form x = b + t2 w schreiben, wobei wir G = G a,v und G = G b,w geschrieben haben. Also gilt G ∩ G  ∅ ⇔ ∃t1, t2 ∈ R : a + t1 v = b + t2 w   t1 ⇔ ∃t1, t2 ∈ R : (v, w) · = b−a −t2 ⇔ Lös((v, w), a − b)  ∅ 

Da wir G∩G = ∅ vorausgesetzt hatten, heißt das also Lös((v, w), a−b) = ∅. Somit ist rg(v, w) < rg(v, w, a − b). Wegen v, w, a − b ∈ R2 ist aufgrund von Korollar 2.43 rg(v, w, a − b) ≤ 2 und somit rg(v, w) ≤ 1. Also sind v und w linear abhängig und somit G und G parallel.  In höheren Dimensionen gibt es „windschiefe“ Geraden, d.h. solche, die sich nicht schneiden und trotzdem nicht parallel sind. Definition 2.86. Ein Parallelogramm ist ein 4-Tupel (a, b, c, d) von paarweise verschiedenen Punkten a, b, c, d ∈ R2, so dass G a,b−a parallel zu G c,d−c ist und G a,c−a parallel zu G b,d−b . Ferner heißt ein Parallelogramm (a, b, c, d) nicht entartet, falls keine drei Punkte auf einer Geraden liegen. G a,c−a G c,d−c

G a,b−a

G b,d−b

c

d

a

b

Abb. 34 Parallelogramm

Indem wir verlangen, dass ein Parallelogramm nicht entartet sein soll, schließt es stets eine Fläche ein. Etwa für a = b und c = d ist dies nicht der Fall. Als entartet sehen wir insbesondere den Fall an, bei dem alle vier Punkte auf einer Geraden liegen: a

c

b

d

Abb. 35 Entartetes Parallelogramm

2.4. Geometrie der Ebene, Teil 1

89

Bemerkung 2.87. Ist (a, b, c, d) ein nicht entartetes Parallelogramm, so sind die Geraden Ga,b−a, G c,d−c, G a,c−a, G b,d−b paarweise verschieden und b − a, c − a sind linear unabhängig. 

Beweis. Den Nachweis hierfür genehmigen wir uns als Übungsaufgabe 2.11. Lemma 2.88. Ist (a, b, c, d) ein nicht entartetes Parallelogramm, so gilt: c−a = d−b

und

b − a = d − c.

Beweis. Betrachten wir hierfür die parallelen Geraden G a,c−a und G b,d−b . Dann gilt c − a = λ(d − b)

(2.12)

für ein λ ∈ R. Derselbe Ansatz für die Parallelen G a,b−a und G c,d−c liefert b − a = μ(d − c)

(2.13)

für ein μ ∈ R. Nun zeigen wir λ = μ = 1. Wir subtrahieren Gleichung (2.13) von (2.12) und erhalten: ⇒ ⇒ ⇒

c − b =λ(d − b) − μ(d − c) c − d + d − b=λ(d − b) − μ(d − c) − (d − c) + (d − b) =λ(d − b) − μ(d − c) (μ − 1)(d − c) + (1 − λ)(d − b) =0

Da das Parallelogramm nicht entartet ist, sind die Vektoren d − c und d − b linear unabhängig. Somit gibt es nur die triviale Linearkombination des Nullvektors und es folgt μ − 1 = 0 sowie 1 − λ = 0, also insgesamt μ = λ = 1.  Zwei interessante Strecken in einem Parallelogramm sind die Diagonalen. Für sie gilt der Satz 2.89 (Diagonalensatz). In einem nicht entarteten Parallelogramm halbieren sich die Diagonalen gegenseitig. d

c

a

b Abb. 36 Diagonalensatz

90

2. Matrixrechnung

Beweis. Gemäß Lemma 2.81 ist 12 (a + d) der Mittelpunkt der Diagonalen durch a und d sowie 21 (b + c) der Mittelpunkt der Diagonalen durch b und c. Wir zeigen nun die Gleichheit 1 1 2 (a + d) = 2 (b + c) mittels direkter Rechnung. Dazu subtrahieren wir die rechte Seite von der linken und erhalten den Nullvektor als Ergebnis: 1 1 1 1 Lemma 2.88 = 0. (a + d) − (b + c) = (a + d − b − c) = (−(c − a) + (d − b)) 2 2 2 2



Man beachte, dass der Diagonalensatz für allgemeine Vierecke falsch ist, wie folgende Abbildung illustriert: d c

a b Abb. 37 Diagonalensatz scheitert

Nachfolgend sparen wir eine Ecke ein und wenden uns Dreiecken zu. Definition 2.90. Ein Dreieck ist ein Tripel (a, b, c) von Punkten a, b, c ∈ R2 . Ein Dreieck (a, b, c) heißt nicht entartet, falls a, b, c nicht auf einer Geraden liegen. Im Zusammenhang mit Dreiecken gibt es eine Fülle interessanter Geraden bzw. Strecken, etwa Seiten- und Winkelhalbierende, Mittelsenkrechte und Höhen. Definition 2.91. Sei (a, b, c) ein nicht entartetes Dreieck. Eine Seitenhalbierende ist eine Gerade durch eine der Ecken a, b, c des Dreiecks und den Mittelpunkt der gegenüberliegenden Seite. Damit haben wir die:

"  # ◦ Seitenhalbierende durch a und 12 (b + c) : G a, 1 (b+c)−a = a + t 12 (b + c) − a | t ∈ R 2

"  # ◦ Seitenhalbierende durch b und 21 (a + c) : G b, 1 (a+c)−b = b + t 12 (a + c) − b | t ∈ R 2

"  # ◦ Seitenhalbierende durch c und 12 (a + b) : G c, 1 (a+b)−c = c + t 12 (a + b) − c | t ∈ R 2

2.4. Geometrie der Ebene, Teil 1

91

Bemerkenswerterweise treffen sich die drei Seitenhalbierenden in einem Punkt: Satz 2.92 (Schwerpunktsatz). In jedem nicht entarteten Dreieck (a, b, c) schneiden sich die drei Seitenhalbierenden im Punkt 13 (a + b + c).

G b, 1 (a+c)−b 2

b

1 3 (a

G a, 1 (b+c)−a 2

+ b + c)

G c, 1 (a+b)−c 2

c

a Abb. 38 Seitenhalbierende

Beweis. Wir zeigen, dass 13 (a + b + c) auf allen Seitenhalbierenden liegt. "  # Für G a, 1 (b+c)−a = a + t 12 (b + c) − a | t ∈ R wählen wir t = 23 und berechnen: 2

a+

Also liegt 1 3

1 3

2 3



1 2 (b +

c) − a = a + 13 (b + c) − 23 a =

1 3

(a + b + c) .

(a + b + c) auf der Seitenhalbierenden G a, 1 (b+c)−a . Analog sieht man, dass 2

(a + b + c) auch auf den anderen beiden Seitenhalbierenden liegt.



Definition 2.93. Der Punkt 13 (a + b + c) heißt Schwerpunkt des Dreiecks (a, b, c).

Tatsächlich entspricht dieser Schwerpunkt auch dem physikalischen Schwerpunkt des Dreiecks. Bemerkung 2.94. Die Seitenhalbierenden dritteln sich, d.h. sie teilen sich im Verhältnis 2 : 1. Genauer: Der Schwerpunkt liegt von jeder Ecke doppelt so weit entfernt wie vom Mittelpunkt der gegenüberliegenden Seite. In Formeln:   d a, 31 (a + b + c) = 2 · d 12 (b + c), 13 (a + b + c) .

92

2. Matrixrechnung

b 1 2

c

a Abb. 39 Seitenhalbierende dritteln sich

Wir rechnen dies leicht nach. Zum einen gilt  ! ! d a, 13 (a + b + c) = !a − 13 (a + b + c)! ! ! = ! 23 a − 13 b − 13 c! = und zum anderen

 d

1 2 (b

1 3

2a − b − c

! ! + c), 13 (a + b + c) = ! 12 (b + c) − 13 (a + b + c)! ! ! = ! 12 b + 12 c − 13 a − 13 b − 13 c! ! ! = !− 13 a + 16 b + 16 c! ! ! ! ! = ! − 16 (2a − b − c)! =

1 6

2a − b − c .

Zur Komplettierung dieses Abschnitts wollen wir noch das wichtige Konzept von Winkeln, genauer, Winkelgrößen kennenlernen. Hierfür benötigen wir folgende zwei Beobachtungen. Einerseits kann für x, y ∈ R2 \ {0} der Zähler des Quotienten    x, y  |x, y|    x ·  y  =  x ·  y mittels der Cauchy-Schwarz-Ungleichung |x, y| ≤  x ·  y abgeschätzt werden, so dass gilt: |x, y| x ·  y ≤ = 1.  x ·  y x ·  y Also ist: x, y ∈ [−1, 1] .  x ·  y Andererseits kennen wir aus der Schule oder der Analysis-Vorlesung die Kosinus-Funktion cos : [0, π] → [−1, 1], welche das Intervall [0, π] bijektiv auf das Intervall [−1, 1] abbildet.

2.4. Geometrie der Ebene, Teil 1

93

x 1 −π

x = cos(t) π

π 2

− π2

3 2π

−1



t

Abb. 40 Kosinus

Wie wir wissen, existiert daher eine Umkehrabbildung:

arccos : [−1, 1] → [0, π] .

t

t = arccos(x)

−1

1

x

Abb. 41 Arkus-Kosinus

Somit ist cos(t) = x ⇔ arccos(x) = t und wir können folgende Definition machen. Definition 2.95. Die Zahl

$

x, y (x, y) := arccos  x ·  y heißt Innenwinkel von x und y.

%

94

2. Matrixrechnung

y

x

0

x

0

y Abb. 42 Innenwinkel

Der Kosinus des Innenwinkels von x und y ist also gerade der Quotient  xx,y · y . Insbesondere wird der Innenwinkel demnach durch das Skalarprodukt definiert. Zu beachten ist, dass auch wirklich stets der Innenwinkel genommen wird, d.h. derjenige Winkel kleiner oder gleich π. So wie wir Winkel definiert haben, werden sie im so genannten Bogenmaß angegeben. Sehr verbreitet ist auch die Angabe von Winkeln in Grad. Die Umrechung in das Gradmaß erfolgt einfach mittels der Relation 1◦ :=

π . 180

Sehen wir uns ein paar Beispiele an. Beispiel 2.96. Für x = y gilt x, y x, x  x 2 = 1. = =  x · y  x ·  x  x 2

x=y

0

Abb. 43 Innenwinkel = 0

Folglich ist (x, x) = arccos(1) = 0 . Beispiel 2.97. Für x = −y gilt x, −x − x, x x, y = =  x ·  y  x · −x  x ·  x −  x 2 = −1. =  x 2

−x

0 Abb. 44 Innenwinkel = π = 180◦

Folglich ist (x, −x) = arccos(−1) = π = 180◦ .

x

2.4. Geometrie der Ebene, Teil 1

95

y Beispiel 2.98. Ist x, y = 0, so gilt (x, y) = arccos(0) =

π = 90◦ . 2

x

0 Abb. 45 Innenwinkel =

π 2

= 90◦

Definition 2.99. Falls x, y = 0 gilt, so heißen x und y orthogonal zueinander. Wir sagen auch, dass x und y aufeinander senkrecht stehen. Wir schreiben in diesem Fall x ⊥ y. y Beispiel 2.100. Ist x = (1, 0) und y = (1, 1) , so gilt: 1·1+0·1 x, y 1 =√ =√ . √  x · y 2 12 + 02 · 12 + 12

x

0 Abb. 46 Innenwinkel =

Folglich ist

π 4

= 45◦

$ % π 1 (x, y) = arccos √ = = 45◦ . 4 2 y

√ Beispiel 2.101. Ist x = (1, 0) und y = (1, 3) , so gilt: √ x, y 1·1+0· 3 1 =√ = . √ 2 2 2 x ·  y 1 +0 · 1 +3 2 Folglich ist $ % 1 π (x, y) = arccos = = 60◦ . 2 3

x

0 Abb. 47 Innenwinkel =

π 3

= 60◦

Der folgende Satz erlaubt es z.B., aus vorgegebenen drei Seitenlängen eines nicht entarteten euklidischen Dreiecks die Innenwinkel desselben zu berechnen. Sind dagegen zwei Seiten und der durch diese Seiten eingeschlossene Winkel vorgegeben, so kann mit dem Satz die dem Winkel gegenüberliegende Seite berechnet werden. Satz 2.102 (Kosinussatz). Sei (a, b, c) ein nicht entartetes α := (b − a, c − a) der Innenwinkel in der Ecke α. Dann gilt:

Dreieck

d(b, c)2 = d(a, b)2 + d(a, c)2 − 2 · d(a, b) · d(a, c) · cos(α) .

und

sei

96

2. Matrixrechnung

b

a

α c Abb. 48 Kosinussatz

Entsprechend gelten dann natürlich für β := (a − b, c − b) und γ := (a − c, b − c) die analogen Aussagen d(a, c)2 = d(b, a)2 + d(b, c)2 − 2 · d(b, a) · d(b, c) · cos(β), d(a, b)2 = d(c, a)2 + d(c, b)2 − 2 · d(c, a) · d(c, b) · cos(γ). Beweis. Wir weisen die umgestellte Version d(b, c)2 − d(a, b)2 − d(a, c)2 = −2 · d(a, b) · d(a, c) · cos(α) nach. In der Tat gilt: d(b, c)2 − d(a, b)2 − d(a, c)2 = b − c 2 − a − b 2 − a − c 2 = b − c, b − c − a − b, a − b − a − c, a − c = b, b − 2 b, c + c, c − (a, a − 2 a, b + b, b) − (a, a − 2 a, c + c, c) = −2 a, a − 2 b, c + 2 a, b + 2 a, c = −2 · (c, b − a, b + a, a − c, a) = −2 · c − a, b − a c − a, b − a = −2 · c − a b − a · c − a b − a = −2 · d(a, c) · d(a, b) · cos(α) .



Korollar 2.103. Die Seitenlängen eines nicht entarteten Dreiecks legen die Innenwinkel eindeutig fest.  Vorsicht: Umgekehrt legen die Innenwinkel die Seitenlängen nicht fest. Strecken wir nämlich ein Dreieck um einen positiven Faktor, dann werden die Seitenlängen um diesen Faktor gestreckt, die Innenwinkel bleiben jedoch unverändert.

2.4. Geometrie der Ebene, Teil 1

97

Korollar 2.104 (Satz des Pythagoras). Ist α = π2 , so gilt d(b, c)2 = d(a, b)2 + d(a, c)2 .



Nun noch zu einem Satz über Parallelogramme. Satz 2.105 (Rhombensatz). Die vier Seitenlängen eines nicht entarteten Parallelogramms sind genau dann gleich, wenn die beiden Diagonalen sich senkrecht schneiden. c a

d

c

d

a kein Rhombus

b Rhombus

b

Abb. 49 Rhombensatz

Beweis. Für ein nicht entartetes Parallelogramm (a, b, c, d) setze: v := b − a = d − c

und

w := c − a = d − b.

Damit sind die Diagonalen des Parallelogramms gegeben durch d−a=v+w

c − b = v − w.

und

d

c w a

v

b

Abb. 50 Rhombensatz

Nun stehen die beiden Diagonalen genau dann senkrecht aufeinander, wenn d − a, c − b = 0. Wir berechnen d − a, c − b = v + w, v − w = v, v − v, w + w, v − w, w = v 2 − w 2 .

98

2. Matrixrechnung

Also stehen die Diagonalen genau dann aufeinander senkrecht, wenn v 2 − w 2 = 0, d.h. genau dann wenn v 2 = w 2, d.h. genau dann wenn v = w, d.h. genau dann wenn die Seiten gleich lang sind.



Definition 2.106. Ein nicht entartetes Parallelogramm mit gleich langen Seiten heißt Rhombus oder auch Raute.

2.5. Die komplexen Zahlen Die natürlichen Zahlen N entstanden durch das Zählen von Objekten. Die Einführung der Zahl 0 ermöglichte es, das Dezimalsystem zur Darstellung von Zahlen zu entwickeln. Dieses System ist heute der internationale Standard. Wer einmal versucht hat, mit römischen Zahldarstellungen elementare Rechenoperationen durchzuführen, lernt schnell die Dezimaldarstellung schätzen. Ein Problem, welches beim Rechnen natürlichen Zahlen (inkl. 0) auftritt, besteht darin, dass einfache Gleichungen wie z.B. x + 5 = 1 keine Lösungen in N0 besitzen. Die ganzen Zahlen Z beseitigen diesen Mangel durch Einführen der negativen Zahlen. Allerdings sind in Z einfache lineare Gleichungen, wie etwa 2x −1 = 0, nicht lösbar. Dies führt uns zur Menge der rationalen Zahlen Q. Nun gibt es jedoch auch hier wiederum problematische Gleichungen, z.B. die quadratische Gleichung x 2 − 2 = 0. Wir haben in Satz 1.23 gesehen, dass diese Gleichung in Q nicht lösbar ist. Die Einführung der reellen Zahlen R schafft hier Abhilfe. Aber auch in den reellen Zahlen gibt es sehr einfache nicht lösbare quadratische Gleichungen wie etwa x 2 + 1 = 0. Geht das nun immer so weiter? Wir erweitern ständig unser Repertoire an Zahlen, stoßen aber sofort wieder auf neue einfache Gleichungen, die eine erneute Erweiterung notwendig machen. Nein, es geht nicht immer so weiter. Wir müssen die reellen noch einmal zu den komplexen Zahlen C erweitern. In C werden dann polynomiale Gleichungen, egal von welchem Grad, immer lösbar sein. Insofern findet der Ausbau des Zahlensystems bei den komplexen Zahlen einen natürlichen Abschluss. Was sind komplexe Zahlen? Wir setzen C := R2 . Die Menge der komplexen Zahlen C heißt daher auch Gauß’sche Zahlenebene. Nun müssen wir mit den komplexen Zahlen rechnen können, insbesondere müssen wir sie addieren und multiplizieren können. Die Addition komplexer Zahlen kennen wir schon, es ist die gewöhnliche

2.5. Die komplexen Zahlen

99

Vektoraddition. Es gilt also für alle x, y ∈ C:       y1 x1 + y1 x1 . + = x2 y2 x2 + y2 Ferner kennen wir aus der Vektorrechnung bereits die Rechenregeln: (i) Assoziativgesetz der Addition: ∀x, y, z ∈ C :

(x + y) + z = x + (y + z).

(ii) Kommutativgesetz der Addition: ∀x, y ∈ C :

x + y = y + x.

(iii) Existenz des neutralen Elements der Addition:   0 ∀x ∈ C : x + 0 = x, wobei 0 = ∈ C. 0 (iv) Existenz inverser Elemente der Addition: ∀x ∈ C ∃y ∈ C :

x + y = 0,

nämlich y = −x = (−1) · x.

Die entscheidende Neuerung ist die Multiplikation zweier komplexer Zahlen. Für alle x, y ∈ C definieren wir:       y1 x1 · y1 − x2 · y2 x1 · := . (2.14) x2 y2 x1 · y2 + x2 · y1 Diese Definition wirkt zunächst recht willkürlich. Wir werden aber sehen, dass sie sich doch ziemlich zwangsläufig ergibt. Zunächst verifizieren wir, dass die Multiplikation komplexer Zahlen denselben Rechenregeln genügt wie die der reellen Zahlen: (v) Assoziativgesetz der Multiplikation: ∀x, y, z ∈ C :

(x · y) · z = x · (y · z).

(vi) Kommutativgesetz der Multiplikation: ∀x, y ∈ C :

x · y = y · x.

(vii) Existenz des neutralen Elements der Multiplikation:   1 ∀x ∈ C : x · 1 = x, wobei 1 := ∈ C. 0 (viii) Existenz inverser Elemente der Multiplikation: ∀x ∈ C \ {0} ∃y ∈ C :

x · y = 1, y=x

−1

nämlich   x1 1 ∈ C. := 2 · x1 + x22 −x2

100

2. Matrixrechnung

Man beachte, dass wegen der Voraussetzung x  0 auch x12 + x22 > 0 gilt und wir daher durch x12 + x22 dividieren können. Schließlich gibt es ein weiteres Gesetz, das regelt, wie Addition und Multiplikation zusammenspielen. Es stellt sicher, dass man ausmultiplizieren bzw. ausklammern darf: (ix) Distributivgesetz: ∀x, y, z ∈ C :

x · (y + z) = x · y + x · z.

Beweis der Rechenregeln für die Multiplikation. Zu (v):     x1 y1 − x2 y2 z1 (x · y) · z = · x1 y2 + x2 y1 z2   (x1 y1 − x2 y2 )z1 − (x1 y2 + x2 y1 )z2 = (x1 y1 − x2 y2 )z2 + (x1 y2 + x2 y1 )z1   x1 y1 z1 − x2 y2 z1 − x1 y2 z2 − x2 y1 z2 = x1 y1 z2 − x2 y2 z2 + x1 y2 z1 + x2 y1 z1   x1 y1 z1 − x1 y2 z2 − x2 y1 z2 − x2 y2 z1 = x1 y1 z2 + x1 y2 z1 + x2 y1 z1 − x2 y2 z2   x1 (y1 z1 − y2 z2 ) − x2 (y1 z2 + y2 z1 ) = x1 (y1 z2 + y2 z1 ) + x2 (y1 z1 − y2 z2 )     y1 z1 − y2 z2 x1 · = x2 y1 z2 + y2 z1 = x · (y · z). Zu (vi):      y1 x1 − y2 x2 y1 x1 − y2 x2 x1 y1 − x2 y2 = = = y · x. x·y= x1 y2 + x2 y1 y2 x1 + y1 x2 y1 x2 + y2 x1 

Zu (vii):         x1 1 x1 · 1 − x2 · 0 x1 x·1= · = = x. = x1 · 0 + x2 · 1 0 x2 x2 Zu (viii): x·x

−1

    x12 −x22 x1 1 x1 x12 +x22 x 2 +x 2 − x 2 +x 2 1 2 · −x2  = 1−x 2 = 1. = = x 2 1 x2 0 x1 x 2 +x 2 + x2 x 2 +x 2 2 +x 2 x 1 2 1 2 1 2

2.5. Die komplexen Zahlen

101

Zu (ix): x · (y + z) = = = = =

    y1 + z1 x1 · x2 y2 + z2   x1 · (y1 + z1 ) − x2 · (y2 + z2 ) x1 · (y2 + z2 ) + x2 · (y1 + z1 )   x1 y1 + x1 z1 − x2 y2 − x2 z2 x1 y2 + x1 z2 + x2 y1 + x2 z1   x1 y1 − x2 y2 + x1 z1 − x2 z2 x1 y2 + x2 y1 + x1 z2 + x2 z1     x1 z1 − x2 z2 x1 y1 − x2 y2 + x1 y2 + x2 y1 x1 z2 + x2 z1

= x · y + x · z.



Bislang war es bei der Einführung neuer Zahlen immer so, dass sie die bereits bekannten Zahlen umfasst haben, N ⊂ N0 ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R. Wir hätten also gerne, dass R ⊂ C, aber das ist wegen C = R2 ja nicht richtig. Um das zu beheben, betten wir den reellen Zahlenstrahl in die Gauß’sche Zahlenebene ein. Wir setzen   0 i := . 1 Dabei steht i für imaginär. Bei der Einführung der komplexen Zahlen war man der Ansicht, dass die reellen Zahlen „wirklich“ sind, während die Vielfachen von  i, die so genannten imaginären x1 Zahlen, nur Vorstellungen sind. Jede komplexe Zahl x = ∈ C können wir aus reellen x2 Vielfachen von 1 und i zusammensetzen:           x1 0 x1 1 0 = = x1 · + x= + x2 · = x1 · 1 + x2 · i. x2 0 x2 0 1 Komplexe Zahlen sind allerdings genauso wirklich wie reelle und besitzen vielfältige Anwendungen, etwa in der Physik. Sehen wir, was uns die Einführung von imaginären Zahlen einbringt. Hierfür quadrieren wir:           0 0 0 · 0 − 1 · 1 −1 1 i2 = i · i = · = = =− = −1. 1 1 0·1+1·0 0 0 In den komplexen Zahlen können wir also die Wurzel aus −1 ziehen. Hiermit lässt sich die komplexe Multiplikation leicht merken, denn für x, y ∈ C gilt: x · y = (x1 · 1 + x2 · i) · (y1 · 1 + y2 · i)

102

2. Matrixrechnung

= x1 y1 · 1 + x1 y2 · i + x2 y1 · i + x2 y2 · i 2 = (x1 y1 − x2 y2 ) · 1 + (x1 y2 + x2 y1 ) · i. Wenn man also den Ansatz macht, dass komplexe Zahlen von der Form x = x1 · 1 + x2 · i sein sollen und i 2 = −1 gilt, dann ergibt sich die Definition der komplexen Multiplikation in (2.14) zwangsläufig. Von nun an identifizieren wir 0 ∈ C mit 0 ∈ R sowie 1 ∈ C mit 1 ∈ R und schreiben statt x1 x= kurz x2 oder auch x = x1 + ix2 . x = x1 + x2 · i Dadurch wird jede reelle Zahl t mit der komplexen Zahl t = t + 0 · i identifiziert und somit gilt R ⊂ C. Oft werden z und w statt x und y als Platzhalter für komplexe Zahlen verwendet. Definition 2.107. Für z = z1 + z2 · i ∈ C mit z1, z2 ∈ R heißt z1 =: Re(z) der Realteil und z2 =: Im(z) der Imaginärteil von z. imaginäre Achse z = Re(z) + i · Im(z)

z2 i 1

z1

reelle Achse

Abb. 51 Gauß’sche Zahlenebene

√ √ Beispiel 2.108. Wir betrachten z = 1 + i 2 sowie w = 2 + i 3 und berechnen √ z 1+i 2 = √ w 2+i 3 √ √ (1 + i 2) · (2 − i 3) = √ √ (2 + i 3) · (2 − i 3) √ √ √ √ 2 − i 3 + i2 2 + 2 3 = √ 4 − (i 3)2  √  √ √ 2+ 6 +i 2 2− 3 = 4+3

2.5. Die komplexen Zahlen

103

√ √ √ 2 2− 3 2+ 6 +i . = 7 7 Also gilt

√ 2+ 6 Re = w 7 z

und

√ √ 2 2− 3 = Im . w 7 z

Wir haben bei der Berechnung des Bruchs den Trick verwendet, dass wir den Bruch wz mit derjenigen komplexen Zahl erweitert haben, bei der der Imaginärteil das entgegengesetzte Vorzeichen (des Imaginärteils von w) besitzt, der Realteil jedoch derselbe ist. Definition 2.109. Für z = z1 + iz2 ∈ C heißt z¯ := z1 − iz2 die komplex konjugierte Zahl zu z. Die Abbildung C → C, z → z¯, heißt komplexe Konjugation.

z2

z = z1 +iz2

R

−z2

z¯ = z1 −iz2

Abb. 52 Komplexe Konjugation

Geometrisch ist die komplexe Konjugation die Spiegelung an der reellen Achse     x  R=  x ∈ R . Insbesondere gilt für alle z = z1 + iz2 ∈ C: 0  (i) Die komplexe Konjugation ist selbstinvers, d.h. es gilt:  (z¯) = z1 + iz2 = (z1 − iz2 ) = z1 + iz2 = z. (ii) Es ist z = z¯ ⇔ z ∈ R. Der folgende Satz listet einige weitere Eigenschaften der komplexen Konjugation:

104

2. Matrixrechnung

Satz 2.110. Für alle z, w ∈ C gilt: ¯ (i) z + w = z¯ + w, ¯ (ii) z · w = z¯ · w, (iii) z · z¯ = |z| 2 , wobei |z| = z =

 Re(z)2 + Im(z)2 .

Beweis. Zu (i): Es gilt z+w= = = = =

    z1 w1 + z2 w2   z1 + w1 z2 + w2   z1 + w1 −(z2 + w2 )   z1 + w1 −z2 − w2     w1 z1 + −z2 −w2

= z¯ + w. ¯ Zu (ii): Für komplexe Zahlen z = z1 + iz2 und w = w1 + iw2 bekommen wir z · w = (z1 + iz2 ) · (w1 + iw2 ) = z1 w1 − z2 w2 + i(z1 w2 + z2 w1 ) = z1 w1 − z2 w2 − i(z1 w2 + z2 w1 ) = (z1 − iz2 ) · (w1 − iw2 ) = z¯ · w. ¯ Zu (iii): Wir berechnen z · z¯ = (z1 + iz2 ) · (z1 − iz2 ) = z12 − (iz2 )2 = z12 − i 2 z22 = z12 + z22 = |z| 2 .



2.5. Die komplexen Zahlen

105

Bemerkung 2.111. Im Beispiel 2.108 erweiterten wir den Bruch wz mit der komplexen Konjugation w¯ des Nenners, mit der Absicht, einen reellen Nenner zu erhalten. Wie sich nun herausstellt, geschah dies implizit mittels der Regel (3.), denn es gilt z z · w¯ z · w¯ = = , w w · w¯ |w| 2 wobei |w| 2 ∈ R ist. Sie sollten das Rechnen mit komplexen Zahlen nun hier üben bis Sie es sicher beherrschen: http://ueben.cbaer.eu/01.html Für die Operationen Addition und Konjugation kennen wir bereits geometrische Interpretationen. Für die Multiplikation komplexer Zahlen allerdings fehlt uns eine solche noch. Wir benötigen hierzu eine weitere Darstellungsform komplexer Zahlen z, die durch den Betrag |z| und folgenden Winkelbegriff festgelegt ist. Definition 2.112. Sei z ∈ C \ {0}. Dann heißt  (1, z), arg(z) := 2π − (1, z),

falls Im(z) ≥ 0, falls Im(z) < 0,

das Argument von z.

z arg(z) = (1, z)

arg(z)

1 z

1 (1, z)

Abb. 53 Argument

Jede komplexe Zahl z = Re(z) + i · Im(z)  0 lässt sich nun durch |z| und arg(z) ausdrücken: Satz 2.113. Für jedes z ∈ C \ {0} gilt: (i) Re(z) = |z| · cos(arg(z)), (ii) Im(z) = |z| · sin(arg(z)).

106

2. Matrixrechnung

Beweis. Zu (i): Wegen der Definition von arg(z) haben wir zwei Fälle zu betrachten: 1. Fall: Für Im(z) ≥ 0 gilt: |z| · cos(arg(z)) = |z| · cos((1, z))

=

=

= =

&    ' 1 z1



,  0 z2  ! ! ! !    |z| · cos arccos   !! 1 !! !! z1 !!  ! ! · ! !  ! 0 ! ! z2 !  &    ' 1 z1 , 0 z2 |z| · !   ! !   ! ! 1 ! ! z ! ! ! ! 1 ! ! !·! ! ! 0 ! ! z2 ! &    ' 1 z1 , 0 z2 |z| · 1 · |z| &   ' 1 z1 , z2 0

= z1 = Re(z). 2. Fall: Für Im(z) < 0 gilt: Da die Kosinus-Funktion 2π-periodisch und eine gerade Funktion ist, gilt |z| · cos(arg(z)) = |z| · cos(2π − (1, z)) = |z| · cos(−(1, z)) = |z| · cos((1, z)) = Re(z). Zu (ii): Setzen wir zunächst zur Abkürzung x :=

Im(z) |z| .

Wegen |z| =



Re(z)2 + Im(z)2 gilt

|z| 2 = Re(z)2 + Im(z)2 = Re(z)2 + |z| 2

Im(z)2 |z| 2

= Re(z)2 + |z| 2 x 2 (i)

= (|z| cos(arg(z)))2 + |z| 2 x 2  = |z| 2 cos(arg(z))2 + x 2 .

2.5. Die komplexen Zahlen

107

Da z  0 in der Voraussetzung des Satzes steht, können wir nun durch |z| 2  0 dividieren und bekommen 1 = cos(arg(z))2 + x 2 . Der trigonometrische Pythagoras liefert uns andererseits: 1 = cos(arg(z))2 + sin(arg(z))2 . Subtraktion dieser beiden Gleichungen führt auf x 2 = sin(arg(z))2, also x = sin(arg(z))

oder

x = − sin(arg(z)).

Nun wieder zu den beiden möglichen Fällen: 1. Fall: Für Im(z) ≥ 0 ist x = Im(z) |z| ≥ 0. Ferner gilt arg(z) = (1, z) ∈ [0, π] und dem Verlauf der Sinus-Funktion nach damit sin(arg(z)) ≥ 0, also x = sin(arg(z)). Einsetzen für x ergibt wie gewünscht Im(z) = x · |z| = sin(arg(z)) · |z| . 2. Fall: Für Im(z) < 0 ist x =

Im(z) |z|

< 0. Weiterhin gilt

arg(z) = 2π − (1, z) ∈ [π, 2π], also dieses Mal sin(arg(z)) ≤ 0 und damit wie im 1. Fall x = sin(arg(z)). Also folgt wie oben: Im(z) = |z| · sin(arg(z)).



Im Ergebnis können wir nun komplexe Zahlen z = Re(z) + i · Im(z) auch in der Form z = |z| · (cos(arg(z)) + i sin(arg(z))) schreiben. In der Literatur wird oft abkürzend ϕ := arg(z) ∈ [0, 2π) gesetzt. iR Die Darstellung z = |z| · (cos(ϕ) + i sin(ϕ)) nennt man die Polardarstellung für komplexe Zahlen. Sie ist durch den Betrag |z| und den Winkel ϕ (ggf. abzüglich k · 2π für ein k ∈ Z) eindeutig bestimmt.

Im(z)

z = |z| (cos(ϕ) + i sin(ϕ)) |z| ϕ Re(z)

R

Abb. 54 Komplexe Polardarstellung

Nun liefert uns folgender Satz eine geometrische Interpretation für die Multiplikation:

108

2. Matrixrechnung

Satz 2.114. Für alle z, w ∈ C \ {0} gilt: (i) |z · w| = |z| · |w|.  arg(z) + arg(w), falls arg(z) + arg(w) < 2π, (ii) arg(z · w) = arg(z) + arg(w) − 2π, sonst.

Beweis. Zu (i): Wegen Satz 2.110 gilt: |z · w| 2 = (z · w) · (z · w) = (z · w) · (z¯ · w) ¯ = (z · z¯) · (w · w) ¯ = |z| 2 · |w| 2 = (|z| · |w|)2 . Da |z · w| , |z| · |w| ≥ 0 sind, folgt die Behauptung (i) durch Wurzelziehen. Zu (ii): Wir schreiben abkürzend ϕ := arg(z) und ψ := arg(w). Dann gilt z = |z| · (cos(ϕ) + i sin(ϕ)) w = |w| · (cos(ψ) + i sin(ψ))

sowie

und wir erhalten z · w = |z| · (cos(ϕ) + i sin(ϕ)) · |w| · (cos(ψ) + i sin(ψ)) = |z| · |w| · (cos(ϕ) + i sin(ϕ)) · (cos(ψ) + i sin(ψ)) = |z| · |w| · (cos(ϕ) cos(ψ) + i cos(ϕ) sin(ψ) + i sin(ϕ) cos(ψ) + i 2 sin(ϕ) sin(ψ)) = |z| · |w| · ((cos(ϕ) cos(ψ) − sin(ϕ) sin(ψ)) + i(cos(ϕ) sin(ψ) + sin(ϕ) cos(ψ))) (i)

= |z · w| · (cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ)).

In die letzte Gleichung gehen die Additionstheoreme für Kosinus und Sinus ein. Wir werden nochmal darauf zurückkommen. Falls nun ϕ + ψ ∈ [0, 2π) ist, so gilt arg(z · w) = ϕ + ψ = arg(z) + arg(w). Ist dagegen ϕ + ψ ≥ 2π, so gilt ϕ + ψ ∈ [2π, 4π). Wegen der 2π-Periodizität von Kosinus und Sinus erhalten wir dann z · w = |z · w| · (cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ))

2.5. Die komplexen Zahlen

109

= |z · w| · (cos(ϕ + ψ − 2π) + i sin(ϕ + ψ − 2π)) und damit arg(z · w) = ϕ + ψ − 2π ∈ [0, 2π).



Aus diesem Satz ergibt sich folgende geometrische Interpretation der Multiplikation in C: ◦ Die Beträge werden multipliziert: |z · w| = |z| · |w|. ◦ Die Argumente werden addiert (und von der Summe ggf. 2π subtrahiert). Sehen wir uns die beiden Fälle arg(z) + arg(w) ∈ [0, 2π) und arg(z) + arg(w) ∈ [2π, 4π) in je einem Beispiel an:

w=

3 2

  z = 2 cos π3 + i sin π3

iR

 cos

5π 6

+ i sin

5π 6

1

R

 7π z · w = 3 cos 7π 6 + i sin 6 √  z = 2 cos 56 π + i sin 56 π

iR

√  z · w = 10 cos 16 π + i sin 16 π

1

R

√  w = 5 cos 43 π + i sin 43 π Abb. 55 Komplexe Multiplikation

Wir überlegen uns nachfolgend eine Möglichkeit, die eben verwendeten Additionstheoreme herzuleiten, schon damit wir sie uns besser merken können. Aus der Analysis ist uns die e-Funktion R → R mit x → e x bekannt:

110

2. Matrixrechnung

R x → e x 1 R Abb. 56 e-Funktion

Für alle x, x  ∈ R genügt die e-Funktion der Funktionalgleichung: 



e x+x = e x · e x .

(2.15)

Im Kontext komplexer Zahlen erhebt sich nun die Frage, ob die e-Funktion zu einer komplexen Funktion C → C fortsetzbar ist, so dass die Funktionalgleichung (2.15) für alle komplexen Zahlen gültig ist. Ist dies der Fall, so muss für jedes z = x + iy mit x, y ∈ R gelten ez = e x+iy = e x · eiy . Überlegen wir, wie die e-Funktion auf der imaginären Achse definiert werden kann. Wir benötigen also eine Funktion R → C mit y → eiy, so dass schließlich für alle y, y ∈ R gilt 





ei(y+y ) = eiy+iy = eiy · eiy .

(2.16)

eiy := cos(y) + i sin(y).

(2.17)

Wir definieren Dies liefert eine Variante der Polardarstellung komplexer Zahlen z = |z| · eiϕ , die so genannte Euler’sche Darstellung komplexer Zahlen. Hierbei ist ϕ := arg(z). iR z = eiy

sin(y) y

cos(y)

R

Abb. 57 Eulerdarstellung komplexer Zahlen

2.5. Die komplexen Zahlen

111

Die Rechnung aus dem Beweis von Satz 2.114 zeigt, dass tatsächlich für alle y, y ∈ R die Funktionalgleichung (2.16) gilt. Mittels (2.17) erhalten wir nun die gewünschte (komplexe) Fortsetzung: e x+iy = e x · (cos(y) + i sin(y)). Bemerkung 2.115. Mit der komplexen e-Funktion lassen sich die Additionstheoreme für Kosinus und Sinus, sollte man sie einmal vergessen haben, wie folgt leicht herleiten. Einerseits gilt nach (2.17)  ei(y+y ) = cos(y + y) + i sin(y + y). (2.18) Andererseits liefern die Funktionalgleichung (2.16) und (2.17) 



ei(y+y ) = eiy · eiy = (cos(y) + i sin(y)) · (cos(y) + i sin(y)) = cos(y) cos(y) − sin(y) sin(y) + i(sin(y) cos(y) + cos(y) sin(y)).

(2.19)

Nun sind zwei komplexe Zahlen genau dann gleich, wenn ihre Real- und Imaginärteile übereinstimmen. Der Vergleich eben dieser in (2.18) und (2.19) ergibt genau die Additionstheoreme für alle y, y ∈ R : cos(y + y) = cos(y) cos(y) − sin(y) sin(y) sin(y + y) = sin(y) cos(y) + cos(y) sin(y).

und

Bemerkung 2.116. Im Spezialfall haben wir: eiπ = −1. Dies nennt man auch die Euler’sche Formel. Deren Umstellung eiπ + 1 = 0 gilt unter manchen Mathematikern als die schönste Gleichung der Mathematik, da hier die wichtigsten Zahlen 0, 1, i, π, e vorkommen. Leonhard Euler gehört zu den bedeutendsten Mathematikern aller Zeiten. Er war unglaublich produktiv und publizierte 866 Arbeiten, darunter grundlegende Werke über Differenzial- und Integralrechnung, Algebra, Zahlentheorie und vielerlei Anwendungen der Mathematik. Viele heute gebräuchliche mathematische Schreib weisen gehen auf Euler zurück, z.B. das Summenzeichen , e, π und i für die komplexe Wurzel aus −1. Euler war Professor an der Universität von Sankt Petersburg, unterbrochen von 25 Jahren an der Königlich-Preußischen Akademie Abb. 58 Leonhard Euler (1707–1783) 4 der Wissenschaften in Berlin. Euler und Friedrich der Große gingen 4Künstler: Emanuel Handmann, Quelle: Kunstmuseum Basel, http://sammlungonline. kunstmuseumbasel.ch/eMuseumPlus?module=collection&objectId=1429

112

2. Matrixrechnung

allerdings im Streit auseinander. Euler hatte die Aufgabe bekommen, die Hydraulik zu konstruieren, die die Springbrunnen im Schlosspark von Sanssouci mit Wasser versorgen sollte. Dass diese Hydraulik dann nicht funktionierte, verärgerte den König außerordentlich, wollte er mit seinen Springbrunnen doch diejenigen von Versailles übertreffen. Am Anfang dieses Abschnitts standen wir vor dem Problem, bestimmte Gleichungen nicht lösen zu können. Nun haben wir z.B. für z 2 + 1 = 0 die Lösungen z1 = i und z2 = −i vorzuweisen. Die Anzahl der Lösungen des Polynoms z → z 2 + 1 entspricht also genau seinem Grad. Für komplexe Polynome ist dies immer der Fall. Insbesondere sind in C alle Polynomgleichungen lösbar. Diese Aussage ist formalisiert im Satz 2.117 (Fundamentalsatz der Algebra). Sei n ∈ N. Seien a0, . . ., an ∈ C mit an  0. Dann existieren z1, . . . , zn ∈ C, so dass für alle z ∈ C gilt: an z n + an−1 z n−1 + . . . + a1 z + a0 = an · (z − z1 ) · . . . · (z − zn ).

Dabei ist die linke Seite ein komplexes Polynom vom Grade n ≥ 1. Die rechte Seite nennt man Linearfaktorzerlegung des Polynoms mit Linearfaktoren (z − z j ). Insbesondere sind damit z = z1, . . ., z = zn genau die Lösungen der Gleichung: an z n + an−1 z n−1 + . . . + a1 z + a0 = 0. In den komplexen Zahlen sind polynomiale Gleichungen also stets lösbar. Jedes komplexe Polynom besitzt eine Linearfaktorzerlegung. Der Beweis des Fundamentalsatzes erfordert ein wenig Analysis und die Polynomdivision, die wir später noch behandeln werden. Der Beweis findet sich in Anhang B.2. Man beachte, dass die z1, . . . , zn nicht verschieden zu sein brauchen, denn etwa für (z − 1)2 = (z − 1)(z − 1) = z 2 − 2z + 1 = 0 erhalten wir die Lösungen z1 = z2 = 1. Exakt ausgedrückt hat ein komplexes Polynom n-ten Grades also genau n (nicht notwendigerweise verschiedene) Nullstellen. Daher ist folgende Definition angebracht: Definition 2.118. Für jede Nullstelle ζ von z → an z n + an−1 z n−1 + . . . + a1 z + a0 heißt die Anzahl der Faktoren (z − ζ ) in der Linearfaktorzerlegung die Vielfachheit der Nullstelle ζ . Zählt man die Anzahl der Nullstellen eines komplexen Polynoms vom Grad n inklusive aller Vielfachheiten zusammen, so erhält man stets genau n. Beispiel 2.119. Wir haben die Linearfaktorzerlegung z → z 2 + 1 = (z − i)(z − (−i)) = (z − i)(z + i).

2.5. Die komplexen Zahlen

113

Also sind z1 = i und z2 = −i die beiden Nullstellen, jeweils von der Vielfachheit 1. Beispiel 2.120. Das Polynom z → z 2 − 2z + 1 = (z − 1)(z − 1) besitzt die Nullstelle z1 = 1 mit der Vielfachheit 2. Die Konstruktion der Zahlbereiche ist damit in der Tat abgeschlossen. Wir wollen nun noch das komplexe Analogon zum reellen Wurzelziehen diskutieren und betrachten hierfür die komplexe Gleichung z n − 1 = 0. Als Spezialfall haben wir etwa z 4 − 1 = (z − 1)(z − i)(z − (−1))(z − (−i)) = (z − 1)(z − i)(z + 1)(z + i). Löst z ∈ C die Gleichung, d.h. gilt z n = 1, so ist 1 = |1| = |z n | = |z| n und damit |z| = 1. Alle Lösungen der Gleichung z n = 1 liegen somit auf dem Einheitskreis, also dem Kreis um 0 mit Radius 1. Insbesondere ist damit z von der Form z = eiy für ein, noch zu bestimmendes, y ∈ R. Die Funktionalgleichung (2.16) liefert 1 = z n = (eiy )n = einy = cos(ny) + i sin(ny), also muss cos(ny) = 1

sowie

sin(ny) = 0

gelten. Die y ∈ R, welche diesen beiden Gleichungen genügen, erhalten wir durch Nullstellenbetrachtung von Sinus und Kosinus. Da der Sinus genau die Vielfachen von π als Nullstellen hat, existiert ein m ∈ Z, so dass ny = m · π. Den Wert 1 nimmt der Kosinus bei den geraden Vielfachen von π an, −1 bei den ungeraden Vielfachen. Also ist m von der Form m = 2k für ein k ∈ Z, so dass ny = 2k · π gilt. Wir erhalten folglich insgesamt, dass es ein k ∈ Z gibt, so dass 2k · π y= n und damit 2k π z = ei n gilt. 2k π Nehmen wir umgekehrt z = ei n mit k ∈ Z her, so gilt  2k π n 2k π = ei n n = ei2kπ = cos(2kπ) + i sin(2kπ) = 1, z n = ei n 2k π

d.h. die z ∈ C von der Form z = ei n sind Lösungen. Insgesamt haben wir somit alle Lösungen der Gleichung z n − 1 = 0 auf dem Einheitskreis identifiziert. Hier zwei Beispiele für n = 3 und n = 4:

114

2. Matrixrechnung

iR ei

iR 2π ei 4

2π 3

ei

0π 3

ei R

ei

ei

0π 4

R

4π 4

4π 3

ei

6π 4

Abb. 59 Komplexe Einheitswurzeln

Da die Nullstellen von z → z n − 1 den Einheitskreis stets in gleich große Segmente aufteilen, nennt man dieses Polynom auch Kreisteilungspolynom. Definition 2.121. Die Lösungen der Gleichung z n − 1 = 0 heißen n-te Einheitswurzeln. Beispiel 2.122. Für n = 3 ergeben sich die dritten Einheitswurzeln: √ √ 3 3 1 1 i 0π i 2π i 4π 3 3 3 ρ+ := e = − + e = 1, i, ρ− := e = − − i. 2 2 2 2 Sehen wir, was beim Quadrieren, Konjugieren und Aufaddieren passiert: 2π

4π 3

i2· 4π 3

i 8π 3

ρ2+ = ei2· 3 = ei ρ2− = e ρ¯+ = ρ−, 1 + ρ+ + ρ− = 0.

=e

= ρ−, = ei( 3 π+ 3 π) = ei2π ei 3 π = 1 · ei 3 π = ρ+, 6

2

2

2

Wir wissen nun wie viele Lösungen komplexe polynomiale Gleichungen n-ten Grades besitzen, nicht jedoch, wie diese für eine gegebene Gleichung berechnet werden können. Betrachten wir also allgemein eine Gleichung der Form an z n + an−1 z n−1 + . . . + a1 z + a0 = 0 mit gegebenen a j ∈ C, an  0, und gesuchtem z. Lineare Polynome ( n = 1):

Hier gilt a1 z + a 0 = 0 ⇔

z=−

a0 . a1

2.5. Die komplexen Zahlen

115

Quadratische Polynome ( n = 2):

Wir bestimmen die Lösungen der Gleichung a2 z 2 + a1 z + a0 = 0.

(2.20)

a1 Dabei setzen wir natürlich wieder a2  0 voraus. Wir setzen p := 2a und q := aa02 . Glei2 chung (2.20) ist äquivalent zu a1 a0 z2 + z + = 0, a2 a2 und damit zu z 2 + 2pz + q = 0. (2.21) √ Hierbei heißt D := p2 − q ∈ C Diskriminante von (2.21). Sei nun D ∈ C eine Wurzel von D. Gemeint ist eine Lösung w der Gleichung

w2 = D. Aus dem Fundamentalsatz wissen √ √ wir, dass es in diesem Fall genau zwei Wurzeln √ gibt. Ist also D die eine Wurzel, so ist − D die andere. Bei reellen Wurzeln legt man D als diejenige Wurzel √ fest, die nicht negativ ist. Das ergibt bei komplexen Zahlen keinen Sinn mehr. Daher ist D nur bis auf das Vorzeichen definiert. Dies macht aber im Folgenden nichts. Satz 2.123 ( p-q-Formel, Satz von Vieta für quadratische Gleichungen). Die Lösungen von (2.21) sind gegeben durch √ √ z1 = −p + D und z2 = −p − D. Ferner gilt z1 + z2 = −2p,

z 1 · z2 = q

(z1 − z2 )2 = 4D.

sowie

(2.22)

Beweis. Wir überprüfen zunächst, dass (2.22) für unsere Wahl von z1 und z2 gilt. Es ist  √ √ z1 + z2 = −p + D + −p − D = −2p und sowie

 √  √ z1 · z2 = −p + D −p − D = p2 − D = q   √ √ (z1 − z2 )2 = −p + D − −p − D

2

 √ = 2 D

2

= 4D.

Nun sehen wir, dass z1 und z2 tatsächlich die beiden Nullstellen des Polynoms sind, denn (z − z1 )(z − z2 ) = z 2 − z1 z − z2 z + z1 z2 = z 2 − (z1 + z2 )z + z1 z2

116

2. Matrixrechnung (2.22) 2

= z + 2pz + q.

Für die letzte Gleichheit haben wir die ersten beiden Formeln aus (2.22) benutzt.



Beispiel 2.124. Für z 2 − 2z − 3 = 0 haben wir p = −1, q = −3 und D = p2 − q = 1 − (−3) = 4. Damit folgt nach dem Satz √ √ z1 = −p + D = 1 + 4 = 3 und √ √ z2 = −p − D = 1 − 4 = −1.  2 1+i − i = 1+2i−1 −i = Beispiel 2.125. Für z 2 − (1 + i)z + i = 0 ist p = − 1+i 2 , q = i und D = − 2 4 √ √ √ −i 1 1 √ 2 i − i = − 2 i. Damit ist D = 2 . Wir bestimmen −i durch Lösen der Gleichung w · w = −i. Hierbei ist unser geometrisches Verständnis von der Multiplikation komplexer Zahlen überaus hilfreich. Wegen |−i| = 1 und arg(−i) = 3π 2 ist −i = ei

3π 2

= ei( 4 π+ 4 π) = ei 4 π · ei 4 π . 3

3

3

3

Wählen wir als eine Lösung also √ √ √ $ % $ % √ 2 2 2 3π 3π i 3π + i sin =− −i = e 4 = cos +i = (−1 + i) , 4 4 2 2 2 so erhalten wir schließlich

√ √ 2 (−1 + i) 1 −i D= √ = 2 √ = (−1 + i) . 2 2 2 Folglich sind die beiden Nullstellen gegeben durch √ 1+i 1 z1 = −p + D = + (1 + i) = i und 2 2 √ 1+i 1 z2 = −p − D = − (−1 + i) = 1. 2 2



Bemerkung 2.126. Für p, q ∈ R ist auch D ∈ R und wir erhalten folgende Fallunterscheidung: Anzahl der Lösungen reelle Diskriminante D>0 zwei verschiedene reelle Lösungen D=0 eine doppelte reelle Lösung D 0 gilt: ln(x · y) = ln(x) + ln(y).

Definition 3.32. Ein bijektiver Gruppenhomomorphismus heißt Gruppenisomorphismus oder kurz Isomorphismus. Gibt es einen Gruppenisomorphismus, so nennt man die betreffenden Gruppen isomorph. Sind zwei Gruppen (G, ∗) und (H, •) isomorph, so schreiben wir hierfür (G, ∗)  (H, •) oder etwas ungenauer G  H. In diesem Fall kann jede Rechnung in der einen Gruppe mit Hilfe des Isomorphismus in eine entsprechende Rechnung in der anderen Gruppe übersetzt werden. Die Gruppen (R, +) und (R+, ·) sind also isomorph. Somit kann die Multiplikation positiver reeller Zahlen auf die Addition reeller Zahlen zurückgeführt Abb. 65 Rechenschieber werden. Das hat man sich vor dem Siegeszug der Computer auf Rechenschiebern zunutze gemacht. Sie haben eine logarithmische Skala, mit deren Hilfe man Multiplikationen dadurch durchführen kann, indem man Strecken aneinander legt (also eigentlich eine Addition vornimmt). Im Bild ist der mittlere, bewegliche Schieber so platziert, dass an seiner unteren Kante eine Multiplikation mit 3 vorgenommen wird, die Werte unterhalb der Unterkante sind die Dreifachen der Werte oberhalb der Unterkante. Definition 3.33. Seien (G, ∗) und (H, •) Gruppen mit neutralem Element eG bzw. eH . Sei f : G → H ein Gruppenhomomorphismus. Dann heißt ker( f ) := f −1 ({eH }) = {g ∈ G | f (g) = eH } der Kern von f . Wie für jede Abbildung heißt im( f ) = f (G) = { f (g) | g ∈ G} das Bild von f .

140

3. Algebraische Grundbegriffe

Proposition 3.34. Sei f : G → H ein Gruppenhomomorphismus. Dann gilt: (i) Der Kern ker( f ) ⊂ G ist eine Untergruppe von G. (ii) Es ist f injektiv genau dann, wenn ker( f ) = {eG }. (iii) Das Bild im( f ) ⊂ H ist eine Untergruppe von H. (iv) Es ist f genau dann surjektiv, wenn im( f ) = H.

Beweis. Zu (i): Nach Proposition 3.30 ist f (eG ) = eH , so dass schon mal eG ∈ ker( f ) gilt. Seien nun g, g ∈ ker( f ), d.h. f (g) = f (g) = eH . Dann ist f (g·g) = f (g)· f (g) = eH ·eH = eH . Folglich ist g · g ∈ ker( f ). Sei nun g ∈ ker( f ). Nach den Propositionen 3.10 und 3.30 ist dann f (g −1 ) = f (g)−1 = (eH )−1 = eH , so dass g −1 ∈ ker( f ) erfüllt ist. Zu (ii): Sei f : G → H injektiv. Nach Proposition 3.30 ist f (eG ) = eH , d.h. eG ∈ ker( f ). Sei nun g ∈ ker( f ) beliebig. Dann ist f (g) = eH = f (eG ), und aus der Injektivität von f folgt g = eG . Also ist ker( f ) = {eG }. Nun setzen wir umgekehrt ker( f ) = {eG } voraus. Seien g, g ∈ G mit f (g) = f (g). Dann gilt: f (g · g −1 ) = f (g) · f (g −1 ) = f (g) · f (g)−1 = f (g) · f (g)−1 = eH . Folglich ist g · g −1 ∈ ker( f ) = {eG }. Es ist also g · g −1 = eG , d.h. g = g. Somit ist f injektiv. Zu (iii): Zunächst ist eH = f (eG ) ∈ im( f ). Seien nun h, h ∈ im( f ). Wähle g, g ∈ G mit f (g) = h und f (g) = h. Dann ist h · h = f (g) · f (g) = f (g · g) ∈ im( f ) . Sei nun h ∈ im( f ). Wähle g ∈ G mit f (g) = h. Dann ist nach Proposition 3.30 h−1 = f (g)−1 = f (g −1 ) ∈ im( f ) . Damit haben wir alle Eigenschaften einer Untergruppe für im( f ) nachgeprüft. Aussage (iv) ist klar nach Definition.



3.1. Abstraktes Rechnen: Gruppen und Halbgruppen

141

Beispiel 3.35. Wir berechnen Kern und Bild der Gruppenhomomorphismen fm : Z → Z, definiert durch fm (k) := m · k, aus Beispiel 3.28: Offensichtlich ist m · k = 0 genau dann, wenn m = 0 oder k = 0. Somit ist der Kern von fm gegeben durch:  ker( fm ) = {k ∈ Z | m · k = 0} =

Z für m = 0, {0} für m  0.

Somit ist fm : Z → Z injektiv genau dann, wenn m  0. Das Bild von fm ist gegeben durch: im( fm ) = {m · k | k ∈ Z} =: mZ . Offenbar ist mZ = {0} genau für m = 0 und mZ = Z für m = ±1. Für m  0 ist mZ die Menge der durch m teilbaren ganzen Zahlen. Somit ist fm : Z → Z genau dann surjektiv, wenn m = ±1. Beispiel 3.36. Sei (G, ∗) = (Z/n, +n ) und (H, •) = (Ωn, ·). Wir betrachten die Abbildung  k f : Z/n → Ωn gegeben durch f (k) = e2πi/n = e2πik/n . Wir überprüfen zunächst, dass f ein Gruppenhomomorphismus ist. Für k, k  ∈ Z/n unterscheiden sich k +n k  und k + k  allenfalls durch ein Vielfaches von n, d.h. k +n k  = k + k  + nm für ein m ∈ Z. Nun gilt  f (k +n k ) = e2πi/n  = e2πi/n

k+n k 

 = e2πi/n

k+k  +nm

 k  nm · e2πi/n · e2πi/n  m = f (k) · f (k ) · e2πi = f (k) · f (k ). ()*+ k

=1

Nun ist k ∈ ker( f ) genau dann, wenn f (k) = e2πik/n = 1, d.h. wenn k ein Vielfaches von n ist. Das einzige Vielfache von n in Z/n ist 0. Also ist ker( f ) = {0}. Somit ist f injektiv nach Proposition 3.34. Da Z/n und Ωn gleich viele Elemente haben, nämlich n Stück, ist die injektive Abbildung f nach dem Hotelzimmerlemma 1.72 sogar bijektiv. Wir sehen also, dass f ein Isomorphismus ist und somit (Z/n, +n ) und (Ωn, ·) isomorph sind. Das Addieren modulo n ist daher im Wesentlichen dasselbe wie das (komplexe) Multiplizieren von n-ten Einheitswurzeln.

142

3. Algebraische Grundbegriffe

iR

R

Abb. 66 Z/12  Ω12 2

Untersuchen wir zum Abschluss dieses Abschnitts über Gruppen die symmetrischen Gruppen noch etwas genauer, weil wir sie später noch einmal benötigen werden. Definition 3.37. Eine Permutation σ ∈ Sn heißt Transposition, wenn es i, j ∈ Xn = {1, . . ., n} gibt mit i  j, so dass für alle k ∈ Xn gilt ⎧ ⎪ j ⎪ ⎨ ⎪ σ(k) = i ⎪ ⎪ ⎪k ⎩

für k = i, für k = j, sonst.

Eine Transposition vertauscht also zwei Elemente i und j und bildet alle anderen auf sich selbst ab. Insbesondere erfüllt jede Transposition σ 2 = id. Jede Transposition ist ihr eigenes inverses Element. Die Transpositionen von S3 sind, in der auf Seite 133 verwendeten Notation, genau die Permutationen τ1 , τ2 und τ3 . Lemma 3.38. Sei n ∈ N. Jede Permutation σ ∈ Sn lässt sich als Verkettung von Transpositionen schreiben. Das Lemma besagt also, dass wir für jedes σ ∈ Sn Transpositionen τ1, . . ., τN ∈ Sn finden können, so dass σ = τ1 ◦ . . . ◦ τN . 2Künstler der linken Abbildung: gustavorezende, Quelle: https://openclipart.org/detail/182053

3.1. Abstraktes Rechnen: Gruppen und Halbgruppen

143

Dabei verwenden wir die Konvention, dass auch die Verkettung von N = 0 Transpositionen erlaubt sein soll und als die Identität id definiert ist. Beweis. Wir zeigen das Lemma durch Induktion nach dem Grad n. Induktionsanfang: n = 1. Hier ist die Aussage trivial, da S1 = {id} und die Identität die Verkettung von 0 Transpositionen ist. Induktionsschritt: n ≥ 2. Sei σ ∈ Sn . Wir betrachten die beiden Fälle σ(n) = n und σ(n)  n separat. 1. Fall: σ(n) = n. Dann bildet die Einschränkung von σ auf Xn−1 die Menge Xn−1 wieder auf Xn−1 ab. Es ist also σ| Xn−1 ∈ Sn−1 . Nach Induktionsannahme gibt es Transpositionen τ1, . . . , τN ∈ Sn−1 so dass σ| Xn−1 = τ1 ◦ . . . ◦ τN . Wir setzen die Transpositionen τj von Xn−1 zu Transpositionen τj auf Xn fort, indem wir setzen  τ (k) für k ∈ Xn−1, τj (k) := j n für k = n. Dann gilt σ = τ1 ◦ . . . ◦ τN , wie gewünscht. 2. Fall: σ(n)  n. Sei τ0 die Transposition, die n und σ(n) vertauscht. Dann bildet die Permutation τ0 ◦ σ das Element n auf sich ab. Nach dem ersten Fall, angewandt auf τ0 ◦ σ, gibt es also Transpositionen τ1, . . ., τN , so dass τ0 ◦ σ = τ1 ◦ . . . ◦ τN . Wir verketten von links mit τ0 und erhalten unter Benutzung von τ02 = id, dass σ = τ0 ◦ τ1 ◦ . . . ◦ τN . Wieder haben wir σ als Verkettung von Transpositionen geschrieben.



Ist σ ∈ Sn eine Permutation und {i, j} ⊂ Xn eine 2-elementige Teilmenge, dann setzen wir  1, falls j − i und σ( j) − σ(i) dasselbe Vorzeichen haben, ε(σ, i, j) := −1, falls j − i und σ( j) − σ(i) entgegengesetztes Vorzeichen haben. Nach Definition gilt stets ε(σ, i, j) = ε(σ, j, i). Beispiel 3.39. Ist σ ∈ S3 gegeben durch

,

1 2 3 , 2 3 1

dann ist ε(σ, 1, 2) = 1, weil σ(2) − σ(1) = 3 − 2 = 1 und 2 − 1 = 1 beide positiv sind. Dagegen ist ε(σ, 2, 3) = −1, weil σ(3) − σ(2) = 1 − 3 = −2 negativ ist während 3 − 2 = 1 positiv ist. Genauso sieht man, dass ε(σ, 1, 3) = −1.

144

3. Algebraische Grundbegriffe

Definition 3.40. Für σ ∈ Sn bilden wir das Produkt der Epsilons über alle 2-elementigen Teilmengen von Xn und nennen  ε(σ, i, j) ∈ {−1, 1} = Ω2 sgn(σ) := 1≤i< j≤n

das Signum der Permutation. Die Bedingung i < j bei der Produktbildung stellt sicher, dass jede 2-elementige Teilmenge von Xn nur einmal vorkommt. Beispiel 3.41. Für σ = id gilt , für alle- i und j, dass ε(id, i, j) = 1, also sgn(id) = 1. 1 2 3 ist ε(σ, 1, 2) = 1 und ε(σ, 2, 3) = ε(σ, 1, 3) = −1, also Für σ ∈ S3 gegeben durch 2 3 1 gilt ebenfalls sgn(σ) = ε(σ, 1, 2) · ε(σ, 2, 3) · ε(σ, 1, 3) = 1 · (−1) · (−1) = 1. , 1 2 3 Ist dagegen τ gegeben durch , dann ist ε(τ, 1, 2) = ε(τ, 1, 3) = 1 und ε(τ, 2, 3) = −1. 1 3 2 Also gilt sgn(τ) = 1 · 1 · (−1) = −1. Lemma 3.42. Sei n ∈ N. Die Abbildung sgn : Sn → Ω2 ist ein Gruppenhomomorphismus von (Sn, ◦) nach (Ω2, ·). Beweis. Seien σ, σ  ∈ Sn . Man überlegt sich durch Fallunterscheidung leicht, dass für jede 2-elementige Teilmenge {i, j} ⊂ Xn gilt ε(σ1 ◦ σ2, i, j) = ε(σ1, σ2 (i), σ2 ( j)) · ε(σ2, i, j). Wir berechnen sgn(σ1 ◦ σ2 ) =



ε(σ1 ◦ σ2, i, j)

i< j

=



(ε(σ1, σ2 (i), σ2 ( j)) · ε(σ2, i, j))

i< j

=

 i< j

ε(σ1, σ2 (i), σ2 ( j)) ·



ε(σ2, i, j).

(3.1)

i< j

 Nun haben wir i< j ε(σ2, i, j) = sgn(σ2 ). Da σ2 bijektiv ist, wird im ersten Produkt ebenfalls über alle 2-elementigen Teilmengen von Xn multipliziert. Es gilt also auch

3.2. Zwei Rechenarten im Zusammenspiel: Ringe und Körper

 i< j

ε(σ1, σ2 (i), σ2 ( j)) =

 k m, d.h. haben wir weniger Gleichungen als Variablen, dann besitzt das Gleichungssystem auch eine nichttriviale Lösung, d.h. eine Lösung (x1, . . ., xn )  (0, . . . , 0). Im Fall K = R haben wir das in Bemerkung 2.23 bewiesen. Derselbe Beweis funktioniert auch für allgemeine Körper K; wir haben im Beweis nirgendwo irgendwelche speziellen Eigenschaften der reellen Zahlen benutzt. Beweis von Proposition 3.122. Sei #X = n und X = {v1, . . ., vn } sowie #Y = m und Y = {w1, . . ., wm }. Wir führen die Annahme n > m zum Widerspruch. Da Y ein Erzeugendensystem ist, lässt sich jedes v j aus den wi linearkombinieren, d.h. es gibt Koeffizienten Ai j ∈ K, so dass für alle j = 1, . . ., n gilt v j = A1 j w1 + . . . + Am j wm . Nach Bemerkung 3.123 gibt es im Fall n > m eine Lösung (x1, . . . , xn )  (0, . . ., 0) des Gleichungssystems (3.8). Dann folgt x1 v1 + . . . + xn vn = x1 (A11 w1 + . . . + Am1 wm ) + . . . + xn (A1n w1 + . . . + Amn wm ) = (A11 x1 + . . . + A1n xn )w1 + . . . + (Am1 x1 + . . . + Amn xn )wm = 0 · w1 + . . . + 0 · wm = 0.

3.4. Basen

169

Da v1, . . ., vn paarweise verschieden sind und nicht alle Koeffizienten x j = 0, ist dies eine nichttriviale Linearkombination des Nullvektors. Dies widerspricht der linearen Unabhängigkeit von X.  Als erste Folgerung halten wir die Umkehrung von Lemma 3.119 fest: Korollar 3.124. Sei V ein K-Vektorraum. Enthält V eine unendliche linear unabhängige Teilmenge, so ist V nicht endlich erzeugt. Beweis. Angenommen, V besitzt ein endliches Erzeugendensystem Y und eine unendliche linear unabhängige Teilmenge X. Wähle eine Teilmenge X  ⊂ X mit genau #Y + 1 vielen Elementen. Als Teilmenge von X ist auch X  wieder linear unabhängig. Nun verletzen X  und Y die Ungleichung aus Proposition 3.122.  Beispiel 3.125. Der R-Vektorraum V = Abb(R, R) besitzt unendliche linear unabhängige Teilmengen und ist daher nicht endlich erzeugt. Nach Beispiel 3.102 ist X = { f0, f1, f2, . . .} mit fk (x) = x k linear unabhängig. Genauso ist auch der C-Vektorraum V = Abb(R, C) nicht endlich erzeugt, da nach Beispiel 3.103 die Menge X = { fk | k ∈ Z} mit fk (x) = eik x linear unabhängig ist. Als zweite Folgerung erhalten wir: Korollar 3.126. Sei V ein endlich erzeugter K-Vektorraum. Dann ist jede Basis von V endlich und alle Basen von V haben gleich viele Elemente. Beweis. Da V endlich erzeugt ist und jede Basis linear unabhängig ist, muss sie nach Korollar 3.124 endlich sein. Seien nun B und B zwei Basen von V. Wenden wir Proposition 3.122 mit X = B und Y = B an, so erhalten wir #B ≤ #B. Wir können die Proposition aber auch mit X = B und Y = B anwenden und erhalten #B ≤ #B. Beides zusammen ergibt #B = #B. 

Definition 3.127. Sei V ein K-Vektorraum. Ist B eine endliche Basis von V , dann nennen wir #B ∈ N0 die Dimension von V und schreiben dafür dim(V). Wegen Korollar 3.126 hängt die Dimension nicht von der Wahl der Basis B, sondern nur von V ab. Ist V nicht endlich erzeugt, so schreiben wir dim(V) = ∞. Wir sagen ferner, der Vektorraum ist dim(V)-dimensional.

170

3. Algebraische Grundbegriffe

Beispiel 3.128. Da die Standardbasis von K n genau n Elemente hat, gilt dim(K n ) = n. Da Abb(R, R) nicht endlich erzeugt ist, gilt dim(Abb(R, R)) = ∞. Beispiel 3.129. Wir hatten C sowohl als reellen als auch als komplexen Vektorraum betrachtet. Möchten man verdeutlichen, welcher Körper K einem Vektorraum V zugrunde gelegt wird, so schreibt man auch dimK (V) statt dim(V). Für V = C hatten wir als Basis über K = R die Menge {1, i} und als Basis über C die Menge {1}. Also ist dimR (C) = 2

und

dimC (C) = 1.

Da R als Q-Vektorraum nicht endlich erzeugt ist, haben wir sogar dimQ (R) = ∞

und

dimR (R) = 1.

Der folgende Satz besagt, dass man (im endlich erzeugten Fall) aus einer linearen unabhängigen Menge eine Basis machen kann, indem man endlich viele geeignete Elemente aus V hinzunimmt. Satz 3.130 (Basisergänzungssatz). Sei V ein endlich erzeugter K-Vektorraum und sei X ⊂ V linear unabhängig. Dann gibt es eine Basis B von V mit X ⊂ B. Beweis. Wir setzen X0 := X und definieren linear unabhängige Mengen X j , die X enthalten, induktiv wie folgt: Ist L(X j ) = V , dann ist X j eine Basis von V und der Satz ist mit B = X j bewiesen. Ist hingegen L(X j )  V, dann wählen wir ein Element v j+1 ∈ V \ L(X j ) und setzen X j+1 := X ∪ {v j+1 }. Wegen Lemma 3.111 ist X j+1 wiederum linear unabhängig und enthält X j und damit auch X. Außerdem hat X j+1 ein Element mehr als X j . Da eine linear unabhängige Teilmenge von V nicht mehr als dim(V) viele Elemente haben kann, bricht die Prozedur irgendwann ab und der Satz ist bewiesen.  Korollar 3.131. Sei V ein K-Vektorraum und W ⊂ V ein Untervektorraum. Ist V endlich erzeugt, so ist auch W endlich erzeugt und es gilt dim(W) ≤ dim(V). Gilt unter diesen Voraussetzungen ferner dim(W) = dim(V), so ist W = V. Beweis. Wäre W nicht endlich erzeugt, so enthielte W gemäß Lemma 3.119 eine unendliche linear unabhängige Teilmenge X. Damit enthielte auch V diese unendliche linear unabhängige Teilmenge X und wäre nach Korollar 3.124 nicht endlich erzeugt, im Widerspruch zur Annahme. Also ist W endlich erzeugt.

3.4. Basen

171

Gemäß Korollar 3.121 besitzt W eine endliche Basis B ⊂ W. Nun ist B auch eine linear unabhängige Teilmenge von V und kann gemäß Satz 3.130 zu einer Basis B von V ergänzt werden. Insbesondere gilt dim(W) = #B ≤ #B = dim(V). Gilt nun ferner dim(W) = dim(V ), so muss B = B sein und damit W = L(B) = L(B) = V.  Grob gesprochen besagt der Basisauswahlsatz, dass man eine Basis bekommen kann, indem man aus einem Erzeugendensystem überflüssige Elemente entfernt, und der Basisergänzungssatz, dass man eine Basis bekommen kann, indem man zu einer linear unabhängigen Teilmenge geeignete Elemente hinzufügt. Fassen wir kurz zusammen. Ist V ein K-Vektorraum, so sind äquivalent: (1) V ist endlich erzeugt. (2) V hat eine endliche Basis. (3) dim(V ) < ∞. (4) Alle linear unabhängigen Teilmengen sind endlich.

Dass es überhaupt immer eine Basis gibt, haben wir nur für endlich erzeugte Vektorräume bewiesen. Tatsächlich gilt Satz 3.132. Sei K ein beliebiger Körper und V ein beliebiger K-Vektorraum. Dann besitzt V eine Basis. Versucht man, den Beweis des Basisauswahlsatzes 3.120 anzupassen, stößt auf das Problem, dass das sukzessive Weglassen überflüssiger Elemente aus einem unendlichen Erzeugendensystem niemals zu enden braucht. Diese Schwierigkeit kann aber mittels eines mengentheoretischen Hilfsmittels, dem so genannten „Lemma von Zorn“, behoben werden. Für die Einzelheiten hierzu und einen Beweis von Satz 3.132 siehe z.B. [11, Abschnitt 2.3]. In einer Menge gibt es für die Elemente keine vorgegebene Reihenfolge. Wenn wir später lineare Abbildungen einführen und sie durch Matrizen beschreiben, brauchen wir aber eine Reihenfolge der Basisvektoren. Daher machen wir die folgende Definition: Definition 3.133. Sei V ein K-Vektorraum. Ein n-Tupel paarweise verschiedener Vektoren (v1, . . . , vn ) aus V heißt geordnete Basis von V, wenn {v1, . . ., vn } eine Basis im herkömmlichen Sinn ist.

172

3. Algebraische Grundbegriffe

Beispiel 3.134. Für V = K n ist (e1, . . ., en ) die geordnete Standardbasis, wobei die Vektoren e1, . . . , en so sind wie in Beispiel 2.40. Setzen wir n ≥ 2 voraus. Dann ist (e2, e1, e3, . . ., en ) eine andere geordnete Basis von K n als die geordnete Standardbasis, wohingegen {e2, e1, e3, . . . , en } = {e1, e2, e3, . . ., en } die Standardbasis ist.

3.5. Aufgaben 3.1. a) Zeigen Sie, dass in jeder Gruppe (G, ∗) die Kürzungsregel gilt: Sind g, x, y ∈ G mit g ∗ x = g ∗ y, dann gilt x = y. b) Zeigen Sie durch Gegenbeispiel, dass die Kürzungsregel in Halbgruppen im Allgemeinen nicht gilt. c) Sei (G, ∗) eine Gruppe mit neutralem Element e und seien g, h ∈ G. Zeigen Sie, dass aus g ∗ h = e oder h ∗ g = e bereits folgt, dass h das zu g inverse Element ist. Das können wir folgendermaßen ausdrücken: in Gruppen sind Linksinverse automatisch auch Rechtsinverse und umgekehrt. Das ist praktisch, halbiert es doch den Rechenaufwand beim Nachprüfen, dass ein Element das Inverse eines anderen Elements ist. d) Zeigen Sie durch Gegenbeispiel, dass die Aussage c) in Halbgruppen im Allgemeinen nicht richtig ist. 3.2. Zeigen Sie durch vollständige Induktion, dass die symmetrische Gruppe Sn genau n! Elemente hat. 3.3. Listen Sie alle Untergruppen von S3 auf. 3.4. Sei (G, ∗) eine Gruppe und H ⊂ G eine Teilmenge, die das neutrale Element enthält. Zeigen Sie, dass H genau dann eine Untergruppe ist, wenn für alle h1, h2 ∈ H gilt: h1 ∗ (h2 )−1 ∈ H. 3.5. Zeigen Sie, dass GL(n, R) für n ≥ 2 nicht abelsch ist. 3.6. Zeigen Sie, dass für jede Transposition τ gilt: sgn(τ) = −1. 3.7. Eine deutsche IBAN (International Bank Account Number) setzt sich folgendermaßen zusammen: Die Länderkennung DE wird gefolgt von zwei Prüfziffern, dann 8 Ziffern, die die Bank festlegen (die ehemalige Bankleitzahl), und schließlich 10 Ziffern für die eigentliche Kontonummer bei dieser Bank. Die Prüfziffern sollen für eine gewissen Redundanz sorgen und z.B. verhindern, dass bei Schreibfehlern eine Überweisung auf dem falschen Konto landet. Dabei sind die Prüfziffern so zu wählen, dass folgende Rechnung zum Ergebnis 1 führt:

3.5. Aufgaben

173

1. Bewege die Länderkennung und die beiden Prüfziffern vom Anfang an das Ende der IBAN. Beispiel: DE68210501700012345678 ; 210501700012345678DE68 2. Ersetze die Buchstaben durch Ziffern, wobei A=10, B=11, . . . , Z=35 ist. Beispiel: 210501700012345678DE68 ; 210501700012345678131468 3. Diese Ziffernfolge betrachten wir nun als (große) ganze Zahl und verlangen, dass der Rest modulo 97 uns 1 liefert. Beispiel: MOD97 (210501700012345678131468) = 1 gilt tatsächlich, also ist unsere IBAN gültig und wird für eine Überweisung akzeptiert. Bei einer Schweizer IBAN ist die Länderkennung CH und nach den beiden Prüfziffern folgen nur 17 Stellen (statt 18), bei einer österreichischen kommen nach der Länderkennung AT und den beiden Prüfziffern noch 16 Stellen. Wie müssen in den folgenden Beispielen die Prüfziffern lauten, damit die IBANs gültig sind? a) DE?? 1509 1704 0120 6889 79 b) AT?? 2011 1826 9136 0700 3.8. Sei n ∈ N. Zeigen Sie: a) Die Abbildung Z → Z/n, k → MODn (k), ist ein Gruppenhomomorphismus von (Z, +) nach (Z/n, +n ). b) Die Abbildung Z → Ωn , k → e2πik/n , ist ein Gruppenhomomorphismus von (Z, +) nach (Ωn, ·). c) In beiden Fällen ist der Kern des Homomorphismus nZ. 3.9. Sei n ∈ N, n ≥ 2. Wir definieren eine Multiplikation auf Z/n so ähnlich, wie wir es mit der Addition gemacht haben, nämlich durch k ·n l := MODn (k · l) für alle k, l ∈ Z/n = {0, 1, . . . , n − 1}. Zeigen Sie: a) (Z/n, +n, ·n ) ist ein Ring. b) Die Abbildung f : k → MODn (k) ist ein einserhaltender Ringhomomorphismus von (Z, +, ·) nach (Z/n, +n, ·n ). 3.10. Sei X eine Menge und R := P(X) ihre Potenzmenge. Für A, B ∈ R definieren wir die symmetrische Differenz AΔB := (A \ B) ∪ (B \ A). Für A, B ∈ R sind AΔB und A ∩ B selbstverständlich wieder Elemente von R.

174

3. Algebraische Grundbegriffe

a) Zeigen Sie: (R, Δ, ∩) ist ein kommutativer Ring mit Eins. b) Welche Elemente von R sind invertierbar bzgl. der „Multiplikation“ ∩? c) Für welche Mengen X ist R ein Körper? 3.11. Hier behandeln wir eine alternative Möglichkeit, die komplexen Zahlen einzuführen. Sei dazu    x −y  R := x, y ∈ R , y x  versehen mit der komponentenweisen Addition “+” und der Matrixmultiplikation “·”. Zeigen Sie: a) (R, +, ·) ist ein Unterring von (Mat(2 × 2, R), +, ·). b) (R, +, ·) ist isomorph zum Körper C der komplexen Zahlen (mit der üblichen Addition und Multiplikation). 3.12. Sei R = Abb(X, R) der Ring der reellen Funktionen auf einer Menge X wie in Beispiel 3.46. Zeigen Sie: Hat X mehr als ein Element, so ist R nicht nullteilerfrei. 3.13. Sei R := {x + iy | x, y ∈ Z}. Man nennt die Elemente von R Gauß’sche Zahlen. a) Zeigen Sie, dass R ein Unterring von C ist. b) Zeigen Sie, dass für jedes z ∈ R gilt |z| 2 ∈ Z. c) Zeigen Sie, dass für jedes multiplikativ invertierbare Element z ∈ R gilt |z| = 1. d) Bestimmen Sie alle multiplikativ invertierbaren Elemente von R. 2π



3.14. Sei ρ+ = ei 3 = − 12 + 23 i die dritte Einheitswurzel, wie sie schon mehrfach vorkam. Wir setzen R := {x + yρ+ | x, y ∈ Z}. Man nennt die Elemente von R Eisensteinzahlen. a) Zeigen Sie, dass R ein Unterring von C ist. Hinweis: Rechnen Sie nach, dass 1 + ρ+ + ρ2+ = 0. b) Zeigen Sie, dass für jedes z ∈ R gilt: |z| 2 ∈ Z. c) Zeigen Sie, dass für jedes multiplikativ invertierbare Element z ∈ R gilt: |z| = 1. d) Bestimmen Sie alle multiplikativ invertierbaren Elemente von R. e) Zeichnen Sie alle Eisensteinzahlen z mit |z| ≤ 2.

3.5. Aufgaben

175

3.15. Sei K ein Körper. Für a, b ∈ K mit b  0 führen wir die Bruchnotation ab := a · b−1 ∈ K ein. Beweisen Sie die nachfolgenden Regeln der Bruchrechnung in K. Geben Sie bei jeder Umformung an, welche Körper- oder Ringeigenschaft (z.B. aus Definition 3.44, 3.64 oder Lemma 3.56) Sie dabei benutzen. λa λb

=

a b

b) Für alle a, μ ∈ K und b ∈ K × gilt: μ ·

a b

=

c) Für alle a, c ∈ K und b, d ∈ K × gilt:

·

c d

a) Für alle a ∈ K und b, λ ∈ K × gilt:

a b

(Erweitern und Kürzen) μ·a b .

=

(Produkt von Bruch mit Zahl)

a·c b·d .

(Produkt zweier Brüche)

d) Für alle a, c ∈ K und b, d ∈ K × gilt: ab + dc = a·d+b·c b·d . (Summe zweier Brüche)   −1 b e) Für alle a, b ∈ K × gilt: ab = a . (Inverses eines Bruchs) f) Für alle a ∈ K und b ∈ K × gilt: − ab = 3.16. Zeigen Sie, dass

−a b

=

a −b .

(Negatives eines Bruchs)

√ √ Q[ 2] := {x ∈ R | ∃q, p ∈ Q : x = q + p · 2}

ein Unterkörper von R ist. 3.17. Da 4 keine Primzahl ist, ist Z/4 kein Körper. Es gibt aber sehr wohl einen Körper mit 4 Elementen, wie diese Aufgabe zeigt. Sei dazu K = {0, 1, α, β}. Wir definieren die Addition und die Multiplikation mittels folgender Tabellen: + 0 1 α β

0 0 1 α β

1 1 0 β α

α α β 0 1

β β α 1 0

· 0 1 α β

0 0 0 0 0

1 0 1 α β

α 0 α β 1

β 0 β 1 α

Tab. 23 Verknüfungstabellen von K

a) Zeigen Sie, dass (K, +, ·) ein Körper ist. b) Zeigen Sie, dass es einen zu Z/2 isomorphen Unterkörper von K gibt. 3.18. In Aufgabe 3.10 wurde gezeigt, dass (R, Δ, ∩) ein Ring ist, wobei X eine Menge ist, R = P(X) und AΔB = (A \ B) ∪ (B \ A). Insbesondere ist also (R, Δ) eine abelsche Gruppe. Wir definieren • : F2 × R → R durch 0 • A := ∅ und 1 • A := A. Zeigen Sie, dass (R, Δ, •) ein F2 -Vektorraum ist. 3.19. Sei V ein K-Vektorraum und seien W1, . . . , Wn ⊂ V Untervektorräume. Wir setzen V1 := (W1 + W2 ) ∩ W3 und V2 := (W1 ∩ W3 ) + (W2 ∩ W3 ).

