Leitfaden für den Unterricht des Infanteristen und Jägers der Königlich Bayerischen Armee [35. Auflage. Reprint 2019] 9783486728170, 9783486728163

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Leitfaden für den Unterricht des Infanteristen und Jägers der Königlich Bayerischen Armee [35. Auflage. Reprint 2019]
 9783486728170, 9783486728163

Table of contents :
Vorwort zur 1. Auflage
Vorwort zur 35. Auflage
Inhalt
Das bayerische Königshaus
I. Die Pflichten des Soldaten
II. Verpflichtung zum Kriegsdienste
III. Die bayerische und deutsche Armee
IV. Von den Vorgesetzten und den Gradabzeichen
V. Ehrenbezeigungen
VI. Dienst, Dienstweg, Gesuche und Beschwerden
VII. Unterkunft, Kasernenordnung
VIII. Gesundheits- und Körperpflege
IX. Bekleidung und Ausrüstung
X. Gebührnisse. — Postporto
XI. Belohnungen
XII. Bestrafungen
XIII. Versorgungsansprüche
XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr
XV. Das Schießen
XVI. Garnison - Wachtdienst
XVII. Felddienst
XVIII. Beschreibung und Darstellung des Geländes; Zurechtfinden in demselben
Anhang
Allgemeine Bemerkungen

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Luitpold, Rgl. Prinz von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser, Generalfeldzeugmeister.

Leitfaden für den

AnlmW i>e^ Hnsrmtmjlkn und Jägers der Königlich Bayerischen Armee. von

Otto von parset)al, k. Generaladjutant, General der Infanterie z. D., ä la suite des k. Infanterie - teib»Regnnents.

Fünfunddreitzigste Auflage.

Mit 1 Titelbild, 9 Farbentafeln und 67 Text-Bildern.

Bearbeitet und herausgegeben

Th. Frh. v. Malfen, Oberleutnant im f. Infanterie-teib-Reginrent

preis gebunden 85 pfg.

Druck und Verlag von R. Dldenbourg in München.

Unmittelbare (direkte) Vorgesetzte: Der Okerkefehlsljaker der Armee

Se. kgl. Hoheit Drinzregent Luitpold von Kapern.

Der Armee-Inspekteur

Se. kgl. Hoheit Drin; Leopold von Kapern, Generaloberst der Kavallerie.

Der Kriegsminister

Se. Exzellenz Herr General der Infanterie

Freiherr von Asch.

Der kommandierende General

Se. kgl. Hoh. Prinz Arnulf v. Kapern, Gen. d. Inf. Se. Exz. Herr Gen. d. Kav. Kitter von Fylander.

Der Divistons-Kommandeur

Se. Exzellenz Herr

Der Krigade-Kommandeur

Herr Generalmajor

Der Gouoerneur (Stadtkommandant)

Se. Exzellenz Herr

Der Kommandant oder Garnisonsälteke

Herr

Der RegimentsKommandeur

Herr Oberst

Der KataillonsKommandeur

Herr Major

Der Kompagnie-Chef

Herr Hauptmann Herr Oberleutnant

Die

Herr Leutnant

KompagnieOfstmre

Herr Leutnant Herr Leutnant

Der Feldmeket

Der Korporalfchaftsfnhrer

Herr Feldwebel

Herr Unteroffizier (Sergent)

Vorwort zur 1. Auflage. a)

Mr die Lehrer des Infanterie-Soldaten.

Dieses Buch hat den Zweck, nicht bloß dem einzelnen

Infanteristen, sondern auch dem Lehrer desselben als mög­ lichst vollständiger Leitfaden für den theoretischen Unterricht

zu dienen.

Es möchte vielleicht auffallen, daß dasselbe nicht die beliebte Form des

„Katechismus" eingehalten hat, welche

die seither erschienenen mehr oder minder vollständigen „Leit­

faden" enthielten. Daß dies nicht geschah, beruht jedoch auf der wohl­ überlegten festen Überzeugung, daß der Unterricht an den Soldaten nicht eine formelle Abmachung sein soll, sondern

vielmehr ein möglichst lebendiger, geistiger Verkehr zwischen Lehrer und Schüler.

Ob ein Frag- und Antwortspiel diesen Anforderungen

entspricht, bedarf wohl keiner besonderen Auseinandersetzung. Jeder, auch der trockenste Teil des Unterrichts an den Soldaten, wird Seele und Leben erhalten, wenn der Lehrer

stets das eine Ziel fest im Auge behält: die vollkommene

kriegsgemiiße Ausbildung seines Schülers.

Dies möge auch bei Benützung dieses Leitfadens be­ stimmend darauf einwirken, was au? demselben als eigent­

licher Lehrstoff

behandelt,

und

Selbstbelehrung überlassen wird.

was

dem

Soldaten

zur

VI

Vorwort.

Da es vornehmlich die schöne Aufgabe des jungen Offiziers ist, in dem zur Erfüllung feiner Wehrpflicht unter

die Fahne tretenden Jüngling den Sinn

für den ehren­

vollen soldatischen Beruf zu wecken und auszubilden,

so

wendet sich der Verfasser an diese sowohl, als an'die Herren Kompagnie-Chefs mit der Bitte, Vorschläge zur Verbesserung und Vervollständigung dieses Merkchens ihm gütigst zukommen zu lassen.

Der Verfasser.

b) Iür den Infanterie-Soldaten.

Die allgemeine Wehrpflicht sowohl, als die aus der­ selben entspringende Notwendigkeit rascherer und dennoch gründlicher Ausbildung machen es wünschenswert, daß jeder

Wehrpflichtige zur Erfüllung ©einige nach Kräften beitrage.

dieser

Anforderungen

das

Dem Infanteristen ein Buch in die Hand zu geben, in welchem er selbst Rat und Belehrung über seine Pflichten und Obliegenheiten finden kann, hat mich zur Ausarbeitung

dieses Leitfadens veranlaßt.

Dabei habe ich diejenigen Gegenstände, welche dem Neuling durch „Abrichtung" beigebracht werden, mehr all­

gemein gehalten. Dagegen habe ich jene Verrichtyngen, Pflichten, Ob­ liegenheiten rc., bei deren Ausübung der Einzelne mehr seiner Selbstthätigkeit überlassen ist, möglichst genau, und

wie ich hoffe, leicht verständlich gegeben.

Der Verfasser.

Vorwort zur 35. Auflage. Mit vorliegender Auflage erscheint der „Leitfaden rc. 2c." von O. v. Parseval in teilweise veränderter Gestalt. Von dem bisherigen Herrn Herausgeber mit der Weiterführung

des Buches betraut, habe ich geglaubt, dasselbe in einigen Punkten ergänzen und erweitern zu sollen, ohne daß sich indes dadurch der in ihm enthaltene Lernstoff, der möglichst knapp gehalten bleiben sollte, vermehrt hätte. Mit Recht setzen wir heute die Erziehung des Sol­ daten, die Pflege des militärischen Geistes, die Einwirkung auf Herz und Gemüt unserer Untergebenen an erste Stelle

der Ausbildung.

Eigene Erfahrungen und der Rat vieler

Herren Vorgesetzten und Kameraden ließen es mir daher

wünschenswert erscheinen, vor allem den Abschnitt, der am

meisten Gelegenheit bietet, in diesem Sinne zu wirken, jenen über die „Pflichten des Soldaten", dann auch schwierigere Kapitel, wie „Garnisonwacht- und Feld-Dienst", ausführlicher zu

behandeln und

dem Verständnis des Mannes näher­

zubringen.

Die demselben Zwecke dienenden, unseren bayerischen

Regimentsgeschichten entnommenen kriegsgeschichtlichen Bei­ spiele beziehen sich lediglich auf das Verhalten des ein­

zelnen Mannes; taktische Grundsätze und Lehren, die für das Verhalten von Abteilungen gelten, in einem Mann­ schaftsunterrichtsbuche auseinanderzusetzen und durch Bei­

spiele zu erläutern hielt ich nicht für geboten.

VIII

Vorwort.

Die Verlagsbuchhandlung hat in freigebiger Weise die Neuauflage mit farbigen Bildern ausgestattet, welche mit

dazu beitragen mögen, dem Buche seine alten Freunde zu erhalten, neue zu gewinnen.

Außerordentlich dankbar wäre ich, wenn hohe Herren Vorgesetzte und Herren Kameraden, sei es in welcher Form

auch immer,

die Güte haben wollten, mir Wünsche und

Vorschläge für weitere Verbesserungen zukommen zu lassen.

Der Kerattsgever.

ZnHcrLL. Das bayerische Königshaus I. Die Pflichten des Soldaten. 1. 2. 3. 4. 5.

Seite XV

König und Vaterland.................................................... 1 Kaiser und Reich............................................................... 5 Die Fahne......................................................................... 6 Der Fahneneid ............................................................... 9 Die Kriegsartikel..................................................................... 11 A. Die Treue.......................................................................... 13 B. Die Kriegsferügkeit...........................................................17 C. Mut und Tapferkeit...........................................................18 D. Der Gehorsam ................................................................ 20 E. Ehrenhafte Führung in undaußer Dienst ... 27 F. Gutes und rechtliches Verhalten gegen die Kameraden ..................................................................... 31 Auszug aus den Kriegsartikeln...................................... 32

II. Verpflichtung zum Kriegsdienste .... HI. Die bayerische und deutsche Armee.

35

A. Bestandteile und Einteilung................................................ 38 B. Uniformierung ..................................................................... 39 C. Armee-Einteilung im Frieden........................................... 40 IV. Von den Vorgesetzten und den Gradabzeichen. 1. Der oberste Kriegsherr...........................................................45 2. Die Vorgesetzten des Soldaten: I. Allgemeines ..................................................................... 46 n. Einteilung der Vorgesetzten: A. Offiziere..................................................................... 47 B. Unteroffiziere................................................................ 47 C. Militärärzte................................................................ 48 3. Die Gradabzeichen: A. Offiziere.......................................................................... 48 B. Ärzte ................................................................................49 C. Unteroffiziere..................................................................... 50 D. Gemeine................................................................................51 E. Besondere Uniformsabzeichen...................................... 51 4. Militärbeamte und Zivilbeamte der Militärverwaltung 52

Inhalt.

X

V. Ehrenbezeigungen.

Seite

1. Ausführung im allgemeinen.................................................53 2. Arten der Ehrenbezeigungen................................................ 54 A. Einzelner außerhalb der Truppe................................. 54 I. ohne Obergewehr......................................................54 II. mit Obergewehr...........................................................57 B. Von Abteilungen ........................................................... 57 3. Beschränkung, Unterlassung................................................ 58 4. Militärische Schicklichkeilsregeln........................................... 59 VI. Dienst, Dienstweg, Gesuche und Beschwerden.

1. Dienst im allgemeinen........................................................... 61 2. Dienstweg, Gesuche und Beschwerden................................. 62 3. Verhalten bei verschiedenen dienstlichen Verhältnissen: a) als Ordonnanz...............................................................64 b) als Handwerker............................................................... 64 c) bei Generalmarsch oderFeuerlärm .............................64 d) beim Arbeitsdienst........................................................... 65 e) bei Erkrankung undVerwundung ...... 65 f) auf Urlaub.......................................................................... 66 g) auf Kommando . . *...........................................67 VH. Unterkunft, Kasernenordnung.

1. Kasernenordnung .......................................................................... 67 2. Bürgerquartier.......................................................................... 68 3. Der Stubenältesteund der Soldat vom Stubendienst . 68 VITE. GesundheitS- und Körperpflege.

1. 2. 3. 4.

Körperpflege im allgemeinen......................................................70 Gesundheitsregeln auf Märschen.............................................70 Lebensmittel................................................................................71 Bekleidung ......................................................................................72 EX. Bekleidung und Ausrüstung.

1. Allgemeines................................................................................ 72 2. Anzug.......................................................................................... 73 X. Gebührniffe; Postporto.

1. 2. 3. 4.

Allgemeines................................................................................73 Geldverpflegung...........................................................................73 Naturalverpflegung..................................................................... 74 Geld- und Naturalgebühren in besonderen Fällen: a) bei Erkrankung.................................................................... 76 b) im Arrest.............................................................................. 76 c) bei Urlaub...............................................................................77 d) auf dem Marsche.....................................................................77 5. Portovergünstigungen................................................................ 77 XL Belohnungen.

1. 2. 3. 4.

Orden und Medaillen................................................................ 78 Belobungen................................................................................ 79 Denkzeichen ................................................................................79 Dienstallerszeichen..................................................................... 79

Inhalt. XII. Bestrafungen.

XI Seite

1. Militärstrafgesetze und gerichtliche Strafen............................80 2. Von den Militärgerichten........................................................... 82 3. Disziplinarstrafen ..................................................................... 82 XIII. BersorgungSansprüche........................... 83 XIV. DaS Gewehr 88 mit Seitengewehr.

I. Beschreibung des Gewehrs 88 und seiner Teile: A. Der Lauf.....................................................................................85 B. Der Laufmantel..........................................................................86 C. Die Visiereinrichtung...............................................................87 D. Der Verschluß: Zweck und Bestandteile...........................................................88 1. Die Hülse......................................................................... 88 2. Das Schloß......................................................................88 3. Die Abzugsvorrichtung.............................................. 90 4. Der Kasten mitMehrladeeinrichtung.............................90 E. Das Zusammenwirken der Schloßteile................................ 91 F. Der Schaft................................................................................... 94 G. Der Stock....................................................................................95 H. Der Beschlag.............................................................................. 95 J. Das Zubehör .......................................................................... 95 K. Länge und Gewicht ................................................................ 95 II. Behandlung des Gewehrs: A. Beim Gebrauch und bei der Aufbewahrung ... 95 1. Allgemeines......................................................................96 2. Bestoßungen und Erschütterungen..................................96 3. Beschädigungen des Laufinnern und der Visiereinrichtunb...........................................................................97 4. Unzuträgnchkeiten beim Schießen.................................. 97 5. Ladehemmungen................................................................ 98 6. Ausbesserungen.............................................................. 100 B. Reinigung..............................................................................100 1. Allgemeines................................................................... 100 2. Reinigungs- und Schutzmittel.................................... 103 3. Ausführung der Reinigung: a) in der Garnison......................................................... 104 b) außerhalb der Garnison......................................... 109 4. Pflege des Schaftes......................................................... 111 5. Außerordentliche Reinigung......................................... 112

in. Die Munition 88............................................................. 112 IV. Das Seitengewehr ........................................................114 XV. Das Schießen. A. Schießlehre: I. Allgemeines. 1. Der Vorgang in derWaffe beimSchuß .... 115 2. Die Geschoßbahn............................................................. 116 3. Die einzelnen Teile derGeschoßbahn.......................... 117 4. Die Visiereinrichtung.................................................. 117

XH

Inhalt. Seite H. Das Zielen.............................................................................. 118 III. Anschlag, Abziehen, Abkommen......................................... 120 IV. Visieranwendung und Haltevorschrift............................... 121 V. Schulschießen....................................................................... 122

B. Verwendung des Gewehrs: I. Schußleistung im allgemeinen........................................ 123 II. Gefechtsmäßiges Schießen...................................................127 1. Feuerwirkung ....................................................... 127 2. Visieranwendung undHallevorschrift .... 128 3. Feuerleitung und Feuerdisziplin......................... 129 C. Das Entfernungsschätzen.............................................. 133

XVI. Garmson-Wachtdienst. I. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Zweck und Arten der Wachen und Posten .... 133 Vorgesetzte der Wachen......................................................... 134 Ablösen der Wachen und Posten.................................... 134 Pflichten der Schildwachen ...............................................136 Ehrenbezeigungen der Wachen......................................... 140 Ehrenbezeigungen der Schildwachen............................... 140 Verhalten der Posten beim Nachsehen der Wachen . 142 Dienst der Patrouillen und Wirtshauspatrouilleure . 142 Verhalten der Mannschaft auf Wache............................... 143 Vorläufige Festnahme und Waffengebrauch .... 143

XVn. Felddienst. A. Marschdienst: 1. Allgemeines....................................................................151 2. Vorbereitungen zumMarsche...................................... 151 3. Marsch disziplin.............................................................. 152 4. Marschsicherung.............................................................. 153 a) Avantgarde.............................................................. 153 b) Seilendeckung ................................................... 155 c) Arrieregarde.............................................................. 156 5. Eisenbahntransporte ................................................... 157 B. Vorpostendienst: 1. Allgemeines................................................................... 157 2. Gemischte Vorposten ................................................... 158 a) Gliederung .............................................................. 158 b) Borpostengros......................................................... 158 c) Borp ostenkompagnien.............................................. 158 d) Feldwachen und derenPosten................................. 159 e) Verhalten der Mannschaftauf Feldwache . . 161 f) Verhalten und Pflichtender Posten .... 161 g) Patrouillen.............................................................. 164 h) Selbständige Unteroffiziers-Posten .... 166 3. Vorposten selbständiger Infanterie und Vorposten im Festungskriege.................................................... 167 C. Unterkunft: 1. Ortsunterkunft.............................................................. 167 2. Ortsbiwak.........................................................................169 3. Biwak .........................................................................169

Inhalt.

Xin

D. Das Gefecht: Seite I. in geschloffener Ordnung..............................................172 II. in zerstreuter Ordnung.............................................. 173 a) Allgemeines.............................................................. 173 b) Verhalten der einzelnen Schützen......................... 173 c) Entwicklung, Verstärkung und Bewegung einer Schützenlinie.............................................................. 174 d) Unterstützungstrupp.............................................. 174 e) Sammeln................................................................... 174 f) Verhallen der Führer.............................................. 175 in. Persönliches Verhallen des Soldaten im Gefecht: a) im allgemeinen.........................................................175 b) im besonderen......................................................... 177 c) beim Angriff..............................................................178 d) in der Verteidigung...............................................180 e) gegen Kavallerie.........................................................184 f) gegen Artillerie......................................................... 185 E. Sanitätsdienst.........................................................................185 F. Munitionsersatz................................................................... 186 G. Feldgendarmerie................................................................... 187 H. Manöver..............................................................................187 XVIII. Beschreibung und Darstellung deß Geländes; Zurecht­ finden in demselben. A. B. C. D.

Allgemeines.........................................................................188 Beschreibung desGeländes...............................................189 Darstellung „ „ 190 DaS Zurechtfindenim Gelände........................................... 191 Anhang.

Verhalten im Beurlaubtenstande.............................................. 197

Das bayerische Königshaus. Otto, König von Sagern, Pfalzgraf Sei Rhein, Herzog von Sagern, Franken und Schwaden rc. rc.» 3ftaje|tat; geboren den 27. April 1848; — folgte auf dem Throne Seinem Bruder Ludwig II., König von Bayern, am 13. Juni 1886; —

Inhaber des 1. Infanterie-, des 2. Manen-, des 4. Chevau­

legers- und des 4. Feldartillerie-Regiments.

Luitpold) Königlicher Prinz von Sagern, des Königreichs Sagern Verweser seit 10. 9uni 1886, Königliche Hoheit, Sr. Majestät des Königs Lheim,

geboren den 12. März 1821, — Oberbefehlshaber der bayerischen

Armee,

Inhaber des

1. Feldartillerie-Regiments,

Chef des

k. preuß. Magdeburgischen Feldartillerie-Regiments Nr. 4, des k. sächs. 3. Infanterie-Regiments Nr. 102,

württ. 2. Feldartillerie-Regiments Nr. 29

Inhaber des k. und

des k. u. k.

österr.-galizischen Korpsartillerie-Regiments Nr. 1, vermählt am 15. April 1844 mit Augusta, kaiserlicher Prinzessin und Erzherzogin von Österreich, großherzoglicher Prinzessin von

Toskana, Witwer seit 26. April 1864. Großvater des Königs:

«Fudvig L, König von Bayern, geb. den 25. August 1786, gest, den 29. Februar 1868. Eltern des Königs:

WaLimittan II., König von Bayern, geb. den 28. November 1811, gest, den 10. März 1864; vermählt am 12. Oktober 1842 mit Marie,

Das bayerische Königshaus.

XV

königlicher Prinzessin von Preußen, geb. den 15. Oktober 1825, gest, den 17. Mai 1889.

Brud er des Königs: Ludwig II., König von Bayern, geb den 13. Juni 1886.

den 25. August 1845, gest,

Sr. Kgl. Hoheit des Prinz-Regenten Luitpold Kinder:

1. Ludwig, geb. den 7. Januar 1845; General der Infanterie, Inhaber des 10. Infanterie-Regiments, ä 1. s. des 2. In­ fanterie-Regiments „Kronprinz", Chef des k. preuß. nieder­ schlesischen Infanterie-Regiments Nr. 47, Inhaber des k. u. k. österr.-ungar. Infanterie-Regiments Nr. 62, vermählt seit 20. Februar 1868 mit Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich-Este, geb. den 2. Juli 1849. Lebende Kinder: a) Rupprecht, geb. den 18. Mai 1869; Major und BataillonsKommandeur im Jnfanterie-Leib-Regiment, ä 1. s. des k. preußischen Leib-Kürassier-Regiments „Großer Kurfürst" (schlesisches) Nr. 1. b) Adelgunde, geb. den 17. Oktober 1870; c) Maria, geb. den 6. Juli 1872; vermählt 31. Mai 1897 mit Ferdinand von Bourbon, Herzog von Calabrien. d) Karl, geb. den 1. April. 1874; Oberleutnant ä 1. s. des 2. Infanterie-Regiments „Kronprinz"; e) Franz, geb. den 10. Oktober 1875; Oberleutnant im 1. FeldArtillerie-Regiment „Prinz-Regent Luitpold". f) Mathilde, geb. den 17. August 1877; g) Hildegarde, geb. den 5. März 1881; h) Wiltrud iS, geb. den 10. November 1884; i) Helmtrudis, geb. den 22. März 1886; k) Gundelinde, geb. den 26. August 1891.

2. Leopold, geb. den 9. Februar 1846;

Generaloberst der Ka­

vallerie (mit dem Range eines Generalfeldmarschalls), General­ inspekteur der IV. deutschen Armee-Inspektion, Inhaber des 7. Infanterie-Regiments und des 1. Schweren Reiter-Regi­ ments, ä, 1. s. des 3. Feldartillerie-Regiments, Chef des k. preuß. westfäl. Dragoner-Regiments Nr. 7, Inhaber des k. u. k. österr.-ungar. Feldartillerie-Regiments Nr. 7, vermählt seit 20. April 1873 mit Gisela, k. u. k. Prinzessin und Erz­ herzogin von Österreich, geb. den 12. Juli 1856.

XVI

Das bayerische Königshaus. Rinder:

a) Elisabeth, geb. den 8. Januar 1874, vermählt 1893 mit Freiherrn von Seefried auf Buttenheim, k. u. k. Oberleutnant; b) Auguste, geb. den 28. April 1875, vermählt seit 15. No­ vember 1893 mit Erzherzog Josef August von Österreich,

K. u. K. H.;

c) Georg, geb. den 2. April 1880; Leutnant im JnfanterieLeib-Reginumt. d) Konrad, geb. vcti 22. November 1883.

3. Therese, geb. den 12. Nov. 1850.

4. Arnulf,

geb.

den 6. Juli 1852; General der Infanterie,

kommandierender General des 1. Armeekorps, Inhaber des 12. Infanterie-Regiments, ä, 1. s. des Jnfanterie-Leibregiments und 1. Infanterie-Regiments „König", Chef des k. preuß. 6. brandenburg. Infanterie-Regiments Nr. 52, Inhaber des k. u. k. österr.-galizischen Infanterie-Regiments Nr. 80, ver­ mählt seit 12. April 1882 mit Theresia, Prinzessin von Liechtenstein, geb. den 28. Juli 1850. Sohn: Heinrich, geb. den 24. Juni 1884.

Sr. Kgl. Hoheit des Prinz-Regenten Luitpold Schwester: Adelgunde, geb. den 19. März 1823, vermählt am 30. März 1842 mit Franz V., Herzog von Modena, Witwe seit 20. November 1875.

Hinterbliebene deS verstorbenen Prinzen Adalbert, Bruders Seiner Kgl. Hoheit des Prinz-Regenten Luitpold. Witwe: Amalia, Infantin von Spanien, geb. den 12. Oktober 1834, vermählt am 25. August 1856 mit Adalbert, k. Prinzen von Bayern, Witwe seit 21. September 1875.

K in der: 1. Ludwig Ferdinand, geb. den 22. Oktober 1859; General der Kaval­ lerie, Inhaber des 18. Infanterie-Regiments, ä 1. s. des 2. Schweren Reiter-Regiments, Chef des k. preußischen 3. schlesischen DragonerRegiments Nr. 15, Doktor der Medizin, vermählt seit 2. April 1883 mit Maria de la Paz, Jnfanün von Spanien, geb. den 23. Juni 1862.

Rinder: a) Ferdinand Maria, geb. den 10. Mai 1884; b) Adalbert, geb. den 3. Juni 1886; c) Maria del Pilar, geb. den 18. März 1891.

DaS bayerische Königshaus.

xvn

2. AlfonS, geb. den 24. Januar 1862; Oberst und Kommandeur des 1. Schweren Reiter-Regiments, vermählt feit 15. April 1891 mit Louise, Prinzessin von Orleans, geb. den 9. Juli 1869.

3. Isabella, geb. den 31. August 1863, vermählt seit 14. April 1883 mit Prinz Thomas von Savoyen, Herzog von Genua.

4. Elvira, geb. den 22. November 1868, vermählt seit 28. Dezember 1891 mit dem Reichsgrafen Rudolf von Wrbna und Freudenthal. 5. Clara, geb. den 11. Oktober 1874.

Kerzogkiche Lime. Karl Theodor, Herzog in Bayern,

geb. den 9. August 1839;

General der Kavallerie, Inhaber des 3. Chevaulegers-Regi­

ments,

Chef des

k.

preuß.

Dragoner-Regiments

„Freiherr

v. Manteuffel" (rheinisches) Nr. 5, Doktor der Medizin, ver­

mählt zum zweitenmal am 29. April 1874 mit Maria, Her­ zogin von Braganza, Infantin von Portugal. Tochter erster Lhe:

Amalie, geb. den 24. Dezember 1865, vermählt am 4. Juli 1892 mit Wilhelm, Herzog von Urach, Grafen von Württemberg. Kinder zweiter Ehe: 1. Sophie, geb. den 22. Februar 1875, vermählt am 26. Juli 1898 mit dem Grafen zu Törring-Jettenbach; 2. Elisabeth, geb. den 25. Juli 1876; 3. Marie Gabriele, geb. den 9. Oktober 1878; 4 Ludwig Wilhelm, geb. den 17. Januar 1884; 5. Kranz Joseph, geb. den 23. März 1888.

Geschwister:

1. Ludwig, geb. den 21. Juni 1831; General der Kavallerie ä 1. s. des 4. Chevaulegers-Regiments (hat auf seine Erstgeburtsrechte verzichtet). 2. Elisabeth, geb. den 24. Dezember 1837, vermählt seit 24. April 1854 mit Franz Joseph I., Kaiser von Österreich, gest, den 10. Sep­ tember 1898. 3. Marie, geb. den 4. Oktober 1841, vermählt seit 3. Februar 1859 mit Franz II., König beider Sizilien, Witwe seit 27. Dezember 1894. 4. Mathilde, geb. den 30. September 1843, vermählt seit 5. Juni 1861 mit Ludwig, Grafen von Trani, k. Prinz von Sizilien; Witwe seit 8. Juni 1886.

