Lehrmedien der Kunstgeschichte: Geschichte und Perspektiven kunsthistorischer Medienpraxis 9783422986251, 9783422985087

Researching and teaching art history is very closely intermeshed with the history of media. Digitization has thus given

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Lehrmedien der Kunstgeschichte: Geschichte und Perspektiven kunsthistorischer Medienpraxis
 9783422986251, 9783422985087

Table of contents :
Inhalt
Vorwort. Zur Genese und Gestalt eines offenen Projektes
Lehre – Medien – Kunst – Geschichte. Zur Einführung
Interventionen in und mit Lehrmedien
Vorbilder und ihre visuelle Aneignung
Die Klassische Archäologie und ihre Lehrmedien von der zweiten Hälfte des 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert
Zeichnen/Zeichnung
Nach der Natur lernen. Bildmedien im akademischen Zeichenunterricht
»[Le] fournisseur de musées«. Die Kohledrucke der Maison Braun als Medien diskursiver Anschauung
Universitäre Lehre
Wilhelm Lübkes kunstgeschichtliche Vorlesungen
Bruno Meyers Lehrmedien zwischen Bildungsreform und Medieninnovationen des langen 19. Jahrhunderts
The Slide Library of the Giovanni Previtali Photographic Archive: Teaching Art History at the University of Naples Federico II from the 1920s to the 1960s
Die Lehrmedien der ›Hamburger Schule‹. Panofskys Vorlesungen und Warburgs Seminare
»Key Monuments of the History of Art«. Die kunsthistorische Überblicksdarstellung als Lehrbuch in einer globalisierten Kunstwelt
Mediendiskurs und Medienpraxis in ausgewählten Leitfäden zum kunsthistorischen Studium. Ein Problemaufriss
Sehen lernen
Sehen lernen. Kunstgeschichte in der Schule
Strahlen der Begeisterung. Skioptikon und Projektionsvortrag in der kunstgeschichtlichen Schul- und Volksbildung um 1900
»Die steinernen Wunder von Naumburg«. Ein Film, ein Buch und das Zu-sehen-Geben eines Doms
Eingeschränkte Sichtverhältnisse. Zur fotografischen Vermittlung romanischer Kunst in Frankreich um 1950
»›Sehen zu lernen‹, das war die Devise«. Die Florentiner Ferienkurse von den Anfängen bis 1938
Die Exkursion in der kunsthistorischen Lehre. Ein Ausflug auf die documenta 14
Digitalität
Technologies of Art History: Slides, PowerPoint, and Virtual Reality
Die kunsthistorische Bilddatenbank zwischen digitalisierter Diathek und visuellem Wissensraum
›Super-Recognizer‹. Die Digitalisierung der kunsthistorischen Bildrecherche
Computer Vision und Visualisierung als didaktische Instrumente in der Kunstgeschichte
From Shade to Display: A Contribution to the Media Archaeology of the Screen
Die Autorinnen und Autoren
Bildnachweis
Impressum

Citation preview

Lehrmedien der Kunstgeschichte

Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte

Bildarchiv Foto Marburg

Transformationen des Visuellen Herausgegeben von Band 5 Hubert Locher

Lehrmedien der Kunstgeschichte Geschichte und Perspektiven kunsthistorischer Medienpraxis Herausgegeben von Hubert Locher und Maria Männig

Inhalt

7

108

Vorwort. Zur Genese und Gestalt eines

Nach der Natur lernen. Bildmedien im

offenen Projektes

akademischen Zeichenunterricht

Hubert Locher und Maria Männig

Anastasia Dittmann

14

118

Lehre – Medien – Kunst – Geschichte.

»[Le] fournisseur de musées«.

Zur Einführung

Die Kohledrucke der Maison Braun als

Hubert Locher

Medien diskursiver Anschauung Franziska Scheuer

32 Interventionen in und mit Lehrmedien Philipp Goldbach

Universitäre Lehre 136

Vorbilder und ihre visuelle Aneignung

Wilhelm Lübkes kunstgeschicht­liche Vorlesungen

52

Alexandra Axtmann

Die Klassische Archäologie und ihre Lehrmedien von der zweiten Hälfte des

154

18. bis zum frühen 20. Jahrhundert

Bruno Meyers Lehrmedien zwischen

Ortwin Dally

Bildungsreform und Medieninnovationen des langen 19. Jahrhunderts

88 Zeichnen/Zeichnung Susanne Müller-Bechtel

4

Maria Männig

174

Sehen lernen

The Slide Library of the Giovanni Previtali Photographic Archive: Teaching Art History

238

at the University of Naples Federico II from

Sehen lernen.

the 1920s to the 1960s

Kunstgeschichte in der Schule

Rossella Monaco

Joseph Imorde

186

248

Die Lehrmedien der ›Hamburger Schule‹.

Strahlen der Begeisterung.

Panofskys Vorlesungen und Warburgs

Skioptikon und Projektionsvortrag in

Seminare

der kunstgeschicht­lichen Schul- und

Tobias Teutenberg

Volksbildung um 1900 Andreas Zeising

202 »Key Monuments of the History of Art«.

264

Die kunsthistorische Überblicksdarstellung

»Die steinernen Wunder von Naumburg«.

als Lehrbuch in einer globalisierten

Ein Film, ein Buch und das Zu-sehen-Geben

Kunstwelt

eines Doms

Hubert Locher

Barbara Schrödl

222

278

Mediendiskurs und Medienpraxis

Eingeschränkte Sichtverhältnisse.

in ausgewählten Leitfäden zum

Zur fotografischen Vermittlung

kunsthistorischen Studium.

romanischer Kunst in Frankreich um 1950

Ein Problemaufriss

Bernd Carqué

Christian Nille

5

290

374

»›Sehen zu lernen‹, das war die Devise«.

›Super-Recognizer‹. Die Digitalisierung der

Die Florentiner Ferienkurse von den

kunsthistorischen Bildrecherche

Anfängen bis 1938

Matthias Bruhn

Ute Dercks 384 314

Computer Vision und Visualisierung als

Die Exkursion in der kunsthistorischen

didaktische Instrumente in der

Lehre. Ein Ausflug auf die documenta 14

Kunstgeschichte

Jasmin Kolkwitz

Peter Bell 402

Digitalität

From Shade to Display: A Contribution to the Media Archaeology of the Screen

336

Erkki Huhtamo

Technologies of Art History: Slides, PowerPoint, and Virtual Reality Robert S. Nelson

420 Die Autorinnen und Autoren

354 Die kunsthistorische Bilddatenbank

429

zwischen digitalisierter Diathek und

Bildnachweis

visuellem Wissensraum Georg Schelbert

432 Impressum

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Vorwort. Zur Genese und Gestalt eines offenen Projektes Hubert Locher und Maria Männig

Der vorliegende Band – es ist der fünfte in der Reihe Transformationen des Visuellen – ist hervorgegangen aus einer internationalen Tagung, die vom 22. bis zum 24. November 2018 am Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg stattfand. Mit dieser Veranstaltung zu den »Lehrmedien der Kunstgeschichte« wollten wir ein Thema aufgreifen, das im Kunstgeschicht­lichen Seminar der Philipps-Universität und besonders in dessen ›fotografischer Abteilung‹ – die bald eigenständig tätig war und als »Foto Marburg« bekannt wurde – im Zeitraum von inzwischen mehr als hundert Jahren eine zentrale Rolle spielte. Hier nämlich wurden seit der Berufung Richard Hamanns zum ersten Ordinarius für Kunstgeschichte im Jahr 1913 mit großem Aufwand Fotografien hergestellt, erworben, archiviert und verkauft – auch in der Meinung, dass sie in der kunsthistorischen Lehre zu verwenden wären. Wenn die Aktivitäten der fotografischen Abteilung auch keineswegs vordringlich auf diesen Zweck ausgerichtet waren, sondern man seit den Anfängen die Versorgung der kunsthistorischen Forschung in der ganzen Breite mit Bildmaterial verfolgte, so verlor man über die Jahre dieses Einsatzfeld der Fotografie, die Ausstattung der Lehre mit Bildern, nicht aus dem Blick. Wie es auch an anderen kunsthistorischen Instituten die Regel war, wurden in Marburg Lehrbildsammlungen angelegt. Eine Besonderheit der Marburger Situation ist aber, dass diese bald wesentlich aus dem Bestand

des hiesigen Bildarchivs gespeist wurden. Dazu gehörte auch eine Sammlung von Diapositiven zur Projektion in Lehrveranstaltungen. Mit dem Aufkommen der Kleinbildfotografie, vor allem mit der Verfügbarkeit von Farbdiafilmen, die es ermöglichten, mit vergleichsweise geringem Aufwand Originalaufnahmen vor Ort, vor allem aber qualitativ überzeugende Reproduktionsfotografien nach Abbildungen in Buchpublikationen zu erstellen, geriet die Funktion von Foto Marburg als Versorger für Lehrbildsammlungen in den Hintergrund, wurde aber keineswegs aufgegeben. Bis in die 2000er Jahre war eine der Kernaufgaben der Fotografen des immer noch dem Kunstgeschicht­lichen Institut zugehörigen Bildarchivs Foto Marburg, Reprografien für die kunsthistorischen Lehrveranstaltungen herzustellen, was denn auch mit größter Professionalität bis zum Ende der Ära der Kleinbildfotografie betrieben wurde. Auch seit der 2009 vollzogenen Verselbständigung der fotografischen Abteilung als »Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg« (abgekürzt DDK) wird die Lehre am Institut bis heute durch die technisch-administrative Unterstützung und Begleitung der digitalen Diathek unterstützt, die inzwischen wie an vielen anderen mittleren und größeren Instituten mit dem Datenbanksystem easydb erfolgt. Im Rückblick auf die sich verändernde Beziehung zwischen der Vorgängerinstitution des DDK, der ehemaligen fotografischen Abteilung des

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Kunstgeschicht­lichen Seminars und der heutigen, für die Lehre ausschließlich zuständigen Einheit des Kunstgeschicht­lichen Instituts der PhilippsUniversität deutet sich eine medienhistorisch induzierte Zäsur an, deren Tiefe inzwischen klar erkennbar ist – der Übergang von der ›analogen‹ zur ›digitalen‹ Bildversorgung zur Vermittlung kunsthistorischen Wissens in der Lehre. Ziemlich genau um die Mitte des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends werden fast flächendeckend die konventionellen Diatheken mehr oder minder schlagartig aus dem Betrieb genommen und durch digitale Ressourcen ersetzt. An ihre Stelle treten lokale oder verteilte Bilddatenbanken wie prometheus, Systeme wie easydb und Plattformen wie Artstor, die große Mengen an qualitativ oft vorzüg­lichen Abbildungen von Kunstwerken für die Lehre bereitstellen. Inzwischen ist in der immer bunteren und reicheren Welt des World Wide Web Bildmaterial aus vielerlei anderen Quellen mehr oder weniger frei verfügbar und wird auf vielfältige Weise genutzt. Gewiss kann man diesen Übergang zum ›digitalen Bild‹ auch als kontinuier­lichen Prozess beschreiben, zumal man sich in den Anfängen der Umstellung noch darum bemühte, den Effekt des dunklen Vorführraums und der Parallelbildprojektion im digitalen Medium nachzubilden. Aber es handelt sich in vielerlei Hinsicht doch um mehr als nur einen Wandel in der Technologie, oder besser gesagt: der Wandel in der Technologie impliziert eine viel größere Disruption, als man vielleicht zunächst wahrhaben wollte – auf vielerlei Ebenen, angefangen von der Herstellung der zur Projektion bestimmten Bilder, über deren Weitergabe, Aufbewahrung, Anordnung bis hin zu ihrem Einsatz in der Präsentation. So lässt sich wohl behaupten, dass auch im Bereich der medial vermittelten Lehre der scheinbar simple Übergang von einer Form der Lichtbildprojektion (analog) zur anderen (digital) mit einem durchgreifenden Umbruch verbunden ist, der in allen Bereichen des Lebens durchschlägt.

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Hubert Locher und Maria Männig

Dergleichen Umbrüche – es drängt sich der Vergleich mit dem Übergang vom handgeschriebenen Codex zum gedruckten Buch auf – sind lange vorbereitet und vollziehen sich über längere Zeit, aber es gibt wohl einen bestimmten Umschlagpunkt, nach dem der Prozess irreversibel ist. Der Umbruch generiert neue, unerwartete und unvorhersehbare Folgen, die sich nach einer Weile des Verlaufs zeigen, wodurch die Kontraste desto präg­nanter hervorgetrieben werden. Für die Mediengeschichte ist das interessant. Die noch gar nicht so weit zurückliegende Technologie der ›analogen‹ Projektion, welche die älteren unter uns noch im Studium erfahren haben, selbst erlernten und in ihrer eigenen Lehrpraxis übten, mutet heute befremdlich an. Solche Befremdung treibt Fragen hervor und regt zur Erforschung des Phänomens an, die immer noch in den Anfängen steckt. Wie an anderen Orten ist man auch in Marburg zunächst vor allem mit der Gestaltung der verschiedenen medialen Umbrüche befasst gewesen und weiterhin nachhaltig beschäftigt, aber es sind auch hier und da Vorstöße unternommen worden, um sowohl das ältere wie auch das neuere Paradigma forschend zu erkunden. Nachdem wir uns in Marburg in den vergangenen Jahren das eine oder andere Mal der Diskussion der visuellen Lehrmedien bereits angenähert hatten, ergab es sich günstig, dass vor einiger Zeit, im Wissen, dass in unseren Beständen vielerlei Material der vertieften Erforschung harrt, Maria Männig in Marburg vorsprach mit dem Vorschlag, sich mit medienarchäologischem Blick der Geschichte der kunsthistorischen Diathek – nicht nur der in Marburg – anzunehmen. In der sich entspinnenden Unterhaltung hat sich alsbald die Idee herauskristallisiert, dass es sinnvoll sein könnte, das speziellere Thema in einem weiteren Horizont zu betrachten, woraus sich das Projekt der Tagung zu den »Lehrmedien der Kunstgeschichte« ergab. Im weiteren Planungsprozess haben wir vielerlei Zuspruch und Zustimmung von Kolleginnen und

Kollegen am DDK und ebenso aus unseren weiteren Netzwerken erfahren und konnten bald ein Tagungsprogramm zusammenstellen. In seiner Anlage und internationalen Ausrichtung hat dieses auch die Gutachterinnen und Gutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft überzeugen können, die großzügig die Förderung der Veranstaltung übernahm. Aufgrund der relativ geringen Dichte an einschlägiger Forschung haben wir von Beginn an eine Publikation vorgesehen und alle Vortragenden eingeladen, daran teilzunehmen. Nicht alle sahen sich schließlich in der Lage, ihre Beiträge zum Druck fertigzustellen. Ohnehin war aber vorgesehen, für die geplante Buchpublikation ergänzende und spezielle Aspekte vertiefende Beiträge einzuwerben. Weder im Programm der Tagung noch im Spek­ trum des Buches haben wir indessen den Anspruch verfolgen wollen, das Thema systematisch vollständig abzuhandeln. Wir halten dies weder für zeitgemäß, noch zum aktuellen Zeitpunkt dem Gegenstand angemessen. Vielmehr wollten wir Personen ansprechen, die sich bereits mit Fragen und Gegenständen zum Problembereich unserer Tagung beschäftigt haben, die also aus ihrer jeweiligen Forschungsarbeit einen Blick auf das Thema der Lehrmedien der Kunstgeschichte nach unserem Vorschlag werfen mochten. Vielerlei hätten wir uns für den Band noch vorstellen können, doch ist das Buch schnell im Umfang gewachsen und präsentiert nun eine Bandbreite, die von der medialen Vermittlung antiker Objekte bis zur digitalen Gegenwart reicht, von der Zeichnung über die Fotografie in unterschied­lichen Erscheinungsweisen bis zur PowerPoint-Präsentation; und wir lassen auch Sonderformen und Randphänomene wie die Exkursion, die Lehre vor Originalen nicht aus, bis hin zu Überlegungen zur Rolle des Bildschirms – einer Fläche, die uns zumal im Zuge der Pandemie ab 2020 als Vermittler (Medium) zur wirk­lichen Welt nur zu vertraut geworden ist. Wir

sind schließlich dankbar für die vielfältigen Beiträge, die wir erhalten konnten. Wir erachten es als eine Qualität, dass diese weder einem einheit­lichen Strickmuster noch einem einförmigen Problemdesign folgen, sondern vielmehr in ganz unterschied­ licher Weise aufzeigen, wohin die Frage nach den Lehrmedien in der Kunstgeschichte die Forschung tragen kann; nicht zuletzt freuen wir uns, den Kolleginnen und Kollegen die Gelegenheit bieten zu können, in dieser Form spezielle Forschungsinteressen und Anliegen zum Thema vorzutragen. Dass Geschichtsschreibung notwendiger- und unvermeidlicherweise anachronistisch ist, dass der historische Blick durch die unmittelbare Gegenwart hindurch erfolgt, ist ein nach wie vor aktuelles Postulat. Unsere Überlegungen reichten zum Zeitpunkt der Tagung immerhin bis über die in Seminarraum und Hörsaal inzwischen heimisch gewordene PowerPoint-Präsentation hinaus und bezogen auch schon Überlegungen zur digitalen Zukunft mit ein. Dass noch im Lauf der Arbeiten an dem vorliegenden Band eine völlig neuartige Dimension zum Vorschein kommen würde, indem sich die Lehre ›auf Distanz‹ pandemiebedingt etablierte und nun das Display von Monitor wie Laptop und Tablet zum Interface wurde, das Lehrende mit Studierenden verband, war freilich nicht vorhersehbar. Dies offenbart nicht zuletzt die eklatante Dynamik, der gegenwärtige Digitalisierungsprozesse unterliegen. Wenn in unserem Sammelband diese jüngsten Vorgänge allenfalls hier angesagt werden können, so zeigt dies die Relevanz der hier aufgeworfenen Forschungsfragen auf, die sich im Lichte fortschreitender Technologien weiterverfolgen und aktualisieren lassen werden. Anknüpfungspunkte gibt es vielerlei. Versammelt sind Beiträge aus der Kunstgeschichte, der Medienwissenschaft und der Archäologie, Ausblicke auf die zukünftigen Themen der digitalen Kunstgeschichte komplementieren die Rückblicke auf historische Medienwechsel.

Vorwort. Zur Genese und Gestalt eines offenen Projektes

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Unsere absichtsvoll offene Annäherung schlägt sich emblematisch darin nieder, dass das Äußere, wie das Erscheinungsbild durch einen künstlerischen Beitrag geprägt wird. Philipp Goldbachs Arbeit Deakzession/Reakzession (2016), auf deren Grundlage wir den Umschlag des Bandes gestalten durften, verweist präzise auf den Kristallisationspunkt unseres Projektes. Die Bilder stehen paradigmatisch für den Übergang von analogen Lehrmitteln zu digitalen Medien. Nicht zuletzt durch Goldbachs Werkserie, die mit Sturm/Iconoclasm im Jahr 2013 ihren Ausgang nahm, hat das Kleinbilddiapositiv in diesem Zusammenhang gleichsam ikonischen Status erlangt, überführte die Arbeit doch den unsichtbaren, im Hintergrund stattfindenden Prozess der DiatheksAuflösung in eine zeitgemäße künstlerische Form. Die Anordnung der weiteren Beiträge folgt einer losen chronologischen und thematischen Ordnung; die vier, thematisch einander überlappenden Abschnitte ›Vorbilder‹ und ihre visuelle Aneignung‹, ›Universitäre Lehre‹, ›Sehen lernen‹ und ›Digitalität‹ strukturieren den Band. Am weitesten zurück reicht die Abhandlung von Ortwin Dally, mit welcher der Autor die Auseinandersetzung der Lehrmedienthematik im Bereich der Klassischen Archäologie ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachzeichnet. So offenbaren sich die vielen Gemeinsamkeiten, die Kunstgeschichte und Archäologie in ihrer Frühphase verbinden. Der Autor stellt zugleich dar, wie der zunehmende Mediengebrauch dazu beigetragen hat, die Archäologie als eigenständige Disziplin zu profilieren und von ihrer Schwesternwissenschaft abzulösen. Susanne Müller-Bechtel untersucht in ihrem Aufsatz die Kulturtechnik des Zeichnens, indem sie deren (re)produktive Möglichkeiten auslotet. Zeichnen eröffnet einen unmittelbaren, gestischen Zugang zur Erkenntnis. Als solches bildet es sowohl den Kern der Künstler-Ausbildung als auch ein wichtiges Hilfsmittel für die kunsthistorische

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Hubert Locher und Maria Männig

Forschungs- und Lehrpraxis. Anastasia Dittmann verdeutlicht am Fallbeispiel der Berliner Akademie, wie eine Vorlagenkultur den Zeichenunterricht prägte, in dem heterogene Bildmedien – vom Gipsabdruck bis zur Fotografie – zum Einsatz kamen. Während jener paradigmatisch für die normative Kraft der Antike steht, transportiert die fotografische Vorlage gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Idee des Studiums nach der Natur. Die Antikenrezeption bildet zugleich den zentralen Referenzpunkt für die frühe Kunstgeschichte. In der Erschließung der Denkmäler spielt nicht nur die Ekphrasis, sondern auch ihre zeichnerische Aneignung eine zentrale Rolle. Die materialbasierte Analyse eines der größten erhaltenen und im Bild­archiv Foto Marburg verwahrten Kohledruck-Konvolute der Firma Adolphe Braun steht bei Franziska Scheuer im Zentrum der Ausführungen. Die Autorin zeigt, dass diese hochwertigen Edeldrucke zunächst mit Stichwerken konkurrierten und den Kunstsammlungen, die sie abbildeten, wieder zugeführt wurden. Dort dienten sie vor allem als Grundlage für die kennerschaft­ liche Kunstgeschichte. Erst sukzessive wanderten die Produkte der Maison Braun aus den Grafik-Kabinetten in die universitären Lehrsammlungen. Das sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts konstituierende Universitätsfach stellt einen weiteren Schwerpunkt des Bandes dar. Für das 19. und 20. Jahrhundert werden in je für sich abgegrenzten Untersuchungen unterschied­ liche Lehr- und ­Medienpraktiken bzw. Lehrmedien vorgestellt. ­Ale­xandra Axtmann befasst sich mit einem der populärsten Kunsthistoriker aus der Frühzeit des Faches, Wilhelm Lübke. Anhand von Quellen demonstriert die Autorin, wie Lübkes kunsthistorisches Wissen zwischen visuell-sprach­licher Aneignung in den Notizbüchern und der Vermittlung im Hörsaal zirkuliert. Dabei spielt die zeichnerische Skizze, die gleichfalls von Müller-Bechtel ausführlich behandelt wird, eine elementare Rolle. Trotz

seines extensiven Mediengebrauchs kann Lübke dezidiert als Antipode der Diaprojektion gelten. Diese hatte sein Amtsvorgänger, Bruno Meyer, in Karlsruhe eingeführt, eine Pionierleistung, die der Gegenstand der Studie von Maria Männig ist. Der mediale Paradigmenwechsel wird vor dem Hintergrund der Unterhaltungskultur sowie der Bildungspolitik des langen 19. Jahrhunderts beleuchtet. Die Diaprojektion wird phänomenologisch unter dem Aspekt des Diaphanen behandelt. Im Komplex mit seinem zweiten Lehrmittelprojekt, dem Bau­ge­schicht­­lichen Wandatlas, wird Meyer insbesondere in der realistischen Bildungstradition verortet. Rossella Monaco untersucht in ihrem materialreichen Aufsatz einen wenig bekannten Bestand an Diapositiven, die für die Lehre verwendet wurden – die kunsthistorische Diasammlung der Universität Neapel Federico II –, und analysiert die individuelle Lehr- und Medienpraxis der dort tätigen Professoren. Tobias Teutenberg widmet sich der Lehrpraxis der ›Hamburger Schule‹ der Kunstgeschichte, die in ein enges institutionelles Netzwerk, bestehend aus Kunsthalle und Kultur­ wissenschaft­licher Bibliothek Warburg, eingebunden war. Anhand exemplarischer Lehrveranstaltungen wird die Arbeit mit den Diapositiven als für Erwin Panofsky zentrale Praxis herausgestellt und mit Aby Warburgs Arbeit am Mnemosyne-­Atlas verg­lichen. Hubert Locher nimmt Bezug auf das kunstgeschicht­liche Handbuch als elementares Lehrmedium, in dem die Gegenstände des Faches vorgestellt sind, an deren Präsentation sich aber auch der methodische und klassifikatorische Umgang damit ablesen lässt. Ausgehend vom Impuls der repräsentativen Bestandserfassung in den Anfängen zeichnet sich das Genre im späteren 20. Jahrhundert durch eine gegenläufige Tendenz aus, die als nun vom Bild ausgehende, reduzierende Konzentration auf eine überschaubare Auswahl von ›key monuments‹, anhand derer Kunstgeschichte erzählt wird. Dieser reduktive Zugriff bil-

det vor allem in der angloamerikanischen Welt die Grundlage der bis heute dort in der Lehre ge­ bräuch­­lichen ›textbooks‹. An den erweiterten Neuauflagen lässt sich exemplarisch am Versuch, sowohl Künstlerinnen als auch die außereuropäische Kunst aufzunehmen, der Umgang mit den Paradoxien der Kanonbildung nachzeichnen und auf Aporien einer ›globalen Kunstgeschichte‹ hinweisen. Mit einer noch selten beachteten Quellengattung befasst sich Christian Nilles Beitrag, indem er sich den kunsthistorischen Leitfäden zuwendet. Damit sind schrift­liche Anleitungen zum Studium gemeint, in denen erläutert und erklärt wird, was man an der jeweiligen Universität unter dem Fach versteht, welcher Tradition man folgt und wie konkret studiert werden soll. Nille weist darauf hin, dass dergleichen Anleitungen bereits seit dem 19. Jahrhundert existieren, sie seit den 1990er Jahren aber vermehrt und nahezu flächendeckend nachweisbar sind. Sie tragen dazu bei, das Studium der Kunstgeschichte an den jeweiligen Instituten zu formatieren, sind also einerseits für sich genommen Lehrmedien in einem speziellen Sinn, belegen aber auch, wie sich die Lehrenden zum Medieneinsatz im Rahmen des Studiums stellen. Im Hintergrund kunsthistorischer Lehre steht das – nicht immer explizierte – spannungsvolle Verhältnis von gesprochenem Wort und präsentiertem Bild, die Versprachlichung des Visuellen, wobei es sich um eine schwankende Wechselwirkung handelt, selbst wenn sich sagen lässt, wie etwa im Artikel von Locher angezeigt, dass sich das Gewicht zusehends in Richtung des Bildes verlagert. Die Auseinandersetzung mit dem Bild als zentralem Thema kunsthistorischer Lehre, die Förderung von Erkenntnis vermittels sinn­licher Erfahrung und vor allem Anschauung, mit einem Wort: das ›Sehen lernen‹, lässt sich als ein zentrales Anliegen der Kunstgeschichte bestimmen, das auch in die Reformpädagogik übernommen wurde. Wie dieses Ziel an den Schulen erreicht werden sollte, behan-

Vorwort. Zur Genese und Gestalt eines offenen Projektes

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deln zwei Beiträge vertiefend. Joseph Imorde befasst sich mit der Rolle der Autotypie für die Verbreitung von Bildmaterial in Form von Schulbüchern sowie in Mappenwerken. Besonders letztere dienten auch als Wandschmuck, mit dem die ästhetische Erziehung unterstützt werden sollte. Im Gegensatz zum solcherart gleichsam ausgestellten Bild basiert die Wirkung des Diavortrags auf der zeitlich begrenzten, flüchtigen Vorführung. Dass dieses Medium im Schulunterricht des frühen 20. Jahrhunderts eingesetzt wurde, arbeitet Andreas Zeising heraus. Er analysiert die didaktischen Herausforderungen und die damit verbundenen Debatten, die der Einsatz des frühen Projektionsgerätes, Skioptikon genannt, verursachte. Dabei stellt er fest, dass die Kunsterziehungsbewegung von der vermittels Projektion erzeugten Wirkungsästhetik – und somit von dem neuen Medium der Diaprojektion – profitierte. Der Einsatz visueller Medien zur Gestaltung von implizierten Gehalten, die Anleitung zu einem Sehen bestimmter Tendenz ist in bildmedialen Praktiken stets inhärent, wenn auch nicht immer leicht erfassbar. In ihrer Analyse der Steinernen Wunder von Naumburg vergleicht Barbara Schrödl die mediale Inszenierung der gotischen Stifterfiguren im Fotobuch und im Kulturfilm Anfang der 1930er Jahre. Die Autorin arbeitet heraus, wie ein bestimmter kunsthistorischer Konsens in die jeweilige Medienästhetik überführt und affirmativ überformt wird. Bernd Carqué zeichnet nach, inwieweit sich die fotografische Repräsentation der romanischen Kunst um die Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem in französischen, von klerikaler Seite verantworteten Publikationen ändert. Mittels der ästhetischen Neuorientierung an Formprinzipien der Avantgarde sollten die religiösen Inhalte aktualisiert werden. Vergangenheit und Gegenwart treten somit in ein dialektisches Verhältnis zueinander und werden wechselseitig aufeinander bezogen. Der rhetorischen, womöglich tendenziösen, verfälschenden Verwendung von Bildern und Bildme-

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Hubert Locher und Maria Männig

dien entgegengerichtet ist der in der kunstgeschicht­ lichen Lehre üb­liche Rekurs auf die Betrachtung von Originalen, die von Beginn an elementarer Bestandteil der kunsthistorischen Lehre waren. Zwei Beiträge befassen sich mit diesem Format: Ute Dercks rekonstruiert das Engagement des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, das als außeruniversitäres Forschungsinstitut eng mit der deutschen Universitätslandschaft verzahnt war. Nach dem Modell des bereits bestehenden Deutschen Archäologischen Instituts in Rom ermöglichte die Außenstelle in Norditalien das Studium der Objekte vor Ort. Wie bei vergleichbaren Institutionen war ein solches Studium in eine komplexe intermediale Praxis eingebunden, in der die Fotografie wiederum eine zentrale Rolle spielte. Dass die Exkursion gerade auch im Zeitalter scheinbar schrankenloser Verfügbarkeit von medial vermittelten Inhalten und der immer stärkeren Übertragung künstlerischer Arbeit in mediale Formate keineswegs an Relevanz verloren hat, sogar selbst sich dem Kunstereignis beigesellt, legt Jasmin Kolkwitz in ihren Über­ legungen zur Funktion der Exkursion im 21. Jahrhundert dar. Wie die Autorin am Beispiel der documenta 14 erörtert, setzt insbesondere die Gegenwartskunst oftmals auf die unmittelbare körper­liche Erfahrung, wodurch der Körper der Betrachterin zum Medium künstlerischer Inhalte wird. Mit dem Begriff ›Digitalität‹ haben wir den letzten Abschnitt des Bandes überschrieben. Gemeint ist damit die Art der Verbindung, die heute im Bereich der Kunstgeschichte zwischen den Objekten des Faches – Bilder, Monumente, Kunstwerke – und den Akteuren, den Lehrenden ebenso wie den Studierenden, dominiert. Unter den Bedingungen der Digitalität lebt auch die Diaprojektion fort, wie Robert S. Nelson in konsequenter Fortsetzung seiner vor zwei Jahrzehnten vorgetragenen grundlegenden Überlegungen zur kunsthistorischen Dia-Praxis im Beitrag für diesen Band darlegt. Er erläutert mit klarem Blick für das

Wesent­liche den Übergang zu heute üb­lichen PowerPoint-Präsentationen mit Bezug zu den ihm aus langer Lehrerfahrung vertrauten Konventionen im amerikanischen Raum. Denselben Übergang erläutert Georg Schelbert auf ganz anderer Grundlage in der Darlegung der Umstände der für diese Zwecke entwickelten und unterhaltenen Bildsammlungen. Von den ersten EDV-Projekten im deutschsprachigen Raum ausgehend skizziert er die Geschichte der Bilddatenbanken und zeigt auf, wie diese sich zunehmend als entgrenzter Wissensraum ausgestalten. Matthias Bruhn lotet die Möglichkeiten der digitalen Bildrecherche aus und plädiert anhand des Phänomens des Super-Recognizers für einen geradezu kriminalistisch operierenden, kunsthistorisch informierten Blick. Peter Bell bearbeitet die Computer Vision als derzeit emergierendes Feld einer ›Digitalen Kunstgeschichte‹, deren neue mediale Möglichkeiten zur Ausgestaltung der kunsthistorischen Lehre sich heute erst abzuzeichnen beginnen. Mit Verweisen auf klassische kunsthistorische Arbeitsmethoden skizziert der Autor die didaktischen Potenziale der KI-basierten Forschungsmethoden. Der letzte Text von Erkki Huhtamo verlässt das engere Feld der Lehrmedienforschung, indem er aus medienarchäologischer Perspektive über jenes Dispositiv nachdenkt, das – zumal in allerjüngster Zeit – das Erscheinungsbild der Lehre unversehens mitgeprägt hat: der Bildschirm, der Screen, der als Display des Smartphones, des Tablets, Laptops oder des Desktop-Computers immer stärker zum zentralen Interface der Kommunikation wird und auf dem sich Lehr- und Lerninhalte der Kunstgeschichte, aber auch die entsprechende Lehrsituation in eigentüm­licher Form darstellen.

Vorwort. Zur Genese und Gestalt eines offenen Projektes

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Lehre – Medien – Kunst – Geschichte. Zur Einführung Hubert Locher

Die Komplexität des Projektes, das in diesem Band vielstimmig erkundet wird, ergibt sich aus der Verbindung jener vier Bereiche, die im Titel in Gestalt zweier zusammengesetzter Substantive begrifflich gefasst werden. Sie seien hier in ihre Komponenten zerlegt, um die jeweils enthaltenen Hinsichten auf das Thema anzusprechen, auch deren spannungsvolles Verhältnis, um die damit verbundenen Forschungsfragen und Problemzusammenhänge einführend zu skizzieren.

Lehre

Wer sich mit der Geschichte der Kunstgeschichte befasst, stößt über kurz oder lang auf die Bedeutung, die der Lehre zukommt. Die Weitergabe von Wissen durch dafür bestellte Personen im institutionellen Rahmen der Universitäten, aber auch der Akademien und Kunsthochschulen, endlich der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen ist für die Ausgestaltung des Faches konstitutiv. Gleichwohl wurde die Lehre als wesent­ licher Faktor in der Geschichte der Formierung der Disziplin selten verhandelt. Ansätze hierzu sind erst in den 1970er Jahren erkennbar, als eine neue Diskussion von Aspekten der Vermittlung kunsthistorischen Wissens einsetzte, die in enger Verbindung mit der Aufarbeitung der Geschichte der Institutionalisierung des Faches Kunstgeschichte erfolgte. Zu verweisen ist hier besonders auf den Band Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung, der

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Hubert Locher

1975 in der Kunstwissenschaft­lichen Reihe des Ulmer Vereins erschien.1 Unter den Beitragenden befanden sich neben der Herausgeberin Irene Below, die sich mit der »Werkbetrachtung« nach Alfred Lichtwark befasste, und Wolfgang Kemp, der sich mit der Sprache beschäftigte, auch zwei Autoren, die sich mit dem damals wichtigsten Bildmedium der kunsthistorischen Lehre, der Diaprojektion auseinandersetzten; neben Wolfgang Bey­ rodts Studie zu Diareihen für den Unterricht enthielt der Band einen ersten Aufsatz von Heinrich Dilly zum Gegenstand, dem in den folgenden Jahrzehnten weitere folgen sollten. Der Impuls für die damalige Auseinandersetzung mit der Lehre ging von der vehement vorgetragenen Forderung nach einer neuen, explizit kritischen Fundierung von Wissenschaft, aber auch von Kunst in gesellschaft­ lichen Produktionsprozessen, einschließlich der Hinterfragung ihrer sozialen Ursachen und Auswirkungen aus. Teil davon wurde die kritische Untersuchung der Methodologie des Faches und die Aufarbeitung der institutionellen Zusammenhänge, zu der wiederum Heinrich Dilly mit seiner für die Geschichte des Faches bedeutsamen Dissertation Kunstgeschichte als Institution maßgeblich beitrug.2 Auch hier wird die Lehrtätigkeit immerhin punktuell angesprochen. In den einleitenden Überlegungen erörtert Dilly das Gebiet der biografischen Forschung, der Geschichte kunsthistorischer Methoden und der Rezeptionsgeschichte als mög­liche Formen der Disziplingeschichte. Wenn

man unter Methodengeschichte eine Geschichte der sich entwickelnden Formen der Generierung und Darlegung von Wissen und Erkenntnis versteht, dann fällt die Tätigkeit der Lehre, die nach bestimmten methodischen Kriterien erfolgt und sich nach diesen untersuchen lässt, ebenfalls in diese Domäne. Dilly selbst geht gleichwohl nur wenig darauf ein, explizit indem er wiederum die Diaprojektion und die Fotografie anspricht, womit zumindest die Möglichkeit angezeigt wird, dass auch die Geschichte des Lehrdiskurses als solcher Anteil an der Fachgeschichte hat. Auch die spätere fachgeschicht­liche Forschung hat sich nur vereinzelt mit der methodischen Formatierung des Faches durch die Aufgabe der Lehre befasst. Über die Gründe kann man nur spekulieren, es scheint aber damit zusammenzuhängen, dass die Lehre, obgleich integraler Bestandteil und eine der Hauptaufgaben jeder Professur, gegenüber dem Bereich der Forschung ein geringeres Prestige hat. Ein Indiz für die Wirksamkeit dieser Hierarchie zeigt sich darin, dass in der Fach- und Methodengeschichte die offensichtlich für Lehrzwecke entstandene Fachliteratur, darunter auch die Bilderbögen, die Handbücher, die Leitfäden, lange Zeit wenig ernst genommen worden sind. Die Geringschätzung beruht auf der Meinung, es handle sich lediglich um Hilfsmittel, die allenfalls für Unwissende nützlich, für den Kenner jedoch vollkommen entbehrlich wären, um Vermittlungsorgane, die das etablierte Wissen ohne Erzeugung von Mehrwert lediglich aufbereiteten, mit einem Wort um Medien, die – in Bild und Text – lediglich auf die Reproduktion zielen, einerseits von Werken, die anderswo im Original zu sehen wären, andererseits von Wissen, das bereits veröffentlicht wurde. Wären nun diese Medien somit lediglich »Prothesen«3, um ein von Heinrich Dilly einst mit Bezug auf die Diaprojektion bemühtes Wort noch einmal ins Spiel zu bringen – Ersatzobjekte für ein verlorenes Eigent­liches? Letzteres trifft schon einmal

nicht zu, denn die Reproduktion eines Bildes setzt ja dessen Präsenz – zumindest zum Zeitpunkt ihrer Anfertigung – voraus, ansonsten es sich um eine Rekonstruktion handelte. Etwas Richtiges ist an der Metapher der Prothese aber doch: Die Lehre und zumal die kunsthistorische Lehre ist auf künstlich hergestellte Stellvertreter angewiesen. Sie konstituiert sich durch sie, verkörpert sich in den Repräsentationen ihrer Gegenstände und deren Demonstration, ihrem Vorzeigen. Die Tatsache, dass in der Lehre Wissen nicht nur wiederholt, sondern auf spezifische Weise gestaltet wird, verlangt eine eingehende Beschäftigung damit, wenn man sich über die Konstitution des Faches und seiner Denkweisen Klarheit verschaffen möchte. Der Gegenstand ist allerdings nicht leicht zu fassen. So stellt sich die Frage, wo Lehre eigentlich beginnt. Inwiefern ist sie von dem abzugrenzen, was man als Forschung bezeichnet?4 Was zeichnet die Lehre als Tätigkeit aus? Ist eine Lehrsituation nur dann gegeben, wenn eine Institution den Rahmen und womöglich das größere Programm vorgibt? Bedeutet Lehre in jedem Fall, dass ein Publikum sich vor der lehrenden Person befindet, dass sie sich als lebendige Sprechhandlung abspielt? Oder ist nicht auch die Veröffentlichung eines Textes, eines Buches, das für ein Publikum gedacht ist, das lernen möchte, eine Form der Lehre, die hier von Belang wäre? Was unterscheidet die Lehre an einer Universität von jener Belehrung, die in sogenannten allgemeinbildenden Schulen vorgenommen wird, die in der Volkshochschule stattfindet oder von jener, die im Museum im Rahmen von Führungen erfolgt? Gerade im Bereich der Kunstgeschichte ist eine scharfe Trennung von institutionell verankerter Lehre und öffent­licher Belehrung, im Englischen ist passenderweise von ›Public Science‹ die Rede, schwierig, wenngleich man eine solche in pragmatischer Hinsicht durch Verweis auf das Studienprogramm und den Abschluss wohl vornehmen kann

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und zumal das Seminar, das als Veranstaltungsform schon seit Ende des 18. Jahrhunderts zu den Vorlesungsveranstaltungen hinzukommt, als Ort der forschenden Lehre für den kleineren Studierendenkreis vielerorts eingerichtet worden war.5 Dass von Universitätsprofessoren akademische Vorlesungen über spezielle Probleme der Kunstgeschichte gehalten wurden, die immer schon auch an ein allgemeines Publikum gerichtet waren, lässt sich indessen bis in die Vor- und Frühgeschichte des Faches zurückverfolgen.6 Dergleichen Vorträge zielten darauf ab, Personen anzusprechen, die sich den Luxus philosophischer Erörterungen leisten und in der Demonstration ihrer entwickelten Geschmackskultur auszeichnen konnten. Bis heute bieten Universitäten repräsentative akademische Vorträge an, die zwar von Fachwissenschaftlern gehalten werden, aber auf eine breitere Hörerschaft abzielen, die aus Kollegen und Kolleginnen anderer Fachrichtungen bestehen kann, aber auch das sogenannte allgemeine, bildungsaffine Publikum ansprechen soll. Dass geisteswissenschaft­liche Beiträge, zumal solche über Literatur und Kunst, sich für dergleichen besonders eignen, liegt schon in der Natur ihrer Gegenstände, deren Kenntnis im bildungs­ bür­ger­lichen Milieu ebenso als Ausweis sozialer Distinktion gilt wie die Befähigung zu deren Genuss. Zahlreiche namhafte Kunsthistoriker glänzten in dieser besonderen Lehr- und Vortragsdisziplin, angefangen von Jacob Burckhardt, der in Basel gerne dieses allgemeine Publikum bediente,7 über Herman Grimm bis hin zu dessen Nachfolger Heinrich Wölfflin. Ein Meister des Vortrags für das gebildete Publikum war eine Generation später – und unter deutlich anderen Umständen – auch Ernst H. Gombrich, der einige davon unter dem bezeichnenden Titel Meditations on a Hobby Horse veröffentlichte.8 Vielleicht ist es ein etwas gewagter Vorschlag, diese Art von Lehre mit jener schon seit dem 16. Jahrhundert entstehenden Literatur in Verbin-

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dung zu bringen, die sich nicht an ausübende Künstler richtet, sondern dazu angelegt ist, Kennerschaft der Kunst an ein Laienpublikum zu vermitteln. Dieses Publikum zu bedienen und die Kennerschaft der Laien solide zu begründen ist ein Anliegen Roger de Piles,9 es wurde übernommen und als »science of a connoisseur« von Jonathan Richardson weitergeführt.10 Eine solche Expertise umfasst allerdings vielerlei Kenntnisse der Kunst, die durch die kontinuier­liche Beschäftigung, durch finanzielles Engagement, Sammlertätigkeit und womöglich auch eigenes Dilettieren in den Künsten erworben und gesteigert werden. Wie die genannten Publikationen belegen, gehört Gelehrsamkeit dazu, die aber antiquarisches Wissen überschreitet und sich in besonderer Weise in lehrhafter Literatur niederschlägt. Diese Handreichungen sind von jenen verfasst, die Expertise glauben beanspruchen zu können und richten sich an Amateure, die nach solchen Kenntnissen streben. Der in der frühen Kunstkritik mehr oder weniger ausgeprägte belehrende Ton der »Anleitung zum Genuss« bleibt dem Genre der Liebhaberliteratur erhalten und wird auch in die Kunstgeschichte übertragen.11 Dieser lehrhafte, mitunter belehrende Ton scheint der Kunstgeschichte nachhaltig anzuhaften. Immer noch gibt es das breite, kunstinteressierte Publikum, das Belehrung, zumindest aber Anleitung durch kunsthistorisch ausgebildete Fachpersonen sucht, die ihr Wissen in Vorträgen und Führungen beim Besuch von touristischen Sehenswürdigkeiten, aber auch in Museen und anlässlich von Ausstellungen anbieten. Diese Formen der Vermittlung von Wissensinhalten an ein breites Publikum sind seit jeher ein wesent­licher Aspekt kunsthistorischer Arbeit und nicht etwa von einer eigent­ lichen wissenschaft­ lichen Kunstgeschichte zu trennen – nicht zuletzt deswegen, weil ein Zweck in der Stiftung von Sinn und Erkenntnis für die Einzelnen ebenso wie für die Gemeinschaft und generell in der Mobilisierung von kulturellem Kapital besteht.

Medien

John Berger beginnt das reich illustrierte Begleitbuch zu seiner als Fernsehserie ausgestrahlten Anleitung zur kritischen Kunstbetrachtung im Medienzeitalter mit dem Satz: »Seeing comes before words. The child looks and recognizes before it can speak.«12 Wenn das Sehen als kognitiver Akt dem Sprechen ursprünglich vorangeht, so kehrt sich in der Lehre diese Reihenfolge um. Lehre ereignet sich zunächst in Form der Sprache; das erste Lehrmedium der Kunstgeschichte ist die Sprache, die allerdings regelmäßig auf den im weitesten Sinn bildhaften Gegenstand bezogen ist und daher – bei dessen Abwesenheit – das Bild als zweites Medium einbezieht. Sprachkompetenz kann beim Publikum vorausgesetzt werden, während bildnerische Kompetenz denjenigen vorbehalten ist, die sich mit den Händen dem Gegenstand nähern. In der Form des Zeichnens ist diese Form der händischen, aber ebenso intellektuellen Annäherung auch für Personen verfügbar, die sich nicht professionell mit der Herstellung von Bildwerken befassen. So wird das Zeichnen früh und regelmäßig als nütz­liche und einem Edelmann geziemende Befähigung angeführt, da sich auf diesem Weg eine besondere Kultiviertheit erreichen lasse.13 Das Medium bleibt für die Annäherung an Malerei, Skulptur, Architektur, die unter dem Begriff der »Künste des Zeichnens« von Vasari zusammengefasst wurden, wesentlich und entwickelt sich eigenständig, tritt aber in der Anleitung zur Kenntnis der Kunst für die Laien zunächst nicht in den Vordergrund.14 Die Dominanz der Sprache in der Lehre gründet auf der kategorialen Differenz zum Gegenstand, der mit dem Begriff des Bildes in seiner weitestmög­ lichen Bedeutung hinreichend bezeichnet ist. Kunstgeschichte als kritische Praxis gewinnt aus der Spannung dieser beiden Medien der Erkenntnis ihre besondere Attraktivität und ihr genuines Erkenntnisziel: Es geht darum, das, was bildlich, was visuell vorgestellt wird, in Worte, in Begriffe zu

fassen, in Form von Erzählungen zu erläutern und zu erklären, endlich zu interpretieren, so dass sich ein visueller Sachverhalt einem Betrachter, einer Betrachterin, die davon betroffen sind, seiner Gestalt und seinem Gehalt nach erschließt. Damit ist ein zentraler Punkt angezeigt: Solch ›deiktisches Sprechen‹15 ist dann überzeugend, wenn die Referenz nicht nur mitgedacht werden kann, sondern in irgendeiner Form präsent ist. Hier kommt das zweite Lehrmedium der Kunstgeschichte, das Bild, ins Spiel als Repräsentation eines eigentlich Gemeinten. Die Schwierigkeit dabei besteht darin, dass dieses Gemeinte ebenfalls schon ein Bild im weitesten Sinn des Begriffs ist. Man hätte also von einem Bild zweiter Ordnung zu sprechen, wenn jenes Medium zu bezeichnen ist, das im kunsthistorischen Diskurs, in der Lehre zum Einsatz kommt.16 Geläufig hierfür sind die Ausdrücke ›Abbildung‹ oder ›Illustration‹. Bei letzterer wird dem Text Priorität eingeräumt – illustriert wird ein Text mit einer erläuternden Bildbeigabe. Ein kunsthistorischer Lehrtext ist jedoch eher dazu gedacht, einen in einer Abbildung (einem Bild zweiter Ordnung) repräsentierten Gegenstand zu erläutern. Am geläufigsten für das in der Lehre verwendete Bild ist nach wie vor der Terminus ›Reproduktion‹. Er bezieht sich zwar richtig auf jenen Gegenstand, der im Text nachträglich erläutert und kommentiert wird, ist indessen auf andere Weise irreführend, da er vorzugeben scheint, dass damit tatsäch­liche eine Wiederholung vorliegt. Doch gerade dies will jenes Bild nicht, das als Lehrmedium der sprach­lichen Lehre angefügt wird, es soll vielmehr den Gegenstand nur adäquat vertreten und zwar in einer Form, die sich in die Rede (in den Text), in die Lehre integrieren lässt. Mit einer buchstäb­lichen Reproduktion, einer treuen Wiederholung, wäre dies in den meisten Fällen nicht möglich, zum Beispiel wenn die Rede von Architektur ist oder von voluminösen Gemälden, die man zwar kopieren könnte, aber die auch dann bei

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weitem zu sperrig wären, um sie in der Lehre zu besprechen. Wie bedeutsam die evidente Differenz der Abbildung (des Bildes zweiter Ordnung) zum abgebildeten Gegenstand ist, wird deutlich, wenn man sich konkreten Versuchen zuwendet, unter Beiziehung von Bildern über Bilder zu sprechen. Damit dies gelingt, müssen die Bilder zweiter Ordnung so zugerichtet werden, dass sie sich zur Lehre fügen, was auf sehr unterschied­liche Weise erfolgen kann. Schon im kursorischen Überblick ergibt sich, dass die Zurichtung von visuellen Lehrmedien für die Vermittlung dessen, was seit dem 18. Jahrhundert Geschichte der Kunst heißt, eine ebenso lebendige und reiche Geschichte hat wie der sprach­liche Diskurs. Heinrich Dilly hatte dies im Blick, als er schon in seiner Dissertation die Unterscheidung einer »diskursiven« und einer »präsentativen kunsthistorischen Praxis« vorschlug,17 wobei anzumerken ist, dass beiderlei typischerweise in der Lehre zusammenkommt. Wiederum ist auf die Zeichnung zu verweisen. Zeichnen kann auch der Laie lernen; Zeichnungen lassen sich für die eigenen Absichten selbst herstellen, man kann sie auch anfertigen lassen, endlich kann man jene Zeichnungen sammeln, die als Nebenprodukt bei der Arbeit eines Künstlers angefallen sind, dessen Werke eigentlich interessieren. Als Form der anschau­lichen, gestalteten Transformation eines Gesehenen ist das Zeichnen daher seit jeher eine Studienpraxis der professionellen Künstler; Zeichnungen haben als Studieninstrumente und auch Lehrmedien in der Werkstatt fungiert.18 In Giorgio Vasaris Libro dei Disegni ist eine Sammlung von Zeichnungen wenigstens in Teilen rekonstruierbar, die als Lehrmedium auch für Aspekte des – theoretischen – Unterrichts hätte eingesetzt werden können und vielleicht sogar dazu eingesetzt worden ist.19 Wie eine Zeichnungssammlung spätestens im 18. Jahrhundert auch mit kunsthistorischem Interesse und zur ästhetischen (Selbst)Belehrung des Sammlers und

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seiner Bekannten angelegt und benutzt wurde, ließe sich mit Johann Wolfgang Goethes Aufsatz Der Sammler und die Seinigen und im Blick auf Goethes Sammlungen erörtern.20 Sammlungen von Zeichnungen anzulegen ist indessen eine aufwendige und persön­liche Angelegenheit, die Hingabe und Liebhaberei verlangt, ganz abgesehen von den erforder­lichen finanziellen Mitteln. Vor allem aber sind Zeichnungssammlungen unikal, meist in Kabinetten verborgen und damit auch nur bedingt diskursiv vermittelnd zu nutzen, es sei denn, sie werden publiziert. Das wichtigste visuelle Lehrmedium der frühen Kunstgeschichte wurde demnach nicht die Zeichnung, sondern der grafische Druck, die druckgrafische Reproduktion von Kunstwerken, von Gemälden, auch von Zeichnungen. Bis ins 19. Jahrhundert wurde der Kupferstich als maßgeb­liches Referenzobjekt der Lehre genutzt, das heißt in Lehrwerken gruppiert und in Einzelblättern in Vorlesungen herumgeboten.21 Das Spektrum der sogenannten Reproduktionsgrafik reicht vom optischen Faksimile bis zum summarischen Umrissstich. Wie die Zeichnung wird auch die Reproduktionsgrafik gesammelt. Sie kann in Einzelblättern auftreten, doch erscheint sie regelmäßig im Verbund einer Sammlung, dann aber auch in Form des Buches. Ein berühmtes Beispiel ist jener Receuil, den Pierre Crozat und Pierre-Jean Mariette in zwei Bänden 1729–1742 veröffentlichten, ein frühes »Kunstbuch«, das sich dadurch auszeichnet, dass es Reproduktionsstiche mit einem Text kombiniert.22 Während es hier noch darum ging, wie es im Titel heißt, die »schönsten Gemälde und Zeichnungen in Frankreich« abzubilden, werden seit Beginn des 19. Jahrhunderts kohärente Bildkompendien in der Absicht erstellt, die Geschichte der Kunst bildhaft aufzuzeigen. Zunächst als Kupfer- oder Stahlstiche ausgeführt, später unter Verwendung von Holzstichen hergestellt, ist ihnen die Lehrorientierung bald explizit eingeschrieben, so etwa, um nur ein

in Deutschland weit verbreitetes Beispiel zu erwähnen, die Kunsthistorischen Bilderbogen des E. A. Seemann Verlags in Leipzig. Der Untertitel vermerkt, dass die ab 1877 erscheinende Publikation »für den Gebrauch bei akademischen und öffent­lichen Vorlesungen, sowie beim Unterricht in der Geschichte und Geschmackslehre an Gymnasien, Real- und höheren Töchterschulen zusammengestellt«23 worden sei. Die Geschichte der für die kunsthistorische Lehre entworfenen Bildkompendien beginnt spätestens um die Wende zum 19. Jahrhundert24 und reicht bis weit ins 20. Jahrhundert hinein, mit Ausläufern bis zur Gegenwart. Ihre Binnengestalt veränderte sich im Laufe der Jahrzehnte erheblich, zum einen durch die Verbindung von Schriftdruck und Bilddruck, die mit der Einführung des Holzstichs üblich wurde, zum anderen durch die Möglichkeiten, welche bald die Fotografie bot, die seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts im Verfahren der Autotypie als Halbtonabbildung gedruckt werden konnte. Doch die Fotografie hatte bereits früher als erstes genuines Bildmedium der Moderne in ihren originalen Erscheinungsformen die kunsthistorische Lehre ergänzt: Sammlungen von Fotografien – das heißt von meist auf Karton aufgezogenen, beschrifteten und nach Schlagworten geordneten Fotopositiven – wurden als »kunsthistorische Apparate« an zahlreichen Seminaren für die Lehre zusammengetragen. Sie ergänzten die ebenfalls als »Lehrapparat« bereitgestellten Handbibliotheken der Institute.25 Die Verwendung desselben Ausdrucks für die Bild- und Textsammlungen verdeutlicht, dass beide zusammengehören, dass man dem sprach­lichen Lehrdiskurs der Kunstgeschichte spätestens mit der Verfügbarkeit der Fotografie ein visuelles Komplement anlagerte. Zeitgleich mit der Anlage von Positivapparaten entstanden Sammlungen von Diapositiven, deren Verwendung entscheidend für die Verbindung von Sprache und Bild im Format der Vorlesung wur-

de.26 Eingesetzt wurden zunächst Großdias, die bald von verschiedenen Anbietern bezogen werden konnten, etwa von dem 1895 gegründeten »Institut für wissenschaft­liche Projection Dr. Franz Stoedtner«, dessen Archiv und für bestimmte Gebiete erstellte Verkaufskataloge (»Mustersammlung für Lehrzwecke«) sich inzwischen im Bildarchiv Foto Marburg befinden.27 Großdiaprojektoren blieben lange in den kunsthistorischen Hörsälen stehen, doch wurden sie bald ergänzt und schließlich ersetzt durch die hand­licheren Kleinbilddiaprojektoren. Spätestens seit den 1970er Jahren dominierte in der kunsthistorischen Vorlesung das Kleinbilddia. An allen kunsthistorischen Instituten wurden Kleinbilddiatheken aufgebaut, zumeist bestehend aus farbigen Reprofotografien nach publizierten Vorlagen. Der Vortrag mit Lichtbildern wurde das Format kunsthistorischer Lehre schlechthin. Nachdem in der Frühzeit die Projektion einer Folge von Einzelbildern oft die Vorlage anderer Bildmedien, von Stichen, Fotografien, Büchern ergänzt hatte, was sich in den Einrichtungen der frühen zweckgebundenen kunsthistorischen Hörsäle nachvollziehen lässt, so wurde die Vorführung von jeweils zwei parallelen Lichtbildern im Kleinbildformat mittels lichtstarker Apparate und schließlich auch vorzugsweise in Farbe im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts zum Standard.28 Das Ende kam abrupt: Gegen Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends wurde die Diaprojektion fast überall eingestellt und die Diatheken außer Betrieb genommen. Vielerlei ist zur Klärung ihres Anteils an der Geschichte der kunsthistorischen Lehre bereits geleistet worden, jedoch bleibt manches noch genauer zu erforschen, darunter auch die von Heinrich Dilly zuletzt angemerkte Verbindung der Diaprojektion mit der eigent­lichen Vorlesung. So wäre zu prüfen, ob Abbildungslisten zu Vorlesungen und überlieferte Mitschriften mit Bildhinweisen es zulassen, Strategien der Bildpräsentation zu beschreiben und zu unterscheiden.29

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Kunst

Lichtbildvorträge sind zu den unterschiedlichsten Gegenständen und Sachverhalten vorstellbar – und auch praktiziert worden. Dass dieses besondere Dispositiv aber gerade die Vorstellung von der kunsthistorischen Lehre so stark geprägt hat, liegt in der Natur des Gegenstandes, um den es dabei geht, vielmehr, der in dieser Situation zur Sprache gebracht wird. Im Diavortrag kommt es zu einer Epiphanie besonderer Art: Es erscheint im Dunkel des Raumes nicht irgendein Bild, sondern das Kunstwerk. Wenn der Zauber einer Lichtbildprojektion mittels einer Laterna magica – so der Name des ersten Projektionsapparates – schon an sich reizvoll war, so ist das inhärente mediale Pathos der Projektion von Lichtbildern in der kunsthistorischen Vorlesung von besonderer Art, insofern es sich auf eben jenen Gegenstand bezieht, der für die ästhetische Erfahrung eigens konzipiert ist und dessen formale Eigenschaften diese bestimmen. Hieraus ergibt sich, dass die für eine diskursive Erläuterung sinnvolle Zurichtung der Abbildungen, die nur mit Abweichungen vom Original zu haben ist, dieses Original als das abwesende Eigent­liche erst recht mystifiziert.30 Die Projektionssituation ist daher nicht ohne Bezug auf die Lehre vor dem Original, die »Übung vor Originalen«, zu verstehen.31 Dieses Original ist als Referenz, auf die der Dozent immer wieder rekurriert, ständig präsent – zum Beispiel, indem im münd­lichen Vortrag darauf verwiesen wird, dass die Abbildung nicht sehr getreu sei, dass die Farbigkeit abweiche oder man sich die Farbe dazu denken müsse, dass die Reproduktion beschnitten, dass das Dia unscharf sei. So gehört es zum kritischen Habitus des Vortragenden zu betonen, dass eine authentische Erfahrung nur und ausschließlich vor dem Original möglich sei. Trotz dieser rhetorischen Vorbehalte zielt die Vorlesung mit Lichtbildern darauf ab, die Erfahrung des Originals auf seine Weise zu überbieten. Das gelingt aufgrund der spezifischen Eigenheiten des media-

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len Dispositivs. Es beinhaltet die Präsentation eines Lichtbildes im dunklen Raum, in dem jeder für sich auf die Bühne mit der Bilderscheinung blickt, die wirkungsvoll und mitunter dramatischen Beschwörungen ausgesetzt in großem Format an der Wand erscheint, so dass diese auratische Erscheinung in der Erinnerung der Zuhörer sehr schnell das originale Objekt verdrängt. So ist der Diavortrag in einem spezifischen Sinn jene Form, in der das Kunstwerk tatsächlich als »technisch reproduzierbar« empfunden wird. Was erscheint, ist freilich ein neues Werk, das sich vom Original kategorisch unterscheidet. Was dieses sogenannte Original betrifft, so gilt es, dessen Bedeutung für die Kunstwissenschaft in mehrfacher Hinsicht zu relativieren – das heißt, es mit der Wiederholung, der Kopie, der Reproduktion und der medialen Repräsentation in Beziehung zu setzen.32 Zu betonen ist, dass auch die mediale Repräsentation, wie eben erläutert, die Präsentation einer neuen Sache, eines neuen Werks ist – und damit originell. Zum anderen mag auch schon das sogenannte Original in seiner Materialität authentisch sein, indessen ist es nur ausnahmsweise tatsächlich in einem ursprüng­lichen und quasi reinen Zustand jemals verfügbar gewesen, erscheint vielmehr stets in einer bestimmten Überformung. Bei jenen Objekten, die seit dem 18. Jahrhundert als Kunstwerke betrachtet werden, ist dies üb­licherweise eine Zurichtung, die durch kunsthistorische Ordnungskategorien bestimmt wird, wie sie sich im modernen Kunstmuseum herausbildet. Nur selten wird das regierende Prinzip so klar ausgeschildert wie in Wien, wo man die Kunst­sammlungen seit 1891 im Neubau des nun so bezeichneten »Kunsthistorischen Museums« präsentiert. In einem Museum dieser Art wird man Werken begegnen, die als originale Kunstwerke gelten dürfen, die aber im spezifischen Display zu Belegstücken für etwas anderes werden, für die Geschichte der Kunst, aufbereitet im Museum als

ihrem Medium,33 oder aber als Originalbeleg für das, was man seit dem 18. Jahrhundert unter Kunst versteht. Dies wirft die Frage auf, was denn nun eigentlich der Gegenstand der Vermittlung ist: die Geschichte der Kunst oder die Kunst selbst? Geht es nicht doch, sowohl im (Kunst)Museum, wie auch in der kunsthistorischen Lehrveranstaltung, eigentlich um die Vermittlung von Kunst, um Kunsterfahrung? Stand nicht schon im frühen Kunst­ museum die Schulung des »Geschmacks« im Vordergrund, also die Befähigung zur kritischen Beurteilung einer ästhetischen Wahrnehmung? Zumindest im kunsthistorischen Unterricht an den »Gymnasien, Real- und höheren Töchterschulen« war die »Geschmackslehre« noch im fortgeschrittenen 19. Jahrhundert neben dem Unterricht in (Kunst)Geschichte eine wesent­liche Komponente, wie sich dem zitierten Titel der Kunsthistorischen Bilderbogen entnehmen lässt. Dieser Aspekt einer Anleitung zum ästhetischen Genuss, das heißt zur ästhetischen Erfahrung war auch der frühen Kunstgeschichte selbstverständlich. Dies zeigt sich schon bei ihrem vielleicht wichtigsten Gründervater, Johann Joachim Winckelmann, dem es in seiner Geschichte der Kunst des Alterthums ausdrücklich darum ging, das »Wesen der Kunst« zu erkennen und der an manch älterer Literatur über den Gegenstand monierte, dass die Kunst daran nur einen geringen Anteil hätte.34 Im Verlauf der fach­ lichen Etablierung der Kunstgeschichte, die sich von der philosophischen Ästhetik oder Kunstphilosophie und zugleich von der Kunstkritik abzugrenzen suchte, nahm die Tendenz der Historisierung allerdings deutlich zu, bis hin zur expliziten Distanzierung von jeg­lichem ästhetischen Werturteil.35 Die historische Profilierung wurde im wissenschaft­lichen Diskurs bald so dominant, dass sich um die Wende zum 20. Jahrhundert verschiedene Varianten davon abzugrenzen suchten, darunter jene, die eine neue »allgemeine Kunstwissen-

schaft« fundieren wollten. Es formierte sich zudem eine neue Fraktion von Kunstsachverständigen im Umfeld der Reformpädagogik, welche die eigent­ liche Vermittlung von Kunst als Inhalt einer neuen Kunstpädagogik betrachtete und ihr Leistungsprofil teils in der Einbindung der Kunstgeschichte, gleichzeitig jedoch im Gegensatz zu ihrer historischen Ausrichtung definierte.36 Besonders bemerkenswert sind hier die Versuche, tatsächlich die ästhetische Erfahrung zu fördern, indem einzelne Kunstwerke übungsweise »betrachtet« wurden, wofür Alfred Lichtwark seine Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken zu Händen der Hamburger Lehrerschaft veröffentlicht hatte – ausdrücklich um dem »Unterricht in der Kunstanschauung gegenüber der bisher vorwiegend gepflegten Kunstgeschichte« einen »Platz in der Erziehung des kommenden Geschlechts« zu erobern.37 Wenn solche Übungen idealerweise im Museum durchgeführt wurden, so ließ sich dergleichen mit entsprechenden Bildmedien doch auch im Unterrichtsraum praktizieren. Mit Blick auf die insbesondere für den Schulunterricht konzipierten Werke, lässt sich nachweisen, dass man hier auch auf das neu artikulierte Bedürfnis nach Vermittlung von ästhetischer Kompetenz reagierte, indem man etwa die Masse des Stoffes reduzierte und die Betrachtung einzelner Werke begünstigte.38 Wenn auch ausdrücklich nicht die kunsthistorische Lehre an der Universität betreffend, so sind weder die Überlegungen eines Lichtwark noch diejenigen der späteren Autoren von Lehrbüchern für den Schulunterricht ohne die in der akademischen Kunstgeschichte entwickelten Grundlagen und die bereits über ein Jahrhundert zurückreichende bildmediale Aufbereitung des Stoffes der europäischen Geschichte der Kunst zu denken. Andererseits ergibt sich auch im Blick auf die Kunstgeschichte um und nach 1900 hinsichtlich der Frage nach der Kunst und der Kunsterfahrung ein differenziertes

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Bild. Wenn zum einen die kunsthistorischen Kompendien zu unübersicht­lichen Handbüchern und unüberblickbaren Konvoluten, zur »Geschichte in Bildern« anschwellen und die Lehre an den Universitäten auch auf die möglichst umfassende Kenntnis des immer breiter dargelegten Kanons und der immer kleinteiligeren Differenzierung in umgrenzten Bereichen setzte,39 so gab es im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts eine starke Fraktion von Gelehrten, die sich weniger für die positive Bestimmung und Ordnung der Kunstdenkmäler interessierte als für die wissenschaft­liche Untersuchung der Bedingungen und Umstände ästhetischer Erfahrung. Hierzu orientierte man sich in geringerem Maße an der Geschichtswissenschaft als an der Philosophie und an experimental-psychologischen Untersuchungen.40 Beispielhaft kann auf den Leipziger Ordinarius August Schmarsow verwiesen werden und natürlich auf den noch populäreren und prägenderen Heinrich Wölfflin; dies zumal, weil Wölfflins Konzentration auf wenige, aus dem Kontinuum der Stilgeschichte herausgegriffene, im paarweisen Vergleich präsentierte Werke in den Kunstgeschicht­lichen Grundbegriffen beides zu verbinden suchte: die Kritik und Erfahrung des Einzelwerks in seiner besonderen Form einerseits, andererseits die Reflexion seiner historischen Bedingtheit.41 Dieses Buch ist sowohl eine Verteidigung des Paradigmas der Stilgeschichte, zugleich demonstriert es Wölfflins Anspruch, in der vertieften Betrachtung des Werks – und zwar anhand von abstrahierenden, mit Bedacht ausgesuchten bildmedialen Repräsentationen, nämlich Schwarz-Weiß-Fotos – die gestalterischen Prinzipien herauszuheben und zur genuin ästhetischen Bilderfahrung hinzuführen.42 Der besonders sorgfältige Umgang mit den Medien der Lehre scheint für alle jene Kunsthistoriker bezeichnend, die besonderen Wert auf die Erläuterung der ästhetischen Dimension legten. Man könnte die Reihe bei Herman Grimm beginnen,

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der bereits auf die Diaprojektion setzte,43 sich differenziert zur Leistungsfähigkeit der Fotografie äußerte und dessen populäre Bücher einen besonderen Umgang mit dem Medium der Sprache belegen. Aber auch Jacob Burckhardt wäre zu nennen, dem die »Anleitung zum Genuss« der Kunstwerke ein zentrales Anliegen war und der in seinen späten Jahren als Professor für Kunstgeschichte systematisch Fotografien für seine Forschungen und für die Lehre sammelte und einsetzte. Auch Heinrich Wölfflin, der sich als Schüler und Nachfolger Burckhardts sah und dessen Vorlesungen mit Lichtbildern als wirksame diskursive Annäherungen an das erscheinende Kunstwerk bezeugt sind, äußerte sich mehrfach zur Verwendung von fotografischen Abbildungen. Die Linie – es ist freilich kaum eine Genealogie – wäre fortzuführen bis zu Max Imdahl, dessen diskursiver Umgang mit dem als Diapositiv vorgeführten Bild in der Vorlesung von seinen Schülern verschiedentlich überliefert ist. Der Duktus der Lehre ist in diesem Fall sogar durch protokollierte Seminarveranstaltungen belegt, die Imdahl mit Arbeitern des Bayerwerks in Leverkusen in der erklärten Absicht durchführte, die »Kunst unserer Zeit« auch weiteren Kreisen als nur den »Eingeweihten« zugänglich zu machen.44 In dieser Tradition der kritischen Vermittlung ästhetischer Erfahrung ist auch Gottfried Boehm zu sehen, der als philosophisch geschulter Kunsthistoriker die sprach­liche Erläuterung von Kunstwerken als Bildern45 – vorzugsweise der Moderne und Gegenwart –, die im sorgfältig hergestellten farbigen Diapositiv vorgeführt wurden, als den eigent­lichen Zweck kunsthistorischer Lehre (und Forschung) erachtete und mit entsprechender Leidenschaft und Ernst verfolgte.

Geschichte

Es geht also doch um Kunst, sofern der Kunsthistoriker nicht einfach nur und in erster Linie

Historiker sein möchte. Es bleibt indessen ein gespanntes Verhältnis; auch Kultur- und Bildhistoriker wie Aby Warburg und Erwin Panofsky sind zunächst von der Kunsterfahrung ausgegangen, von der Bildwirkung zumal, die im transdisziplinären Forschungsprozess zu rationalisieren das letzte Projekt Warburgs gewesen ist. Grundsätzlich gilt, dass Kunstgeschichte als wissenschaft­liche Praxis auf die Erkenntnis dessen zielt, was das Kunstwerk ausmacht, wie es angelegt und zu kontextualisieren ist. Dabei bleibt sie auf das historische Faktum bezogen, dessen Erklärung sie beinhaltet, und vollzieht nicht zuletzt dessen Demonstration. Dieses Vorzeigen, das Vorführen oder sogar Aufführen eines Kunstwerks ist ein wesent­licher Gegenstand kunsthistorischer Lehre; demnach ist die Lehrveranstaltung selbst ebenso wie die heute vielfältig diskutierte kuratierte Ausstellung als komplexes mediales Dispositiv zu beschreiben, das mitunter auch gänzlich der Vermittlung von Kunst gilt. Was sich hierbei ereignen kann, ließe sich durch die eine oder andere bekannte Beschreibungen des Erlebnisses in Vorlesungen Heinrich Wölfflins illustrieren. Hier sei eine andere Beschreibung einer womöglich vergleichbaren auratischen Lehrsituation herangezogen, die Max Imdahl für das Kollegium der Forschergruppe Poetik und Hermeneutik zuwege brachte. Dazu schrieb der Romanist Hans Robert Jauß im hohen Ton des Nachrufes auf den zu früh verstorbenen Freund und Kollegen: »Es war die von der Prosa der Verhandlungen abgerückte, bald zum Ritual erhobene Abend­ sitzung – […] Die gemeinsame Interpretation wurde zum hermeneutischen experimentum crucis, das im fachübergreifenden Zugang die Evidenz des ästhetischen Gegenstandes zum Richtmaß geisteswissenschaft­licher Erkenntnis werden ließ. Kein anderer als Max Imdahl hätte den Anspruch so exemplarisch erfüllen können, daß sich alles Erkennen an der Fähig-

keit, neu zu sehen, alles rationale Denken an der Erfahrung eines Verstehens bewähren müsse […]. Sein fragendes Schauen und ­suchendes Reden ständig in Schritten zwischen Bild und Betrachter vollführend – im Ringen um die treffende Wendung oft erst stammelnd, dann zu dramatischer Intensität sich steigernd – aus dem monologischen Verfertigen der Gedanken in den herausfordernden Dialog umspringend – seinem Witz die Zügel schießen lassend und gleich wieder in tiefsten Ernst verfallend – gelegentlich Einwände salopp überspielend, aber auch mit rührender Geduld auf Unzuläng­liches sich einlassend – bei alledem den ›ésprit de géometrie‹ (die akribische Beschreibung von Raum- und Zeitstrukturen) und den ›ésprit de finesse‹ (die bildgestiftete, ikonische Anschauung des Sinnganzen) in eins verkörpernd: so unvergeßlich, ereignishaft und unverwechselbar teilte in seiner Person sich allen mit, was Kunst an wesent­licher Erfahrung zu erbringen vermag.«46 Die Beschreibung mag pathetisch sein, sie entspricht aber den Aussagen Imdahls über seine Lehre und ihren Stellenwert.47 Kunstgeschichte in diesem Format erweist sich als Kunstlehre in einem besonderen Sinn. Sie lehrt, was Kunst ist, wird aber im Vollzug dieser Lehre selbst Ereignisort des Künstlerischen. Ob damit die Lehre selbst den Charakter eines einmaligen und unverwechselbaren Werks erhält und selbst zur ästhetischen Form wird, mag hier offenbleiben. Es gilt jedenfalls aber, dass das mediale Dispositiv der kunsthistorischen Lehre für sich selbst genommen zu beschreiben und zu erforschen sich lohnt; nicht zuletzt, um das Erkenntnisziel solcher Arbeit genauer eruieren und in ihren Varianten vor Augen führen zu können, eine Interpretation der Lehrmedien in ihrer Anwendung zu erbringen, die auch ihre kunstreiche Form zu erfassen in der Lage ist.

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Dass die kunsthistorische Erläuterung nicht nur zum Sehen anleiten kann, sondern im Fall des Gelingens selbst zum Ort ästhetischer Erfahrung, zum ästhetischen Ereignis werden kann, zeigt an, dass die Grenze zur genuin künstlerischen Praxis nicht fern ist. Dass auch Annäherungen von der anderen Seite erfolgen, dass die kunsthistorische Lehre gleichsam von der Kunst gekapert wird, muss daher nicht überraschen. Zwei Beispiele möchte ich abschließend nennen, wobei im einen Fall ganz auf das Wort gesetzt wird, im anderen der Bilddiskurs in technischer Hinsicht forciert erscheint. 1970 erschien im Verlag der Gebrüder König in Köln Robert Fillious Buch Lehren und Lernen als Aufführungskünste.48 Wie der Titel anzeigt, ist die Lehre Inhalt und Gegenstand seiner Kunst; und auch die Kunstgeschichte ist enthalten in Gestalt eines Beitrags mit dem Titel Robert Filliou’s geflüsterte Kunstgeschichte. Dies ist eine wundersame Erzählung vom Ursprung und Fortgang der Geschichte der Kunst, die am 17. Januar vor einer Million Jahren begonnen habe. Dieser Vortrag – den man lesen oder hören kann, eigentlich aber vortragen müsste – ist eine Kunstlehre und eine Geschichte der Kunst zugleich. Ihr Medium ist das gesprochene, das geflüsterte, poetisch gestaltete Wort. Sie besteht aus zwölf formal gleichförmigen Berichten ursprüng­licher, elementarer Schöpfungstaten, deren Betrachtung und Kommentierung: 1geflüstert: es begann alles am 17. Januar, vor einer ­Millionen Jahren. / Ein Mann nahm einen trockenen Schwamm und liess / ihn in einen Eimer voll Wasser fallen. / Wer dieser Mann war, ist nicht wichtig. / Er ist tot, aber die Kunst lebt. / Ich meine, lasst uns hier Namen raushalten. / Wie ich schon sagte, ungefähr um 10 Uhr

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eines 17. / Januars vor einer Million Jahren sass ein Mann alleine / neben einem Fluss. / Er dachte bei sich: / Wohin gehen die Ströme und warum? / Und meinte damit, warum fliessen sie? / Oder, warum fliessen sie dahin, wo sie hinfliessen. / Oder so in dieser Art. / Ich selber habe einmal einen Bäcker, Schmied und einen Schumacher / bei der Arbeit beobachtet. / Und ich habe bemerkt, dass Wasser für ihre Arbeit wichtig war. / Aber vielleicht ist das nicht wichtig, was ich bemerkt habe. / […].49 Jeweils nach der Berichtspassage in geflüsterter Sprache folgt ein Refrain in normaler Stimme, die den Verlauf der Zeit ansagt, wonach eine neue geflüsterte Schöpfungsepisode folgt, deren zwölfte und letzte in der Gegenwart spielt und mit dem Weihnachtstag endet. In jeder Passage wird an gleicher Stelle wiederholt, dass der jeweilige Urheber tot sei, die Kunst indessen lebe, was im Verlauf der Zeit als Geschichte lehrhaft demonstriert wird. Die Jahrzehnte nach 1960 sind gekennzeichnet von einem Aufbruch in der Kunst, der programmatisch, lehrhafte Aspekte integriert – es ist kein Zufall, dass in diesen Jahren auch jene neue Diskussion um die Vermittlung von Kunst- und Kunstgeschichte einsetzt, auf die bereits hingewiesen wurde und die am Beginn jener hier interessierenden kritischen Untersuchung des Anteils der Medien an der Formatierung und Gestaltung von Lehrinhalten steht. Im Grenzgebiet zwischen künstlerischer Aktion und kunsthistorischer Lehrveranstaltung ist denn auch die experimentelle Untersuchung der medialen Gestaltungsmöglichkeiten zum Zweck

der Kunstvermittlung angesiedelt, die Gegenstand jenes Projektes war, das Bazon Brock anlässlich der documenta 5 in Kassel 1972 – auf der auch Robert Filliou präsent war – in Form eines »Audiovisuellen Vorwortes« in Zusammenarbeit mit Karl Heinz Krings realisierte.50 Dabei handelte es sich um eine aufwendig gestaltete Tonbildschau, bestehend aus zwölf auf einem Gerüst erhöht platzierten Projektionsboxen von 90 × 60 cm, deren jede mit zwei Diaprojektoren bestückt war. Mittels einer Steuerelektronik waren die 24 Projektionsapparate programmiert, um insgesamt 2000 Dias vorzuführen, darunter auch Zeichen, Pfeile, Hinweise, die einen gesprochenen Text begleiteten, in dem das Programm der documenta 5 historisch und bildkritisch vor dem Hintergrund des »heutigen Bilderstreits« erläutert wurde. Bazon Brock, damals Dozent und Professor für Neuere Ästhetik an der Staat­lichen Hochschule für Bildende Künste in Hamburg, versteht sich sowohl als Künstler wie auch Kunstvermittler, der mit seinem Konzept der »Besucherschule«, die er schon seit der 4. documenta 1968 praktizierte, Lehre als partizipative Kunstvermittlung und künstlerisches Happening betrieb.51 Auch im »Audiovisuellen Vorwort« zur documenta 5 ist der Lehrzweck evident. Die Argumentation basiert auf Recherchen und ist zweifellos im Rekurs auf wissenschaft­liche Forschung entworfen, ohne dass diese nachgewiesen würden. Von einem wissenschaft­lichen Text kann indessen nicht die Rede sein. Es gibt ein Thema, eine Botschaft, die als Programm deklariert ist, vor allem aber drängt sich das Dispositiv der Tonbildschau als Spektakel vor und will als eigene Form und Botschaft verstanden werden. In dieser programmatisch-lehrhaften Form leisteten Brock und Krings einen wesent­lichen Beitrag zur documenta 5, der ebenso wie die ganze Veranstaltung als grenzüberschreitende künstlerische Forschung und Lehre zu verstehen ist, die bildkritisch und damit implizit auch medienkritisch argumentiert: »Befra-

gung der Realität – Bildwelten heute« und, damit verbunden, eine Kritik des »ästhetischen Gegenstandes«. Was Brock in einer reichlich verklausulierten Sprache umkreist, kann für die Situation der kunsthistorischen Lehre verallgemeinert werden – sie besteht nicht in der Verdoppelung eines Abgebildeten, sondern in einem neuen, komplexen Bild, einer medialen Konstruktion eigenen Rechts. Diese kann und will das Original nicht ersetzen, sie tritt vielmehr an dessen Stelle. Bild und Abgebildetes sind in der medialen Form überblendet und im augenblick­lichen Erlebnis des Betrachtens nicht auseinander zu halten. Was dieses Erlebnis zusammenhält und ausrichtet, ist ein Drittes, die Erklärung durch die Lehrperson, die erst den Zusammenhang der Dinge herstellt – man kann dies Geschichte nennen. Die Arbeiten des Künstlers Robert Filiou und des Kunstvermittlers Bazon Brock mögen von den Rändern her als poetische, künstlerische Gebilde verdeut­lichen und vor Augen führen, wie sich Lehre als Kunstlehre der Medien bedient, um einen Begriff der Kunst und ihrer Geschichte zu vermitteln und selbst eine Form der kritischen historischen Annäherung zu finden. Damit ist das weitere Thema dieses Bandes umrissen. Wenn wir uns mit den Lehrmedien der Kunstgeschichte befassen, haben wir es nicht nur mit der Reproduktion irgendwelcher Originale zu tun, sondern mit konstruierten Gebilden eigenen Rechts, mit komplexen Repräsentationen, die einerseits auf Gegenstände außerhalb ihrer selbst verweisen, andererseits zugleich selbst Geltung be­ anspruchen. So trifft für die Kunstgeschichte – wie für jede Wissenschaft – zu, dass sie nicht reproduziert, sondern ihre eigenen Gegenstände hervorbringt. Diese mit Blick auf die Medien, in denen sie sich ausgestalten, zu analysieren und im einzelnen Fall herauszuheben, war als Ziel der Untersuchung der Lehrmedien der Kunstgeschichte zu fassen. Drei – auch in Zukunft weiter zu verfolgende

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– Anliegen können hier angeführt werden: Dies ist zum einen, die begonnene Bestandsaufnahme weiter zu betreiben, um die Vervollständigung des Bildes des wissenschaft­lichen Diskurses der Kunstgeschichte unter Einbeziehung jener ephemeren Sphäre zu erfassen, die als Lehre nur vage umrissen ist. Es gilt zudem eine Kritik der Leistungsfähigkeit dieses oder jenes Mediums in Bezug auf die Vermittlung der im Gegenstand – dem Kunstwerk – tatsächlich oder vorgeblich angelegten Gehalte zu versuchen. Solcherlei ist nicht zuletzt auch für das Gebiet der Kunsterziehung interessant, deren Aufgabe es ist, komplexe Sachverhalte aus dem Bereich der Geschichte der Kunst in zugäng­licher Weise zu erklären. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Lehrmedien der Kunstgeschichte verspricht schließlich drittens noch weit mehr, wenn die Form des Mediums selbst als Gestalt ernst genommen und zum Gegenstand der Interpretation wird. Es wird sich dabei zeigen, dass die in ihrer medialen Gestalt erst erfassbare Lehre mehr offenbart als nur die Botschaft der Werke, von denen sie handelt. In der medialen Transformation eines Gegenstandes für die Lehre wird eine Form des Nachdenkens und der Vergegenwärtigung dessen erkennbar, was die Kunst nach Meinung derjenigen Person beinhalte, welche dieses Medium gestaltet. So wird die Lehre als Theorie der Kunst erkennbar.

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1 Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung, hrsg. von Irene Below, Gießen 1975. Mit Beiträgen von ders., Wolfgang Beyrodt, Jörg Boström, Heinrich Dilly, Wolfgang Kemp, Annegret Peschlow-Kondermann, Wolfgang Pilz und Dagmar Waskönig. 2 Heinrich Dilly, Kunstgeschichte als Institution. Studien zur Geschichte einer Disziplin, Frankfurt am Main 1979, behandelt zwar die Institution der Universität und spricht durchaus die Lehre an, jedoch vor allem in Bezug auf die Verwendung der Medien Fotografie bzw. Lichtbildproduktion, weniger als konstitutive Praxis. Mit Dilly könnte man jedoch die Lehre als eine für die Kunstgeschichte charakteristische Vermittlung von »diskursiver und präsentativer kunsthistorischer Praxis« verstehen. Siehe dazu weiter unten und hier Anm. 13. Angela Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis. Richard Hamann und Foto Marburg, Berlin 2009, S. 100–121: kommt auch auf die Lichtbildproduktion zu sprechen, nur am Rande jedoch auf die Verwendung in der Lehre. 3 Heinrich Dilly, »Lichtbildprojektion – Prothese der Kunstbetrachtung«, in: Below 1975 (wie Anm. 1), S. 153–172. 4 Vgl. dazu Marcel Lepper, »Forschen«, in: Bildung. Ziele und Formen, Traditionen und Systeme, Medien und Akteure, hrsg. von Michael Maaser und Gerrit Walther, Stuttgart und Weimar 2011, S. 84–90; What is Research in the Visual Arts? Obsession, Archive, Encounter, hrsg. von Michael Ann Holly und Marquard Smith (Clark Studies in the Visual Art), Williamstown, Mass. 2008. Darin der Beitrag von Holly: »What is Research in Art History, Anyway?«, S. 3–12. Die Lehre kommt in dem Band nicht zur Sprache. Verwiesen sei hier auf die wichtige Diskussion um Forschung und Lehre bzw. deren Verbindung in der deutschen Universität, die das »forschende Lehren« als Ideal propagiert. Zur historischen Entwicklung und Darstellung in der Forschungsliteratur: Christiana Bers, Forschung und Lehre als identitätsstiftendes Ideal. Die Darstellung der Universität aus der Innen- und Außenperspektive 1999–2014 (Erziehungswissenschaft­liche Studien, 3). Göttingen 2018, https:// doi:10.17875/gup2018-1112 (08.07.2021).

Bätsch­mann und Tristan Weddigen, Darmstadt 2013. Zum Thema siehe Hubert Locher, »Zwischen Expertenwissen und Popularisierung. Die Kunstgeschichte in der modernen Wissensgesellschaft«, in: Art History on Demand? Dienstleistung Kunstgeschichte?, hrsg. von Oskar Bätschmann, Julia Gelshorn, Norberto Gramaccini, Bernd Nicolai und Peter J. Schneemann, Berlin 2008, S. 41–51 und 132–134. Zur Funktion kunstgeschicht­licher Betätigung als Zeitvertreib der gebildeten Stände: Wilhelm Schlink, »›Kunst ist dazu da, um geselligen Kreisen das gähnende Ungeheuer, die Zeit, zu töten …‹. Bildende Kunst im Lebenshaushalt der Gründerzeit«, in: Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, Teil 3: Lebensführung und ständische Vergesellschaftung, hrsg. von Mario Rainer Lepsius, Stuttgart 1992, S. 65–81. 7 Wilhelm Schlink, »Jacob Burckhardt et le ›rôle‹ de l’historien de l’art«, in: Relire Burckhardt. Cycle de conférences organisé au Musée du Louvre par le Service culturel du 25 novembre au 16 décembre 1996 (Conférences et colloques du Louvre), hrsg. von Matthias Waschek, Paris 1997, S. 21–53. 8 Ernst H. Gombrich, Meditations on a Hobby Horse, London 1963, deutsch: Meditationen über ein Steckenpferd (Wien 1973), 2. Aufl., Frankfurt am Main 1988. Das Buch ist Bela Horovitz gewidmet, jenem Verleger, der Gombrich zur Abfassung seines erfolgreichsten Buches, The Story of Art, London 1950, angeregte hatte, die noch in Wien begonnen wurde und als eine Kunstgeschichte für junge Menschen gedacht war. Gombrich hat selbst nur im engen Rahmen universitäre Lehre abgehalten. Er war indessen mehrere Jahre Professor an der Slade School of Art und hat Kunststudierende unterrichtet, außerdem wirkte er als Gastprofessor in Oxford und Cambridge. Siehe dazu: Sir Ernst Hans Josef Gombrich, »Wenn’s euch Ernst ist, was zu sagen – Wandlungen in der Kunstbetrachtung«, in: Kunsthistoriker in eigener Sache. Zehn autobiographische Skizzen, hrsg. von Martina Sitt, Berlin 1990, S. 63–100. Hier äußerst sich Gombrich auch despektierlich über Wölfflins Vorlesungen und die dort anwesenden »schönen Damen mit ihren Pelzen«.

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9 Roger de Piles, Conversations sur la connoissance de la peinture, et sur le jugement qu’on doit faire des tableaux, Paris 1677. 10 Jonathan Richardson, A Discourse on the Dignity, Certainty, Pleasure and Advantage of the Science of a Connoisseur, London 1719. 11 Vgl. hier exemplarisch Jacob Burckhardt, Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens, Basel

Otto Kruse, »Das Seminar. Eine Zwischenbilanz nach zweihundert Jahren«, in: Universität in Zeiten von Bologna. Zur Theorie und Praxis von Lehr- und Lernkulturen, hrsg. von Brigitte Kossek und Charlotte Zwiauer, Göttingen 2012, S. 89–110. 6 Beispielhaft sei hier verwiesen auf Benedetto Varchis »Due lezzioni«, 1547. Bestens erläutert in: Benedetto ­Varchi, Paragone. Rangstreit der Künste, hrsg. von Oskar

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1855, S. VII; ein Buch, das »Anleitung« sein möchte, allerdings frei von bloß belehrendem Ton, um dem Leser vielmehr »Umrisse vorzuzeichnen, welche das Gefühl des Beschauers mit lebendiger Empfindung ausfüllen könnte.« 12 John Berger, Ways of Seeing, London 1972, S. 7. Das Buch trägt in der deutschen Übersetzung den Titel: Sehen. Das Bild der Welt in der Bilderwelt, Reinbek 1974. Der Text entspricht nicht exakt der Sendung, die geprägt ist vom Auftritt des Sprechers, der oft frontal in Nahaufnahme erscheint, aber auch szenische Momente einschließt. 13 Hierzu einschlägig die zwei Bände: Punkt, Punkt, Komma, Strich. Zeichenbücher in Europa ca. 1525–1925, hrsg. von Maria Heilmann, Nino Nanobashvili, Ulrich Pfisterer und Tobias Teutenberg, Passau 2014; Lernt zeichnen! Techniken zwischen Kunst und Wissenschaft. 1525–1925, hrsg. von dens., Passau 2015. 14 Dass es gleichwohl einen Zeichenunterricht für Laien gibt, widerspricht dem nicht. Zu dessen Geschichte Wolfgang Kemp, »… einen wahrhaft bildenden Zeichenunterricht überall einzuführen«. Zeichnen und Zeichenunterricht der Laien 1500–1870. Ein Handbuch, Frankfurt am Main 1979. 15 Vgl. Hubert Locher, »Worte und Bilder. Visuelle und verbale Deixis im Museum«, in: Deixis. Vom Denken mit dem Zeigefinger, hrsg. von Heike Gfrereis und Marcel Lepper, Göttingen 2007, S. 7–37. 16 Vgl. hierzu die für den Gegenstand des Bandes nütz­ lichen Erläuterungen von Ulrich Pfisterer, »Abbildungen und Reproduktionen als Instrumente der Kunstwissenschaft«, in: Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe, 2. erw. und aktual. Aufl., hrsg. von dems., Stuttgart und Weimar 2011, S. 1–5. 17 Dilly 1979 (wie Anm. 2), S. 133–160. 18 Frances Ames-Lewis und Joanne Wright, Drawing in the Italian Renaissance Workshop, London 1983; Uwe Westfehling, Zeichnen in der Renaissance. Entwicklung, Techniken, Formen, Themen, Köln 1993. 19 Zumindest verweist Vasari in seinen Vite mehrfach auf seine Sammlung. Licia Ragghianti Collobi, Il libro de’ disegni del Vasari, Florenz 1974; Stéfania Caliandro, Le Libro de’ disegni de Giorgio Vasari. Un métatexte visuel, ­Limoges 1999; Anna Forlani Tempesti, »Giorgio Vasari and the Libro de’ disegni: A Paper Museum or Portable Gallery«, in: Giorgio Vasari and the Birth of the Museum, hrsg. von Maia Wellington Gahtan, Farnham 2014, S. 31–52. 20 Dazu Johannes Grave, Der ›ideale Kunstkörper‹.

