Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten - Band 2 - Maul bis zwölf [3th ed.] 3-451-16630-5

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Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten - Band 2 - Maul bis zwölf [3th ed.]
 3-451-16630-5

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Röhrich

Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten Band 2

Lutz Röhrich

Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten Band 2: Maul bis zwölf

mit ca. 300 Abbildungen

Dritte Auflage

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Herder Freiburg- Basel-Wien

Redaktion: Gertraud Meinel

Alle Rechte Vorbehalten Printed in Germany ©Verlag Herder KG Freiburg im Breisgau 1973 Herder Druck Freiburg im Breisgau 1974

ISBN 3-451-16630-5

M Maul steht in Rdaa. vielfach als derber, vom Tier auf den Menschen übertr. Ausdr. für .Mund'. Die meisten Rdaa. mit Maul sind Parallelbildungen zu Ausdrücken mit /Mund, bes. in den obd. Mdaa.; z. B. jem. übers Maul fahren: ihn wegen einer Äuße¬ rung scharf zurechtweisen; nicht aufs Maul gefallen sein: schlagfertig, um eine Antwort nicht verlegen sein; sich das Maul verbren¬ nen: sich durch Worte schaden, /Mund. Das Maul aufreißen: übertreiben, vorlaut sein; das Maul voll nehmen: prahlen; ein loses (grobes) Maul(werk) haben: freche (derbe, unsaubere) Reden führen. Allg. üblich ist Halt's Maul!: Sei still! „Liebe Kinder, lernet das Maul halten; denn wer es hält, der wird sich mit Worten nicht ver¬ greifen“, übersetzte Luther Sir. 23,7. Maulen: mürrische Widerworte geben. So schon bei Hans Sachs (.Töchtermann' 18); als dem Ehemann anstatt des erwarteten Sohnes eine Tochter geboren wird, heißt es: Darob het der jung man ein grawen Und meulet sich ob seiner frawen. Ähnl. ,sich vermaulen', ein halb mucksiges, halb naseweises Dagegenreden, Sichverteidigen. Ein Maul anhängen: frech widersprechen. Das Maul hängen lassen: mürrisch, mi߬ vergnügt sein; aus melancholisch' hat die Volksetymologie mau/hängolisch, maulhenkolisch gemacht (so schon bei Joh. Fischart). Das Bild wäre von alten Pferden entlehnt, hat man gemeint mit Berufung auf den Satz in Pestalozzis ,Lienhard und Gertrud'; „Er hängt die Oberlippe wie eine alte Stute“. Aber dieser Übertr. bedarf es nicht; mürrische Menschen lassen wirklich den Mund hängen (oder ziehen ein schiefes

die Erklärung: „Sihe wie ist der so zornig, die da zürnen, sehen sawr, vnd lassen das maul mit den lippen lang heraußhangen“. Ähnl. Agricola, Nr. 323. Auch in der ,Zimmerischen Chronik' (IV, 14): „Damit macht er das meniglich .... das maul hanckte“. In Ifflands .Jägern' von 1785 heißt es (I, 1): „Hängt das Maul, so tief Ihr wollt - hier kann ich es nicht aushalten“. Maul und Nase aufsperren: dumme Ver¬ wunderung äußern. Bei höchstem Erstau¬ nen öffnen wir unwillkürlich gleichsam alle Sinne, als ob wir sie alle zu Hilfe nehmen wollten bei dem Erfassen eines merkwür¬ digen Anblicks, einer verblüffenden Ge¬ schichte usw. Der offenstehende Mund er¬ klärt sich dabei so, daß man sich äußern möchte, aber vor Erstaunen kein Wort her¬ vorbringt. Schon der Prediger Geiler von Kaisersberg (1445-1510) rechnet die unter die Narren, „die mit dem Kopff und Maul hören; denn es sein etlich also geartet, daß sie nicht hören können, wenn sie nicht das Maul aufsperren und gaffen, gleichwie ein Esel, der Distel frißt“, ähnl. die Maulsperre haben (kriegen): vor Staunen sprachlos sein. Ein ungewaschenes Maul nennt man einen Mund, aus dem nur unnützes Gewäsch, schmutzige oder freche Reden kommen. Die Vorstellung ist sehr alt und früher of¬ fenbar weniger anstößig gewesen als jetzt, sogar die höfische Dichtungdes 13. Jh. ver¬ schmäht sie nicht. Die rechte Waschung für den Mund sind Gebete; Murner predigt in der ,Narrenbeschwörung' (47, 12): Das mul solt ir mit beten weschen! Von bes. frechen Schnäbeln sagt Murner in

Maut). Schon in der Namenlosen Sammlungvon 1532 heißt es unter Nr. 301: „Sihe

der .Schelmenzunft', daß sie das Maul in den Himmel stoßen, wenn sie Gottes Re¬ giment tadeln, wobei er auf den alten Glauben von den Schnabelmenschen an¬

wie henckt er das Maul. Mault sich“. Dazu

spielt:

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Maul

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Man sagt myr das in alten zeyten Warendt der schneblechten leyten Ich kanß nit für eyn wunder han Man findt wol ietz eyn schnebler man Der mit seym maul erreichen kan Den hymmel vnd all Sternen dran. Das Maul ausleeren nennt es der Bayer, wenn einer alles Böse, was er über jem. oder eine Sache zu wissen glaubt, vorbringt. Das Maul nach etw. spitzen: auf etw. begie¬ rig sein; nach der Mundhaltung, die man einnimmt, wenn einem das Maul nach etw. wässert; Grimmelshausen sagt dafür im .Simplicissimus' (II, 102); „mir die Zähne wässerig zu machen“. Einem etw. ins Maul schmieren: es ihm so leicht und angenehm wie möglich beibringen; eigentl. von einer Speise gesagt, die der andere nicht von selber essen will, wie der Lehrer erst ,vorkaut1, was die Schüler verdauen sollen. Geläufig ist auch: einem das Maul schmieren, einem ums Maul ge¬ hen: ihm schöne Worte geben, Verspre¬ chungen machen, die nicht gehalten wer¬ den; vgl. Luther (,Tischreden1, 1577, Bl. 362a): „Einem das Maul schmieren, ohne ihm etwas zu geben“. So auch 1529 bei Joh. Agricola (Nr. 692): „Er schmirbt yhm das Maul, und gibt yhm ein dreck drein. Das ist, er betrügt yhn“. /Honig. Einem das Mau! stopfen: ihn zum Schwei¬ gen bringen, um nicht weiter von ihm belä¬ stigt zu werden. Nach einer lat. Fabel des Phaedrus versucht ein Dieb dem kläffen¬ den Hofhund ein Stück Brot anzubieten, 630

um ihm das Maul zu stopfen, damit er nicht mehr belle (vgl. Singer I, 118, II, 43). Lu¬ ther gebraucht die kräftige Wndg. öfters in seiner Bibelübers.: z. B. Ps. 107, 42: „Aller Bosheit wird das Maul gestopft werden“; Ps. 63, 12 steht: „Lügenmäuler stopfen“; Ps. 40, 10 und Luk. 11, 53: „Den Mund stopfen“. Geiler von Kaisersberg sagt: „Wenn du jedermanndes maul wöltest stopfen, würdest du fürwar nirgendt lum¬ pen und scher wollen gnug bekommen mö¬ gen“. In Seb. Brants .Narrenschiff' (41, 27f.) findet sich die Rda. angewandt auf Klatschbasen und schwatzhafte Narren, denen es niemand recht machen kann: Der muß mäl han, vil me dann vil, wer yedems mul verstopfen wil. In lat. Form auch bei Heinrich Bebel (Nr. 340): „Multa farina opus est, si quis omnium hominum ora occludere velit“. 1541 führt Seb. Franck an (I, 85): „Der muß vil mel haben, der alle meuler wil verkleyben“. Bei Abraham a Sancta Clara (.Judas' I, 181) heißt es: „Es gibt wohl zu Zeiten einen schlechten Doctor. über den kein Patient thut klagen, denn er stopffet ihnen allen das Maul zu mit der Erden". Sehr drastisch ist die aus neuerer Um¬ gangssprache bezeugte Rda. Dem sein Maul muß noch bes. totgeschlagen werden, wenn er mal stirbt, womit man einen bos¬ haften Schwätzer brandmarkt. Ähnl. auch in den Mdaa., z. B. schwäb. .Bei dear muaß ma amaul d’Gosch oiges toatschlaga'; .wemma dear d'Gosch zuanäha, no tät se no zua de Nähta rausbäbbera'; .dia hot a Maul wie a Scheraschleifer'. Das Maul geht ihm wie geschmiert, er läßt kein Spinnweb vor seinem Maul wachsen, sein Mau!geht ihm wie ein Schlachtschwert, wie ein Entenarsch, er hat sein Maul nicht in der Hosentasche stecken. So schon bei Schuppius: „Wann Sie mich aber mit der Feder angreifen wollen, so will ich meine Feder und mein Maul nicht in die Hosenta¬ sche stecken, sondern mit Gottes Hülf se¬ hen, daß ich Ihnen allein Mann's genug sei“ (vgl. frz. ,11 ne met pas sa langue dans sa poche'). Dem Schweigsamen umgekehrt ist das Maul zugefroren oder er hat es gar zu Hause vergessen; oder aber er sitzt still da und hält die Zunge im Maul.