XVm

DaS bayerische KönigShans.

5. Maximilian Emanuel, geb. den 7. Dezember 1849, gest, den 12. Juni 1893; Generallieutnant, Kommandeur der Equitationsanstalt, vermählt seit 20. September 1875 mit Amalie, Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, gest, den 6. Mai 1894. Söhne:

a) Siegfried, geb. den 10. Juli 1876; Sekondlieutenant im 1 Schweren Reiter-Regiment; b) Christoph, geb. den 22. April 1879, Sekondlieutenant im 1. Schweren Reiter-Regiment. c) Luitpold, geb. den 30. Juni 1890.

I. Die Pflichte» des Soldaten. 1. König und Vaterland. „Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an Das halte fest mit deinem ganzen Herzen ! Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft; Dort in der fremden Welt stehst du allein. Ein schwankes Rohr, das jeder Sturm zerknickt!" Schiller.

Über 700 Jahre, seit 1180, herrscht unser Königshaus, die W i t t e l s b a ch e r, ununterbrochen über Bayern. Damals wurde dem Ahnherrn des Hauses, Otto I, vom deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa, dem „Rotbart", das Herzogtum Bayern verliehen zum Lohne dafür, daß der tapfere Graf von Wittels­ bach ihn in einem Tiroler Engpaß, der „Veroneser Klause", aus schwerer Gefahr der Gefangenschaft oder des Todes errettet. In Ober-Wittelsbach bei Aichach (Oberbayern) stand die Stammburg unseres Königshauses. Kleiner und ärmer war damals noch Bayern; die Lande nördlich der Donau gehörten nur zum Teile, die Rheinpfalz noch gar nicht dazu. Aber unter der starken und weisen Regierung seiner Fürsten hat es sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem großen Königreich entwickelt, das heute beinahe sechs Millionen Einwohner zählt und als zweiter Bundesstaat des neuen Deutschen Reiches in der ganzen Welt das höchste Ansehen genießt. Daß dem so ist, verdanken wir unserm Herrscherhaus. Und wo immer im Lauf der Geschichte neue Gebiete zu den alten Stammländern traten, haben sich ihre Bewohner bald ganz als vollwertige Glieder des bayerischen Vaterlandes gefühlt und bewährt, und die alte Bayerntreue hat auch tn ihren Herzen feste Wurzeln gefaßt. Denn war auch Bayerns Geschichte nicht immer glücklich, so war sie doch immer ruhmreich; ihr größtes Ruhmesblatt aber war allezeit die unverbrüchliche Treue des bayerischen Volkes zu v Parseval, Leitfaden.

1

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I. Die Pflichten des Soldaten.

seinen Herrschern, die treubesorgtc Hingabe dieser an ihr Volk. Beinahe in ganz Europa haben die bayeri­ schen Soldaten schon für ihren Herrn gefochten, überall den höchsten Ruhm unerschütterlicher Tapferkeit und unwandel­ barer Treue für Fürst und Vaterland hinterlassend. Bis an die Grenzen der Türkei hat sie zu Ende des 18. Jahr­ hunderts der heldenmütige Kurfürst Max Emanuel, der „blaue König", wie ihn die Türken nannten, von Sieg zu Sieg geführt. Unter seiner Führung haben sie die große türkische Festung Belgrad erobert. Des Kurfürsten Denkmal auf dem Promcnadeplatz in München erinnert an diese Heldenthaten. Unter der Regierung desselben Fürsten war es, daß die Bauern des bayerischen Oberlandes, die aus­ gezogen waren, ihren von den Österreichern vertriebenen Herrn wieder in seine. Hauptstadt zurückzuführen, sich lieber in der Mord Weihnacht 1705 allzusammen auf dem Sendlinger Kirchhof bei München niederhauen ließen, als daß sie der Sache ihres Kurfürsten untreu geworden wären. „Lieber bayerisch sterben als österreichisch verderben", so hieß es bei ihnen. Durch ihren Heldentod haben sie der altbewährten Bayerntreue ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Und das waren keine Soldaten, die einen Fahneneid geschworen hatten! Freiwillig, aus eigenem Antrieb haben sie sich für ihren Herrscher und ihr Vaterland geopfert. Wie­ viel mehr noch wird dies der Soldat thun, den der heiligste Eid an seinen König bindet! 30000 Bayern fanden im Jahre 1812 auf den eis­ bedeckten Schlachtfeldern Rußlands für ihren König den Tod. Der Obelisk auf dem Karolinenplatz zu München erinnert uns an ihren Heldenmut und mahnt uns, es ihnen gleich zu thun. Und es war kein freudig begrüßter Feld­ zug, in den diese zogen. Gezwungen von dem übermächtigen Franzosenkaiser Napoleon I., der beinahe ganz Europa unter­ worfen hatte, mußte der König Maximilian I, der „Vater Max", seine Truppen gegen die marschieren lassen, mit denen sie viel lieber Schulter an Schulter gegen den Unter­ drücker gekämpft hätten. Aber der König befahl, und ohne Zaudern gehorchten seine Bayern. Wußten sie doch, daß des Königs Wille allezeit oberstes Gesetz für den ehrliebenden Soldaten ist! „Auch sie bilden einen Teil jenes ungeheuren Menschenopfers, das gebracht werden mußte, damit aus dem vergossenen Blut dem

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I. Die Pflichten des Soldaten.

gefesselten Europa der Mut zur endlichen Selbstbefreiung er­ wachse." Mit Recht hat daher unser großer König Ludwig I. auf jenes Denkmal schreiben lassen: „Auch sie starben für des Vaterlandes Befreiung." Als aber nach dem russischen Krieg Bayern sich wieder freier bewegen konnte und ganz Deutschland sich gegen den Unterdrücker erhob, da zogen die Bayern 1813 und 1814 begeistert mit ihren deutschen Brüdern aus und errangen sich auf französischem Boden, bei Brienne, Bar für Aube und Arcis für Aube, im siegreichen Kampfe gegen Napoleons Heer unvergängliche Lorbeeren. Im unglücklichen Bruderkrieg 1866 war zwar das Waffenglück den Bayern nicht hold, aber an Tapferkeit und Treue zu König und Vaterland bewährten sie auch hier ihren alten Ruhm, wie Kissingen (10. Juli), Helmstadt (25. Juli), Üttingen, Roßbrunn und Hettstadt (26. Juli)

zeigen. Als aber im Juli 1870 unser edler König Ludwig II. das erhebende Wort gesprochen: „Treu dem Allianzvertrag, für welchen ich mein königliches Wort verpfändet, werde ich mit meinem mächtigen Bundesgenossen für die Ehre Deutsch­ lands und damit für die Ehre Bayerns einstehen, wenn es die Pflicht gebietet", da griffen die Bayern mit jubelnder Begeisterung zu den Waffen, um jetzt vereint mit Preußen, Sachsen, Württembergern und all den andern deutschen Stämmen den gemeinsamen Feind zu bekämpfen.

„Das Wohl und die Zukunft des Landes waren ab­ hängig von der Schneide des Schwertes, und voll Ver­ trauen wurden diese kostbaren Güter in die Hand des Heeres gegeben. Es war die Zeit eingetreten, in der die ganze int Frieden so oft vergessene Bedeutsamkeit des Wehrstandes zu Tage tritt. In solchen Stunden erst erschaut der Soldat die ganze stolze Schönheit seines Berufes. Im Frieden ist seine Aufgabe eine schwere; sie ist voll Selbstverleugnung und nicht huf materiellen Genuß und Erwerb aufgebaut. Wer aber an das Glück solcher Tage denkt, wie sie damals dem bayerischen Heere zu teil wurden, dem wird der Rock des Königs nicht feil sein für Millionen."*) Uns Jungen ist freilich dies Glück noch nicht zu teil ge­ worden, aber vor Gott wollen wir es unserm König und •) Endres, Abriß der bayerischen Heeresgeschichte.

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I. Die Pflichten des Soldaten.

uns selbst immer aufs neue schwören, daß wir solcher Worte gedenken, wenn einst der König uns wieder ruft, daß wir den Helden von 1870/71 nicht nachstehen wollen an Tapferkeit und Treue, an Gehorsam und Kriegs­ fertigkeit und allen Soldatcntugenden! Was die Bayern in jenem denkwürdigen Feldzug ge­ leistet, steht mit goldenen Lettern in der Geschichte unseres Vaterlandes geschrieben. Hier kann es auch nicht nur an­ nähernd geschildert werden. Lest eure Regimentsgeschichten, junge Soldaten, lest sie immer und immer wieder und be­ geistert euch an den Thaten jener Vorbilder, es ihnen gleich zu thun! Ihr könnt es aber nie, wenn ihr nicht alles daran setzt, schon im Frieden das Höchste zu leisten, was dem Soldaten möglich ist. Dessen müßt ihr euch immer bewußt sein! Wenn ihr aber als brave Soldaten allezeit und überall im höchsten Maße eure Pflicht thut, dann wird auch in eurer Seele das Gefühl eniziehen, sie immer mächtiger durchdringen und zuletzt ganz erfüllen, was es heißt, König und Vater­ land zu dienen, daß es nichts Größeres und Schöneres gibt, als des Königs Rock zu tragen, immerdar bereit, Gut und Blut für ihn und des Vaterlandes Ehre und Größe hinzugeben! Dann werdet ihr auch nur einen Wahl­ spruch kennen:

„Hie gut bayerisch allewege! Mit Gott für König nnd Vaterland!"

Bayerns frühere Aürsten. Haus Wittelsbach. Bayern ein Herzogtnm.

1180—1623.

Otto L, erster Herzog aus dem Hause Wittelsbach, 16. Sep­ tember 1180—1183. Bayern ein Kurfürstentum.

1623—1806.

Maximilian I, (1598) 1623—1651. (Denkmal in München auf dem Wittelsbacher Platz.) Ferdinand Maria, 1651—1679. Max II. Emanuel, 1679—1726. (Denkmal in München auf dem Promenadeplatz.) Karl Albrecht (als deutscher Kaiser Karl VII.), 1726—1745.

I. Die Pflichten des Soldaten.

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Maximilian III., 1745—1777. Karl Theodor, 1777—1799. Maximilian IV. Joseph, 1799—1806.

Bayern ein Königreich seit 1. Januar 1806. Maximilian I. Joseph, 1806—1825. (Denkmal in München auf dem Max Joseph-Platz.) Ludwig I., 1825—1848. (f 1868; Denkmal in München auf dem Odeonplatz.) Maximilian II., 1848—1864. (Denkmal in München in der Maximilianstraße.) Ludwig II., 1864 bis 13. Juni 1886.

2. Kaiser und Keich. Bei Regensburg ragt auf steiler Höhe am Ufer der Donau die Walhalla, ein wunderbarer Bau, weithin in die Lande schauend. König Ludwig I. hat sie errichtet als „Tempel deutscher Ehren", als herrliches Denkmal seiner Begeisterung für unser Gesamtvaterland, für Deutsch­ lands Größe. Er hat die Wiederaufrichtung desDeutschen Reiches, das 1806 unter Napoleons Zwingherrschaft zusammengebrochen war, nicht mehr erlebt; immer wieder aber hat er uns ermahnt, „deutsch" zu sein, denn der ist kein guter Bayer, der nicht ein guter Deutscher ist. Erst unter Ludwigs I. Enkel, Ludwig II., wurde das lang Ersehnte wieder erreicht: Er hat nach dem glorreichen Krieg gegen Frankreich dem König von Preußen, Wilhelm L, als dem mächtigste» aller deutschen Fürsten, die neue deutsche Kaiserkrone angeboten, die sich dieser am 18. Januar 1871 in Versailles, dem Schlosse der früheren französischen Könige bei Paris, aufs Haupt setzte. Seit diesem Tage sind wir nicht mehr Bayern allein, sondern auch Angehörige des neuen Deutschen Reiches. Von diesem bildet unser engeres Vaterland ein mächtiges, selbständiges Glied. Seine Armee verehrt und liebt nach wie vor in ihrem König ihren obersten Kriegsherrn, dem sie als selb­ ständiger Teil des großen deutschen Bundesheeres gehört und dem sie ewige Treue geschworen. Wenn aber wieder ein Feind das Reich bedroht, dann stellt sie unser aller­ gnädigster König und Herr unter den Oberbefehl des Kaisers, der als Bundesfeld Herr die Truppen aller deutschen

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I. Die Pflichten des Soldaten.

Länder über die Grenze führen wird. Darum schwören wir auch, im Kriege den Befehlen Seiner Maje­ stät des deutschen Kaisers, als Bundesfeldhcrrn, unbedingt Folge zu leisten. Schon im Frieden aber macht er zuweilen von seinem Rechte Gebrauch, die bayerische Armee zu besichtigen, indem er es entweder selbst thut oder durch einen von ihm beauftragten Armee-Inspekteur, gegen­ wärtig Se. Kgl. Hoheit Prinz Leopold von Bayern, thun läßt.*) Dann gilt es, zu zeigen, daß wir Bayern all den andern deutschen Truppenteilen in nichts nachstehen, daß die weißblauen Fahnen stolz neben den schwarzweißen wehen können, daß auch wir sind „Allezeit bereit für des Reiches Herrlichkeit!"

I>e«1sche Kaiser. Haus Hohenzollcrn. Wilhelm I., geb. 1797, Kaiser vom 18. Januar 1871 bis 9. März 1888. Friedrich III., 9. März bis 15. Juni 1888. Wilhelm II., geb. 27. Januar 1859, Kaiser seit 15. Juni 1888, vermählt mit Auguste Viktoria, Prinzessin von Schleswig-Holstein.

3. Vie Fahne. Was ist die Fahne? Eine Stange, daran ein Stück Tuch, bald mehr, bald minder schön! Was ist sie wert? Was eben der Stoff kostet! Wozu dient sie? Zur Zierde, zum Schmuck! So denkt der unerfahrene Neuling. Was aber denkt der Soldat: „Die Fahne ist das höchste Gut einer Truppe, sie ist nicht Geld, wohl aber Blut und Leben von Hunderten wert, sie dient mir zur sichtbaren Erinnerung an weinen König und Herrn, zum Gedächtnis meines Eides und als Wahrzeichen der Treue und aller Soldaten­ tug enden." Uralt ist der Gebrauch der Fahne oder eines ähnlichen Wahr­ zeichens. Erfunden wurde sie als Erkennungszeichen, als Zeichen der

*) Das ganze deutsche Heer ist in 5 Armee-Inspektionen ge­ gliedert. Die IV. derselben, an deren Spitze Se. Kgl. Hoheit Prinz Leopold von Bayern, Generaloberst der Kavallerie mit dem Range eines Generalfeldmarschalls, umsaßt die beiden bayerischen und das in. und IV. preußische Armeekorps.

I. Die Pflichten des Soldaten

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Zusammengehörigkeit der Angehörigen eines Truppenteils, die, wenn sie im Kampfgewühl auseinandergerieten, sich um sie wieder zusammenscharten. Wer also bei seiner Truppe blieb, der blieb bei seiner Fahne; auf sie schaute er, wenn er Gefahr lief, von seiner Ab­ teilung abgedrängt zu werden. Wer seiner Pflicht treu blieb, der war es auch der Fahne, die dadurch zu einem Zeichen der Treue wurde. Darum sagt man auch von einem ehrlosen Kerl, der seine Truppe verläßt: „Er ist seiner Fahne untreu geworden." Die An­ gehörigen einer Truppe wechseln, die Fahne derselben aber bleibt; sie wird dadurch zur Verkörperung, zum Wahrzeichen der be­ treffenden Truppe selbst. Und weil sie es ist, die alles mit­ gemacht, was die Truppen je geleistet, ist sie auch ein sichtbares Er­ innerungszeichen an alle Ehren und Erfolge, die diese je errungen, ein Sieges- und Ehrenzeichen, wie es kein stolzeres gibt. Darum werden auch Erinnerungszeichen, Orden und Medaillen, sowie Fahnenbänder zum Gedächtnis besonderer Thaten oder langer, ehrenvoller Dienstleistung einer Truppe an deren Fahne verliehen. Darum werden auch die Fahnen, die, zerrissen und von Kugeln zer­ fetzt, die meisten Spuren ruhmreicher Kämpfe tragen, besonders hoch geachtet. Doch gelten deshalb die unberührten Feldzeichen neuer Regimenter, die noch nicht das Glück gehabt, für ihren König zu kämpfen, nicht geringer. Wird doch jeder ehrliebende Angehörige eines solchen neuen Regiments, das noch keinen Feldzug mitgemacht, beim Anblick seiner noch unversehrten Fahne nur von dem einen Gedanken beseelt sein, daß er sie einst, wenn der König befohlen, ebenso mit Ruhm bedeckt zurückbringen will, wie die alten Regimenter es gethan! Wer mit der Fahne in der Hand den Heldentod stirbt, dessen Name wird für alle Zeiten auf einem am Fahnenschaft angebrachten silbernen Ring verewigt, wie jener des Sergenten Rosa des 3. Infanterie-Regiments, der so bei Loigny-Poupry am 2. Dezember 1870 fiel, und mancher andere. Wer aber die im Gefecht befindliche Fahne vor dem Feinde rettet, der macht sich der höchsten Aus­ zeichnungen würdig, wie der Unteroffizier Fleschuetz und der Ser­ gent Bühl des 1. Infanterie-Regiments, die sich so am 7. Dezember 1870 im Gefecht bei Meung die Tapferkeitsmedaille verdienten, oder der Gemeine Höck des 3. Infanterie-Regiments, der eben jene dem Sergenten Rosa entsunkene Fahne vor den anstürmenden Fran­ zosen schützte und dafür die silberne Medaille erhielt. Dem Feinde dagegen eine Fahne zu entreißen, gilt als besonders ruhmreich. Gefangene Truppen müssen neben ihren Waffen besonders auch ihre Fahnen dem Sieger überliefern, die dann zum ewigen An­ denken an hervorragenden Orten, früher meist in Kirchen, jetzt für Bayern vor allem im Armeemuseum zu München, aufbewahrt werden. Die Fahne aber zu verlieren, ist, wenn auch nicht immer ein Schimpf, so doch stets ein großes Unglück für eine Truppe, weit arößer als der Verlust noch so vieler Leute. Denn über das Leben geht dem Soldaten die Ehre! Nicht selten schon ist es vorgekommen, daß der oberste Kriegsherr einer seiner Truppen zur Strafe für schlechtes Verhalten ihre Fahne genommen und sie ihr erst wieder zurückgegeben hat, wenn sie sich einmal besonders aus­ gezeichnet hatte. So hat es der „alte Fritz", der Preußenkönig

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I. Die Pflichten deS Soldaten.

Friedrich der Große, gemacht. Doch damals hatte man viel fremdes Gesindel unter den Fahnen, das nur um Geld diente; heute, wo nur Landeskinder unter ihnen für König und Vaterland kämpfen, darf so etwas nicht mehr vorkommen! Aber noch eine weitere Bedeutung hat die Fahne. Nicht mehr verschiedene, beliebige Feldzeichen führen heute die Truppen: jedes Land hat seine eigenen Fahnen, auf denen die Landesfarben sichtbar sind. Weiß und blau sind die Farben Bayerns; sie sehen wir auch auf unseren Fahnen. Und was sagen sie uns? Weiß ist die Farbe der Reinheit: rein und unbefleckt, durch keinen Makel ge­ trübt, sollen wir also unsere Fahne bewahren! Blau' ist die Farbe der Treue: in Treue zu König und Vaterland sollen wir sie führen! So erinnert uns unsere Fahne an unser Vaterland, das wir zu schützen berufen sind, so er­ innert sie uns an unsern König, dem wir dienen, so erinnert sie uns an unsere Pflicht! Nicht kann der König überall bei seinen Soldaten sein; deshalb gibt er ihnen ihre Fahnen, damit sie bei ihrem Anblick seiner gedenken. Wie das Kreuz uns an unsern Gott, so erinnert uns die Fahne an unsern König; darum ist sie den Soldaten wie jenes den Christen heilig. Doppelt heilig ist sie aber, weil sie auch vom Priester geweiht. Auf dieses Heiligtum schwört der neu eintretende Soldat seinen Eid, der deshalb auch Fahnen­ eid heißt. An ihn erinnert sie uns dann allezeit, an die Pflichten, die wir durch den Schwur auf sie übernommen. Im heutigen Schützenkampf kann die Fahne ja nicht mehr in erster Linie sein; wenn es aber gilt, die Frucht des langen Feuergefechts zu pflücken, beim Sturm, weht sie uns voran und zeigt uns den Weg zum Siege. Weil die Fahne etwas so Hohes und Heiliges ist, wird sie auch hochgeehrt. Es werden ihr von einzelnen und Abteilungen Ehren­ bezeugungen wie einem hohen Vorgesetzten erwiesen; das Gewehr wird bei ihrem Erscheinen präsentiert, das Spiel gerührt, die Offiziere salutieren sie, d. h. sie senken vor ihr zum Gruße den Säbel. Wer aber seine Fahne treulos und meineidig ver­ läßt, der ist ein ehrloser, erbärmlicher Mensch. Brave, ehrliebende Soldaten halten sich fern von ihm; er wird neben schwerer Freiheitsstrafe in die zweite Klasse deS Soldatenftandes, die keine Ehrenrechte genießt, verstoßen, als sichtbares Zeichen seiner Erniedri­ gung wird ihm die Kokarde, das Abzeichen der Landesangehörigkeit, genommen, ja nicht einmal das Seitengewehr darf er außer Dienst tragen, wenn er nicht noch schwerere Strafen nach den Kriegsgesetzen verwirkt hat (s. Kriegsartikel 4—12). Jedes Infanterie-Bataillon hat bei uns seine Fahne, jedes Kavallerie-Regiment seine Standarte; die Artillerie hat ihr Geschütz, das ihr heilig wie eine Fahne gilt. Auf Standarte und Geschütz schwören die andern Waffen; wo weder diese noch eine Fahne da, vertritt der Säbel des Offiziers, der im Kampfe den Weg weist, ihre Stelle.*) *) Etwas Anderes wie die Fahnen sind die Flaggen, die teils als Erkennungs­ zeichen, teils zum Geben von Signalen bei den Friedensübungen dienen. Zur ersteren. Gattung gehören bei uns: die bayerische Königsstandarte, die deutsche Kaiserstandarte und die Flaggen eines Armee-Oberkommandos, eines Generalkommandos und einer

Zu: Parseval, Leitfaden

Tafel I.

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Standarte der Cavallerie.

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Bataillons-Fahne der Infanterie.

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Bayr. Königs-Standarte.

Kaiser-Standarte.

Flagge für den Stab eines General-Kommandos.

Flagge für den Stab eines ArmeeOber-Kommandoe.

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Flagge für den Stab einer Division.

Verlag von

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Müneben,

I. Die Pflichten des Soldaten.

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4. Der Fahneneid. Auf diese Fahne nun schwört der junge Soldat den Eid, der ihn auf immer zum treuen Streiter seines Königs macht, durch den er all die Pflichten übernimmt, die unser herrlicher Beruf mit sich bringt. Die Eidesformel des bayerischen Soldaten**) lautet:

„Ihr sollt schwören zu Gott dem Allmächtigen einen körperlichen Eid, daß ihr dem allerdurchlauchtigsten, groß­ mächtigsten König und Herrn, Otto I., unserem aller­ gnädigsten Kriegsherrn, treu dienen, Allerhöchst dessen Wohl nach Kräften fördern. Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Luitpold von Bayern als Regenten, alsdann allen Vor­ gesetzten den gebührenden Respekt und Gehorsam leisten, deren Befehle ohne Widerrede und unverdrossen vollziehen, im Kriege wie im Frieden, zu Wasser und zu Land, bei Tag und bei Nacht, auf Märschen und Wachen, bei Belage­ rungen, in Stürmen und Schlachten, überhaupt bei allen Gelegenheiten euch als tapfere und treue Soldaten erweisen, eure Fahne niemals treulos und meineidig verlassen, viel­ mehr sie stets mutig verteidigen und nach Vorschrift der Kriegsgesetze euch jederzeit so benehmen wollet, wie es ehrliebenden Soldaten geziemt. Auch schwört ihr, im Kriege den Befehlen Seiner Majestät des deutschen Kaisers, als Bundesfeldherrn, un­ bedingt Folge zu leisten." So schwört der Soldat. Weiß er auch, was er beschworen? Heilig und unverletzlich ist der Eid, denn Gott selbst wird in ihm zum Zeugen angerufen. „Höre Du mich, mein Gott, vernimm, was ich schwöre, gib mir die Kraft, meinen Schwur zu halten, strafe mich mit Deinem Zorn, wenn ich ihn breche!" So denkt der Schwörende, so spricht er es laut und öffentlich in feierlicher Weise, vor der ent­ rollten Fahne, in Gegenwart seiner Vorgesetzten aus. Laut und ver­ nehmbar verkündet sein Mund den Schwur; seine ganze Person, seine Seele und seinen Leib gibt er für den Fall des Eidbruchs dem rächenden Gotte hin; daher der Name „körperlicher Eid." Gott ist Division. Sie bezeichnen bei Friedensübungen wie im Kriege den Standpunkt der be­ treffenden Person oder des betreffenden Stabes, d. h. des hohen Vorgesetzten mit seiner Umgebung. Sie muß der Soldat kennen, um richtige Meldung machen zu können. Die Franzosen haben viel mehr derartige sogenannte Kommandoflaggen wie wir. Sieht also der Soldat im Felde einmal eine solche, so muß er sich ihr Aussehen möglichst genan einprägen, um sie dann richtig beschreiben zu können. (Siehe Tafel I.) *) Angehörige anderer Bundesstaaten leisten den Eid auf ihren Landesherrn, auch wenn sie in bayerischen Truppenteilen dienen. Denselben wird hierauf vom Auditeur zu Protokoll eröffnet, daß der Fahneneid in sich schließe, Sr. Majestät dem König von Bayern als Kontingentsherrn treu zu dienen.