176

3. Algebraische Grundbegriffe

a) Zeigen Sie: L(W1 ∪ . . . ∪ Wn ) = W1 + . . . + Wn . b) Beweisen Sie bzw. widerlegen Sie durch Gegenbeispiel: V1 ⊂ V2 . c) Beweisen Sie bzw. widerlegen Sie durch Gegenbeispiel: V2 ⊂ V1 . 3.20. Sei K = R und V = Abb(R, R). Zeigen Sie, dass X = {gk | k ∈ N0 } ∪ {h k | k ∈ N} linear unabhängig ist, wobei gk und h k wie in Beispiel 3.96 sind. 3.21. Sei K ein Körper und K  ⊂ K ein Unterkörper. Sei V ein K-Vektorraum. In Beispiel 3.77 wurde erläutert, dass V dann auch ein K -Vektorraum ist. Sei X ⊂ V. Zeigen Sie: Ist X linear unabhängig über K, so auch über K .

4. Lineare Abbildungen Das Leben ist dynamisch. Linear ist Wunschdenken. (Torsten Marold)

Nun kommen wir zum zentralen Gegenstand der linearen Algebra, den linearen Abbildungen zwischen Vektorräumen.

4.1. Grundlegende Definitionen Definition 4.1. Sei K ein Körper und seien V und W zwei K-Vektorräume. Eine Abbildung ϕ : V → W heißt K-linear oder K-Vektorraumhomomorphismus, falls gilt: 1. Die Abbildung ϕ ist ein Gruppenhomomorphismus bzgl. der Addition, d.h. für alle v, v  ∈ V gilt ϕ(v + v ) = ϕ(v) + ϕ(v ) . 2. Für jedes v ∈ V und jedes λ ∈ K ist ϕ(λ · v) = λ · ϕ(v) .

Bemerkung 4.2. Ist aus dem Kontext klar, welcher Körper zugrunde gelegt wird, so sagt man auch einfach ϕ sei linear bzw. ein Vektorraumhomomorphismus. Bemerkung 4.3. Die beiden Bedingungen aus Definition 4.1 lassen sich zu einer zusammenfassen: Für alle v, v  ∈ V und alle λ, λ ∈ K gilt: ϕ(λ · v + λ · v ) = λ · ϕ(v) + λ · ϕ(v ) .

(4.1)

Aus (4.1) folgt mit λ = λ = 1 die Bedingung 1 und mit λ = 0 die Bedingung 2. Umgekehrt folgt aus 1 und 2 zusammen auch das Axiom (4.1), denn: 1 2 ϕ(λ · v + λ · v ) = ϕ(λ · v) + ϕ(λ · v ) = λ · ϕ(v) + λ · ϕ(v ) . © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 C. Bär, Lineare Algebra und analytische Geometrie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22620-6_4

178

4. Lineare Abbildungen

Beispiel 4.4. Sei K ein beliebiger Körper und seien V und W beliebige K-Vektorräume. Dann ist die Nullabbildung ϕ : V → W, die jeden Vektor aus V auf den Nullvektor aus W abbildet, linear. Sind nämlich v, v  ∈ V und λ, λ ∈ K, dann gilt: ϕ(λ · v + λ · v ) = 0 = λ · 0 + λ · 0 = λ · ϕ(v) + λ · ϕ(v ). Ist V = W, dann ist auch die Identität ψ = idV : V → V linear, denn ψ(λ · v + λ · v ) = λ · v + λ · v  = λ · ψ(v) + λψ(v ). Beispiel 4.5. Sei zunächst K = R, V = W = R und ϕ(x) = x 2 . Dann ist ϕ nicht linear, denn wir haben z.B. ϕ(1 + 1) = (1 + 1)2 = 4, aber ϕ(1) + ϕ(1) = 12 + 12 = 2. Ist aber K = F2 , V = W = F2 und ϕ(x) = x 2 , dann gilt ϕ(0) = 02 = 0 und ϕ(1) = 12 = 1. Also ist ϕ = idF2 und somit linear. Beispiel 4.6. Sei K ein Körper, V = K m und W = K n . Sei A ∈ Mat(n × m, K). Dann sagen uns Satz 3.50 (vii) und Gleichung (3.2), dass die Abbildung K m → K n,

x → A · x,

linear ist. Wir werden sehen, dass jede lineare Abbildung K m → K n von dieser Form ist, d.h. zu einer Matrix aus Mat(n × m, K) gehört. Beispiel 4.7. Sei K = R, V = C 1 (R, R) der Vektorraum der stetig differenzierbaren reellen Funktionen und W = C 0 (R, R) der Vektorraum der stetigen reellen Funktionen. Dann lernt man in der Analysis, dass die Differentiationsabbildung d : C 1 (R, R) → C 0 (R, R), dx

f →

df = f , dx

linear ist. Beispiel 4.8. Sei K = R, V = C 0 ([a, b], R) und W = R. Hier ist a < b vorausgesetzt. Wiederum in der Analysis lernt man, dass die Integrationsabbildung ∫b C ([a, b], R) → R, 0

f →

f (x) dx, a

linear ist. Beispiel 4.9. Sei nun V = W = C. Ist die komplexe Konjugation ϕ : C → C, ϕ(z) = z¯, linear? Das kommt darauf an, ob wir C als reellen oder als komplexen Vektorraum auffassen. Nach Satz 2.110 ist die Additivität in Ordnung, ϕ(z + z) = z + z = z¯ + z¯ = ϕ(z) + ϕ(z).

4.1. Grundlegende Definitionen

179

Sind λ, z ∈ C, dann gilt ϕ(λ · z) = λ · z = λ¯ · z¯ = λ¯ · ϕ(z). Für die Linearität brauchen wir jedoch ϕ(λ · z) = λ · ϕ(z). Für reelle λ ist das ok, denn dann ist λ¯ = λ. Für nichtreelle komplexe λ ist λ¯  λ. Kurz: ϕ ist R-linear, aber nicht C-linear. Satz 4.10. Seien V und W zwei K-Vektorräume und sei ϕ : V → W eine lineare Abbildung. Dann gilt: (i) Es ist ϕ(0) = 0. (ii) Für alle v, v  ∈ V ist ϕ(v − v ) = ϕ(v) − ϕ(v ). (iii) Für alle v1, . . ., vn ∈ V und für alle λ1, . . ., λn ∈ K ist ϕ(λ1 v1 + . . . + λn vn ) = λ1 ϕ(v1 ) + . . . + λn ϕ(vn ) .

(4.2)

(iv) Ist V  ⊂ V ein Untervektorraum von V, so ist ϕ(V ) ⊂ W ein Untervektorraum von W. (v) Ist W  ⊂ W ein Untervektorraum von W, so ist ϕ−1 (W ) ⊂ V ein Untervektorraum von V. (vi) Ist Z ein weiterer K-Vektorraum und ψ : W → Z eine weitere lineare Abbildung, dann ist auch ψ ◦ ϕ : V → Z linear. (vii) Ist ϕ bijektiv, so ist die Umkehrabbildung ϕ−1 : W → V ebenfalls linear.

Beweis. Aussagen (i) und (ii) folgen aus Proposition 3.30 und der Tatsache, dass ϕ ein Gruppenhomomorphismus von (V, +) nach (W, +) ist. Aussage (iii) zeigt man mittels vollständiger Induktion nach n. Für n = 1 ist die Aussage klar aufgrund der Definition von Linearität. Sei nun n ≥ 2 und die Aussage für weniger als n Summanden bewiesen. Dann berechnen wir: ϕ(λ1 v1 + . . . + λn vn ) = ϕ(λ1 v1 + . . . + λn−1 vn−1 ) + ϕ(λn vn ) = λ1 ϕ(v1 ) + . . . + λn−1 ϕ(vn−1 ) + λn ϕ(vn ).

(4.3)

Dabei haben wir bei der Umformung (4.3) die Induktionsannahme benutzt. Zu (iv): Wegen (i) ist 0 = ϕ(0) ∈ ϕ(V ). Sind w1, w2 ∈ ϕ(V ) und λ1, λ2 ∈ K, dann können wir v j ∈ V wählen, so dass ϕ(v j ) = w j und wir berechen: λ1 w1 + λ2 w2 = λ1 ϕ(v1 ) + λ2 ϕ(v2 ) = ϕ(λ1 v1 + λ2 v2 ) ∈ ϕ(V ).

180

4. Lineare Abbildungen

Zu (v): Wegen (i) ist ϕ(0) = 0 ∈ W  und damit 0 ∈ ϕ−1 (W ). Seien v1, v2 ∈ ϕ−1 (W ) und λ1, λ2 ∈ K. Dann gilt ϕ(λ1 v1 + λ2 v2 ) = λ1 ϕ(v1 ) + λ2 ϕ(v2 ) ∈ W , also λ1 v1 + λ2 v2 ∈ ϕ−1 (W ). Zu (vi): Für v1, v2 ∈ V und λ1, λ2 ∈ K rechnen wir nach: (ψ ◦ ϕ)(λ1 · v1 + λ2 · v2 ) = ψ(ϕ(λ1 · v1 + λ2 · v2 )) = ψ(λ1 · ϕ(v1 ) + λ2 · ϕ(v2 )) = λ1 · ψ(ϕ(v1 )) + λ2 · ψ(ϕ(v2 )) = λ1 · (ψ ◦ ϕ)(v1 ) + λ2 · (ψ ◦ ϕ)(v2 ). Zu (vii): Wegen Proposition 3.30 (iii) ist ϕ−1 auch additiv, d.h. erfüllt Bedingung 1 in Definition 4.1. Sei nun w ∈ W und λ ∈ K. Setze v := ϕ−1 (w). Wenden wir ϕ−1 auf beide Seiten von λ · ϕ(v) = ϕ(λ · v) an, so erhalten wir ϕ−1 (λ · w) = ϕ−1 (λ · ϕ(v)) = ϕ−1 (ϕ(λ · v)) = λ · v = λ · ϕ−1 (w). Damit erfüllt ϕ−1 auch Bedingung 2 aus Definition 4.1.



Definition 4.11. Seien V und W zwei K-Vektorräume und sei ϕ : V → W linear. Dann heißt ker(ϕ) := ϕ−1 ({0}) = {v ∈ V | ϕ(v) = 0} der Kern von ϕ. Wie für jede Abbildung heißt im(ϕ) = ϕ(V) ⊂ W das Bild von ϕ. Korollar 4.12. Seien V und W zwei K-Vektorräume und sei ϕ : V → W linear. Dann sind ker(ϕ) ⊂ V und im(ϕ) ⊂ W Untervektorräume. Beweis. Offensichtlich ist ker(ϕ) = ϕ−1 ({0}) und im(ϕ) = ϕ(V). Da nun {0} ⊂ W und V ⊂ V Untervektorräume sind, folgt die Behauptung aus Satz 4.10.  Aus Proposition 3.34 (ii) und (iv) erhalten wir ferner:

4.1. Grundlegende Definitionen

181

Korollar 4.13. Seien V und W zwei K-Vektorräume und sei ϕ : V → W linear. Dann ist ϕ surjektiv genau dann, wenn im(ϕ) = W und injektiv genau dann, wenn ker(ϕ) = {0}.  Beispiel 4.14. Sei K ein Körper und ϕ : K m → K n , ϕ(x) = A · x, wie in Beispiel 4.6 durch Multiplikation mit der Matrix A gegeben. Dann ist der Kern von ϕ ker(ϕ) = {x ∈ K m | A · x = 0} = Lös(A, 0) nichts anderes als die Lösungsmenge des homogenen linearen Gleichungssystems A · x = 0. Somit stellt sich Satz 2.17, der für K = R besagt, dass Lös(A, 0) ein Untervektorraum von Rm ist, als Spezialfall von Korollar 4.12 heraus. Allgemeiner ist für b ∈ K n die Menge ϕ−1 ({b}) die Lösungsmenge des inhomogenen linearen Gleichungssystems A · x = b. d Beispiel 4.15. Ist K = R und ϕ = dx : C 1 (R, R) → C 0 (R, R) wie in Beispiel 4.7, dann enthält 1 der Kern von ϕ genau die C -Funktionen mit Ableitung 0. Das sind genau die konstanten Funktionen. Also ist ker(ϕ) = R · 1

ein eindimensionaler Untervektorraum des unendlich-dimensionalen Vektorraums C 1 (R, R). Hierbei bezeichnet 1 die konstante Funktion mit 1(x) = 1 für alle x ∈ R. Insbesondere ist d ϕ = dx nicht injektiv. Definition 4.16. Sei K ein Körper und seien V und W zwei K-Vektorräume. Eine lineare Abbildung ϕ : V → W heißt

und

(K-Vektorraum-) Monomorphismus, (K-Vektorraum-) Epimorphismus, (K-Vektorraum-) Isomorphismus, (K-Vektorraum-) Endomorphismus, (K-Vektorraum-) Automorphismus,

falls ϕ injektiv ist, falls ϕ surjektiv ist, falls ϕ bijektiv ist, falls V = W, falls V = W und ϕ bijektiv ist.

Zwei K-Vektorräume V und W heißen isomorph , falls es einen Vektorraumisomorphismus ϕ : V → W gibt. Wir schreiben in diesem Fall V  W. Wir verwenden folgende Notationen: HomK (V, W) := {ϕ : V → W | ϕ ist K-linear} , EndK (V) := HomK (V, V) , AutK (V) := {ϕ ∈ EndK (V ) | ϕ ist bijektiv}.

182

4. Lineare Abbildungen

Ist aus dem Kontext klar, welcher Körper K zugrunde gelegt wird, so schreiben wir auch Hom(V, W) statt HomK (V, W) und analog für EndK (V) sowie AutK (V ). Bemerkung 4.17. Seien V und W zwei K-Vektorräume und sei ϕ : V → W linear. Ist X ⊂ V ein Erzeugendensystem von V, so ist ϕ(X) ⊂ W ein Erzeugendensystem des Bildes ϕ(V). Denn für jedes w ∈ ϕ(V) gibt es ein v ∈ V mit ϕ(v) = w. Da nun X ein Erzeugendensystem von V n ist, so gibt es λ1, . . . , λn ∈ K und v1, . . ., vn ∈ X mit v = i=1 λi vi . Damit ist % $ n n  λi vi = λi ϕ(vi ). w = ϕ(v) = ϕ i=1

i=1

Insbesondere sehen wir: Ist V endlich-dimensional, dann ist auch das Bild ϕ(V) endlichdimensional. Ist X eine Basis von V , dann ist dim(V ) = #X ≥ #ϕ(X) ≥ dim(ϕ(V)). Definition 4.18. Sei K ein Körper, seien V und W zwei K-Vektorräume und sei ϕ : V → W linear. Dann heißt rg(ϕ) := dim(im(ϕ)) der Rang von ϕ.

Satz 4.19 (Dimensionsformel für lineare Abbildungen). Sei K ein Körper und seien V und W zwei K-Vektorräume mit dim(V ) < ∞. Sei ferner ϕ : V → W eine lineare Abbildung. Dann gilt dim V = dim ker(ϕ) + rg(ϕ) . (4.4) Beweis. Nach Voraussetzung ist V endlich-dimensional, also auch ker(ϕ) ⊂ V . Sei also dim V =: n und dim ker(ϕ) =: k ≤ n. Zu beweisen ist dann: rg(ϕ) = n − k. Wir wählen eine Basis {v1, . . ., vk } von ker(ϕ) und ergänzen diese gemäß Satz 3.130 zu einer Basis {v1, . . ., vk , vk+1, . . ., vn } von V. Dann ist {v1, . . ., vn } insbesondere ein Erzeugendensystem von V, und nach Bemerkung 4.17 ist {ϕ(v1 ), . . ., ϕ(vn )} ein Erzeugendensystem von ϕ(V). Da aber v1, . . ., vk ∈ ker(ϕ), also ϕ(v1 ) = . . . = ϕ(vk ) = 0, ist bereits {ϕ(vk+1 ), . . ., ϕ(vn )} ein Erzeugendensystem von ϕ(V). Wir zeigen, dass {ϕ(vk+1 ), . . . , ϕ(vn )} linear unabhängig ist: Seien also λ k+1, . . ., λn ∈ K mit λ k+1 ϕ(vk+1 ) + . . . + λn ϕ(vn ) = 0. Da ϕ linear ist, haben wir ϕ(λ k+1 vk+1 + . . . + λn vn ) = 0, d.h. w := λ k+1 vk+1 + . . . + λn vn ∈ ker(ϕ). Es gibt also Koeffizienten μ1, . . ., μk , so dass w = μ1 v1 + . . . + μk vk . Damit ist 0 = w − w = μ1 v1 + . . . + μk vk + (−λ k+1 )vk+1 + . . . + (−λn )vn . Da aber {v1, . . ., vn } eine Basis von V, also insbesondere linear unabhängig ist, folgt μi = 0 für i = 1, . . ., k und λ j = 0 für j = k + 1, . . ., n. Folglich ist {ϕ(vk+1 ), . . ., ϕ(vn )} ein linear unabhängiges Erzeugendensystem, d.h. eine Basis von ϕ(V). Damit ist rg(ϕ) = dim ϕ(V) = n − k wie behauptet. 

4.1. Grundlegende Definitionen

183

Wir erhalten nun ein Analogon zum Hotelzimmerlemma 1.72 für lineare Abbildungen. Im Gegensatz zum Hotelzimmerlemma brauchen die Vektorräume V und W zwischen denen die lineare Abbildung vermittelt, keine endlichen Mengen zu sein, sondern lediglich endlichdimensional. Korollar 4.20. Seien V und W zwei K-Vektorräume mit dim V = dim W < ∞. Sei ϕ : V → W eine lineare Abbildung. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: (1) Die Abbildung ϕ ist injektiv (d.h. ein Monomorphismus). (2) Die Abbildung ϕ ist surjektiv (d.h. ein Epimorphismus). (3) Die Abbildung ϕ ist bijektiv (d.h. ein Isomorphismus).

Beweis. Es genügt, die Äquivalenz der Aussagen (1) und (2) zu zeigen, denn (1) und (2) zusammen sind offensichtlich äquivalent zu (3). Wir finden: (1), d.h. ϕ ist injektiv ⇐⇒ ker(ϕ) = {0} ⇐⇒ dim ker(ϕ) = 0 (4.4)

⇐⇒ dim V = dim im(ϕ) ⇐⇒ dim W = dim im(ϕ) ⇐⇒ W = im(ϕ) nach Korollar 3.131 ⇐⇒ (2), d.h. ϕ ist surjektiv.



Bemerkung 4.21. Das Korollar gilt nicht für ∞-dimensionale Vektorräume V. Beispiel 4.22. Sei K = R und sei V = C 1 (R, R) sowie W = C 0 (R, R). Dann ist dim V = d dim W = ∞. Die Differentiationsabbildung dx : V → W aus Beispiel 4.7 ist nicht injektiv, wie bereits in Beispiel 4.15 festgestellt. Sie ist aber surjektiv, denn jedes f ∈ C∫0 (R, R) besitzt eine x d Stammfunktion F ∈ C 1 (R, R), die dx F = f erfüllt. Man kann z.B. F(x) = 0 f (t) dt nehmen. Beispiel 4.23. Hier ein Beispiel eines Endomorphismus, der injektiv, aber nicht surjektiv ist. Sei K ein beliebiger Körper und V = Abb(N, K) der K-Vektorraum der K-wertigen Folgen. Man zeigt leicht, dass die Abbildung ϕ : V → V,

(a1, a2, a3, . . .) → (0, a1, a2, a3, . . .),

linear ist. Ist (a1, a2, a3, . . .) ∈ ker(ϕ), dann ist (0, a1, a2, a3, . . .) = (0, 0, 0, 0, . . .). Daher sind alle a j = 0 und damit ist die ursprüngliche Folge die Nullfolge. Der Kern von ϕ ist also der Nullvektorraum, d.h. ϕ ist injektiv. Dagegen ist ϕ nicht surjektiv, da jede Folge, die nicht mit 0 beginnt, nicht im Bild von ϕ liegt.

184

4. Lineare Abbildungen

4.2. Lineare Abbildungen und Matrizen Wir wollen nun abklären, wie lineare Abbildungen mit Matrizen zusammenhängen. In Beispiel 4.6 haben wir gesehen, wie eine Matrix A ∈ Mat(n × m, K) zu einer linearen Abbildung ϕ A : K m → K n führt, nämlich durch die Definition ϕ A(x) = A · x. Jetzt wollen wir uns überlegen, dass jede lineare Abbildung ϕ : K m → K n von dieser Form ist, d.h. von einer Matrix herkommt. Sei also ϕ : K m → K n eine lineare Abbildung. Sei (e1, . . . , em ) die geordnete Standardbasis von K m . Wir definieren a j ∈ K n durch a j := ϕ(e j ). Sei nun A die n × m-Matrix mit den Spaltenvektoren a1, . . ., am , d.h. A = (a1, . . ., am ) ∈ Mat(n × m, K). Wir überprüfen nun, dass die durch diese Matrix gegebene lineare Abbildung ϕ A mit der ursprünglichen linearen Abbildung ϕ übereinstimmt. Sei x ∈ K m . Dann gilt:

ϕ(x) = ϕ

$ m j=1

% xj ej =

m  j=1

m

x1    .  xj ϕ ej = x j a j = (a1, . . ., am ) ..  = A · x = ϕ A(x).  j=1 xm 

Also ist ϕ = ϕ A. Wir sehen hier nicht nur, dass jede lineare Abbildung K m → K n von einer Matrix herkommt, sondern auch wie wir diese Matrix zu einer gegebenen linearen Abbildung finden. Wir müssen die Matrix nehmen, deren Spaltenvektoren die Bilder der Standardbasisvektoren unter der linearen Abbildung sind. Dabei ist es wichtig, dass wir die geordnete Standardbasis genommen haben, da die Reihenfolge der Spaltenvektoren der Matrix von der Reihenfolge der Standardbasisvektoren abhängt. Fassen wir kurz zusammen: Proposition 4.24. Sei K ein Körper. Dann ist die Zuordnung Mat(n×m, K) → Hom(K m, K n ) gegeben durch A → ϕ A bijektiv, wobei ϕ A(x) = A · x. Die Umkehrabbildung Hom(K m, K n ) → Mat(n × m, K) ist gegeben durch ϕ → (ϕ(e1 ), . . ., ϕ(em )).



Definition 4.25. Für ϕ ∈ Hom(K m, K n ) schreiben wir M(ϕ) := (ϕ(e1 ), . . ., ϕ(em )) ∈ Mat(n × m, K) und nennen M(ϕ) die darstellende Matrix von ϕ. Beispiel 4.26. Bestimmen wir die Matrix, die die Drehung (um den Ursprung, im mathematisch positiven Sinn) um den Winkel θ in der Ebene beschreibt. Eine solche Drehung ist eine

4.2. Lineare Abbildungen und Matrizen

185

lineare Abbildung R2 → R2 über dem Körper K = R. Zur Bestimmung der Matrix müssen wir lediglich die Bilder der beiden Standardbasisvektoren finden. Drehen wir e1 = (1, 0) um den Winkel θ, so erhalten wir (cos θ, sin θ) . Drehen wir e2 = (0, 1) , so ergibt sich (− sin θ, cos θ) . 0 

cos θ 

1

− sin θ  cos θ

sin θ

θ

θ

1  0

Abb. 67 Drehung um den Winkel θ

Somit wird die Drehung beschrieben durch die Drehmatrix   cos θ − sin θ Rθ := . sin θ cos θ Bemerkung 4.27. Sind ϕ ∈ Hom(K m, K n ) und ψ ∈ Hom(K n, K l ), dann gilt wegen Satz 3.50 (v) für alle x ∈ K m M(ψ ◦ ϕ) · x = (ψ ◦ ϕ)(x) = ψ(ϕ(x)) = M(ψ) · ϕ(x) = M(ψ) · (M(ϕ) · x) = (M(ψ) · M(ϕ)) · x und somit M(ψ ◦ ϕ) = M(ψ) · M(ϕ). Ist ϕ ein Automorphismus, ϕ ∈ AutK

(K n ),

(4.5)

dann gilt

M(ϕ−1 ) · M(ϕ) = M(ϕ−1 ◦ ϕ) = M(idK n ) = 1n und analog M(ϕ) · M(ϕ−1 ) = 1n . Also ist die Matrix M(ϕ) invertierbar mit M(ϕ)−1 = M(ϕ−1 ). Ähnlich sieht man, dass umgekehrt ϕ ein Automorphismus ist, falls die darstellende Matrix M(ϕ) invertierbar ist. Definition 4.28. Wir nennen GL(n, K) := {A ∈ Mat(n × n, K) | A ist invertierbar} die allgemeine lineare Gruppe. Also ist ϕ ∈ AutK (K n ) genau dann, wenn M(ϕ) ∈ GL(n, K).

186

4. Lineare Abbildungen

Wir haben gesehen, dass lineare Abbildungen K m → K n den n × m-Matrizen entsprechen. Wie sieht das bei linearen Abbildungen zwischen allgemeinen Vektorenräumen V → W aus? Wir werden sehen, dass man lineare Abbildungen zwischen allgemeinen endlich-dimensionalen Vektorräumen ebenfalls durch Matrizen beschreiben kann. Dazu benötigen wir allerdings noch Basen der betreffenden Vektorräume. Lemma 4.29. Sei K ein Körper und V ein K-Vektorraum. Sei B = (v1, . . . , vn ) ein n-Tupel paarweise verschiedener Vektoren in V. Dann ist die Abbildung ΨB : K n → V gegeben durch ΨB (x1, . . ., xn ) = x1 v1 + . . . + xn vn, ein (i) Monomorphismus genau dann, wenn {v1, . . . , vn } linear unabhängig ist, (ii) Epimorphismus genau dann, wenn {v1, . . . , vn } ein Erzeugendensystem von V ist, (iii) Isomorphismus genau dann, wenn B eine geordnete Basis von V ist.

Beweis. Wir überprüfen zunächst die Linearität von ΨB . Seien x = (x1, . . ., xn ) , y = (y1, . . ., yn ) ∈ K n und λ, μ ∈ K. Dann gilt: ΨB (λx + μy) = ΨB (λx1 + μy1, . . ., λxn + μyn ) = (λx1 + μy1 )v1 + . . . + (λxn + μyn )vn = λ(x1 v1 + . . . + xn vn ) + μ(y1 v1 + . . . + yn vn ) = λΨB (x) + μΨB (y). Nun ist ΨB (x) = 0 genau dann, wenn x1 v1 + . . . + xn vn = 0. Also ist ΨB ein Monomorphismus genau dann, wenn ker(ΨB ) = {0}, d.h. genau dann, wenn x1 v1 + . . . + xn vn = 0 nur mit x = 0 möglich ist. Dies ist gerade die Definition von linearer Unabhängigkeit. Somit ist (i) gezeigt. Zu (ii): Aufgrund der Definition ist im(ΨB ) = L({v1, . . ., vn }). Insbesondere ist ΨB ein Epimorphismus genau dann, wenn L({v1, . . ., vn }) = V, d.h. genau dann, wenn {v1, . . . , vn } ein Erzeugendensystem von V ist. Aussage (iii) ist eine Kombination von (i) und (ii).  Korollar 4.30. Sei K ein Körper und V ein n-dimensionaler K-Vektorraum mit n ∈ N0 . Dann ist V  Kn. Beweis. Wähle eine Basis B = {v1, . . . , vn } von V. Dann liefert nach Lemma 4.29 einen Isomorphismus ΨB : K n → V. 

4.2. Lineare Abbildungen und Matrizen

187

Nun können wir auch lineare Abbildungen zwischen beliebigen endlich-dimensionalen K-Vektorräumen durch Matrizen darstellen. Definition 4.31. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum mit geordneter Basis A = (a1, . . . , an ) und W ein m-dimensionaler K-Vektorraum mit geordneter Basis B = (b1, . . ., bm ). Sei ϕ : V → W eine lineare Abbildung. Dann haben wir zusammen mit den Isomorphismen Ψ A : K n → V und ΨB : K m → W folgendes kommutative Diagramm: VO

ϕ

/W O

ΨA

Kn

ΨB −1 ◦ϕ◦Ψ ΨB A

/

Km

Die darstellende Matrix von ϕ bzgl. der geordneten Basen A und B ist die m × n-Matrix MBA(ϕ) := M(ΨB−1 ◦ ϕ ◦ Ψ A) ∈ Mat(m × n, K) .

(4.6)

Die darstellende Matrix einer linearen Abbildung ϕ : K n → K m ist ein Spezialfall der Definition 4.31, indem wir als Basen von K n bzw. K m die geordneten Standardbasen nehmen. Für die geordnete Standardbasis A = (e1, . . . , en ) von K n gilt nämlich Ψ A = idK n und analog für die geordnete Standardbasis von K m . Also gilt dann MBA(ϕ) = M(ΨB−1 ◦ ϕ ◦ Ψ A) = M(id−1 K m ◦ ϕ ◦ idK n ) = M(ϕ). Bemerkung 4.32. Wir wollen nun die Einträge der darstellenden Matrix

MBA(ϕ)

c11 · · · . = .. cm1 · · ·

c1n ..  .  cmn 

berechnen. Betrachten wir dazu das Bild des Basisvektors a j unter der Abbildung ϕ. Aus der Definition des Isomorphismus Ψ A folgt unmittelbar Ψ A(e j ) = a j , wobei e j der j-te Standardbasisvektor von K n ist. Somit ist ϕ(a j ) = ϕ(Ψ A(e j )) = ΨB ◦ (ΨB−1 ◦ ϕ ◦ Ψ A)(e j ) = ΨB (M(ΨB−1 ◦ ϕ ◦ Ψ A) · e j ) (4.6)

= ΨB (MBA(ϕ) · e j )

188

4. Lineare Abbildungen

c1 j

.  = ΨB ..    cm j   m  = ΨB ci j ei =

m 

i=1

ci j bi .

i=1

Wir können die Einträge ci j der darstellenden Matrix MBA(ϕ) also berechnen, indem wir die Bilder ϕ(a j ) der Basisvektoren aus A unter der Abbildung ϕ als Linearkombination bezüglich der geordneten Basis B ausdrücken. Die dabei auftretenden Koeffizienten sind die Einträge der darstellenden Matrix MBA(ϕ). Beispiel 4.33. Sei K = R und k ∈ N0 . Mit Rk [x] bezeichnen wir die Menge der reellen Polynomfunktionen vom Grad ≤ k. In anderen Worten, Rk [x] = L( f0, f1, . . ., fk ), wobei f j (x) = x j . Nun ist Rk [x] ein Untervektorraum von C ∞ (R, R) mit geordneter Basis ( f0, . . . , fk ). Insbesondere ist dim(Rk [x]) = k + 1. Sei V = Rk [x] und W = Rk−1 [x]. Sei ϕ = d/dx : V → W , f → f  , die Differentiationsabbildung aus Beispiel 4.7. Wähle A = ( f0, f1, . . ., fk ) als geordnete Basis von V und B = ( f0, f1, . . . , fk−1 ) als geordnete Basis von W. Aus der Analysis wissen wir, dass ϕ( f j ) = f j = j · f j−1 . Damit erhalten wir die darstellende Matrix 0

0 . A MB (d/dx) = .. 0 0

··· .. . 0 2 .. . . . . . . . .. . 0 0 0 ··· 1

0

0

0

 0 ..  .. . . .  k − 1 0  0 k

Proposition 4.34. Sei K ein Körper und seien V, W und Z endlich-dimensionale KVektorräume. Seien A, B und C geordnete Basen von V, W bzw. Z. Dann gilt für alle linearen Abbildungen ϕ : V → W und ψ : W → Z: MCA(ψ ◦ ϕ) = MCB (ψ) · MBA(ϕ) .

(4.7)

4.2. Lineare Abbildungen und Matrizen

189

Beweis. Wir haben folgendes kommutatives Diagramm: ϕ

VO ΨA

Kn

ψ

/W O ΨB

/

−1 ◦ϕ◦Ψ ΨB A

/

Km

ZO ΨC

−1 ◦ψ◦Ψ ΨC B

/

Kl

Damit erhalten wir für die darstellende Matrix der Verkettung: MCA(ψ ◦ ϕ) = M(ΨC−1 ◦ (ψ ◦ ϕ) ◦ Ψ A)   = M (ΨC−1 ◦ ψ ◦ ΨB ) ◦ (ΨB−1 ◦ ϕ ◦ Ψ A) (4.5)

= M(ΨC−1 ◦ ψ ◦ ΨB ) · M(ΨB−1 ◦ ϕ ◦ Ψ A)

= MCB (ψ) · MBA(ϕ) .



Zur Definition der darstellenden Matrix MBA(ϕ) einer linearen Abbildung ϕ : V → W haben wir geordnete Basen A von V und B von W verwendet. Wir untersuchen nun, wie sich die darstellende Matrix ändert, wenn wir diese Basen wechseln. Definition 4.35. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum, und seien A und A zwei geordnete Basen von V. Dann heißt die darstellende Matrix TAA := M(Ψ−1 A ◦ Ψ A ) ∈ GL(n, K) die Transformationsmatrix des Basiswechsels von A nach A. K n NN NNN Ψ NNNA N

NNN N& 8V p pp pppp ppp ppp Ψ A 

Ψ−1 ◦Ψ A  A



Kn

Bemerkung 4.36. Für die Transformationsmatrix TAA des Basiswechsels von A nach A gilt: A TAA = M(Ψ−1 A ◦ idV ◦ Ψ A ) = M A (idV ) ,

d.h. TAA ist die darstellende Matrix der Identität idV bzgl. der geordneten Basen A (im Vektorraum V, wo die Abbildung idV startet) und A (im Zielraum V der Abbildung idV ). Insbesondere sind die Einträge von TAA nach Bemerkung 4.32 die Koeffizienten ci j der Linearkombinationen n a j = i=1 ci j ai der Vektoren der Basis A (im Startraum) durch die Vektoren der Basis A (im Zielraum). Ferner ist  (TAA )−1 = TAA , (4.8) denn





(4.7)





TAA · TAA = M AA (idV ) · M AA (idV ) = M AA (idV ◦ idV ) = M AA (idV ) = 1n

190

4. Lineare Abbildungen 

und analog TAA · TAA = 1n . Außerdem gilt für drei geordnete Basen A, A und A von V, dass 

TAA · TAA = TAA ,

(4.9)

denn 

−1 −1 −1 −1 A TAA · TAA = M(Ψ−1 A ◦ Ψ A ) · M(Ψ A ◦ Ψ A ) = M(Ψ A ◦ Ψ A ◦ Ψ A ◦ Ψ A ) = M(Ψ A ◦ Ψ A ) = TA .

Proposition 4.37 (Transformationsformel für lineare Abbildungen). Sei V ein endlichdimensionaler K-Vektorraum mit geordneten Basen A und A, sei W ein endlichdimensionaler K-Vektorraum mit geordneten Basen B und B, und sei ϕ : V → W eine lineare Abbildung. Dann gilt für die darstellenden Matrizen von ϕ bzgl. der verschiedenen Basen:   −1  MBA (ϕ) = TBB · MBA(ϕ) · TAA . (4.10)

Beweis. Wir berechnen: 



MBA (ϕ) = MBA (idW ◦ ϕ ◦ idV ) 

(4.7)

= MBB (idW ) · MBA(ϕ) · M AA (idV )

(4.8)



= TBB · MBA(ϕ) · TAA .



Bemerkung 4.38. Speziell für Endomorphismen ϕ : V → V und geordnete Basen B und B von V ergibt sich für die darstellende Matrix MBB (ϕ) =: MB (ϕ) die Transformationsformel: MB (ϕ) = T · MB (ϕ) · T −1 ,

(4.11)

wobei T := TBB . Beispiel 4.39. Sei K = R und V = R2 mit der geordneten Standardbasis B = (e1, e2 ). Sei ϕ die Drehung um den Winkel θ wie in Beispiel 4.26. Dann ist   cos θ − sin θ MB (ϕ) = M(ϕ) = . sin θ cos θ     2 0 Wähle nun = (b1, b2 ) = , als weitere geordnete Basis von R2 . Wir berechnen 0 1 die Einträge der Transformationsmatrix TBB wie in Bemerkung 4.36 angegeben, indem wir die Vektoren von B in der Basis B darstellen: B

4.2. Lineare Abbildungen und Matrizen

191

e1 = 12 · b1 + 0 · b2 , e2 = 0 · b1 + 1 · b2 . Somit sind die Transformationsmatrix TBB und ihre Inverse gegeben durch: 

TBB

1 2

0 = 0 1





und

(TBB )−1

 2 0 = . 0 1

Bezüglich der Basis B hat somit die Drehung ϕ die darstellende Matrix MB (ϕ) = TBB · MB (ϕ) · (TBB )−1     1 0 cos θ − sin θ 2 · = 0 1 sin θ cos θ    1 1 cos θ − sin θ 2 2 · = 2 sin θ cos θ 0   cos θ − 12 sin θ . = 2 sin θ cos θ



2 0 · 0 1  0 1



Auch eine Änderung der Reihenfolge der Basisvektoren ändert die darstellende Matrix. Sei nämlich B = (e2, e1 ) die umgeordnete Standardbasis. Dann sind die Transformationsmatrix TBB und ihre Inverse gegeben durch 

TBB

0 1 = 1 0





und

(TBB )−1

 0 1 = . 1 0

Bezüglich der Basis B hat somit die Drehung ϕ die darstellende Matrix MB (ϕ) = TBB · MB (ϕ) · (TBB )−1       0 1 cos θ − sin θ 0 1 = · · 1 0 sin θ cos θ 1 0     sin θ cos θ 0 1 = · cos θ − sin θ 1 0   cos θ sin θ = . − sin θ cos θ Wir sehen also, dass wir tatsächlich geordnete Basen benötigen, um lineare Abbildungen durch Matrizen zu beschreiben.

192

4. Lineare Abbildungen

  1 Beispiel 4.40. Sei ϕ : → die Spiegelung an der Achse, die durch den Vektor 1     1 −1 und b2 := . aufgespannt wird. Setze b1 := 1 1 R2

R2

b2 0

  1 = b1 1

Abb. 68 Spiegelung an Achse

Dann ist B := (b1, b2 ) eine geordnete Basis von R2 . Ferner ist ϕ(b1 ) = b1 und ϕ(b2 ) = −b2 , so dass die darstellende Matrix von ϕ bzgl. der Basis B nach Bemerkung 4.32 gegeben ist durch:   1 0 . MB (ϕ) = 0 −1 Mittels der Transformationsformel (4.10) können wir die darstellende Matrix von ϕ bzgl. der Standardbasis B = (e1, e2 ) berechnen: Die Vektoren b1 und b2 sind in der Basis B gegeben durch b1 = 1 · e1 + 1 · e2 und b2 = −1 · e1 + 1 · e2 . Damit ist die Transformationsmatrix TBB und ihre Inverse gegeben durch:     1 −1 1 1 1 B B −1 . TB = und (TB ) = 2 −1 1 1 1 Für die darstellende Matrix der Spiegelung ϕ bzgl. der Standardbasis erhalten wir daher:        B  −1 1 1 1 −1 1 0 1 (4.11) B M(ϕ) = MB (ϕ) = TB · MB (ϕ) · TB = · · · 1 1 0 −1 2 −1 1         1 1 0 1 1 0 2 1 1 1 · = = . = 2 1 −1 2 2 0 −1 1 1 0 Definition 4.41. Zwei Matrizen X, Y ∈ Mat(m × n, K) heißen äquivalent, falls es Matrizen S ∈ GL(m, K) und T ∈ GL(n, K) gibt, so dass gilt: Y = S · X · T −1 .

(4.12)

4.2. Lineare Abbildungen und Matrizen

193

Zwei Matrizen X, Y ∈ Mat(m × m, K) heißen ähnlich, falls es eine Matrix T ∈ GL(m, K) gibt, so dass gilt: Y = T · X · T −1 . (4.13)

Bemerkung 4.42. Ist X zu Y äquivalent, so ist auch Y zu X äquivalent, denn aus Y = S · X ·T −1 folgt X = S −1 · Y · T = S −1 · Y · (T −1 )−1 . Jede Matrix X ist zu sich selbst äquivalent; wähle S = 1m und T = 1n . Sind schließlich X und Y äquivalent und auch Y und Z äquivalent, so sind auch X und Z äquivalent. Gilt nämlich Y = S · X · T −1 und Z = S˜ · Y · T˜ −1 , so gilt auch Z = S˜ · S · X · T −1 · T˜ −1 = (S˜ · S) · X · (T˜ · T)−1 . Analoge Bemerkungen gelten für ähnliche Matrizen. Definition 4.43. Eine Abbildung der Form Mat(n × n, K) → Mat(n × n, K) , X → S · X · S −1 , mit S ∈ GL(n, K) heißt Ähnlichkeitstransformation. Bemerkung 4.44. Sind zwei Matrizen ähnlich, so sind sie auch äquivalent (mit S = T), aber die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht, denn äquivalente Matrizen müssen z.B. nicht quadratisch sein. Beispiel 4.45. Seien X = 1n und Y ∈ GL(n, K) mit Y  1n . Dann sind X und Y äquivalent, denn mit S := Y und T := 1n ist S · X · T = Y · 1n · 1n = Y . Anderseits sind X und Y aber nicht ähnlich, denn für jedes T ∈ GL(n, K) ist T · X · T −1 = T · 1n · T −1 = T · T −1 = 1n  Y . Die Einheitsmatrix 1n ist nur zu sich selbst ähnlich, aber zu jeder anderen invertierbaren n × n-Matrix äquivalent. Bemerkung 4.46. Die Transformationsformel (4.10) zeigt, dass die darstellenden Matrizen eines Homomorphismus bzgl. verschiedener Basen der beteiligten Vektorräume zueinander äquivalent sind. Ist umgekehrt X = MBA(ϕ) die darstellende Matrix eines Homomorphismus ϕ ∈ HomK (V, W) bzgl. geordneter Basen A = (a1, . . ., an ) von V und B = (b1, . . ., bm ) von W und ist Y zu X

194

4. Lineare Abbildungen

äquivalent, dann schreiben wir Y = S · X · T −1 . Entsprechend Bemerkung 4.36 definieren wir neue geordnete Basen A = (a1 , . . ., an ) von V und B = (b1, . . ., bm ) von W durch aj :=

n  (T −1 )i j ai i=1

und

bj :=

m 

(S −1 )i j bi .

i=1 

Dann ist T −1 die Transformationsmatrix des Basiswechsels von A nach A, d.h. T −1 = TAA und  damit T = TAA . Analog ist S = TBB . Nun sagt die Transformationsformel Y = MBA (ϕ). Also sind zwei Matrizen genau dann äquivalent, wenn sie denselben Homomorphismus bzgl. möglicherweise verschiedener Basen darstellen. Genauso sieht man, dass zwei Matrizen X und Y genau dann ähnlich sind, wenn sie denselben Endomorphismus bzgl. möglicherweise verschiedener Basen des Vektorraums darstellen, d.h. genau dann, wenn X = MB (ϕ) und Y = MB (ϕ). Beispiel 4.47. Zu θ ∈ R betrachte die Spiegelungsmatrix   cos(2θ) sin(2θ) . Sθ := sin(2θ) − cos(2θ) Diese Matrix stellt die Spiegelung an der Achse durch den Ursprung dar, die mit der e1 -Achse den Winkel θ einschließt. Wir setzen     cos(θ) − sin(θ) vθ := und wθ := . sin(θ) cos(θ) Eine kurze Rechnung zeigt, dass die Drehmatrix   cos(θ) sin(θ) S := R−θ = − sin(θ) cos(θ) invertierbar ist mit der Inversen S −1 = Rθ = (vθ, wθ ), vgl. auch Aufgabe 4.3. Unter Benutzung der Additionstheoreme für Sinus und Kosinus rechnet man zunächst nach, dass       cos(2θ) sin(2θ) cos(θ) − sin(θ) cos(θ) sin(θ) · = . sin(2θ) − cos(2θ) sin(θ) cos(θ) sin(θ) − cos(θ) Damit erhalten wir



   cos(θ) sin(θ) cos(2θ) sin(2θ) · Sθ · S = · − sin(θ) cos(θ) sin(2θ) − cos(2θ)     cos(θ) sin(θ) cos(θ) sin(θ) = · = − sin(θ) cos(θ) sin(θ) − cos(θ)



cos(θ) − sin(θ) S · sin(θ) cos(θ)   1 0 . 0 −1   1 0 . Somit ist jede Spiegelungsmatrix Sθ ähnlich zu der Diagonalmatrix 0 −1 −1



4.2. Lineare Abbildungen und Matrizen

195

Beispiel 4.48. Alice und Bob wollen sich gegenseitig Bilder über das Internet zuschicken. Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf Schwarz-Weiß-Bilder, bei denen jedes Pixel entweder weiß oder schwarz ist. Ein solches Bild mit n × m vielen Pixeln können wir mathematisch durch eine Matrix X ∈ Mat(n × m, F2 ) beschreiben, wobei ein weißes Pixel durch einen Eintrag von 0 an der entsprechenden Stelle der Matrix festgelegt wird, und ein schwarzes Pixel durch 1. Da im Internet Unbefugte leicht „mithören“ können, beschließen Alice und Bob zum Schutz ihrer Privatsphäre die Bilder zu verschlüsseln. Dazu einigen sie sich auf einen Schlüssel, der aus zwei Matrizen S ∈ GL(n, F2 ) und T ∈ GL(m, F2 ) besteht. Diesen Schlüssel halten Alice und Bob geheim, er ist nur ihnen beiden bekannt. Möchte nun Alice Bob ein Bild zusenden, das der Matrix X entspricht, so verschlüsselt sie es zunächst indem sie Y := S · X · T −1 berechnet und Bob Y zusendet. Bob entschlüsselt das Bild dann, indem er X = S −1 · Y · T berechnet. Wollen wir Bilder der mit 10 × 15 Pixeln verschicken, so könnten sich Alice und Bob auf folgende Schlüssel einigen:

S=

1 1 0 0 1 0 0 0 1 0

1 1 1 1 1 1 0 1 0 1

1 0 1 0 0 1 0 0 1 1

0 0 1 1 0 0 0 1 1 0

0 0 1 0 0 0 0 1 1 1

1 0 0 0 0 0 0 0 1 1

1 1 1 1 0 0 0 1 0 0

0 1 0 0 1 1 1 1 1 1

0 1 0 0 0 1 1 1 0 0

1 0 1 0 0 1 1 1 1 0

          ∈ GL(10, F2 )          

mit

S −1

=

1 0 0 1 0 1 1 1 1 0

1 1 1 1 0 0 0 0 1 1

0 0 0 1 0 0 1 0 1 1

1 1 1 1 1 1 1 0 1 1

1 0 0 1 0 0 1 0 0 0

0 0 1 1 0 1 1 0 1 1

0 1 0 0 1 1 1 1 1 1

1 0 0 0 1 0 0 1 0 1

0 1 1 1 0 1 0 1 0 1

1 1 1 0 0 1 1 0 1 1

                   

196

4. Lineare Abbildungen

und

T =

0 0 0 0 0 1 1 1 0 1 0 0 0 0 0

1 1 0 0 1 1 0 1 1 0 1 0 1 0 0

0 1 0 0 0 0 1 1 0 1 1 1 0 0 0

1 1 0 0 1 1 1 1 0 1 1 1 1 0 1

1 0 0 1 1 1 0 0 0 1 1 1 1 1 1

1 1 1 1 0 0 1 0 0 0 1 0 1 1 1

0 1 0 0 0 1 1 1 1 0 1 1 0 1 0

1 0 1 1 1 1 0 0 1 1 1 0 1 0 0

0 1 0 1 1 0 0 1 0 1 0 0 0 1 1

0 1 1 1 0 0 1 0 1 1 1 0 1 0 0

1 1 1 0 0 0 0 1 0 0 1 1 0 0 0

1 0 1 1 0 1 0 0 0 0 1 0 0 1 1

1 1 0 1 1 1 0 0 1 0 1 0 1 1 0

0 0 0 0 1 1 0 1 0 1 0 0 0 1 0

1 0 1 1 1 0 0 1 0 0 0 1 1 1 1

0 1 1 0 1 0 1 0 0 0 1 0 1 0 1

1 1 1 1 0 0 1 1 0 1 1 1 1 1 1

                ∈ GL(15, F2 )                

mit

T −1

=

0 1 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 0

0 1 0 1 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 1

Für das unverschlüsselte Bild,

1 1 1 1 1 1 0 1 0 0 0 1 1 0 0

0 0 1 1 0 1 1 1 1 0 1 1 1 1 1

0 1 0 0 1 0 1 0 1 0 0 1 1 0 1

1 0 1 0 1 0 0 1 0 1 1 0 0 0 1

1 1 1 1 0 0 1 1 1 1 0 1 0 1 1

0 1 1 0 1 1 1 0 1 0 0 1 0 0 1

1 0 0 0 0 1 1 0 1 1 0 0 0 1 1

1 1 0 1 1 1 1 0 1 0 1 1 0 1 1

0 1 0 1 1 1 0 0 1 1 0 1 1 0 1

0 0 1 1 1 0 0 1 0 1 0 1 1 1 0

1 1 0 0 1 1 1 1 0 1 0 1 1 1 1

               .                

4.2. Lineare Abbildungen und Matrizen

197

1

5

10

15

1

1

2

2

3

3

4

4

5

5

6

6

7

7

8

8

9

9

10

10 1

5

10

15

Abb. 69 Unverschlüsseltes Bild

das der Matrix

X =

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 1 1 1 1 1 1 0 0

0 0 1 1 1 1 1 1 0 0

0 0 0 0 1 1 0 0 0 0

0 0 1 1 1 1 1 1 0 0

0 0 1 1 1 1 1 1 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 1 1 1 1 1 1 0 0

0 0 1 1 1 1 1 1 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

                   

entspricht, ergibt die Rechnung Y = S · X · T −1 die verschlüsselte Matrix,

Y = die dem Bild

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 0 0 0 1 0 1 0 1 0

0 0 1 0 1 0 1 1 1 0

0 0 1 0 1 0 1 1 1 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 1 0 1 0 1 1 1 0

0 0 1 0 1 0 1 1 1 0

0 0 1 0 1 0 1 1 1 0

0 0 1 0 1 0 1 1 1 0

1 0 1 0 0 0 0 1 0 0

1 0 1 0 0 0 0 1 0 0

1 0 0 0 1 0 1 0 1 0

0 0 1 0 1 0 1 1 1 0

                   

198

4. Lineare Abbildungen 1

5

10

15

1

1

2

2

3

3

4

4

5

5

6

6

7

7

8

8

9

9

10

10 1

5

10

15

Abb. 70 Verschlüsseltes Bild

enstpricht. Dieses Verschlüsselungsverfahren wäre allerdings nicht wirklich praxistauglich. Zum einen bräuchte man für jede Bildergröße eigene Schlüssel, zum anderen würden manche Bilder nur schwach oder gar nicht verschlüsselt. Ein rein weißes Bild zum Beispiel entspricht der Nullmatrix. Ist aber X die Nullmatrix, dann ist auch Y = S · X · T −1 die Nullmatrix. Dieses Bild ginge also immer unverschlüsselt über das Internet. Für reelle Matrizen haben wir in Definition 2.65 den Rang definiert. Für Matrizen mit Einträgen in einem allgemeinen Körper ist die Definition dieselbe: Definition 4.49. Sei K ein Körper. Für X ∈ Mat(m × n, K) heißt rg(X) := maximale Anzahl linear unabhängiger Spaltenvektoren von X der Rang (bzw. Spaltenrang) von X. In anderen Worten: Sind v1, . . ., vn die Spaltenvektoren von X, dann ist rg(X) = dim(L(v1, . . ., vn )).

Bemerkung 4.50. Nun kennen wir den Rang von Matrizen und den Rang von linearen Abbildungen. Diese beiden Konzepte von Rang vertragen sich gut in dem Sinne, dass der Rang einer darstellenden Matrix eines Homomorphismus ϕ mit dem Rang von ϕ selbst übereinstimmt. Genauer: Sind V und W endlich-dimensionale K-Vektorräume mit geordneten Basen A bzw. B und ist ϕ ∈ Hom(V, W), dann gilt: rg(MBA(ϕ)) = rg(ϕ). Ist nämlich A = (a1, . . ., an ), dann gilt: rg(ϕ) = dim(im(ϕ)) = dim(L(ϕ(a1 ), . . ., ϕ(an ))) = dim(ψB−1 (L(ϕ(a1 ), . . ., ϕ(an ))))

= dim(L(ψB−1 ◦ ϕ(a1 ), . . . , ψB−1 ◦ ϕ(an ))))

4.2. Lineare Abbildungen und Matrizen

199

= dim(L(ψB−1 ◦ ϕ ◦ ψ A (e1 ), . . ., ψB−1 ◦ ϕ ◦ ψ A(en )))) = dim(L(MBA(ϕ) · e1, . . ., MBA(ϕ) · en )) = rg(MBA(ϕ)). Da äquivalente Matrizen denselben Homomorphismus bzgl. verschiedener Basen darstellen, folgt hieraus auch, dass äquivalente Matrizen denselben Rang haben. Satz 4.51. Sei K ein Körper, seien V und W endlich-dimensionale K-Vektorräume, und sei ϕ : V → W eine lineare Abbildung mit Rang rg(ϕ) = r. Dann gibt es geordnete Basen A von V und B von W, so dass die darstellende Matrix MBA(ϕ) die folgende Gestalt hat: r

*+() 1 0 ···

. . 0 .. .. . . .. . . 1 MBA(ϕ) = . .. .. . . .. 0 ··· ···

··· ..

.

0 ..

.

···

···

0 .. . .. . . . .. . . .. . 0 0

      1r 0  . =  0 0     0 

Beweis. a) Wir wählen eine geordnete Basis (b1, . . ., br ) von im(ϕ) und ergänzen diese zu einer geordneten Basis B := (b1, . . . , br , br+1, . . ., bm ) von W. Für j = 1, . . ., r liegt b j ∈ im(ϕ) und kann daher in der Form b j = ϕ(a j ) geschrieben werden, wobei a j ∈ V ein geeignetes Element ist. Wir setzen n := dim(V). Nach der Dimensionsformel (4.4) ist dim ker(ϕ) = dim(V) − dim im(ϕ) = n − r . Wähle also eine geordnete Basis (ar+1, . . ., an ) von ker(ϕ). Wir zeigen nun, dass (a1, . . ., ar , ar+1, . . . , an ) eine geordnete Basis von V ist. b) Dazu reicht es zu zeigen, dass (a1, . . . , ar , ar+1, . . ., an ) linear unabhängig ist, denn dann ist wegen dim(V ) = n die Menge {a1, . . . , ar , ar+1, . . ., an } maximal linear unabhängig damit nach Satz 3.112 eine Basis. Sei also λ 1 a1 + . . . + λ n an = 0 (4.14) für λ1, . . . , λn ∈ K. Dann gilt 0 = ϕ(0) = ϕ(λ1 a1 + . . . + λn an ) = λ1 ϕ(a1 ) + . . . + λr ϕ(ar ) + λr+1 ϕ(ar ) + . . . + λn ϕ(an ) = λ1 b1 + . . . + λr br ,

200

4. Lineare Abbildungen

denn nach Konstruktion ist ϕ(ai ) = bi für i = 1, . . ., r und ϕ(ai ) = 0 für i = r + 1, . . ., n. Nun ist aber (b1, . . ., br ) eine Basis von im(ϕ), also insbesondere linear unabhängig. Somit ist λ1 = . . . = λr = 0. Eingesetzt in Gleichung (4.14) erhalten wir λr+1 ar+1 + . . . + λn an = 0 . Da (ar+1, . . ., an ) eine Basis von ker(ϕ) und damit insbesondere linear unabhängig ist, folgt λr+1 = . . . = λn = 0. Damit ist gezeigt, dass A := (a1, . . ., ar , ar+1, . . . , an ) eine geordnete Basis von V ist. c) Wir haben jetzt eine geordnete Basis A von V und eine geordnete Basis B von W gefunden und müssen nun noch zeigen, dass die darstellende Matrix MBA(ϕ) von ϕ bzgl. dieser Basen die angegebene Form hat. Da für die Basisvektoren aus A gilt: ϕ(ai ) = bi für i = 1, . . ., r und ϕ(ai ) = 0 für i = r + 1, . . ., n, so ist die darstellende Matrix gegeben durch: 0 ··· ··· 0 0 ··· ··· 0 .. .. ..  . 1 .. . . . ..  . . . . .. .. . . . . 0 . .. . . . . .. ..  . . 0 . . . .. .. ..  .. . 1 . . .  .. .. ..  . 0 . . .. .. .. ..  . . . . 0 0 ··· ··· 0 0 ··· ··· 0 ()*+ ()*+

1

0 . .. .. . A MB (ϕ) = . .. .. . . ..

r

Damit ist Satz 4.51 bewiesen.

n−r



Korollar  4.52. Jede Matrix X ∈ Mat(m × n, K) vom Rang r ist äquivalent zu der Matrix 1r 0 .  0 0

Korollar 4.53. Zwei Matrizen X, Y ∈ Mat(m × n, K) sind genau dann äquivalent, wenn sie denselben Rang haben, d.h. rg(X) = rg(Y ). Beweis. In Bemerkung 4.50 haben wir festgestellt, dass äquivalente Matrizen denselben Rang haben. Gilt umgekehrt  rg(X) = rg(Y ) = r, dann sind nach Korollar 4.52 sowohl X als auch Y 1r 0 äquivalent zu , und damit auch zueinander äquivalent.  0 0

4.2. Lineare Abbildungen und Matrizen

201

Bemerkung 4.54. In Beispiel 4.45 haben wir gesehen, dass die Einheitsmatrix 1n nur zu sich selbst ähnlich ist. Jede andere invertierbare Matrix X ∈ GL(n, K) hat aber ebenfalls Rang n. Die Korollare 4.52 und 4.53 gelten also nicht, wenn man das Wort „äquivalent“ durch „ähnlich“ ersetzt. Ein Endomorphismus ϕ ∈ EndK (V) kann im nur bzgl. verschiedener Basen A   Allgemeinen 1r 0 dargestellt werden. und B von V durch eine Matrix der Gestalt 0 0 Da sich der Rang einer Matrix auf ihre Spaltenvektoren bezieht, nennt man ihn auch den Spaltenrang. Analog können wir auch den Zeilenrang einer Matrix definieren: Definition 4.55. Sei K ein Körper und X ∈ Mat(m × n, K). Dann heißt r3g(X) := maximale Anzahl linear unabhängiger Zeilenvektoren von X der Zeilenrang von X.

Von den reellen Matrizen kennen wir bereits das Konzept der transponierten Matrix, die wir bekommen, indem wir Spalten und Zeilen vertauschen. Definition 4.56. Sei

c11 · · · . X = .. cm1 · · ·

c1n ..  .  ∈ Mat(m × n, K) . cmn 

Dann heißt die Matrix

c11 · · · . X := .. c1n · · · 

cm1 ..  .  ∈ Mat(n × m, K) cmn 

die Transponierte von X. Die Abbildung Mat(m × n, K) → Mat(n × m, K), X → X  , heißt Transposition.

(4.15)

202

4. Lineare Abbildungen

Satz 4.57. Sei K ein Körper, seien X, Y ∈ Mat(m × n, K), sei Z ∈ Mat(l × m, K), sei S ∈ GL(m, K), und sei α ∈ K. Dann gilt: (X + Y) (α · X) (X  ) (Z · Y)  −1   S   rg X    r3g X 

= X  + Y , = α · X , = X, = Y  · Z ,   −1 = S , = r3g(X), = rg(X).

(4.16) (4.17) (4.18) (4.19) (4.20) (4.21) (4.22)

Beweis. Die Gleichungen (4.16), (4.17), (4.18), (4.21) und (4.22) erhält man unmittelbar aus der Definition 4.56 der Transponierten sowie der Definition des Spalten- und Zeilenrangs. Die Gleichung (4.19) erhält man durch eine einfache Rechnung: 

(Z · Y )i j = (Z · Y) ji =

m 

Z j k · Yki =

k=1

m 

(Y  )ik · (Z  )k j = (Y  · Z  )i j .

k=1

Schließlich rechnen wir: (4.19)



(S −1 ) · S  = (S · S −1 ) = 1m = 1m und analog S  · (S −1 ) = 1m . Somit ist (S −1 ) die Inverse von S  , wie in Gleichung (4.20) behauptet.  Bemerkung 4.58. Wir haben schon gesehen, dass äquivalente Matrizen denselben (Spalten-) Rang haben. Sie haben aber auch denselben Zeilenrang, d.h. sind X, Y ∈ Mat(m × n, K) äquivalent, so gilt: r3g(X) = r3g(Y ). (4.23) Sind nämlich X und Y äquivalent, so gibt es Matrizen S ∈ GL(m, K) und T ∈ GL(n, K), so dass Y = SXT −1 . Daraus erhalten wir durch Transposition:    (4.19)  −1    −1 (4.20)  = T · X  · S = T  · X  · S . Y  = SXT −1 Somit sind X  und Y  ebenfalls äquivalent und wir erhalten (4.21)

(4.21)

r3g(X) = rg(X  ) = rg(Y  ) = r3g(Y ) . Nun können wir feststellen, dass Spalten- und Zeilenrang einer Matrix stets übereinstimmen. Daher brauchen wir nicht zwischen diesen beiden Konzepten von Rang zu unterscheiden und werden wir künftig nur noch vom Rang der Matrix sprechen.

4.2. Lineare Abbildungen und Matrizen

203

Satz 4.59. Sei K ein Körper und X ∈ Mat(m × n, K). Dann gilt: rg(X) = r3g(X) .

(4.24)

Beweis. Sei   rg(X) = r. Dann ist nach Korollar 4.52 die Matrix X äquivalent zu der Matrix 1r 0 . Somit gilt: 0 0       1r 0 1r 0 1r 0 = rg = r = rg(X).  = rg r3g(X) = r3g 0 0 0 0 0 0

Beispiel 4.60. Bei folgender Matrix sieht man sofort, dass die untere Zeile das Doppelte der oberen ist. Daher gilt     1 2 3 4 1 2 3 4 rg = r3g = 1. 2 4 6 8 2 4 6 8 Zum Schluss dieses Abschnitts noch einige Bemerkungen über lineare Gleichungssysteme. In Abschnitt 2.3 haben wir den Gauß-Algorithmus für reelle lineare Gleichungssysteme kennengelernt. Ersetzen wir die reellen Zahlen durch einen beliebigen Körper, so ändert sich an der Diskussion nichts. Auch Satz 2.67 bleibt gültig. Führt man elementare Zeilentransformationen an einer Matrix A ∈ Mat(m × n, K) durch, so ändert sich die Lösungsmenge des homogenen LGS A · x = 0 nicht, d.h. der Kern von A bleibt unverändert. Aufgrund der Dimensionsformel ändert sich auch der Rang von A dabei nicht. Haben wir A in Zeilenstufenform gebracht, so können wir den (Zeilen-) Rang leicht ablesen; er ist dann die Anzahl der Zeilen, die nicht aus lauter Nullen bestehen. Beispiel 4.61. Um den Rang der Matrix −7 0 −5 −2  −3 0  −6 −1 zu bestimmen, können wir sie durch elementare Zeilentransformationen in Zeilenstufenform bringen, was wir in Beispiel 2.68 bereits getan haben. Wir erhielten die Matrix

7 8 A= 0 0

1 0 0 0

0 1 1 3

0 −1 0 1 3 −2   =: A˜ 0 1 − 13  0 0 0

204

4. Lineare Abbildungen

˜ = 3 und in Zeilenstufenform. Nun hat A˜ drei Zeilen, die nicht nicht nur null sind, also ist rg( A) damit rg(A) = 3.

4.3. Determinanten Als Nächstes führen wir Determinanten ein. Mit ihrer Hilfe kann man überprüfen, ob eine quadratische Matrix invertierbar ist oder nicht. Sie sind aber auch geometrisch sehr nützlich bei der Berechnung von Volumina. Bevor wir zu einer Definition von Determinanten kommen, überlegen wir uns zunächst, was sie tun sollen. Dann werden wir feststellen, dass es genau eine sinnvolle Definition gibt. Da wir es bei Determinaten andauernd mit quadratischen Matrizen zu tun haben, wollen wir die kürzere Notation Mat(n, K) := Mat(n × n, K) verwenden. Definition 4.62. Sei K ein Körper und sei n ∈ N. Eine Abbildung det : Mat(n, K) → K , A → det(A) , heißt Determinantenabbildung, falls sie folgenden Axiomen genügt: (D1) Die Abbildung det ist linear in jeder Zeile, d.h. für jede Matrix A ∈ Mat(n, K) mit Zeilen a1, . . ., an gilt:

a1

a1 ..  ..  .  .    ai−1  ai−1      det λ · ai  = λ · det ai    ai+1  ai+1    ..  ..  .  .    a a n n   und

a1

a1

a1 ..  ..  ..  .  .  .     ai−1  ai−1  ai−1        det ai + ai = det ai  + det ai  .    ai+1  ai+1  ai+1     ..  ..  ..  .  .  .     a a a n n n   

4.3. Determinanten

205

(D2) Die Abbildung det ist alternierend, d.h. falls in einer Matrix A zwei Zeilen übereinstimmen, so ist det(A) = 0. (D3) Die Abbildung det ist normiert, d.h. det(1n ) = 1.

Aus diesen drei Eigenschaften ergeben sich eine ganze Reihe weiterer Eigenschaften von Determinatenabbildungen. Satz 4.63. Sei K ein Körper und sei n ∈ N. Sei det : Mat(n, K) → K eine Determinantenabbildung. Dann gilt für alle A, B ∈ Mat(n, K) und alle λ ∈ K: (D4) det(λ · A) = λn · det(A) .

(4.25)

(D5) Ist eine Zeile von A gleich 0, so ist det(A) = 0 . (D6) Entsteht B aus A durch Vertauschung zweier Zeilen, so ist det(B) = − det(A). (D7) Entsteht B aus A durch Addition des Vielfachen einer Zeile zu einer anderen, so ist det(B) = det(A). (D8) Ist A eine obere Dreiecksmatrix mit den Diagonaleneinträgen λ1, . . . , λn , d.h. hat A die Gestalt λ ∗ ··· ∗

1 0 . . . . . . ...  , A= . . .. . . . . . ∗   0 · · · 0 λn  so ist det(A) = λ1 · · · λn .

Beweis. Zu (D4): Wir berechnen unter Benutzung von (D1): a a λ · a1

1 

1 

λ · a2  a2  λ · a2     det(λ · A) = det λ · a3  = λ · det λ · a3  = λ2 · det λ · a3  .  .  .  ..  ..  ..     λ · a λ · a n n λ · an   

206

4. Lineare Abbildungen

a

1  a2   = . . . = λn · det a3  = λn · det(A) . . ..   an  Zu (D5): Wir berechnen unter Benutzung von (D1):

a1

a1

a1 ..  ..  ..  .  .  .     a  a  a  i−1  i−1  i−1    (D1)  det(A) = det 0  = det 0 · 0 = 0 · det 0  = 0 .    ai+1  ai+1  ai+1     ..  ..  ..  .  .  .     an  an  an  Zu (D6):

a1  Sei A = ...  und es gehe B aus A durch Vertauschung der i-ten mit der j-ten Zeile hervor,  an  wobei wir i < j wählen. Dann erhalten wir aus (D2):

a1

a1

a1 ..  ..  ..  .  .  .     ai−1  ai−1  ai−1        ai  aj  ai + a j     ai+1  ai+1  ai+1     (D2) .  .  .  0 = det ..  = det ..  + det ..     a a a    j−1  j−1  j−1     ai + a j  ai + a j  ai + a j     a j+1  a j+1  a j+1     ..  ..  ..  .  .  .     an  an  an 

4.3. Determinanten

207

a1

a1

a1

a1 ..  ..  ..  ..  .  .  .  .      ai−1  ai−1  ai−1  ai−1          aj  aj  ai  ai      ai+1  ai+1  ai+1  ai+1      .  .  .  .  = det ..  + det ..  + det ..  + det ..      a  a  a  a  j−1  j−1  j−1  j−1      aj  ai  aj  ai      a j+1  a j+1  a j+1  a j+1      ..  ..  ..  ..  .  .  .  .      a a a a n n n n    

(D2)

= 0 + det(A) + det(B) + 0 .

Wir haben also det(A) = − det(B). Zu (D7):

a1 . Sei A = ..  und es gehe B aus A durch Addition des λ-fachen der j-ten Zeile zur i-ten Zeile  an  hervor, wobei j  i. Dann erhalten wir aus (D2): a1

a1

a1

.. ..  ..   .  .   .    ai−1  ai−1  ai−1        ai  aj  ai + λ · a j     (D2) det(B) = det ai+1  = det ai+1  + λ · det ai+1  = det(A) + λ · 0 = det(A) . ..  ..   .. .  .   .    aj    aj aj    .  .   .. ..  ..   .    a a a n n n  Zu (D8): a) Betrachten wir zunächst den Fall, dass λi  0 für alle i = 1, . . . , n. Dann lässt sich die Matrix A durch Operationen wie in (D7) in eine Diagonalmatrix λ 0 ... 0

1 0 . . . . . . ...   B= . . .. . . . . . 0   0 . . . 0 λn 

208

4. Lineare Abbildungen

überführen.1 Mittels (D7) erhalten wir dann: λ 0 ... 0

1 0 . . . . . . ...  (D7)  (D1) det(A) = det . . = λ1 · · · λn · det(1n ) = λ1 · · · λn . . .. . . . . 0   0 . . . 0 λn  b) Sei nun λi = 0 für mindestens ein i ∈ {1, . . . , n}. Wir wählen das maximale solche i, so dass also λi = 0 und λ j  0 für j = i + 1, . . . , n. Wie in a) lässt sich die Matrix A durch elementare Zeilenumformungen wie in (D7) in eine Matrix

λ1 ∗ · · · · · · .. .. . . λi−1 ∗ B = 0 ··· ··· 0 (D7)

(D5)

··· ··· ··· λi+1

überführen.2 Damit ist det(A) = det(B) = 0 = λ1 · · · λn .

···

∗ ..  .  · · · ∗   ··· 0     ..  .  λn  

Satz 4.64. Sei K ein Körper und sei n ∈ N. Sei det : Mat(n, K) → K eine Determinantenabbildung. Dann ist für alle A ∈ Mat(n, K) äquivalent: (1) det(A)  0. (2) rg(A) = n. (3) A ist invertierbar, d.h. A ∈ GL(n, K).

Beweis. Zu „(1)⇔(2)“: In Abschnitt 2.3 haben wir gelernt, dass sich eine Matrix durch Vertauschen von Zeilen und Addition von Vielfachen von Zeilen zu anderen Zeilen in Zeilenstufenform bringen lässt. Im 1Ziehe zunächst geeignete Vielfache des 1/λn -fachen der letzten Zeile von den darüber liegenden Zeilen ab. Dadurch werden alle bis auf den untersten Eintrag in der letzten Spalte = 0. Ziehe anschließend geeignete Vielfache des 1/λn−1 -fachen der vorletzten Zeile von den darüber liegenden Zeilen ab. Dadurch werden alle Einträge oberhalb der Diagonale in der vorletzten Spalte = 0, usw. 2Wir verfahren wie in a) und stoppen nachdem wir die i-te Zeile verarztet haben.

4.3. Determinanten

209

Fall einer quadratischen Matrix erhalten wir somit eine obere Dreiecksmatrix λ ∗ ... ∗

1 0 . . . . . . ...  . A = . . .. . . . . . ∗   0 . . . 0 λn  Wegen (D6) und (D7) ändert die Determinante dabei allenfalls ihr Vorzeichen, det(A) = ± det(A). Auch der Rang einer Matrix ändert sich nicht bei Zeilenumformungen, rg(A) = rg(A). Also haben wir: det(A)  0 ⇐⇒ det(A)  0 (D8)

⇐⇒ λ1 · · · λn  0 ⇐⇒ λ1  0 ∧ . . . ⇐⇒ rg(A) = n ⇐⇒ rg(A) = n .



λn  0

Zu „(3)⇒(2)“: Ist A invertierbar, so ist ϕ A : K n → K n , ϕ A(x) = A · x, bijektiv, insbesondere surjektiv. Also ist im(ϕ A) = K n und damit rg(A) = rg(ϕ A) = dim(K n ) = n. Zu „(2)⇒(3)“: Sei rg(A) = n. Dann ist dim(im(ϕ A)) = rg(ϕ) = rg(A) = n. Also ist im(ϕ A) ein n-dimensionaler Untervektorraum von K n und damit nach Korollar 3.131 im(ϕ A) = K n . Also ist ϕ A surjektiv. Nach Korollar 4.20 ist ϕ A ein Isomorphismus und damit A invertierbar.  Determinantenabbildungen können uns also dabei helfen zu entscheiden, ob eine Matrix invertierbar ist. Allerdings wissen wir noch gar nicht, ob es überhaupt Determinantenabbildungen gibt. Satz 4.65. Für jeden Körper K und jedes n ∈ N, n ≥ 1, gibt es genau eine Determinantenabbildung det : Mat(n, K) → K. 4 : Mat(n, K) → K zwei Determinantenabbildungen Beweis. Eindeutigkeit: Seien det und det und sei A ∈ Mat(n, K) eine Matrix. Wir überführen A mittels spezieller Zeilenumformungen (Zeilenvertauschungen und Addition von Vielfachen von Zeilen zu anderen Zeilen) in eine obere Dreiecksmatrix λ ∗ ... ∗

1 0 . . . . . . ...  . A = . . .. . . . . . ∗   0 . . . 0 λn 

210

4. Lineare Abbildungen

Sei dabei k die Anzahl der Zeilenvertauschungen. Aus den Eigenschaften (D6), (D7) und (D8) erhalten wir dann: det(A) = (−1)k det(A) = (−1)k · λ1 · . . . · λn 4 ) = (−1)k · λ1 · . . . · λn . Also ist det(A) = det(A). 4 und genauso det(A Die Existenz zeigen wir mittels vollständiger Induktion nach n.   Induktionsanfang: Für n = 1 definieren wir det1 : Mat(1, K) → K durch det1 (a) := a. Die Axiome (D1), (D2) und (D3) sind dann offensichtlich erfüllt. Induktionsschritt: Sei n ∈ N, n ≥ 2. Wir zeigen: Gibt es eine Determinantenabbildung det n−1 : Mat(n − 1, K) → K , so gibt es auch eine Determinantenabbildung detn : Mat(n, K) → K. Hierzu konstruieren wir detn aus detn−1 wie folgt: Sei A ∈ Mat(n, K). Für i, j ∈ {1, . . . , n} bezeichne Ai,Strj ∈ Mat(n − 1, K) diejenige (n − 1) × (n − 1)-Matrix, die aus A durch Streichen der i-ten Zeile und der j-ten Spalte entsteht:

AiStr j

a11 .. . := ai1 .. . an1

. . . a1 j . . . a1n . ..  .. . .. .   . . . ai j . . . ain  . .. . . .  . ..  . . . . an j . . . ann 

Sei nun j ∈ {1, . . ., n} fest gewählt. Dann setzen wir: det n (A) :=

n 

(−1)i+ j · ai j · det n−1 (AiStr j ).

(4.26)

i=1

Wir müssen nun nachweisen, dass die so definierte Abbildung detn : Mat(n, K) → K tatsächlich eine Determinantenabbildung ist, d.h. dass sie den Axiomen (D1), (D2) und (D3) genügt: (D1) Es entstehe Aˆ aus A durch Multiplikation der k-ten Zeile mit λ. Dann ist Aˆ Str = AStr , kj kj Str Str ˆ denn die veränderte k-te Zeile wird ja gestrichen. Für i  k entsteht Ai j aus Ai j durch Multiplikation einer Zeile mit λ (nämlich der k-ten, falls i > k, der (k − 1)ten andernfalls). Nach Voraussetzung ist detn−1 eine Determinantenabbildung, so dass Str detn−1 ( AˆiStr j ) = λ · detn−1 (Ai j ). Wir erhalten also für die Determinantenabbildung detn :  ˆ = (−1)k+ j aˆ k j · det n−1 ( Aˆ Str ) + det n ( A) (−1)i+ j aˆi j · det n−1 ( AˆiStr j ) kj ()*+ ()*+ ()*+ ()*+ ik =λak j

=λ·

n 

=AStr kj

(−1)i+ j ai j · det n−1 (AiStr j )

i=1

= λ · det n (A) . Ganz analog zeigt man die Additivität.

=ai j

=λ det n−1 (AStr ij )

4.3. Determinanten

211

(D2) Sei A ∈ Mat(n, K), und seien die k-te und l-te Zeile von A identisch, wobei o.B.d.A. k < l. Falls l  i  k, so besitzt auch die Matrix AiStr j zwei identische Zeilen, so dass Str detn−1 (Ai j ) = 0 ist. In der Formel (4.26) bleiben also nur noch die folgenden beiden Summanden: l+ j det n (A) = (−1)k+ j · a k j · det n−1 (AStr · al j · det n−1 (AStr k j ) + (−1) lj ) .

Da die k-te und l-te Zeile von A übereinstimmen, ist nun a k j = al j für jedes j ∈ {1, . . ., n}. Die Matrizen AStr und AStr sind aus A durch Streichung der j-ten Spalte und kj lj jeweils einer der beiden übereinstimmenden Zeilen entstanden. Somit haben AStr und kj Str aus AStr hervor indem bis auf die Reihenfolge identische Zeilen. Genauer geht A AStr lj kj lj man die l-te Zeile mit allen Zeilen zwischen der k-ten und der l-ten vertauscht. Das macht genau l − k − 1 Zeilenvertauschungen. Somit ist l−k−1 det n−1 (AStr · det n−1 (AStr k j ) = (−1) lj ),

und schließlich   det n (A) = (−1)k+ j+l−k−1 + (−1)l+ j ·al j · det n−1 (AStr lj ) = 0 . ()*+ =0

(D3) Für A = 1n finden wir: det n (A) =

n 

(−1)i+ j · ai j · det n−1 (AiStr j )

i=1

= (−1) j+ j · 1 · det n−1 (AStr jj ) +



(−1)i+ j · 0 · det n−1 (AiStr j )

i j

=

det n−1 (AStr jj )

= det n−1 (1n−1 ) = 1.



Bemerkung 4.66. Nachdem wir gezeigt haben, dass es für jedes n ∈ N genau eine Determinantenabbildung det : Mat(n, K) → K gibt, bezeichnen wir diese Abbildung stets mit det, ohne Kennzeichnung der Zahl n im Index. Die Formel (4.26) bezeichnen wir als Entwicklung der Determinante nach der j-ten Spalte. Interessanterweise hat die Wahl von j keine Rolle gespielt. Mit dem Beweis von Satz 4.65 haben wir auch schon den folgenden Entwicklungssatz gleich mit bewiesen:

212

4. Lineare Abbildungen

Satz 4.67 (Spaltenentwicklungssatz von Laplace). Sei K ein Körper, sei n ≥ 2 und sei A ∈ Mat(n, K) mit den Einträgen ai j und den Streichungsmatrizen AiStr j . Dann gilt det(A) =

n 

(−1)i+ j · ai j · det(AiStr j ).

(4.27)

i=1

für jedes j ∈ {1, . . ., n}.



Bemerkung 4.68. Die Vorzeichen (−1)i+ j in der Laplace-Entwicklung bilden ein Schachbrettmuster: + − + − + −

− + − + − +

+ − + − + −

− + − + − +

+ − + − + −

− + − + − +

Tab. 24 Vorzeichen in der Laplace-Entwicklung

Für kleine Matrizen können wir relativ einfache Formeln für die Determinante angeben. Sei K ein Körper und sei A ∈ Mat(n, K). a) Für n = 1 haben wir einfach A = (a) und det(A) = a, vgl. den Beweis von Satz 4.65.   a b b) Für n = 2 schreiben wir A = und entwickeln nach der ersten Spalte: c d det(A) = a · det((d)) − c · det((b)) = ad − bc. a b c

c) Für n = 3 schreiben wir A = d e f . Entwicklung nach der ersten Spalte liefert: g h i        e f b c b c det(A) = a · det − d · det + g · det h i h i e f = a · (ei − h f ) − d · (bi − hc) + g · (b f − ec) = aei + dhc + gb f − (ah f + dbi + gec). Für diese Formel gibt es als Merkhilfe die Regel von Sarrus. Dazu schreibt man die ersten beiden Spalten nochmal hinter die Matrix. Die Produkte mit positivem Vorzeichen

4.3. Determinanten

213

sind dann die Diagonalprodukte, die von links oben losgehen (blau), die mit negativem Vorzeichen, diejenigen die links unten beginnen (rot). a b c a b

d e f  d e  g h i g h

Beispiel 4.69. Sei K = C und sei A ∈ Mat(3, C) die Matrix 0 1 i

A = 1 i 1 . 2 3 4 Wir können die Determinante berechnen, indem wir sie durch spezielle Zeilentransformationen in obere Dreiecksform bringen: 2

det(A) = − det 1 0 $ = −2 · i −

3 i 1 % 3 2

3 4 2 3 4 4

2



3 3 −1  1 = − det 0 i − 2 −1 = − det 0 i − 2  0 0 i + i−13 i 1 i  0 2 $ % % $ 1 3 · i+ i − 2 = 3i . = −2 i − 2 i − 32

Wir können aber auch die Regel von Sarrus anwenden und erhalten ebenfalls det(A) = 0 · i · 4 + 1 · 1 · 2 + i · 1 · 3 − 2 · i · i − 3 · 1 · 0 − 4 · 1 · 1 = 0 + 2 + 3i + 2 − 0 − 4 = 3i. In diesem Beispiel ist die Regel von Sarrus weniger rechenaufwändig und daher eine bequeme Möglichkeit, die Determinante zu berechnen. Wir vergessen aber nicht, dass die Regel von Sarrus nur für 3×3-Matrizen gültig ist. Dagegen funktioniert die Überführung in Dreiecksform durch Zeilentransformationen in allen Dimensionen. Als Nächstes stellen wir fest, dass die Determinante nicht nur linear in jeder Zeile ist, sondern auch in jeder Spalte. Korollar 4.70. Sei K ein Körper und sein n ∈ N. Die Determinante ist linear in jeder Spalte, d.h. sind a1, . . ., an, aj , aj ∈ K n Spaltenvektoren von Matrizen aus Mat(n, K) und ist λ ∈ K, so gilt:   det a1 . . . λ · a j . . . an = λ · det a1 . . . a j . . . an ,

214

4. Lineare Abbildungen

 det a1 . . . aj + aj . . . an

  = det a1 . . . aj . . . an + det a1 . . . aj . . . an .

Beweis. Die Entwicklung nach der j-ten Spalte liefert: n   det a1 . . . λ · a j . . . an = (−1)i+ j λai j · det(AiStr j ) i=1

=λ·

n 

(−1)i+ j ai j · det(AiStr j )

i=1

= λ · det(A) . 