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J­ ohann Wolfgang Goethe als Sammler von Druckgraphiken und Zeichnungen, Göttingen 2006, S. 355–362. 21 Desto bedauer­licher ist es, dass durch den Zufall bedingt just dieses Medium im vorliegenden Band nicht vertreten ist. Zur Verbindung der Druckgrafik mit der Kunstgeschichte Ingrid R. Vermeulen, Picturing Art History. The Rise of the Illustrated History of Art in the Eighteenth Century, Amsterdam 2010. Eine besondere Ausformung sind die reproduktionsgrafischen Sammlungen nach Zeichnungen. Siehe dazu Cornelia Schwaighöfer, Von der Kennerschaft zur Wissenschaft. Reproduktionsgraphische Mappenwerke nach Zeichnungen in Europa 1726–1857, Berlin und München 2009. 22 Pierre Crozat und Pierre-Jean Mariette, Receuil d’estampes d’après les plus beaux tableaux et d’après les plus beaux desseins qui sont en France, 2 Bde., Paris 1729–1742. Dazu Francis Haskell, Die schwere Geburt des Kunstbuches, Berlin 1993, S. 52: Haskell betont, dass dieses Werk von Beginn an als Buch gedacht war. Es unterscheide sich von einer Sammlung in Mappen oder einem Klebealbum dadurch, dass es mit einem Text verbunden ist. Grundlegend zum Bildmedium Kunstbuch: Bilderlust und Lesefrüchte. Das illustrierte Kunstbuch von 1750–1920, hrsg. von Katharina Krause, Klaus Niehr und Eva-Maria Hanebutt-Benz, Leipzig 2005; Kunstwerk – Abbild – Buch. Das illustrierte Kunstbuch 1750 bis 1930, hrsg. von Katharina Krause und Klaus Niehr, München und Berlin 2007. 23 Kunsthistorische Bilderbogen. Für den Gebrauch bei akademischen und öffent­lichen Vorlesungen, sowie beim Unterricht in der Geschichte und Geschmackslehre an Gymnasien, Real- und Töchterschulen zusammengestellt, Leipzig E. A. Seemann 1878–1879, mit verschiedenen späteren Supplementen. Dazu: Hubert Locher, »The Art Historical Survey. Narratives and Picture Compendia«, in: Visual Resources, 17, 2001, H. 2, S. 165–178. 24 Vermeulen 2010 (wie Anm. 21), setzt die »Geburt« der »Illustrated Survey« an mit Jean-Baptiste Sérouxd’Agincourt, Histoire de l’art par les monuments depuis sa décadence au IVe siècle jusqu’à son renouvellement au XVIe, 6 Bde., Paris 1810–1823. Siehe dazu: Daniela Mondini, ­Séroux d’Agincourt und die Kunstgeschichte des Mittelalters. Ein Pionier wider Willen? Zürich 2002; dies., »›Kunstgeschichte in Bildern‹. Visuelle Didaktik und operative Schautafeln in Séroux d’Agincourts Histoire de l’art par les monuments [1810]–1823«, in: Stil-Linien diagrammatischer Kunstgeschichte, hrsg. von Wolfgang Cortjaens und Karsten Heck (Transformationen des Visuellen, 2), Berlin und München 2014, S. 80–95. Für eine Zusammenschau siehe:

Ingeborg Reichle, »Kunst-Bild-Wissenschaft. Überlegungen zu einer visuellen Epistemologie der Kunstgeschichte«, in: Verwandte Bilder. Die Frage der Bildwissenschaft, hrsg. von ders., Steffen Siegel und Achim Spelten, Berlin 2007, S. 169–189. 25 Dazu Ernst Heidrich, »Der Apparat für Vorlesungen über neuere Kunstgeschichte an der Universität Berlin«, in: Berliner Akademische Wochenschrift, 1906/07, H. 1, S. 271–273; Hubert Locher »Kunsthistorische Bildsammlungen. Archivierte Fotopositive im Blick der kunsthistorischen Forschung«, in: Rundbrief Fotografie, 18, 3, N. F. 71, Sept. 2011, S. 5–7; Dorothea Peters, »Bildergeschichte(n). Zur Kontextualisierung von Fotografien aus dem Bildarchiv Foto Marburg«, in: Rundbrief Fotografie, 18, 3, N. F. 71, Sept. 2011, S. 15–23. 26 Zur Geschichte siehe Dilly 1979 (wie Anm. 2); ders., »Die Bildwerfer. 121 Jahre kunstwissenschaft­liche Diaprojektion«, in: Zwischen Markt und Museum. Beiträge der Tagung »Präsentationsformen von Fotografie«, hrsg. von Martha Caspers (Rundbrief Fotografie, Sonderheft 2), 1995, S. 39–44; ders., »Diapositiv? Einige Anmerkungen zur Geschichte des kunsthistorischen Blicks«, in: Rundbrief Fotografie, N. F. 35, 2002, S. 42–45; ders., »Kann es etwas schärfer sein? Ein paar Einwürfe in die aktuelle Debatte über die Geschichte der Lichtbildprojektion«, in: Frauen Kunst Wissenschaft, 34, Dezember 2002 (Festschrift für Irene Below), S. 11–16; ders., »Weder Grimm, noch Schmarsow, geschweige denn Wölfflin … Zur jüngsten Diskussion über die Diaprojektion um 1900«, in: Fotografie als Instrument und Medium der Kunstgeschichte, hrsg. von Costanza Caraffa (I Mandorli, 9), Berlin und München 2009, S. 91– 116: Dilly gibt hier einen sehr nütz­lichen Überblick zur bisherigen Forschung. Erwähnenswert: Wiebke Ratzeburg, »Mediendiskussion im 19. Jahrhundert. Wie die Kunstgeschichte ihre wissenschaft­liche Grundlage in der Fotografie fand«, in: kritische berichte, 30, H. 1, 2002, S. 22–40; Susanne Neubauer, »Sehen im Dunkeln. Diaprojektion und Kunstgeschichte«, in: Georges Bloch Jahrbuch des kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich, 9/10, 2002/03, S. 177–189; Jens Ruchatz, Licht und Wahrheit. Eine Mediumgeschichte fotografischer Projektion, München 2003. 27 Auch bei Foto Marburg stellte man Großdias her. Die Umstände der Bestellung, Produktion und die Reichweite der Verteilung etc. sind bislang nicht erforscht. Interessanterweise konnte man bei Dr. Franz Stoedtner Diapositive nach Aufnahmen bestellen, die Richard Hamann für Stoedtner in Frankreich angefertigt hatte. Ein Exemplar des Katalogs Professor Hamann. Französische Architektur

und Plastik. Auswahl von 1000 Stück, befindet sich im Marburger Bildarchiv. 28 Zur Frage der Doppelprojektion in Korrektur früherer Äußerungen: Dilly 2009 (wie Anm. 26), S. 102–105. Sie ist erst um 1930 sicherer bezeugt, was freilich nicht ausschließt, dass sie auch schon früher verwandt wurde. 29 Dilly 2009 (wie Anm. 26), S. 113. 30 Robert S. Nelson, »The Slide Lecture, or the Work of Art ›History‹ in the Age of Mechanical Reproduction«, in: Critical Inquiry, 26, Nr. 3, 2000, S. 414–434. 31 Pointiert und erhellend dazu Wolfgang Ullrich, Raffinierte Kunst. Übung vor Reproduktionen, Berlin 2009. 32 Die Diskussion reicht weit zurück und ist in den letzten Jahren erneut vielfältig geführt worden. Hier sei lediglich verwiesen auf die Beiträge von Erwin Panofsky, »Kopie oder Fälschung? Ein Beitrag zur Kritik einiger Zeichnungen aus der Werkstatt Michelangelos«, in: Zeitschrift für Bildende Kunst, 61, 1927/28, S. 221–244; ders., »Original und Faksimilereproduktion«, in: Der Kreis, 7, 1930, S. 3–16, beide auch in: Erwin Panofsky, Deutschsprachige Aufsätze, hrsg. von Karen Michels, Berlin 1998, S. 594–634 und 1078–1090. Außerdem, aufgrund des Marburger Bezugs: Richard Hamann, »Original und Kopie«, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 15, 1949 (1950), S. 135–156. Zur Diskussion der Dialektik von Original und Reproduktion: Hubert Locher, »Reproduktionen: Erfindung und Entmachtung des Originals im Medienzeitalter«, in: Modernisierung des Sehens. Sehweisen zwischen Künsten und Medien, hrsg. von Matthias Bruhn und KaiUwe Hemken, Bielefeld 2008, S. 39–53. Ähnlich: Alexander Nagel und Christopher Wood, Anachronic Renaissance, New York 2010, S. 25: »There was no ›original‹ […] until someone tried but failed to replicate it. The original was the creature of the replica.« Zitiert von: Marion Heisterberg, Susanne Müller-Bechtel und Antonia Putzger, »Einleitung. Nicht einzig-, aber eigenartig, oder: What do copies want?«, in: Nichts Neues schaffen. Perspektiven auf die treue Kopie 1300–1900, hrsg. von dens., Berlin und ­Boston 2018, S. 7–16, hier S. 7; Original – Kopie – Zitat. Kunstwerke des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Wege der Aneignung – Formen der Überlieferung, hrsg. von Wolfgang Augustyn und Ulrich Söding, Passau 2010; Déja-vu. Die Kunst der Wiederholung von Dürer bis Youtube (Ausst. Kat. Karlsruhe), hrsg. von Ariane Mensger, Bielefeld und Berlin 2012. Vgl. auch den Katalog Der Wert des Originals, erschienen zur Austellung (2014–2015) im Literaturmuseum der Moderne, Marbach 2015 und die aus gegebenem Anlass veranstaltete gleichnamige Tagung. Dazu die Bespre-

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chung von Tobias Amslinger, in: Zeitschrift für Germanistik, N. F., 25, 3, 2015, S. 647–649. 33 Zur musealen Ordnung in Wien und ihrer Genese: Deborah J. Meijers, Kunst als Natur. Die Habsburger Gemäldegalerie in Wien um 1780, Wien 1995; Die kaiser­liche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffent­lichen Kunstmuseums, 2 Bde., hrsg. von Gudrun Swoboda, Wien 2013. Zum Thema siehe Zeitmaschine. Oder: Das Museum in Bewegung (Aust. Kat. Bern), hrsg. von Ralf Beil, Ostfildern-Ruit 2002; Museen als Medien – Medien im Museum. Perspektiven der Museologie, hrsg. von Hubert Locher, Beat Wyss, Bärbel Küster und Angela Zieger, München 2004. 34 Johann Joachim Winckelmann, Vorrede, in: ders., Geschichte der Kunst des Alterthums, Dresden 1764, S. X. 35 Vgl. hierzu Hubert Locher, Kunstgeschichte als historische Theorie der Kunst 1750–1950 (2001), zweite korr. und mit einem Nachwort versehene Aufl., München und Paderborn 2010, passim. 36 Exemplarisch sei hier auf Konrad Lange verwiesen, der als Kunsthistoriker das Tübinger Institut gründete und mit einer psychologischen Ästhetik auf historischer Grundlage für eine neue, auf dem Kunstgenuss bzw. dem »künstlerischen Genuss« basierende »Kunstlehre« eintrat. Vgl. Konrad Lange, Das Wesen der Kunst. Grundzüge einer realistischen Kunstlehre, Berlin 1901. Auf dem Titel firmiert Lange bezeichnenderweise als »Ord. Professor für Kunstwissenschaft«. Zum Thema siehe die verschiedenen Beiträge in: kritische berichte, 46, 1, 2018 unter dem Titel »›Höhere Bildung‹. Kunstgeschichte in der Schule«, hier besonders Andreas Zeising, »Anschauung oder Anleitung zum Genuss? Kunstgeschichte in der gymnasialen Oberstufe im Spiegel von Schulprogrammen aus der Zeit 1900–1914«, S. 17–31. Siehe auch zum Thema: Lehrgut. Kunstgeschichte in Schulbüchern und Unterrichtsmedien um 1900, hrsg. von Joseph Imorde und Andreas Zeising, Siegen 2018. 37 Alfred Lichtwark, Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken nach Versuchen mit einer Schulklasse, hrsg. von der Lehrervereinigung zur Pflege der künstlerischen Bildung, 3. Aufl., Dresden 1900. 38 Ein Beispiel ist Hans Jantzen, Leitfaden für den kunstgeschicht­lichen Unterricht in der höheren Mädchenschule, Esslingen 1913. Dieser schmale Band beschränkt sich auf relativ wenige, jeweils ganzseitig abgedruckte Abbildungen, was dazu anregen sollte, beim einzelnen Werk zu verharren. 39 Vgl. Kunstgeschichte in Bildern. Systematische Darstellung der Entwicklung der bildenden Kunst vom klassischen Altertum bis zur neueren Zeit, 5 Bde., bearb. von Georg

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Dehio und Franz Winter, Leipzig 1898–1902. Bis in die 1920er Jahre erschienen Ergänzungen sowie Neubearbeitungen. 40 Zu erwähnen ist hier zum einen das von Max Dessoir und Emil Utitz formulierte Projekt einer »Allgemeinen Kunstwissenschaft«, die auch genuin kunsthistorische Aspekte integrierte. Dazu: Die Allgemeine Kunstwissenschaft (1906–1943). Idee – Institution – Kontext, hrsg. von Bernadette Collenberg-Plotnikov (Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, Sonderheft 20), Hamburg 2020. Zum anderen ist auf die sogenannte »Einfühlungsästhetik« hinzuweisen, die früh auch in der Kunstgeschichte wirksam wurde und so unterschied­liche Kunsthistoriker wie Aby Warburg und Heinrich Wölfflin beschäftigte. Siehe dazu Frank Büttner, »Das Paradigma ›Einfühlung‹ bei Robert Vischer, Heinrich Wölfflin und Wilhelm Worringer«, in: 200 Jahre Kunstgeschichte in München. Positionen, Perspektiven, Polemik 1780–1980, hrsg. von Christian Drude und Hubertus Kohle (Münchner Universitätsschriften des Instituts für Kunstgeschichte, 2). München und Berlin 2003, S. 82–93. 41 Heinrich Wölfflin, Kunstgeschicht­liche Grundbegriffe. Das Problem der Stilentwicklung in der neueren Kunst, München 1915. 42 Vgl. hierzu besonders eindrücklich zusammengefasst Heinrich Wölfflin, Das Erklären von Kunstwerken (= Bibliothek der Kunstgeschichte, Bd. 1, hrsg. von Hans Tietze), Leipzig 1921, S. 7: Er beginnt mit der Frage, ob denn Kunstwerke überhaupt »erklärt« werden müssen und legt dar, dass das »Auge geführt« werden müsse, um das »Organ für bestimmte Formwirkungen« zu entwickeln. In diesem Büchlein findet sich auch der Satz, der das Problem atmosphärisch auf den Punkt bringt: »Das isolierte Kunstwerk hat für den Historiker immer etwas Beunruhigendes.« 43 Herman Grimm, »Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons« (1892), in: Beiträge zur deutschen Culturgeschichte, hrsg. von dems., Berlin 1897, S. 276–395. Dazu Johannes Rößler, »Erlebnisbegriff und Skioptikon. Herman Grimm und die Geisteswissenschaften an der Berliner Universität«, in: In der Mitte Berlins. 200 Jahre Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität, hrsg. von Horst Bredekamp, Berlin 2010, S. 69–91. 44 Max Imdahl, Arbeiter diskutieren Moderne Kunst. Seminare im Bayerwerk Leverkusen, Berlin 1982. Siehe auch: Ders., »Bis an die Grenze des Aussagbaren …«, in: Sitt 1990 (wie Anm. 8), S. 245–272, hier S. 270.

45 Im Zuge der vielfältigen, seit Anfang der 1990er Jahre geführten Diskussionen um eine »Bildwissenschaft« als integrierender Disziplin, die maßgeblich von Kunsthistorikern getragen wurde, ist bemerkenswert, dass sich Boehm ausschließlich für das Kunstwerk als Bild interessiert, so dass, wenn er nach dem Bild fragt, eigentlich die Frage nach dem Kunstwerk gestellt wird. Dazu Gottfried Boehm, »Die Wiederkehr der Bilder«, in: Was ist ein Bild?, hrsg. von dems., München 1993, S. 11–38. 46 Hans Robert Jauß, »In memoriam Max Imdahl«, in: Max Imdahl, Reflexion, Theorie, Methode. Gesammelte Schriften, Bd. 3, hrsg. von Gottfried Boehm, Frankfurt am Main 1996, S. 644–652, hier S. 644–645. 47 Imdahl, in: Sitt 1990 (wie Anm. 8), S. 250, spricht ausdrücklich von »einer Art Werkaufführung«, die er als Kunsthistoriker in Orientierung auf das einzelne Werk vertrete, auch davon, das Werk sprachlich »zu ästhetischer Gegenwart« zu bringen – was notwendig entweder das präsente Werk voraussetzt oder aber eine Abbildung, d. h. ein Diapositiv. 48 [Robert Filliou], Lehren und Lernen als Aufführungskünste / Teaching and Learning as Performing Arts, von / by Robert Filliou und dem Leser, wenn er will / and the Reader if he wishes, unter Mitwirkung von / with the participation of John Cage, Allen Kaprow, Benjamin Patterson, George Brecht, Marcelle, Vera, Bjössi, Karl Rot, Dorothy Iannone, Diter Rot, Joseph Beuys, Köln und New York 1970. 49 Ebd. S. 53–58 in deutscher Sprache; Englisch S. 59– 64, Zitat S. 53. Als Werk 1963 gesprochen und auf zwölf 3-Minuten-Schallplatten für Jukebox aufgezeichnet. 50 Siehe Bazon Brock, »Ein neuer Bilderkrieg. Programmtext des AVV der d 5, synchron zu 2000 Dias der AV-Präsentation« in: documenta 5. Befragung der Realität. Bildwelten heute (Ausst. Kat. Kassel 30. Juni bis 8. Oktober 1972), Neue Galerie Schöne Aussicht, Museum Fridericianum Friedrichsplatz, S. 2.1–2.19. Das Diapositiv als Lehrmedium, auch in technischer Formatierung in dynamischen Multimediainstallationen wurde systematisch verwendet von Charles und Ray Eames. Beatrice Colomina, »Enclosed Images. The Eameses’ Multimedia Architecture«, in: Grey Room, 2001, Nr. 2 (Winter), S. 5–29. Die Sammlung von mehr als 300 000 Diapositiven befindet sich in der Library of Congress, Washington. Vgl. den ­Catherine Ince, Lotte Johnson, Die Welt von Charles und Ray Eames, Köln 2016. 51 Dazu die ausufernde Selbstdarstellung: https:// bazonbrock.de/ (17.06.2021).

Lehre – Medien – Kunst – Geschichte. Zur Einführung

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Philipp Goldbach, Jahrgang 1978, studierte Medienkunst mit Schwerpunkt Fotografie an der Kunsthochschule für Medien Köln. Gleichzeitig absolvierte er ein Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Soziologie an der Universität zu Köln, wo er 2016 mit einer Arbeit unter dem Titel Foto/grafie. Motiv und Metapher der Schrift in der Fotografie promovierte.1 In seinen Werken spielen Speichermedien eine herausragende Rolle. Diese werden von ihm de- und rekodiert. Mit seinen Arbeiten prägte Philipp Goldbach sowohl das Erscheinungsbild der Marburger Tagung als auch des vorliegenden Bandes. Sein Vortragsmanuskript ist hier in redigierter Fassung wiedergegeben.

Köln

Das erste Mal in der Rolle des vortragenden Künstlers an einem wissenschaftlichen Symposium teilgenommen habe ich im Oktober 2013 in der Villa Vigoni am Comer See im Rahmen der Tagung Beschriftungen der Fotografie. Neue Modelle der Medienhistoriographie. Und es ist eine besondere Koinzidenz, dass meine Beschäftigung mit kunsthistorischen und archäologischen Diatheken, die damals ihren Ausgang nahm, sich mit diesem Beitrag nahtlos fortsetzen lässt. Darüber hinaus gibt es eine Verbindung nach Marburg, die noch etwas weiter zurückreicht und an mein fotografisches Projekt der Tafelbilder gebunden ist (die erste von bisher zwei fotografischen

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Philipp Goldbach

Werkserien, die sich explizit mit Lehrmedien beschäftigte) und die u. a. 2011 in eine Ausstellung im Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Philipps-Universität mündete. Darauf werde ich im Folgenden nur kurz eingehen. Zunächst zurück nach Italien. Ich erinnere, dass ich mich dort oft zum Telefonieren aus den Vorträgen stahl und nicht besonders entspannt war, weil die Überlassung der Diathek des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln an mich auf Messers Schneide stand. Im Sommer hatte es dafür bereits eine Zusage gegeben, aufgrund der ich die Dias schon als zentralen Bestandteil einer Einzelausstellung plante, die zwei Monate später, Anfang Dezember 2013, im Hessischen Landesmuseum in Wiesbaden eröffnen sollte. Doch nun war unsicher, ob ich ein Schranksystem aus 80 Einzelelementen gefüllt mit 200 000 Kleinbilddias der Abteilung Allgemeine Kunstgeschichte erhalten würde, nur einen Teil davon oder gar nichts. Dementsprechend fieberhaft mussten nun Alternativen und Notfallpläne entwickelt werden. Dabei schien zunächst alles ganz unkompliziert. Als ich im Frühsommer 2013 nach längerer Abwesenheit das Kunsthistorischen Institut der Kölner Universität (KHI) besuchte, fiel mir auf, dass sich zahlreiche Elemente des schönen hölzernen Schranksystems ungeordnet auf den Gängen des Gebäudes verteilt fanden. Es sah aus, als wenn hier demnächst etwas passieren würde. Ich fragte nach und erhielt die Auskunft, dass die Diathek entsorgt

werden müsse, weil man den Platz für neue Dozentenzimmer benötige. Dazu kann erwähnt werden, dass die Diathek, die sich ursprünglich – und noch zu Beginn meines Studiums der Kunstgeschichte – in einem Raum im Untergeschoss des Gebäudes befunden hatte, mit der Zeit in drei verschiedene Räume auf unterschied­lichen Etagen migriert war; ein Prozess, der ihren schleichenden Bedeutungsverlust markierte. Ich habe mich also bei der Institutsleitung, die sich in die zwei Abteilungen Allgemeine Kunstgeschichte und Architekturgeschichte mit unterschied­lichen Gebäuden sowie jeweils eigenen Bibliotheken und Diatheken gliedert, als Künstler und ehemaliger Student am KHI vorgestellt und mein Interesse signalisiert, das Material zu erhalten, falls es tatsächlich entsorgt werden sollte. Als die Ernsthaftigkeit meines Begehrens klar war, wurde schnell und unbürokratisch eine Zusage erteilt. Als es aber darum ging, einen Termin für die Übergabe zu fixieren, die einen nicht unerheb­lichen logistischen Aufwand darstellte, kam der Prozess ins Stocken und ich wurde mehrfach vertröstet. Durch meine Kontakte ins Institut bemühte ich mich darum, herauszufinden, worin das Problem einer Übergabe der Lehrmittelsammlung an mich bestand. Es stellte sich heraus, dass – forciert durch meinen Vorstoß, der sich bereits herumgesprochen hatte – unter den Lehrenden und Mitarbeitenden des Instituts eine leidenschaftliche Diskussion über Wert und Unwert der Diathek entbrannt war. Diese mündete schließlich in einer anonymen Eingabe beim Justiziar der Universität, worauf in Rücksprache mit dem Rektorat die Institutsleitung des KHI darüber informiert wurde, dass das Institut im recht­lichen Sinne gar nicht Eigentümer der Dias sei und diese daher nicht ohne Weiteres verschenken dürfe, sondern dass es sich um Lehrmittel im Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen handele. Für die Überlassung sei ein formales Prozedere notwendig; die Dias peu à peu als Abfall zu entsorgen, wäre vermutlich un-

bürokratischer möglich gewesen. Zu meinem großen Glück erklärte sich Professorin Herta Wolf bereit, in einem Gutachten die Obsoleszenz der Dias für die kunsthistorische Lehre am Institut und den zum großen Teil schlechten Erhaltungszustand des Materials zu attestieren. Mit diesem Gutachten konnte das Universitätsarchiv die Einlagerung offiziell ablehnen und der Weg zum Notar für einen Überlassungsvertrag war frei; so erhielt ich Ende Oktober doch fast den gesamten Bestand: ca. 200 000 Kleinbilddias der Abteilung Allgemeine Kunstgeschichte samt Schranksystem in der klassischen zweiteiligen Sortierung nach Künstlernamen und Orten, sowie einigen Sondersammelgebieten – mit Ausnahme lediglich zweier kleiner Konvolute: »Karneval« und »Institutsfeste«. Ein zweiter, separater Bestand an Großformat-Glasdias existiert weiter am Institut, und die Abteilung Architekturgeschichte hat ihre Kleinbilddias vollständig behalten. Das Material habe ich mit fünf Helfern und einem LKW abgeholt und direkt nach Wiesbaden gefahren, wo es bis zum Aufbau geschützt im Innenhof des Museums stand.

Wiesbaden

Der interne Konflikt am KHI um den Wert des ausgedienten Lehrmittels Kleinbild-Diapositiv, die Frage nach Bewahren oder Entsorgen setzten geradezu selbsttätig das Thema meiner Installation: nämlich das eines Ikonoklasmus. Unter dem Titel Sturm/Iconoclasm habe ich sämt­liche Dias in einem 160 Quadratmeter messenden Saal des Museums Wiesbaden ausgeschüttet, so dass ein rechteckiges Feld entstand, das man L-förmig auf einer Passage von etwas mehr als einem Meter Breite umlaufen konnte. Ausgeschüttet ist nicht ganz korrekt, denn tatsächlich habe ich zwei kleine Eingriffe vorgenommen: Zum einen wurden die zunächst mit ausgeschütteten Trennkarten nachträglich wieder entfernt, so dass allein die Dias auf dem Boden

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zum Liegen kamen. Diese wurden außerdem mehrheitlich so gewendet, dass die Schriftseite nach oben zeigte, also die Werktitel und bibliografische Information auf dem Träger, die in der Projektion nicht sichtbar sind, ins Blickfeld treten konnten. Die Bildinformation selbst war durch die Bodenlage abgeschattet und nur eingeschränkt erkennbar. Für die Besucher bestand aber die Möglichkeit, an das Feld heranzutreten, einzelne Dias aufzunehmen und näher zu betrachten, um sich den Inhalt zu erschließen. Einige wurden wohl auch als Souvenir während der Ausstellung heimlich mitgenommen. Das entleerte Schranksystem war als skulpturaler Block mit herausgezogenen Schubladen im angrenzenden Saal des Museums installiert. Die Frage der notwendigen und angemessenen ›Dosis‹ Plakativität dieses choreografierten Ikonoklasmus hat mich länger beschäftigt. Anfangs bestanden Überlegungen, ob die Besucher das Diafeld nicht betreten können und damit die Dias zerstören sollten. Das schied nicht nur wegen der Verletzungsgefahr, Verschleppung von Scherben im Museum und der Beschädigung des Holzfußbodens aus, sondern auch der schließlich gewonnenen Überzeugung, dass der Akt des Ausschüttens und der Auflösung der von vielen Händen in jahrzehntelanger Arbeit angelegten Ordnung als bilderstürmerischer Gestus hinreichend sei. Ich habe über die Psychologie des Vandalismus im Zuge dessen einiges gelernt. Auch Alexander Klar, damals Direktor des Museums, und Jörg Daur, der Kurator der Ausstellung, haben es sich nicht nehmen lassen, dabei mitzuwirken. Jeder wollte die Erfahrung machen, den Inhalt einer Schublade mit Schwung auf den Boden zu schleudern, aber wir waren zugleich durch die Aura des Materials gehemmt: Darf man so mit Bildern umgehen – selbst wenn es sich »nur« um Reproduktionen handelt – und vor allem mit der Zeit und Arbeit vieler Menschen, die die Diathek über 60 Jahre lang mühevoll

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Philipp Goldbach

gepflegt haben? Zu Beginn haben wir noch einzelne Dias angeschaut, aber schon bald wurde es körperlich anstrengend und sie waren nur noch widerständiges Material. Als Komplement gab es nicht nur das entleerte Schranksystem zu sehen, sondern – wiederum in einem anderen Saal – auch die ersten Prototypen einer Serie vollständig von Hand gefertigter Speicherplatinen mit dem Titel Read Only Memory. Dabei handelt es sich um Objekte, die in nochmals anderer Werkform eine Perspektive oder einen Wirkungszusammenhang des Ikonoklasmus andeuteten, indem sie ihn – ebenfalls anhand eines historischen Modells – in den Kontext der Digitalisierung rückten. Ich gehe hier auf diese Arbeit nicht weiter ein.

Umbruch Analog/Digital

Der Zeitpunkt des Umbruchs von analog zu digital in der kunsthistorischen Lehre in Köln, der meine Arbeit inspirierte und zugleich ermöglichte, lässt sich recht genau anhand der letzten aufgenommenen Dias bestimmen. Sie datieren aus den Jahren 2005 und 2006. Ich habe selbst noch 2003 Dias am KHI anfertigen lassen, die ich später wiederum mit ausschütten sollte. An der Kunsthochschule wurden zu dieser Zeit schon PowerPoint und Beamer als Präsentationsmedien genutzt. Der medienhistorische Übergang spiegelt sich um 2000 auch in der künstlerischen Ausbildung und Praxis wider. Ich gehöre zu einer letzten Generation von Analog Natives, d. h. jener Studierenden, die an der Kunsthochschule für Medien in Köln (KHM) das fotografische Handwerk der Filmentwicklung und Vergrößerung in der Dunkelkammer am Vergrößerer und in der Schale als verbind­lichen Teil der Ausbildung gelernt haben: Film belichten, entwickeln auf Spulen aufgedreht im Entwicklungstank, trocknen, Kontakt und Belichtungsreihen am Analog-Vergrößerer, Fil-

terung und schließlich finaler Abzug mit Nachbelichten, Abwedeln und Staubfleckenretusche mit Eiweißlasurfarben. Diese Möglichkeiten stehen heute noch zur Verfügung, sind aber eben nicht mehr Teil des verbindlichen Lehrkanons. Als relativ stabile Praxis während meiner Studienzeit etablierte sich dann eine analog-digitale Hybridform für die großformatigen Fotoabzüge. Fotografiert wurde mit einer analogen Großformat-Kamera (in unserem Fall 4 × 5 Inch), und zwar vorzugsweise auf Diafilm, weil dieser sich für die Digitalisierung besser eignet als Negativmaterial. Die analogen Großformat-Dias wurden dann eingescannt. Das geschah entweder auf einem Howtec-Scanner, wo die Dias in Öl unter einer Folie auf eine Glastrommel geklebt und dann in einem langwierigen Prozess in eine hochauflösende Tiff-Datei umgewandelt wurden, während die Trommel rotierte, oder – etwas später – auf einem Imacon-Scanner (die Firma wurde 2004 von Hasselblad aufgekauft), der die Diapositive trocken und wesentlich schneller einzog. Das Digitalisat wurde anschließend im Rechner bearbeitet, d. h. vor allem »ausgefleckt« oder »geputzt«, von mitgescanntem Dreck und Staub befreit, farbkorrigiert, gegebenenfalls aus verschiedenen Bildebenen montiert und anschließend ausgegeben. Ab 2001 standen dafür nicht nur kleinere Thermosublimations- und Tintenstrahldrucker, sondern auch ein Durst Lamb­da-­Ausbelichter zur Verfügung, der mittlerweile wieder von den InkjetPrintern überflügelt worden ist. Der Lambda belichtet digitale Daten mittels eines RGB-Lasers ­direkt auf Fotopapier. Dabei handelt es sich um Rollenware von 1,27 Metern Breite, vergleichbar derjenigen, die auch für den klassischen analogen farbfotografischen Abzug genutzt wird und genau wie hier nach der Belichtung in einer Farbentwicklungsmaschine mehrere chemische Bäder durchläuft und so entwickelt, fixiert, gewässert und getrocknet wird. Der Lambda war zu diesem Zeitpunkt ein Alleinstellungsmerkmal des Fotolabors

der Hochschule, um das wir sehr beneidet wurden (und das auch zahlreiche Studierende der Düsseldorfer Fotoklasse Thomas Ruffs nach Köln brachte). Die Serie der Tafelbilder ist auf diese Weise produziert – und zugleich die letzte klassische Fotoarbeit, die ich für lange Zeit gemacht habe. Ich glaube, dass vor allem die Softwareumgebung sowie die Art und Weise der Bearbeitung eines so hoch aufgelösten Digitalisats im Computerprogramm Photoshop für mich wie für viele Künstlerkolleginnen und -kollegen einen Einschnitt bedeutete, der unsere Betrachtung und Beurteilung von Bildern entscheidend verändert hat. Vor allem das erwähnte Ausflecken oder Putzen der Bilddateien mit dem Stempel-Werkzeug hat ein ganzes fotografisches Genre begründet, das man »Putzbilder« nennen könnte. Ich meine damit Bilder, die nicht nur von mitgescannten Staubkörnern und Öleinschlüssen, sondern von allen als störend empfundenen akzidentellen Details befreit wurden und damit ein ganz charakteristisches Moment von Kälte und Leere erhielten, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob sie eher der visuellen Erfahrung einer anonymen, von der eisigen Hand des globalen Warenkapitalismus regierten Welt entsprangen, wie sie manchmal von der Kunstkritik interpretiert wurden, oder nicht vielmehr einer Übersprungshandlung, einem ausufernden Putzfimmel in Photoshop entsprechen, bei dem das Eintauchen in das Bild bis auf die Korn- und Pixelstruktur eine ganz eigene Sogwirkung und eine Art Tiefenrausch bewirkte. Neben der Verlagerung hin zu zunehmend rein digitalen Arbeitsprozessen in der Fotografie, war ein zweites, entscheidendes Erfahrungsmoment – so glaube ich – für eine Vielzahl von Fotografinnen und Fotografen eine Art Degout, eine Übersättigung durch die Flut der über das Internet allgemein zugäng­lichen digitalen Bilder in Bilddatenbanken und Social-Media-Plattformen wie Google, Instagram, Facebook, Flickr etc. Um 2010

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erreichten diese ihre volle operative Potenz und riefen das Gefühl hervor, nicht mehr wie zuvor einfach Bilder produzieren und diesem Pool hinzufügen zu können. Anstatt die nun eingespielten digitalen Techniken der Bildproduktion zu nutzen, gab es auf breiter Ebene einen Impetus, sich den neuen und alten Verfahren, Materialien und Apparaten aus einer Metaperspektive zuzuwenden. Die digitalen Arbeitsumgebungen, Werkzeuge und Software wurden selbst in den Blick genommen, die Algorithmen, Metadaten und Codes von Bildersuch- und Analysetools als bildgenerierende Mechanismen genutzt und umgenutzt. Es entstand gleichsam ein neuer Produktivismus, eine aktualisierte Form der Konkretion. Zugleich gerieten die historischen Avantgarden wieder in den Blick der Fotokuratoren und erfuhren eine Ausstellungsrenaissance. Mich hat eher die historische oder medienarchäologische Perspektive interessiert, die in den Tafelbildern schon mit angelegt war: eben nicht nur als Versuch, den Mikrokosmos der fotografierten Tafeloberfläche, in die ich am Rechner bei der Bearbeitung eintauchen konnte, als Bild und Komposition zu begreifen, die etwa an mittelalterliche Altarretabel, Diptychen und Triptychen oder auch gestische Malerei à la Cy Twombly er­ innen konnte –, sondern das fotografische Bild selbst als ein geschriebenes – nun mit dem RGBLaser in Zeilen – und das Palimpsest auf der Tafel als Momentaufnahme eines Zeitbildes. Siegfried Zielinskis Archäologie der Medien hat hier in meinem Denken ihre Spuren hinterlassen.2

Essen

Die kunsthistorische Diathek passte also recht genau in mein Interessenfeld. Auch sie zeigt in ihrer Gesamtheit ein komplexes Zeitbild: In ihr ist, was insbesondere anhand der Schriftinformation auf den Dias evident wird, die kollektive Arbeit einer fünfzigjährigen Institutsgeschichte akkumu-

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Philipp Goldbach

liert, die mit dem Wandel zum digitalen Projek­ tionsbild in der Lehre obsolet wurde. Sie birgt also einen abgeschlossenen Kanon im doppelten Sinne: Kunstgeschichte als Wissenskorpus, so wie sie bis zum Zeitpunkt ihrer Ausmusterung kollektiv gelehrt wurde, und zugleich ein abgeschlossenes Kapitel der Fotografie- oder Mediengeschichte. Diese Aspekte, vor allem derjenige der Arbeit, wurden auch für eine Transformation ausschlaggebend, als mich Peter Friese 2015 einlud, das Kölner Diamaterial im Essener Kunstverein Ruhr nochmals zu inszenieren. Ich entschied mich gegen eine Wiederholung, zum einen, weil es etwas langweilig gewesen wäre, zum anderen, weil das 70 Quadratmeter große, von zwei Säulen unterteilte Ladenlokal mit einer elf Meter langen Hauptwand eine Bodenarbeit, die diejenige in Wiesbaden übertroffen hätte, nicht hergab. Ich beschloss also der scheinbar nonchalanten Geste der Destruktion den notwendigerweise unvollständigen Versuch einer Rekonstruktion entgegenzusetzen. (Ich sage scheinbar, denn der destruktive Akt war ja nicht wahllos, sondern durchaus poetisch inszeniert, so dass man sich bei den Dias etwa an ein aufgesplittertes Eisfeld erinnert fühlen konnte, das durch die großen Fenster des Ausstellungssaals in der Sonne glänzte). Über mehrere Monate nahm ich mir die Dias, die beim Abbau in Wiesbaden einfach in Umzugskartons hineingeschaufelt worden waren, nochmal vor und begann damit, etwa 25 cm hohe Stapel mit Tape abzukleben. Diese Stapel dienten dann als Bauelemente für ein 2,70 × 8,00 m messendes Wandbild, das die Hauptwand des Kunstvereins annähernd füllte und sämt­liche noch verwendbare, d. h. ausreichend stabile Dias enthielt – allerdings nun allein deren Schmalseiten zeigte und damit weder Text noch Bildinformation preisgab. Digital Natives, also jüngere Menschen, die mit dem Medium Kleinbiddia nicht oder kaum mehr vertraut waren, vermochten oftmals gar nicht zu erkennen, worum es sich bei dem Material han-

delte. Für Stabilität und eine gleichmäßige Ableitung des Gewichts von ca. 1,5 Tonnen sorgte ein mit der Wand verschraubtes Schienensystem aus L-Profilen, zwischen dem die Diastapel eingespannt und nochmal miteinander sowie mit der Wand verbunden waren. Die Anordnung war dadurch jederzeit auflösbar und das einzelne Dia zugänglich und prinzipiell wieder uneingeschränkt nutzbar. Unter dem Titel Via Lucis war in Essen also der komplette Kanon in komprimierter Form neu zusammengeführt, allerdings in (im wahrsten Sinne des Wortes) völlig zufälliger, chaotischer Anordnung. Wieder gab es einige eher reduzierte ästhetische Setzungen, wie zum Beispiel primär die hell abgeklebten Seiten der Dias zu zeigen und eine Gleichverteilung anzustreben, bei der sich kein Schwerpunkt oder optisches Zentrum bildete, so dass der Eindruck eines analogen oder digitalen Bildrauschens entstand und sich zugleich eine optische Überforderung bei den Betrachtenden einstellte. In dieser Form wurde die Arbeit mehrfach gezeigt.3 Ein komplementäres Wandbild entstand 2017 anlässlich einer zweiten Diatheks-Schenkung durch das Archäologische Institut der Ruhr-Universität Bochum, die wesentlich unkomplizierter vonstattenging als in Köln. Hier handelt es sich um 70 000 Dias in topografischer Sortierung, deren ursprüng­liche Systematik, so wie ich sie in den Schubladenschränken des Instituts vorfand, von mir auf die Wand übertragen wurde – beginnend von links oben nach rechts unten. Das wirkt sich auch auf das stärker strukturiert erscheinende Muster des Wandbilds aus, in dem sich nun größere zusammenhängende Blöcke abzeichnen: zeitgleich produzierte Dias, die zum Zeitpunkt meiner Übernahme, nebeneinander einsortiert standen. Eine dunklere Tonalität kommt dadurch zustande, dass es sich hauptsächlich um alte, mit Papier abgeklebte Glasdias handelt, die drei schwarze und nur eine weiße Schmalseite zeigen (neuere Dias befin-

den sich meist in grau- oder blau-weißen GepeKunststoffrahmen, die erst später zum DiatheksStandard wurden). Diese Arbeit misst 2,60 × 3,20 m und trägt nun jenen Titel, der anschließend für die gesamte Werkserie übernommen wurde: Lossless Compression – Verlustfreie Kompression.

Bochum

Die Schenkung der Diathek des Archäologischen Instituts der Ruhr-Universität Bochum kam durch ein vorhergehendes Projekt mit der Diathek des Kunsthistorischen Instituts der Ruhr-Universität im Jahr 2016 zustande. Diese chronologisch dritte Variante meines installativen Umgangs mit einer universitären Kleinbild-Diasammlung hat das Erscheinungsbild der Marburger Tagung auf Plakat und Einladung geprägt und setzt sich auf dem Einband und der Bildstrecke des vorliegenden Sammelbandes fort. Bei dieser in-situ-Installation mit der kunsthistorischen Diathek im hauseigenen Campusmuseum der Kunstsammlungen der RuhrUniversität gab es eine Auflage: Die Anordnung der Dias musste unverändert bleiben und diese anschließend in die Schränke zurückgeführt werden – eine Bewährungsprobe meiner Vertrauenswürdigkeit und Leidensfähigkeit. Gerade in Hinblick auf eine Zusammenschau mit den beiden vorhergehenden Installationen war ich interessiert daran, nun nochmals andere Aspekte des 35-mm-Kleinbild-Diafilms, seiner Materialität wie auch der Systematik der Diathek herauszustellen. Wie Sie merken, besteht meine künstlerische Intervention häufig darin, das Medium mit einer gewissen Insistenz vorzuführen und es über den Werktitel zu kommentieren. Dieser lautete in diesem Fall etwas bürokratisch-technisch Deakzession/Reakzession, während der Ausstellungstitel eine Formulierung von Henri Cartier-Bresson zitierte: Bound to arrive as intruders – alle Fotografen sind

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dazu verdammt, Eindringlinge zu sein. In diesem Fall bewegt sich die Arbeit – bedingt auch durch die zu erfüllenden Auflagen – am nächsten an der ursprüng­lichen Form der Organisation der Lehrmittel in der Diathek. Mein Ziel war es, eine gleichzeitige und etwa gleichwertige Sichtbarkeit aller drei Komponenten herzustellen: transparentes Projektionsbild, Schriftinformation auf dem Träger und systematische Anordnung. Dem Bestand von ca. 80 000 Kleinbilddias in alphabetischer Sortierung nach Künstlernamen habe ich knapp 15 000 Bilder entnommen und ausgestellt, und zwar so, dass die Menge der gezeigten Dias mit Werken eines Künstlers oder einer Künstlerin – mehrheitlich sind es männliche Künstler – sich jeweils proportional zur Gesamtmenge der Dias dieser Künstlerinnen und Künstler verhielt. Die Regel lautete einfach: Hinter jeder Trennkarte, hinter der mehr als zwei Dias stehen, wird ein Dia entnommen. D. h. Künstler bzw. Künstlerin und/oder Werkgruppen, markiert durch eine Trennkarte, die nur durch zwei oder weniger Dias repräsentiert sind, fallen aus der Bildstatistik heraus. Die Obergrenze von 15 000 Dias wurde durch das maximale Fassungsvermögen des 18 Meter langen Tischsockels mit einer Deckplatte aus grau durchgefärbtem MDF vorgegeben, den ich dafür anfertigen ließ. Die Dias waren in vierzig über die gesamte Länge durchlaufende Einschnitte (3 mm breit und ebenso tief ) nur lose eingesteckt. Ein neuer Künstler bzw. eine neue Künstlerin wurde jeweils durch eine Leerstelle markiert und ein Schubladenwechsel durch ein eingestecktes transparentes Plexiglaskärtchen, was zugleich die Rückführung erleichtern sollte. Besucherinnen und Besucher konnten also an diesem Tisch-Prospekt entlanglaufen und wie in einer Art Balkendiagramm die Diathek maßstäblich verkleinert Revue passieren lassen, einen Kanon identifizieren, der sich so oder ähnlich wohl in jeder kunsthistorischen Diathek findet und die Epochen Mittelalter, Renaissance und Barock ab-

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Philipp Goldbach

deckt, aber auch Schwerpunkte, die die spezifischen Lehr- und Forschungsinteressen am Institut widerspiegeln (Konkrete Kunst, Kunst der 1960er Jahre, brutalistische Architektur), zudem waren einige Kuriosa zu entdecken, wie etwa ein wohl von gelangweilten Hilfskräften zum Spaß eingerahmtes und mit Hase betiteltes Kaugummipapierchen, das Bugs Bunny zeigt. Die Erfüllung der Auflagen wurde schließlich mit der Schenkung auch dieser Diathek belohnt, wohlgemerkt erst nachdem ich die Dias ordentlich wieder einsortiert hatte.4

1 Philipp Goldbach, Foto/grafie. Motiv und Metapher der Schrift in der Fotografie, Paderborn 2018. 2 Siegfried Zielinski, Archäologie der Medien. Zur Tiefenzeit des technischen Hörens und Sehens, Hamburg 2002. 3 Zuletzt in der Ausstellung L’image et son double im Centre Pompidou, Paris (14.09–13.12.2021), in dessen ­fotografischer Sammlung sie sich heute befindet. 4 Philipp Goldbach hat seine künstlerische Arbeit mit Lehrmittelsammlungen seit dem Symposiums-Beitrag vom November 2018 mehrfach erweitert – zuletzt mit der Installation »Dance Floor« (2021). Informationen zum Werk sind abrufbar unter: https://www.pgoldbach.de/.

Interventionen an und mit Lehrmedien

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Vorbilder und ihre visuelle ­Aneignung

Die Klassische Archäologie und ihre Lehrmedien von der zweiten Hälfte des 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert Ortwin Dally

Der Einsatz von Bildern im universitären Unterricht ist in der Klassischen Archäologie erst in jüngster Zeit ein Forschungsthema geworden; ganz anders als in der Kunstgeschichte oder den Bild- und Medienwissenschaften, die sich schon seit langem mit Fragen der Medialität der von ihr behandelten, wenn auch nicht unbedingt der von ihnen benutzten Bilder auseinandersetzen. Der Grund für das jüngst verstärkte Interesse der Archäologie am Bild dürfte vordergründig in dem intensiv beschworenen digitalen Wandel liegen, dem wir alle unterworfen sind und der zu einem verstärkten Nachdenken über Medien und medialen Wandel in der Vergangenheit geführt hat. Gleichwohl ist der Befund insofern verwunderlich, als die Sozialisierung von Studierenden mit Bildern immer schon einen entscheidenden Teil ihrer Ausbildung ausmacht und dann auch sicherlich den weiteren Werdegang mitbestimmt. Tatsache ist, dass sich die Klassische Archäologie bis heute als eine Disziplin mit besonderen Kompetenzen in der Erforschung von Bildern begreift,1 auch wenn sich deren Stellenwert im Verhältnis zur Feldarbeit, dem zweiten Standbein des Faches, verbunden mit einem stark erweiterten kulturgeografischen Radius der Forschungsvorhaben seit den 1990er Jahren verschoben hat.2 Ein entscheidender Grund für das lange Zeit zurückhaltende Interesse am methodisch reflektieren Umgang mit Bildern dürfte darin liegen, dass sich die Archäologie über die längste Zeit ihres Bestehens in aller

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Ortwin Dally

erster Linie für ihre eigent­lichen Zielobjekte, also die archäologischen Funde als Sachen interessiert hat. Die Medien, mittels derer sie operiert hat und noch operiert, um die Ergebnisse der Forschungen zu kommunizieren, und deren Materialität wurden hingegen weitaus geringfügiger diskutiert, war doch die Distanz trotz aller Debatten um das Für und Wider bestimmter Dokumentationsformen zu den gewählten Bildformen seit dem 19. Jahrhundert geringer ausgeprägt als in der Kunstgeschichte, die ebenso wie die Archäologie seit dem mittleren 19. Jahrhundert bis in das dritte Viertel des 19. Jahrhunderts disziplinär an den Universitäten verankert wurde3 und wo man sich schon um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zunehmend bewusst wurde, dass ein Medium wie die Fotografie auch ein Artefakt ist, das in seiner Medialität selber zu einem Gegenstand wissenschaft­ licher Erkenntnis werden kann. Doch auch in der Archäologie führt die Frage nach der visuellen Vermittlung im Unterricht letztlich zurück in die Geschichte der Genese des Faches als institutionell verankerter Disziplin, der damit verbundenen Entwicklung fachspezifischer Methoden, Arbeitstechniken und Betrachtungsweisen sowie der Etablierung, Verstetigung und Ausdifferenzierung eines Lehrangebots zwischen der zweiten Hälfte des 18. und dem frühen 20. Jahrhundert.4

Vermittlung im 18. Jahrhundert – Bücher, Illustrationen, Münzen, Daktyliotheken

Bilder spielten schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts für die Präsentation von zwei- und dreidimensionalen Objekten in Verbindung mit Texten5 eine Rolle in universitären Lehrveranstaltungen mit einem Fokus auf der Antike: 1734 hatte der Polyhistor Johann Heinrich Schulze (1687– 1744) in Halle damit begonnen, griechische Münzen zu sammeln und zur Illustration der von ihm besprochenen griechischen Texte zu nutzen. Schulze lehrte von 1732 bis 1744 Medizin, Altertumskunde und Beredsamkeit.6 1738 hielt er ein Kollegium zur Münzwissenschaft ab.7 Annähernd zeitgleich lehrte Johann Friedrich Christ (1701– 1756) seit 1731 Geschichte und seit 1739 Dichtkunst an der Universität Leipzig.8 Christ, der die Grand Tour (1733–1735) absolviert hatte, nutzte für seine Lehrveranstaltungen zur antiken Philologie und antiken Kunst an der Universität Leipzig in Form von Privatveranstaltungen eine Sammlung, die er während seiner Reisen zusammengetragen hatte. Hinzu kamen Bücher und Kupferstiche. Ähnlich verfuhr in Halle Friedrich August Wolf (1759– 1824), Professor für Philosophie und Pädagogik von 1783–1807.9 Christs Schüler Johann August Ernesti (1707–1781), seit 1742 Professor der Literatur und seit 1756 Professor der Eloquenz in Leipzig, hielt handschriftlich erhaltene Vorlesungen über die Archaeologia litterarum ab, in denen »Antiquiteten«10, also Sachzeugnisse wie Inschriften, Statuen, Münzen etc., die zum Verständnis antiker Texte beitrugen, erläutert wurden. Der Terminus Archäologie in Verbindung mit universitären Lehrveranstaltungen ist erstmalig von Christian Gottlob Heyne (1729–1812) verwendet worden, ebenfalls ein Schüler Christs. Seit 1767 hielt er an der Universität Göttingen regelmäßig Vorlesungen über die »Archäologie oder die Kenntniß der Kunst und der Kunstwerke des Alterthums«11 ab; er gilt daher zu Recht als eine der zentralen Persönlich-

keiten in Hinblick auf die Institutionalisierung des Faches. In dasselbe Jahr fällt der Beginn des Aufbaus der einzigen universitären Gipsabguss-Sammlung des 18. Jahrhunderts, die zunächst in den Räumen der Universitätsbibliothek untergebracht war.12 Hinzu kam die Gründung des Münzkabinetts der Göttinger Universität.13 Archäologie war im 18. Jahrhundert noch keine eigenständige Disziplin, sie wurde bis in das dritte Viertel des 19. Jahrhunderts als Teil der dominierenden Philologie betrieben.14 Ausdruck dieser Bindung an die Philologie ist nicht zuletzt die Fachbezeichnung ›Archäologie‹, die zwar schon bei Johann August Ernesti und Christian Gottlob Heyne belegt ist, sich aber erst im Verlaufe des 19. Jahrhunderts als Terminus festsetzen konnte und in Berlin sogar regelmäßig erst seit 1916 Verwendung fand.15 Schon bei Schulze wird jedoch ein wesent­liches Merkmal archäologischer Lehre greifbar: die Verbindung von zwei- und dreidimensionalen Zeugnissen sowie Texten. Die Integration von Bildern und Objekten in den universitären Unterricht bedeutete insofern eine Neuerung, als Vorlesungen zunächst im Rekurs auf die Antike seit dem 15. Jahrhundert in der ausschließ­ lichen Wiedergabe und Auslegung kanonischer Texte bestanden hatten.16 Die Verbindung von Text und Bild war aber bereits in der antiquarischen Forschung des 17. Jahrhunderts bedeutsam geworden:17 Viele seit etwa 1700 entstandene Publikationen zeichneten sich durch eine hohe Zahl von Abbildungen aus.18 Hinzu kam, dass dreidimensionale Objekte schon im späten 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Vermittlung von Wissen eine neue Relevanz erlangt hatten: August Hermann Francke hatte die 1698 in Halle (Saale) in den Franckeschen Stiftungen zusammengetragene Kunst- und Naturalienkammer genutzt, um das Konzept des Realienunterrichts zu entwickeln.19 Hierbei spielten ebenso wie an einigen Universitäten wie Erlangen oder Halle seit

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dem späten 17. und mittleren 18. Jahrhundert medizinisch-anatomische und naturwissenschaft­liche Sammlungen eine bedeutende Rolle.20 In der Zeit der Aufklärung gewann der Sachunterricht eine neue Relevanz, nicht zuletzt auch im musealen Bereich, wie etwa im Museum Fridericianum in Kassel,21 wo in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Kustoden interessierte Besucher unter anderem über die hier versammelten Antiken unterrichteten und auch Schulklassen sowie studentische Exkursionen die Sammlungen aufsuchten.22 Diese pädagogischen Ansätze, die durch aufklärerisches Gedankengut ebenso geprägt waren wie durch protestantisch-pietistische Denkansätze, zielten auf breitere soziale Schichten. Es scheint mir kein Zufall zu sein und ist zumindest auffällig, dass erste Ansätze der Vermittlung von Wissen über dreidimensionale Objekte in Lehrveranstaltungen zur Antike in Leipzig und Halle bezeugt sind, beides Städte, die von aufklärerisch-pietistischem Gedankengut nachhaltig geprägt waren. Wissen wurde dort nicht nur im Wort vermittelt; die Aneignung erfolgte seit dem mittleren 18. Jahrhundert auch etwa durch den Einsatz von Daktyliotheken – Sammlungen von Abdrücken geschnittener Steine oder Münzen.23 Gemmen und Münzen hatten schon im 14. Jahrhundert in der antiquarischen Forschung ihren festen Platz erlangt und waren insbesondere im fürst­lichen Ambiente rezipiert worden.24 Mit der Veröffentlichung der Gemmensammlung des Barons von Stosch sowie der Daktyliotheken des Dresdner Glasermeisters Philipp Daniel Lippert (1753–1776) setzte eine rasche Verbreitung ein,25 die auch Eingang in den sich neu formierenden universitären Unterricht fand: In Göttingen nutzte Christian Gottlob Heyne Daktyliotheken, um die drei Teile seiner Vorlesung bestehend aus einem kunsttheoretischen, einem epochengeschicht­lichen und einem gattungsbezogenen Teil zu illustrieren. Dabei ging er auch auf die Produktion von Gemmsammmlun-

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gen ein sowie auf antike und zeitgenössische Steinschneider.26 Daktyliotheken spielten auch eine wichtige Rolle in den im späten 17. und 18. Jahrhundert gegründeten Kunstakademien;27 die Wissensvermittlung im 18. und 19. Jahrhundert erfolgte dort überdies in Form von Zeichnungen und Stichen nach Vorlageblättern, Gemälden, nach einem lebenden Modell sowie nach Antiken im Original und im Gips.28 Derartige Abgüsse waren schon seit der Renaissance für geeignet gehalten worden, um antike Skulpturen formgetreu wiederzugeben und zur Grundlage künstlerischer Ausbildung zu machen.29 Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert spielten sie eine wesent­liche Rolle im aristokratischen, päpst­ lichen und fürst­lichen Ambiente,30 seit dem späten 18. Jahrhundert auch in noblen Wohnhäusern.31 Heynes Nutzung von Gipsabgüssen ist ein deut­ licher Hinweis dafür, dass diese dreidimensionalen Objekte zum Gegenstand wissenschaft­licher Studien wurden – eine Tendenz, die nach den Napoleonischen Kriegen noch verstärkt wurde. In dieser Verschränkung wird zugleich ein erster Ansatz für die Emanzipation einer objektbasierten Wissenschaft von der Philologie sichtbar.

Frühe Orte der Lehre

Fragt man nach der Visualisierung der archäologischen Lehre, kommt man nicht umhin, sich auch mit den Räumlichkeiten auseinanderzusetzen. Räume und ihre Ausgestaltung tragen ganz wesentlich zur Wahrnehmung und Gestaltung der Lehre bei. Möbel und Inventar sind integraler Bestandteil eines Handlungsraumes, der von Lehrenden und Hörern gleichermaßen gestaltet und produziert wird.32 Bemerkenswert ist, dass in Göttingen, beginnend mit den Lehrveranstaltungen Christian Gottlob Heynes, nun bestimmte zentrale Orte der Universität gewählt wurden, um akademische Lehre zu betreiben. Diese war im 18. Jahrhundert in der Regel noch nicht an spezifische

Räumlichkeiten gebunden gewesen. Seit der frühen Neuzeit hatten sich in der universitären Praxis allmählich Privatvorlesungen etabliert, für die die Hörer Gebühren direkt an die jeweiligen Professoren entrichteten.33 Universitäten verfügten daher kaum über eigens eingerichtete Räumlichkeiten. Akademisches Leben wurde deshalb an vielen und wechselnden Orten vollzogen. In Halle etwa fanden formale akademische Anlässe wie Promotionen und öffent­liche Verteidigungen, disputationes, im juristischen Auditorium in der sogenannten Ratswaage am Markt statt, Vorlesungen (collegia) hingegen in aller Regel als Privatissima in den Wohnungen der Professoren.34 Die collegia konnten andernorts seit dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts auch Akademiker und ein breiteres Publikum zusammenbringen.35 Heyne hielt seine Vorlesung in Göttingen in der Bibliothek ab, deren Direktor er in Personalunion war. Neben den Büchern konnte er auf die hier aufbewahrten Gipsabgüsse Bezug nehmen, aber auch auf Kupferstiche und Holzschnitte, die ebenfalls in der Bibliothek vorhanden waren. Mit durchschnittlich achtzig bis hundert anwesenden Hörern wurde die Bibliothek zu einem zentralen und eigens ausgestatteten Handlungsraum universitärer Lehre.36 Die Gipse dieses Raumes waren nach thematischen Gesichtspunkten geordnet und standen paarweise in der Nähe der hierzu ebenfalls thematisch angelegten Bücherschränke. Die Präsentation war damit einer repräsentativen Situation in einem elitären oder klöster­lichen Kontext angeg­lichen37 und nicht auf die bestimmte Nutzung in der Lehre angelegt. In demselben Jahr, in dem Heyne seine Archäologievorlesungen aufnahm, wurde in Mannheim der Antikensaal der Zeichnungsakademie eingeweiht, der ebenfalls als Studiensaal für die Lehre genutzt wurde.38 Die Aufstellung der Gipse in Göttingen unterschied sich jedoch von drehbaren und frei aufgestellten Sockeln, auf denen Gipse und Statuen in den Sammlungen der Kunstakademien häufig

platziert waren. Für die flexiblere Nutzung wurden dort gelegentlich Büsten in Regale gestellt, aus denen sie dann fallweise herausgeholt werden konnten.39 Im Unterschied zu den Kunstakademien scheint es in der Vorlesung von Heyne um eine kritisch-wissenschaft­liche Herangehensweise gegangen zu sein, während andernorts das Studium antiker Skulpturen nachts bei Fackelschein bis zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert als Mittel der Verlebendigung der Antike und zugleich der Erfassung der Umrisse der Skulpturen noch sehr beliebt gewesen ist.40

Originale und Reproduktionen in Rom

Die Situation in Rom war grundsätzlich anders. Im Unterschied zu Universitäten, Akademien oder Residenzen in deutschsprachigen Kleinstaaten jener Zeit bestand hier kein Mangel an monumentalen bau­lichen Überresten der Antike, die das Bild der Rezipienten und der Stadt als Forschungs- und Wissenschaftsstandort nachhaltig prägten.41 Nicht zuletzt das Wirken Johann Joachim Winckelmanns (1717–1768) war dafür ausschlaggebend gewesen. Zwar gab es auch in Rom durchaus bedeutende Gipsabguss-Sammlungen wie etwa jene der 1593 gegründeten Accademia di San Luca,42 der 1666 gegründeten Académie de France à Rome in der Villa Medici oder die Sammlung von Anton Raphael Mengs in einem Studiensaal mit Oberlicht seines Ateliers (1752–1757), die den Grundstock der 1783 begründeten Dresdner Abguss-Sammlung bildete43 und internationalen Künstlern zur Anfertigung von Zeichnungen nach Antiken diente.44 Die Formen und Wege der Wissensvermittlung prägten indessen die im Übermaß vorhandenen Originale. So konnte Winckelmann programmatisch die Autopsie und das vergleichende Sehen zum Ausgangspunkt seiner Schriften machen, die er nur spärlich bebilderte.45 Er hatte aber auch die (nicht verwirklichte) Absicht gehabt, Schriften zu den Antiken

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der Stadt für Reisende zu verfassen.46 Winckelmann wirkte aber in jedem Fall selbst als Cicerone, ebenso wie Johann Friedrich Reiffenstein (1719– 1793), der deutsch-dänische Archäologe und Heyne-Schüler Georg Zoëga (1755–1809)47 und etwas später der Archäologe Aloys Hirt (1759– 1837). Hervorzuheben ist der wissenschaft­liche Anstrich, den solche Führungen hatten. So wurde den Reisenden der Grand Tour der teilweise erst sehr viel später revidierte Eindruck vermittelt, sie könnten in Rom der griechischen Kunst im Original begegnen.48 Insbesondere die Führungen Hirts durch römische Sammlungen und das Umland wurden durch flankierende abend­liche Vorlesungen ergänzt, in denen wesent­liche Voraussetzungen vermittelt wurden, etwa zu antiken Säulenordnungen bis hin zu Grundrissen antiker Gebäude. Hinzu kamen Ausführungen zu rundplastischen Bildnissen, Kaiserporträts sowie Gemälden.49 Den Schwerpunkt auf der antiken Architektur behielt Hirt auch in Berlin bei, wo er seit 1896 an der Akademie der Wissenschaften, der 1799 begründeten Bauakademie sowie an der Universität von 1810– 1836 Theorie und Geschichte der zeichnenden Künste lehrte.50 In dergleichen geführten Rundgängen in Rom und Umgebung wurden Techniken wie das vergleichende Sehen ansatzweise am ›Original‹ vermittelt. ›Vorlesungen‹ dieser Art scheinen in Rom in einem stark künstlerisch geprägten Ambiente allerdings mitunter nicht besonders erfolgreich gewesen zu sein. Dies ist zumindest von Carl Ludwig Fernow (1763–1808) überliefert, der als Kunsttheoretiker und Bibliothekar 1795/96 in Rom begonnen hatte, im (exterritorialen) Versammlungsraum des Leibarztes des Prinzen August Friedrich von Hannover-England in der Villa Malta auf dem Monte Pincio ›ästhetische Vorlesungen‹ zu halten, in denen er offenbar die Künstler, Gelehrten und Kunstfreude nicht anzusprechen vermochte.51 Fernow vermerkte hierzu, dass der Grund »in der Ungewöhnlichkeit des Ereignisses

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selbst, der Neuheit der vorgetragenen Ideen und der partei­lichen Spaltung unter den Künstlern«52 liege, so dass die Vorlesung nach dem ersten Mal nicht fortgeführt wurde. Drei Jahrzehnte später hatte sich die Situation gewandelt: 1829 war das Instituto di corrispondenza archeologica als Vorläufer des späteren Deutschen Archäologischen Instituts gegründet worden.53 Zu diesem neuen Institut gehörten eine rasch wachsende Bibliothek und ein Archiv für zugesendete Materialien (v. a. Zeichnungen) als Kernausstattung. In dem ersten 1836 eingeweihten eigenständigen Gebäude des Instituts auf der Südhälfte des Kapitols fanden die Adunanzen (Vortragsveranstaltungen) in der Bibliothek statt.54 Kennzeichnend ist eine mediale Pluralität: gezeigt und diskutiert wurden anfangs Zeichnungen,55 sehr rasch aber auch Abdrücke von Gemmen und Kameen sowie Pläne und Originale, seit den 1860er Jahren auch Fotografien. Der Erfolg der Adunanzen ist ein deut­liches Indiz dafür, dass sich das Umfeld in der Ewigen Stadt deutlich gegenüber dem späten 18. Jahrhundert geändert hatte. Sehr viel mehr wissenschaftlich an der Antike Interessierte hatten sich dort eingefunden, als dies noch im späten 18. Jahrhundert in einem rein künstlerischen und durch die Grand Tour geprägten Ambiente der Fall gewesen war.

Archäologische Apparate und Lehrsammlungen

Das Instituto di corrispondenza archeologica mit einer regen Publikationstätigkeit56 war auch die Heimstätte des archäologischen Apparats, der bis zum 20. Jahrhundert ausgebaut wurde und in erster Linie Zeichnungen enthielt, die die korrespondierenden Mitglieder des Instituts aus ganz Europa nach Rom zur wissenschaft­lichen Diskussion und Veröffentlichung sandten.57 Als eine der treibenden Kräfte der Gründung, Eduard Gerhard (1795–

1867), nach Berlin als »Archäolog bei dem Museum« gekommen war, nahm er einen »Archäologischen Apparat« in Angriff, der in erster Linie aus Zeichnungen vor allem unpublizierter Kunstwerke bestand.58 Diese wurden laufend durch gezielte Aufträge, aber auch infolge von Reisen Gerhards ergänzt und ermöglichten so nicht nur eigene Forschungen, sondern machten durch die Sammlung von Anschauungsmaterial über den Bestand der Museen hinaus den Apparat zu einem Forschungsinstrument. Als die Investitionen in diese Sammlung von Bildmedien zunehmend kritisiert wurden, vollzog Gerhard 1851 einen entscheidenden Schritt durch die Gründung eines weiteren ›Archäologischen Apparates‹ an der Universität zu Berlin, wo er seit 1843 als außerordent­licher und seit 1844 als ordent­licher Professor tätig gewesen war. Dieser Apparat, der nach Göttingen (1767) und Leipzig (1823) der dritte an einer Universität war, bestand aus statuarischen Gipsabgüssen und Münzabdrücken, architektonischen Modellen, Musterstücken jeder Technik, augenfälligen und übersicht­lichen Vorlegeblättern sowie Büchern und sollte als Lehrmittel für die universitäre Lehre dienen. Durch die von Gerhard erreichte Etatisierung dieser Lehrmediensammlung war zugleich der Grundstock für das Universitätsinstitut gelegt und die Etablierung der Klassischen Archäologie als eigenständige Fachdisziplin entscheidend vorangebracht.59 Ausgangspunkt der Bestandteile des ersten archäologischen Apparats in Rom waren zunächst Zeichnungen gewesen; sie basierten auf Originalfunden, Neuentdeckungen und Grabungen in den etruskischen Nekropolen Mittelitaliens. Insbesondere die griechischen Vasen ließen sich jedoch nicht in derselben Art und Weise kopieren wie Gipsabgüsse nach antiken Skulpturen. Deshalb rückte der Erwerb von Originalen (vor allem Keramik) in der Folge mehr und mehr auch in den Fokus von Museen und Universitätssammlungen.60

In Göttingen etwa gab es zur Zeit Heynes nur sehr wenige eher zufällig erworbene originale Antiken; systematisiert wurde der Erwerb erst unter seinem Nachfolger Karl Otfried Müller (1797–1840), der ab 1819 in Göttingen tätig war.61 In Tübingen bildete eine Schenkung Karl Sigmund Tux’ (1795)62 den Grundstock einer Münz- und Antikensammlung, die in den folgenden Jahrzehnten sukzessive ausgebaut wurde.63 In Bonn lässt sich der Aufbau einer Abguss-Sammlung noch vor der Gründung des Akademischen Kunstmuseums 1823 bis in das Jahr 1818 belegen.64 In Heidelberg hatte Georg Friedrich Creuzer (1771–1858), Professor für Philologie (1810–1846), alle zwei Jahre archäologische Vorlesungen abgehalten und sich dabei auch privater Sammlungsstücke bedient; sie waren im 1835 durch das von Studenten gestiftete Antiquarium Creuzerianum, das Münzen, Gemmen, Gemmenabdrücke und Gipsabgüsse enthielt, zusammengeführt worden.65 In Jena begann der Aufbau eines archäologischen Museums 1845/46.66 Hierzu zählten neben Originalen auch von Anfang an Münzen. In all den genannten Fällen spielten aber nicht nur Originale, sondern auch Gipse eine wesent­­ liche Rolle.67 Für diese wurden im Lauf des 19. Jahrhunderts vielerorts – sieht man von Berlin ab68 – eigene Räume gesucht und auch eingerichtet: Ernst Christian von Walz (1802–1857) betrieb zugleich in Tübingen in Verbindung zur Philologie die Loslösung der Altertumswissenschaften aus den Disziplinen Theologie und Philosophie und kümmerte sich um den Aufbau einer Gipsabguss-Sammlung.69 Letztere erhielten im Verlaufe des 19. Jahrhunderts ebenso wie die Original- und Münzsammlungen eigene Räumlichkeiten, in denen auch die Lehrveranstaltungen stattfanden:70 In Göttingen ließ Karl Otfried Müller die zahlreichen von ihm neu erworbenen Gipse in einem eigenen archäologischen Saal aufstellen und hielt dort seine Lehrveranstaltungen ab.71 Sie wurde 1912 in ein Gebäude am Nikolausberger Weg verbracht, in dem

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sich Institut und Sammlung noch heute befinden.72 In Bonn begründete Friedrich Gottlieb Welcker (1784–1868), ein Schüler Christian Gottlob Heynes, das Archäologische Kunstmuseum.73 Gipse waren auch dort zuvor in der Bibliothek der Universität aufgestellt und ähnlich wie in Göttingen thematisch bestimmten Bücherschränken zugeordnet gewesen.74 Carl Wilhelm Goettling (1793–1869) nahm mit Beginn des Wintersemesters 1845 in dem von ihm neu gegründeten Archäologischen Museum der Universität Jena die sogenannten Rosenvorlesungen auf. Sie fanden als ›akademische Vorlesungen‹ für eine breite Öffentlichkeit im großen Rosensaal am Fürstengraben 27 statt. Abgehalten wurden sie von Goettling und weiteren Professoren verschiedener Fakultäten. Die Einnahmen wurden gezielt zum Ausbau des Museums und der Gipsabguss-Sammlungen genutzt; die neu erworbenen Antiken und Gipsabgüsse wurden aber während der Vorlesungen zugleich vorgestellt.75 In Berlin wurden die Gipse des von Eduard Gerhardt (1795– 1867) begründeten Apparats 1862 in einem eigenen Raum – dem Zwischengeschoss des Auditoriums 19 des alten Westflügels der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin aufgestellt.76 Teilweise kam es auch noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Neugründungen von Museen, zum Beispiel in Wien, wo zeitgleich mit der Berufung von Alexander Conze (1831–1914) 1869 der Aufbau einer Gipsabguss-Sammlung begann.77 Bereits bestehende Gipsabguss-Sammlungen wurden um die Mitte und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch einmal stark erweitert, in Tübingen war sie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gegenüber der Originalsammlung in den Vordergrund getreten.78 Zu den älteren Sammlungen in Göttingen (seit 1767), Bonn (seit 1818/23), Breslau79 und Königsberg (beide seit 1825) und Tübingen kamen Kiel (1843), Halle (1845), Jena (1846), Erlangen (1847), Heidelberg (1848), Marburg (1866), München (1869)80, Straßburg und

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Prag (beide 1872) und schließlich Münster (1884) hinzu.81 Ursprünglich waren sie in der Bibliothek oder im Hauptgebäude der Universitäten ausgestellt gewesen, nun wurden sie bestimmten Räumlichkeiten der jungen Disziplin Archäologie zugeschlagen. In Bonn geschah dies 1884, als die Gipse aus dem Hauptgebäude gelöst und in die vormalige, 1883/84 erweiterte ehemalige Anatomie verbracht wurden.82 Zudem existierten diverse Abguss-Sammlungen an den neu gegründeten Technischen Hochschulen wie dem Polytechnikum in Zürich (seit 1865).83 Vielerorts erhielten die Sammlungen noch einmal starke Impulse durch den preußischen Staat84 und die 1874 neu einsetzende Großgrabung in Olympia, an der der Berliner Bildhauer Richard Grüttner beteiligt war. Er ließ hundertfünfundfünfzig Objekte, die als Originale alle in Griechenland verblieben, abformen, u. a. die Metopen und Giebel des Zeustempels.85 Bis heute sind Gipsabguss-Sammlungen als Lehrmedien in Gebrauch; freilich ging ihre Bedeutung seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zurück, da sie – abgesehen von sich ändernden ästhetischen Vorstellungen – anders als Fotografien und positivistische Bildkompendien weniger leicht verfügbar waren und man für ihre Abformung auf rundplastische Werke zurückgreifen musste.86 Der Bedeutungszuwachs, den Gipsabgüsse und die nun entstehenden Sammlungen im universitären Bereich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhren, erklärt sich aus der nun stärker in die Diskussion rückenden Unterscheidung von Originalen und Kopien beziehungsweise Ergänzungen einerseits, andererseits steht dies im Zusammenhang mit der auf Johann Joachim Winckelmann zurückgehenden stilgeschicht­lichen Einteilung der Geschichte der Kunst. Die Gipse ermöglichten eine Diskussion der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Abguss und Kopie sowie dem dahinterstehenden Original.87 Damit verbunden war eine allmäh­liche Neubewertung der Gipse:

Abb. 1 Bonn, Akademisches Kunstmuseum, Aula Magna

Sie galten nicht mehr als nur als Belege für originale Kunstwerke, sondern erhielten einen kunsthistorisch und wissenschaftlich fundierten Eigenwert, indem sie den Hörern die eigene Anschauung ermög­lichen und so auch die seit Winckelmann zur Epocheneinteilung üb­lichen stilistischen Differenzen erfahrbar machen sollten.88 Dieser Wandel in der Bedeutung des Lehrmediums der Gispabguss-Sammlungen sowie der Aufbau archäologischer Apparate ging einher mit dem Bedeutungsverlust der Daktyliotheken, mit deren Hilfe eben diese Fragen nicht überzeugend beantwortet werden konnten: Sie ermöglichten keine Anschauung von der Größe der gezeigten Objekte und überhaupt wurde ihre Authentizität in Frage gestellt. Die letzten wurden um die Mitte des 19. Jahrhunderts angeschafft.89

Räum­liche, personelle und mediale Differenzierungen an den Universitäten

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war die räum­ liche Ausdifferenzierung des Universitätsunterrichts in der Archäologie weit fortgeschritten. Mit der Institutionalisierung an den Universitäten zwischen dem zweiten und dem dritten Viertel des 19. Jahrhunderts kamen erst die Hörsäle dazu, in denen die Vorlesungen stattfanden. Einen Eindruck von deren räum­lichen Erscheinungsbild mit theaterartig angelegten Sitzreihen und Holzvertäfelungen liefern heute noch Hörsäle an den Universitäten Göttingen,90 Bonn (in der Erweiterung von 1909 im Akademischen Kunstmuseum) 91 (Abb. 1) und Halle (Robertinum)92. Zunehmend ausdifferenzierte Räumlichkeiten trugen in Verbindung mit den skizzierten Medien

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zur Distinktion und Abgrenzung bei. Zum einen grenzte sich das universitäre Fach der Archäologie mit seinem Lehrauftrag und den hierfür gebildeten Lehrsammlungen93 von den Museen mit ihren Schausammlungen ab. Andererseits galt es, die Grenze zu sich neu etablierenden Disziplinen wie der Christ­lichen Archäologie zu ziehen. Anders als die ›klassische‹ Archäologie mit ihrer Nähe zur Philologie hat erstere einen theologischen Hintergrund: Annähernd gleichzeitig zu Gerhards in Berlin eingerichtetem archäologischen Apparat legte der Theologe Ferdinand Piper (1811–1889) seit 1849 an der Friedrich-Wilhelms-Universität für den Bereich der Christ­lichen Archäologie eine Sammlung an, die aus originalen Kunstwerken und Reproduktionen bestand.94 Die erste Vorlesung an der Universität Halle mit dem Titel »Christ­liche Archäologie« wurde 1840 von Heinrich Ernst Ferdinand Guericke (1803–1878), einem evangelisch-lutherischen Theologen gehalten. 1890 gründete der Kirchen- und Dogmenhistoriker Friedrich Armin Loofs (1858–1928) ebenda einen »Christlich Archäologischen Apparat«95. Seit 1874 bot Carl Friedrich Georg Heinrici (1844–1915) in der Theologischen Fakultät der Universität Marburg Lehrveranstaltungen der Christ­lichen Archäologie an; 1885 begründete er den »ChristlichArchäologischen Lehrapparat«; mit einer Ausdifferenzierung der Sammlungsbestände war auch eine zunehmende nament­liche Unterscheidung verbunden zwischen der Klassischen Archäologie mit einem normativen Gehalt und der Christ­lichen Archäologie mit einer Fixierung auf Denkmäler des frühen Christentums.96 Ausdruck einer fortschreitenden Eigenständigkeit der jungen Fachdisziplin Archäologie wurden schließlich entsprechende Professuren, die von der Philologie schrittweise entkoppelt wurden. Dieser Prozess war wiederum eng mit der Einrichtung und dem Ausbau von Gipsabguss- und Originalsammlungen gekoppelt. In Göttingen wurde

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Friedrich Wieseler 1854 zunächst zum Ordinarius auf dem Gebiete der Archäologie, zwei Jahre später zum alleinigen Direktor der archäologischen Sammlungen der Universität bestellt.97 Vergleichbar verlief in Bonn die Aufgliederung des provinzialrömischen Museums in den Vorläufer des 1890 gegründeten Rheinischen Landesmuseums sowie des auf die Klassische Antike ausgerichteten Kunstmuseums im Jahre 1870.98 Damit verbunden war die Einrichtung eines philologischen Ordinariats und eines archäologischen Extraordinariats.99 In Breslau hatte Johann Gustav Gottlob Büsching (1783–1829), seit 1823 Professor für Altertumswissen­ schaften, damit begonnen, unter anderem neben ­Gemälden, Kupferstichen und Münzen auch provinzialrömische und römische Altertümer aus aufgelösten Klöstern und Grabungen in Schlesien und auch Gipsabgüsse zu sammeln.100 Beginnend mit Joseph Julius Athanasius Ambrosch (1804–1856) wurden diese Sammlungen ausgegliedert,101 so dass unter dem Direktorat von Richard Foerster (1843– 1922) um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein erweitertes Museum für die Klassische Archäologie bestand.102 Die Ausdifferenzierung der Sammlungen kann als Ausweis einer beginnenden Spezialisierung verschiedener archäologischer Disziplinen und damit einhergehender Sammlungsbestände begriffen werden, die nun als materielle Hinterlassenschaften einer spezifischen Epoche der Antike mit einem neuen Eigenwert gedeutet wurden. Auch wenn es in Bonn, Würzburg103 und Heidelberg zur Ausbildung größerer Universitätsmuseen kam, standen die Lehrsammlungen der sich allmählich institutionalisierenden Klassischen Archäologie in aller Regel im Schatten der für wichtiger erachteten Gipsabguss-Sammlungen.104 Das lag daran, dass mit Hilfe der Gipsabguss-Sammlungen exemplarische Skulpturen und Architekturproben systematisch nach Epochen geordnet präsentiert werden konnten, ein Ergebnis des auf Johann Joachim

Winckelmann fußenden Hauptparadigmas der Klassischen Archäologie im 19. Jahrhundert, verbunden mit einer besonderen Wertschätzung der griechischen Kunst.105 Eine solche Reihung wäre mit Originalen nicht zu leisten gewesen.106 Gerade dieser Aspekt verhalf den Gipsen im Verlaufe des 19. Jahrhunderts zu großer Beliebtheit im musealen Bereich, ließ sich doch mit ihnen die Utopie einer chronologisch vollständigen Darstellung (antiker) Kunstgeschichte verfolgen, ferner die Unter­ suchung von Stil, der Stilkritik und Form unterstützen.107 Die wachsende Bedeutung einer chronologischen Darstellung ist ein Indiz für eine sich abschwächende idealistische und normative Bedeutung der Gipse, die anfangs vorzugsweise der ästhetischen und künstlerischen Erziehung gedient hatten, während sie nun zunehmend in ihrer historischen Bedeutung erschienen.108 Ein Indiz für die vergleichsweise geringere Wertschätzung der Originalsammlungen ist, dass wir häufig schlecht über die jeweilige Erstausstattung unterrichtet sind und von den Sammlungen offenbar wenig Impulse für die Forschung ausgingen.109 Lehrveranstaltungen in den originalen Sammlungsbeständen wurden zudem deutlich seltener geplant als solche in Gipsabguss-Sammlungen. Die sich ausdifferenzierenden fachspezifischen Räumlichkeiten gingen einher mit einer allmählich sich verändernden Unterrichtspraxis. Die vorherrschende Unterrichtsform im 19. Jahrhundert blieb zunächst die Vorlesung, während diskursivere Formate wie Exkursionen, Kolloquien, Praktika für Ausstellungsprojekte und Grabungen erst im Verlaufe des 20. Jahrhunderts stärker an Bedeutung gewannen.110 Gleichwohl zeigt sich ansatzweise eine Spezifizierung durch die Abhaltung von Lehrveranstaltungen in den Gipsabguss- und Originalsammlungen in Kombination mit oder als Orten von Vorlesungen. Fragt man nach Themen und der Art und Weise, wie diese zunehmend ausdifferenzierten vi-

suellen Hilfsmittel genutzt und auch wahrgenommen wurden, helfen – was die Originalsammlungen und Gipsabguss-Sammlungen betrifft – Skizzen und Pläne zu den Aufstellungskonzepten zumindest teilweise weiter.111 Beginnend mit der Gründung eines Atelier de moulage am Pariser Louvre nach den Napoleonischen Kriegen war es bald innerhalb eines europaweiten Handelsnetzes möglich, die Anschaffungen von Gipsen zu tätigen.112 Schon früh schälte sich dabei ein Kanon von opera nobilia heraus. Hierzu zählten der Apoll vom Belvedere, die Laokoongruppe, der Fechter ­Borghese, die Venus Medici, die Venus von Milo, die Giebelskulpturen des Parthenon und einige mehr.113 Angeordnet wurden die Gipse überwiegend, aber nicht zwingend nach chronologischen Kriterien. In Bonn hatte Friedrich Gottlob Welcker die Gipse zunächst nach ästhetischen Kriterien gruppiert. Erst Reinhard Kekulé von Stradonittz (1839–1911) wählte 1884 mit dem Umzug der Gipse vom Hauptgebäude in die räum­lich erweiterte ehemalige Anatomie am Hofgarten in Bonn eine chronologische Ordnung. In Berlin hatte Karl Boetticher (1806–1889) die zuvor chronologisch aufgestellten Gipse 1868 nach ikonografischen Gesichtspunkten angeordnet.114 In jedem Fall bleibt festzuhalten, dass schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gipsabguss-Sammlungen auch Orte wurden, in denen systematisch gelehrt wurde. In Breslau gilt dies vermutlich schon für Johann Gottlieb Gustav Büsching115, mit Sicherheit aber für Franz Passow (1786–1833)116. Friedrich Wilhelm Ritschl (1806–1876) hielt Privatissima zu antiken Bildwerken ab.117 Sein Kollege und Nachfolger Joseph Julius Athanasius Ambrosch hielt »rein theoretische Vorträge« im Auditorium des Breslauer Museums, »praktische« hingegen im Lokale des Museums über alle Gattungen.118 Während der von ihm veranstalteten Collegien ließ er archäologische Werke im Auditorium des Museums aufstellen, um den Studenten Gelegenheit zu

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geben, diese auch außerhalb der Lehrveranstaltungen studieren zu können.119 Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verloren die Gipsabguss-Sammlungen an Bedeutung. Die Gründe dafür sind vielfältig. Mit ausschlaggebend waren einerseits zahlreiche Neufunde antiker Skulpturen, etwa in Olympia, die zu einem Anwachsen der Originalsammlungen führten. Zum anderen veränderte sich die ästhetische Wertschätzung im Zeichen von Kunstströmungen wie dem Impressionismus, der gegenüber einer Betrachtung der plastischen Form einer stärkeren Wertschätzung der Oberflächenerscheinung und damit des Originals Vorschub leistete.120 Auch wenn Gipsabguss-Sammlungen ein wichtiges Merkmal klassisch-archäologischer Institute blieben, kamen ihre Pflege und ihr Ausbau zum Teil unter Rechtfertigungsdruck.121 Die abnehmende Bedeutung der Abguss-Sammlungen erklärt sich aber auch aus dem Umstand, dass ein intensiviertes Studium von Plastik durch andere Bildmedien ermöglicht wurde, nämlich die jetzt immer zahlreicher verfügbaren Fotografien von Originalen und entsprechende Abbildungen in Publikationen, die mit neuen drucktechnischen Verfahren erstellt wurden.122 In jedem Fall stark an Bedeutung gewonnen haben im Verlaufe des 19. Jahrhunderts die Bibliotheken, die ebenfalls in eigenen Institutsräumlichkeiten untergebracht wurden. In Bonn wurden z. B. Museum und Bibliothek 1861 inhaltlich und räumlich getrennt.123 Die Originalsammlungen verdankten sich häufig Spendern und waren deshalb zum Teil unterschiedlich konzipiert. Auch hier gab es lokale Besonderheiten. So zeichnete sich die Sammlung des Archäologischen Museums in Breslau, dessen Genese mit dem Namen Johann Gustav Gottlieb Büschings verbunden ist, von Anfang an durch eine Sammlung von Provinzialaltertümern und römischen Altertümern aus aufgelöstem Klosterbesitz aus.124 In Bonn hingegen standen seit 1819 zunächst

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Ankäufe und Grabungen am Anfang der Sammlung,125 da dort römischen Artefakten aus der unmittelbaren Umgebung eine wesent­liche Rolle zukam. Auch existierten aber von Anfang an Kernbestände, insbesondere von Münzen, Gemmen und Kameen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt sich vielerorts ein verstärkter Hang zur Standardisierung feststellen. Diese Tendenz ist in Bonn126 und ansatzweise in Heidelberg erforscht.127 Dort hat sich klar gezeigt, dass zu Fragmenten kanonisierter berühmter Gebäude und Denkmäler wie der Casa del Fauno in Pompeji, dem Schatzhaus des Atreus in Mykene oder dem Pompeion in Athen weitere Antiken hinzukamen, mit denen versucht wurde, Lücken zu schließen – ein Ausweis einer wachsenden Wertschätzung von authentischen Originalen und Fragmenten als unmittelbare Zeugnisse der Antike sowie eines sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts infolge der neu einsetzenden Großgrabungen rasch ausdehnenden Materialbestandes, den es zu sammeln und zu ordnen galt.128 Dazu zählten etwa Architekturterrakotten aus Griechenland und Italien, aber auch die sogenannten Campanaplatten, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in großen positivistischen Sammelwerken erschlossen wurden.129 Dieser Hang zu einer wachsenden Standardisierung ist nicht nur Ausweis einer Wechselwirkung zwischen seinerzeitigen Forschungsinteressen und dem Ausbau der Sammlungen, sondern auch Reflex einer generellen Tendenz in der Organisation eines zunehmend komplexer werdenden Wissenschafts-, Organisations- und Kommunikationssystems.130 In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts setzten Großgrabungen wie in Olympia (seit 1874) ein, hinzu kamen, verbunden mit den Namen von Carl Robert (1850–1922) und Reinhard Kekulé, neue methodologische Überlegungen zu der Untersuchung einer eigenständigen bild­lichen Tradition131 und der Etablierung des Arbeitsinstruments der Stilkritik,132 mit deren Hilfe sich die

Archäologie endgültig von der Philologie entkoppelte, wesentlich beeinflusst durch Neuentdeckungen originaler griechischer Marmorskulpturen und die endgültige Etablierung neuer Abbildungspraktiken im fach­lichen Diskurs und den damit verbundenen Publikationen.

Die archäologische Vorlesung

Dies machte sich letztlich auch in der Strukturierung der Lehre bemerkbar, über deren Ausgestaltung Berichte, Vorlesungsskripte, Mitschriften, Verzeichnisse133 und Publikationen für Vorlesungen wie Handbücher Auskunft geben, die teilweise schon seit dem 18. Jahrhundert überliefert sind, aber im 19. Jahrhundert gehäuft auftreten.134 1776 ist eine posthum überlieferte Mitschrift der Vorlesungen Christs an der Universität Leipzig erschienen.135 Christ hatte sich vom Duktus der literarischen Überlieferung insofern emanzipiert, als er verschiedene archäologische Gattungen behandelte (Architektur, Münzen, Skulptur, Relief, Malerei, Gefäße, Inschriften und Diplomatik). Antike Kunst definierte er als »eine gegenüber der literarischen Überlieferung eigenständige Repräsentationsform antiken Lebens« und als »autonomen Erkenntnisbereich«.136 Der von Christs Nachfolger Johann August Ernesti (1707–1781) 1768 veröffentlichte Grundriss seiner Vorlesungen in Leipzig, der Archaeologia literaria folgte 1790 eine erweiterte Ausgabe von Georg Heinrich Martini (1722–1794), der 1796 seine Akademische Vorlesungen über die Litterair-Archäologie nach Anleitung des Ernestischen Lehrbuchs durchgesehen und mit Anmerkungen begleitet vorlegte.137 Schon in den Titeln wird eine Einschränkung sichtbar: Letztlich handelte es sich um eine philologische Darstellung. Damit zeichnete sich schon im 18. Jahrhundert trotz der Veröffentlichungen Winckelmanns als primärer Zugang zur Archäologie jener über die Schriftquellen ab, ein Weg, der noch bis in die

zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein prägend bleiben sollte. Zu verweisen ist hier etwa auf den von Friedrich August Wolf entwickelten Ansatz einer Altertumswissenschaft, der den philologischen Disziplinen eindeutig den Vorrang vor genuin archäologischen, numismatischen und epigrafischen einräumte.138 Wie aus seinen europaweit erhaltenen Vorlesungsmitschriften hervorgeht, war für die Methodik von Christs Schülers Heyne in Göttingen ein kritischer Vergleich sämt­licher vorhandener Zeugnisse wesentlich, um originale und ergänzte Teile von Statuen zu unterscheiden. Diese differenzierte Überprüfung des Quellenwerts vollzog er zwangsläufig mithilfe der genannten Medien, vor allem der Gipsabgüsse, da er Originale nicht vor Augen hatte. Es bleibt allerdings unklar, auf welche Art und Weise die dreidimensionalen Objekte im Unterricht konkret eingesetzt wurden. Die Aufstellung der Gipse in der Universitätsbibliothek Göttingen war nicht dazu geeignet, um die Skulpturen herumzugehen und sie von allen Seiten zu betrachten. Das änderte sich vermutlich spätestens ab dem mittleren 19. Jahrhundert: In Bonn hatte als erster Johann Gottlieb Welcker 1847 ein »Seminar zur Erklärung von antiken Denkmälern nach Gipsabgüssen«139 angeboten. In Leipzig hatte Johannes Adolph Overbeck das Gipsbabgussmuseum aufgebaut und dort viele Führungen und Lehrveranstaltungen durchgeführt.140 In thematischer Hinsicht ging es in der Nachfolge Winckelmanns primär um griechische Kunstgeschichte. Im Jahr 1783 wurde der Jesuitenpater Johann Bonaventura Andres (1743–1822) der erste Professor für Klassische Philologie und Philosophie (›Professor der geist­lichen Beredsamkeit und klassischen Literatur‹) an der Universität Würzburg. In dieser Funktion las er im Rahmen seiner Ästhetikvorlesungen 1790/91 über Lessings Laokoon.141 Carl Ludwig Fernow las, nachdem er aus Rom weggegangen war, in Jena »von dem vor-

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züglichsten aus dem Alterthume übrig gebliebenen Statuen und dadurch eine Einleitung in die im nächsten Jahre zu lesende Archäologie bzw. über Archäologie«.142 August Boeckh (1785–1867), neben Friedrich August Wolf Begründer und prägender Vertreter des philologischen Seminars an der Universität zu Berlin, las immer wieder im Rahmen der von ihm vertretenen Sachphilologie über »Griechische Alterthümer«, Enzyklopädie und griechische Literaturgeschichte.143 In Breslau hatte Johann Gustav Gottlieb Büsching 1826 eine Vorlesung über Relikte der Römer in Deutschland gehalten, auf die dann zwei Jahre später eine weitere über antike Kunstwerke im Museum folgte.144 Sein Nachfolger Franz Passow knüpfte daran an.145 Eine erste Vorlesung an der Universität Tübingen zu einer Geschichte der antiken Kunst hielt 1831 ein Repetent am evangelischen Seminar, Ernst Christian von Walz; sie wurde von 42 Studierenden gehört.146 Ernst Curtius (1814–1896), Privatdozent und außerordent­licher Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin von 1843 bis 1856 sowie ordent­licher Professor ebenda von 1868 bis 1896 befasste sich mit »Griechischer Kunst«, der »Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen und Römern«; »Archäologie« und »Kunstmythologie«. Reinhard ­Kekulé, der dem Berliner Institut von 1890–1911 vorstand, befasste sich mit Themen wie den »Grund­zügen der Archäologie« oder der »Geschichte der griechischen Plastik«. In Leipzig ging Franz Studniczka (1860– 1929) in Übungen, Erklärungen, Seminaren und Vorlesungen auf griechische Plastik und mit Abstrichen auf die griechische Vasenmalerei ein. 147 Die gewählten Sujets berühren zentrale Diskurse der Archäologie im 19. Jahrhundert: in erster Linie griechische Archäologie als Kunstgeschichte, basierend auf Textquellen, und mythologische Themen.148

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Zeichnungen, Stiche, Fotografien

Bilder, obwohl sie schon seit dem 16. Jahrhundert Eingang in wissenschaft­liche Publikationen über antike Monumente gefunden hatten,149 wurden nicht von vornherein konsequent im Unterricht eingesetzt. So ist unklar, ob die Daktyliotheken von Heyne gezeigt oder gar herumgereicht wurden.150 Berichtet wird, dass er in Göttingen einzelne Blätter genutzt habe, sich aber auch häufig in Andeutungen ergangen sei und aus dem Gedächtnis vorgetragen habe.151 Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts fanden verstärkt Kupferstiche Einsatz im Unterricht. Überliefert ist dies für Friedrich Wieseler (Göttingen)152, aber auch für Johann Gustav Gottlieb Büsching in Breslau, der nicht nur Kupferstiche und Zeichnungen, sondern auch Artefakte aus Antike und Mittelalter wohl tatsächlich im Unterricht nutzte, worauf die von ihm verwendeten Begriffe »Zeigen«, »Betrachten« und »Erklären« hinweisen.153 Sprachformeln wie diese lassen darauf schließen, dass sich auch die Art des Beschreibens änderte: weg von der Imagination von Objekten über die Rezeption von Texten hin zu einer stärkeren Vergegenwärtigung als Kunstgegenstände und Kommunikationsobjekte, unterstützt durch Gipsabgüsse oder Originale.154 In diesen Kontext gehört, dass die Aneignung von Denkmälern durch Zeichnungen bis zur Wende vom zweiten zum dritten Viertel des 19. Jahrhunderts üblich und auch in den entstehenden GipsabgussSammlungen nicht ungewöhnlich war. Die Teilnehmer der abend­lichen Kolloquien von Aloys Hirt in Rom fertigten Skizzen von Gebäuden und Bauordnungen an; Hirt selber operierte mit eigenen Skizzen, die er im Gelände anging, und mit Kupferstichen.155 In Göttingen hatte Christian Gottlob Heyne den Künstler Johann Dominicus Fiorillo protegiert; er wurde erst Universitätszeichenlehrer, dann erhielt er die Leitung der Kupferstich- und der Gemäldesammlung und wurde schließlich 1813 Professor für Kunstgeschichte.156

Sein Nachfolger Karl Otfried Müller arbeitete mit dem Zeichenlehrer Friedrich Osterley (1805–1891) zusammen.157 In Bonn wurde die Abguss-Sammlung seit Friedrich Gottlieb Welcker sowohl für die Erklärung von Bildwerken, aber auch für den Zeichenunterricht genutzt, um über die Vermittlung von Grundlagen der Anatomie und Perspektive und eines gelehrten Blicks Grundlagen für das wissenschaft­liche Verstehen des Wesens von Kunst zu legen; namhafte Fachvertreter wie Heinrich Brunn (1822–1894) und Karl Bernhard Stark (1824– 1879) forderten auch noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Zeichenunterricht an Schulen und Universitäten zur Schärfung der wissenschaft­ lichen Anschauung sowie Stärkung der formalen und technischen Fähigkeiten.158 Die Vermittlung sollte über die Erfassung des Kunstwerkes in seinen Umrisslinien erfolgen, eine Sehweise, die noch im 18. Jahrhundert wurzelte.159 Gleichwohl gehen die Zeugnisse für den Einsatz von Zeichnern und deren Einbindung in der Lehre in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Neben einer wachsenden Skepsis, die sich ebenso wie in der Kunstgeschichte dem Umstand verdanken dürfte, dass ab dem mittleren 19. Jahrhundert zunehmend Lehrstuhlvertreter Positionen bekleideten, die bereits an Universitäten mit archäologischen Fachstühlen sozialisiert worden waren und nicht mehr an Lehrstühlen für Ästhetik oder Philologie,160 trug hierzu entscheidend das Medium der Fotografie bei. Seit den späten 1860er/1870er Jahren wurden Zeichnungen allmählich durch Fotografien ergänzt und ersetzt; an der Berliner Universität ist der Beginn einer Ergänzung des Lehrapparats mit Fotografien mit dem Namen Eduard Gerhardts verbunden.161 In Tübingen kam dann 1873 eine ›Photographien-Sammlung‹ zur Gips- und Originalsammlung hinzu, die 1891 auf 1500 Blätter angewachsen war und im Unterricht ebenso wie die Gipse zum Einsatz kam.162 Einen Schub erhielten die Bestände noch einmal seit den späten 1880er/1890er Jahren.