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I. Die Pflichten des Soldaten.

aerecht und allmächtig. Glaube nicht, junger Soldat, daß er deinen Schwur nicht hört oder nicht beachtet! Glaube auch nicht, dich den Wirkungen des Eides entziehen zu können, indem du vielleicht die Eidesformel unbemerkt nicht mitsprichst! Deine Anwesenheit beim feierlichen Schwur bindet dich, magst du ihn nun aussprechen oder nicht. Und sehen auch deine Vorgesetzten nicht in dein Herz, der allwissende Gott schaut in seine innersten Falten und wird treulose Gesinnung an dir rächen, wenn vielleicht auch erst in der Stunde deines Todes. Und wenn du vielleicht durch schlechtes Beispiel in deinem Gottesglauben Schaden gelitten hast, so sei der Augenblick des Eidschwurs, ja schon die Vorbereitung in der Kirche, die ihm vorangehl, dir die Veranlassung, dich wieder dessen zu erinnern, was man dich im Elternhaus, in Kirche und Schule gelehrt. Am Tage des Fahneneides beginnst du ein neues Leben. Werde nicht nur ein guter Soldat, sondern bleibe auch ein guter Christ oder werde es wieder, wenn du verlernt haben solltest, es zu sein! Glaube nicht, daß Menschen ohne Glauben und Gewissen gute Soldaten sein können! Nur der Gottesglaube gibt dir die Ruhe und Zuversicht, die der Soldat in vielen schwierigen Lagen,- besonders aber im Felde, so notwendig braucht. Nur er gibt dir die Kraft, auch manches Schwere und Widerwärtige gleichmütig zu ertragen; er lehrt dich die Gefahr verachten und dem Tode kaltblütig ins Auge schauen. „Sei aetreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des ebens geben." Dieses Wort des Herrn halte dir vor Augen, dann brauchst du gar nicht an die Strafen zu denken, die den Eid­ brüchigen treffen! Und wenn du einmal draußen im Feindesland zum Tod verwundet auf der Erde liegen solltest, dann wirst du ohne Furcht und Zittern deinem höchsten Richter entgegengehen können, wenn du dir sagen kannst: „Ich habe treulich meinen Schwur ge­ halten". Dann wirst du es auch empfinden, was Tausende und Hundert­ tausende der Besten aller Völker schon vor dir empfunden und mancher brave Kamerad vielleicht mit dir empfindet, daß das Sterben auf dem Schlachtfeld nichts Furchtbares und Schreckliches, sondern etwas Erhabenes und Herrliches ist, daß es keinen schöneren Tod gibt als den für König und Vaterland! So bewährt sich die Treue bis in den Tod, die du vor Gott deinem König geschworen. Der König ist unser oberster Kriegsherr, d. h. die Armee gehört in Krieg und Frieden ausschließlich ihm. Wir sind seine Soldaten, nur sein Wille gilt für uns. Wir schwören aber auch, Allerhöchst sein Wohl nach Kräften zu fördern. Nicht nur in Erfüllung unserer rein militärischen Pflichten, sondern auch außer­ halb des Dienstes, insbesondere nach der Rückkehr aus dem aktiven Dienst, müssen wir ihm dienen. Unser Fahneneid läßt uns nicht frei, wenn wir den blauen Rock, des Königs Rock, ausgezogen. Wie wir das Wasser der Taufe nicht wieder von uns abwaschen können, auch wenn wir hundertmal wollten, so können wir auch unsern Fahneneid niemals widerrufen Bis zum Tod bindet er uns. Wer inmal Soldat gewesen, der kann niemals wieder etwas thun, was gegen seinen König wäre, wenn er nicht zum meineidigen Schurken werden will. Auch im bürgerlichen Leben wahre daher deinem König die Treue und hatte dich Zeit deines Lebens weit fern von all den Gesellen, die gegen ihn und alles, was uns heilig ist und bleiben soll, aufzutreten wagen!

I. Die Pflichten des Soldaten.

II

Weil aber unser unglücklicher König Otto I. unheilbar schwer erkrankt ist und aus dem Schlosse Fürstenried bei München fern von allen Geschäften weilt, sind alle seine Rechte auf unsern PrinzRegenten, dessen Oheim, S. K. H. den Prinzen Luitpold von Bayern übergegangen. Ihm haben wir daher zu dienen^ als ob er der König selbst wäre, und so schwören wir auch im Fahneneid, ihm den gebührenden Respekt und Gehorsam zu leisten und seine Befehle ohne Widerrede und unverdrossen zu vollziehen. Aber der Prinzregent kann so wenig, wie der König es könnte, immer und überall bei seinen Soldaten sein. Darum hat er unsVorgesetzte gegeben, die sür ihn die Truppen führen. Sie alle, ob General oder Unteroffizier, befehlen nur in des Königs Namen, an seiner Stelle und nach den Gesetzen, die er ihnen gegeben. Auch ihnen allen gebührt daher unbedingter Respekt und Ge­ horsam. Wer ihn verletzt, bricht seinen Fahneneid. Beispielsweise zählt der Fahneneid verschiedene Gelegenheiten auf, bei denen sich der Soldat tapfer und treu erweist. Glaube abeo nicht, daß es nur diese sind; es gibt unzählige andere auch! Durch seinen Eid ist der Soldat mit seiner Fahne innig wie mit einer Braut verbunden. Darum schwörst du auch, sie niemals treu­ los und meineidig zu verlassen, sondernsie stets mutig zu verteidigen. So sollst du auch deine ganze Ehre dareinsetzen^ stets genau die Kriegsgesetze und damit auch das, was dir auf Grund derselben nur immer befohlen wird, getreulich zu befolgen. Nach der Verfassung des deutschen Reiches ist die bayerischeArmee ein im Frieden völlig selbständiger Teil des gewaltigen deut­ schen Heeres. Im Kriege aber tritt sie unter den Oberbefehl Seiner Majestät des Kaisers, der sie mit anderen Kontingenten (Bundes­ truppen) vereinigt einem eigenen Feldherrn unterstellen wird. Darauf bezieht sich der letzte Absatz des Fahneneides. (Siehe S. 5.)

5. Die Kriegsartikel.

Der Soldat ist berufen, König und Vater­ land gegen den Feind zu schützen und die öffent­ liche Ordnung aufrecht zu erhalten (d. h. den Ge­ setzen nötigenfalls mit Waffengewalt Achtung zu verschaffen). Alles, was er in Erfüllung dieses seines Berufes thun und lassen soll, ist in den KriegsarNkein niedergelegt. Sie sind unser Gesetzbuch, unsere militärischen „zehn Gebote." Sie enthalten alle Pflichten des Soldaten, die Belohnungen, welche er für treue Pflichterfüllung, und die Strafen, welche er für Pflichtverletzungen zu erwarten hat. Sie werden darum auch dem Soldaten vorgeleseu und erklärt, noch bevor er seinen Fahneneid schwört. Die Strafen, die in den meisten derselben angedroht sind, brauchen den braven Soldaten nicht zu erschrecken; sie sind nur für Pflichtvergessene da, sei es, daß sie nur aus Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit, oder daß sie ans bösem Willen sich vergehen. Dagegen soll der Soldat aber aus der Höhe der angedrohten Strafen entnehmen, wie ungeheuer ernst die Kriegsgesetze zu nehmen sind und wie ins­ besondere im Kriege stets ihre Verletzung noch viel.

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I. Die Pflichten des Soldaten.

schwerer bestraft wird wie im Frieden. Denn im Kriege kommt ganz besonders alles darauf an, daß jeder Mann im höchsten Maße seine Schuldigkeit thut. Das elende Benehmen eines Feiglings kann bei der oft herrschen­ den Aufregung ansteckend auf ganze Abteilungen wirken, wenn nicht mutigere Kameraden den Schwachen mit sich fortreißen oder nötigen Falles sogar mit Gewalt zur Pflicht bringen. Von der,. Pflichttreue eines einzigen Mannes, eines Postens z. B. oder des Überbringers einer Meldung oder eines Befehles, kann Leben und Freiheit von Hunderten und Tausenden abhängen. Unbedingter, blinder Gehorsam ist die Grundbedingung jedes kriegerischen Erfolgs; darum werden Verfehlungen gegen diesen so furchtbar streng bestraft. Ein warnendes Beispiel hievon sei hier erzählt. Am 20. September 1870 hatte das Infanterie Leibregiment, das, gegen Paris anmarschierend, den Auftrag erhallen hatte, den großen Wald von Fontainebleau von feindlichen Freischaren zu säubern, schon einen 15 stündigen Marsch geleistet; am nächsten Tag wurde von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends der ganze gewaltige Wald durch­ streift. Dieser Marsch, immer durch Gebüsch und Gestrüpp hindurch, war eine der mühevollsten Arbeiten des ganzen Feldzuges. Aber während alle Andern wohlgemut die gewaltige Anstrengung ertrugen, hatte ein Gemeiner der 6. Kompagnie genug bekommen an dem er­ müdenden Marsch im Walde. Eigenmächtig verließ er seinen Platz in der Schützenkette und ging auf der Straße. Sein Gruppenführer fordert ihn auf, auf seinen Platz zurückzukehren, jener aber vergißt sich soweit, statt auf der Stelle und schweigend zu gehorchen, dem Unteroffizier eine höchst unpassende und achtungswidrige Bemerkung hinzuwerfen und vollzieht nur zögernd und widerwillig den Befehl. 14 Tage darauf war er infolge kriegsgerichtlichen Urteils standrechtlich erschossen. Aber nicht die Furcht vor der Schwere der Strafen treibt denehrlieben den Mann an, seinePflichtzuthun, auch nicht die Aussicht auf Beförderung oder Beloh­ nungen, wie sie im Kriegsartikel 54 ausgesprochen sind: Orden und Ehrenzeichen, Schützenabzeichen, Schießzulage, Kommandos, Urlaub, Dienstprämien, Anstellung im Zivildienst u s. w. Der wahrhaft Pflichtgelreue Soldat thut seine Pflicht freiwillig und freudig, ohne auch nur an Strafen zu denken, weil er weiß, daß er damit seinem König dient und seinem Vaterland nützt, weil er weiß, daß gerade seine Dienstzeit ihn erst zum reifen Mann und zu einem brauchbaren Mitglied der menschlichen Gesell­ schaft, zu einem verlässigen Diener des Staates macht, weil er seines Fahneneides eingedenk ist, den er vor Gott geschworen, weil er weiß, daß das Bewußtsein, seine Pflicht gethan zu haben, das süßeste Ruhe­ kissen ist. Hierin und in der Achtung seiner Vorgesetzten und Kameraden findet er den schönsten Lohn seiner Mühen.

Kriegsartikel 1 sagt: „Der Soldat muß stets der ernsten Pflichten seines Berufs eingedenk und dieselben gewissenhaft zu erfüllen eifrig bemüht sein."

I Die Pflichten des Soldaten

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Der zweite Kriegs-Artikel aber nennt die Haupt­ pflichten eines jeden Soldaten. Er lautet:

„Die unverbrüchliche Wahrung der im Fahneneide ge­ lobten Treue ist die erste Pflicht des Soldaten. Nächstdem erfordert der Beruf des Soldaten: Kriegsfertigkeit, Mut bei allen Dienstobliegenheiten und Tapferkeit im Kriege, Gehorsam gegen den Vorgesetzten, ehrenhafte Führung in und außer Dienst, gutes und rechtliches Verhalten gegen die Kameraden." Aus diesen Hauptpflichten gehen alle übrigen wer eine derselben verletzt, sündigt auch gegen die anderen.

hervor;

Ein Heer, das seinem obersten Kriegsherrn nicht blind und unbedingt ergeben ist, ist ein elendes Werkzeug, das nie Ruhm und Ehre erlangen wird, weil gerade in schwierigen Lagen kein Ver­ laß darauf ist. Die treueste Gesinnung, der beste Wille nützen aber wenig, wenn der Soldat nicht auch imstande ist, sie kräftig und zweckmäßig zum Ausdruck zu bringen, mit anderen Worten, wenn er in seinem Beruf nichts kann und versteht. Der Soldat muß nicht bloß ein Mann sein, der recht brav gesinnt ist und eine schöne Uni­ form spazieren trägt: das Erste ist ja die Grundbedingung, das Zweite ist recht hübsch, aber damit allein gewinnt man keine Schlachten. Der Soldat muß auch etwas können, d. h. er muß hohe Kriegs ferti gkeit besitzen. Die größte Gewandtheit in Führung der Waffen, die schönste körperliche Leistungsfähigkeit und Ausdauer nützen aber auch noch nichts, wenn kein Verlaß auf den Mann ist, wenn er sich fürchtet und als elender Feigling sich nicht vorwärts traut oder gar davonläust, wenn eine Gefahr droht. Der Soldat muß also auch mutig und tapfer sein, sonst ist er überhaupt kein Soldat. Mit dem geübtesten und mutigsten Heere ist aber noch immer nichts an­ zufangen, wenn es seinen Führern nicht unbedingt gehorcht. Ge­ horsam ist deshalb eine weitere Hauptpflicht des Soldaten. Wenn aber das Heer auch in Friedenszeiten Achtung und Ansehen beim ganzen Volke genießen, wenn es diesem ein leuchtendes Beispiel der Pflichterfüllung sein soll, dann muß sich der Soldat auch durch ehren­ hafte Führung in und außer Dienst auszeichnen. Und wo endlich so Viele beisammen sind, die die gleichen Pflichten und Rechte vereinigen, da ist es unbedingt nötig, daß sie gilt und einträchtig mit einander leben. Gutes und rechtliches Verhalten gegen die Kameraden ist daher die letzte, aber nicht minder wichtige Hauptpflicht des Soldaten.

A. Die Freue. Die vornehmste von allen Pflichten des Soldaten ist die Treue gegen den König. Sie ist die unerschütter­ liche, ehrfurchtsvolle Anhänglichkeit an den König bis in den Tod, die unbedingte Hingabe von Leib und Seele an seine

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I. Die Pflichten des Soldaten.

Person. „In Treue fest" steht auf unseren Helmen geschrieben; dies ist der Wahlspruch des bayerischen Soldaten, der aber nicht nur äußerlich zur Schau getragen werden, sondern in seinem Herzen eingegraben stehen soll. Was thut der treue Sohn? Er liebt seine Eltern nicht nur mit dem Munde, er hängt an ihnen aus dankbarer Verehrung, denn sie haben ihm das Leben gegeben, sie haben ihn unter tausend Sorgen und Mühen aufgezogen, ihn unterrichtet und unterrichten lassen, ihn Dor zahllosen Gefahren beschützt, in schwerer Krankheit gepflegt. So­ lange sie leben, sind sie innig um ihn besorgt und im Tode noch denken sie nur an das fernere Wohlergehen ihrer Kinder. Wäre es nicht niederträchtiger Undank, seinen Eltern nicht treu und anhänglich zu sein? Der treue Sohn vergilt seinen Eltern all ihre Liebe und Güte dadurch, daß er unablässig auf ihr Wohl bedacht ist. Er arbeitet für sie, er unterstützt sie mit seinem Verdienst, wenn sie alt und ge­ brechlich geworden, er pflegt sie, wenn sie erkrankt. Er kann es nicht sehen, daß ihnen Böses geschieht; er gibt lieber alles, was er besitzt her, als daß er sie in Not„ließe. Er springt ihnen in Gefahren bei, er duldet nicht, daß ihnen Übles nachgesagt wird. Und haben sie auch kleine Schwächen und Fehler, von denen kein Mensch frei, so wird der treue Sohn sie niemals darum tadeln Er wird sie gerne er­ tragen, weil sie nichts sind im Vergleich zu all dem Guten, das er von Vater und Mutter empfangen, wofür er diesen ewige Dankbarkeit schuldet. Auch unserem König und seinem Haus sind wir unauslöschliche Dankbarkeit schuldig. Unseren Königen danken wir es, daß wir in Ruhe und Frieden leben können, daß Recht und Gerechtigkeit im Lande herrscht, daß wir ungestört von fremden Eingriffen Wohlstand und Ehreu erwerben können, daß wir in einem Staate und einem Reiche leben, auf die die ganze Welt mit Neid und Bewunderung blickt. Weil wir also unserm König dankbar sein müssen, sind wir ihm treu. Was thut der treue Verwalter oder Knecht? Er dient seinem Herrn nicht um des eigenen Vorteils willen, sondern um jenem zu nützen, seines Herrn Besitzstand zu wahren und zu ver­ größern. Er hütet ihm sorglich sein Eigentum, daß nichts-abhanden kommt. Als schweres Vergehen würde er es ansehen, wollte er sich daraus auch nur das Geringste aneignen, was ihm nicht zukommt Wenn es brennt oder sonst ein Unglücksfall eintritt, denkt er zuerst an das Eigentum seines Herrn, an seine Familie, sein Vieh, seine Geräte, zu allerletzt erst an seine eigenen Sachen. Er ist zufrieden mit dem, was er bekommt, er duldet nicht, daß man seinen Herrn schmäht, er findet seinen schönsten Lohn darin, daß dieser mit ihm zufrieden ist. So dient auch der treue Soldat seinem König, weil er ein Kind seines Landes ist, weil er in seinem Solde steht, weil er seines Königs Land und damit zugleich sein eigenes Vaterland zu schützen berufen ist, weil er in seinem König ebenso seinen zweiten Vater, wie seinen Herrn erblickt. Darum ist er ihm treu.

I. Die Pflichten des Soldaten.

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Warum hält der Bräutigam der ^Braut, der Mann feinet Frau die Treue? Weil er sie aus Grund seines Herzens liebt, weil er sich ihr für Zeit und Ewigkeit verbunden weiß. Mit Recht verachtet man den, der seiner Braut oder Gattin untreu ge­ worden. Alle Wett betrachtet einen solchen als schlechten Charakter, als schwachen, erbärmlichen Menschen, weil er seinen Treuschwur ge­ brochen, weil er ein Wesen, das sich ihm ganz hingegeben, das auf -seine Treue wie auf einen Felsen bauen zu können geglaubt hat, .Zeit seines Lebens unglücklich gemacht. Auch unsern König müssen wir lieben als den, der uns unendlich viel Gutes gethan und immer wieder thut, wenn wir Ans auch oft dessen gar nicht bewußt sind, als Vater unseres Vater­ landes, als unsern obersten irdischen Herrn. Weil wir ihn lieben, sind wir ihm treu, weil wir ihm Treue geschworen haben wie einer Braut oder Gattin, weil er auch uns liebt und auf unsere Treue baut und wir ihn unglücklich machen And tief betrüben würden, wenn wir ihm die Treue brechen wollten. So find wir ihm treu, weil wir ihm unendlichen Dank schulden, weil wir seine Unterthanen, er unser Herr ist, weil wir ihn lieben mehr als uns selbst. Über der Treue gegen Vater und Mutter, gegen Freund und

Geliebte, gegen Weib und Kind steht die Treue König, denn er ist nach Gott unser oberster Herr!

gegen unsern

Mit Jubel begrüßt das treue Volk und vor allem der treue Soldat seinen König, seinen Prinzregenten. Schön und lobenswert ist dieser Ausdruck der Verehrung und Anhänglichkeit. Was würde

biegungen.

6. A«r Stock. Der Stock dient zum Zusammcnsetzcn der Gewehre, beim Versagen des Ausziehers zur Entfernung der PatronenHülse aus dem Lauf, sowie im Notfall im Felde als Wischstock.

H. per Beschlag. Zum Beschlag gehören:

Oberring mit Seitengewebrwarze und Schraube, Ringscder,

Untctring mit Riciubügel, StockHalter mit Wuttergcroin.be, Zapfenlager mit Wutter,

Verbindnugss ch r a u b c, Kreuzschraube mit Röhrchen, K l a m merfug mit zwei Schrauben, Kolbenkappe mit zwei S ch raube n.

J. Aas Zubehör.

Zul> ebö r sind: der Gewehrriemen, zu ihm gehören: Schnalle,

Klammer, Doppelknops, Öse und

der M ü ii d u n g s d e ck e l, der S ch l o f; s ch l ü s s e l, zu drei Gewehren gehört ein Schloßschliissel.

der S eh r n it b e uzieher, zu zehn Gewehren gehört ein Schraubenzieher.

K. /änge und Heroichl. Tic Länge deS Gewehres (ohne Seitengewehr) beträgt 1,245 m, das Gewicht 3,8 kg.

II. Dir Lehaiidliing des Gewehrs. A. Behandlung beim Gebrauch und bei der Mfveroahrung.

Es ist Psticht des Soldaten, das Gewehr stets in gutem Zustande zu erhalten und die Vorschriften über die Behandlung desselben peinlich zn befolgen. Der Soldat soll die Überzeugung gewinnen, daß seine Leistungen int Schießen auch von der Beschaffenheit und der Art der Behandlung der Waffe abhängig sind.

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XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

1. Allgemeines. In erster Linie ist das Innere des Laufs vor jeder Beschädigung oder Erweiterung zu bewahren. Sorg­ fältigste Behandlung ist auch für die Visiereinrichtung und den Kasten geboten. Beschädigungen im Innern des Laufs, ins­ besondere am Gcschoßeintritt, an den Feldern und der Mündung, sowie Beschädigungen der Visierein­ richtung wirken nachteilig auf die Schußleistung. Be­ schädigungen im Patronenlager können Hülsenreißer und Versager, solche am Kasten und der Mehrlade­ einrichtung Ladehemmungen verursachen.

2. Schutzregeln gegen Bestoßungen und starke Erschütterungen. Das Gewehr ist vor Umfallen und Stößen zu bewahren. In der Kaserne sind die Gewehre in Gewehrstützcn unterzubringen, Schloß abgespannt, Riemen kurz (Ausnahme frisch gefirnißte Schäfte), Mündungsdcckel auf. Das Einstcllen in die Gcwchrstützen und Herausnehmen aus denselben hat vorsichtig zu geschehen. Im Quartier außerhalb der Kaserne muß das Gewehr vor unberufenen Händen geschützt, an einem trockenen und staubfreien Orte, aber nicht in der Nähe eines ge­ heizten Ofens, aufbewahrt werden. Beim Betreten von Treppen sind die Gewehre am Kolbenhalse zu umfassen und im Arm zu tragen, da jedes starke Ausstößen des Kolbens — hier ebenso wie beim Exer­ zieren — nachteilig wirken kann

In Pyramiden zusammengesetzte Gewehre sind unter Anhcben, ohne gewaltsames Ziehen, wieder aus­ einander zu nehmen. Das Aufpflanzen und an Ort bringen des Seitengewehrs muß vorsichtig geschehen. Es ist verboten, beim Tragen Gegenstände an das Gewehr zu hängen. Ein Mann darf nie mehr als zwei Gewehre auf einmal tragen, alsdann auf jeder Schulter bezw. unter jedem Arm eins, so daß die Gewehre sich nicht berühren.

XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

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3. Schutzregeln gegen Beschädigungen des Laufinnern und der Visiereinrichtung.

Zum Schutze der Mündung, des Laufinnern und des Korns dient der Mündungsdeckel. Die Benutzung anderer Mittel zum Verschließen der Mündung, z. B. von Fett, Wergpfropfen, Lappen u. bergt., ist verboten. Der Mündungsdeckel bleibt auf dem Gewehr, wenn das Abnehmen nicht durch den Dienstgebrauch ge­ boten ist. Durch Abfeuern einer scharfen oder Platzpatrone aus einem Gewehr mit aufgestecktem Mündungsdeckel würden er­ hebliche Beschädigungen des Gewehrs (Laufsprengungen, Aus­ bauchungen) entstehen. Ohne Mündungsdeckel dürfen Gewehre nicht gegen die Wand gelehnt werden. Gewehre auf die Erde zu legen, ist verboten, wenn es der Zweck der Übung nicht ausdrücklich verlangt. Ist dieses der Fall, so sind Mündung, Verschluß und Kasten vor dem Eindringen von Sand oder Schnee zu bewahren. Sollte dennoch Sand u. s. w. eingedrungen, oder sollten aus irgend einem anderen Grunde fremde Körper in den Lauf gelangt sein, so darf — auch bei Übungen mit Platz­ patronen — nicht geschossen werden, bevor der Lauf wieder gründlich gereinigt ist.

4. Schutzregeln gegen Unzuträglichkeiten beim Schießen. Bor dem Abmarsch zum Schießen und kurz vor Beginn desselben ist jedes Gewehr daraufhin nachznsehen, ob das Innere des Laufs und des Kastens rein und voll­ kommen frei von fremden Körpern, sowie ob der Ver­ schlußkopf aufgesetzt ist. Sinngemäß ist auch bei Verwendung von Platzpatronen zu verfahren. Vor dem Schießen mit scharfen Patronen sind außer­ dem gelockerte Verbindungs- und Kreuzschrauben durch einen Unteroffizier mittelst Schraubenziehers anzuziehen. Die mit einer kleinen Klemmschraube versehenen Verbindungs- und Kreuzschrauben neuer Art dürfen erst dann — und zwar nur durch den Büchsenmacher — angezogen werden, wenn deren Einstriche mit den am Kasten befindlichen Marken nicht mehr eine gerade Linie bilden. v.

LeMaden.

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XIV. DaS Gewehr 88 mit Seitengewehr.

War ein Gewehr mehrere Tage außer Ge­ brauch, so soll es vor dem Laden bei zurückgezogenem Abzug einigemal geöffnet und geschloffen werden. Verbeulte, gequetschte oder verschmutzte Pa­ tronen jeder Art, sowie solche, bei welchen das Geschoß sehr lose sitzt, dürfen nicht geladen werden. Ferner dürfen beschmutzte, verbogene oder stark verrostete Patronenrahmen nicht in den Kasten eingesetzr werden. Bei dem Gebrauch auf den Boden gefallene Exerzier­ patronen oder Patronenrahmen sind vor ihrer Wieder­ verwendung sorgfältig zu reinigen. Versager können entstehen durch unvollständiges Schließen des Gewehrs, durch dem Verschluß oder der Pa­ trone anhaftenden Schmutz, sowie durch Fehler des Gewehrs oder der Munition. Versagt eine Patrone, so setzt der Schütze lang­ sam ab und öffnet das Gewehr erst nach einer Pause. Der Patrone ist dann im Patronenlager durch Drehen eine andere Lage zu geben, das Gewehr zu schließen und nochmals ab­ zuziehen. Versagt die Patrone dessenungeachtet wieder, so ist sie in ein anderes Gewehr cinzuladen. Wird die Patrone auch in diesem bei einmaligem Abziehen nicht zur Ent­ zündung gebracht, so ist sie als „Versager" zu bezeichnen und abzngeben. Gewehre, in welchen wiederholt Versager vorgckommen sind, müssen zur Untersuchung gebracht werden.

5. Ladehemmungen. Sollten Ladehemmungen eintreten, so darf deren Be­ seitigung nicht durch erhöhten Kraftaufwand versucht werden, vielmehr ist tue Ursache der Hemmung durch Nachsehen zu erforschen. Ladehemmungen können veranlaßt werden durch Schmutz oder Unregelmäßigkeiten an Patronen oder Patronen­ rahmen, am Patronenlager oder Verschluß, sowie durch Un­ geschicklichkeit des Schützen. Gewisse Ladehemmungen muß der Soldat selbst erkennen und, wo Abhilfen angegeben sind, abstellen können. Beispiele: Vor- und Rückwärtsbewegung des Schlosses ist gehemmt, das Gewehr läßt sich nicht schließen.