Maulaffe

Die Rda. sich den Mund (das Maul) wi¬ schen hat mannigfachen Bedeutungswech¬ sel erfahren. Urspr. wischt man sich das Maul (das Wort erscheint noch im 16. Jh. in edlem Sinne), nachdem man eine Speise verzehrt, wie die Edelfrau und Vögtin in Hans Sachs' ,Edelfrau mit dem Aal' 39: „wischten darnach das maul paidsam“. Dann tut man in iron. Sinne dasselbe, wenn man nichts davon bekommen hat, wenn man ohne Anteil geblieben ist. Sodann wird die Geste angewandt, um anzudeuten, daß man überhaupt keinen Anteil an etw. hat. ln dieser Anwendung kann die Geste (und die aus ihr gewordene Rda.) auch auf Heu¬ chelei zurückgehen. In diesem Falle stellt man sich unbeteiligt (wischt sich das Maul), obwohl man eigentl. recht stark beteiligt sein sollte. In älterer Zeit findet sich die Rda. gerade in diesem Sinne recht oft. In Hans Sachs- .Krämer mit den Affen- (105) wischen die Spottvögel sich „den mund, drohen davon“, und in desselben Dichters .Zwei Gesellen mit dem Bären- (117) wischt sich der Ausreißer ebenfalls „den mund und geht darfon“. Der heutige Ge¬ brauch der Rda. nähert sich mehr der er¬ sten, iron. Umdeutung, insofern als sie heute fast durchgehend in der Bdtg. ver¬ wandt wird, keinen Anteil an einer Sache erhalten zu haben, auf den man doch ei¬ gentl. ein Anrecht hatte oder zu haben ver¬ meinte. Maulaffe. Maulaffen feilhalten (feilhaben, -tragen, -bieten; verkaufen): mit offenem Mund untätig Zusehen, dumm dastehen und glotzen, ohne etw. zu tun, auf törichte Weise seine Neugier bekunden. Die Erklärung der Rda. ist nicht einfach, weil sich offenbar ganz verschiedene Vorstellungs- und Sprachbereiche unentwirr¬ bar vermischt haben. Man hat die Rda. frü¬ her fälschlich gedeutet als Übers, von ndd. ,dat mul apen hollen- in hd. ,das Maul offen halten-; in Holst, sagt man noch heute ,he steiht mul apen-. In der Entwicklungsge¬ schichte unserer Rda. müßten dann aus ndd. ,apen- — offen durch eine doppelte Volksetymologie schließlich die Affen ge¬ worden sein. Abgesehen davon, daß damit das Wort ,feilhalten- nicht erklärt ist, spricht gegen diese Deutung, daß es auch

im Ndd. zusätzlich noch die Wndgn. ,Mulapen to kop hebben- und .Mulapen verköpen- gibt. Doch scheint der Rda. eine an¬ dere Realvorstellung zugrunde zu liegen: Der Kienspan, mit dem man einst das Haus notdürftig erhellte, wurde gelegentlich, wenn man die Hände nicht frei hatte, zwi¬ schen die Zähne geklemmt, wie es Olaus Magnus bereits im 16. Jh. für die nordi¬ schen Völker berichtet (.Historia de gentibus septentrionalibus-. Dt. Ausg. Basel 1567, Kap. 16): „Vber das braucht man auch durch alle mittnächtige Länder das Kienholtz in allerley gestalt / wie die gemeinen Haußkertzen / Nemlich also / wann einer mit beiden henden zuschaffen hat / steckt er etliche dünn geschnittne spän / so vil er will vnder die gürtein, vnd nimpt ein brennenden spon in den mundt /... geht also hin vnd wider wo er will/... vnd arbeitet was jm gefeit...“ Ähnl. im finn. ,Kalewala-Epos‘ (23.Rune, V. 175 ff.): „In dem Mund ein Feuerhölz¬ chen--. Es lag nahe, den Tonklotz, der dem brennenden Kienspan als Unterlage diente, in einen menschlichen Kopf umzubilden, dessen verbreiteter Mund den Span hielt. Tatsächlich sind solche Tonköpfe als Kien¬ spanhalter seit dem 13. bis 14. Jh. nach¬ weisbar, und sie wurden in Oesterr. als .Maulauf- oder ,Geanmaul-, in Süddtl. als .Gähnaffen- bez. (vgl. ,jem. einen Gähnaffen machen-, eine Grimasse mit offenem Mund und herausgestreckter Zunge schneiden). Später wurden diese Kien¬ spanhalter aus Eisen hergestellt, behielten aber den alten Namen, obwohl sie nicht mehr die Form eines Kopfes mit geöffne¬ tem Mund, sondern die Form eines in der Höhe verstellbaren zangenförmigen Gerä¬ tes bekamen. Dies entspricht durchaus analogen Bez. bei anderen Leuchtgeräten wie .Leuchterweibchen- (Kerzenhalter), .Ölgötze- (Hängevorrichtung für die Öl¬ lampe); vgl. .dastehen wie ein /Ölgötze-. Es muß allerdings darauf hingewiesen wer¬ den, daß mit Maulaffe in den Mdaa. z.T. noch andere Realien bez. werden, bei de¬ nen eine größere Öffnung, ein .offenes Maul- zu diesem Namen Anlaß geben konnte. So wurde in Marburg/Lahn ein mürbes Weizengebäck als Maulaffe bez., in Lübeck ein tönerner Behälter für glühende 631

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