Liederlich! Die lüsterne Lyrik der Deutschen
 9783821858159

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Liederlich! F ir h h n r n

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Liederlich! Die lüsterne Lyrik der Deutschen

Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Steffen Jacobs

Eichborn CTSerlin

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© Eichbom AG, Frankfurt am Main, 2008 Umschlaggestaltung: Christiane Hahn unter Verwendung der Illustration •Frau mit Möpsen« von Nastja Holtfreter Lektorat: W olfgang Hörner Layout und Satz: Cosima Schneider Druck und Bindung: Druckerei Pustet, Regensburg (Eichborn Berlin) ISBN 978-3 -8 2 1 8 -5 8 1 5 -9 Alle R ech te Vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) oh ne schriftliche G enehm igung des Verlages reprodu­ ziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Mehr Informationen zu Büchern und Hörbüchern aus dem E ichbom Verlag finden Sie unter w w w . eichborn-berlin.de w w w .eichbom .de

Ach, ich fühl es! Keine Tugend Ist so recht nach meinem Sinn; Stets befind ich mich am wohlsten, Wenn ich damit fertig bin. Dahingegen so ein Laster, Ja, das macht mir viel Pläsier; Und ich hab die hübschen Sachen Lieber vor als hinter mir. Wilhelm Busch

Das Herz sitzt über dem Popo. Das Hirn überragt beides. Leider! Denn daraus entspringen so Viele Quellen des Leides. Doch ginge uns plötzlich das Hirn ins Gesäß Und die Afterpracht in die Köpfe, Wir wären noch minder als hohles Gefäß, Nur umgestürzte, unfertige Töpfe. Joachim Ringelnatz

INHALT

1. KAPITEL »Die zwei Modelle heften ihre Blicke ineinander als läge darin Wohl und Weh der Welt« Scharfe Bilder & Beobachtungen JOA CH IM RIN GELNATZ Den Unterschied bei Mann und Frau 15 • W IL ­ HELM BUSCH Das Bild des Manns in nackter Jugendkraft 15 JAKOB M I­ CHAEL R E IN H O L D LENZ Pygmalion 16 • ARNFRID A ST EL Pygma­ lion 16 FERDINAND HARDEKOPF Sublimierung 17 KARL KRAUS Wollust 18 • N ICO B LEU TG E haut 19 H EL LM U TH O P IT Z Charlotte Rampling in einem Hotelzimmer 20 • ULLA HAHN Flohmarkt 21 • ADOLF ENDLER An den Rand des »Hustler« gekritzelt 22 • ROLF D IE T E R BRINKMANN Meditation über Pornos 24 • JOA CH IM RINGELNATZ Dreiste Blicke 25 JOH A N N G EO R G SC H EFFN ER Der klügste Rat 26 • H EN D RICK JACKSON Mana (im Bade) 27 • R O BERT G ER N H A RD T Mutter Natur ... 28 • BEAT B RE C H B Ü H L Frau, Bauch, öffentlich 32

2. KAPITEL »gottverfiuchte konjunktive. wie gern ich mit dir schliefe« Spitze Phantasien &c Erzählungen DETLEV VON L ILIE N C R O N Hans der Schwärmer 35 • HANS FLESCH VON BRUNNINGEN Die Jungfrau 36 • ER ICH MÜHSAM Als ich dich fragte 37 ■FRANK W ED EK IN D Schweig und sei lieb 38 ■M ATTHIAS POLITYCKI Halt’s Maul und sei schön! 39 • R O BERT G ER N H A R D T Ermun­ terung 40 ELSE LA SK E R -SC H Ü LER Ein Liebeslied 41 JOA CH IM R IN ­ GELNATZ Offener Antrag auf offener Straße 42 • H EL M U T KRAUSS ER wir mieteten ein zimmer 43 • FR IT Z EC KEN GA An Tagen wie diesem 44 • BARBARA MARIA KLOOS Jungfernflug 45 • ALEXANDER N ITZB ER G Schlaflos 46 M ATTHIAS G Ö R IT Z Französisch 46 • C H R ISTIA N H O FF­ MANN VON HOFFMANNSWALDAU Albanie 4 7 'G E L Ä N D E R Aiseiner im Schlaff verschwenderisch gewesen 49 JOH A N N W ILH ELM LUDWIG GLEIM Das Licht 50 E R N ST JA N D L möbel 50 FR IE D R IC H S C H L E ­ GEL Du meine Hand bist mehr als alle Weiber 51 FR IED RICH RÜCKER Die glückliche Gärtnerhand 51 • KLAUS CÄSAR Z E H R E R Casanovas Nord­ landreise 52

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INHALT

3. KAPITEL »Sie drückten sich schon beizeiten Fort aus dem Tanzlokal« Verruchtes Stadt- & Partyleben ARNE RAUTENBERG endlich gustav freytag! 57 JOA CH IM RIN G ELNATZ Sie drückten sich schon beizeiten 58 • ALFRED L IC H T E N S T E IN Komisches Lied 60 FRANK W ED EK IND Lulu 61 • E R N ST BLASS Sonntagnachmittag 62 • TANJA DÜCKERS Heute früh 63 • FRANZ HO D JAK Einsatz 63 ■JAKOB VAN H O D D IS Variété I: Loge 64 • JAKOB VAN H O D D IS Variété III: Der Humorist 64 • JAKOB VAN H O D D IS Variété VII: Die Soubrette 64 JAKOB VAN H O D D IS Variété VIII: Die Tänzerin 65 • G O T T F R IE D BENN Nachtcafé III 66 • A U G U ST STRAMM Freudenhaus 67 • FRANZ H E SSEL Ungewißheit 68 • G O T T F R IE D BENN Einer sang 69

4. KAPITEL »Jeder Tag hat seine Plage, Und die Nacht hat ihre Lust« Sündige Nächte & Gestalten JOH A N N WOLFGANG G O E T H E Philine 73 ■ULLA HAHN So 74 • GEO RG HEYM Abends 75 • REGULA VENSKE Rück Mann Stück 76 • H O R S T TOMAYER Der wahre Hermann Hesse 77 • ELSE LASKERSC H Ü LE R Orgie 78 JOH A N N W OLFGANG G O E T H E Herbstlich leuchtet die Flamme 79 • RAINER MARIA RILKE Wie rief ich dich 80 • KAROLINE VON G Ü N D ER O D E Liebe 81 • FR IE D R IC H SC H LE G EL So liegst du gut! 82 • PAUL B O LD T Die Liebesfrau 83 • (»UNTER KUNERT Alles fließt 84 • RICARDA HU CH Mich band die Liebe 85 • FR IED RICH SC H L E G E L Von allen Männern 86 • KLABUND Der kleine Mörder 87 • PE TE R PAUL ALTHAUS Der Widerspenstigen Zähmung 88 • E R N ST STADLER Dann brenn’ ich nächtelang 89 • G Ü N TER KUNERT Lilith 90 RICHARD PIETR A SS Libertinage 90 DAGMAR LEU PO LD Sado-Maso 91 ARNE RA UTENBERG draculabelle zu draculakai 91 • SYBIL VOLKS Faust I 92 • SYBIL VOLKS Faust II 92 KAROL KRÖPCKE Ohne Umstände knöpfte sie der anderen 93 • RICHARD PIETR A SS Das Erwachen 94 • FRANZ HODJAK Bettsonett 95 • ANNA REAL Das tristere Tier 96

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INHALT

5. KAPITEL »Dein sündger Mund ist meine Totengruft, betäubend ist sein süßer Atemduft« Trunkene Kuß- & Schlemmermäuler FRANK W ED EK IND Galathea 99 PAUL FLEM ING Wie er wolle geküsset sein 100 • KAROLINE VON G Ü N D ER O D E Der Kuß im Traume 101 ■EL SE LA SK E R -SC H Ü LER Sinnenrausch 102 • U LRIKE DRAESNER musenpressen 103 • H A N S-U LRICH T R E IC H E L Ach, Geliebte 104 ARNFRID A ST E L Die Wimper 104 • ILMA RAKUSA Zwei erotische Neunzeiler 105 • ULJANA W OLF Ihm Blühen Grunde 106 ■M ATTHIAS G Ö R IT Z Hidden Tracks 107 ■H EL M U T KRAUSSER Du Schicksal riechst so geil 108 ■T H E O D O R KRAMER Die Liebeseifrige 109 ■ HELGA M. NOVAK Liebe 110 ■JAN WAGNER fenchel 111 • G ISB E R T HAEFS Unzeit 112 ■G ELÄNDER Als er ihre Brüste küßte 113 ■BORIS PRECKW ITZ fluffelchen 114

6. KAPITEL »Pt?« den siebzehn Körperteilen nenne ich zuerst die geilen« Säuische Anatomie & Topographie C H R IS T O P H O T T O E L T E ST E R Die Liebe steigt nicht Uber sich 117 • F. W. B ER N STE IN Von den erogenen Zonen 118 ■SAID Ich will 120 • BAR­ BARA MARIA KLOOS Schutzdach im Walde 121 JACOB SC H W IEG E R Er begehret ihre Brüste 122 • C H R ISTIA N HOFFMANN VON H O FF­ MANNSWALDAU An die Phillis 123 ■DAGMAR LE U PO LI) Peepshow 123 • R O LF D IE T E R BRINKMANN Wichtig 124 ■H EIN R IC H H EIN E Die kleinen Globen 125-G ERH A R D RUHM ich küsse heiss 126 - O T T O JÄ ­ G ER SB ER G Auf wallt der Arsch das Kränzlein lächelt bloß 127 • ROBERT G ER N H A R D T Obszöne Zeichnung am Volksbildungsheim 128 • F. W. B ER N STE IN Phallisches Lied 129 ■ URSULA K REC H EL Hoden und Haben 129 ■OSKAR ANSULL jeder hat einen 130 - JOHANN VON B ES­ SER An den Gärtner und Gärtnerin 130 • KARL REINHARD Der Kastrat 131 ■H E IN R IC H H E IN E Lied 131 • LUDW IG FELS The Howl II 132 ■ JOH A N N H E IN R IC H VOSS An Priap 133

INHALT

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7. KAPITEL »Das ist kein abstraktes Begriffspoem! Das Lied hat Fleisch und Rippen« Heiße Manns- &c Weibsbilder ER ICH KÄSTNER Nachtgesang des Kammervirtuosen 139 • C H R IST IA N E SC H U LZ Natura musica 140 • ULLA HAHN O per 141 • PAUL B O LD T Meine Jüdin 142 G EO R G HEYM Gina 143 M ATTHIAS POLITYCKI Die Mitternachtsnegerin 144 • BERTOLT B R E C H T Über die Verführung von Engeln 145 • H E IN R IC H H E IN E Das Hohelied 145 • H EIN R IC H LAUTENSACK Porträt, aus Haaren verfertigt 148 • LE PANSIV Unter­ schied zwischen einer Blondine und Brünette 148 • PE T E R H Ü C H E L Die Knäbin 149 • FRANK W ED EK IND Meiner entzückenden Kollegin Mary I. 149 • KLABUND In Lichterfelde Ost 150 • P E T E R MAIWALD Aus dem Vorzimmer 151 • FRANK SC H U LZ Sternzeichen-Fick-Info von Girls für Girls 152 ■FRANK SC H U LZ Sternzeichen-Fick-Info von Boys für Boys 154 • M I­ CHAEL W ILD EN HA IN Wedding (nach Brecht) 155

8. KAPITEL »Wärst du ein Bächlein, ich ein Bach, So eilt ich dir geschwinde nach« Schwellende Fauna & Flora » IR K VON PE T E R S D O R FF Liebcsanfang 159 JOH A N N WOLFGANG G O E T H E Hier ist mein Garten bestellt 160 • C H R IS T O P H MARTIN W IE ­ LAND Ein kleines Preislied 161 JOH A N N PE TE R UZ Ein Traum 162 • W ILH ELM M ÜLLER Das Bad 163 W ILH ELM BUSCH Wärst du ein Bächlein, ich ein Bach 164 • M ATTHIAS K OEPPEL Di Muschihul 165 J O ­ HANN C H R ISTIA N G Ü N T H E R An seine Schöne 166 H ELLM U TH O P IT Z Schöner scheitern 167 • BERTOLT B R E C H T Was druckt es keiner von euch in die Zeitung 168 • VOLKER BRAUN Niemals, sagst du, im Grase? 168 WOLFGANG BÄCHLER Im Schatten der Buche 169 • F. W. BERN­ ST E IN Die Schlafsolistin 170 • ILMA RAKUSA Drei erotische Neunzeiler 171 KLABUND Thea 172 G O T T F R IE D BENN Alaska 173 - FRANZOBEL Sodomistenbeat 174 • ELKE ERB Sommer mit Garten 175 • KURT S C H W IT T E R S Keine Rose 175 HAUKE H Ü CK STÄ D T Schulgarten 176 • ELSE LA SK ER -SC H Ü LER Meine Schamröte 177 C H RISTA R E I­ NIG