Ganz analog zeigt man auch die Additivität. Transposition ändert die Determinante nicht: Satz 4.71. Sei K ein Körper und sei n ∈ N. Dann gilt für alle A ∈ Mat(n, K): det(A ) = det(A) .

(4.28)

Beweis. Wir betrachten die Abbildung 4 : Mat(n, K) → K , det

4 det(A) := det(A ) .

4 den Axiomen (D1), (D2) und (D3) genügt, also eine Wenn wir zeigen können, dass det 4 = det und damit Determinantenabbildung ist, so folgt wegen der Eindeutigkeit in Satz 4.65 det die Behauptung. Also überprüfen wir die Axiome: Zu (D1): Die Determinante det ist nach der Korollar 4.70 linear in jeder Spalte. Damit ist die Abbildung 4 linear in jeder Zeile. det Zu (D2): Hat A ∈ Mat(n, K) zwei identische Zeilen, so hat A zwei identische Spalten. Damit ist 4 rg(A ) < n und folglich det(A) = det(A ) = 0. Zu (D3): Offensichtlich gilt:

4 n ) = det(1n ) = det(1n ) = 1 . det(1



4.3. Determinanten

215

Satz 4.72 (Zeilenentwicklungssatz von Laplace). Sei K ein Körper, sei n ∈ N, n ≥ 2, und sei A ∈ Mat(n, K) mit den Einträgen ai j und den Streichungsmatrizen AiStr j . Dann gilt für jedes i ∈ {1, . . . , n}: n  det(A) = (−1)i+ j · ai j · det(AiStr (4.29) j ). j=1

Beweis. Wir können det(A) = det(A ) mit der Formel (4.27) durch die Entwicklung nach der i-ten Spalte von A berechnen. Das entspricht genau der Entwicklung nach der i-ten Zeile von A in der Formel (4.29).  Beispiel 4.73. Entwicklung nach der ersten Zeile liefert:       0 1 i

i 1 1 1 1 i  − 1 · det + i · det = −2 + i(3 − 2i) = 3i . det 1 i 1 = 0 · det 3 4 2 4 2 3 2 3 4 Korollar 4.74. Sei K ein Körper, sei n ∈ N und sei A ∈ Mat(n, K). Entsteht Aˆ aus A durch ˆ = − det(A). Vertauschen zweier Spalten, so ist det( A) Beweis. Entsteht Aˆ entsteht A durch Vertauschen zweier Spalten, so entsteht Aˆ  aus A durch Vertauschen zweier Zeilen. Aus (D6) und Satz 4.71 erhalten wir dann ˆ = det( Aˆ  ) (D6) det( A) = − det(A ) = − det(A).



Satz 4.75 (Determinantenmultiplikationssatz). Sei K ein Körper und n ∈ N. Dann gilt für alle A, B ∈ Mat(n, K): det(A · B) = det(A) · det(B) . (4.30) Beweis. a) Wir betrachten zunächst den Fall det(B) = 0. Nach Satz 4.64 ist dann rg(B) < n. Es gibt also ein x ∈ K n \ {0} mit B · x = 0. Damit ist auch A · B · x = 0, folglich rg(A · B) < n. Wiederum nach Satz 4.64 ist dann det(A · B) = 0 und daher det(A · B) = 0 = det(A) · 0 = det(A) · det(B) . b) Sei nun det(B)  0. Wir fixieren B und setzen 4 : Mat(n, K) → K , det

det(A · B) 4 det(A) := . det(B)

216

4. Lineare Abbildungen

4 den Axiomen (D1), (D2) und (D3) einer Determinantenabbildung Wir zeigen nun, dass det 4 genügt. Wegen der Eindeutigkeit in Satz 4.65 ist dann det(A) = det(A), und daraus folgt unmittelbar die Behauptung. Zu (D1): Seien a1, . . ., an, ai, ai, b1, . . . , bn ∈ K n und λ, λ ∈ K. Wir schreiben A in Zeilenvektoren   a1 , . . . , an , und B in Spaltenvektoren b1, . . . , bn : 

a1 .  A = ..  ,  an 

 B = b 1 . . . bn .

Sei nun ai = λ · ai + λ · ai. Dann hat das Produkt A · B die folgenden Einträge: 



a 1 · b 1 . . . a1 · b n ..  .. . .    A · B = ai · b1 . . . ai · bn  .. ..  . .    an · b 1 . . . an · b n   a1 · b1 ... a1 · bn

.. ..   . .            = (λ · ai + λ · ai ) · b1 . . . (λ · ai + λ · ai ) · bn   .. ..  . .    a · b . . . a · b 1 n n n    a1 · b1 ... a1 · b n

.. ..   . .              = λ · (ai ) · b1 + λ · (ai ) · b1 . . . λ · (ai ) · bn + λ · (ai ) · bn  .  .. ..  . .    a · b . . . a · b 1 n n n  

Seien nun A bzw. A die Matrizen, die aus A durch Ersetzen der i-ten Zeile ai durch (ai) bzw. (ai) entstehen. Da die Abbildung det dem Axiom (D1) genügt, ist somit det(A · B) = λ · det(A · B) + λ · det(A · B). Wir erhalten also: det(A · B) λ · det(A · B) + λ · det(A · B) 4 4 ) + λ · det(A 4 ) . det(A) = = = λ · det(A det(B) det(B) Zu (D2): Sei A ∈ Mat(n, K) mit zwei gleichen Zeilen. Dann ist rg(A) < n, also für jedes B ∈ Mat(n, K) 4 auch rg(A · B) < n. Somit ist det(A · B) = 0 und det(A) = 0.

4.3. Determinanten

Zu (D3): Schließlich gilt:

217

4 n ) = det(1n · B) = det(B) = 1 . det(1 det(B) det(B)



Korollar 4.76. Sei K ein Körper und sei n ∈ N. Ist A ∈ GL(n, K), so gilt: det(A−1 ) =

1 . det(A)

(4.31)

Beweis. Aus dem Determinantenmultiplikationssatz 4.75 erhalten wir: 1 = det(1n ) = det(A · A−1 ) = det(A) · det(A−1 ) . Nach Division durch det(A) folgt die Behauptung.



Determinanten helfen uns nicht nur festzustellen, ob eine Matrix invertierbar ist. Wir können Sie auch verwenden, um die Inverse zu berechnen, falls sie existiert.   Satz 4.77. Sei K ein Körper und sei n ∈ N. Für A ∈ Mat(n, K) setzen wir B := bi j i, j=1,...,n mit bi j := (−1)i+ j · det(AStr (4.32) ji ) . Dann gilt: A · B = B · A = det(A) · 1n . Ist insbesondere A invertierbar, so gilt: A−1 =

1 ·B. det(A)

(4.33)

Beweis. Wir berechnen zunächst die Diagonaleinträge des Produkts A · B und benutzen dabei die Formel (4.29) für die Entwicklung der Determinante nach der i-ten Zeile: n n   (4.29) (A · B)ii = ai j · b ji = ai j · (−1)i+ j · det(AiStr j ) = det(A) . j=1

j=1

Nun berechnen wir die übrigen Einträge der i-ten Zeile von A · B. Sei k  i und sei Aˆ diejenige Matrix, die aus A entsteht, indem wir die k-Zeile durch die i-te ersetzen. Damit haben wir n  (A · B)ik = ai j · b j k j=1

218

4. Lineare Abbildungen

=

n 

ai j · (−1) j+k · det(AStr kj )

j=1

=

n 

aˆ k j · (−1) j+k · det( Aˆ Str kj )

j=1

ˆ . = det( A) ˆ = 0. Somit ist Da aber Aˆ zwei gleiche Zeilen – nämlich die k-te und die i-te – hat, ist det( A) (A · B)ik = 0 für k  i und damit A · B = det(A) · 1n . Analog berechnet man B · A mittels der Formel (4.27) für die Entwicklung der Determinante nach der i-ten Spalte.  

 a b Beispiel 4.78. Sei K ein beliebiger Köper und sei n = 2. Ist A = invertierbar, so ist c d nach Satz 4.77 die Inverse gegeben durch:     d −c d −b 1 1 −1 . = A = det(A) −b a ad − bc −c a Die Transposition der Matrix beim zweiten Term war nötig, weil in (4.32) die Indizes i und j auf den beiden Seiten in vertauschter Reihenfolge auftreten. Beispiel 4.79. Sei K = C und n = 3. Dann ist nach Satz 4.77: 0 1 i

1 i 1  2 3 4 

−1



4i − 3 −2 3 − 2i 4i − 3 −4 + 31 2

1

1  = −4 + 3i −2i = 2  −2 −2i i  . 3i 3i i −1  2 −1 2 3 − 2i

Hat ein inhomogenes lineares Gleichungssystem genau eine Lösung, dann kann diese mit Hilfe von Determinanten berechnet werden. Satz 4.80 (Cramer’sche Regel). Sei K ein Körper und sei n ∈ N. Seien a1, . . ., an, b ∈ K n , und sei A = (a1, . . ., an ) ∈ Mat(n, K) invertierbar. Dann ist die eindeutige Lösung x ∈ K n des linearen Gleichungssystems Ax = b gegeben durch: det(a1, . . ., ai−1, b, ai+1, . . ., an ) xi = . (4.34) det(A)

Beweis. Da A invertierbar ist, hat das lineare Gleichungssystem Ax = b genau eine Lösung, nämlich x = A−1 · b. Nach Satz 4.77 ist der (i, j)-te Eintrag von A−1 gegeben durch 

A−1

 ij

=

1 · (−1)i+ j · det(AStr ji ) . det(A)

4.3. Determinanten

219

Daher ist die i-te Komponente des Lösungsvektors x gegeben durch xi =

n  

A−1

1  (−1)i+ j · det(AStr ji ) · b j . det(A) j=1 n

 ij

· bj =

j=1

(4.35)

Wir berechnen det(a1, . . ., ai−1, b, ai+1, . . . , an ) indem wir nach der i-ten Spalte entwickeln. Dabei beachten wir, dass die Streichungsmatrix dann dieselbe ist wie die von A. det(a1, . . . , ai−1, b, ai+1, . . ., an ) =

n 

(−1)i+ j · b j · det(AStr ji ) .

j=1

Wir setzen dies in (4.35) ein und erhalten die Behauptung.



Beispiel 4.81. Sei K = C und betrachte das lineare Gleichungssystem Ax = b mit 3 0 1 i



A = 1 i 1 und b = 0. Nach Beispiel 4.69 ist det(A) = 3i  0, so dass die Matrix A nach 0 2 3 4 Satz 4.64 invertierbar ist. Wir berechnen die eindeutige Lösung x mittels der Cramer’schen Regel: 3

1 det 0 3i 0 0

1 x2 = det 1 3i 2

x1 =

x3 =

1 i

3(4i − 3) = 4 + 3i, i 1 = 3i 3 4 3 i

−6 = 2i, 0 1 = 3i 0 4

0 1 3

3(3 − 2i)

1 det 1 i 0 = = −2 − 3i . 3i 3i 2 3 0

Also ist die Lösung gegeben durch 4 + 3i

x = 2i  . −2 − 3i  Für lineare Gleichungssysteme mit wenigen Gleichungen und Unbekannten, so wie in diesem Beispiel, kann die Cramer’sche Regel eine bequeme Möglichkeit sein, die Lösung zu berechnen. Für sehr große Matrizen dagegen erfordert die Determinantenbestimmung einen gewaltigen Rechenaufwand. Daher ist die Cramer’sche Regel dann meist nicht praktikabel. Der Gauß’sche Algorithmus ist dann vorzuziehen, vergleiche Anhang B.3.

220

4. Lineare Abbildungen

Der folgende Satz liefert eine weitere Möglichkeit, die Determinante zu berechnen. Er besagt, dass wir die Determinante bekommen, indem wir Produkte von Einträgen der Matrix bilden und diese mit dem richtigen Vorzeichen aufsummieren. Die Produkte, die dabei vorkommen, sind alle die, bei denen aus jeder Zeile und jeder Spalte genau ein Faktor auftritt. Dazu erinnern wir uns daran, dass Sn die Gruppe der Permutationen von {1, . . ., n} bezeichnet und sgn(σ) das Signum der Permutation σ. Satz 4.82. Sei K ein Körper, sei n ∈ N und sei A ∈ Mat(n, K) mit den Einträgen Ai j . Dann gilt:  det(A) = sgn(σ) · A1,σ(1) · · · An,σ(n) . (4.36) σ∈Sn

Bemerkung 4.83. Bevor wir den Beweis durchführen, überlegen wir kurz, was dieser Satz für kleine Matrizen besagt. Im Fall n = 1 haben wir S1 = {id} und daher det(A) = A11 . Im Fall n = 2 ist S2 = {id, τ}, wobei τ die Vertauschung von 1 und 2 ist. Transpositionen haben Signum −1. Es folgt det(A) = +A1,id(1) · A2,id(2) − A1,τ(1) · A2,τ(2) = A11 · A22 − A12 · A21 . Für n = 3 erinnern wir uns daran, dass , - , - , - , - , - , - 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 , , , , , , S3 = 1 2 3 2 3 1 3 1 2 1 3 2 3 2 1 2 1 3 vgl. Seite 133. Die ersten drei Permutationen haben positives Signum, die letzten drei negatives. Also besagt Satz 4.82: det(A) =A11 · A22 · A33 + A12 · A23 · A31 + A13 · A21 · A32 − A11 · A23 · A32 − A13 · A22 · A31 − A12 · A21 · A33 . In allen Fällen erhalten wir wieder dieselben Formeln wie in Bemerkung 4.68. 4 : Mat(n, K) → K durch die rechte Beweis von Satz 4.82. Wir definieren die Abbildung det Seite der Gleichung im Satz,  4 sgn(σ) · A1,σ(1) · · · An,σ(n) . det(A) := σ∈Sn

4 eine Determinantenabbildung ist, so dass wir wegen der Wir werden nun nachweisen, dass det 4 Eindeutigkeitsaussage in Satz 4.65 folgern können, dass det(A) = det(A) für alle A ∈ Mat(n, K). Damit ist der Satz dann bewiesen.

4.3. Determinanten

221

Zu (D1): Entsteht A aus A durch Multiplikation der k-ten Zeile mit λ ∈ K, dann gilt  4 ) = sgn(σ) · A1,σ(1) · · · (λ · Ak,σ(k) ) · · · An,σ(n) det(A σ∈Sn

=λ·



sgn(σ) · A1,σ(1) · · · Ak,σ(k) · · · An,σ(n)

σ∈Sn

4 = λ · det(A). Die Additivität sieht man ähnlich. Zu (D2): Seien die k-te und die l-te Zeile von A gleich, wobei k < l. In anderen Worten, es gilt Ak j = Al j für alle j = 1, . . ., n. Sei τ ∈ Sn die Transposition, die k und l vertauscht. Für eine Permutation σ ∈ Sn nennen wir σ  := σ ◦ τ den Partner von σ. Ist σ  der Partner von σ, dann gilt wegen τ2 = id, dass σ  ◦ τ = σ ◦ τ ◦ τ = σ, d.h. dann ist σ auch der Partner von σ . Wegen τ  id ist kein σ sein eigener Partner. Ist σ  der Partner von σ, dann gilt Ak,σ(k) = Al,σ(k) = Al,σ ◦τ(k) = Al,σ (l) . Analog gilt Al,σ(l) = Ak,σ (k) . Stimmt i weder mit k noch mit l überein, so gilt σ(i) = σ (i). Also stimmen die beiden Produkte, die zu σ bzw. zu seinem Partner σ  gehören, überein, A1,σ(1) · · · Ak,σ(k) · · · Al,σ(l) · · · An,σ(n) = A1,σ (1) · · · Ak,σ (k) · · · Al,σ (l) · · · An,σ (n) . Die Vorzeichen, die zu σ bzw. zu σ  gehören, sind jedoch entgegengesetzt, denn sgn(σ ) = sgn(σ ◦ τ) = sgn(σ) · sgn(τ) = −sgn(σ), da das Signum einer Transposition stets gleich −1 ist. Also hebt sich in der Summe in (4.36) 4 der Beitrag einer jeder Permutation mit dem Beitrag des Partners weg. Wir erhalten det(A) = 0. Zu (D3): Sei A = 1n . Die einzige Permutation, die einen Beitrag zur Summe in (4.36) liefert, ist σ = id, denn bei jeder anderen Permutation kommen Nichtdiagonaleinträge im Produkt vor, die im Fall A = 1n gleich 0 sind. Also ist 4 det(A) = sgn(id) · A11 · · · Ann = 1.



Bemerkung 4.84. Ähnliche Matrizen haben dieselbe Determinante, denn ist Aˆ ähnlich zu A, d.h. Aˆ = T · A·T −1 für ein T ∈ GL(n, K), so ist nach dem Determinatenmultiplikationssatz 4.75:       det Aˆ = det T · A · T −1 = det(T) · det(A) · det T −1 = det(T) · det(A) ·

1 = det(A). det(T)

222

4. Lineare Abbildungen

Definition 4.85. Sei K ein Körper, sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum, sei B eine Basis von V, und sei ϕ : V → V ein Endomorphismus. Dann heißt   det(ϕ) := det MBB (ϕ) (4.37) Determinante von ϕ. Bemerkung 4.86. Die Determinante eines Endomorphismus ϕ : V → V ist wohldefiniert, d.h. unabhängig von der Wahl der Basis B. Denn ist B eine weitere Basis von V , dann sind die  darstellenden Matrizen MBB (ϕ) und MBB (ϕ) ähnlich. Somit ist nach Bemerkung 4.84      det MBB (ϕ) = det MBB (ϕ) . Beispiel 4.87. Wir berechnen die Determinante einer Drehung in der Ebene um den Winkel θ. In der Standardbasis von R2 wird diese Drehung durch die Matrix   cos θ − sin θ Rθ = sin θ cos θ dargestellt. Für die Determinante erhalten wir also:     cos θ − sin θ = cos2 (θ) + sin2 (θ) = 1 . det Rθ = det sin θ cos θ Beispiel 4.88. Analog berechnen wir die Determinate einer Achsenspiegelung. Dabei wollen wir an der Achse spiegeln, die durch den Ursprung geht und mit der e1 -Achse den Winkel θ einschließt. In der Standardbasis hat diese Achsenspiegelung die darstellende Matrix   cos 2θ sin 2θ Sθ = . sin 2θ − cos 2θ Für die Determinate erhalten wir daher:     cos 2θ sin 2θ = − cos2 (2θ) − sin2 (2θ) = −1 . det Sθ = det sin 2θ − cos 2θ In Beispiel 4.47 haben wir gesehen, dass die Spiegelungsmatrix zu   1 0 0 −1 ähnlich ist. Damit ist offensichtlich det(Sθ ) = −1.

4.4. Orientierungen

223

Beispiel 4.89. Sei V = R4 [x] der R-Vektorraum der Polynome vierten Grades mit reellen d Koeffizienten. Sei ϕ = dx : R4 [x] → R4 [x] der Endomorphismus, der durch die Ableitung der Polynomfunktionen gegeben ist, d.h. ϕ(x k ) := k · x k−1 . In der geordneten Basis B = (1, x, x 2, x 3, x 4 ) von R4 [x] hat ϕ dann die darstellende Matrix

0 0 MBB (ϕ) = 0 0 0

1 0 0 0 0

0 2 0 0 0

0 0 3 0 0

0

0  0 .  4 0

  Somit ist det(ϕ) = det MBB (ϕ) = 0. Bemerkung 4.90. Seien ϕ, ψ ∈ End(V) Endomorphismen eines endlich-dimensionalen KVektorraums V . Dann gilt: (i) ϕ ist ein Automorphismus ⇔ det(ϕ)  0.   (ii) Ist ϕ ein Automorphismus, so ist det ϕ−1 =

1 det(ϕ) .

(iii) det(ϕ ◦ ψ) = det(ϕ) · det(ψ). Beweis. Zu (i): Sei B eine Basis von V und n = dim(V). Dann haben wir folgende Äquivalenzen: ϕ ist Automorphismus ⇐⇒ MBB (ϕ) ist invertierbar ⇐⇒ det(MBB (ϕ))  0 ⇐⇒ det(ϕ)  0. Zu (ii):   −1 folgt die Behauptung aus (4.31). Wegen MBB (ϕ−1 ) = MBB (ϕ) Zu (iii): Die Behauptung folgt aus dem Determinantenmultiplikationssatz 4.75 und der Proposition 4.34. 

Die praktische Berechnung von Determinanten kann und sollte nun hier geübt werden: http://ueben.cbaer.eu/03.html

4.4. Orientierungen Determinanten sind von großer geometrischer Bedeutung. Wir werden sie in diesem Abschnitt benutzen, um Orientierungen zu definieren. Später werden sie uns noch bei der Berechnung von Volumina gute Dienste leisten.

224

4. Lineare Abbildungen

Im Folgenden betrachten wir endlich-dimensionale Vektorräume und ihre geordneten Basen. Dabei schließen wir den uninteressanten Fall des 0-dimensionalen Vektorraums V = {0} aus, da es dann nur eine Basis, nämlich die leere Menge gibt. Sind B und B zwei geordnete Basen eines endlich-dimensionalen K-Vektorraums, so ist die Transformationsmatrix TBB invertierbar, d.h. die Determinante ist ungleich 0, det(TBB )  0. Wir schränken uns nun auf den Fall reeller Vektorräume ein, also K = R. Dann gibt es die beiden Möglichkeiten det(TBB ) > 0 und det(TBB ) < 0. Definition 4.91. Sei V  {0} ein endlich-dimensionaler R-Vektorraum. Zwei geordnete Basen B und B von V heißen gleich orientiert , falls   det TBB > 0 und entgegengesetzt orientiert oder auch verschieden orientiert, falls   det TBB < 0.

Lemma 4.92. Sei V  {0} ein endlich-dimensionaler reeller Vektorraum. Die Bedingung „gleich orientiert“ definiert eine Äquivalenzrelation auf der Menge aller geordneten Basen von V, d.h. (i) Jede geordnete Basis ist mit sich selbst gleich orientiert. (ii) Sind B und B gleich orientiert, so sind auch B und B gleich orientiert. (iii) Sind B und B gleich orientiert und B und B gleich orientiert, so sind auch B und B gleich orientiert.

Beweis. Zu (i): Jede Basis ist zu sich selbst gleich orientiert, denn es gilt: det(TBB ) = det(1n ) = 1 > 0 . Zu (ii): Sind B und B orientierte Basen, so gilt nach Gleichung (4.8) in Bemerkung 4.36 für die  Transformationsmatrizen TBB = (TBB )−1 . Sind B und B gleich orientiert, so ist det(TBB ) > 0. Damit ist nach Korollar 4.76     det TBB = det (TBB )−1 = Folglich sind auch B und B gleich orientiert.

1 > 0. det(TBB )

4.4. Orientierungen

225

Zu (iii): Seien nun B, B und B geordnete Basen von V, wobei B und B sowie B und B jeweils gleich orientiert seien. Wegen (4.9) gilt für die Transformationsmatrizen 

TBB = TBB · TBB und damit nach dem Determinantenmultiplikationssatz 4.75 



det(TBB ) = det(TBB · TBB ) = det(TBB ) · det(TBB ) > 0 . ()*+ ()*+ >0

Somit sind auch B und

B

>0



gleich orientiert.

Sei V ein endlich-dimensionaler reeller Vektorraum. Für jede geordnete Basis B von V sei O(V, B) := {B | B ist geordnete Basis von V, die mit B gleich orientiert ist}. Lemma 4.92 (i) besagt B ∈ O(V, B). Insbesondere ist O(V, B)  ∅. Aussage (ii) besagt B ∈ O(V, B) =⇒ B ∈ O(V, B). Die dritte Aussage schließlich besagt B ∈ O(V, B) =⇒ O(V, B) ⊂ O(V, B). Sind nun B und B zwei geordnete Basen von V , dann treten zwei Fälle auf. 1. Fall:B und B sind gleich orientiert. Dann ist B ∈ O(V, B) und somit O(V, B) ⊂ O(V, B). Andererseits ist aber auch B ∈ O(V, B) und somit O(V, B) ⊂ O(V, B). Also gilt dann O(V, B) = O(V, B). 2. Fall:B und B sind entgegengesetzt orientiert. Gäbe es nun eine geordnete Basis B von V im Durchschnitt O(V, B) ∩ O(V, B), dann wäre =⇒ =⇒ =⇒

B ∈ O(V, B) ∧ B ∈ O(V, B) ∧ B ∈ O(V, B) ∧ B ∈ O(V, B),

B ∈ O(V, B) B ∈ O(V, B) O(V, B) ⊂ O(V, B)

also wären B und B gleich orientiert, Widerspruch! Daher müssen O(V, B) und O(V, B) im 2. Fall disjunkt sein, O(V, B) ∩ O(V, B) = ∅. Diese Überlegungen haben lediglich Lemma 4.92 benutzt, also die Tatsache, dass „gleich orientiert“ eine Äquivalenzrelation bildet.

226

4. Lineare Abbildungen

Definition 4.93. Sei V  {0} ein endlich-dimensionaler R-Vektorraum. Dann heißen die Mengen O(V, B) Orientierungen von V.

Lemma 4.94. Jeder endlich-dimensionale reelle Vektorraum V  {0} besitzt genau zwei Orientierungen.

Beweis. a) Wir zeigen zunächst, dass V mindestens zwei Orientierungen hat. Dazu setzen wir n := dim(V). Sei B = (b1, . . ., bn ) eine geordnete Basis von V. Wir setzen B := (−b1, b2, . . ., bn ) und zeigen, dass B und B entgegengesetzt orientiert sind. Die Transformationsmatrix zwischen den beiden Basen ist gegeben durch

−1 0 . . . . . . 0 0 1 0 . . . 0 . ..  .. . TBB = .. 0 . , .. . . . ...  .  0 . . . . . . 0 1  und daher ist det(TBB ) = −1 < 0. Somit sind die Basen B und B entgegengesetzt orientiert, und daher ist O(V, B)  O(V, B). Es gibt also mindestens zwei Orientierungen. b) Nun bleibt zu zeigen, dass V höchstens zwei Orientierungen hat. Angenommen, es gäbe mehr als zwei Orientierungen von V. Dann gibt es Basen B, B und B von V, die paarweise verschieden orientiert sind; d.h. für die Transformationsmatrizen zwischen diesen Basen gilt: det(TBB ) < 0,



det(TBB ) < 0 und

det(TBB ) < 0 .

Dann aber wäre 



0 > det(TBB ) = det(TBB · TBB ) = det(TBB ) · det(TBB ) > 0, ()*+ ()*+ 0. Die Basistransformationsmatrix TBB hat also die Form   α β B TB = . 0 γ 

Nun ist det(TBB ) = α · γ positiv genau dann, wenn γ > 0. Dies bedeutet gerade, dass b2 und b2 auf derselben Seite der „Straße“ R · b1 liegen. b2 b2 γ

β

b1 b1

Abb. 74 Orientierung in 2 Dimensionen

Beispiel 4.98. Im Fall n = 3 entspricht die Orientierung der „Händigkeit“ der Basen, d.h. die Basen sind gleich orientiert, wenn sie durch Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger derselben Hand beschrieben werden können, und entgegengesetzt orientiert, wenn man dazu zwei verschiedene Hände braucht. b1

b1

b2

b2 b3

b3 Entgegengesetzt orientierte Basen Abb. 75 Orientierung in 3 Dimensionen

4.4. Orientierungen

229

Definition 4.99. Hat man auf einem endlich-dimensionalen reellen Vektorraum eine Orientierung O gewählt, so nennt man eine Basis B von V positiv orientiert (bzgl. O), falls B ∈ O, und negativ orientiert andernfalls.

Definition 4.100. Der Vektorraum V = Rn , n ∈ N, besitzt die geordnete Standardbasis (e1, . . ., en ) und damit auch die Standardorientierung O = O(Rn, (e1, . . . , en )). Bemerkung 4.101. Orientierungen sind sehr robust, d.h. bei kleinen Änderungen der Basis bleibt die Orientierung erhalten. Genauer: Sind v1, . . ., vn : I → Rn stetige Abbildungen und I ⊂ R ein Intervall, so dass (v1 (t), . . ., vn (t)) für jedes t ∈ I eine geordnete Basis ist, dann sind alle (v1 (t), . . ., vn (t)) gleich orientiert. Beweis. Die Funktion I → R mit t → det (v1 (t), . . ., vn (t)) ist stetig und verschwindet auf ganz I nirgends. Also ist sie immer positiv oder immer negativ (vgl. Zwischenwertsatz aus der Analysis). Damit sind entweder alle (v1 (t), . . . , vn (t)) gleich orientiert wie die Standardbasis oder alle sind der Standardbasis entgegengesetzt orientiert.  Man kann also entgegengesetzt orientierte Basen nicht ineinander deformieren. Definition 4.102. Sei V  {0} ein endlich-dimensionaler reeller Vektorraum. Ein Automorphismus ϕ : V → V heißt orientierungserhaltend oder auch orientierungstreu, falls det(ϕ) > 0, und orientierungsumkehrend, falls det(ϕ) < 0. Beispiel 4.103. Nach Beispiel 4.87 sind in V = R2 die Drehungen, dargestellt durch die Drehmatrizen Rθ , orientierungserhaltend. Die Achsenspiegelungen, gegeben durch die Spiegelungsmatrizen Sθ , sind dagegen gemäß Beispiel 4.88 orientierungsumkehrend. Bemerkung 4.104. Ein Automorphismus ϕ von V ist orientierungstreu genau dann, wenn für jede geordnete Basis B = (b1, . . . , bn ) gilt: Die geordneten Basen B und B := (ϕ(b1 ), . . ., ϕ(bn )) sind gleich orientiert. 

Beweis. Für die Transformationsmatrix zwischen den Basen B und B gilt TBB = MBB (ϕ), und   somit det(TBB ) = det(ϕ). Bemerkung 4.105. Direkt aus den Definitionen und den Eigenschaften der Determinante folgt nun: (i) id ist orientierungserhaltend.

230

4. Lineare Abbildungen

(ii) Sind ϕ, ψ ∈ Aut(V) orientierungserhaltend, so ist auch ψ ◦ ϕ orientierungserhaltend. (iii) Ist ϕ ∈ Aut(V) orientierungserhaltend, so ist auch ϕ−1 orientierungserhaltend.

4.5. Aufgaben 4.1. Sei die lineare Abbildung ϕ A : R4 → R4 , v → A · v, durch die folgende Matrix gegeben:

−1 3 5 −2 1 −1 −1 1   A= . −5 3 1 −4   2 −2 −2 2  a) Geben Sie jeweils eine Basis für ker(ϕ A) und im(ϕ A) sowie die Dimension dieser Untervektorräume an. b) Untersuchen Sie, ob die folgenden Vektoren im Kern oder im Bild von ϕ A liegen:

1 −4   v1 = , 1   −4 

v2 =

1 2 3 4

  .   

4.2. Sei A ∈ Mat(n × m, K) und B ∈ Mat(m × l, K). Sei ϕ A : K m → K n , ϕ A(x) = A · x, und ähnlich für ϕ B : K l → K m . Zeigen Sie, dass das Matrixprodukt der beiden Matrizen der Verkettung der zugehörigen linearen Abbildungen entspricht, genauer: ϕ A ◦ ϕ B = ϕ A·B . 4.3. Drehen wir in der Ebene erst um einen Winkel θ 1 und dann um θ 2 , so sollten wir insgesamt eine Drehung um den Winkel θ 1 + θ 2 erhalten. Zeigen Sie, dass in der Tat gilt: Rθ2 · Rθ1 = Rθ1 +θ2 . 4.4. Sei V ein K-Vektorraum und seien U und W zwei endlichdimensionale Untervektorräume von V. a) Zeigen Sie: dim(U + W) + dim(U ∩ W) = dim(U) + dim(W). Hinweis: Starten Sie mit einer Basis für U ∩ W und nutzen Sie den Basisergänzungssatz. b) Gilt die Aussage auch für unendlichdimensionale Untervektorräume, wenn wir für n ∈ Z die Konventionen n + ∞ = ∞ und ∞ + ∞ = ∞ verwenden?

4.5. Aufgaben

231

4.5. Sei K ein Körper und V und W seien K-Vektorräume. Für ϕ, ψ ∈ Hom(V, W) definieren wir die Summe durch (ϕ + ψ)(v) := ϕ(v) + ψ(v) für alle v ∈ V, wobei das zweite +-Zeichen die Addition in W bezeichnet. Analog definieren wir das Produkt von λ ∈ K und ϕ ∈ Hom(V, W) durch (λ · ϕ)(v) := λ · ϕ(v). Zeigen Sie, dass damit Hom(V, W) zu einem K-Vektorraum wird. 4.6. Sei K ein Körper und V ein K-Vektorraum. Der Vektorraum V ∗ := Hom(V, K) heißt Dualraum von V. Ist V endlich-dimensional mit geordneter Basis B = (b1, . . . , bn ), dann können wir β1, . . ., βn ∈ V ∗ festlegen durch β j (λ1 b1 + . . . + λn bn ) = λ j . Zeigen Sie, dass (β1, . . ., βn ) eine geordnete Basis von V ∗ ist. Sie heißt die zu B duale Basis. 



4.7. Sei K = F3 und V = (F3 )4 . Berechnen Sie die Transformationsmatrizen TAA , TAA , TAA ,   TAA , TAA und TAA für die geordneten Basen

A = (e1, e2, e3, e4 ),

A = (e1, e3, e2, e4 )

und

1 0 1 0

0 2 1 1     A =  ,  ,  ,  1 0 0 0     0 1 2 0

von V. 4.8. Sei K = R und V = Abb(R, R). Sei ϕ : V → V die Abbildung, die eine Funktion „um 1 verschiebt“, genauer, ϕ( f )(x) = f (x − 1). So würde z.B. die Polynomfunktion x 2 auf (x − 1)2 = x 2 − 2x + 1 abgebildet. a) Zeigen Sie, dass ϕ : V → V linear ist. b) Sei W ⊂ V der Untervektorraum der Polynomfunktionen vom Grad ≤ 3. Zeigen Sie, dass A = (1, x, x 2, x 3 ) und A = (1 + x, 1 − x, x 2 · (1 + x), x 2 (1 − x)) Basen von W sind. c) Da ϕ(W) ⊂ W gilt, können wir ϕ zu einer Abbildung ψ : W → W einschränken. Berechnen   Sie die darstellenden Matrizen M AA(ψ), M AA (ψ), M AA (ψ) und M AA (ψ). 4.9. Sei K ein Körper und A ∈ Mat(n, K). Zeigen Sie, dass die beiden folgenden Aussagen äquivalent sind: (1) A ist Vielfaches der Identität, d.h. es gibt ein λ ∈ K mit A = λ · 1n . (2) A ist nur zu sich selbst ähnlich. Hinweis für die Richtung „(2)⇒(1)“: Zeigen Sie zunächst, dass die lineare Abbildung ϕ A : K n → K n jeden Vektor auf ein Vielfaches von sich abbildet.

232

4. Lineare Abbildungen

4.10. Berechnen Sie die Determinante der Matrix a)



 1 i . i −1

b) 1 2 1

2 3 4 .  −1 1 2 c)

1 1 −1 1

2 2 1 1

1 3 2 1

0 4 . 1 0

4.11. Zeigen Sie, dass für alle z ∈ C gilt:

z 1 det 1 1

1 z 1 1

1 1 z 1

1 1  = (z + 3)(z − 1)3 . 1 z

4.12. Bestimmen Sie die Determinante von 0

0 .. . 0 1

0 · · · 0 1  0 · · · 1 0 .. . . .. ..  . . . .  ∈ Mat(n, R).  1 · · · 0 0  0 ··· 0 0 

4.13. Für a ∈ R sei das folgende lineare Gleichungssystem gegeben: 2 x 2 3 a



4 a −3  · y  = 1     −2 1 2  z  0  a) Untersuchen Sie, für welche Werte von a ∈ R dieses Gleichungssystem keine, genau eine bzw. unendlich viele Lösungen hat. b) Bestimmen Sie in dem Fall, dass das Gleichungssystem genau eine Lösung hat, diese Lösung mit Hilfe der Cramer’schen Regel.

4.5. Aufgaben

233

4.14. Sei A ∈ Mat(n, Z). Zeigen Sie, dass a) det(A) ∈ Z. b) A genau dann in Mat(n, Z) invertierbar ist, wenn det(A) = ±1. 4.15. Zeigen Sie, dass für die Vandermonde-Determinante gilt:

1 x1 · · · . . det .. .. 1 xn · · ·

x1n−1  ..  (x j − xi ). .  = 1≤i< j≤n n−1 xn 

Hinweis: Der Beweis erfolgt mit vollständiger Induktion nach n. Zeigen Sie im Induktionsschritt mittels Spaltenumformungen, dass gilt:

1 x1 · · · . . det .. .. 1 xn · · ·

0 0 ··· 0

1

x1n−1 1 (x2 − x1 ) · 1 (x2 − x1 ) · x2 · · · (x2 − x1 ) · x n−2  ..  2  . .  = det .. .. .. .. ..  . . . . .  n−1 xn  n−2 1 (x − x ) · 1 (x − x ) · x · · · (x − x ) · x n 1 n 1 n n 1 n 

4.16. Sei K ein Körper mit unendlich vielen Elementen. Geben Sie eine unendliche Teilmenge X ⊂ K n an, so dass jede n-elementige Teilmenge von X linear unabhängig ist. Hinweis: Hier kann die Vandermonde-Determinante helfen. 4.17. Untersuchen Sie, ob die folgenden beiden geordneten Basen von R3 gleich orientiert sind oder nicht: −3 −1 4







  B1 = −2  , 1  , 2  , 1  3  1 

1 5 1





  B2 = 4  , 1  , 0  . 0  −4  5 

4.18. Entscheiden Sie, für welche n ∈ N die lineare Abbildung −id : Rn → Rn orientierungserhaltend ist. 4.19. Geben Sie zwei stetige Abbildungen v, w : [0, 1] → R3 an, so dass (v(t), w(t)) für jedes t ∈ [0, 1] linear unabhängig sind, dass L(v(0), w(0)) = L(v(1), w(1)) =: V und dass (v(0), w(0)) und (v(1), w(1)) entgegengesetzt orientierte Basen von V bilden. 4.20. Sei B := (b1, . . ., bn ) eine geordnete Basis des Vektorraums V . Zu einer Permutation σ ∈ Sn betrachten wir die geordnete Basis B := (bσ(1), . . ., bσ(n)). Zeigen Sie, dass B und B genau dann gleich orientiert sind, wenn sgn(σ) = +1 gilt.

5. Geometrie

Der in der Schule übliche Einstieg in die Geometrie ist dazu angetan, das Hirn eines jungen Menschen in Stein zu verwandeln. (Leonard Mlodinow Das Fenster zum Universum. Eine kleine Geschichte der Geometrie)

Bereits in Abschnitt 2.4 haben wir uns mit Geometrie, genauer mit der Geometrie der Ebene, beschäftigt. Dies wollen wir nun fortsetzen, wobei wir uns nicht mehr auf zwei Dimensionen beschränken. Geometrisch beschreibt ein 1-dimensionaler Untervektorraum eine Gerade und ein 2dimensionaler eine Ebene. Da Untervektorräume stets den Nullvektor enthalten, erhalten wir so nur Geraden und Ebenen, die den Ursprung enthalten. Um auch Geraden und Ebenen zu beschreiben, die nicht durch den Ursprung gehen, müssen wir zunächst das Konzept von Untervektorräumen verallgemeinern. Dies führt uns auf affine Unterräume. Analog dazu werden lineare Abbildungen zu affinen Abbildungen verallgemeinert.

5.1. Affine Unterräume und affine Abbildungen Sei K ein Körper und V ein K-Vektorraum. Wir verwenden von nun an folgende Notation: Für jede Teilmenge A ⊂ V und jeden Vektor v ∈ V sei A + v := v + A := {a + v | a ∈ A} © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 C. Bär, Lineare Algebra und analytische Geometrie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22620-6_5

236

5. Geometrie

die Menge, die man erhält, indem man A um den Vektor v verschiebt.

A+v a+v

a A v

Abb. 76 Um v verschobene Menge A

Für uns ist jetzt besonders der Fall interessant, in dem ein Untervektorraum verschoben wird. Definition 5.1. Sei V ein K-Vektorraum. Eine Teilmenge von V der Form U = U0 + v ⊂ V heißt affiner Unterraum, wenn v ∈ V ist und U0 ⊂ V ein Untervektorraum.

v+w v

w

U

0 Abb. 77 Affiner Unterraum

U0

Da man für den Verschiebungsvektor insbesondere v = 0 wählen kann, ist jeder Untervektorraum auch ein affiner Unterraum. Es gibt jedoch im Allgemeinen mehr affine Unterräume als Untervektorräume. Lemma 5.2. Sei V ein K-Vektorraum und U0 ⊂ V ein Untervektorraum. Ist U = v + U0 ein affiner Unterraum von V, so gilt: U0 = {a − a | a, a ∈ U} .

(5.1)

Insbesondere ist der Untervektorraum U0 durch den affinen Unterraum U eindeutig bestimmt.

5.1. Affine Unterräume und affine Abbildungen

237

Beweis. Wir zeigen zuerst: U0 ⊂ {a−a | a, a ∈ A}. Sei dazu w ∈ U0 beliebig. Setze a := v +w und a := v + 0. Dann sind a, a ∈ v + U0 = U und a − a = w. Für die umgekehrte Inklusion seien nun a, a ∈ A. Dann gibt es w, w ∈ U0 , so dass a = v + w und a = v + w. Damit ist a − a = w − w ∈ U0 . 

Definition 5.3. Sei U ein affiner Unterraum von V. Dann heißt der eindeutig bestimmte Untervektorraum U0 ⊂ V mit U = v + U0 der zu U gehörige Untervektorraum von V. Während der Untervektorraum U0 durch den affinen Unterraum U = v + U0 festgelegt ist, gilt dies nicht für den Verschiebungsvektor v. Lemma 5.4. Sei V ein K-Vektorraum, sei U0 ⊂ V ein Untervektorraum und seien v, v  ∈ V. Dann gilt: v + U0 = v  + U0 ⇐⇒ v − v  ∈ U0 . (5.2)

Beweis. Zu „⇒“: Sei v + U0 = v  + U0 . Wegen v = v + 0 ∈ v + U0 = v  + U0 gibt es ein w ∈ U0 mit v = v  + w. Somit ist v − v  = w ∈ U0 . Zu „⇐“: Sei nun v − v  ∈ U0 . Zu zeigen ist: v + U0 = v  + U0 . Sei dazu v  + w ∈ v  + U0 beliebig. Dann ist v  + w = v + w + (v  − v) ∈ v + U0 . ()*+ ∈U0

Somit ist v  +U0 ⊂ v +U0 . Ganz analog zeigt man die umgekehrte Inklusion v +U0 ⊂ v  +U0 . Der Verschiebungsvektor v in der Darstellung U = v + U0 ist durch jeden beliebigen Vektor v  ∈ U ersetzbar. Lemma 5.5. Sei V ein K-Vektorraum, sei U ⊂ V ein affiner Unterraum und U0 ⊂ V der zugehörige Untervektorraum. Sei v ∈ V. Dann gilt: U = v + U0 ⇐⇒ v ∈ U.

Beweis. Zu „⇒“: Ist U = v + U0 , so gilt v = v + 0 ∈ v + U0 = U.

238

5. Geometrie

Zu „⇐“: Sei v ∈ U. Wir schreiben U = v  +U0 für ein v  ∈ V. Dann ist nach dem ersten Teil auch v  ∈ U und daher nach Lemma 5.2 v − v  ∈ U0 . Aus Lemma 5.4 folgt dann v + U0 = v  + U0 = U.  Korollar 5.6. Sei V ein K-Vektorraum, sei U ⊂ V ein affiner Unterraum und U0 ⊂ V der zugehörige Untervektorraum. Dann sind äquivalent: (1) U ist ein Untervektorraum. (2) U = U0 . (3) 0 ∈ U.

Beweis. Die Implikationen „(1)⇒(3)“ und „(2)⇒(1)“ sind klar. Die Implikationen „(3)⇒(2)“  folgt aus Lemma 5.5, denn mit 0 ∈ U ist U = 0 + U0 = U0 . Definition 5.7. Sei V ein K-Vektorraum und U ⊂ V ein affiner Unterraum mit zugehörigem Untervektorraum U0 . Dann heißt dim U := dim U0 die Dimension des affinen Unterraums U. Beispiel 5.8. Sei K = R und V = R2 . Wir bestimmen die affinen Unterräume U von V: a) Ist dim(U) = 0, so muss U0 = {0} sein. Somit ist jede einpunktige Menge U = v +{0} = {v} mit v ∈ V ein 0-dimensionaler affiner Unterraum von V. Mit anderen Worten ist {0-dimensionale affine Unterräume von V } = {{v} | v ∈ V } . b) Ist dim(U) = 1, so ist U0 von der Form U0 = {λ · w | λ ∈ R} für ein w  0, also eine Ursprungsgerade. Damit ist U = v + U0 = G v,w eine Gerade in V. Mit anderen Worten ist {eindimensionale affine Unterräume von V } = {Geraden in V } . c) Ist dim = 2, so ist U0 = V . Damit ist U = v + U0 = V . Mit anderen Worten ist {zweidimensionale affine Unterräume von V } = {V } . Generell haben wir in niedrigen Dimensionen folgende affine Unterräume bzw. Untervektorräume eines K-Vektorraums V: dim affine Unterräume Untervektorräume 0 Punkte Ursprung 1 Geraden Ursprungsgeraden 2 Ebenen Ursprungsebenen Tab. 25 Affine Unterräume in niedrigen Dimensionen

5.1. Affine Unterräume und affine Abbildungen

239

Definition 5.9. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum. Die eindimensionalen affinen Unterräume nennen wir Geraden, die zweidimensionalen Ebenen und die (n−1)-dimensionalen Hyperebenen.

Lemma 5.10. Sei V ein K-Vektorraum und sei I eine Menge. Seien Ai ⊂ V, i ∈ I, affine Unterräume von V. / Dann ist i∈I Ai entweder leer oder selbst wieder ein affiner Unterraum. / / Beweis. Sei i∈I Ai  ∅, denn andernfalls ist nichts zu zeigen. Dann gibt es ein v ∈ i∈I Ai , d.h. v ∈ Ai für alle i ∈ I. Schreiben wir die affinen Unterräume Ai als Ai = v + Wi mit zugehörigen Untervektorräumen Wi ⊂ V, so ist also . . . . Ai = (v + Wi ) = {v + w | w ∈ Wi ∀i ∈ I} = {v + w | w ∈ Wi } = v + Wi . i∈I

i∈I

i∈I

/

i∈I

Da der Schnitt W := i∈I Wi von Untervektorräumen stets wieder ein Untervektorraum ist, ist /  i∈I Ai = v + W ein affiner Unterraum von V. Beispiel 5.11. Sei K = R, und sei V = R3 . Seien A1 und A2 affine Unterräume von V der Dimension 1 bzw. 2. Dann haben wir folgende drei Fälle für A1 ∩ A2 : 1. Fall:

2. Fall:

3. Fall:

A1 A2

A1

A1 ∩ A2 = ∅

A1 ∩ A2 Punkt

A2

A1

A2

A1 ∩ A2 Gerade

Abb. 78 Schnittmenge affiner Unterräume

Nachdem wir nun Untervektorräume zu affinen Unterräumen verallgemeinert haben, führen wir auch die entsprechende Verallgemeinerung linearer Abbildungen ein. Lineare Abbildungen bilden stets den Ursprung (Nullvektor) auf sich ab. In der Geometrie sind jedoch auch Abbildungen wichtig, die das nicht tun, z.B. Verschiebungen. Definition 5.12. Seien V und W zwei K-Vektorräume. Eine Abbildung F : V → W heißt affine Abbildung, falls es eine lineare Abbildung ϕ : V → W und ein w ∈ W gibt, so dass F(v) = ϕ(v) + w für alle v ∈ V gilt.

(5.3)

240

5. Geometrie

Eine affine Abbildung F ist also gegeben durch eine lineare Abbildung ϕ und einen Verschiebungsvektor w. Beide sind durch F festgelegt, denn F(0) = ϕ(0) + w = w und ϕ(v) = F(v) − w = F(v) − F(0). Wir nennen ϕ den linearen Teil von F. Ist der lineare Teil ϕ = id, d.h. ist F von der Form F(v) = v + w, dann nennt man F eine Translation. Für die Translation mit dem Verschiebungsvektor w schreibt man oft Tw statt F. Jede affine Abbildung ist die Verkettung einer linearen Abbildung mit einer Translation, denn für F mit F(v) = ϕ(v) + w gilt F = Tw ◦ ϕ. Satz 5.13. Seien V, W, Z drei K-Vektorräume, und seien F : V → W und G : W → Z zwei affine Abbildungen. Dann gilt: (i) Die Verkettung G ◦ F ist eine affine Abbildung. (ii) Ist A ⊂ V ein affiner Unterraum, so ist auch F(A) ⊂ W ein affiner Unterraum. Ist ϕ der lineare Teil von F und U der zu A gehörige Untervektorraum, dann ist ϕ(U) der zu F(A) gehörige Untervektorraum. (iii) Ist B ⊂ W ein affiner Unterraum, so ist F −1 (B) entweder leer oder ein affiner Unterraum. Ist ϕ der lineare Teil von F und U der zu B gehörige Untervektorraum, dann ist ϕ−1 (U) der zu F −1 (B) gehörige Untervektorraum. (iv) Ist F(v) = ϕ(v) + w, wobei ϕ : V → W eine lineare Abbildung ist, so gilt:

und

F ist injektiv ⇔ ϕ ist injektiv. F ist surjektiv ⇔ ϕ ist surjektiv.

Beweis. Zu (i): Sei F(x) = ϕ(x)+w und G(y) = ψ(y)+z mit linearen Abbildungen ϕ : V → W und ψ : W → Z und Vektoren w ∈ W und z ∈ Z. Dann gilt für jedes x ∈ V: (G ◦ F)(x) = G(F(x)) = ψ(F(x)) + z = ψ(ϕ(x) + w) + z = ψ(ϕ(x)) + ψ(w) + z   = (ψ ◦ ϕ)(x) + ψ(w) + z . Somit ist G ◦ F eine affine Abbildung mit dem linearen Teil ψ ◦ ϕ : V → Z und dem Verschiebungsvektor ψ(w) + z ∈ Z.

5.1. Affine Unterräume und affine Abbildungen

241

Zu (ii): Sei A = v + U für ein v ∈ V und einen Untervektorraum U ⊂ V. Sei F(x) = ϕ(x) + w mit ϕ : V → W linear und w ∈ W. Dann ist F(A) = = = =

ϕ(A) + w ϕ(v + U) + w ϕ(v) + ϕ(U) + w   ϕ(v) + w + ϕ(U)

ein affiner Unterraum von W, denn nach Satz 4.10 ist ϕ(U) ⊂ W ein Untervektorraum. Zu (iii): Sei U ⊂ W der dem affinen Unterraum B ⊂ W zugehörige Untervektorraum. Sei ferner F −1 (B)  ∅ und sei v0 ∈ F −1 (B). Dann ist F(v0 ) ∈ B und daher B = F(v0 ) + U. Sei nun F(v) = ϕ(v) + w mit linearer Abbildung ϕ : V → W. Damit ist F −1 (B) = {v = {v = {v = {v = {v = {v

∈ V | F(v) ∈ B} ∈ V | ϕ(v) + w ∈ F(v0 ) + U} ∈ V | ϕ(v) + w ∈ (ϕ(v0 ) + w) + U} ∈ V | ϕ(v) ∈ ϕ(v0 ) + U} ∈ V | ϕ(v) − ϕ(v0 ) ∈ U} ∈ V | ϕ(v − v0 ) ∈ U}

= {v ∈ V | v − v0 ∈ ϕ−1 (U)} = v0 + ϕ−1 (U) ein affiner Unterraum von W, denn nach Satz 4.10 ist ϕ−1 (U) ⊂ V ein Untervektorraum. Zu (iv): Sei F = Tw ◦ ϕ mit ϕ : V → W linear. Die Translation Tw ist bijektiv mit Umkehrabbildung (Tw )−1 = T−w . Daraus folgt unmittelbar die Behauptung.  Korollar 5.14. Sei ϕ : V → W eine lineare Abbildung. Dann ist das Urbild ϕ−1 ({w}) eines Punktes w ∈ W entweder leer oder ein affiner Unterraum von V. Im letzteren Fall ist ϕ−1 ({w}) = v + ker(ϕ) für jedes v ∈ V mit ϕ(v) = w. Beweis. Die erste Behauptung folgt aus Satz 5.13 (iii), denn {w} ist ein (0-dimensionaler) affiner Unterraum von W. Der zu {w} gehörige Untervektorraum ist {0}. Also ist ϕ−1 (0) = ker(ϕ) der zu ϕ−1 (w) gehörige Untervektorraum.  Bemerkung 5.15. Mit diesen Erkenntnissen über affine Abbildungen können wir lineare Gleichungssysteme nochmal neu betrachten. Beim Lösen inhomogener LGS tun wir nichts anderes,

242

5. Geometrie

als das Urbild eines Punktes unter einer linearen Abbildung zu bestimmen. Lautet das LGS A · x = b, dann ist die lineare Abbildung einfach die, die durch Matrixmultiplikation mit der m × n-Matrix A gegeben ist, d.h. ϕ : K n → K m , ϕ(x) = A · x. Die Lösungsmenge ist Lös(A, b) = ϕ−1 (b). Gemäß Korollar 5.14 ist Lös(A, b) ein affiner Unterraum von K n oder leer. Ist Lös(A, b) ein 0-dimensionaler affiner Unterraum, hat das LGS genau eine Lösung. Ist Lös(A, b) ein -dimensionaler affiner Unterraum mit  ≥ 1, dann hat das LGS genau so viele Lösungen, wie K  Elemente hat. Dies sind unendlich viele, wenn K unendlich viele Elemente hat wie z.B. für K = R. Außerdem gilt für jedes x ∈ Lös(A, b): Lös(A, b) = ϕ−1 (b) = x + ker(ϕ) = x + Lös(A, 0).

5.2. Volumina In diesem Abschnitt verwenden wir Determinanten zur Volumenberechnung. Um unnötige Wiederholungen und überflüssigen Arbeitsaufwand zu vermeiden, behandeln wir alle Dimensionen auf einmal. Dabei haben wir uns unter einem eindimensionalen Volumen eine Länge, einem zweidimensionalen Volumen einen Flächeninhalt und einem dreidimensionalen Volumen das anschauliche Volumen eines Körpers im dreidimensionalen Raum vorzustellen. Die Theorie funktioniert aber auch für Volumina in Dimension ≥ 4. Systematisch entwickelt man diese Theorie in der so genannten Maßtheorie, einer mathematischen Disziplin, die eng mit der Analysis und der Wahrscheinlichkeitstheorie zusammenhängt. Wir werden hier lediglich einige Eigenschaften der Volumenfunktion benutzen ohne uns um die Einzelheiten ihrer Konstruktion zu kümmern. Legen wir zunächst fest, von welchen Mengen wir das Volumen untersuchen werden. Sei Kn die Menge der n-dimensionalen reellen Kompakta, also Kn := {X ⊂ Rn | X ist beschränkt und abgeschlossen} = {X ⊂ Rn | X kompakt} . Hierbei bedeutet beschränkt, dass X sich nicht ins Unendliche erstreckt. Genauer heißt dies, dass einen Radius R > 0 gibt mit X ⊂ BR (0) := {x ∈ Rn |  x ≤ R} . Eine Teilmenge X ⊂ Rn heißt abgeschlossen, wenn jeder Punkt x ∈ Rn , für den es Punkte xi ∈ X mit lim xi = x gibt, selbst zu X gehören muss, x ∈ X. i→∞

Definition 5.16. Das n-dimensionale Volumen ist eine Abbildung voln : Kn → R mit voln (X) ≥ 0 für alle X ∈ Kn , so dass gilt: 1. Für den n-dimensionalen Einheitswürfel Wn = [0, 1] × . . . × [0, 1] ⊂ Rn gilt voln (Wn ) = 1. ()*+ n-mal

5.2. Volumina

243

2. Ist X ⊂ Y, so gilt voln (X) ≤ voln (Y ). 3. Es gilt voln (X ∪ Y ) = voln (X) + voln (Y ) − voln (X ∩ Y) für alle X, Y ∈ Kn . 4. Ist F : Rn → Rn eine affine Abbildung, d.h. F(x) = Ax + b mit A ∈ Mat(n, R) und b ∈ Rn , dann gilt für alle X ∈ Kn : voln (F(X)) = |det(A)| · voln (X).

Die vierte Bedingung stellt sicher, dass sich das Volumen „richtig verhält“. Bei Translationen, d.h. A = 1n , ändert sich das Volumen nicht. Strecken wir das Kompaktum in eine Richtung mit dem Faktor r, so sollte sich das Volumen mit r multiplizieren.

X

F(X)

F(X) X Abb. 79 Volumenänderung bei Streckung



 3 0 So erwarten wir z.B. für det = 3, dass sich das 2-dimensionale Volumen eines Rechtecks 0 1 verdreifacht (Streckung in e1 -Richtung mit dem Faktor 3). Für die Streckung in alle drei 2 0 0

Richtungen mit dem Faktor 2, d.h. für det 0 2 0 = 8, wird sich das dreidimensionale 0 0 2 3 Volumen verachtfachen, denn 2 = 8. Für die nachfolgenden Volumenberechnungen brauchen wir überhaupt nicht zu wissen, wie man das Volumen definiert. Wir kommen allein mit den Eigenschaften 1 bis 4 von voln aus. Daher nehmen wir von jetzt ab an, dass voln ein n-dimensionales Volumen ist und überlassen den Existenzbeweis der Maßtheorie. Definition 5.17. Eine Teilmenge X ⊂ Rn der Form X = {q + t1 b1 + . . . + tn bn | ti ∈ [0, 1]} für eine Basis {b1, . . ., bn } von Rn und q ∈ Rn heißt n-dimensionales Parallelotop. Beispiel 5.18. Für n = 2 erhalten wir ein Parallelogramm, im Falle n = 3 ein Parallelepiped.

244

5. Geometrie

b3

b2

q

b2

b1 q

0

b1

0 Abb. 80 Parallelogramm und Parallelepiped

Für die Berechnung des Volumens betrachten wir die affine Abbildung F : Rn → Rn , F(x) = Ax + b, mit A = (b1, . . . , bn ) und b = q, wobei b1, . . ., bn das n-dimensionale Parallelotop X aufspannen. Mittels der Definition von Wn sieht man leicht: F(Wn ) = X . Damit folgt: 4. 1. voln (X) = voln (F(Wn )) = |det(A)| · voln (Wn ) = |det(A)| · 1 = |det(b1, . . ., bn )| . Wir haben also gezeigt, dass das n-dimensionale Volumen eines Parallelotops X, das durch die Vektoren b1, . . . , bn aufgespannt wird, gegeben ist durch voln (X) = | det(b1, . . ., bn ) |

(5.4)

Man kann Formel (5.4) als eine Formel ansehen, die uns sagt, wie man mit Hilfe der Determinante das Volumen von Parallelotopen bestimmt. Man kann sie umgekehrt aber auch als eine mögliche geometrische Definition der Determinante betrachten. Die Determinante einer reellen n × n-Matrix A ist 0, wenn die Matrix nicht maximalen Rang hat. Wenn sie maximalen Rang hat, dann bilden die Spaltenvektoren eine Basis von Rn und die Determinante det(A) ist, bis aufs Vorzeichen, das n-dimensionale Volumen des von den Spaltenvektoren aufgespannten Parallelotops. Das Vorzeichen ist +1, wenn die geordnete Basis der Spaltenvektoren positiv orientiert ist, und negativ, wenn sie negativ orientiert ist. Das folgende Lemma verallgemeinert die Tatsache, dass eine Menge, die in einer Ebene enthalten ist, dreidimensionales Volumen 0 haben muss, und eine Menge, die in einer Geraden enthalten ist, Flächeninhalt 0. Lemma 5.19. Sei X ∈ Kn . Sei X ferner enthalten in einem (n − 1)-dimensionalen affinen Unterraum V ⊂ Rn . Dann ist voln (X) = 0.

5.2. Volumina

245

Beweis. Mittels einer affinen Abbildung machen wir uns zunächst das Leben etwas leichter und verschieben X in eine „günstige“ Lage. Da Translationen das Volumen nicht ändern, können wir V so verschieben, dass V auf einen Untervektorraum abgebildet wird. Dabei wird X mit verschoben, ohne dass das Volumen sich ändert. Daher können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass V ein Untervektorraum von Rn ist. Sei (b1, . . ., bn−1 ) eine geordnete Basis von V . Wir ergänzen sie zu einer Basis B := (b1, . . . , bn ) von Rn . Sei nun P : Rn → Rn die lineare Abbildung, die bzgl. der Basis B die darstellende Matrix   1n−1 0 B MB (P) = 0 0 hat. In anderen Worten, P(bi ) = bi für i = 1, . . . , n − 1 und P(bn ) = 0. Für alle x ∈ V gilt dann P(x) = x. Insbesondere gilt dies für alle x ∈ X und wir erhalten P(X) = X. Da rg(P) = n − 1 ist, ist det(P) = 0. Nun gilt voln (X) = voln (P(X)) = | det(P)| · voln (X) = 0 · voln (X) = 0.



Dreiecke. Wir kommen nun zu zweidimensionalen Volumina vol2 (Δ) von Dreiecken Δ. Durch Verdoppelung des Dreiecks längs der Hypotenuse erhalten wir ein Parallelogramm.

b2 q

Δ Δ b1

Abb. 81 Flächenberechnung für Dreiecke

Für das entstandene Parallelogramm bekommen wir |det (b1, b2 )| = vol2 (Δ ∪ Δ) = vol2 (Δ) + vol2 (Δ) − vol2 (Δ ∩ Δ) = vol2 (Δ) + vol2 (Δ). ()*+ (5.19)

= 0

Nun ist aber vol2 (Δ) = vol2 (Δ), denn Δ geht aus Δ durch eine Drehung hervor. Drehungen haben Determinante 1 und ändern daher nicht den Flächeninhalt. Also gilt: vol2 (Δ) =

1 |det (b1, b2 )| 2

(5.5)

246

5. Geometrie



       −1 1 2 −1 Beispiel 5.20. Habe Δ die Ecken , , . Wir nehmen q = und erhalten 0 1 −2 0       1 −1 2 − = sowie b1 = 1 0 1       2 −1 3 b2 = − = . −2 0 −2 Damit ist

   2 3  1 7 1 1  vol2 (Δ) = |det (b1, b2 )| = det  = |−7| = . 2 2 2 1 −2  2

Die oben hergeleitete Formel eignet sich gut für Dreiecke, deren Ecken man explizit kennt. Häufig kennt man jedoch nur Seitenlängen und Winkel. Was macht man dann? Betrachten wir dazu das Dreieck Δ mit einem Innnenwinkel 0 < γ < π. Die beiden anliegenden Seiten sollen die Länge a bzw. b haben.  b·cos γ  b·sin γ

b γ

 a

0 0

γ e1

 a 0

Abb. 82 Dreieck mit vorgegebenem Innenwinkel

Ohne den Flächeninhalt von Δ zu ändern erreichen wir durch Translation zunächst, dass eine Ecke im Ursprung zu liegen kommt. Dann drehen wir, was wiederum den Flächeninhalt nicht ändert, so dass die zweite Ecke auf der e1 -Achse zu liegen kommt. Da  der Abstand von der a ersten zur zweiten Ecke a beträgt, ist die zweite Ecke gegeben durch . Die dritte Ecke hat 0 von der ersten   den Abstand b und schließt mit der e1 -Achse den Winkel γ ein. Daher ergibt sie b sich aus durch eine Drehung um den Winkel γ. Sie ist gegeben durch 0        b cos (γ) − sin (γ) b b · cos(γ) = = . Rγ · 0 sin (γ) cos (γ) 0 b · sin(γ) Wir setzen in die Flächenformel für Dreiecke ein und erhalten    a b cos(γ)  1 1  vol2 (Δ) = det  = |ab sin(γ)| . 2 0 b sin(γ)  2

5.2. Volumina

247

Wir können daher den Flächeninhalt eines Dreiecks, von dem wir die zwei Seitenlängen a, b und den eingeschlossenen Winkel γ ∈ (0, π) kennen, nach folgender Formel berechnen: 1 vol2 (Δ) = ab sin(γ) 2

(5.6) b

Im Spezialfall rechtwinkliger Dreiecke mit γ =

π 2

a

ergibt sich:

Abb. 83 Rechtwinkliges Dreieck

ab vol2 (Δ) = 2 Daraus erhält man für ein beliebiges Dreieck

Δ1 a1

(5.7)

Δ

h Δ 2 a2 a = a1 + a2

Abb. 84 Dreieck, zusammengesetzt aus zwei rechtwinkligen

eine Flächenformel in Termen der Grundlänge und der Höhe: vol2 (Δ) = vol2 (Δ1 ∪ Δ2 ) = vol2 (Δ1 ) + vol2 (Δ2 ) − vol2 (Δ1 ∩ Δ2 ) ()*+ =0

a1 h a2 h = + 2 2 ah , = 2 also: 1 vol2 (Δ) = ah 2

(5.8)

Regelmäßige n-Ecke.

E(r, n) γ

Δ

r Abb. 85 Regelmäßiges n-Eck

248

5. Geometrie

Wir betrachten ein regelmäßiges n-Eck E(r, n), dessen Ecken vom Mittelpunkt den Abstand r haben. Die Segmente dieses n-Ecks sind Dreiecke mit Innenwinkel 2π n und anliegenden Seitenlängen r.

r Δ

γ

γ=

2π n

r Abb. 86 Segment von E(r, n)

Jedes Segment hat daher den Flächeninhalt

r2 2

sin( 2π n ). Wir erhalten:

$ % nr 2 2π vol2 (E(r, n)) = · sin 2 n

(5.9)

Kreisscheiben. Wir approximieren den Flächeninhalt einer Kreisscheibe D(r) vom Radius r von innen und von außen. Dazu beschreiben wir zunächst der Kreisscheibe ein n-Eck E(r, n) ein und erhalten r eine untere Schranke für den Flächeninhalt. Abb. 87 Einbeschriebenes n-Eck

Für das einbeschriebene n-Eck gilt E(r, n) ⊂ D(r) für alle n, also gilt nach der zweiten Eigenschaft von Volumina $ % nr 2 2π vol2 (D(r)) ≥ vol2 (E(r, n)) = . · sin 2 n Da dies für jedes n gilt, können wir n gegen ∞ gehen lassen und erhalten mit der Substitution x = 2π n : $ %% % $ 2 $ 2π nr 2π r 2 · sin = lim · · sin (x) vol2 (D(r)) ≥ lim n→∞ x→0 x 2 n 2 % $ sin (x) = πr 2 · lim = πr 2 . x→0 x ()*+ =1

Die einbeschriebenen n-Ecke haben uns also die Abschätzung vol2 (D(r)) ≥ πr 2 geliefert. Als Nächstes benutzen wir umschriebene n-Ecke, um die entgegengesetzte Ungleichung herzuleiten. Dann folgt vol2 (D(r)) = πr 2 .

5.2. Volumina

249

γ

Für das umschriebene n-Eck E(rn, n) erhalten wir aus der π r Beziehung cos n = rn die Gleichung rn = cosr π . (n)

Wir bekommen

r

rn Abb. 88 Umschriebenes n-Eck

$ % $ % nrn2 2π nr 2 2π · sin = . vol2 (E(rn, n)) = · sin    2 π 2 n n 2 · cos n

Aus E(rn, n) ⊃ D(r) folgt nun

 nr 2 sin 2π n vol2 (D(r)) ≤ vol2 (E(rn, n)) =   π  2, 2 · cos n

also, wiederum mit der Substitution x =

2π n :

 2π nr 2 sin 2π n x sin (x) vol2 (D(r)) ≤ lim  = lim      2 n→∞ x→0 2 cos x 2 2 cos πn 2 sin (x) 1 2 = πr 2 · lim ·   x  2 = πr . x→0 x cos ()*+ 2 ()*+ →1 →1

Insgesamt haben wir gezeigt: vol2 (D(r)) = πr 2

(5.10)

Vom Flächeninhalt der Einheitskreisscheibe D(1) ausgehend, betrachten wir Gebiete E(a, b), welche von Ellipsen mit den halben Hauptachsenlängen a und b berandet werden. Es gilt also      2 y2 x 2 x E(a, b) = ∈R  2+ 2 ≤1 . a b y

Ellipsen.

b a Abb. 89 Ellipse

250

5. Geometrie



a 0 Hierzu wird D(1) in e1 -Richtung um den Faktor a und in e2 -Richtung um b mittels A = 0 b gestreckt. In anderen Worten, es gilt E(a, b) = A(D(1)). Wir erhalten



vol2 (E(a, b)) = |det(A)| · vol2 (D(1)) = ab · π, also: vol2 (E(a, b)) = πab

(5.11)

Weitere Beispiele für die Berechnung von Volumina, insbesondere in Dimension ≥ 3, finden sich in Anhang A.3.

5.3. Geometrie der Ebene, Teil 2 Wir wollen die Geometrie der Ebene noch ein wenig weiterführen. Dazu erinnern wir uns an die Drehmatrizen   cos θ − sin θ Rθ = . sin θ cos θ Die Menge der Drehmatrizen SO(2) := {Rθ | θ ∈ R} bildet eine Untergruppe von GL(2, R), denn 1. das neutrale Element 12 = R0 ∈ SO(2); 2. mit Rθ1 und Rθ2 ∈ SO(2) ist auch das Produkt Rθ1 · Rθ2 = Rθ1 +θ2 ∈ SO(2); 3. mit Rθ ∈ SO(2) ist auch das Inverse Rθ−1 = R−θ ∈ SO(2). Definition 5.21. Die Gruppe SO(2) heißt spezielle orthogonale Gruppe von R2 . Die Gruppe SO(2) ist, im Gegensatz zu GL(2, R), abelsch, denn für alle θ 1, θ 2 ∈ R gilt Rθ1 · Rθ2 = Rθ1 +θ2 = Rθ2 +θ1 = Rθ2 · Rθ1 . Lemma 5.22. Für alle v, w ∈ R2 und alle Drehmatrizen Rθ ∈ SO(2) gilt: (i) Rθ · v, Rθ · w = v, w. (ii) Drehungen sind längenerhaltend, Rθ · v = v. (iii) Rθ · v, v = cos θ · v, v.

5.3. Geometrie der Ebene, Teil 2

251

Beweis. Zu (i): Für v, w ∈ R2 und Rθ ∈ SO(2) berechnen wir % $ %6 5$ cos θ · v1 − sin θ · v2 cos θ · w1 − sin θ · w2 , Rθ (v), Rθ (w) = sin θ · v1 + cos θ · v2 sin θ · w1 + cos θ · w2 = (cos θ)2 · v1 w1 − cos θ sin θ · (v1 w2 + v2 w1 ) + (sin θ)2 · v2 w2 + (sin θ)2 · v1 w1 + cos θ sin θ · (v1 w2 + v2 w1 ) + (cos θ)2 · v2 w2 = v1 w1 + v2 w2 = v, w . Gleichung (ii) ergibt sich aus (i), indem man v = w setzt und die Wurzel zieht. Zu (iii):

% $ %6 cos θ · v1 − sin θ · v2 v1 , Rθ (v), w = sin θ · v1 + cos θ · v2 v2 = cos θ · v1 v1 − sin θ · v2 · v1 + sin θ · v1 · v2 + cos θ · v2 v2 = cos θ · v, v 5$

= cos θ · v 2 .



Für die letzte Aussage des Lemmas hat man im Fall v = 1 folgende geometrische Interpretation: Rθ (v)

θ ()*+ cos θ

v

Abb. 90

Speziell für θ = π/2 setzen wir J := Rπ/2



   cos(π/2) − sin(π/2) 0 −1 = = . sin(π/2) cos(π/2) 1 0

Wir erinnern uns auch an die Spiegelungsmatrizen   cos(2θ) sin(2θ) Sθ = . sin(2θ) − cos(2θ)

252

5. Geometrie

Die Menge O(2)− := {Sθ | θ ∈ R} der Spiegelungsmatrizen bildet keine Untergruppe von GL(2, R), denn 12  O(2)− . Lemma 5.23. Für alle v, w ∈ R2 und alle Spiegelungsmatrizen Sθ ∈ O(2)− gilt (i) Sθ · v, Sθ · w = v, w. (ii) Spiegelungen sind längenerhaltend, Sθ · v = v.



Beweis. Der Beweis ist ganz ähnlich wie der von Lemma 5.22. Lemma 5.24. Für alle θ 1, θ 2 ∈ R gelten die folgenden Beziehungen: Sθ1 · Sθ2 = R2(θ1 −θ2 ), Sθ1 · Rθ2 = Sθ1 −θ2 /2, Rθ1 · Sθ2 = Sθ2 +θ1 /2 .

(5.12) (5.13) (5.14)

Bemerkung 5.25. Identifiziert man R2 wie üblich mit C durch (x, y) = x + iy, dann ist Matrixmultiplikation mit Rθ dasselbe wie komplexe Multiplikation mit eiθ und Matrixmultiplikation mit Sθ ist die Abbildung z → e2iθ · z¯. Hat man dies erkannt, so kann man Lemma 5.24 mit komplexen Zahlen recht einfach beweisen. Beweis von Lemma 5.24. Beginnen wir mit Gleichung (5.14). In komplexer Schreibweise erhalten wir für die Anwendung von Rθ1 · Sθ2 : eiθ1 · e2iθ2 · z¯ = e2i(θ2 +θ1 /2) · z¯, was nichts anderes als die Anwendung von Sθ2+θ1 /2 ist. Gleichung (5.13) folgt aus e2iθ1 · eiθ2 · z = e2iθ1 · eiθ2 · z¯ = e2i(θ1 −θ2 /2) · z¯ und (5.12) aus e2iθ1 · e2iθ2 · z¯ = e2iθ1 · e2iθ2 · z = e2i(θ1 −θ2 ) · z. Betrachten wir nun den Spezialfall θ 1 = θ 2 = θ, dann sagt uns (5.13) Sθ · Rθ = Sθ/2 . Also gilt für

$

cos θ vθ := Rθ · e1 = sin θ

%

$

und

% − sin θ wθ := Rθ · e2 = , cos θ



5.3. Geometrie der Ebene, Teil 2

253

e2 wθ θ θ

vθ e1

Abb. 91

dass Sθ · vθ = Sθ · Rθ · e1 = Sθ/2 · e1 = vθ sowie Sθ · wθ = Sθ · Rθ · e2 = Sθ/2 · e2 = −wθ . Dies zeigt, dass Sθ die Achsenspiegelung an der von vθ aufgespannten Achse darstellt. Das passt auch zu der Beobachtung, dass wegen (5.12) Sθ · Sθ = R0 = 12 gilt, und damit Sθ ihr eigenes Inverses ist. Definition 5.26. Die Menge O(2) := SO(2) ∪ O(2)− heißt die orthogonale Gruppe von R2 .

Satz 5.27. O(2) ist eine Untergruppe von GL(2, R). Beweis. Zunächst einmal stellen wir fest, dass 12 ∈ SO(2) ⊂ O(2). Dann zeigen die Gleichungen (5.12)-(5.14), dass Produkte von Elementen aus O(2) stets wieder in O(2) enthalten sind. Schließlich sind die Inversen von Drehmatrizen wieder Drehmatrizen, und die von Spiegelungsmatrizen sind sogar gleich sich selbst, also wieder Spiegelungsmatrizen. In jedem Fall sind die Inversen wieder in O(2).  Bemerkung 5.28. Im Gegensatz zu SO(2) ist O(2) allerdings nicht abelsch, denn z.B. ist S0 · Rπ/2 = S−π/4, aber Rπ/2 · S0 = Sπ/4 .

254

5. Geometrie

Nun charakterisieren wir Dreh- und Spiegelungsmatrizen mit Hilfe des Skalarprodukts. Satz 5.29. Es gilt: O(2) = {T ∈ GL(2, R) | T x, T y = x, y

∀x, y ∈ R2 }.

Beweis. Die Inklusion „⊂“ folgt aus Lemma 5.22 (i) und Lemma 5.23 (i). Zu „⊃“: Sei T ∈ GL(2, R) mit T x, T y = x, y für alle x, y ∈ R2 . Speziell für x = y = e1 erhalten wir T e1  2 = T e1, T e1  = e1, e1  = e1  2 = 1. Also ist der Vektor T e1 von der Form $

cos θ T e1 = sin θ

%

für ein θ ∈ R. Analog sieht man T e2  = 1 und außerdem gilt T e1, T e2  = e1, e2  = 0, d.h. T e1 ⊥ T e2 . Daher ist 

0 −1 T e2 = ±J(T e1 ) = ± 1 0

$

% $ % cos θ − sin θ =± . sin θ cos θ

J(T e1 ) T e1 θ 90o

e1 −J(T e1 )

Abb. 92

Im Fall T e2 =

− sin θ  cos θ

ist 

 cos θ − sin θ = Rθ ∈ SO(2) ⊂ O(2); T = (T e1, T e2 ) = sin θ cos θ

5.3. Geometrie der Ebene, Teil 2

und im Fall T e2 = −

− sin θ  cos θ

255

ist 

 cos θ sin θ = Sθ/2 ∈ O(2)− ⊂ O(2). T = (T e1, T e2 ) = sin θ − cos θ



Definition 5.30. Eine affine Abbildung F : R2 → R2 , F(x) = Ax + b, deren linearer Anteil orthogonal ist, d.h. A ∈ O(2), heißt euklidische Bewegung der Ebene. Wir definieren die euklidische Bewegungsgruppe des R2 durch E(2) := {euklidische Bewegungen von R2 }.

Eine affine Abbildung ist per Definition orientierungserhaltend, wenn ihr linearer Anteil dies ist, d.h. wenn der lineare Anteil positive Determinante hat. Im Fall einer euklidischen Bewegung bedeutet dies, dass der lineare Anteil aus SO(2) ist, denn für alle A ∈ SO(2) ist det(A) = 1 und alle A ∈ O(2)− gilt det(A) = −1. Die Menge der orientierungserhaltenden euklidischen Bewegungen von R2 bezeichnen wir mit E+ (2) := {orientierungserhaltende euklidischen Bewegungen von R2 }.

Definition 5.31. Sei X eine Menge und ϕ : X → X eine Abbildung. Ein Fixpunkt von ϕ ist ein Punkt p ∈ X mit ϕ(p) = p. Für jede lineare Abbildung ist 0 ein Fixpunkt. Affine Abbildungen hingegen brauchen keine Fixpunkte zu haben, wie man schon an den Translationen sieht. Die Drehungen, dargestellt durch Rθ , haben nur den Ursprung 0 als Fixpunkt, es sei denn Rθ = 12 . Dann ist jeder Punkt in R2 Fixpunkt. Diese Bemerkung hat folgende Verallgemeinerung für orientierungserhaltende euklidische Bewegungen: Satz 5.32. Ist F ∈ E+ (2), F(x) = Ax + b mit A  12 , dann hat F genau einen Fixpunkt. Beweis. Setze H := F − idR2 . Offenbar ist x ∈ R2 ein Fixpunkt von F genau dann, wenn H(x) = 0 gilt. Da F ∈ E+ (2) ist, ist A ∈ SO(2), d.h. A = Rθ für ein θ ∈ R. Wegen A  12 muss θ  k · 2π für alle k ∈ Z sein. Es genügt nun det(A − 12 )  0

(5.15)

256

5. Geometrie

zu zeigen. Denn dann ist die lineare Abbildung x → (A − 12 ) · x bijekiv und damit ist nach Satz 5.13 (iv) auch H = F − idR2 bijektiv. Also gibt es dann genau ein x ∈ R2 mit H(x) = 0, d.h. genau einen Fixpunkt von F. Beweis von (5.15):   cos θ − 1 − sin θ det(A − 12 ) = det sin θ cos θ − 1 = (cos θ − 1)2 + sin2 θ = cos2 θ − 2 cos θ + 1 + sin2 θ = 2 − 2 cos θ = 2(1 − cos θ). Da θ  2πk für k ∈ Z ist, ist cos θ  1.



Wir können nun die euklidischen Bewegungen wie folgt charakterisieren: Satz 5.33. Sei F : R2 → R2 eine beliebige Abbildung. Dann sind äquivalent: (1) F ∈ E(2), d.h. F ist eine euklidische Bewegung. (2) F ist abstandserhaltend, d.h. für alle x, y ∈ R2 gilt d(F(x), F(y)) = d(x, y).

Zur Vorbereitung des Beweises benötigen wir folgendes Lemma: Lemma 5.34. Seien v, w ∈ R2 \ {0}. Ist v, w = 0, dann sind v und w linear unabhängig. Beweis von Lemma 5.34. Seien v, w ∈ R2 \{0} mit v, w = 0. Seien α, β ∈ R mit αv + βw = 0. Zu zeigen ist: α = β = 0. Es gilt 0 = 0, v = αv + βw, v = αv, v + βv, w = αv 2 und somit α = 0, da v  0 nach Voraussetzung. Analog sieht man β = 0. Beweis von Satz 5.33. Zu „(1) ⇒ (2)“: Sei F ∈ E(2). Dann gibt es ein A ∈ O(2) und ein b ∈ R2 , so dass für alle x ∈ R2 gilt: F(x) = Ax + b. Wir haben dann für alle x, y ∈ R2 :



5.3. Geometrie der Ebene, Teil 2

257

d(F(x), F(y)) = F(x) − F(y) =  Ax + b − (Ay + b) =  Ax − Ay =  A(x − y) =  x − y = d(x, y). Dabei haben wir Lemma 5.22 bzw. Lemma 5.23 benutzt, je nachdem ob A ∈ SO(2) oder A ∈ O(2)− . Zu „(2) ⇒ (1)“: Sei F abstandserhaltend. Wir setzen b := F(0) und ϕ(x) := F(x) − b. Zu zeigen ist, dass ϕ linear ist mit darstellender Matrix M(ϕ) ∈ O(2). Schritt 1: Wir zeigen, dass ϕ(x), ϕ(y) = x, y gilt für alle x, y ∈ R2 . Seien nämlich x, y ∈ R2 . Betrachte das Dreieck (0, x, y). Durch F wird es abgebildet auf das Dreieck (b, F(x), F(y)). Da F abstandserhaltend ist, haben die beiden Dreiecke dieselben Seitenlängen. Da Translationen abstandserhaltend sind, hat das Dreieck (0, ϕ(x), ϕ(y)) ebenfalls dieselben Seitenlängen wie (0, x, y). Gemäß Korollar 2.103 haben die beiden Dreiecke (0, x, y) und (0, ϕ(x), ϕ(y)) auch dieselben Innenwinkel. Inbesondere gilt (x, y) = (ϕ(x), ϕ(y)). Damit können wir berechnen:   ϕ(x), ϕ(y) = cos (ϕ(x), ϕ(y)) · ϕ(x) · ϕ(y) = cos((x, y)) · d(ϕ(x), 0) · d(ϕ(y), 0) = cos((x, y)) · d(F(x), b) · d(F(y), b) = cos((x, y)) · d(F(x), F(0)) · d(F(y), F(0)) = cos((x, y)) · d(x, 0) · d(y, 0) = cos((x, y) ·  x ·  y = x, y. Schritt 2: Nun zeigen wir, dass ϕ linear ist. Sei dazu (e1, e2 ) die Standardbasis von R2 . Wir setzen f1 := ϕ(e1 ) und f2 := ϕ(e2 ). Für diese Vektoren gilt zum einen  fi  2 =  fi, fi  = ϕ(ei ), ϕ(ei ) = ei, ei  = 1. Insbesondere sind sie nicht 0. Zum anderen haben wir  f1, f2  = ϕ(e1 ), ϕ(e2 ) = e1, e2  = 0. Nach Lemma 5.34 sind f1 und f2 linear unabhängig und bilden daher eine Basis von R2 .