Ursachen: a) Schloß vertauscht, b) Schlagbolzenmutter unrichtig aufgeschraubt,

XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

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c) Reibestellen sind infolge von Regen oder vielen Schießens verrostet, verschleimt oder trocken, d) Sand oder andere Fremdkörper befinden sich im Hül­ senkopf oder zwischen Schloßhalter und Kammerwarze. e) Patronenhülse, deren Boden abgerissen, oder Hülsen­ rest steckt im Patronenlager. Abhilfen: zu c) Einfetten. Ist Fett nicht zur Stelle, so genügt vorübergehend ein Anfeuchten der Reibestellen mit Speichel. zu d) Fremdkörper im Hülsenkopf mit Spahn und Lappen auswischen bezw. entfernen. Fremdkörper zwischen Schloßhalter und Kammerwarze wird, nachdem das Schloß aus der Hülse genommen, entfernt. zu e) Schloß zurücksühren. Wird dabei die Hemmung nicht gehoben, so werden die Hülsenreste mit dem Rundholz, welches erforderlichenfalls mit Werg umwickelt wird, entfernt. Im Felde ist die Anwendung des Stocks erlaubt. Nützen diese Mittel nichts, so ist das Gewehr zum Büchsenmacher zu bringen. Besondere Aufmerksamkeit ist in folgenden Fällen ge­ boten : Entsteht beim Vorschicben einer Patrone in den Lauf eine Hemmung, wodurch die Kammer nicht nach rechts herum­ gelegt werden kann, so darf keinesfalls versucht werden, die Hemmung dadurch zu beseitigen, daß das Schloß zu­ rück und wieder vorgeführt wird. Die eingeladene Patrone ist in diesem Falle noch nicht vom Auszieher erfaßt und verbleibt beim Zurückführen des Schlosses im Lauf; bei erneutem Vorführen des Schlosses wird eine zweite Patrone mitgenommen, deren Geschoß auf das Zündhütchen der ersten Patrone getrieben werden und diese entzünden kann, wodurch erhebliche Beschädigungen des Schützen und des Gewehres eintreten. Es muß daher bei jeder Hemmung im Vorführen des Schlosses zunächst die Ursache ermittelt und möglichst beseitigt werden, indem man das Schloß langsam und nur so weit als nötig zurückführt. Ist hiebei der Vcrschlußkopf hinter die im Patronenrahmen befindliche oberste Patrone getreten, so muß nach Beseitigung der Hemmung, bevor das Schloß wieder vorgeführt wird, der Rahmen mit den Patronen so weit in den Kasten heruntergedrückt werden, daß der Verschluß­ kopf über die erste Patrone unbehindert hinweggleiten kann. 7*

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XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

Wird die Ursache der Hemmung nicht sogleich ermittelt und beseitigt, so ist das Schloß herauszunehmen und der Patronenrahmen aus dem Kasten zu entfernen. Sodann wird das Schloß wieder eingeführt und das Gewehr ent­ weder entladen oder die eingeladene Patrone abgefeuert. Sollte es trotzdem Vorkommen, daß eine zweite Patrone auf eine bereits im Lauf befindliche geschoben wird, so ist das Schloß herauszunehmen, die zweite Patrone wieder in den Rahmen zurückzuführen und sodann wie zuletzt angegeben zu verfahren. 6. Ausbesserungen.

Der Soldat darf keinerlei Ausbesserungen in seinem Gewehr ausführen. Bemerkt er Unregelmäßigkeiten oder Beschädigungen ail demselben, so muß er sie zur Meldung bringen.

B. Die Reinigung des Gewehres. 1. Allgemeines. Zur Erhaltung der Waffe ist es erforderlich, daß die Reinigung grundsätzlich sofort nach dem Gebrauche vorgenommen wird. Der Soldat darf dabei nur erlaubte Reinigungsmittel in reinem, unver­ dorbenem Zustande verwenden. DieReinigung erstreckt sich lediglich auf das Beseitigen von Pulverrückständen, Staub, Schmutz, altem Öl, Nässe und Rost, behufs Er­ haltung des Laufs, der guten Gangbarkeit des Schlosses und der Ladeeinrichtung, sowie auf das Einölen der Waffe zum Schutz gegen Witterungseinflüsse. Werden bei kalter Witterung Gewehre in einen wärmeren Raum gebracht, so sind die Mündungsdeckel nicht eher ab­ zunehmen und die Gewehre nicht früher zu öffnen, bis die Mctallteile nicht mehr beschlagen sind. Erst dann darf ein Durchwischen bezw. Abtupfen und Einölen stattfinden. Ein Gewehr ist stets nur so weit auseinander zu nehm en, als es der jedesmaligeZweck erheischt. Die Mannschaften müssen im vorschrifts­ mäßigen Auseinandernehmen und Zusammen­ setzen des Schlosses vollständig ausgebildet sein. Sie dürfen jedoch außer dem Schloß nur Stock, Mündungsdeckel und Gewehrriemen heraus-

XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

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bezw. abnehmen und wieder in Verbindung mit dem Gewehr bringen. Jedes weitere Zerlegen ist durch den Büchsenmacher, dessen Gehilfen oder unter deren Leitung durch geeignete Leute auszuführen. Die Gewehrteile müssen stets auf saubere Unterlagen, für jedes Gewehr gesondert, gelegt werden, letzteres um Verwechselungen von Gewehrteilen zu vermeiden.

Erkennungszeichen der Zusammengehörigkeit der einzelnen Teile sind die Fabriknummer», von welchen auf jedes Stück — einige Teile, z. B. Spiralfedern, Stock ausgenommen — mindestens die beiden letzten Ziffern geschlagen sind. Bei jeder Reinigung, mit Ausnahme derjenigen des Laufinnern, müssen die betreffenden Teile zunächst trocken gewischt und alsdann von Neuem mit, einem Ölhauch ver­ sehen werden. Das Aufträgen von Öl darf — auch an

den Reibestellen — niemals in dem Maße geschehen, daß ein Abfließen des Öls vorkommen kann. Die dunkel gehaltenen Metallteile werden nur abgetupft, nicht abgerieben. Ein Polieren nnd Blankmachen von Gewehrteilen, das Wegputzen der schwarzen, sogenannten Regenflecken, sowie der Rostmarkeu und Rostnarben ist verboten. Angerostete Stellen, mit Ausnahme solcher im Lauf­ innern, sind, trocken zu wischen, behufs Lösung des Rostes mit heißem Öl oder mit Vulkanöl gut einzuölen und einige Zeit darauf von Neuem abzuwischen. Dieses Verfahren wird so oft wiederholt, bis der eigentliche, rot aussehende Rost verschwunden und nur noch die stets darunter befindliche schwarze Haut sichtbar ist. Die Reinigung des Laufinnern erfolgt aus­ schließlich unter Benutzung geölter Wischpolster, in der Garnison mit Wischstock und Mündungs­ schoner, außerhalb der Garnison mit Wischstrick und Mündungsschoner. Die Reinigung der Läufe im Innern hat in der Garnison stets, außerhalb der Garnison an den Ruhetagen unter Aufsicht eines Unteroffiziers oder Unteroffiziersdienstthuers zu erfolgen. Im übrigen kann die Reinigung des Gewehrs ohne Aufsicht stattfinden.

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XIV. Das Geweyr 88 mit Seitengewehr.

Um in der Garnison ein selbständiges Rei­ nigen der Läufe seitens der Mannschaften völlig auszuschließen, sind die Wischstöcke, Wischstricke und Mündungs-Schoner unter Verschluß zu halten.

Rost im Laufinnern wird durch reichliches Einölen, thunlichst mit warmem Öl, zunächst gelöst und nach einiger

Zeit durch Nachwischen mit neuen, geölten Polstern beseitigt. Dieser Zweck ist erreicht, sobald das Polster nicht mehr­ gerötet wird.

Nickelansatz, welcher nach Entfernung des losen Schmutzes aus dem Lauf in den Zügen, besonders in der Mitte des Laufs, als Erhöhung sichtbar ist, darf durch den Mann nicht entfernt werden. Sofern der Nickelansatz aber die Treffleistung des Gewehrs beeinträchtigt, muß ihn der Büchsenmacher beseitigen.

Um zu beurteilen, ob das Laufinnere rein ist, genügt in den meisten Fällen das Durchziehen und Untersuchen eines reinen, leicht geölten Wergpolsters. Ist letzteres rein geblieben, so wird auch der Lauf rein sein. Doch steht cs frei, durch Hindurchziehen mehrerer ungeölter Polster das Laufinnere entölen zu lassen, um eine genaue Unter­ suchung durch Hineinschen in den Lauf zu ermöglichen.

Bei der Untersuchung des Laufinnern durch Hindurch­ sehen ist der Lauf gegen das Licht zu richten und erst von der einen, dann von der anderen Seite zu prüfen. Beim Durchsehen von der Mündung aus ist diese zunächst etwas vom Auge entfernt zu halten und dann allmählig näher zu bringen. Am Schluffe jeder Reinigung bezw. Besichtigung des Laufinnern ist dieses reichlich zu ölen, indessen nur so stark, daß ein Abfließen von Öl nicht stattfinden kann. Gewehre, aus welchen geschossen worden oder welche im Laufe verrostet waren, zeigen häufig einige Zeit nach der Reinigung von Neuem Rückstände und Rostbildungen (Nachschlagen). Am Morgen nach der Reinigung sind daher die Gewehre — namentlich das Laufinnere — zu untersuchen und nötigenfalls nochmals zu reinigen. Dies hat auch mit den Gewehren zu geschehen, welche zunächst nicht wieder in Gebrauch genommen werden.

XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

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2. Reinigungs- und Schutzmittel.

Zum Reinigen werden gebraucht:

Wisch stock 93, aus federhartem Stahl, mit Holzbe­ kleidung und Messingkappen an beiden Enden, am Wischer­ ende mit Einkerbungen zur Aufnahme eines Wischpolsters. Derselbe darf nur in Verbindung mit dem Mündungsschoner verwendet werden. Die Benutzung beschädigter Wischstöcke (mit abgebrochenem oder verbogenem Wischerende, teilweise abgesplitterter Holz­ bekleidung oder dergleichen) ist untersagt. Ausbesserungen erfolgen, soweit angängig, durch den Büchsenmacher, sonst in der Gewehrfabrik. Nach jedem Gebrauche sind die Wischstöcke gut abzu­ wischen. Wisch strick, an den Enden mit Senkeln und in der Mitte mit einer Schlaufe zur Aufnahme eines lockeren Werg­ striemens von etwa Fingerstärke und ungefähr doppelter Fingcrlänge oder, falls die Benutzung von Werg nicht möglich ist, eines wollenen Lappens. Der Strick darf nur in Verbindung mit Mündungsschoner verwendet werden. Schmutzig gewordene, sowie stärker verölte Wischstrickc sind in Sodawasser auszukochen, demnächst abzuspülen und vor völliger Trocknung ausgespannt mit einem Tuchlappen zu glätten. Mündungsschoner, zum Schutz der Laufmündung beim Reinigen mit dem Wischstock 93 und dem Wischstrick. Nach jedem Gebrauch ist die Bohrung des Mündungs­ schoners auszuwischen und sodann hauchartig einzuölen. Werg (Hede), rein, langfaserig, frei von Stengelteilen, nicht Hanfwerg, sondern von Flachs gewonnen, hauptsächlich zur Reinigung des Laufinnern, der Schrauben und Spiral­ federn zu verwenden.

Lappen, leinene oder baumwollene, zum Rein- und Trockenwischen, weiche wollene als Öllappen.

Borstenpinsel, um Öl derart in die Wischpolstcr cinznstreichcn, daß bei deren Einführen das Öl nicht abflicßt. Holzspähne, mit Werg oder Lappen umwickelt, zum Entfernen von Schmutz aus den Schraubencinstrichen und von denjenigen Stellen, zn welchen man mit einem Lappen allein nicht gelangen kann.

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XVI. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

Rundholz, mit Kerben oder Einstrich, umwickelt mit Werg, im Notfall mit Lappen, zum Reinigen des Patronen­ lagers. Die zusammengeschraubten Stöcke aus zwei Gewehren nur im Notfall im Felde zu benutzen. Als Rostschutzmittel, sowie zum Reinigen und Einölen bezw. Fetten der Stahl- und Eisenteile dienen fettige Öle

und Fette, welche frei von Salzen, Säuren und Schleim­ teilen sind. Knochenöl oder Klauenfett zum Reinigen und Einölen bezw. Fetten des Laufinnern, des Visiers, der Schloßteile, der Abzugsvorrichtung, überhaupt aller Reibe­ stellen. Schweinefett, ungesalzen, billiges und vorzügliches Rostschutzmittel, aber zum Einfetten schwer zugänglicher Reibestellen des Gewehrs nicht geeignet. Vulkanöl, vorzügliches Mittel zum Lösen von Rost, verharztem Öl, fettigem Schmutz rc., sowohl an Metallteilen als am Schaft. Terpentinöl, ebenfalls vorzügliches Mittel zum Lösen von Rost, besonders aber von verharztem Öl, fettigem Schmutz am Schaft und an den Metallteilen. Petroleum, nur im Felde an Stelle des Vulkanöls bei Metall­ teilen zu verwenden.

Als Schutzmittel des Schaftes gegen Witterungs­ einflüsse dienen: Leinölfirnis und Wasfenfett. Letzteres ist auch Rostschutzmittel und besteht aus fünf Gewichts­ teilen Schweinefett und einem Gewichtsteil gelben, ungebleichten Bienenwachses, welche bei mäßiger Wärme unter stetem Umrühren gemischt sind.

3. Ausführung der Reinigung. a) 3n der Garnison.

(Nach Ermessen auch im Lager.) Bei der gewöhnlichen Reinigung genügt zumeist Ab­ tupfen bezw. Abstäuben des Laufmantels, der Visiereinrichtung, des Stocks und des Beschlags, äußerliches Abwischen des Schlosses, der Hülse sowie des Schafts, Auswischen des Kastens und der Hülse und erneutes, an den Reibestellen etwas stärkeres Einölen. Wenn erforderlich, ist auch das Laufinnere einzu­ ölen oder einzufetten und hat dann die Reinigung hiermit zu beginnen. Beim Einölen, Einfetten rc. des Laufs arbeiten zwei Mann zusammen in folgender Weise:

XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

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Nr. 1 nimmt unter Zurückdrücken des Schloßhalters das Schloß aus der Hülse, löst die Klammer des Gewehr­ riemens, nimmt den Mündungsdeckel ab und setzt den Mündungsschoner auf. Hierzu wird der Stock so weit gelöst, daß der am Mündungsschoner befindliche Haken um den Stock unterhalb des Kopfs greifen kann. Ein mäßiges Festschrauben des Stocks mit der Hand genügt nun, um einen festen Sitz des Mündungsschoners zu erzielen. Das Gewehr wird sodann — möglichst mit weicher Unterlage — auf einen Tisch oder dergleichen gelegt, und über den Kolbenhals zum Schutz gegen Öl ein Lappen ge­

hängt. Alsdann wird der Wischstock mit einem Wergpolster versehen, wobei besonders darauf zu achten ist, daß das Wischerende vollkommen und fest umwickelt und das Polster nach hinten zu allmählig dünner gehalten wird. Nachdem etwas Öl mit dem Borstenpinsel aus das Polster gestrichen worden ist, wird der Stock von Nr. 2 mit dem Griff­ ende voraus in den Lauf, unter Zurückdrücken des Schloß­ halters und ohne das Laufmundstück zu bestoßen, eingeführt. Nr. 2 umfaßt sodann das Gewehr mit der rechten Hand am Kolbenhals, mit der linken am Visier. Nr. 1 stellt sich breitbeinig mit zurückgenommenem rechten Fuß vor die Mündung, erfaßt das Gewehr mit der linken Hand in der Nähe des Oberrings und zieht den Stock mit der rechten Hand aus der Mündung heraus, indem er wiederholt vorgreift und zugleich derDrehung derZügc — den Stock nach links herumdrehend — folgt. Bietet das erste Durchziehen durch den gezogenen Teil Schwierigkeiten, so ist der Stock zurückzuschieben und das Polster durch Abzupfen von Werg dünner zu gestalten. Zu schwache Polster müssen durch nachträgliches Um­ wickeln mit dünnen Wergstriemen verstärkt werden und sind dann nochmals zu ölen. Nach dem ersten Durchziehen wird der Stock und der Mündungsschoner von unreinem Öl befreit, und das Durch­ ziehen in derselben Weise mehrere Male wiederholt. Ein Hin- und Herführen des Stocks ist verboten. Nur in Ausnahmefällen darf das Einölen rc. des Laufs von einem Mann vorgenommen werden. Hierauf wird das Patronenlager mit einem Rundholz, dessen Polsterung leicht geölt ist, ausgewischt. Das Gewehr — Gewehrriemen kurz — nebst Wischstock mit Polster wird

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XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

sodann dem Aufsichtführenden vorgestellt und nach Abstellen etwaiger Mängel zur übrigen Reinigung geschritten. Beim Abnehmen des Mündungsschoners ist der Stock in seinem Gewinde wieder um einige Gänge zu lösen. Nach Beendigung der Reinigung wird das Schloß unter Zurückdrücken des Schloßhalters in die Hülse ein­ geführt und die Kammer rechts herumgelegt. Nachdem der Schloßgang einschließlich des Sicherungsgangs geprüft worden ist, wird das Schloß unter Vorführen der Kammer und Zurückziehen des Abzugs entspannt. Ist das Gewehr naß geworden oder stark verstaubt, so muß eine gründlichere Reinigung der Waffe vorgenommen werden. Zur Reinigung des Laufiunern wird ein gut ge­ öltes Polster in der oben beschriebenen Weise durch den Lauf gezogen, der Stock und der Mündungsschoner von Feuchtigkeit oder unreinem Ol befreit, ein zweites ebenfalls gut geöltes Polster durch den Lauf gezogen, und alsdann die Reinigung des gezogenen Teils durch mehrmaliges Durch­ ziehen desselben Polsters beendet. Nach demnächstigem Auswischen und Einölen des Pa­ tronenlagers mit dem Rundholz erfolgt das Einölen des Laufinnern durch mehrmaliges Durchziehen eines neuen, mäßig geölten Polsters. Hat dem Aufsichtführenden der Befund des Polsters uno des Laufinnern genügt, so wird der Mündungsdeckel aufgesetzt und die übrige Reinigung vorgenommcn. Das Innere des Hülsenkopfs und der Hülsenbohrung werden mit dem werg- oder lappenumwickelten Rundholz zunächst gereinigt. Das Säubern der Ausdrehungen für die Kammer­ warzen, der Nuten der Hülse, des Schloßhalters, des Kastens und der Mehrladeeinrichtung, sowie der Abzugs­ vorrichtung erfolgt, soweit diese.Teile zugänglich sind, mit einem werg- und lappenumwickelten Spahn. Hieran schließt sich die Reinigung des Beschlags. Schmutz in den Schraubeneinstrichen ist mit einem zu­ gespitzten Holzstäbchen zu entfernen. An sämtlichen zugänglichen Reibestcllen, wie Abzugs­ stollen, Kammerbahn, Ausdrehung für die Kammerwarzen, ist mit einem Spahn oder einer Feder etwas Knochenöl oder Klauenfett aufzntragen.

XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

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DaS Schloß wird, um es zu reinigen, unter Anwen­ dung eines Schloßschlüssels in folgender Weise auseinander­ genommen: Schloß mit der linken Hand an der Kammer umfassen, Verschlußkopf nach vorn, Kammerknopf nach rechts zeigend; Schlößchen und Schlagbolzenmutter, mit der rechten Hand umfassend, etwas anziehen und, nach links drehend, Schlag­ bolzenfeder abspannen, Verschlußkops herausnehmen, Aus­ zieher abnehmcn. Schloßschlüssel vorsichtig auf die Schlagbolzenspitze setzen, Kammer mit Schloßschlüssel gegen die innere Fläche der rechten Hand drücken und soweit drehen, bis die Warze des Schlüssels in die Eindrehung der Kammer getreten ist; Sicherung mit dem Daumen der linken Hand nach vorn drücken und Schlagbolzenmutter abschrauben; Sicherung mit Sicherungsfeder und Schlößchen ab­ nehmen ; Schloßschlüssel durch die entgegengesetzte Drehung, wie beim Aufsehen, vorsichtig abnehmen, Schlagbolzen und Schlag­ bolzenfeder herausnehmen. Ist ausnahmsweise ein Schloßschlüssel nicht zur Stelle, so hat man nach Herausnahme des Verschlußkopfs die Schlagbolzenspitze aus eine feste Holzunterlage genau senk­ recht zu stellen und die Kammer soweit nach unten zu drücken, bis das Schlößchen entlastet wird. Nachdem die Schloßteile gereinigt sind, — ein gründ­ liches Abwischen wird, wenn kein Rost vorhanden ist, meist genügen — werden sie ein geölt. In einen entsprechend großen, reinen Lappen werden einige Tropfen Knochenöl oder Klauenfett geträufelt, gleich­ mäßig verrieben, die Schloßteile einzeln darin cingewickelt und mit beiden Händen eingerieben. Einlassungen und Boh­ rungen sind unter Zuhilfenahme von Holzstäbchen mit ein­ geöltem Lappen oder Werg hauchartig einzuölen. Die Reibe­ stellen, wie Kammerwarzen, Aussräsung für den Schlößchen­ ansatz, dieser selbst, Schlößchennase, Sicherungsschaufel und Sicherungsrast sind mit einem Spahn oder einer Feder mit etwas Knochenöl oder Klauenfett zu versehen; der Gewinde­ teil des Schlagbolzens und die Schlagbolzenfeder sind mit einem feinen Wcrgstreifcn auszudrehen. Alsdann wird das Schloß in folgender Weise zusammen­

gesetzt:

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XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

Schlagbolzenfeder auf den Schlagbolzen streifen und in die weitere Bohrung der Kammer hineinschieben; Kammer mit Schlagbolzen in die linke Hand nehmen, Schloßschlüssel auf die Schlagbolzenspitze setzen, Schloß mit Schloßschlüssel gegen die innere Fläche der rechten Hand drücken und soweit drehen, bis die Eindrehung der Kommet über die Warze des Schlüssels getreten ist; Schlagbolzen so drehen, daß seine Abflachung dem Kammerknopf entgegen steht; Schlößchen so auf den Schlagbolzen stecken, daß der Schlößchenansatz der entsprechenden Ausfräsung an der Kammer gegenüber steht; Sicherung mit Sicherungsfeder in die entsprechende Bohrung des Schlößchens einführen, Sicherung in der Linkslage nach vorn drücken, Schlagbolzenmutter auf­ schrauben, bis das Hintere Ende des Gewindeteils des Schlagbolzens sich mit der Hinteren Fläche der Schlagbolzen­ mutter vergleicht, ihre Nase in der Verlängerung der Schlößchennase steht und die Sicherung einspringt. Schloßschlüssel vorsichtig abnehmen, Verschlußkopf mit Auszieher so aussetzen, daß seine Führungswarze dem Kammerknopf entgegen steht; Schlößchen und Schlagbolzen­ mutter mit der rechten Hand voll umfassen, etwas anziehen und so weit nach rechts drehen, bis die Spitze des Schlößchen ansatzes in der Rast am Kammerboden steht, d. h. das Schloß spannen.

A MJst ausnahmsweise ein Schloßschlüssel nicht zur Stelle, so muß der Schlagbolzen mit Feder nach Einführung in die Kammer so gedreht werden, daß seine Abflachung dem Kammerknopf entgegensteht. Demnächst wird die Schlagbolzenspitze auf eine feste Holzunterlage genau senkrecht ge­ stellt und die Kammer nach unten gedrückt.

Nun wird das Schloß eingeführt und sein Gang ein­ schließlich des Sicherungsgangs geprüft. Schließlich werden Stock, Mündungsdeckel und Gewehr­ riemen gereinigt und deren Eisenteile hauchartig eingeölt. Nach dem Schießen — auch nach dem Schießen mit Platzpatronen — muß das Laufinnere mög­ lichst bald gereinigt werden, da sich sonst Rost bildet, und die Pulverrückstände schwerer zu entfernen sind.

XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

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Auf dem Schießstande ist das Laufinnere, wenn irgend angängig, im Anschluß an das Schießen zu ölen und zwar durch zweimaliges, langsames Durchziehen eines schwächeren, reichlich geölten Polsters. Auch hier darf der Wischstock nur mit Mündungsschoner benutzt werden. Die eigentliche Reinigung findet, wie folgt, in der Kaserne statt: Zunächst wird ein schwächeres, reichlich geöltes Polster zweimal und sodann ein ebenfalls reichlich geöltes Polster von gewöhnlicher Stärke einige Male langsam durch den Lauf gezogen. Hierauf werden Stock und Mündungsschoner von schmutzigem Öl befreit und der Lauf mit neuen, eben­ falls einige Male durchziehenden, gut geölten Polstern, die allmählich stärker gemacht werden müssen, nach­ gewischt, bis Polster und Ölung rein geblieben sind (Aus­

führung s. oben). Alsdann ist das Patronenlager auszuwischen und ein­ zuölen, sowie das Laufinnere durch mehrmaliges Durchziehen eines mäßig geölten Polsters einzuölen. Hat der Aufsichtführende Polster und Laufinneres fürrein erklärt, so wird zur übrigen Reinigung ge­ schritten.

Die Reinigung des Schlosses kann sich gewöhnlich auf Verschlußkopf, Auszieher, Auswerfer und Schlagbolzenspitze beschränken, welche rein zu wischen und einzuölen sind.

Ein Zerlegen des Schlosses wird erst notwendig nach mehrmaligem Schießen, oder wenn Pulvergase in das Schloß gedrungen sind (Zündhütchendurchschlagungen, Boden­ reißer der Patronenhülse oder dergleichen). Im übrigen ist wie oben beschrieben zu verfahren.

b) Mherhalb der Garnison.

(Im Felde, während der Herbstübungen rc.) Die Reinigung erfolgt, von der des Laufinnern abgesehen, wie in der Garnison.

Die tägliche Reinigung des Laufinnern, welche zweckmäßig der übrigen vorangeht, kann,.sich gewöhnlich auf das Durchziehen eines reichlich mit Öl getränkten Pol­ sters beschränken. Hierbei arbeiten wenn möglich zwei Mann gemeinschaftlich.

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XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

Von Nr. 1 wird das Schloß aus der Hülse entfernt, der Mündungsdeckel abgcnommen, die Klammer des Gewehr­ riemens gelöst und der Mündungsschoner aufgesetzt; dann von der Patroneneinlage aus, während Nr. 2 das Gewehr mit der Mündung nach unten hält, die eine Hälfte des Wifchstricks durch Lauf und Mündungsschoner gelassen, das Gewehr — möglichst mit weicher Unterlage — auf einen Tisch oder dergleichen gelegt, durch die Strickschlaufe ein Wergpolster gesteckt und dieses etwas seitlich des Gewehrs mit Hülfe des Borstenpinsels stark geölt.

Nachdem Nr. 2 den Kolbenhals mit der linken Hand — Daumen längs des Schafts — und mit der rechten das Strickende erfaßt hat, zieht Nr. 1 mit der rechten Hand — die linke Hand am Oberring — das Polster durch den Lauf und zwar soweit aus dem Mündungsschoner heraus, daß aus ihm das vordere Ende des Polsters um etwa doppelte Fingerbreite vorsteht, und tupft es ab. Demnächst zieht Nr. 2 das Polster bis in die Patroneneinlage zurück und dreht es derart in der Schlaufe um, daß die bisherige Außenseite nach innen kommt. Sowohl beim Vor- als auch beim Zurückführen muß Nr. 2 den Strick in Verlängerung der Seelenachse laufen lassen, um Reibungen im Patronen­ lager oder in der Hülse zu vermeiden. Sodann wird durch mehrmaliges Hin- und Herziehen des Polsters in der Richtung der Seelenachse das Einölen des Laufinnern vollendet. Sollte das Polster versehentlich ganz aus dem Mün­ dungsschoner herausgezogen worden sein, so muß es, um Stauchungen zu vermeiden, vor dem Zurückziehen so, wie in der Patroneneinlage, umgelegt werden.