Müßiggang ist aller Liebe Anfang 178

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INHALT

9. KAPITEL »Meine Frau am frühen Morgen schreit Pflaumenkuchen Pflaumenkuchen« Enthemmtes Ehe- & Familienleben JOH A N N W OLFGANG G O E T H E Vor Gericht 181 W ILH ELM BUSCH Sie ist ein reizendes Geschöpfchen 181 ’ W ILH ELM BUSCH Greulich 182 • JOH A N N WOLFGANG G O E T H E Vorschlag zur Güte 183 JU L IU S LANGBEHN Hochzeitsnacht 184 • TH O M A S GSELLA Hochzeitsnacht 185 • W ILH ELM BUSCH Es saß in meiner Knabenzeit 186 • TH O M A S G SELLA Großer Tag für kleines Mädchen 186 • KLABUND Pubertät 187 • JO A C H IM RIN G ELNA TZ An Berliner Kinder 188 • TH O M A S G SELLA Papa-a? 189 FR IE D R IC H VON LOGAU AufFMummium 190 • ARNFRII) A ST EL Neuschnee 190 • O T T O JÄG ERSBER G Blaue Königin 190'H A ­ RALD HARTUNG Juli 191 M ATTHIAS POLITYCKI Aber sie sind doch so schön warm! 191 • KARL O T T O CONRADY Sutor geht zum Arzt 192 • ER N ST JAN D L alterndes paar 193

10. KAPITEL »Vielleicht würd ich es ihr sogar gestatten Z u andern Männern sich nach Lust zu legen« Erhitzte Seitenspringer & -innen KARL REIN H A RD Unbestand 199 ■ADOLF EN D LER Was läßt 200 • H U G O D 1TT B E R N E R Hin 201 BEAT B R E C H B Ü H L Harte Verteidi­ gung 204 • G ERHARD RÜHM Zweifel 205 H EIN R IC H H E IN E Die Nixen 206 • ALFRED L IC H T E N S T E IN Der Fall in den Fluß 205 ■ROR W OLF die pflege der geselligkeit 206 • ADOLF EN D LER Chanson 209 • KAROL KRÖPCKE Ein Steifer kam ihr von vorn 210 • BERTOLT B R E C H T Über die Untreue der Weiber 211 ’ C H R ISTIA N HOFFMANN VON HOFFMANNSWALDAU Eines Hornträgers 212 • MARIO W IRZ Rapunzel 212 ZEHRA (/IRAK Wahre Freunde 213 • RAOUL S C H R O T T Actaeon 214 BERTOLT B R E C H T Das neunte Sonett 215 • G O T T L IE B SIEG M U N D CORVINUS Auf einen unschuldigen Nebenbuhler 216 • KARL RI HA eifersucht 217 • ARNO H O LZ Er will sich nicht mit andern in sie dheilen 218

INHALT

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11. KAPITEL »Du bist vierundzwanzig, ich bin sechzig und der Neid des Nachbarn stört mich länger nicht.« Sündige Misch- & Paarungen FR IE D R IC H H EBBEL Auf ein errötendes junges Mädchen 221 • MYNONA Susanne wandert nach dem Badezeltchen 222 ‘ FR IE D R IC H VON H AGE­ DORN Susanna 22.3 ANNA REAL Gell Musch 223 • LE PANSIV Auf die sechzig-jährige Venine 224 • REGULA VENSKE Schieß! 225 • PE TE R RÜHM KORF Vorschlag für eine alternde Geliebte 226 • KAROL KRÖPCKE Der Junge —wenn er fertig war 228 • MARIO W IRZ W ED EK IND Vergänglichkeit 130

Landleben 229 • FRANK

12. KAPITEL »Pro Monat sechs, na, höchstens acht. Ab neun pro Monat wird es schal« Genug Liederlichkeit, Liederlichkeit genug! BERTO LT B R E C H T Liebesgewohnheiten 225 JOH A N N FR IED RICH R IED E R E R Die schöne Gertraud 236 ■T H O M A S G SELLA Von der Maßlosigkeit 238 H E IN R IC H H E IN E Das macht den Menschen glücklich 238 • PE TE R RÜHM KORF Fressen, Trinken, Schlafen 238 • MARTIN O P IT Z Grabschrift eines geilen Weibes 239 • BERI O L I B R E C H T Sonett über einen durchschnittlichen Beischlaf 239 • R O BERT G ER N H A R D T Er nun wieder 240 • KARIN KIWUS Im ersten Licht 242 • LUDW IG FELS Die Plage Sex 243 G O T T L IE B KONRAD PFEFFEL Die Sirene 243 R O BERT G E R N ­ H A RD T Die Lust kommt 244 • E R N ST STA DLER Was waren Frauen 245 REGULA VENSKE Das erste Mal 246 • HANS MAGNUS E N Z EN SB ER ­ G ER Ghasele zum Abschied 247

NACHWORT 249 QUELLEN 255 REGISTER

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1. KAPITEL

»Die zwei Modelle heften ihre Blicke ineinander als läge darin Wohl und Weh der Welt« Scharfe Bilder & Beobachtungen

JO A C H IM R INGELN ATZ Den Unterschied bei Mann und Frau Sieht man durchs Schlüsselloch genau.

W ILH ELM BUSCH Das Bild des Manns in nackter Jugendkraft, So stolz in Ruhe und bewegt so edel, Wohl ist’s ein Anblick, der Bewundrung schafft; Drum Licht herbei! Und merke dir’s, o Schädel! Jedoch ein Weib, ein unverhülltes Weib Da wird dir’s doch ganz anders, alter Junge. Bewundrung zieht sich durch den ganzen Leib Und greift mit Wonneschreck an Herz und Lunge. Und plötzlich jagt das losgelaßne Blut Durch alle Gassen, wie die Feuerreiter. Der ganze Kerl ist eine helle Glut; Er sieht nichts mehr und tappt nur noch so weiter.

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JAKOB M ICH AEL R EIN H O LD LENZ Pygmalion An diesen Lippen, diesen Augen Die Welt vergessend, hinzuhangen Und aus den rosenroten Wangen Des Lebens Überfluß zu saugen An dieses Busens reiner Fülle Die Schmerzen meiner Brust zu wiegen Und auf des Schoßes Fried und Stille Mit tränenmüdem Haupt zu liegen Das war mein Wunsch - das ist mein Grämen Und soll mir doch kein Schicksal nehmen.

ARNFRID A ST E L Pygmalion Hättest du doch deine Venus auf dem Sockel gelassen, Pygmalion! Jetzt pennt sie mit deinen Lehrlingen.

1. KA PITEL

Scharfe Bilder & Beobachtungen

FERDINAND HARDEKOPF Sublim ierung Ich sah dich Grenadine schlürfen, dein Wildgeruch ergriff mich schon und hab nur stockend murmeln dürfen: »Wer ist die scharfe Attraktion?« Dann ließ ich drucken: »Komm, du Dirne! Ein Später wittert Dunst und Bau. Du hast die hellste Kinderstirne und bist die dunkel-tollste Frau!« Vergeblich. Doch der Nicht-Genehme war schon phantastisch angesteckt — Du hast mich völlig, Unbequeme; Und ... ich hab dich, als mein Objekt. O: dein von Mörderhand gekürzter Polaire-Wulst, du zerwühlter Kopf, durchreizt das Dasein mir gewürzter als jüngster Judith Doppelzopf. Was willst du, Fremde, noch verhindern? Ich bau dich auf aus Kunst und Schaum. Du wirst mir Unerhörtes lindern, du bist ja mein in jedem Traum. Wie gern in mystischer Verschwörung dein Lilien-Tiefstes sich mir gibt ... Laß uns allein! Du ... Erd-Empörung, bleib ferne, knäbisch angeliebt! Ächz unter Assessoren-Küssen-----Indes in Spuk- und Geisterwelt mit zugespitztesten Genüssen dein kluger Schatten mich umstellt.

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KARL KRAUS W ollust O Unterschied im Liebesspiele! Wie kommt es aus ganz andern Quellen: bei ihr zu sein, und sie sich vorzustellen! Denn sie ist nur ein Schein; doch wenn sie fern, erwachsen die Gefühle. Kurz ist die Gier, und man ist bald am Ziel und fühlt nur eben, was man fühle; das ist nicht viel. Gern war’ man aus dem Spiele, ist man bei ihr. Wie bin ich anders aufgewühlt, ist sie entrückt! Wie wird sie vielfach neu und nah und endlos bleibe ich verzückt, denn sie, sie selbst ist da, und ich, ich fühle, was sie fühlt!

1. KAPITEL

Scharfe Bilder & Beobachtungen

N IC O B LE U T G E haut der blick, der sich an haut entzündet (wenn haut die Stirn ist, die sich spannt oder die wange, die mulde hinterm ohr) ist nicht der blick, der in der landschaft suchen geht, die linien feiner, kaum berührt, noch auf den bildern ist die haut mit einem ton versehen, weichflächig, licht spielt um die äugen, und sammelt färbe nur im angestrahlten haar (das fällt in strähnen auf die schultern, dunkelt an der kopfhaut nach), haut hält den blick umwoben, die wangen, ohren röten sich beim tasten nach schatten, brauen, einer stim. was haut umschließt, mit ihrem schein, was an den handgelenken spürbar wird bleibt ungesagt, die äugen sinken, tiefer im besehen, und weichen nicht wenn sich die knöchel zeigen und die knie, gefältelt fast vom druck, im innern

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H ELLM U TH O PITZ

Charlotte Rampling in einem Hotelzimmer in Arles, nachts. Nackt, wie Newton sie schuf: auf einem Tisch. Auf einem Stuhl die Beine, durchgehend geöffnet, als habe sie einen Liebhaber aus den Flügeltüren ihrer Schenkel entlassen und erwarte den nächsten. Also: Komm rein, wenn du ein Liebhaber bist, ein Liebhaber zierlicher Vögel, die auseinanderfliegen bei der geringsten Bewegung, und die nur Blinde & Blöde für ihre Titten halten. Sieh genau hin. Das Zimmer. Fünfarmiger Leuchter, ein Teppich aus mindestens Isfahan, Spiegel und Schnörkel und Möbel, die schwersten Bedenken gegen das Verrücktwerden. Und dann die Rampling: Auf ihren Rippen kannst du Klavier spielen. Magere Melodien. Präludien einer Hotelsuite für Klavier und einsame Körper. Also komm, wenn du ein Liebhaber bist und Hände hast: Das ist ihr Körper. Alleingelassen. Und das ist ihr Blick. Gelassen allein. Diese Augen. Die grünen Scherben einer Flasche, die ein Bedauern kühl und klar gehalten hat. Ich weiß nicht, was sie zerschlug. Ein Verlangen vielleicht. Das einzige, was brennt. Kein Licht und die Liebe: nur Haut und Knochen.