258

5. Geometrie

  Sei nun x ∈ R2 , x = xx12 . Wir schreiben ϕ(x) = α1 f1 + α2 f2 mit geeigneten Koeffizienten αi ∈ R, i = 1, 2. Dann gilt einerseits, unter Benutzung des ersten Schritts, ϕ(x), fi  = ϕ(x), ϕ(ei ) = x, ei  = xi und andererseits ϕ(x), fi  = α1 f1 + α2 f2, fi  = α1  f1, fi  + α2  f2, fi  = αi . Also ist αi = xi . Bezeichnet ( f1, f2 ) die reelle 2 × 2-Matrix mit den Spalten f1 und f2 , so gilt ϕ(x) = x1 f1 + x2 f2 = ( f1, f2 ) ·

$ % x1 . x2

Daher ist ϕ linear mit darstellender Matrix M(ϕ) = ( f1, f2 ). Schritt 3: Die Aussage des ersten Schritts liefert nun zusammen mit Satz 5.29, dass M(ϕ) ∈ O(2). Somit ist F : R2 → R2 , F(x) = ϕ(x) + b, eine euklidische Bewegung.  Beispiel 5.35. Die Drehungen, die durch die Matrizen Rθ dargestellt werden, haben alle den Ursprung als Drehpunkt. Aber auch die Drehungen um einen beliebigen Drehpunkt p ∈ R2 um einen Winkel θ sind orientierungserhaltende euklidische Bewegungen. Denn wir können eine solche Drehung folgendermaßen als Verkettung schreiben: erst Verschieben um −p, dann Drehen um θ, danach (zurück) verschieben um p. Damit hat die Abbildung die Form x → Rθ (x − p) + p = Rθ x + (p − Rθ p). Bemerkung 5.36. Umgekehrt ist jedes F ∈ E+ (2) eine Drehung um einen Drehpunkt p ∈ R2 oder eine Translation, vgl. Aufgabe 5.9. Der Fixpunkt aus Satz 5.32 ist dann nichts anderes als der Drehpunkt. Satz 5.37 (Hesse’sche Normalform für Geraden in der Ebene). Sei v ∈ R2 \ {0} und p ∈ R2 . Dann gilt für die Gerade G p,v : G p,v = {x ∈ R2 | x, Jv = p, Jv}.

Bemerkung 5.38. Wir erinnern uns, dass J = Rπ/2 . Der Vektor Jv heißt Normalenvektor an G p,v .

5.3. Geometrie der Ebene, Teil 2

259

J·v p v G p,v Abb. 93 Normalenvektor

Beweis von Satz 5.37. Zu „⊂“: Sei x ∈ G p,v . Schreibe x = p + t · v für ein t ∈ R. Dann gilt x, Jv = p + tv, Jv = p, Jv + t v, Jv = p, Jv. ()*+ =0

Zu „⊃“: Die Vektoren v, Jv stehen senkrecht aufeinander und sind beide  0, denn v  0 nach Voraussetzung und J ist ein Automorphismus. Somit bildet (v, Jv) nach Lemma 5.34 eine Basis von R2 . Nehmen wir nun an, dass x die Gleichung x, Jv = p, Jv erfüllt. Wir schreiben x − p = t · v + s · J · v mit s, t ∈ R. Dann ist 0 = x, Jv − p, Jv = x − p, Jv = tv + sJv, Jv = t v, Jv +s Jv, Jv = s  Jv 2 . ()*+ ()*+ =0

Also ist s = 0 und somit x − p = t · v. Es folgt x = p + t · v ∈ G p,v .

0



Definition 5.39. Sei (a, b, c) ein nichtentartetes Dreieck in R2 . Die Höhe Ha ist diejenige Gerade durch den Punkt a, die auf b − c senkrecht steht, d.h. Ha = {x ∈ R2 | x, b − c = a, b − c}. Analog definiert man die Höhe Hb durch b und Hc durch c.

Satz 5.40 (Höhenschnittsatz). Sei (a, b, c) ein nicht entartetes Dreieck. Dann schneiden sich die drei Höhen in einem Punkt.

260

5. Geometrie

Hb

c

Ha

a Hc

b

Abb. 94 Höhenschnittsatz

Beweis. Die Höhen Ha und Hb sind nicht parallel, weil sonst die Seiten gegenüber a bzw. b parallel sein müssten. Dann wäre das Dreieck entartet. Also haben Ha und Hb einen Schnittpunkt h ∈ Ha ∩ Hb . Bleibt zu zeigen, dass h auch auf der dritten Höhe liegt, h ∈ Hc . Wegen h ∈ Ha gilt h, b − c = a, b − c und wegen h ∈ Hb haben wir

h, a − c = b, a − c.

Ziehen wir die erste von der zweiten Gleichung ab, so erhalten wir für die linke Seite h, a − c − h, b − c = h, a − c − (b − c) = h, a − b und für die rechte b, a − c − a, b − c = b, a − b, c − a, b + a, c = −b, c + a, c = c, a − b. Also ist h, a − b = c, a − b, d.h. h ∈ Hc .



Definition 5.41. Sei m ∈ R2 und r > 0. Dann heißt Kr (m) := {x ∈ R2 | d(x, m) = r } Kreis mit Mittelpunkt m und Radius r. Wir können die Formel für den Kreis auch leicht modifiziert so schreiben: Kr (m) = {x ∈ R2 |  x − m 2 = r 2 } = {x ∈ R2 | x − m, x − m = r 2 }. Sei nun G a,v eine Gerade. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir v = 1 voraussetzen. Wir untersuchen nun die verschiedenen Möglichkeiten, wie die Gerade G a,v den Kreis Kr (m) schneiden kann. Wir fragen also: Was ist G a,v ∩ Kr (m)? Zu x = a + tv ∈ G a,v betrachte x − m, x − m = a + tv − m, a + tv − m = v 2 t 2 + 2a − m, vt + a − m 2

5.3. Geometrie der Ebene, Teil 2

261

= t 2 + 2a − m, vt + a − m 2 . Das bedeutet: x ∈ Kr (m)



t 2 + 2a − m, v · t + (a − m 2 − r 2 ) = 0.

(5.16)

Die Schnittpunkte von G a,v mit Kr (m) zu berechnen ist also gleichbedeutend damit, die quadratische Gleichung (5.16) für die Unbekannte t zu lösen. Die quadratische Gleichung ist in der Form (2.21) mit p = a − m, v und q = a − m 2 − r 2 . Die Diskriminante ergibt sich zu D = p2 − q = a − m, v 2 − (a − m 2 − r 2 ). Nach Bemerkung 2.126 gibt uns das Vorzeichen der Diskriminante Auskunft über die Anzahl der reellen Lösungen von (5.16). 1. Fall: Es gibt keine reelle Lösung t. Dies ist äquivalent zu D < 0 und damit zu a − m, v 2 < a − m 2 − r 2 . Insbesondere hat G a,v keine Punkte im Inneren des Kreises, denn sonst könnte man einen solchen Punkt als Aufpunkt a der Gerade nehmen und in der Ungleichung

a v

G a,v m r Kr (m) Abb. 95

a − m, v 2 < a − m 2 − r 2 wäre die rechte Seite negativ, die linke als ein Quadrat aber ≥ 0, ein Widerspruch. 2. Fall: Es gibt genau eine Lösung t. Dies ist äquivalent zu D = 0 und damit zu a − m, v 2 = a − m 2 − r 2 . Wählen wir als Aufpunkt a der Gerade den Schnittpunkt mit dem Kreis, dann ist a − m = r und die Bedingung an die Diskriminante ist äquivalent zu

v

a m

G a,v

a−m

Kr (m) Abb. 96

a − m, v = 0, d.h. a − m steht senkrecht auf v. In diesem Fall nennt man G a,v eine Tangente (Berührende) des Kreises Kr (m).

262

5. Geometrie

3.Fall: Es gibt zwei verschiedene reelle Lösungen. Dies ist äquivalent zu D > 0 und damit zu a − m, v 2 > a − m 2 − r 2 .

v

a G a,v

m

Wählt man a als einen der beiden Schnittpunkte, so besagt die Bedingung an die Diskriminante a − m, v  0,

Kr (m) Abb. 97

also steht a − m in diesem Fall nicht auf v senkrecht. In diesem Fall nennt man G a,v eine Sekante (Schneidende) oder Sehne von Kr (m). Satz 5.42 (Zwei-Sehnen-Satz). Sei Kr (m) ein Kreis und a ∈ R2 . Dann ist für alle Sekanten G von Kr (m) durch den Punkt a das Produkt der Sehnenabschnitte ζ1 · ζ2 dasselbe.

 ζ1 a

m ζ2

Kr (m)

Abb. 98 Zwei-Sehnen-Satz

Beweis. Sei G a,v eine Sekante von Kr (m), wobei wir wieder ohne Beschränkung der Allgemeinheit v = 1 voraussetzen. Nach Satz 2.123 gilt für das Produkt der Lösungen t1 und t2 von (5.16) t1 · t2 = q = a − m 2 − r 2 . Nun gilt für die Sehnenabschnitte ζi = d(a, a + ti v) = ti v = |ti |v = |ti | . Also ist

  ζ1 · ζ2 = |t1 · t2 | =  a − m 2 − r 2  ,

und damit unabhängig von v, d.h. nimmt für alle Sekanten von Kr (m) durch a denselben Wert an.  Wir haben keine Einschränkung an die Lage von a gemacht. Der Punkt a darf auch außerhalb des Kreises liegen. Falls a auf dem Kreis liegt, ist die Aussage des Satzes trivial, weil dann

5.4. Das Vektorprodukt

263

einer der beiden Sehnenabschnitte 0 ist und damit auch das Produkt 0 sein muss. Ganz genauso wie den Zwei-Sehnen-Satz sieht man auch den Satz 5.43 (Tangenten-Sehnen-Satz). Sei Kr (m) ein Kreis und a ein Punkt im Äußeren von Kr (m), d.h. d(m, a) > r. Dann gilt für die Sehnenabschnitte ζ1 und ζ2 einer beliebigen Sekante von Kr (m) durch den Punkt a und den Abstand I von a zu dem Schnittpunkt einer Tangente von Kr (m) durch a, dass I 2 = ζ1 · ζ2 .  a

I ζ2 ζ1 m K

Abb. 99 Tangenten-Sehnen-Satz

Im Tangenten-Sehnen-Satz haben wir ausgeschlossen, dass a im Inneren des Kreises liegt, weil es sonst überhaupt keine Tangenten durch a gibt.

5.4. Das Vektorprodukt Den Körper der komplexen Zahlen hatten wir aus R2 gewonnen, indem wir ein geeignetes Produkt für Vektoren in R2 eingeführt haben. Kann man nun auch in höheren Dimensionen n ≥ 3 auf Rn Produkte definieren, die Rn zu einem Körper machen? Die Antwort hierauf lautet nein. Allerdings besitzt R3 ein interessantes Produkt, so dass R3 hierdurch zwar nicht zu einem Körper wird, aber das Produkt doch für die dreidimensionale Geometrie nützliche Eigenschaften hat. Definition 5.44. Sind v, w ∈ R3 , so heißt v w − v3 w2

2 3

v × w := v3 w1 − v1 w3  ∈ R3 v1 w2 − v2 w1  das Vektorprodukt oder auch Kreuzprodukt von v und w.

264

5. Geometrie

Wie kann man sich diese scheinbar komplizierte Definition gut merken? Wir schreiben v w1

1

v2 w2 , streichen die jeweils betrachtete Zeile, bilden die Determinante der entstehenden  v3 w3  2 × 2-Matrix und versehen sie mit dem Schachbrettmustervorzeichen:   v w 2 2

+ det

v3 w3     w v 1 1 . v × w = − det v3 w3     + det v1 w1  v2 w2  Bevor wir nun das Vektorprodukt genauer untersuchen, verallgemeinern wir das Skalarprodukt und die Norm von R2 auf beliebige Dimensionen, d.h. auf Rn .

y1

x1 . ..  Definition 5.45. Für x = .  , y = ..  ∈ Rn heißt   x n yn   x, y := x1 · y1 + . . . + xn · yn Skalarprodukt der Vektoren x und y. Ferner heißt   x := x, x die euklidische Norm von x. Bemerkung 5.46. Das Skalarprodukt ist eine Abbildung ·, · : Rn × Rn → R, und die euklidische Norm eine Abbildung  ·  : Rn → R, so dass für alle x, x , y ∈ Rn und alle t ∈ R gilt: (i) x + x , y = x, y + x , y; (ii) t · x, y = t · x, y; (iii) x, y = y, x;

5.4. Das Vektorprodukt

265

(iv) x, x ≥ 0; (v) x, x = 0 ⇔ x = 0; (vi)  x ≥ 0 und x = 0 ⇔ x = 0; (vii) t · x = |t | ·  x; (viii) x = y ⇔ ∀z ∈ Rn : x, z = y, z. Diese Regeln rechnet man wie im Fall n = 2 leicht nach. Überlegen wir uns nur kurz die letzte Aussage: Für „⇒“ ist nichts zu zeigen. Für „⇐“ wählen wir speziell z = ek und sehen xk = x, ek  = y, ek  = yk für alle k. Es folgt x = y. Nun zurück zum Vektorprodukt, das eine Abbildung R3 × R3 → R3 definiert. Es hat folgende Eigenschaften: Satz 5.47. Für alle v, v˜, w, w, ˜ z ∈ R3 und alle λ ∈ R gilt: (i) v × w, z = det (v, w, z). (ii) v × w = − (w × v). (iii) Linearität in beiden Argumenten: (v + v˜ ) × w = (v × w) + (˜v × w) , v × (w + w) ˜ = (v × w) + (v × w) ˜ , (λv) × w = λ · (v × w) = v × (λw) . (iv) v × w = 0 ⇔ v, w sind linear abhängig. (v) v × w ⊥ v, w. (vi) v × w = vol2 (P), wobei P das von v und w aufgespannte Parallelogramm ist. (vii) Sind v und w linear unabhängig, so bildet (v, w, v × w) eine positiv orientierte Basis von R3 .

Beweis. Zu (i): Durch Entwicklung nach der 3. Spalte sehen wir:       v w1 z1

1

v w w w v v 2 2 1 1 1 1 det v2 w2 z2  = + det · z1 − det · z2 + det · z3 = v × w, z . v3 w3 v3 w3 v2 w2 v3 w3 z3 

266

5. Geometrie

Zu (ii): Für alle z ∈ R3 gilt: (i)

v × w, z = det (v, w, z) = − det (w, v, z) (i)

= − w × v, z

= − (w × v) , z . Nach Bemerkung 5.46 (viii) folgt v × w = − (w × v). Zu (iii): Für alle z ∈ R3 gilt: (i)

(v + v˜ ) × w, z = det (v + v˜, w, z) = det (v, w, z) + det (˜v, w, z) (i)

= v × w, z + ˜v × w, z = (v × w) + (˜v × w) , z .

Nach Bemerkung 5.46 (viii) ist somit (v + v˜ ) × w = (v × w) + (˜v × w). Die anderen beiden Regeln folgen analog. Zu (iv): Es gilt: v, w sind linear abhängig

Zu (v): Wir berechnen

⇔ ⇔ ⇔ ⇔ ⇔

rg(v, w) ≤ 1 rg(v, w, z) ≤ 2 für alle z ∈ R3 det (v, w, z) = 0 für alle z ∈ R3 v × w, z = 0 für alle z ∈ R3 v × w = 0.

(i)

v × w, v = det (v, w, v) = 0. Hieraus folgt v × w ⊥ v. Für v × w ⊥ w argumentiert man analog. Zu (vi): 1. Fall: Sind v, w linear abhängig, so folgt nach (iv) sofort v × w = 0, also v × w = 0. Ferner ist P dann auch in einer Geraden des R2 enthalten, also folgt vol2 (P) = 0. 2. Fall: Sind v, w linear unabhängig, so gilt (i)

v × w 2 = v × w, v × w = det (v, w, v × w) = vol3 (Q) ,

(5.17)

5.5. Aufgaben

267

wobei Q das Parallelepiped ist, welches von v, w, v × w v × w aufgespannt wird. Da nach e) v × w ⊥ v, w gilt, ist Q = Zv×w (P). Wegen (A.6) haben wir vol3 (Q) = vol2 (P) · v × w .

Q w P

(5.18)

v Abb. 100

Einsetzen von (5.18) in (5.17) liefert schließlich v × w 2 = vol2 (P) · v × w , ()*+ 0 nach (iv)

also v × w = vol2 (P). Zu (vii): Nach (iv) ist v × w  0. Nun gilt (i)

det (v, w, v × w) = v × w, v × w = v × w 2 > 0. Also bildet (v, w, v × w) eine positiv orientierte Basis von R3 .



Fassen wir zusammen: v × w ist der eindeutige Vektor im R3, der auf der Ebene, die von v und w aufgespannt wird, senkrecht steht, dessen Länge gleich dem Flächeninhalt des Parallelogramms ist, welches von v und w aufgespannt wird, so dass (v, w, v × w) rechtshändig ist (d.h. eine positiv orientierte Basis des R3 bildet). Die Berechnung von Skalar- und Vektorprodukten können Sie jetzt hier üben. Das ist eine gute Kontrolle um zu prüfen, ob Sie alles richtig verstanden haben: http://ueben.cbaer.eu/12.html

5.5. Aufgaben 5.1. Sei (e1, e2, e3 ) die Standardbasis von R3 . Wir betrachten die affine Ebene E := −e3 + L(e1, e2 ). Desweiteren sei v ∈ R3 ein Vektor, so dass L(e1, e2, v) = R3 gilt. Zu jedem x ∈ R3 sei G(x) := x + L(v) die affine Gerade durch x in Richtung v. a) Zeigen Sie, dass für jedes x ∈ R3 der Schnitt G(x) ∩ E aus genau einem Element besteht, das wir mit p(x) bezeichnen. b) Zeigen Sie, dass die Abbildung p : R3 → R3 , x → p(x), affin ist. Anmerkung: Geometrisch handelt es sich bei p um die Parallelprojektion auf E mit Projektionsrichtung v. c) Sei nun v = (−1, 0, 1) . Berechnen Sie die Bilder der Punkte A = (0, 2, 2) , B = (0, 1, 1) , C = (0, 3, 1) und D = (2, 2, 1) unter p und fertigen Sie eine Skizze an. Auf dieser sollte der Körper mit den Eckpunkten A, B, C, D sowie dessen Bild unter p eingezeichnet sein.

268

5. Geometrie

5.2. Sei K ein Körper, n ∈ N und F : K n → K n eine affine Abbildung. Es gilt also F(x) = ϕ(x) + a für eine lineare Abbildung ϕ : K n → K n und ein a ∈ K n . Wir definieren die Abbildungen ι : K n → K n+1, ΦF : K

n+1

→K

ι(x) := (1, x),

,

ΦF ((x0, x)) := (x0, x0 · a + ϕ(x)).

n+1

Hierbei ist x ∈ K n , 1, x0 ∈ K und (1, x), (x0, x) ∈ K n+1 . a) Zeigen Sie, dass ι affin und injektiv ist. b) Zeigen Sie, dass ΦF linear ist und folgende darstellende Matrix hat: 1 0 ··· 0

M(ΦF ) =  a M(ϕ)  c) Zeigen Sie, dass ΦF ◦ ι = ι ◦ F gilt. Dies bedeutet, dass die Einschränkung von ΦF auf ι(K n ) gerade durch F gegeben ist, wenn man K n mit ι(K n ) identifiziert. d) Sei nun G : K n → K n eine weitere affine Abbildung. Zeigen Sie: M(ΦG◦F ) = M(ΦG ) · M(ΦF ) 5.3. Sei a > 0. Zeigen Sie: Unter allen Rauten (siehe Definition 2.106) mit der Seitenlänge a hat das Quadrat den größten Flächeninhalt. 5.4. Der gesamte Trefferbereich einer Dartscheibe hat den Radius 17 cm, der des innersten Trefferbereichs (Bull’s eye) 6,35 mm. Als ungeübte Dartspieler treffen wir zwar die Scheibe, aber jeden Punkt mit gleicher Wahrscheinlichkeit. Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit eine Region X im Trefferbereich zu treffen gegeben ist durch vol2 (X) . vol2 (Trefferbereich) a) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit das Bull’s eye zu treffen? b) Wie groß ist diese Wahrscheinlichkeit bei einer n-dimensionalen Dartscheibe für n = 3, n = 4 und n = 10? 5.5. Zeigen, Sie dass a) E(2) eine Untergruppe der Gruppe aller bijektiven affinen Abbildungen R2 → R2 ist;

5.5. Aufgaben

269

b) E+ (2) eine Untergruppe von E(2) ist. 5.6. Beweisen Sie mit Hilfe des Zwei-Sehnen-Satzes den nachfolgenden Höhensatz: Sei durch a, b, c ∈ R2 ein rechtwinkliges euklidisches Dreieck mit rechtem Winkel bei c gegeben. Sei d der Schnittpunk der Höhe Hc mit G a,b−a . Dann gilt: a − d  · b − d  = c − d  2 5.7. Zeigen Sie, dass

 z + 1 # "  =2 K = z ∈ C  Re z−1 einen Kreis in der komplexen Ebene definiert und bestimmen Sie Mittelpunkt und Radius von K.

5.8. Eine Mathematik-Studentin fährt nach bestandener Klausur in den wohlverdienten Urlaub. Dort geht sie an den Strand und blickt auf das Meer. Ihre Augen befinden sich dabei 1, 60 Meter über dem Meeresspiegel. Benutzen Sie den Tangenten-Sehnen-Satz, um zu berechnen, wie weit der Horizont entfernt ist.

Abb. 101 Urlaub

5.9. a) Zeigen Sie, dass jedes F ∈ E+ (2) eine Translation oder eine Drehung um einen Drehpunkt p ∈ R2 ist. Hinweis: Der Fixpunkt aus Satz 5.32 ist gerade der Drehpunkt. b) Hat jede euklidische Bewegung F ∈ E(2) \ E+ (2) einen Fixpunkt? (Beweis oder Gegenbeispiel) 5.10. Sei durch a, b, c ∈ R2 ein nicht-ausgeartetes euklidisches Dreieck gegeben. Die Mittelsenkrechte der Seite zwischen a und b ist gegeben durch Ma,b := G(a+b)/2,J(a−b) , die Mittelsenkrechten Ma,c und Mb,c werden entsprechend definiert. Zeigen Sie: a) Die Mittelsenkrechten Ma,b, Ma,c und Mb,c schneiden sich in einem Punkt. b) Es gibt genau einen Kreis K, der durch die drei Punkte a, b und c geht. 5.11. Seien p, v, w ∈ R3 , wobei v, w linear unabhängig seien. Wir setzen N := v × w. Zeigen Sie: {p + tv + sw | s, t ∈ R} = {x ∈ R3 | x, N = p, N} Hier wird die affine Ebene beschrieben, die durch p geht und deren zugehöriger Untervektorraum die Basis {v, w} hat. Die Darstellung dieser Ebene, die durch die rechte Seite der Gleichung gegeben ist, nennt man die Hesse’sche Normalform der Ebene.

270

5. Geometrie

5.12. Seien v, w, z ∈ R3 . Zeigen bzw. beantworten Sie: a) (Graßmann-Identität) v × (w × z) = v, z w − v, w z. b) Ist das Vektorprodukt assoziativ? c) (Jacobi-Identität) v × (w × z) + w × (z × v) + z × (v × w) = 0. 5.13. (Kreuzprodukt in n Dimensionen) Das Kreuzprodukt in n Dimensionen hat n − 1 statt 2 Faktoren und ist durch die Gleichung v1 × . . . × vn−1, z = det(v1, . . . , vn−1, z) charakterisiert, v1, . . ., vn−1, z ∈ Rn . a) Formulieren und zeigen Sie Aussagen analog zu (ii)–(vii) aus Satz 5.47. b) Was ist das Kreuzprodukt im Fall n = 2?

6. Eigenwertprobleme Wörter sind wie Münzen: Sie haben einen Eigenwert, ehe sie alle möglichen Werte bezeichnen. (Antoine de Rivarol)

Um zu verstehen, was ein gegebener Endomorphismus „geometrisch tut“, versuchen wir, eine Basis des Vektorraums zu finden, bzgl. derer die darstellende Matrix möglichst einfach ist. Am liebsten wäre uns eine Diagonalmatrix. Dies führt auf das Konzept der Diagonalisierbarkeit, der Eigenwerte und Eigenvektoren. Vorher müssen wir allerdings Polynome mit Koeffizienten in beliebigen Körpern verstehen. Es wird sich herausstellen, dass man Endomorphismen nicht immer diagonalisieren kann, wohl aber trigonalisieren, zumindest über den komplexen Zahlen. Schließlich werden wir das Minimalpolynom und die Jordan’sche Normalform besprechen.

6.1. Polynome Bevor wir das Rechnen mit Matrizen weiter vertiefen, schieben wir eine systematische Untersuchung von Polynomen mit Koeffizienten in einem beliebigen Körper ein. Zunächst einmal, was ist eigentlich ein Polynom? Dazu erinnern wir uns an Beispiel 3.75. Für einen beliebigen Körper K bildet die Menge Abb(N0, K) der Folgen in K einen K-Vektorraum. Dabei sind Addition und skalare Multiplikation komponentenweise erklärt. Wir schreiben jetzt solche Folgen etwas anders hin. Sei dazu x ein abstraktes Symbol. Statt der Folge (a0, a1, a2, . . .) schreiben wir nun ∞ 

aj · x j .

(6.1)

j=0

Man beachte, dass x hier keine Zahl (aus K) ist, sondern tatsächlich nur ein Platzhalter. Das gilt dann auch für x j . Statt x wird häufig auch ein anderer Buchstabe genommen, z.B. t oder y, man könnte statt x im Prinzip auch Kunigunde oder Winnetou nehmen. Definition 6.1. Sei K ein Körper und x ein abstraktes Symbol. Einen formalen Ausdruck wie in (6.1) nennt man eine formale Potenzreihe mit Koeffizienten in K in der Veränderlichen x. Die Menge aller solcher formaler Potenzreihen bezeichnet man mit Kx. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 C. Bär, Lineare Algebra und analytische Geometrie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22620-6_6

272

6. Eigenwertprobleme

1 , . . ., j!1 , . . .) in Q schreiben wir die formale PotenzBeispiel 6.2. Statt der Folge (1, 1, 12 , 16 , 24 reihe ∞  1 · xj j! j=0

und statt der Folge (1, 0, 1, 0, 1, 0, . . .) in F2 schreiben wir die formale Potenzreihe ∞ 

x 2k .

k=0

Summanden, deren Koeffizient = 0 ist, lässt man in der Potenzreihenschreibweise in der Regel weg. Die komponentenweise Addition und skalare Multiplikation übersetzt sich dann in die Potenzreihenschreibweise wie folgt: ∞ 

aj · x j +

j=0

α·

∞  j=0 ∞ 

bj · x j = aj · x j =

∞  j=0 ∞ 

j=0

(a j + b j ) · x j , (α · a j ) · x j .

j=0

Wir haben also den K-Vektorraum Kx der formalen Potenzreihen, der isomorph ist zum K-Vektorraum Abb(N0, K) der Folgen. Im Gegensatz zur Analysis spielt Konvergenz für uns hier keine Rolle; sie wäre für allgemeine Körper K auch überhaupt nicht definiert. Definition 6.3. Eine formale Potenzreihe ∞ 

aj · x j

j=0

heißt Polynom, wenn nur endlich viele der Koeffizienten a j  0 sind. Genauer sprechen wir von einem Polynom in der Veränderlichen x mit Koeffizienten in K und bezeichnen die Menge aller solcher mit K[x]. Wir beachten: Die Koeffizienten a j eines Polynoms sind Elemente aus dem Körper K, die Veränderliche x und ihre Potenzen x j aber zunächst nicht. Diese sind lediglich abstrakte Symbole. Wir werden dafür später auch Elemente aus K einsetzen, aber zunächst einmal sind die x j nur Platzhalter. Polynome sind also nicht zu verwechseln mit den bisher von uns n  betrachteten Polynomfunktionen, die Abbildungen K → K, x → a j · x j , sind. j=0

Da man die Summanden, deren Koeffizienten a j = 0 sind, beim Aufschreiben des Polynoms in der Regel weglässt, sind definitionsgemäß nur endlich viele Summanden anzugeben. Sind alle Koeffizienten = 0, so bleibt die leere Summe übrig, für die wir einfach 0 schreiben.

6.1. Polynome

273

Beispiel 6.4. Sei K = F2 . Hier sind drei verschiedene Polynome mit Koeffizienten in F2 : f = x 2 + x ∈ F2 [x], g = 1 ∈ F2 [x], h = 1 + y 2 + y 500 ∈ F2 [y]. Bemerkung 6.5. Die Menge der Polynome K[x] bildet einen Untervektorraum von Kx:  j 1. Es ist 0 = ∞ j=0 0 · x in K[x] enthalten. ∞  j j 2. Sind alle bis auf endlich viele der Koeffizienten von ∞ j=0 a j · x und j=0 b j · x gleich 0, ∞ dann gilt das auch für die Summe j=0 (a j + b j ) · x j . 3. Sind alle bis auf endlich viele der Koeffizienten von  j für Koeffizienten von ∞ j=0 (α · a j ) · x

∞

j=0

a j · x j gleich 0, dann gilt das auch

Insbesondere ist also K[x] auch selbst ein K-Vektorraum. Definition 6.6. Ist f =



a j · x j ein Polynom, so heißt  −∞, falls f = 0 deg( f ) := max{ j | a j  0}, sonst

der Grad von f . Beispiel 6.7. Sei K = F2 . Dann ist deg(x 2 + x) = 2, deg(1) = 0 , deg(1 + y 2 + y 500 ) = 500. Definition 6.8. Ein Polynom, dessen Koeffizienten alle bis auf einen = 0 sind, und der eine = 1 ist, heißt Monom. In anderen Worten, Monome sind Polynome der Form f = x j . Beispiel 6.9. Sei K = F2 . Dann ist f = y 5 ∈ K[y] ein Monom, wohingegen g = x 2 +x 4 ∈ K[x] kein Monom ist. Bemerkung 6.10. Die Menge der Monome bildet eine Basis des Vektorraums K[x], da sich jedes Polynom eindeutig als (endliche) Linearkombination von Monomen schreiben lässt. Insbesondere ist dim(K[x]) = ∞. Damit muss auch dim(Kx) = ∞ gelten. Wir können Kx auch zu einem Ring machen. Dazu müssen wir noch wissen, wir das Produkt zweier formaler Potenzreihen definiert ist.

274

6. Eigenwertprobleme

Definition 6.11. Für f =

∞

j=0

a j · x j und g =

f · g :=

∞  k  k=0

∞

j=0

b j · x j ist f · g definiert durch

a j · b k− j · x k .

j=0

Wir beachten, dass für jedes k der Koeffizient von x k in f · g eine endliche Summe von Elementen aus K ist. Das Produkt f · g ist also definiert, ohne dass wir irgendwelche Konvergenzannahmen an die formalen Potenzreihen f und g machen müssten. Beispiel 6.12. Wir berechnen das Produkt von f = Qx: f ·g=

∞  k  k=0

j=0

∞

j=0

(−1) j j!

· x j und g =

∞

1 j=0 j!

· x j in

$ % ∞ k  1  (−1) j k · xk = (−1) j ·x k = 1. j!(k − j)! k! j j=0 k=0 ()*+ =0 falls k≥1

Beispiel 6.13. Wir multiplizieren die formale Potenzreihe f = 1 + x + x 2 + x 3 + . . . in F2 x mit sich selbst: f · f =

∞  k  k=0

j=0

1 · 1 · xk =

∞ 

x 2 .

=0

Beim Produkt von formalen Potenzreihen zeigt sich die Stärke der Potenzreihenschreibweise. Wir multiplizieren zwei Potenzreihen, indem wir wie gewohnt ausmultiplizieren als sei der abstrakte Platzhalter x eine Zahl in K und dann sortieren wir das Ergebnis nach Potenzen von x. In der Folgenschreibweise sähe das Produkt so aus: (a0, a1, a2, . . .) · (b0, b1, b2, . . .) = (a0 b0, a0 b1 + a1 b0, a0 b2 + a1 b1 + a2 b0, . . .), was uns vielleicht nicht sofort als vernünftige Definition einleuchten würde. In Aufgabe 6.1 wird gezeigt, dass K[x] ein kommutativer Ring mit Eins ist. Lemma 6.14. Sei K ein Körper und seien f , g ∈ K[x]. Dann ist auch f · g ∈ K[x] und es gilt deg( f · g) = deg( f ) + deg(g). Insbesondere ist K[x] ein Unterring von Kx und K[x] ist nullteilerfrei.

6.1. Polynome

275

Es ist eine berechtigte Frage, was die Formel bedeutet, wenn −∞ als Grad vorkommt. Hierfür verwenden wir die Konvention −∞ + n = n − ∞ = −∞ für alle n ∈ N0 ∪ {−∞}. Beweis. a) Kommt −∞ auf der rechten Seite der Formel für den Grad vor, dann heißt das, dass f = 0 oder g = 0. Dann ist auch f · g = 0, d.h. deg( f · g) = −∞, und die Formel gilt konventionsgemäß. b) Nehmen wir daher an, dass f und g beide nicht = 0 sind. Wir schreiben dann f =

deg( f )

aj · x j

und

j=0

g=

deg(g) 

bj · x j .

j=0

Die führenden Koeffizienten sind dann ungleich 0, d.h. adeg( f )  0 und bdeg(g)  0. Dann ist f ·g=

deg( f )+deg(g) k=0

k 

a j · b k− j · x k .

j=0

Im Koeffizienten der höchstmöglichen auftretenden Potenz x deg( f )+deg(g) trägt nur das Produkt adeg( f ) · bdeg(g) bei, da für alle anderen Summanden einer der beiden Faktoren = 0 ist. Es gilt daher f · g = (adeg( f ) · bdeg(g) ) · x deg( f )+deg(g) + niedrigere Potenzen von x. Also ist deg( f · g) = deg( f ) + deg(g). c) Mit f und g ist auch f · g wieder ein Polynom. Gleiches gilt für die Summe. Also K[x] ein Unterring von Kx. Ist f · g = 0, dann ist deg( f · g) = −∞. Also muss deg( f ) = −∞ oder deg(g) = −∞ gelten, d.h. f = 0 oder g = 0. Dies zeigt, dass K[x] nullteilerfrei ist.  Satz 6.15 (Polynomdivision). Sei K ein Körper und x ein abstraktes Symbol. Seien f , g ∈ K[x], g  0. Dann existieren eindeutig bestimmte Polynome q, r ∈ K[x] mit f = q · g + r, wobei deg(r) < deg(g). Beweis. a) Zeigen wir zunächst die Eindeutigkeit: Seien q, q, ˆ r, rˆ ∈ K[x] mit f = q · g + r = qˆ · g + rˆ und deg(r), deg(r) ˆ < deg(g). Dann ist 0 = (q − q)g ˆ + (r − r), ˆ also rˆ − r = (q − q)g ˆ und außerdem deg(rˆ − r) < deg(g). Wäre q  q, ˆ so wäre andererseits nach Lemma 6.14 deg(rˆ − r) = deg((q − q)g) ˆ = deg(q − q) ˆ + deg(g) ≥ deg(g), ()*+ ≥0, da q−q0 ˆ

Widerspruch. Also ist q = qˆ und damit auch r = r. ˆ

276

6. Eigenwertprobleme

b) Zur Existenz: Ist n := deg( f ) < m := deg(g), so können wir einfach q = 0 und r = f wählen. Wir nehmen daher n ≥ m ≥ 0 an und schreiben f = an x n + . . . + a0, g = bm x m + . . . + b0, wobei an  0 und bm  0. Wir setzen q1 :=

an n−m x und f1 := f − q1 · g. bm

Da sowohl f als auch q1 ·g mit an · x n beginnen, gilt deg( f1 ) < deg( f ). Ist nun deg( f1 ) < deg(g), so setzen wir q := q1 und r := f1 und beenden die Prozedur. Ist immer noch deg( f1 ) ≥ deg(g), so wiederholen wir diesen Schritt mit f1 statt f und erhalten f2 und q2 . Wir wiederholen diesen Schritt so oft bis schließlich deg( fn ) < deg(g). Das ist nach endlich vielen Schritten der Fall, da für alle j gilt deg( f j+1 ) < deg( f j ). Dann setzen wir r := fn und q := q1 + . . . + qn . Nun gilt: f = f1 + q1 · g = ( f2 + q2 · g) + q1 · g = f2 + (q1 + q2 ) · g .. . = fn + (q1 + . . . + qn ) · g = r + q · g, 

wie gewünscht.

Das Schöne an diesem Beweis ist, dass er gleich ein konkretes Verfahren zur Durchführung der Polynomdivision liefert. Beispiel 6.16. Sei K = R. Wir dividieren das Polynom f = 3x 3 + 2x + 1 ∈ R[x] durch das Polynom g = x 2 − 4x ∈ R[x]. Es ist deg(g) < deg( f ). 1. Schritt: Setze 3 3−2 x = 3x und 1 f1 := f − q1 g = 3x 3 + 2x + 1 − 3x(x 2 − 4x) = 12x 2 + 2x + 1.

q1 :=

Es gilt deg(g) = deg( f1 ).

6.1. Polynome

277

2. Schritt: Setze 12 2−2 = 12 und x 1 f2 := f1 − q2 g = 12x 2 + 2x + 1 − 12(x 2 − 4x) = 50x + 1.

q2 :=

Nun ist deg(g) > deg( f2 ) und die Prozedur bricht ab. Wir erhalten q = q1 + q2 = 3x + 12 und für den Rest r = f2 = 50x + 1. In der Tat gilt qg + r = (3x + 12)(x 2 − 4x) + 50x + 1 = 3x 3 − 12x 2 + 12x 2 − 48x + 50x + 1 = 3x 3 + 2x + 1 = f . Hier können Sie die Polynomdivision üben: http://ueben.cbaer.eu/09.html Nun vergleichen wir die Polynome und die Polynomfunktionen. Definition 6.17. Sei K ein Körper. Der Auswertehomomorphismus ist die Abbildung K[x] → Abb(K, K), f →  f˜, wobei f˜ die Abbildung ist, die man erhält, indem man für n  das abstrakte Symbol x alle möglichen Zahlen aus K einsetzt. Genauer: ist f = aj x j, dann ist f˜(λ) =

n  j=0

j=0

a j λ j für alle λ ∈ K.

Wie in Aufgabe 6.3 gezeigt wird, ist der Auswertehomomorphismus tatsächlich ein Homomorphismus, und zwar sowohl ein Vektorraumhomomorphismus als auch ein Ringhomomorphismus. In anderen Worten, es gilt λ4f = λ f˜, 7 f + g = f˜ + g˜ und f8 · g = f˜ · g. ˜ Warum haben wir so pingelig zwischen Polynomen und Polynomfunktionen unterschieden? Hier ist der Grund: Hat der Körper nur endlich viele Elemente, d.h. ist #K < ∞, so ist auch #Abb(K, K) < ∞, aber #K[x] = ∞, da K[x] unendlich-dimensional ist. Also kann der Auswertehomomorphismus in diesem Fall nicht injektiv sein! Verschiedene Polynome können daher zur selben Polynomfunktion führen. Beispiel 6.18. Sei K = F2 . Das Polynom f = x 2 + x ∈ F2 [x] ist nicht das Nullpolynom; es hat Grad 2. Für die zugehörige Polynomfunktion berechnen wir f˜(0) = 02 + 0 = 0 und f˜(1) = 12 + 1 = 0. Also ist f˜ die Nullfunktion, obwohl f nicht das Nullpolynom ist. Das folgende Lemma besagt, dass man zu Nullstellen der Polynomfunktion f˜ den entsprechenden Linearfaktor des Polynoms f abspalten kann.

278

6. Eigenwertprobleme

Lemma 6.19. Sei K ein Körper und sei f ∈ K[x]. Ist λ ∈ K eine Nullstelle von f˜, so existiert genau ein Polynom g ∈ K[x] mit f = (x − λ) · g. Ferner gilt deg(g) = deg( f ) − 1. Beweis. Polynomdivision mit Rest von f durch (x − λ) ergibt Polynome g, r ∈ K[x], so dass f = (x − λ) · g + r und deg(r) < deg(x − λ) = 1. Also deg(r) = 0 oder deg(r) = −∞. In jedem Fall ist der Rest r eine Konstante, r ∈ K, und wir haben f˜ = ( x7 − λ) · g˜ + r. ˜ Da λ eine Nullstelle von f˜ ist, folgt direkt 8 + r(λ) 0 = f8 (λ) = (λ7 − λ) · g(λ) ˜ =r und somit f = (x − λ) · g. Ferner ist deg( f ) = deg(x − λ) + deg(g) = 1 + deg(g). Die Eindeutigkeit von g folgt aus der Eindeutigkeit in der Polynomdivision.



Wenn wir künftig von Nullstellen eines Polynoms f sprechen, so sind damit die Nullstellen der zugehörigen Polynomfunktion f˜ gemeint. Korollar 6.20. Sei K ein Körper und sei f ∈ K[x], f  0. Hat f k paarweise verschiedene Nullstellen, so ist deg( f ) ≥ k. Beweis. Seien λ1, . . ., λ k paarweise verschiedene Nullstellen von f˜. Indem wir Lemma 6.19 k-mal anwenden, erhalten wir f = (x − λ1 ) · · · (x − λ k ) · g für ein g ∈ K[x]. Es muss g  0 sein, weil sonst f = 0 wäre. Also ist deg(g) ≥ 0 und somit deg( f ) = deg(x − λ1 ) + . . . + deg(x − λ k ) + deg(g) ≥ k.

Korollar 6.21. Ist K ein Körper mit unendlich vielen Elementen, so ist der Auswertehomomorphimus K[x] → Abb(K, K) injektiv.

6.1. Polynome

279

Beweis. Sei f ∈ K[x], so dass f˜ die Nullfunktion ist. Wir müssen zeigen, dass f das Nullpolynom ist. Jedes Element von K ist Nullstelle von f˜. Also hat f˜ unendlich viele Nullstellen. Wäre f  0, dann erhielten wir einen Widerspruch zu Korollar 6.20.  Würden wir nur Körper mit unendlich vielen Elementen betrachten, wie Q, R oder C, dann bräuchten wir also nicht so strikt zwischen Polynomen und Polynomfunktionen zu unterscheiden, da wir nach diesem Korollar das Polynom f aus der Polynomfunktion f˜ zurückgewinnen können. Bei endlichen Körpern ist das aber nicht so, wie wir gesehen haben. Definition 6.22. Sei K ein Körper und f ∈ K[x], f  0. Für λ ∈ K heißt μ(λ, f ) := sup{r ∈ N0 | ∃g ∈ K[x] mit f = (x − λ)r · g} Vielfachheit der Nullstelle λ in f . Im Fall komplexer Polynome haben wir den Begriff der Vielfachheit von Nullstellen bereits kennengelernt, vgl. Definition 2.118. Lemma 6.23. Sei K ein Körper, f ∈ K[x], f  0, und λ ∈ K. Dann gilt: (i) 0 ≤ μ(λ, f ) ≤ deg( f ). (ii) Die Vielfachheit μ(λ, f ) ist die eindeutige Zahl aus N0 , für die es ein g ∈ K[x] gibt, so dass f = (x − λ) μ(λ, f ) · g und so dass λ keine Nullstelle von g˜ ist. (iii) μ(λ, f ) = 0 ⇔ λ ist nicht Nullstelle von f˜. (iv) Sind λ1, . . . , λ k die paarweise verschiedenen Nullstellen von f˜ mit Vielfachheiten r1, . . . , rk , so schreibt sich f = (x − λ1 )r1 · . . . · (x − λ k )rk · g, wobei g ∈ K[x] ein Polynom ohne Nullstellen ist. Dabei sind λ1, . . ., λ k, r1, . . ., rk und g bis auf Reihenfolge eindeutig bestimmt.

Beweis. Zu (i): Ist f = (x − λ)r · g, so gilt nach Lemma 6.14 deg( f ) = r + deg(g), also r ≤ deg( f ). Zu (ii): Wäre λ eine Nullstelle von g, ˜ wobei f = (x −λ) μ(λ, f ) · g ist, dann könnten wir Lemma 6.19 auf g anwenden und g in der Form g = (x−λ)·h schreiben, h ∈ K[x]. Damit wäre f = (x−λ) μ(λ, f )+1 ·h im Widerspruch zur Maximalität von μ(λ, f ). Sei umgekehrt r ∈ N0 so, dass es ein g ∈ K[x] gibt mit f = (x − λ)r · g. Dann ist r ≤ μ(λ, f ). Wir schreiben f = (x − λ) μ(λ, f ) · g1 , wobei g1 ∈ K[x] so ist, dass λ keine Nullstelle von g˜1 ist.

280

Also gilt und daher

6. Eigenwertprobleme

(x − λ) μ(λ, f ) · g1 = (x − λ)r · g, (x − λ)r · (g − (x − λ) μ(λ, f )−r · g1 ) = 0.

Da (x − λ)r nicht das Nullpolynom ist, folgt wegen der Nullteilerfreiheit von K[x], dass g − (x − λ) μ(λ, f )−r · g1 = 0. Da λ keine Nullstelle von g˜1 ist, ist λ genau dann keine Nullstelle von g, ˜ wenn μ(λ, f ) = r ist. Aussage (iii) folgt direkt aus (ii). Zu (iv): Wir wenden (ii) k-mal an: Wir schreiben f = (x − λ1 )r1 · g1 , wobei g˜1 nur noch die Nullstellen λ2, . . ., λ k hat. Dann schreiben wir g1 = (x − λ1 )r2 · g2 , wobei g˜2 nur noch die Nullstellen λ3, . . ., λ k hat, usw. Schließlich erhalten wir gk−1 = (x − λ1 )rk · gk , wobei g˜ k keine Nullstellen mehr hat. Setzen wir g := gk , so ergibt sich f = (x − λ1 )r1 · . . . · (x − λ k )rk · g. Wegen der Nullteilerfreiheit von K[x] ist g durch diese Gleichung eindeutig bestimmt.



Beispiel 6.24. Sei K = R und f = x 5 − x 4 + x 3 − x 2 ∈ R[x]. Dann gilt: f = (x − 0)2 · (x − 1) · (x 2 + 1). Hier ist λ1 = 0, r1 = 2, λ2 = 1, r2 = 1 und g = x 2 + 1. Beispiel 6.25. Sei K = C und f = x 5 − x 4 + x 3 − x 2 ∈ C[x]. Dann gilt: f = (x − 0)2 · (x − 1) · (x + i) · (x − i). Hier ist λ1 = 0, r1 = 2, λ2 = 1, r2 = 1, λ3 = −i, r3 = 1, λ4 = i, r4 = 1 und g = 1. Definition 6.26. Sei K ein Körper. Man sagt, ein Polynom f ∈ K[x] zerfällt in Linearfaktoren, falls es sich in der Form f = a · (x − λ1 )r1 · . . . · (x − λn )rn mit a, λ1, . . ., λn ∈ K schreiben lässt. Eine solche Darstellung heißt dann Linearfaktorzerlegung von f . Bemerkung 6.27. Wir haben also genau dann eine Linearfaktorzerlegung von f vorliegen, wenn in der Darstellung f = (x − λ1 )r1 · . . . · (x − λ k )rk · g aus Lemma 6.23 (iv) das Polynom g vom Grad 0 ist. Somit zerfällt f genau dann in Linerfaktoren, wenn sich die Vielfachheiten der Nullstellen zum Grad von f aufaddieren, r1 + . . . + rk = deg( f ). Eine Zerlegung von f in Linearfaktoren ist, falls sie existiert, eindeutig bis auf die Reihenfolge der Faktoren.

6.2. Eigenwerte und Eigenvektoren

281

6.2. Eigenwerte und Eigenvektoren Meistens kann man einer Matrix nicht so ohne Weiteres ansehen, was sie geometrisch beschreibt. So sahen z.B. die Spiegelungsmatrizen Sθ auf den ersten Blick recht kompliziert aus, obwohl die Achsenspiegelungen, die sie beschreiben, geometrisch einfache Abbildungen sind. Es ist also wünschenswert, ein Verfahren zu entwickeln, das es uns erlaubt, gegebene Matrizen besser zu „verstehen“. Dazu dienen Eigenwerte und Eigenvektoren. Diese Konzepte gehören zu den bedeutendsten der linearen Algebra, da sie in zahlreichen Anwendungsproblemen auftreten. In Anhang A.4 wird gezeigt, wie die Aufgabe Webseiten in den Trefferlisten von Suchmaschinen nach Wichtigkeit anzuordnen, auf ein Eigenwertproblem führt. Definition 6.28. Sei K ein Körper, V ein K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Eine Zahl λ ∈ K heißt genau dann Eigenwert von ϕ, wenn ein v ∈ V \ {0} existiert, so dass ϕ(v) = λ · v

(6.2)

ist. Der Vektor v heißt dann Eigenvektor von ϕ zum Eigenwert λ. Ließe man v = 0 zu, so würde die Eigenwert-Gleichung (6.2) mit v = 0 für jedes λ gelten. Somit wäre jede Zahl λ Eigenwert und die Definition wäre unsinnig. Die Gleichung (6.2) sagt aus, dass die lineare Abbildung ϕ den Vektor v um den Faktor λ streckt. Für Matrizen A sind Eigenwerte und Eigenvektoren ganz analog definiert, nämlich als die Eigenwerte und Eigenvektoren der linearen Abbildung x → A · x. In anderen Worten: Definition 6.29. Sei K ein Körper und sei A ∈ Mat(n, K). Eine Zahl λ ∈ K heißt genau dann Eigenwert von A, wenn ein v ∈ K n \ {0} existiert, so dass A·v = λ·v

(6.3)

ist. Der Vektor v heißt dann Eigenvektor von A zum Eigenwert λ. Beispiel 6.30. Für die uns aus Beispiel 4.47 bekannte Spiegelungsmatrix A = Sθ und den Vektor v = vθ gilt wθ A · v = Sθ · vθ = vθ = 1 · vθ .

vθ θ Abb. 102

282

6. Eigenwertprobleme

Folglich ist vθ Eigenvektor von Sθ zum Eigenwert 1. Für v = wθ erhalten wir A · v = Sθ · wθ = −wθ = (−1) · wθ . Also ist wθ Eigenvektor von Sθ zum Eigenwert −1. Beispiel 6.31. Denken wir für K = R einen Moment über die Drehmatrix A = Rθ mit 0 < θ < π nach. Offenbar bleibt die Länge eines beliebigen Vektors bei der Drehung unverändert, und der Bildvektor ist gerade um den Winkel θ vom Original weggedreht, zeigt also in eine andere Richtung. Damit kann er insbesondere kein Vielfaches des Originals sein. Wir erwarten also aufgrund dieser geometrischen Überlegung, dass Rθ keine Eigenvektoren und Eigenwerte hat. Beispiel 6.32. Für eine Diagonalmatrix λ 0 ··· 0

1 0 . . . . . . ...   A = Δ(λ1, . . ., λn ) := . . .. . . . . . 0   0 · · · 0 λn  beobachten wir

0 ..  .  0   Δ(λ1, . . ., λn ) · ek = λ k  = λ k · ek .  0  ..  .  0 Somit ist ek Eigenvektor von Δ(λ1, . . ., λn ) zum Eigenwert λ k für k ∈ {1, . . ., n}. Beispiel 6.33. Sei K = R und V = C ∞ (R, R) der Vektorraum aller unendlich oft differenzierbaren reellen Funktionen. Zu λ ∈ R setzen wir vλ (t) := eλt . Dann ist vλ ∈ V und vλ  0. Der „Ableitungsoperator“ dtd : V → V ist ein Endomorphismus. Wegen vλ (t) = λeλt = λvλ (t) für alle t ∈ R ist d (vλ ) = λvλ . dt Also ist jedes λ ∈ R Eigenwert von

d dt .

Es kann also passieren, dass ein Endomorphismus überhaupt keine Eigenwerte hat, oder endlich viele oder auch unendlich viele. Das wollen wir nun systematisch untersuchen und beginnen mit folgendem

6.2. Eigenwerte und Eigenvektoren

283

Satz 6.34. Sei K ein Körper, V ein K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Sind v1, . . . , vk Eigenvektoren von ϕ zu paarweise verschiedenen Eigenwerten λ1, . . ., λ k ∈ K, dann sind v1, . . ., vk linear unabhängig.

Beweis. Wir führen eine vollständige Induktion nach der Anzahl k durch. Induktionsanfang: Ist k = 1 und damit v1 Eigenvektor zu λ1, so ist v1  0 nach Definition, also linear unabhängig. Induktionsschritt: Gelte die Aussage wie oben für ein k ∈ N. Wir zeigen, dass die Aussage dann auch für k + 1 gültig ist. Hierzu seinen v1, . . . , vk+1 Eigenvektoren zu paarweise verschiedenen Eigenwerten λ1, . . . , λ k+1 . Wir überprüfen, dass nun v1, . . ., vk+1 linear unabhängig sind, also dass aus α1 v1 + . . . + αk+1 vk+1 = 0 (6.4) dann α1 = . . . = αk+1 = 0 folgt. Es gilt (6.4)

0 = ϕ(0) = ϕ (α1 v1 + . . . αk+1 vk+1 ) = α1 · ϕ(v1 ) + . . . + αk+1 · ϕ(vk+1 ) (6.2)

= α1 · λ1 v1 + . . . + αk+1 · λ k+1 vk+1 .

(6.5)

Ferner erhalten wir aus Gleichung (6.4) durch Multiplikation mit λ k+1, dass λ k+1 · α1 v1 + . . . + λ k+1 · αk+1 vk+1 = 0.

(6.6)

Nun liefert Subtraktion der Gleichung (6.6) von (6.5) 0 = α1 · (λ1 − λ k+1 ) · v1 + . . . + αk · (λ k − λ k+1 ) · vk,

(6.7)

wobei der letzte Summand αk+1 · (λ k+1 − λ k+1 ) · vk+1 gerade weggefallen ist. Da nach Induktionsvoraussetzung v1, . . . , vk linear unabhängig sind, verschwinden in der Linearkombination der Gleichung (6.7) alle Koeffizienten αi · (λi − λ k+1 ), d.h. es folgt α1 · (λ1 − λ k+1 ) = . . . = αk · (λ k − λ k+1 ) = 0, ()*+ ()*+ 0

0

also α1 = . . . = αk = 0. Setzen wir diese Ergebnisse in (6.4) ein, so verbleibt αk+1 vk+1 = 0, also ist αk+1 = 0, da der Eigenvektor vk+1 nach Definition nicht der Nullvektor ist.  Da ein Vektorraum nicht mehr linear unabhängige Vektoren enthalten kann als seine Dimension angibt, folgt sofort:

284

6. Eigenwertprobleme

Korollar 6.35. Sei K ein Körper, V ein K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Hat ϕ mindestens k paarweise verschiedene Eigenwerte, k ∈ N ∪ {∞}, dann ist dim(V) ≥ k.



Somit kann die Spiegelungsmatrix Sθ ∈ Mat(2, R) neben 1 und −1 keine weiteren Eigenwerte haben. Da es auf dem reellen Vektorraum V = C ∞ (R, R) einen Endomorphismus mit unendlich vielen paarweise verschiedenen Eigenwerten gibt (nämlich dtd ), muss dim(C ∞ (R, R)) = ∞ gelten. Definition 6.36. Sei K ein Körper, V ein K-Vektorraum, ϕ ∈ End(V) und λ ∈ K. Dann heißt Eig(ϕ, λ) := {v ∈ V | ϕ(v) = λv} der Eigenraum von ϕ zum Eigenwert λ. Analog definiert man für A ∈ Mat(n, K) und λ ∈ K den Eigenraum von A zum Eigenwert λ durch Eig(A, λ) := {v ∈ K n | Av = λv} .

Wir halten folgende Beobachtungen fest: Proposition 6.37. Sei K ein Körper, V ein K-Vektorraum, λ, μ ∈ K und ϕ ∈ End(V ). Dann gilt: (i) Eig(ϕ, λ) \ {0} = {Eigenvektoren von ϕ zum Eigenwert λ}. (ii) Eig(ϕ, λ) = {v ∈ V | (ϕ − λ · idV )(v) = 0} = ker(ϕ − λ · idV ). ()*+ ∈End(V )

(iii) Eig(ϕ, λ) ⊂ V ist ein Untervektorraum. (iv) Für λ  μ ist Eig(ϕ, λ) ∩ Eig(ϕ, μ) = {0}.

Beweis. Aussagen (i) und (ii) sind klar aufgrund der Definition. Aussage (iii) folgt direkt aus (ii), da der Kern einer linearen Abbildung stets ein Untervektorraum ist. Zu (iv): Wäre 0  v ∈ Eig(ϕ, λ) ∩ Eig(ϕ, μ), so müssten v, v wegen Satz 6.34 linear unabhängig sein, was natürlich Unsinn ist. 

6.2. Eigenwerte und Eigenvektoren

285

Wenden wir uns zwei konkreten Beispielen zu: Beispiel 6.38. Wir betrachten die Spiegelungsmatrix A = Sθ und benutzen die Notationen aus Beispiel 4.47. Da vθ ein Eigenvektor von A zum Eigenwert 1 ist, muss Eig(Sθ, 1) den eindimensionalen Untervektorraum R · vθ enthalten. Der Eigenraum kann nicht 2-dimensional sein, da dann Eig(Sθ, 1) = R2 wäre, aber wθ ∈ R2 ist nicht Eigenvektor zum Eigenwert 1 (sondern zum Eigenwert −1). Also gilt Eig(Sθ, 1) = R · vθ . Analog sehen wir Eig(Sθ, −1) = R · wθ . Wegen Korollar 6.35 hat A keine weiteren Eigenwerte. In anderen Worten, für λ  {1, −1}, gilt: Eig(Sθ, λ) = {0} . Deuten wir die beiden nichttrivialen Eigenräume einmal geometrisch: Der Eigenraum Eig(Sθ, 1) = R · vθ ist die Spiegelungsachse, der Eigenraum Eig(Sθ, −1) = R · wθ die dazu senkrechte Ursprungsgerade. Alle Vektoren, die nicht auf einer der beiden Geraden liegen, sind keine Eigenvektoren von A. x2 Eig(Sθ, 1) = Rvθ

wθ θ

vθ x1

Eig(Sθ, −1) = Rwθ Abb. 103 Eigenräume von Sθ

Beispiel 6.39. Die Matrix 1 0 0

A = 0 1 0 0 0 3 könnte theoretisch bis zu drei verschiedene Eigenwerte besitzen. Sofort sehen wir, dass λ1 = 1 und λ2 = 3 Eigenwerte sind. Sollten das schon alle Eigenwerte sein? Wir bekommen 0 0 0

Eig(A, 1) = ker(A − 1 · 13 ) = ker 0 0 0 = {α · e1 + β · e2 | α, β ∈ R} , 0 0 2

286

6. Eigenwertprobleme

also einen 2-dimensionalen Eigenraum. Genauso sehen wir, dass −2 0 0

Eig(A, 3) = ker(A − 3 · 13 ) = ker 0 −2 0 = {α · e3 | α ∈ R} . 0 0 0 Andere Eigenwerte besitzt A nicht, denn für λ  {1, 3} ist 1−λ 0 0

A − λ · 13 = 0 1−λ 0  0 3 − λ 0 eine Diagonalmatrix, deren Diagonaleinträge alle  0 sind, also invertierbar. Daher gilt dann Eig(A, λ) = ker(A − λ · 13 ) = {0}. Die Matrix A hat tatsächlich nur die beiden Eigenwerte 1 und 3. Allerdings muss der Eigenwert 1 hier doppelt gezählt werden. Was bedeutet das genau? Definition 6.40. Sei K ein Körper, V ein K-Vektorraum, λ ∈ K und ϕ ∈ End(V). Dann heißt μgeo (λ) := dim (Eig(ϕ, λ)) die geometrische Vielfachheit oder geometrische Multiplizität des Eigenwerts λ von ϕ. In Beispiel 6.39 hat der Eigenwert 1 die geometrische Vielfachheit 2, der Eigenwert 3 dagegen die geometrische Vielfachheit 1. Dieses Beispiel lässt sich leicht folgendermaßen verallgemeinern: Beispiel 6.41. Sei K ein Körper und sei

μ1  .. A = Δ(μ1, . . . , μn ) :=  .  μn  eine Diagonalmatrix mit Diagonaleinträgen μ1, . . ., μn ∈ K. Für beliebiges λ ∈ K ist dann Δ(μ1, . . . , μn ) − λ · 1n = Δ(μ1 − λ, . . . , μn − λ) und somit invertierbar genau dann, wenn λ  μi für alle i = 1, . . . , n. Also sind die Diagonaleinträge μ1, . . ., μn genau die Eigenwerte von Δ(μ1, . . . , μn ). Was sind die geometrischen Vielfachheiten? Der Eigenraum zu λ, also der Kern von Δ(μ1 − λ, . . . , μn − λ) wird aufgespannt durch die Standardbasisvektoren ei , für die μi − λ = 0 gilt, d.h. durch die ei mit μi = λ. Die geometrische Vielfachheit ist daher genau die Anzahl der Male, in denen λ auf der Diagonale von A vorkommt.

6.2. Eigenwerte und Eigenvektoren

287

Beispiel 6.42. Greifen wir Beispiel 6.33 nochmals auf. Hier war der Körper K = R, der Vektorraum V = C ∞ (R, R) und der Endomorphismus ϕ = dtd . Wir hatten schon gesehen, dass jedes λ ∈ R Eigenwert ist. Was sind die geometrischen Vielfachheiten der λ? Dazu sind zu gegebenem λ ∈ R alle Funktionen v ∈ C ∞ (R, R) zu bestimmen, die ϕ(v) = λ · v, d.h. dv (t) = λ · v(t) (6.8) dt für alle t ∈ R erfüllen. Eine solche Gleichung nennt man eine Differentialgleichung, da in ihr die unbekannte Funktion v als auch ihre Ableitung auftritt. In der Analysis lernt man, dass die Lösungen von (6.8) alle von der Form v(t) = c · eλt sind. In anderen Worten, Eig(λ, dtd ) = R · vλ . Die geometrischen Vielfachheiten sind somit gleich 1. Um ein konkretes Verfahren zur Berechnung von Eigenwerten zu finden, machen wir folgende Überlegung. Ist A ∈ Mat(n, K), so gilt: λ ist Eigenwert von A ⇔ ker(A − λ · 1n ) = Eig(A, λ)  {0} ⇔ A − λ · 1n ist nicht invertierbar ⇔ det (A − λ · 1n ) = 0. Definition 6.43. Das Polynom χA(λ) := det (A − λ · 1n ) heißt charakteristisches Polynom von A. Da die Determinante ein Polynom in den Einträgen der Matrix ist (vgl. Satz 4.82), ist das charakteristische Polynom tatsächlich ein Polynom in λ, und zwar vom Grad n. Die obige Überlegung zeigt: λ ist Eigenwert von A ⇔ χ˜ A (λ) = 0. Um die Eigenwerte von A zu finden, müssen wir also die Nullstellen des charakteristischen Polynoms χA berechnen. Beispiel 6.44. Überprüfen wir unsere Eigenwerte für A = Sθ : χSθ (λ) = det (Sθ − λ · 1n )     cos (2θ) sin (2θ) 1 0 = det −λ· sin (2θ) − cos (2θ) 0 1   cos (2θ) − λ sin (2θ) = det sin (2θ) − cos (2θ) − λ = (cos (2θ) − λ) (− cos (2θ) − λ) − sin2 (2θ) = λ2 − cos2 (2θ) − sin2 (2θ) = λ2 − 1 = (λ − 1)(λ + 1).

288

6. Eigenwertprobleme

Tatsächlich sind die Nullstellen von χSθ die bekannten Eigenwerte λ1 = 1 und λ2 = −1. Beispiel 6.45. Für die Diagonalmatrix A = Δ(μ1, . . . , μn ) bekommen wir 1 0 · · · 0

μ1 0 · · · 0

.  0 . . . . . ...  0 . . . . . . ...    − λ · χΔ(μ1,...,μn ) (λ) = det . .  .. ... . . . . . . 0 . . . . . 0   0 · · · 0 μn 0 · · · 0 1  μ − λ 0 ··· 0

1 ..  .. .. 0 . . .  = det .  . . .. .. .. 0   · · · 0 μn − λ 0  = (μ1 − λ) · . . . · (μn − λ). Also ist χΔ(μ1,...,μn ) (λ) = 0 genau dann, wenn λ = μk für ein k ∈ {1, . . ., n} ist. Somit hat Δ(μ1, . . . , μn ) genau die Eigenwerte μ1, . . ., μn . Beispiel 6.46. Greifen wir noch einmal die in Beispiel 6.31 diskutierten Drehungen auf. Für A = Rθ ist zunächst     cos(θ) − sin(θ) 1 0 −λ· χRθ (λ) = det sin(θ) cos(θ) 0 1   cos(θ) − λ − sin(θ) = det sin(θ) cos(θ) − λ = (cos(θ) − λ)2 + sin2 (θ) = λ2 − 2 cos(θ) · λ + cos2 (θ) + sin2 (θ) = λ2 − 2 cos(θ) · λ + 1. Die Nullstellen von χ˜ Rθ sind gegeben durch   λ1,2 = cos(θ) ± cos2 (θ) − 1 = cos(θ) ± − sin2 (θ) = cos(θ) ± i · sin(θ). Ist nun θ kein ganzzahliges Vielfaches von π, so ist der Ausdruck sin(θ)  0 und somit sind λ1 und λ2 nicht reell. Drehmatrizen haben dann also keine reellen (wohl aber komplexe) Eigenwerte und Eigenvektoren. Falls dagegen θ ein ganzzahliges Vielfaches von π ist, so ist Rθ = ±12 und Rθ hat den Eigenwert ±1 mit geometrischer Vielfachheit 2. Berechnen Sie nun hier Beispiele von charakteristischen Polynomen so lange bis Sie es sicher beherrschen: http://ueben.cbaer.eu/02.html

6.2. Eigenwerte und Eigenvektoren

289

Bemerkung 6.47. Es ist wichtig festzuhalten, dass das charakteristische Polynom einer Matrix ein Polynom definiert, nicht nur eine Polynomfunktion. Sei nämlich A ∈ Mat(n, K) und x ein abstraktes Symbol. Dann berechnet man χA(x) = det(A − x · 1n ) z.B. mittels der Formel aus Satz 4.82 und sortiert nach Potenzen von x. Damit sind dann die algebraischen Vielfachheiten der Eigenwerte auch über beliebigen Körpern definiert, nicht nur über K = C, nämlich als Nullstellenvielfachheiten des charakteristischen Polynoms. Beispiel 6.48. Betrachten wir den Körper K = F2 und die beiden Matrizen A, B ∈ Mat(3, F2 ), gegeben durch 1 0 0 1 0 0



 A = 0 1 0 und B = 0 0 0 . 0 0 0 0 0 0 Die charakteristischen Polynome ergeben sich zu 1−x 0 0

χA(x) = det 0 1 − x 0  = (1 − x)2 (−x) = x 3 + x, 0 −x  0 1−x 0 0

χB (x) = det 0 −x 0  = (1 − x)(−x)2 = x 3 + x 2 . 0 −x  0 Die charakteristischen Polynome von A und B sind also verschieden, obwohl die zugehörigen Polynomfunktionen übereinstimmen, χA  χB,

aber

χ˜ A = χ˜ B = 0.

Bemerkung 6.49. Nach dem Fundamentalsatz 2.117 der Algebra besitzt jedes komplexe Polynom vom Grad ≥ 1 Nullstellen und damit jede komplexe Matrix A ∈ Mat(n, C) Eigenwerte. Wie die Drehmatrizen zeigen, gilt dies nicht für reelle Matrizen, es sei denn, wir fassen sie als komplexe Matrizen auf (schließlich gilt ja R ⊂ C) und erlauben den Eigenwerten komplex zu sein. Die Wahl des Körpers K spielt also eine wichtige Rolle für Eigenwertprobleme. Hier können Sie die Eigenwerte von Beispielmatrizen zur Übung berechnen: http://ueben.cbaer.eu/05.html Bemerkung 6.50. Die Transponierte einer Matrix A hat dasselbe charakteristische Polynom wie A selbst, denn χA (λ) = det(A − λ1) = det((A − λ1) ) = det(A − λ1) = χA(λ). Damit haben A und A auch dieselben Eigenwerte.

290

6. Eigenwertprobleme

Bemerkung 6.51. Aus Aufgabe 6.10 folgt, dass ähnliche Matrizen dasselbe charakteristische Polynom und damit dieselben Eigenwerte haben müssen, denn ähnliche Matrizen stellen denselben Endomorphismus bzgl. verschiedener Basen dar. Wir können dies aber auch noch einmal direkt nachrechnen: Seien A, B ∈ Mat(n, K) ähnlich, d.h. es gibt ein T ∈ GL(n, K), so dass B = T · A · T −1 . Dann gilt für alle λ ∈ K: χB (λ) = det(B − λ · 1n ) = det(T AT −1 − λ · T1nT −1 ) = det(T(A − λ · 1n )T −1 ) = det(T) · χA(λ) · det(T −1 ) = χA (λ).

6.3. Diagonalisierbarkeit Diagonalmatrizen sind besonders angenehm für Berechnungen. Alle zugeordneten Größen wie die Determinante, das charakteristische Polynom, die Eigenwerte und die inverse Matrix (falls sie exisiert) lassen sich sofort angeben. Für einen gegebenen Endomorphismus wäre es daher sehr günstig, eine Basis aus Eigenvektoren zu finden und den Endomorphismus dann in dieser Basis durch eine Diagonalmatrix darzustellen. Wann ist das möglich? Satz 6.52. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Sei B = (b1, . . . , bn ) eine geordnete Basis von V. Dann sind äquivalent: (1) Die Basisvektoren sind Eigenvektoren von ϕ zu den Eigenwerten μ1, . . ., μn . (2) Die darstellende Matrix von ϕ bzgl. B ist die Diagonalmatrix MB (ϕ) = Δ(μ1, . . . , μn ).

Beweis. Die Aussage ist klar aufgrund der Definitionen, denn dass die darstellende Matrix MB (ϕ) = Δ(μ1, . . ., μn ) ist, heißt ja nichts anderes als ϕ(b j ) = μ j b j .  Als direkte Folgerung erhalten wir:

6.3. Diagonalisierbarkeit

291

Korollar 6.53. Sei A ∈ Mat(n, K). Dann sind äquivalent: (1) A ist ähnlich zu einer Diagonalmatrix. (2) Es gibt eine Basis von K n bestehend aus Eigenvektoren von A.



Definition 6.54. Sei V ein K-Vektorraum, ϕ ∈ End(V) und A ∈ Mat(n, K). Falls eine Basis von V bzw. K n aus Eigenvektoren von ϕ bzw. A existiert, dann heißt ϕ bzw. A diagonalisierbar. Nehmen wir an, eine Matrix A ∈ Mat(n, K) ist diagonalisierbar, d.h. ähnlich zu einer Diagonalmatrix Δ(μ1, . . . , μn ). Da ähnliche Matrizen dieselben Eigenwerte haben, müssen die Diagonalterme μ1, . . ., μn der Diagonalmatrix genau die Eigenwerte von A sein, wobei jeder Eigenwert so oft vorkommt, wie die geometrische Vielfachheit angibt. Wie finden wir nun die Transformationsmatrix T ∈ GL(n, K), für die dann T AT −1 = Δ(μ1, . . ., μn ) gilt? Nun, sei v j = T −1 e j der j-te Spaltenvektor von T −1 . Dann berechnen wir: Av j = T −1 Δ(μ1, . . . , μn )T v j = T −1 Δ(μ1, . . . , μn )e j = T −1 μ j e j = μ j T −1 e j = μj vj . Wir sehen, dass die Spaltenvektoren von T −1 genau die Eigenvektoren von A sind. Zusammengefasst haben wir gesehen: Ist {v1, . . ., vn } eine Basis aus Eigenvevektoren von A, Av j = μ j v j , dann wird A durch (v1, . . ., vn )−1 · A · (v1, . . ., vn ) = Δ(μ1, . . . , μn ) diagonalisiert. Die Frage ist also, wie wir zu einer Basis aus Eigenvektoren kommen. Satz 6.55. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Seien λ1, . . ., λ k die paarweise verschiedenen Eigenwerte von ϕ. Dann gilt μgeo (λ1 ) + . . . + μgeo (λ k ) ≤ n.

(6.9)

Der Endomorphismus ϕ ist genau dann diagonalisierbar, wenn μgeo (λ1 ) + . . . + μgeo (λ k ) = n.

(6.10)

292

6. Eigenwertprobleme

Beweis. a) Wir wählen eine geordnete Basis (b1, . . . , b μgeo (λ1 ) ) von Eig(ϕ, λ1 ). Dann wählen wir eine geordnete Basis (b μgeo (λ1 )+1, . . . , b μgeo (λ1 )+μgeo (λ2 ) ) von Eig(ϕ, λ2 ). So fahren wir fort bis wir zuletzt eine geordnete Basis (b μgeo (λ1 )+···+μgeo (λk−1)+1, . . . , b μgeo (λ1 )+···+μgeo (λk−1)+μgeo (λk ) ) von Eig(ϕ, λ k ) erhalten haben. Wir überlegen uns nun zunächst, dass die Vektoren (b1, . . ., b μgeo (λ1 )+···+μgeo (λk ) ), die aus diesen Basen zusammengesetzt sind, linear unabhängig sind. Seien also α j ∈ K, so dass α1 b1 + . . . + αμgeo (λ1 )+···+μgeo (λk ) b μgeo (λ1 )+···+μgeo (λk ) = 0. Die Summanden in dieser langen Summe, die aus demselben Eigenraum stammen, fassen wir jeweils zusammen. Wir setzen v1 :=α1 b1 + . . . + α μgeo (λ1 ) b μgeo (λ1 ) ∈ Eig(ϕ, λ1 ), ... vk :=αμgeo (λ1 )+···+μgeo (λk−1)+1 b μgeo (λ1 )+···+μgeo (λk−1)+1 + . . . + αμgeo (λ1 )+···+μgeo (λk ) b μgeo (λ1 )+···+μgeo (λk ) ∈ Eig(ϕ, λ k ). Dann gilt also v1 + · · · + vk = 0 und wegen Satz 6.34 müssen alle v j = 0 sein (die v j  0 wären einerseits linear unabhängig und würden sich andererseits zu 0 aufaddieren, Widerspruch). Da jedes v j als Linearkombination von Basisvektoren von Eig(ϕ, λ j ) geschrieben ist, müssen alle Koeffizienten αi = 0 sein. Dies beweist die lineare Unabhängigkeit. b) In jedem Vektorraum kann es nicht mehr linear unabhängige Vektoren geben als die Dimension angibt. Daher folgt (6.9). c) Gilt (6.10), so ist (b1, . . ., b μgeo (λ1 )+···+μgeo (λk ) ) ein maximales System linear unabhängiger Vektoren, also eine Basis. Wir haben somit eine Basis aus Eigenvektoren gefunden und ϕ ist diagonalisierbar. d) Ist umgekehrt ϕ diagonalisierbar, d.h. gibt es eine Basis aus Eigenvektoren, dann verteilen sich diese Eigenvektoren auf die verschiedenen Eigenräume. Wegen der linearen Unabhängigkeit können nicht mehr als μgeo (λ j ) viele der Basisvektoren aus Eig(ϕ, λ j ) stammen. Daher gilt μgeo (λ1 ) + . . . + μgeo (λ k ) ≥ n. Zusammen mit (6.9) liefert dies (6.10).



Nun wissen wir, wie wir einen Endomorphismus oder eine Matrix diagonalisieren, sofern er denn diagonalisierbar ist. Die Prozedur ist wie folgt: 1. Berechne das charakteristische Polynom. 2. Berechne die Nullstellen des charakteristischen Polynoms, also die Eigenwerte. 3. Bestimme zu jedem Eigenwert eine Basis des zugehörigen Eigenraums. 4. Im diagonalisierbaren Fall setzen sich diese Basen zu einer Basis des gesamten Vektorraums zusammen.

6.3. Diagonalisierbarkeit

293

Der erste Schritt ist im Wesentlichen die Berechnung einer Determinante. Das kann in hohen Dimensionen mühsam sein, ist im Prinzip aber immer machbar. Der zweite Schritt kann schon problematisch werden. Im Fall K = C haben wir Formeln kennengelernt, die bis zum Grad 3 die Nullstellenberechnung erlauben. In hohen Dimensionen kann die explizite Nullstellenberechnung scheitern. Die Eigenraumbestimmung zum Eigenwert μ j ist die Berechnung des Kerns von ϕ − μ j · id. Das läuft auf das Lösen eines linearen Gleichungssystems hinaus. Das können wir mittlerweile gut. Doch nun zu Beispielen: Beispiel 6.56. Für K = R und A = Sθ gilt wegen Lemma 5.24 Rθ S0 R−θ = Sθ . Umstellen nach der Spiegelung S0 an der e1 -Achse liefert dann   1 0 −1 , Δ(1, −1) = = S0 = R−θ Sθ R−θ 0 −1 d.h. Sθ ist diagonalisierbar mit der Transformationsmatrix T = R−θ . Beispiel 6.57. Für reelle Drehmatrizen Rθ wissen wir, dass diese keine reellen Eigenwerte bzw. Eigenvektoren besitzen (jedenfalls wenn θ  Z · π). Somit ist Rθ auch nicht (reell) diagonalisierbar. Die Situation ändert sich jedoch, wenn wir Rθ als komplexe Matrix betrachten, also K = C nehmen. Aufgrund des Fundamentalsatzes der Algebra muss Rθ Eigenwerte haben. In der Tat, in Beispiel 6.46 haben wir die Eigenwerte berechnet und μ1,2 = cos(θ) ± i · sin(θ) erhalten. Da wir zwei verschiedene Eigenwerte erhalten und jeder geometrische Vielfachheit wenigstens 1 haben muss, addieren sich die geometrischen Vielfachheiten zu 2 auf. Gemäß Satz 6.55 ist Rθ (komplex) diagonalisierbar. Bestimmen wir eine Basis aus Eigenvektoren: Für den Eigenwert μ1 = cos(θ) + i · sin(θ) ist   $ % −i sin(θ) − sin(θ) 1 =C· Eig(Rθ, μ1 ) = ker(Rθ − μ1 12 ) = ker −i sin(θ) −i sin(θ) und für μ2 = cos(θ) − i · sin(θ) ist   $ % i sin(θ) − sin(θ) 1 =C· . Eig(Rθ, μ2 ) = ker(Rθ − μ2 12 ) = ker i sin(θ) i sin(θ) Wir haben eine Basis von C2 aus Eigenvektoren von Rθ gefunden, nämlich 9$ % $ %: 1 1 , . −i i

294

6. Eigenwertprobleme

Für die Transformationsmatrix T gilt somit 

T

−1

 1 1 = . −i i

Glücklicherweise sind 2 × 2-Matrizen leicht zu invertieren und wir berechnen sofort   1 1 i . T= 2 1 −i Wir können nun noch die Probe machen und direkt nachrechnen, dass       cos(θ) + i sin(θ) 0 1 1 i cos(θ) − sin(θ) 1 1 −1 = T Rθ T = 2 1 −i sin(θ) cos(θ) −i i 0 cos(θ) − i sin(θ) gilt.

Hier können und sollten Sie das Diagonalisieren von Matrizen nun selbst üben: http://ueben.cbaer.eu/04.html Komplexe Matrizen haben zwar immer Eigenwerte, sind deshalb aber noch lange nicht immer diagonalisierbar wie folgendes Beispiel zeigt: Beispiel 6.58. Die Matrix



1 1 A= 0 1



hat das charakteristische Polynom 

 1−λ 1 χA(λ) = det = (1 − λ)2 0 1−λ und damit nur den Eigenwert μ = 1 (auch keine weiteren komplexen Eigenwerte). Da die Matrix   0 1 A − 1 · 12 = 0 0 den Rang 1 hat, ist der Kern eindimensional. In anderen Worten, es gilt μgeo (1) = 1. Nach Satz 6.55 ist A nicht diagonalisierbar, auch nicht wenn wir sie als komplexe Matrix auffassen. Die folgende Matrix sieht auf den ersten Blick ganz ähnlich ist, verhält sich aber ganz anders:

6.3. Diagonalisierbarkeit

295



 1 1 Beispiel 6.59. Für A = ∈ Mat(2, R) ermitteln wir zunächst die Eigenwerte als Null1 0 stellen des charakteristischen Polynoms: χA(λ) = det (A − λ · 1n )     1 1 1 0 = det −λ· 1 0 0 1   1−λ 1 = det 1 0−λ = (1 − λ) · (−λ) − 1 = λ2 − λ − 1. Die Eigenwerte von A sind also gegeben durch λ1,2 d.h. √ 1+ 5 2

√ 1+ 5 λ1 = 2

1 = ± 2



und

1 + 1, 4 √ 1− 5 λ2 = . 2

Die Zahl ≈ 1, 618 heißt goldener Schnitt. Da A eine 2 × 2-Matrix ist und genau 2 verschiedene Eigenwerte hat, ist A diagonalisierbar. Die geometrischen Vielfachheiten sind dim (Eig(A, λ1 )) = dim (Eig(A, λ2 )) = 1. Ist nun x ∈ Eig(A, λ1 ), so gilt         x1 (1 − λ1 )x1 + x2 0 1 − λ1 1 · = , = (A − λ1 · 12 ) · x = 1 −λ1 x2 x1 − λ1 x2 0 womit wir insbesondere x1 − λ1 x2 = 0 erhalten, d.h. x1 = λ1 x2 . Also ist x von der Gestalt     λ1 λ1 x2 = x2 · x= x2 1 und damit muss der zu λ1 gehörige Eigenraum     λ1 | x2 ∈ R Eig(A, λ1 ) ⊂ x2 · 1    λ1 | t ∈ R folgt erfüllen. Wegen dim (Eig(A, λ1 )) = 1 = dim t · 1 

   λ1 |t ∈ R . Eig(A, λ1 ) = t · 1 

296

6. Eigenwertprobleme

Analog bekommen wir

   λ2 |t ∈ R . Eig(A, λ2 ) = t · 1 

    λ2 λ1 und eine Basis von R2 aus Eigenvektoren. Wir setzen Damit bilden 1 1 

T

λ1 λ 2 = 1 1

−1



und ermitteln   1 −λ2 1 = T= λ1 − λ2 −1 λ1

√ 1+ 5 2

1 −

 √ 1− 5 2

   1 −λ2 1 1 −λ2 =√ . −1 λ1 5 −1 λ1

Bemerkung 6.60 (Potenzieren diagonalisierbarer Matrizen). Welche Dienste kann uns die Diagonalisierung einer Matrix A erweisen? Man kann damit z.B. effizient hohe Matrixpotenzen Ak berechnen. Dazu schreiben wir A = T −1 · Δ · T, wobei Δ = Δ(λ1, . . . , λn ) ist, mit den Eigenwerten λ k von A. Dann ist     Ak = T −1 ΔT · T −1 ΔT · . . . · T −1 ΔT · T −1 ΔT ()*+ k Faktoren

= T −1 ΔT · T −1 ΔT · . . . · T −1 ΔT · T −1 ΔT ()*+ ()*+ =1n k

=1n

=T

−1

·Δ ·T

=T

−1

· (Δ(λ1, . . ., λn ))k · T

= T −1 · Δ(λ1k, . . ., λnk ) · T . 