Hierzu trugen professionelle Firmen wie Alinari (Florenz) ebenso bei wie die Kaiserlich Deutschen Archäologischen Institute in Athen und Rom, großformatige Lieferwerke wie die ausschließlich mit Fotografien gestalteten Denkmäler griechischer und römischer Skulptur und nicht zuletzt Gelehrtennetzwerke.163 Besonders deutlich zeigt sich dies in Bonn und München: Seit 1892/93 sorgte Georg Loeschke (1852–1915), Direktor des Akademischen Kunstmuseums in Bonn von 1889 bis 1912, für einen kontinuier­lichen Ausbau der von seinem Vorgänger Reinhard Kekulé angelegten ›Sammlung eines Apparates an Photographien‹, der seit 1903 durch eine Sammlung an Diapositiven ergänzt wurde.164 In München hatte Heinrich Brunn zwischen 1870 und 1877 damit begonnen, eine rasch wachsende Fotosammlung anzulegen.165 Eine parallele Entwicklung vollzog sich an den Kunstakademien; auch hier ging die Bedeutung der Erfassung von Objekten mittels Zeichnungen als Praxis zurück.166 Dieser mediale Wandel machte sich auch unmittelbar bei eigens für den universitären Unterricht konzipierten Vorlegeblättern bemerkbar. Sie waren erstmalig seit 1865 von Heinrich Brunn und 1869 von Alexander Conze und Otto Benndorf (1838– 1907) (8 Serien von 12 Tafeln, veröffentlicht: 1869– 1876) herausgegeben worden und enthielten anfangs noch wie in dem Müllerschen Handbuch Vasen (es ging vor allem um mythologische Darstellungen), und Reliefs in Umzeichnungen, zu denen dann in einem zweiten Schritt Fotografien hinzukamen.167 Seit ca. 1900 wurden kleinere Bilderhefte mit sechs bis neun Fotografien pro Seite herausgegeben, die Skulpturen überwiegend ganzfigurig in Frontalansichten präsentierten.168

Lehrmaterialien und Handbücher

Der zunehmende Einsatz von Bildern in der Lehre wirkte sich unmittelbar auf die Strukturie-

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rung von Lehrmaterialien sowie die Manuskripte der Lehrenden und Lernenden aus,169 auch wenn in der Vermittlung von Wissen an den Universitäten bis weit in das 19. Jahrhundert hinein Texten eine zentrale Rolle zukam.170 Basierend auf dem Vorlesungsschema Heynes hatte Johann Philipp Siebenkees (1759–1796) Vorlesungen an der Universität Altdorf gehalten und darauf aufbauend das Handbuch der Archäologie oder Anleitung zur Kenntniss der Kunstwerke des Alterthums und zur Geschichte der Kunst der Alten Völker veröffentlicht.171 Das Werk konnte sich jedoch in der Praxis nicht durchsetzen. Dies gelang erst Karl Otfried Müller mit seinem Handbuch der Archäologie der Kunst, das 1830 erstmalig erschien,172 1835 sowie 1848 (neu herausgegeben von Friedrich Gottlob Welcker) und 1878 erneut aufgelegt und mehrfach übersetzt wurde.173 Das Werk wurde vielfach nachweislich im universitären Unterricht genutzt. Beispielsweise las Friedrich Wieseler (1811–1892) in Göttingen 1841 über die »Archäologie und die Geschichte der plastischen Künste bei den Griechen, Etruskern und Römern, nach Müllers Handbuch«.174 In Berlin bevorzugte Eduard Gerhardt die Lektüre des Handbuches von Müller und schloss an den Vortrag ­eigene Ausführungen an.175 Müller hatte zwar beabsichtigt, das Werk durch ein Abbildungskompendium zu ergänzen: die Denkmäler der antiken Kunst.176 Bezeichnend ist, dass die Erstausgabe ohne dieses begleitende Kompendium erschien. Abbildungen und Text waren somit nicht aufeinander bezogen, sondern wurden als getrennte Medien rezipiert. Müller verstand sich wie andere Fachvertreter auch in erster Linie als Philologe, dementsprechend war auch sein Handbuch angelegt. Die Denkmäler der antiken Kunst erschienen erst posthum. Auch hier gab es eine zweite Auflage (1854–1860)177, eine dritte (1877–1881) und eine vierte Teilauflage (1899–1903)178 (Abb. 2). Auch noch die letzte 1903 veröffentlichte Teillieferung enthielt bis auf eine Tafel keine Fotografien,

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sondern ausschließlich Zeichnungen, 179 deren nicht maßstäb­liche Umrisszeichnungen noch in der Tradition von Stichwerken des 18. Jahrhunderts standen.180 Durchgängig Fotografien wurden hingegen eingesetzt in dem Sammelwerk Denkmäler griechischer und römischer Skulptur,181 aus dem Adolf Furtwängler (1853–1907) und Heinrich Ludwig Ulrichs (1864–1935) ein Atlaswerk für den Schulunterricht herausdestillierten.182 Abgebildet wurden Artefakte in einer chronologischen Ordnung, geordnet nach Sachgruppen. Die Skulpturen wurden vor einem dunklen Hintergrund abgebildet und ermöglichten so stilistische und formale Vergleiche, begünstigt durch das neue Druckverfahren der Autotypie.183 Die Darstellung von Skulpturen in Frontal- und Seitenansicht vor einem dunklen Hintergrund hatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rasch Verbreitung gefunden.184 Angesichts des rasanten Komplexitätszuwachses im Fach wurde der Wunsch nach einem Handbuch deutlich; ein von Karl Bernhard Stark veröffentlichtes Handbuch kam freilich über den ersten Band nicht hinaus,185 der archäologische Band des seit 1885 verlegten vielbändigen Handbuchs der Altertumswissenschaften zog sich auch nach dem Ersten Weltkrieg bis in die 1930er Jahre hinein – letztlich Ausweis der Unmöglichkeit, ein solches Handbuch angesichts des infolge der seit den 1870er Jahren einsetzenden Großgrabungen im öst­lichen Mittelmeerraum (u. a. Olympia und Pergamon) sehr rasch wachsenden Wissensbestandes abschließend zu verfassen.186 Der zunächst vorherrschende Primat von Texten geht nicht nur aus Materialien der Lehrenden, sondern auch aus den frühen Mitschriften etwa der Vorlesungen Christian Gottlob Heynes in Göttingen hervor. Der Text der von Carl Ludwig Fernow 1803/04 gehaltenen Vorlesung »Von den vorzüglichsten aus dem Alterthume übrig gebliebenen Statuen und dadurch eine Einleitung in die im nächsten Jahre zu lesende Archäologie« kommt

Abb. 2 C. O. Müller [sic!] und F. Wieseler, Antike Denkmäler zur griechischen Götterlehre. Vierte umgearbeitete und vermehrte Ausgabe von Konrad Wernicke. Denkmäler der alten Kunst von C. O. Müller und F. Wieseler Teil II. Vierte umgearbeitete und vermehrte Ausgabe. Lieferung I. Zeus, Hera. Tafeln (Leipzig 1899) Tafel XIII

ohne eine einzige Abbildung aus.187 Die Konzeption von Vorlesungen als Text war bewusst so angelegt. Karl August Boettiger (1760–1835), seit 1804 Studiendirektor am kurfürst­lichen Pageninstitut in Dresden und seit 1814 Oberaufseher der Dresdner Antikensammlung, las seit 1806 im Coselschen Palais über Archäologie. Zu Beginn jeder Sitzung verteilte er bedruckte Faltblätter mit dem Inhalt der jeweiligen Lektionen, die am Ende eines Zyklus zu einem Buch zusammengebunden werden konnten.188 Auch noch Mitschriften um die Mitte des Jahrhunderts wie die einer Vorlesung von Ernst Curtius zur griechischen Kunstgeschichte von

Ernst Gurlitt 1864–1866 enthalten kein Bild,189 wohl aber regelmäßig Verweise auf separate Bildkompendien und Publikationen wie das Handbuch Müllers,190 während eine 1878/79 entstandene kursorische Mitschrift eines ansonsten unbekannten Jurastudenten namens G. Braun immerhin 46 eingeklebte Fotos aus verschiedenen Quellen e­ nthält (241 Seiten, davon ca. 40 Seiten Text).191 Sprach­ licher Vortrag und Bild waren offenbar nicht sehr eng aufeinander bezogen, da viele Denkmäler abgebildet werden, die Curtius in seiner Vorlesung, die primär philologisch und literarisch angelegt war, nicht oder nur am Rande erwähnt hatte.192 Die

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Mitschrift ist gleichwohl auch ein Beleg für die wachsende Bedeutung von Fotografien in archäologischen Publikationen ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts.193 Eine vergleichbare Neugestaltung kann anhand von Vorlesungsmanuskripten Johann Jakob Bernoullis (1831–1913) in Basel nachvollzogen werden. Hier finden sich zahlreiche Skizzen neben dem Text; sie sind auf den Text bezogen und könnten nach einer Vermutung von Matthias Grawehr auf Wandtafeln übertragen worden sein.194 Noch in Vorlesungsmanuskripten Ernst Pfuhls (1876–1940), der seit 1909 an der Universität Basel lehrte, sind die Partien, bei denen er originale Scherben, Abbildungen oder Bücher vorzeigte oder vorzeigen ließ, rot gefärbt.195 Auffällig ist nicht nur eine neuartige Verbindung von Bild und Text, sondern auch das äußere Erscheinungsbild der Vorlesungsmanuskripte: Sie ähneln einem Notizbuch, in dem durch die Nutzung des Blei- bzw. Buntstifts schnelle und rasche Korrekturen mit unterschied­ lichen Linienstärken möglich waren. Vergleichbar sind sie mit den Notizbüchern, die während der neuen Großgrabungen entstanden oder aber Reisetagebüchern, die nicht selten auch Zeichnungen/ Skizzen enthielten und eine erste Übersetzung in die Forschung darstellten, aber nicht für die Endverwertung in Form von Zeitungsartikeln oder wissenschaft­lichen Publikationen bestimmt waren.196 Die in diesen Mitschriften erkennbare Ausdifferenzierung der Ausarbeitung und Durchführung von Vorlesungen ist auch als Ergebnis der wachsenden Konkurrenz zwischen den traditionellen Medien Text und Zeichnung einerseits und Fotografie und neuen Druck- oder Registriermethoden andererseits anzusehen.197 Man kann hier aber einen neuen medialen Raum beziehungsweise neuartige mediale Dispositive sehen, in denen Zeichnungen weiterhin möglich waren, nachdem sie als Forschungsverfahren gegenüber der Fotografie an Rang eingebüßt hatten.198

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Man wird davon ausgehen können, dass zunächst einzelne Abbildungen während der Vorlesung herumgereicht wurden. So schreibt der römische Kunsthändler Ludwig Pollak (1868–1943) in seinen Memoiren über eine Vortragsveranstaltung (Adunanz) in Rom: »Die vom 9. Dezember, dem Geburtstag ­Winckelmanns, bis zum 21. April, dem Gründungstage Roms, jeden zweiten Samstag stattfindenden Adunanzen fanden stets im großen Saale des Instituts statt, den die Marmor­ büsten Brunn’s und Henzens und des Kaisers ­Wilhelm I. u. Gipsbüsten hervorragender verstorbener deutscher Archaeologen schmückten. Die ordent­lichen Mitglieder des Instituts saßen am in der Mitte stehenden Tische, dann kamen die correspondierenden Mitglieder u. noch weiter die anderen Zuhörer. Man kannte damals die Projectionsmaschinen noch nicht, und die die Vorträge begleitenden Photo­ graphien circulierten von Hand zu Hand. Alles war von wohlthuender Einfachheit.«199 Protokolle der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin belegen diese Praxis schon in den 1840er Jahren. In den Vorlesungsmanuskripten von Johann Jakob Bernoulli, der seit 1868/69 in Basel zur Kunstmythologie (mit Verweis von Abbildungen) las, fanden sich neben Fotografien auch Zeichnungen, die entweder auf eine Wandtafel übertragen worden sein könnten oder aber herumgereicht wurden.200 Ähnlich ging man mit den seit den mittleren 1860er Jahren in Umlauf gebrachten Vorlegeblättern um: Sie wurden an die Hörer teilweise schon im Voraus herausgegeben, um sie mit dem Stoff der Vorlesungen vertraut zu machen. Aufgrund ihrer Größe sollten sie nur in den Institutsräumlichkeiten genutzt werden.201 In Basel besaß Jacob Burckhardt (1818–1897), der um 1890 an der dortigen Universität kunsthistorische Vorlesungen

Abb. 3 Humboldt-Universität zu Berlin, Winckelmann-Institut. Holzgestelle für die Präsentation von Zeichnungen, Fotopappen und Büchern (spätes 19. Jahrhundert)

hielt, eine große blaue Mappe mit Fotografien, Stichen und Holzschnitten, die er zunächst vor den Bänken stehend erläuterte und dann unter den Zuhörern zirkulieren ließ.202 Bestimmte Vorlegeblätter und Bilderhefte konnten hingegen an die Teilnehmenden von Lehrveranstaltungen schon vor der Vorlesung verteilt werden. Die von Alexander Conze, Otto Benndorf und Heinrich Brunn herausgegebenen Vorlegeblätter waren allerdings so großformatig, dass sie auf Holzgestellen aufgestellt wurden, auf denen auch Bilderhefte und Bücher ausgelegt und von allen Anwesenden gemeinsam betrachtet und studiert werden konnten (Abb. 3).203 Die kleinformatigeren Bilderhefte, die seit ca. 1900 in Gebrauch waren, wurden in Basel in Reihen für zwei bis drei Hörer ausgelegt und konnten paarweise betrachtet werden.204

Lichtbildprojektion

Eine weitere Ausdifferenzierung der im Unterricht eingesetzten Medien erfolgte durch das in den späten 1870er Jahren erfundene Skioptikon.205 Mit Adolf Furtwängler, dem Nachfolger Heinrich Brunns in München, wurde die Lichtbildprojektion zu einem Lehrmittel des universitären Unterrichts.206 Furtwängler war inspiriert worden von dem Berliner Kunsthistoriker Herman Grimm (1828–1901); letzterer hatte seit 1893 mit dem Lichtbildprojektor an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin gearbeitet207 und war ebenso wie der Kunsthistoriker Bruno Meyer (1840–1917), der ab 1880 das Skioptikon in seinen Vorlesungen eingesetzt und 1883 einen Lichtbildverlag gegründet hatte,208 einer der Wegbereiter für eine rasche Aufnahme der neuen Technologie in den universitären

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Unterricht gewesen. Lichtbildprojektoren gehörten auch noch im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts nicht zur Standardausrüstung von Hörsälen. Zu einer normativen Praxis sollte das Verfahren der Diaprojektion in der Klassischen Archäologie erst um die Wende vom 19. zum frühen 20. Jahrhundert werden:209 In Göttingen kam die Technik seit 1909 bei Gustav Körte (1852–1917) zum Einsatz.210 In Bonn begann der Aufbau einer Diasammlung 1903. Der seinerzeitige Lehrstuhlinhaber Georg Loeschke hielt zunächst seine Vorlesungen im großen Hörsaal der Universität ab, erst 1908 erhielt das akademische Kunstmuseum eine eigenes Projektionsgerät.211 Von 1901 bis 1906 las Ludwig von Schwabe (1835–1908) in Tübingen über »Die hervorragende Werke der griechischen und römischen Kunst an Lichtbildern erklärt«; er hatte in Tübingen schon seit 1872 gelehrt.212 Der in Halle tätige Kunsthistoriker Adolph Goldschmid (1863–1944), der das Skioptikon bei Herman Grimm kennengelernt hatte, hatte schließlich die parallele Projektion von zwei Bildern praktiziert.213 Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Projektion mit zwei Projektoren in der Archäologie allgemein üblich (Abb. 1). An und für sich erfolgt die visuelle Verarbeitung eines Bildes ungeordneter als die eines Textes.214 Durch die parallele Projektion zweier ähn­licher Bilder, die im Übrigen auch farblich angeg­lichen waren, wurde die Wahrnehmung der Bilder strukturiert und der Vergleich zwischen ähn­lichen Posen, Typen etc. angeregt. Die Technik eignete sich in besonderer Weise, um die durch Adolf Furtwängler mit Hilfe der Fotografie perfektionierte Kritik vergleichbarer römischer Kopien zur Rekonstruktion griechischer Originale im Hörsaal zu vermitteln.215 Die Gründe für diesen vergleichsweise späten Einsatz sind in der kunsthistorischen Forschung beleuchtet worden: Das Medium fand zunächst auf Jahrmärkten etc. Verwendung und galt deshalb als ungeeignet für wissenschaft­liche Vorträge, erst

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gegen Ende des 19. Jahrhunderts fand es Eingang in populärwissenschaft­liche Vorträge.216 Furtwängler muss sein Auftreten regelrecht inszeniert haben und dadurch die Bedeutung seines Vorlesungsgegenstandes, der griechischen Kunst, nachdrücklich unterstrichen haben.217 Besonders hervorgehoben wird in Berichten von dankbaren Hörern die Verdunkelung des Hörsaales: Dadurch wirkten die Bilder wie eine Erscheinung, die angesichts der überproportionalen Größe besonders eindrücklich wirkten und so im Falle Furtwänglers geeignet waren, den nach seiner Meinung besonderen Rang der griechischen Kunst, über die er ausschließlich las, vor Augen zu führen. In Beschreibungen des Vortrags Furtwänglers wird hervorgehoben, dass er stockend gesprochen und Zwiesprache mit dem Bild gehalten habe, um gleichsam das Bild selber zum Sprechen zu bringen.218 Die Beschreibung des Habitus Furtwänglers gleicht Berichten von Schülern über Vorlesungen des Kunsthistorikers Heinrich Wölfflin (1864–1945),219 bei dem ebenfalls betont wird, dass er zu einer Einheit mit seinen Bildern geworden sei und begonnen habe, seine Sätze sehr langsam und stockend zu formulieren. Auch wenn man vermutlich in der hymnischen Charakterisierung Furtwänglers wie Wölfflins Abstriche machen muss,220 ist die Art des Vortrages charakteristisch. In dem Moment, in dem stockend gesprochen wird oder die Rede abbricht, kann das vergrößerte Bild gleichsam für sich sprechen. Die Reihenfolge der Bilder folgt einer eigenen Logik, die nicht mehr hinterfragt wird. Es wird dann zusätzlich durch die Worte des Lehrers in seinem bestimmten Stil unterstrichen. Der Wahrheitsgehalt bzw. die Faktizität der Bilder erschien so zwingend, dass sie für sich zu sprechen und keiner großen Kommentierung zu bedürfen schienen. Mit dieser neuartigen Strategie des Spannungsaufbaus und der Entwicklung eines Gedankens221 wird etwa in der Inszenierung Furtwänglers ein bestimmter Habitus greifbar, der in vielen Vorlesungen bis weit in

die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein zu erleben war.222 Man könnte auch im Sinne des amerikanischen Anthropologen Edward T. Hall von einer »silent language«223 sprechen; in diesem Fall geht es um eine disziplinspezifische Form der Kommunikation, die über die sich neu formierende Kunstgeschichte Eingang in die Klassische Archäologie fand.

Medienkombinationen in der Lehre und Intermedialität

Das Skioptikon blieb fortan den Vorlesungen vorbehalten, andere Lehrformate setzten sich mit Gipsen und Originalen auseinander. In Tübingen nutzte Ferdinand Noack (1865–1931) einerseits das Skioptikon in seinen Vorlesungen (1908–1914), Übungen hielt er in der Originalsammlung oder der Abguss-Sammlung – hier zur Stilkunde – ab; das Portfolio wurde ergänzt durch zahlreiche Exkursionen.224 Grundsätzlich kann eine zunehmende Durchlässigkeit festgestellt werden. Dies betraf zunächst die Zusammenführung von Sammlungsbeständen. Eine der letzten großen universitären Gipsabguss-Sammlungen wurde an der Universität Straßburg von Adolf Michaelis 1872 begründet. Seine Intention war, Epochen der antiken Kunstgeschichte auszustellen.225 Hierzu entwickelte er ein integratives chronologisches Konzept, das nicht nur Gipsabgüsse, sondern auch Fotografien, Pläne, Kopien von Malereien, Gemmenabdrücke und Münzen miteinander verband.226 Die multimediale Konzeption erinnert an die 1891 neu eröffnete Antiken- und Abguss-Sammlung im Albertinum zu Dresden unter dem seit 1882 hier tätigen Direktor Georg Treu (1843–1921), der zu den ersten Ausgräbern des Zeusheiligtums von Olympia gehört hatte.227 Signifikant erscheinen in diesem Zusammenhang etwa Aufnahmen der Gipse des Albertinums mit Fotografien thematisch verwandter Skulpturen (Zimmer der Hera Ludovisi

1891)228 oder der dortige ägyptische Saal mit Mappenwerken zur ägyptischen Malerei;229 ebenso aufschlussreich ist eine Aufnahme des Olympiaaus­ gräbers Treu aus jenen Jahren, die ihn vor seinen Studenten sitzend im Olympia-Saal zeigt, im Hintergrund Rekonstruktionen eines berühmten Denkmals aus Olympia, der Nike des Paionios, verbunden mit einer Fotografie;230 sie kommentieren sich gegenseitig. Bemerkenswert ist, dass sich auch in der Ausstattung von Räumlichkeiten neue Sehweisen etablieren, die sich in unterschied­lichen Medien jener Zeit verifizieren lassen: In Bonn wurden im 1884 erweiterten Akademischen Kunstmuseum die Gipsabgüsse vor dunkelrot bemalten Wänden präsentiert. Die Räume waren aufgrund von aufgemalten Rosetten auf den Oberlichtgläsern in Anlehnung an eine Kassettendecke sowie dunklen Vorhängen zwischen den Sälen und ebenfalls dunkel gehaltenen Statuensockeln lichtarm gestaltet.231 Diese Art der Inszenierung entspricht der Abbildung einzelner Skulpturen vor einem dunklen Hintergrund in Bilderkompendien jener Zeit wie den Denkmälern griechischer und römischer Skulptur, die seit 1888 von Heinrich Brunn herausgegeben wurden, den Griechischen und Römischen Porträts (Paul Arndt, seit 1891) und den Photographischen Einzelaufnahmen antiker Sculpturen (seit 1893, Paul Arndt), aber eben auch der Projektion großformatiger Lichtbilder in einem abgedunkelten Raum. Eine neue Durchlässigkeit betraf nicht nur die Ausgestaltung von Lehrräumen, sondern auch mediale Praktiken. Bereits 1902 hatte der seinerzeitige Lehrstuhlinhaber Georg Loeschke an der Universität Bonn zwei Tage lang Gymnasiallehrer mit Abgüssen und Skioptikon über die Ergebnisse der französischen Ausgrabungen in Delphi unterrichtet.232 In München wollte Adolf Furtwängler noch kurz vor seinem Tode 1907 eine Bühne in die Abguss-Sammlung einbauen lassen, um Gipse in den

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Saal fahren zu lassen und vor einer Wand zu präsentieren.233 Es ging also gar nicht so sehr darum, die Gipse als dreidimensionale Objekte zu erfahren, sondern sie regelrecht Bildern anzugleichen! Furtwängler setzte sich als einer der führenden Archäologen seiner Zeit nachdrücklich für Gipsabgüsse ein, vertrat aber die Ansicht, dass Fotografien die Autopsie von Skulpturen ersetzen könnten und trug damit entscheidend zu einer Akzentverschiebung eines bis in das 18. Jahrhundert zurückreichenden Diskurses um die Genauigkeit von visuellen Repräsentationen bei.234 Bis heute kommen in der Lehre unterschied­ liche Medien zum Einsatz – neben Originalen auch nach wie vor Gipse und natürlich Fotografien. Der hier versuchte Streifzug durch die Nutzung unterschied­licher Medien im Rahmen universitärer Lehre belegt immerhin, dass sich im historischen Verlauf bestimmte Phasen und Neuakzentuierungen beobachten lassen: Schon im 18. Jahrhundert spielten sowohl Texte als auch dreidimensionale Objekte eine große Rolle. Vorlesungen – die vorherrschende Lehrform während des 19. Jahrhunderts – zur Entwicklung der bildenden Kunst bei den Griechen gingen jedoch zunächst von einem Studium der Texte aus; Bilder und Gipse hatten eher illustrativen Charakter. Gliederungsschemata und Inhalte der Vorlesungen von Heyne wurden ebenso wie das Handbuch von Karl Otfried Müller als Texte weitergegeben und auch rezipiert.235 Im Zuge der Profilierung und Verselbstständigung der Disziplin, ihrer seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich verstärkenden Institutionalisierung auf der einen und der wachsenden Bedeutung neuer Medien wie der Fotografie auf der anderen Seite entwickelte das Fach ein eigenständiges Profil auch in Bezug auf den Umgang mit dem visuellen Material. Der Prozess der medialen Innovation im Verlaufe des 19. Jahrhunderts verlief nicht geradlinig; innerhalb des Spektrums der zur Verfügung stehenden visuellen Mittel und Ob-

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jekte kam es zu Gewichtsverschiebungen des zur Verfügung stehenden und zunehmend ergänzten Gesamtspektrums. Tendenziell aber kamen Daktyliotheken im mittleren 19. Jahrhundert außer Gebrauch, ebenso die Vermittlung von Wissen durch aktives Zeichnen; Gipsabguss-Sammlungen hingegen erlangten noch vor Originalen eine große Bedeutung und wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch einmal in einem erheb­lichen Maße ausgebaut. Der im Verlaufe des 19. Jahrhunderts entwickelte Ansatz des Aufbaus eines imaginären Museums von Gipsabgüssen, das nach chronologischen Gesichtspunkten Epochen der antiken Kunstgeschichte darstellen sollte, wurde zwar im 20. Jahrhundert nicht vollkommen aufgegeben, büßte aber vor allem angesichts der ubiquitären und einfach reproduzierbaren Fotografien seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert an Bedeutung ein. Interessant ist, dass sich sowohl an Vorlesungsmitschriften als auch an Manuskripten von Lehrenden beobachten lässt, dass ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Bild und Text zunehmend stärker aufeinander bezogen wurden. Das geschah bei den Lehrenden wie den Lernenden zunächst separat, wie entsprechende Mitschriften zeigen; es führte aber stellenweise auch zu einer stärkeren Verschränkung von Bildern und drei­ dimensionalen Medien im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Die Lichtbildprojektion ermöglichte schließlich Lehrenden wie Lernenden eine vorher nicht gekannte gemeinsame Erfahrung und eine Gewichtsverschiebung: Das projizierte Lichtbild war am Ende des 19. Jahrhunderts mit seiner Übergröße und Detailgenauigkeit in besonderem Maße geeignet, die Arbeit des (griechischen) Künstlers an der Form entsprechend dem Hauptparadigma der Klassischen Archäologie in der Nachfolge Winckelmanns im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. zu zeigen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rückte zumindest in der Vorle-

sung zunehmend das Bild an die Stelle des Textes. Zentrale Diskurse, die zunächst dem Text überantwortet waren, basierten auf der von Winckelmann formulierten historischen Entwicklung von Kunst, die im Verlaufe des 19. Jahrhunderts unter historischen und ästhetischen Gesichtspunkten weiterentwickelt worden war.236 Auch wenn dieser Ansatz angesichts zahlreicher Neufunde im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts u. a. infolge der neu einsetzenden Großgrabungen in Olympia, Milet und Pergamon zunehmend schwieriger umzusetzen war, wurde er letztlich der strengen Abfolge von Bildern in der Vorlesung überantwortet. In dieser wachsenden Differenz zwischen der unmittelbaren Anschauung des Originals und dessen sekundärer Wahrnehmung durch Texte und Bilder lag auf der anderen Seite eine der wesent­lichen Antriebsfedern für die Definition der Archäologie als eigenständiger Disziplin. Charakteristisch scheint mir zu sein, dass bestimmte Entwicklungen in den Naturwissenschaften erst mit einer gewissen Verzögerung in der Archäologie aufgegriffen wurden. Ohne Zweifel gibt es gerade zwischen der Genese der Kunstgeschichte als eigenständiger Disziplin sowie der Archäologie im 19. Jahrhundert enge Berührungspunkte. Das lag nicht nur an dem gemeinsamen Rekurs auf Winckelmann und dem Hauptparadigma der Klassischen Archäologie bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, dem Künstler, sondern auch an einer vergleichbaren Nutzung medialer Innovationen, bei denen die Archäologie unmittelbar von der ebenfalls noch jungen Kunstgeschichte profitierte. Auf der anderen Seite lag aber gerade in der Vielzahl von Objekten, mit denen sich die Disziplin befasst, wiederum ein Unterschied, der letztlich auch zu einer Abgrenzung der Archäologie von der Kunstgeschichte als universitärer Disziplin führte. Dreidimensionale Objekte spielen auch noch heute eine wesent­liche Rolle in der Ausbildung: Ihr Einsatz ist aber primär diskursiven Lehr-

formen wie Seminaren oder Praktika vorbehalten, deren Gewicht im Verlauf des 20. Jahrhunderts gegenüber der Vorlesung kontinuierlich zugenommen hat.

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Gewidmet sei der Beitrag meinem verehrten Lehrer Tonio Hölscher zu seinem 80. Geburtstag am 02.11.2020. 1 Vgl. dazu jetzt Stefan Altekamp, »Archäologie«, in: Bild. Ein interdisziplinäres Handbuch, hrsg. von Stephan Günzel und Dieter Mersch, Stuttgart und Weimar 2014, S. 373‒378; Ralf von den Hoff, Einführung in die Klassische Archäologie, München 2019. 2 Vgl. dazu die Rezension von Achim Lichtenberger, in: Bonner Jahrbücher des LVR-Landesmuseums Bonn und des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland sowie des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande, 218, 2018, S. 363‒365 zu dem in Anm. 1 zitierten Werk von Ralf von den Hoff. 3 Heinrich Dilly, Kunstgeschichte als Institution. Studien zur Geschichte einer Disziplin, Frankfurt am Main 1979; Wolfgang Beyrodt, »Kunstgeschichte als Universitätsfach«, in: Kunst und Kunsttheorie 1400‒1900, hrsg. von Peter F. Ganz, Martin Gosebruch, Nikolaus Meier und Martin Warnke, Wiesbaden 1991, S. 313‒333. 4 Vgl. dazu Karl Bernhard Stark, Handbuch der Archäologie der Kunst, erste Abtheilung: Systematik und Geschichte der Archäologie der Kunst, Leipzig 1878; Suzanne Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany 1750‒1970, Princeton 1996; Daniel Graep­ler, »Vorlesungen, Handbücher, Professuren. Wie die Archäologie zum Universitätsfach wurde (1765‒1865)«, in: Klassische Archäologie im Wandel. Zum 150-jährigen Bestehen des Tübinger Instituts, hrsg. von Philipp Baas, Stefan Krmnicek und ­Johannes Lipps (Tübinger Archäologische Forschungen, Sonderschriften, 1), Rahden/Westfalen 2017, S. 17‒42, bes. S. 20 zu den diversen Einzelaspekten der Fachgenese. Zur frühneuzeit­lichen Universitätsgeschichte vgl. Quellen zur frühneuzeit­lichen Universitätsgeschichte. Typen, Bestände, Forschungsperspektiven, hrsg. von Ulrich Rasche (Wolfenbütteler Forschungen, 128), Wiesbaden 2011. 5 Vgl. dazu Christoph Hoffmann, Festhalten, Bereitstellen, Verfahren der Aufzeichnung, in: Daten sichern. Schreiben und Zeichnen als Verfahren der Aufzeichnung, hrsg. von demselben (Wissen im Entwurf, 1), Zürich und Berlin 2008, S. 7‒20. 6 Vgl. Ortwin Dally, Zur Archäologie der Fotografie. Ein Beitrag zu Abbildungspraktiken der zweiten Hälfte des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts (143. Winckelmannprogramm der archäologischen Gesellschaft zu Berlin e. V.), Berlin 2017, S. 51‒52. 7 Die private und 2474 Stücke umfassende Sammlung wurde von den Erben an einen ehemaligen Hallenser Studenten verkauft, der sie schließlich 1768 an die Universität

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Halle gab. Seit 1841 ist die Münzsammlung Bestandteil der Archäologischen Sammlung der Universität, siehe Cornelia Weber, »Universitätssammlungen und -museen«, in: Rasche 2011 (wie Anm. 4), S. 96‒97. 8 Vgl. hierzu jetzt Rudolf Hiller von Gaertringen, »Kunstgeschichte und Klassische Archäologie«, in: Erleuchtung der Welt. Sachsen und der Beginn der modernen Wissenschaften. 600 Jahre Universität Leipzig (Ausst. Kat. Leipzig 2009), hrsg. von Detlef Döring und Cecilie Hollberg, 2 Bde., Dresden 2009, Bd. 1, S. 218–227, hier S. 219‒220. 9 Dally 2017 (wie Anm. 6), S. 52. 10 Universitätsbibliothek Leipzig, Sign. Ms 01258 (Leipzig, um 1750); vgl. Thomas Fuchs, in: Döring und Hollberg 2009 (wie Anm. 8), Bd. 2, S. 166, Nr. 216. 11 Marianne Heidenreich, Christian Gottlob Heyne und die Alte Geschichte, München und Leipzig 2006; Daniel Graepler, »Der Parthenon in Göttingen: Karl Otfried Müller und die Erwerbung von Abgüssen der Elgin Marbles 1829/30«, in: »Eine Welt allein ist nicht genug«. Großbritannien, Hannover und Göttingen 1714‒1837 (Ausst. Kat.), hrsg. von Elmar Mittler uns Silke Glitsch, Göttingen 2005, S. 299‒340, hier S. 299–300. Zu den Vorlesungen Heynes vgl. Stephanie-Gerrit Bruer, »Heynes Archäologie-Vor­ lesung und die Schwierigkeiten der Veranschaulichung von Winckelmanns Kunsttheorie«, in: Festschrift für Max Kunze. »…die Augen ein wenig zu öffnen« (J. J. Winckelmann). Der Blick auf die antike Kunst von der Renaissance bis heute, hrsg. von Stephanie-Gerrit Bruer und Detlef Rößler, Ruhpolding und Mainz 2011, S. 65‒69; Daniel Graepler, »›Die Kupfer sind erbärmlich‹ – Die Reproduktion der Antike als quellenkritisches Problem im 18. Jahrhundert, in: abgekupfert. Roms Antiken in den Reproduktionsmedien der Frühen Neuzeit, hrsg. von Manfred Luchterhandt, Lisa Roemer, Johannes Bergemann und Daniel Graepler, Petersberg 2013, S. 121‒130; ders., »Antikenstudium für junge Herren von Stand. Zu Christian Gottlob Heynes archäologischer Lehrtätigkeit«, in: Christian Gottlob Heyne. Werk und Leistung nach zweihundert Jahren, hrsg. von Balbina Bäbler und Heinz-Günther Nesselrath, Berlin und Boston 2014, S. 75‒108; ders., »›Mit Rücksicht auf Winckelmann. Aber nicht nach Winckelmann‹. Heynes Vorlesungen über die Archäologie«, in: Die Erfindung des Klassischen. Winckelmann-Lektüren in Weimar, hrsg. von Franziska Bomski, Hellmuth Th. Seemann und Thorsten Valk, Göttingen 2017, S. 31‒52; Ellen Suchezky, Die AbgussSammlungen von Düsseldorf und Göttingen im 18. Jahrhundert. Zur Rezeption antiker Kunst zwischen ­Absolutismus und Aufklärung, Berlin und Boston 2019, S. 318‒327; Fünfzehn

Mitschriften der 1767‒1804 gehaltenen Vorlesungen Heynes sind jetzt online erschlossen: https://heyne-digital.de/ #?page=#start_page&link=#linkstart (10.12.2020). 12 Charlotte Schreiter, »Auswahl und Rekombination. Gipsabgüsse und der ›Kanon‹ antiker Plastik im 18. und 19. Jahrhundert«, in: Transformation. Ein Konzept zur Erforschung kulturellen Wandels, hrsg. von Hartmut Böhme u. a., München 2011, S. 105‒135; Daniel Graepler, »Die Göttinger Sammlung der Gipsabgüsse«, in: …von gestern bis morgen… Zur Geschichte der Berliner Gipsabguss-Sammlung(en) (Ausst. Kat. Berlin 2012‒2013), hrsg. von Nele Schröder und Lorenz Winkler-Horaček, Rahden/West­ falen 2012, S. 275‒278; Suchezky 2019 (wie Anm. 11), S. 169‒318. – Zu Heyne und der Bibliothek speziell vgl. Helmut Rohlfing, »Christian Gottlob Heyne und die Göttinger Universitätsbibliothek«, in: Bäbler und Nesselrath 2014 (wie Anm. 11), S. 145‒157. 13 Christof Boehringer, »Heynes numismatische Forschungen und die Begründung der Münzsammlung«, in: Das Studium des schönen Altertums. Christian Gottlob Heyne und die Entstehung der Archäologie, hrsg. von Daniel Graepler und Joachim Migl, Göttingen 2007, S. 105‒109, https://www.kenom.de/institutionen/isil_DEMUS-062622/ (24.03.2021). 14 Vgl. dazu Graepler 2017 (wie Anm. 4), S. 30–31. Stellenweise wie an der Universität Breslau blieb die Klassische Archäologie an ein Ordinariat für Philologie das gesamte 19. Jahrhundert über gebunden. Erster selbstständiger Archäologe auf einem eigenen Lehrstuhl wurde Fritz Weege 1920, vgl. Johanna Kinne, Die klassische Archäologie und ihre Professoren an der Universität Breslau im 19. Jahrhundert. Eine Dokumentation, Dresden 2010, S. 338. 15 Stark 1878 (wie Anm. 4), S. 43‒53; Adolf Heinrich Borbein, »Klassische Archäologie in Berlin vom 18. bis zum 20. Jahrhundert«, in: Berlin und die Antike. Architektur. Kunstgewerbe. Malerei. Skulptur. Theater und Wissenschaft vom 16. Jahrhundert bis heute, hrsg. von Willmuth Arenhövel und Christa Schreiber, 2 Bde, Berlin 1979, Bd. 2, S. 118–119. 16 Vgl. dazu Hans Wenke, Die Vorlesung in Vergangenheit und Gegenwart des akademischen Unterrichts, in: Hochschulunterricht im Wandel, Göttingen 1967, S. 11–36. Rezipiert wurden dabei die Schriften des Rhetors Quintilian: Marian Füssel, »Institution und Habitus. Das Erbe der Antike und die Wissenskultur der Universitäten«, in: Transformationen antiker Wissenschaften, hrsg. von Georg Toepfer und Hartmut Böhme (Transformationen der Antike, 15), Berlin und New York 2010, S. 178, Anm. 26.

17 Jörn Lang, »Antiquarische Wissensordnung und Verfahren ihrer Präsentation in Anton Francesco Goris Museum Florentinum und Museum Etruscum«, in: Literatur und Archäologie. Materialität und Rhetorik im 18. und 19. Jahrhundert, hrsg. von Jan Broch und Jörn Lang (Morphomata, 3), München 2012, S. 272. 18 Henning Wrede, Die Monumentalisierung der Antike (Stendaler Winckelmann-Forschungen, 3), Ruhpolding 2004; Barbara Kopf, »Skulptur im Bild. Visuelle Dokumentation und deren Beitrag zur Entwicklung der archäologischen Wissenschaft«, in: Verwandte Bilder. Die Fragen der Bildwissenschaft, hrsg. von Ingeborg Reichle, Steffen Siegel und Achim Spelten, Berlin 2007, S. 149–154. 19 Dorothea Hornemann und Claus Veltmann, »›Zur Erziehung der Jugend‹. Die Naturalienkammer Hermann August Franckes in der Tradition der frühneuzeit­lichen Sammlungs- und Bildungskultur«, in: Die Welt verändern. August Hermann Francke. Ein Lebenswerk um 1700, hrsg. von Holger Zaunstöck, Thomas Müller-Bahlke und Claus Veltmann (Kataloge der Franckeschen Stiftungen, 29), Halle 2013, S. 129–143. 20 Weber 2011 (wie Anm. 7). S. 86–94. 21 Andrea Linnebach, Das Museum der Aufklärung und sein Publikum. Kunsthaus und Museum Fridericianum in Kassel im Kontext des historischen Besucherbuches (1769– 1796), Kassel 2014, S. 115–124. 22 Ebd., S. 124. 23 Daktyliotheken. Götter & Caesaren aus der Schublade. Antike Gemmen in Abdrucksammlungen des 18. und 19. Jahrhunderts, hrsg. von Valentin Kockel und Daniel Graepler, München 2006; Helge C. Knüppel, Daktyliotheken. Konzepte einer historischen Publikationsform (Stendaler Winckelmann-Forschungen, 87), Ruhpolding und Mainz 2009. 24 Vgl. zusammenfassend Volker Heenes, Antike in Bildern. Illustrationen in antiquarischen Werken des 16. und 17. Jahrhunderts (Stendaler Winckelmann-Forschungen, 1), Stendal 2003, S. 19–50. 25 Daniel Graepler, »Zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und künstlerischer Praxis: Zu Philipp Daniel Lipperts ›Dactyliotheca Universalis‹«, in: Archäologie als Kunst. Archäologische Objekte und Verfahren in der bildenden Kunst des 18. Jahrhunderts und der Gegenwart, hrsg. von Dietrich Boschung (Morphomata, 30), Paderborn 2015, S. 89–117. 26 Daniel Graepler, »Von der Liebhaberei zur strengen Wissenschaft. Abdrucksammlungen und Gemmenstudium an der Universität Göttingen seit 1763«, in: Kockel und Graepler 2006 (wie Anm. 23), S. 39–52, hier S. 41–42. 27 Augsburg (1670–1806); Preußen (1696), Stuttgart

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(1761), Dresden (1764), München 1770) und Kassel (1777). Vgl. auch zum späten 18. und frühen 19. Jahrhundert Matthias Buschmeier, »Schubladenklassizismus oder das Festhalten der Antike. Die Gemme als Sammel-, Bildungsund Konsumobjekt der Goethezeit«, in: Euphorion, 107, 2013, S. 81–104. 28 Marjorie Trusted, »Die Genauigkeit der Kontur. Abgüsse und Kopien antiker Skulpturen in der Epoche des Klassizismus. Sinn und Zweck von Abgüssen und Kopien seit dem 16. Jahrhundert«, in: Schönheit und Revolution. Klassizimus (1770–1820) (Ausst. Kat. Frankfurt am Main 2013), hrsg. von Maraike Bückling und Eva Mongi-Vollmer, München 2013, S. 53; Roswitha Juffinger, »Einführung«, in: Vision einer Akademie. Winckelmann und die Aktzeichnungen aus den Salzburger Klebebänden des Hieronymus Colloredo (Cyriacus. Studien zur Rezeption der Antike, 6), Mainz und Ruhpolding 2014, S. 9–34, hier S. 12; ebd. auch Kathrin Schade, »Antiken, antikisierende Posen und die Vision einer Akademie«, S. 81–96, hier S. 85. Zu den verschiedenen Reproduktionstechniken generell vgl. Reproduktion. Eine Einführung. Techniken und Ideen von der Antike bis heute, hrsg. von Jörg Probst, Berlin 2011. 29 Zum Verständnis von Gipsen als Mittel künstlerischer Reproduktion in Padua seit ca. 1400 vgl. Norberto Gramaccini, »Ideeller Besitz. Paduaner Gipsabgüsse des Quattrocento«, in: Probst 2011 (wie Anm. 28). S. 58–83. Generell: Plaster Casts. Making, Collecting and Displaying from Classical Antiquity to the present, hrsg. von Rune Frederiksen und Eckart Marchand (Transformationen der Antike, 18), Berlin und New York 2010; Charlotte Schreiter, »Auf den Spuren der weißen Antike«, in: Zeitschrift für Ideengeschichte, XIV/1, Frühjahr 2020: Nur Gips, S. 17–25. 30 Charlotte Schreiter, »Gipsabgüsse und antike Skulpturen. ›Aufstellung‹ und ›Ausstellung‹ seit der Renaissance«, in: Gipsabgüsse und antike Skulpturen. Präsentation und Kontext, hrsg. von ders., Berlin 2012, S. 9–36, hier S. 20. 31 Ebd., S. 26–27; Charlotte Schreiter, Antike um jeden Preis. Gipsabgüsse und Kopien antiker Plastik am Ende des 18. Jahrhunderts (Transformationen der Antike, 29), Berlin und Boston 2014, S. 440–444. 32 Vgl. zu Handlungsräumen Martina Löw, Raumsoziologie, Frankfurt am Main 2001; Einführung in die Stadtund Raumsoziologie, hrsg. von Martina Löw, Silke Steets und Sergej Stoetzer, Opladen 2008, S. 63–66. 33 Ulrich Rasche, »Zur Geschichte der Jenaer Vorlesungsverzeichnisse vom 16. bis zum 19. Jahrhundert«, in: Gelehrte Wissenschaft. Das Vorlesungsprogramm der Universität Jena um 1800, hrsg. von Thomas Bach, Jonas Maatsch

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und Ulrich Rasche (Pallas Athene, 26), Stuttgart 2008, S. 14–57; Füssel 2010 (wie Anm. 16), S. 178. 34 Renko Geffarth, Markus Meumann, Marianne Taatz-Jacobi und Holger Zaunstöck, »Collegia, Logen, Salons. Akademische Geselligkeit und ihre Räume im Halle des 18. Jahrhunderts«, in: Geselligkeiten im 18. Jahrhundert. Kulturgeschicht­liche Überlieferung in Museen und Archiven Sachsen-Anhalts, hrsg. von Sebastian Görtz, Ute Pott und Cornelia Zimmermann (Sachsen-Anhalt und das 18. Jahrhundert, 7), Halle 2012, S. 218–229. 35 Ebd., S. 221–222 (Bsp. Zürich). 36 Arnold Hermann Ludwig Heeren, Christian Gottlob Heyne, biographisch dargestellt von Arn. Herm. Lud. Heeren, Goettingen 1813, S. 239; Graepler in: Kockel und Graepler 2006 (wie Anm. 23), S. 43. 37 Weber 2011 (wie Anm. 7). S. 95; Schreiter 2012 (wie Anm. 30), S. 97–98. 38 Charlotte Schreiter, »Der Mannheimer Antikensaal«, in: Schröder und Winkler-Horaček 2012 (wie Anm. 12), S. 273–274; Wolfgang Schiering, Horst Meixner und Claudia Braun, »Zum Mannheimer Antikensaal und ein Katalog der Antikensaal-Galerie im Schloß«, in: ›Ein Wald von Statuen‹. Kolloquium zum zwanzigjährigen Bestehen der Antikensaal-Galerie und zur Begründung der Kurpfälzer ­Abguss-Sammlung vor 300 Jahren, hrsg. von Joachim Franz, Rosmarie Günther und Reinhard Stupperich (Peleus. Studien zur Archäologie und Geschichte Griechenlands und Zyperns, 62), Mainz und Ruhpolding 2014, S. 227–296: Suchetzky 2019 (wie Anm. 11). 39 Christian M. Geyer, »Beweg­liche Sockeln für antike Statuen und deren Abgüsse. Ausdruck neuer Erkenntnisinteressen und ästhetischer Bedürfnisse«, in: Schreiter 2012 (wie Anm. 30) S. 95–114; Schreiter 2011 (wie Anm. 12), S. 120–121. 40 Z. B. in Rom und Dresden: Carl August Böttiger, Die Dresdner Antikengalerie mit Fackelbeleuchtung gesehen den 25. August 1798, o. O. [1798], zitiert nach Zukunft seit 1650. Die Anthologie. Von der Kunstkammer zu den staat­ lichen Kunstsammlungen Dresden, hrsg. von Karin Kolb, Gilbert Lupfer und Martin Roth, München 2010, S. 76– 80. Vgl. dazu Hans Christian Hönes, »›Enlivening and – Dividing‹. An Aporia of Illumination«, in: Contemporaneity. Historical Presence in Visual Culture, 4, 1, 2015, S. 1–22, https://doi.org/10.5195/contemp.2015.73 (10.01.2020). 41 ›Außer Rom ist fast nichts schönes in der Welt‹. Römische Antikensammlungen im 18. Jahrhundert, hrsg. von Max Kunze, Mainz am Rhein 1998; Alberta Campitelli und

Alessandro Cremona, Die Villen und Gärten Roms, München 2012; Zu Rom als Universitätsstandort in der Zeit des Humanismus vgl. Studieren im Rom der Renaissance, hrsg. von Michael Matheus und Rainer Christoph Schwinges (Repertorium Academicum Germanicum [RAG], 3), Zürich 2020. 42 Valeria Rotili, »Die Accademia Nazionale di San Luca und ihre Sammlungen«, in: Schröder und WinklerHoraček 2012 (wie Anm. 12), S. 269–271. 43 Kordelia Knoll, »Die Dresdner Abguss-Sammlung«, in: Schröder und Winkler-Horaček 2012 (wie Anm. 12), S. 283–234; Moritz Kiderlen, Die Sammlung der Gipsabgüsse von Anton Raphael Mengs in Dresden, München 2006; Charlotte Schreiter, »Gipse im Museum. Zur Aufstellung von Abgüssen antiker Plastik im 19. Jahrhundert«, in: Hamburger Journal für Kulturanthropologie, 3 (Sammeln. Zu Geschichte und Gegenwart einer alltäg­lichen, musealen und wissenschaft­lichen Praxis), 2015, S. 94, Abb. 1, https://journals.sub.uni-hamburg.de/hjk/article/view/830/ 810 (10.01.2020). 44 Steffi Roettgen, »›Sich diese Genauigkeit des Blicks verschaffen‹ – Zeichnen zur ›Verbesserung‹ des Geschmacks bei Anton Raphael Mengs«, in: Lernt Zeichnen! Techniken zwischen Kunst und Wissenschaft. 1525–1915, hrsg. von Maria Heilmann, Nino Nanobashvili, Ulrich Pfisterer und Tobias Teutenberg, Passau 2015, S. 90. Zu Rom als Knotenpunkt für Künstler im 18. Jahrhundert vgl. Fonti d’ispirazione / Quellen der Inspiration. Biblioteche degli artisti tedeschi a Roma / Deutsche Künstlerbibliotheken in Rom 1795–1915, hrsg. von Ulf Dingerdissen, Maria Gazzetti und Michael Thimann, Rom 2020. 45 Vgl. Ingeborg Reichle, »Kunst-Bild-Wissenschaft. Überlegungen zu einer visuellen Epistemologie der Kunstgeschichte«, in: Reichle, Siegel und Spelten 2007 (wie Anm. 18), S. 172–174. Zu Abbildungen in den Schriften Winckelmanns vgl. Robert Trautwein, Geschichte der Kunstbetrachtung. Von der Norm zur Freiheit des Blicks, Köln 1997, S. 104–136; Adolf Heinrich Borbein, »Kunstgeschichte als ästhetisches Ereignis. Die Kunst der Antike in deutschsprachigen wissenschaft­lichen Monografien für ein bürger­liches Publikum im 19. und frühen 20. Jahrhundert«, in: Wissensästhetik. Wissen über die Antike in ästhetischer Vermittlung, hrsg. von Ernst Osterkamp (Transformationen der Antike, 6), Berlin und New York 2008, S. 269– 270; Graepler 2013 (wie Anm. 11), S. 119–121. 46 Adelheid Müller, »Reisende der Grand Tour in den Sammlungen Roms – Winckelmann als Cicerone«, in: Kunze 1998 (wie Anm. 41), S. 158–159.

47 Adelheid Müller, Sehnsucht nach Wissen. Friederike Brun, Elisa von der Recke und die Altertumskunde um 1800, Berlin 2012, S. 328; dies., »Friederike Brun, Elisa von der Recke and Georg Zoëga: Members of the ›Universitas of Rome‹«, in: The Forgotten Scholar: Georg Zoëga (1755–1809). At the Dawn of Egyptology and Coptic studies, hrsg. von Karen Ascani, Paola Buzi und Daniela Picchi (Culture & History of the Ancient Near East, 74). Leiden und Boston 2015, S. 248–259, bes. S. 250–253. 48 Müller 1998 (wie Anm. 46), S. 162–163. 49 Müller 2012 (wie Anm. 47), S. 305–307. Zu Hirts Cursus und den Exkursionen ebd., S. 300–318. 50 Hirt gilt deshalb auch als Ahnherr der Disziplin der historischen Bauforschung. Vgl. Borbein 1979 (wie Anm. 15), S. 106–112. Zu Hirt vgl. auch Martin Dönike, Pathos, Ausdruck und Bewegung. Zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796–1806 (Quellen und Forschungen zur ­Literatur- und Kulturgeschichte, 34/268), Berlin und New York 2005, S. 29–84. 51 Brigitte von Schönfels, Wilhelm von Uhden. Ein Leben in Rom und Berlin. Klassischer Archäologe, preußischer Gesandter am Vatikan und fast vergessener Mitbegründer der Humboldt-Universität, Hildesheim 2014, S. 49–50. 52 Carl Ludwig Fernow, Römische Briefe an Johann Pohrt 1793–1798, hrsg. von Herbert von Einem und Rudolf Pohrt, Berlin 1944, Einführung S. 42; siehe dazu von Schönfels 2014 (wie Anm. 51), S. 49. 53 Eduard Gerhard, Thatsachen des Archäologischen Instituts in Rom, Berlin 1832; Adolf Michaelis, Storia dell’Instituto Archeologico Germanico 1829–1879. Strenna pubblicata nell’occasione della festa del 21 Aprile 1879 dalla Direzione Centrale dell’Instituto Archeologico, Rom 1879; 150 Jahre Deutsches Archäologisches Institut Rom, hrsg. von Anita Rieche, Essen 1979; Bernhard Andreae, »Kurze Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom dargestellt im Wirken seiner leitenden Gelehrten«, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung, 100, 1993, S. 5–41; Adolf Heinrich Borbein, Geschichte – Kunst – Altertum. Das römische Institut und die Geschichte der Klassischen Archäologie, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung, 111, 2004, S. 7–31; Golo Maurer, Preußen am tarpejischen Felsen. Chronik eines absehbaren Sturzes. Die Geschichte des deutschen Kapitols 1817–1918, Regensburg 2005, S. 67–84; Frederick Whitling, Western Ways. Foreign Schools in Rome and Athens, Berlin und Boston 2019, S. 17–25. 54 Martina Unger, »Durand’sche Preise. Archäologie zwischen Wissenschaft und Kunstmarkt im Rom der

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1830er Jahre«, in: Kunstmarkt und Kunstbetrieb in Rom (1750–1850): Akteure und Handlungsorte, hrsg. von Hannelore Putz und Andrea Fronhöfer, Berlin und New York 2019, S. 102–103. Die Adunanzen sind im Bullettino dell’Instituto di Corrispondenza Archeologica, protokolliert worden, erstmalig am 02.12.1831, http://archives.getty. edu:30008/getty_images/digitalresources/serials/131414. html (24.03.2021). Von 1857 an werden in der Zeitschrift die Themen der jeweiligen Adunanzen kurz angesprochen. Eine schon vorher üb­liche Zusammenfassung findet sich fortan in deutscher Sprache in der von Eduard Gerhard seit 1843 herausgegebenen Archäologischen Zeitung, http:// archives.getty.edu:30008/getty_images/digitalresources/ serials/103826.html (24.03.2021) unter der Rubrik »Wissenschaft­liche Vereine«. Weitere Unterlagen befinden sich im Archiv des DAI Rom. 55

Bullettino dell’Instituto di Corrispondenza Archeologica per l’anno 1831, S. 194. 56 Vgl. dazu Manuel Flecker, Kampf um Authentizität – Eduard Gerhard, Tommaso Cades und die Impronte Gemmarie dell’Instituto, in: Kockel und Graepler 2006 (wie Anm. 23), S. 95–101; Florian Seiler, »Publikationen und ­Redaktionen im Wandel der Institutsgeschichte. ›… eine schwierige und verdrieß­liche Aufgabe‹«, in: Beiträge zur Geschichte der Zentrale des Deutschen Archäologischen Instituts, hrsg. von Ortwin Dally, Ulrike Wulf-Rheidt und Phi­ lipp von Rummel (Das Deutsche Archäologische Institut. Geschichte und Dokumente, 11), Wiesbaden 2019, S. 51–58. 57 Martina Unger, »Archiv DAI Rom, Italien: Zeichnungen des Instituto di Corrispondenza Archeologica in Rom«, in: e-Forschungsberichte. Deutsches Archäologisches Institut, 1, 2015, S. 88–93, https://publications.dainst.org/ journals/index.php/efb/article/view/1704/4611 (10.01.2020); Unger 2019 (wie Anm. 54), S. 92, Anm. 9 und S. 100–101. https://arachne.uni-koeln.de/drupal/?q= node/335 (10.01.2020). 58 Unger 2019. (wie Anm. 54), S. 94, Anm. 14; Ursula Kästner, »Le Gerhard’scher Apparat. Un fonds documentaire rasemblé par Eduard Gerhard à l’Altes Museum de Berlin«, in: Dessiner L’Antique? Les recueils de Jean-Baptiste Muret et de Jean-Charles Geslin, hrsg. von Cécile Colonna und Laurent Haumesser, Paris 2019, S. 176–197. 59 Eduard Gerhard, »Über archäologische Apparate und Museen«, in: Archäologische Zeitung, 16, 1858, S. 205–212. Vgl. dazu Borbein 1979 (wie Anm. 15), S. 125; ders., »Eduard Gerhard als Organisator«, in: Dem Archäologen Eduard Gerhard 1795–1867 zu seinem 200. Geburtstag, hrsg. von Henning Wrede, Berlin 1997, S. 28; Veit Stürmer, »Eduard

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Gerhards ›Archäologischer Lehrapparat‹«, ebd., S. 43–46; Sven Ahrens und Henning Wrede, »Der Archäologische Lehrapparat von Eduard Gerhard und die Sammlung des Winckelmann-Instituts«, in: Theater der Natur und Kunst. Theatrum Naturae et Artis. Essays. Wunderkammern des Wissens (Ausst.-Kat. Berlin 2000–2001), hrsg. von Horst Bredekamp, Jochen Brüning und Cornelia Weber, Berlin 2000, S. 173–181. 60 Überblick: Weber 2011 (wie Anm. 7), S. 83–118; dies., »Verzeichnis archäologischer und verwandter Sammlungen an den Universitäten in Deutschland«, in: Archäologische Universitätsmuseen und -sammlungen im Spannungsfeld von Forschung, Lehre und Öffentlichkeit, hrsg. von Florian Martin Müller (Archäologie. Forschung und Wissenschaft, 4), Wien und Berlin 2013, S. 645–657; Florian Martin Müller, »Verzeichnis archäologischer und verwandter Sammlungen an den Universitäten in Österreich und der Schweiz«, ebd., S. 659–661; http://www.universitaetssammlungen.de (10.01.2020). Zur wachsenden Bedeutung der Keramologie im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts vgl. auch René Sternke, Böttiger und der archäologische Diskurs, Berlin 2008, S. 54–61. 61 Zur Geschichte der Sammlung antiker Originale an der Universität Göttingen vgl. Friedrich Wieseler, Die Sammlungen des archäologisch-numismatischen Instituts der Georg-August-Universität. Ein museographischer Bericht, Göttingen 1859; Daniel Graepler, »Die Sammlung antiker Originale im Archäologischen Institut der Universität Göttingen«, in: »Ganz für das Studium angelegt«: Die Museen, Sammlungen und Gärten der Universität Göttingen, hrsg. von Dietrich Hoffmann und Kathrin Maack-Rheinländer, Göttingen 2001, S. 55–63; mit Anmerkungen ders., NIK – Nachrichten und Informationen zur Kultur, 6, 2001, S. 2–16. 62 Ludwig Schwabe, Geschichte der archaeologischen Sammlung der Universität Tübingen, Tübingen 1891, S. 16– 18; Philipp Baas, »Am Anfang war der Waffenläufer. Zur Geschichte der Tübinger Abguss- und Antikensammlung«, in: Baas, Krmnicek und Lipps 2017 (wie Anm. 4), S. 43–51, hier S. 43. 63 Ebenda S. 43–44; Thomas Schäfer, »150 Jahre Institut für klassische Archäologie in Tübingen. Adolf Michaelis und sein wissenschaft­liches Umfeld«, ebd., S. 55–65, hier S. 56. 64 Deutsches Archäologisches Institut, Verzeichnis der Abguss-Sammlung des Akademischen Kunstmuseums der Universität Bonn: Bestand von 1820–1980, Berlin 1981; ­Harald Mielsch, Das Akademische Kunstmuseum. Antiken-

sammlung der Universität Bonn, Petersberg 2003, S. 17; Wolfgang Ehrhardt, Das Akademische Kunstmuseum der Universität Bonn unter der Direktion von Friedrich Gottlieb Welcker und Otto Jahn, Opladen 1982, S. 22–23 und S. 26. Zu den frühesten Gipsen vgl. auch ebd., S. 159–161. 65 Ortwin Dally, Katalog der Sammlung antiker Kleinkunst des archäologischen Instituts der Universität Heidelberg, Bd. 7: Die Architekturfragmente aus Terrakotta und Kalkstein, Mainz 2006, S. 1–2. Die Vorlesungen Creuzers sind mittlerweile in digitalisierten Verzeichnissen der Universität Heidelberg erfasst: https://digi.ub.uni-heidelberg. de/diglit/unihd_vv1784_1923?navmode=fulltextsearch& action=fulltextsearch&ft_query=Creuzer (10.01.2020). 66 Hadwiga Schörner, »Die Bedeutung der griechichen Vasen in den Universitätssammlungen Wien und Jena von ihrer Gründung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts«, in: Sammeln und Erforschen. Griechische Vasen in neuzeit­lichen Sammlungen, hrsg. von Stefan Schmidt und Matthias Steinhart (Beihefte zum Corpus Vasorum Antiquorum, VI), München 2014, S. 138–139. 67 Zu universitären Gipsabguss-Sammlungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. Ehrhardt 1982 (wie Anm. 64), S. 67–78. 68 In Berlin gab es seit 1696 eine von Friedrich I. an der Berliner Akademie eingerichtete Gipsabguss-Sammlung, die seit 1856 im Neuen Museum aufging und erst 1916 der Friedrich-Wilhelm-Universität übereignet wurde, wo sie von 1916 bzw. 1919–1921 als mit ca. 2500 Gipsen seinerzeit größte universitäre Gipsabguss-Sammlung im neu angebauten Westflügel der Universität Platz fand. Vgl. hierzu Charlotte Schreiter, »Berliner Abguss-Sammlungen des 17. bis 19. Jahrhunderts im europäischen Kontext«, in: Schröder und Winkler-Horaček 2012 (wie Anm. 12), S. 17–26, hier S. 19, S. 22 und S. 24; Gertrud Platz-Horster, »Die Gipssammlung im Neuen Museum – Ausstattung und Aufstellung«, ebd., S. 57–68, hier S. 65; Veit Stürmer, »Das Abgussmuseum der Universität unter den Linden 1911–1950«, ebd., S. 171–188, hier S. 171–177, Abb. 1–13. 69 Baas 2017 (wie Anm. 62), S. 45. 70 Vgl. Hans-Ulrich Cain, »Gipsabgüsse. Zur Geschichte ihrer Wertschätzung«, in: Realität und Bedeutung der Dinge im zeit­lichen Wandel. Werkstoffe: ihre Gestaltung und ihre Funktion, Akten der interdisziplinären Tagung Nürnberg 06.–08.10.1993, hrsg. von Hermann Maué (Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums und Berichte aus dem Forschungsinstitut für Realienkunde), 1995, S. 200–215; Trautwein 1997 (wie Anm. 45), S. 229–235; Adolf Heinrich Borbein, »Zur Geschichte der Wertschät-

zung und Verwendung von Gipsabgüssen antiker Skulpturen (insbesondere in Deutschland und in Berlin)«, in: Les moulages de sculptures antiques et l’histoire de l’archéologie, Actes du colloque international Paris, 24 ottobre 1997, hrsg. von Henri Lavagne und François Queyrel (Hautes études du monde gréco-romain, 29), Genf 2000, S. 29–43; Claudia Danguillier, »Abgußsammlungen«, in: Gips nicht mehr. Abgüsse als letzte Zeugen antiker Kunst, Sonderausstellung von Studierenden des Archäologischen Instituts der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn in Zusammenarbeit mit dem Akademischen Kunstmuseum – Antikensammlung der Universität Bonn (Ausst. Kat 2000–2001), Bonn 2000, S. 34–42; Johannes Bauer, »Gipsabgußsammlungen an deutschsprachigen Universitäten«, in: Jahrbuch für Universitätsgeschichte, 5, 2002, S. 117–132; Frederiksen und Marchand 2010 (wie Anm. 29); Schreiter 2020 (wie Anm. 29), S. 25. 71 Graepler in: Bomski, Seemann und Valk 2017 (wie Anm. 11), S. 28. 72 Archäologisches Institut der Georg-August-Universität Göttingen. Verzeichnis der Gipsabgüsse, hrsg. von Klaus Fittschen, Göttingen 1990, S. 13. 73 Wilfried Geominy, »Die Welckersche Archäologie«, in: Friedrich Gottlieb Welcker. Werk und Wirkung, hrsg. von William M. Calder, Adolf Köhnken, Wolfgang Kullmann und Gunther Pflug (Hermes, Einzelschriften, 49), Stuttgart 1986, S. 230–255; Graepler 2017 (wie Anm. 4), S. 28. 74 Anke Bohne, »Die Geschichte der Bonner Abgußsammlung unter Friedrich Gottlieb Welcker, Otto Jahn und Reinhard Kekulé«, in: Gips nicht mehr (wie Anm. 70), S. 16–26; Wilfried Geominy, »Das Bonner Abguss-Museum im Laufe seiner 200-jährigen Geschichte«, in: Schröder und Winkler-Horaček 2012 (wie Anm. 12), S. 279–282; Schreiter 2015 (wie Anm. 43), S. 95, Abb. 2, https:// journals.sub.uni-hamburg.de/hjk/article/view/830/810 (10.01.2020). 75 Verena Paul-Zinserling, Sammlung antiker Kleinkunst der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena 1981, S. 10; Heike Richter, Zur Geschichte des Archäologischen Museums der Universität Jena 1846–1862, ungedruckte Magisterarbeit, Universität Jena 1996 (nach der letzten druckvorbereitenden Fassung; non vidi), S. 37–44, zitiert nach ­Hadwiga Schörner, »Das Museum wächst – Carl Wilhelm ­Goettling in Griechenland«, in: 1846–2006. 160 Jahre ­Archäologisches Museum der Universität Jena. Thüringer Sammlungen im Kontext internationaler Netzwerke. ­Kolloquium Jena 28.10.2006 (Jenaer Hefte zur Klassischen Archäologie, 7), Berlin 2008, S. 32, Anm. 46.

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76 Veit Stürmer, »Eduard Gerhard – Begründer der institutionellen Archäologie in Berlin«, in: Die modernen Väter der Antike. Die Entwicklung der Altertumswissenschaften an Akademie und Universität im Berlin des 19. Jahrhunderts, hrsg. von Annette M. Baertschi und Colin Guthrie King (Transformationen der Antike, 3), Berlin und New York 2009, S. 156–157, Abb. 8. 77 Schörner 2014 (wie Anm. 66), S. 137–138; Johannes Bauer, »Gipsabgüsse zwischen Museum, Kunst und Wissenschaft. Wiener Abguss-Sammlungen im späten 19. Jahrhundert«, in: Schreiter 2012 (wie Anm. 30), S. 285–288; Karl Reinhard Krierer und Ina Friedmann, »Alexander Conze in Wien (1869–1877)«, in: Akten des 15. Österreichischen Archäologentages in Innsbruck 27. Februar – 1. März 2014, hrsg. von Gerald Grabherr und Barbara Kainrath, Innsbruck 2016, S. 145–146. 78 Schwabe 1891 (wie Anm. 62), S. 32–33 und S. 41. 79 Zu Breslau mit dem von Johann Gustav Gottlieb Büsching (1811–1829) 1811 eingerichteten Museum, das u. a. Münzen, Provinzialaltertümer, römische Altertümer und seit 1815 Gipse enthielt und aus dem 1825 das Archäologische Museum der Universität Breslau hervorging, vgl. Kinne 2010 (wie Anm. 14), S. 38–72. 80 Heinrich Brunn, »Denkschrift über die Gründung eines Museums von Gipsabgüssen klassischer Bildwerke in München (vom 16. März 1867)«, in: ders., Kleine Schriften III, Leipzig und Berlin 1906, S. 235-243; Ingeborg Kader, »›Mancher Anfang ist schwer…‹. Die Geschichte des Museums für Abgüsse Klassischer Bildwerke und der Aufbau der archäologischen Bildwissenschaft an der Universität München«, in: Die Sammlungen der Ludwig-MaximiliansUniversität gestern und heute. Eine vergleichende Bestandsaufnahme 1573–2016, hrsg. von Katharina Weigand und Claudius Stein, München 2019, S. 273–292. 81 Ehrhardt 1982 (wie Anm. 64), S. 70–71; Trautwein 1997 (wie Anm. 45), S. 342, Anm. 107; Henning Wrede, »Das Material und das Tränken klassischer Skulpturen­ abgüsse als mediale Probleme Preußens, des deutschen Reichs und der nordatlantischen Staaten«, in: Festschrift für Max Kunze 2011 (wie Anm. 11), S. 217. Zu der durch Otto Benndorf begründeten Sammlung in Prag vgl. Marie Dufková, »Le musée des moulages de sculptures grecques et romaines. Hostinné, Tchécoslovaquie«, in: Le Moulage, Actes du colloque international 10–12 avril 1987, hrsg. von der Association pour le Colloque international sur le moulage, Paris 1988, S. 173–179. 82 Mielsch 2003 (wie Anm. 64), S. 4–27; Martina Dlugaiczyk, »Gips im Getriebe. Abguss-Sammlungen an Tech-

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nischen Hochschulen«, in: Schreiter 2012 (wie Anm. 30), S. 342. 83 Dlugaiczyk 2012 (wie Anm. 82), S. 333–354. 84 Wrede 2011 (wie Anm. 81), S. 217–228. 85 Stefanie Klamm, Bilder des Vergangenen. Visualisierung in der Archäologie im 19. Jahrhundert – Fotografie, Zeichnung und Abguss (Humboldt-Schriften zur Kunstund Bildgeschichte, XX), Berlin 2017, S. 384–396; Hans Georg Hiller von Gaertringen, »›Berlin schickt Götter in die Welt.‹ Zur Geschichte der Gipsformerei der Staat­ lichen Museen zu Berlin 1819–2019«, in: Nah am Leben. 200 Jahre Gipsformerei, hrsg. von Christina Haak, Miguel Helfrich und Veronika Tocha, Berlin, München, London und New York 2019, S. 221–222. 86 Wrede 2011 (wie Anm. 81), S. 224. Zu Gipsen und Fotografien vgl. Gipsmodell und Fotografie im Dienste der Kunstgeschichte 1850–1900, hrsg. von Simon Weber-Unger, Wien 2011. Im späten 19. Jahrhundert fangen auch Kunstund Zeichenakademien an, Fotografien zu sammeln und in der Lehre einzusetzen: Petra Steinhardt, Going into ­Detail: Photography and its use at the Drawing and Design Schools of Amsterdam 1880–1910 (Rijskmuseum Studies in Photography, 7), Amsterdam 2009. 87 Schreiter 2020 (wie Anm. 29), S. 25. 88 Kinne 2010 (wie Anm. 14), S. 215. 89 Valentin Kockel, »Antike aus zweiter Hand«, in: Kockel und Graepler 2006 (wie Anm. 23), S. 8–16, hier S. 12; Graepler ebd., S. 42. 90 Klaus Fittschen, »Von Wieseler bis Thiersch (1839– 1939). Hundert Jahre Klassische Archäologie in Göttingen«, in: Die Klassische Altertumswissenschaft an der Universität Göttingen. Eine Ringvorlesung zu ihrer Geschichte, hrsg. von Carl Joachim Classen (Göttinger Universitätsschriften, Serie A, Schriften, Bd. 14), Göttingen 1989, S. 91. 91 Ehrhardt 1982 (wie Anm. 64), passim; Wilfried Geominy, Das Akademische Kunstmuseum der Universität Bonn unter der Direktion von Reinhard Kekulé, Amsterdam 1989; Andreas Denk und Ingeborg Flagge, Architekturführer Bonn, Berlin 1997, S. 19; Johanna Kinne, Das akademische Kunstmuseum der Universität Bonn unter der Direktion von Georg Loeschke von 1889 bis 1912, Petersberg 2004, S. 149–150. 92 100 Jahre Archäologisches Museum in Halle 1891–1991. Zur Geschichte des Robertinums, seiner Sammlungen und Wissenschaftsdisziplinen, hrsg. von Joachim Ebert und Mitarbeitern des Instituts für Klassische Altertumswissenschaften, Halle 1991; Henryk Löhr, Das Archäologische Museum der Universität, in: Akademische Sammlungen und

Museen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, hrsg. von Stephan Lehmann, Halle 2013, S. 38–48. 93 Schreiter 2012 (wie Anm. 30), S. 14–15. 94 Ferdinand Piper, Das christ­liche Museum der Universität zu Berlin. 1849–1874, Gotha 1874; Dilly 1979 (wie Anm. 3), S. 205; Tomas Lehmann, »Zum ersten Christ­ lichen Museum und dem Beginn des Faches ›Christ­liche Archäologie‹ in Berlin«, in: Mitteilungsheft der Arbeitsgemeinschaft Christ­liche Archäologie zur Erforschung spätantiker, frühmittelalter­licher und byzantinischer Kultur, 38, 2019/20, S. 26–27. 95 Gunnar Brands, »Christlich-Archäologisches an der Universität Halle-Wittenberg«, in: Mitteilungsheft der Arbeitsgemeinschaft Christ­liche Archäologie 2019/20 (wie Anm. 94), S. 24. 96 Zu Marburg vgl. Beate Böhlendorf-Arslan, »144 Jahre Christ­liche Archäologie und byzantinische Kunstgeschichte in Marburg«, in: Mitteilungsheft der Arbeitsgemeinschaft Christ­liche Archäologie 2019/20 (wie Anm. 94), S. 25. Die Hinweise verdanke ich Sabine Feist (Bonn) und Norbert Zimmermann (Rom). Die normative Bezeichnung »klassisch« wird erstmalig von Friedrich Schlegel 1797 in Bezug auf die Antike verwendet in seiner Schrift Historische und kritische Versuche über das klassische Altertum. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wird sie dann auf die Archäologie übertragen (vgl. dazu Adolf Heinrich Borbein, »Die Klassik-Diskussion in der klassischen Archäologie«, in: Altertumswissenschaften in den 20er Jahren. Neue Fragen und Impulse, hrsg. von Hellmuth Flashar und Sabine Vogt, Stuttgart 1995, S. 205–245), so bei Alexander Conze, Ueber die Bedeutung der classischen Archäologie. Antrittsvorlesung, Wien 1869. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt mit Giovanni Battista de Rossi und dem von ihm seit 1863 herausgegeben Bullettino di archeologia cristiana die Charakterisierung der im Entstehen begriffenen Christ­lichen Archäologie als eigenständiger Disziplin: Carla Salvetti, »Storia degli studi di archeologia cristiana II«, in: Lezioni di archeologia cristiana, hrsg. von Fabrizio Bisconti und Olof Brandt, Vatikanstadt 2014, S. 34–35. 97

Fittschen 1989 (wie Anm. 90), S. 84. Geominy 1989 (wie Anm. 91), S. 65–96, bes. S. 83. 99 Geominy 1986 (wie Anm. 73), S. 230–231; Fittschen 1989 (wie Anm. 90), S. 85. 100 Kinne 2010 (wie Anm. 14), S. 23–72. 101 Ebd., S. 157–225, bes. S. 198. 102 Ebd., S. 337–338. 103 Martin-von-Wagner-Museum, gebildet aus der Sammlung von Franz Joseph Fröhlich (1780–1862), seit 98

1811 außerordent­licher Professor für Tonkunst und Ästhetik und seit 1815 Autor von kunsthistorischen Vorlesungen an der Universität Würzburg, sowie der 1857 der Universität gestifteten Sammlung des bayrischen Kunstagenten Johann Martin von Wagner (1777–1858); Zur Geschichte vgl. Guntram Beckel, »Geschichte der Sammlung«, in: Werke der Antike im Martin-von-Wagner-Museum der Universität Würzburg, hrsg. von Guntram Beckel, Heide Froning und Erika Simon, Mainz am Rhein 1983, S. 8–15. 104 Vgl. zu dem Vorrang der Gipse Eduard Gerhards Bemerkungen zu dem von ihm begründeten Lehr- und Übungsapparat an der Universität Berlin: »Eduard Gerhard, Archäologische Thesen«,in: Archäologischer Anzeiger, 8 (Sept./Okt. 1850), Nr. 21/22, S. 203–205, bes. S. 204; Vgl. dazu Stürmer 2009 (wie Anm. 76), S. 153. 105 Vgl. dazu Daniel Graepler, »Kunst – Bilderwelt – Materielle Kultur. Über das unklare Verhältnis der Klassischen Archäologie zu ihrer kunstwissenschaft­lichen Vergangenheit«, in: Posthumanistische Klassische Archäologie. Historizität und Wissenschaftlichkeit von Interessen und Methoden, Kolloquium Berlin 1999, hrsg. von Stefan Altekamp, Mathias R. Hofter und Michael Krumme, München 2001, S. 340–347; ders., »Fra ›Meisterforschung‹ e ›Archeologia della produzione‹. La figura dell’artista nel dibattito archeologico contemporaneo«, in: Storie dell’arte antica, Atti del convegno »Storia dell’arte antica nell’ultima generazione: tendenze e prospettive«, hrsg. von Marcello Barbanera, Rom 2004, S. 45–49. 106 Klamm 2017 (wie Anm. 85), S. 386. 107 Geominy 1986 (wie Anm. 73), S. 234–235; Schreiter 2015 (wie Anm. 43), S. 89–102, bes. S. 96–97, https:// journals.sub.uni-hamburg.de/hjk/article/view/830/810 (10.01.2020). 108 Geominy 1986 (wie Anm. 73), S. 245; Bauer 2002 (wie Anm. 70), S. 121. 109 Schörner 2014 (wie Anm. 66), S. 143. 110 Vgl. am Beispiel des Seminars für Klassische Archäologie der Universität Basel: Matthias Grawehr, »Von Abformungen in Gyps und Epidiaskopen. Eine Rückschau auf 150 Jahre Lehre in Klassischer Archäologie«, in: Knochen, Scherben und Skulpturen. 100 Jahre Archäologie an der Universität Basel, hrsg. von Anna Laschinger und Annemarie Kaufmann-Heinimann, Basel 2012, S. 60 mit Abb. 27, https://edoc.unibas.ch/67803/1/20181230221927_ 5c29365f0a997.pdf (10.01.2020). Erstmalig wurden dort 1912 Übungen als Seminare bezeichnet, erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zwischen Pro- und Mittelseminaren bzw. Seminaren differenziert; Kolloquien gab es seit

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1929, Exkursionen ebenfalls erst nach dem Zweiten Weltkrieg. 111 Besonders gut untersucht für Bonn und München, vgl. Anm. 64. 112 Zum Handel mit Gipsen im 18. Jahrhundert vgl. Schreiter 2011 (wie Anm. 12), S. 123–128; Schreiter in: Schröder und Winkler-Horaček 2012 (wie Anm. 38), S. 101–260 und S. 463–465. Vgl. auch zum 19. Jahrhundert Frederiksen und Marchand 2010 (wie Anm. 29); Schreiter in: Schröder und Winkler-Horaček 2012 (wie Anm. 68), S. 22. 113 Patrick Schollmeyer, »Die Sammlungen des Instituts für Klassische Archäologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz«, in: Müller 2013 (wie Anm. 60), S. 419– 420. 114 Vgl. hierzu Borbein 2000 (wie Anm. 70), S. 33 mit weiterer Literatur. 115 Kinne 2010 (wie Anm. 14), S. 36–37. 116 Ebd., S. 101–102. 117 Ebd., S. 137–138 und S. 186. 118 Zitiert nach ebd., S. 189–S. 190. 119 Ebd., S. 188–189. 120 Bauer 2002 (wie Anm. 70), S. 127–128. 121 Borbein 2000 (wie Anm. 70), S. 34–35. 122 Geominy 1986 (wie Anm. 73), S. 234. 123 Ehrhardt 1982 (wie Anm. 64), S. 112–115. 124 Kinne 2010 (wie Anm. 14), S. 20, S. 22 und S. 38–72. 125 Ebd., S. 20–22. 126 Kinne 2004 (wie Anm. 91), S. 113–145; Ulrich Hübinger und Michael Menninger, Terrakotten der Westgriechen im Akademischen Kunstmuseum der Universität Bonn, Rahden/Westfalen 2007, S. 15 und S. 22–30. 127 Dally 2006 (wie Anm. 65), S. 3–7. 128 Stefan Rebenich, »Personale Netzwerke und wissenschaft­liche Normierung: das Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft«, in: Netzwerke der Altertumswissenschaften im 19. Jahrhundert, Beiträge der Tagung vom 30.–31. Mai 2014 an der Universität Wien, hrsg. von Karl Reinhard Krierer und Ina Friedmann, Wien 2016, S. 197. 129 Geominy 1989 (wie Anm. 91), S. 147–171. 130 Rebenich 2016 (wie Anm. 128), S. 192. 131 Geominy 1986 (wie Anm. 73), S. 232–235. 132 Ebd., S. 234; Adolf Heinrich Borbein, Ernst Curtius, Alexander Conze und Reinhard Kekulé: »Probleme und Perspektiven der Klassischen Archäologie zwischen Romantik und Positivismus«, in: L’antichità nell Ottocento in Italia e Germania. Die Antike im 19. Jahrhundert in Italien und Deutschland, hrsg. von Karl Christ und Arnaldo Mo-

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migliano, Bologna 1988, S. 275–302; Suzanne Marchand, »From Antiquarian to Archaeologist? Adolf Furtwängler and the Problem of ›Modern‹ Classical Archaeology«, in: Momigliano and Antiquarianism. Foundations of the Modern Cultural Sciences, hrsg. von Peter N. Miller, Toronto 2007, S. 248–285; Graepler 2017 (wie Anm. 4), S. 31. 133 Vgl. hierzu etwa am Beispiel Berlins: Borbein 1979 (wie Anm. 15), S. 112–113. Tiefergehende Untersuchungen und Einführungen wie Jens Bruning, »Vorlesungsverzeichnisse«, in: Rasche 2011 (wie Anm. 4), S. 269–292 oder der Sammelband von Bach, Maatsch und Rasche 2008 (wie Anm. 33) zum Vorlesungsprogramm der Universität Jena um 1800 oder Die Vorlesungen der Berliner Universität 1810–1834 nach dem deutschen und lateinischen Lektionskatalog sowie den Ministerialakten, hrsg. von Wolfgang Virmond, Berlin 2011, sind ein Desiderat. 134 Henning Wrede, »A. Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher als Medien der akademischen Transformation einer Wissenschaft von 1730–1870«, in: Ernst Curtius’ Vorlesung »Griechische Kunstgeschichte«. Nach der Mitschrift Wilhelm Gurlitts im Winter 1864/65, hrsg. von Sepp-Gustav Gröschel und Henning Wrede (Transformationen der Antike, 20), Berlin und New York 2010, S. 9–44. Einen knappen Überblick bietet auch Graepler 2017 (wie Anm. 4), S. 25–28, freilich mit einem besonderen Fokus auf den Vorlesungen, die nach dem Vorbild Heynes angelegt ­wurden. 135 Johann Friderich Christ, Abhandlungen über die Litteratur und Kunstwerke vornemlich des Alterthums ­durchgesehen und mit Anmerkungen begleitet von Johann Karl Zeune, Leipzig 1776. Vgl. dazu Wrede 2010 (wie Anm. 134), S. 12–13. 136 Wrede 2010 (wie Anm. 134), S. 12–13; Dally 2017 (wie Anm. 6), S. 52. 137 Vgl. dazu Wrede 2010 (wie Anm. 134), S. 13–14. 138 Friedrich August Wolf, Darstellung der Alterthumswissenschaft nach Begriff, Umfang, Zweck und Werth [Berlin 1807], Nachdruck mit einem Nachwort von Johannes Irmscher, Weinheim 1986; vgl. dazu Henning Wrede, »Olympia, Ernst Curtius und der Philhellenismus«, in: Baertschi und King 2009 (wie Anm. 76), S. 195–196; Graepler 2017 (wie Anm. 4), S. 30–31. 139 Geominy 1986 (wie Anm. 73), S. 244. 140 https://histvv.uni-leipzig.de/dozenten/overbeck_j. html (10.01.2020). 141 Tomáš Hlobil, »Aesthetics in the Lecture lists of the Universities of Halle, Leipzig, Würzburg and Prague (1785–1805)«, in: Das achtzehnte Jahrhundert: Zeitschrift der

Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts, 29, 1, 2005, S. 37–38 und S. 48. 142 Martin Dönike, Altertumskund­liches Wissen in Weimar (Transformationen der Antike, 25), Berlin und Boston 2013, S. 261–451; Graepler 2017 (wie Anm. 4), S. 26–27, Anm. 90. 143 Borbein 1979 (wie Anm. 15), S. 117–118; Thomas Poiss, »Die unend­liche Aufgabe. August Boeckh als Begründer des Philologischen Seminars«, in: Baertschi und King 2009 (wie Anm. 76), S. 53–54. 144 Kinne 2010 (wie Anm. 14), S. 37. 145 Ebd., S. 101. 146 W. Schmid [sic], »Walz, Ernst Christian Ferdinand«, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 41, Leipzig 1896, S. 127–129, https://www.deutsche-biographie.de/ pnd117132551.html#adbcontent (10.01.2020); Schäfer 2017 (wie Anm. 63), S. 56. 147 https://histvv.uni-leipzig.de/dozenten/studniczka_f. html (10.01.2020). 148 Vgl. zu archäologischen Themen des ersten und zweiten Viertels des 19. Jahrhunderts: Sternke 2008 (wie Anm. 60), S. 28–34, S. 41–45 und S. 63–66. 149 Kopf 2007 (wie Anm. 18), S. 149–154; Elisabeth ­Décultot, »Genèse d’une histoire de l’art par les images. Les recueils d’antiquités et la naissance du discours historique sur l’art«, in: Musées de papier. L’antiquité en livres 1600–1800 (Ausst. Kat. 2010–2011), hrsg. von ders., Paris 2010, S. 24–35; Valentin Kockel, »›La description sans l’image tourne à simple déclamation‹. Méthodes et modes de reproduction de l’art et de l’architecture antiques au XVIIIe siècle«, ebd., S. 36–46; Heenes 2003 (wie Anm. 24), passim; Luchterhandt, Roemer, Bergemann und Graepler 2013 (wie Anm. 11). 150 Graepler 2006 (wie Anm. 26), S. 42; Daniel Graepler, »James Tassie 1735–1799. Daktyliothek 1786/87«, in: Bückling und Mongi-Vollmer 2013 (wie Anm. 28), S. 84. 151 Friedrich Vieweg, Ch. G. Heyne. Akademische Vorlesungen über die Archäologie der Kunst des Alterthums, insbesondere der Griechen und Römer, Braunschwig [sic!] 1822, S. IV–V. 152 Fittschen 1989 (wie Anm. 90), S. 82. 153 Kinne 2010 (wie Anm. 14), S. 36. 154 Vgl. am Beispiel der Kunstgeschichte Anja Schürmann, Begriff­liches Sehen. Beschreibung als kunsthistorisches Medium im 19. Jahrhundert (Schriften zur modernen Kunsthistoriographie, 8), Berlin und Boston 2018, S. 39– 105 und S. 279. 155 Müller 2012 (wie Anm. 47), S. 306–307, Abb. 97.

156 Hartmut G. Döhl, »Johann Dominicus Fiorillo und Christian Gottlob Heyne. Interdisziplinäre Zusammenarbeit im 18. Jahrhundert«, in: Johann Dominicus Fiorillo. Kunstgeschichte und die romantische Bewegung um 1800, Akten des Kolloquiums Johann Dominicus Fiorillo und die Anfänge der Kunstgeschichte in Göttingen vom 11.–13. November 1994, hrsg. von Antje Middeldorf Kosegarten, Göttingen 1997, S. 145–151; Elke Schulze, Nulla dies sine linea. Universitärer Zeichenunterricht – eine problemgeschicht­liche Studie (Pallas Athene, 12), Stuttgart 2004, S. 39–40 und S. 103. 157 Schulze 2004 (wie Anm. 156), S. 44 und S. 46. 158 Heinrich Brunn, Archäologie und Anschauung, München 1885, S. 14; Karl Bernhard Stark, Über Kunst und Kunstwissenschaft auf deutschen Universitäten, Heidelberg 1873, S. 20. Vgl. dazu Ehrhardt 1982 (wie Anm. 64), S. 38; Schulze 2004 (wie Anm. 156), S. 37, S. 56–59, S. 92–93, S. 149–150 und S. 155–156; Ulrich Pfisterer, »Anschauung als Wissenschaft – Karl Bernhard Stark und das Sehen in der älteren und neueren Kunstgeschichte«, in: Karl Bernhard Stark. Archäologie und Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert, Akten einer Tagung in Heidelberg 10.–11. Februar 2017, hrsg. von Tonio Hölscher und Reinhard Stupperich (Cyriacus. Studien zur Rezeption der Antike, XIII), Petersberg 2020, S. 47–54, bes. S. 49 speziell zum Hintergrund. 159 Vgl. dazu und zu der Quelle, einem Gutachten der Professoren Friedrich Gottlieb Welcker, Eduard d’Alton und August Wilhelm von Schlegel zur geplanten Anstellung des Universitätszeichenlehrers Hohe an der Universität Bonn: Schulze 2004 (wie Anm. 156), S. 56–59 und S. 155–156. Zur Bedeutung der Umrisslinie vgl. Charlotte Kurbjuhn, Kontur. Geschichte einer ästhetischen Denkfigur (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte, 81), Berlin und Boston 2014. 160 Vgl. Johannes Rößler, »Das Notizbuch als Werkzeug des Kunsthistorikers. Schrift und Zeichnung in den Forschungen von Wilhelm Bode und Carl Justi«, in: Hoffmann 2008 (wie Anm. 5), S. 75. 161 Begonnen kurz vor seinem Tod 1867: Gerhard 1858 (wie Anm. 59), S. 210.– Vgl. dazu Ahrens und Wrede 2000 (wie Anm. 59), S. 180. 162 Schwabe 1891 (wie Anm. 62), S. 34. 163 Gerhild Hübner, La Fortuna degli Etruschi nella fotografia dell’800. Gli Archivi Alinari, Florenz 1985; Vincent Jolivet, Ruines italiennes. Photographies des collections Alinari, Paris 2006; ders., Memorie del Grand Tour nelle fotografie delle collezioni Alinari, Florenz 2006; Fotografi a Pompei nell’ 800 dalle collezioni del Museo Alinari

Die Klassische Archäologie und ihre Lehrmedien

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(Ausst. Kat. Pompeji 1990–1991), Florenz 1990. Vgl. Dally 2017 (wie Anm. 6), S. 60. Eine beispielhafte Aufarbeitung eines Bildarchivs bietet Angela Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis. Richard Hamann und Foto Marburg (Humboldt-Schriften zur Kunst- und Bildgeschichte, VII), Berlin 2008, zu dem 1913 begründeten Bildarchiv Foto Marburg. Zu Sammelwerken jener Zeit vgl. Geominy 1989 (wie Anm. 91), S. 181. 164 Kinne 2004 (wie Anm. 91), S. 84–85. 165 Maike Berchtold, Gipsabguß und Original. Ein Beitrag zur Geschichte von Werturteilen, dargelegt am Beispiel des Bayerischen Nationalmuseums München und anderer Sammlungen des 19. Jahrhunderts, Diss. Univ. Stuttgart 1987, S. 115. 166 Vgl. dazu am Beispiel der Kunstgeschichte: Rößler 2008 (wie Anm. 160), S. 76–77, der gleichzeitig eine Verlagerung in den Bereich des Notizbuchs konstatiert. Zu den vergleichbar angelegten Expeditionslogbüchern, Reisejournalen und Grabungstagebüchern, die bei den Großgrabungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Anwendung kamen, vgl. auch Klamm 2017 (wie Anm. 85), S. 237–255. 167 http://digital.bib-bvb.de/view/bvbmets/viewer.0.6.­4. jsp?folder_id=0&dvs=1594219319894~952&pid=12326856& locale=de&usePid1=true&usePid2=true (10.01.2020); https://homepage.univie.ac.at/elisabeth.trinkl/forum/­ forum0314/70krierer.htm (10.01.2020); Krierer und Friedmann 2016 (wie Anm. 77), S. 144–145, Abb. 5; Grawehr 2012 (wie Anm. 110), S. 59, Abb. 23 (Direktorat Ernst Pfuhl). 168 Franz Winter und Georg Dehio, Kunstgeschichte in Bildern: systematische Darstellung der Entwicklung der bildenden Kunst vom klassischen Altertum bis zur neueren Zeit. Abteilung: Altertum, Leipzig 1900, https://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/winter_dehio1900bd1 (10.01.2020); Max Sauerlandt, Griechische Bildwerke, Königsstein im Taunus und Leipzig o. J.; Paul Ortwin Rave, Griechische Tempel. Auswahl nach Aufnahmen des kunstgeschicht­lichen Seminars mit einer Einleitung von Paul Ortwin Rave, Marburg 1924. Weitere Hefte beinhalteten auch Materialien zur kunstgeschicht­lichen Entwicklung bis zum 18. Jahrhundert. Vgl. auch die 1927 von Hans Schaal herausgegebenen Bilderhefte zur Kunst- und Kulturgeschichte des Altertums. Vgl. dazu Esther Sophia Sünderhauf, Griechensehnsucht und Kulturkritik. Die deutsche Rezeption von Winckelmanns Antikenideal 1840–1945, Berlin 2004, S. 68– 69, Abb. 16; Grawehr 2012 (wie Anm. 110), S. 59, Abb. 23. 169

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Zur Relation von Texten und Bildern vgl. Die Erobe-

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rung der Bilder. Photographie in Buch und Presse. 1816–1914, hrsg. von Charles Grivel, André Gunthert und Bernd Stiegler, München 2003; Arbeitskreis Bild. Druck. Papier, Tagungsband Ravenna 2006, hrsg. von Wolfgang Brückner, Konrad Vanja, Detlef Lorenz, Alberto Milano und Sigrid Nagy, Münster, New York, München und Berlin 2007; Eva Maria Froschauer, »An die Leser!«. Baukunst darstellen und vermitteln – Berliner Architekturzeitschriften um 1900, Berlin 2009; Gedruckte Fotografie. Abbildung, Objekt und mediales Format, hrsg. von Irene Ziehe und Ulrich Hägele (Visuelle Kultur. Studien und Materialien, 10), Münster und New York 2015; Geoffrey Belknap, From a Photograph: Authenticity, Science and the Periodical Press, 1870–1890, London und New York 2016; Bebilderte Texte, betextete Bilder. Fotografie und Text um 1900, hrsg. von Philipp Ramer und Christine Weder (Fotogeschichte, 39, 153), 2019; Zum Verhältnis von Texten und Bildern zur Kunst der Antike vgl. Borbein 2008 (wie Anm. 45), S. 267–281. Vgl. auch Reichle 2007 (wie Anm. 45), S. 177–183 zu Illustrationen kunsthistorischer Handbücher des 19. Jahrhunderts. 170 Die Untersuchung von Texten als Gattung und heuristisches Werkzeug hat in der Archäologie nur Bedeutung erlangt in Hinsicht auf die Antike (z. B. Polly Lohmann, Graffiti als Interaktionsform. Geritzte Inschriften in den Wohnhäusern Pompejis (Materiale Textkulturen, 16), Berlin und Boston 2017, nicht aber in Hinsicht auf die selbst verfassten Texte. Vgl. hierzu am Beispiel der Kunstgeschichte: Schürmann 2018 (wie Anm. 154). Zu den Möglichkeiten der Computerlinguistik in diesem Zusammenhang vgl. dies., ebd., S. 278–279. 171 Nürnberg 1799/1800. Vgl. dazu Graepler 2017 (wie Anm. 4), S. 26 und S. 28. Zu kunsthistorischen Hand­ büchern des 18. und 19. Jahrhunderts vgl. grundlegend Hubert Locher, »Das Handbuch der Kunstgeschichte. Die Vermittlung kunsthistorischen Wissens als Anleitung zum ästhetischen Urteil«, in: Memory & Oblivion. Proceedings of the XXIXth International Congress of the History of Art held in Amsterdam 1996, hrsg. von Wessel Reinink und Jeroem Stumpel, Dordrecht 1999, S. 69–87; ders., »The ›Handbuch der Kunstgeschichte‹. Communication of Art Historical Knowledge as Instruction in Aesthetic Judgement«, in: Visio. International Journal for Visual Semiotics, IV, 3 (Constructing Art History in the 19th and 20th Centuries), 1999/2000, S. 11–20; ders., Kunstgeschichte als historische Theorie der Kunst 1750–1950, 2. Aufl., Paderborn 2010, S. 243–291. 172 Breslau 1830.