1. KAPITEL

Scharfe Bilder & Beoliachtungcn

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ULLA HAHN Flohm arkt So eine alte Postkarte: zerknickt mit Eselsohren Ecken ein­ gerissen: Darauf halb angezogen Mann und Frau Der Mann trägt ein Matrosenleibchen und ein Seglerkäppi - Liegt sie auf einem Fischernetz ist ihm ins Netz gegangen? - Er lehnt sein nacktes Knie an ihren prallen Schenkel Ihr Kleid ist lang - aus Kaiser Wilhelms Zeiten und gerüscht Hätt’ sie’s nicht bis zur Brust hinauf geschoben es würde ihre schwarzen kniehohen Lochstrickmusterstrümpfe und ihre schwarzen derben Schuhe vollends bedecken - Auch er hat Schuhe an und Socken. Wie kam er aus der Hose raus? Kein Unterzeug - nichts was um ihre Knöchel hängen könnte damit die Knie nicht auseinanderfallen Sie liegt noch nicht ganz auf dem Rücken strebt vielmehr vorwärts faßt in den Blick und in die Hand die kühne Erektion Er schaut hinunter geil auf ihre geilen Augen ihren Mund die rechte Hand flach auf dem eigenen Schenkel krümmt er sich ihr entgegen damit sie leichter fasse wonach es sie verlangt: XXXL Aber der Fotograf ist männlich scharf: er lenkt den schärfsten Blick auf das wovon er sicher ist: das wollen alle sehen: fleischige Falten Klüfte Höhlen die weit geoffenbarten geheimen Orte ihres Leibes Er weiß: Verkleidungen befreien

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1. KA PITEL

die Phantasie machen aus platter Nacktheit Abenteuer Ein Rüschenkleid ein Seglerkäppchen entfuhren uns in eine undurchsichtige Geschichte mit Vergangenheit und Zukunft Wir sind Mitwisser dieses Augenblicks und auch des nächsten unsichtbaren wir sind das Auge das den beiden allwissend über die Schulter schaut.... Die zwei Modelle heften ihre Ulicke ineinander als läge darin Wohl und Weh der Welt und manche heften ihren Blick solange auf die beiden bis sie ihnen glauben Warum sonst wäre wohl das alte Foto so zugerichtet fleckig abgenutzt wenn nicht für wahr von dankbarem Gebrauch - wobei die Linke sicher wußte was die Rechte tat -

ADOLF ENDLER Aus: An den Rand des »Hustler« gekritzelt 1 Säbeltanz auf fetten Wintersocken. 2 Anstatt der versprochenen Badeanstalt: Im Huflattich Nattern.

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Scharfe Bilder Sc Beobachtungen

3 Seinem engeren Freundeskreis noch ungesotten entschlüpftes wasserfallgrünes Intimschrauben-Necessaire. 4 Oh welch erratischer Salon! 5 »Dafür sind wir im Herbst 89 nicht auf die Straße gegangen!« 6 Beleibter Unrastplatz. 7 Ratzen Sie mir, bittescheen, einen ganz kleinen Schlockerschlüh mit doppelter Pulpe! 8 Nahtlose Rute; Prankenverzuckerung; Podestbeschleunigung; hui! 9 Der Hüfthalter trächtiger Witwenschaft im frisch erneuerten Kunstgebiß. 10 »Ober, zahlen!« 11 Und das Kikeriki der Fleischwölfe von der erdabgewandten Seite des Mondes. 12 Ich bitte um ein vorgekeimtes Beleckexemplar Blatt für Blatt!

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1. KA PITEL

ROLF D IETER BRINKMANN Meditation über Pornos Diese Diese Diese Diese

Fotze Fotze Fotze Fotze

ist gut ist gut ist gut ist gut

und hier spritzen wir ab (es ist der Blick in ein endloses Loch das nicht mehr mit Haar überwachsen ist wovon ist es aber dann überwachsen? Ich weiß es nicht) und blättre um: langsam sprießt wieder etwas Haar am Rand einer Falte. Wir ruhen uns in seinem Schatten aus.

Scharfe Bilder & Beobachtungen

JO A C H IM RIN GELN ATZ Dreiste Blicke Über die Knie Unter ein Röckchen zu schaun-----Wenn sie doch das und die Haben, die schönen Fraun! Über einen öffnenden Saum In Täler zwischen Brüstchen Darf Blick wie stiller Traum Stürzen sein Lüstchen. Sollen doch Frauen auch So blicken, - nicht schielen — Wenn Arm, Popo und Bauch ln Fältchen spielen. Nimm, was der Blick dir gibt, Sei es, was es sei. Bevor sich das selber liebt, Ist’s schon vorbei.

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1. KA PITEL

JO H A N N G E O R G SGH EFFN ER Der klügste Rat Petron sah jüngst voll Lüsternheit gewandlos Sylvien im Bade; was sich ein Mädchen sonst zu zeigen scheut, lag da vor ihm wollüstig en parade, Hals, Schultern, Busen, Wade sah er, und wer das sieht, bekommt auch mehr zu sehn. Und was er sah, war schön, zum Küssen schön. Nur aus Petrons vertieften Blicken sprach Kummer und Verlegenheit, er sah mit unentschloss’nen Blicken, selbst bei dem sanftsten Händedrücken, bald rechts aufs Bein wie Schnee, bald links aufs schöne Knie. Für jedes fühlt er Sympathie und doch nicht Kraft zur Wahl - mit heimlichem Entzücken sah Sylvia Petronens innern Streit: »Was fehlt dir, Kind? Wozu denn die Verlegenheit? Willst du«, sprach sie, »daß ich entscheide? So tu das Sicherste, damit keins Unrecht leide, und leg dich hurtig zwischen beide.

Scharfe Bilder & Beobachtungen

H EN D R ICK JA C K SO N Maria (im Bade) —sagen wie ich dich erblickt? (tausend) Bilder-Bad: (unnennbar) nackt (süß) vor mir: Maria, dralle - wie heller Fiebertraum! ihr Haar! (rasiert) - Falle und nahe Maria, mir ist so: (ewig) zerspringt (gib Mut) der Himmel (wie gewittrig) und — Ausatmen dunkler Wasserfleck, und draussen an der Ecke, (ins Getümmel) wo Sturm aufkam und: Bilder verprügelte, neben uns ein Schirm im schüttenden Regen plötzlich umkippte; (lieblich) beschattet dein Gesicht u n d ---immer noch was, das ich, Maria und — sieh mich: geschüttelt wie ein sektkorken betäubt

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ROBERT GERN H A RD T Mutter Natur oder Variationen über eine Zeile von Friedrich Klopstock oder In zwanzig Strophen um das Thema Nummer eins Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht, Aber was, Mutter Natur, hast du dir dabei gedacht? Die Hitz brach los, Mutter Natur, die Plätze überquellen von deinen neuen dies­ jährigen Frauenmodellen. Und die bestehn, Mutter Natur, halten zu Gnaden, aus fleischlichen Schultern und nicht minder fleischlichen Waden. Vor allem aber, Mutter Natur, ich muß doch sehr bitten, definiert sie ein A__samt unübersehbaren T __! Diese Neuen sind, Mutter Natur, ich sag mal: vermeintlich männerfreundlich, doch recht eigentlich männerfeindlich.

1. KAPITEL

Scharfe Bilder & Beobachtung«

Glaubst du im Ernst, Mutter Natur, wir könnten abfahren, wir Männer, mein ich, auf Fraun aufgetakelt wie Waren? Ist dir nicht bewußt, Mutter Natur, daß wir durchschauen dein krankes Spiel mit zum Objekt reduzierten Frauen? Begreifst du nicht, Mutter Natur, wie sehr du uns Männer kränkst, wenn du uns heuer mit solch »neuen« Frauen »beschenkst«? Dann laß mich, Mutter Natur, dir meine Meinung geigen: Wir Männer pfeifen auf Frauen, die »alles« haben und zeigen. Mach heißer die Hitz, Mutter Natur, und die Frauen noch nackter sie zeigen nur Fleisch, jedoch wir Männer zeigen Charakter. Charakter meint auch, Mutter Natur, den Blick nicht zu wenden, wenn du uns mit Zitzen kommst, mit Bauchfleisch und blendenden Lenden.

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Stark ist, Mutter Natur, nur der, dem bewußt ist, daß, wer die Lust nicht kennt, nicht Herr der Lust ist. Also zeig sie uns, Mutter Natur, die Lust und die Lüste. Nur so packen wir sie: Die Brunst und die Bräute. Will sagen, Mutter Natur, nur so kann es glücken, all diese Luder so richtig durchzuwill sagen: zu durchschauen. Was ich meine, ist, Mutter Natur, ich finde die Frauen, die sich so gehenlassen, schon mal per se zum Kotzen. Alles zurück, Mutter Natur, solang ich noch ganz bin, glaube mir bitte, daß ich nicht gänzlich Schwan bin. Sagte ich Schwan, Mutter Natur? Ich meinte Schweif, nein: Was ich meine, ist: Soll er schon rein, dann muß er auch stramm sein.

1. KAPITEL

Scharfe Bilder & ßeohachtunger

Rede ich mich, Mutter Natur, um Kopf und Gekröse? Ist mir egal, gute Frau, ran an die Madam. Titte sei mir, Mutter Natur, nicht möse, äh: busen Es ist schon arsch, muß der Mann immer nur wegsehn. Geil ist, Mutter Natur, deiner Erfickung Pracht: Loch mich nicht aus, kleine Maus, die Hitz heut hält kein Schwanz aus Schon was vor für die Nacht?

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BEAT B R ECH B Ü H L Frau, Bauch, öffentlich Seit Jahren tragen die jungen Frauen Bauch, meistens sind sie ganz reizvoll anzuschaun, diese schlanken oder molligen Küss- oder Streichelzonen. Das deutliche Liebes- und Gehwerkzeug ein bisschen nahe angeboten aber keine will daran denken, dass Männer die öffentlichen Reizer optisch beschnuppern und momentan weniger die intellektuelle Geistigkeit seriös interpretieren. Laut Umfrage erschrecken die Mädchen jeweils ein bisschen wenn sie hören dass viele Männer geil auf die Handbreit Nacktheit sind und sich den Rest der Verlockung bestens vorstellen und möglicherweise auch einen ausführlichen Fick. Tja, was nun ihr wunderbaren Frauen mit euren wunderbaren Bäuchen Was Nun? Ihr müsst es wissen, oder nicht. Doch, ihr wisst es schon, und ich, wieder mal freudig, auch.

2. KAPITEL

»gottverfluchte konjunktive, wie gern ich mit dir schliefe« Spitze Phantasien & Erzählungen

DETLEV VON LILIEN C R O N Hans der Schwärmer Hans Töffel liebt Schön Doris sehr, Schön Doris Hans Töffel vielleicht noch mehr. Doch seine Liebe, ich weiß nicht wie, Ist zu scheu, zu schüchtern, zu viel Elegie. Im Kreise liest er Gedichte vor, Schön Doris steht unten am Gartenthor: Ach, kam’ er doch frisch zu mir hergesprungen, Wie wollt’ ich ihn herzen, den lieben Jungen. Hans Töffel liest oben Gedichte. Am andern Abend, der blöde Thor, Hans Töffel trägt wieder Gedichte vor. Schön Doris das wirklich sehr verdrießt, Daß er immer weiter und weiter liest. Sie schleicht sich hinaus, er gewahrt es nicht, Just sagt er von Heine ein herrlich Gedicht. Schön Doris steht unten in Rosendüften Und hätte so gern seinen Arm um die Hüften. Hans Töffel liest oben Gedichte. Am andern Abend ist großes Fest, Viel Menschen sind eng aneinander gepreßt. Heut muß er’s doch endlich sehn der Poet, Wenn Schön Doris sacht aus der Thüre geht. Potz Tausend, er merkt es und merkt es auch nicht, Er spricht und verzapft gar ein eigen Gedicht. Und unten im stillen, dunklen Garten Muß Schön Doris vergeblich, vergeblich warten. Hans Töffel liest oben Gedichte. Am andern Abend, beim heiligen Gral, Schön Doris fehlt im Gesellschaftssaal. Und ist auch Hans Töffel mein Freund und mir wert Die Katze schläft unten am Feuerherd, Beim Kätzchen steht sinnend Schön Doris und sehnt, Ihr Köpfchen an meiner Schulter lehnt.

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Und hätt’ ich auch eine Legion Verdammer, Zu süß war die Stunde bei ihr in der Kammer. Hans Töffel liest oben Gedichte.

HANS FLESCH VON BRUNNINGEN Die Jungfrau Ohne Hände, Ohne Herzen steig ich nieder. Krank sind meine Augenlider Und mich drückt der Sitte Mieder. Daß mich fände Doch der Freund, der mich einst suchte, Den ich höhnisch dann verfluchte, Und mich schände.