 1 1 Beispiel 6.61. Im Beispiel 6.59 fanden wir für A = = T −1 · Δ · T die Matrizen 1 0   1 1 −λ2 , T=√ 5 −1 λ1

 λ1 λ 2 , = 1 1 

T

Demnach gilt Ak = T −1 · Δk · T

−1

 λ1 0 . Δ= 0 λ2 

6.3. Diagonalisierbarkeit

297

 k    λ1 0 λ1 λ 2 1 1 −λ2 · = ·√ 0 λ2 1 1 5 −1 λ1     1 −λ2 1 λ1 λ2 λ1k 0 =√ 0 λ2k −1 λ1 5 1 1    1 λ1 λ2 λ1k −λ1k λ2 =√ 5 1 1 −λ2k λ1 λ2k   1 λ1k+1 − λ2k+1 −λ1k+1 λ2 + λ1 λ2k+1 . =√ λ1 λ2k − λ1k λ2 λ1k − λ2k 5 

In diesem Zusammenhang gibt es ein berühmtes Kaninchen-Populationsmodell, das auf Leonardo da Pisa, bekannter unter dem Namen Fibonacci, einem der berühmtesten Mathematiker des Mittelalters, zurückgeht. In seinem Modell gelten folgende Regeln: ◦ Im ersten Monat gibt es genau ein Paar geschlechtsreifer Kaninchen. ◦ Jedes geschlechtsreife Paar wirft pro Monat ein weiteres Paar. ◦ Jedes neugeborene Paar wird zwei Monate später geschlechtsreif. ◦ Es gibt keine Todesfälle. Die Mathematisierung dieser Regeln liefert die Fibonacci-Zahlen fk , d.h. die Anzahl der geschlechtsreifen Paare im k-ten Monat, z.B. f1 = 1, f2 = 1, f3 = 2, f4 = 3, . . . , f24 = 46.368, . . . , f60 = 1.548.008.755.920, . . . Das rekursive Bildungsgesetz lautet fk+2 = fk+1 + fk , denn im (k + 2)-ten Monat kommen zu den bereits im Vormonat vorhandenen geschlechtsreifen Paaren ( fk+1 viele) noch die neu geschlechtsreif gewordenen hinzu. Dies sind gerade so viele, wie zwei Monate vorher geschlechtsreif waren ( fk viele). Die so definierte Folge heißt dann Fibonacci-Folge. Um nun jedoch etwa die 24-te Fibonacci-Zahl f24 zu erhalten, rechnen wir eine ganze Weile. Wir leiten jetzt eine geschlossene Formel für die rekursiv definierten Fibonacci-Zahlen her. Dabei ist die Matrixpotenz aus Abb. 105 Kaninchen2 Beispiel 6.61 außerordentlich praktisch. Sei ( fk )k die Fibonacci-Folge mit f0 = 0 und f1 = f2 = 1 sowie fk+2 = fk+1 + fk . fk+1 ∈ R2 an und finden durch Einsetzen Wir definieren die Vektoren wk := fk     1 f1 = = e1 w0 = 0 f0 2Künstler: bf5man, Quelle: https://openclipart.org/detail/192653

298

6. Eigenwertprobleme

sowie

        1 1 fk+1 1 1 fk + fk+1 fk+2 = = wk = Awk . = = 1 0 1 0 fk+1 fk+1 fk 

wk+1 Damit folgt



 fk+1 = wk fk = A · wk−1 = A · A · wk−2 = . . . = Ak · w0 = Ak · e1   1 λ1k+1 − λ2k+1 −λ1k+1 λ2 + λ1 λ2k+1 · e1 =√ λ1k − λ2k λ1 λ2k − λ1k λ2 5   1 λ1k+1 − λ2k+1 . =√ λ1k − λ2k 5

Die zweite Komponente liefert nun fk = also fk =

√1 5

$

λ1k − λ2k √ , 5

√ k 1+ 5 2





√ k 1− 5 2

%

Dies ist bekannt als die Formel von Moivre-Binet. Erstaunlich ist die Tatsache, dass fk für jedes k ∈ N ganzzahlig ist, obwohl λ1 und λ2 irrational sind. Zurück zur allgemeinen Theorie. Die Eigenwerte einer Matrix A ∈ Mat(n, K) sind genau die Nullstellen des charakteristischen Polynoms χA. Die Dimension des zugehörigen Eigenraums ist die geometrische Vielfachheit des Eigenwerts. Für komplexe Polynome haben wir auch den Begriff der Vielfachheit der Nullstellen kennengelernt, siehe Definition 2.118. Definition 6.62. Sei A ∈ Mat(n, C). Die Nullstellenvielfachheit von λ ∈ C als Nullstelle des Polynoms χA heißt algebraische Vielfachheit oder auch algebraische Multiplizität von λ. Abkürzend schreiben wir für sie μalg (λ). Dieselbe Definition können wir auch für Endomorphismen ϕ ∈ End(V) machen, wenn V ein endlich-dimensionaler C-Vektorraum ist. Falls der Körper K = R ist, so betrachten wir A ∈ Mat(n, R) als komplexe Matrix und haben so auch die algebraischen Vielfachheiten definiert, insbesondere auch für die reellen Eigenwerte von A.

6.3. Diagonalisierbarkeit

299

Beispiel 6.63. In Beispiel 6.58 haben wir gesehen, dass die Matrix   1 1 A= 0 1 das charakteristische Polynom χA(λ) = (1 − λ)2 hat und damit nur den Eigenwert λ = 1. Offenbar ist die algebraische Vielfachheit der Nullstelle λ = 1 in (1 − λ)2 gleich 2, also ist μalg (1) = 2. Für die geometrische Vielfachheit hatten wir μgeo (1) = 1 berechnet. Algebraische und geometrische Vielfachheit brauchen also nicht übereinzustimmen. Satz 6.64. Sei V ein n-dimensionaler C-Vektorraum und ϕ ∈ End(V ). (i) Für alle Eigenwerte λ ∈ C von ϕ gilt μgeo (λ) ≤ μalg (λ).

(6.11)

(ii) Seien λ1, . . . , λ k die paarweise verschiedenen Eigenwerte von ϕ. Dann gilt μalg (λ1 ) + . . . + μalg (λ k ) = n.

(6.12)

(iii) Es ist ϕ genau dann diagonalisierbar, wenn für alle Eigenwerte λ ∈ C von A gilt μgeo (λ) = μalg (λ).

(6.13)

Beweis. Zu (i): Sei λ ∈ C ein Eigenwert. Zur Abkürzung setzen wir k := μgeo (λ). Wir wählen eine Basis (b1, . . ., b k ) von Eig(ϕ, λ). Wir ergänzen zur einer Basis von V , B := (b1, . . . , b k , b k+1, . . . , bn ). Da für die ersten k Basisvektoren gilt ϕ(b j ) = λ · b j , hat die darstellende Matrix von ϕ bzgl. B die Form   λ · 1k C MB (ϕ) = , 0 D wobei C ∈ Mat(k × (n − k), C) und D ∈ Mat((n − k) × (n − k), C) Matrizen sind, deren Einträge uns nicht weiter interessieren. Wir berechnen für das charakteristische Polynom von ϕ mittels Entwicklung nach den ersten k Spalten: χϕ (μ) = χMB (ϕ) (μ)   C (λ − μ) · 1 k = det 0 D − μ1n−k

300

6. Eigenwertprobleme

= (λ − μ)k · det(D − μ1n−k ) = (λ − μ)k · χD (μ). Also kommt die Nullstelle λ mindestens k Mal in χϕ vor, d.h. μalg (λ) ≥ k = μgeo (λ). Aussage (ii) folgt aus dem Fundamentalsatz der Algebra, der sicherstellt, dass das charakteristische Polynom in Linearfaktoren zerfällt. Dann summieren sich die algebraischen Vielfachheiten, d.h. die Nullstellenvielfachheiten, zum Grad des Polynoms auf, d.h. zur Dimension von n von V. Zu (iii): Nach Satz 6.55 ist ϕ genau dann diagonalisierbar, wenn sich die geometrischen Vielfachheiten zu n aufsummieren. Wegen (6.11) und (6.12) ist das äquivalent zu (6.13).  Beispiel 6.65. Für die Matrix



1 1 A= 0 1



aus Beispiel 6.58 hatten wir für den Eigenwert 1 die algebraische Vielfachheit μalg (1) = 2 und die geometrische Vielfachheit μgeo (1) = 1 erhalten. Wegen μgeo (1) < μalg (1) kann A also nicht diagonalisierbar sein. Wir erinnern uns an die Summe von Untervektorräumen, siehe Definition 3.89. Ist V ein K-Vektorraum und sind W1, . . ., W k ⊂ V Untervektorräume, dann ist W1 + . . . + W k ⊂ V der Untervektorraum von V, der aus allen Elementen von V besteht, die sich als Summe von Elementen der W j schreiben lassen, W1 + . . . + W k = {v ∈ V | ∃w j ∈ W j : v = w1 + . . . + wk }. Lemma 6.66. Sei V ein K-Vektorraum und seien W1, . . . , W k ⊂ V Untervektorräume. Dann sind äquivalent: (1) Sind w j ∈ W j so, dass w1 + . . . + wk = 0, dann gilt w j = 0 für alle j = 1, . . . , k. (2) Jedes Element aus W1 +. . .+W k lässt sich auf eindeutige Weise als Summe von Elementen der W j schreiben, W1 + . . . + W k = {v ∈ V | ∃!w j ∈ W j : v = w1 + . . . + wk }.

6.3. Diagonalisierbarkeit

301

Beweis. Zu „(1)⇒(2)“: Ist v = w1 + . . . + wk = w1 + . . . + wk , dann ist (w1 − w1 ) + . . . + (wk − wk ) = 0. ()*+ ()*+ ∈W1

∈Wk

Aus (1) folgt nun w j − wj = 0, d.h. w j = wj . Zu „(2)⇒(1)“: Sei w1 + . . . + wk = 0 mit w j ∈ W j . Da 0 + . . . + 0 = 0 ebenfalls eine Darstellung von 0 als Summe von Elementen der W j ist, folgt aus der Eindeutigkeit w j = 0 für alle j. 

Definition 6.67. Gelten die Bedingungen (1) und (2) aus Lemma 6.66, dann nennt man den Untervektorraum W1 + . . . + W k ⊂ V die direkte Summe von W1, . . . , W k . In diesem Fall schreibt man statt W1 + . . . + W k meist W1 ⊕ . . . ⊕ W k .

Lemma 6.68. Sei V ein K-Vektorraum und seien W1, . . . , W k ⊂ V nichttriviale Untervektorräume, d.h. alle W j  {0}. Dann sind äquivalent: (1) Die Summe W1 + . . . + W k ist direkt. (2) Sind w j ∈ W j \ {0}, so sind die Vektoren w1, . . ., wk linear unabhängig.

Beweis. Zu „(1)⇒(2)“: Seien w j ∈ W j \ {0} und sei α1 w1 + . . . + αk wk = 0 mit α j ∈ K. Wegen Charakterisierung (1) aus Lemma 6.66 ist dann α j w j = 0 für jedes j. Wegen w j  0 folgt α j = 0 und damit die lineare Unabhängigkeit. Zu „(2)⇒(1)“: Wir zeigen Charakterisierung (1) aus Lemma 6.66. Seien w j ∈ W j mit w1 + . . . + wk = 0. Falls w j  0, so setzen wir wj := w j und α j := 1. Falls w j = 0, so wählen wir ein wj ∈ W j \ {0} (dies ist möglich, da W j  {0}) und setzen α j := 0. In jedem Fall gilt w j = α j wj . Da alle wj  0 sind, sind die Vektoren w1 , . . ., wk nach Annahme linear unabhängig. Aus α1 w1 + . . . + αk wk = w1 + . . . + wk = 0 folgt α1 = . . . = αk = 0. Also gilt w1 = . . . = wk = 0.



302

6. Eigenwertprobleme

Beispiel 6.69. Sei ϕ ∈ End(V) ein Endomorphismus und seien λ1, . . ., λ k paarweise verschiedene Eigenwerte von ϕ. Nach Satz 6.34 sind Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten linear unabhängig. Also ist die Summe Eig(ϕ, λ1 ) + . . . + Eig(ϕ, λ k ) ⊂ V nach Lemma 6.68 direkt. Wir können also für die Summe Eig(ϕ, λ1 ) ⊕ . . . ⊕ Eig(ϕ, λ k ) ⊂ V schreiben. Lemma 6.70. Seien W1, . . . , W k Untervektorräume von V, so dass die Summe W1 + . . . + Wk direkt ist. Dann setzen sich Basen der W j zu einer Basis von W1 ⊕ . . . ⊕ W k zusammen. Insbesondere gilt dim(W1 ⊕ . . . ⊕ W k ) = dim(W1 ) + . . . + dim(W k ).

Beweis. Zur Abkürzung setzen wir n j := dim(W j ). Sei (b1,1, . . ., b1,n1 ) eine geordnete Basis von W1 , usw. (b k,1, . . ., b k,nk ) eine geordnete Basis von W k . Wir haben zu zeigen, dass B := (b1,1, . . ., b1,n1, . . ., b k,1, . . . , b k,nk ) eine geordnete Basis der Summe ist. Zur Erzeugendeneigenschaft: Jedes Element der W j lässt sich aus den Basisvektoren b j,1, . . . , b j,n j linearkombinieren und jedes Element der Summe lässt sich aus Elementen der W j linearkombinieren. Daher lässt sich jedes Element der Summe aus den Vektoren von B linearkombinieren. Dieser Teil hat nicht benötigt, dass die Summe direkt ist. Zur linearen Unabhängigkeit: Sei nj k  

α j,i · b j,i = 0.

j=1 i=1

Wir müssen zeigen, dass die Koeffizienten α j,i alle = 0 sind. Da die Summe direkt ist, folgt nj  α j,i · b j,i = 0 i=1

für alle j = 1, . . ., k. Da (b j,1, . . ., b j,n j ) eine Basis von W j und damit linear unabhängig ist, folgt α j,i = 0 für alle i und alle j.  Wir fassen nun noch zusammen, was wir über die Diagonalisierbarkeit von Endomorphismen wissen.

6.4. Invariante Untervektorräume und Trigonalisierbarkeit

303

Satz 6.71. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Seien λ1, . . ., λ k die paarweise verschiedenen Eigenwerte von ϕ. Dann sind äquivalent: (1) ϕ ist diagonalisierbar. (2) Es gibt eine Basis von V aus Eigenvektoren von ϕ. (3) Es gibt eine Basis von V, bzgl. derer die darstellende Matrix von ϕ eine Diagonalmatrix ist. (4) μgeo (λ1 ) + . . . + μgeo (λ k ) = n. (5) Eig(ϕ, λ1 ) ⊕ . . . ⊕ Eig(ϕ, λ k ) = V. Im Fall K = C ist ferner äquivalent: (6) μgeo (λ j ) = μalg (λ j ) für alle j = 1, . . . , k.

Beweis. Die Äquivalenz „(1)⇔(2)⇔(3)“ ist die Aussage von Satz 6.52. Die Äquivalenz „(4)⇔(5)“ folgt aus Lemma 6.70, denn dim(Eig(ϕ, λ1 ) ⊕ . . . ⊕ Eig(ϕ, λ k )) = dim(Eig(ϕ, λ1 )) + . . . + dim(Eig(ϕ, λ k )) = μgeo (λ1 ) + . . . + μgeo (λ k ). Der Untervektorraum Eig(ϕ, λ1 ) ⊕ . . . ⊕ Eig(ϕ, λ k ) ist gleich dem ganzen Vektorraum V genau dann, wenn seine Dimension gleich der von V ist. Die Äquivalenz „(1)⇔(4)“ findet sich in Satz 6.55. Dass die Diagonalisierbarkeit im komplexen Fall zu (6) äquivalent ist, steht in Satz 6.64. 

6.4. Invariante Untervektorräume und Trigonalisierbarkeit Diagonalmatrizen sind sicherlich die am einfachsten zu handhabenden Matrizen. Daher ist es sehr angenehm, wenn ein Endomorphismus durch eine Diagonalmatrix dargestellt werden kann. Nur ist das leider nicht immer möglich. Daher werden wir das Konzept der Diagonalisierbarkeit zu einem neuen, immer noch nützlichen abschwächen, das immer zum Einsatz kommen kann, zumindest wenn wir mit komplexen Matrizen arbeiten. Dazu führen wir zunächst folgendes Konzept ein: Definition 6.72. Sei V ein K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V ). Ein Untervektorraum W ⊂ V mit ϕ(W) ⊂ W heißt invarianter Untervektorraum für ϕ. Ist W ⊂ V ein invarianter Untervektorraum für ϕ, dann können wir ϕ zu einem Endomorphismus auf W einschränken, ϕ|W ∈ End(W).

304

6. Eigenwertprobleme

Beispiel 6.73. Es gibt stets zwei nicht sonderlich interessante invariante Untervektorräume für ϕ, nämlich W = {0} und W = V. Auch jeder Untervektorraum W eines Eigenraums Eig(ϕ, λ) ist invariant, denn ϕ|W = λ · idW . Lemma 6.74. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Ist ϕ diagonalisierbar und ist W ⊂ V ein invarianter Untervektorraum für ϕ, dann ist auch ϕ|W ∈ End(W) diagonalisierbar. Beweis. a) Zur Vorbereitung zeigen wir zunächst mittels vollständiger Induktion nach k: Behauptung: Ist w ∈ W und w = v1 + . . . + vk , wobei v1, . . ., vk ∈ V Eigenvektoren von ϕ zu k paarweise verschiedenen Eigenwerten sind, dann sind alle v j ∈ W. Beweis: Für k = 1 ist die Aussage trivial und damit ist der Induktionsanfang vollzogen. Sei nun k ≥ 2. Da W invariant ist, ist auch ϕ(w) ∈ W. Wir berechnen ϕ(w) = ϕ(v1 ) + . . . + ϕ(vk ) = λ1 v1 + . . . + λ k vk und somit W ! ϕ(w) − λ k · w = (λ1 − λ k )v1 + . . . + (λ k−1 − λ k )vk−1 . Nach Induktionsannahme sind alle Summanden (λ j −λ k )v j aus W. Da die Eigenwerte paarweise verschieden sind, ist der Koeffizient λ j − λ k  0 für j = 1, . . . , k − 1. Also können wir durch die Koeffizienten dividieren und sehen, dass auch v1, . . ., vk−1 ∈ W. Damit ist dann auch vk = w − (v1 + . . . + vk−1 ) ∈ W.  b) Um die Diagonalisierbarkeit von ϕ|W zu zeigen, überprüfen wir Kriterium (5) aus Satz 6.71. Es besagt, dass sich jedes Element von W als Summe von Eigenvektoren schreiben lässt. Sei also w ∈ W. Da ϕ auf V diagonalisierbar ist, können wir w = v1 + . . . + vk schreiben, wobei v1, . . ., vk ∈ V Eigenvektoren von ϕ zu k paarweise verschiedenen Eigenwerten sind. Nach Beweisteil a) sind die v j ∈ W. Damit haben wir w als Summe von Eigenvektoren von ϕ|W geschrieben und das Kriterium überprüft.  Haben wir zwei Endomorphismen eines Vektorraums, die beide diagonalisierbar sind, dann können wir zwar Basen finden, bzgl. derer jeweils einer der beiden Endomorphismen durch eine Diagonalmatrix dargestellt wird, aber die Matrixdarstellung des jeweils anderen Endomorphismus kann beliebig kompliziert sein. Wünschenswert wäre also eine Basis, bzgl. derer beide Endomorphismen gleichzeitig durch eine Diagonalmatrix dargestellt werden. Falls es eine solche Basis gibt, dann nennt man die beiden Endomorphismen simultan diagonalisierbar. Die Frage ist nun, wann das der Fall ist.

6.4. Invariante Untervektorräume und Trigonalisierbarkeit

305

Satz 6.75. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und ϕ, ψ ∈ End(V) diagonalisierbare Endomorphismen. Dann sind äquivalent: (1) ϕ und ψ sind simultan diagonalisierbar. (2) ϕ und ψ kommutieren, d.h. ϕ ◦ ψ = ψ ◦ ϕ.

Bevor wir den Satz beweisen, zeigen wir, dass die Eigenräume von ϕ nicht nur für ϕ invariante Untervektorräume sind, sondern auch für ψ, vorausgesetzt, dass ϕ und ψ kommutieren. Wir beachten, dass im folgenden Lemma nicht vorausgesetzt wird, dass ϕ und ψ diagonalisierbar sind. Lemma 6.76. Sei V ein K-Vektorraum und ϕ, ψ ∈ End(V) mit ϕ ◦ ψ = ψ ◦ ϕ. Dann sind die Eigenräume von ϕ auch invariante Untervektorräume für ψ. Beweis des Lemmas. Sei W = Eig(ϕ, λ) für einen Eigenwert λ von ϕ. Sei w ∈ W. Wir müssen zeigen, dass dann auch ψ(w) ∈ W ist. Es gilt: ϕ(ψ(w)) = ψ(ϕ(w)) = ψ(λw) = λψ(w). Also ist ψ(w) ∈ Eig(ϕ, λ) = W.



Beweis von Satz 6.75. Zu „(1)⇒(2)“: Seien ϕ und ψ simultan diagonalisierbar. Dann gibt es eine Basis B von V, so dass MB (ϕ) und MB (ψ) Diagonalmatrizen sind. Da Diagonalmatrizen stets kommutieren, gilt MB (ϕ) · MB (ψ) = MB (ψ) · MB (ϕ) und damit ϕ ◦ ψ = ψ ◦ ϕ. Zu „(2)⇒(1)“: Es gelte ϕ ◦ ψ = ψ ◦ ϕ. Da ϕ diagonalisierbar ist, gilt nach Satz 6.71 (5) V = Eig(ϕ, λ1 ) ⊕ . . . ⊕ Eig(ϕ, λ k ).

(6.14)

Zur Abkürzung setzen wir W j := Eig(ϕ, λ j ), j = 1, . . . , k. Nach Lemma 6.76 ist jedes W j ein invarianter Untervektorraum für ψ. Wegen Lemma 6.74 ist ψ|W j diagonalisierbar. Wir können somit eine Basis von W j aus Eigenvektoren von ψ finden. Natürlich sind diese auch Eigenvektoren von ϕ. Wegen (6.14) setzen sich die Basen gemäß Lemma 6.70 zu einer Basis von V zusammen. Damit haben wir eine Basis von V gefunden, die zugleich aus Eigenvektoren von ϕ und ψ besteht. 

306

6. Eigenwertprobleme

Beispiel 6.77. Sei A ∈ Mat(n, R) die Matrix 0

1  .. A= . .  0 n  Welche Matrizen kommutieren mit A? Da Diagonalmatrizen stets miteinander kommutieren, kommutieren diese sicherlich mit A. Gibt es weitere Matrizen, die mit A kommutieren, aber selbst nicht Diagonalmatrizen sind? Wir überlegen uns jetzt, dass das nicht der Fall ist. Es gelte A · B = B · A. Da B mit A kommutiert, ist jeder Eigenraum von A ein invarianter Untervektorraum von B. Die Standardbasis {e1, . . ., en } ist Basis aus Eigenvektoren von A. Die Eigenräume von A sind von der Form R·ei und somit eindimensional. Da diese Eigenräume nach Lemma 6.76 auch invariante Untervektorräume von B sind, muss B jeden Standardbasisvektor auf ein Vielfaches von sich abbilden. Also sind die Standardbasisvektoren auch Eigenvektoren für B, d.h. B ist eine Diagonalmatrix. Die Argumentation in diesem Beispiel funktioniert für jede Diagonalmatrix A, deren Eigenwerte alle paarweise verschieden sind, so dass die Eigenräume eindimensional sind. Das andere Extrem wäre, dass alle Eigenwerte gleich sind, wie im folgenden Beispiel: Beispiel 6.78. Sei A = 1n ∈ Mat(n, R). Dann kommutiert jede Matrix B ∈ Mat(n, R) mit A, denn B · 1n = B = 1n · B. Ist B diagonalisierbar, dann ist jede Basis aus Eigenvektoren von B auch eine Basis aus Eigenvektoren von A, da jeder Vektor in Rn \ {0} Eigenvektor von A = 1n ist. Definition 6.79. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum. Eine Fahne in V ist eine Kette von Untervektorräumen {0} = V0 ⊂ V1 ⊂ . . . ⊂ Vn = V mit dim(Vj ) = j für alle j = 0, . . ., n. Sei ϕ ∈ End(V). Eine Fahne von V heißt ϕ-invariant, wenn jeder Untervektorraum Vj der Fahne invariant für ϕ ist, d.h. ϕ(Vj ) ⊂ Vj . Bemerkung 6.80. Jede geordnete Basis von V liefert eine Fahne von V. Ist nämlich (b1, . . ., bn ) eine geordnete Basis von V, so setzen wir Vj := L(b1, . . ., b j ). Es gilt dim(Vj ) = j und Vj ⊂ Vj+1 für alle j. Also haben wir eine Fahne in V gefunden. Besteht die Basis aus Eigenvektoren eines Endomorphismus ϕ, dann ist die so konstruierte Fahne ϕ-invariant, denn jede Linearkombination der ersten j-Eigenvektoren wird von ϕ wieder auf eine Linearkombination dieser ersten j-Eigenvektoren abgebildet.

6.4. Invariante Untervektorräume und Trigonalisierbarkeit

307

Definition 6.81. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und ϕ : V → V ein Endomorphismus. Dann heißt ϕ trigonalisierbar, falls es eine geordnete Basis B von V gibt, so dass MB (ϕ) eine obere Dreiecksmatrix ist. Entsprechend heißt eine Matrix A ∈ Mat(n, K) trigonalisierbar, falls sie zu einer oberen Dreiecksmatrix ähnlich ist.

Satz 6.82. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Dann sind äquivalent: (1) Der Endomorphismus ϕ ist trigonalisierbar. (2) Es existiert eine ϕ-invariante Fahne in V. (3) Das charakteristische Polynom χϕ zerfällt in Linearfaktoren.

Beweis. Zu „(2)⇒(1)“: Sei V0 = {0} ⊂ V1 ⊂ · · · ⊂ Vn = V eine ϕ-invariante Fahne in V . Wir wählen einen Basisvektor b1 von V1 , ergänzen zu einer geordneten Basis (b1, b2 ) von V2 , ergänzen wiederum zu einer geordneten Basis (b1, b2, b3 ) von V3 , usw. bis wir schließlich eine geordnete Basis B := (b1, . . ., bn ) von Vn = V erhalten haben. Jeder Untervektorraum Vj hat dann die ersten j Basisvektoren b1, . . ., b j als Basis. Da V1 ϕ-invariant ist, gilt ϕ(b1 ) ∈ V1 , also ϕ(b1 ) = α11 · b1 für eine Konstante α11 ∈ K. Somit ist die erste Spalte der darstellenden Matrix MB (ϕ) gegeben durch

α11 0   . . ..   0  Da V2 ϕ-invariant ist, ist ϕ(b2 ) ∈ V2 und somit eine Linearkombination von b1 und b2 , d.h. ϕ(b2 ) = α12 · b1 + α22 · b2 . Also ist die zweite Spalte der darstellenden Matrix MB (ϕ) gegeben durch α

12  α22   0  . .  ..   0  Allgemein ist Vj ϕ-invariant und daher ϕ(b j ) eine Linearkombination der ersten j Basisvektoren. Daher steht in der j-ten Spalte unterhalb des j-ten Eintrags nur Nullen. Insgesamt zeigt dies, dass die darstellende Matrix eine obere Dreiecksmatrix ist.

308

6. Eigenwertprobleme

Zu „(1)⇒(3)“: Sei ϕ trigonalisierbar. Dann wird ϕ durch eine obere Dreiecksmatrix A dargestellt. Das charakteristische Polynom der oberen Dreiecksmatrix A zerfällt in Linearfaktoren, denn A − λ · 1n ist ebenfalls eine obere Dreiecksmatrix, so dass ihre Determinante durch das Produkt der Diagonaleinträge A j j − λ gegeben ist, χϕ (λ) = χA (λ) = det(A − λ · 1n ) = (A11 − λ) · · · (Ann − λ). Zu „(3)⇒(2)“: Wir zeigen diese Implikation durch vollständige Induktion nach der Dimension n = dim(V ). Induktionsanfang: Für n = 1 ist {0} ⊂ V eine ϕ-invariante Fahne. Induktionsschritt: Sei nun n ≥ 2. Das charakteristische Polynom von ϕ zerfalle in Linearfaktoren, χϕ (λ) = (λ1 − λ) · · · (λn − λ). (6.15) Wir wählen einen Eigenvektor b1 zum Eigenwert λ1 von ϕ. Wir ergänzen zu einer geordneten Basis B = (b1, b2, . . . , bn ) von V und setzen W := L(b2, . . ., bn ). Dann gilt V = K · b1 ⊕ W. Sei w ∈ W. Dann lässt sich ϕ(w), wie jedes Element von V, auf eindeutige Weise als Summe eines Vielfachen von b1 und einem Element aus W schreiben, ϕ(w) = α(w)b1 + ψ(w). Aus der Linearität von ϕ folgt, dass auch α : W → K und ψ : W → W linear sind. Sei A ∈ Mat(n − 1, K) die darstellende Matrix von ψ bzgl. der Basis (b2, . . ., bn ). Dann gilt   λ1 α(b2 ) · · · α(bn ) MB (ϕ) = . 0 A Entwicklung nach der ersten Spalte liefert   λ1 − λ α(b2 ) · · · α(bn ) χϕ (λ) = det 0 A − λ · 1n−1 = (λ1 − λ) · det(A − λ · 1n−1 ) = (λ1 − λ) · χA(λ) = (λ1 − λ) · χψ (λ).

(6.16)

Vergleichen wir (6.16) mit (6.15), so sehen wir χψ (λ) = (λ2 − λ) · · · (λn − λ), d.h. das charakteristische Polynom von ψ zerfällt ebenfalls in Linearfaktoren. Nach Induktionsannahme gibt es eine ψ-invariante Fahne in W, {0} = W0 ⊂ W1 ⊂ · · · ⊂ Wn−1 = W . Wir setzen Vj := K · b1 ⊕ W j−1 und erhalten eine ϕ-invariante Fahne in V.



6.4. Invariante Untervektorräume und Trigonalisierbarkeit

309

Korollar 6.83. Jede Matrix A ∈ Mat(n, C) ist trigonalisierbar. Beweis. Nach dem Fundamentalsatz der Algebra zerfällt das charakteristische Polynom von A in Linearfaktoren. Daher ist A nach Satz 6.82 trigonalisierbar.  Wie führen wir die Trigonalisierung nun konkret durch? Rechenverfahren zur Trigonalisierung gegebener Matrizen. Sei A ∈ Mat(n, K) eine Matrix mit charakteristischem Polynom, das in Linearfaktoren zerfällt,

χA(λ) = (λ1 − λ) · · · (λn − λ).

v11 .  1. Schritt: Berechne einen Eigenvektor v1 := ..  ∈ K n von A zum Eigenwert λ1 . Wähle  v1n  ein i mit v1i  0. Wir betrachten die Matrix (v1, e1, . . ., eˆi, . . ., en ), wobei der Hut ˆ bedeutet, dass diese Spalte wegzulassen ist. Die Matrix hat die Determinante det(v1, e1, . . ., eˆi, . . ., en ) = ± det(e1, . . . , v1, . . ., en ) = ±v1i  0 und ist daher invertierbar. Berechne S1 := (v1, e1, . . ., eˆi, . . ., en )−1 ∈ GL(n, K). Dann gilt

S1 AS1−1 e1 = S1 Av1 = S1 λ1 v1 = λ1 S1 v1 = λ1 e1

und somit S1 AS1−1

=

λ1 ∗ . . . ∗ 0 .. . A2 0

  .   

v22 .  2. Schritt: Berechne einen Eigenvektor v˜2 = ..  ∈ K n−1 von A2 zum Eigenwert λ2 . Setze  v2n 

0 v22   v2 := .  ∈ K n . Wähle ein j mit v2 j  0 und berechne ..   v2n  S2 := (e1, v2, e2, . . . , eˆj , . . . , en )−1 ∈ GL(n, K).

310

6. Eigenwertprobleme

Dann gilt S2 S1 AS1−1 S2−1 e1 = S2 S1 AS1−1 e1 = S2 λ1 e1 = λ1 S2 e1 = λ1 e1,  S2 S1 AS1−1 S2−1 e2 = S2 S1 AS1−1 v2 = S2

∗ λ2 v˜2





 λ2   = 0  . ..   0

und somit

λ1 ∗ ∗ . . . ∗  0 λ2 ∗ . . . ∗   . S2 S1 AS1−1 S2−1 = 0 0  ..  .. .  . A 3  0 0  So fahren wir fort. Insgesamt (n − 1) Schritte liefern S1, . . . , Sn−1 ∈ GL(n, K), so dass für S := Sn−1 · . . . · S2 · S1 ∈ GL(n, K) die Matrix S AS −1 eine obere Dreiecksmatrix ist. Beispiel 6.84. Sei K = Q, n = 3 und A ∈ Mat(3, Q) gegeben durch 3 4 3

A = −1 0 −1 . 1 2 3 Das charakteristische Polynom lautet 3−λ 4 3

χA (λ) = det −1 −λ −1  2 3 − λ 1 = (3 − λ)2 (−λ) − 4 − 6 + 3λ + 2(3 − λ) + 4(3 − λ) = (2 − λ)3 . 1. Schritt: Berechnung eines Eigenvektors v1 von A zum Eigenwert 2. Durch elementare Zeilenumformungen bringen wir das homogene Gleichungssystem in Zeilenstufenform. Dabei können wir die dritte Zeile weglassen, da sie das negative der zweiten ist. v 1 4 3 0



11 0 = −1 −2 −1 · v12     1 2 1 0   v13 

6.4. Invariante Untervektorräume und Trigonalisierbarkeit

    0 1 4 3 ⇔ = 0 −1 −2 −1

Wir wählen nun v13 als Lösung

311

v

11 · v12  v13 

    v11 0 1 4 3  ⇔ = · v12 0 0 2 2  v13  = 1 und lösen das Gleichungssystem von unten nach oben und erhalten

Da v11  0 ist, können wir S1 durch

1

v1 = −1 . 1

1 0 0

S1 = −1 1 0 1 0 1 wählen. Nun rechnen wir schnell nach, dass

−1

1 0 0

= 1 1 0 −1 0 1

2 4 3

= 0 4 2 . 0 −2 0   4 2 2. Schritt: Berechnung eines Eigenvektors v˜2 von zum Eigenwert 2: −2 0      0 2 2 v22 = ⇔ v22 = −v23 . 0 −2 −2 v23 S1 AS1−1



 0

1 Somit ist v˜2 = ein Eigenvektor. Wir setzen daher v2 := 1 . Da v22  0 ist, können wir −1 −1 −1

1 0 0 1 0 0



 S2 := 0 1 0 = 0 1 0 0 −1 1 0 1 1 wählen. Die Transformationsmatrix ist gegeben durch 1 0 0 1 0 0 1 0 0





S = S2 · S1 = 0 1 0 1 1 0 = 1 1 0 0 1 1 −1 0 1 0 1 1

312

6. Eigenwertprobleme

und ihr Inverses durch 1 0 0 1 0 0 1 0 0





S −1 = S1−1 · S2−1 = −1 1 0 0 1 0 = −1 1 0 . 1 0 1 0 −1 1 1 −1 1 Die auf Dreiecksgestalt transformierte Matrix sieht also so aus: 2 1 3 1 0 0 2 1 3 1 0 0 1 0 0 3 4 3









S AS −1 = 1 1 0 −1 0 −1 −1 1 0 = 1 1 0 −2 1 −1 = 0 2 2 . 0 1 1 1 2 3  1 −1 1 0 1 1 2 −1 3  0 0 2 In Anhang A.5 wird erläutert, wie die Trigonalisierung komplexer Matrizen dabei hilft, so genannte Differentialgleichungssysteme aus der Analysis zu lösen.

6.5. Algebren und das Minimalpolynom Sei K ein Körper. Wir haben gesehen, dass sowohl die Menge der formalen Potenzreihen als auch die Teilmenge der Polynome gleichzeitig K-Vektorräume als auch Ringe sind. Dies führt auf folgende allgemeine Definition. Definition 6.85. Sei K Körper und A eine Menge. Seien + : A × A → A, • : A × A → A, · : K × A → A, Abbildungen. Das Quadrupel (A, +, •, ·) heißt K-Algebra oder Algebra über K, falls gilt: (A1) (A, +, ·) ist ein K-Vektorraum. (A2) (A, +, •) ist ein Ring. (A3) Für alle x, y ∈ A und alle α, β ∈ K ist (α · x) • (β · y) = (αβ) · (x • y).

Die dritte Bedingung drückt die Verträglichkeit der Multiplikation • zweier Elemente aus A mit der Multiplikation · eines Elements aus K und eines aus A aus. Man überprüft leicht, dass (A3) für A = K[x] und A = Kx erfüllt ist. Die Menge der Polynome bzw. formalen Potenzreihen bilden also Algebren.

6.5. Algebren und das Minimalpolynom

313

Definition 6.86. Sei (A, +, •, ·) eine K-Algebra. Hat der Ring (A, +, •) eine Eins, so nennen wir (A, +, •, ·) eine Algebra mit Einselement. Ist der Ring (A, +, •) kommutativ, so nennen wir (A, +, •, ·) eine kommutative Algebra. Bemerkung 6.87. Da (A, +, •) ein Ring ist, ist die Multiplikation • assoziativ. Darauf wird manchmal verzichtet; unsere Definition ist die einer „assoziativen K-Algebra“. Ähnlich wie bei Ringen, Körpern und Vektorräumen spricht man oft auch etwas ungenau von der Algebra A statt (A, +, •, ·). Beispiele 6.88. 1. Sei K ein Körper und A = K. Sowohl • als auch · seien die Multiplikation in K. Dann ist (K, +, •, ·) eine kommutative K-Algebra mit Einselement 1. 2. Sei K ein Körper und x ein formales Symbol. Die Algebren A = K[x] und A = Kx der Polynome bzw. formalen Potenzreihen sind kommutativ. Sie haben als Einselement das Polynom 1. 3. Sei K ein Körper und n ∈ N. Sei A = Mat(n, K), sei + die komponentenweise Addition, • die Matrixmultiplikation und · die komponentenweise Multiplikation mit Elementen aus K. Dann ist (Mat(n, K), +, •, ·) eine K-Algebra mit Einselement 1n . Sie ist nicht kommutativ, falls n ≥ 2. 4. Sei V ein (möglicherweise ∞-dimensionaler) K-Vektorraum und A = End(V). Die Addition zweier Endomorphismen ϕ, ψ ∈ End(V) ist definiert durch (ϕ + ψ)(v) := ϕ(v) + ψ(v) für alle v ∈ V. Für α ∈ K ist α · ϕ definiert durch (α · ϕ)(v) := α · ϕ(v). Die Multiplikation • schließlich ist die Verkettung, • = ◦. Dann ist (End(V ), +, ◦, ·) eine K-Algebra mit Einselement idV . Sie ist nicht kommutativ, wenn dim(V) ≥ 2. 5. Sei X eine Menge und (A0, +, •, ·) eine K-Algebra. Dann wird A = Abb(X, A0 ) ebenfalls zu einer K-Algebra, wenn wir die Rechenoperationen +, • und · punktweise definieren. Da aus dem Kontext im Einzelfall meist klar ist, welche der beiden Multiplikation gemeint ist, unterscheidet man sie in der Notation in der Regel nicht und schreibt statt • auch wieder ·. Definition 6.89. Sei A eine K-Algebra. Ein Untervektorraum B ⊂ A, der gleichzeitig ein Unterring ist, heißt Unteralgebra von A. Wir können es auch so ausdrücken: Eine Teilmenge B ⊂ A ist genau dann eine Unteralgebra, wenn für alle x, y ∈ A und alle α ∈ K gilt:

314

6. Eigenwertprobleme

1. 0 ∈ B; 2. Sind x, y, ∈ B, so ist auch x + y ∈ B; 3. Sind x, y, ∈ B, so ist auch x • y ∈ B; 4. Ist x ∈ B und α ∈ K, so ist auch α · x ∈ B. Beispiele 6.90. Die Polynomalgebra K[x] ist eine Unteralgebra der Algebra Kx der formalen Potenzreihen. Die Menge der Polynome vom Grad ≤ 3, V = { f ∈ K[x] | deg( f ) ≤ 3}, ist ein Untervektorraum von K[x], aber kein Unterring, also auch keine Unteralgebra. Definition 6.91. Seien A und B zwei K-Algebren. Ein K-Vektorraumhomomorphismus ϕ : A → B, der zugleich ein Ringhomomorphismus ist, heißt K-Algebrenhomorphismus. Haben A und B beide eine Eins und gilt ϕ(1A ) = 1B , dann nennt man ϕ einserhaltend oder unitär. Ein weiterer Grund für die penible Unterscheidung zwischen Polynomen und Polynomfunktionen besteht darin, dass man in ein Polynom f = an x n + . . . + a1 x + a0 ∈ K[x] nicht nur Zahlen aus K einsetzen kann, sondern auch Elemente A aus einer beliebigen K-Algebra A mit Eins. Der Ausdruck f˜(A) := an · An + . . . + a1 · A + a0 · 1 ∈ A ergibt Sinn. Hierbei steht An für das n-fache Produkt von A mit sich selbst in der Algebra A. Bemerkung 6.92. Sei A eine K-Algebra mit Eins, A ∈ A und x ein abstraktes Symbol. Dann kann man leicht überprüfen, dass die Abbildung K[x] → A,

f → f˜(A),

ein einserhaltender Algebrenhomomorphismus ist, vergleiche Aufgabe 6.3. Definition 6.93. Sei K ein Körper und A eine K-Algebra mit Einselement. Sei A ∈ A. Dann heißt Ann(A) := { f ∈ K[x] | f˜(A) = 0} der Annihilator von A. Beispiele 6.94. Sei A = Mat(n, K) und f = am x m + . . . + a1 x + a0 ∈ K[x]. 1. Ist A = 0n die Nullmatrix, dann ist f˜(A) = am · 0n · . . . · 0n + . . . + a1 · 0n + a0 · 1n = a0 · 1n .

6.5. Algebren und das Minimalpolynom

315

Also ist f ∈ Ann(0n ) genau dann, wenn a0 = 0. Anders ausgedrückt, das Polynom f lässt sich ohne Rest durch das Monom x teilen, Ann(0n ) = { f ∈ K[x] | ∃g ∈ K[x] mit f = g · x}. 2. Sei nun A = 1n . Dann ist f˜(A) = am · 1n · . . . · 1n + . . . + a1 1n + a0 · 1n = (am + . . . + a1 + a0 ) · 1n . Also gilt

m " #  aj = 0 . Ann(1n ) = f = am x m + . . . + a0 ∈ K[x] | j=0

 3. Sei n = 2 und A = Also ist



0 1 . Dann gilt A2 = A · A = 02 und damit Am = 02 für alle m ≥ 2. 0 0

 a a 0 1 . f˜(A) = am A + . . . + a2 A + a1 A + a0 12 = a1 A + a0 1n = 0 a0 

m

2

Somit ist f˜(A) = 0 genau dann, wenn a0 = a1 = 0. Es folgt Ann(A) = { f ∈ K[x] | ∃g ∈ K[x] mit f = g · x 2 }. In den drei Beispielen sind die Annihilatoren gegeben als eine Menge von Polynomen, die durch ein bestimmtes Polynom ohne Rest teilbar sind. Im Fall A = 0n war dies das Polynom x, im Fall A = 1n das Polynom x − 1 und im dritten Beispiel das Polynom x 2 . Tatsächlich ist dies ein allgemeiner Sachverhalt. Definition 6.95. Ein Polynom f ∈ K[x] heißt normiert, falls der führende Koeffizient = 1 ist, d.h. falls f von der Form f = x n + an−1 x n−1 + . . . + a1 x + a0 ist.

Proposition 6.96. Sei A eine K-Algebra mit Eins und A ∈ A ein Element. Dann ist entweder Ann(A) = {0} oder es gibt genau ein normiertes Polynom h ∈ K[x], so dass Ann(A) = { f ∈ K[x] | ∃g ∈ K[x] mit f = g · h}.

Beweis. a) Eindeutigkeit: Seien h1 und h2 zwei solche Polynome. Dann gibt es insbesondere ein g ∈ K[x] mit h1 = g · h 2

316

6. Eigenwertprobleme

und somit deg(h1 ) ≥ deg(h2 ). Analog sieht man deg(h2 ) ≥ deg(h1 ) und somit deg(h1 ) = deg(h2 ). Daraus folgt deg(g) = 0, d.h. g ist eine Konstante. Da h1 und h2 normiert sind, muss diese Konstante = 1 sein. Also ist h1 = h2 . b) Existenz: Wir können annehmen, dass Ann(A)  {0}. Sei h ein Polynom minimalen Grades in Ann(A) \ {0}. Mit h ist auch jedes Vielfache von h in Ann(A). Also können wir o.B.d.A. annehmen, dass h normiert ist. Bleibt zu zeigen: Ann(A) = {g · h | g ∈ K[x]}. Die Inklusion „⊃“ ist einfach: Für jedes Polynom der Form f = g · h gilt ˜ f˜(A) = g(A) ˜ · h(A) = g(A) ˜ ·0=0 und somit g · h ∈ Ann(A). Zu „⊂“ haben wir zu zeigen, dass h jedes Polynom in Ann(A) ohne Rest teilt. Sei f ∈ Ann(A), f  0. Wegen deg( f ) ≥ deg(h) können wir Polynomdivision von f durch h vornehmen und erhalten g, r ∈ K[x], so dass deg(r) < deg(h) und f = g · h + r. Wir setzen A ein und erhalten ˜ 0 = f˜(A) = g(A) ˜ · h(A) + r(A) ˜ = g(A) ˜ · 0 + r(A) ˜ = r(A). ˜ Also ist r ∈ Ann(A). Da r kleineren Grad als h hat und h minimalen Grad in Ann(A) \ {0} hat, muss r = 0 sein. Also ist f = g · h wie gewünscht.  Lemma 6.97. Ist A eine endlich-dimensionale K-Algebra und A ∈ A, dann ist Ann(A)  {0}. Beweis. Der Annihilator Ann(A) ist der Kern des Homomorphismus K[x] → A, f → f˜(A). Da dim(K[x]) = ∞ und dim(A) < ∞, kann kein Homomorphismus K[x] → A injektiv sein. Also ist Ann(A)  {0}.  Ein Beispiel mit Ann(A) = {0} findet sich in Aufgabe 6.6. Definition 6.98. Sei A eine endlich-dimensionale K-Algebra mit Eins und A ∈ A. Dann heißt das eindeutige normierte Polynom h ∈ K[x] mit Ann(A) = h · K[x] wie in Proposition 6.96 das Minimalpolynom von A. Wir schreiben dann statt h für das Minimalpolynom M A ∈ K[x].

6.5. Algebren und das Minimalpolynom

317

Beispiel 6.99. Aus Beispiel 6.94 und Aufgabe 6.5 wissen wir, dass für A = Mat(n, K) gilt: M0n = x, M1n = x − 1, M

0 0

1   0

= x2 .

Vergleichen wir die Minimalpolynome dieser Matrizen mit ihren charakteristischen Polynomen χ0n = (−x)n, χ1n = (1 − x)n, χ

0 0

1   0

= x 2,

so stellen wir fest, dass das Minimalpolynom in allen Fällen das charakteristische Polynom teilt. In anderen Worten, in diesen Fällen ist χA ∈ Ann(A). Tatsächlich gilt das für alle (quadratischen) Matrizen, wie der folgende Satz uns sagt. Satz 6.100 (Cayley-Hamilton). Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V ). Dann ist χ˜ϕ (ϕ) = 0, in anderen Worten χϕ ∈ Ann(ϕ) und Mϕ teilt χϕ ohne Rest. Bemerkung 6.101. Machen wir uns zunächst an einem klar, was der Satz von Cayley Beispiel  1 5 Hamilton besagt. Betrachten wir die Matrix A = ∈ Mat(2, Q). Das charakteristische 0 1 Polynom ergibt sich zu   1−λ 5 = (1 − λ)2 = λ2 − 2λ + 1. χA(λ) = det 0 1−λ Nun überprüfen wir den Satz von Cayley-Hamilton: χ˜ A(A) = A2 − 2A + 12      1 5 1 5 1 = · −2· 0 1 0 1 0      1 10 2 10 1 = − + 0 1 0 2 0   0 0 = . 0 0

   5 1 0 + 1 0 1  0 1

318

6. Eigenwertprobleme

Bemerkung 6.102. Für Diagonalmatrizen kann man den Satz von Cayley-Hamilton sehr leicht 0

λ1  .. einsehen. Sei nämlich A =  eine Diagonalmatrix. Für beliebige Polynome f ∈ .  0 λ n  K[x] gilt ˜ 0

f (λ1 )  . .. f˜(A) = .  f˜(λn ) 0 Das liegt daran, dass man Matrixpotenzen von Diagonalmatrizen dadurch bekommt, dass man die Diagonaleinträge potenziert. Insbesondere für f = χA gilt nun

χ˜ A(λ1 ) .. χ˜ A(A) = . 0

0

  = 0n .  χ˜ A(λn )

Auch für Matrizen, die zwar nicht Diagonalmatrizen, wohl aber diagonalisierbar sind, lässt sich der Satz von Cayley-Hamilton leicht beweisen, vergleiche Aufgabe 6.24. Nun zum allgemeinen Fall: Beweis von Satz 6.100. a) Wir müssen zeigen, dass für beliebiges v ∈ V gilt χ˜ ϕ (ϕ)(v) = 0. Sei also v ∈ V . Ohne Einschränkung sei v  0. Wir setzen v1 := v,

v2 := ϕ(v),

...

,

vi+1 := ϕ(vi ) = ϕ ◦ . . . ◦ ϕ(v). ()*+ i

Sei m der größte Index, für den v1, . . . , vm noch linear unabhängig sind, d.h. v1, . . ., vm+1 sind linear abhängig. Dann ist 1 ≤ m ≤ dim(V). Wir können dann vm+1 als Linearkombination der vorhergehenden vi schreiben, vm+1 = α1 v1 + . . . + αm vm, Sei W ⊂ V der Untervektorraum, der (v1, . . . , vm ) eine geordnete Basis von W. b) Behauptung: W ist ein ϕ-invarianter darstellende Matrix 0

. 1 .. .. . 0

αi ∈ K.

von v1, . . ., vm aufgespannt wird. Dann ist B := Untervektorraum und ϕ|W hat in der Basis B die α1 .. . 0 .. .. . . .. .. .. . . . . .. . 0 .. 1 αm

     .      

6.5. Algebren und das Minimalpolynom

319

Beweis der Behauptung: Da die Basisvektoren v1, . . ., vm von ϕ wieder auf Linearkombinationen dieser Vektoren abgebildet werden, ist W ein ϕ-invarianter Untervektorraum. Wegen ϕ(v1 ) = v2 muss die erste Spalte der darstellenden Matrix der Vektor e2 sein. Analog gilt ϕ(vi ) = vi+1 für i ≤ m − 1 und damit ist die i-te Spalte der (i + 1)-te Standardvektor ei+1 . Die letzte Spalte hat die angegebene Form, da ϕ(vm ) = vm+1 = α1 v1 + . . . + αm vm .



c) Behauptung: χϕ|W (x) = (−1)m+1 · (−x m + αm x m−1 + αm−1 x m−2 + . . . + α1 ). Beweis der Behauptung: Wir führen eine vollständige Induktion nach m durch. Für m = 1 ist die darstellende Matrix (α1 ) und daher das charakteristische Polynom χϕ|W (x) = α1 − x wie behauptet. Für den Induktionsschritt nehmen wir an, dass die Behauptung für m − 1 bewiesen sei. Zur Berechnung von α1

−x 1 −x 0 α2 .. . . .. .. . χϕ|W (x) = det .. .. .. . . . . . . −x αm−1 0 1 αm − x

           

entwickeln wir nach der ersten Zeile. Dabei treten nur zwei nichttriviale Terme auf. Der erste ist nach Induktionsannahme −x α2

.. .. . 0 . 1 .. . . .. .. (−x) · det . .. . −x αm−1 0 1 αm − x

    = (−x) · (−1)m · (−x m−1 + αm x m−2 + . . . + α2 )      = (−1)m+1 · (−x m + αm x m−1 + . . . + α2 x). (6.17)

Der andere nichttriviale Term in der Zeilenentwicklung ist

m+1 · α1 · det (−1)

1 −x

.. ..  . . 0   .. ..  = (−1)m+1 · α1 . . .   .. . −x  0 1 

(6.18)

320

6. Eigenwertprobleme

Addition von (6.17) und (6.18) liefert χϕ|W (x) = (−1)m+1 · (−x m + αm x m−1 + . . . + α2 x) + (−1)m+1 · α1 = (−1)m+1 · (−x m + αm x m−1 + . . . + α2 x + α1 ) 

wie behauptet. d) Nach Lemma 6.103 unten existiert ein g ∈ K[x] mit χϕ (x) = g(x) · χϕ| W (x). Daher ist χ˜ ϕ (ϕ) = g(ϕ) ˜ · χ˜ ϕ| W (ϕ) und somit χ˜ ϕ (ϕ)(v) = g(ϕ) ˜ ◦ χ˜ ϕ| W (ϕ)(v) m ˜ + αm ϕm−1 + . . . + α2 ϕ + α1 id)(v) = (−1)m+1 g(ϕ)(−ϕ

˜ = (−1)m+1 g(ϕ)(−v m+1 + αm vm + . . . + α1 v1 ) ˜ = (−1)m+1 g(ϕ)(0) = 0.



Lemma 6.103. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Ist W ein ϕ-invarianter Untervektorraum von V, dann wird χϕ ∈ K[x] von χϕ|W ohne Rest geteilt. Beweis. Sei (v1, . . ., vm ) eine geordnete Basis von W. Sei C die darstellende Matrix von ϕ|W bzgl. dieser Basis. Wir ergänzen zu einer geordneten Basis B = (v1, . . ., vm, . . ., vn ) von V, wobei n = dim(V). In dieser Basis hat ϕ die darstellende Matrix   C D . A= 0 E Dann ist  χϕ (x) = det

D C − x1m 0 E − x1n−m



= det(C − x1m ) · det(E − x1n−m ) = χϕ|W (x) · χE (x).



6.5. Algebren und das Minimalpolynom

321

Satz 6.104. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V ). Dann haben χϕ und Mϕ dieselben Nullstellen. Die Vielfachheiten der Nullstellen können beim Minimalpolynom kleiner sein, wie wir in Beispiel 6.99 gesehen haben. Beweis. a) Der Satz von Cayley-Hamilton liefert χϕ = g · Mϕ für ein Polynom g ∈ K[x]. Also ist jede Nullstelle von Mϕ auch eine Nullstelle von χϕ . b) Sei umgekehrt λ eine Nullstelle von χϕ . Wir haben M˜ ϕ (λ) = 0 zu zeigen. Wir schreiben Mϕ (x) = x m + αm−1 · x m−1 + . . . + α0 . Wir wählen einen Eigenvektor v  0 von ϕ zum Eigenwert λ. Nun gilt M˜ ϕ (λ) · v = λ m · v + αm−1 · λ m−1 · v + . . . + α0 · v = (ϕm + αm−1 · ϕm−1 + . . . + α0 · id)(v) = M˜ ϕ (ϕ)(v) = 0. Also ist M˜ ϕ (λ) = 0, d.h. λ ist eine Nullstelle von Mϕ .



Satz 6.105. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V ). Dann sind äquivalent: (1) ϕ ist diagonalisierbar. (2) Mϕ zerfällt in paarweise verschiedene Linearfaktoren.

Beweis. Zu „(1)⇒(2)“: Sei ϕ diagonalisierbar und seien λ1, . . ., λ k die paarweise verschiedenen Eigenwerte von ϕ. Setze f := (x − λ1 ) · . . . · (x − λ k ) ∈ K[x]. Wir zeigen Mϕ = f , woraus insbesondere (2) folgt. Die λ1, . . . , λ k sind die Nullstellen von χϕ , also nach Satz 6.104 auch die von Mϕ . Daher teilt f das Polynom Mϕ ohne Rest. Sei v ∈ V. Da ϕ diagonalisierbar ist, haben wir die Zerlegung V = Eig(ϕ, λ1 ) ⊕ . . . ⊕ Eig(ϕ, λ k ). Wir können daher v = v1 + . . . + vk mit v j ∈ Eig(ϕ, λ j ) = ker(ϕ − λ j id) schreiben. Dann gilt f˜(ϕ)(v) = f˜(ϕ)(v1 ) + . . . + f˜(ϕ)(vk ). Wegen f = (x − λ1 ) · · · (x − λi−1 )(x − λi+1 ) · · · (x − λn )(x − λi ) =: gi (x) · (x − λi )

322

6. Eigenwertprobleme

ist nun f˜(ϕ)(vi ) = g˜i (ϕ) ◦ (ϕ − λi · id)(vi ) = g˜i (ϕ)(0) = 0. Also ist f˜(ϕ)(v) = 0 für jedes v ∈ V und damit f˜(ϕ) = 0. In anderen Worten, f ∈ Ann(ϕ) und daher wird f vom Minimalpolynom Mϕ ohne Rest geteilt. Wir wissen nun, dass das Minimalpolynom Mϕ das Polynom f ohne Rest teilt und umgekehrt genauso. Also gibt es ein α ∈ K \ {0} mit Mϕ = α f . Da Mϕ und f normiert sind, ist α = 1 und somit Mϕ = f . Zu „(2)⇒(1)“: Diese Implikation müssen wir für den Moment vertagen. Wir werden sie im nächsten Abschnitt beweisen, siehe Korollar 6.116 auf Seite 328.  Wir können also folgendermaßen überprüfen, ob eine Matrix A ∈ Mat(n, K) (oder ein Endomorphismus auf einem n-dimensionalen Vektorraum) diagonalisierbar ist: Berechne χA Berechne die paarweise verschiedenen Nullstellen λ1, . . . , λk von χA

Zerfällt χA in Linearfaktoren?

nein

A nicht diagonalisierbar

ja Setze f (x) := (x − λ1 ) · · · (x − λk ) Ist f˜(A) = 0n ?

nein

A nicht diagonalisierbar

ja A ist diagonalisierbar Abb. 106 Prüfung auf Diagonalisierbarkeit



 2 1 . Dann zerfällt das charakteristische Polynom χA(x) = 0 2

Beispiel 6.106. Sei A =   2−x 1 det = (2 − x)2 in Linearfaktoren. Es gibt nur den Eigenwert λ1 = 2. Wir 0 2−x

6.6. Die Jordan’sche Normalform

setzen f (x) := x − 2. Dann ist

323



     2 1 2 0 0 1 − =  02 f˜(A) = A − 2 · 12 = 0 2 0 2 0 0

Also ist A nicht diagonalisierbar.

6.6. Die Jordan’sche Normalform Die Frage nach der Diagonalisierbarkeit einer Matrix ist aufgetreten, weil wir Endomorphismen durch möglichst einfache Matrizen darstellen wollten. Leider hat sich herausgestellt, dass nicht alle Endomorphismen diagonalisierbar sind. Über dem Körper der komplexen Zahlen konnten wir aber immerhin jede Matrix trigonalisieren. Die Frage ist nun, ob man, zumindest über C, noch eine einfachere Form der darstellenden Matrix eines Endomorphismus finden kann. Diese müsste im Allgemeinen einfacher als eine obere Dreiecksmatrix, aber komplizierter als eine Diagonalmatrix sein. Dies ist tatsächlich möglich und heißt die Jordan’sche Normalform des Endomorphismus. Zunächst wieder zwei Vorbereitungen zu Polynomen. Lemma 6.107. Sei K ein Körper, seien λ1, . . ., λ k ∈ K paarweise verschieden, α ∈ K \ {0} und γ1, . . ., γ k ∈ N. Sei f (x) = α · (x − λ1 )γ1 · · · (x − λ k )γk ∈ K[x]. Dann ist jedes Polynom g ∈ K[x], das das Polynom f teilt, von der Form g(x) = β · (x − λ1 ) μ1 · · · (x − λ k ) μk mit β ∈ K \ {0} und μ j ∈ {0, 1, . . ., γ j }. Beweis. Sei g ein Polynom, das f teilt. Dann existiert ein h ∈ K[x], so dass f = g · h. Da λ1 eine Nullstelle von f ist, ist es auch eine von g oder von h. Also gibt es nach Lemma 6.19 ein g1 ∈ K[x] mit g(x) = (x − λ1 ) · g1 (x) oder ein h1 ∈ K[x] mit h(x) = (x − λ1 ) · h1 (x). Wir dividieren beide Seiten der Gleichung f = g · h durch das Polynom x − λ1 und erhalten wegen der Eindeutigkeit in der Polynomdivision (siehe Satz 6.15): α · (x − λ1 )γ1 −1 · (x − λ2 )γ2 · · · (x − λ k )γk = g1 (x) · h(x) bzw.

α · (x − λ1 )γ1 −1 · (x − λ2 )γ2 · · · (x − λ k )γk = g(x) · h1 (x).

Wir wiederholen diese Prozedur insgesamt γ1 + γ2 + . . . + γ k = deg( f ) Male und erhalten ˆ ˆ · h(x), α = α · (x − λ1 )0 · · · (x − λ k )0 = g(x)

324

6. Eigenwertprobleme

ˆ wobei g(x) = g(x) ˆ · (x − λ1 ) μ1 · · · (x − λ k ) μk und h(x) = h(x) · (x − λ1 )γ1 −μ1 · · · (x − λ k )γk −μk . ˆ = 0 und daher β := gˆ ∈ K \ {0}. Also ist g(x) = Insbesondere gilt deg(g) ˆ = deg( h) β · (x − λ1 ) μ1 · · · (x − λ k ) μk , was zu beweisen war.  Bemerkung 6.108. Aus Lemma 6.107 folgt, dass jedes Polynom, das ein Polynom teilt, welches in Linearfaktoren zerfällt, selbst auch in Linearfaktoren zerfällt. Insbesondere, wenn das charakteristische Polynom eines Endomorphismus in Linearfaktoren zerfällt, so muss dies auch für das Minimalpolynom gelten. Bemerkung 6.109. Nehmen wir einmal an, dass das charakteristische Polynom χϕ eines Endomorphismus ϕ in Linearfaktoren zerfällt, also von der Form χϕ (x) = (−1)n · (x − λ1 ) μalg (λ1 ) · · · (x − λ k ) μalg (λk ) ist, wobei λ1, . . ., λ k die paarweise verschiedenen Eigenwerte sind. Dann muss das Minimalpolynom von der Form Mϕ (x) = (x − λ1 ) μ1 · · · (x − λ k ) μk sein, wobei μ j ≤ μalg (λ j ). Da jede Nullstelle von χϕ auch eine von Mϕ ist, muss 1 ≤ μ j ≤ μalg (λ j ) für alle j = 1, . . ., k gelten. Der Koeffizient β aus Lemma 6.107 muss = 1 sein, da das Minimalpolynom normiert ist. Satz 6.105 besagt, dass ϕ genau dann diagonalisierbar ist, wenn μ1 = . . . = μk = 1 ist. Das ist genau dann der Fall, wenn (x−λ1) · · · (x−λ k ) ∈ Ann(ϕ), d.h. wenn (ϕ−λ1 ·id) · · · (ϕ−λ k ·id) = 0. Die zweite Vorbereitung über Polynome ist ein Spezialfall des so genannten erweiterten euklidischen Algorithmus. Lemma 6.110. Sei K ein Körper, seien λ1, . . ., λ k ∈ K paarweise verschieden, k ≥ 2 und γ1, . . ., γ k ∈ N. Dann gibt es Polynome h1, h2 ∈ K[x], so dass 1 = h1 (x) · (x − λ1 )γ1 + h2 (x) · (x − λ2 )γ2 · · · (x − λ k )γk .

Beweis. Wir setzen f1 := (x − λ1 )γ1, f2 := (x − λ2 )γ2 · · · (x − λ k )γk . Wir nehmen nun an, dass deg( f2 ) ≤ deg( f1 ). Ansonsten vertauschen wir die Rollen von f1 und f2 im folgenden Beweis. Sukzessive Polynomdivision mit Rest (Satz 6.15) liefert:

6.6. Die Jordan’sche Normalform

325

f1 = q1 · f2 + f3 , f2 = q2 · f3 + f4 , ... f j−1 = q j−1 · f j + f j+1 , .. .

deg( f3 ) < deg( f2 ), deg( f4 ) < deg( f3 ), deg( f j+1 ) < deg( f j ),

Irgendwann muss deg( fn+2 ) < 0 sein, d.h. fn+2 = 0 und damit fn = qn · fn+1 . Daraus ergibt sich: ⇒ ⇒ ⇒

fn+1 teilt fn fn+1 teilt fn und fn−1 fn+1 teilt fn, fn−1 und fn−2 .. . fn+1 teilt alle f j .

Insbesondere teilt fn+1 die Polynome f1 und f2 . Nach Lemma 6.107 muss fn+1 einerseits von der Form fn+1 = β · (x − λ1 ) μ1 sein und andererseits auch von der Form fn+1 = β · (x − λ2 ) μ2 · · · (x − λ k ) μk . Das ist nur möglich, wenn fn+1 eine Konstante α ∈ K ist. Da erst fn+2 das Nullpolynom ist, fn+1 aber noch nicht, gilt α  0. Induktiv sehen wir, dass jedes f j von der Form f j = h1, j · f1 + h2, j · f2 ist. Insbesondere gilt: α = fn+1 = h1,n+1 · f1 + h2,n+1 · f2 . Also ist 1=

1 1 h1,n+1 · f1 + h2,n+1 · f2 . α α

Mit h1 := α1 h1,n+1 und h2 := α1 h2,n+1 folgt die Behauptung.



Proposition 6.111. Sei K ein Körper, seien λ1, . . ., λ k ∈ K paarweise verschieden, α ∈ K \ {0} und γ1, . . . , γ k ∈ N. Sei f = α · (x − λ1 )γ1 · · · (x − λ k )γk ∈ K[x]. Sei V ein endlichdimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Dann ist ker( f˜(ϕ)) = ker((ϕ − λ1 · idV )γ1 ) ⊕ · · · ⊕ ker((ϕ − λ k · idV )γk ).

Beweis. a) Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass α = 1 ist, denn der Faktor α hat keinen Einfluss auf ker( f˜(ϕ)). Wir zeigen die Aussage nun durch vollständige Induktion nach k. b) Für k = 1 ist die Aussage offensichtlich. Damit ist der Induktionsanfang vollzogen.

326

6. Eigenwertprobleme

c) Für den Induktionsschritt sei k ≥ 2. Wir setzen f1 (x) := (x − λ1 )γ1 und f2 (x) := (x − λ2 )γ2 · · · (x − λ k )γk . Wir zeigen: f2 (ϕ)). ker( f˜(ϕ)) = ker( 3 f1 (ϕ)) ⊕ ker( 3 Dann folgt die Aussage nach Induktionsannahme für ker( 3 f2 (ϕ)). d) Behauptung: Es gilt ker( 3 f1 (ϕ)) ⊂ ker( f˜(ϕ)). Beweis der Behauptung: Ist v ∈ ker( 3 f1 (ϕ)), so ist   3 3 f˜(ϕ)(v) = ( f8 2 f1 )(ϕ)(v) = f2 (ϕ) ◦ f1 (ϕ) (v) = 0. ()*+ =0

Daraus folgt ker( 3 f1 (ϕ)) ⊂ ker( f˜(ϕ)). e) Analog sieht man ker( 3 f2 (ϕ)) ⊂ ker( f˜(ϕ)). Es folgt:



f2 (ϕ)) ⊂ ker( f˜(ϕ)). ker( 3 f1 (ϕ)) + ker( 3 f) Behauptung: Es gilt umgekehrt auch ker( f˜(ϕ)) ⊂ ker( 3 f1 (ϕ)) + ker( 3 f2 (ϕ)). Beweis der Behauptung: Nach Lemma 6.110 gibt es Polynome h1, h2 ∈ K[x], so dass f1 · h1 + f2 · h2 = 1. Hieraus folgt id = 3 f1 (ϕ) ◦ h31 (ϕ) + 3 f2 (ϕ) ◦ h32 (ϕ). Sei nun v ∈ ker( f˜(ϕ)). Wir zerlegen v durch f2 (ϕ) ◦ h32 (ϕ)(v) = v2 + v1 . v = id(v) = 3 f1 (ϕ) ◦ h31 (ϕ)(v) + 3 ()*+ ()*+ =:v2

=:v1

Nun folgt 3 f2 (ϕ) ◦ 3 f1 (ϕ) ◦ h31 (ϕ)(v) = f˜(ϕ) ◦ h31 (ϕ)(v) = h31 (ϕ) ◦ f˜(ϕ)(v) = 0. f2 (ϕ)(v2 ) = 3 f2 (ϕ)). Analog sieht man v1 ∈ ker( 3 f1 (ϕ)). Also ist v2 ∈ ker( 3 g) Bleibt noch zu zeigen, dass die Summe direkt ist, d.h.



f2 (ϕ)) = {0}. ker( 3 f1 (ϕ)) ∩ ker( 3 f2 (ϕ)). Dann ist Sei dazu v ∈ ker( 3 f1 (ϕ)) ∩ ker( 3 f1 (ϕ)(v) + h32 (ϕ) ◦ 3 f2 (ϕ)(v) = 0. v = id(v) = h31 (ϕ) ◦ 3 ()*+ ()*+ =0

=0



6.6. Die Jordan’sche Normalform

327

Wir erinnern uns daran, dass für diagonalisierbare Endomorphismen ϕ ∈ End(V ) das Minimalpolynom die Form Mϕ (x) = (x − λ1 ) · · · (x − λ k ) hat (Satz 6.105) und der Vektorraum V wie folgt zerlegt werden kann (Satz 6.71 (5)): V = ker(ϕ − λ1 · idV ) ⊕ . . . ⊕ ker(ϕ − λ k · idV ). Dabei sind wieder λ1, . . ., λ k die paarweise verschiedenen Eigenwerte von ϕ. Der folgende Satz ist die Verallgemeinerung hiervon für Endomorphismen, die nicht notwendig diagonalisierbar sind. Satz 6.112 (Zerlegung in verallgemeinerte Eigenräume). Sei V ein endlichdimensionaler K-Vektorraum. Sei ϕ ∈ End(V ) ein Endomorphismus, dessen Minimalpolynom in Linearfaktoren zerfällt, Mϕ (x) = (x − λ1 )γ1 · · · (x − λ k )γk . Hierbei seien λ1, . . ., λ k die paarweise verschiedenen Eigenwerte. Dann gilt:     V = ker (ϕ − λ1 · idV )γ1 ⊕ . . . ⊕ ker (ϕ − λ k · idV )γk .

Beweis. Wir wenden Proposition 6.111 mit f = Mϕ an. Wegen M˜ ϕ (ϕ) = 0 gilt V = ker( M˜ ϕ (ϕ)) = ker((ϕ − λ1 · idV )γ1 ) ⊕ · · · ⊕ ker((ϕ − λ k · idV )γk ).



Definition 6.113. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum. Sei ϕ ∈ End(V ) ein Endomorphismus, dessen Minimalpolynom in Linearfaktoren zerfällt. Sei λ ein Eigenwert von ϕ und γ die algebraische Vielfachheit der Nullstelle λ im Minimalpolynom. Dann heißt der Untervektorraum ker((ϕ − λ · idV )γ ) verallgemeinerter Eigenraum oder auch Hauptraum von ϕ zum Eigenwert λ. Beispiel 6.114. Betrachten wir die Matrix 2 1 0

A = 0 2 0 ∈ Mat(3, R). 0 0 3 Das charakteristische Polynom berechnen wir flugs als χA (x) = (2 − x)2 · (3 − x). Für das Minimalpolynom gibt es nun gemäß Bemerkung 6.109 nur zwei Möglichkeiten; es kann gleich (x − 2)2 · (x − 3) oder gleich (x − 2) · (x − 3) sein. Das können wir dadurch

328

6. Eigenwertprobleme

entscheiden, indem wir überprüfen, ob f := (x − 2) · (x − 3) ∈ Ann(A) ist: 0 −1 0 −1 1 0 0 1 0





f˜(A) = (A − 2 · 13 ) · (A − 3 · 13 ) = 0 0 0 · 0 −1 0 = 0 0 0  03 . 0 0 1  0 0 0 0 0 0 Also ist f  Ann(A) und das Minimalpolynom muss M A = (x − 2)2 · (x − 3) sein. Nun stellen wir fest: 0 1 0

ker(A − 2 · 13 ) = ker 0 0 0 = R · e1, 0 0 1 0 0 0 

ker (A − 2 · 13 )2 = ker 0 0 0 = R · e1 ⊕ R · e2, 0 0 1 −1 1 0

ker(A − 3 · 13 ) = ker 0 −1 0 = R · e3 . 0 0 0 In der Tat gilt  R3 = ker (A − 2 · 13 )2 ⊕ ker(A − 3 · 13 ) = R · e1 ⊕ R · e2 ⊕ R · e3, nicht aber R3 = ker(A − 2 · 13 ) ⊕ ker(A − 3 · 13 ) = R · e1 ⊕ R · e3 . In diesem Beispiel stimmen Eigenraum und Hauptraum für den Eigenwert 3 überein, nicht aber für den Eigenwert 2. Im letzteren Fall ist der Hauptraum echt größer als der Eigenraum. Bemerkung 6.115. Verallgemeinerte Eigenräume    von ϕ sind  stets ϕ-invariant. Ist nämlich γ γ v ∈ ker (ϕ − λ · id) , dann ist auch ϕ(v) ∈ ker (ϕ − λ · id) , da (ϕ − λ · id)γ (ϕ(v)) = ((ϕ − λ · id)γ ◦ ϕ)(v) = (ϕ ◦ (ϕ − λ · id)γ )(v) = ϕ(0) = 0. Nun können wir auch den Beweis von Satz 6.105 zu Ende bringen; die Beweisrichtung „(2)⇒(1)“ stand ja noch aus. Korollar 6.116. Wenn das Minimalpolynom Mϕ eines Endomorphismus in paarweise verschiedene Linearfaktoren zerfällt, dann ist ϕ diagonalisierbar. Beweis. In diesem Fall können wir Satz 6.112 mit γ1 = . . . = γ k = 1 anwenden und erhalten V = ker(ϕ − λ1 · idV ) ⊕ . . . ⊕ ker(ϕ − λ k · idV ). Die Behauptung folgt nun aus Satz 6.71. 

6.6. Die Jordan’sche Normalform

329

Definition 6.117. Sei K ein Körper. Eine Matrix der Form λ 1 0

. . . . . .    .. . 1  λ 0  nennt man einen Jordanblock, wobei λ ∈ K.

Satz 6.118 (Jordan’sche Normalform). Sei K ein Körper, sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und sei ϕ ∈ End(V ) ein Endomorphismus, dessen Minimalpolynom in Linearfaktoren zerfällt. Dann existiert eine geordnete Basis B von V, bzgl. derer die darstellende Matrix von ϕ die Blockdiagonalform

J1 MB (ϕ) =

J2

..

. J

     

hat. Dabei sind die Ji Jordanblöcke. Diese Jordan’sche Normalform ist die einfachste Form, in die wir die darstellende Matrix eines nicht diagonalisierbaren Endomorphismus bringen können. Der diagonalisierbare Fall ist genau der Spezialfall der Jordan’schen Normalform, bei dem alle Jordanblöcke nur 1 × 1Matrizen sind, denn genau dann treten keine Einsen auf der Nebendiagonale auf. Ein Beweis von Satz 6.118 findet sich in Anhang B.4. Beispiel 6.119. Die Matrix

2 0 A= 0 0

1 2 0 0

0 0 3 0

0 0  0 3 ist in Jordan’scher Normalform mit den drei Jordanblöcken   2 1 J1 = , J2 = J3 = (3). 0 2 Aus Satz 6.118 und dem Fundamentalsatz der Algebra folgt:

330

6. Eigenwertprobleme

Korollar 6.120. Jede quadratische komplexe Matrix besitzt eine Jordan’sche Normalform, d.h. ist ähnlich zu einer Matrix wie in Satz 6.118.  Wie hängt die Jordan’sche Normalform eines Endomorphismus ϕ ∈ End(V) mit den verschiedenen Größen zusammen, die wir Endomorphismen zugeordnet haben, also charakteristisches Polynom, Minimalpolynom, algebraische und geometrische Vielfachheiten der Eigenwerte? Nehmen wir an, das charakteristische Polynom zerfällt in Linearfaktoren mit den paarweise verschiedenen Eigenwerten λ1, . . ., λ k . Wir betrachten die Darstellung von ϕ in Jordan’scher Normalform:



λ1

1 ..

.

.. ..

. .

1 λ1

r1 − mal λ1

1 ..

.

.. ..

. .

r2 − mal

1 λ1 ..

. λ1

1 ..

.

.. ..

. .

r − mal

1 λ1    λ2   

                                        1  ..  . 

Wir konzentrieren uns dabei auf die Jordanblöcke, die λ1 auf der Diagonale stehen haben, hier die ersten  Blöcke. Bilden wir das charakteristische Polynom, so erhalten wir χϕ (x) = (λ1 − x)r1 · (λ1 − x)r2 · · · (λ1 − x)r × Linearfaktoren zu den anderen Eigenwerten. Also ist die algebraische Vielfachheit von λ1 gegeben durch μalg (λ1 ) = r1 + r2 + . . . + r .

6.6. Die Jordan’sche Normalform

331

In der darstellenden Matrix von ϕ − λ1 · id haben die ersten  Diagonalblöcke die Form 0 1

.  .. .  . . .  .. .  1  0 

(6.19)

Diese Matrizen haben einen eindimensionalen Kern, der dem ersten Spaltenvektor entspricht. Jeder der  ersten Blöcke liefert einen Basisvektor für den Kern von ϕ − λ1 · id, also ist er insgesamt -dimensional. In anderen Worten, die geometrische Vielfachheit von λ1 ist gegeben durch μgeo (λ1 ) = . In Satz 6.64 (iii) haben wir gelernt, dass ϕ genau dann diagonalisierbar ist, wenn die geometrischen und die algebraischen Vielfachheiten der Eigenwerte übereinstimmen. In der Tat, r1 + r2 + . . . + r =  ist gleichbedeutend mit r1 = r2 = . . . = r = 1, d.h. damit dass die Jordanblöcke 1 × 1-Blöcke sind. Wenn das für alle Eigenwerte gilt, heißt es genau, dass die Jordan’sche Normalform eine Diagonalmatrix ist. Mit den algebraischen Vielfachheiten der Eigenwerte kennen wir auch das charakteristische Polynom. Wie können wir nun das Minimalpolynom aus der Jordan’schen Normalform ablesen? Wir suchen die niedrigsten Exponenten γ1, . . ., γ k , für die (x − λ1 )γ1 · · · (x − λ k )γk im Annihilator von ϕ ist. Für jedes Polynom f ∈ K[x] und jede Matrix in Blockdiagonalform,

A1 A=

..

   Am 

.

gilt ˜

f (A1 ) f˜(A) =

..

.

 .  f˜(Am ) 

Wir müssen also nur überprüfen, für welche γ j das Polynom f (x) = (x − λ1 )γ1 · · · (x − λ k )γk die Jordanblöcke zu Null macht. Setzen wir einen Jordanblock zu λ1 in einen Linearfaktor (x − λ j ) zu einem anderen Eigenwert λ j ein, so erhalten wir



λ1 − λ j

0

1 ..

0

  . . .  .. . 1   λ1 − λ j  ..

332

6. Eigenwertprobleme

Dies ist eine invertierbare Matrix, da sie obere Dreiecksgestalt hat und die Diagonalterme ungleich Null sind. Die Multiplikation mit invertierbaren Matrizen hat keine Auswirkung darauf, ob eine Matrix die Nullmatrix ist. Also müssen wir lediglich das kleinste γ1 suchen, für das alle Jordanblöcke zu λ1 eingesetzt in (x − λ1 )γ1 die Nullmatrix ergibt. Setzen wir einen Jordanblock zu λ1 in x − λ1 ein, so erhalten wir eine Matrix wie in (6.19). Man kann nun leicht sehen, dass bei jedem Multiplizieren mit dieser Matrix die Einsernebendiagonale um eins nach rechts oben rutscht, 0 ··· 0 1

.. ..  ... . . 0 1 

 .. .. . . . . . .  . . 1  = .  .. .. . . 1 0  . . ..  0 . .  0 Das kleinste k, für das wir die Nullmatrix erhalten, ist somit gerade durch die Größe der Matrix gegeben. Es folgt für den Exponenten im Minimalpolynom Mϕ = (x − λ1 )γ1 . . . (x − λ k )γk : k

γ1 = max{r1, . . ., r }. Analog erhält man die Exponenten γ j im Minimalpolynom für die Linearfaktoren zu den anderen Eigenwerten λ j . Bemerkung 6.121. Die Jordan’sche Normalform ist im Allgemeinen nicht eindeutig. Hat man eine Basis bezüglich derer die darstellende Matrix Jordan’sche Normalform hat, dann kann man durch geeignetes Vertauschen der Basisvektoren auch die Jordanblöcke in der darstellenden Matrix vertauschen. Man kann allerdings beweisen, dass die Jordan’sche Normalform bis auf Vertauschung der Jordanblöcke eindeutig ist. Mit anderen Worten, zwei Matrizen in Jordanform sind genau dann ähnlich, wenn sie bis auf die Reihenfolge aus denselben Jordanblöcken zusammengesetzt sind. Teilweise können wir das mit den bisherigen Überlegungen einsehen. Sind nämlich zwei Matrizen ähnlich, dann haben sie dasselbe charakteristische Polynom und damit dieselben Eigenwerte. Das sind die λ j auf der Diagonale in der Jordan’schen Normalform. Fixieren wir einen Eigenwert λ und bezeichnen wie eben die Größen der Jordanblöcke zum Eigenwert λ mit r1, . . ., r , dann müssen für ähnliche Jordanmatrizen , r1 + . . . + r und max{r1, . . . , r } übereinstimmen. Ähnliche Jordanmatrizen haben also zu jeden Eigenwert dieselbe Anzahl von Jordanblöcken, dieselbe Gesamtgröße und dieselbe Maximalgröße der Jordanblöcke. Für einen Beweis der vollen Eindeutigkeitsaussage siehe z.B. [2, Abschnitt 6.5], [12, Satz 16.12] oder [15, Abschnitt 6.7].

6.7. Aufgaben 6.1. Sei K ein Körper und x ein abstraktes Symbol. Zeigen Sie, dass (Kx, +, ·) ein kommutativer Ring mit Eins 1 = 1 · x 0 + 0 · x 1 + 0 · x 2 + 0 · x 3 + . . . ist.