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Vgl. dazu Wrede 2010 (wie Anm. 134), S. 27–44; Graepler 2017 (wie Anm. 4), S. 28–29. 174 Fittschen 1989 (wie Anm. 90), S. 82. 175 Otto Jahn, Eduard Gerhard. Ein Lebensabriß, Berlin 1868, S. XCVI. Vgl. dazu Borbein 1979 (wie Anm. 15), S. 132–133. 176 Denkmäler der antiken Kunst I, Göttingen 1832–1835. 177 Karl Otfried Müller und Friedrich Wieseler, Denkmäler der antiken Kunst II, Göttingen 1856. 178 Vgl. dazu Graepler 2017 (wie Anm. 4), S. 29. 179 Ebd., Anm. 128. 180 Klamm 2017 (wie Anm. 85), S. 405–407, Abb. 9–17. 181 Denkmäler griechischer und römischer Skulptur im Auftrage des K. Bayer. Staatsministeriums des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten, hrsg. von Adolf Furtwängler und Heinrich Ludwig Urlichs, 2. vermehrte Aufl., München 1904, https://arachne.dainst.org/entity/4230648 (10.01.2020). 182 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter­ nahmen klassische Archäologen intensive, aber letztlich nicht erfolgreiche Versuche, die Archäologie auch im Schulunterricht zu verankern. Vgl. dazu Fittschen 1989 (wie Anm. 90), S. 88–89. Es handelte sich um den Versuch, der u. a. durch die rasch wachsende Bedeutung der Naturwissenschaften schwindenden gesamtgesellschaft­lichen Bedeutung entgegenzuwirken. Vgl. dazu Sünderhauf 2004 (wie Anm. 168) S. 67–72; Klamm 2017 (wie Anm. 85), S. 410–411. 183 Klamm 2017 (wie Anm. 85), S. 407–410. 184 Vgl. hierzu wie zu dem Diskurs um den Einsatz von Zeichnungen und der Fotografie bei der Aufnahme von Skulpturen in der Archäologie: Stefanie Klamm, »Vom langen Leben der Bilder. Wahrnehmung der Skulptur und ihrer Reproduktionsverfahren in der Klassischen Archäologie des 19. Jahrhunderts«, in: Pegasus. Berliner Beiträge zum Nachleben der Antike, 9, 2007, S. 209–227; dies., »Linie – Form – Raum. Über wissenschaft­liche Bilder antiker Skulpturen«, in: Probst 2011 (wie Anm. 28), S. 136– 155. 185 Stark 1878 (wie Anm. 4). 186 Vgl. Rebenich 2016 (wie Anm. 128), S. 185–198, bes. S. 194 (Archäologie); Graepler 2017 (wie Anm. 4), S. 18, Anm. 10–12 und S. 29, Anm. 29. 187 Veröffentlichung: Dönike 2013 (wie Anm. 142), S. 267–452. 188 Sternke 2008 (wie Anm. 60), S. 234–241; Graepler 2017 (wie Anm. 4), S. 27. 189 Sepp-Gustav Gröschel, »Wilhelm Gurlitts Vorle-

sungsmitschrift«, in: Gröschel und Wrede 2010 (wie Anm. 134), S. 155–418. 190 Z. B. ebd., S. 289–290 (Athena Parthenos). 191 Henning Wrede, »Wissenschaftsgeschicht­licher Kommentar«, ebd., S. 128–129, S. 134–135 und Abb. 2–3. 192 Vgl. dazu ebd., S. 130. 193 Publikationen zur griechischen Plastik mit Fotografien gab es erst seit den 1880er/1890er Jahren, vgl. dazu ebd., Anm. 251. 194 Grawehr 2012 (wie Anm. 110), S. 54, Abb. 21. 195 Ebd., S. 57–58, Abb. 25. 196 Vgl. hierzu Rößler 2008 (wie Anm. 160), S. 75–77. 197 Hoffmann 2008 (wie Anm. 5), S. 9. 198 Rößler 2008 (wie Anm. 160), S. 76. Zeichnungen hatten sich im Zuge der Ausdifferenzierung der Disziplinen Archäologie und Bauforschung rasch zu dem hervorstechenden Merkmal der Bauforschung und Architektenausbildung herauskristallisiert, vgl. Klamm 2017 (wie Anm. 85), S. 194–220. 199 Ludwig Pollak, Römische Memoiren. Künstler, Kunstliebhaber und Gelehrter 1893–1943, hrsg. von Margarete Merkel Guldan (Studia Archaeologica, 72), Rom 1994, S. 92–93. 200 Grawehr 2012 (wie Anm. 110), S. 54, Abb. 21. 201 Vgl. ebd., S. 56–57, Abb. 23. 202 Vgl. dazu Heinrich Wölfflin, »Jacob Burckhardt und die Kunst«, in: Heinrich Wölfflin, Gedanken zur Kunstgeschichte. Gedrucktes und Ungedrucktes, Basel 1941, S. 146; Pascal Weitmann, »Die Doppelprojektion – von der Sichtbarmachung der Kunstauffassung bis zum Untergang vor dem Beamer«, in: Festschrift für Max Kunze 2011 (wie Anm. 11), S. 229. 203 Vgl. dazu Dally 2017 (wie Anm. 6), S. 55–56, Abb. 37. 204 Grawehr 2012 (wie Anm. 110), S. 58 zu Abb. 23. 205 Vgl. zur Kunstgeschichte: Heinrich Dilly, »Lichtbildprojektion – Prothese der Kunstbetrachtung«, in: Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung, hrsg, von Irene Below, Gießen 1975, S. 153–171; ders., »Die Bildwerfer. 121 Jahre kunstwissenschaft­liche Dia-Projektion«, in: Zwischen Markt und Museum. Beiträge der Tagung »Präsentationsformen von Fotografie«, hrsg. von Martha Caspers (Rundbrief Fotografie, Sonderheft 2), Göppingen 1995, S. 39–44; Robert S. Nelson, »The Slide Lecture, or the Work of Art ›History‹ in the Age of Mechanical reproduction«, Critical Inquiry, 26, 3, 2000, S. 414–434; Heinrich Dilly, »Weder Grimm, noch Schmarsow, geschweige denn Wölfflin … Zur jüngsten Diskussion über die Diaprojektion um 1900«, in: Fotografie als Instrument und Medium der Kunst-

Die Klassische Archäologie und ihre Lehrmedien

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geschichte, hrsg. von Costanza Caraffa (I Mandorli, 9), ­Berlin 2009, S. 91–116; Dorothee Haffner, »›Die Kunstgeschichte ist ein technisches Fach‹. Bilder an der Wand, auf dem Schirm und im Netz«, in: Bild/Geschichte, Festschrift für Horst Bredekamp, hrsg. von Philine Helas, Maren Polte, Claudia Rückert und Bettina Uppenkamp, Berlin 2007, S. 119–129; Ingeborg Reichle, »Fotografie und Lichtbild: Die ›unsichtbaren‹ Bildmedien der Kunstgeschichte«, in: Sichtbarkeit und Medium. Austausch, Verknüpfung und Differenz naturwissenschaft­licher und ästhetischer Bildstrategien, hrsg. von Anja Zimmermann, Hamburg 2005, S. 169–181; Andreas Beyer, »Lichtbild und Essay, Kunstgeschichte als Versuch«, in: Essayismus um 1900, hrsg. von Wolfgang Braungart und Kai Kauffmann, Heidelberg 2006, S. 37– 48; Wolfgang Ullrich, Raffinierte Kunst. Übung vor Reproduktionen, Berlin 2009; Sibylle Peters, Der Vortrag als Performance, Wetzlar 2008, S. 98–103; R. Vogel [sic], »Der Einsatz von Fotosammlungen und Lichtprojektion in kunsthistorischen Vorlesungen«, http://blog.studium digitale.uni-frankfurt.de/reprometh/blog/2016/01/12/dereinsatz-von-fotosammlungen-und-lichtprojektion-inkunsthistorischen-vorlesungen/ (15.4.2016); http://www. kunstgeschichte.de/kgs/publikationen/mb4.html#stPage (24.03.2021). Zur Archäologie vgl. Dally 2017 (wie Anm. 6), S. 56–63. 206

Zu einem neuen Forschungsprojekt von Ulf R. Hansson zu Furtwängler vgl. http://www.isvroma.it/ public/New/index.php?option=com_content&view= article&id=153&Itemid=245 (10.01.2020); Ulf R. Hansson, Adolf Furtwängler (1853–1907). ›The Linnaeus of classical archaeology‹. (Antiquity Project Gallery, 88), S. 342, http:// journal.antiquity.ac.uk/projgall/hansson342 (10.01.2020). 207 Johannes Rößler, »Erlebnisbegriff und Skioptikon. Herman Grimm und die Geisteswissenschaften an der Berliner Universität«, in: 200 Jahre Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, hrsg. von Horst Bredekamp und Adam S. Labuda, Berlin 2010, S. 69–89, bes. S. 83–85; Weitmann 2011 (wie Anm. 202), S. 231–232. 208 Weitmann 2011 (wie Anm. 202), S. 230. 209 Vgl. dazu ausführ­licher Dally 2017 (wie Anm. 6), S. 57–63. 210 Fittschen 1989 (wie Anm. 90), S. 91. 211 Kinne 2004 (wie Anm. 91), S. 85. 212 Siehe Stefan Krmnicek, »Ludwig Schwabe und das Archäologische Institut«, in: Baas, Krmnicek und Lipps 2017 (wie Anm. 4), S. 68. 213 Vgl. Adolph Goldschmidt 1863–1944. Lebenserinnerungen, hrsg. von Marie Roosen-Runge–Mollwo, Berlin 1989,

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Ortwin Dally

S. 126–127. Vgl. dazu: Barbara Schellewald, »Liaison d’amour? Goldschmidt und die byzantinische Kunst(-geschichte)«, in: Adolph Goldschmidt (1863–1944). Normal Art History im 20. Jahrhundert, hrsg. von Gunnar Brands und Heinrich Dilly, Weimar 2007, S. 46–47; Heinrich Dilly, »… und Frau Amtsrichter Dr. Leverkühn? Adolph Goldschmidt auf den internationalen Kongressen«, ebenda S. 116–117; Dilly 2009 (wie Anm. 205), S. 103–105; Claudia Rückert, »Adolph Goldschmidt im Jahre 1912 – Lehrer, Organisator, Netzwerker«, in: Bredekamp und Labuda 2010 (wie Anm. 207), S. 109–110; Pascal Weitmann, Wider den digitalen Götzendienst. Kritische Anmerkungen zum modischen Verhältnis von Kunstwissenschaft und »neuen Medien« (punctum, 24), München 2012, S. 232 (Der Beitrag ist ein leicht veränderter Nachdruck von Weitmann 2011 (wie Anm. 202). 214 Luca Giuliani, Bild und Mythos. Geschichte der Bilderzählung in der griechischen Kunst, München 2003, S. 27– 29, Abb. 1–2 a und b; Thomas Kübler u. a., »Analysis of eye movements with Eyetrace«, in: Communications in Computer and Information Science (CCIS), Biomedical Engineering Systems and Technologies, 8th International Joint Conference, BIOSTEC 2015, Lisabon, Portugal, January 12– 15, 2015, Revised Selected Papers, https://www.hci.unituebingen.de/assets/pdf/publications/TCKWGJRWE2015. pdf (10.01.2020). 215 Vgl. hierzu generell Reichle, Siegel und Spelten 2007 (wie Anm. 18). Zu Adolf Furtwängler und der mit Hilfe der Fotografie perfektionierten Methode der Kopienkritik vgl. Dally 2017 (wie Anm. 6), S. 43–47. 216 Wiebke Ratzeburg, Die Anfänge der Photographie und Lichtbildprojektion in ihrem Verhältnis zur Kunstgeschichte, Schrift­liche Hausarbeit zur Erlangung des Grades der Magistra Artium, Freie Universität Berlin 1998, S. 55–69; Magiche visioni prima del Cinema. La collezione Minici Zotti, hrsg. von Carlo Alberto Zotti Minici, Padova 2001; Jens Ruchatz, Licht und Wahrheit, München 2003, S. 103–123. Zur 1888 in Berlin gegründeten Urania, bei der die Technik von Anfang an Verwendung fand, vgl. 125 Jahre Urania Berlin, hrsg. von Ulrich Bleyer, Dieter B. Herrmann und Otto Lührs, Berlin 2013. 217 Vgl. dazu Dally 2017 (wie Anm. 6), S. 61–63. 218 Peters 2008 (wie Anm. 205), S. 100. 219 Zu Heinrich Wölfflin vgl. Jean-Claude Chirollet, Heinrich Wölfflin. Comment photographier les sculptures 1896, 1897, 1915. Présentation, traduction et notes suivies du fac-similé des textes en allemand de Heinrich Wölfflin, Paris 2008; Dilly 2009 (wie Anm. 205), S. 103-104; Elke Schulze,

»›Ich werde Model‹. Heinrich Wölfflin an der Berliner Universität«, in: Bredekamp und Labuda 2010 (wie Anm. 207), S. 91–101 mit Abb. S. 93; Heinrich Wölfflin, Principles of Art History. The problem of the development of Style in early modern art, hrsg. von Evonne Levy und Tristan Weddigen, Los Angeles 2015. Vorlesungsmanuskripte: Heinrich Wölfflin, Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts. Akademische Vorlesung aus dem Archiv des Kunsthistorischen Instituts der Universität Wien. Herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Norbert M. Schmitz, 2. verb. Aufl., Alfter 1994; Drei Münchner Vorlesungen Heinrich Wölfflins. Die architektonischen Stilbildungen vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Grundbegriffe der Kunstgeschichte. Geschichte der deutschen Kunst im 19. Jahrhundert, hrsg. von Hans Körner und Manja Wilkens (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München, 36), Passau 2016. 220 Vgl. hierzu Körner und Wilkens 2016 (wie Anm. 219), S. 3. Zur darin zum Ausdruck kommenden Entkopplung von Wort und Darstellung vgl. auch Schürmann 2018 (wie Anm. 154), S. 271–272. 221 Peters 2008 (wie Anm. 205), S. 99–100; Körner und Wilkens 2016 (wie Anm. 219), S. 3. 222 Vgl. dazu Dally 2017 (wie Anm. 6), S. 63–64. 223 Edward T. Hall, The Silent Language, New York [1956] 1990. 224 Anna-Lena Krüger und Johannes Lipps, »Ferdinand Noack in Tübingen«, in: Baas, Krmnicek und Lipps 2017 (wie Anm. 4), S. 81–82. 225 Adolf Michaelis, Verzeichnis der Abgüsse griechischer und römischer Bildwerke im Kunst-archäologischen Institut der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg, Straßburg 1887, S. IV. 226 Gérard Siebert, »La collection de moulages de l’université de Strasbourg«, in: Association pour le Colloque international sur le moulage 1988 (wie Anm. 81), S. 215– 221; Jean-Yves Marc, »La collection de moulages«, in: L’université impériale de Strasbourg. Le site de la porte des pêcheurs, hrsg. von Frédérique Boura u. a., Straßburg 2012, S. 36–37; ders., »Les collections de l’Institut d’archéologie classique de l’université de Strasbourg«, Collegium Beatus Rhenanus EUCOR-Newsletter, 15, 2012, S. 5–7; ders., »Adolf Michaelis, un pionniere de l’archéologie classique en Europe«, Collegium Beatus Rhenanus EUCOR-Newsletter, 16, 2013, S. 22–23, http://collections.unistra.fr/collections/gypsotheque/gypsohist.htm (10.01.2020). Zu dem ­Gebäude vgl. Klaus Nohlen, »Construire une bibliothèque au 19e siècle: Strasbourg et son contexte européen«, in: ­Métamorphoses. Un bâtiment des collections, hrsg. von

Christophe Didier und Madeleine Zeller, Straßburg 2015, S. 28–43. 227 Georg Treu, »Die Sammlung der Abgüsse im Albertinum zu Dresden«, in: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, 6, 1891, S. 1–14; Knoll 2012 (wie Anm. 43), S. 283–284; Klamm 2017 (wie Anm. 85), S. 387–396. 228 Das Albertinum vor 100 Jahren – die Skulpturensammlung Georg Treus, hrsg. von den Staat­lichen Kunstsammlungen Dresden, Dresden 1994, S. 111, Abb. 100. 229 Ebd., S. 67, Abb. 49. 230 Ebd., S. 73, Abb. 55 und S. 293, Abb. 293. Zum Instituto di corrispondenza archeologica in Rom siehe Anm. 53. 231 Bohne 2000 (wie Anm. 74), S. 25, Abb. 11; Mielsch 2003 (wie Anm. 64), S. 10–11, Abb. 6; Geominy 2012 (wie Anm. 74), S. 281, Abb. 1–2. 232 Archäologischer Anzeiger. Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts, 18, 1903, S. 121. Zu Georg Loeschkes Engagement in der Lehrerfortbildung, bei der er immer wieder Gipse nutzte, vgl. auch Kinne 2004 (wie Anm. 91), S. 37 und S. 55–58. 233 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, HstA MK 14419 »Museum der Abg. Kl. B.W. (Auszug) Furtwängler 25.1.1901. Den Auszug zu drei Planskizzen für einen Neubau des Museums antiker Bildwerke zwischen altem Nationalmuseum und Hildegardstraße verdanke ich Ingeborg Kader (München). Vgl. Kader 2019 (wie Anm. 80), S. 292– 304. Eine Fotografie von Adolf Furtwängler in der Gispabguss-Sammlung findet sich bei Paul Scheding, »›Wertlose‹ Kupferstiche und ›objektive‹ Fotografie. Zum Verhältnis epistemischer Praxis und der Obsoleszenz von Bildmedien in der Klassischen Archäologie«, in: Kulturelle Figurationen der Obsoleszenz, hrsg. von Dietrich Boschung, Timo Kaerlein und Stefan Udelhofen, Würzburg 2019, S. 58, Abb. 1. 234 Adolf Furtwängler, Meisterwerke der griechischen Plastik. Kunstgeschicht­liche Betrachtungen, Leipzig 1893, S. X. Vgl. dazu Scheding 2019 (wie Anm. 233), S. 72. 235 Vgl. Hartmut Döhl, »Christoph Heynes Vorlesungen über die Archäologie«, in: Graepler und Migl 2007 (wie Anm. 13), S. 30. 236 Zu Winckelmanns Entwicklungsbegriff vgl. Daniel Aebli, Winckelmanns Entwicklungslogik der Kunst (Europäische Hochschulschriften, XXVIII), Frankfurt am Main, Bern, New York und Paris 1991. Zum 19. Jahrhundert vgl. Borbein 2008 (wie Anm. 45), S. 274–277.

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Zeichnen/Zeichnung Susanne Müller-Bechtel

Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. (Psalm 118, 22)

Prozess und Resultat: Zeichnen und Zeichnung – zur Einführung

Zeichnungen repräsentieren Gesehenes und Gedachtes.1 Sie fixieren Ideen, Blicke und Interessen, sie dokumentieren, bilden ab, überliefern vergäng­ liche Zustände, markieren Eingriffe, sie ordnen, speichern und modellieren Wissen, sie können einem nicht abbildbaren wissenschaft­lichen Vorgang den Anschein materieller Stabilität verleihen,2 sie ersetzen als Notat das Objekt, unterscheiden sich von dem gezeichneten Gegenstand, sind vom Blickwinkel des Zeichners abhängig, sind »Urkunden des Augenscheins«,3 sie bündeln und lenken die Aufmerksamkeit und tun vieles mehr. Als Spuren eines non-verbalen Aufzeichnungsprozesses bewahren sie in der Regel den darzustellenden Inhalt in medial oder formal veränderter Form.4 Dabei können Zeichnungen diejenigen Spielräume nutzen, die bei Modellierungsprozessen entstehen: Sie können vereinfachen, Akzente setzen, Informationen verdichten, verändern oder ausblenden.5 Gemessen an anderen bildkünstlerischen Verfahren ist Zeichnen in der Ausführung grundsätzlich einfach: Jeder kann mit wenigen Mitteln eine Zeichnung erstellen, Linien auf eine Fläche auftragen; benötigt werden dazu lediglich zwei Elemente, ein »Bild-

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Susanne Müller-Bechtel

träger« und ein »Zeichengerät/-medium«. Das Spektrum reicht von der Kombination Wand und Kohle, wie in der von Plinius überlieferten Gründungsgeschichte der Malerei im Schattenriss, mit dem die Tochter des Butades das Antlitz des scheidenden Geliebten bewahren wollte, oder Steine und Sand, mit denen sich der junge Giotto beim Schafehüten die Zeit vertrieben haben soll, über Papier in unterschiedlichster Qualität und den künstlerischen Werkzeugen Bleistift, Kreide, Kohle, Feder mit Tinte/Tusche oder auch Kugelschreiber bis hin zu digitalen tools wie Tablet und Stylus.6 Zeichnen besitzt eine »generative Kraft«.7 Die auf niedrigstem Niveau zunächst einfache und unkomplizierte Handhabung des Zeichnens begründet die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten – Daten sichern, Spuren erzeugen oder Welten schaffen sind nur eine kleine Auswahl davon.8 Wenige Striche können genügen, um ohne Worte eine Wegbeschreibung anzufertigen, die Choreografie eines Tanzes aufzuzeichnen, das Charakteristische eines Konterfeis zu erfassen oder komplexe mentale Operationen visuell zu notieren und zu lösen.9 In enger Abstimmung von Hand, Auge und Gehirn führt man beim Zeichnen verschiedene Prozesse, »Erkennen, Auswählen, vorwegnehmendes Planen, Beurteilen«, durch und vollzieht »Funktionen […] wie Abstrahieren, Projizieren, Überprüfen, Korrigieren«.10 Visuell, konzeptionell und metaphorisch verknüpft Rembrandt in einer Radierung das Zeichnenlernen (personalisiert in zwei Aktmodel-

len) mit dem Gehenlernen der kleinen Kinder (Abb. 1).11 Die Kulturtechnik Zeichnen stellt neben dem Schreiben eine zentrale Kompetenz des Menschen dar. Das Zeichnen muss seit der Frühen Neuzeit als intellektuelle wie praktische Grundlage für Denken und Gestalten in Wissenschaft und Kunst verstanden werden.12 Der Beitrag fokussiert mit dem Zeichnen als Lehrmedium die produktive ästhetische Rezeption von künstlerisch gestalteten Gegenständen im kunstwissenschaft­lichen Milieu. Die Problemstellung kann hier nur umrissen werden.13 Grundlage der Überlegungen ist die Reflexion des Zeichnens in seinen vielfältigen Spielarten. Dabei will ich als Traditionsstränge verschiedene (früh)neuzeit­liche Praktiken in Künsten und Wissenschaften respektive deren Anwendung in produktiven und rezeptiven Prozessen aufrufen: einerseits die drei genuin künstlerischen Bereiche Werkprozess, Künstlerausbildung und künstlerische Rezeption sowie andererseits die Praktiken des zeichnerischen Beobachtens, Visualisierens und Kommunizierens in den Wissenschaften.14 Diese Überlegungen bereiten die anschließende Diskussion von Zeichnen und Zeichnungen als Lehrmedien in der Kunstgeschichte vor. Die Untersuchung argumentiert teils historisch, teils systematisch; statt der Rekonstruktion einer Entwicklung beabsichtigt sie vielmehr die Formulierung eines theoretischen Horizontes. Zunächst ist die Differenz zwischen Bildherstellung und Bildgebrauch zu reflektieren: Das Zeichnen als eigenhändiges Fertigen von Abbildungen unterscheidet sich in seinem kognitiven und epistemischen Potenzial grundsätzlich vom Verwenden fremd gefertigter Zeichnungen. Es heißt, die Linien speicherten beim Zeichnen die Gedanken und die Bewegungen des Körpers.15 Mit der eigenhändigen zeichnerischen Praxis, dadurch, dass Körper und Gedanken die Linien und Bewegungen vollziehen, entsteht ein – im Vergleich zur ausschließ­lichen Betrachtung eines Werkes – er-

Abb. 1 Rembrandt van Rijn, Der Rollwagen, um 1646, Radierung, 195 × 128 mm, Amsterdam, Rijksprenten­kabinet

weiterter Erfahrungsraum.16 Dieser Erfahrungsraum kann nicht intensiv und »reich« genug gedacht werden, wenn man sich all jener Handlungen, Prozesse und Entscheidungen gewahr wird, die beim Zeichnen oftmals parallel oder dicht nacheinander ablaufen (können) und die mit Worten in Detail und Reichweite kaum zu fassen sind.17 Jede Wahrnehmung ruft vorhandenes »Ausführungswissen« ab.18 Das Zeichnen korreliert mit einer »Erziehung der Wahrnehmung«, einer »Professionalisierung des Blicks«.19 Offenkundig sind die Wechselwirkungen zwischen input und gespeichertem Gedächtnisinhalt intensiver und emotional tiefgreifender, sobald ersteren eine sensomotorische Erfahrung begleitet.20 Die vielfältige Rückkoppelung mit dem individuellen Wissen macht

Zeichnen/Zeichnung

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das Zeichnen zu einem validen Medium in Entwicklungsphasen wie dem Werkprozess, der Ausbildung oder in epistemischen Prozessen ebenso wie in Rezeptionsprozessen.

Zeichnen in Wissenschaft und Kunst – ein Überblick

Briefdokumente frühneuzeit­licher Wissenschaftler bekunden die Bedeutung des Zeichnens für deren Selbstverständnis, wie die Aussage von Ludovico Cigoli gegenüber Galileo Galilei, »ein Mathematiker, möge er so groß sein wie er wolle, [sei] ohne die Fähigkeit des Zeichnens nicht nur ein halber Mathematiker, sondern auch ein Mensch ohne Augen«,21 belegen mag, oder das Bekenntnis des Antoni van Leeuwenhoek in einem entschuldigenden Brief an die Royal Society in London, dass nicht das verwendete Mikroskop fehlerhaft sei, sondern die Fehlerquelle bei ihm selbst liege, »denn ich kann nicht zeichnen«.22 Die erwünschten Zeichenkompetenzen begründeten einen breit nachgefragten Markt, für den zahllose Zeichenlehrbücher entstanden.23 Die Bedeutung des Zeichnens lässt sich außerdem am Beruf des Universitätszeichenlehrers ablesen, dessen Blütezeit im langen 19. Jahrhundert liegt.24 Der Zeichenlehrer entstammt der Gruppe der Exerzitienmeister, die die Lehre im Reiten, Tanzen, Fechten, Singen und in den Sprachen verantworteten – ein Kanon, der sich an der Adelsbildung orientierte und nicht direkt auf die Inhalte eines Fachstudiums bezogen war.25 Zeichnen galt des Weiteren als Grundkompetenz für Militär- und Verwaltungstätigkeiten.26 »Die ureigenste Rechtfertigung des universitären Zeichenunterrichts lag wesentlich in der Bildbasierung der meisten Wissenschaften.«27 Damit verbunden war schließlich auch dessen Niedergang, der durch den Aufschwung der Fotografie ausgelöst worden war, während sich die universitäre Kunstpraxis vorerst noch in eine »Wahrnehmungsschule« transfor-

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mierte.28 Bilder verantworten, systematisch betrachtet, in den Wissenschaften drei verschiedene Aufgaben: erstens Beobachtung und Erkenntnis, zweitens Dokumentation und Visualisierung sowie drittens Kommunikation und Vermittlung.29 Kein Bildmedium erfüllte den Bedarf an Abbildungen bis ins 19. Jahrhundert so umfassend wie die Zeichnung – für viele Wissenschaften waren Zeichnungen neben Texten das bedeutendste Mittel zum Speichern von Wissen und Erkenntnis. Mit den leichten und unkomplizierten Übergängen zum Schreiben ist das Zeichnen zudem prädestiniert für ein diagrammatisches Arbeiten, das Text und Bild kombiniert und auf diese Weise Informationen verdichtet; dabei handelt es sich um eine Praxis, die sich im Medium der Fotografie nicht äquivalent umsetzen ließ.30 Im Zeichnen wird entweder Rechenschaft darüber abgelegt, was man sieht oder gesehen hat, oder für einen nicht abbildbaren Inhalt ein annäherndes Bild entwickelt. Bei beiden Arten der Bildgebung handelt es sich um epistemische Verfahren. Mit dem Fertigen einer Zeichnung nach einem Objekt beziehungsweise Befund entsteht eine eigene Objektkategorie, unabhängig von den Eigenschaften des Objektes von Interesse oder einem Präparat. Formale Differenzen zum Befund beruhen im Zeichenprozess notwendigerweise auf der medialen Transformation vom wissenschaft­ lichen Gegenstand zum Bild.31 Die Zeichnung ist aber als Transfermedium befähigt, Inhalte trotz eines augenschein­lichen Wechsels in der medialen oder formalen Gestalt von Informationen (mehr oder weniger) unverändert weiterzugeben.32 Vorgenommene gestalterische Maßnahmen müssen nicht, können aber der Klärung der Inhalte dienen, so dass ein Eindruck des Korrigierens und Verbessern des Notats durchaus begründet ist, wie er sich in der Aussage artikuliert: »Der Charakter des […] gezeichneten Bildes – seine Absichtlichkeit und seine Regelmäßigkeit – wiederum gleicht unseren Versuchen[,] die Welt zu beherrschen und zu ord-

nen.«33 Die Erwartungen an Lesbarkeit, Aussagekraft, Präzision, Wahrheitsgehalt oder Objektivität und ähn­liche Kriterien korrelieren mit den jeweils zeitgenössischen Vorstellungen von wissenschaft­ licher Dokumentationspraxis.34 Es besteht die Gefahr, dass die gezeichneten wissenschaft­lichen Bilder zu »konzeptionellen Halluzinationen« werden: »Grafiken stellen die Theorie hinter der Wissenschaft dar, indem sie aufzeichnen, was nur gedacht werden kann.«35 Die einfache Handhabung von Zeichnung erlaubte ihr Praktizieren und Mitführen unter widrigsten Umständen, wie beispielsweise auf Expeditionen.36 Das Notat ersetzt im Bild das Objekt, das für den Wissenschaftler in Zukunft schlechter erreichbar ist, entweder, weil der Forscher sich entfernt, weil das Objekt verfallen und zerstört werden kann oder weil das Objekt nur als Zwischenergebnis eines Experimentes vorhanden ist.37 In diese Kategorie gehören auch Bilder, die man bei Seherfahrungen mit optischen Geräten machte, so beispielsweise mit dem Mikroskop oder dem Teleskop.38 Ein wichtiger thematischer Anwendungsbereich liegt in der Anatomie, für die bereits früh – beispielsweise durch Leonardo da Vinci – bedeutende Bilddokumente geschaffen wurden (Abb. 2). Weitere Gebiete schließen sich direkt an, dazu gehören die Medizin, die Botanik und Zoologie sowie unter anderem die Geologie und die Astronomie. Doch nicht nur in den Lebenswissenschaften, sondern auch in der Kulturgeschichte fand die Zeichnung eine breite Anwendung, so etwa in den antiquarischen Wissenschaften. In der Regel werden druckgrafische Bilder zur größeren Verbreitung der Inhalte mithilfe von Zeichnungen vorbereitet. Zeichnungen konnten zudem zu regelrechten Wissenskompendien in Klebebänden zusammengestellt werden.39 Solche Bildkompendien ergänzten die objektorientierten Sammlungen in den höfischen Kunstkammern. Das Zeichnen ist aus der Werkstattpraxis der (Frühen) Neuzeit nicht wegzudenken, es begleitet

Abb. 2 Leonardo da Vinci, Manuskriptblatt mit anatomischen Zeichnungen und Notizen, 1506/08, Feder in Braun, Weimar, Klassik Stiftung

zahlreiche, mitunter verbal gefasste kommunikative Prozesse. Der Blick in den Werkprozess40 offenbart – unabhängig von der Gattung des auszuführenden Werkes (Malerei, Skulptur, Architektur, angewandte Künste) – die zahlreichen unterschied­ lichen Aufgaben, die das Zeichnen zu übernehmen vermag: Der Künstler skizziert mit schnellen Strichen seine ersten Gedanken in der prima idea.41 Mit großer Sicherheit beruht sie auf anderweitigen Seherfahrungen, die zeichnerisch notiert worden sein können, – mehr oder weniger gefilterte Beobachtungen der Wirklichkeit oder gezielte Rezeption ästhetisch gestalteter Formen.42 Nur am Rande sei angemerkt, dass mitunter Skizzenbücher »sowohl als Speichermedium wie auch als Arbeitsund Forschungsinstrument [dienen], um Wahrnehmungen, Ideen, Erkenntnisse und Erinnerungen zu bewahren, zu strukturieren, zu reflektieren

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Abb. 3 Maso Finiguerra, Auf einem Schemel kniender Knabe mit Kappe beim Zeichnen, Feder auf Papier, 155 × 126 mm, Florenz, Uffizien, Gabinetto dei Disegni e Stampe

und weiterzuentwickeln«.43 In einem nächsten Schritt konkretisiert der Künstler auf Basis seiner prima idea die Komposition, eventuell sogar in einer Reihe von Zeichnungen.44 Am Ende dieses Prozesses steht in der Regel eine (mehr oder weniger) ausführ­liche Entwurfszeichnung, deren Konzept der Künstler in Form der Präsentationszeichnung dem Auftraggeber vorlegte, um den Auftrag erteilt zu bekommen oder Änderungswünsche entgegenzunehmen.45 Nach Absprache des Bildkonzeptes legte man mithilfe von Studien die Details der Gestaltung fest.46 Zeichnungen erfüllen bei der Konzeption von Werken eine wichtige Funktion, da sie einerseits die Vorstellung vom zukünftigen Werk bereits in sich tragen und andererseits deren Materialisierung nur andeuten, so dass sich das »Spiel zwischen Papier, Stift, Hand, Handbewegung, Auge, Zeichnung und den Anforderungen entfalten«47 kann. Beim Transfer eines Motivs in

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ein anderes Medium kann das Zeichnen als Transfermedium dienen, so kommt es beim Übertrag der entwickelten Komposition auf den endgültigen Bildträger zum Einsatz oder auch beim seitenrichtigen oder -verkehrten Übertrag einer Darstellung in eine Stechervorlage, die zur Erstellung von druckgrafischen Reproduktionen gefertigt wird.48 Weitere Prozesse wie das zeichnerische Anfertigen von Kopien nach Werken können als produktiver oder rezeptiver Vorgang betrachtet werden.49 In der Künstlerausbildung der (Frühen) Neuzeit nimmt das Zeichnen eine besondere Rolle ein, die die intellektuelle Bedeutung spiegelt, die der Zeichnung beigemessen wurde. Das Zeichnen in der Ausbildung vereinigt so unterschied­liche Praktiken wie das Kopieren von einfachen Vorlagen bis hin zum Studieren des lebenden Modells.50 Üb­licherweise erfuhren die Lehrlinge bis in die Zeit um 1800 ihre Ausbildung in den Werkstätten ihrer Meister, unabhängig davon, ob sie Maler, Bildhauer oder Goldschmied etc. lernten. Zahlreiche Zeichnungen der Renaissance und des Frühbarock greifen als Motiv Lehrknaben beim Zeichnen in der Werkstatt auf (Abb. 3).51 Gesellen gingen auf Wanderschaft in die Fremde und suchten dort Impulse zur Weiterentwicklung; ihre Zeichnungen signierten sie gelegentlich mit Namen und Status.52 Versuche zur Nobilitierung des Zeichnens und zu dessen Anerkennung als intellektuelle Praxis führten zur Gründung der Accademia del Disegno in Florenz im Jahr 1563.53 Dort und in ihren Schwesterinstitutionen (Accademia di San Luca, Rom; Académie royale de peinture et de sculpture, Paris etc.) entwickelte man sukzessive – aus den Gepflogenheiten der Werkstattpraxis, in deren Ergänzung – ein sowohl grundlegendes als auch weiterführendes Ausbildungssystem.54 Es konzentrierte sich im Wesent­lichen auf das Zeichnen, praktiziert in dem »Dreierschritt Vorlage, totes, lebendes Material«,55 der mehrere Grundideen miteinander kombiniert: Das Zweidimensionale ist – erstens – leichter zu erfassen und zu kopieren als das

Abb. 4 Hubert Robert: Ein Zeichner im Kapitolinischen Museum, um 1765, Rötel, 457 × 337 mm, Los Angeles, J. Paul Getty Museum

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Dreidimensionale, kleinere (unbewegte) Stücke erfordern – zweitens – weniger Aufwand als – drittens – (große) bewegte Figuren.56 »Der Lernende verinnerlicht im Lernprozess verschiedene ›Formeln‹, die ihn befähigen, ein vorhandenes Objekt oder die eigenen Vorstellungen aussagekräftig in allgemeingültige Repräsentationen zu verwandeln.«57 Höheund Schlusspunkt der zeichnerischen Ausbildung ist das Aktstudium, mit dem eine künstlerisch avancierte, wissenschaft­liche Praxis erreicht ist.58 Diese frühneuzeit­liche Praxis der Künstlerausbildung wurde im 19. Jahrhundert fundamental revidiert und an die neuen gesellschaft­lichen Bedingungen angepasst.59 Das Zeichnen und die Zeichnung sind nicht die einzigen Lehrmedien, die in der künstlerischen Ausbildung eingesetzt wurden und werden können.60 Die Menge der publizierten Zeichenlehrbücher belegt jedoch das Interesse am Zeichnen, das in der Gesellschaft herrschte. Sie machten die Praktiken der Künstler auch für Laien greifbar.61 Das Nachzeichnen von (vorbild­lichen) Werken lässt sich, systematisch betrachtet, als produktiver und elementarer Modus einer ästhetisch-rezeptiven Auseinandersetzung mit visuellen Zeugnissen aus der Geschichte der Kunst verstehen. Es war Teil der Ausbildung, aber zugleich auch eine von der Kunsttheorie gestützte, eigenständige künstlerische Praxis. Gelegenheiten zum Nachzeichnen bestanden sowohl in der Heimat wie in der Fremde, wobei es gerade auf Reisen (unabhängig von ihrem Zweck) aufgrund der flexiblen Handhabung und der einfachen Werkzeuge – nicht nur den künstlerisch Geschulten – rasch bei der Hand war.62 Zeichner finden sich an vielerlei Orten ein, an denen das Zeichnen offenkundig Sinn machte, so beispielsweise oberhalb einer Stadt, vor vorbild­ lichen Kunstwerken oder zwischen antiken Ruinen.63 Maßgeb­liche Beweggründe für das Fertigen von Nachzeichnungen sind die miteinander verwobenen Prozesse »abbilden, lernen und verstehen« – gut erforscht beispielsweise im Falle von Nach-

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zeichnungen nach Skulpturen Michelangelos.64 Die hier absolvierten Lernprozesse beschränken sich nicht allein auf die Zeit der Ausbildung; künstlerisch praktizierte Rezeption ist dem lebenslangen Lernen vergleichbar. Im Sinne des dreifachen Aneignungsprozesses »abbilden, lernen und verstehen« darf man auch die Nachzeichnungen auffassen, die Albrecht Dürer von Kupferstichen des Andrea Mantegna fertigte.65 Das Nachzeichnen findet unter (werdenden) Künstlern in der (Frühen) Neuzeit breite Anwendung; Hauptthemen können in Gebäuden oder antiken vorbild­lichen Skulpturen identifiziert werden. Zu erinnern ist beispielsweise an Giovanni Battista Naldinis römisches Reiseskizzenbuch, Heinrich Schickhardts Notate von Architekturen und Ingenieurbaukunst auf zwei Italienreisen oder Francesco Borrominis Aufnahme von San Giovanni in Laterano in Rom vor der Neugestaltung des Langhauses.66 Eine illustre Reihe bilden die Namen der Künstler, die antike Statuen studierten (Abb. 4): Pisanello, Marten van Heemskerck, Peter Paul Rubens, die römischen Akademiker Pompeo Batoni, Domenico Campiglia und Anton Raphael Mengs, um nur wenige Beispiele zu nennen.67 Der Urheber der Zeichnungen gewinnt zusammen mit vielfältig nutzbaren Abbildungen einiges mehr: Neben einer intensivierten Kenntnis seines Gegenstandes schult der Zeichner Auge, Hand, Gehirn und deren Zusammenspiel, also die Seherfahrung, die praktischen Fertigkeiten und das Erkenntnis- und Erinnerungsvermögen. Dieses epistemische Vermögen des Zeichnens machten sich auch die antiquarischen Wissenschaften und in deren Nachfolge die Kunstforschung zu Nutze.

Zeichnen und Zeichnungen in kunsthistorischer Forschung und Lehre

Wie oben geschildert, legte die künstlerischproduktive Rezeption den Grund für das Zeichnen im Rahmen der antiquarischen Wissenschaften der

Frühen Neuzeit oder der Kunstforschung des späten 18. und 19. Jahrhunderts. Die Praxis entsprach derjenigen anderer Wissenschaften. Die Übergänge zwischen künstlerischen und wissenschaft­lichen Interessen in der Rezeption sind fließend. Jedenfalls nutzten die antiquarischen Wissenschaften die von Künstlern kultivierte Zeichnung als Medium zur Erschließung der künstlerischen wie materiellen Kultur der Antike, wie die »enzyklopädisch und didaktisch« konzipierte Sammlung von Cassiano Dal Pozzo (sog. Museo Cartaceo) oder die Topham Papers beispielhaft vor Augen führen.68 Bedeutend für die Beurteilung dieser Praktiken und ihrer Resultate scheint die Differenzierung, ob die Akteure selbst zeichneten oder auf Zeichnungen anderer zurückgriffen. Ab dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts widmete sich die Kunstforschung vermehrt dem Gegenstandsbereich der abendländischen Kunst seit dem Ende der Spätantike und griff dazu auf die Praktiken der antiquarischen Wissenschaften zurück. Jean Baptiste Séroux d’Agincourt gilt als einer der Vorreiter der auf die Mittlere und Neuere Kunst gerichteten Kunstgeschichte. Seine Histoire de l’art par les monumens (Paris [1810]–1823) beruht auf diversem zeichnerischen Material, das er selbst anfertigte oder von Künstlern anfertigen ließ.69 Mittelalter­liche Kunst geriet beispielsweise im Fall von Carl Julius Milde in Lübeck einem ausgebildeten Künstler und aktiven Denkmalpfleger vor den Zeichenstift.70 Nennenswert sind neben vielen anderen Johann Anton Ramboux oder Giovanni Battista Cavalcaselle mit ihren umfangreichen Zeichnungskompendien.71 Ein Vergleich der Arbeitsweise des künstlerisch ausgebildeten Cavalcaselle mit derjenigen seiner Zeitgenossen Jacob Burckhardt, einem Historiker, und Giovanni Morelli, einem Mediziner, offenbart die Bandbreite, mit der die Kunstforscher des 19. Jahrhunderts die Zeichnung zur Notation ihres eigenen kunsthistorischen Blickes analytisch einzusetzen wussten – abgesehen davon, dass schon allein ihr Blick von

ihrem jeweiligen zeichnerischen Vermögen geformt war.72 Die Schulung des Blickes und die Intensivierung der Erfahrungen durch das eigenhändige Zeichnen stellen Qualifikationen dar, die in diesem Maße durch den alleinigen Gebrauch von Abbildungen in Form von Zeichnungen nicht erreicht werden können. Eine Reihe von Faktoren trafen im Laufe des 19. Jahrhunderts aufeinander, die nach und nach das kunstwissenschaft­liche Arbeiten in eine Richtung veränderten, in der das eigenhändige Zeichnen marginalisiert wurde: Im Bereich der Abbildungstechnik entwickelte die Fotografie sukzessive eine akzeptable Qualität und »Neutralität« in den Reproduktionen, die in der Wiedergabe eigenhändige Zeichnungen übertreffen konnten, da letztere immer von der Handschrift des Einzelnen geprägt blieben.73 Auch die technische Buchgestaltung lernte, Text und Abbildungen in angemessener Qualität zu kombinieren.74 Mit der Zeit wuchs die Menge der zur Verfügung stehenden »Bilddaten«, so dass die Notwendigkeit zur Autopsie, deren Medium die Zeichnung noch beispielsweise für Cavalcaselle war, stetig abnahm. Im Kontext der Genieästhetik löste die Neubewertung von Originalität die frühneuzeit­liche imitatio-Praxis ab, in der die Rezeption vorbild­licher Kunstwerke eine zentrale Rolle spielte; mit diesem Ablösen ging ein Abwerten der eigenhändigen Rezeption einher. Zugleich veränderten sich die Ausbildungswege der Kunsthistoriker: An die Stelle der älteren Herkunft aus einer künstlerischen Ausbildung rückte ein universitäres Studium mit großer Nähe zu den historischen Wissenschaften und zu deren Arbeitsweise.75 Die eigenhändige Zeichenpraxis wurde als private Handlung in die persön­liche Verantwortung eines jeden gelegt.76 Mit all diesen Verschiebungen veränderten sich die Betrachtungspraxis, die fachspezifischen Aufnahme- und Analysemethoden, der Kanon der maßgeb­lichen Werke und die individuelle Art und Weise im Erwerb von Denkmäler-

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kenntnis. Dem Zeichnen mit dem eigenständigen persön­lichen Blickwinkel und mit der persön­lichen »Handschrift« wurde eine Absage erteilt. Scheinbar objektive Bildmedien versprachen der jungen Wissenschaft eine einheit­liche Basis; hinsichtlich der praktizierten Manipulationen am reproduzierenden Bild war die Kunstgeschichte lange Zeit blind.77 Die im 18. und noch im 19. Jahrhundert geschätzten bildenden Qualitäten des Zeichnens verloren für die Qualifikation des Kunsthistorikers und sein wissenschaft­liches Vorgehen nach und nach an Bedeutung. Historisch betrachtet handelte es sich ursprünglich um einen Generationenkonflikt, der in der Abgrenzung von der künstlerischwissenschaft­lichen Praxis der direkten Vorgänger letztendlich eine ganze Fachkultur veränderte und nachhaltig prägte.78 Systematisch betrachtet bedeutet die Abgrenzung von den Vorgängern auf der einen Seite einen mehrfachen Gewinn – Gewinn an Theorieleistung, Gewinn an sprach­licher Ausdruckskraft sowie Gewinn an Anerkennung vonseiten der historischen Wissenschaften.79 Auf der anderen Seite ist damit ein mehrfacher Verlust verbunden – Verlust an aktiven Ausdrucksformen in Recherche, Notation und Vermittlung.80 Letztendlich geht mit diesem in seiner Reichweite schwer einschätzbaren Verlust an verfügbaren Ausdrucksformen eine Beschränkung in den epistemischen Praktiken und schließlich in den Kapazitäten des visuellen Gedächtnisses und in der Qualität des kunsthistorischen Blickes einher. So stellt sich die Frage, in welchen Bereichen der kunsthistorischen Wissenschaftspraxis das Zeichnen oder die Zeichnung im Laufe des 20. Jahrhunderts Verwendung fanden? Ich kann und will hier nur einzelne Schlaglichter setzen, um die Problematik zu umreißen. Zwar divergieren beispielsweise in ihren Forschungsinteressen bezüglich der Kunst Giottos Theodor Hetzer, Dagobert Frey und Max Imdahl; gemein ist ihnen zugleich, mit grafischen Bildanalysen zu arbeiten.81

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Ihre Visualisierungen rufen zugleich den Verdacht in Erinnerung, der an die Zeichnung in den Wissenschaften gerichtet wird, »konzeptionelle Halluzinationen«82 zu sein. Die im späten 19. Jahrhundert kultivierten Vorbehalte gegenüber der Zeichnung als Instrumentarium der Kunstgeschichte sind bis heute deutlich spürbar. In der Form von Infografiken gehen (didaktische) Bildanalysen wenigstens keine Konkurrenz mit dem geschätzten kunsthistorischen Forschungsgegenstand ein. Dagegen wird das wissenschaft­liche Zeichnen in der Kunstgeschichte als mög­licher dilettantischer Akt misstrauisch beäugt; es scheint so der Öffentlichkeit entzogen zu sein und nur im Privaten praktiziert zu werden. Vermutlich sind in diversen Forschungsarchiven sowie Vor- und Nachlässen noch zahlreiche Schätze zu heben, die Forschung beginnt gerade, sich dieser Aufgabe zu stellen. Jérémie Koering hat erst vor Kurzem auf die Notizbücher von Hubert Damisch, Louis Marin, Meyer Schapiro und Leo Steinberg aufmerksam gemacht – jeweils Musterbeispiele eines kunstwissenschaft­ lichen Zeichnens mit seinen (alt bekannten) Vorteilen im Sehen, Analysieren und Erklären von Kunst.83 Der deutsch-amerikanische Rubens- und Rembrandtspezialist Julius S. Held führte, so lässt sich aus seinem Nachlass schließen, offenkundig konsequent Notizbücher bei sich, wenn er Museen oder Sammlungen besuchte.84 Seine Aufzeichnungen systematisierte er, wobei er Schrift und Bild in seinen Notaten jeweils eigene Bereiche einräumte: Ausführ­lichen schrift­lichen Notizen auf der rechten Seite stellte er gelegentlich Zeichnungen gegenüber – fast wortwörtlich, da er die linke Seite des Notizbuches für diese reservierte. Er zeichnete selektiv, konzentrierte sich beispielsweise auf einzelne Partien von Figuren, um deren Bewegungsmomente festzuhalten (Frans Snyders, Küchenstück, Gemäldegalerie Alte Meister, Kassel), oder notierte Kompositionsschemata (Peter Paul Rubens, Himmelfahrt Mariens, Ölskizze, Maurits-

Abb. 5 Julius S. Held: Kompositionsskizze zu Peter Paul Rubens, Himmelfahrt Mariens (Mauritshuis, Den Haag), Los Angeles, The Getty Research Institute, Notizbuch 12, Box 44, F5, nicht paginiert

huis, Den Haag) (Abb. 5). Als Medium des Beobachtens, des Aneignens, des Analysierens dürfen solche Zeichnungen sicherlich verstanden werden – insofern erfüllen sie grundlegende Merkmale wissenschaft­lichen Handelns. Als Lehrmedien der universitären Kunstgeschichte haben es die Zeichnung und das Zeichnen trotz der hervorragenden Eigenschaften, der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und der erfolgreichen Vorgeschichte des Zeichnens in Kunst und Wissenschaft heute in der Tat schwer.85 In anderen Fachkulturen wie den Altertumswissenschaften86 oder der Architektenausbildung, die der Kunstgeschichte durchaus nahestehen, zeigt sich ein anderes Bild, das hier jedoch nicht Thema ist. Historisch betrach-

tet waren die Aussichten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr gut: Zeichnen galt in allen Wissenschaften als anerkanntes Medium zur Herstellung von Abbildungen, Zeichnungssammlungen beinhalteten als Kompendien gebündelt das visuell darstellbare Wissen. In diesem Sinne – und im Sinne einer akademischen Vorlagensammlung – hatte Johann Anton Ramboux seine Lehrsammlung aus eigenhändig ausgeführten Aquarellen für die Düsseldorfer Akademie konzipiert, die auf seinen bei der Autopsie entstandenen Zeichnungen beruhte.87 Schautafeln und Zeichnungen integrierte der britische Architekt und Archäologe Charles Robert Cockerell als Lehrmedien in seine Vorlesungen an der Londoner Royal Academy, darunter eine

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Abb. 6 Wilhelm Lübke: Vorlesungsmanuskript zum Mittelalter, altchrist­liche Zeit, Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 28v

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Abb. 7 Johannes Itten, Anbetung nach Meister Franke, Doppelblatt aus Analysen Alter Meister, Weimar, Klassik Stiftung

großformatige diagrammatische Synopse der Baukunst, die Frontalansichten berühmter Bauten ineinander gestaffelt in einem Bild vereinigte; die darin gewonnene Informationsdichte ist jedoch nur für den kenntnisreichen Betrachter verständlich.88 Aus dem von Alexandra Axtmann erforschten Fallbeispiel Wilhelm Lübke89 lassen sich Anwendungsbereiche des Zeichnens im Milieu der universitären Kunstgeschichte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ablesen: Lübke zeichnete demnach bei der Autopsie vor Ort auf seinen Reisen. Zuhause kopierte er diese Zeichnungen an die passende Stelle im Vorlesungsmanuskript (Abb. 6) oder fügte dort separate Blätter mit eigenhändigen Kopien ein und hielt auf diese Weise sein Manuskript stetig aktuell. Hatte Lübke keine eigenhändigen Zeichnungen als Vorlage zur Verfügung, fertigte er Zeichnungen nach Abbildungen in seinen Büchern, die ihm sowieso als Grundlage für seine Vorlesungen dienten. Während des Unterrichtes – so ist es in mehreren Quellen dokumentiert – fertigte er Tafelzeichnungen an, um den Studierenden den Unterrichtsstoff anschaulich zu machen und zugleich Vorlagen für deren eigene Zeichnungen zu erstellen. Die sche-

matischen Zeichnungen Wilhelm Lübkes zielen auf Erkenntnisse bezüglich struktureller Kennzeichen sowohl von Einzelbauten als auch von Baustilen. Sein kunsthistorisches Zeichnen offenbart sich als eine Tätigkeit, die in Forschung und Lehre wirksam wurde. Eine – nicht unbedeutende – Einschränkung ist hier hervorzuheben: Der bei Lübke beschriebene Vorgang gilt nur für seinen Umgang mit Architektur, nicht aber mit den Bildkünsten. Der Unterricht in Architekturgeschichte steht oftmals im Kontext der Architektenausbildung und damit in der Tradition der Bauakademien: Für die Architekten bildet Zeichnen die Grundlage einerseits des Entwerfens, andererseits ästhetischer Bildung.90 Eine Parallele zu solchen Architekturanalysen findet sich beispielsweise in von Künstlern der Moderne ausgeführten didaktischen Bildanalysen nach Alten Meistern – exemplarisch zu nennen sind hier Adolf Hölzel und Johannes Itten. Hölzel »destillierte« Bildprinzipien und/oder Bildformeln, Itten Kompositionsschemata und Bildrhythmen (Abb. 7).91 Bei beiden, so die Einschätzung von Rainer K. Wick, ist »das Erkenntnisinteresse […] keinesfalls philologischer Natur.«92 Individuelle Er-

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kenntnisinteressen oder subjektive Erfahrungen wurden, wie gesagt, bereits den zeichnenden Notizbuchnutzern im 19. Jahrhundert vorgehalten.93 Den »philologischen« Typus in der Kunstgeschichte grenzt Adolf Max Vogt, das sei hier ergänzt, vom »involvierten« Typus mithilfe der Aufzählung der Erfahrungen ab, welche dem Ersteren fehlen: »Er ist nicht dabei, wenn Kunst oder Architektur als Prozeß sich vollzieht. Er erlebt nicht, wie dabei Raum auf Raum, Fläche auf Fläche, Linie auf Linie wirken – oft genug weit intensiver als das Wort, das fern auf anderer Ebene west und lebt.«94 Lübkes Vorlesungsmaterialien zur Architektur ebenso wie die bildnerischen Analysen der Professoren Hölzel und Itten führen zu Fragen nach dem Zeichnen als Lernmedium von Studierenden oder Hörer*innen. Einen Einblick in seine eigene Unterrichtsmethodik erlaubt Max Hauttmann mit einem »Beitrag zur Kunstpädagogik« betitelten Artikel aus dem Jahr 1922: In einer Übung zur Geschichte der mittelalter­lichen Plastik projizierte er Lichtbilder auf die Tafel, ließ die so abgebildeten Werke in den Hauptlinien nachzeichnen und erarbeitete auf diese Weise Kompositionsdiagramme, mit denen stilistische Differenzen zwischen den Werken sichtbar gemacht werden sollten.95 Hans Christian Hönes erkennt in »Zeichnungen in Mitschriften von Vorlesungen […] eine zentrale Quelle für die Praktiken der Mediennutzung in der kunsthistorischen Lehre […]«.96 Gelegentlich lassen sich tatsächlich in Vor- oder Nachlässen von Kunsthistoriker*innen auch Mitschriften von Vorlesungen oder Seminaren finden – eine systematische Aufarbeitung steht noch aus. Als Beispiel seien hier in den Papieren von Myra Dickmann Orth, die französische Buchmalerei der Renaissance erforschte, die Mitschriften der sogenannten Courtauld Lectures aus den 1970er Jahren genannt.97 Dickmann Orth verwendete in ihren zeichnerischen Notizen eine diagrammatische und referentielle Struktur, mit wenigen Strichen skizzierte sie wesent­liche

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Abb. 8 Myra Dickmann Orth, Villenarchitektur Palladios , Los Angeles, The Getty Research Institute

Charakteristika der Villenarchitektur von Andrea Palladio (die Rustika an den Bögen, die Reihe von Rundscheiben oberhalb des Portals, die zum Portal führenden Treppenanlagen und ähn­liches), vorwiegend als orthogonal notierte Ansichten der Fassaden (Abb. 8). Abschließend sei ein Blick in die heutige »Praxis« gewagt. Trotz der oftmals engen Taktung des Studiums bieten einige Universitäten fächerübergreifend in einer Art Studium generale Zeichenunterricht an, wie es ihn ähnlich auch vor der Bologna-Reform an manchen Universitäten gab.98 Die Lehre am Menzel-Dach der Humboldt Universität Berlin »im Bereich der künstlerisch-ästhetischen Praxis verbindet […] 1) die vielseitige Empirie historischer und aktueller künstlerischer Techniken, 2) die Wissensvermittlung in Bezug auf

ihre historische bzw. aktuelle Verbreitung und kulturelle Relevanz sowie 3) die Schulung der Urteilsfähigkeit, speziell des Verständnisses für wechselseitig wirksame Zusammenhänge zwischen Material, Technik und Form.«99 Das Zeicheninstitut in Tübingen »wendet sich an künstlerisch interessierte Studierende aller Fakultäten, die ihre musische Begabung nicht verkümmern lassen möchten« und bietet »neben den klassischen Sparten wie Porträt- und Aktzeichnen, Malerei, Bildhauerei und Fotografie auch temporäre Projekte« sowie »Vorträge über zeitgenössische Kunstformen und Präsentationen von jungen Künstlern aus der Region«; »Führungen durch aktuelle Ausstellungen, besonders in der Kunsthalle Tübingen, begleiten das vorwiegend kunstpraktisch ausgerichtete Programm des Zeicheninstituts.«100 Beide Institutionen verbleiben mit einem solchen Programm in einem Rahmen, der die vormalige enzyklopädische Weite universitären und wissenschaft­lichen Zeichnens bei weitem nicht erreicht, aber auch nicht anstrebt. Die produktivkünstlerische Auseinandersetzung in der Rezeption von Kunst hat dagegen einen Platz in der Museumspädagogik gefunden. Warum nutzt die universitäre Kunstgeschichte das vielseitige und produktive Medium Zeichnen nicht selbst? Jedes Erkenntnisinteresse ist subjektiv, so wie jede Kontextualisierung »eine andere kategoriale Klasse als die des Bildes«101 ist – die gebotene Wissenschaftlichkeit erfolgt durch ein Offenlegen der angesetzten Kriterien und der verwendeten Quellen. Das Zeichnen spricht kognitiv andere Erkenntnisbereiche an als eine verbale oder rein augenschein­liche Rezeption, es verändert und intensiviert die Begegnung mit dem kunsthistorischen Gegenstand und kann auf diese Weise als »Schule des Sehens« die breite, fordernde Universalität in der Kunstgeschichte zusätzlich bereichern.

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1 Ich danke Gert Hasenhütl (Innsbruck/Wien), Elisabeth Hipp (München), Peter Heinrich Jahn (Dresden), Uta Kumlehn (Potsdam), Mailena Mallach (Dresden), Gudula Metze (Dresden), Nino Nanobashvili (München) und Katrin Zimmermann (Würzburg) für Anregungen, hilfreiche Hinweise und/oder konstruktive Kritik, Alexandra Axtmann (Karlsruhe) für die Erlaubnis zur Einsichtnahme in ihr Manuskript. 2 Vgl. Scott Curtis, »Grob und glatt. Über eine relationale Theorie des wissenschaft­lichen Animationsbildes«, in: Scientific fiction, hrsg. von Luisa Feiersinger (Bildwelten des Wissens, 14), Berlin 2018, S. 30–40, hier S. 38 zum Zeichnen in der Immunbiologie. 3 Joachim Rees, Die verzeichnete Fremde. Formen und Funktionen des Zeichnens im Kontext europäischer Forschungsreisen 1770–1830 (Berliner Schriften zur Kunst), zugl. Habil.-Schrift 2011/12 FU Berlin, Paderborn 2015, Zitat aus dem Klappentext. 4 Vgl. Barbara Wittmann, »Papierprojekte. Die Zeichnung als Instrument des Entwurfs«, in: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung, 3, 2012, H. 1, S. 135–150, 225. Wittmann diskutiert und erweitert Bruno Latours Konzept der immutables mobiles, vgl. Bruno Latour, »Drawing Things Together«, in: Representation in Scientific Practice, hrsg. von Michael Lynch und Steve Woolgar, Cambridge (MA) und London 1990, S. 19–68. 5 Vgl. Reinhard Wendler, »Das Spiel mit Modellen. Eine methodische Verwandtschaft künstlerischer Werkund molekularbiologischer Erkenntnisprozesse«, in: Visuelle Modelle, hrsg. von Ingeborg Reichle, Steffen Siegel und Achim Spelten, München 2008, S. 101–116. Grundlegend zur Modelltheorie siehe Herbert Stachowiak, Modelle, Konstruktion der Wirklichkeit (Kritische Information, 101), München 1983. 6 Ein immer noch gültiger und einflussreicher Klassiker zur Einführung in die »Kunst der Zeichnung« ist Walter Koschatzky, Die Kunst der Zeichnung. Technik, Geschichte, Meisterwerke, Salzburg 1977. Vgl. Deanna Petherbridge, The Primacy of Drawing. Histories and Theories of Practice, New Haven (CT) 2010. Zur Geschichte der Tochter des Butades vgl. Christiane Kruse, Wozu Menschen malen. Historische Begründungen eines Bildmediums, zugl. Habil.-Schrift Univ. Konstanz 2001/02, München 2003, hier S. 401–410. Zur Entdeckung des Talentes von Giotto vgl. Eva-Bettina Krems, Der Fleck auf der Venus. 500 Künstleranekdoten von Apelles bis Picasso, München 2003, hier S. 16. 7 Wittmann 2012 (wie Anm. 4), S. 140.

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8 Vgl. die Titel der Einzelbände der Reihe Wissen im Entwurf: Daten sichern. Schreiben und Zeichnen als Verfahren der Aufzeichnung, hrsg. von Christoph Hoffmann (Wissen im Entwurf, 1), Zürich und Berlin 2008; Spuren erzeugen. Zeichnen und Schreiben als Verfahren der Selbstaufzeichnung, hrsg. von Barbara Wittmann (Wissen im Entwurf, 2), Zürich 2009; Notieren, Skizzieren. Schreiben und Zeichnen als Verfahren des Entwurfs, hrsg. von Karin Krauthausen (Wissen im Entwurf, 3), Zürich 2010; Welten schaffen. Zeichnen und Schreiben als Verfahren der Konstruktion, hrsg. von Jutta Voorhoeve (Wissen im Entwurf, 4), Zürich 2011. 9 Vgl. David Kirsh, »Using Sketching: To Think, To Recognize, To Learn«, in: Thinking through Drawing. Practice into Knowledge. Proceedings of an Interdisciplinary Symposium on Drawing, Cognition and Education, hrsg. von Andrea Kantrowitz, Angela Brew und Michelle Fava, New York 2011, S. 123–126. 10 Uwe Westfehling, Zeichnen in der Renaissance. Entwicklung, Techniken, Formen, Themen, Köln 1993, Kap. »Zeichnen – kreative Intelligenz«, S. 96–97. 11 Rembrandts Strich (Ausst. Kat. Dresden 2019), hrsg. von Stephanie Buck und Jürgen Müller, London 2019, Kat. Nr. 40.1, S. 174–177. 12 Vgl. u. a. Westfehling 1993 (wie Anm. 10), S. 96; Andreas Tacke, »Zeichnend zur Auszeichnung!? Zur paradigmatischen Rolle der Handzeichnung im Streit zwischen zunftgebundenem Malerhandwerk und Akademie«, in: Aspekte deutscher Zeichenkunst, hrsg. von Iris Lauterbach und Marga[!]ret Stuffmann (Veröffentlichungen des ­Zentralinstituts für Kunstgeschichte, 16), München 2006, S. 104–113; Randgänge der Zeichnung, hrsg. von Werner Busch, Oliver Jehle und Carolin Meister, München 2007; vgl. Petherbridge 2010 (wie Anm. 6), S. 2; Susanne ­Müller-Bechtel, »Friedrich Christian von Sachsen lernt zeichnen«, in: Fürst und Fürstin als Künstler. Herrschaft­ liches Künstlertum zwischen Habitus, Norm und Neigung, hrsg. von Annette C. Cremer, Matthias Müller und Klaus Pietschmann (Schriften zur Residenzkultur, 11), Berlin 2018, S. 199–218, 377 (Farb-Taf.). 13 Das Zeichnen als wissenschaft­liche Praxis der Kunstgeschichte thematisiert eine Ausstellung in Vorbereitung: Drawn Art History, konzipiert und organisiert von Jérémie Koering für das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München und The Genia Schreiber University Gallery in Tel Aviv. 14 Außerhalb der genannten Kategorien stehen selbstständige Zeichnungen, die »funktional eigenständig« und

als »in sich abgeschlossene Kompositionen« weder dem Werkprozess noch der Ausbildung dienten, vgl. Daniela Bohde und Alessandro Nova, »Selbstständige Zeichnungen. Begriffe, Funktionen, Perspektiven«, in: Jenseits des »disegno«. Die Entstehung selbständiger Zeichnungen in Deutschland und Italien im 15. und 16. Jh., hrsg. von Daniela Bohde, Petersberg 2018, S. 8–29, hier S. 9. Barbara Wittmann, »Morphologische Erkundungen. Zeichnen am Mikroskop«, in: Morphologien, hrsg. von Matthias Bruhn und Gerhard Scholtz (Bildwelten des Wissens, 9,2), Berlin 2013, S. 45–54, S. 53, spricht Parallelen und Unterschiede der Zeichenpraktiken in Kunst und Wissenschaft an. 15 Vgl. Barbara Wittmann, »Symptomatologie des Zeichnens und Schreibens. Verfahren der Selbstaufzeichnung«, in: Wittmann 2009 (wie Anm. 8), S. 7–19, hier S. 7. 16 Psychologen haben vor kurzem gezeigt, dass Informationen besser memoriert werden, wenn die Inhalte gezeichnet worden waren, vgl. Jeffrey D. Wammes, Melissa E. Meade und Myra A. Fernandes, »The drawing effect: Evidence for reliable and robust memory benefits in free recall«, in: The Quarterly Journal of Experimental Psychology, 69, 9, 2016. 17 Die Fortschritte in der Hirnforschung erlauben es, die Vorgänge beim Zeichnen neu zu denken; ein Team um Angie Brew, Michelle Fava, Emma Vilina Fält, Andrea Kantrowitz und Emily Sheehan beschäftigt sich mit diesen Fragen, vgl. https://www.thinkingthroughdrawing.org/ (01.03.2021). 18 Vgl. Hans Dieter Huber, »Empathie und motorisches Können beim Zeichnen«, in: Zeichnen als Erkenntnis. Beiträge aus Kunst, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik, hrsg. von Barbara Lutz-Sterzenbach und Johannes Kirschenmann, München 2014, S. 595–614. Vgl. Alexander Glas, »Schema, Formel, Darstellungsrepertoire. Eine Kontextanalyse zwischen Imagination und Ausführungswissen«, in: ebd., S. 477–494. 19 Wittmann 2013 (wie Anm. 14), S. 52. 20 Vgl. Aleida Assmann, »Bilder im Kopf. Präfiguration, Prämediation, Resonanz«, in: Pendant Plus. Praktiken der Bildkombinatorik, hrsg. von Gerd Blum, Steffen Bogen, David Ganz und Marius Rimmele (Reimer Bild + Bild, 2), Berlin 2012, S. 47–61; vgl. Huber 2014 (wie Anm. 18). 21 Horst Bredekamp, »Die Zeichnende Denkkraft«, in: Einbildungen (Interventionen, 14), hrsg. von Jörg Huber, Wien 2005, S. 155–171, hier S. 156. 22 Karin Leonhard, »Kritik an der Hand. Zum Verhältnis von Wissenschaftler und Zeichner in der frühen Mi­ kroskopie«, in: Evidentia. Reichweiten visueller Wahrneh-

mung in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Gabriele Wimböck, Karin Leonhard und Markus Friedrich (Pluralisierung & Autorität, 9), Berlin 2007, S. 235–262, hier S. 235–237. 23 Vgl. Lernt Zeichnen! Techniken zwischen Kunst und Wissenschaft. 1525 – 1925, hrsg. von Maria Heilmann, Nino Nanobashvili, Ulrich Pfisterer und Tobias Teutenberg, Passau 2015. 24 Grundlegend zum Universitätszeichenlehrer vgl. Elke Schulze, Nulla dies sine linea. Universitärer Zeichenunterricht – eine problemgeschicht­liche Studie (Pallas Athene, 12), zugl. Diss. Humboldt Univ. Berlin, Stuttgart 2004. 25 Ebd., S. 32. 26 Ebd., S. 33. 27 Ebd., S. 37. 28 Ebd., S. 125–126. Zur Fotografie als Reproduktionsmedium von Kunst vgl. die verschiedenen Schriften von Dorothea Peters, beispielsweise Dorothea Peters, Der ­ungewohnte Blick. Fotografische Kunstreproduktion im 19. Jahrhundert (Humboldt-Schriften zur Kunst- und Bildgeschichte, 8), Berlin 2008; dies.: »Reproduced art. Early photographic campaigns in european collections«, in: The museum is Open. Towards a Transnational History of Museums 1750–1940 (Contact zones, 1), hrsg. von Andrea Meyer und Bénédicte Savoy, Berlin 2014, S. 45–57. 29 Vgl. Susanne Müller-Bechtel, Von allen Seiten anders. Die akademische Aktstudie 1650–1850, zugl. Habil.-Schrift TU Dresden 2015, Berlin 2018, S. 209. 30 Zu Formen und Einsatzmöglichkeiten diagrammatischen Arbeitens siehe u. a. Astrit Schmidt-Burkhardt, Die Kunst der Diagrammatik. Perspektiven eines neuen bildwissenschaft­lichen Paradigmas (Image, 103), Bielefeld 2017. Zur Diagrammatik in der Geschichte der Kunstgeschichte siehe Stil-Linien diagrammatischer Kunstgeschichte, hrsg. von Wolfgang Cortjaens und Karsten Heck (Transformationen des Visuellen, 2), Berlin München 2014. 31 An dieser Stelle muss darauf verzichtet werden, die Ergebnisse der Transformationsforschung ausführlich auf Beispiele anzuwenden. Eine Grundlage für solche Anwendungen bietet mit Definitionen verschiedenster Formen von Transformation der Band Transformation. Ein Konzept zur Erforschung kulturellen Wandels, hrsg. von Hartmut Böhme, München 2011. 32 Vgl. Latour 1990 (wie Anm. 4). 33 Curtis 2018 (wie Anm. 2), S. 40. 34 Vgl. Lorraine Daston, »Bilder der Wahrheit, Bilder der Objektivität«, in: Huber 2005 (wie Anm. 21), S. 117– 153.

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Curtis 2018 (wie Anm. 2), S. 39. Vgl. Rees 2015 (wie Anm. 3). 37 Vgl. Latour 1990 (wie Anm. 4). 38 Vor allem das Mikroskop übt auf Kunst- und Wissenschaftshistoriker eine große Anziehungskraft aus, vgl. u. a. die Beiträge: Leonhard 2007 (wie Anm. 22); Hole Rößler, »Mechanische Hand und künst­liches Auge«, in: Rheinsprung 11. Zeitschrift für Bildkritik, 2012, Ausg. 3, S. 44–65, Fußnoten Ausg. 21; Wittmann 2013 (wie Anm. 14). 39 Vgl. z. B. die Sammlung des Kardinals Valenti Gonzaga, Rom, Biblioteca Nazionale Centrale Vittorio Emanuele II., Inv. Nr. 68, banc. II.14, vgl. Simonetta Prosperi Valenti Rodinó, »La raccolta grafica«, in: Ritratto di una collezione. Pannini e la Galleria del Cardinal Silvio Valenti Gonzaga (Ausst. Kat. Mantua 2005), hrsg. von Raffaella Morselli, Mailand 2005, S. 271–285, mit Kat. 53a–h, S. 287–295. 40 Ausgewählte Literaturtitel zum Werkprozess: Veronika Birke, »Die Rolle der Zeichnung im künstlerischen Prozeß«, in L’arte del disegno. Christel Thiem zum 3. Januar 1997, hrsg. von Gunther Thiem, München 1997, S. 29–41; Dem künstlerischen Genius auf der Spur. Italienische Zeichnungen aus der Graphischen Sammlung der Museumslandschaft Hessen Kassel (Ausst. Kat. Kassel 2010–2011), hrsg. von Christiane Lukatis, Petersberg 2010; Art in the Making (Ausst. Kat.), hrsg. von Chris Fischer, Kopenhagen 2018. Für Zeichnungen im Werkprozess in den angewandten Künsten seien exemplarisch die Scheibenrisse erwähnt, die Glasmalerei vorbereiten, vgl. Ariane Mensger, Die Scheibenrisse der Staat­lichen Kunsthalle Karlsruhe, 2 Bde., Köln, Weimar und Wien 2012. 41 Vgl. Fischer 2018 (wie Anm. 40), S. 22–39. 42 Die Frage nach verarbeiteten Seherfahrungen ist schwer zu beantworten, da das Spektrum von der Inspiration aus dem Alltag bis zur Orientierung an Vorbildern reicht. Die Forschung reduziert oftmals die Frage auf die Suche nach dem einen Vorbild. Zur Verarbeitung vorbild­ licher Posen vgl. Müller-Bechtel 2018 (wie Anm. 29), Kap. 6.5.–6.6., S. 314–357. 43 Christiane Schachtner, »Eine Typologie des Zeichnens und Schreibens im Skizzenbuch«, in: SkizzenBuch­Geschichte[n]. Skizzenbücher der Staat­lichen Graphischen Sammlung München (Ausst. Kat. München 2018), hrsg. von ders. und Andreas Strobl, Berlin 2018, S. 16–61, hier S. 16. 44 Wendler 2008 (wie Anm. 5), S. 109, greift die Formulierung »motivische Verkettung der Zeichnungen untereinander« aus der Raffael-Literatur auf. Vgl. z. B. die 36

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Skizzen von Carlo Maratti für die Konzeption des Gemäldes Apoll und Daphne, siehe Müller-Bechtel 2018 (wie Anm. 29), S. 353–357. 45 Vgl. Lukatis 2010 (wie Anm. 40), S. 103–133. Ein ­Beispiel von Änderungswünschen nennt Peter Dreyer in: Römische Barockzeichnungen aus dem Berliner Kupferstichkabinett (Ausst. Kat.), hrsg. von dems., Berlin 1969, Kat. Nr. 27, Marco Benefial, Kompositionsentwurf, S. 17–18, Taf. 15. 46 Fischer 2018 (wie Anm. 40), Kap. 4, S. 70–95. 47 Wendler 2008 (wie Anm. 5), S. 112. 48 Fischer 2018 (wie Anm. 40), Kap. 5, S. 96–122. Aus kennerschaft­licher Warte beschäftigt sich mit Zeichnungen als Stechervorlagen: Regina Shoolman Slatkin, »Some Boucher Drawings and Related Prints«, in: Master Drawings, 10, 1972, S. 264–283. 49 Zu produktiven und rezeptiven Prozessen beim Kopieren von Aktstudien vgl. Müller-Bechtel 2018 (wie Anm. 29), S. 201–207. 50 Zur Rolle des Zeichnens in der (akademischen) Künstlerausbildung vgl. Müller-Bechtel 2018 (wie Anm. 29), S. 56–60. Grundlegend: Wolfgang Kemp, »… einen wahrhaft bildenden Zeichenunterricht überall einzuführen«. Zeichnen und Zeichenunterricht der Laien 1500–1870. Ein Handbuch (Beiträge zur Sozialgeschichte der ­ästhetischen Erziehung, 2), Frankfurt am Main 1979. Zuletzt: Nino Nanobashvili, Die Ausbildung von Künstlern und Dilettanti. Das ABC des Zeichnens, zugl. Diss. Univ. München 2017, Petersberg 2018. 51 Vgl. Disegno. Der Zeichner im Bild der Frühen ­Neuzeit (Ausst. Kat. Berlin 2007–2008), hrsg. von Hein-­Theodor Schulze Altcappenberg und Michael Thimann, mit Heiko Damm und Ulf Sölter, Berlin 2007, Kat. Nr. 14–22. 52 Vgl. Tacke 2006 (wie Anm. 12), S. 105–106. 53 Nikolaus Pevsner, Die Geschichte der Kunstakademien, München 1986 (engl. Originalausgabe: Academies of Art, Past and Present, 1940). 54 Vgl. Müller-Bechtel 2018 (wie Anm. 29), Kap. 3.2. 55 Kemp 1979 (wie Anm. 50), S. 122. 56 Vgl. Müller-Bechtel 2018 (wie Anm. 29), S. 57. 57 Vgl. ebd., S. 56. 58 Vgl. ebd., Kap. 4.9. 59 Vgl. Ekkehard Mai, Die deutschen Kunstakademien im 19. Jahrhundert. Künstlerausbildung zwischen Tradition und Avantgarde, Köln, Weimar und Wien 2010. 60 Vgl. den Beitrag von Anastasia Dittmann im vorliegenden Band. Claudia-Alexandra Schwaighofer, Von der

Kennerschaft zur Wissenschaft. Reproduktionsgraphische Mappenwerke nach Zeichnungen in Europa 1726–1857 (Münchner Universitätsschriften des Instituts für Kunstgeschichte, 6), zugl. Diss. München 2006, Berlin 2009, S. 109, verweist auf zahlreiche Mappenwerke nach Zeichnungen, die als Unterrichtsmaterial den Studierenden an der Münchner Akademie zum Ende des 19. Jahrhunderts zur Verfügung standen. 61 Punkt, Punkt, Komma, Strich. Zeichenlehrbücher in Europa, ca. 1525–1925 (Ausst. Kat. München 2014), hrsg. von Maria Heilmann, Nino Nanobashvili, Ulrich Pfisterer und Tobias Teutenberg, Passau 2014. Vgl. Müller-Bechtel 2018 (Friedrich Christian) (wie Anm. 12). 62 Vgl. Schachtner 2018 (wie Anm. 43). 63 Vgl. Schulze Altcappenberg und Thiman 2007 (wie Anm. 51), passim. 64 Raphael Rosenberg, Beschreibungen und Nachzeichnungen der Skulpturen Michelangelos. Eine Geschichte der Kunstbetrachtung (Kunstwissenschaft­liche Studien, 82), zugl. Diss. Univ. Basel 1996, München und Berlin 2000, S. 55. 65 Vgl. zu den Zeichnungen in Wien, Albertina, zuletzt Anne-Sophie Pellé, »Sulle tracce di Apollo: Dürer e Mantegna«, in: Dürer e il Rianscimento tra Germania e Italia (Ausst. Kat.), hrsg. von Bernard Aikema und Andrew John Martin, Mailand 2018, S. 66–79. 66 Christel Thiem, Das römische Reiseskizzenbuch des Florentiners Giovanni Battista Naldini 1560/61, München und Berlin 2002 (einzelne Blätter unterschied­licher Sammlungen). Die Reisetagebücher Schickhardts sind erhalten in Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. hist. qt. 148a–d, vgl. Heinrich Schickhardt. Baumeister der Renaissance. Leben und Werk des Architekten, Ingenieurs und Städteplaners (Ausst. Kat. Stuttgart 1999–2000), hrsg. von Sönke Lorenz und Wilfried Setzler, Leinfelden-Echterdingen 1999. Francesco Borromini, Aufriss des Hauptschiffes der Lateransbasilika vor dem Umbau, nächst dem Chor, Längsschnitt, schwarzer Stift auf Papier, 664 × 484 mm, Berlin, Staat­liche Museen, Kunstbibliothek, Hdz. 4467. 67 Zum Zeichnen nach Antiken kann hier nur eine Auswahlliteratur aufgeführt werden: Zeichner sehen die Antike. Europäische Handzeichnungen 1450–1800 (Ausst. Kat.), hrsg. von Matthias Winner, Berlin 1967; Pier Paolo Quieto, »Giovanni Domenico Campiglia, Mons. Bottari e la rappresentazione dell’Antico«, in: Labyrinthos, III, 5/6, 1984, S. 3–36; Susanne Müller-Bechtel, »Mengs y el dibujo como medio para comprender la Antigüedad«, in: Anton

Raphael Mengs y la Antigüedad (Ausst. Kat. Madrid 2013– 2014), hrsg. von Almudena Negrete Plano, Madrid 2013, S. 38–49; Drawn from the Antique. Artists & the Classical Ideal (Ausst. Kat. Haarlem/London 2015), hrsg. von ­Adriano Aymonino, London 2015; Arnold Nesselrath, »›Zeichner sehen die Antike‹«, in: Phönix aus der Asche. Bildwerdung der Antike – Druckgrafiken bis 1869 (Ausst. Kat. München 2019) (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München, 50), hrsg. von Ulrich Pfisterer und Cristina Ruggero, Petersberg 2019, S. 354–371. 68 Ingo Herklotz, Cassiano Dal Pozzo und die Archäologie des 17. Jahrhunderts (Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, 28), zugl. Habil.-Schrift Univ. Konstanz 1996, München 1999, siehe hier auch S. 119; Paper Palaces. The Topham Collection as a source for British NeoClassicism (Ausst. Kat.), hrsg. von Adriano Aymonino, Lucy Gwynn und Mirco Modolo, Windsor 2013. 69 Daniela Mondini, Mittelalter im Bild. Séroux d’Agincourt und die Kunsthistoriographie um 1800 (Zürcher Schriften zur Kunst-, Architektur- und Kulturgeschichte, 4), zugl. Diss. Zürich Univ. 2002, Zürich 2005; Ingrid R. Vermeulen, Picturing Art History. The Rise of the Illustrated History of Art in the Eighteenth Century, Amsterdam 2010. Vgl. Susanne Müller-Bechtel, Die Zeichnung als Forschungsinstrument. Giovanni Battista Cavalcaselle (18191897) und seine Zeichnungen nach Wandmalerei in Italien vor 1550, zugl. Diss. LMU München 2006, München und Berlin 2009. 70 Das Schöne soll man schätzen. Carl Julius Milde, Lübecks erster Denkmalpfleger, zeichnet nach mittelalter­licher Kunst (Ausst. Kat.), hrsg. von Sylvina Zander, Lübeck 1987; Matthias Noell, »Denkmalsammlungen, Denkmalarchive. Zur Rolle der Fotografie in den Denkmalinventaren des 19. und frühen 20. Jahrhunderts«, in: Architektur Fotografie. Darstellung – Verwendung – Gestaltung, hrsg. von Hubert Locher und Rolf Sachsse (Transformationen des Visuellen, 3), Berlin 2016, S. 24–39, verweist darauf, dass die Fotografie schnell als Bildmedium in Denkmalinventare integriert wurde. 71 Müller-Bechtel 2009 (wie Anm. 69). 72 Vgl. ebd. und Wittmann 2013 (wie Anm. 14), S. 52– 53, zur Professionalisierung des Blickes beim Zeichnen in den Wissenschaften. 73 Selbst im Falle der Farbreproduktionen war zum Ende des Jahrhunderts die Notwendigkeit des Erstellens von Grisaille-Kopien als »neutrale« Vorlagen für die Reproduktion nicht mehr notwendig, vgl. Helmut Hess,

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»Wiederholungen unter ›Hinweglassung jeder Farbe‹. Die Grisaille-Kopie als Transkriptionshilfe in der frühen Reproduktionsfotografie«, in: Nichts Neues schaffen, hrsg. von Antonia Putzger, Marion Heisterberg und Susanne Müller-Bechtel, Berlin 2018, S. 175–190, Taf. XI. 74 Vgl. Kunstwerk – Abbild – Buch. Das illustrierte Kunstbuch von 1730 bis 1930, hrsg. von Katharina Krause und Klaus Niehr, München 2007. 75 Vgl. Johannes Rößler, »Das Notizbuch als Werkzeug des Kunsthistorikers. Schrift und Zeichnung in den Forschungen von Wilhelm Bode und Carl Justi«, in: Hoffmann 2008 (wie Anm. 8), S. 73–102. 76 Dieser Prozess lässt sich an erhaltenen Notizbüchern als »Werkzeug des Kunsthistorikers« ablesen, vgl. Rößler 2008 (wie Anm. 75). 77 Vgl. Schulze 2004 (wie Anm. 24), S. 185. 78 Vgl. Rößler 2008 (wie Anm. 75). 79 Vgl. ebd. 80 Vgl. Schulze 2004 (wie Anm. 24). 81 Vgl. Claus Volkenandt, »Bildfeld und Feldlinien. Formen des vergleichenden Sehens bei Max Imdahl, Theodor Hetzer und Dagobert Frey«, in: Vergleichendes Sehen, hrsg. von Lena Bader, Martin Gaier und Falk Wolf (eikones), München, Paderborn 2010, S. 407–430. Dem Beitrag ist nicht zu entnehmen, ob Hetzer, Frey und Imdahl die zeichnerischen Werkanalysen eigenhändig durchführten, und wenn ja, ob diese wertvollen Quellen erhalten sind. 82 Curtis 2018 (wie Anm. 2), S. 39. 83 Vgl. Jérémie Koering, »Au moyen du trait. Meyer Schapiro et le dessin comme outil épistémologique«, in: Les cahiers du Musée National d’Art Moderne, 136, 2016, S. 74–111; ders., »Au moyen du trait, 2. Louis Marin et le dessin comme outil théorique«, in: Les cahiers du Musée National d’Art Moderne, 142, 2017/18, S. 84–102; ders., »Au moyen du trait, 3. Hubert Damisch et le dessin comme outil analytique«, in: Les cahiers du Musée National d’Art Moderne, 149, 2019, S. 4–20; ders. »Dessiner voir. Leo Steinberg et l’enquête graphique«, in: Leo Steinberg Now. Il pensiero attraverso gli occhi, hrsg. von Guillaume Casse­grain [u. a.], Rom (im Druck). Entsprechende ­Materialien haben sich im Getty Research Institute, Los Angeles, in der Rare Books and Manuskript Library der Columbia University, New York, und im INHA, Paris, erhalten. 84 Los Angeles, The Getty Research Institute, Special Collections, Julius S. Held Papers, Series VI. (Travel notes, sketches, and letters, 1925–1983, undated 1.67 Linear Feet), vgl. Koering/Publikation in Vorbereitung (wie Anm. 13).

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85 Ich beschränke mich hier auf Aussagen zum deutschsprachigen Raum. 86 Vgl. Stefanie Klamm, »Sammeln – Anordnen – Herrichten: in: Vergleichendes Sehen, hrsg. von Lena Bader, Martin Gaier und Falk Wolf (eikones), München, Paderborn 2010 (wie Anm. 81), S. 382–405. 87 Italien so nah. Johann Anton Ramboux (1790–1866) (Ausst. Kat. Neuss 2016), hrsg. von Ulf Sölter, Köln 2016. 88 Vgl. »Editorial«, in: Bildendes Sehen, hrsg. von Karsten Heck (Bildwelten des Wissens, 7, 1), Berlin 2009, S. 8. 89 Vgl. den Beitrag von Alexandra Axtmann im vorliegenden Band. 90 Zur Bauakademie vgl. z. B. Christiane Salge, »Ästhetik versus Wissenschaft. Die Entwurfsausbildung an der Bauakademie in Berlin (um 1800)«, in: Wissenschaft ­Entwerfen, hrsg. von Sabine Ammon und Eva Maria Frosch­auer (eikones), München 2013, S. 384–414. 91 Vgl. Rainer K. Wick, »Analysen alter Meister – Von Hölzel zu Itten«, in: BildGeschichte. Facetten der Bildkompetenz, hrsg. von Stefan Hölscher, Rolf Niehoff und Karina Pauls (Artificium, 38), Oberhausen 2012, S. 27–41. 92 Ebd., S. 33. 93 Vgl. ebd. und auch Rößler 2008 (wie Anm. 75), bezüglich der subjektiven Erfahrungen beim Notizbuchführen. Vgl. meine Ausführungen oben. 94 Adolf Max Vogt, »Das interesselose Wohlgefallen am Fach Kunstgeschichte«, in: 125 Jahre Institut für Kunstgeschichte Universität Stuttgart, hrsg. von Johannes Zahlten (Reden und Aufsätze, 41), Stuttgart 1991, S. 9–27, hier S. 26. 95 Hans Christian Hönes, »Reproduktionen des Lichtbilds – Max Hauttmanns ›zeichnerische Operationen‹«, in: Rundbrief Fotografie, 20, 2, 2013, S. 18–24, hier S. 19–21. Vgl. den Bericht über einen vergleichbaren Einsatz von Beamer und Whiteboard im Korrekturprozess von 3DModellen bei Peter Heinrich Jahn, Markus Wacker und Dirk Welich, »Back to the Future. Visualizing the Planning and Building of the Dresden Zwinger from the 18th until the 19th Century«, in: Virtual Palaces, Part II: Lost Palaces and their Afterlife. Virtual Reconstruction between Science and Media, hrsg. von Stephan Hoppe und Stefan Breitling, PALATIUM e-Publications 3. 2016. Reprint: arthistoricum.net, 2016, https://doi.org/10.11588/arthistoricum.83.79, S. 267–301, hier S. 283–284 (01.03.2021). 96 Hönes 2013 (wie Anm. 95), S. 19. 97 Los Angeles, The Getty Research Institute, Special Collections, Myra Dickman Orth research papers (1952– 2003), Series I (Education, 1952–1995), A. Course note-

books, 1954–1995, box 4 (other notebooks and documentation, 1971–1992), folder 1, students note book: Seventeenth century, Courtauld Lectures, 1972–3. Ich danke Jérémie Koering (Fribourg) für den Hinweis auf diese Materialien. Vgl. Susanne Müller-Bechtel, »Collect«, in: Koering/Publikation in Vorbereitung (wie Anm. 13). 98 Ich danke Gudula Metze (München: Elementares Zeichnen für Kunsthistoriker) und Elisabeth Hipp (Tübingen, Zeicheninstitut) für die Hinweise. 99 Vgl. Seminar für künstlerisch-ästhetische Praxis (»Menzel-Dach«), in: kunstgeschichte.hu-berlin.de, https: //www.kunstgeschichte.hu-berlin.de/institut/menzel-dach/ (01.03.2021). 100 https://uni-tuebingen.de/universitaet/campusleben/ kunst-kultur-und-freizeit/zeicheninstitut/ (01.03.2021). 101 Elke Bippus, »Skizzen und Gekritzel. Relationen zwischen Denken und Handeln in Kunst und Wissenschaft«, in: Logik des Bild­lichen. Zur Kritik der ikonischen Vernunft, hrsg. von Martina Hessler und Dieter Mersch, Bielefeld 2009, S. 76–93, hier S. 77.