2. KA PITEL

Spitze Phantasien & Erzählunger

ERICH MÜHSAM Als ich dich fragte: Darf ich Sie beschützen? da sagtest du: Mein Herr, Sie sind trivial. Als ich dich fragte: Kann ich Ihnen nützen? da sagtest du: Vielleicht ein andres Mal. Als ich dich bat: Ein Kuß, mein Kind, zum Lohne! da sagtest du: Mein Gott, was ist ein Kuß? Als ich befahl: Komm mit mir, wo ich wohne! da sagtest du: Na, endlich ein Entschluß!

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2 . KAPITEL

FRANK W EDEKIND Schweig und sei lieh Als du, mein Held, zum ersten Male mir Im lichterfullten Saal entgegentratest Und lächelnd, fast mit kindlichem Gezier, Um einen Walzer mich verlegen batest, Weißt du, was in des Morgens Dämmerstunden, Eh dich mein Traum von neuem mir verbunden Ich in mein Tagebuch errötend schrieb? Schweig und sei lieb! Und als du gestern mir mit raschen Schritten Nachjagtest - zum Befehl ward mir dein Ruf; Als Kind hätt ich ihn nie so streng gelitten, Da stets nur Trotz er mir im Herzen schuf Ahnst du, weshalb in fieberheißem Beben, Weshalb ich rettungslos dir preisgegeben, Weshalb ich stracks wie angekettet blieb? Schweig und sei lieb! Von Wahnsinnsstürmen ward mein Sinn umhallt, Mein Stolz erstarb, der sonst so siegesfrohe ... Begreifst du die dämonische Gewalt, Mein Held? Begreifst du, welch empörte Lohe, Daß sie nicht sengend Herz und Hirn verzehre, Mich dir mein Glück, mein Leben, meine Ehre, Mich dir mein alles hinzugeben trieb? Schweig und sei lieb!

Spitze Phantasien £ Erzählunget

M ATTHIAS POLITYCK I Halt’s Maul und sei schön! Zwischenruf eines dicht behaarten Mannes Hey, Baby, wie wär’s, wenn du jetzt endlich mal die Klappe hieltest? Und statt dessen den Rest an dir zum Tönen bringst? Denn morgen früh, wenn nachbarliche Wecker Weckern und groß das Rauschen anhebt in der Wand, dann ist’s ja wieder mal zu spät für allerhand.

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ROBERT GERN H A RD T Ermunterung Hallo, süße Kleine, komm mit mir ins Reine! Hier im Reinen ist es schön, viel schöner, als im Schmutz zu stehn. Hier gibt es lauter reine Sachen, die können wir jetzt schmutzig machen. Schmutz kann man nicht beschmutzen, laß uns die Reinheit nutzen, Sie derart zu verdrecken, das Bettchen und die Decken, Die Laken und die Kissen, daß alles Leute wissen: Wir haben alles vollgesaut und sind jetzt Bräutigam und Braut.

2. KA PITEL

Spitze Phantasien & Erzählunget

ELSE LA SK E R -SC H Ü LE R Ein Liebeslied Komm zu mir in der Nacht - wie schlafen engverschlungen. Müde bin ich sehr, vom Wachen einsam. Ein fremder Vogel hat in dunkler Frühe schon gesungen, als noch mein Traum mit sich und mir gerungen. Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen und färben sich mit deiner Augen Immortellen ... Komm zu mir in der Nach auf Siebensternenschuhen und Liebe eingehüllt spät in mein Zelt. Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen. Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen Im hohen Rohre hinter dieser Welt.

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JO A C H IM RINGELN ATZ Offener Antrag auf offener Straße Ich habe einen Frisiersalon. Komm mit. Dort wollen wir knutschen. Ich wollte, ich wäre ein Malzbonbon Und du, du würdest mich lutschen. Wir geben dem Lehrbub den Nachmittag frei Und schreiben »Geschlossen bis sieben«. Ich habe Rotwein im Laden und drei Dicke Roßhaarsäcke zum Lieben. Ich werde dich unentgeltlich frisiern Und dir die Nägel beschneiden. Du brauchst dich gar nicht vor mir geniem, Denn ich mag dicke Fraun leiden. Ich habe auch Schwarzbrot und Butter und Quark Und außerdem einen großen---Donnerwetter sind deine Muskeln stark! Du, zeig mal: was hast du für Hosen? Wenn du dann fortgehst, bedanke dich nicht, Sondern halt es mit meinem Freund Franke. Der sagt immer, wenn man vom lieben Gott spricht: »Wem’s gut geht, der sagt nicht danke.«

2. KA PITEL

Spitze Phantasien & Erzählunget

H ELM U T KRAUSSER wir mieteten ein zimmer, verschanzten uns für immer, teilten koks und klopapier. du hättest es ganz gut bei mir. ich würde ausgesprochen sanft sein und gut kochen, würde dich nicht nur verehren, auch auf höchstniveau ernähren, würde mit obszönen versen dich verwöhnen, würde laute dir entlecken, die die halbe Stadt aufwecken, gottverfluchte konjunktive, wie gern ich mit dir schliefe.

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FR ITZ ECKENGA An Tagen wie diesem An Tagen wie diesem, da braucht es nicht viel, sagte die Freundin zur Freundin, ein Frühstück im Frühdunst, da ist es noch kühl, ein Luftzug und einen im Sinn. Ein Handtuch im Gras, ein Buch und ein Glas mit Tee und etwas Zitrone, ein Baum überm Kopf und die Ahnung, dass einer noch weiß, wo ich wohne. An Tagen wie diesem, da brauchte es dann noch einen, auf den man spontan, nach Gusto zurückgreifen kann, einen naheliegenden Mann.

2. KAPITEL

Spitze Phantasien & Erzählungen

BARBARA MARIA KLOOS Jungfernflug Noch einmal packt sie diese Gier Nach einem kalten Kavalier Nach einem krummen Einzelgänger Pferdefuß und Rattenfänger Nach einem naßrasierten Schädel Asketenleib mit kurzem Säbel Nach einem scheuen Musterknaben Neunmalklug in sich vergraben Nach einem süßen Melodram Einem Jüngling, der nicht zahm Das Salz von ihren Füßen lutscht Der nicht dienert, der nicht flutscht Der nicht schwänzelnd sie umkreist Sie nicht einseift, sondern beißt Der nach tausend tiefen Blicken Sich empfiehlt mit einem Nicken Ach, sie ist ganz krank vor Gier Nach einem kalten Kavalier

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ALEXANDER N IT ZB E R G Schlaflos Du bist das Laken, du bist die Decke, das Kissen bist du und der Schlafanzug. Mein Kücken ist die Dornenhecke. Meine Hand die springenden Schafe schlug als Strafe dafür, daß der Schlaf nicht kam und dafür, daß du fehltest und mich zwischen Schemen und Scham quältest.

M ATTHIAS G Ö R IT Z Französisch Wovon ich rede ist die Kälte eines leeren Herzens Wovon ich rede ist die Sehnsucht eines leeren Betts Wenn du mich fragtest, was mir fehlte Wagte ich nicht zu sagen: du Ich wagte nicht zu sagen: du Wenn du mich fragtest, was mir fehlte Wovon ich rede ist die Sehnsucht eines leeren Betts Wovon ich rede ist die Kälte eines leeren Blocks

2. KA PITEL

Spitze Phantasien & Erzählungei

CH R IST IA N HOFFMANN VON HOFFMANNSWALDAU

Albanie / gebrauche deiner zeit / Und laß den liebes=lüsten freyen Zügel / Wenn uns der schnee der jahre hat beschneyt / So schmeckt kein kuß / der liebe wahres Siegel / Im grünen may grünt nur der bunte klee. Albanie.

Albame / der schönen äugen licht / Der leib / und was auff den beliebten wangen / Ist nicht vor dich / vor uns nur zugericht / Die äpffel / so auff deinen brüsten prangen / Sind unsre lust / und süsse anmuths=see. Albanie.

Albanie / was quälen wir uns viel / Und züchtigen die nieren und die lenden? Nur frisch gewagt das angenehme spiel / Jedwedes glied ist ja gemacht zum wenden / Und wendet doch die sonn sich in die höh. Albanie.

Albanie / soll denn dein warmer schooß So öd und wüst / und unbebauet liegen? Im paradieß da gieng man nackt und bloß / Und durffte frey die liebes=äcker pflügen / Welch menschen-satz macht uns diß neue weh? Albanie.

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Albanie / wer kan die Süßigkeit Der zwey vermischten geister recht entdecken? Wenn lieb und lust ein essen uns bereit / Das wiederholt am besten pflegt zu schmecken / Wünscht nicht ein hertz / daß es dabey vergeh? Albanie.

Albanie / weil noch der wollust-thau Die glieder netzt / und das geblüte springet / So laß doch zu / daß auflf der Venus=au Ein brünstger geist dir kniend opffer bringet / Daß er vor dir in voller Andacht steh. Albanie.

2. KAPITEL

Spitze Phantasien & Erzählunger

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GELÄND ER Als einer im Schlaff verschwenderisch gewesen Mein Mädgen, laß hinfort mich nicht verschwendrisch seyn / Und nimm die Perlen=Milch in deine Muschel ein; Groß Schade / daß sie wird so lüderlich versprützet / Da wo sie keiner Schooß / auch nicht den Tüchern nützet. Dein hart=seyn gegen mich verschwendet meinen Schatz / Vergönne mir hinfort in deinem Schoosse Platz Und laß den Liebes=Thau daselbsten sich ergiessen / Wo er mit größrer Lust wird als im Schlaffe fliessen. Dein dürrer Acker wird alsdenn von Wollust feist / Die Brüste härten sich / die Lust entzückt den Geist; Die Anmuth / die durchdringt des gantzen Leibes=Glieder / In Lachen steigt man ein / mit Kitzeln kommt man wieder / Nichts als Ergötzung bringt er deiner Marmor-Schooß / Die Venus spannt dir denn / den Jungfern=Gürtel loß / Und läßt dir alle Lust / die sie besitzet / schmecken / Der Hymen wird nach Schmertz den süßsten Schertz erwecken Ach stelle doch mein Kind die Sprödigkeit nur ein! Laß deine Muschel mir nicht mehr verschlossen seyn / Eröffne ihren Helm die Nahrung zu empfangen / Wo in dem Liebes-Thau / die Anmuths-Perlen prangen. Sperrt nun dein Muschel=Schloß die Thore willig auf / Und hemmt kein Widrig=seyn mir meinen Liebes=Lauff / So soll das Liebes=Safft mit süßen Quellen fliessen Und sich mit vollem Strohm in deine Muschel giessen.

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JOH A N N W ILHELM LUDW IG G LEIM Das Licht Dem Liebesgotte ward ein Licht geweiht. Er sollt, versöhnt durch diese Liebesgabe, ’nen Liebsten schaffen für die junge Maid, Die es gebracht. - Er lächelte: »Ich habe«. Sprach er, »zwar nicht, worum du mich gebeten, Behalt indes das Licht: es wird ihn gut vertreten.«

E R N ST JA N D L möhel die onanistinnen, so froh und heiter möbeln an ihren kitzlern weiter; die Onanisten ebenfalls an schwänz, hoden, arschloch. es kommt noch in mode (es war immer in mode) aber jetzt ganz besonders als reaktion auf AIDS first aid (erste hilfe) unaided, single-handed (ohne AIDS, ohne hilfe) onanie, mit beistand

2. KA PITEL

Spitze Phantasien & Erzählungei

FR IED R ICH SC H L E G E L Du meine Hand bist mehr als alle Weiber, Du bist stets da, wie keine Frau erprobt, Du hast noch nie in Eifersucht getobt, Und bist auch nie zu weit, du enger Reiber. Ovid, mein Lehrer weiland, hat dich recht gelobt, Denn du verbirgst in dir ja alle Leiber, Die ich mir wünsche, kühler Glutvertreiber, Dir hab’ ich mich für immer anverlobt. Ich stehe stolz mit dir im Raume Und streichle meine bläulichrote Glans; Schon quirlt sich weiß der Saft zum Schaume. So zieh’ ich aus Erfahrung die Bilanz: Die Zweiheit freut mich nur im Wollusttraume, Sonst paart sich meine Faust mit meinen Schwanz.