6.7. Aufgaben

333

6.2. Sei K ein Körper und x ein abstraktes Symbol. a) Zeigen Sie, dass die Einheiten im Ring K[x] genau die Polynome vom Grad 0 sind. b) Gilt das auch im Ring Kx? 6.3. Sei A eine K-Algebra mit Eins, A ∈ A und x ein abstraktes Symbol. Zeigen Sie, dass der Auswertehomomorphimus K[x] → A, f → f˜(A), ein einserhaltender Algebrenhomomorphismus ist. 6.4. Sei A eine K-Algebra mit Eins und A ∈ A. Zeigen Sie, dass Ann(A) folgende beiden Eigenschaften hat: a) Ann(A) ist ein Untervektorraum von K[x]; b) Für alle p ∈ K[x] und a ∈ Ann(A) gilt p · a ∈ Ann(A). Eine Teilmenge von K[x] mit diesen beiden Eigenschaften nennt man ein Ideal. 6.5. Sei A eine K-Algebra mit Eins. Zeigen Sie: a) Ann(1) = {g · (x − 1) | g ∈ K[x]}; b) Ann(0) = {g · x | g ∈ K[x]}. 6.6. Sei A = K[x] die Algebra der Polynome und sei f ∈ A mit deg( f ) ≥ 1. Zeigen Sie: a) { f k | k ∈ N0 } = {1, f , f 2, f 3, . . .} ist linear unabhängig; b) Ann( f ) = {0}. 6.7. Wir fixieren reelle Zahlen x1 < x2 < · · · < xn . Zeigen Sie, dass es zu y1, . . . , yn ∈ R genau eine reelle Polynomfunktion f vom Grad höchstens n − 1 gibt mit f (x j ) = y j . Hinweis: Hier ist die Vandermonde-Determinante aus Aufgabe 4.15 nützlich. 6.8. Bestimmen Sie das charakteristische Polynom, die Eigenwerte und deren geometrische Vielfachheit sowie die Eigenräume der Matrix   1 1 A := ∈ Mat(2, K), 1 1 und zwar für a) K = R; b) K = F2 . 6.9. Bestimmen Sie eine Matrix A ∈ Mat(3, R), so dass A den Eigenwert 1 zum Eigenvektor (1, 2, 1) , den Eigenwert −1 zum Eigenvektor (1, 0, 1) und den Eigenwert 2 zum Eigenvektor (−1, 1, 0) hat.

334

6. Eigenwertprobleme

6.10. Sei K ein Körper, V ein n-dimensionaler K-Vektorraum, λ ∈ K und ϕ ∈ End(V). Sei B eine geordnete Basis von V und A = MB (ϕ) die darstellende Matrix von ϕ bzgl. B. Zeigen Sie: a) λ ist Eigenwert von ϕ genau dann, wenn λ Eigenwert von A ist. b) dim(Eig(ϕ, λ)) = dim(Eig(A, λ)), d.h. die geometrische Vielfachheit von λ als Eigenwert von ϕ ist dieselbe wie die als Eigenwert von A. c) ϕ und A haben dasselbe charakteristische Polynom. 6.11. Entscheiden Sie, welche der folgenden Matrizen über R diagonalisierbar sind. Geben Sie für die Matrizen jeweils Basen für die Eigenräume an. Geben Sie für die diagonalisierbaren Matrizen ferner eine Matrix T ∈ Gl(3, R) an, s.d. T · Ai · T −1 eine Diagonalmatrix ist. All das für 2 6 −1

a) A1 = −1 −2 1  ; 2 6 −1 3 0 0

b) A2 = 2 3 0 ; 1 2 3 cos( π7 ) 0 − sin( π7 )

π c) A3 = 0 0  . 7 π π sin( 7 ) 0 cos( 7 )  6.12. Bestimmen Sie für die Matrix 

1 2 A= −1 −1



alle Potenzen Ak mit k ∈ N. 6.13. Sei K ein Körper, n ∈ N und M ∈ Mat(n, K). Wir sagen, dass W ∈ Mat(n, K) eine Wurzel von M ist, falls W · W = M gilt. Zeigen Sie, dass jede diagonalisierbare Matrix M ∈ Mat(n, C) eine Wurzel hat. 6.14. Gegeben seien die beiden Matrizen 3 −3 2

A = 0 4 0 −1 3 0

und

0 0 −2

B = 0 2 0  . 1 0 3 

6.7. Aufgaben

335

Zeigen Sie, dass A und B simultan diagonalisierbar sind. Geben Sie eine gemeinsame Basis aus Eigenvektoren für A und B an und geben zu jedem Basisvektor außerdem den Eigenwert bzgl. A und bzgl. B an. 6.15. Sei V ein K-Vektorraum und seien W1, . . . , W k ⊂ V Untervektorräume. Beweisen Sie oder widerlegen Sie durch Gegenbeispiel folgende Behauptung: Gilt Wi ∩ W j = {0} für alle i  j, dann ist die Summe W1 + . . . + W k direkt, a) für k = 2; b) für k = 3. 6.16. a) Sei V ein endlichdimensionaler K-Vektorraum und W ⊂ V ein Untervektorraum. Zeigen Sie, dass ein Untervektorraum U ⊂ V existiert, so dass V = W ⊕ U gilt. b) Ist der Untervektorraum U in a) eindeutig bestimmt? (Beweis bzw. Gegenbeispiel) c) Sei nun V = Rn . Wir setzen W ⊥ := {v ∈ V | v, w = 0 für alle w ∈ W }. Zeigen Sie, dass W ⊥ ein Untervektorraum von V mit V = W ⊕ W ⊥ ist. 6.17. Sei V ein K-Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Seien W1, . . . , W k ⊂ V invariante Untervektorräume für ϕ. Zeigen Sie, dass dann auch W1 ∩ . . . ∩ W k und W1 + . . . + W k invariante Untervektorräume für ϕ sind. 6.18. Trigonalisieren Sie die Matrix −7 5 8

A = −5 4 5 −7 5 8 über dem Körper K = R. Bestimmen Sie dabei sowohl die resultierende obere Dreiecksmatrix als auch die Transformationsmatrix. 6.19. Zeigen Sie, dass die Matrix



1 1 A= 1 0



über dem Körper K = F2 nicht trigonalisierbar ist. 6.20. Wir betrachten die folgende Matrix:

2 0 A = 0 0 0

1 2 0 0 0

0 1 2 0 0

0 0 0 2 0

0 0  0 .  0 3

336

6. Eigenwertprobleme

a) Bestimmen Sie das charakteristische Polynom und das Minimalpolynom von A. b) Untersuchen Sie, ob A diagonalisierbar ist. 6.21. Sei K ein Körper, V ein endlichdimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈ AutK (V). Zeigen Sie: Es existiert ein Polynom p ∈ K[x] vom Grad ≤ dim(V) − 1, so dass gilt: ϕ−1 = p(ϕ). ˜ 6.22. Sei A ∈ Mat(n, K) eine nilpotente Matrix, d.h. es gibt ein k ∈ N, so dass Ak = 0n gilt. Zeigen Sie: a) 0 ist Eigenwert von A und A hat keine andere Eigenwerte. b) Das Minimalpolynom ist gegeben durch M A = x k0 , wobei k0 die kleinste natürliche Zahl ist, für die Ak0 = 0n gilt. 6.23. Wo liegt der Fehler in folgendem kurzen „Beweis“ des Satzes von Cayley-Hamilton: χ˜ A (A) = det(A − A · 1n ) = det(A − A) = det(0n ) = 0. 6.24. Benutzen Sie Bemerkung 6.102, um einen einfachen Beweis des Satzes von CayleyHamilton für diagonalisierbare Matrizen zu geben. 

 0 1 6.25. Sei A = und f = x 20 − 10 x 19 + 35 x 18 − 30 x 17 − 105 x 16 + 228 x 15 + 90 x 14 − 1 1 540 x 13 + 45 x 12 + 770 x 11 − 131 x 10 − 770 x 9 + 45 x 8 + 540 x 7 + 90 x 6 − 228 x 5 − 105 x 4 + 30 x 3 + 35 x 2 + 10 x + 2. Berechnen Sie f˜(A). Hinweis: Nicht stupide losrechnen! Der Satz von Cayley-Hamilton in Verbindung mit einer geeigneten Polynomdivision vereinfacht die Aufgabe stark. 6.26. Sei V ein 6-dimensionaler R-Vektorraum und ϕ ∈ AutK (V). Sei χϕ (x) = (x − 1)(x + 3)5

und

M χ (x) = (x − 1)(x + 3)3 .

Bestimmen Sie alle Jordan’schen Normalformen, die für ϕ möglich sind. 6.27. Seien A, B ∈ Mat(n, K). a) Beweisen Sie: Gilt AB = B A, so gilt für alle m ∈ N:   m  m m · A j · B m− j . (A + B) = j j=0 b) Benutzen Sie dies, um allgemeine Formeln für die Potenzen von Jordanblöcken herzuleiten. c) Zeigen Sie durch Gegenbeispiel, dass die Formel aus a) im Allgemeinen nicht gilt, falls AB  B A.

6.7. Aufgaben

337

6.28. a) Seien A, B ∈ Mat(3, C). Zeigen Sie, dass A und B genau dann ähnlich sind, wenn M A = MB und χA = χB gilt. b) Stimmt die Behauptung aus Teil a) auch für A, B ∈ Mat(4, C)? (Beweis bzw. Gegenbeispiel)

7. Bilineare Algebra Rettet die Kegelschnitte! (Hans-Georg Weigand)

Wir untersuchen jetzt bilineare Abbildungen. Diese haben, im Gegensatz zu linearen, nicht einen, sondern zwei Vektoren als Argument und sind in jedem einzeln linear. Von besonderer Bedeutung ist der Spezialfall, dass das Ergebnis nicht ein Vektor, sondern eine Zahl ist, also ein Element des zugrundeliegenden Körpers. Wir sprechen dann von einer Bilinearform. Symmetrische Bilinearformen sind geometrisch besonders wichtig. Wir klassifizieren mit ihrer Hilfe die Quadriken und die Kegelschnitte. Wir führen ein abstraktes Konzept von Skalarprodukt ein, was zu euklidischen bzw. unitären Vektorräumen führt. Dann kann man von selbstadjungierten, orthogonalen und unitären Endomorphismen sprechen. Die orthogonalen verallgemeinern die Drehungen und Spiegelungen, die uns schon aus dem zweidimensionalen Fall vertraut sind. Zum Schluss studieren wir noch die schiefsymmetrischen Bilinearformen und Endomorphismen.

7.1. Bilineare Abbildungen Beginnen wir gleich mit der zentralen Definition: Definition 7.1. Seien V, W und Z Vektorräume über dem Körper K. Eine Abbildung β : V × W → Z heißt bilinear, wenn für alle α, α ∈ K, alle v, v  ∈ V und alle w, w ∈ W gilt: β(α · v + α · v , w) = α · β(v, w) + α · β(v , w), β(v, α · w + α · w) = α · β(v, w) + α · β(v, w). Im Fall Z = K spricht man dann auch von einer Bilinearform.

Eine bilineare Abbildung bildet also je zwei Vektoren auf einen Vektor ab (bzw. auf eine Zahl im Falle einer Bilinearform) und zwar so, dass wenn man einen Vektor festhält, die Abbildung als Funktion des anderen Vektors linear ist. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 C. Bär, Lineare Algebra und analytische Geometrie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22620-6_7

340

7. Bilineare Algebra

Beispiel 7.2. Sei K = R und V = W = Z = R3 . Dann ist das Vektorprodukt β(v, w) = v × w eine bilineare Abbildung. Beispiel 7.3. Sei K = R und V = Rn . Dann ist das euklidische Skalarprodukt eine Bilinearform: β(v, w) = v, w = v1 w1 + . . . + vn wn . Beispiel 7.4. Sei K beliebig und V = K 2 . Wir wissen, dass die Determinante von n×n-Matrizen linear in jedem Spaltenvektor ist. Also ist β(v, w) = det(v, w) eine Bilinearform. Beispiel 7.5. K = R und sei V = C 0 ([a, b], R) der Vektorraum der stetigen Funktionen auf dem Intervall [a, b]. Dann ist durch ∫b β( f , g) =

f (t)g(t)dt a

eine Bilinearform auf V definiert. Wir rechnen die Linearität im ersten Argument nach: ∫b β(α1 · f1 + α2 · f2, g) =

(α1 · f1 + α2 · f2 )(t) · g(t) dt a

∫b =

(α1 · f1 (t) · g(t) + α2 · f2 (t) · g(t)) dt a

∫b = α1 ·

∫b f1 (t) · g(t) dt + α2 ·

a

f2 (t) · g(t) dt a

= α1 · β( f1, g) + α2 · β( f2, g). Die Linearität im zweiten Argument kann man genauso verifizieren; sie folgt jetzt aber auch aus β( f , g) = β(g, f ). Bemerkung 7.6. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und B = (b1, . . . , bn ) eine geordnete Basis von V. Jede Bilinearform β : V × V → K ist durch ihre Werte auf den Basisvektoren eindeutig bestimmt. Um das zu sehen, setzen wir βi j := β(bi, b j ).

7.1. Bilineare Abbildungen

341

Beliebige Vektoren v, w ∈ V schreiben wir als Linearkombinationen dieser Basisvektoren, v=

n 

vi · bi

und

w=

i=1

n 

wj · bj ,

j=1

mit vi, wi ∈ K und erhalten β(v, w) = β = = =

n 

n 

vi · bi,

i=1

i=1 n 

 vi · β bi, vi ·

i=1 n 

n 

n  j=1 n 

wj · bj wj · bj

j=1

w j · β(bi, b j )

j=1

vi · w j · βi j .

i, j=1

Sind umgekehrt eine geordnete Basis B von V und Zahlen βi j ∈ K vorgegeben, dann definiert β(v, w) :=

n 

vi w j βi j

i, j=1

eine Bilinearform auf V. Definition 7.7. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum, B = (b1, . . ., bn ) eine geordnete Basis von V, und β : V × V → K eine Bilinearform. Dann heißt die Matrix MB (β) := (βi j )i, j=1,...,n = (β(bi, b j ))i, j=1,...,n ∈ Mat(n, K) darstellende Matrix von β bzgl. B. Ähnlich, wie wir lineare Abbildungen nach Basiswahl durch Matrizen darstellen können, können wir das also auch für Bilinearformen tun. Sehen wir uns dazu unsere Beispiele an: Beispiel 7.8. Wie in Beispiel 7.3 betrachten wir das euklidische Skalarprodukt und stellen es bzgl. der Standardbasis B = (e1, . . ., en ) durch eine Matrix dar. Nun gilt  1, falls i = j, β(ei, e j ) = ei, e j  = 0, sonst. Also ist die darstellende Matrix in diesem Fall die Einheitsmatrix, MB (β) = 1n .

342

7. Bilineare Algebra

Beispiel 7.9. Stellen wir nun die durch die Determinante gegebene Bilinearform aus Beispiel 7.4 bzgl. der Standardbasis B = (e1, e2 ) von K 2 durch eine Matrix dar. Es gilt: det(e1, e1 ) = det(e2, e2 ) = 0, det(e1, e2 ) = det(12 ) = 1, und det(e2, e1 ) = − det(e1, e2 ) = −1. Also ist die darstellende Matrix gegeben durch 

 0 1 MB (det) = . −1 0 Beispiel 7.10. Der Vektorraum C 0 ([a, b], R) aus Beispiel 7.5 ist unendlich-dimensional. Daher kann die durch das Integral definierte Bilinearform nicht durch eine Matrix dargestellt werden.1 Wir schränken daher die Bilinearform auf den 4-dimensionalen Untervektorraum V = R3 [x] ⊂ C 0 ([0, 1], R) ein, der als Elemente alle Polynomfunktionen vom Grad ≤ 3 enthält. Der Einfachheit halber betrachten wir nur den Fall a = 0 und b = 1. Eine geordnete Basis ist durch B = ( f0, f1, f2, f3 ) gegeben, wobei fk (x) = x k . Wir berechnen: ∫1 β( fi, f j ) =

∫1 x · x dx = i

0

j

x

i+ j

0

1 x i+ j+1  1 . dx = = i + j + 1  x=0 i + j + 1

Somit ist die darstellende Matrix

1 1 MB (β) = 21 3 1 4

1 2 1 3 1 4 1 5

1 3 1 4 1 5 1 6

1 4 1 5 . 1  6 1 7

Ähnlich wie die darstellende Matrix einer linearen Abbildung hängt auch die darstellende Matrix einer Bilinearform von der Wahl der Basis ab. Allerdings transformiert sich die Matrix bei Basiswechsel bei Bilinearformen anders als bei linearen Abbildungen. Um das zu sehen seien B = (b1, . . ., bn ) und B = (b1, . . . , bn ) zwei geordnete Basen des K-Vektorraums V. Die Transformationsmatrix, die den Basiswechsel beschreibt, ist gegeben durch

c11 . . . c1n . .  TBB = .. . . . ..  ,  c . . . c n1 nn  n  wobei bi = cki bk , vgl. Bemerkung 4.36. Wir berechnen k=1

1Es sei denn, man würde unendlich große Matrizen erlauben.

7.1. Bilineare Abbildungen

343

βi j = β(bi, b j ) n n   cki · bk , cl j · bl =β k=1

= =

n 

k,l=1 n 

l=1

cki · cl j · β(bk , bl ) cki · βkl · cl j .

k,l=1

Also ist

MB (β) = (TBB ) · MB (β) · TBB .

Wir halten fest: Proposition 7.11 (Transformationsformel für Bilinearformen). Ist β : V × V → K eine Bilinearform und sind B und B geordnete Basen des endlich-dimensionalen K-Vektorraums V, so gilt MB (β) = (TBB ) · MB (β) · TBB . 

Proposition 4.37 sagt uns, dass die Transformation der darstellenden Matrix eines Endomorphismus ϕ gegeben ist durch: MB (ϕ) = TBB · MB (ϕ) · (TBB )−1, d.h., wenn wir nach MB (ϕ) auflösen, durch MB (ϕ) = (TBB )−1 · MB (ϕ) · TBB . Bei Bilinearformen tritt statt der Inversen der Transformationsmatrix ihre Transponierte auf. Bemerkung 7.12. Im Fall V = K n kann man jede Bilinearform mittels ihrer darstellenden Matrix bzgl. der Standardbasis B = (e1, . . ., en ) besonders leicht ausdrücken: n  β(v, w) = vi · w j · β(ei, e j ) = v  · MB (β) · w. i, j=1

Definition 7.13. Eine bilineare Abbildung β : V × V → Z heißt symmetrisch, falls β(v, w) = β(w, v) für alle v, w ∈ V gilt. Dagegen heißt β schiefsymmmetrisch, falls für alle v, w ∈ V gilt: β(v, w) = −β(w, v).

344

7. Bilineare Algebra

Die Bilinearformen in Beispiel 7.3 und 7.5 sind symmetrisch, die bilinearen Abbildungen in Beispiel 7.2 und 7.4 sind hingegen schiefsymmetrisch. Definition 7.14. Eine Matrix A ∈ Mat(n, K) heißt symmetrisch, falls A = A, und schiefsymmetrisch, falls A = −A.

Lemma 7.15. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und β : V × V → K eine Bilinearform. Dann sind äquivalent: (1) Die Bilinearform β ist symmetrisch. (2) Es gibt eine geordnete Basis B von V bzgl. derer die darstellende Matrix MB (β) von β symmetrisch ist. (3) Für alle geordneten Basen B von V ist die darstellende Matrix MB (β) von β symmetrisch.

Beweis. Die Implikationen „(3)⇒(2)“ und „(1)⇒(3)“ sind trivial. Die fehlende Implikation „(2)⇒(1)“ ist allerdings auch nicht schwer. Sei nämlich B = (b1, . . ., bn ) eine geordnete Basis von V bzgl. derer MB (β) symmetrisch ist, d.h. β(bi, b j ) = β(b j , bi ) für alle i, j = 1, . . . , n. Seien n n   v, w ∈ V. Wir schreiben v = vi · bi und w = w j · b j . Nun gilt: i=1

j=1

β(v, w) = β

n 

vi · bi,

i=1

= = =

n 

i, j=1 n  i, j=1 n 

n 

vi · w j · β(bi, b j ) vi · w j · β(b j , bi ) w j · vi · β(b j , bi )

i, j=1



wj · bj

j=1

n 

w j · b j,

i=1

n 

vi · bi

j=1

= β(w, v). Damit ist gezeigt, dass β symmetrisch ist.



Die entsprechende Aussage für schiefsymmetrische Bilinearformen bzw. Matrizen zeigt man ganz genauso.

7.1. Bilineare Abbildungen

345

Lemma 7.16. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und β : V × V → K eine Bilinearform. Dann sind äquivalent: (1) Die Bilinearform β ist schiefsymmetrisch. (2) Es gibt eine geordnete Basis B von V bzgl. derer die darstellende Matrix MB (β) von β schiefsymmetrisch ist. (3) Für alle geordneten Basen B von V ist die darstellende Matrix MB (β) von β schiefsymmetrisch. 

Zumindest für die allermeisten Körper genügt es, symmetrische und schiefsymmetrische Bilinearformen zu verstehen, denn es gilt: Lemma 7.17. Sei K ein Körper, in dem 1 + 1  0 gilt, und V ein K-Vektorraum. Dann gibt es zu jeder Bilinearform β : V × V → K eine eindeutige symmetrische Bilinearform βs : V × V → K und eine eindeutige schiefsymmetrische Bilinearform βa : V × V → K, so dass β = β s + βa . Beweis. a) Existenz: Da 2 = 1 + 1  0 vorausgesetzt ist, können wir durch 2 dividieren und setzen: βs (v, w) := 12 β(v, w) + 12 β(w, v), βa (v, w) := 21 β(v, w) − 12 β(w, v). Dann ist βs offensichtlich symmetrisch und βa schiefsymmetrisch und es gilt βs + βa = β. b) Eindeutigkeit: Nehmen wir an, wir haben eine Zerlegungen von β in einen symmetrischen und einen schiefsymmetrischen Anteil, β = β s + βa . Dann gilt für alle v, w ∈ V: βs (v, w) = 12 βs (v, w) + 12 βs (w, v) = 12 β(v, w) − 12 βa (v, w) + 12 β(w, v) − 12 βa (w, v) = 12 β(v, w) − 12 βa (v, w) + 12 β(w, v) + 12 βa (v, w) = 12 β(v, w) + 12 β(w, v). Der symmetrische Anteil muss daher die Form βs (v, w) = 12 β(v, w)+ 12 β(w, v) haben, was seine Eindeutigkeit zeigt. Genauso sieht man, dass der schiefsymmetrische Anteil durch βa (v, w) = 1 1  2 β(v, w) − 2 β(w, v) gegeben sein muss.

346

7. Bilineare Algebra

In einem Körper K, in dem 1 + 1 = 0 gilt, wie z.B. K = F2 , ist Lemma 7.17 falsch. Wegen 1 = −1 sind dann symmetrische und schiefsymmetrische Bilinearformen dasselbe! Jede nichtsymmetrische Matrix M ∈ Mat(n, F2 ) führt mittels β(v, w) = v  · M · w auf eine Bilinearform β auf V = Fn2 , die keine Zerlegung wie in Lemma 7.17 zulässt. Wir werden uns von nun an auf symmetrische Bilinearformen konzentrieren. Definition 7.18. Sei β : V × V → K eine symmetrische Bilinearform. Dann heißt die Abbildung q β : V → K, q β (v) = β(v, v), die quadratische Form zu β. Beispiel 7.19. Die quadratische Form zum euklidischen Skalarprodukt auf V = Rn ist gegeben durch q(v) = v12 + . . . + vn2 = v 2 . Aus der quadratischen Form können wir die Bilinearform zurückgewinnen: Proposition 7.20 (Polarisierung). Sei K ein Körper, in dem 1 + 1  0 gilt. Dann gilt für jede symmetrische Bilinearform β auf einem K-Vektorraum V und alle v, w ∈ V :   β(v, w) = 12 q β (v + w) − q β (v) − q β (w) . Insbesondere bestimmen sich β und q β gegenseitig. Beweis. Wir rechnen die Formel einfach nach: q β (v + w) − q β (v) − q β (w) = β(v + w, v + w) − β(v, v) − β(w, w) = β(v, v) + β(v, w) + β(w, v) + β(w, w) − β(v, v) − β(w, w) = β(v, w) + β(w, v) = 2β(v, w) Die letzte Umformung hat benutzt, dass β symmetrsich ist. Da 2  0 ist, können wir durch 2 dividieren und erhalten die Aussage.  Beispiel 7.21. Im Fall K = F2 haben wir erwartungsgemäß auch bei der Polarisierung Probleme. Sei etwa V = F22 . Wir betrachten die symmetrische Bilinearform β : V × V → K,

β(v, w) = v1 · w2 + v2 · w1 .

Die Bilinearform β ist nicht identisch 0, denn β(e1, e2 ) = 1  0. Für die zugehörige quadratische Form erhalten wir dagegen

7.1. Bilineare Abbildungen

347

q β (v) = β(v, v) = v1 v2 + v2 v1 = 2v1 v2 = 0 für alle v ∈ V . Satz 7.22 (Normalform für symmetrische Bilinearformen). Sei K ein Körper, in dem 1 + 1  0 gilt. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und β eine symmetrische Bilinearform auf V. Dann existiert eine geordnete Basis B = (b1, . . ., bn ) von V, so dass die darstellende Matrix MB (β) von β eine Diagonalmatrix ist. In anderen Worten, es gilt β(bi, b j ) = 0 für alle i  j. Beweis. Wir zeigen die Aussage durch vollständige Induktion nach der Dimension n = dim(V ) von V. Induktionsanfang: Für n = 1 ist nichts zu zeigen. Induktionsschritt: Sei n ≥ 2. Wir haben zwei Fälle zu unterscheiden. 1. Fall: q β (v) = 0 für alle v ∈ V. Dann ist nach Proposition 7.20 die Bilinearform β identisch 0 und somit die darstellende Matrix MB (β) = 0n bzgl. jeder Basis. In diesem Fall ist die Aussage somit klar. 2. Fall: Es gibt ein b1 ∈ V mit q β (b1 )  0. Wir betrachten die lineare Abbildung ϕ : V → K gegeben durch ϕ(v) = β(b1, v). Wegen ϕ(b1 ) = β(b1, b1 ) = q β (b1 )  0 ist ϕ nicht der Nullhomomorphismus. Also ist rg(ϕ) ≥ 1. Da dim(K) = 1 ist, gilt aber auch rg(ϕ) ≤ 1. Also ist rg(ϕ) = 1. Aus der Dimensionsformel (Satz 4.19) folgt dim(ker(ϕ)) = dim V − rg(ϕ) = n − 1. Nach Induktionsannahme gibt es eine geordnete Basis (b2, . . ., bn ) von ker(ϕ), so dass β(bi, b j ) = 0 für alle i, j = 2, . . . n mit i  j. Wegen b1  ker(ϕ) ist B := (b1, b2, . . ., bn ) eine geordnete Basis von V. Für alle j = 2, . . . , n gilt β(b1, b j ) = ϕ(b j ) = 0. Damit hat B die geforderten Eigenschaften.



Definition 7.23. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und β : V × V → K eine symmetrische Bilinearform. Eine geordnete Basis B von V bzgl. derer die darstellende Matrix von β eine Diagonalmatrix ist, heißt eine diagonalisierende Basis oder, im Fall, dass β das euklidische Skalarprodukt ist, eine Orthogonalbasis.

Konkret kann man eine diagonalisierende Basis wie folgt finden:

348

7. Bilineare Algebra

1. Schritt: Wähle b1 ∈ V mit β(b1, b1 )  0. (Falls das nicht möglich ist, so ist β = 0. Dann tut es jede Basis.) 2. Schritt: Berechne U1 := ker(ϕ1 ), wobei ϕ1 : V → K mit ϕ1 (v) = β(b1, v). 3. Schritt: Wähle b2 ∈ U1 mit β(b2, b2 )  0. (Falls das nicht möglich ist, so ist β|U1 ×U1 = 0. Dann tut es jede Basis von U1 , ergänzt durch b1 zu einer Basis von V.) 4. Schritt: Berechne U2 := ker(ϕ2 ), wobei ϕ2 : U1 → K mit ϕ2 (v) = β(b2, v). 5. Schritt: Wähle b3 ∈ U2 mit β(b3, b3 )  0. (Falls das nicht möglich ist, so ist β|U2 ×U2 = 0. Dann tut es jede Basis von U2 , ergänzt durch b1, b2 zu einer Basis von V.) . . . usw. Beispiel 7.24. Betrachten wir K = Q, V = Q3 und die Bilinearform gegeben durch 2 2 0

β(v, w) = v · 2 1 0 · w. 0 0 0 

1

Schritt 1: Wir setzen b1 := e1 = 0. In der Tat gilt dann β(b1, b1 ) = 2  0. 0 Schritt 2: Wir berechnen v 2 2 0 

1 ϕ1 (v) = β(b1, v) = 1 0 0 · 2 1 0 · v2  = 2v1 + 2v2 . 0 0 0 v3  Also ist U1 = ker(ϕ1 ) = {v ∈ Q3 | v1 = −v2 }. 1

Schritt 3: Wir setzen b2 := −1 ∈ U1 . In der Tat gilt dann β(b2, b2 ) = −1  0. 0 Schritt 4: Wir berechnen v 2 2 0

1  ϕ2 (v) = β(b2, v) = 1 −1 0 · 2 1 0 · v2  = v2 . 0 0 0 v3  

Also ist U2 = ker(ϕ2 ) = {v ∈ U1 | v2 = 0} = {v ∈ Q3 | v1 = v2 = 0} = Q · e3 .

7.1. Bilineare Abbildungen

349

Schritt 5: Nun ist β identisch 0 auf U2 × U2 . Wir ergänzen die Basis durch b3 := e3 und sind fertig. 0 1 1



  Die Basis B = (b1, b2, b3 ) = 0 , −1 , 0 diagonalisiert β. Es gilt: 0 0  1 2 0 0

MB (β) = 0 −1 0 . 0 0 0 Spaßeshalber überprüfen wir die Transformationsformel in diesem Beispiel. Die Bilinearform β war uns ja gegeben durch ihre darstellende Matrix bzgl. der Standardbasis B = (e1, e2, e3 ): 2 2 0

M (β) = 2 1 0 . 0 0 0 B

Die Transformationsmatrix TBB enthält als Spaltenvektoren gerade die Vektoren der Basis B, also 1 1 0

B TB = 0 −1 0 . 0 0 1 Nun gilt in der Tat: (TBB )

· MB (β)

· TBB

2 2 1 0 0



 = 1 −1 0 · 2 1 0 0 1 0 0 2 0 1 0 0



 = 1 −1 0 · 2 1 0 0 1 0 0 2 0 0

= 0 −1 0 0 0 0

1 1 0 0



 0 · 0 −1 0 0 0 0 1 0

0 0

= MB (β). Aufgabe 7.6 zeigt, dass die Bedingung 1+1  0 an den Körper K in Satz 7.22 nicht weggelassen werden kann. Bemerkung 7.25. Zurück zum Fall 1 + 1  0. Hier gibt es im Allgemeinen viele diagonalisierende Basen zu einer symmetrischen Bilinearform β. Die Diagonalmatrix ist durch β nicht festgelegt, auch nicht nur bis auf Reihenfolge der Diagonaleinträge.

350

7. Bilineare Algebra

Allerdings gilt wegen der Transformationsformel MB (β) = (TBB ) · MB (β) · TBB , dass rg(MB (β)) = rg(MB (β)). Sind insbesondere B und B beides diagonalisierende Basen, so haben MB (β) und MB (β) gleich viele Nullen auf der Diagonale. Definition 7.26. Zu einer symmetrischen Bilinearform β : V × V → K heißt N(β) := {v ∈ V | β(v, w) = 0 ∀w ∈ V } der Nullraum von β. Beispiele werden wir uns gleich noch ansehen. Vorher folgende Beobachtung: Lemma 7.27. Der Nullraum einer symmetrischen Bilinearform β : V × V → K ist ein Untervektorraum von V. Beweis. a) Wegen β(0, w) = 0 für alle w ∈ V ist 0 ∈ N(β). b) Seien α, α ∈ K und v, v  ∈ N(β). Dann gilt für alle w ∈ V: β(α · v + α · v , w) = α · β(v, w) +α β(v , w) = 0. ()*+ ()*+ =0

=0

Also ist auch α · v + α · v  ∈ N(β).



Lemma 7.28. Sei B = (b1, . . . , bn ) eine diagonalisierende Basis für die symmetrische Bilinearform β. Dann wird der Nullraum N(β) aufgespannt durch die Basisvektoren aus B mit β(bi, bi ) = 0. Beweis. a) Sei β(bi, bi ) = 0. Dann gilt für jedes w ∈ V, w =

n  j=1

wj bj:

n n    wj bj = w j β(bi, b j ) = 0. β(bi, w) = β bi, j=1

j=1

Also ist bi ∈ N(β). Da N(β) ein Untervektorraum ist, ist dann auch die lineare Hülle der Basisvektoren bi mit β(bi, bi ) = 0 in N(β) enthalten.

7.1. Bilineare Abbildungen

351

b) Sei umgekehrt v ∈ N(β), v = 0 = β(v, b k ) = β

n  i=1

vi bi . Ist nun β(b k , b k )  0, dann ist

n 

vi bi, b k =

i=1

n  i=1

vi β(bi, b k ) = vk β(b k , b k ). ()*+ =0 für ik

Wegen β(b k , b k )  0 folgt vk = 0. Also liegt v in der linearen Hülle der Basisvektoren aus B mit β(bi, bi ) = 0.  Insbesondere ist die Dimension des Nullraums N(β) genau die Anzahl der Basisvektoren aus B mit β(bi, bi ) = 0, d.h. genau die Anzahl der Nullen auf der Diagonalen der darstellenden Diagonalmatrix MB (β). Gemäß der Dimensionsformel können wir das auch ausdrücken durch dim(N(β)) = dim(V) − rg(MB (β)).

(7.1)

Formel (7.1) ist auch richtig, wenn B nicht diagonalisierende Basis ist, da der Rang der darstellenden Matrix MB (β) für alle Basen derselbe ist. Definition 7.29. Eine symmetrische Bilinearform heißt ausgeartet (oder auch degeneriert oder entartet), falls N(β)  {0}. Entsprechend Gleichung (7.1) ist β genau dann ausgeartet, wenn dim(V) > rg(MB (β)). In anderen Worten: β ist genau dann nicht ausgeartet, wenn die darstellende Matrix bzgl. einer (und damit bzgl. aller) geordneten Basis invertierbar ist. Beispiel 7.30. Das euklidische Skalarprodukt auf V = Rn hat bzgl. der Standardbasis die Einheitsmatrix als darstellende Matrix. Also ist dim(N(β)) = n − n = 0. Das euklidische Skalarprodukt ist daher nicht ausgeartet. Der Nullraum besteht in diesem Fall ja auch genau aus den Vektoren, die auf allen Vektoren senkrecht stehen. Das tut nur der Nullvektor. Beispiel 7.31. In Beispiel 7.10 haben wir den Vektorraum der Polynomfunktionen vom Grad ≤ 3 auf dem Einheitsintervall [0, 1] zusammen mit einer durch ein Integral definierten symmetrischen Bilinearform betrachtet. Wegen

1 1 det 21 3 1 4

1 2 1 3 1 4 1 5

1 3 1 4 1 5 1 6

1 4 1 5 1  6 1 7

=

1 0 6.048.000

ist die darstellende Matrix invertierbar und die Bilinearform somit nicht ausgeartet.

352

7. Bilineare Algebra

Beispiel 7.32. In Beispiel 7.24 haben wir die diagonalisierende Basis B = (b1, b2, b3 ) = 0 1 1



0 , −1 , 0 gefunden. Wir hatten auch gesehen, dass β(b1, b1 )  0, β(b2, b2 )  0 und    0 0  1 β(b3, b3 ) = 0. Also wird der Nullraum durch b3 = e3 aufgespannt, N(β) = Q · e3 . Bemerkung 7.33. Ist B = (b1, . . . , bn ) eine diagonalisierende Basis für β auf V, d.h. 0

α1  . . MB (β) = , .  0 α n  so ist β genau dann nicht ausgeartet, wenn alle α j  0 sind. Allgemein können wir definieren W := L({b j | α j  0}). Da N(β) von den anderen Basisvektoren aufgespannt wird, gilt nun V = W ⊕ N(β). Schränken wir β auf den Untervektorraum W ein, so erhalten wir eine nicht ausgeartete Bilinearform, da die darstellende Matrix von β|W×W : W × W → K die Diagonalmatrix ist, auf der nur die Diagonaleinträge α j  0 vorkommen. Fazit: Wir können für eine beliebige symmetrische Bilinearform β den zugrundeliegenden endlich-dimensionalen Vektorraum V in eine Summe V = W ⊕ N(β) zerlegen, so dass die Einschränkung von β auf W nicht ausgeartet ist. Satz 7.34 (Sylvester). Sei V ein endlich-dimensionaler R-Vektorraum und β : V × V → R eine symmetrische Bilinearform. Dann existiert eine geordnete Basis B von V, so dass

1

 ..  .   1   ()*+   r+    −1   . ..  . MB (β) =  −1   ()*+   r−   0   ..  .    0  ()*+  r0  Dabei sind r+, r− und r0 durch β eindeutig bestimmt.

7.1. Bilineare Abbildungen

353

Beweis. a) Sei B = (b1, . . ., bn ) eine diagonalisierende Basis für β von V, d.h. 0

α1  . . M (β) = . .  0 α n  Durch Umsortieren der Basisvektoren können wir erreichen, dass zunächst die positiven Diagonaleinträge kommen, dann die negativen und schließlich die Nullen, d.h. α1, . . . , αr+ > 0, αr+ +1, . . . , αr+ +r− < 0 und αr+ +r− +1 = . . . = αn = 0. Wir setzen B

⎧ ⎪ √1 · b für 1 ≤ j ≤ r+, ⎪ ⎪ ⎨ α1j j ⎪  b j := √−α j · b j für r+ + 1 ≤ j ≤ r+ + r−, ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ bj für r+r− + 1 ≤ j ≤ n. ⎩ Damit erhalten wir eine neue geordnete Basis B = (b1, . . ., bn ) von V. Für i  j folgt aus β(bi, bj ) = 0 sofort, dass β(bi, b j ) = 0. Außerdem ist ⎧ 1 ⎪ β(bj , bj ) für 1 ≤ j ≤ r+, ⎪ ⎪ ⎨ αj ⎪   für r+ + 1 ≤ j ≤ r+ + r−, β(b j , b j ) = −1 α j β(b j , b j ) ⎪ ⎪ ⎪   ⎪ β(b j , b j ) für r+r− + 1 ≤ j ≤ n, ⎩ ⎧ ⎪ 1 für 1 ≤ j ≤ r+, ⎪ ⎨ ⎪ = −1 für r+ + 1 ≤ j ≤ r+ + r−, ⎪ ⎪ ⎪0 für r+r− + 1 ≤ j ≤ n. ⎩ Damit haben wir die gewünschte Matrixdarstellung erreicht. b) Nun könnte es noch sein, dass es verschiedene Basen wie im Beweisteil a) gibt, die zu darstellenden Diagonalmatrizen mit unterschiedlichen Werten für r+ , r− und r0 führen. Daher müssen wir diese drei Zahlen noch allein durch β, ohne Bezugnahme auf eine Basis charakterisieren. Wir wissen bereits, dass r0 = dim(N(β)). Also ist r0 durch β allein festgelegt. Bleibt zu zeigen, dass r+ durch β festgelegt ist, denn dann ist es auch r− = dim(V) − r+ − r0 . c) Zwischenbehauptung:   r+ = max dim(W) | W ⊂ V Untervektorraum, so dass q β (v) > 0 ∀v ∈ W \ {0} . Beweis  der Zwischenbehauptung: Wir geben dem fraglichen Maximum einen Namen, m := max dim(W) | W ⊂ V Untervektorraum, so dass q β (v) > 0 ∀v ∈ W \ {0} . r+  vj bj ∈ c1) Wir zeigen zunächst m ≥ r+ . Dazu setzen wir W0 := L(b1, . . ., br+ ). Für v = j=1

W0 \ {0} gilt nun q β (v) = β(v, v) = β

r+  j=1

v j b j,

r+  k=1

vk bk =

r+ 

v j vk β(b j , b k ) = ()*+ j,k=1 9

=

0, j  k 1, j = k

r+  j=1

v 2j > 0.

354

7. Bilineare Algebra

Also ist m ≥ dim(W0 ) = r+ . c2) Bleibt noch zu zeigen, dass m ≤ r+ . Sei W ⊂ V ein Untervektorraum mit dim(W) > r+ . Wir haben zu zeigen, dass ein v ∈ W \ {0} existiert mit q β (v) ≤ 0. Wegen dim(W) + dim(L(br+ +1, . . ., bn )) > r+ + r− + r0 = dim(V) muss dim(W ∩ L(br+ +1, . . ., bn )) ≥ 1 sein. Also gibt es ein v ∈ W ∩ L(br+ +1, . . . , bn ) mit v  0. n n   Wir schreiben v = v j b j . Dann sehen wir q β (v) = v 2j β(b j , b j ) ≤ 0. j=r+ +1 j=r+ +1 ()*+ Die Zwischenbehauptung und damit auch der Satz sind bewiesen.

≤0



Bemerkung 7.35. Analog wie im Beweis kann man auch r− charakterisieren. Es gilt:   r− = max dim(W) | W ⊂ V Untervektorraum, so dass q β (v) < 0 ∀v ∈ W \ {0} . Korollar 7.36. Sei A ∈ Mat(n, R) symmetrisch. Dann gibt es eine invertierbare Matrix T ∈ GL(n, R), so dass T  · A · T eine Diagonalmatrix ist, deren Diagonaleinträge nur die Werte 1, −1 und 0 annimmt. Beweis. Die Matrix A ist darstellende Matrix einer symmetrischen Bilinearform auf Rn bzgl. der Standardbasis von Rn . Nach Satz 7.34 gibt es eine Basis von Rn bzgl. derer die darstellende Matrix die gewünschte Diagonalform hat. Ist nun T die Transformationsmatrix für diese beiden Basen, dann folgt die Behauptung aus Proposition 7.11. 

Definition 7.37. Sei V ein reeller Vektorraum. Eine symmetrische Bilinearform β : V × V → R heißt ◦ positiv definit, falls q β > 0 ist auf V \ {0}, ◦ negativ definit, falls q β < 0 ist auf V \ {0}, ◦ indefinit, falls es v1, v2 ∈ V gibt mit q β (v1 ) > 0 und q β (v2 ) < 0, ◦ positiv semidefinit, falls q β ≥ 0 ist auf V und ◦ negativ semidefinit, falls q β ≤ 0 ist auf V.

Bemerkung 7.38. Sei V ein endlich-dimensionaler reeller Vektorraum und β eine symmetrische Bilinearform auf V. Wählen wir eine Basis B = (b1, . . ., bn ) wie in Satz 7.34. Wenn  wir die Vektoren v ∈ V in dieser Basis ausdrücken, v = nj=1 v j b j , dann erhalten wir für die zugehörige quadratische Form q β (v) = v12 + . . . + vr2+ − vr2+ +1 − . . . − vr2+ +r− .

7.1. Bilineare Abbildungen

355

Daher können wir die Bedingungen an β aus obiger Definition folgendermaßen an den Größen r+ , r− und r0 ablesen: ausgeartet positiv definit negativ definit indefinit positiv semidefinit negativ semidefinit

r0 > 0 r− = r0 = 0 r+ = r0 = 0 r+ > 0 und r− > 0 r− = 0 r+ = 0

Tab. 26 Typen symmetrischer Bilinearformen

Beispiel 7.39. Für das euklidische Skalarprodukt auf Rn ist r+ = n und r− = r0 = 0. Es ist daher positiv definit. Das bedeutet ja nichts anderes als die Tatsache, dass die Norm (oder genauer, ihr Quadrat) eines Vektors v  0 stets positiv ist. Beispiel 7.40. Das Minkowski-Produkt auf dem Rn ist definiert durch v, w := v1 w1 + . . . + vn−1 wn−1 − vn wn . Es wird uns noch im Zusammenhang mit der Geometrie von Kegelschnitten von Nutzen sein. Es spielt aber auch eine zentrale Rolle in Einsteins spezieller Relativitätstheorie. Wir lesen sofort ab, dass r+ = n − 1, r− = 1 und r0 = 0. Also ist das Minkowski-Produkt indefinit und nicht ausgeartet. Die Berechnung von Skalar- und Minkowskiprodukten können Sie hier üben. Achtung: in der Übung wird eine andere Konvention verwendet. Dort befindet sich das Minuszeichen vor der ersten Komponente, nicht vor der letzten. http://ueben.cbaer.eu/12.html Zum Schluss dieses Abschnitts ein Kriterium, wie man einer symmetrischen Bilinearform mittels Determinanten ansehen kann, ob sie positiv definit ist. Unter den Hauptminoren einer quadratischen Matrix A versteht man dabei die Determinanten der quadratischen Teilmatrizen von A, die „links oben“ in A sitzen. Genauer, ist

a11 . . . a1n . .  A = .. . . . ..  ,  a . . . a n1 nn  dann sind die Hauptminoren die Determinanten der Matrizen

a11 . . . a1 j . .  A j := .. . . . ..  ,  a . . . a j1 j j  mit j = 1, . . ., n.

356

7. Bilineare Algebra

Beispiel 7.41. Die Matrix 1 2 3

A = 4 5 6 7 8 9 hat die Hauptminoren 

det(1) = 1,

 1 2 det = −3 4 5

und

1 2 3

det 4 5 6 = 0. 7 8 9

Satz 7.42 (Hauptminorenkriterium für Definitheit). Sei V ein endlich-dimensionaler reeller Vektorraum und B = (b1, . . . , bn ) eine geordnete Basis von V . Sei β : V × V → R eine symmetrische Bilinearform. Sei A = MB (β) die darstellende Matrix von β bzgl. B. Dann sind äquivalent: (1) Die Bilinearform β ist positiv definit. (2) Die Hauptminoren von A sind alle positiv.

Natürlich kann man mit diesem Kriterium auch auf negative Definitheit testen, indem man es auf −β anwendet. In anderen Worten, β ist negativ definit genau dann, wenn alle Hauptminoren von −A positiv sind. Vorsicht: Das ist nicht dasselbe wie zu verlangen, dass die Hauptminoren von A negativ sind! Beweis von Satz 7.42. Zu „(1)⇒(2)“: Sei β positiv definit. Nach dem Satz 7.34 von Sylvester können wir eine Basis B von V finden, so dass MB (β) = 1n gilt. Ist T = TBB ∈ GL(n, R) die Transformationsmatrix für die Basen B und B, dann gilt wegen Proposition 7.11 A = MB (β) = T  · MB (β) · T = T  · 1n · T = T  · T und daher det(A) = det(T  · T) = det(T  ) det(T) = det(T)2 > 0. Die darstellende Matrix A selbst hat also schon mal positive Determinante. Sei nun j ∈ {1, . . ., n} und W ⊂ V der Untervektorraum, der von b1, . . ., b j aufgespannt wird. Dann ist A j die darstellende Matrix der Einschränkung von β auf W × W. Da Einschränkungen positiv definiter Bilinearformen stets wieder positiv definit sind, muss nach dem eben Bewiesenen auch A j positive Determinante haben.

7.1. Bilineare Abbildungen

357

Zu „(2)⇒(1)“: Die Hauptminoren von A seien positiv. Wir zeigen, dass β positiv definit ist, durch vollständige Induktion nach der Dimension n von V. Induktionsanfang: n = 1. In diesem Fall ist V = R · b1 und A = (a11 ). Es gilt a11 = det(A) > 0. Für jeden Vektor v = tb1 ist dann β(v, v) = t 2 β(b1, b1 ) = t 2 a11 ≥ 0 und „= 0“ nur dann, wenn t = 0, d.h. wenn v = 0. Also ist β positiv definit. Induktionsschritt: Sei n > 1. Sei W der (n−1)-dimensionale Untervektorraum von V , der von b1, . . . , bn−1 aufgespannt wird. Dann hat die Einschränkung von β auf W die darstellende Matrix An−1 und somit positive Hauptminoren. Nach Induktionsvoraussetzung ist β|W×W positiv definit. Nach dem Satz 7.34 von Sylvester gibt es eine Basis (b1, . . ., bn−1 ) von W, so dass M(b1 ,...,bn−1 ) (β|W×W ) = 1n−1 . Wir  n−1     setzen bn := bn − n−1 k=1 β(bn, b k )b k . Da die Summe k=1 β(bn, b k )b k in W liegt, bn aber nicht,     ist auch bn  W. Damit ist B := (b1, . . ., bn ) eine Basis von V. Für j = 1, . . ., n − 1 gilt β(bj , bn )





bj , bn



n−1 

β(bn, bk )bk



k=1 n−1 



= β bj , bn ) −

β(bn, bk ) β(bj , bk ) ()*+ k=1 =0 für jk   = β bj , bn ) − β bj , bn )

= 0. Also ist

1 ..  .  MB (β) =  1  c

mit

c = β(bn, bn ).



Mit der Transformationsmatrix T = TBB ist c = det(MB (β)) = det(T  · MB (β) · T) = det(T)2 · det(A) > 0. Bzgl. der Basis B := (b1, . . . , bn−1, √1c bn ) hat β die darstellende Matrix 1n . Also ist β positiv definit.  Beispiel 7.43. In der Analysis lernt man, dass eine zweimal stetig differenzierbare Funktion f : Rn → R in einem Punkt ein isoliertes lokales Minimum hat, wenn der Gradient der Funktion dort verschwindet und die Hessematrix in diesem Punkt positiv definit ist. Wenden

358

7. Bilineare Algebra

wir dies auf die Funktion f : R2 → R, f (x, y) = 3x 2 − 2xy + 3y 2 , im Ursprung (0, 0) an. Für den Gradienten erhalten wir $ % ∂f ∂f ∇ f (x, y) = (x, y), (x, y) = (6x − 2y, −2x + 6y). ∂x ∂y Der Gradient verschwindet für (x, y) = (0, 0). Für die Hessematrix der zweiten Ableitungen erhalten wir     ∂2 f ∂2 f (x, y) (x, y) 6 −2 2 ∂ x∂ y = . Hesse f (x, y) = ∂∂2x f ∂2 f −2 6 (x, y) (x, y) 2 ∂ y∂ x ∂x Um zu sehen, dass diese Matrix positiv definit ist, müssen wir nach Satz 7.42 lediglich überprüfen, dass derEintrag links oben, also 6, positiv ist, und dass die Determinante positiv  6 −2 ist. In der Tat ist det = 32 > 0. Also hat f in (0, 0) ein isoliertes lokales Minimum. −2 6

7.2. Quadriken und Kegelschnitte Wir werden symmetrische Bilinearformen einsetzen, um die Geometrie bestimmter Kurven in der Ebene zu untersuchen. Sei dazu β eine symmetrische Bilinearform auf R2 . Wie sieht dann 2 die Menge q −1 β () = {v ∈ R | q β (v) = } aus? Kurven dieser Form nennt man Quadriken. Wir werden dabei verschiedene Fälle unterscheiden, je nachdem welche Werte die Zahlen r+ , r− und r0 aus Satz 7.34 annehmen. Da r+ +r− +r0 = 2 ist, gibt es nicht allzu viele Möglichkeiten. Fall 1: r+ = 2 und r− = r0 = 0, d.h. β ist positiv definit. Ist  negativ, so ist q −1 β () leer und −1 für  = 0 ist q β (0) = {0}. Dies liegt daran, dass β positiv definit ist und daher q β ≥ 0 und q β (v) = 0 nur für v = 0. Interessant ist also nur der Fall, dass  > 0. Dann nennt man q −1 β () eine Ellipse. Hier können Sie sich q −1 β () für positiv definites β und für die verschiedenen Werte von  in einer interaktiven 3D-Grafik ansehen: http://ueben.cbaer.eu/Q01.html Beispiel 7.44. Sei β das euklidische Skalarprodukt auf R2 . Dann ist 2 q −1 β () = {v ∈ R | v, v = }

= {v ∈ R2 | v 2 = } √ = {v ∈ R2 | v = }, also ein Kreis vom Radius



.

Kreise sind also Beispiele für Ellipsen. Tatsächlich sind die Ellipsen gerade die Kurven, die man durch Anwenden einer linearen Abbildung auf einen Kreis bekommt:

7.2. Quadriken und Kegelschnitte

359

Proposition 7.45. Sei K = {v ∈ R2 | v = 1} der Einheitskreis mit Mittelpunkt 0. Dann ist E ⊂ R2 genau dann eine Ellipse, wenn es ein T ∈ GL(2, R) gibt mit E = T(K). Beweis. Zu „⇐“: Sei E = T(K) für ein T ∈ GL(2, R). Wir definieren β(v, w) := T −1 v, T −1 w. Dann ist β eine symmetrische Bilinearform auf R2. Wegen β(v, v) = T −1 v, T −1 v = T −1 v 2 ≥ 0 ist β positiv semidefinit. Ist β(v, v) = 0, so ist T −1 v = 0, also T −1 v = 0 und damit v = 0. Also ist β sogar positiv definit. Nun ist q β (v) = β(v, v) = 1 ⇔ T −1 v, T −1 v = 1 ⇔ T −1 v = 1 ⇔ T −1 v ∈ K ⇔ v ∈ T(K). Dies zeigt T(K) = q −1 β (1) und damit ist T(K) eine Ellipse. Zu „⇒“: Sei nun β eine positiv definite symmetrische Bilinearform und E = q −1 β () mit  > 0 eine Ellipse. Gemäß Satz 7.34 finden wir eine geordnete Basis B = (b1, b2 ) von R2 , so dass die darstellende Matrix von β gegeben ist durch   1 0 MB (β) = . 0 1 Bezüglich der Standardbasis B = (e1, e2 ) ergibt sich die darstellende Matrix gemäß der Transformationsformel Proposition 7.11 als MB (β) = (TBB ) · MB (β) · TBB = (TBB ) · TBB . Nun ist v ∈ E = q −1 β () ⇔ β(v, v) = 

⇔ v  · MB (β) · v = 

⇔ v  · (TBB ) · TBB · v = 

⇔ (TBB · v) · (TBB · v) = 

⇔ TBB v, TBB v =  √ ⇔ TBB v =  1 ⇔  √ TBB · v = 1  1 B ⇔ √ TB · v ∈ K .  Also ist E = T(K) mit T =



√1 T B  B

−1

∈ GL(2, R).



360

7. Bilineare Algebra



 a 0 Beispiel 7.46. Sei T = ∈ GL(2, R) mit a, b > 0 Dann ist also E = T(K) eine Ellipse. 0 b Es gilt v 2 v 2 1 2 + = 1. v ∈ E ⇔ T −1 v ∈ K ⇔ a b q −1 β () b

−a

0 = q −1 β (0)

a −b Abb. 107 Ellipsen

Man nennt dann a und b die Halbachsen der Ellipse. Der Spezialfall a = b entspricht gerade dem, dass die Ellipse ein Kreis ist. Dann spricht man statt von Halbachsen vom Radius. Bemerkung 7.47. Wir erinnern uns, dass der Einheitskreis K durch Kosinus und Sinus parametrisiert werden kann:    cos ϕ  K= ϕ∈R . sin ϕ  Also kann jede Ellipse E = T(K) parametrisiert werden durch 



cos ϕ E= T· sin ϕ

    ϕ∈R . 

Fall 2: r− = 2 und r+ = r0 = 0, d.h. β ist negativ definit. Dies liefert geometrisch nichts Neues, denn dann ist −β ist eine positiv definite symmetrische Bilinearform. Daher ist dann −1 −1 q −1 β () = ∅, wenn  > 0, es ist q β (0) = {0} und q β () ist eine Ellipse, falls  < 0. Hier können Sie sich q −1 β () für negativ definites β und für die verschiedenen Werte von  in einer interaktiven 3D-Grafik ansehen: http://ueben.cbaer.eu/Q02.html Fall 3: r+ = r− = 1 und r0 = 0, d.h. β ist indefinit. Gemäß Satz 7.34 wählen wir eine Basis B = (b1, b2 ) von R2 mit   1 0 . MB (β) = 0 −1

7.2. Quadriken und Kegelschnitte

361

Wir berechnen für  = 0: 2 2 2 q −1 β (0) = {v ∈ R | v = v1 b1 + v2 b2, v1 − v2 = q β (v) = 0}

= {v ∈ R2 | v = v1 b1 + v2 b2, (v1 + v2 )(v1 − v2 ) = 0} = {v ∈ R2 | v = v1 b1 + v2 b2, v1 = v2 } ∪ {v ∈ R2 | v = v1 b1 + v2 b2, v1 = −v2 }. Wir erhalten also zwei sich im Ursprung schneidende Geraden, ein Geradenkreuz. Für  > 0 erhalten wir 2 2 2 q −1 β () = {v ∈ R | v = v1 b1 + v2 b2, v1 − v2 = } 9 :  = v ∈ R2 | v = v1 b1 + v2 b2, v1 = ± v22 + 

und für  < 0 entsprechend

9 :  2 2−  . () = v ∈ R | v = v b + v b , v = ± v q −1 1 1 2 2 2 β 1

Für   0 nennt man q −1 β () eine Hyperbel. Jede Hyperbel hat zwei Zweige. In obiger Beschreibung sind die Zweige für  > 0 gegeben durch 9 : 9 :   2 2 2 2 v ∈ R | v1 = +  + v2 und v ∈ R | v1 = −  + v2 . Der Fall  < 0 ist analog. Hier können Sie sich q −1 β () für indefinites β und für die verschiedenen Werte von  in einer interaktiven 3D-Grafik ansehen: http://ueben.cbaer.eu/Q03.html 

Definition 7.48. Für β :

R2

× R2

→ R, β(v, w) =

v

 1 0 · · w = v1 w1 − v2 w2 , heißt 0 −1

     v  1 ∈ R2  v12 − v22 = 1 H := q −1 β (1) =  v2 die Standardhyperbel.

Kann man Hyperbeln ähnlich wie Ellipsen parametrisieren? Man kann. Dazu muss man die trigonometrischen Kosinus- und Sinusfunktionen durch ihre hyperbolischen Vettern ersetzen. In Anhang B.5 findet man alles, was wir über diese Funktionen wissen müssen. Bemerkung 7.49. Die beiden Zweige der Standardhyperbel werden wie folgt parametrisiert:       cosh ϕ  − cosh ϕ  H= ϕ∈R ∪ ϕ∈R . sinh ϕ  sinh ϕ 

362

7. Bilineare Algebra

cosh(ϕ)

|

−1

sinh(ϕ)

ϕ

|

1

Abb. 108 Parametrisierung der Standardhyperbel

Beweis der Bemerkung. Wegen Proposition B.11 (i) liegt  tatsächlich jeder Punkt der Form ± cosh(ϕ) auf H. Sei umgekehrt v ∈ H, d.h. v1 = ± 1 + v22 . Wir betrachten nur den Fall sinh(ϕ)  v1 = + 1 + v22 , der andere ist analog. Nach Proposition B.11 (v) existiert ein ϕ ∈ R mit   sinh(ϕ) = v2 . Dann gilt für cosh(ϕ) = 1 + sinh(ϕ)2 = 1 + v22 = v1 und somit 

 cosh(ϕ) v= . sinh(ϕ)



In Aufgabe 7.9 wird gezeigt, dass eine Menge H1 ⊂ R2 genau dann eine Hyperbel ist, wenn es ein T ∈ GL(2, R) gibt mit H1 = T(H). Dabei ist H die Standardhyperbel. Insbesondere werden die beiden Zweige von H1 also wie folgt parametrisiert:         cosh ϕ  − cosh ϕ  H1 = T · ϕ∈R ∪ T· ϕ∈R . sinh ϕ  sinh ϕ  Fall 4: r+ = r0 = 1 und r− = 0, d.h. β ist positiv semidefinit, aber nicht positiv definit und β  0. Dann können wir eine Basis b = (b1, b2 ) von R2 so wählen, dass   1 0 . MB (β) = 0 0 Also ist 2 2 2 q −1 β () = {v ∈ R | v = v1 b1 + v2 b2, 1 · v1 + 0 · v2 = }

= {v ∈ R2 | v = v1 b1 + v2 b2, v12 = } Ist nun  < 0, so ist q −1 β () = ∅. Für  = 0 erhalten wir 2 2 q −1 β () = {v ∈ R | v = v1 b1 + v2 b2, v1 = 0}

= {v2 · b2 | v2 ∈ R}.

7.2. Quadriken und Kegelschnitte

363

Dies ist die Ursprungsgerade mit Richtungsvektor b2 . Ist  > 0, so ist √ 2 q −1 β () = {v ∈ R | v = v1 b1 + v2 b2, v1 = ± } √ √ = {  · b1 + v2 · b2 | v2 ∈ R} ∪ {−  · b1 + v2 · b2 | v2 ∈ R}.

Dies ist die Vereinigung zweier paralleler Geraden.

q β () b2 −b1

b1

√ ·b 1

Abb. 109 Paar paralleler Geraden

Hier können Sie sich q −1 β () für positiv semidefinites β und für die verschiedenen Werte von  in einer interaktiven 3D-Grafik ansehen: http://ueben.cbaer.eu/Q04.html Fall 5: r− = r0 = 1 und r+ = 0, d.h. β ist negativ semidefinit, aber nicht negativ definit und β  0. Dieser Fall liefert geometrisch nichts Neues, da er auf Fall 4 zurückgeführt werden kann, indem man β durch −β ersetzt. Wir erhalten wieder die leere Menge, eine Ursprungsgerade oder zwei parallele Geraden. Hier können Sie sich q −1 β () für negativ semidefinites β und für die verschiedenen Werte von  in einer interaktiven 3D-Grafik ansehen: http://ueben.cbaer.eu/Q05.html Fall 6: r0 = 2 und r+ = r− = 0, d.h. β = 0. Dieser Fall ist uninteressant, weil q −1 β () entweder 2 leer ist (für   0) oder ganz R (für  = 0).

Damit haben wir alle Möglichkeiten für die Werte von r+ , r− und r0 abgehandelt. Wir fassen die Ergebnisse in einer Tabelle zusammen.

364

7. Bilineare Algebra

r+

r−

r0

β

2

0

0

positiv definit

1

1

0

indefinit

1

0

1

positiv semidefinit

0

0

2

=0



q −1 β ()

>0 =0 0 =0 0, so wäre p  0 und damit p  E0 . Ein beliebiges v ∈ R3 ließe sich schreiben als v = t · p + x mit t ∈ R und x ∈ E0 . Es gälte v, v = t 2 p, p + 2t p, x + x, x =

t 2 p, p + β(x, x) ≥ 0. ()*+ ()*+ ()*+ ≥0

>0

≥0

Dann wäre das Minkowski-Produkt positiv semidefinit, ist es aber nicht. Somit muss p, p ≤ 0 gelten. Fall IA/1: E = E0 . −1 Dann ist p = 0 und C ∩ E = q −1 β (0) + 0 = q β (0) = {0}, also ein Punkt.

7.2. Quadriken und Kegelschnitte

367

Abb. 111 Kegelschnitt ist ein Punkt

Fall IA/2: E  E0 . Dann ist p, p < 0 und somit q −1 β (−p, p ) eine Ellipse. ()*+ >0

Abb. 112 Kegelschnitt ist eine Ellipse

Fall IB: β ist indefinit, d.h. r+ = r− = 1 und r0 = 0. Fall IB/1: E = E0 . Dann ist p = 0 und C ∩ E = q −1 β (0) ein Geradenkreuz.

Abb. 113 Kegelschnitt ist ein Geradenkreuz

Fall IB/2: E  E0 . Dann ist p, p  0 und somit q −1 β (−p, p) eine Hyperbel.

Abb. 114 Kegelschnitt ist eine Hyperbel

Fall IC: β ist negativ definit, d.h. r− = 2 und r+ = r0 = 0. Dieser Fall tritt nicht auf, denn sonst könnte man in Bemerkung 7.35 W = E0 nehmen und

368

7. Bilineare Algebra

würde erhalten, dass für das Minkowski-Produkt r− ≥ 2 gilt. Für das Minkowski-Produkt ist aber r− = 1. Fall II: β ist ausgeartet, d.h. r0 ≥ 1. Fall IIA: β ist negativ semidefinit, d.h. r+ = 0 und r− = r0 = 1 oder r+ = r− = 0 und r0 = 2. Dieser Fall tritt ebenfalls nicht auf, denn sonst wäre q·,· |E0 ≤ 0, andererseits ist jedoch q·,· |E1 \{0} > 0, wobei E1 = {(x1, x2, 0) | x1, x2 ∈ R}. Nun ist dim(E0 ∩ E1 ) = dim(E0 ) + dim(E1 ) − dim(E0 + E1 ) ≥ 1, ()*+ ()*+ ()*+ =2

=2

≤3

also gäbe es ein v ∈ E0 ∩ E1 mit v  0. Dann wäre einerseits q·,· (v) ≤ 0 und andererseits q·,· (v) > 0, Widerspruch! Fall IIB: β ist positiv semidefinit und β  0, d.h. r+ = r0 = 1 und r− = 0. Nun kann p leider im Allgemeinen nicht mehr so gewählt werden, dass x, p = 0 für alle x ∈ E0 gilt, denn Satz 7.50 kann ja nicht mehr angewandt werden. Wir können aber dennoch die Schnittmenge von p + E0 mit C wie gehabt durch x + p ∈ C ⇔ 0 = x + p, x + p = q β (x) + l(x) + c beschreiben, wobei l(x) = 2x, p und c = p, p ist. Fall IIB/1: E = E0 . Hier können wir p = 0 wählen. Dann ist l = 0 und c = 0 und damit C ∩ E = {x ∈ E0 | q β (x) = 0}. Das ist eine Gerade.

Abb. 115 Kegelschnitt ist eine Gerade

Fall IIB/2: E  E0 . Dann ist p  E0 . Behauptung: ker(l) ∩ N(β) = {0}. Beweis. Sei x ∈ ker(l) ∩ N(β). Dann ist x, p = 0 und x, y = 0 für alle y ∈ E0 . Nun spannen E0 und p ganz R3 auf, also ist x, z = 0 für alle z ∈ R3 . Da das Minkowski-Produkt nicht ausgeartet ist, folgt x = 0.  Definition 7.51. Sei V ein 2-dimensionaler R-Vektorraum. Sei β eine symmetrische Bilinearform auf V mit r+ = r0 = 1 und r− = 0. Sei l : V → R linear mit ker(l) ∩ N(β) = {0}. Sei c ∈ R. Dann nennt man die Menge {x ∈ V | q β (x) + l(x) + c = 0} eine Parabel.

7.2. Quadriken und Kegelschnitte

369

Also ist im Fall IIB/2 der Kegelschnitt C ∩ E nach Definition eine Parabel.

Abb. 116 Kegelschnitt ist eine Parabel

Das folgende Lemma besagt, dass man eine Parabel in einer geeigneten Basis durch die bekannte Parabelgleichung beschreiben kann. Dies rechtfertigt Definition 7.51. Lemma 7.52. Sei V ein 2-dimensionaler R-Vektorraum und P ⊂ V eine Parabel. Dann gibt es eine Basis B = (b1, b2 ) und Konstanten a, b, d ∈ R mit a  0, so dass P = {x1 b1 + x2 b2 | x2 = a(x1 + b)2 + d}.

|

x2

d

|

x1

−b

Abb. 117 Parabel

Beweis. Wähle gemäß Satz 7.34 eine Basis B = (b1, b2 ) so, dass   1 0 . MB (β) = 0 0 Für ν := l(b1 ) und μ := l(b2 ) gilt dann l(x1 b1 + x2 b2 ) = νx1 + μx2 für alle x1, x2 ∈ R. Da N(β) = R · b2 , bedeutet ker(l) ∩ N(β) = {0} nichts anderes als β  0. Sei nun x = x1 b1 + x2 b2 . Dann ist x ∈ P genau dann, wenn  ν 0 = q β (x) + l(x) + c = x12 + νx1 + μx2 + c = x1 + 2

2



ν2 + μx2 + c , 4

370

7. Bilineare Algebra

also genau dann, wenn

1 ν 2 1  ν2 x1 + + −c . μ 2 μ 4  − c folgt die Behauptung.

x2 = − Mit a := − 1μ , b :=

ν 2

und d :=



1 ν2 μ 4



Wir fassen zusammen: Satz 7.53 (Kegelschnitte). Sei C ⊂ R3 der Doppelkegel und E ⊂ R3 eine affine Ebene und E0 der zugehörige 2-dimensionale Untervektorraum. Dann gibt es genau die folgenden Möglichkeiten: r+

r−

r0

2

0

0

1

1

0

1

0

1

β

E

= E0  E0 = E0 indefinit  E0 = E0 positiv semidefinit  E0 positiv definit

C∩E Punkt Ellipse Geradenkreuz Hyperbel Gerade Parabel

Tab. 28 Kegelschnitte

Hierbei ist β = ·, ·|E0 ×E0 .



Hier können Sie die verschiedenen Typen von Kegelschnitten in einer interaktiven 3D-Grafik erkunden: http://ueben.cbaer.eu/Q06.html

7.3. Euklidische Vektorräume Wir kennen bereits das Skalarprodukt ·, · auf dem Rn . Es ist eine positiv definite symmetrische Bilinearform. Wir abstrahieren nun wie folgt: Definition 7.54. Sei V ein R-Vektorraum. Eine positiv definite symmetrische Bilinearform ·, · nennt man ein euklidisches Skalarprodukt oder auch einfach ein Skalarprodukt auf V . Das Paar (V, ·, ·) heißt dann euklidischer Vektorraum. Beispiel 7.55. Neben dem (Standard-)Skalarprodukt auf dem Rn kennen wir bereits auch ein Skalarprodukt auf einem unendlich-dimensionalen Vektorraum. Wir betrachten V =

7.3. Euklidische Vektorräume

371

C 0 ([a, b], R) mit der durch Integration gegebenen symmetrischen Bilinearform ∫b β( f , g) =

f (x)g(x) dx. a

Bleibt zu überlegen, dass diese Bilinearform positiv definit ist. Für jedes f ∈ V gilt ∫b f (x)2 dx ≥ 0.

β( f , f ) = a

Also ist die Bilinearform β schon mal positiv semidefinit. Wenn β( f , f ) = 0 ist, dann ist f 2 eine stetige, nichtnegative Funktion, die Integral 0 hat. Also muss f 2 identisch 0 sein und damit auch f . Für alle f  0 gilt daher β( f , f ) > 0, d.h. β ist positiv definit. Ganz analog zum Standardskalarprodukt auf Rn definieren wir die Norm: Definition 7.56. Sei (V, ·, ·) ein euklidischer Vektorraum. Für x ∈ V heißt dann    x := x, x = q·,· (x) die Norm von x.

Proposition 7.57 (Eigenschaften der Norm). Sei (V, ·, ·) ein euklidischer Vektorraum mit zugehöriger Norm  · . Dann gilt für alle x ∈ V und alle α ∈ R: (i)  x ≥ 0 . (ii)  x = 0 ⇔ x = 0. (iii) α · x = |α| ·  x.

Beweis. Aussage (i) ist trivial. Zu (ii): Ist x = 0, so ist x, x = 0 und somit  x = 0. Gilt umgekehrt  x = 0, so ist x, x = 0. Wegen der positiven Definitheit folgt x = 0. Gleichung (iii) ist eine simple Rechnung:    αx = αx, αx = α2 ·  x 2 = |α| ·  x.

372

7. Bilineare Algebra

Satz 7.58 (Cauchy-Schwarz-Ungleichung). Sei (V, ·, ·) ein euklidischer Vektorraum. Dann gilt für alle x, y ∈ V: |x, y| ≤  x ·  y. Die Gleichheit gilt genau dann, wenn x und y linear abhängig sind. In Satz 2.76 hatten wir die Cauchy-Schwarz-Ungleichung schon im Spezialfall des Standardskalarprodukts auf R2 bewiesen. Dabei hatten wir allerdings von der konkreten Definition Gebrauch gemacht und mit den Komponenten der beteiligten Vektoren gerechnet. Das ist jetzt nicht mehr möglich. Wir müssen nun einen Beweis finden, der lediglich benutzt, dass ·, · eine positiv definite symmetrische Bilinearform ist. Beweis von Satz 7.58. a) Ist x = 0 oder y = 0, so gilt die Aussage trivialerweise. Daher nehmen wir von nun ab an, dass x  0 und y  0. b) Ist  x =  y = 1, so gilt 0 ≤ x + y, x + y = x, x + x, y + y, x + y, y =  x 2 + 2x, y +  y 2 = 2 + 2x, y und somit −x, y ≤ 1. Genauso sieht man 0 ≤ x − y, x − y = 2 − 2x, y und daher x, y ≤ 1. Also ist |x, y| ≤ 1 =  x ·  y. c) Seien nun x und y mit  x  0,  y  0 beliebig. Dann ist ! ! ! ! ! ! ! x ! ! = 1 und ! y ! = 1, ! !  y ! !  x ! so dass wir Beweisteil b) auf

x x

und

y  y

anwenden können. Es folgt

5 6  x y  1 1  , = · · |x, y| 1≥   x  y  x  y und daher |x, y| ≤  x ·  y.

7.3. Euklidische Vektorräume

373

d) Die Cauchy-Schwarz-Ungleichung ist damit bewiesen. Bleibt der Gleichheitsfall zu diskutieren. Betrachten wir den Fall, dass x und y linear abhängig sind. Dann ist einer der Vektoren ein Vielfaches des anderen, also o.B.d.A. x = αy für ein α ∈ R. Insbesondere ist  x = |α| ·  y und |x, y| = |αy, y| = |α| ·  y 2 =  x ·  y. Es gilt also Gleichheit in der Cauchy-Schwarz-Ungleichung. e) Umgekehrt gelte |x, y| =  x ·  y. Wir müssen zeigen, dass dann x und y linear abhängig sind. Ist x = 0 oder y = 0, so sind x und y sowieso linear abhängig und es ist nichts zu zeigen. Daher können wir annehmen, dass  x  0 und  y  0. 1. Fall: Es gilt x, y =  x ·  y. Wir berechnen ! !2 5 6 ! x y !! y x y x ! !  x −  y ! =  x −  y ,  x −  y ! ! !2 6 ! 5 ! x !2 ! ! ! −2 x , y +! y ! = !! ! !  x  x  y  y ! = 1 − 2 + 1 = 0. Also ist  xx  −  yy = 0 und daher x =  xy · y. Also sind x und y linear abhängig. 2. Fall: Es gilt −x, y =  x ·  y. Dann gilt −x, y =  − x ·  y. Nach dem ersten Fall sind also −x und y linear abhängig und somit auch x und y.  Korollar 7.59 (Dreiecksungleichung). Sei (V, ·, ·) ein euklidischer Vektorraum mit zugehöriger Norm  · . Dann gilt für alle x ∈ V und alle α ∈ R:  x + y ≤  x +  y.

Beweis. Der Beweis ist derselbe wie der von Korollar 2.77, aber der Bequemlichkeit halber führen wir ihn an dieser Stelle nochmal an. Für alle x, y ∈ V gilt wegen der Cauchy-SchwarzUngleichung:  x + y 2 =  x 2 + 2 x, y +  y 2 ≤  x 2 + 2 x  y +  y 2 = ( x +  y)2 . Wurzelziehen liefert die Behauptung. Genau wie in Definition 2.95 können wir nun Innenwinkel definieren.



374

7. Bilineare Algebra

Definition 7.60. Sei (V, ·, ·) ein euklidischer Vektorraum. Für alle x, y ∈ V \ {0} heißt die Zahl % $ x, y ∈ [0, π] (x, y) := arccos  x ·  y der Innenwinkel von x und y. Wir beachten, dass die Definition nur sinnvoll ist, weil die Cauchy-Schwarz-Ungleichung gilt, denn dadurch ist sichergestellt, dass das Argument des Arkuskosinus in [−1, 1] liegt. Wie in R2 sagen wir im Fall (x, y) = π2 , d.h. im Fall x, y = 0, dass x und y aufeinander senkrecht stehen. In diesem Fall schreiben wir x ⊥ y. Beispiel 7.61. Sei V = C 0 ([0, π], R) und  f , g =

∫π

∫π sin(x) cos(x) dx =

sin, cos =

0

f (x)g(x) dx. Wir berechnen

π 1 sin(x)2  x=0 = 0 − 0 = 0. 2

0

Also stehen Sinus und Kosinus aufeinander senkrecht. Mitunter ist folgende Abkürzung bequem: Definition 7.62. Ist I eine Menge, so schreibt man für i, j ∈ I:  1, i = j δi j := 0, i  j Man nennt dann δi j das Kronecker’sche δ-Symbol. Beispiel 7.63. Die Einheitsmatrix 1n hat die Einträge δi j . Hierbei ist I = {1, . . . , n}. Bemerkung 7.64. Der Satz von Sylvester besagt für endlich-dimensionale euklidische Vektorräume V: Es gibt eine geordnete Basis B = (b1, . . ., bn ) von V , so dass MB (·, ·) = 1n, d.h. bi, b j  = δi j für alle i, j = 1, . . . n. Die Basisvektoren stehen also alle aufeinander senkrecht und haben Norm 1. Definition 7.65. Eine solche Basis heißt Orthonormalbasis von V. Allgemeiner heißt ein Tupel (v1, . . . , vk ) von Vektoren aus V ein Orthonormalsystem, wenn für alle i und j gilt: vi, v j  = δi j .

7.3. Euklidische Vektorräume

375

Beispiel 7.66. Die Standardbasis (e1, . . ., en ) von Rn ist eine Orthonormalbasis bzgl. des eu klidischen Standardskalarprodukts ·, ·, gegeben durch x, y = nj=1 x j y j . Lemma 7.67. Jedes Orthonormalsystem ist linear unabhängig. Beweis. Sei (v1, . . ., vk ) ein Orthonormalsystem. Seien α1, . . . , αk ∈ R, so dass α1 v1 + · · · + αk vk = 0. Für jedes i folgt dann: 0 = 0, vi  = α1 v1 + · · · + αk vk , vi  = α1 v1, vi  + · · · + αk vk , vi  = αi · 1, also αi = 0.



Wann immer wir eine Basis haben, können wir jeden Vektor des Vektorraumes eindeutig als Linearkombination der Basisvektoren schreiben. Im Falle einer Orthonormalbasis lassen sich die dabei auftretenden Koeffizienten leicht mit Hilfe des Skalarprodukts angeben. Lemma 7.68. Sei V ein euklidischer Vektorraum und B = (b1, . . ., bn ) eine Orthonormalbasis von V. Dann gilt für alle v ∈ V: v=

n 

v, bi  · bi .

i=1

Beweis. Seien αi ∈ R die Koeffizienten, für die v = v, b j  =

5 n

n  i=1

αi bi gilt. Dann folgt für jedes j:

6  n αi bi, b j = αi bi, b j  = α j .

i=1

i=1

Also gilt: v=

n 

v, bi bi .



i=1

Definition 7.69. Sei V ein euklidischer Vektorraum und U ⊂ V ein Untervektorraum. Dann heißt U ⊥ := {v ∈ V | v ⊥ u ∀ u ∈ U} orthogonales Komplement von U.

376

7. Bilineare Algebra

Lemma 7.70. Sei V ein endlich-dimensionaler euklidischer Vektorraum und U ⊂ V ein Untervektorraum. Dann gilt: (i) U ⊥ ist ebenfalls ein Untervektorraum von V. (ii) V = U ⊕ U ⊥ .

Beweis. Zu (i): Sicherlich ist 0 ∈ U ⊥ , da 0 auf alle Vektoren senkrecht steht. Seien v1, v2 ∈ U ⊥ und α1, α2 ∈ R. Dann gilt für alle u ∈ U: α1 v1 + α2 v2, u = α1 v1, u + α2 v2, u = α1 · 0 + α2 · 0 = 0. Also ist α1 v1 + α2 v2 ∈ U ⊥ . Zu (ii): Zunächst zeigen wir V = U + U ⊥ . Sei B = (b1, . . . , br ) eine Orthonormalbasis von U. Sei r  v ∈ V. Wir setzen u := v, bi bi ∈ U und w := v − u. Dann gilt v = u + w und es bleibt i=1

w ∈ U ⊥ zu zeigen, d.h. w, x = 0 für alle x ∈ U. r  Sei also x ∈ U beliebig. Wir schreiben x = αi bi . Dann ist i=1

5 w, x = v − u,

r 

6 αi bi

i=1

5 = v−

r 

v, b j b j ,

j=1

6 5  r αi bi − = v, i=1

=

=

r 

αi v, bi  −

r 

r 

j=1

i=1

v, b j b j ,

r  i, j=1

r 

r 

αi v, bi  −

αi bi

i=1 5 r

i=1

i=1

6 6 αi bi

αi v, b j  b j , bi  ()*+ =δi j

αi v, bi 

i=1

= 0. Nun bleibt noch U ∩ U ⊥ = {0} zu zeigen: Sei u ∈ U ∩ U ⊥ . Dann ist u 2 = u, u = 0, also u = 0. Beispiel 7.71. Sei V = R3 und U = R2 × {0}. In beiden skizzierten Fällen gilt V = U ⊕ W.



7.3. Euklidische Vektorräume

377

W

W U

U

W = U⊥

W  U⊥

Abb. 118 Orthogonales Komplement

Definition 7.72. Sei V ein endlich-dimensionaler euklidischer Vektorraum und U ⊂ V ein Untervektorraum. Dann heißt die lineare Abbildung PU : V → V mit PU |U = idU und PU |U ⊥ = 0 Orthogonalprojektion auf U. Bemerkung 7.73. Sei V ein endlich-dimensionaler euklidischer Vektorraum und U ⊂ V ein Untervektorraum. Ist B1 = (b1, . . ., br ) eine Orthonormalbasis von U und B2 = (br+1, . . . , bn ) eine Orthonormalbasis von U ⊥ , dann ist B = (b1, . . ., bn ) eine Orthonormalbasis von V . Für jedes v ∈ V ist die Aufspaltung gemäß V = U ⊕ U ⊥ gegeben durch v=

n  j=1

v, b j b j =

r 

v, b j b j +

j=1

n 

v, b j b j .

j=r+1

()*+

()*+

∈U

∈U ⊥

Also ist PU (v) =

r 

v, b j b j .

j=1

Wie bestimmt man eine Orthonormalbasis eines endlich-dimensionalen euklidischen Vektorraums? Das Schmidt’sche Orthonormalisierungsverfahren oder Gram-SchmidtVerfahren macht aus einer beliebigen gegebenen geordneten Basis von V eine Orthonormalbasis und zwar so, dass für jedes k die ersten k Vektoren beider Basen dieselbe lineare Hülle haben. Das Verfahren geht so: Sei (v1, . . ., vn ) eine beliebige Basis von V . 1. Schritt: Setze b1 := vv11  . (k + 1)-ter Schritt: Nehmen wir induktiv an, dass wir ein Orthonormalsystem (b1, . . ., b k ) mit L(b1, . . ., b k ) = L(v1, . . ., vk ) gefunden haben. Wir setzen nun

b k+1

vk+1 − PL(b1,...,bk ) (vk+1 ) := = vk+1 − PL(b1,...,bk ) (vk+1 )

vk+1 − vk+1 −

k  j=1 k  j=1

vk+1, b j b j . vk+1, b j b j 

378

7. Bilineare Algebra

Zunächst einmal bemerken wir, dass wir getrost durch die Norm teilen dürfen. Wegen der linearen Unabhängigkeit von (v1, . . . , vn ) ist nämlich vk+1  L(v1, . . ., vk ) = L(b1, . . . , b k ) und daher vk+1 − PL(b1,...,bk ) (vk+1 )  0. Da wir durch die Norm geteilt haben, hat b k+1 die Norm 1. Außerdem ist vk+1 −PL(b1,...,bk ) (vk+1 ) nach Definition der Orthogonalprojektion aus L(b1, . . ., b k )⊥ . Daher bildet (b1, . . ., b k+1 ) ebenfalls ein Orthonormalsystem. Ferner ist nach Definition b k+1 ∈ L(b1, . . ., b k , vk+1 ) = L(v1, . . ., vk, vk+1 ) und somit L(b1, . . . , b k+1 ) ⊂ L(v1, . . . , vk+1 ). Wegen Lemma 7.67 ist (b1, . . ., b k+1 ) linear unabhängig. Also haben sowohl L(b1, . . ., b k+1 ) als auch L(v1, . . ., vk+1 ) die Dimension k + 1 und stimmen daher überein, L(b1, . . ., b k+1 ) = L(v1, . . ., vk+1 ). Beispiel 7.74. Sei V = R2 [x] = { f ∈ R[x] | deg( f ) ≤ 2}. Dann ist dim(V) = 3 und (v1, v2, v3 ) ist eine Basis von V , wobei v1 = 1, v2 = x und v3 = x 2 . Als euklidisches Skalarprodukt nehmen ∫1 wir  f , g = f (x)g(x) dx. 0 v1 v1 

1. Schritt: b1 :=

=

1 1

= 1, denn 1 2 = 1, 1 =

∫1

12 dx = 1.