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Nach der Natur lernen. Bildmedien im akademischen ­Zeichenunterricht Anastasia Dittmann

»Das eingehende und unausgesetzte Studium der Natur in Verbindung mit dem der Antike und der alten Meister und ein umfassender und vielseitiger Unterricht in den Hülfswissenschaften der bildenden Künste sollen die Grundlagen des Vorbereitungs-Unterrichts sein […].«1

Das Erbe des Klassizismus im künstlerischen Curriculum

Der Lehrplan an den meisten Kunstakademien orientierte sich am Pariser Vorbild. Der akademische Unterricht war auf das Kopieren von Zeichnungen sowie das Zeichnen nach Gipsabgüssen und nach dem lebenden Modell ausgerichtet.2 Besonders das Studium antiker Gipsabgüsse und das streng reglementierte Aktzeichnen nach dem lebenden Modell haben das Curriculum von Eleven an Kunstakademien wie kein anderes Lehrfach bestimmt: die Abgüsse, weil sie bereits in der Antike verbreitet waren und seit dem 15. Jahrhundert von Gelehrten und Künstlern als Modelle und Vorlagen rezipiert worden sind; das Aktzeichnen, weil es zum Kernstück des akademischen Zeichenunterrichts gehörte und erst nach dem Kopieren druckgrafischer Werke Alter Meister und antiker Abgüsse folgte.3 Zeichnungen von berühmten Antiken Roms gehören zu den frühesten Motiven, die Künstler zu Studienzwecken für eigene Entwürfe

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anfertigten. In einem vor 1509 entstandenen Skizzenbuch aus dem Umkreis der Werkstatt von Domenico Ghirlandaio (1449–1494) sind beispielsweise zwei Skizzen des Apolls vom Belvedere überliefert, die seine Aufstellung vor der Versetzung in den vatikanischen Cortile delle Statue dokumentieren und die antike Statue in ihrem Zustand vor der Restaurierung durch Giovanni Montorsoli (1507–1563) zeigen.4 Die »Infallibilität antiker Standardwerke«5, wie Georg Daltrop es formuliert hat, bezeugen auch die Geschichte und unterschied­lichen Funktionsweisen von fürst­lichen Abguss-Sammlungen. Die Düsseldorfer Residenzgalerie des Kurfürsten Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg kann als typische Form einer solchen Sammlung betrachtet werden.6 Ursprünglich als barocker Typus einer höfischen Galerie angelegt, mit dem ein prestige­träch­tiges Sendungsbewusstsein vermittelt werden sollte, wurden die Düsseldorfer Abgüsse nach dem Tode Johann Wilhelms im Jahre 1716 sukzessive nach Mannheim transportiert und dort an verschiedenen Orten untergebracht. Ein Teil der Sammlung, bestehend aus circa 60 Exponaten, gelangte als Stiftung in die Mannheimer Zeichenakademie und bildete den Grundstock des Antikensaals, der auch von einer breiten Öffentlichkeit besichtigt werden konnte.7 Viele andere Sammlungen weisen eine ähn­liche Genese ihrer Nutzung auf, die später schließlich in den Verantwortungsbereich von Universitäten übertragen worden ist.8 Walter Grass­

kamp bemerkt zu Recht, dass Sammlungen antiker Abgüsse bereits während ihrer Blütezeit im 18. Jahrhundert drei wesent­liche Veränderungen ihrer Zweckbestimmung erfahren haben: als höfische Sammlung, als Studienmaterial und schließlich als öffent­liches Museum. Damit ist nicht nur die »Reproduzierbarkeit von Kunst im technischen Zeitalter« beispielhaft veranschaulicht, sondern auch die Rezeption von Bildmedien in der Gestaltungsform und Ästhetik von Abgüssen längst verlorener Originale.9 Bis weit in das späte 19. Jahrhundert sollte die Wertschätzung des Mediums Abguss als Hilfsmittel der Kunsterziehung und Geschmacksbildung überwiegend positiv ausfallen. Der Gipsabguss war ein massenhaft verbreitetes Produkt. Als Exponat zur allgemeinen »Vergegenwärtigung der Menschheitsgeschichte in der musealen Kunst- und Kulturentwicklung« diente er der Geschmacksbildung und prägte ein enzyklopädisches Sammlungsverständnis, das sich von der bloßen Anschauung der Objekte hin zur Dokumentation des Dargestellten entwickelt hat.10 Am Beispiel der Mannheimer Sammlung beobachtet man neben dem Bildungsanspruch humanistischer Prägung auch deut­liche Merkmale neuzeit­lichen Mäzenatentums. Rund drei Jahrzehnte nach ihrem Transfer nach Mannheim gelangte die Abguss-Sammlung infolge eines Wechsels in der Wittelsbacher Erbschaft nach München und war dort aus Platzmangel zunächst kaum gewürdigt oder pfleglich behandelt worden. Wie Eugen von Stieler in der ersten Akademiechronik von 1909 berichtete, wären »die mit großen Kosten aus Paris, Rom und Mannheim beschafften Gipsabgüsse« in einem »zum Teil recht verwahrlosten Zustand in einem Raum des Ballhauses untergebracht, in dem sie, da sämt­liche Fenster zerbrochen waren, dem Regen und Schnee ausgesetzt, der Zerstörung entgegengingen.«11 Auch lagere der größere Teil der Abguss-Sammlung seit Jahren verpackt in Kisten, gleichwohl bereits weitere Abgüsse

Abb. 1 Anton von Werner, Venus de’ Medici, 1866, Kohlezeichnung, 60,5 × 47 cm

in Rom und Paris bestellt wären.12 Allein die Anschaffung der monumentalen Dioskuren-Gruppe von Monte Cavallo, die einen Großteil des Jahresetats der Akademie verbrauchte, zeigt die Bedeutung des Antikenstudiums, die man in München vorsah. Die Aufsicht über den Antikensaal und die Korrekturen der Studienarbeiten gehörte zu den lästigsten Aufgaben, zu denen sich die Professorenschaft bereit erklärte, die sich sogar gegen die »Uebernahme eines so geisttödtenden und zeitraubenden Geschäfts wie […] die Beaufsichtigung von Anfängern und die Correctur ihrer Arbeiten«13 wehrte. Die Berliner Akademie, die 1696 gegründet worden war, besaß bereits seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert eine ansehn­liche Sammlung anti-

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ker Gipse. Während eines verheerenden Brandes im Jahr 1743 wurde fast die gesamte Sammlung vollständig zerstört. Folgt man den Akten aus dem Preußischen Geheimen Staatsarchiv, waren die von König Friedrich I. aus Rom beschafften Abgüsse mit päpst­licher Genehmigung nach den besten vatikanischen Originalen abgeformt worden.14 Während der Regentschaft von König Friedrich II. konnte man aus Geldmangel zunächst keine Ankäufe aus dem Bestand anderer Akademien oder weitere Lieferungen aus Rom tätigen. Anton von Werner, der spätere Direktor der König­lichen akademischen Hochschule für die Bildenden Künste in Berlin, erinnerte sich, dass er während seiner Studienzeit in Berlin für die Zeichnung einer lebensgroßen Antike beinahe ein ganzes Jahr benötigte, da nur an zwei Tagen die Woche im Antikensaal gezeichnet werden konnte.15 Eine in das Jahr 1866 datierte Kohlezeichnung der Venus de’ Medici ist in bezeichneter Weise nicht während seiner Studienzeit an der Berliner Akademie entstanden, sondern zwischen seinen zwei Paris-Aufenthalten (Abb. 1). Aufgrund der limitierten Öffnungszeiten begegnete Anton von Werner im Berliner Antikensaal nicht wenigen ›Veteranen‹, die schon viele Jahre in dieser Klasse zeichneten.16 Bis zum letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, bevor das Naturstudium das akademische Curriculum maßgeblich erneuern sollte,17 erfuhren die Wertschätzung von Abguss-Sammlungen und die Bedeutung des Antikenstudiums kaum gravierende Einbrüche. Trotz permanenter Raumnot in den Antikensälen blieb der Gipsabguss vorerst ein bewährtes Hilfsmittel, um Studienanfänger in die akademische Lehre einzuweisen. Das »dialektische Abhängigkeitsverhältnis zur Antike«18 geriet hingegen aufgrund der Unansehnlichkeiten des Materials und der jahrzehntelangen unsachgemäßen Bestandserhaltung in Verruf. Staubablagerungen, Imprägnierungsversuche mit Öl oder Wachs sowie Bruchstellen infolge unsachgemäßer Transporte

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beschädigten die glatte, reinweiße Oberfläche der Gipsabgüsse und führten zwangsläufig zu ihrer Marginalisierung. Während man im musealen Kontext Ausschreibungen zur Restaurierung der Gipse vorantrieb,19 waren an den Akademien derartige Maßnahmen weder finanzierbar noch dauerhaft von Interesse, wie die zahlreichen rot markierten Streichungen in den Inventaren bezeugen: Sie waren unbrauchbar und wertlos geworden.

Vorlagensammlungen als didaktisches Hilfsmittel

Die dominante Rolle von Gipsabgüssen im Curriculum der künstlerischen Ausbildung ist nicht nur aufgrund der reformbedürftigen Vorbereitungsklassen (insbesondere das Antikenstudium betreffend) oder wegen der Probleme bei der Bestandserhaltung der Gipse zum Ausgang des 19. Jahrhunderts in Frage gestellt worden; mit der Erfindung der Fotografie kam eine neue Technik auf, die das Studium von Kunstwerken revolutionieren sollte.20 Da die Belichtungszeiten in der Pionierzeit des Mediums noch verhältnismäßig lang waren, eigneten sich zunächst nur unbeweg­liche Motive aus der Plastik, der Architektur, dem Kunstgewerbe oder Kunstreproduktionen nach Werken Alter Meister. Die Objekte konnten mit Hilfe fotografischer Bildvorlagen unabhängig von ihrem Standort studiert werden. Herman Grimm legte in einem Artikel aus dem Jahr 1865 die Notwendigkeit »einer photographischen Bibliothek für das gesamte kunstgeschicht­ liche Material« dar und betonte, dass trotz aller Befürchtungen einer geringen Haltbarkeit der Fotografien »bei der nöthigen Vorsicht jedoch haltbare Blätter herzustellen seien.«21 Bereits wenige Jahre nach der Veröffent­lichung der Daguerreotypie in Paris empfahl William Henry Fox Talbot dem British Museum in London die Anschaffung von Fotografien zur Nachbereitung von archäologischen Ausgrabungen und zum Zwecke kunstwissenschaft­

licher Formanalysen.22 Erste und sehr aufwendige Fotokampagnen zum Aufbau von fotografischen Sammlungen sind bereits seit den 1850er Jahren durchgeführt worden: die vom französischen Innenministerium beauftragte Mission héliographique zur Dokumentation herausragender nationaler Bauwerke, das Sammelwerk kunstgewerb­licher Gegenstände aus der Privatsammlung des Freiherrn von Minutoli sowie ein Galerieband mit Werken Raffaels.23 Aufnahmen weit verstreuter Motive, von Schlüsselwerken der antiken und neuzeit­lichen Kunst sowie bis dato nur einem begrenzten Publikum bekannte Kunstreproduktionen aus Privatsammlungen gelangten auf diese Weise rasch in Ateliers und Akademien. War die Anschaffung von Gipsabgüssen nicht nur kostspielig und ihre Instandhaltung zeitaufwendig, so spielte auch stets ihre räum­liche Wahrnehmung beim Zeichenstudium eine entscheidende Rolle.24 Seit dem 18. Jahrhundert betrachtete man einfallendes Nordlicht für zwingend notwendig, um die antiken Meisterwerke angemessen studieren zu können. Auch die Möglichkeit, die Statuen von allen Seiten betrachten zu können, galt als obligatorisch. Ruft man sich die Situation des Münchener Antikensaals in Erinnerung, steht die Frage im Raum, in welchem Zustand die Teilnehmer der Vorbereitungsklassen auf die Antiken getroffen sind und ob diese nicht bereits vor dem Aufkommen der Fotografie als »übriggebliebene Hilfsmittel«25 ihrer endgültigen Entsorgung ausgesetzt waren. Bereits die Aufstellung der Antiken im vatikanischen Cortile del Belvedere reduzierte die Statuen auf eine Hauptansicht, die durch ihre Positionierung in Nischen bedingt war und dem zeitgenössischen Geschmacksurteil der Darstellung dienlich erschien.26 Aber auch die fotografische Reproduktion von antiken Kunstwerken sollte bis zur Jahrhundertwende nicht ohne Kritik hinsichtlich ihrer Qualität als Bildvorlage bleiben: Die ersten Pionierfotografen, die den unbewegten Zustand von antiken Statuen

Abb. 2 Brogi (Verlag), Venus de’ Medici, 25 × 18, 6 cm, um 1880

fotografisch zu erfassen suchten, fanden ihre Motive nicht immer an idealen Aufstellungsorten vor oder mussten unter Zeitdruck Aufnahmen produzieren. Durch die Auswahl der Ansicht, der Kameraposition zum Objekt oder der Lichtsituation ließen sich sowohl die Dreidimensionalität als auch die haptische Qualität der Oberflächenstruktur der Skulpturen auf eine plane Glasplatte übertragen. Erste Kritikpunkte an der Qualität der publizierten Fotografien namhafter Antiken aus Reisealben und Verlagspublikationen sind von Hermann Wilhelm Vogel und später Heinrich Wölfflin überliefert.27 Die Frage, »wie man Skulpturen aufnehmen soll«,28 diskutierte Wölfflin in der Zeitschrift für Bildende Kunst und bemerkte, dass nach Durchsicht zahlreicher Reproduktionen klassischer Kunstwerke nur wenige werkgetreue Ansichten vorlägen, die einer formanalytischen Einschätzung dienlich wären.

Nach der Natur lernen. Bildmedien im akademischen Z ­ eichenunterricht

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Abb. 3 Franz von Meyerheim, Akademie, Kohlezeichnung, 52 × 36,4 cm

Abb. 4 Franz von Meyerheim, Akademie, Kohlezeichnung, 52,5 × 42,4 cm

Man sähe die Eigeninitiative des jeweiligen Fotografen und er fand die weitverbreitete Meinung bestätigt, dass man Skulpturen von jeder beliebigen Ansicht aufnehmen könnte.29 Ein weiterer Faktor, der bei der Aufnahme von Skulpturen die Wahrnehmung des Betrachters beeinflusste, war der Kontext, in dem die Objekte präsentiert wurden. Im Gegensatz zum Kupferstich, der Lithografie oder der Handzeichnung vermochte es die Kamera nicht, ›störende‹ Details ihres Kontextes zu verbergen. Fotografen und Verleger von fotografischen Bildvorlagen begannen seit den 1860er Jahren damit, die Hintergründe mit opaker Asphaltlösung zu retuschieren, um den Aufnahmeort der Skulpturen zu verbergen und die Bildaussage auf das Objekt zu konzentrieren (Abb. 2).30 Forderten Kunstwissenschaftler einerseits den ›richtigen‹ Stand-

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punkt bei der Aufnahme von Skulpturen als unabdingbare Prämisse zur Stilanalyse, bedauerten Archäologen andererseits die durch Negativretusche erzeugte Neutralisierung der Konturen.31 Dorothea Peters fasst die janusköpfigen Eingriffe der Retuscheure als Authentizitätsverlust zusammen, der in den Augen vieler Künstler und Wissenschaftler ursprünglich ein über den Kupferstich erhabenes Qualitätsmoment fotografischer Vorlagen war.

Der Lehrmittelapparat erweitert sich: Études d’après nature

Das Aktzeichnen zählte zum didaktischen Kernstück des Zeichenunterrichts. Ein erfolgreicher Abschluss galt als Prüfung zur Zulassung für die höheren Klassen. Ziel der Aktzeichnung, auch als

Akademie bezeichnet, war die Nachbildung eines lebenden, gezeichneten oder modellierten Modells. Zu den grundlegenden Studienübungen gehörten der Stand-, Rücken-, und Liegeakt (Abb. 3–4).32 Beim Bewegungs- und Croquisakt (frz. für Skizze) sollte die Aufmerksamkeit auf die Raumverteilung und Perspektive gelenkt werden sowie auf die natür­lichen Bewegungsabläufe in abwechselnden Posituren.33 Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein sollte das Aktzeichnen ein Privileg von Kunstakademien bleiben und die Auswahl der Posituren namhaften Professoren erlaubt sein.34 Studenten, die außerhalb der Akademie Modelle in privaten Ateliers zeichneten, drohte eine aktenkundige Verwarnung. In den Aktklassen waren zunächst nur männ­­liche Modelle erlaubt. Erst ab den 1850er Jahren wurden auch weib­ liche Modelle zugelassen, die man bereits zuvor in privaten Abendateliers antraf.35 Zuerst erlernten die Eleven das Zeichnen nach Vorlagen, die aus den eigenen Schulbibliotheken und Lehrmittelsammlungen stammten. Das Kopieren antiker Gipsabgüsse fand im zweiten Schuljahr statt.36 Das Aktzeichnen nach lebenden Modellen wurde erst in der dritten Etappe erlernt.37 Der dreistufige Parcours geriet ähnlich wie die Antikenklasse gegen Ende des 19. Jahrhunderts in die Kritik. Bereits Wilhelm Tischbein (1751–1829) beklagte die gezwungenen Stellungen der Modelle: Beim Aktstudium, insbesondere bei stehenden Posituren, sollte man »auf die zufällige momentane Bewegung Acht geben«, damit jene »Theile zum Vorschein kommen, die man in der Ruhe« nicht aufzeichnen könne.38 Auch Denis Diderot stellte in einer Salonkritik aus dem Jahr 1765 fest, dass die Posituren des akademischen Zeichenunterrichts »gezwungen, zugerichtet, zurechtgerückt« wirkten und richtete an seine Leser die Frage, »was haben sie mit den Stellungen und Bewegungen der Natur gemeinsam?«39 Seit Mitte der 1860er waren sogenannte Études d’après nature erhältlich. Diese Fotografien waren

Abb. 5 Männ­liche Aktstudien, Kabinettkartenformat, Albuminpapier, 14,2 × 10,1 cm

als Lehrmittel und Vorlagen konzipiert und sollten unmittelbar im Unterricht genutzt werden, fanden aber auch als Werkvorlage oder Aide-mémoire Verwendung in den Ateliers von arrivierten Künstlern. Zu beliebten Motiven zählten neben Tieren und Naturaufnahmen insbesondere Aktdarstellungen.40 Fotografische Aktaufnahmen waren erheblich preisgünstiger als die Honorare oder Festanstellungen von Modellen (Abb. 5–6). Mit den fotografischen ›Zeichnungen der Natur‹ rückte das Motiv – und nicht primär das ästhetisch Schöne des Gegenstands – in den Fokus. Dominique Planchonde Font-Réaulx umschreibt diesen Effekt auf den Betrachter als »realité dévollée«.41 Im Vergleich zu den schulbezogenen Kunstsammlungen und Antikensälen waren Études d’après nature auch ein praktisches, ständig verfügbares und – bedenkt man

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Abb. 6 Männ­liche Aktstudien, Katalogblatt, Albuminpapier, 25,8 × 19 cm

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den Raumbedarf zum Studium einer lebensgroßen Antike – platzsparendes Lehrmittel. Zudem konnten die fotografischen Bildvorlagen durch die Schulbibliothekare mitbetreut werden. Als ein weiteres Medium hatten fotografische Bildvorlagen den Lehrmittelapparat für die künstlerische Ausbildung erweitert und durch die direkte Verwendung zu Unterrichtszwecken neue Arbeitsmethoden hervorgebracht; dies nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl an mög­lichen Posituren und Ansichten, die mittels der fotografischen Aufnahme ohne Zeitdruck studiert werden konnte.42

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1 Zur Jubelfeier 1696–1896: König­liche Akademische Hochschule für die bildenden Künste zu Berlin, Berlin 1896, zit. nach Anton von Werner, S. XXXIII. 2 Vgl. Nikolaus Pevsner, Die Geschichte der Kunstakademien, München 1986, S. 166. 3 Vgl. Frank Matthias Kammel, »Der Gipsabguss. Vom Medium der ästhetischen Norm zur toten Konserve der Kunstgeschichte«, in: Ästhetische Probleme der Plastik im 19. und 20. Jahrhundert, hrsg. von Andrea Kluxen (Schriftenreihe der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, 9), Nürnberg 2001, S. 47–72, hier S. 49; Pevsner 1986 (wie Anm. 2), bes. S. 104–106, auf denen der Autor das in Paris eingeführte »Monopol des Aktzeichnens« an der 1648 gegründeten Académie royale de peinture et de sculpture diskutiert. Auch in den Statuten von 1664 der Wiener Akademie der bildenden Künste wird bestimmt, dass das Aktzeichnen nur an der Akademie erlaubt sei. Vgl. Monika Knopfler, »Zeichnen nach dem Modell – Kontinuum und Bedeutungswandel, in: Das Bild des Körpers in der Kunst des 17. bis 20. Jahrhunderts, hrsg. von Monika Knopfler und Peter Weiermair, Salzburg 2000, S. 10–21, hier S. 12. 4 Fol. 53r und fol. 64r aus dem sogenannten Codex Escurialensis. Vgl. Hermann Egger und Christian Hülsen, Codex Escurialensis. Ein Skizzenbuch aus der Werkstatt Domenico Ghirlandaios, Wien 1906, S. 130–131 sowie S. 154–155; Matthias Winner, »Zum Apoll von Belvedere«, in: Jahrbuch der Berliner Museen, 10, 1968, S. 181–199; Francis Haskell und Nicolas Penny, Taste and the Antique. The Lure of Classical Sculpture 1500–1900, New Haven und London 1998, S. 148–151. 5 Georg Daltrop, »Antikensammlungen und Mäzenatentum um 1600 in Rom«, in: Antikenrezeption im Hochbarock, hrsg. von Herbert Beck, Berlin 1989, S. 37–58, hier S. 38. 6 Vgl. Nele Schröder, »Medium Abguss. Zwischen Massenprodukt und Unikat«, in: Antike Plastik 5.0://. 50 Jahre Forschungsarchiv für antike Plastik in Köln, hrsg. von Paul Scheding und Michael Remmy, Münster 2014, S. 192–200, hier S. 197. 7 Vgl. Hannelore Schreiter, Antike um jeden Preis: Gipsabgüsse und Kopien antiker Plastik am Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin und Boston, 2014, S. 56–60; Horst Meixner, »›Ein Wald voller Statuen‹ – Zur Wirkungsgeschichte des Antikensaals«, in: Mannheimer Geschichtsblätter, N. F. 2, 1995, S. 123–134. Die Liste prominenter Besucher des Mannheimer Antikensaals ist lang: Neben Johann Wolfgang von Goethe gehörten auch Friedrich Schiller sowie die Gebrüder Humboldt zu den ersten Besuchern.

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8 Vgl. u. a. beispielhaft die Geschichte der Berliner Abguss-Sammlung antiker Plastik nach ihrer musealen Präsentation im Neuen Museum: …von gestern bis morgen… Zur Geschichte der Berliner Gipsabguss-Sammlung(en) (Ausst. Kat. Berlin 2012‒2013), hrsg. von Nele Schröder und Lorenz Winkler Horaček, Rahden/Westfalen 2012. 9 Walter Grasskamp, »Der lange Abschied des Klassizismus«, in: Ist die Moderne eine Epoche? Kunst als Modell, hrsg. von dems., München 2002, S. 63–117, hier S. 65–66. 10 Kammel 2001 (wie Anm. 3), S. 54–58. 11 Eugen von Stieler, Die König­liche Akademie der Bildenden Künste zu München. Festschrift zur Hundertjahrfeier, München 1909, S. 13. 12 Ebd., S. 41–43. 13 Ebd., S. 96–98. 14 Claudia Sedlarz, »Die Gipssammlung der Berliner Akademie der Künste von 1750 bis 1815«, in: Schröder und Winkler-Horaček 2012 (wie Anm. 8), S. 29–50, hier S. 30. 15 Vgl. Gabriele Poggendorf, »Anton von Werner und die Geburt der Kunsthochschule«, in: »Die Kunst hat nie ein Mensch allein besessen« (Ausst. Kat.), hrsg. von der Akademie der Künste und der Hochschule der Künste, Berlin 1996, S. 295–303, hier: S. 296. 16 Vgl. Anton von Werner, Erlebnisse und Eindrücke, Berlin 1913; Anton von Werner, Jugenderinnerungen (1843– 1870), hrsg. von Dominik Bartmann, Berlin 1994. 17 Birgit Jooss, »Zwischen Antikenstudium und Meisterklasse: der Unterrichtsalltag an der Münchner Kunstakademie im 19. Jahrhundert«, in: Ateny nad Izarą: malarstwo monachijskie. Studia i szkice, hrsg. von Eliza Ptaszynska, Suwałki 2012, S. 23–45. 18 Grasskamp 2002 (wie Anm. 9), S. 64. 19 Vgl. Kammel 2001 (wie Anm. 3), S. 58–59. Wilhelm von Bode plädierte dafür, die Gipse in dem Farbton des Originals (Stein oder Bronze) zu bemalen, um sie gleichzeitig mithilfe einer schmutzresistenten Beschichtung zu erhalten. 20 Vgl. hierzu u. a. Dorothea Peters, »Auf Spurensuche. Giovanni Morelli und die Fotografie«, in: Zeigen und/oder Beweisen? Die Fotografie als Kulturtechnik und Medium des Wissens, hrsg. von Herta Wolf, Berlin 2016, S. 15–44; Erika Billeter, »Dialog zwischen Fotografie und Skulptur«, in: Skulptur im Licht der Fotografie. Von Bayard bis Mapplethorpe, hrsg. von Erika Billeter, Bern 1997, S. 15–36. 21 Herman Grimm, »Nothwendigkeit einer photographischen Bibliothek für das gesamte kunstgeschicht­liche Material«, in: ders., Über Künstler und Kunstwerke, 1, 2, 1865, S. 40.

22 Vgl. Mirjam Brusius, Fotografie und museales Wissen. William Henry Fox Talbot, das Altertum und die Absenz der Fotografie, Berlin und Boston 2015, S. 12–13. 23 Vgl. Anne de Mondenard, La Mission héliographique. Cinq photographes parcourent la France en 1851, Paris 2002; Dorothea Peters, »Musée Imaginaire am Beispiel von Belitskis Photographien der Sammlung Minutoli«, in: Zwischen Biedermeier und Gründerzeit: Deutschland in frühen Photographien 1840–1890 aus der Sammlung Siegert, hrsg. von Ulrich Pohlmann und Dieter Siegert, München 2012, S. 303–307; Jennifer Montagu, »›The Ruland/Raffael Collection‹«, in: Art History through the Camera’s Lens, hrsg. von Helene E. Roberts, Amsterdam 1995, S. 37–57. 24 Vgl. u. a. Heinz Ladendorf, Antikenstudium und ­Antikenkopie. Abhandlung der sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse, Berlin 1953. 25 Grasskamp 2002 (wie Anm. 9), S. 80; S. 94–95. 26 Vgl. Ekkehard Mai, Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier, Wolfratshausen 2002, S. 424. 27 Peters 2012 (wie Anm. 23), S. 291. 28 Vgl. Heinrich Wölfflin, »Wie man Skulpturen aufnehmen soll«, in: Zeitschrift für Bildende Kunst, 7, 1896, S. 224–228; 8, 1897, S. 294–297; 26, 1915, S. 237–244. 29 Wölfflin 1915 (wie Anm. 28), S. 224. 30 Peters 2012 (wie Anm. 23), S. 292–293. 31 Ernst Langlotz, »Über das Photographieren griechischer Skulpturen«, in: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, 94, 1979, S. 1–17, hier S. 2–3. 32 Vgl. Dictionnaire des arts de peinture, sculpture et gravure, hrsg. von Claude-Henri Watelet und Pierre-Charles Levesque, 5 Bde., Paris 1788–1791, Bd. 1, S. 1: »[…] une académie, est l’imitation d’un modèle vivant, dessiné, peint, ou modelé. Cette imitation a pour objet d’étudier particulièrement les forms & l’ensemble du corps humain, de s’exercer à ces études, ou de se préparer à quelque ouvrage projetté.« 33 Vgl. Knopfler 2000 (wie Anm. 3), S. 10–21, hier S. 13–14. 34 Pevsner (wie Anm. 2), 1986, S. 105–106. 35 Anne-Kathrin Herber, Frauen an deutschen Kunst­ akademien im 20. Jahrhundert, Heidelberg 2009, S. 50. 36 Vgl. Albert Boime, The Academy and French Painting in the Nineteenth Century, London 1971, S. 27–29. Mit dem Zeichnen à la bosse sollten in erster Instanz die feinen Nuancierungen der Oberflächeneffekte am weißen Marmor erlernt werden, die je nach Tageszeit und Aufstel-

lungsort variieren. Ziel dieser Ausbildungsstufe ist das ­ rlernen vorbild­licher Proportionen, die später bei der E Arbeit vor dem lebenden Modell als Denkstütze dienen. 37 Emmanuel Schwartz, »L’école des beaux-arts au XIXe siècle et l’enseignement d’après le modèle«, in: L’art du nu au XIXe siècle. Le photographe et son modèle, hrsg. von Sylvie Aubenas, Paris 1997, S. 12–23, hier S. 12. 38 Heinrich Wilhelm Tischbein: Aus meinem Leben, hrsg. von Carl Schiller [Erstdruck Braunschweig 1891], Berlin 1956, S. 223–224. 39 Denis Diderot. Ästhetische Schriften, 2 Bde., hrsg. von Friedrich Bassenge, Frankfurt am Main 1968, hier Bd. 1, S. 638. 40 Ulrich Pohlmann, »Körperbilder. Akte, Akademien, Anatomien«, in: Eine neue Kunst? Eine andere Natur!, hrsg. von Ulrich Pohlmann und Johann Georg Hohenzollern, München 2004, S. 70–97, hier S. 72. 41 Dominique Planchon-de Font-Réaulx: »La photographie comme modèle. ›Les études d’après Nature‹«, in: Autour du symbolisme. Photographie et peinture au XIXe siècle, hrsg. von Alain D’Hooghe und Christine de Naeyer, Antwerpen 2004, S. 59–68, hier S. 63. 42 Dietmar Schenk, »Hilfsmittel…in ausgiebigster Weise. Fotografien in den Sammlungen der Berliner Kunstakademie und Kunstgewerbeschule, in: Pohlmann und Hohenzollern 2004 (wie Anm. 40), S. 325–331, hier S. 331.

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»[Le] fournisseur de musées«. Die Kohledrucke der Maison Braun als Medien diskursiver Anschauung Franziska Scheuer

Der Kohledruck als ein ›Protomedium‹ der kunsthistorischen Projektion?

Nach seiner Tätigkeit für das Textilunternehmen Dollfus-Mieg & Cie. im elsässischen Mulhouse machte sich der Musterzeichner Adolphe Braun (1812–1877) im nahe gelegenen Dornach 1847 mit eigenem Atelier selbstständig.1 Der findige Unternehmer erprobte dort auch das junge Medium Fotografie zur Vorlagenherstellung für die ansässige Papier- und Textilindustrie. Schon in den 1850er Jahren konnte er seine fotografischen Blumen- und Jagdstillleben einer breiten Öffentlichkeit präsentieren und erntete bald künstlerische Anerkennung. Das Atelier von Adolphe Braun avancierte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Fotografenunternehmen von internationalem Rang, der sich vor allem auf den qualitätvollen Erzeugnissen, der ausgedehnten Kampagnenarbeit sowie steter technischer Innovationsbereitschaft gründete. Die ›Maison Braun‹ – das Familienunternehmen wurde nach dem Tod des Gründers durch seinen Sohn Gaston (1845–1928) weitergeführt – bot neben der klassischen Studioarbeit der Porträtfotografie ein wachsendes Portfolio von Architektur- und Landschaftsfotografien.2 Braun und seine Söhne machten sich zunächst durch imposante Fotografien benachbarter Gebiete wie der Schweiz einen Namen. 1869 erging an das Unternehmen die Einladung, die Einweihung des Suez-Kanals fotografisch festzuhalten. Es folgten vermehrt auch überregionale und internationale Kampagnen wie 1870/71 die Doku-

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mentation der Stellungen und Folgen des DeutschFranzösischen Krieges. In einem fotografischen Betätigungsfeld verbanden sich die Arbeitsmaximen des Unternehmens – höchste Qualitätsansprüche gepaart mit andauernder Begeisterung für fototechnische und -chemische Innovationen sowie ›Abenteuerlust‹ auch an logistisch aufwendigen Kampagnenreisen – in geradezu idealer Weise: nämlich dem der fotografischen Kunstreproduktion. Von 1866 bis mindestens in die 1920er Jahre fertigten Adolphe Braun, seine Nachfolger und Operateure Aufnahmen zunächst von Zeichnungen, ab den späten 1870er Jahren dann vermehrt auch von Gemälden, daneben Skulpturen und Plastiken in Museen und ­Pri­vat­sammlungen in Europa, Russland und schließlich den USA und boten diese als Abzüge im Verfahren des Kohledrucks an.3 Das Edeldruckverfahren war bereits 1855 vom französischen Fotopionier LouisAlphonse Poitevin (1819–1882) erfunden worden.4 Es beruht auf der Beigabe von Pigmenten – neben Kohle können auch andere zugesetzt werden – zur fotografisch sensibilisierten Gelatineschicht auf dem Trägerpapier. Im Falle monochromer Zeichnungen und Grafiken ist es möglich, durch Beimischung derselben oder der Originalfarbe durch Einfärbung ähn­licher Pigmente faksimileartige Ergebnisse zu erzielen. 1864 führte der Brite Joseph Wilson Swan (1828–1914) mit dem sogenannten doppelten Umkehrverfahren den ersten haltbaren Kohledruckprozess ein,5 für den Adolphe Braun

Abb. 1 Maison Braun, Léonard de Vinci. Buste de femme, de face. Florence. Galerie des Uffizii. Dessin (Braun-Nr.: 434), 1868 (Aufnahme), 1868/1870 (Abzug), Kohledruck, 37,2 × 25,9 cm (Bildmaß), 62,4 × 48,4 cm (Blattmaß), DDK

»[Le] fournisseur de musées«. Die Kohledrucke der Maison Braun

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Abb. 2 Maison Braun, Jan Brueghel, dit de Velours. L’Ouïe. Une nymphe et un genie se recreant avec la musique dans le palais des arts. Madrid. Musée du Prado. Peinture (Braun-Nr.: 1229), 1879/1881 (Aufnahme), 1881/1884 (Abzug), Kohledruck, 26,9 × 45 cm (Bildmaß), 54 × 70,2 cm (Blattmaß), DDK

zwei Jahre später das Patent für Frankreich und Belgien erwarb. Kunstreproduktionen im »unveränder­lichen«6 Kohledruck stellten den bedeutendsten Produk­ tionszweig innerhalb der Maison Braun dar;7 durch das topografisch weitreichende Angebot konnte sich die Firma auch gegen die internationale Konkurrenz, darunter die Fratelli Alinari und Edizioni Brogi in Florenz oder der in München ansässige Kunstverlag Franz Hanfstaengl, erfolgreich durchsetzen. Die in ihrer Herstellung aufwendigen und vergleichsweise kostspieligen Kohledrucke fanden Absatz in größerem Stil vor allem in Sammlungsund institutionellen Zusammenhängen, etwa in

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fürst­lichen Kollektionen, Kupferstichkabinetten und Museen.8 Auch Akademien und Künstler erwarben Kohledrucke zu Studienzwecken.9 Die qualitätvollen Kunstreproduktionen, mit denen das Fotografenunternehmen in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunächst die wichtigsten Werke der Grafik, Malerei und Skulptur der europäischen Kunstlandschaft und bald auch international abdeckte, waren zudem von großem Interesse für die sich parallel ausformende wissenschaft­liche Disziplin der Kunstgeschichte. Die frühen Fachvertreter, deren kenner­ schaft­liche Praxis beispielsweise der Händescheidung nur durch den Vergleich teilweise weit

verstreuter Originale möglich war, erfuhr durch die Kohledrucke der Maison Braun maßgeb­liche Erleichterung.10 Die Kunsthistoriker konnten selbst Abzüge erwerben und vor die Originale mit sich führen; alternativ war das wachsende »Musée imaginaire« des Fotografenunternehmens ab den 1880er Jahren in den Firmenniederlassungen zentral konsultierbar.11 Einblick in die Arbeit früher Vertreter des Faches gibt der Mäzen Edward Habich, der über die Besuche des »Braunschen Magazines« in der Avenue de l’Opéra Nr. 43 im Jahr 1886 gemeinsam mit dem italienischen Arzt und Kunsthistoriker Giovanni Morelli zum Zwecke der Überprüfung von Zuschreibungen berichtet.12 Berühmte Vertreter der jungen Forschungsdisziplin sind nicht nur als Verfasser der Vorworte zu den Gesamtkatalogen ab 1880 überliefert; sie waren aktiver Teil des regen Netzwerkes von Kunstforschenden, in dem sich Adolphe Braun und seine Nachfolger von Beginn der Kunstreproduktionstätigkeit bewegten, und hielten durch den Abdruck der von ihnen an den Kohledrucken gewonnenen Zuschreibungen unmittelbar Einzug in die historischen Verkaufskataloge der Firma.13 Während die Kohledrucke der Maison Braun als Untersuchungsgegenstände der frühen Fachvertreter der Kunstgeschichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und ihr besonderer Charakter als Substitute der Originalwerke bereits ausführ­liche Beachtung erfuhren und finden,14 steht eine Adressierung der Edeldrucke hinsichtlich ihrer spezifischen Materialität und nicht zuletzt Konfektionierungen, darauf aufbauend der sie bedingenden und begleitenden Anschauungstraditionen sowie ihrer Einsatzmöglichkeiten und -praktiken in der kunsthistorischen Lehre noch weitgehend am Anfang.15 Man könnte fast geneigt sein, den Kohledruck als ›Protomedium‹ der kunsthistorischen Lehre zu betrachten, an dem – nicht zuletzt in wachsenden Forschungsapparaten und auch Fototheken – Erkenntnisse im 19. Jahrhundert durch Vertreter der in Ausformung begriffenen Disziplin gedacht, gewonnen,

geprüft und diskutiert, verworfen oder erhärtet wurden, bevor sie ab der Wende zum 20. Jahrhundert für den Unterricht mit Lehrprojektionen ›taugten‹.16 Die Kohledruckproduktion der Maison Braun endete jedoch mitnichten im Aufkommen des Dia-Angebots, mit welchem das elsässische Fotografenunternehmen seinen Kunden ab dem Ende des 19. Jahrhunderts vermehrt aufwartete.17 Die Edeldrucke der Maison Braun behaupteten sich zudem über die Einführung der fotografischen Lichtbildprojektion hinaus hartnäckig nicht nur am Markt, sondern ebenfalls in der Lehre, wie in jüngerer Zeit am Beispiel Adolfo Venturis eindrücklich, wenn auch leider erst kursorisch, ins Feld geführt worden ist: Dieser stützte sich »[…] auf die von Braun bereitgestellten Photographien zur Begründung eines kunsthistorischen Forschungsapparats an der Universität Rom, wo er ab 1890 als Dozent und von 1901 bis 1931 als Professor lehrte. Ankäufe ergänzten die Sammlung, die den Studenten frei zugänglich war und ihnen alphabetisch geordnet nach Künstlernamen mehrere hundert Reproduktionen bereitstellte. In Seminaren versammelte Venturi die – häufig nicht mehr als 20 – Studenten um die Bilder, die er auf thematischen ›Lehrtafeln‹ strukturierte, auch als die Verfügbarkeit von Diapositiven bereits zum Frontalunterricht übergeleitet hatte.«18 Den Kohledrucken der Maison Braun kam offenbar ein spezifisches Lehrpotenzial zu, dem im Folgenden nachgespürt wird. Ihre Untersuchung als Gebrauchsmedien der visuellen Anschauung erfolgt zunächst hinsichtlich der Materialität und Wiedergabequalitäten, anschließend auch der Anschauungstradition, in welche sich die Objekte einordnen lassen.

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Die fotografische Erweiterung des Sammlungsrecueils

In der Fotografischen Sammlung des Deutschen Dokumentationszentrums für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg (DDK) befindet sich ein Bestand an Kunstreproduktionen der Maison Braun, anhand dessen sich die Materialität, Wiedergabequalitäten, aber auch Anschauungstraditionen der Kohledrucke aufgrund des schieren Umfangs der in ihm bewahrten Edeldrucke und ihrer Konfektionierungen sowie aufgrund der historischen Genese des Konvoluts besonders gut untersuchen lassen. Der Bestand von über 14 500 Edeldrucken – es handelt sich um eines der weltweit größten Konvolute an Kunstreproduktionen der Firma Adolphe Braun et Cie. – geht auf die Sammlung des Großherzogs Friedrich I. von Baden (1826–1907) zurück. Er begann 1867 mit dem Ankauf von Kohledrucken der Maison Braun, also im selben Jahr, als die Produktion in Dornach anlief. 1884 übergab er seine Sammlung an das ebenfalls von ihm gegründete Kupferstichkabinett der heutigen Staat­lichen Kunsthalle Karlsruhe, wo sie entschieden erweitert wurde.19 Von dort übernahm das DDK 1982 den Bestand. Er umfasst etwa 500 auf historische Kartons montierte Kohledrucke vor allem nach Zeichnungen aus den Gallerie degli Uffizi in Florenz, der Großherzog­lichen Sammlung in Sachsen-Weimar-Eisenach, dem Kunstmuseum Basel, der Albertina in Wien, der Biblioteca Ambrosiana in Mailand und dem Musée du Louvre in Paris, aber auch nach Gemälden des Museo del Prado in Madrid. Diese aufgezogenen Kohledrucke wurden – so der jüngste Stand der Forschung – durch Friedrich I. von Baden zwischen 1867 und 1889 angekauft (Abb. 1–2).20 Über 14 000 Kohledrucke des Bestandes sind hingegen lose. Sie müssen zu einem späteren Zeitpunkt vom Karlsruher Kupferstichkabinett hinzugekauft worden sein; ein kleiner Teil davon wurde nach der Übergabe an das DDK wohl in Marburg

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aufgezogen. Die nicht beziehungsweise nachträglich montierten Abzüge zeigen Louvre-Zeichnungen, daneben finden sich als Motive Fresken von Raffael und Michelangelo im Vatikan, Werke aus (Privat-)Sammlungen in Europa – darunter vor allem Frankreich und den heutigen Benelux-Staaten –, aus England, Russland und den USA (Abb. 3).21 Die Kohledrucke der Maison Braun waren grundsätzlich für eine Nutzung in konfektioniertem Zustand gedacht. Warum der Großteil der Kohledrucke, die das DDK vom Kupferstichkabinett der heutigen Staat­lichen Kunsthalle Karlsruhe 1982 übernahm, dort unaufgezogen geblieben war, ist noch unklar. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die losen Edeldrucke, die außerdem auch nicht auf die Motive beschnitten sind, nicht zu Anschauungszwecken verwendet wurden.22 Nach dem Abschluss der Entwicklung im doppelten Umkehrverfahren war das Bild nicht nur »zum Aufkleben fertig«, wie der Chemiker Paul E. Liesegang am Ende seiner zeitgenössischen Verfahrensbeschreibung Der photographische Kohle-Druck von 1868 erklärt.23 Eine Stabilisierung der Abzüge war für die Nutzung geradezu unentbehrlich, da lose Kohledrucke dazu tendieren, sich von den Seiten her einzurollen und das Betrachten damit unmöglich machen.24 Die Notwendigkeit des Kaschierens wurde verstärkt durch die großen Abzugsformate. Die faksimileartigen Grafik- und Zeichnungsreproduktionen wurden von der Maison Braun in der Größe der Originalwerke angeboten; für Reproduktionen nach allen Gattungen bestand zudem ein vielfältiges Formatangebot, das sich nach der kunsthistorischen Bedeutung des wiedergegebenen Werkes richtete und bis zu »extra großen« Abzügen reichte.25 Die Konfektionierung auf Karton konnte durch die Käufer der Kunstreproduktionen selbst und dann auch passend zur Montierung mög­licher bereits vorhandener Sammlungsobjekte angefertigt

Abb. 3 Maison Braun, Palma (Jacopo), dit Palma Giovine. Cinq croquis différents de deux hommes luttants. Paris. Musée national du Louvre. Dessin (Braun-Nr.: 62.421), vor 1871 (Aufnahme), Kohledruck, 21,4 × 28,5, DDK

werden. Alternativ bot die Maison Braun die Kohledrucke auch aufgezogen an, und zwar auf dickes Hadernpapier.26 Die Gestaltung der Trägerkartons wurde im Laufe der Zeit immer ausführ­licher; an die Stelle der Fertigung von Hand trat der Aufdruck von Informationen. Der Vergleich zwischen Braun’schen Kunstreproduktionen beispielsweise nach Werken der Grafik und Zeichnung aus verschiedenen Sammlungen zeigt jedoch deutlich, dass das Fotografenunternehmen von Beginn an ein ›Hausdesign‹ verwendete.27 Gerade die frühen Konfektionierungen der Maison Braun aus den 1860er und 1870er Jahren für fotografische Reproduktionen nach Werken der

Zeichnung und Grafik sind von besonderem Interesse für die Untersuchung der Kohledrucke als Medien kunsthistorischer Anschauung, imitieren sie doch eine nicht zuletzt durch ihre Montierungen sehr bekannte grafische Sammlung der frühen Neuzeit in Frankreich. Die Farbe der Kartons – in den frühesten Ausführungen ein helles Graublau28 –, die individuell handgezeichnete, mehrlinige und teilweise lasierend gefüllte Rahmung um den montierten Kohledruck herum sowie die ebenfalls in Tusche von Hand gezogene Kartuschrahmung, welche den Künstlernamen umgibt, erinnern stark an die aufwendige Gestaltung der Trägerkartons, die der Kupferstecher, Sammler sowie Kunst- und

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Abb. 4 Cavaliere d’Arpino (Giuseppe Cesari), Allegorische Darstellung des Ruhmes, um 1590, Grafik und rote Kreide, gehöht auf zartbraunem Papier, 25 × 15,9 cm (Bildmaß), ehem. Sammlung Pierre-Jean Mariettes, Metropolitan Museum of Art, New York, Zugangsnummer: 1986.318 (Gift of Mrs. Alfred H. Barr Jr., 1986)

vor allem Zeichnungs-Connaisseur Pierre-Jean Mariette (1694–1774) gewissermaßen als Corporate Design für seine Sammlung zeitgenössischer Zeichnungen entwarf und anlegte (Abb. 4).29 Besonders der Objektcharakter und die Trägerkartons der frühen Kohledrucke der Maison Braun aus den 1860er und 1870er Jahren nach Werken der Grafik und Zeichnung transportieren damit auch die Anmutung von Wertigkeit und gar Exklusi­ vität, welche die Käufer der kostspieligen Kunstreproduktionen unmittelbar angesprochen haben dürfte: In Form Braun’scher Kohledrucke war es

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möglich, sich ein ›eigenes‹ Grafikkabinett in einheit­licher Montierung zuzulegen. Dies galt im Übrigen auch für die Gemäldereproduktionen, die ab den 1880er Jahren zwar ein leicht abweichendes Konfektionierungsdesign aufweisen, jedoch der Einzelmontierung auf stabile Bildträger mit Rahmenwerk, Künstler- und Sammlungsangaben folgen (vgl. Abb. 2). Neben der Gestaltung der Trägerkartons als ›decorum‹ der Kohledrucke inspirierte Pierre-Jean Mariette den gelernten Musterzeichner Adolphe Braun offensichtlich auch in anderer Hinsicht, und

Abb. 5 Pierre-Jean Mariette, Description sommaire des desseins des grands maistres d’Italie, des Pays-Bas et de France, du cabinet de feu M. Crozat, avec des réflexions sur la maniere de dessiner des principaux peintres, Paris 1741, S. 9

zwar bezüglich der (fotografischen) Entgrenzung des Sammlungsrecueils. Ab etwa 1721 bereitete Mariette gemeinsam mit dem berühmten Financier, begeisterten Kunstsammler und ausgewiesenen -kenner Pierre Crozat (1661–1740) sowie anderen Connaisseuren und Stechern einen Kollektionen übergreifenden kritischen Katalog für Gemälde und Zeichnungen vor, dem ein umfassender Apparat an Reproduktionen beigebunden werden sollte. Das sogenannte Recueil Crozat erschien in zwei Bänden 1729 und posthum 1742.30 Es vereint eine kommentierte Auflistung der Gemälde und Zeich-

Abb. 6 Adolphe Braun, Milan. Bibliothèque Ambrosienne, Catalogue, Mulhouse 1868, S. 6

nungen »im Kabinett des Königs [von Frankreich, Anm. d. A.], in jenem des Monseigneur Duc d’Orléans und in anderen Kabinetten« und gilt in seiner enzyklopädischen Anlage und Perfektion der Ausführung der Kupferstiche als ein Pionierwerk der Kunstbuchproduktion.31 Das in seiner Herstellung äußerst aufwendige Kompendium – die Vorbereitungen zum Stechen nach den Originalen umfassten Vorzeichnungskampagnen in den Sammlungen32 – zeichnet sich jedoch übergeordnet durch den »langfristige[n] Ansatz [aus], adäquate und mitunter hervorragende Reproduktionen von gro-

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ßen Meisterwerken zugänglich zu machen.« Diese aus dem Konzept des Sammlungskatalogs geborene Idee der Popularisierung bedeutender Kunstbestände bestimmte letztlich auch die Vision des vielzitierten, fotografischen »Musée imaginaire« Adolphe Brauns und seiner Nachfolger.33 Um die Parallelen der beiden Unternehmungen nachvollziehen zu können, ist es unabdingbar, die Braun’schen Kohledrucke als Teil eines Informations- und Studiensystems zu sehen, und auch die historischen Kataloge der Firma zu beachten.34 Die von Kunsthistorikern durch regen Austausch in ihrer Entstehung begleiteten und kommentierten Publikationen dienten durchaus nicht nur der Auswahl der Blätter zum Verkauf, sondern halten – wie das Recueil Crozat – eine Werksübersicht nach Gattungen, anschließend nach Schulen und schließlich nach Künstlern bereit. Wohl mit Blick auf das Potenzial eines dergestalt entgrenzten, internationalen fotografischen Recueils entschied sich der Fotounternehmer Adolphe Braun jedoch für eine schlankere Anlage der Kataloge. Dem oben genannten Schema folgend – nach Nummern aufgelistet – bietet er pro Objekt keinen Beschreibungstext mehr, sondern jeweils Gattung, Schule, Künstler, einen beschreibenden Titel des Werkes, welcher die Auffindbarkeit der Objekte auch über Sprachgrenzen hinweg erleichterte, gegebenenfalls die Angabe, ob es sich um eine Studie handelt sowie im Falle von Werkserien die Anzahl der zugehörigen Objekte. Genau diese Systematik wiederum findet sich ebenfalls bei Mariette. 1741 fasste er nach dem Tode seines Freundes Crozat dessen Sammlung in einem eigenen Katalog zusammen.35 Ein direkter Vergleich zweier Seiten aus diesem Sammlungsrecueil sowie einem historischen Katalog der Maison Braun führt die Ähnlichkeiten in der Anlage unmittelbar vor Augen (Abb. 5–6).

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Der Kohledruck als Medium diskursiver Anschauung

Es ist essenziell, die Vision Adolphe Brauns von der fotografischen ›Inventarisierung‹ der weltweit bedeutendsten Sammlungen, aber auch die Konfektionierung der Kohledrucke in der Tradition frühneuzeit­licher grafischer Kabinette zu verstehen, um sich den Edeldrucken als Medien kunsthistorischer Anschauung und Lehre zu nähern: In die grafischen Sammlungen, aus denen die Originale durch den fotografischen Reproduktionsprozess gleichsam ›herausgelöst‹ und vereinzelt wurden, kehrten die Motive zu Anschauungszwecken in Form der Kohledrucke schließlich auch wieder zurück. Noch Ende des 19. Jahrhunderts beschrieb Paul Cézanne (1839–1906) das Museum als einen der Hauptabnehmer Braun’scher Edeldrucke, wie aus einem Bericht des Kunsthändlers Ambroise Vollard (1865–1939) hervorgeht. In seiner CézanneMonografie von 1915 zitiert letzterer ein Gespräch mit dem Künstler aus den 1890er Jahren: »Ce que Cézanne appelait ses Véronèse, ses Rubens, ses Lucas Signorelli, ses Delacroix, c’est-à-dire les images à un sou la pièce dont j’ai déjà parlé, était resté à Aix. Je dis, un jour, à Cézanne, qu’il pourrait avoir des reproductions très belles chez Braun. Il me repondit: ›Braun vends aux musées.‹ Il regardait comme un luxe de nabab d’acheter quelque chose à un fournisseur de musées.«36 Mit dem Verweis auf institutionalisierte, finanzkräftige Abnehmer Braun’scher Kunstreproduktionen – Cézanne dürfte sie Vollard gegenüber nicht zuletzt mit Blick auf die hohen Preise der Kohledrucke und in Abgrenzung zu ihm als Künstler betont haben37 – eröffnet der Maler zugleich den Blick auf die Anschauungspraxis der Fotopositive in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zu den Kundenkreisen der Mai-

son Braun, welche dem hochwertigen Programm an Reproduktionen nach internationalen Meisterwerken zusprachen, zählten in dieser Zeit neben Museen auch Kupferstichkabinette, Bibliotheken, akademische, adelige und zusehends auch fotografische (Lehr-)Sammlungen, welche sich an den Ordnungen der vorgenannten Institutionen orientierten.38 Die sammelnden Personen und Institutionen sahen sich in der Fotografie ab den 1840er Jahren einem neuen Medium zur Anlage von Referenzsammlungen gegenüber, dessen visuelle Wiedergabequalitäten sich erst noch erweisen mussten,39 das jedoch im Vergleich zur aufwendigen Herstellung von Stichen schier unbegrenzte Ergänzungs- und Vergleichsmöglichkeiten beispielsweise zur kennerschaft­lichen und stilgeschicht­lichen Verortung der vorhandenen Originale in Aussicht stellte. Das eindrucksvollste und mit Sicherheit berühmteste Beispiel für dieses Interesse stellt die Raffael-Collection des Prince-Consorts Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (1819–1861) dar, der 1853 Raffael-Zeichnungen in Florenz, Venedig und Wien als Referenzwerke seiner eigenen Sammlung an Originalen fotografieren und in Windsor Castle zusammenführen ließ. Die Raffael-Collection mag Pate gestanden haben für die Großherzog­liche Sammlung an Kohledrucken in Karlsruhe durch Friedrich I. von Baden,40 auch wenn ein Vergleich zwischen vorhandenen Originalen und erworbenen (fotografischen) Reproduktionen noch aussteht. In Fertigung, Vertrieb und Ankauf der Kohledrucke der Maison Braun fand letztlich eine ›Wanderung‹ nicht nur von Motiven, sondern auch von Objekten statt: In Sammlungen wurden Originale reproduziert, in andere Sammlungen fanden die fotografischen Reproduktionen als Objekte wiederum Eingang. Als Basis der visuellen, arbeitspraktischen, aber auch materiellen ›Integration‹ in die Nachbarschaft von Originalen aber auch Kopien anderer Hersteller diente und nutzte auch die Mai-

son Braun, wie am Vergleich mit den Mariet­ te’schen Kartons aufgezeigt, nicht nur den faksimileartigen Charakter der Kohledrucke, sondern auch die Einzelblattkonfektionierung grafischer Kabinette seit dem 18. Jahrhundert. Nach der Aufgabe des zuvor über zwei Jahrhunderte gebräuch­ lichen Klebebandes zum Schutz von Zeichnungen und Druckgrafiken – die Artefakte waren zu mehreren auf den Seiten der gebundenen Folianten aufgeklebt, was den Vergleich einzelner Originale fast unmöglich machte41 – wurden ab dem 18. Jahrhundert das Großformat des Buches zwar beibehalten, die Blattseiten jedoch lose belassen. Dies bildete die Basis zur Anlage von Ordnungssystemen, aber auch für den sie übergreifenden Vergleich von Objekten.42 In den Strukturen der Ablage und Konsultation der Sammlungen, allen voran des »Kabinetts«, liegt zugleich der Schlüssel zum Verständnis der Kohledrucke als Medien diskursiver Anschauung. Die auf sperrige Kartons aufgezogenen Objekte einer solchen Sammlung, ob privater oder musealer Natur, taugen nicht zur überblicksartigen, beliebig erweiterbaren Zusammenschau – handelt es sich nun um Originale, grafische oder fotografische Reproduktionen. Sie müssen jeweils aus der ›Nachbarschaft‹ ihrer Aufbewahrung entnommen und können nur in kleiner Zahl und kurzzeitig zur Verfügung gestellt werden. Noch heute ist dies in Kupferstichkabinetten ein exklusiver Vorgang getragen von einem Diskurs, das heißt spezifischen Fragestellungen der Forschenden, die einen solchen Aufwand rechtfertigen. Die Konsultation erfolgt in einem eigens eingerichteten Raum – dem sogenannten Vorlegesaal – und auf Anfrage durch die Depotmitarbeitenden. Der Begriff des »Kabinetts« – ein ebensolches stellte einen der früheren Aufbewahrungs- und Nutzungsorte der Braun’schen Kohledrucke aus der ehemals Großherzog­lichen Sammlung in Karlsruhe dar – ist für die Geschichte des Kohledrucks als Medium diskursiver Anschau-

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ung dabei besonders erhellend: Er beschreibt einen Raum relativ geringer Größe zur konzentrierten Auseinandersetzung einzelner Personen oder kleiner Gruppen mit Artefakten, hervorgegangen aus dem Konzept der Kunst- und Wunderkammer.43 Die Kohledrucke waren zwar durch ihre großformatige, unhand­liche Konfektionierung weder in schneller Folge noch in großen Mengen konsultierbar; vorgelegt auf Studientischen einer Sammlung oder aufgestellt auf Staffeleien ermöglichten die Reproduktionen dafür aber die detailgenaue Betrachtung und Auseinandersetzung eines Gegenstandes in kleinen Gruppen vor den Objekten, erörternd und im argumentativen Vergleich auch mit den Originalen. Neben den sammelnden Personen und verwahrenden Institutionen nutzten auch frühe Fachvertreter der Kunstgeschichte dieses spezifische Angebot in Museen, Kupferstichkabinetten und später auch Fototheken durchaus nicht nur zur Prüfung und Absicherung der eigenen Forschungsthesen, sondern auch direkt für den Unterricht vor den Objekten. Die Rekonstruktion der Vorlesung »Über das Leben Raffaels von Urbino«, gehalten vom Maler und Kunsthistoriker Carl Wilhelm Friedrich Oesterley an der Universität Göttingen 1841, führt die Anschauungsmedien der Veranstaltung vor Augen.44 Oesterley griff zur Erstellung des Vorlesungsskriptes sowie zur Vorlesung im Hörsaal auf Originale, Reproduktionen – meist Kupferstiche – sowie Publikationen aus der Bibliothek und Kupferstichsammlung der Universität Göttingen zurück.45 Im Hörsaal brachte er die verschiedenen Medien zur Aufstellung, wo er den Zuhörern seine Thesen an den von ihm konsultierten Studienobjekten auseinandersetzte, diese jedoch zugleich ebenfalls zum Studium einlud: »Das Vorlesungsmanuskript ist gleichsam eine Tonspur […]. Begleitet wurde diese Tonspur im performativen Raum des Hörsaals von Bildern, von Kupferstichen und eigenhändigen Zeichnungen […].«46

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Die Kohledrucke der Maison Braun hielten ab den 1860er Jahren Einzug in Sammlungen ebendieser Art, aus denen sich Kunsthistoriker nicht nur für die eigene Forschung, sondern auch zu Lehrzwecken bedienten. Ihr eingangs am Beispiel Adolfo Venturis zitiertes spezifisches Potenzial als Lehrobjekte lag in der Möglichkeit zur angeleiteten aber gleichermaßen diskursiven, gemeinsamen Anschauung in kleineren Gruppen und bei Tageslicht, welche neben der Erläuterung durch den Dozenten am Objekt auch die Möglichkeit zur individuellen Nah- und eingehenden Ansicht durch die Studierenden bereithielt. Der Kohledruck als Lehrmedium der Kunstgeschichte hielt sich parallel zur kunsthistorischen Projektion, die steigende Studierendenzahlen bediente, im abgedunkelten Projektionssaal jedoch immer die Vereinzelung ihrer Rezipienten nach sich ziehen und einem festgelegten Rhythmus folgen musste.47

Die Braun’schen Kohledrucke als Lehrmedien in Karlsruhe – ein Ausblick

Ob, in welcher Weise, durch welche Lehrer und an welchen Institutionen die heute am DDK verwahrten Kohledrucke der Maison Braun aus dem ehemals großherzog­lichen Bestand Friedrichs I. von Baden in Karlsruhe einst zu Lehrzwecken genutzt wurden, muss ein Ausblick dieses grundlegend gedachten Beitrages bleiben. Die basalen Überlegungen und Pfade zu einer ebensolchen Untersuchung lassen sich jedoch bereits skizzieren. Während die über 14 000 losen und unbeschnittenen Edeldrucke vermutlich nie zur Anschauung gelangten, zeichnen sich an den aufgezogenen Kohledrucken durchaus Spuren des Gebrauchs ab. Die Kartons der frühesten, Ende der 1860er Jahre angekauften Kohledrucke beispielsweise trugen von der Maison Braun aus lediglich einen Künstler-, jedoch keinen Sammlungsvermerk. Dieser wurde handschriftlich ergänzt. Nur mit einem sol-

chen Vermerk war es möglich, Vergleiche über Sammlungen hinweg zu unternehmen, die Kohledrucke in einem Ordnungssystem aufzufinden sowie nach vergleichender Ansicht wieder in einem solchen korrekt abzulegen, zumal die Trägerkartons keine weiteren eindeutigen Identifikationsmerkmale wie beispielsweise Inventarnummern aufwiesen. Ob diese sehr frühen händischen Aufschriften in Tusche vom Ende der 1860er Jahre noch lediglich der Nutzung durch den Großherzog dienten, muss zunächst ungeklärt bleiben. Es darf jedoch angenommen werden, dass den Großherzog als Gründer zahlreicher Karlsruher Bildungs- und Lehreinrichtungen – hier sei beispielsweise die 1854 von ihm noch als Prinzregent gegründete Großherzog­liche Kunstschule, die heutige Staat­ liche Akademie der Bildenden Künste, genannt48 – von vornherein auch die Idee zur Anlage einer Lehrsammlung antrieb. Dafür sprechen der Ankauf von Originalgrafiken und fotografischen Reproduktionen verschiedenster namhafter Anbieter durch Friedrich I. von Baden sowie die Zusammenlegung der Sammlung des Großherzogs mit dem Kupferstichkabinett im Jahre 1884. Des Weiteren harren die Beziehungen zwischen der Großherzog­lichen Sammlung und dem Lehrkörper der Kunstakademie sowie des Karlsruher Polytechnikums der Erforschung. Gerade an letzterer Bildungsanstalt waren mit Alfred Woltmann (1868–1874) und den Nachfolgern Bruno Meyer (1874–1884) und Wilhelm Lübke (1885–1893) drei ordent­liche Professoren der Kunstgeschichte tätig, welche für die Rezeption und Nutzung der Braun’schen Pigmentdrucke als Lehrmedien von besonderem Interesse sind. Mit Woltmann lehrte in Karlsruhe ein ausgewiesener Experte vor allem zu Holbein dem Jüngeren (1497/98–1543), der die Karlsruher Blätter des Künstlers bereits in Vorbereitung seiner 1866 und 1868 bei Seemann in Leipzig erschienenen Monografie Holbein und seine Zeit

konsultiert hatte.49 Die Reproduktionen nach Zeichnungen aus dem Amerbach-Kabinett in Basel zählen zugleich zu den großen zusammenhängenden Kohledruck-Konvoluten im heutigen BraunBestand des DDK. Diese Reproduktionen lohnen einen intensiveren Blick, kann man doch sehr gut nachvollziehen, welche Motive zur Zeit des Holbein-Streits angekauft wurden, an dem Woltmann rege beteiligt war.50 Bruno Meyer wiederum, der Woltmann 1874 nachfolgte und Karlsruhe im Jahr der Übergabe des Bestandes an das Kupferstichkabinett zehn Jahre später wieder verließ, könnte mit seinem regen Interesse am Einsatz fotografischer Lehrmedien gar auf den Transfer eingewirkt haben.51 Weiter wäre unbedingt die Stellung Meyers zu Lübke zu untersuchen, welcher ihm 1885 am Polytechnikum nachfolgte, jedoch bereits ab 1880 Direktor der Karlsruher Kunsthalle war. Dabei blieben die Kohledrucke aus der ehemals Großherzog­lichen Sammlung und ihre Nutzung als Lehrmedien der Kunstgeschichte jeweils mit den Edeldrucken der einzelnen Bildungsinstitutionen ins Verhältnis zu setzen. Gänzlich ungeklärt ist bisher die Frage nach dem Grund für die fehlende Montierung bei einem Großteil der Positive im Braun-Bestand des DDK. Mög­licherweise blieb hier ein anfäng­liches Vorhaben zur Montage und damit auch Nutzung der Abzüge unausgeführt, als am Ende des 19. Jahrhunderts fotomechanisch hergestellte Reproduktionen wie die Autotypie die illustrierten Fachpublikationen günstig zu ›bevölkern‹ begannen.52

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1 Zu Firmengeschichte hier und im Folgenden siehe Adolphe Braun. Ein europäisches Photographie-Unternehmen und die Bildkünste im 19. Jahrhundert (Ausst.-Kat.), hrsg. von Ulrich Pohlmann und Paul Mellenthin, München 2017. 2 Das Unternehmen bestand bis 1968, siehe hierzu: Anonym, Braun & Cie, Typoskript, Archives municipales de la Ville de Mulhouse, S. 115 (»Historique de l’entreprise«). Die Firma wurde mehrfach umbenannt, siehe die chronologische Übersicht »Ad. Braun et Cie«, in: Pohlmann und Mellenthin 2017 (wie Anm. 1), S. 344–345. Die Bezeichnung ›Maison Braun‹ hingegen findet sich seit der Frühzeit des Unternehmens beispielsweise auf Trägerkartons und wird hier als Sammelbegriff verwendet. 3 1912 erhielt die Fertigung nochmals Auftrieb durch das Monopol als Fotograf sämt­licher Nationalmuseen Frankreichs, siehe Anonym, »A Noted Family of Fine Art Publishers«, in: The Lotus Magazine, 4, 1, 1912, S. 1–8, hier S. 7. Unter George Besson – von circa 1930 bis 1957 künstlerischer Leiter bei Braun – verlagerte sich die Produktion zusehends auf polychrome Wiedergaben, siehe Franziska Scheuer, »Die Farbreproduktionen der Maison Braun zwischen kennerschaftlicher Rezeption und populärer Kunstvermittlung«, in: In Farbe. Reproduktion von Kunst im 19. und 20. Jahrhundert – Praktiken und Funktionen, hrsg. von Joseph Imorde und Andreas Zeising, Weimar 2022, S. 77–93. 4 Für eine zeitgenössische Verfahrensbeschreibung siehe Josef Maria Eder, Ausführ­liches Handbuch der Photographie, 3. Aufl., Halle an der Saale 1905 (1882), Bd. 1, Teil 1, S. 347. 5 Paul E. Liesegang, Der photographische Kohle-Druck, Swans Tuschverfahren: ein neues einfaches Verfahren, Photographien in Kohle oder haltbaren Pigmenten darzustellen, Berlin 1868, S. 15–16. 6 Der Begriff bezieht sich auf die Lichtbeständigkeit, mit der die Firma warb: Maison Adolphe Braun et Cie., Catalogue général des reproductions inaltérables au charbon d’après les originaux peintures, fresques et dessins des musées d’Europe, des galeries et collections particulières les plus remarquables et des oeuvres contemporaines, Dornach, Paris und New York 1896. 7 Paul Mellenthin und Dorothea Peters, »Das photographische Museum«, in: Pohlmann und Mellenthin 2017 (wie Anm. 1), S. 297–310. 8 Zu den Kundenkreisen der Maison Braun, welche sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierten, siehe ebd., hier S. 302–304. Das Unternehmen offerierte

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sowohl Subskriptionen ganzer Lieferungen als auch den Einzelblatterwerb. 9 Siehe hierzu Vorbilder – Nachbilder. Die fotografische Lehrsammlung der Universität der Künste Berlin 1850–1930 (Ausst. Kat.), hrsg. von Dietmar Schenk und Anastasia Dittmann, Köln und München 2020. Die Fotografische Lehrsammlung wurde jüngst in der vom Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg betriebenen Verbunddatenbank Bildindex der Kunst und Architektur online bereitgestellt: https:// www.bildindex.de/ete?action=queryupdate&desc=Adolphe %20Braun&index=obj-all (Werkesuche); https://www. bildindex.de/ete?action=queryupdate&desc=Adolphe% 20Braun&index=pic-all (Bildersuche) (23.03.2021). 10 Dorothea Peters, »Fotografie als ›technisches Hülfsmittel‹ der Kunstwissenschaft. Wilhelm Bode und die Photographische Kunstanstalt Adolphe Braun«, in: Jahrbuch der Berliner Museen, 44, 2002, S. 167–206, hier S. 197. 11 Zum Begriff des »Musée Imaginaire« im Zusammenhang mit der Kunstreproduktion des 19. Jahrhunderts siehe Dorothea Peters, »Das Musée Imaginaire. Fotografie und Kunstreproduktion im 19. Jahrhundert«, in: Eine neue Kunst? Eine andere Natur! Fotografie und Malerei im 19. Jahrhundert (Ausst. Kat.), hrsg. von Ulrich Pohlmann und Johann Georg Prinz von Hohenzollern, München 2004, S. 289–300. 1889 eröffneten Filialen in den Zentren von Paris, London und New York, siehe hierzu die Firmenchronologie in: Pohlmann und Mellenthin 2017 (wie Anm. 1), S. 344. 12 Dorothea Peters, »›Das Schwierigste ist eben … das, was uns das Leichteste zu sein dünkt – nämlich das Sehen.‹ Kunstgeschichte und Fotografie am Beispiel Giovanni Morellis (1816–1891)«, in: Fotografie als Instrument und Medium der Kunstgeschichte, hrsg. von Costanza ­Caraffa (I Mandorli, 9), München 2009, S. 45–75, hier S. 68–69. Ich danke Melanie Sachs für den Hinweis auf die Erscheinungsdaten des Berichtes von Edward Habich: »Handzeichnungen italienischer Meister in photographischen Aufnahmen von Braun & Co. in Dornach, kritisch gesichtet von Giovanni Morelli (Lermolieff)«, in: Kunstchronik, N. F. 3, 1892, Sp. 289–294, 373–378, 441–445, 487– 490, 505–508, 524–528, 543–547, 571–574 und 590–593, sowie N. F. 4, 1893, Sp. 53–56, 84–90, 156–162, 207–210 und 237–240. Das Magazin, von dem Habich schreibt, ist zu trennen von der 1889 eröffneten Filiale. 13 Zum Netzwerk siehe den Eintrag: Anonym, »Braun, Clément & Cie.«, in: Brockhaus Konversationslexikon, 14. Aufl., Leipzig 1894–1896, Bd. 3, S. 456.

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Siehe hierzu – neben dem Begleitband zur Ausstellung in München (wie Anm. 1) – beispielsweise erneut Peters 2002 (wie Anm. 10), S. 176–177. Zur Verwendung der Kohledrucke in kuratorisch-konservatorischer Hinsicht siehe Philippe Jarjat, »Photographier les fresques de Raphaël au Vatican en 1869. Histoire et usages des images d’Adolphe Braun«, in: Studiolo. Revue d’histoire de l’art de l’académie de France à Rome, 3, 2005, S. 219–246. 15 Vgl. hierzu jüngst: Photo­Objects. On the Materiality of Photographs and Photo Archives in the Humanities and Sciences, hrsg. von Julia Bärnighausen, Costanza Caraffa, Stefanie Klamm, Franka Schneider und Petra Wodtke (Max Planck Research Library for the History and Development of Knowledge Studies, 12), Berlin 2019. 16 Zur Definition des aus den Kommunikations- und Medienwissenschaften entlehnten Begriffs »Protomedium« siehe beispielsweise Rudolf Stöber, Kommunikations- und Medienwissenschaften. Eine Einführung, München 2008, S. 55–56 und S. 59. Es wird – auch historisch – zwischen Protomedien (Mimik, Geste, [Körper-]Sprache) und Basismedien (Text, Bild) zur zeit­lichen Bewahrung von Informationen sowie Verbreitungsmedien unterschieden. 17 Zur ›Eroberung‹ des neuen Absatzmarktes des Lichtbildvortrags durch die Maison Braun ab den 1890er Jahren siehe Paul Mellenthin, »Adolphe Braun, sa pratique de reproduction et l’intervention de l’histoire de l’art«, Vortrag anlässlich der Tagung Plaques photographiques, fabrication et diffusion du savoir, Université de Strasbourg, 18.03.2016, https://www.canal-u.tv/video/uds/adolphe_ braun_sa_pratique_de_reproduction_et_l_intervention_ de_l_histoire_de_l_art.22315 (Minute 19:00) (15.03.2021), sowie Adolphe Braun et Cie., Projections lumineuses d’après les chefs d’œuvres de l’art. Peintures, sculptures, architectures, Paris 1909. 18 Mellenthin und Peters 2017 (wie Anm. 7), hier S. 306. 19 Siehe das Inventar der Kupferstich-Sammlung Seiner König­lichen Hoheit des Großherzogs Friedrich von Baden welche aus Großh. Schlosse in die Räume des alten Galeriegebäudes verbracht wurden aufgestellt im Jahr 1884 im Kupferstichkabinett der Staat­lichen Kunsthalle Karlsruhe, sowie Dorothea Peters, »Bildergeschichte(n). Zur Kontextualisierung von Fotografien aus dem Bildarchiv Foto Marburg«, in: Rundbrief Fotografie, 18, 3, N. F. 71, 2011, S. 15–23. 20 Friedrich I. von Baden sammelte zunächst Reproduktionen nach Grafiken und Zeichnungen. Nachdem Gaston Braun bei der Reproduktionskampagne in der Eremitage in Sankt Petersburg ab 1878 maßgeb­liche Erfolge

bei der orthochromatischen Sensibilisierung der Negative durch Beigabe von Eosin gelungen waren, expandierte die Firma auch auf dem Feld der Gemäldereproduktion. Siehe hierzu Peters 2002 (wie Anm. 10), hier S. 179. Die Kohledrucke nach Gemälden des Museo del Prado in der ehemals Großherzog­lichen Sammlung stammen allesamt aus den 1880er Jahren. 21 Der Bestand wurde am DDK von Oktober 2017 bis Ende März 2021 im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Projektes unter Leitung von Hubert Locher inventarisiert, digitalisiert, katalogisiert und im Bildindex der Kunst und Architektur (www.bildindex.de) publiziert. Zur Geschichte des Bestandes sowie zum Projekt siehe detailliert: Franziska Scheuer und Sonja Feßel, »Die Kunstreproduktionen der Firma Adolphe Braun et Cie. Zum Digitalisierungsund Erschließungsprojekt am Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto ­Marburg«, in: Rundbrief Fotografie, 28, 1, N. F. 110, 2021, S. 25–40. 22 Siehe hierzu ausführlich: ebd., S. 29, 31. 23 Liesegang 1868 (wie Anm. 5), S. 16. 24 Scheuer und Feßel 2021 (wie Anm. 21), S. 26. 25 Maison Adolphe Braun et Cie. 1896 (wie Anm. 6), S. XXXIV–XXXV und S. XXXIX. Die Größe der Konfektionierung war abhängig von der Größe des Abzugs; im Falle der frühen Reproduktionen nach Zeichnungen liegt im Braun-Bestand des DDK eine Durchschnittgröße der Kartons von etwa 60×50 cm vor, vermutlich ein Format, auf das sich die faksimileartigen Kohledrucke in der Originalgröße der meist relativ kleinformatigen Zeichnungen aufziehen ließen. 26 Scheuer und Feßel 2021 (wie Anm. 21), S. 27. 27 Zu weiteren nennenswerten Braun-Beständen an den Partnerinstitutionen des DDK siehe ebd., S. 38. Auch die virtuelle Bibliothek Europeana.eu bietet mit 1700 Treffern eine Möglichkeit, vor allem frühe Kohledrucke der Maison Braun aus verschiedenen europäischen Sammlungen zu konsultieren, https://www.europeana.eu/de/search?page =1&view=grid&query=Adolphe%20Braun (18.03.2021). 28 Die frühesten Kartons in der ehemals Großherzog­ lichen Sammlung lassen sich anhand des erhaltenen Inventarbuches ausmachen, das während einer Forschungsreise nach Karlsruhe im Rahmen des oben genannten BMBFProjektes aufgefunden wurde. Sie stammen aus den späten 1860er Jahren und sind gekennzeichnet durch die noch fehlende Sammlungsangabe, die nachträglich in Schreibschrift in Tusche auf der Kartonvorderseite – meist am

»[Le] fournisseur de musées«. Die Kohledrucke der Maison Braun

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rechten unteren Bildrand – ergänzt wurde. Altes Inventar – 1908, Kupferstichkab., Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, Inv.-Nr. GLAK 441-3, No. 516, S. 1087–1090. 29 Für diesen Hinweis sei Prof. Hendrik Ziegler (Marburg) gedankt. Siehe hierzu wiederum Scheuer und Feßel 2021 (wie Anm. 21), S. 38. Für eine Auswahl der etwa 9000 Blätter, welche nach dem Tod Mariettes weltweit verstreut wurden, siehe bspw. die Online-Kollektion von The Morgan Library & Museum in New York, https://www.themorgan.org/exhibitions/mariette (18.03.2021), sowie die Online-Datenbank des Metropolitan Museum of Art, New York: https://www.metmuseum.org/art/collection/ search/338501?searchField=All& sortBy=Relevance&ft=Pierre+Jean+Mariette& offset=20&rpp=20&pos=28 (19.03.2021). Eine Differenz zwischen den Mariette-Kartons und den Braun’schen Trägerkartons bildet die unmittelbar um das aufgeklebte Original angelegte Goldrahmung. Sie findet sich auch bei frühneuzeit­lichen Konfektionierungen des Musée du Louvre und erlaubt bei Mariette die Unterscheidung zwischen dem neu gestalteten Sammlungskarton und Rahmenwerk einerseits und der teilweise noch vorhandenen früheren Konfektionierung andererseits. 30 Pierre-Jean Mariette, Recueil d’estampes d’après les plus beaux tableaux et d’après les plus beaux dessins, qui sont en France dans le cabinet du Roy, dans celuy de Mgr le Duc d’Orléans, & dans d’autres cabinets, divisé suivant les différentes écoles, avec un abbrégé de la vie des peintres et une description historique de chaque tableau, 2 Bde., Paris 1729 und 1742. Zur Mitarbeit Mariettes siehe Benedict Leca, »An Art Book and its Viewers. The ›Recueil Crozat‹ and the Uses of Reproductive Engraving«, in: Eighteenth-Century Studies, 38, 4, 2005, S. 623–649, hier S. 624. 31 Francis Haskell, Die schwere Geburt des Kunstbuchs, Berlin 1993 (engl. Originalausgabe: The Painful Birth of the Art Book, London 1987), S. 8–18. 32 Ebd., S. 25. 33 Valéri Kobi, Dans l’œil du connaisseur. Pierre-Jean Mariette (1694–1774) et la construction des savoirs en histoire de l’art, Rennes 2017, S. 129–153 (Kap. »Le catalogue comme modèle de connaissance«). Zum Musée imaginaire siehe nochmals Anm. 11. 34 Hier ist im Vergleich zum mehrfach aufgelegten Catalogue général (wie Anm. 6) die Herausgabe von Einzelsammlungskatalogen interessant, welche über die gesamte Zeit des Bestehens der Maison Braun erfolgte, siehe bspw. Adolphe Braun, Galeries de LL. AA. RR. le Grand-Duc et la

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Franziska Scheuer

Grande-Duchesse de Saxe-Weimar-Eisenach. Catalogue des dessins de maîtres des differentes écoles reproduits en fac-simile par Adolphe Braun, Mulhouse 1867. 35 Pierre-Jean Mariette, Description sommaire des desseins des grands maistres d’Italie, des Pays-Bas et de France, du cabinet de feu M. Crozat, avec des réflexions sur la maniere de dessiner des principaux peintres, Paris 1741. Der Wechsel zu einem Katalog rein nach Künstlernamen erfolgte durch die Maison Braun erst im Generalkatalog von 1896 (wie Anm. 6); dort wurden auch die pro Sammlung neu beginnende Zählung zur besseren Übersicht mit einer vorgesetzten Sammlungsnummer versehen. 36 Ambroise Vollard, Paul Cézanne, Paris 1915, S. 93. Das Zitat entstammt dem Kapitel »Mon Portrait«. Cézanne vollendete das Bildnis von Vollard 1899. Es befindet sich im Musée des Beaux-Arts de la Ville de Paris. Der Maler kannte die Kohledrucke der Maison Braun mit Sicherheit von seinen regelmäßigen Besuchen des Musée du Louvre. Siehe hierzu Maurice Merleau-Ponti, »Der Zweifel Cézannes«, in: Was ist ein Bild?, hrsg. von Gottfried Boehm, München 1994, S. 39–59, hier S. 48–49. Dort war dem Unternehmen im Juli 1885 ein Ausstellungs- und Verkaufsraum – ein »musée dans le musée« – zu Präsentationszwecken zur Verfügung gestellt worden, siehe Mellenthin und Peters 2017 (wie Anm. 7), S. 300. Der Ausstellungsraum im Louvre ist vor dem Hintergrund des 1885 erlangten Reproduktionsmonopols für das Museum zu sehen. Siehe hierzu wiederum die Chronologie in Pohlmann und Mellenthin 2017 (wie Anm. 1), S. 344. 37 Zu den Preisen für Kohledrucke, die bereits in der Frühzeit der Herstellung etwa um ein Fünftel höher lagen als die von Albuminen, siehe Hartmut Wettmann, »Adolphe Braun. Vom Musterzeichner zum prominenten Fotografen und Unternehmer«, Eintrag auf der Website »stereographie.de«, veröffentlicht am 24.05.2002, http:// www.fotoplatz.stereographie.de/braun/braun.htm (11.06.2020). 38 Peters 2004 (wie Anm. 11). Ein Absatzmarkt für zeitgenössische Sujets – separat beworben als »Galerie contemporaine« – lag im wohlhabenden Bürgertum, siehe Peters 2002 (wie Anm. 10), S. 192. 39 Dies ist nicht allein in Hinblick auf die ›Objektivität‹ der fotografischen Wiedergabe beispielsweise in Abgrenzung zur Druckgrafik zu verstehen, sondern auch mit Blick auf die Tradition der »Kopie« als festem Sammlungsbestandteil. Siehe hierzu Lorraine Daston und Peter Gallison, Objektivität, Frankfurt am Main 2007, sowie Ilka ­Voermann, Die Kopie als Element fürst­licher Gemäldesamm-

lungen im 19. Jahrhundert (Schriften zur Residenzkultur, 8), Diss. Univ. Mainz, 2011, Berlin 2012. 40 Scheuer und Feßel 2021 (wie Anm. 21), S. 28. In Beziehung zu den Braun’schen Kohledrucken hat diese frühe umfassende fotografische Kampagnenunternehmung erstmals Dorothea Peters gesetzt: »From Prince Albert’s Raphael Collection to Giovanni Morelli. Photography and the Scientific Debates on Raphael in the Nineteenth Century«, in: Photo Archives and the Photographic Memory of Art History, hrsg. von Costanza Caraffa, Berlin und München 2011, S. 123–144. Dass die Maison Braun die RaffaelCollection rezipierte, ist anzunehmen. Zuschreibungen von Johann David Passavant, Inspektor des Städelschen Kunstinstituts und Berater des Prince Consorts, sind auch in den Braun’schen Katalogen dokumentiert: Maison Adolphe Braun et Cie. 1896 (wie Anm. 6), S. 104. 41 Lexikon der Kunst: Architektur, bildende Kunst, angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie, Bd. 3, Leipzig 2004, S. 769 (Eintrag »Klebeband«), sowie Marie Isabelle Vogel, »Sammlungsobjekte zwischen Bild und Buch. Die Klebebände der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek in Arolsen«, in: Buchkultur und Wissensvermittlung in Mittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. von An­ dreas Gardt, Berlin 2011, S. 23–40. 42 Christien Melzer, Von der Kunstkammer zum Kupferstich-Kabinett. Zur Frühgeschichte des Graphiksammelns in Dresden (1560–1738) (Studien zur Kunstgeschichte, 184), Dissertation, TU Dresden, 2009, Hildesheim 2010. Die Autorin arbeitete im Rahmen ihres Stipendiums »Museumskuratoren für Fotografie« der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung 2013 am Kupferstich-Kabinett der Staat­lichen Kunstsammlungen Dresden. Die Sammlung ist besonders aufschlussreich für diese Entwicklung, werden doch heute noch alle Neueingänge – auch die ­Fotopositive, mit deren Sammlung das Haus als eines der ersten in Deutschland begann – auf großformatige Einzelkartons aufgelegt und in speziell angefertigten Schubern aufbewahrt, die in Schweinsleder gebunden die Form der einstigen Klebebände imitieren. Besonders interessant hinsichtlich der Formate der Kartons der Kohledrucke der Maison Braun ist die Frage des nachträg­lichen Beschnitts auf die Standardkonfektionierungen der jeweiligen Sammlungen. Der Bestand am DDK bildet in seinem unbeschnittenen Zustand eine der wenigen Ausnahmen.

ven Reiss, Göttingen 2019. Es überrascht nicht, dass Dorothea Peters in einem Forschungsprojekt 2013 ausgerechnet die fotografische Sammlung der Georg-August-Universität Göttingen in den Blick nahm: https://www.uni-goettingen.de/de/fellows/448325.html (24.03.2021). 45 Ebd., Kap. 2 (»Edition der Vorlesung und Vorträge Carl Oesterleys«). 46 Ebd., S. 26. 47 Vgl. hierzu mit Blick auf die Projektionsräume der frühen Kinematographie: Corinna Müller, Kinoöffentlichkeit (1895–1920). Entstehung, Etablierung, Differenzierung, Marburg 2008, S. 14. 48 Dorothee und Reinhard Mußgnug, Seine König­liche Hoheit von Gottes Gnaden Großherzog von Baden 1818–1918 (Miscellanea Juridica Heidelbergensia, 9), Heidelberg 2018, S. 106. 49 Zu Woltmanns Berufung siehe Martin Papenbrock, »Der Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Karlsruhe. Ein Rückblick«, in: Kunst und Architektur in Karlsruhe. Festschrift für Norbert Schneider, hrsg. von Katharina Büttner und Martin Papenbrock, Karlsruhe 2006, S. 179–187, hier S. 180. 50 Oskar Bätschmann, »Der Holbein-Streit. Eine Krise der Kunstgeschichte«, in: Jahrbuch der Berliner Museen, 38, 1996, Beiheft »Kennerschaft« anlässlich des Kolloquiums zum 150sten Geburtstag von Wilhelm von Bode (1996), S. 87–100. 51 Bruno Meyer führte die Diaprojektion in Karlsruhe in die Lehre ein, siehe hierzu Wilhelm Lübke (1826–1893). Aspekte seines Lebens und Werkes, hrsg. von Alexandra Axtmann und Ulrike Gawlik, Karlsruhe 2019, S. 30. 52 Dorothea Peters, »Ein Bild sagt mehr als 1000 Punkte. Zu Geschichte, Technik und Ästhetik der Autotypie«, in: Fotografie gedruckt. Beiträge einer Tagung der Arbeitsgruppe »Fotografie im Museum« (Rundbrief Fotografie, Sonderheft 4), 1998, S. 23–30, hier S. 23; und »Wilhelm Bodes ›Œuvre de Rembrandt‹ (1897–1905). Von der lithografischen Kampagne zur illustrierten Künstlermonographie«, in: Kunstwerk – Abbild – Buch. Das illustrierte Kunstbuch von 1730 bis 1930, hrsg. von Katharina Krause und Klaus Niehr, Berlin und München 2007, S. 131–172, hier S. 134.

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Siehe wiederum Melzer 2009 (wie Anm. 42). Carl Wilhelm Friedrich Oesterley, Über das Leben Raffaels von Urbino. Die Göttinger Vorlesung aus dem Jahr 1841, hrsg. von Katja Mikolajczak, Michael Thimann und Ste44

»[Le] fournisseur de musées«. Die Kohledrucke der Maison Braun

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Universitäre Lehre

Wilhelm Lübkes kunstgeschicht­liche Vorlesungen Alexandra Axtmann

Als Professor für Kunstgeschichte an den drei Polytechnischen Hochschulen in Zürich, Stuttgart und Karlsruhe zählte Wilhelm Lübke (1826–1893) zu den ersten Fachvertretern an Lehrstühlen für Kunstgeschichte.1 Zuvor hatte er Vorlesungen an der Berliner Bauakademie gehalten, wo er 1857 einen Teil des Lehrdeputats des verstorbenen Wilhelm Stier (1799–1856) übernahm und einige Jahre später auch zum Professor ernannt wurde.2 1861 folgte er Jacob Burckhardt als Professor für Kunstgeschichte ans Eidgenössische Polytechnikum in Zürich, verlies dieses jedoch 1866 für eine Professur am neu eingerichteten Lehrstuhl des Stuttgarter Polytechnikums und wechselte schließlich 1885 an das Polytechnikum nach Karlsruhe.3 Damit nimmt er eine wichtige Rolle in der Etablierungsphase der Kunstgeschichte als akademische Fachdisziplin ein, die im Rahmen dieses Bandes unter dem Aspekt des personalen Lehrens näher beleuchtet werden soll. Anlass und Quelle für diese Auseinandersetzung bilden die in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe aufbewahrten acht handschrift­lichen Vorlesungsmanuskripte, die einen Einblick in Lübkes universitäre Wissensvermittlung und seinen Umgang mit Lehrmedien ermög­lichen.4 Der vorliegende Beitrag verfolgt keine umfassende inhalt­liche Analyse der einzelnen Vorlesungen, sondern konzentriert sich nach einem einführenden Überblick auf Basis einer Gesamtschau auf einige Close Readings mit Blick auf Lübkes unterschied­liche Vorlesungskonzeptionen und den

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Alexandra Axtmann

Aspekt des zwar bekannten und in Quellen berichteten, jedoch wenig konkret belegten Mediengebrauchs in der Frühzeit der kunsthistorischen Fachdisziplin. Gleichzeitig werden dabei unter Heranziehung von Akten und Dokumenten zu den jeweiligen Lehrstühlen Einblicke in deren Lehrmittelsammlungen gegeben.5

Die erhaltenen Manuskripte

In teilweise sehr brüchigen, mit Bleistift beschrifteten Papierumschlägen finden sich auf zumeist gefalteten Doppelbögen in unterschied­­lichem Umfang und Größe die folgenden Vorlesungen: Kunst des Mittelalters mit Kapiteln zur altchrist­lichen Kunst, Antike Kunst, Renaissance-Architektur, Italienische Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts, Geschichte der deutschen und niederländischen Malerei bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Malerei des 17. Jahrhunderts, Skulptur der italienischen Renaissance und Kunst der Gegenwart. Die Manuskripte enthalten mehrere, von 1857 bis zu Lübkes Todesjahr 1893 reichende Datierungen und erlauben damit die Zuordnung zu den jeweiligen vier Lehrorten, an welchen er seine Vorlesungen immer wieder in ähn­­ licher bis gleicher Konzeption gehalten haben muss. Dies legen auch die häufig wiederkehrenden Vorlesungstitel nahe.6 Ein einheit­liches Schema der Blätter stellt die zweispaltige Struktur in unterschied­licher Spaltengröße dar, die es Lübke erlaubte, neben dem Text

Literaturverweise oder Skizzen, Daten und spätere Ergänzungen zu platzieren. Nahezu alle Manuskripte sind mehrfach datiert, wobei Lübke dafür auf den ersten Konzeptionen zumeist dieselbe Tinte wie für den Text verwendete. Die Verwendung der Skripte für spätere Vorlesungen wurde mit den jeweiligen Daten in Bleistift, zum Teil mit andersfarbiger Tinte festgehalten. Im Laufe der Jahre erweiterte er zudem seine Skripte zwischen den Zeilen oder am Rand mit jeweiligen Verweiszeichen in unterschied­lichen Tinten, um neu Gelesenes, neue Publikationen, Lebensdaten, weitere Grundrisse, Detailskizzen oder die Anzahl und Verweise auf Gemälde in Museen hinzuzufügen. Beispielsweise ergänzte er im Wintersemester 1889/90 – nun an der Technischen Hochschule in Karlsruhe – in der bereits im Februar 1862 in Zürich gehalten Vorlesung Malerei des 17. Jahrhunderts u. a. im Unterkapitel zum niederen Genre der Bambocciaden an den Stellen zu David Teniers, Jan Steen und Pieter van Laer die Anzahl deren Gemälde in der Karlsruher Gemäldegalerie; er schrieb sogar am unteren Seitenrand explizit auf: »hier in Karlsruhe«.7 Et­liche Ergänzungen und Beilagen, vertiefende Ausführungen zu einzelnen Künstlern und Bauwerken oder geschicht­liche Daten sowie später variierte oder neu verfasste Einleitungen sind auf gesonderten Blättern vorhanden. Mit Fortgang seiner akademischen Laufbahn formulierte Lübke die Einführungen und einzelnen Vorlesungsstunden immer weniger aus. Diese weisen ab den 1880er Jahren oft nur noch stichwortartige Auflistungen von Bauwerken oder Künstlern mit deren Werken und rudimentären musealen Standortangaben auf und können dem Redner lediglich als Gedankenstütze gedient haben. Darüber hinaus lässt die differente Dichte bzw. das in einigen Skripten gänz­liche Fehlen von beigefügten Zeichnungen einen unterschied­lichen Einsatz von Lehrmedien vermuten. Die evidente konzeptionelle Unterscheidung geschieht bei

Lübke offensichtlich nach Gattungen: Die Vorlesungen zu Architektur und Baugeschichte sind mit zahlreichen Zeichnungen (Grundrisse, Schnitte, Details) bebildert, wohingegen bei denen zur Malerei und Skulptur Zeichnungen völlig fehlen.