FR IED R ICH RÜCKERT Die glückliche Gärtnerhand Welch ein Gärtner auf Erden kann sich rühmen Solcher glücklichen Hand wie ich! Ein schönes Bäumchen streichelt’ ich, um den jungen Wildling Mir zu schmeidigen, täglich mit den Händen. Unterm Streicheln, o Wunder, sind am glatten, Schlanken, hölzernen Stämmchen unversehens Mir zwei Äpfelchen in die Hand gewachsen.

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KLAUS CÄSAR ZEH RER Casanovas Nordlandreise Ein Erotikon in zwölt Episoden Auf dem gesamten Apennin war er in jeder schon mal drin, deshalb zog er im Jänner in einer Hand zwölf rote Rosen und in der andern seine Hosen übern Brenner. Er schenkte jeder Frau in Kufstein zur Probe einen Beischlafgutschein, gültig im Februar. Die Resonanz war äußerst müde, weil Kufstein nämlich eine prüde Scheißstadt war. In Stuttgart, Ulm und Biberach war das Interesse gleichfalls schwach, dort weilte er im März. Es ist ein ehernes Gesetz: Die geilsten Weiber wohnen stets anderwärts. Breitbeinig stakte er durch Füssen mit weichem Hirn und harten Nüssen, man schrieb nunmehr April. Ach!, ewig drängt zur Frau der Mann, und, leider!, nicht ein jeder kann, der will. Sein Herz, sein Herz war furchtbar traurig, doch lustig leuchtete in Aurich der Wonnemonat Mai. Die ganze Welt sang Liebeslieder, nur ihm hing das Gemächt hernieder wie Blei.

2. K A PITEL

Spitze Phantasien & Erzählungei

Im wunderschönen Paderborn, war er um ein Haar Vater wor’n, das war im Monat Juno. Jedoch die Maid, in deren Schoß sich seine heiße Lust ergoss, hieß Bruno. Bei Altona auf der Chaussee, da taten ihm die Eier weh, ’s war Juli schon inzwischen. So trat er einen Schritt beiseit’ und schenkte seine Herrlichkeit den Büschen. In Günzburg hat er sich geschickt In eine Schinkenwurst gedrückt, indessen war’s August. Ein Mann, so will es die Natur, kennt eine Handlungsregel nur: Du musst. In Ludwigslust hat er’s vollbracht elf Mal in einer einz’gen Nacht, September war’s im Land. Elf Mal ekstatisch wildes Schrei’n, dann schlief sie vor Erschöpfung ein, die Hand. Im Oktober und in Emden entzückten seine steifen Hemden das ganze Königshaus. Doch als die Königin bemerkte, womit er seine Hemden stärkte, flog er raus.

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Im traurigen Monat November war’s, da saß er still in Hafenbars der großen Seestadt Leipzig und schrieb voll Trübsinn ein Gedicht: »Wer jetzt allein ist, niemals nicht beweibt sich.« An Heiligabend rief er aus: »Am schönsten ist es doch zu Haus!«, lief los, und zu Silvester lag er bereits, der Triebnot ledig, in seiner Heimatstadt Venedig auf seiner Schwester.

2. KA PITEL

3. KAPITEL

»Sie drückten sich schon beizeiten Fort aus dem Tanzlokal« Verruchtes Stadt- & Partyleben

ARNE RAUTEN BERG endlich gustav freytag! ich ging auf das joachim fest gab an der bar den wolf biermann und sah mich um nach einem richt’gen patrick süskind doch alles was ich sah war raoul schrott also kein Stelldichein im herbert achternbusch so war denn Schluss mit elisabeth freundlich ich nahm zusammen meinen barbara frischmuth hob allerlei friederike mayröcker und zeigte jedem meine hubert flehte kraulte mir am hugo ball und schwang den friedlich schlegel dann macht’ ich meinen august stramm jeremias gotthelfl was für ein johann peter hebel! ne regelrechte uwe kolbe! wie aus arno holz! endlich kam ein echter marlin schwerdtfeger und zeigte mir den friedlich gottlieb klopstock jedem seinen Christian morgenstern! man ward uns jakob und Wilhelm grimm bedachte uns gar mit fritz zorn doch nur keine reinhard johannes sorge! wir gingen einfach in den gottfried keller erst küsst’ ich ihren franz schuh dann ihren juli zeh sie machte keinen joseph zoderer sondern hieß meinen peter stamm den rechten sein den einen ihren thomas rosenlöcher durch unsere körper ging ein theodor storm! ich krächzte wie ein wilhelm raabe und fühlte mich wie der gewisse ludwig fels am michael ende vom Sybille berg wisperte einzig noch: johannes schlaf!

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JO A C H IM R INGELN ATZ Sie drückten sich schon beizeiten Fort aus dem Tanzlokal Und suchten zu beiden Seiten Der Straße das Gast- und Logierhaus Continental. So dringlich: Man hätte können glauben, Er triebe sie vorwärts wie ein Rind. Und doch handelten beide im besten Glauben. Er wollte ihr nur die Unschuld rauben Sie wollte partout von ihm ein Kind. Da geschah es, etwa am Halleschen Tor, Daß Frieda über dem Knutschen und Schmusen Aus ihrem hitzig gekitzelten Busen Eine zertanzte, verdrückte Rose verlor. Und ein sehr feiner Herr, dessen Eleganz Nicht so rumtoben tut, folgte den beiden. Jedoch hielt er sich vornehm bescheiden Immer in einer gewissen Distanz. Er wollte ursprünglich zum Bierhaus Siechen. Aber nun hemmte er seinen Lauf, Zog die Handschuhe aus, hob die Rose auf, Und begann langsam daran zu riechen. Er wünschte aber keinen Augenblicksgenuß; Deshalb stieg er mit der Rose in den Omnibus. Derweilen war Frieda mit ihrem Soldaten Auf einen Kinderspielplatz geraten. Dort merkten sie nicht, wie die Nacht verstrich, Und daß ein unruhiger Mann mit einem Spaten Sie dauernd beschlich.

3. KA PITEL

Verruchtes Stadt- & Pärtyleben

Als sich nach längerem Aufenthalt Das Paar in Richtung zur Gasanstalt Mit kurzen, trippelnden Schritten verlor, Sprang der unruhige Mann plötzlich hervor. Und fing an, eine Stelle, wo er im Sand Die Spur von Friedas Stiefelchen fand, Mit seinem Spaten herauszuheben. Worauf er behutsam mit zitternder Hand Die feuchte Form in ein Sacktuch band, Um sich dann leichenblaß heimzubegeben. Wie um das dümmste Mädchen Sich sonderbare Fäden Nachts durch die Straßen ziehn Die Dichter und die Maler Und auch die Kriminaler, Die kennen ihr Berlin.

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ALFRED L IC H T E N ST E IN Komisches Lied Ich hasse die farblose Feinheit Erklügelter Nervenkultur. Ich liebe die bunte Gemeinheit Der schamlosen, nackten Natur. Ich liebe die wulstigen Falten Und Augen mit brandrotem Rand Ich liebe die feisten Gestalten Der Dirnen in geilgrellem Tand. Ich liebe die buckligen Schreiber, Die schielend zum Erdboden sehn. Ich liebe die kugligen Leiber der Schwangeren in ihren Wehn. Ich liebe die Burschen mit wirrem Versoffnen, vertierten Gesicht, Wenn heiser sie johlen bei irrem Oft schon sich verlierendem Licht. Ich liebe die dicken Athleten Mit bulldoggenstarkem Popo. Ich liebe, die fluchen, nicht beten Und bin vielleicht selbst etwas roh. Ich liebe die gräßliche Sünde So sehr wie das schuldlose Kind, Weil wir ja doch alle nur blinde Unselige Blödlinge sind.

KA PITEL

Verruchtes Stadt- & ftirlyleben

FRANK W EDEKIND Lulu Ich liebe nicht den Hundetrab Alltäglichen Verkehres; Ich liebe das wogende Auf und Ab Des tosenden Weltenmeeres. Ich liebe die Liebe, die ernste Kunst, Urewige Wissenschaft ist, Die Liebe, die heilige Himmelsgunst, Die irdische Riesenkraft ist. Mein ganzes Innre erfülle der Mann Mit Wucht und mit seelischer Größe. Aufjauchzend vor Stolz enthüll ich ihm dann, Aufjauchzend vor Glück meine Blöße.

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ERN ST BLASS Sonntagnachmittag Die Töchter liegen weiß auf dem Balkon. In Oberhemden spielen Väter Rächten: Ein Roundser steigt nach einem Full von Achten. - Und singen tut sich eins der Grammophon. ln Straßen, die sich weiß wie Küsse dehnen, Sind Menschen viel, die sich nach Liebe sehnen. Noch andre sitzen in Cafés und warten Die Resultate ab aus Hoppegarten. Der Dichter sitzt im luftigsten Café, Um sich an Eisschoklade zu erlaben. Von einem Busen ist er sehr entzückt. Der Oberkellner denkt hinaus (entrückt) An Mädchen, Boote, Schilf, ... an Schlachtensee. Der Dichter träumt »... und werde nie sie haben ...«

3. KAPITEL

Verruchtes Stadt- Sc Partylel>eri

TANJA DÜ CK ER S Heute früh Heute früh einen Penis um die Ecke gebracht muffiger Hinterhof steile Treppen flüsternde Kinder hinter den Türen schleiften wir uns das Geländer entlang Vom H of Lärm der Bauarbeiter Preßlufthammer immer wieder eigentlich ein sehr schlechter Ort um Liebe zu machen aber ich war verrückt nach diesem wilden Hämmern

FRANZ HODJAK Einsatz Der Gummiknüppel des Polizisten wurde ganz weich, als sie die Beine spreizte, den Rock hochhob. Er jedoch ließ sich nicht erweichen. Er setzte das Nächstliegende ein, das hart wurde.

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3. KA PITEL

JAKOB VAN H O D D IS Aus: Uariete I Loge Ein Walzer rumpelt, geile Geigen kreischen; Die Luft ist weiß vom Dunst der Zigaretten; Es riecht nach Moschus, Schminke, Wein, nach fetten Indianern und entblößten Weiberfleischen. Ah! schwimmen in der dicken Luft die vielen Dämlichen Köpfe, die ins Helle glotzen? Drei Weiber läßt man auf der Bühne spielen, Die süßlich mit gemeinen Gesten protzen.

III Der Humorist Ein alter Mann in einem neuen Fracke Plärrt nun seine Liebesabenteuer. Und besonders nach gewissen neuern Abenteuern, Spricht er, gleiche er dem Wracke, Das auf den Wellen wackle ohne Rast, Der Winds-»Braut« preisgegeben, ohne Steuer, Sogar mit halb verfaultem »Mast«.

VII Die Soubrette Ein Weibsbild kommt als Jägersmann Und schießt auf ihrer Flinten. Und sieht sich einen Vogel an Und zeigt sich uns von hinten.

Verruchtes Stadt- Sc Partyleben

Ihr Hintern biegt sich unerhört Auf Beinen stramm wie Säulen. Sie singt: »Mich hat die Lieb verstört Juchhei! im grünen Walde ...«

VIII Die Tänzerin Wie mich die zärtlichen Gelenke rühren, Dein magrer Nacken, Deiner Kniee Biegen! Ich zürne fast. Werde ich Dir erliegen? Wirst Du zu jenem Traum zurück mich führen, Den ich als Knabe liebend mir erbaute Aus süßen Versen und dem Spiel der schönen Schauspielerinnen, linden Geigentönen Und Idealen, die ich klaute? Ach, keine fand ich jenem Traume gleich, Ich mußte weinend Weib um Weib vermeiden. Ich war verbannt zu unermessnem Leiden Und hasse jenen Traum. Ich spähe bleich, Und sorgsam späh ich, wie Dein Leib sich wende, Nach jeder Fehle, die im Tanz du zeigst, Ich bin dir dankbar, da Du doch am Ende Mit einem blöden Lächeln Dich verneigst.