0

2. Schritt: % $ √ √ x − 12 v2 − v2, b1 b1 1 = = 3(2x − 1), =2 3 x− b2 := 1 v2 − v2, b1 b1   x − 2  2 ∫1

denn v2, b1  =

x · 1 dx =

1 2

und

0

! ! !x − !

!2 ∫1 $ %2 % ∫1 $ 1 !! 1 1 2 dx x− x −x+ = dx = 2! 2 4 0 0  1 1 1 x 3 x 2 x 1 1 = − + = = − +  3 2 4 x=0 3 2 4 12

und daher  x − 12  = 3. Schritt: b3 :=

1 √ . 2 3 v3 −v3,b1 b1 −v3,b2 b2 v3 −v3,b1 b1 −v3,b2 b2  .

∫1 v3, b1  = 0

∫1 v3, b2  =

Wir berechnen

1 x 2 · 1 dx = , 3 1 √ % $ √ √ ∫ √ x 4 x 3 1 3 3 2  − . x · 3(2x − 1) dx = 3 · (2x − x ) dx = 3 =  2 3 x=0 6 2

0

0

7.4. Adjungierte Abbildungen und selbstadjungierte Endomorphismen

Also ist v3 − v3, b1 b1 − v3, b2 b2 = x 2 −

379

√ 3√ 1 1 1 1 ·1− 3(2x − 1) = x 2 − − x + = x 2 − x + . 3 6 3 2 6

Ferner gilt ! ! 2 !x − x + !

! %2 ∫1 $ 1 !!2 1 2 x = − x + dx 6! 6 0

∫1 $ =

% x2 1 1 2 − x+x + dx x − 2x + 3 3 36 4

3

0

1 1 1 1 1 1 − + − + + 5 2 9 6 3 36 1 = 180

=

und somit

x2 − x + b3 =  1 180

1 6

% 1 . = 180 x − x + 6 √

$

2

Die orthonormalisierte Basis lautet also $ %% $ √ √ 1 1, 3(2x − 1), 180 x 2 − x + . 6

7.4. Adjungierte Abbildungen und selbstadjungierte Endomorphismen Lemma 7.75. Seien (V, ·, ·V ) und (W, ·, ·W ) endlich-dimensionale euklidische Vektorräume und sei ϕ : V → W linear. Dann gibt es genau eine Abbildung ψ : W → V, so dass ϕ(v), wW = v, ψ(w) V

(7.2)

für alle v ∈ V und w ∈ W. Diese Abbildung ist linear. Beweis. a) Zur Existenz und Eindeutigkeit: Sei w ∈ W fest. Die Abbildung l : V → R, l(v) = ϕ(v), wW ist linear, da ϕ linear ist und das Skalarprodukt im ersten Argument linear ist. Nach Satz 7.50 gibt es genau ein Element z ∈ V mit l(v) = v, zV für alle v ∈ V. Also ist ψ(w) := z die eindeutige Möglichkeit, ψ so zu definieren, dass (7.2) gilt. b) Zur Linearität: Seien w1, w2 ∈ W und α1, α2 ∈ R. Dann gilt für alle v ∈ V: v, ψ(α1 w1 + α2 w2 )V = ϕ(v), α1 w1 + α2 w2 W

380

7. Bilineare Algebra

= α1 ϕ(v), w1 W + α2 ϕ(v), w2 W = α1 v, ψ(w1 )V + α2 v, ψ(w2 )V = v, α1 ψ(w1 ) + α2 ψ(w2 )V . Da ·, ·V nicht ausgeartet ist, folgt ψ(α1 w1 + α2 w2 ) = α1 ψ(w1 ) + α2 ψ(w2 ).



Definition 7.76. Man schreibt für die Abbildung aus Lemma 7.75 ϕ : W → V (statt ψ) und nennt sie die zu ϕ adjungierte Abbildung. Die zu ϕ : V → W adjungierte Abbildung ϕ  : W → V ist also charakterisiert durch ϕ(v), wW = v, ϕ  (w) V für alle v ∈ V und alle w ∈ W. Können wir die darstellenden Matrizen von ϕ  leicht aus denen von ϕ berechnen? Ja, das können wir, jedenfalls bezüglich Orthonormalbasen: wir müssen lediglich die darstellende Matrix transponieren. Proposition 7.77. Seien (V, ·, ·V ) und (W, ·, ·W ) endlich-dimensionale euklidische Vektorräume mit Orthonormalbasen B bzw. B. Sei ϕ : V → W linear. Dann gilt: 

MBB (ϕ  ) = MBB (ϕ) .

Beweis. Sei B = (b1, . . ., bn ) und B = (b1, . . ., bm ). Einerseits gilt für die darstellende Matrix MBB (ϕ) immer m  MBB (ϕ)i j · bi . ϕ(b j ) = i=1

Für Orthonormalbasen gilt wegen Lemma 7.68 andererseits ϕ(b j ) =

m  ;

ϕ(b j ), bi

< W

· bi .

i=1

Also ist Analog ist

; < MBB (ϕ)i j = ϕ(b j ), bi W . < ;  MBB (ϕ  ) ji = ϕ  (bi ), b j V .

7.4. Adjungierte Abbildungen und selbstadjungierte Endomorphismen

381

Es folgt < ; ; < ; <  MBB (ϕ  ) ji = ϕ  (bi ), b j V = b j, ϕ  (bi ) V = ϕ(b j ), bi W = MBB (ϕ)i j .



Definition 7.78. Sei V ein euklidischer Vektorraum. Ein Endomorphismus ϕ ∈ End(V ) heißt selbstadjungiert, wenn ϕ  = ϕ, d.h. falls für alle v, w ∈ V gilt: ϕ(v), w = v, ϕ(w).

Wir erinnern uns daran, dass eine Matrix A ∈ Mat(n, R) symmetrisch heißt, falls A = A. Korollar 7.79. Sei V ein endlich-dimensionaler euklidischer Vektorraum mit Orthonormalbasis B. Ein Endomorphismus ϕ ∈ End(V) ist genau dann selbstadjungiert, wenn die darstellende Matrix MB (ϕ) symmetrisch ist. Beweis. Nach Proposition 7.77 ist MB (ϕ  ) = MB (ϕ) . Also ist ϕ  = ϕ genau dann, wenn MB (ϕ) = MB (ϕ).  Satz 7.80. Sei V ein endlich-dimensionaler euklidischer Vektorraum. Ist ϕ ∈ End(V ) selbstadjungiert, so besitzt V eine Orthonormalbasis bzgl. derer die darstellende Matrix von ϕ eine Diagonalmatrix (mit reellen Diagonaleinträgen) ist. Insbesondere ist ϕ diagonalisierbar. Beweis. Wir führen eine vollständige Induktion nach der Dimension n von V. Für n = 1 ist nichts zu zeigen. Damit ist der Induktionsanfang vollzogen. Induktionsschritt: Sei n ≥ 2. Zwischenbehauptung: ϕ hat einen reellen Eigenwert. Beweis der Zwischenbehauptung: Wählen wir zunächst irgendeine Orthonormalbasis B von V , dann ist die darstellende Matrix A := MB (ϕ) nach Korollar 7.79 symmetrisch. Da ϕ und A dieselben Eigenwerte haben, müssen wir nun zeigen, dass die Matrix A einen reellen Eigenwert hat. Jede komplexe Matrix, und damit auch A, hat wenigstens einen komplexen Eigenwert λ. Wir zeigen, dass λ in unserem Fall, bei einer symmetrischen reellen Matrix, reell sein muss. Sei z ∈ Cn \ {0} ein Eigenvektor von A zum Eigenwert λ. Wir schreiben z = v + iw mit v, w ∈ Rn . Es gilt also (v − iw) · A · (v + iw) = (v − iw) · λ · (v + iw) = λ · (v − iw) · (v + iw) = λ(v 2 + i v, w − i w, v + w 2 ) = λ(v 2 + w 2 ).

(7.3)

382

7. Bilineare Algebra

Wenn wir die Gleichung A · (v + iw) = λ · (v + iw) komplex konjugieren, erhalten wir, da A reell ist, A · (v − iw) = λ¯ · (v − iw). Es folgt, da A symmetrisch ist, (v − iw) · A · (v + iw) = (v − iw) · A · (v + iw) = (A · (v − iw)) · (v + iw) 2 ¯ − iw) · (v + iw) = λ(v ¯ ¯ − iw)) · (v + iw) = λ(v + w 2 ). = (λ(v (7.4) ¯ d.h. λ ∈ R. Vergleichen wir (7.3) und (7.4), so erhalten wir λ = λ,  Nun können wir die Induktion zu Ende führen. Sei v1 ein Eigenvektor zum reellen Eigenwert λ von ϕ mit v1  = 1. Dann ist das orthogonale Komplement von v1 ein ϕ-invarianter Untervektorraum, denn ist v ⊥ v1 , so gilt ϕ(v), v1  = v, ϕ(v1 ) = v, λv1  = λv, v1  = 0, also ϕ(v) ⊥ v1 . Nach Induktionsannahme können wir daher eine Orthonormalbasis (v2, . . ., vn ) von (R · v1 )⊥ finden, die aus Eigenvektoren von ϕ|(R·v1 )⊥ besteht. Dann ist (v1, v2, . . ., vn ) eine solche Orthonormalbasis aus Eigenvektoren für ϕ.  In Aufgabe 7.22 wird ein alternativer, analytischer Beweis der Zwischenbehauptung im obigen Beweis vorgestellt.

7.5. Orthogonale Endomorphismen In diesem Abschnitt sei V stets ein endlich-dimensionaler euklidischer Vektorraum. Definition 7.81. Ein Endomorphismus ϕ ∈ End(V) heißt orthogonal, falls für alle v, w ∈ V gilt: ϕ(v), ϕ(w) = v, w.

Lemma 7.82. Seien ϕ, ψ ∈ End(V ) orthogonale Endomorphismen. Dann gilt für alle v, w ∈ V: (i) ϕ(v) = v. (ii) v ⊥ w ⇒ ϕ(v) ⊥ ϕ(w). (iii) Falls v  0, w  0 ist, so gilt (ϕ(v), ϕ(w)) = (v, w) (orthogonale Endomorphismen sind winkeltreu). (iv) ϕ ist ein Isomorphismus und ϕ−1 ist ebenfalls orthogonal. (v) ϕ ◦ ψ ist orthogonal. (vi) Ist λ ∈ R ein Eigenwert von ϕ, so ist λ = ±1.

7.5. Orthogonale Endomorphismen

383

Da ϕ = id offenbar orthogonal ist, sagen uns (iv) und (v), dass die Menge der orthogonalen Endomorphismen eine Untergruppe von Aut(V ) ist. Definition 7.83. Die Menge der orthogonalen Endomorphismen O(V) := {ϕ ∈ End(V) | ϕ ist orthogonal} heißt orthogonale Gruppe von V. Die Menge der orientierungserhaltenden orthogonalen Endomorphismen SO(V) := {ϕ ∈ O(V) | det(ϕ) > 0} heißt speziell-orthogonale Gruppe von V. Beweis von Lemma 7.82. Aussage (i) folgt direkt aus der Definition mit v = w. Aussage (ii) ist klar, denn v ⊥ w bedeutet v, w = 0. Also ist dann ϕ(v), ϕ(w) = 0, d.h. ϕ(v) ⊥ ϕ(w). Aussage (iii) folgt aus der Definition und aus (i):

$

ϕ(v), ϕ(w) (ϕ(v), ϕ(w)) = arccos ϕ(v) · ϕ(w) % $ v, w (i) = arccos v · w = (v, w).

%

Zu (iv): (i) ϕ ist injektiv, denn für v ∈ ker(ϕ) gilt v = ϕ(v) = 0 = 0 und somit v = 0. Da V endlich-dimensional ist, ist ϕ ein Isomorphismus. Seien v, w ∈ V. Es gilt ϕ−1 (v), ϕ−1 (w) = ϕ(ϕ−1 (v)), ϕ(ϕ−1 (w)) = v, w. Also ist ϕ−1 ebenfalls orthogonal. Zu (v): Es gilt für alle v, w ∈ V : ; < ; < (ϕ ◦ ψ)(v), (ϕ ◦ ψ)(w) = ϕ(ψ(v)), ϕ(ψ(w)) = ψ(v), ψ(w) = v, w. Also ist ϕ ◦ ψ ebenfalls orthogonal. Zu (vi): Sei λ ein Eigenwert von ϕ und v  0 ein zugehöriger Eigenvektor. Dann gilt: v = ϕ(v) = λv = |λ| · v. Also ist |λ| = 1.



384

7. Bilineare Algebra

Eine kleine Warnung: Die Orthogonalprojektion PU zu einem Untervektorraum U ⊂ V ist kein orthogonaler Endomorphismus, denn ker(PU ) = U ⊥ , es sei denn U = V, denn dann ist U ⊥ = {0} und PU = idV . Lemma 7.84. Sei ϕ ∈ End(V). Es ist ϕ genau dann orthogonal, wenn ϕ  ◦ ϕ = id.

Beweis. Nach Definition ist ϕ genau dann orthogonal, wenn für alle v, w ∈ V gilt: v, w = ϕ(v), ϕ(w) = ϕ  (ϕ(v)), w . Da das Skalarprodukt nicht ausgeartet ist, ist das äquivalent zu ϕ  (ϕ(v)) = v für alle v ∈ V, d.h. zu ϕ  ◦ ϕ = id.  Korollar 7.85. Sei ϕ ∈ O(V). Dann gilt det(ϕ) = ±1. Beweis. Wir berechnen: 1 = det(id) = det(ϕ  ◦ ϕ) = det(ϕ  ) · det(ϕ) = det(ϕ)2 . Dabei folgt det(ϕ  ) = det(ϕ) aus Proposition 7.77 und der Tatsache, dass sich die Determinante einer Matrix durch Transponieren nicht ändert.  Lemma 7.84 sagt uns auch, wie man der darstellenden Matrix eines Endomorphismus ansieht, ob er orthogonal ist. Ein Endomorphismus ϕ von V ist genau dann orthogonal, wenn für die darstellende Matrix A bzgl. einer (oder äquivalent, jeder) Orthonormalbasis gilt: A · A = 1 n . Definition 7.86. Eine Matrix A ∈ Mat(n, R) heißt orthogonal, falls A · A = 1n . Hat die Matrix A zusätzlich positive Determinante, so heißt sie speziell-orthogonal. Wir schreiben: O(n) := {A ∈ Mat(n, R) | A · A = 1n } und SO(n) := {A ∈ O(n) | det(A) > 0}.

Wir haben gesehen: Ist B eine Orthonormalbasis, so ist ϕ ∈ O(V ) genau dann, wenn MB (ϕ) ∈ O(n) ist. Analoges gilt, wenn wir O durch SO ersetzen.

7.5. Orthogonale Endomorphismen

385

Lemma 7.87. Ist A ∈ Mat(n, R), so sind äquivalent: (1) A ist orthogonal. (2) A ist orthogonal. (3) Die Spalten von A bilden eine Orthonormalbasis von Rn bezüglich des Standardskalarproduktes. (4) Die Transponierten der Zeilen von A bilden eine Orthonormalbasis von Rn bezüglich des Standardskalarproduktes.

Beweis. Zu „(1) ⇔ (3) “:  Wir schreiben A = (b1, . . . , bn ). Der i- j-te Eintrag von A · A ist dann bi ·b j . Also ist A · A = 1n  genau dann, wenn für alle i und j gilt bi, b j  = bi · b j = δi j . Das heißt gerade, dass (b1, . . . , bn ) eine Orthonormalbasis ist. Zu „(1) ⇔ (2) “: Sei A orthogonal. Dann gilt A · A = 1n . Also ist A−1 = A . Wir schließen (A ) · A = A · A = A · A−1 = 1n . Also ist auch A orthogonal. Ist umgekehrt A orthogonal, dann folgt nach dem eben bewiesenen, dass auch A = (A ) orthogonal ist. Zu „(1) ⇔ (4)“:

(1) ⇔ (3)

Wir haben folgende Äquivalenzen: A ist orthogonal ⇔ A ist orthogonal ⇐⇒ Die Spaltenvektoren von A bilden eine Orthonormalbasis von Rn ⇔ Die Transponierten der Zeilenvektoren von A bilden eine Orthonormalbasis von Rn .  Beispiel 7.88. In Dimension n = 1 sind die orthogonalen Endomorphismen nicht sonderlich interessant. Es gilt nämlich: A = (a) ist orthogonal ⇔ (a2 ) = A · A = 11 = (1) ⇔ a2 = 1 ⇔ a = ±1. Also ist O(1) = {(1), (−1)} und SO(1) = {(1)} die triviale Gruppe. Beispiel 7.89. In Dimension n = 2 haben wir die orthogonalen Matrizen bereits ausführlich untersucht. Nach den Ergebnissen aus Abschnitt 5.3 sind die speziell-orthogonalen Endomorphismen genau die Drehungen (um den Ursprung) und bei den orthogonalen kommen noch Spiegelungen (an Achsen, die durch den Ursprung gehen) hinzu: SO(2) = {Rθ | θ ∈ R} und O(2) = SO(2) ∪ {Sθ | θ ∈ R}. Frage: Wie sehen die orthogonalen Matrizen in Dimension n ≥ 3 aus? Zunächst einige allgemeine Überlegungen.

386

7. Bilineare Algebra

Lemma 7.90. Ist ϕ ∈ O(V) und ist W ⊂ V ein ϕ-invarianter Untervektorraum, dann ist W ⊥ ebenfalls ein ϕ-invarianter Untervektorraum. Beweis. Sei W ein ϕ-invarianter Untervektorraum. Dann ist ϕ(W) ⊂ W. Da ϕ ein Isomorphismus ist und W endliche Dimension hat, gilt ϕ(W) = W. Sei nun v ∈ W ⊥ . Zu zeigen ist, dass ϕ(v) ∈ W ⊥ . Das bedeutet, ϕ(v), w = 0 für alle w ∈ W. Sei also w ∈ W beliebig. Setze w := ϕ−1 (w). Wegen ϕ(W) = W ist w ∈ W. Nun ist ϕ(v), w = ϕ(v), ϕ(w) =  v , w  = 0. ()*+ ()*+ ∈W ⊥



∈W

Lemma 7.91. Ist ϕ ∈ O(V), so besitzt V einen ϕ-invarianten Untervektorraum W der Dimension 1 oder 2. Beweis. a) Setze ψ := ϕ + ϕ−1 ∈ End(V). Dann gilt für alle v, w ∈ V: ψ(v), w = ϕ(v), w + ϕ−1 (v), w = ϕ−1 (ϕ(v)), ϕ−1 (w) + ϕ(ϕ−1 (v)), ϕ(w) = v, ϕ−1 (w) + v, ϕ(w) = v, ψ(w). Also ist ψ selbstadjungiert. Nach Satz 7.80 gibt es dann eine Orthonormalbasis B = (b1, . . ., bn ) von V mit ψ(b j ) = λ j b j mit λ j ∈ R. b) Setze W := span{b1, ϕ(b1 )}. Dann ist W eindimensional oder zweidimensional, je nachdem ob ϕ(b1 ) ein Vielfaches von b1 ist oder nicht. Bleibt noch zu zeigen, dass W ϕ-invariant ist. Wegen ϕ(μb1 + νϕ(b1 )) = μϕ(b1 ) +νϕ2 (b1 ) ()*+ ∈W

ist nur zu zeigen, dass

ϕ2 (b

1)

∈ W. Nun gilt

ϕ2 (b1 ) = ϕ(ϕ(b1 ) + ϕ−1 (b1 ) − ϕ−1 (b1 )) = ϕ(ψ(b1 )) − ϕ(ϕ−1 (b1 )) = ϕ(λ1 b1 ) − b1 = λ1 ϕ(b1 ) − b1 ∈ W .



7.5. Orthogonale Endomorphismen

387

Korollar 7.92. Ist ϕ ∈ O(V ), so besitzt V eine Zerlegung V = W1 ⊕ . . . ⊕ Wm , wobei alle Wi ϕ-invariant sind und dim(Wi ) ∈ {1, 2} gilt. Alle Wi stehen aufeinander senkrecht. Beweis. Wir führen den Beweis durch vollständige Induktion nach n = dim(V ). Für n = 1 oder n = 2 ist nichts zu zeigen. Sei n ≥ 3. Nach Lemma 7.91 besitzt V einen ϕ-invarianten Untervektorraum W1 der Dimension 1 oder 2. Wegen Lemma 7.90 ist W1⊥ ebenfalls ϕ-invariant. Die Induktionsannahme für ϕ|W1⊥ : W1⊥ → W1⊥ liefert eine orthogonale Zerlegung W1⊥ = W2 ⊕ . . . ⊕ Wm in ein- oder zweidimensionale ϕ-invariante Untervektorräume. Dann haben wir mit V = W1 ⊕ W1⊥ = W1 ⊕ W2 ⊕ . . . ⊕ Wm die gewünschte Zerlegung gefunden.  Satz 7.93. Sei V ein endlich-dimensionaler euklidischer Vektorraum. Ist ϕ ∈ O(V), so gibt es eine Orthonormalbasis B von V bzgl. derer die darstellende Matrix von ϕ die Blockdiagonalform 1

..  .    1   −1   ..  . MB (ϕ) =   −1    R θ1   . ..  

Rθ k 

hat, wobei θ j ∈ R. Beweis. Gemäß Korollar 7.92 zerlegen wir V in ϕ-invariante Untervektorräume der Dimension 1 oder 2, V = W1 ⊕ . . . ⊕ Wm . Für jede Basis von V, die aus Basen dieser Untervektorräume zusammengesetzt ist, hat dann die darstellende Matrix dann Blockdiagonalform mit 1 × 1- und 2 × 2-Blöcken auf der Diagonale. Wie wir in Beispiel 7.88 gesehen haben, müssen die 1×1-Blöcke eine 1 oder eine −1 enthalten. Die 2 × 2-Blöcke enthalten nach Beispiel 7.89 entweder Drehmatrizen der Form Rθ oder Spiegelungsmatrizen der Form Sθ . Spiegelungsmatrizen sind nach Beispiel 4.47 diagonalisierbar mit einem Eigenwert 1 und einem Eigenwert −1. Der zugehörige Untervektorraum W j lässt sich also in zwei eindimensionale ϕ-invariante Untervektorräume zerlegen, die zu einer 1 und einer −1 auf der Diagonale führen. Indem man die Reihenfolge der Summanden in der Zerlegung von V notfalls ändert, kann man erreichen, dass die Blöcke in der angegebenen Reihenfolge auftreten, also zunächst die Einsen,

388

7. Bilineare Algebra

dann die −Einsen und schließlich die Drehblöcke.



Umgekehrt erfüllen natürlich alle Matrizen der Form wie in Satz 7.93 die Bedingung A A = 1n , sind also Elemente von O(n). Beispiel 7.94. In Dimension n = 3 haben wir:   1 0 0

0 1 0 = 1 0 ,  0 R0 0 0 1

    1 0 0 −1 0 0



0 −1 0  = 1 0 und 0 −1 0  = −1 0 .   0 Rπ 0 Rπ 0 0 −1 0 0 −1

  −1 0 0 1 0 0



−1 0 . Ferner ist 0 1 0  ähnlich zu 0 1 0 = 0 R0 0 0 1 0 0 −1   Im Wesentlichen treten also nur die beiden Fälle auf:     1 0 −1 0 oder MB (ϕ) = . MB (ϕ) = 0 Rθ 0 Rθ Der erste Fall liegt dann vor, wenn det(ϕ) = 1 ist, d.h. wenn ϕ orientierungserhaltend ist, der zweite, wenn det(ϕ) = −1 ist, d.h. wenn ϕ orientierungsumkehrend ist. Ist ϕ orientierungserhaltend und ist B = (b1, b2, b3 ) diejenige Orthonormalbasis von V, für die   1 0 gilt, so heißt die Gerade R · b1 = Eig(ϕ, 1) Drehachse von ϕ. Der Winkel θ MB (ϕ) = 0 Rθ heißt Drehwinkel von ϕ.

b1 b2 b3

θ

Abb. 119 Orientierungserhaltende orthogonale Abbildung in 3 Dimensionen

Wir setzen 1 0 0

R1 (θ) := 0 cos(θ) − sin(θ) 0 sin(θ) cos(θ) 

und

cos(θ) 0 − sin(θ)

R2 (θ) := 0 1 0  . sin(θ) 0 cos(θ) 

7.5. Orthogonale Endomorphismen

389

Der folgende Satz besagt, dass jede orientierungserhaltende orthogonale Abbildung im R3 aus diesen Drehungen um die e1 -Achse und um die e2 -Achse zusammengesetzt werden kann. Satz 7.95. Es gilt: SO(3) = {R1 (α) · R2 (β) · R1 (γ) | α, β, γ ∈ R}.

Beweis. Die Inklusion „⊃“ ist klar, denn R1 (α), R2 (β), R1 (γ) ∈ SO(3). Zur Inklusion „⊂“: Sei A ∈ SO(3). Wir schreiben A = (a1, a2, a3 ). Wir drehen den ersten Spaltenvektor a1 um die e1 -Achse so, dass er in der e1 -e3 -Ebene zu liegen kommt. In anderen ∗

Worten, wir wählen den Drehwinkel α ∈ R so, dass R1 (−α) · a1 von der Form R1 (−α) · a1 = 0 ∗ ∗ ∗ ∗

ist. Dann ist also R1 (−α) · A = 0 ∗ ∗ und somit ∗ ∗ ∗

∗ 0 ∗



∗ ∗ ∗ = R1 (−α) · A  = A · R1 (−α) = A · R1 (α) =: (b1, b2, b3 ).  ∗ ∗ ∗  Der zweite neue Spaltenvektor b2 ist ein Einheitsvektor (da die Spalten der Matrix eine Orthonormalbasis bilden) und liegt in der e2 -e3 -Ebene. Er kann daher so um die e1 -Achse gedreht werden, dass er auf e2 abgebildet wird. In anderen Worten, wir können den Drehwinkel γ so wählen, dass R1 (γ)b2 = e2 . Dann ist ∗ 0 ∗

R1 (γ) · A · R1 (α) = ∗ 1 ∗ =: (c1, c2, c3 ). ∗ 0 ∗ ∗

Da c1 ⊥ c2 = e2 gilt, muss c1 von der Form c1 = 0 sein; Gleiches gilt für c3 . Somit ergibt ∗ sich ∗ 0 ∗

R1 (γ) · A · R1 (α) = 0 1 0 . ∗ 0 ∗ Nun bildet (c1, c3 ) eine Orthonormalbasis der e1 -e3 -Ebene. Wir wählen β ∈ R so, dass

390

7. Bilineare Algebra

R2 (β)c1 = e1 . Dann muss R2 (β)c3 = ±e3 sein. Damit ist schon mal 1 0 0

R2 (β) · R1 (γ) · A · R1 (α) = 0 1 0  . 0 0 ±1 

Da diese Matrix aus SO(3) ist und daher positive Determinante haben muss, gilt tatsächlich 1 0 0

R2 (β) · R1 (γ) · A · R1 (α) = 0 1 0 . 0 0 1 Es folgt A−1 = A = R1 (γ)−1 · R2 (β)−1 · R1 (α)−1 und somit A = R1 (α) · R2 (β) · R1 (γ).



Definition 7.96. Die Zahlen α, β, γ heißen Euler’sche Winkel von A = R1 (α)R2 (β)R1 (γ). Bemerkung 7.97. Im Allgemeinen sind die Euler’schen Winkel nicht eindeutig durch A bestimmt. Im Fall β = 0 zum Beispiel können wir α und γ folgendermaßen abändern ohne die Matrix zu ändern: A= = = = = =

R1 (α)R2 (0)R1 (γ) R1 (α)R1 (γ) R1 (α + γ) R1 (α + δ − δ + γ) R1 (α + δ)R1 (γ − δ) R1 (α + δ)R2 (0)R1 (γ − δ).

Korollar 7.98. Sei A ∈ O(n). Dann existiert ein T ∈ O(n), so dass T −1 · A · T die Blockdiagonalform wie in Satz 7.93 hat.

Beweis. Die Matrix A ist darstellende Matrix eines orthogonalen Endomorphismus bzgl. der Standardbasis. Nach Satz 7.93 gibt es eine Orthonormalbasis von Rn , bzgl. derer die darstellende die gewünschte Form hat. Die Transformationsmatrix T liegt wegen Lemma 7.87 in O(n). 

7.6. Unitäre Vektorräume und Endomorphismen

391

Analog folgt aus Satz 7.80: Korollar 7.99. Sei A ∈ GL(n, R) symmetrisch. Dann existiert ein T ∈ O(n), so dass T −1 · A·T eine Diagonalmatrix ist. Insbesondere ist A diagonalisierbar. 

7.6. Unitäre Vektorräume und Endomorphismen Euklidische Vektorräume und selbstadjungierte sowie orthogonale Abbildungen haben stets R als zugrundeliegenden Körper erfordert. In diesem Abschnitt behandeln wir die analogen Konzepte für komplexe Vektorräume. Widmen wir uns zunächst dem Skalarprodukt. Wir können jetzt nicht mehr mit Bilinearformen arbeiten, weil wir dann nicht zu einer vernünftigen Norm kämen. Der Grund ist im Wesentlichen der, dass für komplexe Zahlen z das Quadrat z 2 nicht reell, geschweige denn positiv zu sein braucht. Statt dessen ist aber z¯ z = |z| 2 positiv für alle z ∈ C \ {0}. Daher machen wir folgende Definition: Definition 7.100. Sei V ein komplexer Vektorraum. Eine Abbildung h :V ×V → C heißt Sesquilinearform, falls für alle α, β ∈ C und für alle v, v1, v2, w, w1, w2 ∈ V gilt: ¯ 2, w), h(αv1 + βv2, w) = αh(v ¯ 1, w) + βh(v h(v, αw1 + βw2 ) = αh(v, w1 ) + βh(v, w2 ) . Eine Sesquilinearform heißt hermitesch, falls für alle v, w ∈ V gilt: h(v, w) = h(w, v) . Eine hermitesche Sequilinearform heißt positiv definit, falls für alle v ∈ V \ {0} gilt: h(v, v) > 0 .

Insbesondere muss h(v, v) stets reell sein. Eine Sesquilinearform h ist zwar C-linear im zweiten Argument, nicht aber im ersten, da hier Skalare konjugiert komplex vorgezogen werden. Man sagt dann auch, dass h C-antilinear im ersten Argument ist. Beispiel 7.101. Auf V = Cn definiert h(v, w) =

n  i=1

v¯i · wi

392

7. Bilineare Algebra

eine hermitesche Sesquilinearform. Es gilt für alle v  0: h(v, v) =

n 

v¯i · vi =

i=1

n 

|vi | 2 > 0 .

i=1

Somit ist h positiv definit. Man bezeichnet dieses h als die Standard-Sesquilinearform auf Cn . Wie im euklidischen Fall können wir wegen der positiven Definitheit durch v :=



h(v, v)

die Norm von v definieren. Beispiel 7.102. Auf V = C 0 ([0, 2π], C) definieren wir ∫2π f (t) · g(t) dt .

h( f , g) = 0

Wie in Beispiel 7.55 sieht man, dass hierdurch ein hermitesches Skalarprodukt auf dem unendlich-dimensionalen komplexen Vektorraum C 0 ([0, 2π], C) gegeben ist. Definition 7.103. Eine positiv definite, hermitesche Sesquilinearform h auf einem CVektorraum V heißt hermitesches Skalarprodukt. Ein Paar (V, h) bestehend aus einem C-Vektorraum V und einem hermiteschen Skalarprodukt h auf V heißt unitärer Vektorraum. Unitäre Vektorräume haben ganz analoge Eigenschaften wie die euklidischen Vektorräume. In der Tat brauchen wir das nicht nochmals neu zu beweisen, sondern werden den unitären Fall auf den euklidischen zurückführen. Jeden komplexen Vektorraum V können wir auch als reellen Vektorraum auffassen, indem wir die Multiplikation von Skalaren mit Vektoren C × V → V einfach auf R × V → V einschränken. Wollen wir verdeutlichen, dass wir V als reellen Vektorraum betrachten, d.h. nur noch reelle Skalare zulassen, dann schreiben wir statt V auch VR . Man nennt dann VR auch die Reellifizierung von V . Man beachte, dass V und VR als Mengen übereinstimmen. Lemma 7.104. Sei (V, h) ein unitärer Vektorraum. Dann wird durch v, w := Re(h(v, w)) ein euklidisches Skalarprodukt auf VR definiert.

7.6. Unitäre Vektorräume und Endomorphismen

393

Beweis. Für v1, v2, w ∈ V und reelle(!) Skalare α, β gilt αv1 + βv2, w = Re(h(αv1 + βv2, w)) ¯ 2, w)) = Re(αh(v ¯ 1, w) + βh(v = Re( α h(v1, w)) + Re( β h(v2, w)) ()*+ ()*+ ∈R

∈R

= αRe(h(v1, w)) + βRe(h(v2, w)) = α v1, w + β h(v2, w . Die R-Lineariät im zweiten Argument sieht man ähnlich. Die Symmetrie folgt aus v, w = Re(h(v, w)) = Re(h(w, v)) = w, v und die positive Definitheit aus v, v = Re(h(v, v)) = h(v, v) > 0 für v  0.



Wir nennen ·, · das von dem hermiteschen Skalarprodukt h induzierte euklidische Skalarprodukt von VR . Nun können wir die Eigenschaften euklidischer Vektorräume auf unitäre Vektorräume übertragen. Proposition 7.105. Sei (V, h) ein unitärer Vektorraum. Dann gilt für alle v, w ∈ V und α ∈ C: (i) v ≥ 0 und v = 0 genau dann, wenn v = 0. (ii) α · v = |α| · v. (iii) (Cauchy-Schwarz-Ungleichung) |h(v, w)| ≤ v · w und Gleichheit gilt genau dann, wenn v und w komplex-linear abhängig sind. (iv) (Dreiecksungleichung) v + w ≤ v + w.

Beweis. Da die Norm  ·  von h dieselbe ist wie die des induzierten euklidischen Skalarprodukts ·, ·, folgen (i) und (iv) direkt aus Proposition 7.57 (i) und (ii) bzw. aus Korollar 7.59.

394

7. Bilineare Algebra

Aussage (ii) rechnen wir wieder direkt nach: ¯ v) = |α| 2 · v 2 . α · v 2 = h(α · v, α · v) = ααh(v, Bleibt (iii) zu zeigen. Wir schreiben die komplexe Zahl h(v, w) in Euler’scher Darstellung, h(v, w) = |h(v, w)| · eiϕ , wobei ϕ ∈ R ;das Argument ist. Also ist |h(v, w)| = e−iϕ h(v, w) = < iϕ iϕ iϕ h(e v, w) reell und somit h(e v, w) = e v, w . Es folgt unter Benutzung von Satz 7.58 und Teilaussage (ii): ; < |h(v, w)| = eiϕ v, w ≤ eiϕ v · w = |eiϕ | · v · w = v · w . Gilt Gleichheit, so muss w nach Satz 7.58 ein reelles Vielfaches von eiϕ v sein (oder umgekehrt). Dann ist w ein komplexes Vielfaches von v (oder umgekehrt). Also sind v und w komplex-linear abhängig. Sind umgekehrt v und w komplex-linear abhängig, so rechnet man genau wie im reellen Fall direkt nach, dass Gleichheit gilt.  Definition 7.106. Sei (V, h) ein endlich-dimensionaler unitärer Vektorraum. Eine Basis B = (b1, . . . , bn ) von V (als komplexer Vektorraum) heißt Orthonormalbasis, falls für alle j, k = 1, . . ., n gilt h(b j, b k ) = δ j k . Allgemeiner heißt ein Tupel (v1, . . . , vm ) von Vektoren aus V ein Orthonormalsystem, wenn für alle j und k gilt: h(v j, vk ) = δ j k . ∫ 2π Beispiel 7.107. Sei V = C 0 ([0, 2π], C) und h( f , g) = 0 f¯(t)g(t)dt wie in Beispiel 7.102. Für j ∈ Z definieren wir 1 f j (t) := √ ei jt . 2π Dann gilt für j  k 1 h( f j, fk ) = 2π

∫2π e

1 e dt = 2π

−i jt ikt

∫2π

0

i(k− j)t

e 0

und 1 h( f j, f j ) = 2π

$ % 2π 1 ei(k− j)t  dt = =0 2π i(k − j) t=0

∫2π ei·0·t dt = 1. 0

Also bildet { f j | j ∈ Z} sogar ein unendliches Orthonormalsystem. In Definition 7.106 hatten wir nur endlich-dimensionale Vektorräume und endliche Orthonormalsysteme zugelassen. Ist V ein endlich-dimensionaler komplexer Untervektorraum von C 0 ([0, 2π], C), dann ist jedes Tupel, das f j ’s enthält, die in V liegen, ein Orthonormalsystem im Sinne von Definition 7.106. Dieses Beispiel ist in der Analysis im Zusammenhang mit Fourier-Reihen wichtig.

7.6. Unitäre Vektorräume und Endomorphismen

395

Bemerkung 7.108. Orthogonalprojektionen sind für komplexe Untervektorräume von unitären Vektorräumen V genauso definiert wie im euklidischen Fall in Definition 7.72. Das Gram-Schmidt-Verfahren funktioniert ebenfalls genauso: Ist (v1, . . . , vn ) eine komplexe Basis von V, dann erhalten wir durch vk+1 −

v1 b1 := , v1 

b k+1 := vk+1 −

k  j=1 k  j=1

h(b j, vk+1 )b j h(b j, vk+1 )b j 

sukzessive eine Orthonormalbasis. Das Analogon zu den orthogonalen Endomorphismen sind die unitären Endomorphismen. Definition 7.109. Sei (V, h) ein endlich-dimensionaler unitärer Vektorraum. Ein Endomorphismus ϕ ∈ End(V) heißt unitär, falls für alle v, w ∈ V gilt: h(ϕ(v), ϕ(w)) = h(v, w) .

(7.5)

Lemma 7.110. Sei (V, h) ein endlich-dimensionaler unitärer Vektorraum. Seien ϕ, ψ ∈ End(V ) unitäre Endomorphismen. Dann gilt für alle v, w ∈ V: (i) ϕ ist als Endomorphismus von (VR, ·, ·) orthogonal. (ii) ϕ(v) = v. (iii) Falls v  0, w  0 ist, so gilt (ϕ(v), ϕ(w)) = (v, w) (unitäre Endomorphismen sind winkeltreu). (iv) ϕ ist ein Isomorphismus und ϕ−1 ist ebenfalls unitär. (v) ϕ ◦ ψ ist unitär. (vi) Ist λ ∈ C ein Eigenwert von ϕ, so ist |λ| = 1. (vii) |det(ϕ)| = 1.

Beweis. Aussage (i) erhält man, indem man in (7.5) Realteile nimmt und beachtet, dass Clineare Abbildungen insbesondere auch R-linear sind. Damit folgen (ii) und (iii) sofort aus Lemma 7.82. Aus Lemma 7.82 wissen wir außerdem, dass ϕ bijektiv, d.h. ein Isomorphismus ist. Dass ϕ−1 wieder unitär ist, folgt indem man (7.5) auf v = ϕ−1 (v ) und w = ϕ−1 (w) für beliebige v , w ∈ V anwendet. Damit ist (iv) gezeigt. Aussage (v) folgt analog zum orthogonalen Fall durch zweimaliges Anwenden von (7.5).

396

7. Bilineare Algebra

Sei schließlich λ ∈ C ein Eigenwert von ϕ und v ∈ V \ {0} ein zugehöriger Eigenvektor. Dann gilt: ¯ h(v, v) = h(ϕ(v), ϕ(v)) = h(λv, λv) = λλh(v, v) = |λ| 2 h(v, v). Wir dividieren durch die positive Zahl h(v, v) und erhalten |λ| = 1. Dies beweist (vi). Da über C das charakteristische Polynom stets in Linearfaktoren zerfällt, ist die Determinante von ϕ das Produkt der Eigenwerte. Also folgt (vii) aus (vi).  Da ϕ = id offenbar unitär ist, sagen uns (iv) und (v), dass die Menge der unitären Endomorphismen eine Untergruppe von Aut(V) ist. Definition 7.111. Die Menge der unitären Endomorphismen U(V ) := {ϕ ∈ End(V) | ϕ ist unitär} heißt unitäre Gruppe von V. Die Menge SU(V) := {ϕ ∈ U(V ) | det(ϕ) = 1} heißt speziell-unitäre Gruppe von V . Aufgrund des Determinantenmultiplikationssatzes 4.75 ist klar, dass SU(V ) eine Untergruppe von U(V) ist. Wie sieht man einer darstellenden Matrix MB (ϕ) von ϕ an, ob ϕ unitär ist? Wieder müssen wir ϕ bzgl. einer Orthonormalbasis B von V darstellen. Dieselbe Überlegung wie für orthogonale Abbildungen zeigt: Ist A = MB (ϕ) die darstellende Matrix von ϕ bzgl. B, so ist ϕ genau dann unitär, wenn x¯  · A¯  · A· y = x¯  · y für alle x, y ∈ Cn gilt. Mit x¯ bzw. A¯ ist gemeint, dass alle Einträge konjugiert-komplex zu nehmen sind. Die Konjugation kommt daher, dass in einem hermiteschen Skalarprodukt Skalare im ersten Argument konjugiert-komplex vorgezogen werden können. Das ist äquivalent zu A¯  · A = 1n . Fazit: Ein Endomorphismus ϕ von V ist genau dann unitär, wenn für die darstellende Matrix A bzgl. einer (oder äquivalent, jeder) Orthonormalbasis gilt: A¯  · A = 1n . Definition 7.112. Eine Matrix A ∈ Mat(n, C) heißt unitär, falls A¯  · A = 1n . Hat die Matrix A zusätzlich Determinante = 1, so heißt sie speziell-unitär. Wir schreiben: U(n) := {A ∈ Mat(n, C) | A¯  · A = 1n } und SU(n) := {A ∈ U(n) | det(A) = 1}.

7.6. Unitäre Vektorräume und Endomorphismen

397

Es gilt also: Ist B eine Orthonormalbasis, so ist ϕ ∈ U(V) genau dann, wenn MB (ϕ) ∈ U(n) ist. Analoges gilt, wenn wir U durch SU ersetzen. Beispiel 7.113. Für n = 1 gilt: U(1) = {A ∈ Mat(1, C) | A¯  A = 11 } = {(a) | a ∈ C, aa ¯ = 1} = {(a) | a ∈ C, |a| = 1} und SU(1) = {11 } ist die triviale Gruppe. Satz 7.114. Sei (V, h) ein endlich-dimensionaler unitärer Vektorraum und ϕ ∈ U(V). Dann existiert eine Orthonormalbasis von V bestehend aus Eigenvektoren von ϕ. Insbesondere ist ϕ diagonalisierbar. Beweis. Wir zeigen die Aussage durch vollständige Induktion nach der Dimension n von V . Für n = 1 sei b1 ∈ V ein beliebiger Vektor in V mit b1  = 1. Dann ist B = (b1 ) eine Orthonormalbasis von V und da ϕ den Vektor b1 wieder nach V abbildet, also auf ein Vielfaches von b1 , ist b1 auch ein Eigenvektor von ϕ. Damit ist der Induktionsanfang vollzogen. Für den Induktionsschritt sei n > 1. Nach dem Fundamentalsatz der Algebra hat das charakteristische Polynom von ϕ Nullstellen, d.h. ϕ besitzt Eigenwerte. Sei b1 ein Eigenvektor von ϕ. Indem wir notfalls durch b1  teilen können wir o.B.d.A. annehmen, dass b1  = 1. Wir definieren W := (C · b1 )⊥ . Dann ist V = C · b1 ⊕ W und man überprüft leicht, dass W ein ϕ-invarianter C-Untervektorraum von V ist. Mit ϕ ist auch ϕ|W unitär. Nach Induktionsannahme können wir eine Orthonormalbasis (b2, . . . , bn ) von W bestehend aus Eigenvektoren von ϕ|W finden. Dann ist (b1, b2, . . ., bn ) eine Orthonormalbasis von V aus Eigenvektoren von ϕ. Dieser Satz zusammen mit Lemma 7.110 (vi) besagt also, dass ein unitärer Endomorphismus bzgl. einer geeigneten Orthonormalbasis durch eine Diagonalmatrix dargestellt wird, deren Diagonaleinträge lauter komplexe Zahlen vom Betrag 1 sind. Umgekehrt erfüllen alle solchen Matrizen natürlich A¯  A = 1n , sind also Elemente von U(n). Befassen wir uns noch kurz mit selbstadjungierten Endomorphismen eines unitären Vektorraums. Lemma 7.115. Sei (V, h) ein unitärer Vektorraum und ϕ ∈ End(V). Sei ·, · das induzierte euklidische Skalarprodukt auf VR . Dann sind äquivalent: (1) h(ϕ(v), w) = h(v, ϕ(w)) für alle v, w ∈ V. (2) ϕ(v), w = v, ϕ(w) für alle v, w ∈ V .

Es spielt für die Selbstadjungiertheitsbedingung also keine Rolle, ob wir sie bzgl. des hermiteschen Skalarprodukts h oder des euklidischen Skalarprodukts ·, · verlangen. Man beachte

398

7. Bilineare Algebra

allerdings, dass ϕ hier als Endomorphismus des komplexen Vektorraums V vorausgesetzt wurde, also als komplex-linear. Beweis. Die Implikation „(1)⇒(2)“ ist klar; wir nehmen einfach die Realteile in (1). Wir zeigen „(2)⇒(1)“. Seien v, w ∈ V. Wir müssen noch Im(h(ϕ(v), w)) = Im(h(v, ϕ(w))) überprüfen. Wir rechnen dies folgendermaßen nach: Im(h(ϕ(v), w)) = Re((−i) · h(ϕ(v), w)) = Re(h(iϕ(v), w)) = Re(h(ϕ(iv), w)) = ϕ(iv), w = iv, ϕ(w) = Re(h(iv, ϕ(w))) = Re((−i) · h(v, ϕ(w))) = Im(h(v, ϕ(w))) .



Sei nun A = MB (ϕ) die darstellende Matrix eines (komplexen) Endomorphismus von V bzgl. einer (komplexen) Orthonormalbasis B. Setze n := dim(V). Dann ist ϕ genau dann selbstadjungiert, wenn für alle x, y ∈ Cn gilt x¯  · A¯  · y = x¯  · A · y, d.h. genau dann, wenn A = A¯  . Proposition 7.116. Sei (V, h) ein endlich-dimensionaler unitärer Vektorraum und ϕ ∈ End(V) selbstadjungiert. Dann sind alle Eigenwerte von ϕ reell. Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten stehen stets aufeinander senkrecht. Beweis. Sei λ ∈ C ein Eigenwert von ϕ und v ∈ V \ {0} ein zugehöriger Eigenvektor. Dann gilt ¯ λh(v, v) = h(λv, v) = h(ϕ(v), v) = h(v, ϕ(v)) = h(v, λv) = λh(v, v) . Wir dividieren durch die positive Zahl h(v, v) und erhalten λ¯ = λ, d.h. λ ist reell. Seien nun v und w Eigenvektoren zu den Eigenwerten λ bzw. μ mit λ  μ. Dann gilt λh(v, w) = h(λv, w) = h(ϕ(v), w) = h(v, ϕ(w)) = h(v, μw) = μh(v, w). Wegen λ  μ folgt h(v, w) = 0.



Genau derselbe Beweis wie der von Satz 7.114 zeigt den folgenden Satz: Satz 7.117. Sei (V, h) ein endlich-dimensionaler unitärer Vektorraum und ϕ ∈ End(V) selbstadjungiert. Dann gibt es eine Orthonormalbasis von V bestehend aus Eigenvektoren von ϕ. Insbesondere ist ϕ diagonalisierbar. 2

7.7. Schiefsymmetrische Endomorphismen

399

7.7. Schiefsymmetrische Endomorphismen Definition 7.118. Sei (V, ·, ·) ein euklidischer Vektorraum und ϕ ∈ End(V ). Wir nennen ϕ schiefsymmetrisch oder auch antisymmetrisch, falls für alle v, w ∈ V gilt: ϕ(v), w = − v, ϕ(w) . Die Menge aller schiefsymmetrischen Endomorphismen von V bezeichnen wir mit o(V). Beispiel 7.119. Sei V = R3 versehen mit dem Standardskalarprodukt. Wir fixieren einen Vektor b ∈ R3 mit b = 1. Den Endomorphismus ϕ ∈ End(R3 ) definieren wir mit Hilfe des Vektorprodukts: ϕ(v) := b × v. Wegen der Linearität des Vektorprodukts im zweiten Argument (Satz 5.47 (iii)) ist ϕ linear, also ein Endomorphismus von R3 . Zweimalige Anwendung von Satz 5.47 (i) liefert für alle v, w ∈ R3 : ϕ(v), w = b × v, w = det(b, v, w) = − det(b, w, v) = − b × w, v = − v, b × w = − v, ϕ(w) . Also ist ϕ schiefsymmetrisch. Bemerkung 7.120. Man sieht sofort, dass o(V ) stets ein Untervektorraum von End(V) ist. So ist nämlich der Nullendomorphismus sicherlich schiefsymmetrisch und die Bilinearität des Skalarprodukts stellt sicher, dass mit ϕ1 und ϕ2 auch jede Linearkombination von ϕ1 und ϕ2 wieder schiefsymmetrisch ist. Es gilt aber noch mehr: Mit ϕ, ψ ∈ o(V ) ist auch der Kommutator [ϕ, ψ] := ϕ ◦ ψ − ψ ◦ ϕ wieder in o(V ). Wir rechnen dies nach: [ϕ, ψ](v), w = ϕ(ψ(v)), w − ψ(ϕ(v), w = − ψ(v), ϕ(w) + ϕ(v), ψ(w) = v, ψ(ϕ(w)) − v, ϕ(ψ(w)) = − v, [ϕ, ψ](w) . Untervektorräume von End(V ), die zusätzlich auch den Kommutator von je zwei ihrer Element wieder enthalten, sind in der Mathematik als Liealgebren bekannt. Genauer sind sie Lieunteralgebren von End(V). Die Menge o(V ) der schiefsymmetrischen Endomorphismen eines euklidischen Vektorraums ist also eine Liealgebra. Für den Kommutator gilt die JacobiIdentität, siehe Aufgabe 7.28.

400

7. Bilineare Algebra

Bemerkung 7.121. Dieselben Überlegungen wie für selbstadjungierte, orthogonale und unitäre Endomorphismen zeigen uns auch, wie man der darstellenden Matrix von ϕ ansieht, ob ϕ schiefsymmetrisch ist. Sei B eine Orthonormalbasis des endlich-dimensionalen euklidischen Vektorraums V und A = MB (ϕ) die darstellende Matrix des Endomorphismus ϕ ∈ End(V) bzgl. B, dann ist ϕ genau dann schiefsymmetrisch, wenn A = −A, d.h. wenn A schiefsymmetrisch ist. Daher verwendet man für die Menge der schiefsymmetrischen Endomorphismen auch die Notation o(n) = {A ∈ Mat(n, R) | A = −A } .

Satz 7.122. Sei V ein endlich-dimensionaler euklidischer Vektorraum. Ist ϕ ∈ o(V ), so gibt es eine Orthonormalbasis B von V bzgl. derer die darstellende Matrix von ϕ die Blockdiagonalform 0

 ...    0  MB (ϕ) =  A 1   ..  .  A k  hat, wobei   0 λj Aj = −λ j 0 mit λ j ∈ R \ {0}. Beweis. Den Beweis führen wir wieder per vollständiger Induktion nach der Dimension n := dim(V). a) Für den Induktionsanfang sei n = 1. Wir wählen b1 ∈ V mit b1  = 1. Dann ist B = (b1 ) eine Orthonormalbasis von V. Wir berechnen ϕ(b1 ), b1  = − b1, ϕ(b1 ) = − ϕ(b1 ), b1  . Also ist ϕ(b1 ), b1  = 0, d.h. ϕ(b1 ) steht senkrecht auf dem Basisvektor b1. Da V eindimensional ist, folgt ϕ(b1 ) = 0. Jeder Vektor in v ∈ V ist Vielfaches von b1 , also ist ϕ(v) = 0. Der Endomorphismus ϕ ist also der Nullendomorphismus und hat somit die darstellende Matrix MB (ϕ) = (0).

7.7. Schiefsymmetrische Endomorphismen

401

b) Bevor wir zum Induktionsschritt kommen, zeigen wir folgende Zwischenbehauptung: Ist W ⊂ V ein ϕ-invarianter Untervektorraum, dann ist auch W ⊥ ein ϕ-invarianter Untervektorraum von V. Sei dazu v ∈ W ⊥ . Dann gilt für alle w ∈ W: ϕ(v), w = − v, ϕ(w) = 0,  da v ∈ W ⊥ und ϕ(w) ∈ W. Also ist ϕ(v) ∈ W ⊥ . c) Für den Induktionsschritt sei n > 1. Zunächst stellen wir fest, dass ϕ2 = ϕ ◦ ϕ symmetrisch ist. Es gilt nämlich für alle v, w ∈ V: ; 2 < ; < ϕ (v), w = − ϕ(v), ϕ(w) = v, ϕ2 (w) . Nach Satz 7.80 ist ϕ2 diagonalisierbar (über R), hat also insbesondere reelle Eigenwerte. Sei b ein Eigenvektor von ϕ2 zum Eigenwert μ ∈ R. O.B.d.A. sei b = 1. Wir unterscheiden zwei Fälle. Fall 1: ϕ(b) = 0. Wir setzen b1 := b. Dann ist insbesondere W := R · b1 ein ϕ-invarianter Untervektorraum und somit auch W ⊥ . Nach Induktionsvoraussetzung können wir eine Orthonormalbasis (b2, . . . , bn ) von W ⊥ finden bzgl. derer der schiefsymmetrische Endomorphismus ϕ|W ⊥ eine darstellende Matrix A der gewünschten Form hat. Nun ist B := (b1, b2, . . . , bn ) eine Orthonormalbasis von V und die darstellende Matrix von ϕ bzgl. B ist gegeben durch   0 0 MB (ϕ) = , 0 A was auch wieder von der gewünschten Form ist. Fall 2: ϕ(b)  0. ϕ(b) Wir setzen bn−1 := b und bn := ϕ(b) . Wie in Teil a) sehen wir, dass ϕ(bn−1 ) und damit auch bn auf bn−1 senkrecht steht. Also ist (bn−1, bn ) eine Orthonormalbasis von W := L(bn−1, bn ). 1 Die Ebene W ist ϕ-invariant, denn ϕ(bn−1 ) = ϕ(b)bn ∈ W und ϕ(bn ) = ϕ(b) ϕ2 (bn−1 ) = μ ϕ(b) bn−1 ∈ W. Außerdem beobachten wir für die hier auftretenden Koeffizienten ϕ(b) = ϕ(b)bn, bn  = ϕ(bn−1 ), bn  = − bn−1, ϕ(bn ) 6 5 μ μ bn−1 = − . = − bn−1, ϕ(b) ϕ(b) μ Wenn wir also λ := ϕ(b) definieren, dann gilt ϕ(bn−1 ) = −λbn und ϕ(bn ) = λbn−1 . Somit hat der Endomorphismus ϕ|W ∈ End(W) die darstellende Matrix   0 λ M(bn−1,bn ) (ϕ|W ) = . −λ 0

Ist n = 2, so ist V = W und wir sind fertig. Ist n > 2, so ist W ⊥ ein (n − 2)-dimensionaler ϕinvarianter Untervektorraum. Nach Induktionsvoraussetzung finden wir eine Orthonormalbasis

402

7. Bilineare Algebra

(b1, . . . , bn−2 ) von W ⊥ bzgl. derer der schiefsymmetrische Endomorphismus ϕ|W ⊥ eine darstellende Matrix A der gewünschten Form hat. Nun ist B := (b1, b2, . . . , bn ) eine Orthonormalbasis von V und die darstellende Matrix von ϕ bzgl. B ist gegeben durch A 0 0

MB (ϕ) = 0 0 λ , 0 −λ 0  was auch wieder von der gewünschten Form ist.



Beispiel 7.123. Wie bekommen wir eine solche Orthonormalbasis im Falle des Beispiels 7.119? Zunächst einmal setzen wir b1 := b. Dann gilt ϕ(b1 ) = b × b1 = b × b = 0. Nun wählen wir einen beliebigen Einheitsvektor b2 aus dem orthogonalen Komplement von R · b. Mit b3 := b1 × b2 bildet B := (b1, b2, b3 ) eine positiv orientierte Orthonormalbasis von R3 . Nach Konstruktion gilt ϕ(b2 ) = b1 × b2 = b3 . Weil auch (b1, b3, −b2 ) eine positiv orientierte Orthonormalbasis ist, gilt ϕ(b3 ) = b1 × b3 = −b2 . Somit gilt für die darstellende Matrix 0 0 0

MB (ϕ) = 0 0 −1 . 0 1 0  Dies ist von der Form wie in Satz 7.122 mit λ = −1. Wir könnten auch B := (b1, b2, −b3 ) nehmen. Dann erhalten wir 0 0 0

MB (ϕ) = 0 0 1 . 0 −1 0

7.8. Schiefsymmetrische Bilinearformen Zum Abschluss dieses Kapitels wollen wir noch schiefsymmetrische Bilinearformen auf reellen Vektorräumen etwas genauer unter die Lupe nehmen. Dabei wollen wir die Kenntnisse über schiefsymmetrische Endomorphismen aus dem vorangegangenen Abschnitt benutzen. Aus diesem Grund überlegen wir zunächst, wie man auf euklidischen Vektorräumen Bilinearformen schiefsymmetrische Endomorphismen zuordnen kann und umgekehrt. Sei also (V, ·, ·) ein euklidischer Vektorraum. Ist ϕ ∈ o(V ) ein schiefsymmetrischer Endomorphismus, so definiert ωϕ : V × V → R,

ωϕ (v, w) := ϕ(v), w ,

(7.6)

eine schiefsymmetrische Bilinearform, denn für alle v, w ∈ V gilt ωϕ (v, w) = ϕ(v), w = − v, ϕ(w) = − ϕ(w), v = −ωϕ (w, v). Das folgende Lemma sagt uns, dass es umgekehrt auch zu jeder schiefsymmetrischen Bilinearform ω genau ein ϕ ∈ o(V ) gibt, so dass die Beziehung (7.6) mit ω = ωϕ gilt. Auf diese Weise können wir zwischen schiefsymmetrischen Bilinearformen und Endomorphismen wechseln.

7.8. Schiefsymmetrische Bilinearformen

403

Lemma 7.124. Sei (V, ·, ·) ein endlich-dimensionaler euklidischer Vektorraum. Dann ist die Abbildung o(V) → {schiefsymmetrische Bilinearformen auf V }, ϕ → ωϕ , bijektiv. Beweis. Sei B = (b1, . . . , bn ) eine Orthonormalbasis von V. Die darstellende Matrix der Bilinearform ωϕ bzgl. B hat die Einträge < ; ωϕ (bi, b j ) = ϕ(bi ), b j . ; < Die darstellende Matrix des Endomorphismus ϕ bzgl. B hat ebenfalls die Einträge ϕ(bi ), b j , denn nach Lemma 7.68 gilt n  ; < ϕ(bi ) = ϕ(bi ), b j b j . j=1

Also kommutiert das Diagramm {schiefsymmetrische Bilinearformen auf V } 2 e

ϕ→ωϕeeeeeeeeee

o(V )

ee eeeeee eeeeee ϕ→ M (ϕ) e e e e e B e

/



ω→ MB (ω)

{A ∈ Mat(n, R) | A = −A}.

Da der horizontale und der vertikale Pfeil bijektiv sind, ist die Abbildung ϕ → ωϕ Verkettung bijektiver Abbildungen und damit selbst bijektiv.  Bemerkung 7.125. Tatsächlich zeigt der Beweis, dass die Abbildung ϕ → ωϕ sogar ein Vektorraumisomorphismus ist. Satz 7.126. Sei V ein endlich-dimensionaler reeller Vektorraum. Sei ω eine schiefsymmetrische Bilinearform auf V. Dann gibt es eine Basis B von V, so dass die darstellende Matrix von ω bzgl. B folgendermaßen aussieht:

MB (ϕ) = hat, wobei

0

..

. 0 J



 0 −1 J= . 1 0

        ..  .  J 

404

7. Bilineare Algebra

Beweis. Wir wählen ein euklidisches Skalarprodukt ·, · auf V. Das können wir z.B. dadurch tun, dass wir gemäß Korollar 4.30 einen Isomorphismus Ψ : V → Rn wählen und v, w := (Ψ(v)) · Ψ(w) setzen. Sei ϕ ∈ o(V ) gemäß Lemma 7.124 der Endomorphismus mit ω = ωϕ . Dann gibt es eine Orthonormalbasis B˜ = (b˜ 1, . . . , b˜ n ) bzgl. derer die darstellende Matrix von ϕ die Form wie in Satz 7.122 hat. Sei 0 ≤  ≤ n die Anzahl der Nullen vor den Zweierblöcken in dieser darstellenden Matrix. Dann ist ϕ(b˜ j ) = 0 für j = 1, . . ., . Dem j-ten Zweierblock entspricht das Paar von Basisvektoren b˜ +2 j−1 , b˜ +2 j mit ϕ(b˜ +2 j−1 ) = −λ j b˜ +2 j und ϕ(b˜ +2 j ) = λ j b˜ +2 j−1 . Wir setzen ⎧ ⎪ b˜ , ⎪ ⎨ 1k ⎪

b k := −λ j b˜ k , ⎪ ⎪ ⎪ b˜ k , ⎩

falls k ∈ {1, . . . , }; falls k =  + 2 j − 1; falls k =  + 2 j.

In anderen Worten, wir strecken den jeweils ersten Basisvektor zu jedem Zweierblock mit dem Faktor −λ1 j . Ansonsten bleiben die Basisvektoren unverändert. Nun bestimmen wir die darstellende Matrix von ω bzgl. B := (b1, . . ., bn ). Für j = 1, . . .,  und beliebiges k = 1, . . ., n gilt ; < ω(b j , b k ) = ϕ(b˜ j ), b k = 0, b k  = 0. Die ersten  Spalten der darstellenden Matrix sind also Nullspalten. Desweiteren gilt % 6 5 $ 1 ˜ b2+2 j−1 , b k ω(b2+2 j−1, b k ) = ϕ −λ j < 1 ; ˜ = ϕ(b2+2 j−1 ), b k −λ j < 1 ; = −λ j b˜ 2+2 j, b k −λ j ; < = b2+2 j, b k  1, falls k = 2 + 2 j, = 0, sonst. Dies zeigt, dass die jeweils erste Spalte, die zu jedem Zweierblock gehört, so ist, wie im Satz behauptet. Für die jeweils zweite Spalte zu den Zweierblöcken überprüft man die Aussage genauso.  Bemerkung 7.127. Im Beweis haben wir die Basis so gewonnen, dass wir mit einer Orthonormalbasis begonnen haben und dann manche Basisvektoren reskaliert haben. Die daraus entstehende Basis ist dann immer noch eine Orthogonalbasis. Wir können also festhalten: für jede schiefsymmetrische Bilinearform ω auf einem endlich-dimensionalen euklidischen Vektorraum können wir eine Orthogonalbasis finden, bzgl. derer die darstellende Matrix die Form wie in Satz 7.126 aussieht.

7.9. Aufgaben

405

Eine Bilinearform auf einem endlich-dimensionalen R-Vektorraum ist genau dann nicht ausgeartet, wenn ihre darstellende Matrix bzgl. einer beliebigen Basis invertierbar ist. In der Form der darstellenden Matrix aus Satz 7.126 heißt das, dass keine Nullen, sondern nur Zweierblöcke auftreten. Das kann aber nur dann der Fall sein, wenn die Größe der darstellenden Matrix gerade ist. Halten wir dies fest: Korollar 7.128. Sei V ein ungerade-dimensionaler reeller Vektorraum. Dann ist jede schiefsymmetrische Bilinearform auf V ausgeartet. 

7.9. Aufgaben 7.1. Sei β : R3 × R3 → R gegeben durch β(v, w) = v × w, (1, 1, 1) . a) Zeigen Sie, dass β eine schiefsymmetrische Bilinearform auf R3 ist. b) Bestimmen Sie die darstellende Matrix von β bzgl. der Standardbasis von R3 . c) Bestimmen Sie die darstellende Matrix von β bzgl. der Basis B = (b1, b2, b2 ), wobei 0

b1 = 2 , 0

0

b2 = 0  , −1

1

2 b3 = 0  . 0

7.2. Finden Sie die symmetrische Bilinearform β : R2 × R2 → R mit quadratischer Form q β (x) = x12 + 4x1 x2 + x22 . 7.3. Sei A ∈ Mat(n, R) und q : Rn → R gegeben durch q(x) = x  · A · x. Zeigen Sie, dass es genau eine symmetrische Matrix B ∈ Mat(n, R) und genau eine obere Dreiecksmatrix C ∈ Mat(n, R) gibt mit q(x) = x  · B · x = x  · C · x für alle x ∈ Rn . Drücken Sie die Einträge von B und C durch die von A aus. 7.4. Sei β eine symmetrische Bilinearform auf einem endlich-dimensionalen Vektorraum V. Zeigen Sie: Ist W ein Untervektorraum von V mit V = W ⊕ N(β), dann ist die Einschränkung von β auf W × W nicht ausgeartet. 7.5. Sei K ein Körper mit 1 + 1  0. Sei V ein n-dimensionaler K-Vektorraum. Zeigen Sie: a) Ist A ∈ Mat(n, K) schiefsymmetrisch und invertierbar, dann muss n gerade sein.

406

7. Bilineare Algebra

b) Ist β : V × V → K eine nicht ausgeartete, schiefsymmetrische Bilinearform, so muss n gerade sein. 7.6. Sei K = F2 und V = F22 . Zeigen Sie, dass es zur symmetrischen Bilinearform β(v, w) = v1 w2 + v2 w1 keine diagonalisierende Basis gibt. 7.7. Sei S ∈ Mat(2, R) eine symmetrische Matrix und β(x, y) = x  · S · y die zugehörige symmetrische Bilinearform auf R2 . Zeigen Sie: a) β ist genau dann positiv oder negativ definit, wenn det(S) > 0. b) β ist genau dann indefinit, wenn det(S) < 0. c) β ist genau dann ausgeartet, wenn det(S) = 0. 7.8. Sei V ⊂ C 0 ([0, 1], R) der Untervektorraum der Polynomfunktionen vom Grad ≤ 2. Auf V betrachten wir die symmetrische Bilinearform ∫1 β( f , g) =

f (t)g(t)dt. 0

a) Bestimmen Sie r+ , r− und r0 für dieses β. b) Bestimmen Sie eine diagonalisierende Basis von V für dieses β. 7.9. Zeigen Sie: H1 ⊂ R2 ist eine Hyperbel genau dann, wenn es ein T ∈ GL(2, R) gibt mit H1 = T(H). Dabei ist H die Standardhyperbel. 7.10. Sei A ∈ Mat(n, R) und ·, · das Standardskalarprodukt auf Rn . Wir definieren β : Rn × Rn → R durch β(x, y) := Ax, Ay . Zeigen Sie: a) β ist eine positiv semidefinite symmetrische Bilinearform auf Rn . b) β ist genau dann positiv definit, wenn det(A)  0. 7.11. Sei V ein endlich-dimensionaler euklidischer Vektorraum, sei U ⊂ V ein Untervektorraum und sei P : V → U die Orthogonalprojektion. Zeigen Sie: a) Für jedes v ∈ V hat P(v) kleinsten Abstand von v unter allen Elementen von U. b) P(v) ist das einzige Element von U mit minimalem Abstand von v. c) Erstellen Sie eine erläuternde Skizze.

7.9. Aufgaben

407

7.12. Sei U ein Untervektorraum eines endlich-dimensionalen euklidischen Vektorraums V. Zeigen Sie: (U ⊥ )⊥ = U. 7.13. Für eine quadratische Matrix A ∈ Mat(n, K) nennt man die Summe der Diagonaleinträge die Spur der Matrix, n  Spur(A) := Aj j . j=1

Zeigen Sie, dass für alle A, B ∈ Mat(n, K) gilt: Spur(AB) = Spur(B A). 7.14. Sei A ∈ Mat(n, C) und seien λ1, . . ., λn die Eigenwerte von A, wobei jeder Eigenwert entsprechend seiner algebraischen Vielfachheit wiederholt wird. Zeigen Sie: Spur(A) = λ1 + . . . + λn . 7.15. Zeigen Sie, dass durch

β(A, B) := Spur(A · B)

ein euklidisches Skalarprodukt auf Mat(n, R) definiert wird. 7.16. Wenden Sie bzgl. des Skalarprodukts aus Aufgabe 7.15 das Gram-Schmidt-Verfahren auf die Basis (b1, b2, b3, b4 ) von Mat(2, R) an, wobei         1 0 1 0 1 0 1 1 , b2 = , b3 = , b4 = . b1 = 0 0 0 1 1 1 1 1 7.17. Sei U ⊂ R3 ein 2-dimensionaler Untervektorraum und sei B = (b1, b2 ) eine Basis von U. Zeigen Sie, dass b1 × b2 ein Basisvektor für U ⊥ ist (bzgl. des Standardskalarprodukts auf R3 ). 7.18. Sei V ein euklidischer Vektorraum mit zugehöriger Norm  · . a) Zeigen Sie, dass für alle v, w ∈ V die Parallelogrammgleichung gilt: v + w 2 + v − w 2 = 2(v 2 + w 2 ). b) Erklären Sie die Bezeichnung „Parallelogrammgleichung“ anhand einer Skizze. c) Zeigen Sie, dass es kein Skalarprodukt auf Rn gibt, so dass die zugehörige Norm die Maximumsnorm ist:  xmax = max |xi | . i=1,...,n

408

7. Bilineare Algebra

7.19. Für v ∈ Rn mit v = 1 sei H(v) ∈ Mat(n, R) die Matrix mit den Einträgen H(v)i j = δi j − 2vi v j . Zeigen Sie, dass die Spaltenvektoren von H(v) eine Orthonormalbasis von Rn bilden (bzgl. des Standardskalarprodukts). Eine Matrix der Form H(v) wird als Householdermatrix bezeichnet. 7.20. Seien V, W, Z euklidische Vektorräume und ϕ : V → W und ψ : W → Z lineare Abbildungen. Zeigen Sie: (ψ ◦ ϕ) = ϕ  ◦ ψ  . 7.21. Sei V ein euklidischer Vektorraum und seien ϕ, ψ ∈ End(V) selbstadjungiert. Zeigen Sie, dass ϕ◦ψ genau dann selbstadjungiert ist, wenn ϕ und ψ kommutieren, d.h. wenn ϕ◦ψ = ψ ◦ ϕ. 7.22. In dieser Aufgabe wird ein alternativer, analytischer Beweis der Zwischenbehauptung im Beweis von Satz 7.80 gegeben. Sei A eine symmetrische reelle Matrix. Wir betrachten die Funktion q : Rn → R, gegeben durch q(x) = A · x, x. Diese Funktion ist ein quadratisches Polynom und daher beliebig oft differenzierbar. Da die Einheitssphäre S n−1 = {x ∈ Rn |  x = 1} abgeschlossen und beschränkt, also kompakt ist, nimmt q auf S n−1 in einem Punkt x0 ∈ S n−1 das Maximum an. a) Zeigen Sie: Für alle y ∈ Rn \ {0} mit y ⊥ x0 ist cos(t)x0 + b) Zeigen Sie: Ist y ⊥ x0 , dann ist auch y ⊥ Ax0 .  Hinweis: Leiten Sie die Funktion t → q cos(t)x0 +

sin(t)  y y

sin(t)  y y

∈ S n−1 für alle t ∈ R.

bei t = 0 ab.

c) Schließen Sie daraus, dass x0 ein Eigenvektor von A zu einem reellen Eigenwert ist. 7.23. Zeigen Sie: Jedes Orthonormalsystem eines unitären Vektorraums ist linear unabhängig (über C). 7.24. Sei (V, h) ein unitärer Vektorraum und B = (b1, . . ., bn ) eine Orthonormalbasis von V. Dann gilt für alle v ∈ V : n  v= h(b j, v) · b j . j=1

7.25. Sei A ∈ Mat(n, C). Zeigen Sie, dass folgende Aussagen äquivalent sind: (1) A ist unitär. (2) Die Spalten von A bilden eine Orthonormalbasis von Cn bzgl. der StandardSesquilinearform. 7.26. Sei B = (b1, . . ., bn ) eine Orthonormalbasis des unitären Vektorraums (V, h). Zeigen Sie, dass dann B = (b1, ib1, . . . , bn, ibn ) eine Orthonormalbasis des euklidischen Vektorraums (VR, ·, ·) ist. Hierbei ist ·, · das von h induzierte euklidische Skalarprodukt.

7.9. Aufgaben

409

7.27. Sei (V, h) ein unitärer Vektorraum und U ⊂ V ein komplexer Untervektorraum. Sei ·, · das von h induzierte euklidische Skalarprodukt. Sei v ∈ V. a) Zeigen Sie: h(v, u) = 0 für alle u ∈ U genau dann, wenn v, u = 0 für alle u ∈ U. Für die Definition des orthogonalen Komplements U ⊥ spielt es also keine Rolle, ob man h oder ·, · verwendet. b) Zeigen Sie: U ⊥ ist ein komplexer Untervektorraum von V. c) Zeigen Sie: V = U ⊕ U ⊥ . d) Zeigen Sie durch ein Beispiel, dass a) falsch wird, wenn U nur ein reeller Untervektorraum ist. 7.28. Sei V ein Vektorraum und seien A, B, C ∈ End(V ). Zeigen Sie die Jacobi-Identität für den Kommutator: [[A, B], C] + [[B, C], A] + [[C, A], B] = 0. 7.29. Sei A ∈ U(n). Zeigen Sie, dass es ein T ∈ U(n) gibt, so dass T −1 ·A·T eine Diagonalmatrix ist, deren Diagonaleinträge alle Betrag 1 haben. 7.30. Sei A ∈ Mat(n, C) mit A¯  = A. Zeigen Sie, dass es ein T ∈ U(n) gibt, so dass T −1 · A · T eine Diagonalmatrix ist. 7.31. Sei A ∈ o(n). a) Zeigen Sie, dass es ein T ∈ O(n) gibt, so dass T −1 · A · T eine Blockdiagonalform wie in Satz 7.122 hat. b) Zeigen Sie, dass es ein T ∈ GL(n) gibt, so dass T  · A · T eine Blockdiagonalform wie in Satz 7.126 hat.

A. Anwendungen Die lineare Algebra hat zahllose Anwenungen innerhalb und außerhalb der Mathematik. Im Folgenden wollen wir durch einige Beispiele einen ersten Eindruck davon bekommen.

A.1. Graphentheorie - etwas Kombinatorik Wir betrachten folgende Landkarte Deutschlands mit seinen alphabetisch durchnummerierten Bundesländern:

Abb. 120 Bundesländer1

Wir wollen jetzt Fragen wie die folgende untersuchen: Wie viele Möglichkeiten gibt es, von Brandenburg nach Rheinland-Pfalz zu reisen und dabei genau 10-mal eine Landesgrenze zu überschreiten? (A.1) Man kann Matrixrechnung verwenden und dies systematisch zu untersuchen. Wir kodieren zunächst die wesentlichen Informationen in einem so genannten Graph. Ein Graph besteht aus zwei Mengen, einer Menge von Knoten (Ecken) und einer Menge von Kanten. Eine Kante ist dabei eine Verbindung zweier Knoten. Eine genaue Definition von Graphen benötigen wir hier nicht und verzichten daher darauf. 1Bild basiert auf einer Grafik erstellt mit mapchart.net, Quelle: https://mapchart.net © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 C. Bär, Lineare Algebra und analytische Geometrie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22620-6_8

412

A. Anwendungen

Im Bundesländer-Beispiel haben wir für den Bundesländer-Graph die Menge {Knoten} = {Bundesländer} und folgende Kanten: Zwei Länder werden genau dann durch eine Kante verbunden, wenn sie aneinander grenzen. Dies liefert folgenden Graphen:

1

2

3

4

16

5

15

6

14

7

13

8

12

11

10

9

Abb. 121 Bundesländergraph

Offenbar kann ein Graph mit vielen Knoten sehr unübersichtlich werden. Mathematisch beschreiben wir daher einen Graph mit endlich vielen Knoten durch seine so genannte Adjazenzmatrix A. Hierzu nummmerieren wir die Knoten durch und setzen  Ai j :=

1, 0,

falls der i-te und der j-te Knoten durch eine Kante verbunden sind, sonst.

A.1. Graphentheorie - etwas Kombinatorik

413

Im Bundesländer-Beispiel erhalten wir folgende 16 × 16-Matrix:

A =

0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 0 0

1 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0 0 1

0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 1 0 0 0 0 1 1 0 0 0 1 1 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0

1 1 0 0 0 0 0 0 1 1 1 0 0 0 0 1

0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0

0 0 0 1 1 1 1 1 0 1 0 0 0 1 1 1

0 0 0 0 0 0 1 0 1 0 1 0 0 0 0 0

1 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 1 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0

0 1 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1

0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 1

0 0 0 0 0 1 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0

0 1 0 0 0 0 1 0 1 0 0 0 1 1 0 0

                                  

Stets ist A symmetrisch, d.h. für alle i, j gilt Ai j = A ji . Definition A.1. Ein Weg der Länge m in einem Graphen ist ein (m + 1)-Tupel von Knoten (k0, . . ., k m ), so dass für alle i ∈ {0, . . ., m − 1} gilt: ki und ki+1 sind durch eine Kante verbunden.

Im Bundesländer-Beispiel sind z.B. (1, 2, 7) und (5, 9, 5, 9, 6) Wege der Länge 2 bzw. 4, (1, 2, 3) hingegen ist kein Weg, da 2 und 3 nicht miteinander verbunden sind (Bayern und Berlin haben keine gemeinsame Landesgrenze). Die Lösung der Fragestellung (A.1) ist somit durch die Anzahl der Wege der Länge m = 10 von Knoten 4 nach Knoten 11 bestimmt. Allgemein gilt folgender Satz A.2. Ist A die Adjazenzmatrix eines endlichen Graphen (mit nummerierten Knoten), so ist die Anzahl der Wege der Länge m vom i-ten zum j-ten Knoten genau der (i, j)-te Eintrag der Matrix Am := A · . . . · A. ()*+ m-mal

414

A. Anwendungen

Beweis. Sei α(i, j, m) die Anzahl der Wege der Länge m vom i-ten zum j-ten Knoten. Wir zeigen: (Am )i j = α(i, j, m)

(A.2)

mittels vollständiger Induktion nach der Weglänge m. Im Induktionsanfang erhalten wir für m = 1 per Definition 



Ai j = A

1 ij

1, falls die Knoten i und j verbunden sind, 0, falls die Knoten i und j nicht verbunden sind.

= α(i, j, 1) =

Sei für den Induktionsschritt die Aussage (A.2) für ein m ∈ N gültig. Wir zeigen, dass dann auch 

Am+1

ij

= α(i, j, m + 1)

gilt. Wir fixieren den Startknoten i und den Zielknoten j. Um in m + 1 Schritten nach von i nach j zu gelangen, müssen wir zunächst in m Schritten von i zu irgendeinem Knoten k gelangen und dann in einem Schritt von k nach j. Letzteres ist nur dann möglich, wenn k und j verbunden sind, d.h. wenn Ak j = 1. Es gilt also

α(i, j, m + 1) =



α(i, k, m) · Ak j .

k

Mittels der Induktionsvoraussetzung (IV) folgern wir nun:

α(i, j, m + 1) =



α(i, k, m) · Ak j

k

IV

=



(Am )ik · Ak j

k

= (Am · A)i j  = Am+1 . ij



A.1. Graphentheorie - etwas Kombinatorik

415

Im Bundesländer-Beispiel multipliziert man die Matrix A mit sich selbst und erhält

2 A =

3 1 0 0 0 0 2 0 1 2 1 1 1 0 0 2

 1 4 0 1 0 0 2 0 2 1 2 0 1 2 0 2   0 0 1 0 0 0 0 1 1 0 0 0 1 1 0 0    0 1 0 5 1 1 1 1 2 1 0 0 1 2 2 3    0 0 0 1 1 1 1 1 0 1 0 0 0 1 1 1    0 0 0 1 1 2 1 2 1 1 0 0 0 1 1 1   2 2 0 1 1 1 6 1 2 2 2 1 2 2 1 2    0 0 1 1 1 2 1 3 2 1 0 0 1 2 1 1    1 2 1 2 0 1 2 2 9 1 2 0 3 2 2 2    2 1 0 1 1 1 2 1 1 3 1 1 0 1 1 2   1 2 0 0 0 0 2 0 2 1 4 0 0 0 0 1    1 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 1 0 0 0 0    1 1 1 1 0 0 2 1 3 0 0 0 4 2 0 2    0 2 1 2 1 1 2 2 2 1 0 0 2 4 1 2   0 0 0 2 1 1 1 1 2 1 0 0 0 1 3 1   2 2 0 3 1 1 2 1 2 2 1 0 2 2 1 5 

So ist zum Beispiel der 1-1-Eintrag gleich 3, was bedeutet, dass man auf genau 3 Weisen in zwei Schritten von Land 1 zu sich selbst reisen kann. In der Tat hat Baden-Württemberg genau 3 Nachbarländer. Der 3-14-Eintrag ist gleich 1, denn man kann auf genau eine Weise in zwei Schritten von Berlin nach Sachsen-Anhalt reisen (nämlich über Brandenburg). Schließlich ist der 2-5-Eintrag gleich 0, da man nicht in zwei Schritten von Bayern nach Bremen kommt. Um die Ausgangsfrage zu beantworten, müssen wir die 10-te Potenz von A berechnen. Wenn man kühlen Kopf bewahrt und dies tut (oder einen Computer tun lässt), so erhält man

416

A10

A. Anwendungen

=

95617

251161 136823 . . .