Von der Publikation in den Hörsaal

Das neben der Antiken Kunst umfangreichste Vorlesungsmanuskript zur Kunst des Mittelalters weist am Ende einer längeren Einführung die erste handschrift­liche Datierung vom 21. April 1857 auf, weshalb man davon ausgehen kann, dass es sich hierbei um Lübkes erste Vorlesung handelt, die er an der Berliner Bauakademie gehalten hat.8 Nach seinem Studium und einigen Jahren Tätigkeit als freier Autor sollte diese erste Stelle ihm den Weg einer erfolgreichen wissenschaft­lichen Karriere ­ebnen.9 Nach dem Tod Wilhelm Stiers im September 1856 war die Leitung der Bauakademie auf der Suche nach geeigneten Kandidaten für dessen Nachfolge. Wie anhand der diesbezüg­lichen Akten von November 1856 bis März 1857 nachvollzogen werden kann, einigte man sich letztlich darauf, die Stelle auf drei Personen aufzuteilen, da Stiers Lehrpensum von sechs wöchent­lichen Stunden als zu ungenügend betrachtet und eine inhalt­liche Erweiterung gewünscht wurde.10 Die zuvor über drei Semester verteilte Geschichte der Baukunst aller Länder und Zeiten im Lehrgang für künftige Baumeister sollte Wilhelm Lübke als zweisemestrige Vorlesung unter dem Titel Allgemeine Geschichte der Baukunst mit fünf Stunden wöchentlich durchführen. Wilhelm Stiers Cousin Gustav Stier (1807– 1880) sollte die Formen der Antiken Baukunst im Lehrgang für künftige Bauführer mit zehn Lehrstunden wöchentlich übernehmen und Johann Heinrich Friedrich Adler (1827–1908) den Spezialcurs über den Kultusbau der Hellenen und der christlich-germanischen Völker mit fünf Stunden wö-

Wilhelm Lübkes kunstgeschicht­liche Vorlesungen

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chentlich, wobei diese beiden einen großen zeit­­ lichen Anteil für Zeichenübungen einräumen sollten.11 Damit wollte man dem »Mangel eines parallel laufenden graphischen Unterrichtes« begegnen, der zu Stiers Zeit noch vorgeherrscht und den dieser innerhalb seiner Baukunst-Vorlesung »durch außerordentlich viele Zeichnungen an der Tafel« zu kompensieren versucht hatte.12 Lübke hätte bereits im Wintersemester 1856/57 die ihm zugedachte Stelle übernehmen können, hatte jedoch zunächst wegen der großen Aufgabe und »notwendigen Vorbereitungen« abgelehnt, woraufhin der Unterricht entfiel.13 Nach abermaliger Aufforderung nahm Lübke, der nach Meinung des Direktoriums im Vergleich zu den ebenfalls vorgeschlagenen Kandidaten Franz Kugler (1808– 1858) und Ernst Guhl (1819–1869) der geeignetste war, schließlich an. Gesucht wurde explizit jemand »von litterarischem Rufe[,] dem zugleich die Gabe eines anregenden freien Vortrages beiwohnt« und der »die allgemeine Geschichte der Baukunst nach einem gedruckten Compendium mit beständiger Hinweisung auf die in der Bibliothek vorhandenen litterarischen Quellen, jedoch ohne zeitraubende Zeichnungen an der Tafel, in einem Jahrescursus von 5 Stunden wöchentlich« lehren konnte.14 Mit seiner 1855 publizierten Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart konnte Lübke ein solches hand­liches Kompendium vorweisen, das im Gegensatz zu Kuglers Handbuch der Kunstgeschichte von 1842 mit 174 Illustrationen auch synchron bebildert war.15 Ernst Guhl hatte zwar gemeinsam mit Joseph Caspar mit den Denkmälern der Kunst zur Übersicht ihres EntwickelungsGanges (4 Bände, 1851–1856) einen ergänzenden Bilder-Atlas zu Kuglers Handbuch geliefert, war aber als Autor eines solchen bis dahin nicht in Erscheinung getreten.16 Zudem hatte Lübke bereits 1852 eine Vorschule zur Geschichte der Kirchenbaukunst des Mittelalters und 1853 Die Mittelalter­liche Kunst in Westfalen herausgebracht und damit einen

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Alexandra Axtmann

gewissen »litterarischen Ruf«17. Dem Wunsch der Bauakademie gemäß konnte Lübke also neben den anderen Quellen auf seine eigenen Publikationen und die darin enthaltenen Illustrationen verweisen und damit auf et­liche Zeichnungen verzichten. Schon im Jahr nach seinem Antritt (1858) lieferte eine zweite, ergänzte Auflage seiner Geschichte der Architektur mit 448 Abbildungen mehr als doppelt so viele wie zuvor. Laut Vorlesungsverzeichnis hielt Lübke im Sommersemester 1857 seine erste Vorlesung unter dem Titel Geschichte der Baukunst des Mittelalters und der italienischen Periode an drei Tagen pro Woche.18 Die gänzlich ausformulierte Einführung seiner ersten Vorlesungsstunde mit einigen Streichungen, Korrekturen und Ergänzungen sowie einer persön­lichen Würdigung des verstorbenen Wilhelm Stier und der Verweis auf die für ihn neue und schwierige Aufgabe, belegt die für ihn große Ehre zu Beginn seiner Hochschullaufbahn.19 Das Manuskript zeigt außerdem, dass Lübke präzise überlegt hatte, wie das zuvor in Buchform publizierte Wissen der Vorgabe entsprechend in eine Vorlesung transferiert, also mündlich vermittelt werden sollte. Auf fast sechs Seiten legte er zunächst die Aufgabe der Architekturgeschichte und den Nutzen kunst- und kulturgeschicht­lichen Wissens für ausführende Architekten dar, welche die »praktischen Zwecke […] bei den Gebäuden vergangener Epochen nur durch ein ernstes Studium der betreffenden Kulturverhältnisse […] erkennen« könnten.20 Wie er weiter ausführte, interessierte ihn nicht eine reine Formanalyse und Untersuchung der Umsetzung einzelner Bauaufgaben, sondern er verstand seine Aufgabe als Kunsthistoriker im Sinne Jacob Burckhardts, Franz Kuglers und vor allem Carl Schnaases (1798–1875) in der Vermittlung der »kulturgeschicht­lichen und ästhetischen Bedeutung von Stylen«, der »materiellen und geistigen Bedingungen« sowie der »Absichten des Baumeisters«.21 Mit diesen dreien stand er seit seiner

Abb. 1 Wilhelm Lübke, Vorlesungsmanuskript zum Mittelalter, mit Verweis auf Carl Schnaase (oben rechts), Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 5r

Berliner Zeit in Kontakt und Austausch, vor allem mit Schnaase war er eng verbunden. Dessen Geschichte der bildenden Künste (8 Bde., 1843–1879) bildete neben Kuglers Handbuch die wichtigste Grundlage für seine Geschichte der Architektur und wurde im Manuskript gleich zu Beginn der romanischen Epoche aufgeführt (Abb. 1).22 Um seine Zuhörer miteinzubeziehen, formulierte er nicht nur in der Einleitung, sondern auch

im Ablauf der weiteren Stunden immer wieder gliedernde und auf seine Erläuterungen bezogene Fragen.23 Die Ansprache der Zuhörer und das oft benutzte gemeinsame »wir« unterscheiden sich von Lübkes publizierten Handbüchern und machen deutlich, dass ihm die abweichenden Anforderungen der Vermittlung im gesprochenen Wort durchaus bewusst waren. Dieser Sprachstil und derartige Formulierungen finden sich sonst hauptsächlich in

Wilhelm Lübkes kunstgeschicht­liche Vorlesungen

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Lübke sehr genau am fünften Buch seiner Geschichte der Architektur (Die christlich-mittelalter­­ liche Baukunst) und übernahm weitgehend die Kapitelüberschriften (Abb. 1).26 Das folgende sechste Buch Die neuere Baukunst war Grundlage für die Fortsetzung der Vorlesung, die sich allerdings in einer gesonderten Mappe Renaissance-Architektur befindet und nur eine sehr verkürzte inhalt­liche Zusammenfassung des Buches darstellt.27 In der Mappe zum Mittelalter sind außerdem zehn Blätter zur altchrist­lichen Kunst enthalten, die Lübke den Datierungen zufolge in der Wiederholung der Vorlesung Geschichte der Baukunst des Mittelalters im Sommersemester 1858 ergänzt und den Ausführungen zur Romanik vorgeschaltet hatte.28 Auch diese folgten konsequenterweise dem dritten Buch Uebergangsstufen der Geschichte der Architektur (ohne den Anhang zur georgischen und armenischen Baukunst29). Abb. 2 Wilhelm Lübke, Vorlesungsmanuskript zum Mittelalter mit zahlreichen Verweisen, Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 14r

Zeichnung als nachvollziehende Visualisierungsform

Lübkes populärwissenschaft­lichen Reisebeschreibungen für die Feuilletons verschiedener Tageszeitungen oder bildungsbürger­licher Journale.24 Zusammen mit seinen zahlreichen Handbüchern und öffent­lichen Vorträgen trugen diese dazu bei, dass er zu einem der populärsten und bekanntesten Kunsthistoriker seiner Zeit wurde, dessen »blühende Sprache« und Begeisterungsfähigkeit oft besonders betont wurden.25 Nach der Einführung folgen wie in den meisten anderen Vorlesungen stichwortartige Notizen unterschiedlichster Länge zum jeweiligen Thema oder Bauwerk; es werden nur wesent­ liche Daten, Namen und Orte sowie wichtige Charakteristika sehr verkürzt notiert. Inhaltlich orientierte sich

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Der Karlsruher Architekt und langjährige Redakteur der Deutschen Bauzeitung Albert Hofmann (1859–1926) hatte Lübke in seiner Karlsruher Zeit erlebt und schrieb in seinem Nachruf 1893, dass diesem »bei seinen oratorischen Darstellungen […] in vortreff­licher Weise eine gewisse Zeichenfertigkeit zustatten [kam], die ihn befähigte, auf Reisen Aufnahmen zu machen und besprochene Grundrisse oder Details an der Tafel zu skizziren oder sonst das Wort durch die sichtbare Darstellung zu ergänzen.«30 Zahlreiche Beispiele innerhalb der Vorlesungsmanuskripte können dies belegen, da Lübke auf den Marginalleisten vielfach notierte, dass hier ein Grundriss, Details, Quer- oder Durchschnitte zu

Abb. 3 Kapitelle von Corvey und Paderborn (links oben, 1 + 2), Taf. XV aus Wilhelm Lübke: Die Mittelalter­liche Kunst in Westfalen, Leipzig 1853

zeichnen seien (Abb. 2). Seine Skizzen und Detailzeichnungen in den Skripten zu Mittelalter, Renaissance und altchrist­licher Kunst stammen vorwiegend aus seinen eigenen Publikationen Geschichte der Architektur, Die Mittelalter­liche Kunst in Westfalen (wie beispielsweise die Kapitelle von Corvey und Paderborn, Abb. 3, vgl. Abb. 1) und Vorschule zur Geschichte der Kirchenbaukunst des Mittelalters. Letztere hatte 1857/58 bereits die vierte, erweiterte und umgearbeitete Auflage mit 85 Illustrationen erfahren (die erste Auflage von 1852 enthielt nur drei Tafeln im Anhang).31 Als Wissensspeicher und Archiv für seine Vorlesungen und Publikationen dienten Lübke seine

Notizbücher, in denen er Reiseskizzen sowie Beschreibungen und Bauaufnahmen, aber auch Literaturberichte und -exzerpte festhielt. Darin befind­ liche, sehr präzise Grundrisse, Details von Profilen, Gewänden, Durch- und Querschnitte, Ansichten und Geländepläne etc. sind zum Teil exakt in seine publizierten Werke überführt worden, finden sich aber auch in den Vorlesungsmanuskripten, wie der von seiner westfälischen Reise stammende Grundriss der Katharinenkirche in Unna (Abb. 4).32 Die siebzehn kleinformatigen Bände in der Badischen Landesbibliothek erlauben in et­lichen Fällen, Lübkes Weg der Wissensgenerierung und -vermittlung von der Reisezeichnung in die Publikation und den

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»Daß man übrigens so etwas skizziert, selbst wenn es schon durch viele Darstellungen bekannt wäre, halte ich für sehr nützlich und gut. Denn die Vortheile, welche die Hand aus solcher Gewohnheit zieht, abgerechnet, sieht man das erst mit voller Gesammtheit und seinen Theilen vollkommen bewußt, was man so abzubilden sucht.«35

Abb. 4 Wilhelm Lübke, Grundriss der St. Katharinen­ kirche in Unna, Reisenotizbuch, 1852, Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Karlsruhe 1282, S. 66

Hörsaal und wieder zurück zu verfolgen.33 Trotz der Entwicklung der Fotografie stellte die Zeichnung bis ins späte 19. Jahrhundert hinein für viele Kunsthistoriker das für die intellektuelle Aneignung von Objekten am besten geeignete Medium dar und wurde als wissenschaft­liches Forschungsinstrument betrachtet.34 Schon einige Jahre vor seiner Anstellung an der Bauakademie betonte Lübke in einem Brief an seinen langjährigen Freund und Wandergenossen Hermann Kestner den Wert von Zeichnungen, die er später auch in der Lehre bewusst einsetzen sollte:

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In den Vorlesungen zur mittelalter­lichen und antiken Architektur kann man an et­lichen Stellen sehen, wie auf Reisen Skizziertes nachträglich in die Manuskripte eingetragen wurde. Seine erste mehrmonatige Italienreise konnte Lübke nach seinem ersten akademischen Jahr 1858/59 unternehmen und dort endlich viele der bereits besprochenen Kunst- und Bauwerke im Original sehen.36 Er brachte in seinen Notizbüchern neue Impulse, Grundrisse und Beschreibungen mit, die er dann in den Skripten ergänzte. Dies lässt sich etwa an einem der vielen Beilagenblätter mit verschiedenen Skizzen nachvollziehen, auf dem nach der Reise über den bereits bestehenden Notizen zur Kirche S. Mara dei Frari in Venedig der Grundriss und ein Kapitell mit Bleistift angedeutet wurden (Abb. 5).37 Im entsprechenden Reisenotizbuch hielt Lübke seine Beobachtungen zu dieser gotischen Kirche, die bis dahin weder in seiner Geschichte der Architektur noch in der Vorlesung thematisiert worden war, auf drei Seiten fest und zeichnete einen Grundriss und mehrere Details von Kapitellen und Pfeilerstrukturen (Abb. 6).38 Erst in der dritten Auflage der Geschichte der Architektur (1865) sollte sie in einem kleinen Abschnitt ohne Illustration integriert werden.39 Trotz der Vorgaben seitens der Bauakademie, »zeitraubende Zeichnungen« 40 zu vermeiden, zeichnete Lübke innerhalb der Vorlesungen also recht viel an die Tafel – auch an seinen späteren Lehrorten. Zeichnungen waren für ihn ein geeignetes Visualisierungsmittel für die Vermittlung des

Abb. 5 Wilhelm Lübke, Skizzenblatt im Vorlesungsmanuskript zum Mittelalter mit Notizen und Grundriss von S. Maria dei Frari (rechts unten), Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 24v

Abb. 6 Wilhelm Lübke, Notizen und Grundriss der Kirche S. Maria dei Frari in Venedig, Reisenotizbuch, 1859, Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Karlsruhe 1285, S. 25

konstruktiven Gerüsts und der Gestaltungmittel eines Baus,41 die es gerade den entwerfenden Architekturstudierenden zu vermitteln galt. Bei seinen Vorlesungen zu Malerei, Skulptur und Kunsthandwerk, die erst ab der Züricher Zeit (1861– 1865) hinzukamen und allen polytechnischen Studierenden offenstanden, unterließ Lübke in der Regel die Tafelzeichnung. Dies legen zumindest Lübkes Manuskripte nahe, da darin bis auf einzelne schematische Notizen Skizzen oder aufzuzeichnende Details gänzlich fehlen; auch in den Reisenotizbüchern sind Skizzen zu diesen Gattungen mit Ausnahmen der schweizerischen Kachelöfen kaum vorhanden. Zur Illustration dienten stattdessen Stich- und Vorlagenwerke sowie fotografische Reproduktionen.42

Medienverbund und lokale Kunstsammlungen

»[…] und gern brachte er alles einschlägige Material bei, was irgend aufzutreiben war, um den Zuhörern ein umfassendes, klares Bild zu verschaffen.«43 Der obige, in einem Nachruf auf Lübke angesprochene parallele Einsatz mehrerer Medien war für die kunsthistorische Lehre von Beginn an charakteristisch. Neben Zeichnungen an der Tafel, Gipsabgüssen, Modellen, Wandtafeln und Fotografien etc. waren diese Hilfsmittel zum Zweck der Produktion visueller Evidenz unerlässlich, zumal die Kenntnis der besprochenen Werke nicht immer

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Abb. 7 Wilhelm Lübke, Verweise auf Vorlagenwerke im Vorlesungsmanuskript zum Mittelalter, mit Skizzen zu St.Elisabeth in Marburg, Detail aus Abb. 2

vorausgesetzt werden konnte.44 Die üb­liche Praxis des Einsatzes von Tafelbänden und fotografischen Reproduktionen, die an Wandtafeln geheftet oder herumgereicht wurden,45 kann man in Lübkes Manuskripten an den zahlreichen Verweisen auf Tafeln, Grundrisse und Aufsichten in Vorlagenwerken und weiterer Fachliteratur ablesen, wie zum Beispiel in der Vorlesung zur mittelalter­lichen Architektur auf Tafeln aus Christian Wilhelm Schmidts Baudenkmale der Römischen Periode und des Mittelalters, in Trier und seiner Umgebung (Trier 1836–1845) und Georg Mollers Die Kirche der heiligen Elisabeth zu Marburg (Darmstadt 1825). Zudem

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zeichnete er neben seinen Text et­liche Details von Säulenkapitellen und -grundrissen aus diesen Büchern ab (Abb. 7–8). Nach Antritt der Professur am Stuttgarter Polytechnikum 1866 ließ Lübke gleich im ersten Jahr Mollers Kirche der Heiligen Elisabeth und andere Werke anschaffen, um das gleiche Anschauungsmaterial für seine Vorlesungen wie zuvor in Zürich und Berlin zur Verfügung zu haben.46 Für Lübkes Lehre in Stuttgart und Karlsruhe lässt sich zudem der Einsatz weiterer zwei- und dreidimensionaler Objekte belegen. Aufgrund der durch Kriegsverluste schlechten Aktenlage in Stuttgart kann man Informationen bezüglich der Lehr-

Abb. 8 Details der Säulen in der Elisabethkirche in Marburg, Taf. 11 + 12 aus Georg Moller: Die Kirche der heiligen Elisabeth zu Marburg, Darmstadt 1825

mittel lediglich aus den Jahresberichten und Programmen der Königlich Polytechnischen Hochschule extrahieren. So sind hier in dem erstmals kommentierten Vorlesungsverzeichnis für das Studienjahr 1876/77 die »Hülfsmittel« für die einzelnen Lehrveranstaltungen aufgeführt: Wandtafeln, Fotografien, Modelle und Abgüsse für die Vorlesung Geschichte der antiken Kunst und Wandtafeln, Farbendrucke, Stiche, Fotografien und Abgüsse für die Geschichte der italienischen Renaissance.47 In Karlsruhe wurden neben Stichen aus dem Groß­ herzog­lichen Kupferstichkabinett auch kunst­hand­ werk­liche Stücke in den Hörsaal verbracht; letztere vor allem für die kunstgewerb­lichen Vorlesungen, die zu dieser Zeit Marc Rosenberg (1852–1930) hielt.48 Die Nutzung und Einbeziehung der ört­­ lichen Kunstinstitutionen war u. a. notwendig, da

die Lehrmittelsammlungen in der Frühphase der Kunstgeschichte erst angelegt werden mussten.49 Während Lübkes Einsatz bzw. Tätigkeit für die Stuttgarter polytechnischen und könig­ lichen Sammlungen aufgrund der schlechten Überlieferungslage noch nicht erarbeitet werden konnte, ist die Verbindung der Karlsruher KunstgeschichteProfessoren zu den Großherzog­lichen Sammlungen bereits seit dem ersten Professor Alfred Woltmann (1841–1880) belegt. Dieser war vom damaligen Direktor der Gemäldegalerie Carl Friedrich Lessing (1808–1880) als wissenschaft­licher Fachberater hinzugezogen worden, um die Präsentation der Sammlung neu zu konzipieren.50 Er nahm daraufhin eine Neuhängung und teilweise Neu-Zuschreibungen von Kunstwerken vor und nutzte Kupferstiche und Vorlagenwerke aus der Biblio-

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thek der Gemäldegalerie für seine Lehre.51 Einer Leihanfrage Woltmanns an die Direktion der Gemäldegalerie vom 12. November 1868 – seinem ersten Semester am Polytechnikum – ist zu entnehmen, dass er die für die Vorlesung benötigten Werke aus dem Kupferstichkabinett teilweise gerahmt und unter Aufsicht präsentierte52 und mit Blick auf eine Ausleihgenehmigung ausdrücklich beteuerte, dass die Werke »unter keinen Umständen zum Circuliren während der Vorlesungen benutzt werden, sondern nach Schluss des Vortrages [er] persönlich die Zuhörer ersuchen [werde], an einem eigens dafür bestimmten Tische die Werke, die sie nicht in die Hand erhalten würden, unter [seiner] Leitung durchzusehen. […] Für Vorlagen, die circuliren können oder die an die Tafel geheftet werden, soll auf andere Weise gesorgt werden.«53 Zudem hielt er im Sommer regelmäßig die Lehrveranstaltung Erklärung der Kunstwerke in den großherzog­lichen Sammlungen (d. h. Sammlung von Gypsabgüssen und Gemäldegalerie)54– ein Lehrformat, das Lübke ab 1885 fortsetzte und bereits in Stuttgart von Beginn an im Sommer als Erklärung der Gemäldegallerie oder der plastischen Sammlung des Staates eingeführt hatte.55 Lübke war ferner der erste Kunsthistoriker, der neben einer Professur am Karlsruher Polytechnikum auch den Direktorenposten der Großherzog­ lichen Gemäldegalerie (heute Staat­liche Kunsthalle Karlsruhe) bekleidete – von dieser Tätigkeit ist allerdings bis auf einige Gemäldeankäufe und die Neuedition der Bestandskataloge wenig bekannt.56

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Lübkes Einsatz für Lehrmittel

»Wie man bei dem jetzigen Zustand des Lehrmaterials einigermaßen mit Erfolg Kunstgeschichte vortragen kann, ist mir ein Räthsel.«57 Auf welche Lehrmittel Lübke an den jeweiligen Lehrstühlen zugreifen konnte, soll im Folgenden ein Blick auf die Lehrmittelsammlungen zeigen.58 Da er nach nur vier Jahren die Berliner Bauakademie und nach drei Jahren das Eidgenössische Polytechnikum in Zürich verließ und sich dort nicht langfristig um den Aufbau von Lehrmitteln kümmern konnte, konzentrieren sich meine Betrachtungen auf Stuttgart, wo er fast zwanzig Jahre tätig war, und Karlsruhe, wo es zuletzt immerhin rund acht Jahre waren. Während in Stuttgart aus genanntem Grund wenig in Erfahrung zu bringen ist, stellt sich die Karlsruher Quellenbasis weitaus besser dar, da hier sämt­liche Lehrmittelakten erhalten sind. Bereits der erste Lehrstuhlinhaber Alfred Woltmann begann laut einer Festschrift der Technischen Hochschule aus dem Jahr 1892 mit der Einrichtung einer Lehrmittelsammlung »hauptsächlich aus Photographien«59, wovon er zahlreiche zum Teil selbst auf seinen Reisen in Italien besorgt hatte.60 Laut Aktennotiz übergab Woltmann, der 1873 Karlsruhe für eine Professur in Prag verließ, seinem Nachfolger Bruno Meyer (1840–1917) neben dreizehn Büchern und Kupferwerken, vierzig Kupferstichen, Farbendrucken und Holzschnitten bereits 1257 Fotografien.61 Eben jenen neuen Medien galt Meyers vorwiegendes Interesse, und er ergänzte die Sammlung ab 1874 um zahlreiche Fotografien sowie um die von ihm angefertigten Glasphotogramme. Zudem erreichte er 1880/81 die Einrichtung eines großen Hörsaals für die Lichtbildprojektion und verfolgte ein Wandtafelprojekt.62 Wilhelm Lübke, der im April 1885 als Nachfolger von Bruno Meyer in Karlsruhe seine Vorlesungen begann, konnte auf diesem Grundstock auf-

bauen und kaufte zunächst vorwiegend Bildwerke und fotografische Reproduktionen an. Den bereits unter Meyer deutlich erhöhten Anschaffungsetat von 700 Mark plus Sonderzahlungen und Zuschüssen konnte er auf 1200 Mark erhöhen, hinzu kamen weitere 7500 Mark Zuschüsse, außerordent­ liche Extrakredite von 7400 Mark und die Honorare der Hospitanten der Vorlesungen, die Lübke zeitweise für die Lehrsammlung spendete.63 In der Festschrift von 1892 wird sogar ein aktueller Inventarwert der kunstgeschicht­lichen Sammlung von statt­lichen »42 347 Mark 63 Pfennig« genannt.64 Zahlreiche Anträge an das Ministerium für die Erweiterung der Lehrmittel und Extragelder zur Anschaffung von Fotografien belegen die Bemühungen von Lübke und seinen Vorgängern um einen möglichst umfassenden Anschauungsapparat. Schon in seinem zweiten Semester legte Lübke dem Ministerium die wichtigsten Bedürfnisse dar und unterbreitete einen Plan zu einem größeren Wandtafelprojekt: »Was ich schon anfangs beobachtet habe, stellt sich nunmehr in viel größerem Umfange, als ich vermuthete, als Thatsache heraus: die nicht bloß insgesamt lückenhafte, sondern auch durchaus planlose Anlage dieser Sammlungen. Wie man bei dem jetzigen Zustand des Lehrmaterials einigermaßen mit Erfolg Kunstgeschichte vortragen kann, ist mir ein Räthsel. In vorigen Sommer habe ich mir allerdings durch Resolutes Skizzieren an die Tafel geholfen; allein das lässt sich ohne größten Zeitverlust nicht immer durchführen, ist auch allen größeren und complizierteren Anlagen gegenüber einfach unmöglich. Ein Cardinal-Erforderniß, welches also schon seit 16 Jahren, so lange der kunstgeschicht­liche Lehrstuhl hier besteht, unbefriedigt geblieben ist, sind große Wandtafeln, welche die Hauptbauten von alten Aegyptern an bis in die Re-

naissancezeit in Grundrissen und Durchschnitten zur Darstellung bringen. Daneben wird es dann noch genug Anlaß zum Zeichnen an die Tafel geben. Jene großen Wandtafeln sind aber ganz unerläßlich. Ich schätze die Anzahl derselben auf c. 150, die nach und nach angefertigt werden sollten. Die Herren Collegen von der Bauschule haben sich bereit erklärt, die Ausführung der Tafeln durch unsere jungen Bauschüler zu überwachen u. möglichst zu fördern.«65 Lübke veranschlagte für das Projekt rund 4000 Mark und die Dauer von zwei Jahren zur Fertigstellung.66 Nicht nur die Genehmigung des Projektes ist überliefert,67 sondern auch sechzehn Zahlungsanweisungen im Zeitraum von Februar 1886 bis Winter 1889 an den langjährigen Hilfslehrer an der Bauschule und ab 1900 zum Professor ernannten Eduard Doerr (bzw. Dörr, 1852–1923). Dieser trat bereits für Bruno Meyers Wandtafelprojekt 1879 in Erscheinung und fertigte rund 95 Wandtafeln für 2535 Mark an.68 Ob es sich hierbei um die Fortführung des bereits von Meyer intendierten Wandtafelprojektes handelt, muss nach aktuellem Wissensstand offen bleiben, ebenso die Frage nach dem Verbleib bzw. Erhalt innerhalb der Lehrmittelsammlung des Instituts für Kunst- und Baugeschichte des heutigen Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).69 In Lübkes Manuskripten tauchen konkrete Angaben zu Tafeln nur an zwei Stellen innerhalb der Vorlesung zur antiken Architektur auf, wo er am Rand neben den Ausführungen zu Ägypten »Taf. 8–12« und später »Taf. 6 u. 7« notierte, allerdings ohne Konkretisierung oder Verweis. Trotz der dürftigen Aktenlage in Stuttgart kann man einer Angabe bezüglich der Lehrmittel für das Studienjahr 1867/68 entnehmen, dass Lübke bereits hier in Zusammenarbeit mit lokalen Architekten wie Christian Friedrich von Leins »Wandtafeln spanisch-ara-

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bischer Monumente« anfertigen ließ,70 nachdem er in den ersten beiden Semestern zunächst Publikationen und zahlreiche französische Stich- und Vorlagenwerke hatte anschaffen lassen.71 Die Erweiterung der von Bruno Meyer angelegten Lichtbildprojektion in Karlsruhe wurde von Lübke und der Architekturfakultät nicht weiterverfolgt, da »[…] sich nach einigen Versuchen herausstellte, dass die Demonstrationen mit der Camera obscura, mögen dieselben für gewissen Zwecke immerhin sich günstig erweisen, für einen ernsten kunstgeschicht­lichen Unterricht an einer Lehranstalt wie die unsrige keine Verwendung finden können. Denn das dabei nöthige Verdunkeln des Hörsaals hebt alles strenger Mitfolgen durch Nachschreiben auf und gewährt bei dem Wechsel und raschen Verschwinden der Bilder keine Möglichkeit, die vorgeführten Denkmäler genau zu studiren.«72 Die »Epiphanie der Bilder«73 an der Wand, um mit Heinrich Dilly zu sprechen, war in Karlsruhe wie an anderen Orten von kunsthistorischer Seite aufgrund dessen Herkunft und kommerzieller Verwendung als Unterhaltungsmedium zunächst nicht erwünscht gewesen.74 Schrift­liche Äußerungen oder Hinweise von Lübke hinsichtlich dieser von seinem Vorgänger gemachten Fortschritte für eine synchrone Vermittlung von Wort und Bild mittels Projektion konnten allerdings bisher nicht gefunden werden. Stattdessen kaufte Lübke für Stuttgart und Karlsruhe wie viele seiner Kollegen zahlreiche Fotografien bei den Bildagenturen der Fratelli Alinari, Carlo Naya und Adolphe Braun.75 Auf Basis zahlreicher selbst verfasster Rezensionen war er stets auf dem neuesten Stand hinsichtlich neuer fotografischer Reproduktionswerke, die er als wichtigen Bestandteil der Lehre anschaffen ließ und dabei mehr-

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fach die Notwendigkeit möglichst großformatiger Abbildungen betonte.76 In jenen Besprechungen äußerte sich Lübke ab 1867 euphorisch zur Fotografie als neuem Reproduktionsmedium, das in der Konstituierungsphase der Fachdisziplin Kunstgeschichte zunächst Schwierigkeiten hatte, Akzeptanz zu finden und vielfach diskutiert wurde.77 Vor allem aufgrund der Möglichkeit eines ortsunabhängigen vergleichenden Sehens plädierte er von Beginn an für die Integrierung von Fotografien in die Wissenschaftspraxis.78 Neben zahlreichen Farbendrucken der Arundel-Society, die Karlsruhe und Stuttgart wie viele andere Lehrstühle anschaffen ließen,79 wurde in den 1870er Jahren die Stuttgarter kunsthistorische Lehrmittelsammlung im fotografischen Bereich bedeutend erweitert, u. a. durch mehrere Schenkungen von »Herrn Dr. v. Lorent« (Jakob August Lorent, 1813–1884) von insgesamt 742 Glasnegativen zumeist mittelalter­licher Bauwerke Schwabens.80 Lübke selbst schenkte dem Stuttgarter Lehrstuhl im Laufe der Jahre zahlreiche Fotografien aus seinen eigenen Sammlungen, so etwa 1879/80 77 Blätter mit Fotografien von Kunstgegenständen der Wiener Sammlungen,81 oder 1882/83 »eine Sammlung von 65 Photogravüren aus der Dresdener Gallerie und fünf Gipsabgüsse nach Ornamenten der Renaissancedecke im Schlosse zu Jever.«82 1880/81 verkaufte Lübke schließlich dem Stuttgarter Polytechnikum seine »aus 2137 Blättern bestehende kunstwissenschaft­liche Privatsammlung«83 (vorwiegend Mappenwerke mit Stichen, Farbendrucken und Fotografien), und auch in Karlsruhe veräußerte er mehrfach Teile seiner Sammlungen an die Technische Hochschule: 78 fotografische Reproduktionen der Photographischen Gesellschaft zu Berlin im Jahr 188684 oder 131 weitere Fotografien im Jahr 1890.85 Bezüglich der fotografischen Reproduktion von Handzeichnungen hieß es bereits im Stuttgarter Jahres-Bericht 1879/80, man verfüge über »Nachbildungen von Originalzeichnungen der grössten Meister Italiens in einem solchen Umfange, dass die

Sammlung in dieser Hinsicht jetzt eine bedeutende genannt werden darf.«86 Daraufhin wurde die Lehrmittelsammlung selbst ab dem folgenden Studienjahr zum lehrplanmäßigen Ort der Anschauung, wie auch später in Karlsruhe.87

Schlussbemerkung

Im Wintersemester 1892/93 hielt Wilhelm Lübke in Karlsruhe seine letzte Vorlesung zur Architektur des Mittelalters und verwendete dafür abermals sein allererstes für die Berliner Bauakademie konzipiertes und über die Jahrzehnte hinweg stark bearbeitetes Skript (auch in Zürich und Stuttgart war dies jeweils seine erste Vorlesung). Seine Manuskripte begleiteten ihn folglich durch alle Lehr-Stationen und wurden kontinuierlich ergänzt und erweitert. An neuen Lehrstühlen versuchte er stets, die Lehrmittelsammlungen deutlich zu erweitern und diejenigen Publikationen und Fotografien zu beschaffen, die er bereits zuvor für seine Vorlesungen benutzt hatte. Auch wenn die vorliegenden Manuskripte neben zahlreichen Verweisen auf Reproduktions- und Tafelwerke nur wenige Hinweise auf den konkreten Einsatz von Fotografien oder Wandtafeln aufweisen, kann man anhand der aufgeführten Quellen belegen, dass Lübke zur visuellen Vermittlung seiner Lehrinhalte neben der Lichtbildprojektion und Zeichnung an der Tafel auch die zur Verfügung stehenden portablen Lehrmedien sowie – aufgrund seiner großen Vorliebe für die autoptische Anschauung – die jeweiligen Sammlungen vor Ort nutzte. Sein Einsatz für die Anschaffung von Wandtafeln und Fotografien zeigt den Wunsch nach einem möglichst umfassenden Anschauungsapparat für vergleichendes Sehen. In den ab seiner Dozententätigkeit erschienenen Publikationen und Neuauflagen nahm die Anzahl der Illustrationen ebenfalls stetig zu. Damit konnte er, wie von der Berliner Bauakademie schon zu Beginn seiner Lehre gewünscht, stets innerhalb der Vorle-

sungen auf eigene Werke mit Abbildungen verweisen. Aus diesem Grund finden sich Lübkes Publikationen noch heute in vielen Bibliotheken von Universitäten und Technischen Hochschulen, nicht nur in Deutschland, sondern im gesamten europäischen Raum, wo sie in der Etablierungsphase der Kunstgeschichte als Fachdisziplin teilweise selbst als Lehrmedien angeschafft worden sind.

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1 Zur Etablierung des Faches vgl. Heinrich Dilly, Kunstgeschichte als Institution. Studien zur Geschichte einer Disziplin, Frankfurt am Main 1979; Wolfgang Beyrodt, »Kunstgeschichte als Universitätsfach«, in: Kunst und Kunsttheorie 1400–1900, hrsg. von Peter Ganz, Martin Gosebruch, Nikolaus Meier und Martin Warnke, Wiesbaden 1991, S. 313–333. An (poly)-technischen Hochschulen wurden kunstgeschicht­liche Lehrstühle noch früher als an Universitäten vorrangig für die Architektenausbildung eingerichtet; vgl. Alexandra Axtmann, »Die Etablierung der Kunstgeschichte am Karlsruher Polytechnikum«, in: Kunstgeschichte an Polytechnischen Instituten, Technischen Hochschulen und Technischen Universitäten. Geschichte – Positionen – Perspektiven, hrsg. von Robert Stalla, Wien 2021, S. 115–135 (dort auch weitere Literaturverweise). 2 Die Ernennung erfolgte im Zuge der Bleibeverhandlungen wegen des Angebotes aus Zürich. Vgl. Wilhelm Lübke (1826–1893). Aspekte seines Lebens und Werkes, hrsg. von Alexandra Axtmann und Ulrike Gawlik, Karlsruhe 2019, S. 22, doi: 10.5445/KSP/1000086913. Zur Biografie ebd., S. 7–44 (dort auch Verweise auf die ältere Literatur). 3 Vgl. ebd. 4 Die Manuskripte befinden sich in einem Teilnachlass in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe unter der Signatur Cod. Karlsruhe 1296 (im Folgenden abgekürzt als BLB, Cod. Karlsruhe 1296); online verfügbar unter https: //nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:31-73611 (26.07.2019). 5 In Karlsruhe befinden sich mehrere Lehrmittelakten des Lehrstuhls und der Bauschule im Archiv des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und im Generallandesarchiv (im Folgenden innerhalb der Signaturen abgekürzt als KIT-Archiv und GLAK). 6 Eine nicht publizierte Übersicht aller an den verschiedenen Orten gehaltenen Vorlesungen wurde von der Autorin anhand der erhaltenen Vorlesungsverzeichnisse erstellt. 7 Exakte Datierung: 29.02.1890, Vorlesung über Malerei des XVII. Jahrhunderts, BLB, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 15v (Zählung wie Digitalisat). 8 Kunst des Mittelalters, BLB, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 3v. 9 Vgl. Axtmann und Gawlik 2019 (wie Anm. 2). 10 Akten Anstellung der Lehrer an der Bauakademie und Feststellung der Lehrpläne, Bd. 1–2, 1854–1863 im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (im Folgenden abgekürzt: GStA PK), Signatur: GStA PK, I. HA Rep 76 Kultusministerium, Vb Sekt. 4 Tit III Nr. 3, Bd. 1–2, hier Bd. 1, Blatt 143, Rückseite (Blattzählung). Den Hinweis

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auf diese Akten verdanke ich Eric Garberson, der diese im Zuge seiner Forschungen zu Wilhelm Stier bearbeitet hat. 11 Vgl. ebd., Bd. 1, Blatt 143–146. Ein kurzer Abschnitt zur Übernahme durch Gustav Stier, jedoch ohne weitere Informationen zu Umfang und Aufteilung auf weitere Lehrer, vgl. Stefanie Bahe und Dorothe Sack, »Archäologische Bauforschung an der Technischen Universität und ihren Vorgängern«, in: 1799–1999. Von der Bauakademie zur Technischen Universität Berlin. Geschichte und Zukunft (Ausst. Kat. Berlin 1999–2000), hrsg. von Karl Schwarz, Berlin 2000, S. 92–103, hier S. 94–95. Deren Aussage, um 1850 sei die Baugeschichte vorübergehend von Ernst Guhl, Franz Mertens und Wilhelm Lübke gelehrt worden, und ab 1859 hätte Adler die Vorlesungen Geschichte der Baukunst übernommen, ist, wie dargelegt, nicht korrekt. Nach Lübkes Weggang nach Zürich 1861 übernahm Adler dessen Vorlesung Geschichte der Baukunst, 1863 wurde er zum Professor ernannt. Vgl. Eduard Dobbert und Alfred G. Meyer, Chronik der König­lichen Technischen Hochschule zu Berlin 1799–1899, Berlin 1899, S. 59 und 156. 12

GStA PK (wie Anm. 10), Bd. 1, Blatt 143, Vorderseite. GStA PK (wie Anm. 10), Bd. 1, Blatt 134. Vgl. auch Brief von Lübke 6.12.1857, in: Wilhelm Lübke, Briefe von W. Lübke an H. Kestner aus den Jahren 1846–1859. Herausgegeben von seiner Gattin, Karlsruhe 1895, S. 199–200. 14 GStA PK (wie Anm. 10), Bd. 1, Blatt 143, Rückseite. 15 Im Folgenden als Geschichte der Architektur bezeichnet. Vgl. Hubert Locher, »Das ›Handbuch der Kunstgeschichte‹. Die Vermittlung kunsthistorischen Wissens als Anleitung zum ästhetischen Urteil«, in: Memory & Oblivion. Proceedings of the XXIXth International Congress of the History of Art held in Amsterdam 1996, Dordrecht 1999, S. 69–87; Ute Engel, »Popularisierung und Veranschaulichung. Wilhelm Lübke, Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart«, in: Weltgeschichten der Architektur. Ursprünge, Narrative und Bilder 1700–2016 (Ausst. Kat. München 2016–2017), hrsg. von Matteo Burioni, Passau 2016, S. 41–43; Petra Brouwer, »The Pioneering Architectural History Books of Fergusson, Kugler, and Lübke«, in: Getty Research Journal, 10, 2018, S. 105– 120; Henrik Karge, Die Genese der modernen Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert. Schnaase – Kugler – Burckhardt – Semper, Hildesheim, Zürich und New York 2022 (in Vorbereitung). 13

16 Vgl. Dan Karlholm, Art of Illusion. The Representation of Art History in Nineteenth-Century Germany and ­Beyond, Bern 2004, S. 15–30; Gabriele Bickendorf, »Die ›Berliner Schule‹. Carl Friedrich von Rumohr, Gustav

Friedrich Waagen, Karl Schnaase und Franz Kugler«, in: Klassiker der Kunstgeschichte, hrsg. von Ulrich Pfisterer, 2 Bde., München 2007, Bd. 1, S. 46–61, hier S. 57; Hubert Locher, Kunstgeschichte als historische Theorie der Kunst 1750–1950, 2. korrigierte und um ein Nachwort erg. Aufl., München 2010, S. 270–271. 17 Wihelm Lübke, Vorschule zur Geschichte der Kirchenbaukunst des Mittelalters, Dortmund 1852 und Die mittelalter­liche Kunst in Westfalen. Nach den vorhandenen Denkmälern dargestellt, Text- und Bildband, Leipzig 1853. 18 Vgl. Verzeichnis der Unterrichts-Gegenstände der König­lichen Bau-Akademie zu Berlin für das Sommer-Halbjahr 1857 (1. April bis 15. August), Berlin 1857. 19 Vgl. Kunst des Mittelalters, BLB, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 1r. 20 Kunst des Mittelalters, BLB, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 2v. 21 Kunst des Mittelalters, BLB, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 1–3. 22 Zum Verhältnis Lübkes zu Burckhardt siehe Nikolaus Meier, »Wilhelm Lübke, Jacob Burckhardt und die Architektur der Renaissance«, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 85, 1985, S. 151–212; zur Beziehung von Burckhardt und Schnaase siehe Henrik Karge, »›Die Kunst ist nicht das Maass der Geschichte‹. Karl Schnaases Einfluß auf Jacob Burckhardt«, in: Archiv für Kulturgeschichte, 78, 1996, S. 393–431. Lübke verweist im Vorwort seiner Geschichte der Architektur ausdrücklich auf Schnaases kulturgeschicht­liche Darstellungen in dessen Geschichte der bildenden Künste. Vgl. Wilhelm Lübke, Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, Leipzig 1855, S. VI; Vgl. auch Locher 2010 (wie Anm. 16), S. 278–281; Henrik Karge, »Franz Kugler und Karl Schnaase. Zwei Projekte zur Etablierung der ›Allgemeinen Kunstgeschichte‹«, in: Franz Theodor Kugler. Deutscher Kunsthistoriker und Berliner Dichter, hrsg. von Michel Espagne, Bénédicte Savoy und Céline TrautmannWaller, Berlin 2010, S. 83–104. 23 Z. B. Kunst des Mittelalters, BLB, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 2v: »Aber man könnte fragen: Was wollen kulturgeschicht­liche Betrachtungen in einer Darstellung der Architekturgeschichte? Was für einen positiven Gewinn soll der ausübende Künstler aus ihnen schöpfen?« 24 Vgl. Alexandra Axtmann, »Wilhelm Lübke. Art History for Feuilletons«, in: Genealogy of Popular Science. From Ancient Ekphrasis to Virtual Reality, hrsg. von Jesús Muñoz Morcillo und Caroline Y. Robertson-von Trotha, Bielefeld 2020, S. 391–405.

25 Vgl. ebd.; Ludwig Pietsch, »Wilhelm Lübke«, in: Nord und Süd, October, 1877, S. 268–280; Theodor Fontane, »Wilhelm Lübkes Geschichte der italienischen Malerei. Besprochen von Th. Fontane«, in: Die Gegenwart. Wochenzeitschrift für Literatur, Kunst und öffent­liches Leben, 17, 1880, S. 342–344. Ein Überblick über alle Veröffentlichungen Lübkes, chronologisch und nach Publikationsorganen sortiert, findet sich in Axtmann und Gawlik 2019 (wie Anm. 2), S. 105–143. 26 Lübke 1855 (wie Anm. 22), S. 193–346. 27 Die erste Datierung vom 21.07.1857 lässt diesen Schluss zu; Renaissance, BLB, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 1v. Vgl. Lübke 1855 (wie Anm. 22), S. 349–369. 28 Außerdem mehrere Einschübe und Beilagenblätter, z. B. drei Seiten mit Notizen zu Danzig, BLB, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 28r–33v. 29 Lübke 1855 (wie Anm. 22), S. 125–160. 30 Albert Hofmann, »Nachruf auf Wilhelm Lübke«, in: Deutsche Bauzeitung, XXVII, 22. April 1893, S. 203. Eine ähn­liche Äußerung von Johan Rudolf Rahn existiert zu Lübkes Vorlesungen in Zürich, vgl. Martin Tschanz, Die Bauschule am Eidgenössischen Polytechnikum in ­Zürich. Architekturlehre zur Zeit von Gottfried Semper (1855–1871), Zürich 2015, S. 238, Anm. 448. 31 Lübke 1852 (wie Anm. 17). Die Kapitelgliederung erfährt in den Jahren der Überarbeitung eine Angleichung an die Geschichte der Architektur, so dass in der vierten Auflage das Mittelalter als verkürzte Version des größeren Handbuchs erscheint. 32 Zeichnung im Reisenotizbuch BLB, Cod. Karlsruhe 1282, S. 66, gedruckt in Lübke 1853 (wie Anm. 17), Taf. 19. 33 BLB, Cod. Karlsruhe 1279–1295; als Digitalisate verfügbar unter https://nbn-resolving.de/ urn:nbn:de:bsz:31-73611 (26.07.2019). Eine Untersuchung der Reisenotizbücher ist in Planung. 34 Zur Zeichnung vgl. Johannes Rößler, »Das Notizbuch als Werkzeug des Kunsthistorikers. Schrift und Zeichnung in den Forschungen von Wilhelm Bode und Carl Justi«, in: Daten sichern. Schreiben und Zeichnen als Verfahren der Aufzeichnung, hrsg. von Christoph Hoffmann, Zürich und Berlin 2008, S. 73–102, hier S. 73–77; Susanne Müller-Bechtel, »Die Zeichnung als kunstwissen­ schaft­liches Erkenntnisinstrument. Zu Möglichkeiten und Grenzen des Vergleichenden Sehens im 19. Jahrhundert«, in: Vergleichendes Sehen, hrsg. von Lena Bader, Martin Gaier und Falk Wolf (eikones), München, Paderborn 2010, S. 195–210. 35 Lübke an Kestner, 30.03.1847, in: Lübke 1895 (wie

Wilhelm Lübkes kunstgeschicht­liche Vorlesungen

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Anm. 13), S. 37. Zu Kestner siehe Axtmann und Gawlik 2019 (wie Anm. 2), S. 9 und S. 13. 36 Gegenüber Jacob Burckhardt hatte er 1858 geäußert, dass er erst wieder zur italienischen Kunst lesen möchte, wenn er dort gewesen sei, vgl. Axtmann und Gawlik 2019 (wie Anm. 2), S. 13–14. 37 Kunst des Mittelalters, BLB, Cod. Karlsruhe 1296, fol. 24v. 38 BLB, Cod. Karlsruhe 1285, S. 25. Gleichzeitig ist auch nachzuvollziehen, wie Lübke vor Ort gezielt bestimmte Details von Bauten genauer studierte, um sie später in den Vorlesungen und Texten präzisieren zu können. 39 Wilhelm Lübke, Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, 3. stark vermehrte Aufl., Leipzig 1865, S. 611. Zu Lübke und der Renaissance vgl. Axtmann und Gawlik 2019 (wie Anm. 2), S. 21–22 und S. 26–27; Meier 1985 (wie Anm. 22). 40 GStA PK (wie Anm. 10), Bd. 1, Blatt 143, Rückseite. 41 Vgl. Müller-Bechtel 2009 (wie Anm. 34). 42 Zu den Sammlungen in Zürich siehe Tschanz 2015 (wie Anm. 30), S. 180–192. 43 D. [?]: »Nachruf auf Wilhelm Lübke«, in: Centralblatt der Bauverwaltung, XIII, 15.04.1893, S. 152. 44 Vgl. Robert S. Nelson, »The Slide Lecture, or the Work of Art ›History‹ in the Age of Mechanical Reproduction«, in: Critical Inquiry, 26, 3, 2000, S. 414–434, hier S. 422–424; Lena Bader, Bild-Prozesse im 19. Jahrhundert. Der Holbein-Streit und die Ursprünge der Kunstgeschichte, München 2013, S. 369–370. 45 Vgl. Heinrich Dilly, »Lichtbildprojektion – Prothese der Kunstbetrachtung«, in: Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung, hrsg. von Irene Below, Gießen 1975, S. 153– 172; Dorothe Haffner, »›Die Kunstgeschichte ist ein technisches Fach‹. Bilder an der Wand, auf dem Schirm und im Netz«, in: Bild/Geschichte. Festschrift für Horst Bredekamp, hrsg. von Philine Helas, Maren Polte, Claudia Rückert und Bettina Uppenkamp, Berlin 2007, S. 119– 132, hier S. 119; Festgabe zum Jubiläum der vierzigjährigen Regierung seiner könig­lichen Hoheit des Grossherzogs Friedrich von Baden in Ehrfurcht dargebracht von der Technischen Hochschule in Karlsruhe, hrsg. von Technische Hochschule Karlsruhe, Sonderabdruck Carlsruhe 1892, S. LXVII. 46 Vgl. Jahres-Bericht der Kgl. Polytechnischen Hochschule zu Stuttgart für das Studienjahr 1866–67, Stuttgart 1867, S. 20 (im Folgenden abgekürzt als Jahres-Bericht und Jahr). 47 Programm der Königlich Württembergischen Polytechnischen Schule zu Stuttgart für das Jahr 1876 auf 1877, Stutt-

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Alexandra Axtmann

gart 1876, S. 56–57 (im Folgenden abgekürzt als Programm Stuttgart und Jahr). 48 Vgl. Programme der Grossherzoglich Badischen Polytechnischen Schule zu Carlsruhe/Grossherzoglich Badische Technische Hochschule zu Karlsruhe für das Studienjahr 1874/75 bis 1912/13 (im Folgenden abgekürzt als Programm Karlsruhe und Jahr); Technische Hochschule Karlsruhe 1892 (wie Anm. 45), S. LVII, LXVIII. Vgl. GLAK 235 Nr. 4403. 49 Vgl. z. B. Martina Dlugaiczyk, »Gipse im Getriebe. Abguss-Sammlungen an technischen Hochschulen«, in: Gipsabgüsse und antike Skulpturen. Präsentation und Kontext, hrsg. von Charlotte Schreiter, Berlin 2012, S. 333–354. 50 Vgl. Holger Jacob-Friesen, »Drei Rundgänge durch die Gemäldegalerie 1790–1846–1881«, in: Bauen und Zeigen. Aus Geschichte und Gegenwart der Kunsthalle Karlsruhe (Ausst. Kat. Karlsruhe 2014), hrsg. von Regine Hess, Bielefeld 2014, S. 71–85, hier S. 80. 51 Vgl. Programm Karlsruhe 1871/72 und 1873/74. 52 GLAK Karlsruhe 235 Nr. 40279, 12.11.1868. 53 KIT-Archiv 10001,2394 (alte Signatur 448/2394), Brief, 28.10.1868. 54 Vgl. Programm Karlsruhe 1870/71 bis 1872/73. 55 Vgl. Programm Stuttgart 1866–67 bis 1884–85. 56 Vgl. Katalog der Gemälde-Galerie. Im amt­lichen Auftrag verfasst von Karl Koelitz, 2. Aufl., durchgesehen und umgearbeitet von Wilhelm Lübke, Karlsruhe 1887; Katalog der Sammlung der Gypsabgüsse. Im amt­lichen Auftrag verfasst von Karl Koelitz, 2. Aufl., durchgesehen und umgearbeitet von Wilhelm Lübke, Karlsruhe 1887. Beide wurden von Lübke jedoch nur an wenigen Stellen überarbeitet. 57 GLAK 235 Nr. 4422, Brief von Lübke, 28.11.1885 (drei Seiten). 58 Übersichten oder Beiträge zu den einzelnen kunsthistorischen Lehrmittelsammlungen dieser Frühzeit sind nicht vorhanden und wohl auch nur als Verlustgeschichten zu rekonstruieren. 59 Technische Hochschule Karlsruhe 1892 (wie Anm. 45), S. LXVI. Zu den Karlsruher Besetzungen siehe Martin Papenbrock, »Der Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Karlsruhe. Ein Rückblick«, in: Kunst und Architektur in Karlsruhe. Festschrift für Norbert Schneider, hrsg. von Katharina Büttner und Martin Papenbrock, Karlsruhe 2006, S. 179–191. 60 GLAK 235 Nr. 4422, Brief von Woltmann, 29.08.1869. 61 Vgl. KIT-Archiv 10001, 2394, 20.02.1874. 62 Vgl. diverse Akten: 07.10.1880, 15.10.1880, 11.12.1880, 07.01.1881, alle GLAK 235 Nr. 4422. Mehr zu Meyer siehe

Dilly 1975 (wie Anm. 45), S. 158–160; ders., »Die Bildwerfer. 121 Jahre kunstwissenschaft­liche Dia-Projektion«, in: Zwischen Markt und Museum. Beiträge der Tagung »Präsentationsformen von Fotografie«, hrsg. von Martha Caspers (Rundbrief Fotografie, Sonderheft 2), Göppingen 1995, S. 39–44; Nelson 2000 (wie Anm. 44), S. 426–427; Wiebke Ratzeburg, »Mediendiskussion im 19. Jahrhundert. Wie die Kunstgeschichte ihre wissenschaft­liche Grundlage in der Fotografie fand«, in: kritische berichte, 30, 1, 2002, S. 22–39; Ingeborg Reichle, »Fotografie und Lichtbild: Die ›unsichtbaren‹ Bildmedien der Kunstgeschichte«, in: Sichtbarkeit und Medium. Austausch, Verknüpfung und Differenz naturwissenschaft­licher und ästhetischer Bildstrategien, hrsg. von Anja Zimmermann, Hamburg 2005, S. 169–181; hier S. 173–174; Bader 2013 (wie Anm. 44), S. 365–367. Zu Meyers Wandtafelprojekt siehe den Beitrag von Maria Männig in diesem Band. 63 GLAK 235 Nr. 4422, diverse Akten. Technische Hochschule Karlsruhe 1892 (wie Anm. 45), S. LXVI– LXVII. 64 Technische Hochschule Karlsruhe 1892 (wie Anm. 45), S. LXVII. 65 GLAK 235 Nr. 4422 (wie Anm. 57). 66 Vgl. GLAK 235 Nr. 4422 (wie Anm. 57). 67 GLAK 235 Nr. 4422 (wie Anm. 57), Antwort des ­Ministeriums, 2.12.1885. 68 GLAK 235 Nr. 4422 (wie Anm. 57). In vier Fällen ist keine Tafelanzahl genannt; diese sind aufgrund der Höhe der Zählung geschätzt worden. Zu Doerr siehe GLAK 466-22 Nr. 15739. 69 Das Fachgebiet Kunstgeschichte besitzt heutzutage keine derartigen Objekte mehr, auch die Diathek wurde vor einigen Jahren entfernt. Allerdings befinden sich im Fachgebiet Baugeschichte Teile des ursprüng­lichen Bestands. Die Sammlung wird aktuell aufgearbeitet und inventarisiert; bis zur Abgabe dieses Beitrages konnten noch keine Wandtafeln gefunden werden. 70 Jahres-Bericht 1867–1868, S. 18; vgl. auch Jahres-­ Bericht 1872–1873, S. 10. 71 Vgl. Jahres-Bericht 1866–1867 und 1867–1868, S. 18. 72 Technische Hochschule Karlsruhe 1892 (wie Anm. 45), S. LXVI–LXVII. 73 Dilly 1995 (wie Anm. 62), hier S. 40–41. 74 Vgl. Jens Ruchatz, Licht und Wahrheit. Eine Mediumgeschichte der fotografischen Projektion, München 2003; Susanne Neubauer, »Sehen im Dunkeln. Diaprojektion und Kunstgeschichte«, in: Georges-Bloch-Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich, 9/10,

2004, S. 177–189; Reichle 2005 (wie Anm. 62); Haffner 2007 (wie Anm. 45). 75 Z. B. Jahres-Bericht 1869–1870, S. 9; GLAK 235 Nr. 4422 und KIT-Archiv 10001,2394, diverse Rechnungen u. ä. 76 GLAK 235 Nr. 4422, Brief von Lübke, 15.02.1886. 77 Zu den Diskussionen siehe Ratzeburg 2002 (wie Anm. 62), S. 22, S. 27–30; Reichle 2005 (wie Anm. 62), S. 170–171; Bader 2013 (wie Anm. 44), S. 369. 78 Z. B. Wilhelm Lübke, »Handzeichnungen alter Meister aus der Sammlung des Louvre, photographirt von Adolph Braun. Dornach (Elsaß)« (Rezension), in: Zeitschrift für Bildende Kunst, 2, 1867, S. 199–203; ders., »Die Dresdner Galerie in Photographien«, in: Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst, IX. Jg/1873, Nr. 6, 21.11.1873, Sp. 81–86. Vgl. Ratzeburg 2002 (wie Anm. 62), S. 22, 30, 33. 79 Jahres-Bericht 1875–76, S. 11. Vgl. auch Ratzeburg 2002 (wie Anm. 62), S. 30; Dilly 1979 (wie Anm. 1), S. 151– 155; Bader 2013 (wie Anm. 44), S. 395–404. 80 Jahres-Bericht 1870–71, S. 15; Jahres-Bericht 1871–72, S. 13; Jahres-Bericht 1872–73, S. 10. Vgl. Jakob August Lorent, Denkmale des Mittelalters in dem Königreiche Württemberg, 3 Bde. (jeweils Text- und Bildbände), Mannheim 1866–1869. 81 Jahres-Bericht 1879–80, S. 8. 82 Jahres-Bericht 1882–83, S. 17. 83 Jahres-Bericht 1880–81, S. 5 und Beilage zum Hauptbuch des Kassenamtes des Polytechnikums Stuttgart aus dem Jahr 1881/1882, Staatsarchiv Ludwigsburg, E226/201 Bd. 124. Hierin ist ein tabellarisches Verzeichnis von Lübkes kunstgeschicht­licher Sammlung in Abschrift erhalten (datiert auf den 22. Dezember 1880), in der für 59 Werke (v. a. Mappenwerke) jeweils die Anzahl der enthaltenen Fotografien, Stiche und Farbendrucke aufgeführt sind. Leider sind die Titelangaben so stark verkürzt und ohne Autorname, dass keine exakte bibliografische Zuordnung möglich und daher ein Abgleich mit den in Lübkes Vorlesungsmanuskripten notierten Verweisen nahezu unmöglich ist. Der Preis von 1500 M. wurde in zwei Raten zu je 50% bezahlt. Aus der genauen Auflistung der jeweils gelieferten Blätter und den Nachträgen ist ersichtlich, dass Lübke letztlich 14 Blätter mehr überlassen hatte als ursprünglich veranschlagt worden war. 84

GLAK 235 Nr. 4422 (wie Anm. 76). GLAK 235 Nr. 4422 (wie Anm. 76), 13.05.1890. 86 Jahres-Bericht 1879–80, S. 6. 87 Vgl. Programm Stuttgart 1880–81; auch in Karlsruhe, vgl. Programm Karlsruhe 1885–86. Dort bereits unter Meyer ab Sommersemester 1876. 85

Wilhelm Lübkes kunstgeschicht­liche Vorlesungen

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Bruno Meyers Lehrmedien zwischen Bildungsreform und ­Medieninnovationen des langen 19. Jahrhunderts Maria Männig

Verfolgt man die Geschichte der kunsthistorischen Diaprojektion, so lässt sich ihr Ursprung zeitlich, geografisch und personell genau lokalisieren: Mit der Bestimmung des Akteurs, Bruno Meyer, des Ortes, Karlsruher Polytechnikum, und dem Zeitpunkt, 1880, schien diese Geschichte auserzählt zu sein.1 Während Meyer als Gescheiterter dargestellt,2 oder gar gänzlich eliminiert wird,3 gilt der Kunstgeschichte Herman Grimm als erfolgreicher Promotor des neuen Mediums. Nicht zuletzt aufgrund dieser Konstellation sind kaum Details über diesen zweiten Karlsruher Ordinarius und sein ambitioniertes Projekt bekannt. Auch wenn Meyers Bemühungen 1873 beim Kunsthistorikerkongress in Wien auf kollegiale Skepsis stießen und sein Nachfolger Wilhelm Lübke am Karlsruher Polytechnikum nicht mit der Diaprojektion fortfahren sollte, so handelt es sich dennoch um eine Pionierleistung, die das Fach nachhaltig geprägt hat. Meyers wichtigster Beitrag zur Fachgeschichte, so soll hier argumentiert werden, ist die Einführung eines neuen Lehrmediums in Form der Glasphotogramme für den kunstwissenschaft­lichen Unterricht.4 Dabei handelt es sich um ein mehrteiliges Werk, bestehend aus den vertriebenen Diapositiven und der titelgebenden Broschüre. Letztere enthält grundlegende Überlegungen zur Implementierung der Diaprojektion, einen Abschnitt zur »Projectionskunst« sowie das von Meyer konzipierte Verzeichnis, den Lehrkanon. Die Problematik ihrer Untersuchung besteht im weitestgehenden Verlust

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Maria Männig

des physischen Bestandes an Diapositiven. Aus Sekundärquellen und mittels der wenigen erhaltenen Objekte lässt sich die Produktionsgeschichte dennoch weitgehend erschließen. Anhand der Mey­ er’schen Lehrmedienprojekte diskutiert der vorliegende Beitrag die Verschiebung von der primär auditiven Vermittlung hin zu einer bildbasierten Argumentation, für die die Auswahl und Zusammenstellung von Lichtbildern und ihre anschließende Aufführung als grundlegender Paradigmenwechsel zu gelten hat. Die Diskussion wird aus zwei historischen Strängen heraus entwickelt; dem Panorama der Bildungspolitik einerseits und jenem der Unterhaltungsmedien andererseits. Aus dieser Gemengelage heraus soll gefragt werden, welche Umstände Meyer dazu bewogen haben, sich die Diaprojektion als Lehr- und Unterrichtsmedium anzueignen. Bevor Bruno Meyer im Jahr 1874 als zweiter Ordinarius für Kunstgeschichte an das Karlsruher Polytechnikum berufen wurde, war er Lehrer an einer Berliner Realschule sowie Dozent an der Berliner Kunstschule gewesen.5 Seine Tätigkeit als Kunstkritiker mit regem Interesse an Kunstindus­trie und angewandter Kunst6 weisen Meyer als typischen Vertreter der ersten Generation professionell agierender Kunsthistoriker, wie Rudolf Eitelberger oder Wilhelm Lübke, aus. Wie Hubert Locher bemerkt, hatte letzterer gar explizit die kritische Beteiligung der Kunstgeschichte am Kunstbetrieb eingefordert – ein Postulat, das der voranschreitenden Akademi-

sierung der Kunstgeschichte jedoch zum Opfer fallen sollte.7 Wie in seinen Schriften deutlich wird, ist Meyer stark von Gottfried Sempers Gedanken beeinflusst.8 Sein edukativer Ansatz lässt sich zuallererst in der zeitgenössischen Kunstgewerbebewegung verorten, die wiederum dem Komplex der realistischen Bildung zuzuordnen ist, der im Folgenden im Mittelpunkt steht. Spätestens während der Arbeit an den Glasphotogrammen für den kunstwissenschaft­lichen Unterricht sollte Meyer zudem Expertise als Fotograf und Bildverleger entwickeln. In seinem öffent­lichen Eintreten für die Diaprojektion wird ein aktivistisches Potenzial erkennbar, das unmittelbar dem Feld der »Reformpädagogik«9 zuzurechnen ist.

Bildungskonkurrenzen: Humanismus versus Realismus

Der folgende Blick auf Meyers Ausbildungsund Werdegang offenbart die Problematik einer hochgradig volatilen bildungspolitischen Situation, deren Facetten an dieser Stelle genauer beleuchtet werden sollen, um Meyers pädagogisches Projekt im Kontext des 19. Jahrhunderts verständlich werden zu lassen. Biografisch ist Bruno Meyer zunächst in der zutiefst protestantisch geprägten preußischen Bildungskultur zu verorten. Seine schulische Ausbildung genoss er am Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster,10 der ältesten Einrichtung ihrer Art in Berlin. Die Gründung der Institution als Gelehrtenschule im Jahre 1574 geht direkt auf die Reformation zurück, als deren Konsequenz die kirch­liche Oberhoheit zugunsten der landesherr­lichen bzw. städtischen Verwaltung des Schulwesens suspendiert wurde.11 Eine Besonderheit des Gymnasiums zum Grauen Kloster stellte zweifelsohne die Existenz einer Gemäldesammlung italienischer Malerei des 18. Jahrhunderts dar, die in Hinblick auf Meyers spätere Tätigkeit hervorzuheben ist.12 Viele der

Gymnasiasten – unter ihnen im 18. Jahrhundert etwa bereits Karl Friedrich Schinkel – kamen durch sie erstmals in Kontakt mit einem Gemäldekabinett.13 Die Sammlung war Bestandteil der Streitschen Stiftung, die der in Venedig tätige Kaufmann Sigismund Streit dem Gymnasium in den Jahren 1752 bis 1771 vermacht hatte und die dauerhaft im Hörsaal ausgestellt wurde. 1829–1832 wurde diese Aula unter der Ägide Schinkels neugotisch umgestaltet und die Sammlung somit einer repräsentativen Neuaufstellung unterzogen, die sowohl im 19. als auch im 20. Jahrhundert fotografisch dokumentiert wurde.14 Dem mit der gymnasialen Ausbildung vorgezeichneten wissenschaft­lichen Karriereweg folgend, absolvierte Meyer in den Jahren 1860 bis 1864 ein Studium der Philosophie, Philologie und Archäologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin,15 wo er mit einer Arbeit zur Niobidengruppe promoviert wurde.16 Anschließend absolvierte er das für die Lehrtätigkeit an Gymnasien obligatorische examen pro facultate docendi.17 Diese Prüfung war 1810 im Kontext der durch Wilhelm von Humboldt angestoßenen Bildungsreformen etabliert worden und lässt sich als Versuch verstehen, den Beruf des Fach- bzw. Gymnasiallehrers zu regulieren.18 Im Jahr 1826 war diese Prüfung um ein Probejahr ergänzt worden, das die Kandidaten unbezahlt in einer Schule zu durchlaufen hatten,19 um sich »in der pädagogisch-disziplinarischen Kunst zu üben«20, wie es in der entsprechenden Anordnung heißt. Sein Probejahr absolvierte Meyer am Französischen Gymnasium,21 das aus dem von Hugenotten gegründeten Collège François hervorgegangen war und mit dem Gründungsjahr 1689 die jüngste der Berliner Gelehrtenschulen darstellt.22 Wie das Gymnasium zum Grauen Kloster dienten diese auf die Frühe Neuzeit zurückgehenden Anstalten traditionell zur Vorbereitung auf ein Studium an der Universität und waren unmittelbare Vorläufer des humanistischen Gymnasiums.23

Bruno Meyers Lehrmedien zwischen Bildungsreform und M ­ edieninnovationen

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Abb. 1 Jean Chrétien Selter, Grundriss von Berlin (Verlag Simon Schropp et Comp.), 1846, Detail, bearbeitet

Mit seinem Dienstantritt als Oberlehrer an der Dorotheenstädtischen Realschule zu Ostern 186624 sollte Meyer schließlich einen ebenso neuen wie umstrittenen Schultyp, dessen erklärter Zweck die Vorbereitung auf das Berufsleben war, kennenlernen.25 Die Geschichte der realistischen Bildung und ihrer Institutionalisierung reicht, wie Agnes Winter festgestellt hat, ihrerseits in die pietistische Kultur des 17. Jahrhunderts zurück.26 Realien bezeichneten in diesem Zusammenhang natur­wissenschaft­liche Gegenstände sowie das Spektrum technisch-praktischer Fähigkeiten. Die realistische Bewegung präferierte den »Sach-« gegenüber dem »Wortunterricht« und folgte einem »generelle[n] Trend vom Auditiven zum Visuellen«.27 De facto qualifizierten die Realschulen bereits ab dem späten 18. Jahrhundert zur Berufsreife,28 de jure in Preußen ab 1832.29 Die Etablierung der realistischen Bildung lässt sich als Reaktion auf die zunehmende Notwendigkeit einer außerständisch organisierten Berufsvorbereitung verstehen; sie richtete sich insbesondere an die bürger­lichen Schichten. Ab 1859 trat in Preußen eine einheit­­liche Unterrichts- und Prüfungsord-

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nung in Kraft. Die neu eingeführte Unterscheidung zwischen Realschulen I. und II. Ordnung definierte erstere »endgültig als grundständige höhere Schule«30 . Umstritten blieb die Studienberechtigung; auf Antrag konnten die Realschul-Abiturienten zwar befristet als Gasthörer an Universitäten zugelassen werden,31 primärer Zweck der Abschlussprüfung war es jedoch, die Zulassungsvoraussetzung für spezialisierte Hochschulen – etwa die Berg-, Forst- und Gewerbeakademien – zu bilden, wie dies auch explizit aus dem Jahresbericht der Dorotheenstädtischen Realschule hervorgeht.32 Der neue Schultyp Realschule, so der Tenor der Forschung, bestätigte die normative Kraft des humanistischen Gymnasiums, bei dem es sich laut Wolf-Dietrich Greinert um ein die Vorstellungen von Bildung dominierendes Modell handelte.33 Insbesondere die durch die Vertreter des Neuhumanismus und Idealismus forcierte Vermittlung des Altgriechischen stellte hierbei ein elementares Distinktionsmerkmal dar, das die gymnasiale und universitäre Bildungselite von den Realschülern sowie vom Rest der Gesellschaft schied.

Abb. 2 Jean Chrétien Selter, Grundriss von Berlin (Verl. Simon Schropp et Comp.), 1846, Detail: Diorama

An der Dorotheenstädtischen Realschule unterrichtete Meyer die Sexta und Untersekunda in den Fächern Deutsch, Religion und Latein. Im Jahr 1866 besuchten 500 Knaben die Schule. Die Klassengrößen variierten zwischen vierzig und fünfzig Schülern in den unteren Schulstufen.34 Die Verzeichnisse zeigen ein für das 19. Jahrhundert auch für Gymnasien typisches Muster, wonach viele Schüler vorzeitig abgingen, was eine zahlenmäßig starke Reduktion hin zur Abschlussstufe der Primaner zur Folge hatte und den stark segregierenden Charakter des damaligen Bildungssystems verdeutlicht.

war 1866 bereits in Planung, das Baugrundstück hierfür befand sich in unmittelbarer Nähe, an der Ecke Friedrichstraße/Georgenstraße. Versucht man, die Lage der ehemaligen Schulgebäude sowie des Bauplatzes nachzuvollziehen, so fällt bei näherem Studium auf dem von 1846 durch Jean Chretien Selter gezeichneten Plan von Berlin ein besonderer Grundriss in der Georgenstraße Nr. 12 auf, der ein für das 19. Jahrhundert elementares Medium ins Zentrum rückt: es handelt sich um das Berliner Diorama (Abb. 2). Das Diorama war im Jahr 1827 von dem König­ lichen Theater-Inspektor Carl Wilhelm Gropius36 (1793–1870) eröffnet worden, der die Apparatur persönlich bei Louis Daguerre (1787–1851) in Paris studiert hatte (Abb. 3).37 Das von Charles-Marie Bouton (1781–1853) und Daguerre erfundene und zuerst in Paris realisierte Diorama-Theater bestand aus einer drehbaren Rotunde, auf der das Publikum platziert war, sowie Lichtschächten, vor die die transparenten Bilder gespannt waren (Abb. 4). Eine Vorstellung bestand aus der nacheinander stattfindenden Aufführung zweier Bilder, zu deren Zweck

Leuchtende Bilder: Erscheinungsweisen zwischen Kunst und Kunstgeschichte

Mittels einer topografischen Analyse lassen sich plastischere Vorstellungen von Meyers Wirkungsorten in Berlin gewinnen. Grundlage hierfür bilden historische Adressbücher und Stadtpläne. Anders als für die neuzeit­lichen Gelehrtenschulen ist die Lokalisierung der Dorotheenstädtische Realschule schwieriger. Aufgrund von Platzmangel war sie zeitweilig in verschiedenen Gebäuden in der Georgenstraße Nr. 23 und dem Ausweichquartier Nr. 18 untergebracht (Abb. 1).35 Ein neues Gebäude

Abb. 3 Johann Carl August Richter (nach Eduard Gärtner), Das Diorama in Berlin, Umrissradierung, koloriert, 18,3 × 23,0 cm, vor 1832, Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

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Abb. 4 Plan des Dioramas von London, Kunstblatt, 1828

das auf der Rotunde befind­liche Publikum in die zweite Position gedreht wurde. Das Pariser Programm begann mit einem Einblick in einen Kirchenraum und endete mit dem Ausblick in eine malerische, meist alpine Landschaft.38 Als Bildträger diente ein Baumwollgewebe mit semitransparenten Eigenschaften, auf dem mit deckenden und durchlässigen Farben gearbeitet wurde. Verglaste Öffnungen im Dach und auf der Rückseite mitsamt geräuschlos justierbaren hölzernen Läden gewährleisteten die komplexe Lichtregie aus Auf- und Durchlicht. Durch den Einsatz von Farbfiltern wurde die Palette an Effekten erweitert.39 Die skizzierte Lichtregie erlaubte es, die Bilder zu animieren, um somit bestimmte Vorgänge zu simulieren; typische Themen waren Naturereignisse, etwa der Wechsel von Tageszeiten, Vulkanausbrüche, Wetterumschwünge oder Steinschläge. Konzepte der Landschaftsmalerei, wie die Zentral- und Luftperspektive wurden auf die Dioramenmalerei übertragen, um mit Hilfe des Durchlichts den erzielten Grad an Realismus zu steigern. Analog zu den Faux Terrains zeitgenössischer Panoramen experimentierte man in Paris Anfang der 1830er Jahre mit zusätz­lichen kulissenartigen Elementen, die den Übergang zwischen Zuschauerraum und Bild verschleierten.40

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Carl Gropius transferierte das in Paris entwickelte Funktionsprinzip, das sich mit Auerbach als »veränder­liches Großbild-Diorama«41 charakterisieren lässt, erstmals in den deutschen Sprachraum.42 Mit seinem über 200 Personen fassenden drehbaren Zuschauerraum kann das Gropius’sche Diorama international als konkurrenzfähig bezeichnet werden.43 Auf dem Selter-Plan findet sich jedoch eine Besonderheit, die es von den anderen europäischen Beispielen unterscheidet und die meines Wissens bislang in der Forschung noch nicht thematisiert wurde: Auf dem Grundriss sind insgesamt vier Nischen bzw. Gemälderäume eingezeichnet. Eine zeitgenössische Beschreibung berichtet immerhin von der Existenz dreier Gemälderäume. Einer wurde als Werkstatt benutzt, um in situ unter den herrschenden Lichtbedingungen ein neues Bild herzustellen.44 Diese Vorgangsweise erlaubte die Vorbereitung am Aufführungsort und ersparte kostenintensive Transporte. Die aus dem 19. Jahrhundert überlieferten Grundrisse des für Berlin vorbildhaften Pariser Dioramas bestätigen ebenfalls die Existenz dreier Tunnel. Schrift­liche Quellen belegen zudem die Praxis, die neue Leinwand direkt vor Ort anzufertigen.45 Einem Bericht von 1828 zufolge maßen die Bilder des Berliner ­Dioramas 64 Fuß in der Breite und 42 Fuß in der Höhe, was umgerechnet einer Fläche von 18,5 × 12 Metern entspricht,46 und sind damit etwas kleiner als in Frankreich und England, wo sie mit 65 × 42 Fuß (ca. 21 × 14 m)47 angegeben werden. Im Gegensatz zu Berlin wurden die Pariser Dioramenbilder anschließend verschifft und zunächst in London, dann an verschiedenen weiteren Orten auf der Insel gezeigt. Sie waren somit in einen größeren Verwertungszyklus eingebunden.48 Gegenüber »eines bloss zeitvertreibenden Kunstspiels« betont Carl Seidel den »bildende[n] Gewinn« den dieses »öffent­liche[ ] Kunstinstitut« gewähre.49 In seiner Besprechung von 1828 schildert der Autor die Vorführung im Berliner Di-

orama als höchst subtile Veranstaltung – eine Tatsache, die in anderen Besprechungen dazu Anlass gegeben haben mag, die illusionistischen Qualitäten gegenüber dem Pariser bzw. Londoner Diorama als unzureichend zu bemängeln.50 Seidel beschreibt die Lichtstimmung als »magisches Helldunkel«51, ähnlich, wie sich das für Paris nachweisen lässt.52 Das Programm betreffend scheint man sich jedoch eng an die Pariser Dramaturgie gehalten zu haben, indem ein Landschaftsausblick auf einen Innenraum folgte.53 1828 gelangte die Gesamtansicht des Inneren der Abteikirche von Brou zur Aufführung, hinsichtlich deren Gestaltung die lithografische Vorlage zumindest einen Eindruck gibt (Abb. 5).54 Anders als in Paris wurde in Berlin jedoch im Anschluss statt einer alpinen eine italienische Landschaft gezeigt, die Gropius’ eigenem Fundus an Studien entstammte. Die zeitgenössische Kritik besprach sowohl Pa­ noramen als auch Dioramen als Werke der Malerei und sah in ihnen die logische Folge der kunsthistorischen Entwicklung seit der Renaissance. Entsprechend wurden die Wirkung der Komposition und

die farbige Gestaltung detailliert erörtert. Die Biografien der auf diesem Gebiet spezialisierten Künstler weisen einige Gemeinsamkeiten auf: So konnten Daguerres Geschäftspartner Bouton und der Breslauer Dioramenmaler August Siegert gleichermaßen auf eine Ausbildung an der Académie des Beaux-Arts verweisen, wo sie beide Schüler von Jacques-Louis David waren.55 Carl Gropius war hingegen – wie Daguerre – vor allem im Bereich der Theaterdekoration tätig gewesen. Auch Karl Friedrich Schinkels künstlerische Praxis verknüpft die Auseinandersetzung mit Diorama und Bühnenbild eng miteinander. Mit seinen gemalten Bühnenprospekten schuf er einen neuartigen Illusionsraum, der das Prinzip der Guckkastenbühne ablöste.56 Vor seiner Karriere am preußischen Hof hatte Schinkel bereits eng mit Carl Gropius’ Vater, Wilhelm Ernst Gropius (1765–1852), kooperiert, indem er in dessen Mechanischen Theater ab 1809 neben Panoramen mindestens zwei Zyklen »Perspektivisch-optischer Gemälde«57 zur Aufführung gebracht hatte.58 Mit 11 × 13 Fuß kleiner als die späteren Dioramen Pariser Prägung, aber dennoch von beacht­licher Größe, Abb. 5 Geoffroy Engelmann, Lithografie nach einer Zeichnung von Louis-JacquesMandé Daguerre, Vue générale de l’intérieur de l’église de Brou, Lithografie (handkoloriert), 1825, 34 × 43,5 cm, Sammlung Musée Adrien Mentienne, Bry-sur-Marne

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reihten sich diese in die seit um 1780 bestehende reichhaltige Tradition des Transparentbildes ein,59 die sich in mannigfachen Formen unter anderem in Gestalt des Eidophusikons60 oder Diaphanoramas61 äußerte und – wie Helmut Börsch-Supan gezeigt hat – insbesondere in Berlin während des ersten Dezenniums des 19. Jahrhunderts äußerster Beliebtheit erfreut hatte.62 Auch nach seinem Rückzug aus dem Geschäft der Diorama- und Panoramamalerei blieb Schinkel nach 1813 »stets in freundschaft­lichem Verhältnisse zu der Gropius’schen Familie; und vornehmlich nahm er an der Einrichtung des Gropi­ us’schen Diorama und an der Ausführung der grossen Bilder desselben fortwährend lebhaften Antheil.«63 Dioramatische Aufführungen bildeten einen selbstverständ­lichen Bestandteil künstlerischer Verwertungszyklen des 19. Jahrhunderts. In der Gropius’schen Unternehmung griff man etwa weiterhin auf Schinkels Entwürfe zurück, um diese als Vorlage für Dioramen und Panoramen zu nutzen. Ihre Ausführung übernahm vorzugsweise Carl Gropius. Einige seiner Kopien des Schinkel’schen Weltwunderzyklus haben sich in Sankt Petersburg erhalten; aus ihnen lässt sich ein Eindruck von ihrer ursprüng­lichen Gestaltung gewinnen.64 Besonders eng verzahnt ist die Dioramenkultur und die Malerei bei dem Breslauer Maler August Siegert, der bereits 1826 ein begehbares Diorama kleineren Maßstabs eröffnet hatte.65 Seine Dioramenbilder schickte der Künstler in den 1830er Jahren wiederum auf Tour und zeigte sie beispielsweise auch in Wien. Auch die bereits erwähnte Gesamtansicht des Inneren der Abteikirche von Brou, die auf eine Lithografie nach einer Zeichnung von Daguerre zurückgeht, ist in Verbindung mit dem Kunstsystem zu sehen: Die Lithografie wurde 1827 im Pariser Salon gezeigt.66 Die zunächst in dem Monumentalwerk Voyages pittoresques et romantiques dans l’ancienne France67 publizierte Innensicht der gotischen Kirche steht zwischen der romantisch formatierten ästhetischen Kategorie des picturesque68 und dem aufkei-

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menden wissenschaftlich-klassifikatorischen Interesse. Minutiös erfasst die Grafik das Architekturornament des Flamboyant, die zier­lichen Dienste und die Gewölberippen, sowie den Lettner. Die frontal-axiale Komposition des Raumeinblicks nach Osten wird durch eine sich schräg durchs Bild bewegende Prozession aus Klerikern unterbrochen. Die zwei in der Mittelachse vor dem Lettner knienden Nonnen laden die Darstellung durch das Moment der Frömmigkeit auf. Verstärkt wurde dieses in der Berliner Aufführung, indem »dieses Bild sehr zweckmäßig noch hörbar belebt durch einen schönen kirch­lichen Gesang, der leise aus einer Seitenkapelle des prächtigen Domes hervor zu tönen scheint.«69 Audiovisuelle Elemente wie diese dienten einer zusätz­lichen Dramatisierung der Darstellung, die die Lichtregie ergänzte. Gleichzeitig manifestiert sich innerhalb der Dioramenkultur ein signifikanter Trend hin zu einer Dokumentation historischer Bauwerke und sonstiger Sehenswürdigkeiten, die einen bildungsbürger­­lichen Wertekanon bedienen. Exemplarisch lässt sich dieser Paradigmenwechsel am Œuvre Schinkels nachvollziehen, der von den spektakulär-spekulativen Weltwunderzyklen um 1809 bereits vier Jahre später zu realistischeren Gebäudeaufnahmen führte, die sein individuelles architekturhistorisches Interesse sowie die Erfahrungen der Grand Tour dokumentierten und für ein interessiertes Publikum aufbereiteten. Bereits Alexis Donnet, Chronist der Pariser Theaterarchitektur, weist auf ein kunsthistorisch motiviertes Ausstattungsprogramm im Pariser Diorama hin. Demnach wurden dort an den Wänden die Namen der »plus célèbres peintres«70 auf verzierten Schildern aufgelistet. Dies wurde offenbar in London übernommen, von wo sich eine detailliertere Beschreibung erhalten hat: »Die Decke der Bühne oder des Saales ist durchsichtig, in Fächer getheilt und farbig ausgemalt, in einer Nachahmung der reichen

Arabesken Raphaels im Vatikane, und mit Cameen verziert, welche die Bildnisse folgender berühmter Maler enthalten: Sir Josua Reynolds, West, N. Poussin, Ruisdael, Rembrandt, Vernet, C. Lorrain, Berghem, L. de Vinci [sic!], Teniers, Rubens, Raphael und Gainsborough.«71 Dergleichen kunsthistorische Referenzen wurden in unterschied­lichen Formen bald in den Ausstattungskonzepten der öffent­lichen Kunstmuseen üblich. Gegenüber dem Pariser Diorama, dessen bau­­ liche Substanz und äußere Erscheinungsform als eher minderwertig kritisiert wurde,72 fand in Berlin die architektonische und antikisierende innenarchitektonische Ausstattung lobende Erwähnung.73 Neben seiner Konkurrenzfähigkeit auf dem internationalen Parkett der Unterhaltungsmedien, ist insbesondere die lange Existenzdauer des Gropi­ us’schen Dioramas erwähnenswert. In der DioramaForschung, in der Berlin als Annex von Paris und London abgehandelt wird, variieren die Angaben dazu stark.74 Das Morgenblatt für gebildete Stände berichtet erstmals in einer Ausgabe vom 14. Dezember 1827 vom Gropius’schen Diorama, das »seit mehreren Wochen«75 besteht. Zieht man Adressbücher des 19. Jahrhunderts als Quelle hinzu, so zeigt sich, dass die Institution im Zeitraum von 1828 bis 1855 ununterbrochen verzeichnet ist. Das bedeutet, dass das Gropius’sche Diorama länger als das gemeinhin als Spitzenreiter geltende Londoner Diorama in Betrieb war.76 Der Adressbucheintrag, der 1846 lautet: »Diorama von Karl Gropius, Stallstr. 7. Ist tägl v. 11–3, Sonntags v. 1–2 Uhr geöffnet.«77 variiert lediglich leicht hinsichtlich der Öffnungszeiten. Dass sich die Berliner Institution so lange gehalten hat, mag nicht zuletzt in der Vielfalt der Geschäftsfelder in der Unternehmung Gropius begründet sein; diese bestand im Kunstsaal, in dem Verkaufsausstellungen gezeigt wurden, dem Berliner Kabinett, dem sich ab den

1830er Jahren zunehmend auf Grafik spezialisierenden Verlag sowie in einer Steinpappenfabrik, die dreidimensionale ornamentale und figurative Schmuckelemente herstellte.78 Ab 1845 ergänzte das Gropius Panorama Atelier das Diorama um eine weitere zeittypische Attraktion.79 Nicht zuletzt dürfte das Privileg, das Diorama auf einem vom König bereitgestellten Grundstück errichten zu dürfen, die finanziellen Risiken abgefedert haben. Ob Meyer das Gropius’sche Diorama besucht hat, lässt sich nach derzeitigem Kenntnisstand nicht abschließend feststellen. Die unternehmerischen Aktivitäten der Gropius-Familie und das Diorama waren jedoch so öffentlichkeitswirksam angelegt, dass man zumindest annehmen kann, dass er davon vernommen hatte. Bei Meyers Dienstantritt an der Dorotheenstädtischen Realschule waren die Vorstellungen zwar bereits eingestellt worden, das Gebäude aber noch intakter Bestandteil des Stadtbildes. Ab dem Jahr 1868, in dem Meyer seine publizistische Tätigkeit aufnehmen sollte, wurde das Haus für fünf Jahre als Deutsches GewerbeMuseum zwischengenutzt, bevor es 1876 abgerissen wurde.80 Wiewohl die großen Dioramen ab der Jahrhundertmitte ihren Betrieb einstellten, verlieh das Ausstellungswesen der Präsentationsform Diorama in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen neuer­lichen Schwung, wie Alexander Gall ausgeführt hat.81 Auch die Volksbildung entdeckte die Dioramen; so kamen dioramatische Bühnenbilder ab den 1890er Jahren im ›Wissenschaft­lichen Theater‹ der Berliner Urania zum Einsatz.82 Die entsprechenden Effekte der großformatigen Wandelbilder wurden hier bereits mittels elektrischer Beleuchtung erzielt.83 Die illusionistische Kraft des Dioramas charakterisierte Erkki Huhtamo treffend als »vision machine«.84 Aufgrund des abgedunkelten Zuschauerraums sowie des Charakters der Vorführung wurde das Diorama von der frühen Medienwissenschaft verschiedentlich als Vorläufer des Kinos betrachtet

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und unter dem Topos des pre- oder proto-cinema oder der Kino-Archäologie abgehandelt.85 Die Tatsache, dass die gezeigten Bilder fixiert waren, während das Publikum bewegt wird, stellt – wie auch Huhtamo konstatiert86 – zweifelsohne eine Abweichung von den zentralen Merkmalen des von JeanLouis Baudry charakterisierten Kinodispositivs dar, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für das Kino verbindlich werden sollte.87 Der dioramatische Mechanismus unterscheidet sich zudem vom Kino, als dass das Auditorium den Quellen nach eher in einem diffusen Halbdunkel als in einem vollkommenen Blackout platziert wurde. Die vollkommene Passivität des Publikums, die Baudry dem Kinodispositiv attestiert hat,88 gilt bestenfalls für die Sitzplätze. In einem Begleittext zur Ausstellung von Schinkels perspektivisch-optischen Gemälden, den Kugler zitiert, heißt es: »so gleitet es [das Auge, Anm. M.M.] bei diesen Gemälden, sobald der Vorhang aufrollt, aus dem magischen Dunkel, welches es vorher umschloss, durch eine wohlgeordnete perspektivische Colonade auf Scenen, welche mit Kunst und Geschmack gewählt, zweckmässig beleuchtet, bei einem bestimmten Gesichtspunkte, den forschenden Blick des Verstandes fesseln, ohne dem freien Fluge der Phantasie Grenzen setzen zu wollen.«89 Ohne die Eigenständigkeit des Mediums Diorama in Frage stellen zu wollen, erscheint doch die Ausrichtung des Publikums auf ein identisches, hochgradig inszeniertes Seh-Erlebnis als signifikantes Merkmal, das in der Diaprojektion – und später beim Kino – gleichermaßen einen der Erfolgsfaktoren darstellen sollte. Der besondere Reiz besteht in der ausdrück­­ lichen Qualität leuchtender Bilder. Auch wenn sich Diorama und Diaprojektion in technologischer Hinsicht grundlegend voneinander unterscheiden,

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sind sie phänomenologisch durchaus miteinander vergleichbar. Den zentralen Vergleichsaspekt bildet die Diaphanie, das Durchscheinende. Wie Emmanuel Alloa dargelegt hat, lässt sich das Diaphane als Konstituens des Medialen bestimmen. Diaphanie ist demnach die Grundform des Erscheinens.90 Beim Diorama, aber auch bei der Bildprojektion, so die hier vertretene These, wird dieses Erscheinen in ähn­­licher Weise wirkungsvoll inszeniert. Im Diorama wird qua Durchlicht eine Wirkung erzeugt, die mit den zeitgleich durch die Projektion erreichbaren Effekten nicht nur konkurrierte, sondern deren technische Möglichkeiten etwa hinsichtlich der Größe sogar noch übertraf. Berichte lassen zudem auf den kombinierten Einsatz von plastischen und gemalten Dioramen und der Laterna magica schließen.91 Auch wenn im Diorama de facto auf den Einsatz eines Linsensystems verzichtet wird, so gelangten doch immer ausgefeiltere optische Effekte, wie das Prinzip der subtraktiven Farbmischung sowie künst­liche Lichtquellen zum Einsatz. Daguerre arbeitete mit farbigen Filtern, um den Doppeleffekt zu erreichen und zu perfektionieren. Den Höhepunkt hierfür bildete die vier Jahre lang erfolgreich aufgeführte Messe de minuit.92 Als Sonderform der Projektionsformen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts ist die Phantasmagorie zu nennen, bei der mittels Laterna magica eine Durchlichtprojektion erzeugt wurde, die die bilderzeugende Apparatur zur Steigerung des illusionistischen Effekts verbarg.93 Zum eigent­lichen Bildgegenstand wird die Verwandtschaft zwischen Laterna magica und Durchlichteffekt gar in einem besonders interessanten Beispiel der Gattung des Transparentbildes: Birgit Verwiebe hat auf eine im Verlag Rudolph Ackermann erschienene, aus dem Jahr 1799 stammende sechsteilige Serie hingewiesen, für deren Entwurf der englische Maler und Karikaturist Thomas Rowlandson verantwortlich zeichnet (Abb. 6).94 In einem arbeitsteiligen Prozess wurde sie von dem

der aus der Schweiz stammenden Aquatinta-Spezialisten Henri Merke ausgeführt. Eines der Blätter thematisiert eine Laterna-magica-Vorführung: Im Auflicht wirken die Grafiken monochrom, im Durchlicht erstrahlt die Projektion dagegen in hellen Farben an der Wand, durch die Reflexion erscheinen die Gesichter des staunenden Publikums in einem dramatisierten Clair-obscur. Damit ist die Laterna magica-Aufführung nicht nur abgebildet, sondern ihr spezifischer medialer Charakter in der Gattung des Transparentbildes gleichsam reflektiert und performativ umgesetzt.