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G O T T F R IE D BENN Nachtcafe III Und dennoch hab ich harter Mann, Blöken drei blaugraue Zahnstummel Aus ihrer muffigen Höhle mit. Und dennoch schlug die Liebe mir, Wölben sich zwei Hurenschnauzen vor. Matchiche: Ida paßt ihre Formen der Musik an. Buchtet sich ein und aus. Wirft sich aus ganz ebenen Stellen auf: »Mensch, Ida, du hast woll een Gelenk zu ville.« Ein Provinziale ertrinkt in einer Minettschnauze: Nimm mich hin. Ich will versinken. Laß mich sterben. Gebäre mich. -

3. KA PITEL

Verruchtes Stadt- 8c Partyleben

A U G U ST STRAMM Freudenhaus Lichte dirnen aus den Fenstern Die Seuche Spreitet an der Tür Und bietet Weiberstöhnen aus! Frauenseelen schämen grelle Lache! Mutterschöße gähnen Kindestod! Ungeborenes Geistet Dünstelnd Durch die Räume! Scheu Im Winkel Schamzerpört Verkriecht sich Das Geschlecht!

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FRANZ H ESSEL Ungewißheit Ich sprach dich an am hellen Vormittage in einer Gegend, wo sonst gar nichts ist. Mein Wort war keck und deine Antwort zage, und dennoch glaub’ ich, daß du ... eine bist. In deinem Hausflur schienst du mir so bange, machtest auf jedem Treppenabsatz: Pßt! und wehrtest ängstlich meinem Überschwange, und dennoch glaub’ ich, daß du ... Im Zimmer saß leibhaftig deine Mutter. Links an der Wand hing: Komm, Herr Jesu Christ, und rechts ein Blatt mit Doktor Martin Luther, und dennoch glaub’ ich ... Dein Stübchen war so ärmlich, ach, und reinlich, wie’s nur bei tugendhaften Mädchen ist. Daß auch ein Bett dastand, war mir fast peinlich, und dennoch glaub’ ... Dann wurden meine Küsse so ausführlich, wie es bei mir sonst gar nicht üblich ist, und gegen Ende warst du so natürlich, und dennoch ... Es ist so schwer, sich heute auszukennen, und niemand weiß mehr, was der andre ist. Ich möcht’ dich Adelaide nennen, und dennoch glaub’ ich, daß du ... eine bist.

3. KA PITEL

Verruchtes Stadt- Sc Partylelwn

G O T T F R IE D BENN Einer sang: Ich liebe eine Hure, sie heisst To. Sie ist das Bräunlichste. Ja, wie aus Kähnen Den Sommer lang. Ihr Gang sticht durch mein Blut. Sie ist ein Abgrund wilder, dunkler Blumen. Kein Engel ist so rein. Mit Mutteraugen. Ich liebe eine Hure. Sie heisst To. -

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4. KAPITEL

»Jeder Tag hat seine Plage, Und die Nacht hat ihre Lust« Sündige Nächte & Gestalten

JO H A N N W OLFGANG G O E T H E Philine Singet nicht in Trauertönen Von der Einsamkeit der Nacht; Nein, sie ist, o holde Schönen, Zur Geselligkeit gemacht. Wie das Weib dem Mann gegeben Als die schönste Hälfte war, Ist die Nacht das halbe Leben, Und die schönste Hafte zwar. Könnt ihr euch des Tages freuen, Der nur Freuden unterbricht? Er ist gut, sich zu zerstreuen; Zu was anderm taugt er nicht. Aber wenn in nächt’ger Stunde Süßer Lampe Dämmrung fließt, Und vom Mund zu nahem Munde Scherz und Liebe sich ergießt; Wenn der rasche lose Knabe, Der sonst wild und feurig eilt, Oft bei einer kleinen Gabe Unter leichten Spielen weilt; Wenn die Nachtigall Verliebten Liebevoll ein Liedchen singt, Das Gefangnen und Betrübten N ur wie Ach und Wehe klingt: Mit wie leichtem Herzensregen Horchet ihr der Glocke nicht, Die mit zwölf bedächt’gen Schlägen R uh und Sicherheit verspricht!

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Darum an dem langen Tage Merke dir es, liebe Brust: Jeder Tag hat seine Plage, Und die Nacht hat ihre Lust.

ULLA HAHN So Auf der rechten Seite so liegen daß die Knie das Kinn fast berühren. Sich den Rücken freihalten für einen nicht zu weichen schmiegsamen Bauch. Beine auch die mit meinen scharf in die Kurve gehen zwanzigfach Zeh’n ganz unten. Ums Herz in der linken Brust eine Hand die den Schlag spürt und bleibt im Nacken ein schlafender Mund Speichelfaden. Morgens aufwachen. Immer noch da sein. So.

4. KA PITEL

Sündige Nächte & Gestalten

G E O R G HEYM Abends Es ist ganz dunkel. Und die Küsse fallen Wie heißer Tau im dämmernden Gemach. Der Wollust Fackeln brennen auf und wallen Mit roter Glut dem dunklen Abend nach. Das Fieber jagt ihr Blut mit weißem Brand, Daß sie sich halb schon seinem Durst gewährt. Sie bebt auf seinem Schoß, da seine Hand In ihrem Hemd nach ihren Brüsten fährt. Hinten, im Vorhang, in der Dunkelheit Steht auf das Bett, der Hafen ihrer Gier. Wie Wolken auf dem Meere lagert breit Darauf der Dunst von schwarzem Elixier. Wie wird es sein? Sie friert in seinem Arm, Der ihren nackten Leib hinüberträgt. Es zittert auf in ihrem Schoße warm, Um den er wild die beiden Arme schlägt. Ihr blondes Haar brennt durch die Nacht, darein Die tiefe Hand des feuchten Dunkels wühlt. Der Sturm der Wollust läßt sie leise Schrein, Da seinen Biß sie in den Brüsten fühlt.

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R E G U L A V E N SK E Rück Mann Stück Stoßgebet einer tapferen jungen Frau auf der Suche nach dem t-Punkt Ja, Mann, du bist mein Glück Doch erst, Mann, rück mal ’n Stück Bin fast schon, gleich, bin beinah schon im Glück. Verdammt, bin fast entrück Jau, Mann, du bist mein Leben Bin kurz davor - nur eben - vielleicht, dass ich mich bück? nur schnell noch, rück ma’n Stück Au, Mann, mach weiter, drück da vorn. Ja! Nein! Daneben gib’s mir, hier bei der Lück Nimm keine Rück sicht auf Verluste Mann, Teufuüü, Herr der Fruste RÜ C K MEIN STÜCK Fast war ich schon verzück Uuh Mann du törichter Tulpenfücker Wo hast du denn das Pflücken gelern mach dass du fortkomms aus meinem Bett sonst werd ich noch verrück

4. KA PITEL

Sündige Nächle & Gestalten

Tor, Mann, youhu du bist mein Ein und AU Ah Ja Und so Und da Und oh und rück und mann Und stück Und jetz zz zzz zzzz zzzzz t.

H O R ST TOM AYER Der wahre Hermann Hesse Allem Anfang Wohnt ein Zauber inne Wenn ihn der Hansel drin hat Und die Gretel drinne

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ELSE L A SK E R -SCH Ü LE R Orgie Der Abend küsste geheimnisvoll Die knospenden Oleander. Wir spielten und bauten Tempel Apoll Und taumelten sehnsuchtsvoll Ineinander. Und der Nachthimmel goss seinen schwarzen Duft In die schwellenden Wellen der brütenden Luft, Und Jahrhunderte sanken Und reckten sich Und reihten sich wieder golden empor Zu sternenverschmiedeten Ranken. Wir spielten mit dem glücklichsten Glück, Mit den Früchten des Paradiesmai, Und im wilden Gold Deines wirren Haars Sang meine tiefe Sehnsucht Geschrei, Wie ein schwarzer Urwaldvogel. Und junge Himmel fielen herab, Unersehnbare, wildsüsse Düfte; Wir rissen uns die Hüllen ab Und schrieen! Berauscht vom Most der Lüfte. Ich knüpfte mich an Dein Leben an, Bis dass es ganz in ihm zerrann, Und immer wieder Gestalt nahm Und immer wieder zerrann. Und unsere Liebe jauchzte Gesang, Zwei wilde Symphomeen!

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Sündige Nächte & Gestalten

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JO H A N N W OLFGANG G O E T H E Aus: Elegien Herbstlich leuchtet die Flamme vom ländlich geselligen Herde, Knistert und glänzet, wie rasch! sausend vom Reisig empor. Diesen Abend erfreut sie mich mehr; denn eh noch zur Kohle Sich das Bündel verzehrt, unter die Asche sich neigt, Kommt mein liebliches Mädchen. Dann flammen Reisig und Scheite, Und die erwärmete Nacht wird uns ein glänzendes Fest. Morgen frühe geschäftig verläßt sie das Lager der Liebe, Weckt aus der Asche behend Flammen aufs neue hervor. Denn vor andern verlieh der Schmeichlerin Amor die Gabe, Freude zu wecken, die kaum still wie zu Asche versank.

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RAINER MARIA RILKE Aus: Sieben Gedichte Wie rief ich dich. Das sind die stummen Hufe, die in mir süß geworden sind. Nun stoß ich in dich Stufe ein um Stufe und heiter steigt mein Samen wie ein Kind. Du Urgebirg der Lust: auf einmal springt er atemlos zu deinem innern Grate. O gieb dich hin, zu fühlen wie er nahte; denn du wirst stürzen, wenn er oben winkt.

4. KA PITEL

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KAROLINE VON G Ü N D E R O D E Liebe O reiche Armuth! Gebend, seliges Empfangen! In Zagheit Muth! in Freiheit doch gefangen. In Stummheit Sprache, Schüchtern bei Tage, Siegend mit zaghaftem Bangen. Lebendiger Tod, im Einen sel’ges Leben Schwelgend in Noth, im Widerstand ergeben, Genießend schmachten. Nie satt betrachten Leben im Traum und doppelt Leben.

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FR IED R ICH SC H L E G E L So liegst du gut! Gleich wird sich’s prächtig zeigen, Wie klug mein Kat. Ich schiebe meinen Dicken In dein bemoostes Tor. Man nennt das »Ficken«. Du fragst: warum? Davon laß mich jetzt schweigen! Schon seh’ ich Schmerz in deinen blauen Blicken. Das geht vorbei. Du mußt zurück dich neigen, Gleich wird dein Blut dir jubeln wie die Geigen Von Engeln, welche ihre Brüste schicken ln bebender Musik zum Tor der Welt. Famos! Du einst dich mir in bravem Schaukeln, Die Schenkel schmiegen pressend, es umgaukeln Mich Düfte, die mich locken in die Unterwelt. Ein Stoß und Schrei! - die weißen Glieder zittern Im Kampf wie Apfelblüten in Gewittern.

4. KA PITEL

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PAUL B O LD T Die Liebesfrau —Nackt. Ich bin es nicht gewohnt. Du wirst so groß und so weiß, Geliebte. Glitzernd wie Mond, Wie der Mond im Mai. Du bist zweibrüstig, Behaart und muskelblank. So hüftenrüstig Und tänzerinnenschwank. Gib dich her! Draußen fallen Die Regen. Die Fenster sind leer, Verbergen uns ... - allen, allen! Wieviel wiegt dein Haar? Es ist sehr schwer. —Wo sind deine Küsse? Meine Kehle ist gegallt, Küsse du mich mit deinen Lippen! — Frierst du?------ Du bist so kalt Und tot in deinen hellen Rippen.

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G Ü N T E R KUNERT Alles fließt Zierlich Gewölk der Spitzenbordüre. Strumpfbein Schenkelfrei. Sliplos ratzekahl. Doppelballungen gleichgewichtig der Gravitation unterworfen. Helle Hälften geteilt vom tropischen Meridian. Nun also gute Miene zur handfesten Gespielin gemacht. Der Adorant neige ergeben sein Haupt so mundstumm wie vielversprechend. In der Welt nackter Tatsachen geht es aufwärts wie abwärts und du und ich bezeugen seit täglichen Ewigkeiten des Heraklit Axiom.

4. KA PITEL

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RICARDA H UCH Mich band die Liebe an den Pfahl der Pein, Durchbohrend mit dem Schwerte, das nicht tötet, Mein Eingeweide, bis der scharfe Stein, Auf dem ich kniee, sich mit Blute rötet. Doch neig ich dankend mich den Schmerzenslosen; Denn über mir seh ich wie eine Sonne Die Marterkrone dunkelroter Rosen: Mein Blut in Blüte, die mich krönt zur Wonne.