Läßt sich das Polster sehr schwer durch den Lauf ziehen, so können die Enden des Stricks zu größerer Kraft­ entfaltung um ein rundes Holzstück gewickelt werden. Ein festsitzendes Polster läßt sich nach Eingießen von etwas Öl von der Seite aus, nach der es gezogen werden soll, meist wieder weiter ziehen. Ist ein zu starkes Polster im Lauf stecken geblieben, so muß es durch den Büchsenmacher oder dessen Gehilfen ent­ fernt werden. Die Reinigung mit dem Wischstrick kann nötigenfalls auch durch einen Mann ausgeführt werden, wenn ein Tisch

XIV Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

111

oder dergleichen zum Auflegen des Gewehrs zur Verfügung steht. Andernfalls sind dagegen zwei Mann erforderlich. In keinem Fall darf der Strick mit dem Boden in Be­ rührung kommen. Sollten im Felde Wischstricke verloren gegangen oder unbrauchbar geworden sein, sich auch nicht aus stärkerem Bindfaden Herstellen lassen, so können die zusammen­ geschraubten Stöcke von zwei Gewehren als Wischstock be­ nutzt werden. Ein solcher wird, nachdem ein Polster oder ein Wollappenstreifen in den Einstrich des Hinteren Stocks gezogen und stark geölt worden ist, das Schraubenende voran, von der Hülse aus durch den Lauf gesteckt. Beim Austritt aus der Mündung wird der Schloßschlüssel als Griff auf das Schraubende aufgeschraubt und der Stock durchgezogen. An den Ruhetagen muß das Schloß zerlegt und das Gewehr gründlich gereinigt werden. Das Laufinnere ist von etwa vorhandenen Pulverrückständcn mit stark geölten Polstern völlig zu reinigen und dann mit einem mäßig geölten Polster einzuölen. Im übrigen ist bei dieser Reinigung sinngemäß nach a zu ver­ fahren.

4. Die Pflege des Schaftes. Bei jeder Gewehrreinigung ist der Schaft mit einem reinen Lappen abzuwischen. Ein Entfernen von Staub oder Schmutz an den Ein­ lassungen mittelst Spahns ist verboten, weil hierdurch Holz abgeputzt bezw. das zum Verschmieren verwendete Wasfenfett beseitigt wird. Läßt sich Schmutz, verharztes Öl, Schwärze vom Leder­ zeug und dergleichen nicht durch Abwischen entfernen, so ist der Schaft mit einem in Vulkanöl bezw. Terpentinöl ge­ tränkten Lappen abzureiben oder mit heißem Wasser und Seife bezw. mit Sodalauge abzuwaschen und demnächst zu trocknen. Ein neuer Schaft muß wöchentlich mehrmals, ein alter mindestens einmal und überdies bei der außerordentlichen Reinigung gefirnißt werden, damit ein durch die Einflüsse der Witterung hervorgcrufenes Verziehen, welches die Schuß­ leistung des Gewehres beeinträchtigt, nach Möglichkeit ver­ mieden wird.

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XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

Zu dem Zweck träufelt man einige Tropfen Leinöl­ firnis auf ein wollenes Läppchen und reibt mit diesem den Schaft — besonders den langen Teil, sowie den Kolben­ hals — unter kreisförmiger Bewegung der Hand. Trägt man hierbei den Firnis zu stark auf, so wird der Schaft schmierig und verschmutzt dann besonders leicht.

Es empfiehlt sich, den Schaft einige Stunden nach dem Firnissen mit einem trockenen Lappen abzureiben. Nach dem Firnissen müssen die Gewehre möglichst bis zum nächsten Morgen unbenutzt bleiben. Ein rauher Schaft ist vom Büchsenmacher zu glätten.

5. Außerordentliche Reinigung.

Außerordentliche Reinigungen finden alljährlich nach den Herbstübungen, oder wenn besondere Umstände es er­ heischen, unter Aufsicht der Waffenoffiziere und mit Hilfe des Büchsenmachers durch geeignete Mannschaften statt. Hierbei werden die Gewehre ganz zerlegt. Um den Schaft gegen Nässe, den Laufmantel und die Hülse in der Schaftlage gegen Rost zu schützen, werden die Einlassungen des Schafts vor, undichte Stellen desselben nach dem Zusammensetzen mit Waffenfett bestrichen.

III. Die Munition 88. 1.

Die Patronen.

a) Die scharfe Patrone (Bild 22) besteht aus Patronenhülse, Zündhütchen, Pulverladung, Pappeblättchen und Geschoß.

Die Patronenhülse ist aus Messing, von flaschen­ förmiger Gestalt und hinten mit einer Eindrehung ver­ sehen, in welche die Kralle des Ausziehers greift. In der Mitte des Bodens liegt die Zündglocke mit dem Amboß für das Zündhütchen. Die Zündglocke hat zwei Zündöffnungen, durch welche der Zündstrahl in das Innere der Hülse dringt. Das Zündhütchen ist eine Kapsel von Messing, welche den mit einem Zinnblättchen bedeckten Zündsatz enthält.

Die Pulverladnng besteht aus Gewehr-Blättchenpulver.

DaS Geschoß besteht aus dem nickelkupferplattierten StahlblechMantel und dem Hartblei-Kern.

XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr

b) Die Platzpatrone (Bild 22) besteht aus Patronen­ hülse, Zündhütchen, Pulver­ ladung, Fließpappepfropfen und dem rot gefärbten Holzgeschoß. Die Hülse ist zur Unter­ scheidung von der scharfen Patrone mit einer ringförmigen Reifelung versehen. c) Die Exerzierpatrone a./A. besteht aus Patronenhülse mit eingelötetem Geschoß ans Messingblech und der leeren Zündhütchenkapsel.

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Bild 22. Die scharfe Die PlatzPatrone.

Die Exerzierpatrone Geschoß. 1. Holzgeschoß. n./A. ist in einem Stück aus 1. 2. Pappeblättchen. 2. Zwischenmittel. Pulverladung. 3. Pulverladung. Messing gefertigt. Zur besseren 3. Hülse mit Zünd- 4. Hülse mit Zünd­ Unterscheidung von scharfen 4. Hütchen. hütchen. und Platzpatronen ist der dem Pulverraum der Hüls e entsprechende Teil mit Längsrillen versehen.

2. Die Behandlung und Aufbewahrung. Sollen Patronen aus Rahmen entfernt bezw. in dieselben eingeführt werden, so müssen erstere genau den durch die Lade-Einrichtung geregelten Weg zurücklegen. Es darf hierbei nicht am Geschoß gezogen oder gerüttelt werden, die Patrone ist vielmehr an der Hülse anzufassen.

Ein Herausbrechen nach oben ist verboten. Lose Patronen jeder Art sind stets wieder in den Pa­ tronenrahmen einzuführen. Scharfe, Platz-und Exerzierpatronen dürfen in den Patrontaschen nicht ohne Packschachteln untergebracht werden. DiePatronen dürfen im Rahmen nichtschlottern. Um dies zu verhindern, genügt es zuweilen, dem leeren Rahmen durch Zusammenbinden der Wände die nötige Federkraft zu geben. Ist dadurch eine Abhilfe nicht zu be­ wirken, so muß Meldung erstattet werden. v. Parseval, Leitfaden.

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XIV. Das Gewehr 88 mit Seitengewehr.

Die Patronenrahmen sind durch hauchartiges Ein­ fetten mit säurefreiem Fett vor Rost zu schützen, dieselben dürfen nicht mit scharfen Mitteln gereinigt werden.

IV. -as Seitengewehr. Das Seitengewehr dient — auf das Gewehr auf­ gepflanzt — als Stoßwaffe.

Es besteht aus der Klinge mit Parierstange und der Angel, ferner dem Gefäß und der Scheide. (Bild 23 und 24.)

Bild 24.

Das Seitengewehr muß rein von Schmutz, Nässe und Rost sein. Das Blankmachen der Stahl- und Eisenteile ist verboten. Die Scheiden­ beschläge dürfen nur bei vollständig eingesteckter Klinge geputzt werden. Der Soldat soll sein Seitengewehr alltäglich untersuchen, ob sich an der einen oder anderen Stelle Rost zeigt, und ob die kleineren Stücke, wie Schrauben rc. noch vorhanden sind. Etwaige Fehler müssen sofort gemeldet werden. Klinge, Gefäß und Scheide sind erst mit einem reinen, trockenen und dann der Kasten des Griffes, sowie alle Stahl- und Eisenteile mit einem leicht gefetteten Lappen aus- bezw. abzuwischen.

XV. Das Schießen.

115

Beim Abwischen der Klinge soll diese nicht mit der Spitze gegen die Wand oder den Fußboden gesetzt, sondern das Seitengewehr mit der einen Hand frei gehalten werden, während die andere Hand die Klinge abwischt. Ist die Scheide naß geworden, so ist dieselbe in einem erwärmten Zimmer, doch nicht zu nahe am Ofen, oder im Sommer an der Luft an einer Stelle, wo sie den unmittelbaren Sonnenstrahlen nicht aus­ gesetzt ist, zu trocknen. Ein scharfes Putzen der Waffe ist, selbst wenn sie stark verrostet sein sollte, durchaus nicht gestattet. Vorkommende Rostflecken sind einzufetten, bis der Rost gelöst ist und sich entfernen läßt. Biegen, Flachschlagen, Schlagen und Stechen gegen feste Körper sind verboten.

XV. Das Schießen. Durch die Schießübung soll der Infanterist diejenige Ausbildung erhalten, die er für den wirksamen Gebrauch der Schußwaffe im Gefecht bedarf. Je besser der Einzelne schießt, desto besser schießt auch die große Menge, desto größere Ver­ luste werden dem Feinde beigebracht, desto unwiderstehlicher wird unser Angriff und desto zäher und nachhaltiger unsere Verteidigung. Schon nach dem ersten Dienstjahre muß der Infan­ terist in dem kriegsmäßigen Schießen geübt sein. In der weiteren Dienstzeit wird auf Vervollkommnung und Befestigung des Erlernten hingearbeitet. Die Schießausbildung gliedert sich in: 1. die vorbereitenden Übungen; 2. das Schulschießen; 3. das gefechtsmäßige Schießen. Durch „Belehrungsschießen" wird der Soldat mit der Leistung seiner Feuerwaffe (Treffgenauigkeit, Durchschlagskraft u. s. w.) bekannt

A. Schießkehre. I. Allgemeines. 1. Der Vorgang in der Waffe beim Schuß. Beim Abziehen des Gewehres gelangt durch den Schlag des vorschnellenden Schlagbolzens der Zündsatz des Zünd­ hütchens und durch diesen das in der Patrone eingeschlossene Pulver zur Entzündung und Verbrennung. Das verbrennende Pulver zersetzt sich unter Entwickelung großer Hitze in Gase (Pulvergase), welche das Bestreben 8*

116

XV. DaS Schießen.

haben, sich mit großer Schnelligkeit und Gewalt auszudehnen. In dem engen Raume der Patrone eingeschlossen, üben daher die Pulvergase einen ungeheueren Druck nach allen Seiten aus. Nach rückwärts und seitwärts wird aber dieser Druck zunächst durch die Patronenhülse, und weiterhin durch die Widerstandsfähigkeit der Laufwände, sowie durch den Verschluß aufgehoben. Es kann daher der Druck der Gase nur nach vorwärts wirken, und dieser treibt das Geschoß mit allmählich sich steigernder Geschwindigkeit nach vorne in die Züge des Laufes. Da nun die zwischen den Zügen stehen gebliebenen Felder einen geringeren Durchmesser besitzen als das Geschoß, so passen sich dieselben in den Geschoßmantel ein und zwingen das Geschoß, der Windung der Züge — dem Drall — zu folgen. Das Geschoß nimmt dadurch eine Drehung um seine eigene Längenachse an, vermöge welcher es — wie ein Bohrer das Holz — die Luft mit der Spitze stets nach vorne durchschneidet. Der Drall verhütet sonach ein Überschlagen

des Geschosses. 2. Die Geschoßbahn.

Der vom Geschoß nach dem Austritt aus dem Laufe in die Lust zurückgelegte Weg heißt Geschoßbahn. c1

Das Geschoß würde nun in Richtung der Seelenachse gleichmäßig und unaufhörlich sich fortbewegen, wenn nicht folgende Einflüsse auf die Geschoßbahn dies verhinderten: 1. Vermöge seiner Schwere (auch Anziehungskraft der Erde genannt) senkt sich das Geschoß — ähnlich wie ein mit der Hand geschleuderter Stein — während des Fluges mehr und mehr zur Erde und fällt um so geschwinder, je weiter es fliegt. 2. Gleichzeitig verlangsamt der Widerstand der Luft die ursprüngliche Fluggeschwindigkeit des Geschosses.

XV. Das Schießen.

117

Hieraus folgt, daß die Geschoßbahn gekrümmt ist, und zwar am Ende mehr als am Anfang. Um in bestimmter Höhe ein Ziel zu treffen, muß man demnach dem Lauf eine derartige Lage geben, daß die nach vorwärts verlängerte Seelenachse um so viel über jenes Ziel gehoben ist, als das Geschoß bis zur Erreichung desselben fällt.

Sind in Bild 25 ab die verlängerte Seelenachse, b das Ziel, bc das Maß, um welches das Geschoß beim Zurücklegen der Strecke a c fällt, so muß, um b zu treffen, die verlängerte Seelenachse um bc gehoben, d. i. auf c* gerichtet werden. Den Winkel bac1, um welchen hierbei die verlängerte Seelenachse gehoben wird, nennt man den Erhöhungswinkel.

3. Die einzelnen Teile der Geschoßbahn. Die Geschoßbahn (Bild 26) erhebt sich anfangs, der Richtung der Seelenachse folgend, über die Visierlinie, bildet bis zur Erreichung ihres höchsten Punktes, des Scheitel­ punktes, den aufsteigenden Ast, senkt sich dann wieder

und trifft zum zweiten Male die Visierlinie, vom Scheitel­ punkte den absteigenden Ast bildend. Infolge der zunehmenden Krümmung der Geschoßbahn liegt deren Scheitelpunkt nicht in ihrer Mitte, sondern am Ende ihres dritten Fünftels. Der aufsteigende Ast ist daher länger und gestreckter als der absteigende. Ersterer bildet mit der Bisierlinie den AbgangSwinkel, letzterer den Einfallswinkel, welcher stets der größere ist.

Der senkrechte Abstand irgend eines Punktes der Ge­ schoßbahn von der Visierlinie heißt die Flughöhe des Geschosses für die betreffende Entfernung fz. B. in Bild 26 ist bf die Flughöhe für die Entfernung af). Die Entfernung ac, auf welcher Geschoßbahn und Visierlinie sich wiederholt schneiden, wo also Halte- und Treffpunkt zusammenfallen, nennt man dit Visierschuß­ weite und den betreffende Schuß den Visierschuß. 4. Die Visiereinrichtung. Die Visiereinrichtung besteht aus Visier und Korn. Die von der Mitte der Kimme des Visiers nach der

118

XV. Das Schießen.

Kornspitze gedachte Linie heißt Visierlinie. Indem man diese mit dem Auge auf einen bestimmten Punkt richtet, zielt man. Man nennt: Ziel- oder Haltepunkt den Punkt, auf welchen die verlängerte Visierlinie gerichtet sein soll; Ab­ kommen den Punkt, auf welchen jene Linie beim Losgehen des Schusses thatsächlich gerichtet war; Treffpunkt oder Sitz des Schusses den Punkt, welchen das Geschoß beim Einschlagen erreicht.

Man sagt: 1. in das Ziel gehen, wenn der Halte- oder Ziel­ punkt in das Ziel gelegt wird. 2. Ziel aufsitzen, wenn der Haltepunkt an den unteren Rand und 3. Ziel verschwinden lassen, wenn der Haltepunkt an den oberen Rand des Ziels gelegt wird.

Würde die Visierlinie gleichlaufend zur Seelenachse gelegt, so könnte zwar durch Höherhalten ein Treffen des Ziels erreicht werden, man müßte jedoch den Haltepunkt oft über dem Ziele suchen. Letzteres würde aber das Zielen erschweren, oft unmöglich machen. Es muß daher angestrebt werden, den Haltepunkt auf oder dicht unter das Ziel zu legen.' Um hierbei das Treffen zu ermöglichen, muß die verlängerte Seelenachse am Ziel sich über der Visierlinie befinden (Bild 27), die­ selbe also vor der Mündung schneiden. Es ist dies erreicht worden, indem der Visierkimme eine höhere Lage über der Seelenachse als der Kornspitze gegeben, und ferner die Einrichtung getroffen wurde, daß die Erhebung der Kimme über der Seelenachse mit dem Wachsen der Zielentfernung eine größere werden kann, während die Höhe des Korns dieselbe bleibt. Infolgedessen erhält beim Zielen der Lauf eine solche Lage, daß die über die Mündung hinaus verlängerte Seelenachse so viel über das Ziel gehoben wird, als das Geschoß bis zur Erreichung desselben fällt (Bild 25). Der durch die Neigung der Visierlinie zur Seelenachse entstandene Winkel a b c heißt der Bisierwinkel (Bild 27).

II. Zielen. Zielen heißt Auge, Visierkimme, Kornspitzc und Halte­ punkt in eine gerade Linie bringen.

119

XV. Das Schießen.

Es muß also beim Zielen dem Gewehre eine solche Höhen- und Seitenrichtunq gegeben werden, daß das Ziel getroffen wird. 1. Die Höhenrichtung giebt man dadurch, daß man das der Entfernung entsprechende Visier wählt und gestrichen Korn nimmt. 2. Die Seitenrichtung wird genommen durch wage­ rechte Stellung des Visierkammes.

a) Arten des KornnehmenS. c.

b.

a.

Bild 28.

Man unterscheidet: 1. gestrichen Korn, wenn man Kornspitze und Visier­ kamm in gleicher Höhe sieht (Bild 28 a); 2. Vollkorn, wenn die Kornspitze über den Visier­ kamm hervorragt (Bild 28 b); 3. Feinkorn, wenn die Kornspitze unter dem Visier­ kamm liegt (Bild 28 c). Es soll regelmäßig gestrichen Korn genommen werden, weil bei jeder der beiden anderen Arten vielfache Abstufungen und daher Zielfehler möglich sind. Feinkorn erzeugt Kurzschuß, Voll körn dagegen Hochschuß. Gute Schützen dürfen indessen absichtlich Voll- oder Feinkorn nehmen, um beim Schießen auf ein kleines Ziel statt eines ungünstigen Haltepunktes einen besseren sich zu verschaffen.

b) Zielfehler. 1. Voll- und Feinkorn von schlechten Schützen unabsichtlich genommen. 2. Gewehrverdrehen, wo­ bei der Visierkamm nicht wagerecht, sondern nach der einen oder anderen Bild 29. Seite geneigt wird. Das Geschoß

V

120

XV. Das Schießen.

weicht nach der Seite ab, nach welcher verdreht wird; außer­ dem schlägt das Geschoß etwas kurz ein.

3. Korn klemm en. Stellt man die Kornspitze nicht scharf in die Mitte der Kimme, sondern seitlich derselben, so klemmt man. Links geklemmtes Korn (Bild 29) ergiebt Links-, rechts geklemmtes Rechtsschutz. c) Äußere Einwirkung beim Schieße«.

Seitlich wehender Wind treibt das Geschoß zur Seite, und zwar um so mehr, je größer die Entfernung und je stärker der Wind ist. (Starker, senkrecht zur Schußrichtung wehender Wind kann z. B. auf 1000 m eine Seitenabweichung bis zu 10 m herbeiführen.) Starker Gegenwind ergiebt Kurzschuß. Schwere, feuchte Luft bietet dem Geschoß größeren Widerstand als trockene, dünne Luft. Erstere ver­ ursacht Kurzschuß, letztere Weitschuß. Ein von oben hell beleuchtetes Korn erscheint dem Auge größer als sonst. Man wird daher unwillkürlich das Korn nicht so hoch wie notwendig in die Kimme bringen, also zu kurz schießen. Umgekehrt werden trübe Witterung, Waldlicht, Dämmerung leicht dazu verleiten, das Korn höher als nötig in die Kimme zu nehmen, wodurch Hochschuß erzeugt wird. Wird das Korn stark von einer Seite beschienen, so erscheint die hell beleuchtete Seite größer als die dunkle. Man ist daher geneigt, nicht die Kornspitze, sondern den heller beleuchteten Teil des Korns in die Mitte der Visier­ kimme zu bringen, und wird eine Abweichung des Geschosses nach der dunklen Seite hin die Folge sein.

III. Anschlag, Abziehen und Abkommen. 1. Anschlag.

Bei allen Arten des Anschlages muß der Körper fest, aber frei und ungezwungen gehalten werden. Jede un­ natürliche Körperverdrehung, sowie jeder übermäßige Kraft­ aufwand stört die ruhige Lage des Gewehrs oder erschwert dem Auge das Zielen. Auch schlecht angepaßte Bekleidungs­ und Ausrüstungsstücke hindern den freien Gebrauch der Waffe. Die Ausführung „eines richtigen Anschlags in allen Körperlagen ist Sache der täglichen Übung und Unterweisung und wird daher hier weggelasscn.

XV. Das Schießen.

121

2. Abziehen.

Die Art des Zurückführens des Abzugs bis zur Schuß­ abgabe (Abziehen) hat einen außerordentlichen Einfluß auf das Treffen. Fehler beim Abziehen sind: a) ruckweises Abziehen, Abreißer: des Schusses in der Besorgnis, den richtigen Augenblick zur Abgabe des Schusses zu verfehlen; b) das „Mucken", wobei der Kopf nach vorn geneigt, das rechte Auge geschlossen, die rechte Schulter vorgebracht und so der Schuß blindlings abgerissen wird. In beiden Fällen kann weder von einer Sicherheit in der Ab­ gabe des Schusses überhaupt, noch in der Bestimmung des Sitzes desselben die Rede sein.

3. Abkommen.

Das richtige Melden des Abkommens ist von größter Bedeutung für einen ruhigen, überlegten Schützen, weil nur dann beim nächsten Schusse Einflüsse der Beleuch­ tung, des Windes oder auch Fehler des Gewehrs selbst berichtigt werden können. Wenn der Schütze sein Abkommen nicht weiß, so hat er dies durch die Meldung: „ungewiß abgekommen" auch einzugestehen. Außer­ dem haben Schützen 2. Klasse stets das Abkommen, Schützen der übrigen Klassen den Punkt anzumelden, wo sie die Scheibe vermutlich ge­ troffen haben.

IV. Weranwen-ung und Haltevorschrift. Das Standvisier hat Visierschuß auf 250 m, die kleine Klappe auf 350 m, die übrigen Visiere auf den ihrer Be­ nennung entsprechenden Entfernungen. Bei Benutzung der Visiere ist indessen außerdem die Eigentümlichkeit des Ge­ wehrs, der Einfluß der Luft, sowie die Beschaffenheit der Munition maßgebend, und hat der Schütze stets dasjenige Visier zu wählen, welches ihm das beste Abkommen auf das zu beschießende Ziel verschafft. Der Schütze muß das Be­ streben haben, mitten in denjenigen Teil des Ziels zu treffen, welcher ihm bei seiner Ausdehnung nach Höhe und Breite die sicherste Wirkung in Aussicht stellt. Der Haltepunkt ist demnach in, unter oder über dem beabsichtigten Treffpunkt zu suchen und gleichzeitig den gemachten Beobachtungen durch entsprechendes Höher-, Tiefer- oder Seitwärtshalten Rech­ nung zu tragen. Je kleiner die Ziele, desto mehr wird die sorgfältige Anwendung obiger Vorschriften erforderlich.

122

XV. Das Schießen.

V. Schulschießen. 1. Verhalten der Schützen. a) Auf dem Schießstand muß die größte Ruhe und herrschen. b) Jeder Schütze hat das kleine Schießbuch zur Stelle.

Ordnung

Auf unrichtiges Aufschreiben der Schüsse findet, sofernesvorsätzlich geschehen, § 139 desMilitär-StrafGesetzbuches Anwendung*).

c) Auf dem Stand stellt sich die schießende Abteilung — in der Regel nicht stärker als fünf Mann — mit geöffneten Gewehren einige Schritte hinter dem Standort des Schützen der Scheibe gegen­ über auf. Der einzelne Schütze tritt mit Gewehr beim Fuß vor und nimmt die,, für die Übung vorgeschriebene Stellung ein. Er ladet, außer bei Übung 15 der 2., und den Übungen 11 der 1. und beson­ deren Klasse einen vollen Rahmen mit Patronen ohne Kommando und ohne Anwendung der Sicherung. d) Setzt der Schütze ab, bevor er geschossen hat, ohne fort­ treten zu wollen, so läßt er sein Gewehr in fertig gemachtem Zustande, andernfalls ist dasselbe zu sichern. e) Versagt eine Patrone, so wird langsam abgesetzt und das Gewehr vorsichtig geöffnet, um bei etwaigem Nachbrennen des Zündhütchens nickt beschädigt zu werden. Dann wird der Patrone im Patronenlager eine andere Lage gegeben. Versagt sie dessen­ ungeachtet wieder, so ist sie in ein anderes, bis dahin als tadellos bekanntes Gewehr einzuladen. Wird die Patrone auch in diesem bei einmaligem Abdrücken nicht zur Entzündung gebracht, so ist sie als „Versager" zu bezeichnen und dem Schießuuteroffizier zu übergeben. Versager und unbrauchbare Patronen werden in die Schießkladde und in das Schießbuch eingetragen. Gleiches hat zu geschehen, wenn sich nach dem Schuß herausstellt, daß eine Hülse Längs- oder Querrisse erhalten hat, oder Patronenrahmen beschädigt sind.

f) Nachdem d er Schuß angezeigt ist, meldet der Schütze unter Angabe seines Namens das Treffergebnis. Er ladet dann von neuem und sichert. Hierauf tritt der Schütze in die Abteilung zurück und mit dem gesicherten Gewehr zur Abgabe eines Schusses vor, wenn die Reihe wieder an ihn kommt. Er darf sich erst dann schußbereit machen, wenn die Scheibe sichtbar gemacht worden ist.

g) Hat der Schütze abgeschossen, so ladet er nicht wieder. Er entfernt die Hülse bezw. den Rahmen mit den darin befindlichen Patronen, läßt das Gewehr offen und tritt ein. b) Laden, Sichern, Entsichern und mit der Front nach der Scheibe auszuführen.

Entladen

sind

*) § 139 des Militär-Strafgesetzbuches lautet: „Wer vorsätzlich unrichtige Dienst­ atteste ausstellt oder Rapporte, dienstliche Meldungen oder dienstliche Berichte unrichtig abstattet oder solche wissentlich weiter befördert, wird mit Gefängnis von 6 Monaten bis zu 3 Jahren und mit Versetzung in die 2. Klasse des Soldatenstandes bestraft. In minder schweren Fällen tritt mittlerer oder strenger Arrest oder Gefängnis oder Festungshaft bis zu 6 Monaten ein.

XV. Das Schießen.

2

123

Schießklassen; Schützenabzeichen und Schicßpreise.

Der 2. Schießklasse gehören die Mannschaften der jüngsten Jahresklasse und die noch nicht ausgebildeten Schützen der älteren Jahresklasse, der 1. Klasse die aus­ gebildeten Schützen an. Schützen, welche alle Bedingungen der 1.,Klasse zweimal erfüllt haben, bilden die besondere Schießklasse. Über die Schieß­

klasse wird ein Vermerk in die Entlassungspapiere ausgenommen. Das Schulschießen zerfällt für jede Klasse in eine Vornnd Hauptübung. Zur Kennzeichnung guter Schützen werden an Unteroffiziere und Mannschaften Sch.ützen abz eich en verliehen Dieselben bestehen in einer Fangschnur, welche bei wiederholter Erwerbung in 8 ver­ schiedenen Abstufungen (in weißblauer Wolle, silverdurchwirkt, mit ver­ schiedener Anzahl Eicheln, mit und ohne Medaille) verliehen werden. (Tafel II) Die Schützenabzeichen werden bei Paraden, Besichtigungen, im Wacht- und Ordonnanzdienste, beim Manöver und im Felde, sowie grundsätzlich dann getragen, wenn die Mannschaft bessere Bekleidungs­ stücke anlegt. Es dürfen nur solche Abzeichen getragen werden, welche vom ausgebenden Truppenteile gestempelt sind. Das Tragen unge­ stempelter Abzeichen ist ebenso wie das unberechtigte Anlegen solcher verboten und strafbar. Über den Erwerb von Schützenabzeichen wird eine Bescheinigung ausgestellt und in den Entlassungspapieren ebenfalls Vermerk gemacht. Zur Erhöhung der Freudigkeit am Schießdienste werden an Unteroffiziere und Gemeine Schießpreise, bei den Jägerbataillonen auch Schießzulagen gewährt. Soldaten 2. Klasse sind hievon sowie von den Schützenabzeichen ausgeschlossen. Diejenige Kompagnie, welche in ihrer Gesamtleistung im Schießen als die beste im Armeekorps befunden wird, erhält ein von sämtlichen Mannschaften am rechten Oberarm zu tragendes Königsabzeichen. (Tafel II.) Wird dieses von einer Kompagnie (oder Batterie) wieder­ holt erworben, so legen die Unteroffiziere und Kapitulanten derselben zu den zuerst erworbenen Königsabzeichen die Jahreszahlen der neu hinzutretenden an.