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Seit der Renaissance war sowohl die zentralperspektivische Organisation der Bühne und des Publikums als auch die kontrastive Wirkung zwischen verdunkeltem Zuschauer- und erleuchtetem Bühnenraum in Theorie und Praxis bekannt.95 Das Theater als Spielraum des Sozialen sollte allerdings weitgehend das helle Auditorium beibehalten, bis Richard Wagner dieses schließlich in eine Blackbox verwandelte, um die Aufmerksamkeit des Publikums ausschließlich auf das Bühnengeschehen zu lenken.96 Wie Beat Wyss konstatiert hat, sollte Wagners ästhetische Strategie das Kinodispositiv prägen.97 Die architektonische Gestaltung der Filmtheater in Verbindung mit der für die Projektion notwendigen Verdunkelung, beförderte jenes immersive Rezeptionserlebnis gegenüber dem Geschehen auf der Bühne/Leinwand, für das Baudry die strukturelle Ähnlichkeit des Kinoerlebnisses mit der Traumerfahrung herausgearbeitet hat.98 Sowohl die Laterna-magica- als auch die Diaprojektion war aus technischen Gründen auf maximale Verdunklung angewiesen, die den sozialen Ort des Auditoriums auslöschte und seine Aufmerksamkeit auf das projizierte Bild lenken sollte; eine Medienkonstellation, die Silke Wenk ein-

Abb. 6 Henri Merke (nach Thomas Rowlandson), A Magic Lantern (Verlag Rudolph Ackermann, London), 30. Januar 1799, Aquatinta, handkoloriert, 33,5 × 25,5 cm

drücklich mit Baudry beschrieben hat.99 Im Anschluss wird der Frage nachgegangen, wie die Fokussierung der Aufmerksamkeit im Bildungsbereich durchgesetzt wurde. Angesichts der bereits beschriebenen Bildungsexpansion, die das 19. Jahrhundert prägte, wurde die Fokussierung der Aufmerksamkeit auch fernab der Unterhaltungsmedien zunehmend zum Thema. Erst um die Jahrhundertmitte wurde der Simultanunterricht eingeführt, der alle Anwesenden gleichzeitig adressierte. Dies bedingte die Normierung der Klassenzimmer auf einen längsrechteckigen Grundriss, die frontale Ausrichtung der Bänke auf das Lehrerpult – sowie die dahinter befind­liche Schultafel.100 Dem damals neuen Hilfsmittel – ein elementares und bedeutendes Lehrmedium eigenen Rechts – kam dabei eine entscheidende Rolle zu; die Tafel sollte gleichsam das visuelle Zentrum des Klassenraums vorstellen. Der Unterricht mit

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und an der Wandtafel wurde zunehmend durch Anschauungsmittel ergänzt, für die sich in der zweiten Jahrhunderthälfte ein entsprechender Markt etablierte. Wie bereits ausgeführt, waren in den niedrigeren Jahrgängen an den weiterführenden Schulen durchaus Klassenstärken von vierzig bis fünfzig Schülern üblich. In diesem Zusammenhang wird noch einmal deutlich, was Bruno Meyer mit seinem vielfach benutzten Begriff des »Massenunterrichts«101 meinte. Der Begriff bezeichnet die Herausforderung, eine vergleichsweise große Anzahl von Schülern gleichzeitig anzusprechen. Diese hier nur angedeutete Gemengelage bildungspolitischer Entwicklungen und Diskurse bildete den Hintergrund für die Entstehung von Meyers Lehrmedienprojekten und soll für deren Deutung herangezogen werden. Wie der Plural schon andeutet, stellen die Glasphotogramme nicht das einzige Meyer’sche Projekt dar. Ihnen ging die Entwicklung eines Baugeschicht­ lichen Wandatlas voraus.102 Beide Vorhaben zielten neben den Universitäten insbesondere auf den Bereich der weiterführenden Schulen, was angesichts der doch vergleichsweise geringen Anzahl der kunsthistorischen Lehrstühle einerseits, aber auch aufgrund von Meyers biografischem Hintergrund andererseits, nachvollziehbar erscheint. 1825 nach dem Vorbild der Pariser École polytechnique geformt und installiert, ist Karlsruhe (nach Prag und Wien) die drittälteste Institution dieser Art im deutschsprachigen Raum.103 Die Hochschule neuer Orientierung ging aus der von Friedrich Weinbrenner gegründeten Bauschule hervor, die eine weitere Komponente des realistischen bzw. auf Realien zielenden Bildungsmodells darstellt.104 Analog zum Verhältnis von altsprach­ lichem Gymnasium und naturwissenschaftlich orientierter Realschule fungierten die (poly)technischen Hochschulen als Alternative zur humanistischen Universität, für die wiederum die 1810 neu

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gegründete Berliner Universität Humboldt’scher Prägung modellhaft werden sollte. Sowohl im sekundären als auch im tertiären Bildungsbereich gerieten neuhumanistisches und realistisches Bildungssystem miteinander vielfach in Konflikt. Was im schulischen Bereich als Kampf um die Studienberechtigung an den humanistischen Universitäten ausgefochten wurde, fand innerhalb des Hochschulwesens sein Äquivalent im Kampf um das Promotionsrecht, der um das Jahr 1880 kulminierte.105 Bis heute ist die erheb­liche Relevanz, die den technischen Hochschulen im Zuge der Etablierung der Kunstgeschichte im universitären Fächerkanon zukam, innerhalb der Fach-Historiografie nur wenig erforscht.106 Die praktische Notwendigkeit der Architektenausbildung erzwang die Implementierung eines ästhetischen Faches.107 Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts stand dabei der Kanon der antiken Kunst im Fokus.108 In den Ausbildungswegen der ersten Generation der Kunsthistoriker, für die die Person Bruno Meyers hier stellvertretend stehen kann, wird diese enge Verbindung zu einer noch stark philologisch operierenden Altertumskunde deutlich. Meyers »gründ­liche classische Bildung«109 bildete dementsprechend das ausschlaggebende Kriterium für seine Berufung. Bereits seit Ende der 1860er Jahre hatte Meyer publizistisch für den Einsatz von Anschauungsmaterial geworben. Erst in Karlsruhe jedoch gelang die Umsetzung der Projekte. Sein Name ist unmittelbar mit der Diaprojektion verknüpft, was mit dem lange Zeit unbeachtet gebliebenen Wandatlasprojekt durchaus korrespondiert. Charakteristisch für beide Lehrmittelprojekte ist zumal, dass sie die Schulen adressieren, schulische und universitäre Bildung aber als Kontinuum begreifen. Der Baugeschicht­liche Wandatlas, den Meyer im Laufe des Jahres 1879 herausbrachte, stellte architektonische Bauwerke von der Antike bis zur Gegenwart vor.110 Im Vorfeld hatte sich Meyer an das badische Ministerium des Innern gewandt, um dieses als

Unterstützer für das Projekt zu gewinnen.111 Meyers Vorschlag bestand in dessen Beteiligung in Form einer Subskription, für die das Ministerium die Abnahme von fünfzig Exemplaren hätte zusichern sollen. Meyers Wandtafelwerk zielte, wie er ausführt, nicht nur auf den universitären, sondern auf den gesamten schulischen Bereich bis hin zu den höheren Töchterschulen. In seiner Aufzählung nennt Meyer die Realschulen selbstverständlich neben dem Gymnasium.112 Hier soll seiner Meinung nach der Unterricht von der Vermittlung der Architektur ausgehen.113 Während man in Baden laut Aktenvermerk trotz der hochfliegenden Pläne »nur auf geringe Verbreitung«114 schloss und das Projekt daher nicht unterstützte, musste Meyer schließlich das Königlich Preußische Ministerium der Geist­lichen Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten als Finanzier gewonnen haben, das auf der Broschüre als Unterstützer firmiert. Die Weigerung des badischen Ministeriums, was zunächst die Hilfe bei der Finanzierung wie die spätere ideelle Unterstützung in Form einer Empfehlung anbelangt, ist auffällig. So verwehrte ihm etwa der Erzherzog von Baden den Zugang zum Kupferstichkabinett, den Meyer für die Produktion seiner Glasphotogramme benötigt hätte. Dies brachte ihn wiederholt dazu, Hilfe von preußischer Seite zu erbitten, und so wich er auch mit seiner Fotokampagne nach Berlin aus. Ähnlich wie die Diaprojektion lenkt auch die Wandtafel das Auditorium primär auf eine visuelle Form der Darstellung, anhand derer münd­liche Erörterungen erfolgten. Wie sich diese Vermittlungssituation konkret ausgestaltete, geht aus Meyers Korrespondenz mit dem Ministerium hervor. Er schreibt dazu am 10. Januar 1879: »Bei jedem kunst- oder culturgeschicht­lichen Unterricht, bei der Stillehre u.s.w. macht sich insbesondere gegenüber grösseren Zuhörerkreisen – der Mangel eines Anschauungsmateriales empfindlich fühlbar, welches die hauptsäch-

lichsten Gegenstände in deut­lichen Zügen allen Anwesenden zusammen leicht erkennbar zugleich mit dem Worte des Vortragenden vorführte. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass das richtige Material hierzu Wandtafeln wären, die bei hinreichender Grösse klar genug gezeichnet sind, um weithin in ihren Einzelheiten mit dem Auge deutlich aufgefasst zu werden, und gleichzeitig sorgfältig und detailliert genug, um nicht nur die ganz groben Eigenthümlichkeiten der Form wiederzugeben, sondern auch namentlich bei der Betrachtung aus mässigerem Abstand über Feinheiten und bis zu einem gewissen Grade selbst Einzelheiten (Details) Rechenschaft zu geben.«115 Die Passage belegt, inwiefern das Publikum auf jene verbind­liche Anschauungssituation verpflichtet wird, die Robert Nelson als »performatives Dreieck«116 angesprochen hat. Wie bei den Glasphotogrammen handelt es sich auch bei dem auf sechzig Tafeln angelegten Wandatlas um einen Gang durch die Kulturgeschichte, der einer hegelianischen Konzeption folgend, im Osten in Indien beginnt und mit der deutschen Renaissance endet.117 Auffindbar war bislang nur die Sankt-Peter-Tafel, die zur Ansicht an das badische Ministerium geschickt worden war (Abb. 7). Dass Meyers Wandatlas wohl tatsächlich realisiert wurde, belegt indessen ein Statement anlässlich der 35. »Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner«, die 1880 in Stettin abgehalten wurde und bei der vom Altphilologen Eduard Kammer aus Lyck in einem Vortrag über den kunstgeschicht­lichen Unterricht am Gymnasium die Wandtafeln der Akropolis und eines römischen Hauses lobend erwähnt werden.118 Die große Dimensionierung der Tafeln rückt dieses Projekt näher an die Diaprojektion als an vergleichbare Bildtafelprojekte der Zeit. Vergleicht man etwa den Kunsthistorischen Bilderbogen aus dem E. A. Seemann Verlag, so zeigen sich hinsicht-

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Abb. 7 Bruno Meyer, St.-Peter-Tafel, 1879, 190 × 140 cm, Generallandesarchiv Karlsruhe, GLAK 76 / 9998

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lich Größe und Konzeption grundsätz­liche Unterschiede. Die Blätter des Bilderbogens sind nicht nur viel kleiner, so dass sie aufgelegt (oder gerahmt) betrachtet werden können, sie präsentieren überdies in der Regel mehrere Ansichten einzelner Objekte. Dagegen konzentriert sich Meyers Vorhaben ausschließlich auf den Grundriss ausgewählter Gebäude. Der Fokus richtet sich somit auf die analytischste Form der Architekturrepräsentation. In ihrer Komplexität erschließt sie sich Laien nicht unmittelbar und ist auf sprach­liche Aktivierung angewiesen. Aus diesem Grund plante Meyer, entsprechende erläuternde Texte anzubieten, die sich insbesondere an das Lehrpersonal in den Schulen richten sollten. Ob es allerdings zur Umsetzung kam, muss offenbleiben. Aus den fach­lichen Diskussionen über die Vermittlung kunsthistorischer Inhalte um 1880 lassen sich die zeitgenössischen Vorstellungen zum Umgang mit den vorhandenen Medienangeboten herauspräparieren: Meyers Kollegen plädierten für die Ausstellung der Bilderbögen in Wechselrahmen und reklamierten illustrierte Lehrbücher.119 Davon unterscheidet sich das Wandatlasprojekt, insofern es auf eine deutlich konzentriertere Form der frontalen Präsentation angewiesen ist. Die Fernwirkung des Wandatlas im Format 1,90 × 1,40 Meter wird sowohl durch seine Maße, die durchaus mit Meyers später konzipierter »3 Meter im Quadrat«120 messenden Projektionsfläche konkurrieren können, als auch die konsequente grafische Reduktion auf Schwarz-Weiß erreicht. Diese Charakteristika untermauern Meyers Intention, ein größeres Auditorium adressieren zu wollen. Darüber hinaus fordert der Grundriss die explanative sprach­liche Aktivierung des Gezeigten geradezu heraus. In Vorträgen und Texten vertrat Meyer seine bildungsreformatorischen Ziele. Einzuordnen sind seine Gedanken in das Spektrum reformpädagogischer Bemühungen, die ab 1848 insbesondere den Kunstunterricht betrafen und der Kunsterzie-

hungsbewegung vorangehen.121 Hier lassen sich zwei Fraktionen erkennen: diejenige, die für die Implementierung eines grundständigen kunsthistorischen Faches und die andere, die für eine Integration kunsthistorischer Inhalte in den Lateinund Griechischunterricht plädierte. Meyer kann als Vertreter der letzteren Gruppe gelten. Bereits im Jahr 1868, als er sich zum ersten Mal zu diesem Thema äußerte122 und wiederum im Jahr 1882, als er sich auf der in Karlsruhe tagenden 36. »Versammlung Deutscher Philologen und Schulmänner« mit einem Beitrag über Die Kunstwissenschaft und die Mittelschule präsentierte,123 vertrat er die Ansicht, dass die Kunst vergangener Epochen selbst als Anschauungsmaterial fungiere. Mittels der Kunstwerke ließen sich die Inhalte veranschau­ lichen und lebhaft vermitteln. Den Gedanken könnte man dahingehend weiterführen, dass dem Kunstwerk somit selbst ein medialer Status zukommt, wobei wiederum dessen bild­liche Repräsentation das Werk vertritt. Bezüglich der Frage, wie die Werke in Form von Unterrichtsmaterial bereitgestellt werden könnten, bleibt Meyer zunächst indifferent, plädiert aber bereits seit Anfang der 1870er Jahre für die Diaprojektion.124 Während Meyers Wandatlas der Architekturvermittlung vorbehalten war, hielt Meyer die Fotoprojektion am geeignetsten für die Reproduktion von Malerei und Skulptur. Der Wandatlas folgt einem geometrisch-mathematischen Paradigma, das womöglich dem Geiste der École polytechnique entspricht. Als Medium, das auf die Tageslichtbetrachtung ausgerichtet ist, scheint der Wandatlas für die Schulen auf den ersten Blick geeigneter als die Diaprojektion. Der hohe Abstraktionsgehalt, der zumindest für die St.-Peter-Tafel charakteristisch ist, schränkt ihre Einsatzmöglichkeiten allerdings wiederum ein. Die Diaprojektion bietet hier andere Möglichkeiten, erfordert jedoch die Einrichtung bestimmter Infrastrukturen, wie etwa des Projektionsapparates sowie die Verdunklung des

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Abb. 8 Bruno Meyer, Tizians Flora (Glasphotogramm Nr. 3738), 1883, Kohledruck auf Glas, 8,5 × 10 cm, KIT-Archiv, Karlsruhe, Inv. Nr. 28002 Sign. 87

Raumes. Besonders letztere wurde von den Zeitgenossen mitunter skandalisiert.125 Ende 1880 begannen die Umbauarbeiten, um den Hörsaal projektionstauglich einzurichten, im Januar 1881 hielt Meyer seine ersten Diavorträge.126 Zwischen der Idee und dem Erscheinen des 4000 Einträge umfassenden Verzeichnisses der Glas­photo­ gramme lag somit ein reich­liches Jahrzehnt. Auch den Nachfolgetechnologien der Laterna magica, wie dem Skioptikon,127 haftete zu diesem Zeitpunkt immer noch der Ruf des potenziell Verführerischen an, auch wenn die Projektion im Zusammenhang mit Fotografie längst rationalisiert worden war – wie dies Jens Ruchatz gezeigt hat.128 Die Rationalisierung, die auf einen weit verbreiteten edukativen Einsatz im 20. Jahrhundert zulaufen sollte, steht der Überwältigungs-Emphase gegenüber, die etwa der Berliner Ordinarius Herman Grimm noch in den 1890er Jahren postulierte.129 Diese birgt noch jenen Reflex der Wirkungsästhetik, die Transparentbilder, Diorama und Laterna magica im 18. und frühen 19. Jahrhundert zu entfalten imstande gewesen waren. Das projizierte Bild erscheint im dunklen Raum, das Ereignis seiner Aufführung ist zeitlich und örtlich begrenzt.

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Wie Kim Timby gezeigt hat, wird sich ein Werkstoff als elementar für die Fotografie erweisen – Glas.130 Sein großzügiger Einsatz gewährte den ­Studios den Tageslichteinfall, der für die frühe ­Fotografie nötig war, wie er auch zum Träger der Fotoemulsion wurde, man denke etwa an Glas­ negative oder Diapositive. Glas bringt das Trägermaterial zum Verschwinden und bildet die materielle Voraussetzung für die Diaphanie, die sich materiell in Form des Diapositivs und immateriell in der Fotoprojektion realisiert. Die Meyer’schen Glasphotogramme tragen diese materiellen Spuren in sich (Abb. 8). An ihnen wird die Handarbeit deutlich, etwa in Form der Gelatineschicht. Meyer griff auf den Kohledruck zurück, ein Edeldruckverfahren, das höheren Kontrastumfang sowie Lichtbeständigkeit gewährt – Qualitäten, die insbesondere für die Kunstreproduktion, aber auch für die Projektion relevant sind. Meyer nutzte im Falle der Gemälde Stiche als Reproduktionsvorlagen und umging damit das allgegenwärtige Problem der adäquaten fotografischen Farbwiedergabe. Noch bei Grimm spielte der Gemäldestich eine entscheidende Rolle, dem der Autor qua künstlerischer Übersetzungsleistung eine größere Authentizität zugestand als der reinen Gemäldereproduktion.131 Das der Fotografie zugeschriebene Ähnlichkeitsparadigma, erlaubt ihre Verwendung als Vehikel, mit deren Hilfe sich Vorlagen aller Art zumeist vom opaken Papier auf das projizierbare Glas transferieren lassen. Als Bruno Meyer in Karlsruhe mittels der Vorhänge sowie des eigens installierten »Hauptgashahnes […] während den Vorträgen je nach Erforderniß helle Gasbeleuchtung oder beliebige Verdunkelung des Raumes ohne Umstände mit einander abwechseln«132 konnte, und somit das Tageslicht zum Verschwinden und das projizierte Bild als Stellvertreter des Werks zum Erscheinen brachte, entstand ein neues Mediendispositiv, das die Kunstgeschichte nachhaltig geprägt hat.

1 Zum Forschungsstand: Maria Männig, »Bruno Meyer and the Invention of Art Historical Slide Projection«, in: Photo-Objects. On the Materiality of Photographs and Photo Archives in the Humanities and Sciences, hrsg. von Julia Bärnighausen, Costanza Caraffa, Stefanie Klamm, Franka Schneider und Petra Wodtke, Berlin 2019, S. 263–274, hier S. 276–286. 2 Heinrich Dilly, »Lichtprojektion – Prothese der Kunstbetrachtung«, in: Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung, hrsg. von Irene Below, Gießen 1975, S. 153–172; ders., »Bildwerfer. 121 Jahre wissenschaft­liche Dia-Projektion«, in: Zwischen Markt und Museum. Beiträge der Tagung »Präsentationsformen von Fotografie«, hrsg. von Martha Caspers (Rundbrief Fotografie, Sonderheft 2), 1995, S. 39–44. 3 Zuletzt: Wolfgang Kemp, »Medienrevolution und Kunstwissenschaft«, in: Die Zukunft des kunsthistorischen Publizierens, hrsg. von Maria Effinger und Hubertus Kohle, Heidelberg 2021, S. 189–220, hier: S. 196, https:// doi.org/10.11588/arthistoricum.663.c10518 (22.07.2021). 4 Bruno Meyer, Glasphotogramme für den kunstwissenschaft­lichen Unterricht, Karlsruhe 1883. 5 GLAK 448 / 2394: Gutachten Alfred Woltmanns vom 25.10.1873. Akten aus dem Bestand des Generallandesarchivs Karlsruhe, hier abgekürzt mit: GLAK. 6 Publizistisch aktiv war Meyer als Redakteur der Zeitschrift Die Warte. Diese erschien ab 1871 zweimal im Monat, 1875 wurde das Erscheinen eingestellt. 7 Hubert Locher, Kunstgeschichte als historische Theorie der Kunst 1750–1950, 2. Aufl., München 2010, S. 45–46. 8 Bruno Meyer, »Wie und was lernt der moderne Künstler durch die Geschichte der Kunst? Eine akademische Antrittsrede«, in: Deutsche Warte. Umschau über das Leben und Schaffen der Gegenwart, 6, 1874, S. 321–334. 9 Jürgen Oelkers konstatierte in diesem Zusammenhang: »Pädagogik im modernen Sinne ist immer Reformpädagogik.« [Hervorhebung lt. Original]; siehe: Ders., ­Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte, Grundlagentexte Pädagogik, 3. Aufl.,Weinheim und München 1996, S. 15. Insbesondere gilt diese These für das 19. Jahrhundert aufgrund der massiven gesellschaftspolitischen Umwälzungsprozesse. 10 L. Kleiber, »Schulnachrichten«, in: Jahresbericht der Dorotheenstädtischen Realschule, hrsg. von dems., Berlin 1866, S. 45–82, hier S. 74. 11 Julius Heidemann, Geschichte des grauen Klosters zu Berlin, Berlin 1874, S. 65; Agnes Winter, Das Gelehrtenschulwesen der Residenzstadt Berlin in der Zeit von Konfes-

sionalisierung, Pietismus und Frühaufklärung (1574–1740), Berlin 2008, S. 93–96. Der Säkularisierungsprozess setzte zudem erheb­liche finanzielle Mittel frei, siehe ebd., S. 79. 12 Neben 50 000 Büchern umfasste die Stiftung 47 italienische Gemälde. Eine Auflistung der Werke bei: Anton Friedrich Büsching, Lebensbeschreibung des Herrn Sigismund Streit, vornehmen Kaufmanns zu Venedig, und größten Wohlthäters des Gymnasii zum grauen Kloster in seiner Geburtsstadt Berlin, Berlin 1776, S. 44–48. 13 Mario Alexander Zadow, Karl Friedrich Schinkel – ein Sohn der Spätaufklärung. Die Grundlagen seiner Erziehung und Bildung, Stuttgart 2001, S. 85–86. 14 Schinkel führte die Planung in seiner Funktion als Leiter der Oberbaudeputation aus: Paul Ortwin Rave: Karl Friedrich Schinkel. Bauten für die Kunst, Kirchen und Denkmalpflege, 2 Bde., erw. Nachdruck, Berlin 1981, Bd. 1, S. 356–359. Erika Schachinger, »Abriß der Schulgeschichte«, in: Gymnasium zum Grauen Kloster 1874–1974. Bewährungsproben einer Berliner Gymnasialtradition in ihrem vierten Jahrhundert, hrsg. von Harald Scholtz, Weinheim 1998, S. 13–32, hier S. 24; Erika Schachinger, »Aus der Geschichte des Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster«, in: Das Graue Kloster. Mitteilungen des Vereins der Freunde des evangelischen Gymnasiums zum Grauen Kloster und der Bereinigung ehemaliger Klosteraner, 3, 1967, S. 3–9, hier S. 8. Abbildung bei: Harald Scholtz, Gymnasium zum Grauen Kloster 1874–1974. Bewährungsproben einer Berliner Gymnasialtradition in ihrem vierten Jahrhundert, Weinheim 1998, Taf. II. 15 1809 als Universität zu Berlin gegründet; heute: Humboldt Universität zu Berlin, Kleiber 1866 (wie Anm. 10), S. 74. 16 Bruno Meyer, De Niobidarum compositione, Berlin 1864. 17 Kleiber 1866 (wie Anm. 10). 18 Hans H. Mandel, Geschichte der Gymnasiallehrer­ bildung in Preußen-Deutschland 1787–1987 (Historische und pädagogische Studien, 14), Berlin 1989, S. 26–28. 19 Ebd., S. 32–35. 20 Ebd., S. 33. 21 Kleiber 1866 (wie Anm. 10), S. 74. 22 Winter 2008 (wie Anm. 11), S. 159–162. 23 Ebd., S. 93. 24 Kleiber 1866 (wie Anm. 10), S. 79. 25 Wolf-Dietrich Greinert, Realistische Bildung in Deutschland (Grundlagen der Berufs- und Erwachsenenbildung) hrsg. von Rolf Arnold, Baltmannsweiler 2003, S. 17–20.

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Winter 2008 (wie Anm. 11), S. 80.

27 Ebd. 28 Karl-Ernst Jeismann, »Das höhere Knabenschulwesen«, in: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. 1800– 1870. Von der Neuordnung Deutschlands bis zur Gründung des Deutschen Reiches, hrsg. von Peter Lundgreen, 4 Bde., München 1987, Bd. 3, S. 152–171, hier S. 161–163. 29 Ebd., S. 161–163. 30 Greinert 2003 (wie Anm. 25), S. 35. 31 Ebd., S. 35–36. 32 Kleiber 1866 (wie Anm. 10), S. 88. 33 Greinert 2003 (wie Anm. 25), S. 35–40. Karl-Ernst Jeismann spricht hinsichtlich des preußischen Gymnasiums von einem »Paradigma« der höheren Schule. Ders., »Das höhere Knabenschulwesen«, in: Lundgreen 1987 (wie Anm. 28), S. 152–171, hier S. 154. 34 Während des 19. Jahrhunderts war der Erwerb der Hochschulreife nur für Angehörige des männ­lichen Geschlechts vorgesehen. Durchgesetzt wurde die Hochschulreife erst im 20. Jahrhundert: Erika Küpper, »Die höheren Mädchenschulen«, in: Lundgreen 1987 (wie Anm. 28), S. 180–191. 35 Kleiber 1866 (wie Anm. 10), S. 72. 36 Alternative Schreibweise: Karl Gropius. 37 Alfred Auerbach, Panorama und Diorama. Ein Abriß über Geschichte und Wesen volkstüm­licher Wirklichkeitskunst., Grimmen 1942, S. 33. 38 Alexis Donnet, Architectonographie des théâtres de Paris, ou Parallèle historique et critique de ces édifices considérés sous le rapport de l’architecture et de la décoration, Paris 1821, S. 321. 39 Ebd., S. 320. 40 Alexander Gall, »Auf dem langen Weg ins Museum. Dioramen als kommerzielle Spektakel und Medien der Wissensvermittlung im langen 19. Jahrhundert«, in: Szenerien und Illusion. Geschichte, Varianten und Potenziale von Museumsdioramen, hrsg. von Alexander Gall und Helmuth Trischler, Göttingen 2016, S. 27–106, hier S. 35; Erkki Huhtamo, Illusions in Motion. Media Archaeology of the moving panorama and Related Spectacles, Cambridge, Mass. und London 2013, S. 146. Huhtamo nimmt an, dass Langlois’ Panorama vorbildgebend gewesen sein könnte. Laut Oliver Grau hatte dieser das in der Illusionstechnik schon länger bekannte Faux Terrain erstmals in einem Schlachtenpanorama eingesetzt. Oliver Grau, Virtual Art. From Illusion to Immersion, Cambridge 2003, S. 59. 41 Auerbach 1942 (wie Anm. 37), S. 7. 42 Das Breslauer Diorama, das in diesem Zusammen-

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hang immer wieder als erstes Diorama genannt wird, wurde von dem Maler August Siegert betrieben. Von den Dimensionen war es jedoch wesentlich kleiner und auch die Mechanik fehlte. Karl Schwindt, »Ueber die Landschaften des Herrn Malers Siegert in Breslau und über seine Dioramen«, in: Kunstblatt, 86, 25.10.1827, S. 341–342; Carl Seidel, »Ueber Panoramen, Dioramen und Neoramen«, in: Berliner Kunstblatt, 2, 1828, S. 59–70, hier S. 64. 43 Seidel 1828 (wie Anm. 42), S. 64. Zum Vergleich: Das Pariser Diorama fasste 350 Personen, Donnet 1821 (wie Anm. 38), S. 322. 44 Seidel 1828 (wie Anm. 42), S. 64–65. 45 Donnet 1821(wie Anm. 38), S. 320. 46 Seidel 1828 (wie Anm. 42), S. 64. Grundlage für die Umrechnung bildet das Preußische Fußmaß. 47 »Les tableaux peints sur toile ont soixantecinq pieds de largeur sur quarante-deux de hauteur«, laut Donnet 1821 (wie Anm. 38), S. 320. Umrechnung auf Basis französischer pieds. 48 Stephan Oettermann, Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums, Frankfurt am Main 1980, S. 65. 49 Seidel 1828 (wie Anm. 42), S. 67–68. 50 Ebd., S. 64. 51 Ebd. Eine ähn­liche Beleuchtungssituation konstatiert J. Britton für London: »Der Saal oder die Bühne wird von der Mitte des Dachs aus sehr mild beleuchtet, so daß ein angenehmer ruhiger Schatten sich darüber ausbreilet, welcher der Wirkung und dem Glanze der Gemälde wohl­ thätig ist, ohne eine zu abstehende Dunkelheit zu verur­ sachen.« Ders., »Das Diorama in London«, in: Kunstblatt, 90, 1828, S. 357–359, hier S. 358. 52 Donnet 1821 (wie Anm. 38), S. 321–322. 53 Ebd., S. 321. 54 Seidel 1828 (wie Anm. 42), S. 65. 55 Marie-Claude Chaudonneret, »Bouton, Charles-­ Marie«, in: Allgemeines Künstlerlexikon, hrsg. von Andreas Beyer, Bénédicte Savoy und Wolf Tegethoff, Berlin und Boston 2020, https://db.degruyter.com/view/AKL/_ 10138052 (20.10.2020); Stéphanie Baumewerd, »Siegert, August«, ebd., https://db.degruyter.com/view/AKL/_ 00222841 (20.10.2020). 56 Wolfgang Schivelbusch, Lichtblicke. Zur Geschichte der künst­lichen Helligkeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2003, S. 185–186. 57 Franz Kugler, Karl Friedrich Schinkel. Eine Charakteristik seiner künstlerischen Wirksamkeit, Berlin 1842, S. 139. 58 Helmut Börsch-Supan, Bild-Erfindungen (Karl Fried-

rich Schinkel – Lebenswerk, 20), hrsg. von dems. und Gottfried Riemann, München und Berlin 2007, S. 563. 59 Birgit Verwiebe, Lichtspiele. Vom Mondscheintransparent zum Diorama, Stuttgart 1997; David Robinson, »Domestic Transparencies«, in: The Magic Lantern, 2, 2015, S. 1–5; Birgit Verwiebe, »Transparente Bilder. Kunst und Geselligkeit im 18. und 19. Jahrhundert«, in: Forschungen und Berichte, 31, 1991, S. 229–241. 60 Das Eidophusikon ist ein mechanisches Theater, das aus Transparentbildern und beweg­lichen Figuren bzw. Requisiten bestand. Erdacht wurde es von dem in London tätigen Maler Philippe Jacques de Loutherbourg (1740– 1812), siehe: Ann Bermingham, »Technologies of Illusion: De Loutherbourg’s Eidophusikon in Eighteenth-Century London«, in: Art History, 39, 2, 2016, S. 376–399. 61 Das Diaphanorama war eine Apparatur, die es erlaubte, eine Sequenz von Transparentbildern vorzuführen. Erfunden wurde sie von dem Schweizer Maler Franz Nikolaus König, der sich ab 1811 mit der Transparentmalerei befasste und ab 1816 mit dem Diaphanorama durch Europa tourte. Bloesch, »König, Franz Niklaus«, in: Allgemeine Deutsche Biographie, hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 16, 1882, https://www.deutsche-biographie. de/pnd118724347.html#adbcontent (30.12.2020), S. 60; Oettermann 1980 (wie Anm. 48). 62 Börsch-Supan 2007 (wie Anm. 58), S. 561. 63 Kugler 1842 (wie Anm. 57), S. 150. 64 Ekaterina Skvortcova, »›The Seven Wonders of the World‹ from the Russian Academy of Fine Arts Museum in Saint Petersburg. Karl Friedrich Schinkel’s only extant Dioramas and their Influence on his Art«, in: Jahrbuch der Berliner Museen, N. F. 57, 2015, S. 85–97; Dies., »›Семь чудес света‹ в Научно-исследовательском музее Российской академии художеств — серия картин К. Ф.Шинкеля и К. В. Гропиуса (новая атрибуция)«, in: Actual Problems of Theory and History of Art, 8, 2018, S. 38– 49, https://doi.org/10.18688/aa188-1-3 (22.07.2021). 65 Baumewerd 2020 (wie Anm. 55). 66 »Vue générale de l’intérieur de l’église de Brou (Franche-Comté) ; Voyages pittoresques et romantiques dans l’ancienne France«, in: POP: la plateforme ouverte du patrimoine, https://www.pop.culture.gouv.fr/notice/joconde/04240000021 (11.03.2021). 67 Charles Nodier, Justin Taylor und Alphonse de Cailleux, Voyages pittoresques et romantiques dans l’ancienne France. Franche-Comté, Paris 1825. 68 William Gilpin, Three essays: on Picturesque Beauty;

on Picturesque Travel; and on Sketching Landscape, London 1792. 69 Seidel 1828(wie Anm. 42), S. 66. 70 Donnet 1821 (wie Anm. 38), S. 322. 71 Britton 1828 (wie Anm. 51), S. 358. 72 »Objet de spéculation, les bâtiments du Diorama, construits moitié en moellons, moitié en pans de bois, sans décoration extérieure, sur un plan qu’ont beaucoup contrarié la configuration et l’exiguité du terrain, n’ont rien de remarquable.« Donnet 1821 (wie Anm. 38), S. 319. 73 Seidel 1828 (wie Anm. 42), S. 64. 74 Laut Josef Maria Eder sei das Diorama 1826 erbaut worden, habe sich »bis in die 50er Jahre« hinein gehalten, bevor es abgebrannt sei: Ders., Geschichte der Photographie, 4. Aufl., Halle (Saale) 1932, S. 277. Ein Brand ist für Berlin nicht belegt. Jürgen Zimmer schreibt, die letzte Aufführung sei im Mai 1850 erfolgt: Ders., »Gropius, Carl Wilhelm«, in: Allgemeines Künstlerlexikon 2020 (wie Anm. 55), https://db.degruyter.com/view/AKL/_00090112 (20.10.2020). Diese von Erich Stenger begründete Datierung prägt die Literatur: Ders., Daguerres Diorama in Berlin, Berlin 1925. Vgl.: Gall 2016 (wie Anm. 40), S. 38. 75 Anonym, in: Morgenblatt für gebildete Stände, 299, 1827, S. 1196. Laut Alfred Auerbach fand die Eröffnung am 20. Oktober 1827 statt: Auerbach 1942 (wie Anm. 37), S. 33. 76 Alexander Gall gibt die Schließung des Londoner Dioramas mit 1851 an: Gall 2016 (wie Anm. 40), S. 41. 77 Allgemeiner Wohnungsanzeiger für Berlin, Charlottenburg und Umgebungen auf das Jahr 1846, bearb. von dem Königl. Polizei-Rath Winckler, Berlin 1846, S. 803, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:109-1-48280 (28.02.2021). 78 Zimmer 2020 (wie Anm. 74). 79 Allgemeiner Wohnungsanzeiger für Berlin, Charlottenburg und Umgebungen auf das Jahr 1845, bearb. von dem Königl. Polizei-Rath Winckler, Berlin 1845, S. 797, http:// nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:109-1-56495 (28.02.2021). 80 Zimmer 2020 (wie Anm. 74). 81 Gall 2016 (wie Anm. 40), S. 46–51. 82 Ebd., 47–48. 83 Christoph Asendorf, Ströme und Strahlen. Das langsame Verschwinden der Materie um 1900, Gießen 1989, S. 8–9; Franz Bendt, »Die neue Berliner ›Urania‹«, in: Die Gartenlaube, 38, S. 632–638, hier S. 634. 84 Huhtamo 2013 (wie Anm. 40), S. 144; Erkki Huhtamo, »Das Diorama und die Dioramen. Erfindung und Verbreitung einer neuen Schaubühne«, in: Diorama –

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­ rfindung einer Illusion (Ausst. Kat. Frankfurt am Main E 2017–2018), hrsg. von Katharina Dohm, Claire Garnier, Laurent Le Bon und Florence Ostende, Köln 2017, S. 38– 44, hier S. 39. In der Begleitpublikation zur Ausstellung wurde der Begriff mit »Bildmaschine« übersetzt, was nicht so treffend erscheint. 85 Die Kino-Archäologie wurde begründet durch das populärwissenschaft­liche Werk von: C. W. Ceram, Eine Archäologie des Kinos, Darmstadt 1965. Aufgegriffen wurde die Idee u. a. von: Laurent Mannoni, The Art of Light and Shadow. Archaeology of the Cinema, Exeter 2006. Bis zur Rehabilitierung des frühen Films u. a. durch Tom Gunning wurde Kinogeschichte vornehmlich aus der Perspektive des Tonfilms geschrieben und entsprechend von einem normativen Gesichtspunkt aus als pre- oder protocinema bezeichnet: Tom Gunning, »The Cinema of Attraction[s]«, in: Wide Angle, 8, 3–4, 1986, S. 63–70. Der Impetus der Kino-Archäologie war es, die Vorgeschichte des bewegten Bildes freizulegen, wobei der Fluchtpunkt stets das klassische Kino blieb, d. h. andere Medien ausgeblendet wurden. Die Idee des Freilegens treibt auch die Medienarchäologie um, deren Anspruch es ist, in der Rückschau heterogenere Medienentwicklungen freizulegen. 86 Huhtamo 2013 (wie Anm. 40). 87 Jean-Louis Baudry, »Das Dispositiv. Metapsychologische Betrachtungen des Realitätseindrucks«, in: Kursbuch Medienkultur. Die maßgeb­lichen Theorien von Brecht bis Baudrillard, hrsg. von Claus Pias, Joseph Vogl, Lorenz ­Engell, Oliver Fahle und Britta Neitzel, Stuttgart 1999, S. 381–404. Der in Anm. 83 beschriebene blinde Fleck betrifft auch die Dispositivanalyse von Baudry, die das klassische Kino absolut setzt. 88 Ebd. 89 Zitiert nach: Kugler 1842 (wie Anm. 57), S. 140. 90 Emmanuel Alloa, Das durchscheinende Bild, 2. Aufl., Zürich 2018, S. 101–107. 91 Auerbach 1942 (wie Anm. 37), S. 22 und S. 26. 92 Louis Jacques Mandé Daguerre, Das Daguerreotyp und das Diorama, Karlsruhe 1839, S. 113. 93 Mannoni 2006 (wie Anm. 85), S. 136–175. 94 Verwiebe 1997 (wie Anm. 59), S. 37–38. Dazu auch Robinson 2015 (wie Anm. 59). 95 Schivelbusch 2003 (wie Anm. 56), S. 195. 96 Ebd., S. 198–199. 97 Beat Wyss, »Ragnarök of Illusion: Richard Wagner’s ›Mystical Abyss‹ at Bayreuth«, in: October, 54, 1990, S. 57–78. 98 Baudry 1999 (wie Anm. 87).

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99 Silke Wenk, »Zeigen und Schweigen. Der kunsthistorische Diskurs und die Diaprojektion«, in: Konfigurationen zwischen Kunst und Medien, hrsg. von Sigrid Schade, München 1999, S. 292–305. 100 Wann genau die Schultafel eingeführt wurde, ist umstritten. Für die USA wird angenommen, dass sie nach der Jahrhundertmitte zum Standard wurde: Peggy Aldrich Kidwell, Amy Ackerberg-Hastings und David Lindsey Roberts, Tools of American Mathematics Teaching 1800–2000, Baltimore 2008, S. 22. Henry Banard präsentiert eine Reihe von Schultafeln sowie Ideen, wie diese selbst herzustellen sind: Ders., School Architecture; or Contributions to the Improvement of School-Houses, New York 1849, S. 386– 387. 101 Bruno Meyer, Prospect. Baugeschicht­licher Wandatlas für Hoch-, Mittel- und Fachschulen, Karlsruhe 1879, S. 3. 102 Dazu ausführlich: Maria Männig, »Bruno Meyers Baugeschicht­licher Wandatlas. Ein Lehrmedium im Kontext von Kunst und Technik«, in: Kunstgeschichte an Polytechnischen Instituten, Technischen Hochschulen, Technischen Universitäten. Geschichte – Positionen – Perspektiven, hrsg. von Robert Stalla, Wien 2021, S. 467–514. 103 Greinert 2003 (wie Anm. 25), S. 22. 104 Ebd., S. 19–20. 105 Ebd., S. 57–58. Zu dem Konflikt zwischen Realschule und humanistischem Gymnasium bzw. Universität und technischer Hochschule nimmt auch Stellung: Bruno Meyer, »Die Zukunft der Deutschen Hochschulen und ihrer Vorbildungs-Anstalten«, in: Deutsche Warte. Umschau über das Leben und Schaffen der Gegenwart, VII, 5, 1874, S. 257–273. 106 Robert Stalla, »Vorwort«, in: Stalla 2021 (wie Anm. 102), S. 9–13; Wolfgang Beyrodt, »Kunstgeschichte als Universitätsfach«, in: Kunst und Kunsttheorie 1400–1900, hrsg. von Peter Ganz, Martin Gosebruch, Nikolaus Meier und Martin Warnke, Wiesbaden 1991, S. 313–333, hier S. 324. 107 Alexandra Axtmann, »Die Etablierung der Kunstgeschichte am Karlsruher Polytechnikum«, in: Stalla 2021 (wie Anm. 102), S. 115–136, hier S. 118–120. 108 Ebd. Dies zeigt sich auch in den frühen Curricula, die explizit die Antike benennen. 109 GLAK 448 / 2394: Gutachten Alfred Woltmanns vom 25.10.1873. 110 Meyer 1879 (wie Anm. 101). Dazu: Männig 2021 (wie Anm. 102). 111 GLAK 76 / 9998: Bruno Meyer an Ministerium, 10. Januar 1879.

112 Ebd. 113

Bruno Meyer, »Die Kunstwissenschaft und die Mittelschule«, in: Verhandlungen der sechunddreissigsten Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner, Karlsruhe 1882, S. 204–206, hier S. 205. 114 GLAK 76 / 9998: Aktenvermerk vom 28. November 1879. 115 GLAK 76 / 9998: Bruno Meyer an Ministerium, 10. Januar 1879. 116 Robert S. Nelson, »The Slide Lecture, or the Work of Art ›History‹ in the Age of Mechanical Reproduction«, in: Critical Inquiry, 26, 3, 2000, S. 414–434. 117 GLAK 76 / 9998: Bruno Meyer an Ministerium, 10. Januar 1879. Übersicht der Tafeln bei Männig 2021 (wie Anm. 102), S. 481. 118 Eduard Kammer [Gymnasialdirektor, Lyck], »Ueber den Umfang und die Methode des kunstgeschicht­lichen Unterrichts an Gymnasien«, in: Verhandlungen der fünfunddreissigsten Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Stettin vom 27. bis 30. September 1880, Leipzig 1881, S. 145–158, hier S. 158. Wilhelm Lübke, Meyers Nachfolger am Polytechnikum, sollte dort sein eigenes Wandatlasprojekt anregen, über das ebenfalls wenig bekannt ist, siehe dazu den Beitrag von Alexandra Axtmann im vorliegenden Band. 119 Franz Müller, »Bemerkungen über den sogenannten Kunstunterricht an Gymnasien«, in: Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik, 128, 1883, S. 416–424 und S. 472–480. Die einschlägigen Passagen in der Fortsetzung. 120 Joachim Hotz, Aktenauszüge zur Geschichte des Lehrstuhls und Instituts für Kunstgeschichte an der Technischen Hochschule Karlsruhe, Karlsruhe 1965. 121 Oelkers 1996 (wie Anm. 9), S. 53. Übersicht mit Literaturangaben dazu auch bei: Müller 1883 (wie Anm. 119), S. 416–425, hier S. 416–417. 122 Bruno Meyer, Das Ästhetische als Erziehungsmittel und Unterrichtsgegenstand, Berlin 1868. 123 Bruno Meyer, »Über die Kunstwissenschaft und die Mittelschule«, in: Verhandlungen der sechsunddreissigsten Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Karlsruhe vom 27. bis 30. September 1882, Leipzig 1883, S. 204–206. 124 Bruno Meyer, »Das Aschenbrödel unter den modernen Wissenschaften«, in: Deutsche Warte. Umschau über das Leben und Schaffen der Gegenwart, 2, 1872, S. 641–661. 125 Müller 1883 (wie Anm. 119), Fortsetzung, S. 479. 126 GLAK 235 7 4422: Der Antrag seitens des Polytechnikums wird am 7. Oktober 1880 gestellt. Am 7. Januar

1881 wird an das Ministerium vermeldet, dass die Arbeiten abgeschlossen sind. Siehe auch: Martin Papenbrock, »Der Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Karlsruhe. Ein Rückblick«, in: Kunst und Architektur in Karlsruhe. Festschrift für Norbert Schneider, hrsg. von Katharina Büttner und Martin Papenbrock, Karlsruhe 2006, S. 179–191, hier S. 181. 127 Ludwig Vogl-Bienek, »eLaterna – Digitale Editionen von Werken der historischen Projektionskunst«, in: editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft, 32, 1, 2018, https://doi.org/https://doi.org/10.1515/editio-20180008, S. 104–118, hier S. 106. 128 Jens Ruchatz, Licht und Wahrheit. Eine Mediumgeschichte der fotografischen Projektion, München 2003. 129 Herman Grimm, »Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons«, in: Beiträge zur Deutschen Culturgeschichte, hrsg. von Herman Grimm, Berlin 1897, S. 276–395. 130 Kim Timby, »Glass Transparencies: Marketing Photography’s Luminosity and Precision«, in: PhotoResearcher, 25, 2016, S. 7–24. 131 Grimm 1897(wie Anm. 129), S. 362–363. 132 Hotz 1965 (wie Anm. 120).

Bruno Meyers Lehrmedien zwischen Bildungsreform und M ­ edieninnovationen

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The Slide Library of the Giovanni Previtali Photographic Archive: Teaching Art History at the University of Naples Federico II from the 1920s to the 1960s Rossella Monaco

The photographic archive of the Department of Humanities (Dipartimento di Studi Umanistici) at the University of Naples Federico II is dedicated to the memory of Giovanni Previtali (1934–1988), who was the first to propose the establishment of a photo library for documentation and the study of art history at the Neapolitan university. The archive was established in 2005, almost two decades after Previtali’s premature death, but its formation was inspired by the original proposal of the Florentine art historian. Since then, it has built a photographic collection acquired or created for documentary purposes and didactic intent, initially by the former Institute of Art History, then by the Department of Historic Disciplines (today the Department of Humanities). For this reason, the Giovanni Previtali Archive conserves photographs, slides, and prints, not only of works of art and monuments but also of archaeological finds, excavations, and manuscripts. Since its establishment, the collection has consisted of both an art-historical and an archaeological section, and it now comprises 7,400 glass slides, which once belonged to the former Institutes of Art History and Archaeology. The slides, forgotten for decades, were discovered in 2000 thanks to a fortuitous find; their exact number, dating, and characteristics were unknown at the time, as was the identity of the collector and the purpose of their use. From 2006 to 2010, the glass slides were put in order, cleaned, cataloged, and underwent an initial

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digitalization process; since 2012, they have been the object of a study and a cataloging project, which have allowed us to formulate convincing ­assumptions regarding the two sections of the ­archive. The rediscovery of this bipartite photographic collection provided me with the opportunity to reconstruct an unappreciated and un­ explored story, namely that of the teaching of art history at the University of Naples Federico II from the 1920s to the 1960s. The photographic nucleus of the original art historical section consists of 2,400 projection slides, sized 8.5 × 10 cm, 8 × 8 cm, and 7 × 7 cm. Photographic studios and editors— such as Alinari in Florence, Lotze in Verona, Lembo in Naples, Anderson, Gaggiotti, and Danesi in Rome, and the Italian Institute of Luminous Projections in Milan—executed the slides as gelatin silver prints on glass during the first half of the twentieth century. In addition, there are more than five hundred slides created by anonymous photographers. Some of the 8 × 8 cm and 7 × 7 cm slides show reproductions from books or combine multiple images. The subjects, photographed in black and white between 1890 to the 1950s, cover pictorial, graphical, sculptural, and architectural works ranging from late antiquity to medieval, modern, and contemporary times. Regarding the content, the art historical section documents only three of the major genres—painting, sculpture, and architecture—with painting predominant. This section

also includes sketches, drawings, and graphics, albeit to a lesser extent. It also presents a decisively Italy-focused selection of artists and monuments, although there are also works by various foreign artists. The regional Italian schools are all represented, and it is possible to reconstruct the evolution of Neapolitan art from the Middle Ages to the early twentieth century through the tremendous urban decorative cycles and the most relevant artists. Modern art dominates, while the documentation of the contemporary period is not homogeneous. The latter is principally composed of pictorial and sculptural works, and reveals a predilection for Neapolitan, Italian, and French paintings from the late nineteenth and early twentieth century. When it comes to architecture, the only examples are nineteenth-century completions of completions of earlier monuments. To date the collection and analyze its structure, it was fundamental to examine its entire corpus. According to this analysis, the nucleus of the art-historical slide collection most probably stems from the late 1920s, when the Chair for Art History was established at the University Federico II.1 The university expanded in the second half of the 1930s by founding the Institute of Art History and establishing its premises;2 it was expanded further after the Second World War and again at the end of the 1950s, when it became what it is today.3 By working through various sources kept at the Institute of Art History, in particular the purchasing requests for photographic material and the periodic reports,4 it could be shown, for instance, that the most recent work reproduced on the slides is Combustione by Alberto Burri, from 1955.5 At the beginning of the 1960s, new formats (probably slides measuring 6 × 6 cm and 24 × 36 mm) were favored, and both black-and-white and color film slides were increasingly used.6 The establishment of the photographic corpus can likely be attributed to the professors who suc-

ceeded each other and then cooperated in teaching medieval and modern art history from 1927/28 to 1969. Namely, the art historians Costanza Lorenzetti (chair 1935–1943 and again 1945–1949), Ottavio Morisani (chair 1943–1948 and again 1959– 1969), Valerio Mariani (chair 1948–1974), and the historian, archivist, and scholar Riccardo Filangieri di Candida Gonzaga (chair 1928–1936), also known as the director of the State Archives of Naples and the curator of the Angevin chancellery registers.7 In an undated document entitled Notizie sull’operosità scientifica e didattica, regarding her time at the University Federico II, Lorenzetti wrote that »during her teaching period at the university« she dedicated »her work to the organization of the History of Art Cabinet, inexistent beforehand, with a notable collection of illustrative and bibliographic material.«8 This quote testifies to the contribution made by Lorenzetti to the formation of the photographic heritage of the Institute of Art History, which included its slide collection. Furthermore, it can be asserted that she used this material for teaching purposes through various documents regarding her teaching activity and from a passage in her monograph L’Accademia di Belle Arti di Napoli (1752–1952).9 Ottavio Morisani’s role also becomes evident from documents found in the archives. In a report written in 1947 by the archaeologist Amedeo Maiuri in favor of Morisani’s qualification to teach, he notes that after the Second World War, Morisani contributed »to the reorganization of the History of Art Institute, heavily damaged by the war, by expanding the library collection with gifts and donations from private scholars, and integrating the photographic and slide material as much as possible.«10 Instead of this type of documentary evidence, the comparison of the subjects reproduced on the slides, the sedimentary traces left on them, the contents of the teaching programs, the lecture notes and manuals adopted by the students, and

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figs. 1a, b, and c The signs left by Valerio Mariani on the lecture notes and on the slide 1604 (Filippo Brunelleschi, the cupola of the Cathedral Santa Maria dei Fiore, Florence, photo by anonymous, second half of the 1920s – second half of the 1950s, Giovanni Previtali Photographic Archive)

the study interests of the professors and their publications lead me to strongly associate Riccardo Filangieri di Candida and Valerio Mariani with the glass slides of the art-historical section, despite the lack of archival confirmation. Moreover, with regards to Mariani, the slides themselves provided illuminating revelations, as, during my visual analysis, signs apparently left by him were evident: his handwriting, cursive and peculiar, with which he noted the captions on the labels (figs. 1a, 1b, and 1c), allowed me to attribute the use of a substantial group of anonymous slides to him.11 Furthermore, it is also probable that Filangieri di Candida, who was responsible for the study and restoration of Castel Nuovo, inserted the twenty-three slides of the Neapolitan monument into the collection. A particular snapshot taken by the photographer Ferdinando Lembo depicting a particular detail of a bas-relief at the triumphal arch by Alfonso di Aragona can support this assumption. Besides its presence as a slide in the Archive, it also

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illustrates a publication by Filangieri di Candida from 1927, dedicated to the castle’s restoration.12 Likewise, a series of anonymous slides with subjects inspired by Dante Alighieri and his Commedia can be linked with Mariani’s interest in Dante and the figurative culture of the nineteenth century. Additionally The Gates of Hell by Auguste Rodin, The Encounter of Dante and Beatrice by Giulio Aristide Sartorio, Beata Beatrix by Dante Gabriel Rossetti, Cenotaph to Dante by Stefano Ricci, and Monument to Dante by Cesare Zocchi were also used as parts of an iconographic apparatus in a work which Mariani published in the records of a conference on Dante in 1961.13 Moreover, it is very plausible that the acquisition of the corpus’s only slide made by the Roman studio Danesi, representing Titian’s Portrait of a Knight of Malta (fig. 2), can also be attributed to Mariani. In fact, besides being photographers, the Danesi brothers were also editors, and in 1955 they published a monograph on Giorgione edited by

fig. 2 Tiziano Vecellio, Portrait of a Knight of Malta, Florence, Uffizi Gallery, c.1515 (photo by Ditta Danesi, second half of the 1920s – second half of the 1950s, Giovanni Previtali Photographic Archive, inv. 3597)

Mariani, who believed that the Portrait of a Knight of Malta was a work by Giorgione rather than Titian. It should be noted that Giorgione and the Venetian paintings of the sixteenth century—documented in the art-historical section with twenty-nine slides—were the subject matter of two courses taught by Mariani, the first one during the academic year of 1950/51, the second one in 1958/59.14 It is plausible that the professors used the slides for study purposes, as the images mentioned in this essay were among their research objectives. I found correspondence to diverse bundles of slides preserved in the archives and photographs which accompanied their works. However, the preeminent function of the slides of the art historical section was a didactic one. They were used in the classroom: during lectures, the projection of the slides was fundamental to illustrate, analyze, and compare the artworks, which were either shown individually or side by side, in whole or in detail, be-

fig. 3 Example of montage of two images: on the left Farnese Hercules of the Archaeological Museum of Naples and on the right Telamon/Hercules of the Duomo of Pisa, sculpted by Giovanni Pisano (photo by anonymous, second half of the 1920s – second half of the 1950s, Giovanni Previtali Photographic Archive, inv. 3628)

cause, just as today, visual examination was the foundation that the teaching of the history of art was built on. According to the study plans used by the faculty over the years, the lessons could be focused on one or more artists, but also artistic movements, regional schools or territorial areas, or entire historical periods.15 As two projectors were not available for the professors, artists or subjects had to be shown on single slides. One example of this practice was the two versions of The Sacrifice of Isaac, by Filippo Brunelleschi and Lorenzo Ghiberti, competition panels for the North Door of the Baptistery of Florence.16 Another intriguing image comparison was made by presenting the Farnese Hercules next to Telamon/Hercules of the Duomo of Pisa, sculpted by Giovanni Pisano (fig. 3). Another method was projecting the works in a sequence for comparison. That is the case in a series of slides labeled »Hayez,« and numbered from 24 to 27. The four slides represent paintings by Théodore Chassériau, Eugène

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fig. 4 The series labelled »Hayez«: from the left to the right, works by Eugène Delacroix, Jean August Dominique Ingres, Theodore Chassèriau and Marie Françoise Constance Mayer (photo by anonymous, second half of the 1920s – second half of the 1950s, Giovanni Previtali Photographic Archive, inv. 2195, 2196, 2197 and 2198)

Delacroix, Marie-Françoise-Constance Mayer, and Jean-Auguste-Dominique Ingres (fig. 4): it is improbable that whoever used them would erroneously attribute the subjects to Francesco Hayez. It seems more likely that they were projected during lessons dedicated to the painter, allowing a comparison of his paintings with the coeval French ones.17 Furthermore, there is traceable evidence in the documentation regarding the Institute of Art History, which refers to using the slides »outside the

classroom.« In fact, at the Institute, exercises in recognition and attribution assigned to the students of the art history courses were carried out via the examination of the photographic material at hand. However, there is more to it: it is probable that groups of students met in the rooms with the intent to consult specialized volumes and manuals available in the Institute’s library (fig. 5) and analyze glass slides of the works explained during the lessons, as the Institute’s »lecture notes«18 lack an illustrative apparatus.19

fig. 5 A study room at the Institute of Archaeology, probably organized the same as the Institute of Art History (photo by Foto Barra Napoli, 1950s–1960s?)

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fig. 6 Gian Lorenzo Bernini, Angel with the Superscription, terracotta model, Rome, National Museum of Palazzo Venezia, 1667/68 (photo by anonymous, second half of 1950s, Giovanni Previtali Photographic Archive, inv. 3596)

Therefore, it is very suggestive to think that Valerio Mariani’s students would have had the slide with the so-called Angel with the Superscription by Gian Lorenzo Bernini (fig. 6) in their hands, a terracotta which their professor had defined as a »very beautiful model«20 in the lecture notes on Three Artists of the Baroque Age: Caravaggio, Bernini, and Borromini, a collection of notes from a 1957 lesson. One could also imagine Lorenzetti’s students dealing with Meditation or Melancholy by Domenico Fetti (fig. 7), whose artistic production had been a subject of her lessons in 1940, in a course on Venetian paintings of the seventeenth century. In her lecture notes for that course, Lorenzetti described Fetti as an »ingenious artist.«21 Alternatively, visualize Ottavio Morisani’s students analyzing the six slides representing the frescoes of the Spanish Chapel in the Santa Maria Novella basilica in Florence, painted by Andrea di Bonaiuto, which Morisani used to explain some aspects of Italian paintings from the fourteenth century during the academic year of 1947/48.22

fig. 7 Domenico Fetti, Meditation, Venice, Gallerie dell’Accademia, c.1618 (photo by Fratelli Alinari, ante 1933, b/w slide on glass plate realised between 1930s – second half of 1950s, Giovanni Previtali Photographic Archive, inv.1989)

The consulted documents suggest that the material belonged to the Institute rather than the individual lecturers; this does not rule out that some professors used the slide collection as their primary visual reference material. For example, they might have requested slides, even if existing slides already documented an artist’s activity, because they required specific subjects or details of the works, or because the slides were being used simultaneously by another professor. This last proposition would explain why there are three slides, labeled »Filippo Brunelleschi,« of the cupola of Santa Maria del Fiore, all of which capture the architecture from almost the same angle, and three slides of the Pazzi Chapel, all rigorously frontal shots. It was deemed necessary to separate slides of Michelangelo’s paintings from his sculptural and architectural production, probably to make them easier to consult or more secure to transport to lessons. It would also shed light on the use of a box made by the Ferrania company with a handwritten label that reads »Michelangelo’s paintings«23 (fig. 8).

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In conclusion, although the slides were acquired through the Institute of Art History and the collection was expanded by the various professors who taught there, the collection is organic, unitary, and coherent. The contents illustrate the research areas of the professors, the topics presented in class, and the historicocritical methods used in the teaching of art history in the first half of the twentieth century (and accordingly, the critical success of specific artists and movements).24 The organization of the entire corpus, regarding chronology and content, appears to follow the vision of art history and of art historical studies indicated by the teachings of Adolfo Venturi, his monumental History of Italian Art, and his school of thought, in which all Neapolitan professors had been trained.25 In their study plans, teaching methods, and research work, they had then followed, to a different extent, the historicocritical orientation disseminated in Italy between the 1920s and 1950s. Thanks to the centrifugal forces set in motion by Pietro Toesca, Lionello Venturi, and Roberto Longhi regarding Venturi’s role, such an orientation connoted a fusion of several influences: the historico-philological teachings of Adolfo Venturi, the tradition of nineteenth-century connoisseurship, the foundation and terminology of aesthetics as conceived by Benedetto Croce, and the inflection of Bernard Berenson on the theory of pure visibility.26

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fig. 8 Ferrania slide storage box 8.2 by 8.2 cm: handwritten words »Michelangelo pittura« (»Michelangelo’s paintings«) on the label (photo by Lucio Terracciano, Giovanni Previtali Photographic Archive)

1 Cf. Luigi Russo, »La Nuova Italia«, in: Storia dell’Università di Napoli, ed. by Francesco Torraca, Naples 1924, pp. 688–763; Romualdo Trifone, L’Università degli Studi di Napoli dalla fondazione ai nostri giorni, Naples 1954, pp. 123–129 and 167–185. 2 The exact founding date of the Institute of Art History is unknown: it was instituted after 1935 and before 1943. Like other institutes and cabinets of the Facoltà di Lettere e Filosofia (to which it belonged), it was in the university complex of Gesù Vecchio, in the rooms facing the Cortile del Salvatore (cf. Central Historical Archive of the Federico II University, from now on CHAFU, collection Verbali Consiglio di Facoltà, dossier »Università degli Studi di Napoli Federico II. Verbali Consiglio di Facoltà – Lettere e Filosofia 1943–45«, cc. 27–28). To understand the reasoning behind my dating, see: Rossella Monaco, »Les plaques photographiques des archives photogra­ phiques ›Giovanni Previtali‹ de l’Université de Naples Frédéric II,« in : La Plaque photographique: un outil pour la fabrication et la diffusion des savoirs (XIXe–XXe siècle), ed. by Denise Borlee and Hervé Doucet, Strasbourg 2019, pp. 93–105. 3 To support this hypothesis: there is evidence of correspondence dating back to 1944 from the Institute of Art History to the presidency of the Facoltà di Lettere e Filosofia, requesting the acquisition of scientific apparatuses, slides, photographic material and books, and a projector, stolen during the war – as well as the reorganization of the Institute following the Second World War, including funding allocated for such use after 1944 and up to the end of the 1950s, explicitly used to improve didactic and photographic material, to fill the voids created during the war years. It should be remembered that during Naples’s involvement in the war 1943–1944, the University Federico II was initially devastated by a fire, then attacked by the Germans, and finally occupied by the Americans; the History of Art Institute was transformed into a military garrison by the allied troops (cf. CHAFU, Lettere e Filosofia 1943–45 [as note 2], cc. 3–4, 14–16, 27–28, 34 and 57; ibid., dossier »Università degli Studi di Napoli Federico II. Verbali Consiglio di Facoltà – Lettere e Filosofia 1944–51«, [passim]); Monaco 2019 (as note 2), notes 5, 6 and 7, pp. 379–380. 4 The glass slide No. 1634, created by an anonymous photographer, was erroneously dated 1958 on a secondary support caption. 5 This documentation was traced back to the Central

Historical Archive of the Federico II University, specifically in a documentary collection of the faculty meetings. 6 About the transition from the Gelatin silver process on glass to black-and-white and colour film, see: e. g. Fabrizio Celentano, »La fotografia conoscere per conservare«, in: AFT Rivista di Storia e Fotografia, 2, 1985, pp. 87–89; idem, »Conoscere e classificare le vecchie fotografie. Prima parte,« in: AFT Rivista di Storia e Fotografia, 5, 1987, pp. 4–8; idem, »Conoscere e classificare le vecchie fotografie. Seconda parte,« in: AFT Rivista di Storia e Fotografia, 6, 1987, pp. 4–8; Lorenzo Scaramella, Fotografia. Storia e riconoscimento dei procedimenti fotografici, Rome 1999, pp. 87–88. Sources from the Central Historical Archive of the Federico II University prove that between 1959 and 1961 color slides were already present at the Art History Institute and photographic apparatuses for black and white filming and metallic boxes for the storage of slides measuring 6 × 6 cm and 24 × 36 mm had been acquired, (cfr. CHAFU, collection Verbali Consiglio di Facoltà, dossier »Università degli Studi di Napoli Federico II. Verbali Consiglio di Facoltà – Lettere e Filosofia 1954–55«, cc. 230 and 317–318; Monaco 2019 (as note 2), notes 8 and 9, pp. 380–381. Between the end of the 1950s and the beginning of the 1960s, there was presumably a slow transitional and coexistence phase of supports and formats of black and white and colour, as shown by two atypical slides found in the corpus of the historical-artistic section: anonymous slides carrying the numbers 1806 and 3221, which respectively reproduce the Nativity and the Dormitio Virginis, works in mosaic created by Pietro de’ Cerroni aka Pietro Cavallini for Santa Maria in Trastevere in Rome. The particularity of these two slides is that they are formed by color films mounted onto glass and enclosed in small frames measuring 8 × 8 cm, the structure therefore simulating that of the Gelatin silver process: the necessity of this ingenious framing was probably due to the use of the only glass slide projector available at the Institute, the socalled »magic lantern« that was unsuitable for film slides. 7

For the reconstruction of the carreers of the professors cited, see the personal dossiers found in the Central Historical Archive of the Federico II University (cf. CHAFU, collection Personale, position 9/1, dossier 185 »Prof. Lorenzetti Costanza«; ibid., envelope Professori ordinari, dossier 458 »Morisani Ottavio«; ibid., position 5/1, dossier 329 »Prof. Mariani Valerio«); for Costanza Lorenzetti see also personal dossier in the Fine Arts Academy Archive of Naples (cfr. Fine Arts Academy Archive of Naples, from now on FAAAN, dossier »Costanza

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Lorenzetti«, envelope Lorenzetti Costanza, Storia dell’Arte, Titoli incarichi). Probably during the Second World War, the documentation relative to Riccardo Filangieri di Candida Gonzaga went lost. Guido Fagioli Vercellone reports he taught 1928–1934 (see: »Filangieri di Candida Gonzaga, Riccardo,« in: Dizionario Biografico degli Italiani, vol. 47, Rome 1997, https://www. treccani.it/enciclopedia/filangieri-di-candida-gonzaga-riccardo_(Dizionario-Biografico) (09.06.2021), but from the documents consulted, he was a full professor of history of art until the academic year of 1935/36, even if already in October 1935 he had asked to be exonerated from the position for incompatibility with his role of director of the State Archive of Naples. In December 1937, he was still the representative for the free professors at the Facoltà di Lettere e Filosofia (cf. CHAFU, collection Verbali Consiglio di Facoltà, dossier »Università degli Studi di Napoli Federico II. Verbali Consiglio di Facoltà – Lettere e Filosofia 1933–38«, cc. 11, 25–28, 34–36, 46, 49 and 112). As already mentioned, Riccardo Filangieri di Candida (Naples 1882–1959) was principally a historian and archivist but was also interested in the History of Art, in particular Neapolitan works and monuments of the medieval age and the first half of the Renaissance. Costanza Lorenzetti (Fabriano, 1888–Naples?, 1963), student of Adolfo Venturi, already a professor at the Fine Arts Academy of Naples from 1921, where she then ended her career directing the library and the art gallery, was first and foremost a historian of modern art, but juxtaposed articles on that subject with her interest for medieval and contemporary periods, as demonstrated by other writings on undermined codes of the Angevin age and Fabriano painting, and the artists Antonio Mancini, Walter Lazzaro and Manlio Gianrizzo; she also published several studies on the painter Anton Sminck van Pitloo. From 1928 to 1932, she taught History of Architecture and History of Art at the Regia Scuola Superiore of Architecture of Naples. Ottavio Morisani (1906–1976) taught medieval and modern History of Art, at the Facoltà di Lettere e Filosofia, along with Aesthetics and History of Art and Italian Literature, at the Faculty of Architecture, where he was an external professor 1948–1951, and from 1958 to 1th January 1959; he became a full-time professor in 1959, finishing his career between the Universities of Catania and Naples, where in 1971 he was nominated professor of History of Renaissance and Modern Art at the Scuola di perfezionamento in the Art History. Being a well-known historian of medieval art, he also studied several themes and artists of

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the Modern Age, and he published articles on Matisse, abstractionism, Gaugin, Gemito, Mondrian, Picasso, Manet, Emilio Greco, and Monet. Valerio Mariani (1899– 1983), already an inspector at the Soprintendenza ai Monumenti d’Abruzzo and professor of History of Art at the Faculty Magistero of Rome arrived in Naples in 1948 and taught until 1974, although from 1969 as an untenured professor; from 1952 to 1974 he was a teacher at the Scuola di perfezionamento of the Facoltà di Lettere e Filosofia, and from the academic year of 1968/69 he started to collaborate as a teacher and conference lecturer at the Magistero Suor Orsola Benincasa. He is remembered as a historian of modern art – his research areas were sixteenth and seventeenth century scenography, sixteenth century architecture, sixteenth and seventeenth century painting and sculpture – and a contemporary art critic, close to the Roman School, but in a lesser measure he dealt with artists from the medieval age, see also Tommaso Casini, »Mariani, Valerio,« in: ­Dizionario Biografico degli Italiani, vol. 70, Rome 2007, https://www.treccani.it/enciclopedia/ valerio-mariani_%28Dizionario-Biografico%29/ (09.06.2021). Excluded are art historian Sergio Ortolani – university teacher at the Federico II University only in 1927/28, the year the Art History chair was constituted, and before the foundation of the History of Art Institute; and Ferdinando Bologna, working at the Facoltà di Lettere e Filosofia since 1967, when color slides, or at least the new projection formats were being used, had had a role in the formation of the photographic corpus of the historical-artistic section, see: Monaco 2019 (as note 2), in particular note 12, p. 382. 8 Costanza Lorenzetti, Notizie sull’operosità scientifica e didattica, in: FAAAN, dossier »Costanza Lorenzetti«, envelope Lorenzetti Costanza, Storia dell’Arte, Titoli incarichi, documents 30–43, in particular document 42, note 1, n. d. The fact that Lorenzetti stated that before her arrival in 1935 the History of Art Cabinet did not exist would confirm the hypothesis of the founding of the Institute during the mid-thirties. 9 Ibid. Lorenzetti writes: »at the Academy of Fine Arts I tried to guide the students towards the comprehension of works of art, avoiding the overload of facts from philological learning concentrating efforts to educate them towards the direct vision of the works and leaving them to a personal aesthetic evaluation of the works« (document 42). Testimony to this method of teaching was professor Pirro Marconi, president of the Academy of Fine Arts in Naples, who, in 1936, wrote the following regarding Lorenzetti’s

didactic activity: »she wanted to give art students more than information and dates, she educated comprehension, the beginning of the aesthetic evaluation, and led each one to a personal and rapid evaluation of the works of art. Basing it more on the direct vision of the work of art rather than on theoretical or bookish research, she taught the fundamental criteria of aesthetic judgment« (FAAAN, dossier »Costanza Lorenzetti«, envelope Lorenzetti Costanza, Storia dell’Arte, Titoli incarichi, document 24). Still, in a 1928 letter addressed to the then president of the Academy and probably written from Rome, the scholar informed him of the fact that »having completed the choice of photographs (at the Cabinet of the Ministry […] necessary […] for the execution of the end of the programme« (ibid., document 96). Finally, in her monograph L’Accademia di Belle Arti di Napoli (1752–1952), Lorenzetti sustains that the Cabinet of the Academy’s History of Art, between the 1930s and 1940s, possessed a photographic heritage of about 8,000 phototypes, among which »the slides illustrating courses in the History of Art« (Costanza Lorenzetti, L’Accademia di Belle Arti di Napoli [1752–1952], Florence 1953, p. 181). Even if the reported facts refer to the didactic activity at the Academy of Fine Arts in Naples, and not directly to her work at the History of Art Institute at the Federico II University, one can reasonably presume that Lorenzetti maintained the same pedagogical approach at both institutions: based on the observation of the artworks rather than preparation through manuals. 10 Maiuri’s report is dated to June 30, 1947 (in: CHAFU, collection Personale, envelope Professori ordinari, dossier 485 »Ottavio Morisani,« unnumbered documents). 11 Included among these are slides dedicated to sketches and drawings by Bernini, to the cupola and lantern designed by Brunelleschi for Santa Maria del Fiore in Florence, to paintings by Giorgione, to works by Arnolfo di Cambio and to sculptures by Emilio Greco. 12 Cf. Riccardo Filangieri di Candida, Castelnuovo e i suoi restauri, Naples 1927, p. 7. The glass slide is inventoried by the number 3592. 13 Cf. Valerio Mariani, »Dante e le arti figurative dell’Ottocento,« in: Atti del 1° congresso nazionale di studi danteschi: Dante nel secolo dell’Unità d’Italia, Florence 1962, pp. 159–173. The slides, in the cited order, are numbered 3304, 2919, 2726 and 3147. 14 The slide reproduces Titian’s painting preserved in the Uffizi Gallery in Florence and has the number 3597. During the nineteenth and twentieth century, the piece was attributed to both Giorgione and Titian, and only in

recent years was the masterpiece attributed with conviction to Titian’s younger years. Even though having knowledge of the studies affirming to this fact, Mariani disagreed and considered the painting a later work by the ­master of Castelfranco, as he could discern the style of ­Giorgione in the idealized face of the cavalier (cf. Valerio Mariani, Giorgione e la pittura veneziana del Cinquecento. Appunti delle lezioni del corso ufficiale di Storia dell’Arte, ed. by Antonio Videtta, Naples 1958, p. 48). For the cited monograph, edited by the publisher Danesi, see: Giorgione, ed. by Valerio Mariani, Rome 1955. On the course programme for the academic year of 1950/51 see CHAFU, collection Verbali consigli di Facoltà, dossier »Università degli Studi di Napoli Federico II. Verbali Consiglio di Facoltà – Lettere e Filosofia 1944–51,« document 308. 15 Taking into consideration that the programs from 1927 to 1934 and of the years 1935–36, 1936–37, 1937–38, 1940–41, 1947–49, and 1953–54 are missing, the topics of study in courses from 1934 to 1958/59 ranged from the paleochristian epochs to the neoclassical movements: artistic periods or movements were analyzed through specific artists (Tino da Camaino, Giotto, Brunelleschi, Donatello, Michelangelo, Giorgione, Caravaggio, Borromini, Bernini) or regional schools (Naples and Campania, Venice and Veneto, Florence, Bologna, Rome). If Filangieri di Candida, Lorenzetti, and Morisani alternated Neapolitan and »national« contents, Mariani oriented his courses differently: Naples and the Neapolitan artists were overshadowed by other territorial realities and by »national« artists, while the chronologies were contained between the fourteenth century and the first half of the seventeenth century. 16 With reference to an anonymous slide numbered 3230. 17 Besides a series of slides labeled »Hayez,« analyzing about two hundred other slides related to nineteenth and twentieth-century art, I encountered nine other series, organized as follows: nineteenth-century Neapolitan and French artists; slides with Dantesque subjects; twentieth-century artists; Venanzo Crocetti and Ferruccio Ferrazzi; the Carelli and Gaetano Gigante; Giacinto Gigante, Anton Sminck van Pitloo, Gabriele Smargiassi, Gioacchino Toma and Achille Vianelli; Ippolito Caffi, Sebastiano De Alberto, Gerolamo Induno and Filippo Liardo; Francesco Paolo Michetti, Domenico Morelli, and the Pa­ lizzi. While the Dantesque subjects and some artists from the twentieth-century series (Emilio Greco, Fausto Pirandello, and Gino Bonichi aka Scipione) are attributed to

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Valerio Mariani’s studies, the groups containing reproductions of nineteenth-century Neapolitan painters and the views by Anton Sminck van Pitloo reflect the interests of Costanza Lorenzetti. Some series seem to be sequences of the monographic courses or exercises, however. Cf. Il Pinocchio di Emilio Greco, ed. by Fortunato Bellonzi and ­Valerio Mariani, Rome 1958; Costanza Lorenzetti, Napoli nelle vedute dei neerlandesi, Naples 1935; Eadem, Precisioni critiche e documenti sul pittore Antonio Sminck Pitloo: 1791– 1837, Naples 1936; Eadem, »Lettere inedite di Antonio Mancini,« in: L’Arte, 1939, pp. 94–107; Antonio Mancini, ed. by Fortunato Bellonzi and Costanza Lorenzetti, Rome 1953; Costanza Lorenzetti, Il naturalismo di Filippo Palizzi, Naples 1955. 18 Students were provided with printed lecture notes [MM]. 19 From a 1959 account of the activities at the Institute of Art History, the slides were used for both lessons and practical exercises. Furthermore, the Institute’s library was considered »an efficient instrument to elaborate on historical-artistic studies« (CHAFU, collection Verbali consigli di Facoltà, dossier »Università degli Studi di Napoli Federico II. Verbali Consiglio di Facoltà 1954–55,« cc. 230). Moreover, in a report by archaeologist Amedeo Maiuri 1947 (as note 10), it is said that Morisani held practice exercises on the current didactic material every week at the Institute. 20 Valerio Mariani, Tre artisti dell’età barocca: Caravaggio, Bernini e Borromini. Appunti delle lezioni del corso ufficiale di Storia dell’Arte, ed. by Antonio Videtta, Naples 1957, p. 156. 21 Costanza Lorenzetti, Corso ufficiale di Storia dell’Arte medievale e moderna. Le dottrine d’arte in Italia dal Quattrocento al Seicento, Naples 1940, p. 8. 22 For the study programme presented by Morisani for the academic year of 1947/48, entitled La pittura della seconda metà del Trecento and dated November 3, 1947, cf. CHAFU, collection Personale, envelope Professori ordinari, dossier 485 »Ottavio Morisani,« unnumbered documents. 23 The hypothesis that the box had been handled by Valerio Mariani is very suggestive: Mariani studied Michelangelo’s paintings and he dedicated one of the first courses held at the Federico II University on this topic (cfr. CHAFU, collection Personale, position 5/1, dossier 329 »Prof. Valerio Mariani«, Relazione presentata nella seduta del Consiglio di Facoltà del 18 dicembre 1951 per il conferimento dell’ordinariato, unnumbered documents). 24 For example, in the nucleus of two hundred slides

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comprising contemporary contents, there are tendencies of exact critical lines, which demonstrates the updating and the participation of the Neapolitan university teachers regarding the national debate: the preeminence of painting over sculpture; the almost total exclusion of architecture; the reevaluation of nineteenth-century Italy and its comparison to France; the recognition of the protagonists of the vanguards and the twentieth-century Italian and international currents (cf. Lionello Venturi, Pittura contemporanea, Milan 1948; Roberto Salvini, Guida all’arte moderna, Florence 1949; Giovanna De Lorenzi, »1920: Ojetti, ›Dedalo‹ e l’arte contemporanea,« in: Ricerche di Storia dell’Arte, 67, 1999, pp. 5–22; Gaia Salvatori, »Tra storia e cronaca: arte contemporanea e critica militante sulla stampa periodica degli anni Trenta,« in: Storia, critica e tutela dell’arte nel Novecento. Un’esperienza siciliana a confronto con il dibattito nazionale (files of an international convention, Palermo and Erice 2006), ed. by Maria Concetta Di Natale, Caltanisetta 2007, pp. 75–85. 25 Cf. Giacomo Agosti, La nascita della Storia dell’arte in Italia. Adolfo Venturi: dal museo all’università 1880–1940, Venice 1996, [passim]; Stefano Valeri, »Ortolani, Lavagnino, Mariani, Accascina, Brizio, Arslan: l’eccellenza dell’ultimo magistero venturiano (1925–1931),« in: Di Natale 2007, (as note 24), pp. 108–117; Loredana Lorizzo, »Alla scuola di Adolfo Venturi,« in: Vedere e rivedere e potendo godere. Allievi di Adolfo Venturi in viaggio tra l’Italia e l’Europa 1900–1925, ed. by Loredana Lorizzo and Adriano Amendola, Rome 2014, pp. 13–29; Adriano Amendola, »Dalla Scuola di Perfezionamento all’Istituto di Archeologia e Storia dell’Arte,« in: ibid., pp. 163–193. 26 See e. g. Carlo Ludovico Ragghianti, Profilo della ­critica d’arte in Italia, Florence 1948; Roberto Salvini, La critica d’arte moderna: la pura visibilità, Florence 1949; Gianni Carlo Sciolla, La critica d’arte del Novecento, Turin 1995 (ed. consulted 2006), pp. 50–108 and 149–174; Franco Bernabei, »La critica d’arte in Italia e il modello linguistico nella prima metà del Novecento,« in: Di Natale 2007 (as note 24), pp. 59–74. The historicocritical imposition out­lined can be identified, for example, in the introductory lessons that Ottavio Morisani prepared for the course La scultura italiana del Trecento, held during the academic year of 1943/44. There is an explicit reference to Croce’s aesthetic theory and to the art criticism up to Roberto Longhi, but one can also discern the imprint of Julius von Schlosser and the Vienna School of Art History in the topics synthesized as follows by Morisani: »the History of Art like the history of artistic language. Taste like a historical

problem. The history of art and the history of culture. Art and non-art« (CHAFU, collection Personale, envelope ­Professori ordinari, dossier 485 »Ottavio Morisani«, unnumbered documents. The course program is signed and dated January 20, 1944). Even before Morisani, in the introduction of the brochure for the Art History course of the academic year of 1938/39, Costanza Lorenzetti specified: »of valuable help will be the Italian conquests of modern aesthetics in the field of figurative arts and the positive results of the theories of ›pure visibility‹. This theory, founded by Fiedler, Hildebrand, and von Marées, is continued by Wölfflin, and Bernard Berenson (Costanza Lorenzetti, Corso ufficiale di Storia dell’Arte medioevale e moderna. La pittura seicentesca bolognese e romana, Naples 1938, pp. 4–5). Also illuminating is this passage by Riccardo Filangieri di Candida, found in the inaugural address to the Art History course in 1928: »Art, the purest expression of the human spirit, naturally follows a continuous evolution. Because it, both in the moment of its ­vision, as well as of its signification, makes use of all the exterior elements, that the creative spirit of the artist has assimilated: it makes use, that is to say, of all that is its historic environment, intended in its broadest sense, of an environment that is externally mutable. This has the consequence that, even if Art is independent and universal, it takes on different forms, with the change of centuries and of latitudes. The investigation and the evaluation of the vicissitudes of this ever-changing expression of Art, constitute History. The influence of the historical environment on Art materializes in diverse moments and manners. Religion, philosophy, culture provide the human spirit with a fertile terrain where a vision is born from which a work of art proceeds. This order of factors is included in the fields of Philosophy of Art, that is of Aesthetics […] Of all these factors, aesthetics, historical, natural, my interest will be only towards the historical ones, because they are particularly important for the History of Art, as elements that singularly facilitiate its comprehension«: Riccardo Filangieri di Candida, I fattori storici dell’arte nel Mezzogiorno d’Italia, Naples 1960, pp. 5–6.

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Die Lehrmedien der ›Hamburger Schule‹. Panofskys Vorlesungen und Warburgs Seminare Tobias Teutenberg

Der folgende Artikel zu den Lehrmedien der ›Hamburger Schule‹ gliedert sich in drei Teile:1 Nach einer Darstellung der Rahmenbedingungen, unter denen Kunstgeschichte an der neugegründeten Universität Hamburg unterrichtet wurde, wendet sich der Text den verschiedenen didaktischen Instrumenten zu, die Erwin Panofsky und Aby Warburg in ihren Veranstaltungen zum Einsatz brachten: Im Falle Panofskys wird die Bedeutung von Diapositiv-Katalogen für die Gestaltung kunst­ historischer Vorlesungen adressiert. Mit Bezug auf eine Übung Warburgs wird dagegen die didaktische Funktion von Bildtafeln im Stil des MnemosyneAtlas für die Hamburger Lehre herausgestellt. Zum Abschluss widmet sich der Beitrag dem kunsthistorischen Unterricht an der Universität Leipzig, um auf Verstrickungen des Mnemosyne-Atlas mit zeitgenössischen hochschuldidaktischen Praktiken zu verweisen.

Das Kunsthistorische Seminar der Universität Hamburg

Zur Gründungsgeschichte des Kunsthistorischen Seminars der Universität Hamburg, seinen Protagonistinnen und Protagonisten, seiner methodischen Ausrichtung in den zwanziger Jahren wie auch zur weitgehenden Verödung des Departments zu Zeiten des Nationalsozialismus liegen bereits gesicherte Erkenntnisse vor.2 Diese ergeben im Verbund mit der kurzen Werbeschrift, im Rahmen

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derer Erwin Panofsky (1892–1968) sein Seminar 1927 der Öffentlichkeit vorstellte,3 ein relativ genaues Bild von den Orten und Instrumenten der Hamburger Universitätskunstgeschichte zur Zeit der Weimarer Republik: Demnach war das Kunsthistorische Seminar als Teil der Philosophischen Fakultät von 1921 bis 1964 im Erweiterungsbau der Hamburger Kunsthalle am Glockengießerwall angesiedelt.4 Leiter der Kunsthalle war ab 1914 Gustav Pauli (1866–1938), der anders als sein Vorgänger Alfred Lichtwark (1852–1914) die von ihm kuratierte Sammlung der »gesamte[n] Bevölkerung, unter Einschluß der Arbeiterschaft«,5 zur Verfügung zu stellen gedachte und dem daher auch die universitäre Kunstgeschichte willkommen war.6 Schon in der Entstehungsphase der Universität hatte Pauli für die Gründung eines kunstgeschicht­lichen Fachbereichs votiert. Ab dem 1. Juni 1921 richtete der Museumsmann, der als Extraordinarius ab dem Wintersemester 1919/20 in seiner Gemäldegalerie selbst dozierte, im Seitenlichtkabinett des Hochparterres einen bescheidenen Ort für den Seminarbetrieb ein, inklusive einiger Arbeitsplätze für Studierende.7 Diesen war das Seminar im Rahmen der regulären Öffnungszeiten der Kunsthalle wochentags von 10:00 bis 16:00 Uhr sowie mittwoch- und freitagabends von 18:00 bis 21:00 Uhr zugänglich. Sie konnten in dieser Zeit eine von Lichtwark begonnene, 1927 bereits 50 000 Blatt starke Reproduktionssammlung einsehen. Außerdem stand ihnen die zur gleichen Zeit 23 000 Bände umfas-

Abb. 1 Studiensaal des Kupferstichkabinetts und Lesesaal der Bibliothek der Hamburger Kunsthalle. Fotografie von 1923

sende Bibliothek der Kunsthalle zur Verfügung (Abb. 1), die sich aus hauseigenen Beständen sowie Neuerwerbungen des mit 4000 Reichsmark Jahresetat allerdings nur eingeschränkt handlungsfähigen Kunsthistorischen Seminars speiste.8 Auch die Installation Erwin Panofskys am Kunsthistorischen Seminar ging maßgeblich auf Bestrebungen Paulis zurück.9 Seit dem Wintersemester 1920/21 hatte Panofsky als unbezahlter Privatdozent und ab Juni 1921 in der Nachfolge Otto Laufers als ebenso unbezahlter Leiter der Abteilung gewirkt, da ihm bereits früh die Option auf eine Habilitation an der Hamburger Universität sowie eine anschließende reguläre Professur in Aussicht gestellt wurden. Erst ab dem 1. August 1923 erhielt er Lohn für seinen Lehrauftrag sowie für seine Dienste als Hilfskraft eines inexistenten Ordinarius. Am 1. Januar 1926 vernahm er schließlich den Ruf der Hochschulbehörde, der ihm bis zu seiner Vertreibung aus dem Amt Mitte des Jahres 1933 1200 Reichsmark pro Monat einbrachte.10 Da ihm keine Assistentur zur Verfügung stand, war Panofsky jedoch auch in dieser Phase gezwungen, nahezu jeden administrativen Handschlag für die Bibliothek und Diathek selbst zu tätigen.11

Nach der Ernennung Panofskys zum Ordinarius konnte dieser in Absprache mit Pauli bei der Hochschulbehörde Mittel für die bau­liche Abtrennung zweier jeweils 3,5 m² kleiner Büroräume einwerben. Der erste Raum diente Panofsky, der zuvor an einem provisorisch eingerichteten Tisch im Bücherdepot der Kunsthalle gearbeitet hatte, fortan als Dienstzimmer, in dem er auch Sprechstunde hielt. Im zweiten Zimmer brachte man die jährlich um mehrere hundert Einheiten wachsende Diasammlung des Seminars bzw. der Kunsthalle unter. Im März des Jahres 1930 umfasste die unter großem organisatorischen und finanziellen Aufwand zusammengestellte Diathek bereits 9670 Lichtbilder, die nach einem Ordnungsprinzip, das an das Signaturenschema der Kunsthalle angelehnt war, nach Epochen, Hauptthemen, Ländern und Künstlern in Pappkästen einsortiert wurden.12 Die bis dahin angeschafften Glas-Dias besorgte, beschriftete und inventarisierte Panofsky überwiegend selbst.13 Sie haben die Kriegszeit im Keller der Kunsthalle in großer Zahl überdauert und sind heute Teil des 150 000 Groß-Dias umfassenden Bestandes der Diathek des (in der NS-Zeit umbenannten) Kunstgeschicht­lichen Seminars.

Die Lehrmedien der ›Hamburger Schule‹. Panofskys Vorlesungen und Warburgs Seminare

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Abb. 2 Das Triplex-Epidiaskop der Firma Müller-Wetzig aus dem Hörsaal C der Hamburger Universität, erhältlich ab 1925. Projektionsspiegel, Objektiv und die Lafette fehlen seit 1998. Aktuelle Fotografie

Das Gros der Lehrveranstaltungen fand allerdings außerhalb der Kunsthalle statt: Die kunstgeschicht­lichen Vorlesungen wurden von Erwin Panofsky und Fritz Saxl (1890–1948) in der Regel im Hörsaal C des Hauptgebäudes der Universität an der Edmund-Siemers-Allee gehalten. Dort stand den Professoren ein multifunktionaler Projektionsapparat zur Verfügung (Abb. 2), durch den sie in der Lage waren, ihren Hörerinnen und Hörern Bilder aus Büchern, Fotografien sowie Glasphotogramme vor Augen zu führen. Da bis 1948 im Hörsaal C nur dieses eine Triplex-Epidiaskop der Firma Müller-Wetzig aus der Vorkriegszeit vorhanden war,14 lässt sich mit Gewissheit sagen, dass Panofsky und Saxl in ihren Veranstaltungen auf das didaktische Verfahren der Diadoppelprojektion verzichten mussten.15 Bildvergleiche waren nur vermittels eines Kunstgriffs möglich, den schon Bruno Meyer (1840–1917) in seiner Schrift Glasphotogramme für den kunstwissenschaft­lichen Unterricht (1883) empfahl:16 Auf einigen Dias arrangierte man bis zu vier Abbildungen nebeneinander, wodurch das in der Fachdidaktik längst etablierte Erkenntnisinstrument des vergleichenden Sehens mit Abstrichen auch im Hamburger Hörsaal möglich war.

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Die außerordent­lichen Professoren Richard Stettiner (1865–1927; ab 1920 Leiter des Hamburger Denkmalpflegeamts) und Max Sauerland (1880–1934) hingegen führten ihre Veranstaltungen zur Stilgeschichte sowie zur Geschichte kunsthandwerk­licher Techniken17 vor Originalen im Museum für Kunst und Gewerbe am Steintorplatz durch,18 dem Sauerland ab 1919 vorstand. Der Direktor des Museums für Hamburgische Geschichte Otto Lauffer (1874–1949) ergänzte das Kernteam der Dozenten ab dem Wintersemester 1920/21. Durch das Engagement dieser Museumsleute für den Hamburger Seminarbetrieb lag also vom ersten Tage an ein wesent­licher Schwerpunkt des Curriculums auf der Geschichte des Kunsthandwerks und des Kunstgewerbes – einem, wie Panofsky betont, in der Universitätskunstgeschichte Deutschlands »sonst selten gepflegten Gebiete«.19 Der wichtigste Unterrichtsstandort des Hamburger Seminars war jedoch die Kulturwissenschaft­ liche Bibliothek Warburg (KBW), die in ihrer Institutionalisierungsphase eine enge strategische Partnerschaft mit den Geisteswissenschaften der Universität und im Besonderen mit der dortigen Kunstgeschichte pflegte.20 So fanden im Wintersemester 1920/21 die ersten kunstgeschicht­lichen Übungen Erwin Panofskys in der Heilwigstraße 114 statt, da die Kunsthalle zu diesem Zeitpunkt noch nicht hergerichtet war, und auch nach dem Umzug in die Heilwigstraße 116 im April 1926 sollte der Ikonologe im dortigen Lese- und Vortragssaal Lehrveranstaltungen abhalten. Hinzu kam, dass auch der ab 1922 als Extraordinarius geführte und 1926 zum ordent­lichen Professor ernannte Fritz Saxl seine Seminare in der Kulturwissenschaft­ lichen Bibliothek anbot, ebenso wie Aby Warburg, der ab dem Wintersemester 1925/26 lehrte. Nimmt man noch das laufende Vortragsprogramm der KBW hinzu, das eine willkommene Ergänzung zur universitären Lehre darstellte, und berücksichtigt

zudem, dass Gertrud Bing (1892–1964) dort vielen Studierenden als Mentorin zur Seite stand, wird deutlich, welche Bedeutung dieser Standort für die Universitätskunstgeschichte Hamburgs hatte. Dass es Tilmann von Stockhausen möglich war, der KBW spätestens nach ihrem Umzug in den Neubau faktisch »die Funktion eines kultur­wis­ senschaft­lichen Universitätsinstituts«21 zuzuschreiben, hat jedoch noch einen anderen Grund: Der entscheidendste Beitrag der Kulturwissenschaft­ lichen Bibliothek zur Forschung und Lehre am Kunsthistorischen Seminar bestand in der Bereitstellung des umfangreichen Bildarchivs sowie des rund 50 000 Bände starken und 200 laufende Fachzeitschriften führenden Literaturbestandes, dessen Erweiterung um jährlich 3000 Exemplare eng mit der Bibliothek der Kunsthalle abgesprochen wurde. Auch die Öffnungszeiten der Kulturwissenschaft­ lichen Bibliothek waren auf die der Kunsthalle abgestimmt: werktags von 17:00 bis 19:00 Uhr, ab 1927 dienstags und donnerstags bis 21:00 Uhr. Neben Erwin Panofsky nutzen vor allem die Studierenden dieses Angebot – auch, weil sie in der Kulturwissenschaft­lichen Bibliothek Aussichten auf finanzielle Zuwendungen für Forschungszwecke oder gar Hilfskraftstellen hatten.22 Das zentrale strukturelle Kennzeichnen der Hamburger Universitätskunstgeschichte war demnach eine aus der Not geborene, jedoch schnell zur Tugend kultivierte räum­liche Distribution über diverse außeruniversitäre Institutionen. Zwar hatte man auch in Hamburg die didaktischen Vorteile der Reproduktion für den kunsthistorischen Unterricht erkannt. Man pflegte jedoch durch die Kooperation mit der Kulturwissenschaft­lichen Bibliothek, der Kunsthalle und dem Gewerbemuseum zugleich eine enge Beziehung zu originalen Gemälden, Druckgrafiken und Handzeichnungen. Nicht zuletzt dieser Umstand dürfte dafür verantwortlich sein, dass die Karrierewege der 41 zwischen dem 7. Dezember 1922 und dem 20. Juni 193323 in Ham-

burg promovierten Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker in alle Teilbereiche der Disziplin mündeten:24 Zwölf von ihnen schlugen eine Laufbahn im Museumsbetrieb ein, neun nahmen in der Folge überwiegend leitende Positionen an Universitäten im In- und Ausland wahr, zwei gingen in die Denkmalpflege und mit Edgar Breitenbach (1903–1977) fand ein Doktorand auch den Weg ins Bibliothekswesen.25

Panofskys Vorlesungen »Französische Gotik I und II« (1925/26)

Im Hinblick auf die Lehrveranstaltungen am Kunsthistorischen Seminar und die dort herangezogenen Lehrmittel sollen zuallererst die Vorlesungen adressiert werden. Als Beispiel dienen die beiden Veranstaltungen zur Architektur und Plastik der französischen Gotik, die Erwin Panofsky im Sommersemester 1925 sowie im Wintersemester 1925/26 anbot.26 Erste Überlegungen, das Thema in die Hamburger Kunstgeschichte einzubringen, finden sich bereits in einem Brief Panofskys an seinen Doktorvater Wilhelm Vöge (1868–1952) vom 31. Januar 1924. Darin klagt der Verfasser, dass man in Hamburg »wegen Materialmangels und mehr noch wegen fehlender Autopsie noch nie etwas über französische Gotik« gehört habe und bittet Vöge darum, im Rahmen der KBW-Vorträge über Reims zu sprechen, sei er »doch nun einmal der einzige Mensch, der diese Kunst wirklich kennt.«27 Da allerdings ein Vöge-Vortrag aufgrund der labilen psychischen Konstitution des angedachten Referenten nicht zu Stande kam,28 ergriff Panofsky selbst die Initiative. Dass daraus gleich zwei umfangreiche Vorlesungen zu einem Thema entstanden, welches dem Dozenten, der zuvor nur über die mittelalter­ liche Kunst Deutschlands gearbeitet hatte, wenig vertraut war, mag zunächst verwundern, bestätigt letztlich aber nur Martin Warnkes Erkenntnis, dass Panofsky Zeit seines Lebens die Erschließung

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neuer Forschungsfelder »erst im Zusammenhang mit einem Lehrakt überhaupt realisierbar«29 erschien. Zur Vorbereitung der Vorlesungen begab sich Panofsky für einen Monat auf Exkursion nach Frankreich, wo er sich mit der aktuellen Forschungsliteratur vertraut machte und zugleich die Monumente selbst in Augenschein nahm.30 Am 17. März hatte er die Oberschulbehörde für den Zeitraum vom 25. März bis zum 20. April schriftlich um Freistellung gebeten.31 Diverse Tagebücher aus dem Leo Baeck Institut in New York, die Panofsky auf Reisen mit Skizzen und Notizen gefüllt hatte, geben Auskunft über den Verlauf der Exkursion, ebenso wie zwei Briefe an seine erste Frau Dorothea.32 In Paris angekommen besuchte Panofsky demnach zunächst die private Bibliothèque littéraire Jacques Doucets (1853–1929), um dort topografische Literatur zur französischen Gotik zu exzerpieren. Es folgten Besichtigungen von Notre Dame und des Louvre sowie ein Treffen mit dem französischen Architekturhistoriker und Direktor des Musée des Monuments français Camille Enlart (1862–1927), den Panofsky um eine offizielle Besuchserlaubnis der im ehemaligen Kriegsgebiet gelegenen nordfranzösischen Kathedralen Reims und Amiens zu bitten hatte. Neben der persön­lichen Autopsie der Monumente, der Konsultation der wichtigsten Forschungsliteratur und der Ausarbeitung des Vorlesungsmanuskripts hatte Panofsky sich jedoch noch um eine weitere Angelegenheit zu kümmern. Es galt, das Bildmaterial für die Sitzungen und damit letztlich die Wegmarken seiner Architekturgeschichte festzulegen. Vor allem ein Hilfsmittel stand dem Dozenten dabei zur Verfügung: konfektionierte Dia-Serien zu Spezialthemen der europäischen Kunstgeschichte, für deren Vertrieb Lichtbildverlage Ansichtsalben an Institute im ganzen Land versendeten.33 Nicht zuletzt aufgrund der in solchen Katalogen bereits vorliegenden Ordnung

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des Bildmaterials nach stilgeschicht­lichen Kriterien darf man annehmen, dass dieses Medium für die Konzeption kunsthistorischer Lehrveranstaltungen (und im weiteren Sinne für den kunsthistorischen Kanon im 20. Jahrhundert) von großer Bedeutung war. Die Gotik-Vorlesungen Panofskys jedenfalls rekurrieren systematisch durchaus auf die Ordnung des Albums von Richard Hamann und waren methodisch wie dieses in erster Linie formgeschichtlich bzw. kunsttopografisch angelegt. Allenfalls ältere Modewörter der Disziplin, wie Alois Riegls (1859–1905) Begriff des Kunstwollens oder Paul Frankls (1878–1962) Oppositionspaar ›additiv – divisiv‹ klingen im Manuskript sporadisch an. Die Epoche des französischen Mittelalters als Sinneinheit zu verstehen und nach Analogien zwischen der visuellen Ordnung der Gotik und der Systematik scholastischen Schrifttums zu fahnden, lag dem Ikonologen in seinen Vorlesungen jedoch fern.34 Bei der Bestellung seiner Vorlesungsdias vertraute Panofsky vor allem auf das Angebot des Lichtbildverlags Franz Stoedtner (1870–1946),35 mit dessen Inhaber der Kunsthistoriker ein nicht nur professionelles, sondern auch freundschaft­ liches Verhältnis pflegte.36 Der Dokumentationsfotograf und Kunsthistoriker hatte sein Berliner Institut für wissenschaft­liche Projection 1895 – im Jahr seiner Promotion bei Herman Grimm (1828– 1901) – gegründet und deckte das Thema ›Mittel­ alter­liche Architektur in Frankreich‹ im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts gleich mit mehreren Katalogen ab:37 Erhältlich war etwa das Album Frankreichs Baukunst (Abb. 3 a–b), welches 106 »künstlerische Originalaufnahmen, vom Standpunkt des Architekten aus aufgenommen, von Prof. August Endell«38 (1871–1925) enthält, die dieser anlässlich einer Studienreise 1909 angefertigt hatte.39 Zum anderen konnte Panofsky auf ein 1000 Aufnahmen starkes Konvolut von Fotografien Richard Hamanns (1879–1961) zurückgreifen, das Stoedtner im Rahmen eines Katalogs mit dem Titel

Abb. 3a, b August Endell, Frankreichs Baukunst. Lichtbildkatalog der Firma Franz Stoedtner, vor 1940. Cover und Fotografien von 1909

Französische Architektur und Plastik (Abb. 4a–b) vertrieb.40 Wie aus dem Dia-Bestand des Hamburger Seminars hervorgeht, bestellte Panofsky jedoch ausschließlich aus dem Hamann-Album, das also in der ersten Hälfte des Jahres 1925 bereits auf dem Markt gewesen sein muss. Über die Gründe dieser Entscheidung kann nur spekuliert werden. Wahrscheinlich ist, dass Panofsky Endells expressive, an unkonventionellen Perspektiven und effektvollen

Hell-Dunkel-Kontrasten interessierte Aufnahmen für eine wissenschaft­liche Vorlesung inadäquat erschienen. Der stilgeschichtlich gebildete WölfflinSchüler Hamann hingegen arbeitete mit erhöhten Augenpunkten und vermied dadurch die Entstehung artifizieller Verzerrungen. Seine Fotografien weisen einen nüchternen, dokumentarischen Charakter auf, der sie für Lehrveranstaltungen im Fach Kunstgeschichte besonders qualifizierte.