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4. KA PITEL

FR IED R ICH SC H L E G E L Von allen Männern, die dich je bedrohten. Bin ich der Geilste. Sieh mich zitternd an. Ich zerre deine Brüste Spann für Spann Und werde sie auf deinem Rücken knoten. Auch deine Füße knüpfe ich daran Und binde deine weißen kleinen Pfoten, Und wenn den Leib du röchelnd mir geboten Bewunderst du in mir den starken Mann. Und wenn du schreist, dann schlitz ich deinen runden Und weichen Leib mir auf mit kaltem Streiche Dann saugen sich die Lippen deiner Wunden Um meinen Schwanz, daß ich vor Lust erbleiche. Jedoch mein Glück, es reift nicht aus zu Stunden: Du riechst schon sehr, mein Opfertier, nach Leiche.

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KLABUND Der kleine Mörder Er wußte nicht, warum er so elend war Und warum der Himmel an jenem Abend so schwelend war. Sein Schädeldeckel war aufgeklappt und Fliegen setzten sich auf sein rosiges Hirn Und leckten daran. Göttliche Gedanken schienen ihn zu durchirr’n. Wenn er das Messer nähme und sich die große Zehe abschnitt? Oder ginge er lieber auf den Abtritt, Und spielte mit sich, über den Abfluß geneigt? - Da hat sich seine kleine Schwester in der Küche gezeigt. Er hob ihr den Rock hoch und stieß ihr die große Kelle In den Schoß, daß sie schrie. Ihn trug die Welle Des Abendrotes durch die Wolken hin. Er sah nichts mehr. Er fühlte nichts mehr. Ihn trieb die rote Flut, das rote Meer Zu einem uferlosen Ziel. Er fiel Lächelnd über die kleine Leiche hin.

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PETER PAUL ALTHAUS Der Widerspenstigen Zähmung Vorigen Mai hab ich eine Bibelforscherin gehabt, die brüllte wie besessen, als sie das Messer sah: das ginge nicht und überhaupt sei das unter anständigen Menschen nicht erlaubt und ich wandelte auf unrechten Wegen und wenn ich sowas wollte dann täte sie es nicht ohne den kirchlichen Segen! Und als ich ihr das Messer schon eingerammt murmelte sie noch was von Standesamt. Da hab ich ihr die Gurgel zugedrückt und da ist sie auch ohne den kirchlichen Segen ganz friedlich eingenickt.

4. KA PITEL

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E R N ST STADLER Aus: Tage Dann brenn’ ich nächtelang, mich zu kasteien, Und spüre Stock und Geißel über meinen Leib geschwenkt: Ich will mich ganz von meinem Selbst befreien, Bis ich an alle Welt mich ausgeschenkt. Ich will den Körper so mit Schmerzen nähren, Bis Weltenleid mich sternengleich umkreist ln Blut und Marter aufgepeitschter Schwären Erfüllt sich Liebe und erlöst sich Geist.

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G Ü N T E R KUNERT Lilith Sie kriecht durch Mauerritzen zu dir ins Bett. Die Brüste von Zeit und Mörtel ergraut. Zähes Gebein. Ihr Zugriff-brutal nach deinem Geschlecht und verlangt alles, alles was du an Zukunft absonderst, du mein armer Adam du.

RICH ARD PIETRASS Libertinage Du machst dich frei. Es trennen Uns noch Haut und Bein. Du lädst mich ein, dich zu kennen Lockst ins Vlies hinein. Ich freie dich. Fremd greifen Meine Hände. Hinab! Sollte Scham mich streifen Schminkst du sie mir ab. Du legst mich frei. Noch sterben Wir nicht an tieferen Rissen. Derweil ich das Sternbrett kerbe Sei Königin, jochendes Kissen.

4. KAPITEL

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DAGMAR LEU PO LD Sado-Maso Meine Tochter dachte es sei eine besonders sahnige Schleckerei zum Backen oder Naschen. Du spinnst! sagt ihr Bruder. Das ist doch Sport!

ARNE RAUTEN BERG draculabelle zu draculakai draculakritz triebs mit draculatex draculazarus verführte draculavendel draculametta winselte nach draculamento draculaotse vögelte draculatrine draculafontaine prügelte draculamm dracularifari leckte draculapidar draculama schrie nach draculala draculava ergoss sich in draculaterne draculavoir vernaschte draculazarett und ich draculabelle tats mit draculabor

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SYBIL VOLKS Faust I Bin weder Mädchen, weder Mann, zieh heute andersrum mich an Das Kleid von feinster Schlangenhaut, das Haar von einer Höllenbraut, die Wimpern einer abgeschaut, der Arsch im Paradies gebaut Die Herren sinken auf die Knie, besamen sich die Hände, die Damen wissen auch nicht wie ihnen geschieht am Ende Bin zwar kein Mädchen, aber schön Kann ungefickt nicht nach Hause gehn

Faust 11 Ich halt um deine Hand an die Welt steht still Denn deine Hand liegt in mir und ja, ich will Du gibst mir alle Finger damit sich’s lohnt Behaust ist deine Faust und ich bin bewohnt

4. KA PITEL

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KAROL KRÖPCKE Ohne Umstände knöpfte sie der anderen die Bluse auf, riß ihr den Halter ab und griff sich ihre Brüste, stopfte die Titten in den Mund, sog sie ab und fuhr ihr dabei ohne Umstände in die Cordhose ans Loch, vögelte es mit zwei Fingern, dehnte die Falte stehend. Stehend kam ihnen das Vergnügen an ihren anatomischen Einzelteilen gegenseitig mit Genuß durch arbeitende Hände und Zähne aus dem Stand. Ihre Fotzen schmatzten, während sie sich gegenseitig die Ohrmuscheln leckten und ihre Zungen im anderen Mund spielen ließen und beide unten zuckten. Sie hatten nur noch eine gemeinsame Möse, die unter Wasser stand, bis die eine der anderen beim Umarmen den linken Daumen durch den Schließmuskel trieb und den Fick ohne Mann an ihr hinten fortsetzte, indessen die Figuren langsam nachgaben und langsam übereinander fielen ohne Umstände.

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4. KA PITEL

RICH ARD PIETRASS Das Erwachen Des Morgens kam sie in mein Bett geglitten. Ich lag Noch im Kokon des Schlafs, da sie an meine Schläfe pochte und ich die Arme wie zum Flug auftat. Sie pellte mich aus meiner Fadenhölle Und hüllte mich in ihren Nesselduft Da ich von einer Brise träumte: Das Laken steif von unserm Speichel Während in der Kopfsteinpflasterstille Unreife Eicheln in den Rinnstein tropften Hüpfende Echos unsres Falterflugs. Die Sonne schnellte hoch, es war genug. Gebieterisch Der Herdenruf entlegener Geschäfte. Es ging die Tür. Ich rieb den Sand Aus dem gewaschenen Augenspalt Und badete im Strom gesalzener Säfte.

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FRANZ HODJAK Bettsonett Wenn du erwachst, begibt sich deine Hand auf Reisen in eine Welt, die noch im Nebel döst; dein linkes Bein krallt sich an meinem rechten fest, um meiner Seele Nordpolspitze zu enteisen. Dein schönes Haar, das müßte meine Zunge jetzt besingen, so wahr, wie es an allen Stellen wächst, und sie beginnt, wie immer, dort zunächst, wo es sich kräuselt wie Zigarrenrauch in Ringen. Dein Atem geht indes wie das Gesumm von Gelsen, dein Körper, in Revolte, wirft um sich mit Steinen; mein Rücken, wund, gemahnt mich an den kaukasischen Felsen. Der Raum, gekrümmt, beginnt zu wippen. Wir wippen mit. Dein Herz schlägt wie ein Gummiknüppel in deine, meine Rippen.

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4. KA PITEL

ANNA REAL Das tristere Tier Die Erde stellt sich ein bißchen schräger. Die Sonne scheint auf mein Bett. Die ganze Nacht war es waagrecht, integer. Wir haben’s versaut. Wir waren nicht nett. Was haben wir ihm in die Kissen gestöhnt, vereint uns, entzweit und gleich wieder versöhnt, gesuhlt uns, geaalt und herumtrompetet, was weich ist, immer noch weicher geknetet, die Litaneien des Körpers rauf und runter gesungen, was hart bleiben soll ohne Stahlbad gestählt. Die siebenbürgische Arbeitsteilung: gebissen hab ich und du hast gepfählt. Das Bett wär’ am liebsten schamrot lackiert. Für das Tier mit zwei Rücken sei es nicht konstruiert. Dabei kommt’s aus Schweden, heißt wie eine Schäre, hat den Eichtest bestanden und die ungefähre Tragkraft plusminus von dir und mir. Die Laken verzwirbelt, anstatt glatt gebügelt, und auch die Kissen getalt und gehügelt, eine Winzigkeit übers Parkett verschoben, durch unser kleines, gepflegtes Toben. Tief drinnen noch warm und feucht in den Falten, hängt’s jetzt halt ein bisserl durch. Muss erkalten. Wie wir.

5. KAPITEL

»Dein sündger M und ist meine Totengruft, betäubend ist sein süßer Atemduft« Trunkene Kuß- & Schlemmermäuler

FRANK W EDEKIND Galathea Oh, wie brenn ich vor Verlangen, Galathea, schönes Kind, Dir zu küssen deine Wangen, Weil sie so verlockend sind. Daß ich auch die Gnade fände, Galathea, schönes Kind, Dir zu küssen deine Hände, Weil sie so verlockend sind. Und was tat ich nicht du süße Galathea, schönes Kind, Dir zu küssen deine Füße, Weil sie so verlockend sind. Und mich treibt der Pulse Stocken, Galathea, schönes Kind, Dir zu küssen deine Locken, Weil sie so verlockend sind. Aber deinen Mund enthülle, Mädchen, meinen Küssen nie, Denn in seiner Reize Fülle Küßt ihn nur die Phantasie.

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PAUL FLEM ING FUi'f er wolle geküsset sein Nirgends hin als auf den Mund: da sinkts in des Herzens Grund; nicht zu frei, nicht zu gezwungen, nicht mit gar zu fauler Zungen. Nicht zu wenig, nicht zu viel: beides wird sonst Kinderspiel. Nicht zu laut und nicht zu leise: bei der Maß’ ist rechte Weise. Nicht zu nahe, nicht zu weit: dies macht Kummer, jenes Leid. Nicht zu trucken, nicht zu feuchte, wie Adonis Venus reichte. Nicht zu harte, nicht zu weich, bald zugleich, bald nicht zugleich. Nicht zu langsam, nicht zu schnelle, nicht ohn’ Unterscheid der Stelle. Halb gebissen, halb gehaucht, halb die Lippen eingetaucht. Nicht ohn’ Unterscheid der Zeiten, mehr alleine denn bei Leuten. Küsse nun ein Jedermann, wie er weiß, will, soll und kan! Ich nur und die Liebste wissen, wie wir uns recht sollen küssen.

5. KA PITEL

Trunkene Kuß- & Sthleminermäuler

KAROLINE VON G Ü N D E R O D E Der Kuß im Traume Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht, GestiUet meines Busens tiefstes Schmachten, Komm, Dunkelheit! mich traulich zu umnachten, Daß neue Wonne meine Lippe saugt. ln Träume war solch Leben eingetaucht, Drum leb ich, ewig Träume zu betrachten, Kann aller andern Freuden Glanz verachten, Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht. Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen, Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen Und mich verzehren seiner Sonne Gluten. Drum birg dich Aug dem Glanze ird’scher Sonnen! Hüll dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluten.

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ELSE LA SK E R -SCH Ü LE R Sinnenrausch Dein sündger Mund ist meine Totengruft, betäubend ist sein süßer Atemduft, denn meine Tugenden entschliefen. Ich trinke sinnberauscht aus seiner Quelle Und sinke willenlos in ihre Tiefen, verklärten Blickes in die Hölle. Mein heißer Leib erglüht in seinem Hauch, er zittert, wie ein junger Rosenstrauch, geküßt vom warmen Maienregen. - Ich folge dir ins wilde Land der Sünde und pflücke Feuerlilien auf den Wegen, - Wenn ich die Heimat auch nicht wiederfinde ...