B. Werwerrditrrg des Gewehrs. I. Lchnßleistnng im allgemeinen. Die Schußleistungen hängen ab: l.Von der Gestalt der Geschoßbahnen, 2. von der Treffgenauigkeit, 3. von der Geschoßwirkung.

1. Gestalt der Geschoßbahn.

Je flacher die Geschoßbahnen sind, desto günstiger sind dieselben. Diejenige am ebenen Boden gemessene Strecke,

124

XV. Das Schießen.

innerhalb welcher sich die Geschoßbahn nicht über Zielhöhe (Rciterhöhe, ganze, halbe oder viertel Mannshöhe) erhebt (Bild 30), wird der bestrichene Raum genannt. Geschossbahn

Bild 30.

Die Länge dieses Raumes ist in erster Linie abhängig von der Schußweite und der damit fortwährend zunehmenden Krümmung der Bahn, demnächst von der Zielhöhe. Gegen Ziele von Reiter- oder Mannshöhe ist er größer als gegen liegende oder kniende Ziele.

2. Treffgenauigkeit.

Die Geschosse, welche aus derselben Waffe und bei gleicher Lage des Laufs abgefeuert werden, beschreiben ver­ schiedene Bahnen, welche in ihrer Gesamtheit die Geschoß­ garbe genannt werden. Dieselbe bildet einen hornförmig gebogenen Kegel, dessen Spitze in der Laufmündung liegt (Bild 31). Es verteilt sich daher eine Reihe von Schüssen, auf einer senkrechten Wand aufgefangen, über eine mehr oder

minder große Fläche von der Gestalt eines Eies, dessen senkrechte Achse die längere ist. Diese Fläche wird die senkrechte Treff- und Streuungsfläche (senkrechtes Trefferbild) genannt. Die Größe dieser Trefffläche nimmt mit der Entfernung des Zieles zu. Bild 31 x, x1, x2. Der Mittelpunkt einer solchen Treffflüche wird durch die Lage des mittelsten Schusses bezw. eines Punktes — Bild 31, Punkt b — bestimmt, welcher ebensoviel Treffer über wie unter sich, zur Rechten wie zur Linken hat. Die durch diesen Mittelpunkt gehende Bahn ab heißt die mitt elfte Ge­ schoßbahn (Bild 31). Auf dem ebenen Boden verteilen sich die Geschosse in einer langgezogenen Fläche von an-

XV. Das Schießen.

125

annähernd bestimmter Länge, der wagerechten Treff- oder Streuungsfläche, und liegen in der Mitte dichter als an den Enden. Je geschlossener die Geschoßgarben und je kleiner die senkrechten Trefflächen sich gestalten, um so größer ist die Treffgenauigkeit.

3. Geschoßwirkung. Abgesehen von der Widerstandsfähigkeit des Zieles ist die Geschoßwirkung abhängig von der Durchschlagskraft und dem Geschoßquerschnitt und dessen Belastung In der Masse der Gewehre befinden sich solche, welche regelrecht hoch oder kurz schießen. Dadurch, sowie durch die Fehler im Abkommen der Schützen nehmen bei gleich­ zeitiger Verwendung einer größeren Zahl von Gewehren

Bild 32.











O «•••*, ••• • • • * * • • * • • • •

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Bild 33.

die Geschoßgarbe (Bild 32) und daher die Trefflächen an Ausdehnung zu, insbesondere findet eine sehr erhebliche Verlängerung der wagerechten Treffläche nach vor- und rückwärts (Bild 33) statt. Auf letzterer häufen sich, da die Zahl der ganz oder annähernd regelrecht schießenden Gewehre vorherrscht, die Geschosse bezw. Treffer, wie bei den Schüssen aus dem einzelnen Gewehr, am dichtesten in der Mitte.

126

XV. Das Schießen.

4. Schubleistungen des Gewehrs 88. ^Geschwindigkeit des Geschosses 25 m vor der Mündung im Durchschnitt 620 m.

b) Gesamtschußweite ungefähr 4000 m bei einem Erhöhungswinkel von etwa 32°. c) Mittlere Flughöhen (Bild 34) der Geschosse in Meter über, bezw. unter der wagerechten Visierlinie: Bei Anwendung des Visiers

50 100 150 200 250

des Standvisiers der kleinen Klappe 450 500 550 600

0,1 0,2 0,4 0,4 0,5 0,6

0,2 0,4 0,7 0,8 1,0 1,1

0,2 0,5 0,9 1,1 1,4 1,6

0,2 0,6 1,1 1,4 1,7 2,0

300

350

450

400

500

550

600

0 —0,3 0,5 0,3 0 -0,5 1,1 0,9 0,5 0 -0,7 1,1 0 1,5 -0,8 1,5 1,4 1,1 0,6 0 0,8 1,9 2,0 1,9 —1,0 1,7 1,3 0,9 2,4 2,1 1,6 0 2,3 2,5 2,5

d) Treffgenauigkeit.

(Bild 35.)

Auf den Ent- 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 600 700 800 900 1000 ernungen von m Höhenstreuung in cm Breitenstreuung in cm

25O'm

6

11

17

25

34

46

57

70

85 102 140 170 206 249 298

4

10

15

20

26

30

37

42

48

35O’m.

500 m..

53

64

88 112 136 160

KOv'm.

....... M....... ,

Bild 35.

Bild 35 veranschaulicht gleichzeitig die Treffwahrschein­ lichkeitsgrenzen (s. S. 127 Ziff. II, 1).

XV. Das Schießen.

127

e) Geschoßwirkung. 1. Gegen H olz: Auf 100in wird 80 cm starkes „ 400 „ „ 45 „ ,, 800 „ „ 25 „ 1800 „ „ 5 „ trockenes Tannenholz durchschlagen.

2. Gegen Eisen: 7 mm starke eiserne Platten werden dis etwa 300 m durchschlagen; 8 mm starke Stahlplatten bester An­ fertigung erhalten bis etwa 50 m unbedeutende Eindrücke, darüber hinaus hören auch diese auf. 3. Die Eindringungstiefe in Sand und Erde beträgt höchstens 90 cm. Ziegel mauern von der Stärke eines halben Steines können mit einem Schuß durchschlagen werden; stärkere, wenn mehrere Schüsse dieselbe Stelle treffen.

II. Gefechtsmäßiges Schießen. Das gefechtsmäßige Schießen ist der End­ zweck der gesamten Schießausbildung und des­ halb deren wichtigster Teil. Dasselbe soll Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften Ge­ legenheit geben, ihre Schießfertigkeit zu vervollkommnen, sowie die im Exerzier-Reglement für die Gefechtsausbildung gegebenen Regeln unter Verhältnissen zur Anwendung zu bringen, welche denen der Wirklich­ keit möglichst nahe kommen.

Das gefechtsmäßige Schießen gliedert sich in:

das Einzelschießen und das Abteilungsschießen (in Gruppen, Zügen oder größeren Abteilungen).

1. Feuerwirkung. Bei richtiger Verwendung der Waffe kann noch von jedem Schuß ein Treffer erwartet werden:

Innerhalb 250 m gegen alle Ziele, bis 350 m gegen einen einzelnen, knieenden Gegner, bis 500 m gegen eine kieende Rotte (die Leute dicht nebeneinander), bis 600 m gegen eine stehende Rotte (die Leute dicht nebeneinander) und einen einzelnen Reiter.

128

XV. DaS Schießen.

Beim Abteilungsschießen breiten sich die Geschosse auf einer langgestreckten Fläche — in der Mitte dichter als an den Enden verteilt — aus. Diese Fläche — der mit Feuer gedeckte Raum — beginnt und endet bei dem Visier 600 m und den höheren Visieren unter gewöhnlichen Verhältnissen bei einem zur Visier­ linie gleichlaufenden Gelände etwa 50 m vor, bezw. 50 m hinter der Visierschußweite. Zwei um 100 m auseinander­ liegende Visiere decken einen Raum von 200 m. Gegen niedrige Ziele ist auf Entfernungen bis 600 m (nahe Entfernungen) Erfolg zu erwarten, auf Ent­ fernungen über 600 m aber nur unter Einsetzung einer bedeutenden Munitionsmenge durchschlagende Wirkung zu erlangen. Hohe Ziele können noch zwischen 600 und 1000 m (mittlere Entfernungen) mit gutem Erfolg beschossen werden. Das Feuer über 1000 m (weite Entfernungen) erfordert im Verhältnis zum wahrscheinlichen Treffergebnis viel Munition und darf daher nur gegen solche Ziele ange­ wendet werden, welche vermöge ihrer Höhe und gleichzeitigen Ausdehnung nach Breite und Tiefe günstige Trefflächen bieten. Je mehr die Feuerwirkung der Zeit und dem Ziel nach zusammengedrängt wird, desto größer ist ihr Einfluß auf die Haltung des Gegners.

2. Visieranwendung und Haltevorschrift.

Bisierauweuduug. a) Für Anwendung des Visieres bis 600 m siehe Seite 121. b) Bis 800 m wird grundsätzlich mit einem Visier geschossen. c) Über 800 m werden in der Regel zwei um 100 m auseinanderliegende Visierstellungen gleichzeitig verwendet. Ergibt die Beobachtung die zutreffende Visierstellung, so ist sofort zum Schießen mit einem Visier überzugehen.

Zwei Visiere werden auf die Glieder, und zwar das niedrigere auf das 1., das höhere auf das 2. Glied, verteilt. Abteilungen unter Zugstärke schießen nicht mit zwei Visieren.

XV. Das Schießen.

129

Haltevorschrist. Die Schützen lassen beim Abteilungsschießen Ziel auf­ sitzen. Wird ein zweckmäßigerer Haltepunkt erkannt, so ist derselbe bei vorhandener Feuerleitung zu befehlen, bei nicht vorhandener Feuerleitung von den Schützen selbst zu wählen. Beim Einzelfeuer gelten die Regeln des Schulschießens.

3. Feuerleitung und Feuerdisziplin.

A. Feuerleitung. Unter Feuerleitung versteht man die Bestimmung des Zeitpunktes zur Eröffnung des Feuers, der Ziele, des Visiers und der Feuerart. Die Feuerleitung durch den Kompagnie-, Zugs- und Gruppenführer schafft erst die eigent­ liche Feuerkraft. Ohne Feuerleitung ist im Gefecht kein Erfolg zu erzielen.

Wenn sich beim Einrichten einer Verteidigungsstellung Zeit und Gelegenheit bieten, werden die Entfernungen nach besonders scharf hervortretenden Punkten des Vorgeländes, au welchen der Gegner voraussichtlich auftreten wird, durch Abschreiten oder Abmessen ermittelt und bekannt gegeben. Für die Wahl des Ziels ist zunächst dessen Bedeutung ent­ scheidend; demnächst wird das Feuer auf solche Ziele zu richten sein, welche vermöge Höhe, Tiefe, Breite und Dichtigkeit eine hohe Treff­ wirkung in Aussicht stellen. Ein zu häufiger Wechsel der Ziele führt zur Zersplitterung des Feuers und ist daher zu vermeiden.

Für die Lebha ftigkeit des Feuers gelten folgende allgemeine Regeln: 1. Die Lebhaftigkeit des Feuers richtet sich nach dem Gefechtszweck, der Beschaffenheit des Ziels und der vor­ handenen Munition. Ungünstige Beleuchtung wirkt häufig mäßigend auf die Feuergeschwindigkeit.

2. Gegen niedrige, auf mittleren Entfernungen befind­ liche Ziele darf, wenn überhaupt gefeuert wird, nur langsam geschossen werden. 3. Lebhaftes Feuer ist auf den nahen Entfernungen und gegen solche Ziele angezeigt, welche nur auf kurze Zeit in günstiger Zielhöhe sichtbar sind (vorgehende feindliche Schützen von 800—1000 m).

4. Gegen Artillerie wird auch auf Entfernungen jenseit 1000 m meist ein lebhaftes Feuer am Platze sein. v. Parseval, Leitfaden.

9

130

XV. Das Schießen.

An Feuerarten sind anznwenden: a) Die Salve. Durch die Salve wird die Truppe am sichersten in der Hand behalten, die Beobachtung der Geschoßaufschläge und damit die Visierwahl erleichtert. Da jedoch im Gefechtslärm die Stimme bei einem geschlossenen Zuge schwer, bei einem ausgeschwärmten selten vollkommen durch­ dringen wird, bleibt die Anwendung der Salve auf den Beginn des Gefechts und auf solche Augenblicke beschränkt, in welchen die Truppe nicht selbst wirksam beschossen wird.

b) Das Schützenfeuer, welches Schützenlinie die Regel bildet.

für

eine

Es hat die Wahrscheinlichkeit größerer Treffwirkung für sich, weil der Mann ruhig zieleu und den günstigen Augenblick zur Abgabe des Schusses abwarten kann. Der Schüße dm f den Erfolg nicht im schnellen, sondern nur im wohlgezielten und überlegten Schießen suchen. Gewehr und Munition sind für den Infanteristen das Wichtigste und Wertvollste was er hat; wie ein Heiligtum muß er sie bewahren. Taugt das Gewehr nichts mehr, weil es vielleicht vernachlässigt wurde, oder hat er keine Munition, so ist der Soldat im heutigen Kampfe einfach wehrlos. Das Bajonnet ist ja gut zum Nachkampf; beim Sturm z. B. kann man es wohl brauchen, auch der Kolben mag da wohl hie und da einmal dienen. Aber nur selten kommt es dazu; der Feuerkampf ist die Regel. Was nützen da Kolben und Bajonnet? Darum heißt es: Sorgfältig das Gewehr Pflegen und mit der Munition sparen, als wäre jede Patrone ein Vermögen wert, denn man kann nie wissen, ob und wann man Munitionsersatz erhält. Darüber muß sich der Mann klar sein, daß jede Patrone, die er in sein Gewehr lädt, einen Gegner weniger bedeuten muß. „Nur schießen, wenn man auch etwas sieht und wenn man nach Entfernung und Größe des Ziels einen Treffer erwarten kann", diese erste Regel muß man sich immer wieder vorsagen. Vom festen Willen, sein Ziel zu treffen, muß jeder Schütze stets durchdrungen sein. So soll man es machen, wie der Gefreite Schwaiger der 9. Kompagnie des Leib-Regiments, der später bei Sedan fürs Vaterland fiel. Im Walde bei Fröschweiler (Schlacht bei Wörth, 6. August 1870) war während des Angriffs der Deutschen auf die französischen Stellungen ein arges Durcheinander und das planloseste Geschieße entstanden, weil man wegen des fürchterlichen Lärmes kein Kommando mehr hörte, so daß sich die Offiziere längere Zeit vergebens bemühten, wieder Ordnung zu schaffen. Auch sah man die Franzosen nur sehr undeutlich. Gefreiter Schwaiger aber hatte ein gutes Fernglas und, statt zwecklos mitzuknallen, beobachtete er lieber damit aufmerksam den Feind, indem er so mit seinem „Spektivi" seinen Vorgesetzten wesentlich half, die Bewegungen des Feindes rechtzeitig zu erkennen. Als ihn aber ein Nebenmann aufforderte, doch auch mitzuschießen, meinte der Brave ganz entrüstet: „Was werd i denn schießen, bal i nix siech!" Der gute Schütze braucht sich auch vor einer Überzahl nicht zu fürchten. Er weiß sich zu helfen, wie das Beispiel des Vizekorporals

XV: Das Schießen.

131

Baumgärtner des 1 Jäger-Bataillons zeigt. Dieser war im Tressen vor Coulmiers (9. November 1870) mit einigen seiner Leute von seiner Abteilung abgekommen und hatte sich, auch hierin ein gutes Beispiel gebend, alsbald dem auch im Kampfe liegenden 2. JägerBataillon angeschlossen. Nun aber versagt ihm sein Gewehr; die Ab­ teilung, bei der er sich augenblicklich befindet, führt aber ein ganz anderes Muster, das neue, Baumgärtner völlig unbekannte WerderGewehr, das sein eigenes Bataillon vor dem Ausmarsch nicht mehr hatte erhalten können. Dennoch ergreift er ein solches von einem Ge­ fallenen, probiert es zuerst — ein echter Jäger! — wie auf dem Schießplatz durch einen Schuß und streckt dann mit fünf nacheinander folgenden Schüssen fünf Gegner nieder. Das Militär-Verdienstkreuz belohnte diese hervorragende Schützenleistung.

Man unterscheidet:

1. Langsames und

lebhaftes Schützensener.

Beim langsamen Schützen feuer muß der Schütze mit seinem Nebennlanne in der Ratte gemeinsame Sache machen: während ein Mann schießt, beobachtet der andere und darf — muß aber nicht — dann schießen, nachdem der erste wieder geladen hat. Svll lebhaft gefeuert Feuerwechsel in der Rotte auf.

werden,

so

hört der

2. Geleitetes (bei welchem noch eine Einwirkung der Borgcsetzten stattfindct) und ungeleitctes Schützenfeuer (wenn die Schützen sich selbst überlassen werden müssen). Beim ungeleiteten Schützenfeuer müssen besonders be­ herzte und umsichtige Leute dahin zu wirken suchen, daß sachgemäß verfahren wird. Allgemein wird für das Feuer­ gefecht bei fehlender Leitung festzuhalten sein, daß inner­ halb 600 in alle Ziele, zwischen 600 und 1000 m nur hohe und breite Ziele beschossen werden können (nicht müssen) und daß über 1000 m in der Regel nicht mehr gefeuert werden darf.

c) Das Schnellfeuer findet in der Regel nur in Verbindung mit dem Standvisier oder der kleinen Klappe Anwendung. Nur ausnahmsweise darf das Schnellfeuer auch auf Entfernungen zwischen 350 und 1000 m in sol­ chen Fällen zur Anwendung kommen, in welchen das Be­ schießen besonders vorteilhafter Ziele sich auf kurze Zeit beschränkt. Geeignete Zeitpunkte zur Anwendung des Schnellfeuers sind:

132

XV. Das Schießen.

1. beim Angriff: letzte Vorbereitung vor bem Sturm;

2. in der Verteidigung: Sturmanlaufes;

die

Abwehr

des

feindlichen

3. Abwehr von Kavallerie und alle Gefechtsmomente, in welchen ein plötzlicher und unmittelbarer Zusammenstoß mit „dem Feinde stattfindet (Kampf um Verschanzungen, in Örtlichkeiten, im Walde rc.); 4. Verfolgungsfeuer hinter einem weichenden Gegner. Das Kommando bestimmt zuerst die Richtung, dann das Ziel, das Visier und zuletzt die Feuerart. Soll das Feuer eingestellt werden, so erfolgt der Zuruf: „Stopfen!" oder sobald derselbe nicht verständlich, der von allen Gruppenführern zu wiederholende Pfiff. Der Pfiff ist ein Anrufe­ zeichen und fordert sofortiges Ein st eilen des Feuers oder der Ladebewegung, sofortige unbedingte Ruhe und Aufmerksamkeit auf das Kommando. Soll das Feuerauf dasselbe Ziel fortgesetzt werden, so unterbleibt eine nochmalige Benennung des Ziels, und das Kommando lautet: Weiter feuern! Soll nur eine der gebrauchten Visierstellungen umgeändert, die andre aber beibehalten werden, so wird z. B. kommandiert: 800 in 1000 umstellenI Weiter feuern! Zur Änderung des Haltepunktes kommandiert der Zugführer, nötigenfalls nach Benutzung der Pfeife, z. B.: Kopf halten! (unter das Ziel halten!).

Der Gruppenführer unterstützt den Zugführer in der Leitung des Feuers und ist in dem ihm überwiesenen Bereich für die Einrichtung der Schützen, für das Einstellen der Visiere, die sachgemäße Handhabung der Waffe und den Patronenverbrauch verantwortlich.

B. Feuerdisziplin. Eine richtige Feuerleitung durch die Führung kann nur stattfinden, wenn die Mannschaft ihrerseits Feuerdisziplin besitzt. Die Feuerdisziplin erfordert: 1. Aufmerksamkeit und gewissenhafte Ausführung der im Feuergefechte mit der Stimme oder der Pfeife erfol­ genden Befehle (Visierstellung, Feuerart, Beginn und Einstellen des Feuers);

2. peinliche Beachtung der für die Handhabung der Waffe und das Verhalten im Gefecht gegebenen Vor­ schriften : 3. ruhiges Ausharren im feindlichen Feuer, auch dann, wenn dieses noch nicht erwidert werden darf;

XVI. Garnison-Wachtdienst.

133

4. Sorgfalt in der Abgabe des Schusses und Ausnützung des Geländes zur Steigerung der Treffwirkung; 5. stete Aufmerksamkeit auf den Feind, Stopfen, sobald das Ziel verschwindet.

C. Das Kntfernungs sch ätzen. Fertigkeit im richtigen Schätzen von Entfernungen ist für Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften unerläßlich; von derselben hängt die richtige Wahl der Visiere und des Haltepunkts und damit wesentlich der Erfolg des Feuergefechts ab. Mannschaften müssen Entfernungen bis 600 oa (nahe Entfernungen mit Sicherheit schätzen lernen uud im Schätzen von Entfernungen von 600—1000 m (mittlere Entfernungen) geübt werden.

Es wird meistens zu kurz geschätzt: bei grellem Sonnen­ schein, bei reiner Luft, beim Stand der Sonne im Rücken des Schätzenden, auf gleichförmigen Flächen, über Wasser, bei hellem Hintergrund, bei aufsteigendem, sowie welligem Gelände, namentlich sobald einzelne Strecken nicht einzusehen sind. Dagegen wird häufig zu weit geschätzt: bei großer Hitze (flimmernder Luft), dunklem Hintergründe, bei einem Standpunkt gegen die Sonne, bei trübem, nebeligem Wetter, in der Dämmerung, int Walde, bei abfallendem Gelände und gegen nur teilweise sichtbare Gegner. Unabhängig von obigen Einflüssen wird im wirk­ lichen Gefecht meist zu kurz geschätzt.

XVI. Garnison - Wachtdienst.

1. Zweck und Ärten der Wachen und Posten. Die Wachen und Posten (Schildwachen) werden einge­ teilt in Ehren- und Sicherheitswachen undEhrenund Sicherheitsposten.

Ehrenwachen werden zur Beehrung fürstlicher Per­ sonen, Ehrenposten zur Beehrung von fürstlichen Per­ sonen, Fahnen und vor höheren Offizieren abgestcllt.

Sicherheitswachen und Posten dienen zur Be­ wachung bestimmter Gegenstände rc. Gemeinsamer Zweck beider Arten von Wachen Posten ist die Wahrung der allgemeinen Sicherheit,

und

134

XVI. Garnison-Wachtdienst.

2. Vorgesrhte der Wachen. Dib Wachen stehen unter den Befehlen des komman­ dierenden Generals des Armeekorps, des Gouverneurs, Kom­ mandanten oder Garnisonsältesten, des Offiziers vom Orts­ dienst , der Rondeoffiziere und der Wachtbefehlshaber. Außerdem ist den Wachen vorgesetzt der Kriegsminister. Der Plahmajor ist nicht Wachtvorgesetzter. Dem Offizier vom Ortsdienst und dem Rondeoffizier liegt im besonderen die Aufsicht über den Betrieb des Nachtdienstes ob. In dem Verhältnis eines Vorgesetzten befindet sich der Offizier der Ronde indes nur bei Nacht, d. i. vom Zapfenstreich bis zum Wecken. Alle mit Disziplinar-Strafgewalt beliehenen Offiziere des wacht­ habenden Truppenteils haben dahin mitzuwirken, daß der Wachtdicnst in den vorgeschriebenen Formen ausgeführt werde. Die Residenz wache in der Haupt- und Residenzstadt steht hinsichtlich des Sicherheitsdienstes innerhalb des Residenzgebäudes unter dem Generalkapitän der Königlichen Leibgarde, außerdem unter dem Stadtkommandanten. Der Offizier vom Ortsdienst und die Ronden sind der Residenzwache nicht vorgesetzt, sehen dieselbe daher nicht nach. Der Generalkapitän ist zum Nachsehen nach Befinden be­ fugt. Dem Infanterie-Leibregiment steht das Ehrenrecht zu, die Residenzwache ausschließlich zu besetzen.