122133 175608

41206

191539

69876

175608 256948

61837

283567

102476 141044 365281 202881 . . .

41206

61837

16181

70772

25306

191539 283567

70772

327963

118896 163586 405312 234358 . . .

69876

102476

25306

118896

43734

59813

147740

95617

141044

35425

163586

59813

82359

202852 117784 . . .

251161 365281

87950

405312

147740 202852 522812 290802 . . .

136823 202881

51606

234358

85119

319249 473106 118896

532707

190956 265744 672308 384640 . . .

152981 221828

53153

248598

91066

124615 318354 177768 . . .

122267 177363

41752

191066

69033

95186

251872 136938 . . .

27621

38805

8757

41752

15557

21055

56168

178571 263718

65943

296414

106589 147676 375339 213619 . . .

204096 301686

75337

344079

124737 172005 431041 247342 . . .

119833 177465

44690

205927

74788

247727 362837

88468

409963

148901 204426 518378 292894 . . .

35425

87950

51606

85119

...

...

117784 290802 169390 . . .

29812

...

103242 254324 147932 . . .

                                              

Also ergibt sich die Anzahl der Wege der Länge 10 von Brandenburg (4) nach Rheinland-Pfalz (11) zu 

A10

4,11

 = A10

11,4

= 191066.

Aufgabe:

A.1. Wie viele Möglichkeiten gibt es, in unten abgebildeter Wohnung aus der Küche in das Mathe-Lern-Zimmer zu kommen und dabei nicht mehr als 8 Türen zu passieren?

A.2. Codierungstheorie

417

Bad

Küche

Diele

Schlafzimmer

Mathe-Lern-Zimmer

Abb. 122 Grundriss

A.2. Codierungstheorie Bei der Übertragung von Daten treten Übermittlungsfehler auf. Wir werden jetzt sehen, wie man Daten so codieren kann, dass die Fehler bis zu einem gewissen Grad korrigiert werden können. Solche Fehlerkorrekturen sind z.B. bei CD-Playern wichtig, da die auf CD gebrannten Daten nie völlig fehlerfrei sind. Wir werden, wie im digitalen Zeitalter üblich, unsere Daten im Binärformat vorliegen haben, d.h. als eine Folge von Nullen und Einsen. Es liegt also nahe, den Primkörper K = F2 zu betrachen und darüber den n-dimensionalen Vektorraum V = (F2 )n . Die Elemente von V sind Folgen der Länge n von Nullen und Einsen. Das sind unsere zu übermittelnden Nachrichten. Definition A.3. Die Abbildung dH : V × V → N definiert durch dH (v, w) := #{ j ∈ {1, 2, . . ., n} | v j  w j } heißt Hamming-Abstand1. Ist v die gesendete und w die empfangene Nachricht, dann gibt der Hamming-Abstand an, wie viele Übertragungsfehler aufgetreten sind. Lemma A.4. Der Hamming-Abstand erfüllt für alle u, v, w ∈ V: (i) dH (v, w) ≥ 0 und dH (v, w) = 0 ⇔ v = w. 1Benannt nach dem amerikanischen Mathematiker Richard Wesley Hamming (1915–1998)

418

A. Anwendungen

(ii) dH (v, w) = dH (w, v). (iii) dH (u, w) ≤ dH (u, v) + dH (v, w). (iv) dH (v, w) = dH (v + u, w + u).

Beweis. Aussage (iii) folgt aus der Beobachtung: Ist u j  w j , so ist u j  v j oder w j  v j . Die anderen Aussagen sind trivial.  Die ersten drei Aussagen sind gerade die Axiome eines metrischen Raumes. Der HammingAbstand ist also eine Metrik auf der Menge V. Definition A.5. Sei Λ ∈ N. Eine Teilmenge C ⊂ (F2 )n heißt Λ-fehlerkorrigierender Code, falls für alle u, v ∈ C mit u  v gilt: dH (u, v) ≥ 2Λ + 1.

Beispiel A.6. Sei n = 3 und

⎧ ⎪ ⎪ 0 1 ⎫ ⎪ ⎬ ⎪ ⎨ ⎪ ⎪  C = 0 , 1 . ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 0 1 ⎪ ⎩  ⎭

Dann ist 0 1



dH 0 , 1 = 3. 0 1 Also ist C ein 1-fehlerkorrigierender Code. Der Code C ist die Menge der zugelassenen Wörter, aus denen die Nachrichten bestehen, die übertragen werden sollen. Ist der Code nun Λ-fehlerkorrigierend für möglichst großes Λ, so können kleine Fehler bei der Übertragung erkannt und korrigiert werden. Lemma A.7. Sei C ⊂ V ein Λ-fehlerkorrigierender Code. Dann gibt es zu jedem v ∈ V höchstens ein w ∈ C mit dH (v, w) ≤ Λ. Beweis. Seien w1, w2 ∈ C mit dH (v, wi ) ≤ Λ. Dann gilt dH (w1, w2 ) ≤ dH (w1, v) + dH (v, w2 ) ≤ 2Λ.

A.2. Codierungstheorie

Da C nach Voraussetzung Λ-fehlerkorrigierend ist, folgt w1 = w2 .

419



Es ist also gut, einen Λ-fehlerkorrigierenden Code mit möglichst großem Λ zu haben. Treten bei der Übermittlung einer Nachricht höchstens Λ viele Fehler auf, dann kann die gesendete Nachricht rekonstruiert werden. Es gibt aber zwei Probleme: Zum einen muss der Code festgelegt und abgespeichert werden. Große Codes brauchen viel Speicherplatz. Zum anderen erfordert die Decodierung viele Vergleiche der empfangenen Nachricht mit den Elementen aus C und ist daher rechenaufwändig. Um die Situation zu verbessern benutzen wir lineare Algebra. Definition A.8. Ein Λ-fehlerkorrigierender Code C ⊂ (F2 )n heißt linear, falls C zusätzlich ein Untervektorraum ist. Warum ist es vorteilhaft, wenn C linear ist? Dann können wir C durch Angabe einer Basis festlegen und brauchen nicht alle Elemente abzuspeichern. Hat C die Dimension k, dann besteht jede Basis aus genau k Vektoren, aber C ist gemäß Korollar 4.30 isomorph zu (F2 )k und hat somit genau 2 k Elemente. So macht es z.B. für k = 100 einen gewaltigen Unterschied, ob man nur die 100 Basisvektoren abspeichern muss oder alle 2100 = 1.267.650.600.228.229.401.496.703.205.376 Elemente. Nun brauchen wir noch eine effiziente Decodierungsmethode. Dabei ist folgende allgemeine Beobachtung nützlich: Lemma A.9. Sei K ein Körper, V ein n-dimensionaler K-Vektorraum, W ein (n − k)dimensionaler K-Vektorraum und C ⊂ V ein k-dimensionaler Untervektorraum. Dann gibt es eine surjektive lineare Abbildung ϕ : V → W mit ker(ϕ) = C. Beweis. Ergänze eine geordnete Basis (b1, . . ., b k ) von C zu einer geordneten Basis (b1, . . ., b k , b k+1, . . . , bn ) von V. Sei (w1, . . . , wn−k ) eine geordnete Basis von W. Wir legen ϕ durch Vorgabe der Werte auf den Basisvektoren b j eindeutig fest, indem wir setzen  0, falls 1 ≤ j ≤ k, ϕ(b j ) := w j−k , falls k + 1 ≤ j ≤ n. Die hierdurch definierte lineare Abbildung ϕ : V → W hat als Kern die lineare Hülle von b1, . . ., b k , also C. Jeder Basisvektor w j von W liegt im Bild von ϕ, damit auch alle Linearkombinationen dieser Basisvektoren, d.h. alle Vektoren in W. Somit ist ϕ surjektiv.  Sei von jetzt an C ⊂ (F2 )n stets ein linearer Λ-fehlerkorrigierender Code mit dim C = k. Gemäß Lemma A.9 wählen wir eine surjektive lineare Abbildung ϕ : (F2 )n → (F2 )n−k mit ker(ϕ) = C. Die darstellende Matrix M(ϕ) ∈ M((n − k) × n, F2 ) heißt Kontrollmatrix des Codes.

420

A. Anwendungen

Beispiel A.10. Sei n = 7. Betrachte die Matrix 1 0 0 1 1 0 1

A := 0 1 0 1 0 1 1 . 0 0 1 0 1 1 1 Da die ersten drei Spaltenvektoren linear unabhängig sind, muss der Rang von A gleich 3 sein. Nach der Dimensionsformel 4.19 hat der Kern C von A die Dimension k = 7 − 3 = 4. Da die Matrix bereits in Zeilenstufenform vorliegt, können wir den Kern leicht bestimmen. Für x = (x1, . . . , x7 ) ∈ (F2 )7 gilt

⎧ ⎪ x = x5 + x6 + x7 ⎪ ⎨ 3 ⎪ A · x = 0 ⇐⇒ x2 = x4 + x6 + x7 ⎪ ⎪ ⎪ x1 = x4 + x5 + x7 ⎩

x4 + x5 + x7 x + x + x  6 7 4  x5 + x6 + x7   . ⇐⇒ x = x4   x5    x 6  x7 

Wir wollen uns überlegen, dass dieser lineare Code C 1-fehlerkorrigierend ist. Das bedeutet, dass wenn A · x = A · x  = 0 und x  x  gilt, dann müssen sich x und x  in wenigstens 3 Komponenten unterscheiden. Nennen wir die drei ersten Komponenten die „oberen“ Komponenten und die vierte bis letzte die „unteren“ Komponenten. Unterscheiden sich x und x  in wenigstens drei unteren Komponenten, so ist nichts zu zeigen. Es verbleiben folgende drei Fälle: a) Die unteren Komponenten von x und x  stimmen überein. Dann stimmen auch die oberen überein, im Widerspruch zu x  x . Dieser Fall kann also nicht auftreten. b) Die Vektoren x und x  unterscheiden sich in genau einer unteren Komponente. Diese tritt in wenigstens zweien der oberen Komponenten auf, die sich dann ebenfalls unterscheiden müssen. Daher unterscheiden sich x und x  in mindestens drei Komponenten. c) Die Vektoren x und x  unterscheiden sich in genau zwei unteren Komponenten. Dann gibt es eine obere Komponente, in der die beiden unteren Komponenten auftreten, die für x und x  gleich sind. In dieser oberen Komponente unterscheiden sich x und x  dann ebenfalls. In jedem Fall unterscheiden sich x und x  in wenigstens drei Komponenten. Also ist A die Kontrollmatrix eines vierdimensionalen 1-fehlerkorrigierenden Codes. Nun zurück zum allgemeinen Fall. Nenne y ∈ (F2 )n−k zulässig, falls ein x ∈ ϕ−1 (y) existiert mit dH (x, 0) ≤ Λ. Es kann höchstens ein solches x geben, denn sind x, x  ∈ ϕ−1 (y) mit dH (x, 0) ≤ Λ und dH (x , 0) ≤ Λ, dann ist x − x  ∈ ker(ϕ) = C und dH (x − x , 0) = dH (x, x ) ≤ dH (x, 0) + dH (0, x ) ≤ 2Λ.

A.3. Weitere Volumenberechnungen

421

Da C aber Λ-fehlerkorrigierend ist, folgt x − x  = 0, d.h. x = x . Der Empfänger speichert in einer Liste alle zulässigen y ∈ (F2 )n−k zusammen mit den zugehörigen x ∈ ϕ−1 (y), für die dH (x, 0) ≤ Λ gilt. Eine empfangene Nachricht v ∈ (F2 )n , die möglicherweise verfälscht worden ist, kann nun wie folgt decodiert werden:

Empfangene Nachricht v ∈ (F2 )n Berechne y = ϕ(v)

Ist y zulässig?

nein

Fehlerkorrektur nicht möglich

ja Setze w := v − x  für x ∈ ϕ−1 (y) mit dH (x, 0) ≤ Λ w ist gesendete Nachricht Abb. 123 Decodierungsalgorithmus

Wegen ϕ(w) = ϕ(v)−ϕ(x) = y−y = 0 ist w ∈ ker(ϕ) = C. Außerdem ist dH (w, v) = dH (x, 0) ≤ Λ. Nach Lemma A.7 ist w das eindeutige Element in C, das von v den Hamming-Abstand ≤ Λ hat. Der Empfänger hat also guten Grund anzunehmen, dass w gesendete Nachricht ist. Man kann x = v − w als den Fehlervektor ansehen, um den die empfangene Nachricht v von der gesendeten w abweicht. Der Hamming-Abstand dH (x, 0) ist die Anzahl der Abweichungen in den einzelnen Komponenten von v und w, also die Anzahl der bei der Übertragung entstandenen Fehler. Ist diese Zahl kleiner als Λ, so kann man w aus v zurückgewinnen, was die Bezeichnung „Λ-fehlerkorrigierender Code“ erklärt. Die Kontrollabbildung ϕ projiziert den fehlerhaften Anteil x von v ∈ (F2 )n auf y ∈ (F2 )n−k . Ist dieser fehlerhafte Anteil zu groß, so ist seine Projektion kein zulässiger Wert. In diesem Fall ist eine Fehlerkorrektur nicht möglich.

A.3. Weitere Volumenberechnungen Dieser Anhang schließt sich an Abschnitt 5.2 an. Wir berechnen die Volumina einiger wichtiger geometrischer Körper.

422

A. Anwendungen

Verallgemeinerte Zylinder. Wir betrachten nun Zylinder, wobei wir allerdings gleich allgemeine Dimensionen zulassen und auch nicht verlangen, dass die „Basisfläche“ eine bestimmte Gestalt hat, z.B. dass sie eine Kreisscheibe ist.

Definition A.11. Sei X ⊂ Rn−1 , und sei h ≥ 0. Dann heißt die Menge Zh (X) := X × [0, h] ⊂ Rn−1 × R = Rn der verallgemeinerte Zylinder über X der Höhe h.

R

h

Zh (X) X

Rn−1

Abb. 124 Verallgemeinerter Zylinder

Satz A.12. Sei voln : Kn → R ein n-dimensionales Volumen. Dann erfüllt die Abbildung Kn−1 → R, X → voln (Z1 (X)) , die für das (n − 1)-dimensionale Volumen geforderten Eigenschaften 1–4 aus Definition 5.16. Beweis. Zu Eigenschaft 1: Für den (n − 1)-dimensionalen Einheitswürfel W n−1 finden wir: voln (Z1 (W n−1 )) = voln (W n ) = 1 . ()*+ =W n

Zu Eigenschaft 2: Seien X, Y ∈ Kn−1 mit X ⊂ Y. Dann ist offensichtlich Z1 (X) ⊂ Z1 (Y ), so dass gilt: voln (Z1 (X)) ≤ voln (Z1 (Y )) .

A.3. Weitere Volumenberechnungen

423

Zu Eigenschaft 3: Seien X, Y ∈ Kn−1 . Offensichtlich gilt fïr die verallgemeinerten Zylinder: Z1 (X ∪ Y ) = Z1 (X) ∪ Z1 (Y )

und Z1 (X ∩ Y ) = Z1 (X) ∩ Z1 (Y ) .

Für die Volumina finden wir also: voln (Z1 (X ∪ Y )) = voln (Z1 (X) ∪ Z1 (Y )) = voln (Z1 (X)) + voln (Z1 (Y)) − voln (Z1 (X) ∩ Z1 (Y)) = voln (Z1 (X)) + voln (Z1 (Y)) − voln (Z1 (X ∩ Y )) . Zu Eigenschaft 4: Sei A ∈ Mat(n − 1, R), sei b ∈ Rn−1 , und sei F : Rn−1 → Rn−1 die affine Abbildung, gegeben durch F(x) := A · x + b. Definiere Aˆ ∈ Mat(n, R) und bˆ ∈ Rn durch     A 0 b ˆ ˆ , b := . A := 0 0 1 ˆ Entwicklung nach ˆ Sei nun Fˆ : R → R die affine Abbildung, gegeben durch F(x) := Aˆ · x + b. ˆ 1 (X)) und der letzten Spalte oder Zeile zeigt det Aˆ = ± det A. Außerdem ist Z1 (F(X)) = F(Z somit gilt: ˆ 1 (X))) = | det A| ˆ · voln (Z1 (X)) = | det A| · voln (Z1 (X)) . voln (Z1 (F(X))) = voln (F(Z



Korollar A.13. In allen Beispielen, für die wir das (n − 1)-dimensionale Volumen einer Menge X ∈ Kn−1 aus den Eigenschaften 1–4 berechnen konnten, erhalten wir voln (Z1 (X)) = voln−1 (X) für das n-dimensionale Volumen des Zylinders Z1 (X).

(A.3) 

Beispiel A.14. Insbesondere erhalten wir für das dreidimensionale Volumen des Zylinders Z1 (D(r)) der Höhe 1 über der Kreisscheibe D(r) die Formel:

  Z1 D(r) D(r)

h=1

vol3 (Z1 (D(r))) = vol2 (D(r)) = π · r 2 .

Abb. 125 Zylinder über der Kreisscheibe

(A.4)

424

A. Anwendungen

  Bemerkung A.15. Es gibt eine lineare Abbildung ϕ : Rn → Rn mit Zh (X) = ϕ Z1 (X) , 1n−1 0 . Somit erhalten wir für das nämlich diejenige mit darstellender Matrix M(ϕ) = 0 h Volumen des Zylinders über X der Höhe h: voln (Zh (X)) = voln (ϕ(Z1 (X))) = | det(ϕ)| · voln (Z1 (X)) = h · voln (Z1 (X)) .

(A.5)

Ist das (n − 1)-dimensionale Volumen von X ∈ Kn−1 durch die Bedingungen in Definition 5.16 bestimmt, so erhalten wir aus (A.5) und aus der Formel (A.4): voln (Zh (X)) = h · voln−1 (X)

(A.6)

Schiefe Zylinder. Ein Turm ist in der Regel ein verallgemeinerter Zylinder, z.B. über einer Kreisscheibe oder über einem Rechteck. In Pisa kann man allerdings sehen, dass so ein Turm auch schon mal schief in die Höhe wächst. Daher folgende Definition:

Abb. 126 Schiefer Turm von Pisa2

b1

b1 ..  .  ..  n . Setze b ˆ ∈ R Definition A.16. Sei X ⊂ Rn−1 , und sei b = := .  ∈ Rn−1 . Dann  bn−1    b n−1  h  heißt die Menge =   ˆ × {t · h} ⊂ Rn−1 × R = Rn Z(X, b) := (X + t · b) t∈[0,1]

der schiefe Zylinder über X in Richtung b der Höhe h. Die Zahl h ∈ R heißt die Höhe von Z(X, b).

b Z(X, b) h X

Rn−1

Abb. 127 Schiefer Zylinder 2Künstler: johnny_automatic, Quelle: https://openclipart.org/detail/1186

A.3. Weitere Volumenberechnungen

425

Ein verallgemeinerter Zylinder ist also ein schiefer Zylinder mit Richtungsvektor b = 0 ∈ Rn−1 . Bemerkung A.17. Es gibt eine lineare Abbildung ϕ : Rn → Rn mit Z(X, b) = ϕ(Zh (X)), nämlich diejenige mit darstellender Matrix

1 n−1 M(ϕ) = 0···0

b1 h

.. .

bn−1 h

1

  .   

Denn damit finden wir: s

x1 x1 + h · b1 .. ..   .  .  M(ϕ) · . = xn−1  xn−1 + s · bn−1  h   s s  

Nach der Substitution t = s/h liefert dies genau die Punkte aus Z(X, b) wie in Definition A.16. Für das Volumen des schiefen Zylinders Z(X, b) erhalten wir daher: voln (Z(X, b)) = voln (ϕ(Zh (X))) = | det(ϕ)| · voln (Zh (X))  = voln (Zh (X) .

(A.7)

Schiefe Zylinder haben also dasselbe Volumen wie gerade. Für X ∈ Kn−1 , dessen (n − 1)dimensionales Volumen durch die Bedingungen in Definition 5.16 bestimmt ist, so erhalten wir daher wieder: voln (Z(X, b)) = h · voln−1 (X)

(A.8)

Den verallgemeinerten Kegel über einer Basismenge X ⊂ Rn−1 und der Spitze b ∈ Rn erhalten wir, indem wir alle Punkte aus der Basis mit der Spitze verbinden. Kegel.

Definition A.18. Sei X ⊂ Rn−1 und b ∈ Rn . Dann heißt die Menge C(X, b) := {t · x + (1 − t) · b | 0 ≤ t ≤ 1, x ∈ X } der verallgemeinerte Kegel über X mit Spitze b.

426

A. Anwendungen

b C(X, b) Rn−1

X

Abb. 128 Verallgemeinerter Kegel

Bemerkung A.19. Ähnlich wie bei schiefen Zylindern ändert sich auch bei verallgemeinerten Kegeln das Volumen nicht, wenn man die Spitze verschiebt, solange man die Höhe über der

b1 ..  .  Basis dabei nicht verändert. Schreiben wir nämlich b =  und betrachten wieder die bn−1   h  lineare Abbildung ϕ : Rn → Rn mit darstellender Matrix

1 n−1 M(ϕ) = 0···0

b1 h

.. .

bn−1 h

1

  ,   

dann gilt ϕ|Rn−1 ×{0} = idRn−1 ×{0}

und

ϕ(en ) =

1 · b. h

Da det(M(ϕ)) = 1, ist ϕ invertierbar mit ϕ−1 (b) = h · en . Für den Kegel C(X, b) über X mit Spitze b ist daher ϕ−1 (C(X, b)) = C(X, h · en ). Wir erhalten damit für das Volumen von C(X, b) die Formel: voln (C(X, b)) = voln (C(X, h · en ) .

(A.9)

Das Volumen von C(X, b) hängt also nur von der letzten Komponente h der Spitze b ab. Wir bezeichnen h als die Höhe des Kegels C(X, b). Beispiel A.20. Wir wollen das dreidimensionale Volumen eines Kegels über der Kreisscheibe D(r) mit Höhe h berechnen. Nach Bemerkung A.19 können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit b := h · e3 setzen.

A.3. Weitere Volumenberechnungen

427

b h D(r)

Abb. 129

Um das Volumen von C(D(r), h · e3 ) zu berechnen, approximieren wir den Kegel zunächst durch m einbeschriebene Zylinder wie in folgender Skizze (für m = 4):

h · e3

  ←− Z h D( 34 r) 4

D(r) Abb. 130 Einbeschriebener Zylinder

  Die m einbeschriebenen Zylinder haben jeweils die Höhe mh und haben die Radien 1 − mj · r mit j = 1, . . . m. Da die Vereinigung aller dieser Zylinder in dem Kegel C(X, b) enthalten ist, und da die einzelnen Zylinder   j  h Z h D( 1 − · r + ( j − 1) · · e3 , m m m

j = 1 . . ., m ,

einander nur in Ebenen schneiden, so erhalten wir für das dreidimensionale Volumen des Kegels C(D(r), h · e3 ) die folgende untere Abschätzung: m    j  h

=

Z h D( 1 − vol3 (C(D(r), h · e3 )) ≥ vol3 · r + ( j − 1) · · e3  m m m j=1  m     j  h = vol3 Z h D( 1 − · r + ( j − 1) · · e3 m m m j=1

428

A. Anwendungen

=

   j  vol3 Z h D( 1 − ·r m m j=1

m 

=

m   h j 2 2 ·r ·π· 1− m m j=1

=

  m − j 2 h · πr 2 · m m j=1

(A.5)

m

=

 h 2 · π · r · (m − j)2 m3 j=1

=

 h 2 · π · r · k2 m3 k=0

m

m−1

(mit k = m − j)

h (m − 1) · m · 2m − 1 · π · r2 · 6 m3 1 (1 − ) · (2 − m1 ) m = π · r2 · h · . 6

=

Im Grenzwert m → ∞ erhalten wir daraus die folgende untere Abschätzung für das dreidimensionale Volumen des Kegels C(X, b): vol3 (C(D(r), h · e3 )) ≥ lim π · r 2 · h · m→∞

(1 − m1 ) · (2 − m1 ) π · r 2 · h = . 6 3

(A.10)

Nun, da wir eine untere Abschätzung für das dreidimensionale Volumen des Kegels C(X, b) bereits gewonnen haben, wollen wir auf analoge Weise das Volumen auch nach oben abschätzen. Dazu approximieren wir den Kegel C(X, b) durch m umbeschriebene Zylinder wie in folgender Skizze (für m = 4):

Abb. 131 Umschriebener Zylinder

  Die m umbeschriebenen Zylinder haben jeweils die Höhe mh und haben die Radien 1 − j−1 m ·r mit j = 1, . . . m. Da die Vereinigung aller dieser Zylinder in dem Kegel C(X, b) enthalten ist,

A.3. Weitere Volumenberechnungen

429

und da die einzelnen Zylinder   j − 1  h Z h D( 1 − · r + ( j − 1) · · e3 , m m m

j = 1 . . ., m ,

einander nur in Ebenen schneiden, so erhalten wir für das dreidimensionale Volumen des Kegels C(X, b) durch die analoge Rechnung wie oben die folgende obere Abschätzung: m    j − 1  h

=

vol3 (C(X, b)) ≤ vol3 Z h D( 1 − · r + ( j − 1) · · e3  m m m j=1  m     j − 1  = vol3 Z h D( 1 − ·r m m j=1

 h · π · r2 · k2 3 m k=1 m

=

(mit k = m − j + 1)

h m · (m + 1) · 2m + 1 · π · r2 · 3 6 m 1 (1 + m ) · (2 + m1 ) . = π · r2 · h · 6

=

Im Grenzwert m → ∞ erhalten wir daraus die folgende obere Abschätzung für das dreidimensionale Volumen des Kegels C(X, b): vol3 (C(D(r), h · e3 )) ≤ lim π · r 2 · h · m→∞

(1 + m1 ) · (2 + m1 ) π · r 2 · h = . 6 3

(A.11)

Damit ergibt sich insgesamt vol3 (C(D(r), b)) =

π · r2 · h 3

(A.12)

Bemerkung A.21. In der Approximation des Kegels durch Zylinder haben wir (im Wesentlichen) nur die Formel für das dreidimensionale Volumen des Zylinders über einer Kreisscheibe D(r) benutzt. Für eine beliebige Menge X ∈ K2 , deren Flächeninhalt durch die Bedingungen aus Definition 5.16 bestimmt ist, können wir ganz analog den Kegel C(X, h · e3 ) durch verallgemeinerte Zylinder von innen und von außen approximieren. Wir erhalten daher auf dieselbe Weise die folgende Formel für das dreidimensionale Volumen des Kegels C(X, h · e3 ) über X: vol3 (C(X, h · e3 )) =

h · vol2 (X) 3

(A.13)

430

A. Anwendungen

b C(X, b) X

Abb. 132 Kegel über allgemeinem X ∈ K2

Tetraeder und Oktaeder. Die platonischen Körper sind berühmte Objekte der Geometrie.

Bei ihnen handelt es sich um kompakte konvexe Teilmengen von R3 , die durch regelmäßige n-Ecke begrenzt werden. Alle Kanten haben dieselbe Länge. Ein platonischer Körper ist uns schon begegnet, nämlich der Würfel. Er wird durch 6 Quadrate begrenzt. Ein Würfel ist ein spezielles Parallelepiped; sein dreidimensionales Volumen ist einfach die dritte Potenz der Seitenlänge. Wir berechnen nun die Volumina für zwei weitere platonische Körper, nämlich das Tetraeder und das Oktaeder. Definition A.22. Das Tetraeder (zu deutsch: Vierflach) ist ein platonischer Körper, der vier Seiten hat, die jeweils gleichseitige Dreiecke sind.

a

a a

T(a)

a a

a

Abb. 133 Tetraeder

Wir bezeichnen mit T(a) ⊂ R3 das Tetraeder der Kantenlänge a. Wir wollen das dreidimensionale Volumen von T(a) berechnen. Sei Δ ⊂ R2 die Grundfläche und h die Höhe von T(a). Dann ist T(a) = C(Δ, h · e3 ), sofern wir T(a) so verschieben, dass der Schwerpunkt des Dreiecks Δ im Nullpunkt 0 ∈ R3 liegt. Aus der Formel (A.13) wissen wir nun, dass das dreidimensionale Volumen von T(a) gegeben ist durch: vol3 (T(a)) =

h · vol2 (Δ) . 3

Es bleibt also noch die Höhe h und der Flächeninhalt der Grundfläche Δ zu berechnen.

(A.14)

A.3. Weitere Volumenberechnungen

431

Die Grundfläche Δ ist ein gleichseitiges Dreieck der Seitenlänge a. a

a

h1 a

Abb. 134 Höhe h1 des Basisdreiecks

Die Höhe h1 von Δ ist nach dem Satz des Pythagoras:  h1 =



a2

a

2

2

√ 3 ·a. = 2

Aus der Formel (5.8) erhalten wir also für den Flächeninhalt von Δ: √ √ 3 3 2 1 ·a= ·a . vol2 (Δ) = · a · 2 2 4

(A.15)

(A.16)

Es bleibt die Höhe h zu berechnen: a h

h1

h1 Abb. 135 Höhe h des Tetraeders

Dazu zeichnen wir das Dreieck Δ mit der Höhe h über der Höhe h1 als Grundseite noch einmal:

h

h1

a x

h1 − x h1

Abb. 136

Für das linke Teildreieck liefert der Satz von Pythagoras h12 = x 2 + h2

(A.17)

432

A. Anwendungen

und für das rechte (A.17)

a2 = (h1 − x)2 + h2 = h12 − 2xh1 + x 2 + h2 = 2h12 − 2xh1, also a2 x = h1 − 2h1

(A.15)

=

√ 3 a2 a a− √ = √ . 2 3a 2 3

Setzen wir dies und (A.15) in (A.17) ein, so erhalten wir h2 = h12 − x 2 = und somit

3a2 a2 2a2 − = , 4 12 3

√ 2 h = √ ·a. 3

(A.18)

Für das dreidimensionale Volumen des Tetraeders T(a) der Seitenlänge a erhalten wir schließlich die Formel: √ √ √ √ 2 2 3 (A.14) h · vol2 (Δ) (A.16),(A.18) a · 2/ 3 · a · 3/4 = ·a , vol3 (T(a)) = = 3 3 12 also

√ vol3 (T(a)) =

2 3 ·a 12

(A.19)

Definition A.23. Das Oktaeder (zu deutsch: Achtflach) ist ein platonischer Körper, der durch acht gleichseitige Dreiecke begrenzt wird.

a h

h1

a

Abb. 137 Oktaeder

O(a)

A.4. Ranking von Webseiten

433

Wir bezeichnen mit O(a) das Oktaeder der Kantenlänge a. Die obige Skizze zeigt, dass O(a) sich in zwei Kegel über einem Quadrat Q mit Seitenlänge a zerlegen läßt. Der Flächeninhalt von Q ist gegeben durch vol2 (Q) = a2 . Das dreidimensionale Volumen von O(a) ist dann nach der Formel (A.13) gegeben durch: vol3 (O(a)) =

2 · h · a2 . 3

Es bleibt also noch die Höhe h zu berechnen. Die Seitenflächen des Oktaeders O(a) sind gleichseitige Dreiecke der Kantenlänge a; wir bezeichnen deren Höhe mit h1 . Um die Höhe h zu berechnen, zeichnen wir das Dreieck Δ noch einmal, das den oberen Kegel des Oktaeders O(a) halbiert. Dieses Dreieck ist gleichschenklig mit Schenkeln der Länge h1 , Höhe h und dritter Seite der Länge a:

h1

h1

h a

Abb. 138 Hilfsdreieck im Oktaeder √

Die Höhe h1 der Seitenflächen von O(a) ist nach der Formel (A.18) gegeben durch h1 = 23 · a. Die Höhe h des Kegels über Q berechnen wir mittels des Satzes von Pythagoras:     a 3 2 1 2 1 2 h = h12 − = (A.20) ·a − ·a = √ ·a. 2 4 4 2 Somit erhalten wir für das dreidimensionale Volumen des Oktaeders schließlich die Formel: √ 2 3 2 2 ·a , vol3 (O(a)) = · h · a = 3 3 also

√ vol3 (O(a)) =

2 3 ·a 3

(A.21)

A.4. Ranking von Webseiten Die Qualität einer Suchmaschine wie der von Google hängt nicht zuletzt von ihrer Fähigkeit ab, unter zahllosen Webseiten, die einen Suchbegriff enthalten, diejenigen mit der höchsten

434

A. Anwendungen

Relevanz zu finden, um sie ganz am Anfang der Trefferliste zu platzieren. Wie eine solche Sortierung nach Wichtigkeit funktioniert, wollen wir in den Grundzügen hier beschreiben. Dabei haben wir uns an [5] orientiert. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass eine Webseite umso wichtiger ist, je mehr andere Webseiten auf sie verweisen. Also könnte man einfach die Anzahl der Webseiten, von denen eine gegebene Seite verlinkt wurde, als ihre Wichtigkeit definieren und die Suchergebnisse danach sortieren. Besteht unser Internet also aus n Webseiten, dann wäre die Wichtigkeit der j-ten Webseite gegeben durch n  wj = η ji, (A.22) i=1

wobei η ji = 1 ist, wenn die i-te Webseite auf die j-te verweist, und = 0 falls nicht. Selbstverweise wollen wir Selbstreferenzen dabei nicht mitzählen und setzen stets η j j = 0. Diese Vorgehensweise berücksichtigt allerdings nicht, dass Verweise von wichtigen Webseiten ein höheres Gewicht haben sollten als die von unwichtigen. Daher ersetzen wir (A.22) durch die Forderung n  wj = η ji wi . (A.23) i=1

Jetzt wird jeder Link von einer anderen Webseite mit der Wichtigkeit dieser verlinkenden Seite gewichtet. Allerdings können sich auch unwichtige Seiten jetzt immer noch einen großen Einfluss auf das Ranking dadurch verschaffen, dass sie viele Links auf andere Seiten setzen. Der Einfluss auf die Anordnung jeder einzelnen Seite ist dann zwar immer noch gering, aber der Gesamteinfluss auf die Ranking-Prozedur, wenn wir alle Seiten zusammennehmen, ist ungebührlich groß. Um das zu verhindern, normieren wir die Koeffizienten η ji so, dass ihre Gesamtsumme stets 1 ergibt. Wir ersetzen also η ji durch η ji a ji = n

k=1 η ki

.

Hier müssen wir aufpassen, dass wir nicht durch 0 dividieren. Das würde dann passieren, wenn für ein i gelten würde, dass ηki = 0 ist für alle k. Das bedeutet, dass die i-te Webseite auf gar keine andere Webseite verweist. Um diese Komplikation zu vermeiden, wollen wir der Einfachheit halber annehmen, dass unser Internet keine solchen „stummen“ Webseiten enthält. Nun können wir (A.23) ersetzen durch die Forderung wj =

n 

a ji wi .

(A.24)

i=1

Wollen wir dies zur Berechnung der Wichtigkeit der Webseiten verwenden, scheint sich die Katze in den Schwanz zu beißen, da in (A.24) die zu bestimmenden w j auf der rechten Seite wieder vorkommen. Aber das ist kein Problem. Definieren wir nämlich die Matrix A ∈ Mat(n, R) durch die Einträge a ji und den Vektor w ∈ Rn mit den Komponenten w j , dann wird (A.24) zu w = A · w. (A.25)

A.4. Ranking von Webseiten

435

In anderen Worten, der gesuchte Vektor w ist ein Eigenvektor von A zum Eigenwert 1. Damit können wir arbeiten. Unsere Matrix A ist spalten-stochastisch, d.h. alle Einträge liegen im Intervall [0, 1] und die  Summe aller Einträge einer Spalte ergibt stets 1, nj=1 a ji = 1 für jedes i. Solche Matrizen haben tatsächlich den Eigenwert 1. Lemma A.24. Jede spalten-stochastische Matrix hat 1 als Eigenwert.

Erster Beweis. Da A spalten-stochastisch ist, liefert die Summe aller Einträge einer Zeile der transponierten Matrix A stets den Wert 1. Daher gilt für den Vektor v = (1, . . ., 1) offensichtlich A v = v. Somit hat A den Eigenwert 1 und damit nach Bemerkung 6.50 auch A selbst.  Zweiter Beweis. Da A spalten-stochastisch ist, liefert die Summe aller Einträge einer Spalte von A − 1 stets den Wert 0. Also summieren sich die Zeilenvektoren von A − 1 zum Nullvektor und sind daher linear abhängig. Somit hat A − 1 nicht vollen Rang und es ist dim Eig(A, 1) = dim ker(A-1) ≥ 1.  Dies zeigt, dass (A.24) tatsächlich eine Lösung w  0 besitzt. Es gibt allerdings immer noch ein Problem. Betrachten wir als Beispiel ein Internet mit 4 Webseiten, in dem die ersten beiden Seiten aufeinander verweisen und die dritte und vierte sollen ebenfalls aufeinander verweisen.

1

2

3

4

Abb. 139 Einfaches Internet mit 4 Webseiten

Die Matrix A ist dann gegen durch

0 1 A= 0 0 In der Matrix

1 0 0 0

0 0 0 1

0 0 . 1 0

−1 1 0 0 1 −1 0 0   A − 14 =  0 0 −1 1   0 0 1 −1

(A.26)

(A.27)

436

A. Anwendungen

sind die ersten beiden Spalten Negative von einander als auch die beiden letzten. Daher hat die Matrix A − 14 Rang 2 und somit gemäß der Dimensionsformel (Satz 4.19) einen zweidimensionalen Kern. In anderen Worten, die geometrische Vielfachheit des Eigenwertes 1 von A ist 2. Es gibt also 2 linear unabhängige Eigenvektoren in (A.24) und damit grundsätzlich verschiedene Rankings. Es ist nicht klar, welchen Eigenvektor w man nun zur Sortierung der Suchmaschinentreffer nehmen sollte. Um dieses Problem zu vermeiden, nehmen wir eine letzte Modifikation vor. Ein völlig „demokratisches“ Internet, in dem jede Seite auf jede andere verweist, würde durch die Matrix 1

n · · · .. D = . 1 n · · ·

1 n

..  . 

1 n

beschrieben, wobei wir ausnahmsweise Selbstverlinkungen erlaubt haben. Wir wählen nun einen „Demokratiekoeffizienten“ ε ∈ (0, 1) und machen unsere Verlinkungsmatrix etwas demokratischer, in dem wir setzen B := (1 − ε)A + εD.

(A.28)

Auch diese Matrix B ist spalten-stochastisch, wobei nun alle Einträge strikt positiv sind. Das entscheidende Resultat ist der folgende Satz: Satz A.25. Sei B ∈ Mat(n, R) eine spalten-stochastische Matrix, deren Einträge positiv sind. Dann ist Eig(B, 1) eindimensional und jeder Eigenvektor von B zum Eigenwert 1 hat entweder lauter positive oder lauter negative Komponenten. Beweis. a) Wir zeigen zunächst, dass jeder Eigenvektor w von B zum Eigenwert 1 lauter nichtnegative oder lauter nichtpositive Komponenten hat. Dazu machen wir zunächst die allgemeine Beobachtung, dass die Dreiecksungleichung für Summen reeller Zahlen   n  n     xi  ≤ |xi |  i=1

i=1

strikt ist, falls in der Summe sowohl positive als auch negative Summanden vorkommen. Die Eigenvektorgleichung w = Bw besagt, ausgedrückt in Komponenten, wj =

n 

b ji wi .

(A.29)

i=1

Falls nun sowohl positive als auch negative wi vorkommen, so gilt das auch für die Summanden in (A.29), da alle b ji positiv sind. Also ist    n n    n  b ji wi  < |b ji wi | = b ji |wi |. (A.30) |w j | =  i=1

i=1

i=1

A.4. Ranking von Webseiten

437

Wir summieren (A.30) über j und erhalten n 

|w j |
0 und nicht alle wi = 0 sind, sind unter den Summanden auch strikt positive. Also ist die Summe positiv, d.h. w j > 0. c) Dass spalten-stochastische Matrizen den Eigenwert 1 haben, haben wir in Lemma A.24 schon gesehen. Bleibt nur noch zu zeigen, dass die geometrische Vielfachheit nicht größer als 1 ist. Wir betrachten die Hyperebene H = {x ∈ Rn | x1 +. . .+ xn = 0} ⊂ Rn . Wäre dim Eig(B, 1) ≥ 2, dann wäre dim(Eig(B, 1) ∩ H) ≥ 1. Es gäbe also Eigenvektoren w von B zum Eigenwert 1 mit w1 + . . . + wn = 0. Das aber widerspricht der schon bewiesenen Tatsache, dass alle w j > 0 oder alle w j < 0 sind.  Es gibt eine Verallgemeinerung von Satz A.25, die als Frobenius-Perron-Theorem bekannt ist, hier aber nicht benötigt wird. Satz A.25 liefert genau, was wir brauchen. Wir erhalten einen Eigenvektor w von B zum Eigenwert 1. Indem wir gegebenenfalls w durch −w ersetzen, stellen wir sicher, dass alle w j > 0 sind. Dann interpretieren wir w j als die Wichtigkeit der j-ten Webseite und ordnen unsere Suchtrefferlisten danach. Dieses w ist zwar nur bis auf Multiplikation mit einer positiven Zahl t > 0 eindeutig festgelegt, aber wenn wir w durch tw ersetzen, d.h. alle w j durch tw j ersetzen, dann ändert das nichts an der Wichtigkeitsreihenfolge. Beispiel A.26. In dem Beispiel aus (A.26) ist

0 1 B = (1 − ε) 0 0

1 0 0 0

0 0 0 1

1 0

4  1 0  + ε 41 4 1 1 0 4

1 4 1 4 1 4 1 4

1 4 1 4 1 4 1 4

1 4 1 4 1  4 1 4

ε ε ε 1 − 3ε 4 4 4

4 1 − 3ε ε ε ε  4 4 4 4 . = ε ε ε 3ε  4  1 − 4 4 4  3ε ε ε ε 1− 4 4 4  4

Hier können wir sofort einen Eigenvektor zum Eigenwert 1 erraten, nämlich w = (1, 1, 1, 1) . Alle Webseiten sind also gleich wichtig. Beispiel A.27. Betrachten wir ein Internet bestehend aus 4 Webseiten, die wie folgt verlinkt sind:

438

A. Anwendungen

1

2

3

4

Abb. 140 Komplexeres Internet mit 4 Webseiten

Dann ist 1

0 0 1 2 1 0 0 0  A = 21 1  2 2 0 12   1 0 2 0 0

und 1 1

0 0 1 2

4 1 0 0 0 1 4  B = (1 − ε) 21 1 + ε 1  2 2 0 12  4  1 1 0 2 0 0 4

1 4 1 4 1 4 1 4

1 4 1 4 1 4 1 4

1 4 1 4 1  4 1 4

ε 4 ε 4

ε

4 1 − = 21 2 − ε 4

ε 4 ε 4

1 2 1 2

− −

1− ε 4 ε 4

ε 4 ε 4 ε 4

3ε 4

1 2 1 2

− ε4 ε  4 .  − ε4  ε 4



Man rechnet leicht nach, dass 3 2

−ε + 8 ε − 19 ε + 16 −ε 3 + 4 ε 2 − 7 ε + 8   w= 3  −ε + 6 ε 2 − 15 ε + 14  3 2 ε −4ε +3ε +4 

Eigenvektor von B zum Eigenwert 1 ist. Es gilt für alle ε ∈ [0, 1), dass w1 > w3 > w2 > w4 > 0 ist. Die erste Webseite ist also die wichtigste, gefolgt von den Seiten 3, 2 und 4, und das obwohl mehr Links auf Seite 3 verweisen als auf die erste. In diesen Beispielen ist das Ranking-Ergebnis unabhängig davon, wie wir den Koeffizienten ε gewählt haben. Das braucht im Allgemeinen nicht so zu sein. Eine Suchmaschine wird daher einen Wert für ε festlegen. Dieser wird viel näher bei 0 als bei 1 liegen, da die gleichmacherische Matrix D das Ergebnis nicht dominieren soll. Google hat in der Anfangszeit, [5] zufolge, mit einem Wert von ε = 0.15 gearbeitet.

A.5. Differentialgleichungssysteme mit konstanten Koeffizienten In diesem Abschnitt illustrieren wir die Nützlichkeit der Triagonalisierbarkeit von Matrizen für eine Anwendung in der Analysis, nämlich das Lösen von Differentialgleichungssystemen

A.5. Differentialgleichungssysteme mit konstanten Koeffizienten

439

mit konstanten Koeffizienten. Seien zunächst eine Konstante a ∈ C und eine stetige Funktion f : R → C gegeben. Wir suchen alle stetig differenzierbaren Funktionen y : R → C, die y# (t) = a · y(t) + f (t)

(A.31)

erfüllen. Man nennt (A.31) eine Differentialgleichung, da in ihr sowohl die gesuchte Funktion als auch ihre Ableitung vorkommt. Genauer handelt es sich bei (A.31) um eine gewöhnliche Differentialgleichung erster Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Man kann nun leicht nachrechnen, dass für jede Konstante c ∈ C die Funktion y : R → C gegeben durch ∫t

y(t) = e · e−as f (s)ds + c 0  at

(A.32)

eine Lösung von (A.31) ist. In der Analysis lernt man, dass tatsächlich alle Lösungen von (A.31) von der Form (A.32) sind. So weit, so gut. Nun möchten wir Systeme von Differentialgleichungen lösen. Gegeben seien Konstanten ai j ∈ C und stetige Funktionen fi : R → C und wir suchen alle stetig differenzierbaren Funktionen yi : R → C, so dass y#1 (t) =

n  j=1

y#n (t) =

n 

a1 j · y j (t) + f1 (t) .. . an j · y j (t) + fn (t)

(A.33)

j=1

erfüllt ist. Wir schreiben dies kompakter, indem wir die Matrix A ∈ Mat(n, C) einführen, deren Einträge die ai j sind, sowie die vektorwertigen Funktionen y : R → Cn , y(t) := (y1 (t), . . ., yn (t)) , und f : R → Cn , f (t) := ( f1 (t), . . ., fn (t)) . Dann schreibt sich (A.33) einfach als y# (t) = A · y(t) + f (t). (A.34) Dies sieht fast wieder so aus wie (A.31), nur dass nun die Funktionen y und f vektorwertig sind und wir eine Koeffizientenmatrix A haben statt eines skalaren Koeffizienten. Wenn wir Glück haben und A eine obere Dreiecksmatrix ist, dann können wir das Differentialgleichungssystem (A.34) von unten nach oben lösen. Die unterste Gleichung lautet dann nämlich y#n = ann yn (t) + fn (t). Also ist

∫t

yn (t) = e · e−ann s fn (s)ds + cn  0  für eine Konstante cn ∈ C. Nun schauen wir uns die zweitunterste Gleichung an. Sie lautet ann t

y#n−1 (t) = an−1,n−1 · yn−1 (t) + an−1,n · yn (t) + fn−1 (t).

440

A. Anwendungen

Aber yn haben wir bereits berechnet. Setzen wir f˜n−1 (t) := an−1,n · yn (t) + fn−1 (t), dann lautet die zweitunterste Gleichung y#n−1 (t) = an−1,n−1 · yn−1 (t) + f˜n−1 (t). Also ist

∫t

yn−1 (t) = e · e−an−1,n−1 s f˜n−1 (s)ds + cn−1  0  für eine Konstante cn−1 ∈ C. So fahren wir von unten nach oben fort. Allgemein lautet die k-te Gleichung y# k (t) = a k k · yk (t) + a k,k+1 · yk+1 (t) + . . . + a kn · yn (t) + fk (t). (A.35) an−1,n−1 t

Die Funktionen yk+1, . . . , yn kennen wir dann schon und setzen daher f˜k (t) := a k,k+1 · yk+1 (t) + . . . + a kn · yn (t) + fk (t). Aus (A.35) wird y# k (t) = a k k · yk (t) + f˜k (t). Also ist yk (t) = e

ak,k t

∫t

· e−ak,k s f˜k (s)ds + ck  0 

(A.36)

für eine Konstante ck ∈ C. Bei jedem Schritt ist eine Konstante ck zu wählen. Was hat es damit auf sich? Setzen wir t = 0 in (A.36) ein, so erhalten wir yk (0) = ck . Durch Vorgabe der Funktionswerte von yk bei t = 0 wird die Lösung des Differentialgleichungssystems (A.33) also eindeutig festgelegt. Was aber tun wir, wenn A keine obere Dreiecksmatrix ist? Da kommt uns die lineare Algebra zur Hilfe. Gemäß Korollar 6.83 kann jede komplexe n × n-Matrix trigonalisiert werden, d.h. es gibt eine invertierbare Matrix S ∈ GL(n, C), so dass B := S AS −1 eine obere Dreicksmatrix ist. Wir multiplizieren nun (A.34) von links mit S und erhalten S y# (t) = S Ay(t) + S f (t) = BSy(t) + S f (t). Wenn wir also z(t) := Sy(t) und g(t) := S f (t) setzen, dann erhalten wir das Differentialgleichungssystem z#(t) = Bz(t) + g(t), das wir wie oben beschrieben lösen können. Anschließend lösen wir wieder mittels y(t) = S −1 z(t) nach y auf und haben die Lösung des ursprünglichen Differentialgleichungssystems (A.34).

A.5. Differentialgleichungssysteme mit konstanten Koeffizienten

441

Beispiel A.28. Wir bestimmen die Lösungen des Differentialgleichungssystems y#1 (t) = 3y1 (t) + 4y2 (t) + 3y3 (t), y#2 (t) = −y1 (t) − y3 (t), y#3 (t) = y1 (t) + 2y2 (t) + 3y3 (t). In Matrixschreibweise heißt das: 3 4 3

y# (t) = −1 0 −1 y(t). 1 2 3 In Beispiel 6.84 haben wir berechnet, dass

(A.37)

1 0 0 1 0 0 2 1 3





B = S AS −1 = 0 2 2 gilt, wobei S = 1 1 0 und S −1 = −1 1 0 . 0 1 0 1 −1 1 0 0 2 Die Substitution z(t) = Sy(t) liefert das Differentialgleichungssystem z#1 (t) = 2z1 (t) + z2 (t) + 3z3 (t), z#2 (t) = 2z2 (t) + 2z3 (t), z#3 (t) = 2z3 (t). Dieses System lösen wir von unten nach oben. Die Gleichung z#3 (t) = 2z3 (t) liefert z3 (t) = c3 e2t . Die Gleichung z#2 (t) = 2z2 (t) + 2z3 (t) = 2z2 (t) + 2c3 e2t liefert % $ ∫t   2t −2s 2s e · 2c3 e ds + c2 = e2t · 2c3 t + c2 . z2 (t) = e · 0

Die Gleichung z#1 (t) = 2z1 (t) + z2 (t) + 3z3 (t) = 2z1 (t) + e2t · (2c3 t + c2 + 3c3 ) schließlich liefert % $ ∫t   2t −2s 2s e e (2c3 s + c2 + 3c3 )ds + c1 = e2t c3 t 2 + (c2 + 3c3 )t + c1 . z1 (t) = e · 0

Nun machen wir die Substitution rückgängig und lösen nach y auf: c t 2 + (c2 + 3c3 )t + c1 1 0 0

2t 3

  y(t) = S z(t) = −1 1 0 e 2c3 t + c2  1 −1 1 c 3   c3 t 2 + (c2 + 3c3 )t + c1

= e2t −c3 t 2 − (c2 + c3 )t − c1 + c2  . 2 c3 t + (c2 + c3 )t + c1 − c2 + c3  −1

Damit haben wir die allgemeine Lösung des Differentialgleichungssystems (A.37) bestimmt.

B. Was sonst noch interessant ist B.1. Das griechische Alphabet In der folgenden Tabelle werden die griechischen Groß- und Kleinbuchstaben aufgelistet zusammen mit ihrer Aussprache. Mitunter sind bei den Kleinbuchstaben mehrere Varianten gebräuchlich. Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω

α alpha β beta γ gamma δ delta ε,  epsilon ζ zeta η eta θ, θ theta ι jota κ kappa λ lambda μ mü ν nü ξ xi ο omikron π pi ρ rho σ, ς sigma τ tau υ upsilon φ, φ phi χ chi ψ psi ω omega

Tab. 29 Die griechischen Buchstaben © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 C. Bär, Lineare Algebra und analytische Geometrie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22620-6_9

444

B. Was sonst noch interessant ist

B.2. Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra In diesem Abschnitt beweisen wir den Fundamentalsatzes 2.117 der Algebra. Wir formulieren ihn erst einmal so: Satz B.1 (Fundamentalsatz der Algebra). Ist f ∈ C[x] mit deg( f ) ≥ 1, so besitzt f˜ mindestens eine Nullstelle. Daraus folgt dann die Formulierung aus Satz 2.117: Korollar B.2. Jedes komplexe Polynom zerfällt in Linearfaktoren.

Beweis des Korollars. Schreibe gemäß Lemma 6.23 (iv) das Polynom in der Form f = (x − λ1 )r1 · · · (x − λn )rn · g, wobei g˜ keine Nullstellen hat. Nach dem Fundamentalsatz ist deg(g) ≤ 0, also ist g eine Konstante.  Beweis von Satz B.1. Angenommen, f˜ hätte keine Nullstelle. Wir schreiben f = an x n +. . .+a0 mit n = deg( f ) ≥ 1 und an  0. a) Behauptung: Die Funktion C → R, z −→ | f˜(z)|, nimmt auf C ihr Minimum an. Beweis der Behauptung: Wähle R > 0 so groß, dass |an−1 | |a0 | |an | 2|a0 | +...+ n ≤ und Rn ≥ . R R 2 |an | Dann gilt für alle z mit |z| ≥ R: | f˜(z)| = |an z n + . . . + a1 z + a0 |  % $  n a1 a0   = z · an + . . . + n−1 + n  z z    a a 1 0  n = |z| an + . . . + n−1 + n  z z %  $  a a0  a1 n−1 n  ≥ |z| |an | −  + . . . + n−1 + n  z z z %% $ $ | | |a |a n−1 0 ≥ |z| n |an | − +...+ n |z| |z | $ %% $ | |a |a n−1 0| n ≥ R |an | − +...+ n R R % $ | |a n ≥ Rn |an | − 2 |a | n = Rn ≥ |a0 |. 2

(B.1)

B.3. Praktische Invertierung von Matrizen

445

Die Scheibe D R (0) = {z ∈ C | |z| ≤ R} ist kompakt und die Funktion | f˜| ist stetig. Nun benutzen wir die Aussage aus der Analysis, dass stetige Funktionen auf kompakten Mengen stets ihr Minimum annehmen. Also nimmt | f˜| auf D R (0) ihr Minimum an, d.h. es gibt ein z0 ∈ D R (0), so dass | f˜(z0 )| ≤ | f˜(z)| für alle z ∈ D R (0) gilt. Insbesondere ist m := | f˜(z0 )| ≤ | f˜(0)| = |a0 |. Wegen (B.1) gilt m ≤ | f˜(z)| für alle z ∈ C.  b) O.B.d.A. können nehmen wir an, dass z0 = 0, denn ansonsten betrachten wir statt f das „verschobene“ Polynom g(z) = f (z + z0 ). Mit g˜ hat dann auch f˜ eine Nullstelle. Nun ist m = | f˜(0)| = |a0 | und (nach Annahme, dass f˜ keine Nullstellen hat) a0  0. Da f˜ und 1 ˜ a0 · f dieselben Nullstellen haben, können wir o.B.d.A. a0 = 1 annehmen.    k| Schreibe f = an x n + . . . + a k x k + 1 mit a k  0 (1 ≤ k ≤ n). Wegen  −|a ak  = 1 existiert ein ϕ ∈ [0, 2π), so dass

−|ak | ak

= eiϕ . Für alle z der Form z = reiϕ/k mit r > 0 gilt a k z k = −|a k |e−iϕ · r k · eiϕ = −|a k | · r k < 0.

k Insbesondere sindsolche    z ∈ R. Wir wählen nun ein δ > 0 so klein, dass |a k | · δ < 1 sowie  an  n−k  ak+1  1 iϕ/k + . . . +  ak  δ < 2 gilt. Dann gilt für alle 0 ≤ r ≤ δ und z = re  ak  · δ

| f˜(z)| = |an z n + . . . + a k z k + 1| ≤ |an z n + . . . + a k+1 z k+1 | + |a k z k + 1|    a k+1  k  an n−k = |a k z |  z +...+ z + | − |a k | · r k + 1| ak ak   %  $     a k+1  k  an  n−k  r + 1 − |a k |r k  ≤ |a k |r   r +...+ a a  k

k

1 ≤ |a k |r k · + 1 − |a k |r k 2 1 = 1 − |a k |r k 2 s für hinreichend großes t1 ∈ R und sinh(t2 ) < s für hinreichend kleines t2 ∈ R. Nach dem Zwischenwertsatz gibt es ein t zwischen t1 und t2 mit sinh(t) = s. Das zeigt die Surjektivität von sinh. 

452

B. Was sonst noch interessant ist

f (t) f = cosh 3 2 1 −3

−2

−1 −1

1

2

t

−2 f = sinh

−3 −4

Abb. 141 Hyperbolischer Sinus und Kosinus

Literaturverzeichnis [1] Albrecht Beutelspacher, Lineare Algebra. Eine Einführung in die Wissenschaft der Vektoren, Abbildungen und Matrizen, 8. Auflage, Heidelberg: Springer Spektrum, 2014. [2] Siegfried Bosch, Lineare Algebra, 5. Auflage, Heidelberg: Springer Spektrum, 2014. [3] Egbert Brieskorn, Lineare Algebra und analytische Geometrie. I. Noten zu einer Vorlesung mit historischen Anmerkungen von Erhard Scholz, Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg, 1983. [4] Egbert Brieskorn, Lineare Algebra und analytische Geometrie. II. Noten zu einer Vorlesung mit historischen Anmerkungen von Erhard Scholz, Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg, 1985. [5] Kurt Bryan und Tanya Leise, The $25,000,000,000 eigenvector: The linear algebra behind Google, SIAM Rev. 48 (2006), 569–581, DOI 10.1137/050623280. [6] Gerd Fischer, Lineare Algebra, 17. Auflage, Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2010. [7] Gerd Fischer, Lernbuch Lineare Algebra und Analytische Geometrie, 3. Auflage, Wiesbaden: Springer Spektrum, 2017. [8] Hans Grauert und Hans-Christoph Grunau, Lineare Algebra und Analytische Geometrie, München: Oldenbourg Verlag, 1999. [9] Bertram Huppert und Wolfgang Willems, Lineare Algebra, 2. Auflage, Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2010. [10] Klaus Jänich, Lineare Algebra, 11. Auflage, Berlin: Springer Verlag, 2008. [11] Hans-Joachim Kowalsky und Gerhard O. Michler, Lineare Algebra, 12. Auflage, Berlin: Walter de Gruyter, 2003. [12] Jörg Liesen und Volker Mehrmann, Lineare Algebra. Ein Lehrbuch über die Theorie mit Blick auf die Praxis, 2. Auflage, Heidelberg: Springer Spektrum, 2015. [13] Reiner Staszewski, Karl Strambach und Helmut Völklein, Lineare Algebra, München: Oldenbourg Verlag, 2009. [14] Hannes Stoppel und Birgit Griese, Übungsbuch zur Linearen Algebra. Aufgaben und Lösungen, 9. Auflage, Heidelberg: Springer Spektrum, 2017. [15] Stefan Waldmann, Lineare Algebra I. Die Grundlagen für Studierende der Mathematik und Physik, Heidelberg: Springer Spektrum, 2017. [16] Stefan Waldmann, Lineare Algebra II. Anwendungen und Konzepte für Studierende der Mathematik und Physik, Heidelberg: Springer Spektrum, 2017.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 C. Bär, Lineare Algebra und analytische Geometrie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22620-6

Index Symbole ·, ·, Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 +n , Addition modulo n . . . . . . . . . . . . . . 136 :=, Definition mathematischer Größen . . . 7 :⇔, Definition von Aussagen . . . . . . . . . . . 1 #M, Anzahl der Elemente von M . . . . . . 12 ⇔, Äquivalenz von Aussagen . . . . . . . . . . 1 ⇒, Implikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 , isomorph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139, 152 ¬, Verneinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 ⊂, Teilmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 ⊃, Obermenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 0, Nullmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1n , Einheitsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 ∀, All-Quantor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 A ∨ B, Disjunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 A ∧ B, Konjunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 AΔB, symmetrische Differenz . . . . . . . . 173 Abb(M, N), Menge der Abbildungen von M nach N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 An , alternierende Gruppe . . . . . . . . . . . . 145 Aut(V), Menge der Automorphismen von V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 A + v, in Richtung v verschobene Menge A 235 C, Doppelkegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 C, Menge der komplexen Zahlen . . . . . . . 98 C(X, b), Kegel über X mit Spitze b . . . 425 cosh, hyperbolischer Kosinus . . . . . . . . . 450 dH , Hamming-Abstand . . . . . . . . . . . . . . 417 δi j , Kronecker’sches δ-Symbol . . . . . . . 374 det(A), Determinante einer Matrix . . . . 204 det(ϕ), Determinante eines Endomorphismus . . . . . . . . . . . . 222 dim, Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

∃, Existenz-Quantor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ∈, Element von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 , nicht Element von . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 E+ (2), Gruppe der orientierungserhaltenden euklidischen Bewegungen . . . . 255 E(2), euklidische Bewegungsgruppe . . 255 End(V ), Menge der Endomorphismen von V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 f | M  , Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 f −1 , Umkehrabbildung . . . . . . . . . . . . . . . 28 Fn , Primkörper der Charakteristik n . . . 153 G× , Menge der invertierbaren Elemente 130 GL(n, R), allgemeine lineare Gruppe . . 132 H, Standardhyperbel . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Ha , Höhe eines Dreiecks . . . . . . . . . . . . . 259 Hom(V, W), Menge der Homomorphismen von V nach W . . . . . . . 182 i, imaginäre Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 id M , identische Abbildung von M . . . . . . 19 im, Bild einer Abbildung . . . . . . . . . . . . . . 20 im, Bild eines Gruppenhomomorphismus 139 im, Bild eines Vektorraumhomomorphismus 180 Im(z), Imaginärteil von z . . . . . . . . . . . . 102 J, Drehung um π/2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 ker, Kern eines Gruppenhomomorphismus 139 ker, Kern eines Vektorraumhomomorphismus 180 Kr (m), Kreis mit Mittelpunkt m und Radius r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 K · v, von v aufgespannter 1-dim. Untervektorraum . . . . . . . . . . . . 159

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K[x], Menge der Polynome in der Variablen x mit Koeffizienten in K 272 Kx, Menge der formalen Potenzreihen in der Variablen x mit Koeffizienten in K . . . . . . . . . . . 271 L(v1, . . ., vk ), lineare Hülle . . . . . . . . . . . . 56 L(X), lineare Hülle von X . . . . . . . . . . . . 159 ln, natürlicher Logarithmus . . . . . . . . . . 139 M1 × . . . × Mn , kartesisches Produkt . . . 18 MBA(ϕ), darstellende Matrix . . . . . . . . . . 187 MB (β), darstellende Matrix einer Bilinearform . . . . . . . . . . . . . . . . 341 MODn , Restabbildung . . . . . . . . . . . . . . . 136 mZ, Menge der durch m teilbaren ganzen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Mat(m × n, R), Menge der m × n-Matrizen mit Einträgen in einem Ring R 147 Mat(m × n, R), Menge der reellen m × n-Matrizen . . . . . . . . . . . . . . 47 Mat(n, K), Menge der n × n-Matrizen mit Einträgen in einem Körper K . 204 n M , kartesisches Produkt . . . . . . . . . . . . . 18 μgeo (λ), geometrische Vielfachheit des Eigenwerts λ . . . . . . . . . . . . . . . . 286 N, Menge der natürlichen Zahlen . . . . . . 12 N0 , Menge der natürlichen Zahlen inkl. 0 12 N(β), Nullraum von β . . . . . . . . . . . . . . . 350 O(2), orthogonale Gruppe von R2 . . . . . 253 O(2)− , Menge der Spiegelungsmatrizen252 O(V), orthogonale Gruppe von V . . . . . 383 O(a), Oktaeder der Kantenlänge a . . . . 433 O(n), Menge der orthogonalen n × n-Matrizen . . . . . . . . . . . . . . 384 Ωn , Menge der n-ten Einheitswurzeln . 134 P, Potenzmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 P , Orthogonalprojektion auf U . . . . . . 377 U , Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Q, Menge der rationalen Zahlen . . . . . . . 14 Q+ , Menge der positiven rationalen Zahlen 24 q β , quadratische Form zu β . . . . . . . . . . 346 R, Menge der reellen Zahlen . . . . . . . . . . 14

Index

R+ , Menge der positiven reellen Zahlen138 Re(z), Realteil von z . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 rg, Rang einer linearen Abbildung . . . . 182 r3g, Zeilenrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 ρ± , dritte Einheitswurzeln . . . . . . . . . . . 114 Rθ , Drehmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 SO(2), spezielle orthogonale Gruppe in Dimension 2 . . . . . . . . . . . . . . . . 250 SO(V), speziell-orthogonale Gruppe von V 383 SO(n), Menge der speziell-orthogonalen n × n-Matrizen . . . . . . . . . . . . . . 384 SU(V), speziell-unitäre Gruppe von V . 396 SU(n), Menge der speziell-unitären n × n-Matrizen . . . . . . . . . . . . . . 396 sgn(σ), Signum einer Permutation . . . . 144 sinh, hyperbolischer Sinus . . . . . . . . . . . 450 Sn , symmetrische Gruppe . . . . . . . . . . . . 132 S , Spielgelungsmatrix . . . . . . . . . . . . . . 194 θ , Summe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 TAA , Transformationsmatrix . . . . . . . . . . 189 T(a), Tetraeder der Kantenlänge a . . . . 430 Tw , Translation um w . . . . . . . . . . . . . . . . 240 U ⊥ ,orthogonales Komplement von U . 375 U(V ), unitäre Gruppe von V . . . . . . . . . . 396 U(n), Menge der unitären n × n-Matrizen 396 V  W, Isomorphie der Vektorräume V und W . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (x, y), Innenwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 X  , Transponierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Z, Menge der ganzen Zahlen . . . . . . . . . . 12 Z(X, b), schiefer Zylinder über X in Richtung b . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Zh (X), Zylinder über X der Höhe h . . . 422 Z/n, Restemenge bei Division durch n 136 o(V ), Menge der schiefsymmetrischen Endomorphismen . . . . . . . . . . . 399 o(n), Menge der schiefsymmetrischen Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 [ϕ, ψ], Kommutator von ϕ und ψ . . . . . 399 ϕ  , adjungierte Abbildung . . . . . . . . . . . 380 ψ-Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 v, w, Minkowski-Produkt . . . . . . . . . 355

Index

v, w, Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . 81, 264 (x, y), Innenwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 A Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 K-lineare ∼ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 adjungierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 affine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Abel, Niels Henrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Abelpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 abelsche Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 abgeschlossene Menge . . . . . . . . . . . . . . 242 abzählbar unendlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Addition von Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Adjazenzmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 adjungierte Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . 380 ähnliche Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Ähnlichkeitstransformation . . . . . . . . . . 193 äquivalente Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . 192 äquivalente Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Äquivalenzrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 affine Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 affiner Unterraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Algebra mit Einselement . . . . . . . . . . . . . 313 algebraische Multiplizität . . . . . . . . . . . . 298 algebraische Vielfachheit . . . . . . . . . . . . 298 Algebrenhomorphismus . . . . . . . . . . . . . 314 einserhaltender. . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 unitärer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 All-Quantor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 allgemeine lineare Gruppe . . . . . . . 132, 185 alternierend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 alternierende Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Amplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Annihilator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 antilinear . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 antisymmetrischer Endomorphismus . . 399 Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Arkus-Kosinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Assoziativgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aufeinander senkrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Aufpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

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ausgeartete Bilinearform . . . . . . . . . . . . . 351 Auswertehomomorphismus . . . . . . . . . . 277 Automorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 orientierungserhaltender . . . . . . . . . 229 orientierungstreuer . . . . . . . . . . . . . . 229 orientierungsumkehrender . . . . . . . 229 B Barbier. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63, 163 entgegengesetzt orientiert . . . . . . . . 224 geordnete ∼. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 gleich orientiert . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 verschieden orientiert . . . . . . . . . . . . 224 Basisauswahlsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Basisergänzungssatz . . . . . . . . . . . . . 69, 170 Basiswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 beschränkte Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 bijektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 einer Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 eines Gruppenhomomorphismus . . 139 eines Vektorraumhomomorphismus 180 bilinear . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Bilinearform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 ausgeartete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 degenerierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 entartete. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 indefinite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 negativ definite . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 negativ semidefinite . . . . . . . . . . . . . 354 positiv definite . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 positiv semidefinite. . . . . . . . . . . . . . 354 Binärsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Bogenmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Bruchrechenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C Cantor’sches Diagonalverfahren . . . . . . . 31 Cantor, Georg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Cardanische Gleichungen . . . . . . . . . . . . 118 Cauchy-Schwarz-Ungleichung82, 372, 393

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Cayley-Hamilton Satz von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 charakteristisches Polynom . . . . . . . . . . 287 Code fehlerkorrigierender . . . . . . . . . . . . . 418 linearer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Cosinus hyperbolicus . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Cramer’sche Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 D darstellende Matrix . . . . . . . . . . . . . 184, 187 darstellende Matrix einer Bilinearform 341 Definitionsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 degenerierte Bilinearform . . . . . . . . . . . . 351 Descartes, René . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Determinante eines Endomorphismus . . . . . . . . . . 222 einer Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Determinantenabbildung . . . . . . . . . . . . . 204 Determinantenmultiplikationssatz . . . . 215 Diagonalensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 diagonalisierbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 diagonalisierende Basis . . . . . . . . . . . . . . 347 Differentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Differentialgleichungssystem . . . . . . . . . 439 Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67, 169 eines affinen Unterraums . . . . . . . . . 238 Dimensionsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 direkte Summe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 disjunkte Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Disjunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Diskriminante einer kubischen Gleichung 118 Diskriminante einer quadratischen Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Distributivgesetz . . . . . . . . . . . . . . . 100, 145 Division mit Rest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Doppelkegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Drehachse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Drehmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Drehwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Flächeninhalt von . . . . . . . . . . . . . . . 245

Index

nicht entartet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Dreiecksungleichung . . . . . . . . 83, 373, 393 duale Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Dualraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 E Ebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Hesse’sche Normalform von . . . . . . 269 Eigenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 verallgemeinerter . . . . . . . . . . . . . . . 327 Eigenvektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Eigenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Einheitswurzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 einserhaltend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151, 314 Eisensteinzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 elementare Zeilenumformungen . . . . . . . 70 Ellipse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Flächeninhalt von . . . . . . . . . . . . . . . 250 endlich erzeugt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Endomorphismus antisymmetrischer . . . . . . . . . . . . . . . 399 orthogonaler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 schiefsymmetrischer . . . . . . . . . . . . . 399 selbstadjungierter . . . . . . . . . . . . . . . 381 entartete Bilinearform . . . . . . . . . . . . . . . 351 entgegengesetzt orientierte Basen . . . . . 224 Entwicklung der Determinante . . . . . . . 211 Epimorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 erweiterte Koeffizientenmatrix. . . . . . . . . 70 erweiterter euklidischer Algorithmus . . 324 Erzeugendensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Euklid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 euklidische Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . 255 euklidische Bewegungsgruppe . . . . . . . 255 euklidische Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 euklidischer Abstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 euklidischer Vektorraum . . . . . . . . . . . . . 370 euklidisches Skalarprodukt. . . . . . . . . . . 370 induziertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Euler’sche Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . 110 Euler’sche Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Euler’sche Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

Index

Euler, Leonhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Existenz-Quantor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 F Fahne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Falk-Schema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 fehlerkorrigierender Code . . . . . . . . . . . . 418 Fibonacci . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Fibonacci-Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Fibonacci-Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 297 Fixpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 formale Potenzreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Frequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Frobenius-Perron-Theorem. . . . . . . . . . . 437 Fundamentalsatz der Algebra . . . . 112, 444 G ganze Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Gauß’sche Zahlenebene . . . . . . . . . . . . . . . 98 Gauß-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Gauß’sche Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Gauß, Carl Friedrich . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 geometrische Multiplizität . . . . . . . . . . . 286 geometrische Vielfachheit . . . . . . . . . . . 286 geordnete Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 geordnete Standardbasis . . . . . . . . . . . . . 172 Gerade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78, 239 Hesse’sche Normalform von . . . . . . 258 Geradenkreuz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 gleich orientierte Basen . . . . . . . . . . . . . . 224 gleichmächtig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Goldbach’sche Vermutung . . . . . . . . . . . . 24 Goldbach, Christian . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 goldener Schnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Graßmann-Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Grad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Gradmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Gram-Schmidt-Verfahren . . . . . . . . . . . . 377 Graph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 orthogonale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 speziell-orthogonale . . . . . . . . . . . . . 383

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speziell-unitäre . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 unitäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Gruppenhomomorphismus . . . . . . . . . . . 137 Gruppenisomorphismus . . . . . . . . . . . . . 139 H Halbachse einer Ellipse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 Halbgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Hamming, Richard Wesley . . . . . . . . . . . 417 Hamming-Abstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Hauptminor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Hauptminorenkriterium . . . . . . . . . . . . . . 356 Hauptraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 hermitesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 hermitesches Skalarprodukt . . . . . . . . . . 392 Hesse’sche Normalform . . . . . . . . . 258, 269 Hexadezimalsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Hilbert, David . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Hilberts Hotel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Höhe eines Kegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 eines schiefen Zylinders . . . . . . . . . . 424 in einem Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Höhenschnittsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Homomorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 von K-Vektorräumen . . . . . . . . . . . . 177 Hotelzimmerlemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Householdermatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Hyperbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 hyperbolischer Kosinus . . . . . . . . . . . . . . 450 hyperbolischer Sinus . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Hyperebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I IBAN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Ideal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 identische Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 imaginäre Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Imaginärteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Impedanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Implikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

460

Index

Jacobi-Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . 399, 409 für Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . 270 Jordan’sche Normalform . . . . . . . . . . . . . 329 Jordanblock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

kommutative Algebra. . . . . . . . . . . . . . . . 313 kommutative Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . 135 kommutativer Ring . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Kommutativgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Kommutator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 kompakte Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Komplement, orthogonales . . . . . . . . . . 375 komplex konjugierte Zahl . . . . . . . . . . . . 103 komplexe Konjugation . . . . . . . . . . . . . . . 103 komplexe Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 komplexes trigonometrisches Polynom 160 Komposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Kondensator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Konjunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Kontrollmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Kosinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 hyperbolischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Kreisscheibe Flächeninhalt von . . . . . . . . . . . . . . . 249 Kreisteilungspolynom . . . . . . . . . . . . . . . 114 Kreuzprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Kronecker’sches δ-Symbol . . . . . . . . . . . 374 kubische Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

K

L

K-linear. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 K-Vektorraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 K-Vektorraumhomomorphismus . . . . . . 177 Kaninchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 kartesische Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . 78 kartesisches Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Kegel verallgemeinerter ∼ . . . . . . . . . . . . . 425 Volumen von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Kegelschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364, 370 Kern eines Gruppenhomomorphismus . . 139 eines Vektorraumhomomorphismus 180 Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Koeffizientenmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Laplace Spaltenentwicklungssatz . . . . . . . . . 212 Zeilenentwicklungssatz . . . . . . . . . . 215 leere Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Leonardo da Pisa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Liealgebra. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 linear abhängig . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62, 162 linear unabhängig . . . . . . . . . . . . . . . 62, 162 lineare Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . 43 lineare Hülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 159 linearer Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 linearer Teil einer affinen Abbildung . . 240 lineares Gleichungssystem . . . . . . . . . . . . 46 homogenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 inhomogenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Linearfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

indefinit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 indirekter Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Induktionsanfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Induktionsschritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Induktionsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . 34 Induktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 injektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Innenwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93, 374 invariante Fahne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 invarianter Untervektorraum . . . . . . . . . 303 inverse Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 inverses Element . . . . . . . . . . . . . . . . 99, 130 invertierbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 isomorph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 isomorphe Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 isomorphe Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Isomorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 139, 181 von K-Vektorräumen . . . . . . . . . . . . 181 J

Index

Linearfaktorzerlegung . . . . . . . . . . 112, 280 Linearkombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 linksinverse Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . 26 Lösungsmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Logarithmus natürlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Luschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 M Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 147 darstellende ∼ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 orthogonale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 schiefsymmetrische . . . . . . . . . . . . . 344 symmetrische . . . . . . . . . . . . . . 344, 381 unitäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Maximumsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Meer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Mengendifferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Methylien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Minimalpolynom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Minkowski-Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Mittelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Mittelpunkts-Lemma . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 modulo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Moivre-Binet Formel von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 mol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Monom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Monomorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 monoton wachsend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Morgan’sche Gesetze . . . . . . . . . . . . . 16, 39 Multiplikation komplexer Zahlen . . . . . . 99 Multiplikation von Matrizen . . . . . . . . . . 49 Multiplizität eines Eigenwerts algebraische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 geometrische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 N natürliche Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Negation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 negativ definit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 negativ orientierte Basis . . . . . . . . . . . . . 229

461

negativ semidefinit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 neutrales Element . . . . . . . . . . . . . . . 99, 128 nilpotent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336, 447 Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81, 371, 392 Normalenvektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Normalform für symmetrische Bilinearformen . . . . . . . . . . . . . . 347 normiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 normiertes Polynom . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Nullmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Nullraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 nullteilerfrei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 O Obermenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Oktaeder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 Volumen von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Orientierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 orientierungserhaltend . . . . . . . . . . . . . . . 229 orientierungstreu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 orientierungsumkehrend . . . . . . . . . . . . . 229 orthogonal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Orthogonalbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 orthogonale Gruppe . . . . . . . . . . . . 253, 383 orthogonale Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 orthogonaler Endomorphismus . . . . . . . 382 orthogonales Komplement . . . . . . . . . . . 375 Orthogonalprojektion . . . . . . . . . . . . . . . 377 Orthonormalbasis . . . . . . . . . . . . . . 374, 394 Orthonormalsystem . . . . . . . . . . . . . 374, 394 P p-q-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Parabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 parallel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .87 Parallelepiped . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Parallelogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 nicht entartet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Parallelogrammgleichung . . . . . . . . . . . . 407 Parallelotop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Volumen von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Parallelschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447

462

Permutation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Pisa schiefer Turm von . . . . . . . . . . . . . . . 424 platonischer Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 Polardarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Polarisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Polynom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Polynomdivision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Polynomfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 positiv definit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 positiv orientierte Basis. . . . . . . . . . . . . . 229 positiv semidefinit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Potenzmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Potenzreihe formale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Primkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Primzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Pythagoras, Satz des . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Q quadratische Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 quadratische Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Quadrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Quadriken Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 Quantor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 R Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75, 198 einer linearen Abbildung . . . . . . . . . 182 Spaltenrang . . . . . . . . . . . . . . . . . 75, 198 Zeilenrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Ranking von Webseiten . . . . . . . . . . . . . . 433 rationale Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Raute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Realteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Rechenschieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 rechtsinverse Abbildung . . . . . . . . . . . . . . 26 rechtwinkliges Dreieck Flächeninhalt von . . . . . . . . . . . . . . . 247 Reellifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Reflexivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Regel von Sarrus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Index

regelmäßiges n-Eck Flächeninhalt von . . . . . . . . . . . . . . . 248 Reihenschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Rhombensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Rhombus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Richtungsvektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Ring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Ring mit Eins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Ringhomomorphismus . . . . . . . . . . . . . . 150 einserhaltender. . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 unitärer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Ringisomorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 S Salpetersäure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Sarrus Regel von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Satz des Pythagoras . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Satz von Sylvester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Satz von Vieta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Schach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 schiefer Zylinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Volumen von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 schiefsymmetrische bilineare Abbildung 343 schiefsymmetrische Matrix . . . . . . . . . . 344 schiefsymmetrischer Endomorphismus 399 Schmidt’sche Orthonormalisierungsverfahren 377 Schnittmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Schwerpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Schwerpunktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Sehne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Seitenhalbierende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Sekante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 selbstadjungierter Endomorphismus . . 381 Sesquilinearform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 positiv definite . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Signum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 simultan diagonalisierbar . . . . . . . . . . . . 304 Sinus hyperbolischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

Index

463

Transformationsmatrix . . . . . . . . . . . . . . 189 Transitivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Translation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Transponierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 transponierte Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Transposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142, 201 trigonalisierbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 trigonometrisches Polynom . . . . . . . . . . 160 Trinitrotoluol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 triviale Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Tupel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Sinus hyperbolicus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Skalar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . 81, 264, 370 Skat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 spalten-stochastisch . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Spaltenentwicklungssatz von Laplace . 212 Spaltenvektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 74 speziell-orthogonale Gruppe . . . . . . . . . 383 speziell-orthogonale Matrix . . . . . . . . . . 384 speziell-unitäre Gruppe . . . . . . . . . . . . . . 396 speziell-unitäre Matrix . . . . . . . . . . . . . . 396 spezielle orthogonale Gruppe . . . . . . . . 250 spezielle Zeilenstufenform . . . . . . . . . . . . 71 Spiegelungsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Spur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Standard-Sesquilinearform . . . . . . . . . . . 392 Standardbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64, 164 Standardhyperbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Standardorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Strand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Stromstärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Suchmaschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Summe von Untervektorräumen . . . . . . 158 surjektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sylvester Satz von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 symmetrische bilineare Abbildung . . . . 343 symmetrische Differenz . . . . . . . . . . . . . 173 symmetrische Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . 132 symmetrische Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . 344

überabzählbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Umkehrabbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Unbekannte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 unitär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 unitäre Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 unitärer Algebrenhomomorphismus . . . 314 unitärer Ring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 unitärer Ringhomomorphismus . . . . . . . 151 unitärer Vektorraum . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 unitäre Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Unteralgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Untergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Unterkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Unterring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Untervektorraum . . . . . . . . . . . . . . . . 55, 157 invarianter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Urbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

T

V

Tangente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Tangenten-Sehnen-Satz . . . . . . . . . . . . . . 263 Teilmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Tetraeder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 Volumen von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 TNT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Toluol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Transformationsformel für Bilinearformen . . . . . . . . . . . . . . 343 für lineare Abbildungen . . . . . . . . . . 190

Vandermonde-Determinante . . . . . . . . . 233 Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Vektorraum euklidischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 unitärer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Vektorraum über K . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Vektorraumhomomorphismus . . . . . . . . 177 verallgemeinerter Eigenraum . . . . . . . . . 327 verallgemeinerter Kegel . . . . . . . . . . . . . 425 Volumen von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429

U

464

verallgemeinerter Zylinder . . . . . . . . . . . 422 Volumen von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Verkettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Verknüpfungstabelle . . . . . . . . . . . . . . . . 132 verschieden orientierte Basen . . . . . . . . 224 Vielfachheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112, 279 Vielfachheit eines Eigenwerts algebraische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 geometrische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Vierflach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 vollständige Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Volumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 W Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Weg der Länge m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 Wertebereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Index

Widerspruchsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Widerstand elektrischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Z Zeilenentwicklungssatz von Laplace . . 215 Zeilenrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Zeilenstufenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Zeilenvektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Zerlegung in verallgemeinerte Eigenräume 327 zugehöriger Untervektorraum . . . . . . . . 237 Zwei-Sehnen-Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Zweig einer Hyperbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Zylinder verallgemeinerter . . . . . . . . . . . . . . . 422