5. KAPITEL

Trunkene Kuß- & Schlemmermäuler

ULRIKE DRAESN ER musenpressen reanimationsversuch am offenen mund künstlicher brustdruck die redekunst (beatmungsvorgang) wiederbeleben, flüstere ich, ein mehr einzelnes, mehr speichelndes verhalten gegen die mundverzellungen schlage ich vor, am offenen brustkorb, sagt er, braucht es innenzug durch kompression und drückt mir wieder die rippen zusammen, in anderen künsten tauche schließlich seit jahren hervorragende erpresskunst auf, sagt er, begehrte kriegsbeute, als er sich heftig und beugt, über mich.

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H A N S-U LR ICH T R E IC H E L Ach, Geliebte Komm, Geliebte, will dich küssen Leg mich zwischen deine Knie Ach, Geliebte, laß dich fressen Nie war ich so hungrig, nie Komm, Geliebte, laß uns tauschen Streck dich aus auf meinem Leib Ach, Geliebte, schon vergeß ich Daß ich niemals bei dir bleib

ARNFRID A ST E L Die Wimper im Brillenkasten. Aber das Schamhaar, wo kommt das her?

5. KA PITEL

Trunkene Kuß- & Sthletnmerrnäuler

ILMA RAKllSA Zwei erotische Neunzeiler Du mundest mir dein Salz auf meiner Zunge scharf wie deine Säfte kräftig noch und noch und mehr davon verzückter Spender gib deinem Ständer keine Ruh

* Allround die Leckerei von Schaft zu Stiel von Hals zu Kiel die Ohren zart der Griffel hart wir spielen Liebe matt und nass

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5. KAPITEL

ULJANA W OLF Ihm Blühen Grunde nach Joseph von Eichendorff Im kühlen Munde Geht Ein Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad O Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad O Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad Mühlenrad

(er hat von grund gesprochen) (es waren meine tippen ring)

(er hat den ring zerbrochen) (imfeld beidun hier nacht)

(da wars auf ein mal still) (wo er gewöhnet hat)

Trunkene Kuß- Sc Schlemmermäuler

M ATTHIAS G Ö R IT Z Hidden Tracks Ich spiele allein mit der Zunge in jener Falte Du, mach die Beine breit, ein wenig breiter Wenn du kommst, schrei, irgendwas, halte Meinen Kopf, ich lecke und stoße dich weiter Fest drücke ich meinen Mund an deine Spalte Wie ein Hackebeil, zieh mit den Lippen ein, dein Inneres auseinander, jenes Rote, Fleischige, Kalte Mit dem du mich neckst, dring noch einmal ein Diesmal mit meinem Geschlecht, und ihr sprecht Von Verborgenem. Jeder Kuß, sagst du, reißt Eine Wunde. Und jeder Schluß, sage ich, beißt Etwas aus meinem Rückgrat. Wir zwei Enden hier. Ich halte dich zwei, drei Sekunden. Nur dieser Augenblick ist echt.

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H ELM U T KRAUSSER Du Schicksal riechst so geil, dein Mund ist grell bemalt, du zeigst mir Haut, als wär es Fleisch für einen Hund, der sonst nur alte Knochen kaut. Versaute Schickse, mach dich frei, Laß dich lecken. Knie dich hin. Ich habe Wodka, Kokain und noch was Härteres dabei.

5. KA PITEL

Trunkene Kuß- & Schlemmermäuler

T H E O D O R KRAMER Die Liebeseifrige Ich lieb den Schnitt, der deine Stirn durchquert, ich lieb vor Früh die Stoppeln um dein Kinn; mit harter Hand hast du mich recht gelehrt die Lust, für die ich, Freund, geschaffen bin. Nach Kletten roch das unbestellte Land, das hinterm Zaun an unsern Garten stieß, wo lang im Finstern im Gebüsch ich stand und lauschte, bis ein Mann sein Wasser ließ. Das ist vorbei. Ich weiß nun, was dich hält, von deinen Küssen sind die Brüste wund; und wenn es müd ist und es dir gefällt, nehm ich dein bloßes Glied in meinen Mund.

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H ELGA M. NOVAK Liebe und die Haare in deinen Achselhöhlen die schmecken nach Salz und Schweiß du - mein Geliebter - und bloß du du brennst in den Spalten flaches Glitzern läuft deine Arme entlang ein Pferd versank im Flußsand die Stuten standen herum und wieherten betrübte Augen - zuletzt fiel die Nässe in seine apfelgroßen Nüstern so lange roch es nach den Pferdeweibern ich rieche dich und ich will dich wenn ich dich ansehe bestehst du aus lauter Sonnen und du scheinst die sauberste Anschaffung der Erde zu sein

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\ JAN WAGNER fenchel knollen vor einem gemüseladen im winter wie bleiche herzen, sagtest du, gedrängt in einer kiste, wärme suchend - so daß wir sie mit uns nahmen und nach hause trugen, wo feuer im kamin entzündet war, wo kerzen auf dem tisch entzündet waren, und ihnen halfen aus ihrer dünnen haut, die Strünke kappten, die zitternden blätter entfernten und sie zu feinen weißen flocken hackten, wartend, bis das wasser kochte, die fensterscheibe blind war vom dampf.

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5. KA PITEL

G ISB E R T HAEFS Unzeit O zur Unzeit Züchtige - knapp gewandet rührst du Bohnenbrei, dünstest Lauch und bettest auf den Feuerrost die Fasanen, voll von Beeren und Muscheln, bückst dich nach den duftenden Weizenfladen, daß dein Hemd verrutscht, daß dein Arsch mir lodert; Wein trank vorn der Stoff, und hindurch erspähn mich spitzige Brüste. Soll ich ragen, flappend mich heben, schwebend meinen Dolch verbergen in deiner Scheide? Schade um das Garen und das Gelingen all der Genüsse: schal, zerkocht —danach. Wollen wir uns laben an den Köstlichkeiten, die du bereitest, war bald welk mein Halm, dein Gefilde Brachland - lustloses Ebben. Hitze sengte Ikaros das Gefieder (sagt man), als er, sich zu ergießen, in die Himmel drang - er flog, glaube ich, zur Unzeit: arg überfressen.

Trunkene Kuß- & Schlemmermäuler

CELA N D ER Als er ihre Brüste küßte Blondine deiner Brüste Kuß / Hegt mehr von süssen Überfluß Als tausend Zucker= Fladen Und theure Marmeladen Mehr Süssigkeit quilt aus dem Schnee Der Brüste / als aus Hyblens Klee / Die Feige wird zur Schleen Kein Honig kann bestehen / Daß nicht zu Gail und Wermuth wird Wenn es der Brust wird beygeführt. Der Wein wird schlechte Pfütze Das Manna Haber Grütze / Dem Ambrosin und Nektar Saflft Benimmt dein Busen alle Kraflft Dein unbefleckte Brüste Die Zinsen Himmels=Lüste.

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BORIS PRECKW ITZ fluffelchen kumm mich bucken und vergucken sei ein guter kuschelpupp hab so lust auf einen schmucken schnuck in meinem puschelclub. wullst den burzel mir beknuffen du —du - sternenschnuppelchen! alle fummel musst du lupfen deinem schmusen fluffelchen. kunnte immerzu umschnullen deinen munden schmunzelrunz, rundum bussein und bebrunsten, dunsten wie ein schmusegrunz. sullst an meiner luspel flunschen, huhu, dusel knuddeldu murchenprunz sei all mein wünschen, süßer bubu putschepu!

5. KA PITEL

6. KAPITEL

»Von den siebzehn Körperteilen nenne ich zuerst die geilen« Säuische Anatomie & Topographie

C H R IST O P H O T T O ELT EST ER Die Liebe steigt nicht über sich, sondern unter sich Dein Auge sollte mir zum Tempel neulich dienen, Allein der große Brand tat meiner Seelen weh: Drum zog sie sich hinab zu deiner Wollust See Und kühlte wieder sich mit Nektar und Rosinen. Sie trank und ward berauscht aus deinen Mund-Rubinen Und taumelte von dar auf deiner Brüste Schnee, Die zweien Bergen gleich, von wegen ihrer Höh, Am Gipfel etwas rot, sonst ganz beeiset schienen. Doch weil hier Kälte war, sie aber nackt und bloß, So kroch sie endlich gar in deinen warmen Schoß, Da ward ihr allererst ihr Lager angezeiget. Climene, zürne nicht. Sie folget der Natur, Sie geht den Regeln nach und hält der Liebe Spur, Die mehrmals unter sich, nicht aber aufwärts steiget.

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F. W. BERN STEIN Von den erogenen Zonen I Von den siebzehn Körperteilen nenne ich zuerst die geilen: Daumen, Gaumen, Busen, Mund, Nabel, Schniebel, Wadei, und da war doch noch so ein Teil, das vergeß ich immer, weil, es hat einen wüsten Namen, einen häßlichen, infamen. Es heißt ähnlich wie das Ding, das meist gar nicht mehr abging gleich fällt mir der Name ein: ’s wird wohl die Brustwarze sein. II Zwischen Knie und Sockenrand ist erotisch ödes Land. Schön ist zwar die Wade, doch sie bringt’s nicht. Schade. III Viele Freuden bringt der Fuß, den man vorher waschen muß. Auch der Stiefelfetischist liebt den Fuß nicht, wie er ist; hat ihn gern im Schuh und Du? IV Dinge wie das Unterhemd sind eigentlich körperfremd, doch tut selbst ein alter Hut oft erotisch noch sehr gut; magst ihn in besonders heißen

6. KAPITEL

Säuische Anatomie & ToptgraphM

Nächten in die Krempe beißen. Kannst ihn küssen, kannst ihn knüllen, ihn mit Lust und Liebe füllen Herz, mein Herz, was willst Du mehr? Etwa noch Geschlechtsverkehr? V Mancher Herr hat solche Stellen, die bei der Berührung schwellen; Beulen, die am Kopf entstehn, sind nur selten erogen. Andre Teile wieder schrumpeln, wenn zwei aufeinanderpumpein. Beispielsweise das Plumeau und das Diskussionsniveau. Was auch zusammenschrumpfen tut, grade in der höchsten Glut, das ist das Brikett und die Zigarett. VI Erogen ganz ohne Frage ist die Stereoanlage. Den, der dran rummachen darf, macht sie fickerig und scharf. VII Manche sagen jetzt, es fehle auf der Liste noch die Seele. Seele, Seele fehlt nicht, weil: Seele ist total echt geil.

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SAID Ich will, daß deine Hände nach Liebe riechen. Wir schrieben sie nieder auf lose Zettel, unsere geheimen Wünsche. Dann suchten wir einen aus, mit verbundenen Augen.

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Säuische Anatomie & Tojxigraphii

BARBARA MARIA K LO O S Schutzdach im Walde Ich trete nicht ein, schaue nur hin, denn sie säugt ihr Kind nach Art der Tiere, sie hat es auf den Boden der Raststätte gelegt und sich darüber gebeugt, nackt im Fellmantel, eine säugende Hündin, drängt sie dem Jungen die volle Brust ins Maul. Ich tauche zurück in meinen tiefen Hain, doch als ich mich umsehe, ist die Frau noch immer da, entblößt auf allen vieren, mit roten Augen über ihr Kind gewölbt.

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JA C O B SCH W IEG ER Er begehret ihre Brüste Ach Adelmut, du Rose, Du Täubchen sonder List! Schau her, wie ich lieb-kose! Warüm? üm deine Brüst. Ach gib sie mir, mein Herz! So fühl ich keinen Schmerz. Die harten Äpfel-Brüste, Die zeigen deine Zucht, Ach daß ich nur eins müßte Genießen derer Frucht! So wollt ich, schönste Zier, dich rühmen für und für. Denn deiner Brüste Prangen Hält meinen treuen Sinn Mit aller Macht gefangen, O werte Schäferin! Dies ist fürwahr gewiß, Du edler Tugend-Riß! Du Glanz der rauhen Zeiten! Ich sage dir itzt zu: Daß ich nicht will ausbreiten Was du mir gibst in Ruh; So sei nun, schönes Kind! Auch so wie ich gesinnt. Ich gebe dir mein Leben, Und was dein Herze sucht, Will ich nicht widerstreben, Gib her der Brüste Frucht, Gib mir auch Hand und Mund Zum treuen Liebes-Bund.

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