3. Äblösen drr Wachen und Posten. a) Wachen. Jede Wache, welche für sich aufzieht, ist von dem Augenblicke wo Vergatterung geschlagen rc. wird, als Wache anzusehen. Die Ver­ gatterung bedeutet, daß die Wachmannschaften nunmehr die Befugnissvon Wachen erhallen und auf 24 Stunden aus dem Kompagnie, verbände unter den ausschließlichen Befehl der Wachvorgesetzten treten, Sobald die neue Wache sich dem Wachgebände nähert, tritt die alte Wache an, richtet und nimmt das Gewehr über. Die neue rückt unter Schlagen des Tambours gegenüber der alten, hält und richtet. Nachdem beide Wachen (die alte immer zuerst) unter Schlagen des Tambours präsentiert haben, geben die Wachthabenden das Kom­ mando: Vas Gewehr — über! Gefreite — vor! Die Gefreiten marschieren nach dem linken Flügel der neuen Wache, wo sie sich einige Schritte von demselben entfernt und mit dem zweiten Gliede gerichtet, mit derselben Front wie die neue Wache auf­ stellen und zwar derart, daß die Gefreiten der neuen Wache links von denjenigen der alten Wache stehen kommen. Nunmehr kommandiert der Wachthabende der neuen Wache: Erste Uvmmer der Ablösung — vor! Die für diese Nummer abgeteilten Mann­ schaften marschieren hierauf zu ihren betreffenden Gefreiten, welche die von ihnen aufzuführenden Leute auf zwei Schritt sich gegenüber an­ treten lassen und sie einteilen. Bis zu 3 Mann werden in einem, 4 und mehr Mann in zwei Gliedern aufgestellt. Sobald die Einteiluug beendet und der Wachthabende der neuen Wache sich persönlich von der

XVI. Garnison-Wachtdienst.

135

Richtigkeit derselben überzeugt hat, kommandiert er: Ab — marschiert: Die Gefreiten machen Kehrt, und die der neuen Wache kommandieren! Marsch! War die neue Wache mit Tornistern aufgezogen, oder sollen die Posten mit Mänteln stehen, so führen die Gefreiten ihre Ablösungen zunächst nach der Wachstube, lassen die Tornister ablegen bezw den Anzug in Stand setzen und marschieren dann erst zum Ablösen der Posten ab. Inzwischen werden die Wachen neu eingeteilt (8 Mann und darüber in zwei Gliedern). Sobald dies geschehen, kommandieren beide Wachthabende: Lechts — um! — Vache — Marsch! — Die Tambours schlagen, die alte Wache räumt die Gewehrstützen, die neue nimmt ihren Platz ein. Der Wachthabende dieser Wache kommandiert: Wache — Halt! Front! Gewehr — ab! Weggetreten! Die alte Wache macht in einiger Entfernung von den Gewehr­ stützen Halt, nimmt Gewehr ab und setzt die Gewehre zusammen. Der Tambour schlägt ab, womit die Mannschaft wieder in den Kompagnie­ verband zurücktritt. Die Mannschaft derselben hängt die Tornister um, der Wacht­ habende überliefert genau die Vorschriften, die Ausstattung der Wachtstube, die Mäntel rc. und führt, nachdem die sämtlichen Ablösungen zurückgekehrt sind, die bisherige Wache geschlossen in ihre Kaserne.

b) Ablösen der Posten. Für jeden einfachen Posten sind 3 Mann (Nummern), für Nacht­ posten 2 Mann bestimmt. Die Posten werden alle 2 Stunden, bei strenger Kälte jedoch stündlich abgelöst. Zur Ablösung tritt die Wache heraus, jeder Mann ergreift sein Gewehr. Der Wachthabende läßt richten und das Gewehr über nehmen und kommandiert dann: Gefreite — vor! Letztere marschieren fünf Schritte vor die Mitte der Wache, einige Schritte unter einander Abstand, Front nach der Wache, und teilen die Ablösung ab, welche auf das Kommando: Ablösung — vor! ihnen auf zwei Schritte gegenüber­ getreten, und verfahren auf das Kommando: Ab — marschiert l wie bei der etften Ablösung. Der Posten vor dem Gewehr tritt auf das Kommando: Ablösung — vor! dem bisherigen Posten gegenüber, läßt sich etwaige besondere Vorkommnisse überliefern und löst ihn ab. Bei der ersten Ablösung tritt jedoch auch der Posten vor dem Gewehr, bevor er ablöst, erst in die Wachtstube, um den Tornister abzulegen, bezw. den Anzug in stand zu setzen. Der Wachthabende teilt die Wache neu ein und läßt wegtteten. Der Gefreite führt die Mannschaften, ohne daß Schwenkungen kommandiert werden, bis auf wenige Schritte an den Posten derart heran, daß auf: Halt! die Ablösung die Front gegen den abzulösenden Posten hat, welcher letztere sich auf seinen Platz begeben hat. Der Ge­ freite tritt nun einen Schritt mit linksum*) rechts seitwärts heraus und kommandiert: Ablösung — vor! Der Ablöser tritt dicht an den *) Bei dem ersten Ablösen stellt sich der Gefreite der alten Wache dem der neuen gegenüber, indem er mit rechtsum links seitwärts heraustritt.

136

XVI. Garnison-Wachtdienst

abzulösenden Posten heran, läßt sich etwaige besondere Vorkommnisse überliefern und nimmt dann dessen Stelle ein, der abgelöste Mann tritt gleichzeitig in die Ablösung ein, der Gefreite setzt sich wieder vor dieselbe und kommandiert: Marsch! führt die Ablösung vor dem Wachtgebäude hinter die Gewehrstützen, kommandiert: Halt! Gewehr — ad l Weggetreten! und meldet sodann dem Wachthabenden, daß die Posten richtig aufaeführt sind, sowie etwaige bei der Ablösung vorgekommene Unregelmäßigkeiten

Bei dem ersten Aufführen der Posten führt der Gefreite der neuen Wache so lange das Kommando und marschiert rechts von dem der alten Wache, bis alle Posten abgelöst sind. Alsdann übernimmt der Gefreite der alten Wache das Kommando und marschiert dann rechts neben dem der nenen Wache. Bor allen der Ablösung begegnenden Offizieren und Sani­ täts-Offiz ieren wird: Äugen — rechts! (links!) und nach der Begegnung: Kiibrt Luch! kommandiert.

Die aufführenden Gefreiten sind für die genaue Ausfuhr rung dieser Vorschriften, sowie auch dafür verantwortlich, daß die Ab lösungen stets ordnungsmäßig und im Tritt marschieren. Die Ablösung hält sich auf der Fahrstraße und betritt nur im Notfall den Bürger­ steig (das Trottoir). Nachdem auch die letzte Ablösung zurückgekehrt, läßt der Wacht­ habende zum Einteilen durch den Posten vor dem Gewehr: Heraus! rufen und teilt die Wache neu ein.

4. Pflichten der Posten (Zchildwachen). a) Allgemeine Pflichten. Kriegs-Artikel 43, den jeder Soldat auswendig lernen muß, lautet: „Den Schildwachen und Posten ist, wenn nicht ein Anderes ausdrücklich bestimmt ist, verboten, sich niederzusetzen oder niederzulegen, das Gewehr aus der Hand zu lassen, Tabak zu rauchen, zu schlafen, über die Grenze ihres Postens hinauszugehen, denselben vor er­ folgter Ablösung zu verlassen oder sonst ihre Dienstinstruk­ tion zu übertreten." Hieraus folgt im Zusammenhalt mit Kriegs-Artikel 41, daß die Schildwachen keine Geschenke annehmen und sich in keine Unterhaltung einlassen dürfen, wodurch ihre Wachsamkeit leidet. Ebensowenig dürfen sich die Posten Geschenke ins Schilderhaus legen lassen, um sie dann nach erfolgter Ablösung mitzunehmen. Kein Soldat darf einen Posten ansprechen, es sei denn, daß er in dienstlicher Sache ihm etwas zu sagen oder ihn etwas zu fragen hat. Ein Posten, der in anderer Sache vvn einem Soldaten angesprochen wird, hat den Betreffenden sofort zurückzuweisen. Bittet ihn eine Zivilperson um Auskunft, so hat er dieselbe zu geben, aber kurz und bündig, ohne sich in ein längeres Gespräch einzulassen und ohne dabei seine Auf­ merksamkeit zu vermindern.

XVI. Garnison-Wachldienst.

137

Jede Schildwache (Ehren- wie Sicherheitsposten) muß außer der allgemeinen Vorschrift die besonders für ihren Posten gegebene kennen. Sämtliche Posten stehen in der Regel ohne aufge­ pflanztes Seitengewehr; erforderlichenfalls muß jeder Posten es selbständig aufpflanzen. Das Gewehr wird auf der Schulter — wenn das Seitengewehr nicht aufgepflanzt ist, auch unter dem Arm — getragen. Nur im Schilderhause wird das Gewehr abgenommen. Die Schildwachen dürfen nur bei starkem Regen- oder Schneewetter in das Schilderhaus treten. Zur Abstattung von Ehrenbezeigungen und sobald ihr Dienst es sonst er­ fordert, haben sie dasselbe sogleich zu verlassen. Keinesfalls darf ihr Aufenthalt im Schilderhause der Aufmerksamkeit Abbruch thun. In Häuser und Hausflure dürfen Schildwachen nicht eintreten, es sei denn, daß eine den Bewohnern drohende Gefahr, z. B.„ Feuer oder Hochwasser, dazu veranlaßt. Bei der Übernahme eines Postens hat sich jede Schild­ wache zu überzeugen, ob die ihr zur Bewachung übergebenen Gegenstände ?c. beschädigt sind. Ist dies der Fall, so macht die Schildwache davon dem aufführenden Gefreiten sofort und nach erfolgter Ablösung vom Posten auch dem Wacht­ habenden Meldung. Ebenso meldet die Schildwache alsdann alle außer­ gewöhnlichen Ereignisse, welche sich im Bereiche ihres Postens zugetragen haben. Erkrankt eine Schildwache auf Posten, so darf sie den­ selben dennoch unter keinen Umständen verlassen, sondern sie läßt dem Wachthabenden durch einen vorübergehenden Soldaten oder sonstige Personen von ihrer Erkrankung Meldung machen und um Ablösung bitten. Hat eine Schildwache eine Arretierung vorgenommen, so setzt sie den Wachthabenden auf dem gleichen Wege vom Vorgcfallenen in Kenntnis. Jeder Soldat ist verpflichtet, einer derartigen Aufforderung eines Postens nachzukommen. An Zivilpersonen wendet man sich nur, wenn keine Militär­ person zur Stelle, dann aber in Form höflicher Bitte. Bestrafung der Verfehlungen im Garnison-Wachtdienste. Wer die Wache, oder bei einem Kommando oder auf dem Marsche seinen Platz eigenmächtig verläßt, wird mit Arrest be­ straft. (Kr.-Art. 42.)

138

XVI. Garnisvn-Wachtdienst.

Wer als Schildwache oder Posten in schuldhafter Weise sich außer Stande setzt, den ihn obliegenden Dienst zu versehen, oder eigenmächtig seinen Platz verläßt, oder sonst den in Bezug auf diesen Dienst erteilten Vorschriften zuwiderhandelt, wird mit mittlerem oder strengem Arrest nicht unter 14 Tagen oder mit Gefängnis oder Festungshaft von 3 bis zu 15 Jahren, vor dem Feinde von 10 Jahren bis zu lebenslänglicher Dauer oder mit dem Tode bestraft. (Kr.-Artikel 43.) Wer ais Schildwache oder Posten eine strafbare Handlung, welche er verhindern konnte oder zu verhindern dienstlich verpflichtet war, wissentlich begehen läßt, wird ebenso bestraft, als ob er die Handlung selbst begangen hätte. (Kr-Art 44.) Wer im Dienste oder nachdem er zum Dienste befehligt worden, durch Trunkenheit zur Ausführung seiner Dienstverrichtung sich untaug­ lich macht, wird mit mittlerem oder strengem Arrest oder mit Ge­ fängnis oder Festungshaft bis zu einem Jahr bestraft. (Kr.-Art. 49.)

b) Ehrenposten. Ehrenposten sind einfache oder Doppelposten. Ehrenposten müssen stets den Rang und Namen der Person oder des Vorgesetzten wissen, vor dem sie stehen, sowie ob derselbe zu Hause ist; auch muß ihnen, soweit es möglich ist, der Standort der Fahnen bezw. der Standarten bekannt sein. Mannschaften, welche unter der Wirkung der Ehrenstrasen stehen, (Soldaten 2. Klasse) dürfen nicht zu Ehrenposten verwendet werden und sind von der Besetzung aller wichtigeren Posten grundsätzlich ausgeschlossen.

c) Posten vor dem Gewehre. Er dient zur Sicherung der Wache und der vor der­ selben aufgestellten Gewehre rc. Er hält den Platz vor der Wache frei und verweigert Unbefugten den Eintritt in die­ selbe; wenn nötig ruft er den Wachthabenden. Außerdem hat er durch Klingeln oder Herausrufen das Antreten der Wache zur Ehrenbezeigung, zur Ablösung oder aus besonderen Anlässen zu besorgen.

a) Zur Ehrenbezeigung ruft er heraus: 1. vor Ihren Majestäten dem König und der Königin; 2. vor den Prinzen und Prinzessinnen des König­ lichen Hauses, den Herzogen und Herzoginnen in Bayern; 3. vor Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser, allen übrigen deutschen und nichtdeutschen Fürsten rc.; 4. vor Fahnen und Standarten; 5. vor allen Generalen (Admiralen);

XVI. Garnison-Wachtdienst.

139

6. vor den direkten Vorgesetzten des wachthabenden Truppenteiles vom Regiments- oder selbständigen Bataillons-Kommandeur aufwärts: 7. vor dem Gouverneur, Kommandanten oder Gar­ nisonsältesten ; 8. vor dem Offizier vom Ortsdienst und den nachsehenden Ronden; 9. vor militärischen Leichenparaden; 10. vor geschlossen marschierenden, durch Offiziere geführten Abteilungen. Residenz- und Schloß wachen treten zur Ehrenbezeigung nur an vor den unter Ziffer 1—3 genannten Allerhöchsten und höchsten Personen, dann vor Fahnen und Standarten, Truppenabtei­ lungen und Leichenparaden. Botschaftern (Nuntius) aebührt, wenn sie bei Hofe feierlich auf­ fahren, Beehrung wie unter Ziff. 2.

Kaseruwachen treten an: 1. vor dem Offizier vom Kasern-Tagesdienst, 2. vor dem Kommandeur ihres Truppen­ teils und den unmittelbaren Vorgesetzten, einschließlich des Kommandanten, wenn diese die Kaserne betreten.

Haben die Wachen die Mäntel angezogen, so treten dieselben am Tage nur vor Seiner Majestät dem Könige und vor dem Offizier vom Ortsdienste, bei Nacht nur vor letzterem und dem Offizier der Ronde ins Gewehr. Das Herausrufen muß so' zeitig geschehen, daß die Ehrenbezeigung ausgeführt ist, wenn die Person rc., der sie erwiesen wird, die Wache erreicht.

Ist das Herausrufen zu spät erfolgt, so wird dennoch die vorschriftsmäßige Ehrenbezeigung ausgeführt.

Der Posten vor dem Gewehr führt in diesem Falle die Ehrenbezeigung rechtzeitig für sich aus, ohne wie sonst auf das Kommando des Wachthabenden zu warten. Lehnt ein Vorgesetzter durch Winken die Ehrenbezeigung ab, so hat der Posten vor dem Gewehr die Ehrenbezeigung für sich auszuführen und erst auf abermaliges Winken auch diese zu unterlassen.

b) In besonderen Füllen wird herausgerufen, um Ruhe und Ordnung aufrecht zu halten, oder zur eigenen Sicherheit, wie z. B. bei größeren Ansammlungen von Menschen, bei großen Leichenbegängnissen, bei einer Feuers­ brunst in der Nähe der Wache rc.

140

XVI. Garnison-Wachtdienst.

Endlich haben Wachen noch ins Gewehr zu treten, wenn es anfängt oder aufhört zu regnen oder zu schneien, um die Gewehre zurückzunehmen bezw. wieder in die Stützen einzustecken.

5. Ehrenbezeigungen der Wachen. Die Wachen erweisen ihre Ehrenbezeigungen dadurch, daß sie

a) präsentieren und Marsch schlagen, b) präsentieren, c) in das Gewehr treten. Bei allen Ehrenbezeigungen nimmt die Wache die Augen nach der Person rc., welcher die Ehrenbezeigung erwiesen wird, und folgt derselben mit den Augen, wie dies für die Parade vorgeschrieben ist.

6. Ehrenbezeigungen der Lchildwachen. Die Ehrenbezeigungen, welche die Schildwachen zu er­ weisen haben, geschehen, indem die Schildwachen auf ihren Posten treten und a) präsentieren, b) mit Gewehr über still stehen. Nähert sich jemand, dem eine Ehrenbezeigung zusteht, so begibt sich die Schildwache schnell auf ihren Posten und erweist hier die Ehrenbezeigung, welche beendigt sein muß, wenn der Vorgesetzte an den Posten gelangt. Patrouilleur­ posten erweisen die Ehrenbezeigung auf der Stelle, an welcher sie sich gerade befinden. War der Vorgesetzte zu spät be­ merkt, so wird die Ehrenbezeigung nachträglich erwiesen. Jede Schildwache muß der Person, vor welcher sie Ehren­ bezeigung macht, mit den Augen folgen. Wird das Gewehr unter dem Arm getragen, so wird aus dieser Haltung zu­ nächst das Gewehr übergenommen. Ehrenbezeigungen mit dem Gewehr bei Fuß finden nur in den Königlichen und Prinzlichen Schlössern statt. Das Stillstehen mit Gewehr bei Fuß entspricht dem Stillstehen mit Gewehr über, das Strecken desselben dem Präsentieren. Bei Doppelposten sieht der links stehende Mann nach dem rechts stehenden Nebenmann und macht die Griffe mit demselben gleichzeitig.

a) Die Schildwachen präsentieren: 1. vor Ihren Majestäten dem König und der Königin; 2. vor den Prinzen und Prinzessinnen des König­ lichen Hauses, den Herzogen und Herzoginnen in Bayern;

XVI. Garnison-Wachtdienst.

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3. vor Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser und der Kaiserin, allen übrigen deutschen und nicht­ deutschen Fürsten 2C.;

4. vor Fahnen und Standarten; 5. vor allen Offizieren der Armee und Marine; 6. vor den Sanitätsoffizieren; 7. vor den Rittern, Kommandeuren und Großkreuzen des Militär-Max-Joseph-Ordens, dann vor den Komthuren, Großkomthuren und Großkreuzen des Militär-Verdienstordens.

b) Die Schildwachen stehen mit Gewehr über st i l l: vor den Rittern des Militär-Verdienstordens (Kriegs­ dekoration), vor den Inhabern der Militär-Verdienst-Me­ daillen, der Militär-Sanitäts-Ehrenzeichen, des Militär-Ver­ dienstkreuzes und des eisernen Kreuzes. Das Hochwürdigste des katholischen Kultus wird durch Stillstehen mit dem „Gewehr über" beehrt. Den Rittern und Inhabern der aufgeführten Orden und Ehren­ zeichen, sofern sie dieselben tragen, werden die betreffenden Ehren­ bezeigungen erwiesen, wenn ihnen nach ihrem Range oder ihrer Funktion keine höhere Ehrenbezeigung zusteht, auch wenn sie sich in Zivilkleidung befinden.

Die vorstehend vorgeschriebenen Ehrenbezeigungen werden allen Offizieren und Ärzten der deutschen Armee und Marine gleichmäßig und ebenso fremden Offizieren erwiesen. Posten, welche das Gewehr geladen oder das Seiten­ gewehr aufgepflanzt haben, stehen zur Ehrenbezeigung mit „Gewehr über" still. Es ist ohne Einfluß auf die Ehrenbezeigungen der Posten, ob sie mit oder ohne Mantel aufziehen.

Schildwachen erweisen keine Ehrenbezeigung: 1. Während der Ablösung; 2. bei Bewachung von Arre­ stanten (int Schilderhaus); 3. wenn ihre Aufmerksamkeit durch einen Tumult in der Nähe beansprucht wird oder wenn sie sonst nach ihrer Vorschrift einzuschreiten haben; 4. wenn ihnen, z. B. bei Brandfällen, Gegenstände zur Bewachung anvertraut sind; 5. wenn sie durch besonderen Befehl dazu befugt sind.

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XVI. Garnison-Wachtdienst.

7. Verhalten der Posten beim Nachsehen der Wachen. Die Thätigkeit des Offiziers vom Ortsdienst und der Rondeoffiziere soll die Aufmerksamkeit der Wachen und Posten prüfen und rege erhalten. Offiziere Dom Ortsdienst, wenn sie die Wachen bei Nacht nachsehen, und Rondeoffiziere haben in der Regel Begleitungsmannschaften (1 Gefreiten und 1—2 Mann) mit sich zu nehmen.

Thut der Offizier vom Ortsdienst oder der Ronde den Dienst im Mantel, so muß der letztere angezogen sein und die Feldbinde bezw. die Kartusche darüber getragen werden.

Der Posten vor dem Gewehr ruft mit Eintritt der Dunkelheit Offiziere im Garnisvn-Dicnstanzug und Soldaten­ trupps, welche auf die Wache zuschreiten bezw. nahe an sie hcrankomme», mit: Halt! Wer da? an. Ans die Antwort: Offizier vom Ortsdienst oder Ronde ruft der Posten Heraus! tritt auf seinen Platz und meldet dem Wacht­ habenden: Der Offizier vom Ortsdienst bezw. Die Ronde! worauf von der Wache präsentiert wird. Gleich­ zeitig läßt der Führer der Begleitungsmannschaft präsentieren. Hierauf tritt der Offzier vom Ortsdienst bezw. der Ronde an den Wachtbefehlshaber zum Empfang bezw. zur Abgabe der Parole heran. Schildwachcn, welche nicht vor dem Gewehr stehen, rufen an dem Posten vorbeigehende oder auf ihn zuschreitende Personen :c. nur an, sofern dies für sie besonders vorgcschriebcn ist. Erfolgt auf den Ruf: Halt! — Wer da? — die Antwort: Patrouille, so sagt der Posten: Pa­ trouille vorbei!

8. Dienst der Patrouillen und Wirtshauspatrouillenrr. Patrouillen entsenden die einzelnen Wachen nach näherer Be­ stimmung des den Garnisondienst anordnenden Vorgesetzten. Die­ selben sind in der Regel 1 Gefreiter 1—2 Mann stark und haben den Zweck, entweder die Aufmerksamkeit der Posten zu prüfen oder die militärische Polizei auf den Straßen nach besonderer Vorschrift des Gouverneurs rc. zu handhaben. Sie marschieren wie Ablösungen und dürfen nicht rauchen, plaudern, in Wirtshäusern einkehren, Geschenke annehmen, mit Arrestanten sich unterhalten oder sie freilassen.

Posten, welche von Patrouillen krank oder bei groben Pflicht­ widrigkeiten bezw. in einem Zustande betroffen werden, welcher sie an Ausübung ihrer Obliegenheiten verhindert, sind abzulösen und zur Wache zu bringen. Kleinere Vergehen werden auf der Wache gemeldet (siehe auch Ziff. 10. a. 3. Seite 144).

XVI. Garnison-Wachldienst.

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Ehrenbezeigungen werden den Patrouillen weder von Wachen noch von Posten erwiesen. Haben Patrouillen Arrestanten bei sich, so erweisen sie keine Ehrenbezeigungen. Unteroffiziere und Gefreite, welche als Patrouilleure zum Über­ wachen von Wirtshäusern rc. kommandiert werden, haben in Aus­ übung dieses Dienstes dieselben Befugnisse, wie ein Wachthabender. Dieselben sind zu dem Ende äußerlich dadurch kenntlich, daß sie zum Ordonnanzanzug die beiden vorderen Patrontaschen anlegen. Wirtshaus-Patrouilleure haben ihre Befehlsbefugnisse nur gegen Personen des Soldatenstandes geltend zu machen und bei vorkommenden Streitig­ keiten zwischen Militär und Zivil in Gemeinschaft mit der OrtsPolizeibehörde zu verfahren.

9. Verhalten der Mannschaft auf Wache. a) Die Mannschaft muß stets ordentlich und reinlich angezogen sein. Mit eintretendcr Dunkelheit wird der Anzug gewechselt; alsdaun dürfen die im Wachtzimmer be­ findlichen Mannschaften auch die Krägen der Waffenröcke öffnen. b) Die Tornister, Mäntel rc. der Mannschaft müssen in der Wachtstube ordnungsmäßig anfbewahrt sein. c) Niemand verläßt ohne Erlaubnis die Wache oder die Wachtstube. d) Nach Eintritt der Dunkelheit dürfen die Lente sich niederlegen, wodurch aber die Schnelligkeit des Antretens nicht beeinträchtigt werden darf. Mindestens 1 Mann muß stets wach sein. e) Vor dem Wachtlokal müssen die Leute sich stets militärisch anständig betragen. Sind Bänke vorhanden, so darf auf diesen nicht geschlafen, nicht gegessen und getrunken werden, der Helm nicht abgelegt werden. Die Leute müssen besonders darauf achten, vorbeikommenden Vorgesetzten die vorgeschriebenen Ehrenbezeigungen zu erweisen. f) Wird herausgcrufen, so muß jeder Mann rasch sein Gewehr ergreifen und sich schnell ausrichlen. g) Spielen um Geld, Lärmen und Zechen ist verboten. h) Betritt ein Offizier die Wachtstube, so ist das Ver­ halten wie im Abschn. V Seite 61 angegeben.

10. Vorläufige Festnahme und Waffengebranch. I. Vorläufige Festnahme.

a) Von Wachen, Posten und Patrouillen wird vorläufig festgenommen:

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XVI. Garnison-Wachtdienst.

1. Wer bei Ausführung einer strafbaren Handlung oder gleich nach derselben betroffen oder verfolgt wird. Hier­ bei muß zugleich der Betreffende der Flucht verdächtig oder die Feststellung seiner Person (nach Name, Stand und Wohnung) unmöglich sein. Solche strafbare Handlungen sind z. B.: Begehen eines ver­ botenen Weges, Abreißer: von Blumen oder Pflanzungen in öffent­ lichen Anlagen, Verunreinigung öffentlicher Plätze, Ruhestörungen, Schlägereien u. s. w. Wenn nun z. B. Jemand von einem Posten u. s. w. bei einer der erstgenannten Handlungen betroffen wird, so ist nicht immer gleich eine Festnahme nötig. Der Posten wird zu der be­ treffenden Person sagen: „Was Sie da thun, ist verboten. Wer sind Sie?" Benimmt sich nun der Betreffende anständig, fügt er sich sofort den Befehlen des Postens, gibt er ohne Umschweife und in glaubhafter Weise Namen, Stand und Wohnung an oder kann er sich irgendwie ausweisen, so braucht er nicht arretiert zu. werdeu. Der Posten wird vielmehr seine Angaben aufschreiben oder von ihm auf­ schreiben oder sich einen Ausweis geben lassen und den Vorfall nach seiner Ablösung melden. Verweigert dagegen der Angehaltene Angaben über seine Person, erscheinen die Angaben, die er macht, nicht glaub­ würdig, ergeht er sich in Schimpfereien oder macht er Miene davon­ zulaufen, so wird er festgenommen. Bei ernsteren Vergehen oder gar Verbrechen (Schlägereien, Körperverletzungen, Diebstahl, Einbruch u. s. w.) wird dagegen die sofortige Festnahme fast immer angezeigt sein.

2. Wer nur durch Festnahme an der Fortsetzung einer strafbaren Handlung verhindert werden kann, also auch wenn die Persönlichkeit bereits festgestellt ist. Dies ist z. B. meist bei Schlägereien der Fall, welche gewöhn­ lich nur dadurch beendet werden können, daß man den oder die Haupt­ beteiligten herausgreift und arretiert. Dasselbe gilt für Stillung von Tumulten oder Zerstreuung von Ausläufen zur Herstellung der öffent­ lichen Ruhe und Ordnung.

3. Unteroffiziere und Soldaten, welche nach dem Zapfenstreich außerhalb des Quartiers betroffen werden, ohne Erlaubnis erhalten zu haben oder im Dienst zu sein. Überhaupt ist jeder Posten in Ausübung seines Dienstes Vor­ gesetzter sämtlicher Unteroffiziere und Mannschaften, welche ihm unweigerlich zu gehorchen haben.

4. Wer eine Wache, Patrouille oder einen Posten be­ leidigt, ihren Anordnungen nicht Folge leistet oder sich ihnen thätlich widersetzt. 5. Jeder, auf dessen Festnahme von Polizeibeamten und Gendarmen (Schutzleuten) angetragen wird. Wachen sind nicht befugt, ohne Befehl einen Offizier festzu­ nehmen, es sei denn, daß

XVI. Garnison-Wachtdienst.

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1. ein Offizier sich augenscheinlich eines Verbrechens im all­ gemeinen oder gegen die Wache selbst schuldig machte; 2. ein Offizier sich außer Uniform, d. h. in Zivilkleidern befände und sich den Anordnungen der Wache widersetzte, in welchem Falle er wie jede Zivilperson behandelt wird. Ebensowenig dürfen Gesandte und zur Gesandtschaft einer fremden Macht gehörige Personen, wenn' sie sich als solche ausw eis en können, festgenommen werden. Der Soldat ist auch außer Dienst verpflichtet, die Wachen, Posten und Polizeiorgane (Gendarmen und Schutzleute) bei Aufrecht­ haltung der öffentlichen Ordnung zu unterstützen (siehe auch Seite 30). Privatpersonen, welche Jemand bei Ausführung einer straf­ baren Handlung oder gleich nach derselben betreffen und verfolgen, sind befugt, die Wachen um deren Unterstützung behufs der vor­ läufigen Festnahme zu ersuchen, wenn der Thäler flieht oder der Flucht verdächtig ist, oder wenn dessen Persönlichkeit nicht sofort festgestellt werden kann. Einem solchen Ansuchen ist jedoch, wo nicht augen­ scheinliche Gefahr im Verzüge obwaltet, nur dann stattzugeben: •a) wenn der Ansuchende nach den Umständen außer stände ist, die Hilfe der Polizei zeitig genug in Anspruch zu nehmen, und wenn er versichert, daß keine polizeiliche Hilfe zur Hand sei; b) wenn, wie z. B. bei bedeutenden Schlägereien in Wirts­ häusern, aus der Veranlassung zu dem Ansuchen sich entnehmen läßt, daß die Polizei nicht im Stande sein würde, ohne Unterstützung des Militärs die vorläufige Festnahme vorzunehmen. Wenn dem Gesuche stattgegeben wird, so muß der Ansuchende die Wache an den Ort führen, wo die vorläufige Festnahme erfolgen soll, und dort die festzunehmende Person bestimmt bezeichnen. Der Festzunehmende wird auf Gefahr des Antragenden zur Wache abgeführt. Der Antragende muß sich nötigenfalls über seine Person gehörig ausweisen. Kann er dies nicht, so muh er der Wache folgen und im Wachthause, ohne jedoch als Arrestant behandelt zu werden, so lange verweilen, bis der schleunigst herbeizurufende Polizei­ beamte das weitere veranlaßt. Das Eindringen in Wohnungen während derNachtzeit ist Wachen, Posten und Patrouillen verboten. Ausnahmen: 1. Bei Verfolgung auf frischer That oder bei Gefahr im Verzüge, oder dann, wenn es sich um Wiederergreifung eines entwichenen Ge­ fangenen handelt, auf Antrag der zuständigen Behörde zur Hilfe­ leistung. 2. Zu den von Militärpersonen benutzten Wohnungen darf den Militär-Vorgesetzten oder Beauftragten behufs Vollziehung dienstlicher Befehle der Zutritt auch zur Nachtzeit nicht versagt werden. 3. In Fällen von Feuers- oder Wassersnot, einer Lebens­ gefahr oder eines aus dem Innern der Wohnung hervorgegangenen. Ansuchens, wenn z. B. aus einem Haus um Hilfe gerufen wird 4. In Räumen, welche Nachts Jedermann zugänglich sind. Die Nachtzeit umfaßt für die Zeit vom 1 Oktober bis 31. März die Stunden von 9 Uhr abends bis 6 Uhr morgens und für die Zeit vom 1. April bis 3’’ September die Stunden von 9 Uhr abends bis 4 Uhr morgens. v. Parseval, Leitfaden. 10

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XVI. Garnison-Wachtdienst.

b) Ablieferung der festgenommenen Personen.

Alle festgenommenen Personen werden nach dem nächsten Wachtgebäude gebracht und dem Gouverneur bezw. dem Kommandanten oder dem dessen Funktion versehenden Offizier gemeldet, der, insofern die Festgenommenen vom Militär sind, weiter über sie verfügt. Sind die festgenommenen Personen vom Zivil, so werden sie so bald als möglich an die Polizeibehörde abgeliefert.

c) Verhalten der Wachen und Posten bei der Ver­ haftung und vorläufigen Festnahme. Wie bei jeder Anordnung, die er zu treffen hat, muß sich der Posten u. s. w. insbesondere bei Festnahmen mit Ruhe, Bestimmtheit und Würde benehmen. Alles unnütze Reden ist zu vermeiden, besonders aber Schimpfworte, wenn auch der Posten durch Schimpfereien des Festzunehmenden noch so gereizt wird. Unnötiges Anfassen oder Anstupfen mit der Hand, um die Aufmerksamkeit einer Person zu erregen u. s. w., ist zu unterlassen. Nicht mit den Händen reden, sondern mit dem Mund! Alles, was der Posten zu sagen hat, wird mit möglichst kurzen Worten, in bestimmtem Tonundmit lauter, vernehmbarer Stimme gesagt. Hat der Posten einmal etwas befohlen, so muß es, solange nicht durch einen seiner Vorgesetzten die Anordnung wieder aufgehoben wird, unbedingt dabei bleiben, selbst wenn das, was er befohlen, unrichtig oder unnötig wäre. Durch Zurücknehmen seiner Anordnung wie durch jedes schwächliche Nachgeben schadet der Posten nicht nur seinem eigenen Ansehen, son­ dern auch dem seines ganzen Standes viel mehr, als wenn er einmal etwas ungeschickt oder übereifrig macht. Niemals darf sich ein Posten auf Hin- und Herreden und Unterhandlungen einlassen. Alle Ein­ wände und Gegenreden werden kurz und bündig, aber ohne Unge­ zogenheit abgewiesen: „Das wird sich schon zeigen; jetzt thun Sie einmal ohne Widerrede, was ich sage", „darüber können Sie mit dem Herrn Lieutenant reden, mich geht das nichts an" u. s. w.! Muß aber einmal eine Verhaftung oder vorläufige Festnahme erfolgen, so ist sie unter allen Umständen, nötigenfalls unter Anwendung der Waffe auch durch zu setz en. War z. B. die Drohung: „Wenn Sie nicht augenblicklich ruhig sind oder thun, was ich sage, so muß ich Sie arretieren", erfolglos, so erklärt der Posten kurz: „Sie sind arretiert" oder „ich verhafte Sie", „treten Sie in das Schilderhaus, Gesicht nach der Wand!" Gleichzeitig mit diesen Worten muß er die betreffende Person mit der Hand oder der Waffe (z. B. der Bajonnetspitze) berühren, ohne sie indes zu verletzen oder ihr Schmerz zu verursachen. Erst wenn dies mit der Erklärung „Ich nehme Sie fest" u. s. w. geschehen, ist der Betreffende giltig arretiert. (S. a. „Waffengebrauch"). Findet der Führer einer Patrouille u. s. w, wenn er an Ort und Stelle anlangt, daß das ihm anvertraute Kommando zu schwach ist, um den Zweck zu erreichen, so muß er sofort denjenigen, der ihn abgeschickt hat, um die erforderliche Verstärkung ersuchen lassen.

XVI. Garnison-Wachtdienst.

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Sobald die Verhaftung oder Festnahme erfolgt ist, steht der Festgenommene und dessen Effekten unter dem Schutz der Wache. Festgenommenen Verbrechern müssen jederzeit sogleich alle gefährlichen und verdächtigen Werkzeuge, sowie die Briefschaften, welche sie etwa bei sich führen, abgenommen und an die Behörde abgegeben werden, an welche der Festgenommene überliefert wird. Die Wachen müssen darauf bedacht sein, daß sowohl die Verhaftung als die vorläufige Festnahme einer Person, mit Rücksicht auf die obwaltenden Verhältnisse, auf die mög­ lichst schonende Weise erfolge. Zu dem Ende ist mit der weiteren Ablieferung immer zu warten, bis sich die Volksmenge wieder verlaufen hat; auch ist es dem Fest­ genommenen gestattet, auf seine Kosten in einem Wagen, in welchem sodann die ihn begleitende Mannschaft gleichfalls Platz nimmt, ab­ geführt zu werden. Die Wachen müssen namentlich zur Nachtzeit, wenn sie Hilferuf oder Notsignale hören, sogleich die nötige Hilfe zu leisten bemüht sein. Andererseits aber müssen sie sich aller unnötigen Einmischungen enthalten.

d)

Recht

der Wachmannschaften, Personen Verwahrung zu nehmen.

in

Die Wachen sind befugt, Personen in Verwahrung zu nehmen, wenn der eigene Schutz dieser Personen oder die öffentliche Sittlichkeit, Sicherheit und Ruhe dies dringend erfordert. Hilflos gefundene Personen (Betrunkene, Kranke rc.) müssen nach dem nächsten Wachtgebäude geschafft werden, von wo sie wie die in Verwahrung genommenen Personen so bald wie möglich der Polizei übergeben werden.

II. Waffengebrauch. Dem zur Ausrechthaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit auftretenden Militär ist auf Wachen und Posten, bei Patrouillen, Transporten und allen andern Kommandos der Gebrauch der Waffen aus eigenem Recht zu jeder Zeit gestattet: 1. Wenn dasselbe bei einer dieser Dienstleistungen angegriffen oder mit einem Angriffe gefährlich bedroht wird, oder durch Thätlichkeit oder gefährliche Drohung Widerstand findet — UM den Angriff

abzuwehren und den Widerstand zu bewältigen. Solche Fälle sind: Wenn nach dem Posten rc. geschlagen oder gestoßen, mit Steinen geworfen oder er von Jemand am Halse gepackt

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XVI. Garnison-Wachtdienst.

wird u. s. w. Dies Alles wäre ein Angriff. Thätlicher Wider­ stand ist es z. B., wenn Einer mit einem Messer oder Beil oder auch nur den Fäusten um sich haut, sodaß der Posten ihn nicht fassen kann, ohne ihn vorher unschädlich zu machen, oder wenn mehrere Andere einen Menschen, der festgenommen werden muß, festhallen, damit ihn der Posten nicht wegführen kann. Droht aber Einer, der ein Messer oder Beil in der Hand hat: „Wenn du mich anrührst, steche oder schlage ich dich nieder", so ist das eine gefährliche Drohung. Keine solche ist es, wenn Einer mit etwas droht, womit er keine Ver­ letzung zufügen kann, z. B. den Posten mit Wasser anzuschütten, oder wenn er gar nicht im Stande ist, dem Posten wirklich etwas zu thun, weil er vielleicht von Anderen festgehalten wird.

2. Wenn es bei einer solchen Dienstleistung zur Ablegung der Waffen oder anderer zum Angriffe oder Widerstände geeigneter, oder sonst gefährlicher Werkzeuge ausfordert und dieser Aufforderung nicht sofort Folge geleistet wird, oder die abgelegten Waffen oder Werkzeuge

um den ihm schuldigen Ge­ horsam zu erzwingen.

wieder ausgenommen werden,

Es hat z. B. ein Posten einen Mann festgenommen, der eine Axt trägt, weil ihm dieser ein Schimpfwort zugerufen hat. Der Mann fügt sich zwar in seine Arretierung, will aber trotz wiederholter Auf­ forderung des Postens seine Axt nicht weglegen. In diesem Fall oder wenn der Mann zwar sein gefährliches Werkzeug niedergelegt hat, es aber, trotzdem er gewarnt wurde, wieder ergreift, darf er mit der Waffe zur Niederlegung gezwungen werden. 3. Wenn bei Arrestationen (förmlichen Verhaftungen, wie vor­ läufigen Ergreifungen und Festnahmen) der bereits Verhaftete (vor­ läufig Ergriffene und Festgenommene) oder ein dem Militär zur Ab­

Gefangener entspringt oder auch nur einen Versuch dazu macht. Als verhaftet rc. gilt erst dann eine Person, wenn der­ selben unter Handauflegen oder Berühren mit der Waffe ausdrücklich eröffnet ist, daß sie ver­ haftet sei. Der bloße Haltzuruf oder der Zuruf: „Sie sind arretiert oder verhaftet!" und dergleichen genügt nicht. Auch ist

führung oder Bewachung anvertrauter

dem Verhafteten sofort nach der Verhaftung

oder bei der Über­

nahme zur Bewachung rc. zu erklären, daß bei Fluchtversuch von der Waffe Gebrauch gemacht werden würde.

4. Zum Schutze der seiner Bewachung an­ vertrauten Personen oder Sachen. Dies darf indes nicht blindlings, sondern nur dann geschehen, wenn sich dieser Schutz ohne Waffengebrauch nicht durchführen läßt. Wenn z. B. Jemand eine Blumenanlaae, die dem Schutze eines Postens untersteht, beschädigt, so darf der Posten ihn deswegen nicht gleich niederschlagen oder gar auf ihn schießen. In diesem Falle genügt die einfache Festnahme auch. Sieht er dagegen zur Nachtzeit einen Kerl mit offenbar gestohlenem Gut aus dem Hause, das er zu be­ wachen hat, entspringen, oder wird ein Arrestant, den er in seinem

XVI. Garnison-Wachtdienst.

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Schilderhaus hat, von Anderen gefährlich bedroht oder gar thätlich angegriffen, so muß der Posten seine Waffe gebrauchen.

Gestatten die Verhältnisse in den vorbe­ zeichneten Fällen 1, 2 und 4 eine vorgängige Androhung, so hat dieselbe dem Waffengebrauch stets voranzugehen; andernfalls ist sofort ein­ zuschreiten. Im Fall 3 muß sie stets erfolgen. Die Androhung geschieht mit kurzen, deutlichen und be­ stimmten Worten, z. B.: „Wenn Sie nicht augenblicklich thun, was ich sage, schlage ich Sie nieder", oder „Wenn Sie meinen Arrestanten auch nur anrühren, renne ich ihnen mein Bajonnet in den Leib". Versucht ein Arrestant, d. h. Einer, dem bereits unter Hand­ auflegen u. s. w. (s. oben u. 3) ausdrücklich erklärt wurde, daß er ver­ haftet ist, und dem gesagt wurde, daß bei Fluchtversuch von der Waffe Gebrauch gemacht werden würde, dennoch zu entfliehen, so soll dem Waffengebrauch auch noch ein rascher dreimaliger Haltruf vor­ ausgehen. Dieser darf nur unterbleiben, wenn Gefahr wäre, daß andernfalls der Arrestant nicht mehr zu fassen wäre. Wenn z. B. einem Posten, der keine Patronen hat, ein Arrestant zu entspringen versucht, so wird er, wenn er ihn nicht am Kragen packen und zurück­ reißen kann, ihm alsbald einen Stoß mit dem Kolben versetzen, sodaß er zu Boden stürzt; denn wollte er ihn erst anrufen, so würde er ihm wahrscheinlich um so leichter entkommen Hat aber der Posten Munition, so kommt es auf 20 oder 30 Schritt Entfernung nicht an, wenn anders der Soldat schießen kann. In diesem Fall wird er also wohl immer Zeit haben, zu warnen, es sei denn, daß er befürchten muß, der Flüchtling werde vorher noch irgend eine Deckung gewinnen. Der Zuruf lautet: „Halt, Halt, halt oder ich schieße!" Die Schußwaffe soll indes überhaupt nur in besonders wichtigen Fällen angewendet werden, wenn sich z. B. ein Arrestant etwas Schwerwiegendes, z. B. ein Verbrechen des Diebstahls, der Körperverletzung, des Totschlags hat zu Schulden kommen lassen, wenn ein Posten einen Angriff, z. B. einer Überzahl gegenüber, mit Kolben und Bajonnet nicht abzuwehren vermag, wenn ein seinem Schutz unterstehender Arrestant gefährlich bedroht wird u. s. w. Damit aber der, mit dem es der Posten u. s w. zu thun hat, ja nicht im Zweifel darüber sein kann, was ihm bei Fluchtversuch u. s. w. bevorstehl, lädt der Posten, während er den allenfallsigen Gebrauch der Schuß­ waffe androht, vor den Augen des Betreffenden sein Gewehr. Überhaupt darf man die Waffe nur so scharf an wenden, als es notwendig ist, um zum Ziele zu gelangen. So­ lange dies ohne Anwendung der Schußwaffe erreicht werden kann, muß man sich der leichteren Waffe bedienen. Einem ungefährlichen Menschen, z. B. einem Schwächlichen, Unbewaffneten, Betrunkenen, rennt man, auch wenn er nicht parieren will, nicht gleich das Bajonnet in den Leib. Da thuts ein kräftiger Puff, allenfalls noch ein Kolben­ stoß auch. Wo das Bajonnet ausreicht, ist Schießen ungerechtfertigt. In schweres Unrecht würde sich der Mann setzen, der im Waffen­ gebrauch weiter gehen würde, als notwendig ist, indem er z. B. einem ohnehin schon Wehrlosen noch einen Stich oder Hieb versetzte Wie in jeder schwierigen Lage, so heißt es besonders bei Festnahme und

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XVI. Garnison-Wachldienst.

Waffengebrauch kaltes Blut bewahren und sich nicht von der Leidenschaft hinreißen lassen. Schimpft und räsonniert z. B. der Arrestant, so lasse ihn schimpfen und sieh nur, daß er dir nicht entkommt! Er wird sür seine Beleidigungen dann schon ein­ gesperrt werden! Hat der Posten Jemand verwundet, so muß er, besonders wenn die Verletzung schwerer, auch Sorge tragen, daß Vorübergehende z. B. sich des Verwundeten annehmen. Von der Schußwaffe Gebrauch zu machen, ist die bewaffnete Macht jedenfalls befugt, wenn derselben gewalttätiger Widerstand entgegengesetzt oder gar ein Angriff auf sie mit Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen unternommen oder mit Steinen und anderen Gegenständen nach derselben geworfen wird. Geschlossene Militär­ abteilungen dürfen die Schußwaffe nur auf Befehl des Führers in Anwendung bringen.

Wird die Waffe einmal angewendet, so muß es auch nachdrücklich geschehen und derZweck er­ reicht werden. Es ist eine viel größere Schande und viel strafbarer, schlapp und energielos auf­ zutreten, als einmal aus Übereifer etwas zu scharf vorzugehen. In allen weiteren Fällen, in welchen Wachen, Posten, Patrouillen und Kommandos zur Einschreitung veranlaßt sind, wie bei größeren Zusammenrottungen und Exzessen, bei Unterdrückung eines Volksauflaufes, Tumultes rc. muß vor der Waffenanwendung eine dreimalige Aufforderung zum ruhigen Auseinandergehen rc. erfolgt sein. Die Aufforderung geschieht etwa mit folgenden Worten: „Ich fordere die hier Versammelten (zum zweitenmale, zum dritten- und letztenmale) auf, ruhig auseinanderzugehen, da ich sonst von den Waffen (sofort) Gebrauch machen muß." Die Aufforderungen folgen sich in Pausen von etwa 2 Minuten; ist ein Spielmann zur Stelle, so hat jeder Aufforderung ein Trommel­ wirbel oder ein Horn- oder Trompeten-Signal voranzugehen.

Wird die Militärmannschaft während der Aufforderung thätlich angegriffen, so schreitet sie sofort mit der Waffe ein. Gegen Passiven Widerstand ist die Anwendung der Waffen nur im Falle notwendiger Zerstreuung von Hausen oder gebotener Räumung eines Platzes, aber auch in diesen Fällen erst dann statthaft, wenn dem Vorrücken der Truppe nicht nachgegeben werden sollte.

Um richtig und vorschriftsmäßig handeln zu können, muß der Posten u. s. w. die vorstehenden Bestimmungen genau kennen und gegebenenfalls ruhigen Blutes erwägen, welche davon auf den betreffenden Fall paßt. Dem Befehlshaber einer Wache oder eines Kommandos, des­ gleichen dem einzelnen Manne, würde eine schwere Verletzung der

XVH. Felddienst.

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Dienstpflicht zur Last fallen, wenn er unterließe, gegebenenfalls den berechtigten Gebrauch der Waffe rechtzeitig zu machen.

Im Vertrauen auf die Disziplin der Truppen gilt es als Grundsatz, daß das Militär in den Schranken seiner Befugnisse gehandelt habe, insolange das Gegenteil nicht erwiesen werden kann. Die nachweisbare Überschreitung der ge­ zogenen Grenzen des erlaubten Waffengebrauches zieht dagegen strafrechtliche Einschreitung wegen Mißbrauches der Dienstgewalt nach sich.

XVII. Felddienst. A.

Warschdienst. 1. Allgemeines.

Der weitaus größte Teil der Kriegsthätigkeit der Truppen besteht im Marschieren. Auf der geordneten und sicheren Ausführung der Märsche beruht wesentlich der Erfolg aller Unternehmungen. Oft ist es schon von entscheidender Wichtig­ keit, daß eine Heeresabteilung zur rechten Zeit schlagfertig an dem ihr angewiesenen Punkte steht. Neben der Sorgfalt für seine Waffe hat daher der In­ fanterist unausgesetzt darauf zu achten, sich marsch fähig zu erhalten. Die Märsche sind entweder: a) Friedensmärsche, und zwar: 1. Reisemärsche, wobei es sich nur um das Zurücklegen des Weges von einem Ort zum andern unter möglichster Schonung der Truppe handelt. 2. Übungsmärsche, wobei die Truppe an die Anstrengungen des Marschierens sich ge­ wöhnen und den Marschdienst erlernen soll. b) KriegSmärsche, bei welchen die Truppen jederzeit mit dem Feinde zusammenstoßen können.

2. Vorbereitungen. Die Vorbereitungen zum Marsche bestehen: 1. im Jnstandsetzen des Anzuges und der Ausrüstung; 2. in der Pflege des Körpers, insbesondere der Füße. Gewehr, Ausrüstung und Bekleidung, insbesondere Fußbekleidung, werden genau nachgesehen und ausgebessert. Der Tornister ist sorgfältig zu packen, Festigkeit der Tragriemen nachzusehen. Die Feldflasche bei Hitze mit kühlendem, durstlöschendem

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xvn. Felddienst.

Getränke, bei Kälte allenfalls mit Branntwein zu füllen. Zeitig und nüchtern zur Ruhe gehen. Jedes durch Nachlässigkeit entstandene Wundlaufen wird bestraft (siehe auch Körper- und Gesundheitspflege Seite 70).

3. Marschdisziplin. Unter Marschdisziplin versteht man die genaue Befolgung aller für die Erhaltung der inneren Ordnung auf dem Marsche gegebenen Vorschriften. Eine strenge Marschordnung ist ebenso unerläßlich wie Ausdauer im Marschieren selbst. Der Abmarsch geschieht im Tritt. Erst wenn das Signal „Ab­ geschlagen" oder das Kommando „Rührt Euch" gegeben ist, wird losere Fühlung genommen und ohne Tritt marschiert. Alsdann darf ge­ sprochen, gesungen und geraucht, das Gewehr nach Belieben auf der rechten und linken Schulter, am Riemen über eine Schulter gehängt und unter dem Arme getragen werden. Es werden keine Ehren­ bezeigungen gemacht. Jedoch wird beim Begegnen höherer Vorgesetzter die Pfeife oder Zigarre weggenommen und der Vorgesetzte frisch und dreist angesehen. Die Spitze nimmt die beste, bei Begegnungen die rechte Seite der Straße. Alle rückwärtigen Abteilungen sorgen durch Einhalten des Vordermannes dafür, daß die Kolonne sich nicht verbreitert. Eine Seite der Straße, womöglich die linke, muß frei bleiben, daß Vorgesetzte, Meldereiter und andere Truppenteile vorbei können. Bei schlechten Wegen und bei Hitze darf die Kolonne auf beiden Seiten der Straße sich verteilen und die Mitte frei bleiben. Erleichterungen im-Anzug, wie Kragen öffnen, werden befohlen, Eigenmächtigkeit wird nicht geduldet. Beim Marsch durch Ortschaften und bei großer Ermüdung wird das Spiel gerührt. Städte werden in der Regel im Tritt passiert. Bei großer Hitze reiten Offiziere voraus, um in Ortschaften Wasser bereit stellen zu lassen. Wird während des Marsches das Trinken gestattet, so hat jeder Mann so rasch als möglich wieder seinen Platz in der Kolonne einzunehmen, die hierdurch entstehende Lockerung darf nicht in Unordnung ausarten. Eigenmächtiges Verlassen des Platzes auf dem Marsche wird stets mit Arrest bestraft. (Kriegs-Art. 42 S. 137.) Fühlt der Soldat sich von der Hitze angegriffen, so daß er fürchtet, krank zu werden, so hat er das rechtzeitig seinem Zugführer zu melden. Die Marschkolonne der Infanterie ist in der Regel die zweigliedrige Seküonskolonne zu 4 Rotten mit erweitertem Glieder­ abstand (1,10 ui von Brust zu Brust). Unteroffiziere und überschießende Mannschaften bilden ebenfalls Glieder zu 4 Rotten. Sobald das Signal „Straße frei!" ertönt, schließt in der Marschkolonne alles scharf nach der Seite heran, auf welcher marschiert wird. Beim Marsch im Tritt nimmt alles die im Reglement vorgeschriebenen Plätze ein. Wird ein Ruhehalt gemacht, so muß vor allem das Schuhwerk in Ordnung gebracht und der Sitz des Gepäckes verbessert werden.

XVn. Felddienst.

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Die Mannschaften lassen sich durch die Ankunft von Vorgesetzten in ihrer Beschäftigung nicht stören und stehen nur auf, wenn sie an­ gesprochen werden. Im Kriege stellen gerade die Märsche oft die allerhöchsten An­ forderungen an die Leistungsfähigkeit der Truppen. Trotz der größten Fürsorge ist es da oft nicht möglich, mißliche Verhältnisse zu ver­ meiden. Wie bei wenig andern Gelegenheiten zeigt sich da der einer Abteilung innewohnende gute Geist. So kam es besonders im Loire-Feldzug 1870 oft vor, daß Re­ gimenter eine Reihe anstrengendster Märsche bei unregelmäßiger Ver­ pflegung, Mangel an Kleidung, besonders Schuhwerk, und im abscheu­ lichsten Wetter zu leisten hatten. Beim 3 Infanterie-Regiment war es z. B. in der Zett vom 8. bis 30. November nicht selten, daß Leute mit Füßen, die infolge zerrissener, ja sohlenloser Stiefel an­ geschwollen und wund gelaufen waren, dennoch im Marsche aus­ harrten, bis die letzte Kraft verbraucht war. Trotz solcher Ausdauer seiner Leute verlor das Regiment in diesen 3 Wochen 6 Offiziere und 425 Mann, wovon nur 3 Offiziere und 11 Mann durch das Treffen von Coulmiers.

4. Marschsicherung. In der Nähe des Feindes bedarf jede Truppe besonderer Sicherung. Strengste Ordnung ist nötig; alle die Schlag­ fertigkeit beeinträchtigenden Erleichterungen müssen wegfallen. Die zur Sicherung des Marsches bestimmte Ab­ teilung soll das Ganze vor Überraschung durch den Feind bewahren und die Zeit znm Erteilen von Befehlen, sowie zu deren Ausführung gewähren. Die Masse der in einer Kolonne und auf einer Straße marschierenden Truppen heißt das Gros. Das Gros ent­ sendet zu seiner Sicherung: a) im Vormarsch die Avantgarde; b) im Rückmarsch die Arrieregarde; c) zur Deckung der Flanken die Seitendekkungen.

a) Die Avantgarde. Die Avantgarde gliedert sich in den Haupttrupp, den Vortrupp mit Kavallerie- und InfanterieSpitze und die Avantgarde-Kavallerie. Der Haupttrupp enthält die Masse der Infanterie, und wenn Artillerie der Avantgarde zugeteilt ist, auch diese. Der Vortrupp besteht aus Infanterie, der notwendigen Kavallerie und den Pionieren. Vor dem Vortrupp ist die Infanterie-Spitze und über diese hinaus vorgeschoben die Kavallerie-Spitze oder die Kavallerie des Vortrupps mit ihrer Spitze.

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