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Abb. 4a, b Richard Hamann. Französische Architektur und Plastik. Lichtbildkatalog der Firma Franz Stoedtner, vor 1925. Cover und Fotografien vor 1912/14

Warburgs Übung »Forschertypen auf dem Gebiete der Renaissancekultur: Jacob Burckhardt« (1927)

Dass Aby Warburg (1866–1929) in seinen ›Übungen‹ – der damals gängige Sammelbegriff für Pro-, Haupt- und Oberseminare41 – verg­lichen mit Panofsky gänzlich andere didaktische Hilfsmittel einsetzte, lässt sich dank der im Zentralinstitut für Kunstgeschichte aufbewahrten Seminararbeiten und -protokolle Ludwig Heinrich Heydenreichs (1903–1978) rekonstruieren, der von 1925 bis 1928 in Hamburg studiert hatte:42 Vor allem Warburgs Übung »Forschertypen auf dem Gebiete der Renaissancekultur: Jacob Burkhardt« ist in dieser Beziehung aussagekräftig. Die Veranstaltung war ursprünglich unter gleichem Titel – allerdings ohne Schwerpunkt auf Burckhardt – für das Wintersemester 1926/27 mittwochs zwischen 18:00 und 20:00 Uhr im Lesesaal der Kulturwissenschaft­ lichen Bibliothek (Heilwigstraße 116) angesetzt,43

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fand jedoch erst ein Semester später im Zwei-Wochen-Rhythmus sowie zugespitzt auf die »dominierende Gestalt der Renaissance-Forschung«44 des 19. Jahrhunderts statt. Heydenreich blieb der Veranstaltung dennoch treu und begann schon im Wintersemester mit der Arbeit an seinem Referat über die »Entwicklungsprobleme der Florentiner Frührenaissancearchitektur«,45 durch das sich letztlich das Profil seiner Dissertation Die SakralbauStudien Leonardo da Vincis (eingereicht bei Panofsky 1928, publiziert 1929) schärfen sollte.46 Im Vorfeld des Referatstermins am 6. Juli 1927 erhielt Warburg eine 19 Seiten starke Kostprobe des Vortrags, die er mit kritischen Kommentaren versehen retournierte. Parallel dazu muss Heydenreich weiter am Haupttext gearbeitet haben, der in Form eines 82 Seiten umfassenden, überwiegend halbseitig beschriebenen DIN-A4-Manuskripts überliefert ist. Auch hier finden sich am Korrekturrand Notizen Warburgs. Im Anschluss an die Veranstal-

Abb. 5 Ludwig Heinrich Heydenreich. Vortragstafel zum Referat »Entwicklungsprobleme der Florentiner Frührenaissance­ architektur« (Brunelleschi). Fotografie Juli 1927

tung legte er seinem Professor dann ein auf drei Seiten reduziertes Kondensat seiner Ausführungen als Hausarbeit vor. Das (über-)ambitionierte Ziel des Doktoranden war es,47 im Rahmen seines Vortrags der Entstehungsgeschichte des Renaissance-Stils in der Florentiner Baukunst anhand ausgewählter Werke Brunelleschis und Albertis nachzugehen sowie seine Erkenntnisse im Anschluss mit denen Jacob Burckhardts (1818–1897) abzugleichen. Brunelleschi wurde im Zuge dessen als vornehmlich vom Mittelalter – der Romanik, der Gotik, der Protorenaissance – inspirierter und durch praktische Arbeit geschulter Baumeister vorgestellt – im Gegensatz zu Alberti, den Heydenreich als umfassend

gebildeten Theoretiker inszenierte, der immerzu im klaren Bewusstsein um die Architekturprinzipien der Antike agiert habe. Um die Nachvollziehbarkeit seiner Thesen zu gewährleisten, wurde Heydenreich – wie auch alle anderen Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer – von Warburg dazu angehalten, Bildtafeln mit Anschauungsmaterial zu bestücken, auf das im Verlauf des Vortrags immer wieder zurückzukommen war. Auf großflächigen, mit Stoff bezogenen, nebeneinander platzierten Holzplatten wurden zu diesem Zweck aufgeschlagene Bücher der Kulturwissenschaft­lichen Bibliothek sowie mit Heftzwecken dicht an dicht gesetzte fotografische Reproduktionen aus dem Bildarchiv des Hauses

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Abb. 6 Ludwig Heinrich Heydenreich. Vortragstafel zum Referat »Entwicklungsprobleme der Florentiner Frührenaissance­ architektur« (Alberti). Fotografie Juli 1927

arrangiert. Die Ergebnisse wurden im Anschluss fotografisch dokumentiert und verblieben in dieser Form im Besitz der Kulturwissenschaft­lichen Bibliothek.48 Die Studierenden konnten jedoch um kleinformatige Abzüge bitten. Dass die Referentinnen und Referenten auf die Konzeption ihrer Vortragstafeln nur bedingt Einfluss hatten, macht Warburg in Bezug auf Heydenreichs Präsentation im Tagebuch der Kultur­wis­ senschaft­lichen Bibliothek selber deutlich: »Daß wir in der kurzen Zeit von 2 Tagen das Bildmaterial zusammenkriegten war wol [sic] erstens nur dadurch möglich, daß ich es schon Tage lang vorher im Kopf gewälzt hatte, aber zweitens nur ausführbar, weil Saxl seinen schlagfertigen Sachverstand gestern so selbstlos zur Verfügung stellte.«49 Von einem Mitwirken des Vortragenden ist an dieser

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Stelle nicht die Rede, denn sowohl das Layout als auch die Inhalte der Tafeln wurden von Warburg im Vorfeld der Sitzungen weitestgehend selber festgelegt: Allein für das Heydenreich-Referat finden sich im Archiv des Londoner Warburg Institutes sechs vorbereitende Skizzen in handschrift­licher sowie typografischer Form, die in zeit­licher Nähe zum Referatstermin entstanden sein müssen. Die erste der Vortragstafeln Heydenreichs (Abb. 5) ist Brunelleschi gewidmet.50 Gezeigt werden 38, durch Wölbungen des Papiers teilweise unscharf aufgenommene Abbildungen von Grundund Aufrissen, Raumansichten und architektonischen Details, die entweder auf den Baumeister selbst zurückgehen oder im Referatstext als Quellen seiner Inspiration kenntlich gemacht werden. Die 27 Abbildungen der zweiten Tafel konzentrieren

Abb. 7 Das kunsthistorische Institut der Universität Leipzig. Lehrmittelsammlung. Fotografie 1909

sich hingegen auf Albertis Œuvre (Abb. 6). Gut zu erkennen sind etwa der Augustusbogen zu Rimini, Santa Maria Assunta in Pisa und Santa Maria Novella in Florenz. Augenfällig ist, dass beide Tafeln Heydenreich als Folien für seine strukturalistischen stilgeschicht­lichen Erörterungen gedient haben müssen. Ein Blick auf das Vortragsmanuskript macht zudem ersichtlich, dass Heydenreichs Bildbeschreibungen auf Stichpunkten basierten, er sich also vor seinem Anschauungsmaterial verhältnismäßig frei verhalten haben muss. Es spiegeln sich darin die rhetorischen Strategien Warburgs, denn dieser hatte seine Vorträge bekanntlich zu performativen Ereignissen kultiviert, indem er mal frei extemporierte, mal textgebunden referierte und sich selbst in ständiger, gestenreicher Bewegung vor kulissenhaft arrangierten Bildfeldern befand.51

Ausblick: Mnemosyne und Paideia

Überdies lädt die Erkenntnis, dass Bildtafeln in Warburgs Seminaren als didaktische Instrumente herangezogen wurden, zu alternativen Ideen hinsichtlich der Genese des Mnemosyne-Atlas ein. Denn entsprechende Lehrmedien kamen nicht nur in der Hamburger Kunstgeschichte zum Einsatz. Lange zuvor hatte etwa auch August Schmarsow (1853–1936) in seinem Leipziger Institut mit Abbildungen bestückte Tafeln zu Spezialproblemen der Kunstgeschichte im Unterricht verwendet.52 Dank eines Werbetextes, den Schmarsow 1909 anlässlich des fünfhundertjährigen Bestehens der Universität publizierte,53 wird dieser Umstand ersichtlich: Demnach war sein Institut ab dem Sommer 1895 bis zu seiner vollständigen Vernichtung im Zuge des Bombenangriffs vom 4. Dezember

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Abb. 8 Das kunsthistorische Institut der Universität Leipzig. Hörsaal. Fotografie 1909

1943 entlang eines Korridors im ersten Stock des links vom alten Augusteum abgehenden Seitenflügels untergebracht. Es lag somit in direkter Nachbarschaft zum archäologischen und ägyptischen Seminar und profitierte von der Nähe zu den dort verwahrten, erlesenen Sammlungen. Zudem verfügte die Kunstgeschichte über eigene Lehrmittel, welche in einem Saal von der Größe eines regulären Auditoriums verwahrt wurden (Abb. 7). Dieser enthielt Einbauschränke für die ca. 10 000 Blatt starke Reproduktionssammlung, eine in Vitrinen untergebrachte Zusammenstellung von Gipsabgüssen nach Elfenbeinreliefs, Buchdeckeln und Kirchengerät des Mittelalters sowie die 1380 Bände (1943 dann 30 000 Bände) umfassende Institutsbibliothek. Darüber hinaus waren ein kleines Direktorenzimmer und ein Studierzimmer für Dokto-

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randinnen und Doktoranden vorhanden, in dem einige Gemälde verwahrt wurden. Das Herzstück des Instituts war jedoch der eigens für die Kunstgeschichte reservierte, für 80 Personen ausgelegte Hörsaal (Abb. 8), in dem Seminare und Vorlesungen stattfanden und der darüber hinaus Arbeitsplätze für die ordent­lichen Mitglieder des Instituts bereitstellte. Schmarsow selbst hatte die Inneneinrichtung übernommen und sein Auditorium in ein kunsthistorisches Panoptikum ersten Ranges verwandelt. Dort herrschten vor allem zwei Autoritäten: einerseits der Professor, dessen Katheder genau in der Mitte des Podiums positioniert war, von wo aus er das Licht im Raum wie auch den »Famulus, der die Diapositive einschiebt«54, kontrollierte; und andererseits Reproduktionen, die sich in Form von Fotografien und

Farbdrucken über den gesamten Raum verteilen ließen. An der Korridorwand war eine Reihe braungebeizter Holzplatten angebracht, die mit zahlreichen Bildern bzw. Bildfolgen gleichzeitig bestückt werden konnte. Auf dem Podium gab es eine große verstellbare Wandtafel für Zeichnungen. Auf der linken Seite des Katheders hatte der Direktor des Instituts eine »Bildwand« errichten lassen, die mehreren übereinander und in die Tiefe geschichteten Bildfolgen Platz bot. Über ihr brachte Schmarsow den durch eine Treppe hinter der Holzwand zugäng­lichen Projektionsapparat für Großbilddias an, der auf die Rückwand des Raumes ausgerichtet war. Dort hatte man überdies Metallleisten installiert, die weiteren Vergleichsabbildungen Halt boten. Die Studierenden waren demnach in Leipzig buchstäblich umzingelt von dutzenden kunsthistorischen Reproduktionsmedien, denen sie sich dank runder Drehsessel, »die sich, um einen am Boden festgeschraubten konischen Eisenzapfen in ihrem Standfuß kreisend, jeder leisen Wendung des darauf Sitzenden folgsam erweisen«55, bequem zuwenden konnten. Besonderes Augenmerk verdient jedoch die von Schmarsow selbst entworfene, 5 m² große, durch Querleisten unterteilte Staffelei, auf der sich gleich mehrere Bildreihen arrangieren ließen, um etwa »vier Reihen von Wandgemälden übereinander, wie an der Wand einer Kirche, oder ein ganzes Altarwerk, bestehend aus Sockelbildern unten, Mittelstück und Flügeln darüber, Giebelaufsatz in der Höhe, wie im Original zu Anschauung zu bringen.«56 Gerade diese Präsentationsfläche macht ersichtlich, dass um 1900 zweidimensionale Spielfelder zum freien Arrangement von Bildern zum gängigen Inventar in der kunsthistorischen Lehre zählten. Ob Schmarsow ein ähn­liches Instrument auch im Zuge der Übungen in seiner Privatwohnung zum Einsatz brachte, die er im Rahmen seines auch von Warburg besuchten Florentinischen Studienkurses Ende der 1880er Jahre abhielt, ist

nicht bekannt.57 Bei der Frage nach den Entstehungszusammenhängen des in seiner spezifischen Form und Ausrichtung natürlich einmaligen Erkenntnisinstruments Mnemosyne-Atlas scheint es jedoch in jedem Fall legitim, auch etwaige Vorläufer aus dem Methodenrepertoire der Fachdidaktik einzubeziehen.58

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1 Der Artikel steht in Zusammenhang mit der Publikation: Ulrich Pfisterer und Tobias Teutenberg, Studieren bei Warburg und Panofsky. Heinrich Heydenreich und die Hamburger Kunstgeschichte 1925–1928, Berlin und Boston, in Vorbereitung. 2 Karen Michels, Sokrates in Pöseldorf. Erwin Panofskys Hamburger Jahre, Göttingen 2017; Ulrich Luckhardt, »Kunsthalle und Kunsthistorisches Seminar der Universität ‒ eine alte Beziehung. Und eine Korrektur der Geschichte – Der ›Seminarflur‹«, in: Idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle, 2005–2007, S. 164–171; Karen Michels, »Norden versus Süden. Hamburger und Münchner Kunstgeschichte in den zwanziger und dreißiger Jahren«, in: 200 Jahre Kunstgeschichte in München. Positionen, Perspektiven, Polemik 1780–1980, hrsg. von Hubertus Kohle und Christian Drude, München 2003, S. 131–138; Heinrich Dilly, »Kunsthistorische Gedenktage des Jahres 1934. Allein aus der bislang unveröffentlichten Chronik des Kunsthistorischen Seminars der Hamburgischen Universität«, in: Radical Art History. Internationale Anthologie. Subject: O. K. Werckmeister, hrsg. von Wolfgang Kersten, Zürich 1997, S. 110–132; Heinrich Dilly, »Das Kunsthistorische Seminar der Hamburgischen Universität«, in: Erwin Panofsky. Beiträge des Symposiums Hamburg 1992, hrsg. von Bruno Reudenbach, Berlin 1994, S. 1–14; Ulrike Wendland, »Arkadien in Hamburg. Studierende und Lehrende am Kunsthistorischen Seminar der Hamburgischen Universität«, in: ebd., S. 15–29; Heinrich Dilly und Ulrike Wendland, »›Hitler ist mein bester Freund …‹. Das Kunsthistorische Seminar der Hamburger Universität«, in: Hochschulalltag im ›Dritten Reich‹. Die Hamburger Universität 1933–1945, 3 Bde., hrsg. von Eckart Krause, Ludwig Huber und Holger Fischer, Berlin und Hamburg 1991, Bd. 2, S. 607–624; Karin Michels, »Erwin Panofsky und das Kunsthistorische Seminar«, in: Die Juden in Hamburg 1590–1990. Wissens­ chaft­liche Beiträge der Universität Hamburg zur Ausstellung ›Vierhundert Jahre Juden in Hamburg‹, hrsg. von Arno Herzig, Hamburg 1991, S. 383–392; Chronik des Kunsthistorischen Seminars der Universität Hamburg. 1919–1949, hrsg. von Universität Hamburg, Kunstgeschicht­liches Seminar, Hamburg 1981. 3 Erwin Panofsky, »Das Kunsthistorische Seminar«, in: Die Universität Hamburg in Wort und Bild, hrsg. von Wilhelm Weygandt, Hamburg 1927, S. 96–97. Wiederabdruck in: Erwin Panofsky, Deutschsprachige Aufsätze, 2 Bde., hrsg. von Karen Michels und Martin Warnke, Berlin 1998, Bd. 2, S. 1093–1094. 4 Ab 1936 war das Kunsthistorische Seminar im Keller-

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geschoss der Kunsthalle untergebracht, vgl. Luckhardt 2005–2007 (wie Anm. 2), S. 170. 5 Gustav Pauli, Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten, Tübingen 1936, S. 338. 6 Dazu: Christian Ring, Gustav Pauli und die Hamburger Kunsthalle, 2 Bde., Berlin und München 2010, Bd. 1, S. 72–81. 7 Die exakteste Rekonstruktion dieses Prozesses findet sich bei Luckhardt 2005–2007 (wie Anm. 2). 8 Panofsky 1998 (wie Anm. 3), S. 1093. 9 Rekonstruktionen der ersten Jahre Panofskys an der Hamburger Universität geben: Michels 2017 (wie Anm. 2), S. 29–75; Gerda Panofsky-Soergel, Erwin Panofsky von Zehn bis Dreißig und seine jüdischen Wurzeln, Passau 2017, S. 173–184; Gerda Panofsky, »Einführung der Herausgeberin«, in: Erwin Panofsky: Die Gestaltungsprincipien Michelangelos, besonders in ihrem Verhältnis zu denen Raffaels, hrsg. von Gerda Panofsky, Berlin und Boston 2014, S. 1–34; Horst Bredekamp, »Ex nihilo: Panofsky Habilitation«, in: Erwin Panofsky. Beiträge des Symposiums Hamburg 1992, hrsg. von Bruno Reudenbach, Berlin 1994, S. 31–47; Michels 1991 (wie Anm. 2). Ferner Lise L. Möller, »Erwin Panofsky 1892–1968«, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, 14/15, 1970, S. 7–20. 10 Vgl. Dilly und Wendland 1991 (wie Anm. 2), S. 610; Wendland 1994 (wie Anm. 2), S. 16. 11 Ulrike Wendland betont, dass dieses Pensum ohne die Unterstützung von Dorothea Panofsky (1885–1965) kaum zu meistern gewesen wäre, vgl. Wendland 1994 (wie Anm. 2), S. 16. 12 Vgl. Anke Napp, Zwischen Inflation, Bomben und Raumnöten. Die Geschichte der Diasammlung des Kunstgeschicht­lichen Seminars Hamburg, Weimar 2017, S. 28. 13 Zur Einführung von Lichtbildvorträgen in die Hamburger Kunstgeschichte, zur technischen Ausstattung der Vortragsräume wie auch zur Geschichte der Hamburger Diathek und ihren Bezugsquellen im frag­lichen Zeitraum: Napp 2017 (wie Anm. 12), S. 17–32. 14 Dieses Modell kam 1925 auf den Markt (vgl. ebd., S. 29–32). Wann genau das Gerät im Hörsaal C installiert wurde, ist unklar. Es ist demnach möglich, dass Panofsky in den Gotik-Vorlesungen noch ein älteres Gerät verwendete, über das jedoch nichts bekannt ist. 15 Die Literatur zum Einzug der Diaprojektion in die kunstgeschicht­lichen Vorlesungen des späten 19. Jahrhunderts und den damit verbundenen methodischen Entwicklungen ist umfangreich, vgl. jeweils mit weiterführenden

Hinweisen: Napp 2017 (wie Anm. 12), S. 9–17; Christopher P. Heuer, »Kat. VI.1«, in: Kunstgeschichten 1915. 100 Jahre Heinrich Wölfflin: Kunstgeschicht­liche Grundbegriffe, hrsg. von Matteo Burioni, Burcu Dogramaci und Ulrich Pfisterer, Passau 2015, S. 229–231; Thomas Hensel, Wie aus der Kunstgeschichte eine Bildwissenschaft wurde. Aby Warburgs Graphien, Berlin 2011, S. 70–72; Johannes Rößler, »Erlebnisbegriff und Skioptikon. Herman Grimm und die ­Geisteswissenschaften an der Berliner Universität«, in: In der Mitte Berlins. 200 Jahre Kunstgeschichte an der ­Humboldt-Universität, hrsg. von Horst Bredekamp und Adam S. Labuda, Berlin 2010, S. 69–89; Heinrich Dilly, »Weder Grimm, noch Schmarsow, geschweige denn ­Wölfflin … Zur jüngsten Diskussion über die Diapro­ jektion um 1900«, in: Fotografie als Instrument und Medium der Kunstgeschichte, hrsg. von Costanza Caraffa (I Mandorli, 9), Berlin und München 2009, S. 91–116. 16 Vgl. Bruno Meyer, Glasphotogramme für den kunstwissenschaft­lichen Unterricht. Mit einer Einleitung u. einer reich illustrierten Abhandlung über Projectionskunst, Karlsruhe 1883, Sp. IX. 17 Michels 1991 (wie Anm. 2), S. 384. 18 Das Engagement für die Universitätskunstgeschichte war zwar nur ein kleiner, jedoch strategisch wichtiger Bestandteil der Neuausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit des Gewerbemuseums, vgl. David Klemm, Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Von den Anfängen bis 1945, Hamburg 2004, S. 82–84. 19 Panofsky 1998 (wie Anm. 3), S. 1094. 20 Dazu Tilmann von Stockhausen, Die Kulturwissenschaft­liche Bibliothek Warburg. Architektur, Einrichtung und Organisation, Hamburg 1992, S. 24–35. 21 Ebd., S. 26. 22 Zur Benutzung bzw. zu den Nutzerinnen und Nutzern der Bibliothek: Martin Warnke, »Die Kultur­wissen­ schaft­liche Bibliothek Warburg«, in: Weimar – Archäologie eines Ortes, hrsg. von Georg Bollenbeck, Jochen Golz, ­Michael Knoche und Ulrike Steierwald, Weimar 2001, S. 74–79; Stockhausen 1992 (wie Anm. 20), S. 90–101. 23 An diesem Tag wurde mit Walter Horn (1908–1995) der letzte Hamburger Doktorand von Panofsky und Saxl promoviert, vgl. Universität Hamburg, Kunstgeschicht­ liches Seminar 1981 (wie Anm. 2), S. 32. 24 Dazu Wendland 1994 (wie Anm. 2), S. 28–29; Universität Hamburg, Kunstgeschicht­liches Seminar 1981 (wie Anm. 2). 25 Die übrigen 17 Doktorinnen und Doktoren verloren während und nach der Kriegszeit den Kontakt zur Diszi-

plin. Damit konnten ca. 60 % der 41 Hamburger Absolventinnen und Absolventen im frag­lichen Zeitraum von ihrem Beruf leben. 26 Die Gotik-Vorlesungen Panofskys werden auf Grundlage der Protokolle Ludwig Heinrich Heydenreichs demnächst publiziert vorliegen, vgl. Pfisterer und Teutenberg, in Vorbereitung (wie Anm. 1). Erster Vorlesungstag des ­ersten Teils zur Französischen Gotik war Montag, der 27. April 1925. Von da an wurde bis zum Semesterende am 15. August dreimal wöchentlich (Montag/Mittwoch/Freitag) referiert, vgl. Verzeichnis der Vorlesungen. Sommersemester 1925, hrsg. von der Universität Hamburg, Hamburg 1925, S. 26. 27 Erwin Panofsky: Korrespondenz 1910 bis 1968, 6 Bde., hrsg. von Dieter Wuttke, Wiesbaden 2001–2014, Bd. 1, S. 133–135; Zit. S. 134. Hervorhebungen im Original. 28 Vgl. Michels 2017 (wie Anm. 2), S. 67. 29 Martin Warnke, »Panofsky – Die Hamburger Vorlesungen«, in: Erwin Panofsky. Beiträge des Symposiums Hamburg 1992, hrsg. von Bruno Reudenbach, Berlin 1994, S. 53–59, Zit. S. 54. 30 Für Panofsky war diese Vorgehensweise üblich, vgl. Panofsky 2014 (wie Anm. 9). 31 Vgl. Wuttke 2003 (wie Anm. 27), S. 170. 32 Vgl. ebd., S. 168–170. 33 Napp 2017 (wie Anm. 12), S. 25–28. Als Prototyp eines solchen Albums kann der Katalog Bruno Meyers (wie Anm. 16) angeführt werden, der jedoch noch keine Reproduktionen der angebotenen Dias enthält, sondern diese nur tabellarisch auflistet. Dass Farbabbildungen in diesem Zusammenhang lange keine Rolle spielten, thematisiert Monika Wagner, »Kunstgeschichte in SchwarzWeiß. Visuelle Argumente bei Panofsky und Warburg«, in: Schwarz-Weiß als Evidenz, hrsg. von Monika Wagner und Helmut Lethen, Frankfurt am Main und New York 2015, S. 126–144. 34 Vgl. Erwin Panofsky, Gotische Architektur und Scholastik. Zur Analogie von Kunst, Philosophie und Theologie im Mittelalter (englische Originalausgabe 1951), hrsg. von Thomas Frangenberg, Köln 1989. Dennoch waren die Hamburger Vorlesungen für Panofskys spätere Publikation sicher nicht wertlos, denn Martin Warnke betont: »Panofsky ist […] in der amerikanischen Emigration vielen Themen aus seiner Hamburger Vorlesungszeit treu geblieben, indem er sie dort zu den fundamentalen Veröffentlichungen ausarbeitete, die uns dann alle in den fünfziger Jahren wieder erreicht haben.« Warnke 1992 (wie Anm. 22), S. 54.

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Zum Stoedtner-Verlag: Michael Buchkremer, »Franz August Stoedtner«, in: Neue Deutsche Biographie, 25, 2013, S. 386–387; Dorothee Haffner, »›Die Kunstgeschichte ist ein technisches Fach‹. Bilder an der Wand, auf dem Schirm und im Netz«, in: Bild/Geschichte. Festschrift für Horst Bredekamp, hrsg. von Philine Helas, Maren Polte, Claudia Rückert und Bettina Uppenkamp, Berlin 2007, S. 119–129; Katalog Dr. Stoedtner. Kunstdias. Baukunst. ­Plastik. Malerei. Grafik. Kunsthandwerk, hrsg. von Heinz Klemm, Düsseldorf o. J. [1975]; 45 Jahre deutsche Lichtbildarbeit. Zum 70. Geburtstag Dr. Franz Stoedtners, hrsg. von Heinz Klemm, Berlin 1940. Einen Eindruck von Stoedtners Sortiment um 1940 ermöglicht Franz Stoedtner, Verlagskatalog für Lichtbilder und Photographien, Berlin o. J. [vor 1940]. 36 Napp 2017 (wie Anm. 12), S. 25–26. Panofsky unterhielt allerdings auch Beziehungen zu anderen Dia-Verlagen und Bildagenturen, von denen er auch im Falle der Gotik-Vorlesungen Material bezog, etwa zu der Fotowerkstatt Krüss in Hamburg, die eigene (heute nicht mehr ermittelbare) Ansichtsalben anbot und zudem in der Lage war, ausgehend von institutseigenem Bildmaterial (Buchillustrationen, Stiche, Fotos) Dias zu erstellen. Zur Projektions- und Dia-Sparte der Firma: A. Krüss, Geschichte eines Hamburger Familien-Unternehmens, Hamburg 1966, S. 15–16, S. 27–28. 37 Neben den beiden hier erwähnten Alben existierte zur Architektur und Skulptur der französischen Gotik jeweils noch ein weiterer Katalog: Frankreichs Architektur bis 1800 (1120 Dias) sowie Französische Plastik bis 1800 (850 Dias), vgl. Stoedtner [vor 1940] (wie Anm. 35), S. 13–14. 38 Stoedtner [vor 1940] (wie Anm. 35), S. 14. 39 Von diesem Album wird im Bildarchiv Foto Marburg ein Exemplar verwahrt. Es ist der Endell-Forschung bislang unbekannt. Man weiß lediglich von der Reise des Architekten nach Nordfrankreich sowie von einer Reihe von Fotos gotischer Kathedralen, die im Zuge dessen entstanden, vgl. Christiane Salge, »August Endell: Leben, Werk und Schriften«, in: August Endell, hrsg. von Nicola Bröcker, Gisela Moeller und Christiane Salge, Petersberg 2012, S. 35–65, bes. S. 50–51. Endell war zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Stoedtner in Kontakt, ließ etwa seine Hackeschen Höfe nach der Fertigstellung 1906/07 vom Dokumentarfotografen festhalten, vgl. im selben Band Monika Laude, »Die Hackeschen Höfe und die Neumannschen Festsäle in Berlin-Mitte, S. 197–209, bes. S. 198. Es ist also wahrscheinlich, dass Stoedtner der Auftraggeber der Endell-Fotos war, wenngleich dafür kein Beleg mehr zu existieren scheint.

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Stoedtner gab beide Kataloge exklusiv bis in die vierziger Jahre unverändert heraus. Das Erscheinungsdatum der jeweiligen Erstauflage ist jedoch unbekannt, da die Geschäftsunterlagen Stoedtners im Krieg verbrannten. Sicher ist im Falle des Hamann-Albums nur, dass die Fotografien allesamt vor 1914 (teilweise vor 1912) entstanden. Das im Bildarchiv Foto Marburg verwahrte Exemplar ist zudem mit der Postanschrift »Universitätsstraße 3b (NW 7)« versehen, die der Stoedtner-Verlag in den Jahren von 1908–1928 nutzte. Ab 1929/30 war der Verlag dann in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Straße 55 (C 2) ansässig. 41 Vgl. Dilly 1994 (wie Anm. 2), S. 4. 42 Heidenreichs Seminarbeitrag sowie weitere Materialien zu diesem wie auch zu anderen Warburg-Seminaren werden publiziert in Pfisterer und Teutenberg, in Vorbereitung (wie Anm. 1). 43 Ursprünglich hatte Warburg angedacht, eine Vielzahl von Renaissance-Forschern einzubeziehen, vgl. Bernd Roeck, »Aby Warburgs Seminarübungen über Jacob Burckhardt im Sommersemester 1927«, in: Idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle, 10, 1991, S. 65–89, Anm. 20. Da die Liste ausuferte, wurde dieser Plan letztlich verworfen. 44 Warburg hielt am 2. November zwar die Einführungssitzung, sagte aber schon kurz darauf die Veranstaltung ab, da sie ihm einerseits mit »23 (!) Leuten« hoffnungslos überlaufen erschien und er darüber hinaus einmal mehr über gesundheit­liche Probleme klagte, vgl. Aby Warburg. Tagebuch der Kulturwissenschaft­lichen Bibliothek Warburg (Aby Warburg, Gesammelte Schriften, 7), hrsg. von Karen Michels und Charlotte Schoell-Glass, Berlin 2001, S. 21. Zu den Zielen, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie zur Struktur und zum Ablauf des Seminars siehe Roeck 1991 (wie Anm. 43), Zit. S. 66. 45 Warburg hatte es seinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zur Auflage gemacht, bereits zu Seminarbeginn ein Referat vorzulegen, vgl. Verzeichnis der Vorlesungen. Sommersemester 1927, hrsg. von der Universität Hamburg, Hamburg 1927, S. 30. Dadurch sollte Zeit für das Arrangement der Bildtafeln gewonnen werden. 46 Heydenreich machte selber deutlich, dass die entscheidende Verdichtung seiner Fragestellung »durch eine im Sommersemester 1927 abgehaltene Seminarübung« erfolgte, vgl. Ludwig H. Heydenreich: Die Sakralbau-Studien Leonardo da Vinci’s. Untersuchungen zum Thema: Leonardo da Vinci als Architekt, Engelsdorf-Leipzig 1929, Vorwort. 47 Vgl. die Kritiken Warburgs, Saxls und Bings, in: Michels und Schoell-Glass 2001 (wie Anm. 44), S. 112–113.

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Die Fotos befinden sich im Archiv des Warburg Institutes, London. Bislang wurde jedoch kein Zusammenhang mit dem Burckhardt-Seminar hergestellt. Die Tafeln werden erstmals publiziert in Pfisterer und Teutenberg, in Vorbereitung (wie Anm. 1). 49 Michels und Schoell-Glass 2001 (wie Anm. 44), S. 112. 50 An dieser Stelle werden nur zwei der anlässlich des Heydenreich-Referats entstandenen Tafeln besprochen. Für die übrigen siehe Pfisterer und Teutenberg, in Vorbereitung (wie Anm. 1). 51 Dazu Uwe Fleckner, »Ohne Worte. Aby Warburgs Bildkomparatistik zwischen wissenschaft­lichem Atlas und kunstpublizistischem Experiment«, in: Aby Warburg. Bilderreihen und Ausstellungen (Aby Warburg, Gesammelte Schriften, 2.2), hrsg. von Uwe Fleckner und Isabella Woldt, Berlin 2012, S. 1–18, bes. S. 15–16. 52 Zum Leipziger Institut: Frank Zöllner und Thomas Topfstedt, »Kunstgeschichte«, in: Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009, 5 Bde., hrsg. von Franz Häusler, Leipzig 2009/10, Bd. 4.1, S. 218–234; Ernst Ullmann, »100 Jahre Kunstwissenschaft in Leipzig«, in: 100 Jahre Kunstwissenschaft in Leipzig, Protokoll des Kolloquiums der Sektion Kulturwissenschaften und Germanistik, Fachbereich Kunstwissenschaft und Kunsterziehung. Leipzig (12. und 13. Oktober 1973), hrsg. vom Rektor der Karl-Marx-Universität, Leipzig 1975, S. 10–27. 53 Dazu: Dilly 2009 (wie Anm. 15), S. 91–93. 54 Dieses wie auch die beiden folgenden Zitate in: August Schmarsow, »Das Kunsthistorische Institut«, in: Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, hrsg. vom Rektor und vom Senat, 4 Bde., Leipzig 1909, Bd. 4.1, S. 172–179, hier S. 174–175. 55 Vgl. ebd. 56 Vgl. ebd. 57 Dazu: Bernd Roeck, Der junge Warburg, München 1997, S. 59–62. 58 Über eine entsprechende Abhängigkeit spekuliert im Übrigen schon Dilly 1994 (wie Anm. 2), Anm. 22.

Die Lehrmedien der ›Hamburger Schule‹. Panofskys Vorlesungen und Warburgs Seminare

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»Key Monuments of the History of Art«. Die kunsthistorische Überblicksdarstellung als Lehrbuch in einer globalisierten Kunstwelt Hubert Locher

Zu den wichtigsten Lehrmedien der Kunstgeschichte gehören, schon seit der disziplinären Etablierung des Studienfaches an den Universitäten und Hochschulen, jene Publikationen, die beanspruchen, das Gegenstandsfeld der Kunstgeschichte handbuchartig im Überblick zusammenzustellen. Hier tritt in besonders deut­licher Form das zutage, was man als den Kanon der Kunstgeschichte zu verstehen hat. Darunter sei hier keine durch den Verlauf der Geschichte der Kunst sich ergebende, irgend absolute oder stabile Instanz verstanden, sondern vielmehr ein variables Referenzsystem, dessen Geltung und Gestaltung in einem komplexen diskursiven Prozess immer wieder neu ausgehandelt wird. Ein Kanon ist demnach selbst eine historische Gegebenheit, dessen Herausbildung durch vielerlei Faktoren bedingt ist und dessen Reichweite und Geltung unterschiedlich und umstritten sein kann.1 Die Handbücher der Kunstgeschichte spielen eine wichtige Rolle in diesem Diskurs, insofern sie für den Bereich des akademischen Unterrichts den Kanon festzulegen versuchen. Sie sind allerdings nicht jene Orte, an denen die Kanonbildung selbst thematisiert oder gar kritisch diskutiert wird. Vielmehr besteht das Prinzip solcher Überblicksdarstellungen gerade darin, das mehr oder weniger umkämpfte Referenzsystem in einer bestimmten Formation als gänzlich natür­liche, absolute Einheit vorzustellen. Es gehört zur Rhetorik solcher Bücher, dass sie als Grundlagenwerke auftreten und

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Hubert Locher

einen angeblich unumstrittenen konsolidierten Wissensbestand vortragen, als ob es einen stabilen und somit prinzipiell richtigen Kanon ›der Kunst‹ gäbe. In den Handbüchern wird daher nicht diskutiert, sondern konstatiert. Sie argumentieren weniger, als dass sie auflisten und zeigen. In den handbuchartigen Überblicksdarstellungen der Geschichte der Kunst spielt demnach die lehrhafte Reproduktion und Variation von Gemeinplätzen eine zentrale Rolle. Es geht nicht darum, Wege zu neuen Erkenntnissen zu eröffnen, sondern loci communes, Topoi, zu reproduzieren mit dem klaren Ziel, diese als zu lernenden Stoff im Sinne eines Bildungsanliegens zu vermitteln. Dies gilt zum einen für die einzelnen Gegenstände, die schon durch ihre Auswahl als bedeutende Orte markiert und damit bestätigt werden, zum zweiten auch für die Art und Weise der Präsentation, für die Argumente, narrativen Kontextualisierungen, Attribute, text­lichen oder gestalterischen Rahmungen, mit denen jeder Gegenstand oder jeder Ort als bedeutsam ausgewiesen wird. Beides zu erfassen und kritisch zu beschreiben könnte Gegenstand einer historischen Topik der Kunstgeschichte im Sinne jenes Forschungsfeldes sein, das einst Ernst Robert Curtius für die lateinische Literatur der frühen Neuzeit abgesteckt hat.2 Eine solche historisch-kritische Topik der Kunstgeschichte müsste sich auch, und mehr als dies in Curtius’ Kompendium der Fall ist, mit der Frage der relativen Wertebildung befassen und danach

fragen, für welche Werte ein bestimmter kunsthistorischer Topos steht. Es könnten auf diese Weise die erst in der Übersicht mehrerer dieser Werke erkennbaren historischen Umschichtungen des Kanons in Bezug auf einen Wertewandel und eine Veränderung tiefer gründend erklärt werden. Hier kann es nicht darum gehen, dies zu leisten, indessen soll wenigstens punktuell die Art dieser Verlagerungen angezeigt werden. Im Vordergrund steht die Charakterisierung von Handbüchern, im amerikanischen Sprachgebrauch ›textbooks‹ oder ›survey studies‹ genannt, die als Lehrwerke konzipiert sind. Eine der Herausforderungen der frühen Handbücher bestand darin, überhaupt das Material zusammenzutragen, das in einem sich erst konstituierenden Fach von irgendeiner Relevanz sein könnte, das heißt in Kenntnis der gegebenen Interessen und aktuellen Forschungen ein Forschungsfeld zu konturieren.3 Mit der wachsenden Forschung und der Konsolidierung des Faches wandelte sich die Aufgabe. Es galt nun, eine sinnvolle Auswahl zu treffen und zu bestimmen, welche Objekte von besonderem Belang für eine vorgestellte umfassende Geschichte der Kunst sein könnten. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und bis in die jüngste Zeit rückte endlich die Plausibilisierung der Auswahl und die didaktische Vermittlung oder Aufbereitung des Stoffes in den Vordergrund. Dabei stellt sich schließlich auch die Frage, ob das hier zu diskutierende Lehrmedium im »Zeitalter der Globalisierung«, die in der gegenwärtigen Kunstszene oder »Artworld« besonders durchschlagend wirkt,4 noch eine angemessene Form der Vermittlung und Repräsentation kunsthistorischen Wissens ist.

Text und Bild im propädeutischen Überblickswerk

Prägend für das Genre der kunsthistorischen Überblicksdarstellung waren zunächst die deutschsprachigen Publikationen; an erster Stelle jene von Franz Kugler, der den Begriff »Handbuch der Kunstgeschichte« verwandte, Carl Schnaase, Anton Springer und Wilhelm Lübke.5 Verstärkt um die Wende zum 20. Jahrhundert entstanden von verschiedenen Autoren verantwortete mehrbändige Kompendien, die den Anspruch der überblickenden Darstellung des »Ganzen der Kunst« aufrecht hielten, gipfelnd in dem von 1913 bis 1939 erschienenen, von Fritz Burger begründeten und von Albert Erich Brinckmann herausgegebenen Handbuch der Kunstwissenschaft. Es zeigt sich in dieser Auffächerung eine signifikante Umwertung: Seriöse kunstgeschicht­liche Forschung auch überblickender Art wurde als Angelegenheit von Spezialisten verstanden, die nur noch Teilgebiete bearbeiteten. Die Spezialisierungen wurden nach Epochen oder Kunstgattungen vorgenommen, oder aber man konzentrierte sich auf die Darstellung der Kunst einer bestimmten Nation. Überblicksdarstellungen wurden weiterhin von einzelnen Autoren veröffentlicht, die nun stärker den propädeutischen Charakter und den perspektivisch orientierten Blick des jeweiligen Autors betonten, der anhand repräsentativer Beispiele – nun in aller Regel in Text und Bild oder auch nur im Bild – die Geschichte der Kunst vorstellte. Die Beispiele sind bald zahlreich und nicht nur auf den deutschen Sprachraum begrenzt, der jedoch traditionell besonders reich bedient wird. Ein groß angelegtes und als Lehr- und Studienwerk weit verbreitetes reines Bildkompendium im Folioformat unter dem Titel Kunstgeschichte in Bildern verantwortete für den Leipziger Verlag E. A. Seemann Georg Dehio.6 Zeitweise im deutschen Sprachraum weit verbreitet war auch die 1933 erschienene Geschichte der Kunst des Marburger Pro-

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Abb. 1 Doppelseite aus Richard Hamann, Geschichte der Kunst von der altchristlichen Zeit bis zur Gegenwart, Berlin 1933, S. 832, mit Tafel XII.

fessors Richard Hamann (1879–1961), die der didaktischen Aufgabe in besonderer Weise in Text und Bild gerecht zu werden suchte. Sie beschränkt sich entschieden auf das engere Feld der Geschichte der Kunst von der frühchrist­lichen Zeit bis zur Gegenwart – in Anerkennung dessen, dass die zugehörige Geschichte der Kunst des Altertums inzwischen von der Archäologie bearbeitet wurde. Ausdrücklich wird in der Einleitung der besondere Standpunkt des einen Autors hervorgehoben und die Aufgabe unterstrichen, die Geschichte der Kunst nicht vollständig, sondern durch besonders gut ausgewählte, aussagekräftige Fotografien zu ­erläutern (Abb. 1). Dem pädagogischen Grund­ impuls des Werkes entsprechend wird die Auswahl

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der Beispiele als die »schwierigste und verantwortungsvollste Aufgabe«7 herausgehoben. Die unmittelbar nach Kriegsende 1947/48 in der Schweiz erscheinende Europäische Kunstgeschichte des Architekten und Kunsthistorikers Peter Meyer (1894–1984), um ein weiteres Beispiel zu nennen, konzentriert sich ebenfalls dezidiert auf Europa, bezieht aber von Beginn an die Antike mit ein. Die Beschränkung ist auch politisch begründet: Erklärtes Ziel des Autors, der gelegentlich als »einer der bedeutendsten Schweizer Architekturkritiker und Kunsthistoriker der populärwissenschaft­ lichen 8 Richtung« apostrophiert worden ist, war es, nach dem Krieg, der mit dem »Wert des Nationalen auch die unlösbare Verflochtenheit aller europäi-

Abb. 2 Doppelseite aus Peter Meyer, Europäische Kunstgeschichte in zwei Bänden, Zürich 1947–1948 (Abb. 288–299)

schen Völker deutlich gemacht« habe, zur Befestigung des »Bewußtseins von der Einheit Europas in Raum und in der Zeit« beizutragen.9 Das für »gebildete Laien« und nicht für ein Fachpublikum konzipierte Werk wird mit einem Kapitel zu den »Grundbegriffe[n] der Kunstbetrachtung« eingeleitet, in dem Inhalt und Form, Stil, Stilepochen und die Bedeutung der Künstlerpersönlichkeit erläutert werden.10 Den Text gliedert Meyer in narrative und kleiner gesetzte Passagen, die jeweils einen ge­ schicht­lichen Überblick und eine knappe Liste der Denkmäler geben. Mit ebenso in kleinerer Schrift gesetzten, oftmals stichwortartigen Erläuterungen der formal-stilistischen Charakteristika sind auch die Abbildungen versehen, die zum Teil als Strich-

zeichnungen in den Text eingefügt wurden, aber vor allem in gestalteten Übersichtstafeln von jeweils acht Seiten mit einer Fülle von Abbildungen in Briefmarkengröße bestehen, die auch hier mit didaktischen Erläuterungen versehen sind (Abb. 2). Der didaktische Impuls bestimmt ebenso die Rhetorik und Gestaltung des bis heute erfolgreichsten Kompendiums dieser Art, The Story of Art von Ernst H. Gombrich (1909–2001).11 Nicht als Kunstgeschichte, sondern als Erzählung der »Geschichte der Kunst« ausgewiesen, handelt es sich ebenfalls und in noch pointierterer Umsetzung um ein Lehr- und Lesebuch, das für den »Neuling«, ja sogar zunächst für »ganz junge Leute« gedacht war.12 In Einleitung und Einführung wird auf we-

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nigen Seiten und im charakteristischen Tonfall des Lehrers – er spricht in der ersten Person – dargelegt, wovon das Buch eigentlich handelt: »Von der Kunst und den Künstlern«.13 Das didaktische Anliegen hat auch hier unmittelbare Auswirkungen auf die Art der Argumentation und des Vortrags: Als eine »Grundregel« nahm sich der Autor vor, »kein Kunstwerk zu erwähnen, das ich nicht auch in einer Abbildung zeigen konnte«, eine Regel, die »natürlich die Zahl der Künstler und Kunstwerke, die ich besprechen konnte« limitierte und aus der sich für den Autor die Forderung ergab, sich »auf wirk­liche Kunstwerke«, auf »echte Kunst« zu beschränken, dagegen die »nur für eine Modeströmung oder eine Geschmacksverirrung interessanten Beispiele« beiseite zu lassen, so interessant sie auch sein mögen.14 Gombrich erlaubt sich gänzlich unbefangen ein persön­liches Urteil. Mit geradezu entwaffnender Selbstverständlichkeit beansprucht er als geschulter Fachmann, die ›echten‹ Werke mit Sicherheit erkennen und vorstellen zu können und verspricht damit implizit, dass auch die »jungen Leute«, die sich von ihm belehren lassen, schlussendlich diese Fähigkeit erlangen könnten – das ist denn auch der eigent­liche Inhalt dieses Lehrbuches. Gombrich ist zutiefst überzeugt, dass es diesen Kanon der wirk­lichen »Meisterwerke« gebe. Diese Haltung trägt in seiner Geschichte der Kunst die gesamte Argumentation. Dass sie nicht als unangemessen autoritär erscheint, liegt daran, dass Gombrich zum einen nach wie vor eine Erwartungshaltung erfüllt – die Idee eines gültigen und überzeit­lichen Kanons der Kunst dürfte, zumindest was die Kunst der historischen Epochen betrifft, nach wie vor in weiten Kreisen mehr oder weniger gebildeter Schichten verbreitet sein. Zum anderen übt Gombrich durchgehend eine positive Kritik im Sinne der Darlegung von Qualitäten der einzelnen Werke. Die Konzentration auf wenige Beispiele ist durch didaktische Notwendigkeit begründet. Da es nicht möglich ist, über alles zu sprechen und alles

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abzubilden, konzentriert er sich auf das vorgeblich Wichtigste, ohne aber den Beweis anzutreten, dass anderes unmittelbar Vergleichbares von geringerem Belang wäre. Gombrichs Glaube an einen stabilen Kanon der Kunst ist kein Einzelfall, sondern charakteristisch für das Genre der Überblicksdarstellung des 20. Jahrhunderts. Anders als die meisten anderen Autoren solcher Darstellungen war sich der langjährige Direktor des Londoner Warburg Institutes der damit verbundenen Wertbildung durchaus bewusst und verteidigte seine Auffassung im Sinne eines universalen Humanismus zeitlebens auch gegen vehemente Kritik.15 Alle diese Bücher waren letztlich erfolgreich, weil sie versprachen, im weiten Überblick eine qualitative Beurteilung kultureller Leistungen der Menschheit leisten zu können und dies im konkreten Einzelfall, der im Rahmen eines Gesamtüberblicks erscheint, auch unter Beweis zu stellen scheinen. Während in einem reinen Bildkompendium wie jenem Dehios oftmals die Reihung ­betont wird, so geht es in den illustrierten Text­büchern darum, die ausgewählten, bildlich präsentierten Beispiele durch Erläuterungen der stilis­ tischformalen Eigenschaften als jeweils fortschrittlich, innovativ, originell oder reich vorzustellen. Der Erfolg dieser Kompendien gründet sich demnach – und dies gilt für alle erwähnten sowie zahlreiche weitere Überblicksdarstellungen auch der späteren Zeit – auf die didaktische Erläuterung des Einzelfalls, der in ein großes Narrativ eingebunden wird und aufgrund der Position, die man ihm zuweist, als ›bedeutend‹ erscheinen kann. Diese Dialektik von entwicklungsgeschicht­lichem Narrativ und Einzelfallpräsentation spielt allerdings in unterschied­licher Weise: Am weitesten tritt die stilgeschicht­liche Erzählung im Fall von Gombrichs Geschichte der Kunst zurück, der sich auf relativ wenige Hauptbeispiele konzentriert, die dadurch nur noch bedeutender erscheinen.

Englischsprachige ›textbooks‹ und ›survey studies‹

Während die genannten und mancherlei neuere Handbücher der Kunstgeschichte seit jeher die bildungsbürger­lichen Bücherregale schmückten und in den jeweils neuesten Auflagen in Schul-, Volks- und Universitätsbibliotheken Aufstellung fanden, wurden sie im wissenschaft­lichen Fachdiskurs selten kommentiert oder kritisiert. Ob und wie sie in der akademischen Lehre tatsächlich benutzt worden sind, ist schwer zu sagen. Die Produktion und der Erfolg von Überblickswerken setzten sich während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts jedenfalls ungebrochen fort, ohne dass dies im wissenschaft­lichen Diskurs des Faches Kunstgeschichte größere Aufmerksamkeit gefunden hätte. Das Angebot veränderte sich jedoch durchaus; generell wird man von einer Internationalisierung sprechen können. Eine besondere Konjunktur erlebte das Genre des kunsthistorischen ›textbooks‹ in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA. Sie hängt mit derjenigen des Faches zusammen, das infolge der erzwungenen Emigration jüdischer Gelehrter aus Deutschland dort schon seit den dreißiger Jahren einen starken Aufschwung erlebte.16 Für den Unterricht in Kunstgeschichte an den amerikanischen Colleges und Universitäten wurden seither verschiedene ›textbooks‹ – trotz der Bezeichnung, handelt es sich durchgehend um illustrierte Werke – produziert, die in Neuauflagen vielfach revidiert bis heute zum Einsatz kommen. Sie stehen in der Tradition der europäischen Handbücher, doch zeigen die über die Jahre erfolgenden Revisionen auch markante Verschiebungen in Inhalt und Struktur. Wie einst in den deutschen Handbüchern der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts ist es das Ziel, einen repräsentativen Überblick desjenigen Stoffes zu vermitteln, der als The History of Art oder als Art Through the Ages bestimmt wird und von den Anfängen bis zur Gegenwart reicht. Damit ist

der elementare Topos bezeichnet, der diesen Handbüchern zugrunde liegt: Kunst wird pragmatisch und ohne eingehende philosophisch-ästhetische Diskussion als Universalie betrachtet, ausgehend von der Überzeugung, dass alle Menschen zu allen Zeiten Werke der Kunst hervorbringen. Dementsprechend ergibt sich aus der Chronologie der Menschheitsgeschichte eine weniger kontinuier­ liche als intermittierende Erzählung, die von den Anfängen bis zur Gegenwart reicht, ohne dass eine Historie im Sinn einer Entwicklungsgeschichte des Stils behauptet werden muss. Dieser Grundgedanke verstärkt sich im Unterricht aufgrund der von vornherein begrenzt zur Verfügung stehenden Zeitspanne eines Kurses noch, indem zwangsläufig beispielhaft gearbeitet werden muss. So kommt als zweiter zentraler Topos jener des ›Schlüsselwerks‹ – des ›key monument‹ – zum Tragen. Er besagt, dass sich mittels der richtigen Auswahl von einzelnen Werken die Geschichte der Kunst repräsentativ darstellen, eigentlich ›aufschlüsseln‹ lasse. Das Prinzip ist im Titel der grundlegenden und buchstäblich schulbildenden Handreichung für die Lehre angezeigt, die 1959 in New York von Horst Woldemar Janson gemeinsam mit Dora Jane Janson herausgegeben wurde: Key Monuments of the History of Art. A Visual Survey.17 Der 1913 geborene Janson war nach dem Studienbeginn in München ab 1933 bis zu dessen Emigration Schüler Erwin Panofskys in Hamburg gewesen. 1935 emigrierte Janson selbst in die USA, wo ihm eine bemerkenswerte Karriere gelang. Ab 1949 unterrichtete er am Institute of Fine Arts der New York University und leitete hier als eine seiner wichtigsten Pflichten den einführenden Grundkurs.18 Zur Unterstützung und zum Gebrauch in einem derartigen Kurs sind die Key Monuments konzipiert. Im Vorwort erklärt der Autor den »somewhat immodest title« des Bandes: Es sei weniger eine exakte Beschreibung des Inhaltes als vielmehr des Ziels, das naturgemäß nur unvollkommen realisiert werden könne.19 Dieses

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Abb. 3 Key Monuments of the History of Art. A Visual Survey, hrsg von Horst W. und Dora J. Janson, New York 1959, S. 950–951

bestehe darin, Kunstwerke zusammenzustellen, die aufgrund ihrer historischen Bedeutsamkeit nicht so sehr als Objekte ästhetischen Genusses, sondern als Referenzbeispiele für eine einführende Vorlesung zur Geschichte der Kunst zu verwenden seien, idealerweise in Verbindung mit einem der »numerous available one-volume surveys of the history of art«20. Das Buch enthält 1060 ganz- oder halbseitige Abbildungen, beginnend mit einem Hünengrab aus Carnac, datiert auf 1500 v. Chr. und endend mit Jackson Pollocks »Nr. 32« von 1950 (Abb. 3–4). Welche Textbücher das Ehepaar Janson im Blick hatte, ist nicht ausgeführt. Dass diese letztlich nur bedingt passend waren, ergibt sich daraus, dass der

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Bildband zur Grundlage für ein drei Jahre später von beiden selbst verfasstes Werk wurde, das unter dem Titel History of Art. A Survey of the Major Visual Arts from the Dawn of History to the Present Day erschien.21 Dieses Buch sollte die nächsten Jahrzehnte an vielen Schulen und Universitäten der USA das maßgeb­liche Referenzwerk für die Einführungskurse werden, dessen Erfolg, so wird man annehmen können, auf der überzeugenden Verbindung der Bildsequenz der Key Monuments mit den narrativen Erläuterungen beruhte. Jansons Kunstgeschichte wurde auch ein internationaler Erfolg. Sie erschien bereits 1962 auch in deutscher Sprache als DuMonts Kunstgeschichte unserer Welt und wurde in einer ganzen Reihe von Neuauflagen (1982, 1983,

1991, 1995 und 2001) jeweils revidiert, ab der dritten Ausgabe unter Mitarbeit von Jansons Sohn Anthony. In den späteren Auflagen auch der englischen Ausgaben werden die Titel leicht, aber signifikant variiert. Schon die in London bei Thames and Hudson erscheinende Ausgabe von 1962 stellt den unbestimmten Artikel voran: A History of Art. Dies geschah womöglich zur Abgrenzung von Ernst H. Gombrichs The History of Art und könnte sogar darauf hinweisen, dass man hier den Absolutheitsanspruch des einen richtigen Narrativs nicht hochhalten möchte. Das Phänomen der wiederholten Neuauflagen hat nicht nur mit den sich periodisch erschöpfenden Lagerbeständen zu tun. Wie schon bei den ersten deutschen Handbüchern ergreift man aus Anlass der Neuauflage zugleich die Gelegenheit, jeweils eine Aktualisierung vorzunehmen, die nicht nur die Ausstattung betrifft, sondern mitunter

auch den Gegenstand selbst. Besonders signifikant ist dies im Fall der siebten Neuausgabe von Jansons Kunstgeschichte 2006 bzw. 2007.22 Es handelt sich um eine grundlegende Neubearbeitung durch eine Gruppe von sechs Kunsthistorikern und Kunsthistorikerinnen, die jetzt als Janson’s History of Art. The Western Tradition erschien. Der neue Titel führt ostentativ die erfolgreiche Marke weiter, zeigt aber auch durch eine explizite Einschränkung an, dass sich inzwischen die Perspektive verschoben hatte. Jansons Buch war im Verlauf von fünf Jahrzehnten zu einem kanonischen Text geworden. Als solcher wird er in der siebten Neuausgabe präsentiert, aber zugleich dekonstruiert. In einer Besprechung der New York Times stellte der Rezensent Randy Kennedy lapidar fest, das Buch habe in seiner ursprüng­ lichen Form für die Generation der Babyboomer definiert »what was and who was who in art, from Angelico (Fra) to Zurbarán (Francisco de).«23 Aller-

Abb. 4 Key Monuments of the History of Art. A Visual Survey, hrsg von Horst W. und Dora J. Janson, New York 1959, S. 1060

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dings sei auch vielfach Kritik geübt worden. Nach dem Tod von Janson und dem Rücktritt seines Sohnes Anthony 2002 sei nun eine Revision vorgenommen worden, die nur grund­legend sein konnte. Worin bestand nun diese Bearbeitung? Eine weitere Vergrößerung des Umfangs gegenüber den vorangehenden, jeweils bereits erweiterten Auflagen war aufgrund der definierten Verwendung als ›textbook‹ nicht sinnvoll. Dieser Zweck limitierte sowohl die Stoff- wie auch die Textmenge und verlangte demnach für jede Erweiterung eine entsprechende Kürzung. Der zitierte Artikel in der New York Times vergleicht diesen Vorgang scherzhaft mit dem Wandel des Personaltableaus einer bekannten Fernsehserie: »In some ways, art history is like an episode of ›The Sopranos.‹ A relatively small number of artists are welcomed into the family of the famous, their works immortalized in museums and on postcard racks – in other words, they are made. But hit men, otherwise known as critics and scholars, are lurking around every corner, waiting to whack even the most sterling reputation. Almost no one is safe. Not even, as it turns out, Whistler’s mother.«24 »Whistler’s mother« ist die geläufige Bezeichnung eines Werks des gebürtigen Amerikaners James McNeill Whistler (1834–1903), der in Paris studiert hatte und später vor allem in London tätig war. Als Arrangement in Black and Grey (The Artist’s Mother) war es schon in Jansons Key Monuments abgebildet und leitete das mit »The Modern World. Realism and Impressionism« betitelte 26. Kapitel ein (Abb. 3).25 Dieses Werk war damals bereits seit langem eine Ikone der amerikanischen Kunstgeschichte. Seine gleichsam offizielle Weihe hatte es 1934 durch die Verwendung als Motiv einer dreiCent-Briefmarke erhalten, die laut Inschrift »in

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memory and in honor of the mothers of America« herausgegeben worden war. In der Neuauflage wurde Whistlers Porträt seiner Mutter durch ein ikonologisch weniger belastetes Werk desselben Künstlers, Symphony in White, No. 2, ersetzt. Der für diesen Teil des Kompendiums ver­ant­ wort­liche Autor, Joseph Jacobs, gab im Interview mit dem Rezensenten der New York Times hierzu an, dass sich dieses neue Beispiel doch viel besser eigne, um den japanischen Einfluss auf Whistler zu belegen und um zu erläutern, was für ein großartiger Maler er gewesen sei.26 Interessant genug ist, dass der Autor angab, er hätte darüber gar nicht lange nachgedacht, während er in anderen Fällen durchaus abzuwägen gehabt habe. Ob dies zutrifft oder nicht, die Tendenz der Veränderung scheint klar: Ersetzt wird ein Werk, das zu einem symbolischen Gemeinplatz für eine ganze Reihe von allgemeinen amerikanischen Grundwerten geworden war und, wie die Briefmarke anzeigt, eine spezifische inhaltlich-politische Kodierung erfahren hatte. Gerade diese starke Besetzung dürfte letztlich zu dessen Austausch geführt haben, denn offensichtlich ist hier eine bestimmte Rolle der Frau als Mutter, passiv, duldend und kontemplativ, kodiert, die dem amerikanischen Frauenbild des 21. Jahrhunderts nicht mehr entspricht. An seine Stelle tritt ein Werk desselben Künstlers, das sich in eine andere Richtung öffnet, dabei aber ebenso für einen historischen Topos steht – für die prinzipielle Offenheit der Kunst über die Grenzen einer Kultur hinaus, hier konkret für die Rezeption japanischer Kunst im Westen als entscheidendem Faktor auf dem Weg zur Moderne. Dass diese immer schon bekannte Verbindung nun in der Neuauflage betont wird, weist auf den Wunsch hin, im Rahmen einer umfassenden History of Art zu korrigieren, was dieser und vielen anderen ›survey studies‹ gleichsam angeboren ist, doch inzwischen als unzeitgemäß empfunden wird: deren oft mehr oder weniger exklusiv west­liche Perspektive, die gele-

gentlich auch eine besondere nationale Ausrichtung annehmen kann. Weitere Änderungen in diesem Band weisen in dieselbe Richtung der gezielten Revision eines Kanons nach Maßgabe eines neuen Weltbildes. Jansons Auswahl, so erfolgreich sein Buch auch gewesen sein mag, wurde nicht zuletzt aufgrund des fast vollständigen Fehlens von Künstlerinnen kritisiert. In der Neuauflage reagierte man darauf, etwa indem man Mary Cassat zur Gruppe der Impressionisten hinzufügte und im Bereich der Malerei des 17. Jahrhunderts Judith Leyster und die Stilllebenmalerin Clara Peeters ergänzte. Mit kunsthistorischen Argumenten nun die Frage zu diskutieren, ob und inwiefern die neu abgebildeten Werke tatsächlich als ›key monuments‹ der Geschichte der Kunst gelten könnten, inwiefern ihnen also ebenso »historic significance« eigen sei wie jenen Werken, die sie erweitern oder auch ersetzen, ist natürlich möglich, würde aber von dem in diesem Zusammenhang eigentlich interessierenden Vorgang ablenken. Er besteht darin, dass Selektionen und Setzungen vorgenommen wurden, die nur im Rahmen jenes symbolischen Systems aussagekräftig sind bzw. aussagekräftig werden können, das in der ›survey study‹ repräsentiert und ausgestaltet wird. Durch den Austausch von einzelnen Positionen, wie sie hier eben benannt worden sind, wird zunächst eine Umkodierung im Rahmen eines Systems vorgenommen, das man nach wie vor für funktionsfähig hält. Es sind Maßnamen, die auf eine Rettung des Systems durch Ausgleich und Justierung zielen. Derselben Logik folgt der Versuch einer Relativierung des Rahmenwerks. Horst Woldemar Janson war sich, wenn auch mit Vorbehalten, noch einigermaßen sicher, dass man mittels ›key monuments‹ eine Geschichte der Kunst »from the dawn of history to the present day«, wie es im Titel hieß, ja sogar eine »Kunstgeschichte unserer Welt« erzählen und lehren könne. Um 2007 ist diese Vision problematisch geworden. Sie wird

dennoch, auch aus Gründen der Tradition einerseits, des Erfolgs einer etablierten Denkformel und einer ›Marke‹ andererseits, nicht beiseitegelegt, aber doch zumindest zu einem größeren Ganzen in Beziehung gesetzt, indem das Feld im Untertitel eindeutig einschränkend als The Western Tradition angesprochen wird. Dies scheint zumindest eine faire Präzisierung zu sein. Niemand wird leugnen können, dass die »Western Tradition« für die US-amerikanische und europäische Kultur der Gegenwart relevant ist. Gleichwohl kann man fragen, ob es noch statthaft ist, gerade auch im propädeutischen Unterricht an einem College oder einer Universität an diesem Modell einer Geschichtsdarstellung festzuhalten, die prinzipiell von einer linearen, gerichteten, Erzählung ausgeht, wenngleich man mög­licherweise die multiperspektivische Auffächerung mitzudenken versucht. Auch unter den Lehrenden der Collegestufe werden dementsprechend Zweifel am Prinzip der ›survey study‹ vernehmbar lauter. Repräsentativ sei hier eine der Stimmen aus dem bereits zitierten Presseartikel referiert: Stephen F. Eisenman, Professor für Kunstgeschichte an der Northwestern University mit dem Lehrgebiet »18th and 19th Century, Global Modern and Contemporary«,27 der sich selbst als ein langjähriger Kritiker von Janson bezeichnet, begrüßt die vielen Änderungen und hält die neue Fassung immerhin für eine »liberal version of a Cold-War classic«.28 Er schränkt aber die mög­liche Geltung solcher Bücher grundsätzlich ein: »The main problem, I think, is that there’s no longer a general belief that there exists a single canon for art that should be taught to all students.«29 Enthalten ist hier der Verweis auf eine lebendige Diskussion zur Kanonfrage, die zunächst in den Literaturwissenschaften, seit den 1990er Jahren auch in der Kunstgeschichte geführt wurde.30 Sie muss hier nicht wiederholt werden; es genügt, dass man in der Kunstgeschichte und generell in den Kulturwissenschaften die Verbind-

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lichkeit eines Kanons inzwischen ablehnt und auf unterschied­liche Weise jenseits kanonischer Festlegungen zu arbeiten versucht. Diese Tendenz hat sich bis heute weiterhin deutlich verstärkt. Der zitierte Universitätsdozent Stephen F. Eisenman mag als liberaler Kunsthistoriker demnach Recht haben mit seinem Zweifel an der Nützlichkeit der Unterrichtung eines Kanons. Gleichwohl ist nicht zu leugnen, dass im Kunstbetrieb ebenso wie in der Wissenschaft ständig Prozesse der Kanonbildung wirksam sind. Um auch jenseits solcher Prägungen die differenzierenden Funktionen der Kunst erkennen zu können, ist es geboten, gerade in der propädeutischen Lehre auf diese Prozesse einzugehen, um den Mechanismus der Kanonbildung verstehen zu können – wozu es erforderlich ist, den Kanon in seiner jeweils relativen Gültigkeit zu studieren.

Reformulierungen – Variationen – digitale Derivate

Bemerkenswert ist jedenfalls, dass die Konjunktur der ›survey studies‹ trotz der um sich greifenden kritischen Relativierung ungebrochen scheint – wobei sich eine allmäh­liche Verlagerung auf Online-Ressourcen abzeichnet. Janson’s History of Art. The Western Tradition erreichte 2011 die achte Auflage und wird nun in elektronischer Form in Verbindung mit einem digitalen Medienpaket für Lehrende und Studierende angeboten.31 Dies gilt auch für die gängigen Konkurrenzprodukte. An erster Stelle ist hier das älteste der kunsthistorischen ›textbooks‹ zu nennen, Helen Gardners (1878–1946) erstmals 1926 veröffentlichter zweibändiger Überblick Art Through the Ages.32 Das Buch ist in deutschen Bibliotheken in den ersten Auflagen kaum greifbar, lediglich in einer dritten Auflage 1944 als Publikation im Auftrag des United States Armed Forces Institute als War Department Education Manual relativ verbreitet. Man darf an-

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nehmen, dass es sich um ein Lehrbuch handelte, das im Rahmen der Re-education in Deutschland eingesetzt werden sollte. Gardners zunächst bescheiden illustriertes ›textbook‹ ist mehrfach bearbeitet worden und inzwischen in einer vom Archäologen Fred S. Kleiner verantworteten Neufassung als Gardner’s Art Through the Ages. A Global Approach in der fünfzehnten Auflage verfügbar, außerdem in einer »international edition«, die mit einem Online-Zugang verbunden ist, der neben einem »interactive eBook« auch Videos, Quiz und Spiele offeriert (Abb. 5).33 Diesem Klassiker gesellt sich seit 1995 die zweibändige Art History von Marilyn Stokstad (1929–2016) hinzu. Es ist die jüngste, dezidiert für den Unterricht in zwei Semestern auf College-Stufe konzipierte Überblicksdarstellung. 2018 wurde dieser Band in der Bearbeitung von Michael W. Cothren in der sechsten Auflage ebenfalls mit Medienpaket veröffentlicht.34 Das Werk, das inzwischen nur noch in einer digitalen Fassung erhältlich ist, wird auf der Webseite des Verlages als die Kunstgeschichte für eine neue Generation angepriesen, »welcoming, inclusive, egaging, and global«, der Leitlinie folgend, dass die kunsthistorische Überblickslehre Freude und Genuss mit ernsthaftem Studium verbinden soll, um so ein »enthusiastic and educated public for the visual arts« zu fördern.35 Über die Verkaufszahlen dieser Werke gibt es keine offiziellen Angaben, doch ist die Verbreitung im englischsprachigen, vor allem im amerikanischen Raum offenbar flächendeckend. Zumindest in B.A.-Studiengängen wird in den USA Kunstgeschichte nach wie vor auf der Grundlage eines Kanons unterrichtet, der in vorgefertigten Lehrbüchern – inzwischen in digitaler Form – erläutert und vertreten wird.36 In Europa und besonders in Deutschland scheint die Situation grundsätzlich anders zu sein. Überblickskurse auf der Grundlage eines vorab bestimmten Lehrwerks mit einem darin niedergeleg-

Abb. 5 Fred S. Kleiner, Gardner’s Art through the Ages. A Global Approach, 14. Aufl. (International Edition), Boston 2013, S. 9

ten kanonischen Programm waren in der universitären Lehre der letzten Jahrzehnte nicht mehr üblich. Traditionell verstanden sich die Professoren und auch die zunächst wenigen Professorinnen für Kunstgeschichte als Experten, die zu einem speziellen Thema, zu einem Künstler, einer Epoche oder einer Gattung Vorlesungen hielten, während das Studium des kompletten Stoffes den Studierenden im Selbststudium abverlangt und in Zulassungsprüfungen am Übergang vom Grundstudium zum Hauptstudium oder am Ende des Studiums im Rigorosum abgefragt wurde. Allerdings haben sich im Zuge der Bologna-Reform die Lehrinhalte und Studienformen erneut stark verändert. Die Komprimierung und Modularisierung des Studiums begünstigt die Einrichtung standardisierter, sich wiederholender Kurse, und so werden gegenwärtig verschiedentlich wieder epo-

chenüberblickende Vorlesungen oder Vorlesungszyklen angeboten.37 Doch bis heute sind auch diese Kurse zumindest insofern nicht kanonisch ausgerichtet, als kaum je ein bestimmtes Referenzwerk, sei es Janson, Gardner oder Stokstad, dem Unterricht zugrunde gelegt wird. Gardner’s Art Through the Ages oder Stokstads History of Art werden in deutschen Institutsbibliotheken nicht als Lehrmittel vorgehalten, sie finden sich nur gelegentlich in der einen oder anderen, meist älteren Auflage. Beispielhaft und bezeichnend ist, dass etwa in Marburg, einem Kunstgeschicht­lichen Institut mit über hundertjähriger Tradition, Janson’s History of Art. The Western Tradition in seiner neuesten Auflage in der Institutsbibliothek nicht geführt wird, jedoch in einem Exemplar im Institut für Anglistik und Amerikanistik; hier findet sich auch Helen Gardners Buch in der Auflage von 1944, im

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Kunstgeschicht­lichen Institut immerhin die fünfte Auflage von 1970. Wie hat man diesen Befund zu interpretieren? Offensichtlich werden die hier genannten Überblicksdarstellungen nicht als Beiträge zum engeren wissenschaft­lichen Diskurs verstanden. Zwar finden sich in diesen Büchern Gegenstände und Stoffe, mit denen sich die Kunstgeschichte als Wissenschaft befassen kann und befasst hat, doch rechnet niemand damit, hier neue Erkenntnisse entwickelt zu finden. Auch als Nachschlagewerke scheinen die Fachleute diese Bücher nicht zu benötigen, denn in der Tat kann alles, was sich hier findet, auch an anderen Orten nachgelesen werden. Gleichwohl sind diese Überblicksdarstellungen zur wissenschaft­lichen Literatur zu rechnen, in jenem zumal wissenschaftshistorisch besonders interessanten Bereich, der zwischen einem spezifisch fach­ lichen und einem populären Wissen angesiedelt ist. Diesen Bereich hat der Arzt Ludwik Fleck (1896– 1961) in seiner wissenssoziologischen Studie zur Entstehung und Entwicklung einer wissenschaft­lichen Tatsache markiert und vorgeschlagen, die Fachwissenschaft weiter aufzugliedern in eine »Zeitschriftwissenschaft«, in der Spezialisten neue Forschungen vorstellen und untereinander diskutieren, und eine »Handbuchwissenschaft«, in der jenes Wissen gesammelt wird, das sich in den Diskussionen etabliert hat und einem weiteren Kreis von Fachleuten als verfestigtes Wissen weitergereicht wird.38 Nun können die genannten Überblicksdarstellungen, obgleich sie sicherlich konsolidiertes Wissen handbuchartig zusammenfassen, nicht eigentlich dieser Kategorie zugerechnet werden, denn es handelt sich – wie schon gesagt – nicht um Referenzwerke, die irgendein Fachwissenschaftler tatsächlich benötigen würde. Niemand wird auf die Idee kommen, Janson, Gardner oder Stokstad in einem wissenschaft­lichen Aufsatz, z. B. über Masaccios Trinität, zu zitieren. Vielmehr handelt es sich um Lehrbücher des Faches, also um Organe einer

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»Lehrbuchwissenschaft«, die Fleck eigentlich als separate »denksoziale Form« betrachten möchte.39 Als Lehrbücher könnte man diese Kompendien auch insofern bezeichnen, als darin ein Wissen niedergelegt ist, über das die Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftler in hinreichendem Umfang verfügen oder zumindest nach traditionellem Verständnis verfügen sollten – wobei gerade diese ehemals als Selbstverständlichkeit des Faches gehandelte Vorstellung heute immer stärker relativiert wird. Nicht nur deswegen greift die Kategorie der Lehrbücher für den Fall der ›survey studies‹ nur bedingt. Das Ziel jenes Studiums, das diese Bücher unterstützen, ist nicht zwingend der Einstieg in die Fachwissenschaft, sondern zunächst die ästhetische, intellektuelle und historische Bildung in einem allgemeineren Sinn – was übrigens schon für die ersten Handbücher der Kunstgeschichte eines Franz Kugler, Carl Schnaase oder Anton Springer gilt.40 Hier liegt die Ursache des breiten Erfolgs jener Studiengänge, die anhand dieses Stoffes Bildung vermitteln wollen und entsprechend auch der Bücher, von denen man sich bislang versprach, diese Inhalte vermitteln zu können. Dass die traditionelle, am chronologischen Faden orientierte, das historische Moment betonende Kunstgeschichte nicht unbedingt der Königsweg zur ästhetischen Bildung ist, sondern es hier auch andere, stärker auf die sinnlich-unmittelbare Erfahrung zielende Ansätze gibt, ist keine ganz neue Einsicht, die sich inzwischen auch in einer bunten Reihe weiterer einschlägiger Publikationen niedergeschlagen hat. Sie sind ähnlich angelegt wie die tradierten, in den USA etablierten Überblickswerke, das heißt, sie beinhalten ebenso eine umfassende Darstellung der Geschichte der Kunst, aber sie legen größeren Wert auf Aspekte der Gestaltung, sowohl was die Präsentation der Inhalte wie auch die Gegenstände selbst betrifft. Ihr Publikum finden sie in einem noch weiteren Kreis auch außerhalb der Schulen und

Colleges. Es ist charakteristisch für dergleichen als gestaltete Bücher attraktive Publikationen, dass es sich in aller Regel um Produkte einer Gemeinschaft von Autoren handelt. Gelegentlich scheint sogar eine personale Autorschaft kaum mehr von Belang: Für das voluminöse Kompendium Art in Time. A World History of Styles and Movements, erschienen 2014 im Londoner Phaidon Verlag, wird auf der Website des Verlags angezeigt, es sei »conceived and edited by Phaidon editors«, mit Beiträgen von »over twenty specialist contributors«, deren Namen und Affiliationen hier unter der Autorenrubrik aufgeführt werden, ohne dass die jeweilige Zuständigkeit wirklich deutlich wird.41 Auffällig ist aber vor allem, dass die Gestaltung eine ebenso wichtige Rolle wie der Text spielt, dessen Urheber nun öfter nur noch als Organisator frei verfügbaren Wissens erscheint. So wurde der Band mit dem reichlich großspurigen Titel Art. The Definitive Visual Guide, erschienen 2008 im Verlag Dorling Kindersley, von einer ganzen Anzahl von Personen betreut, die teils beratend, teils als technische Redakteure, teils als Designer tätig waren, während als Textautor bzw. als Herausgeber der vor allem journalistisch profilierte Andrew Graham-Dixon zeichnet. Der betriebene Gestaltungsaufwand schlägt sich in einer ­differenzierten, auch methodisch durchaus interessanten Darstellung nieder, welche die grafisch-diagrammatische Argumentation gegenüber dem text­ lichen Narrativ betont und den traditionellen Zeitstrahl ebenso enthält wie die Abhandlung von Querschnittsthemen (z. B. Landschaft) oder auf Einzelwerke fokussiert.42 Diese zuletzt genannten Publikationen gehören nicht mehr dem Bereich wissenschaft­licher Fachliteratur an, was für die großen ›Surveys‹ immerhin aufgrund ihrer Anbindung an die akademischen Curricula und der in der Verlagswerbung angezeigten akademischen Affiliation der Autoren noch gelten kann, sondern können als populärwissenschaftlich bezeichnet werden. Es sei hierzu noch einmal

auf Fleck zurückgegriffen, der feststellte, dass im Vordergrund von populärwissenschaft­lichen Publikationen nicht die Darlegung widerstreitender Meinungen oder Thesen stehe, sondern »die künstlerisch angenehme, lebendige, an­ schau­liche Ausführung. Endlich die apodiktische Wertung, das einfache Gutheißen oder Ablehnen gewisser Standpunkte. […] An Stelle des spezifischen Denkzwanges der Beweise, der erst in mühsamer Arbeit herauszufinden ist, entsteht durch Vereinfachung und Wertung ein anschau­liches Bild. Der Gipfel, das Ziel populären Wissens ist die Weltanschauung, ein besonderes Gebilde, gefühlsbetonter Auswahl populären Wissens verschiedener Gebiete entstammend.«43 Einfachheit, Klarheit, angenehme und anschau­ liche Ausführung – diese Züge sind in den populären Überblicks-Kunstbüchern dominant und zwar so weitgehend, dass die ästhetische Aufbereitung des Materials wesent­licher Träger der Aussage wird. In dieser Aufbereitung sind auch Wertungen enthalten, die sich beispielhaft in der optischen Privilegierung einzelner Objekte innerhalb des jeweiligen Buches zeigen. Es ist dieses Prinzip der Auszeichnung einzelner Werke als ›key monuments‹ innerhalb der gesamten Darstellung, welches die jüngeren Publikationen von den älteren Handbüchern des 19. Jahrhunderts letztlich doch markant unterscheidet. In Horst Jansons Key Monuments, deren Folge sich bei näherer Betrachtung als überaus sorgfältig studiert und gruppiert erweist, erfolgt eine erste Auszeichnung durch die prominente Platzierung eines Objektes am Beginn oder am Ende eines Kapitels. Das Beispiel von »Whistlers Mutter« ist hier sprechend, ebenso die Auswahl des Werks eines amerikanischen Künstlers, Jackson Pollock, der 1956 eben erst verstorben war, als letztes Bild des Bandes (Abb. 4).44 In Jansons späteren

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Textbüchern ist diese Struktur nicht beibehalten. Hier bestimmt vielmehr die Narration die Reihenfolge und die Gewichtung, während die anschau­ liche Seite zurücktritt. Die verbale Narration bestimmt auch in den älteren Auflagen von Gardners Art Through the Ages die Struktur des Buches. Abbildungen werden ab der fünften Auflage wichtiger, es kommen Sektionen mit Farbtafeln dazu, doch dienen diese nicht der Akzentuierung, so dass man auch hier von einer kontinuierenden, textbasierten Narration zu sprechen hat. Dies ändert sich jedoch in den neueren Auflagen grundlegend, indem nun jedes der inzwischen 37 Kapitel mit einem »Framing the Era« überschriebenen Abschnitt eingeleitet wird, der ein Schlüsselbeispiel vorstellt (Abb. 5). Die Auszeichnung einzelner Schlüsselobjekte findet sich als Strategie auch bei Marilyn Stokstad in mehrfacher, je unterschied­licher Weise. So werden einzelne Werke durch einen grafischen Rahmen in einer bestimmten Farbe ausgezeichnet und einer genaueren Betrachtung, einem »closer look« unterzogen. Die stärkste Privilegierung einzelner Werke erfolgt jedoch in der grün markierten Rubrik mit der Überschrift »The object speaks«; hier erläutert der Text jeweils, dass es sich um ein besonders bedeutendes Stück handle. Dergleichen Rhythmisierungen der Bilderflut sind auch in den populären Büchern anzutreffen. In Art. The Definitive Visual Guide werden ohne weitere Begründung einzelne Werke auf Doppelseiten abgebildet, und auch hier werden, allerdings ohne erkennbare Regel, vereinzelt Werke einem ›closer look‹ unterzogen. Der Überblick »Art in Time« schließlich besteht mehr oder weniger in der schieren Setzung einzelner Objekte, die offenbar als besonders wichtig zu gelten haben. Die Struktur der ganzen Publikation basiert auf einer invertierten Zeitskala. Beginnend mit der Gegenwart, dem »Information Age«, werden Abschnitte unterschied­ licher Länge farblich unterschieden. Jeder dieser

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Abschnitte wird in eine Anzahl von Doppelseiten unterteilt, die jeweils einen »Style« oder ein »Movement« behandeln. Die auf der rechten Seite gegebenen Werke bzw. Abbildungen stehen repräsentativ für den Begriff, der als Titel über dem Text auf der linken Seite angebracht ist. Offensichtlich hat man hier an der modernen und zeitgenössischen Kunst Maß genommen. Nicht von ungefähr umfasst die Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart mehr als die Hälfte des Bandes. Die durchgehend erkennbare grafische Inszenierung von ausgewählten Werken folgt und variiert den Topos des ›key monument‹. Die (Stil)Geschichte der Kunst tritt als Narration von Entwicklungen weiter zurück, um stattdessen einerseits der ästhetischen Präsenz einzelner Werke in herausgehobenen Abbildungen, andererseits gesondert erzählbaren Problemgeschichten Raum zu geben, die sich an diesen Objekten festmachen. Diese Linie ist auch in den medialen Begleitprogrammen der ›textbooks‹ erkennbar. Für Fred S. Kleiners Gardner’s Art Through the Ages der vierzehnten Auflage konnte man zeitweise eine Bild-Ton-Darstellung für jedes Kapitel beziehen, in der ein oder zwei Werkkomplexe herausgegriffen und in kurzen Darstellungen von jeweils sechs Minuten in gesprochenem Wort mit einem halben Dutzend Standbildern erläutert wurden (dieses Angebot wird inzwischen nicht mehr weitergeführt). Zur Unterstützung des Unterrichts wird von Seiten des Verlages Cengage inzwischen eine umfassende digitale Planungs- und Organisationsstruktur zur Personalisierung der Kurse zur Verfügung gestellt (»Mind Tap«); zur aktuellen (inzwischen 16. Auflage) wird zugleich ein komplettes Paket fertiger, konventioneller PowerPoint-Präsentationen zu den 38 Kapiteln geliefert.45 Auch diese Präsentationen fokussieren eine relativ beschränkte Auswahl von exemplarischen Werken. Die Tendenz zur verdichteten Präsentation ausgewählter Werke geht mit der markanten Aufwertung und Integration jener Gebiete einher, die nicht der

»Western Tradition« zugerechnet werden können. Dazu gehören die Kunstformen Afrikas ebenso wie jene der »Native American Cultures«, doch auch die Kunst der globalen Gegenwart (»Contemporary Art Worldwide«). Sowohl die Tendenz zur Fokussierung auf angeb­liche Schlüsselwerke wie auch die Ausweitung des Horizonts entsprechen den Erwartungen einer sich ethnisch immer stärker diversifizierenden Studierendenschaft46 ebenso wie der aktuellen Situation des sich »globalisierenden« Kunstmarktes,47 die eine Aktualisierung des alten Modells verlangen, dieses jedoch keineswegs verabschieden. Offensichtlich gibt es nach wie vor ein Bedürfnis nach einem umfassenden Verständnis der Produkte jenes symbolischen Systems, das mit dem Begriff ›Kunst‹ bezeichnet wird. Von diesem System nimmt man an, dass es einem universalen mensch­lichen Impuls entspringt und in allen Kulturen ein Äquivalent findet. So verspricht man sich gerade in Zeiten verstärkter Globalisierung anhand der Beschäftigung mit den Werken der Kunst auch fremder Kulturen ein umfassendes Verständnis, eine umfassende Weltanschauung zu gewinnen, um damit womöglich sogar der wachsenden kulturellen Diversität einer gegenwärtigen Gesellschaft besser entsprechen zu können. Die traditionellen Unterrichtswerke in ihren vielfältig bearbeiteten Fassungen und zumal die populären Überblicksbücher fügen sich einem aktuellen Verständnis des Kunstbetriebs, der Kunst nicht nur universell versteht, sondern generell als globales Phänomen begreifen und beschreiben möchte, der sich im Topos der ›Weltkunst‹ verdichtet und in einem globalisierten Kunstbetrieb seine Bestätigung zu finden scheint. Der Gedanke ist offensichtlich nicht neu, selbst wenn er erst seit den 1990er Jahren in der Idee einer umfassenden Kunstgeschichte als »World Art Studies« auch wissenschaftlich forciert worden ist.48 Hier wird der alte Topos der Universalität und Einheit der Kunst als einer anthropologischen Kons-

tante wiederbelebt. Dementsprechend sind alle auf dem amerikanischen Markt gängigen ›textbooks‹ in den Neuauflagen in dieser einen Richtung bearbeitet worden, die von vornherein in ihnen angelegt ist: Es ist zwar nicht möglich, eine kontinuierende Narration der Geschichte der Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart zu geben, aber es lässt sich in der Konzentration auf die im weitesten Sinn bildnerische Produktion durchaus überzeugend eine chronologisch geordnete, räumlich differenzierte Synthese präsentieren. Entscheidend für die Attraktivität und Überzeugungskraft ist aber die augenschein­liche Effizienz des in Aussicht gestellten Zugriffs: Vom visuellen Artefakt (sei es nun ein Bild oder ein gestaltetes Objekt) verspricht man sich, dass es komplexe Inhalte stärker als gewöhn­ liche, zu kommunikativen Zwecken erstellte Mitteilungen verdichtet; das visuelle Objekt scheint sich zudem schneller erfassen zu lassen als etwa eine historische oder poetische Erzählung. Diesen in den kunsthistorischen ›survey studies‹ auch aktuellster Produktion weiterhin wirksamen Vorstellungen entspricht die implizierte Meinung, dass sich anhand eines Objektes, eines ›key monuments‹, der Zugang zu einer vergangenen, sogar auch einer kulturell gänzlich fremden Kultur finden lasse. Ob es sich hierbei um eine gänzlich abwegige Vorstellung handelt, hängt davon ab, was man von einem ›key monument‹ verlangt, was man unter Zugang versteht und welcher Grad an Repräsentativität man dem einen Werk/Bild/Objekt zugestehen mag. Von einem Werk der Kunst erwartet man oftmals mehr, als dass es nur ein ›Schlüssel‹ sei, dessen Aufgabe sich darin erschöpft, eine Tür zu öffnen, einen begrenzten Raum zu erschließen. Einiges spricht indessen dafür, diesen vielleicht bescheideneren Zugang zu verfolgen. Diesem Konzept folgt jenes Projekt einer »Geschichte der Welt in 100 Objekten«, die Neil MacGregor in Zusammenarbeit mit BBC Radio 4 zunächst als Folge

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einer Radiosendung, dann auch in Form eines Buches auf der Grundlage von Gegenständen aus der Sammlung des British Museum zu erzählen unternahm.49 Diese Erzählung ›einer‹ Geschichte der Welt besteht natürlich aus 100 – unzusammenhängenden – Geschichten; nicht unwichtig ist auch festzustellen, dass der Direktor des Museums, der als Autor firmiert, gar nicht in der Lage gewesen wäre, diese eine Geschichte zu erzählen, vielmehr stützt er sich auf die Kenntnisse und Kompetenzen der zahlreichen Spezialisten des Hauses. Auf der Grundlage von deren Wissen und Kenntnissen wird jeder einzelne Gegenstand als Informationsträger eigenen Rechts verstanden, der Botschaften unterschiedlichster Art übermittelt, oft auch ein Symbol für bestimmte Zusammenhänge und Ideen sein mag, aber doch in erster Linie einen Zugang zu einem bestimmten Bereich eröffnen kann. Dies könnten wohl auch Kunstwerke im Sinn der west­ lichen Tradition leisten. Ob solche Gegenstände aber ›die‹ Geschichte der Kunst erschließen können, ist eher fraglich; sie könnten dies allenfalls als Objekte, die zur Ausgestaltung der (west­lichen) Vorstellung von Kunst verwendet wurden.

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1 Vgl. dazu ausführ­licher Hubert Locher, »The Idea of the Canon and Canon Formation in Art History«, in: Art History and Visual Studies in Europe. Transnational Discourses and National Frameworks, hrsg. von dems. mit Matthew Rampley, Thierry Lenain, Andrea Pinotti, Charlotte Schoell-Glass und Kitty Zijlmans, Leiden und Boston 2012, S. 29–40; ders., »[Kanon] Kunstwissenschaft«, in: Handbuch Kanon und Wertung, hrsg. von Gabriele Rippl und Simone Winko, Stuttgart 2013, S. 364–370. Ein Sammelband, der die Problematik offensiv und grundlegend anspricht, ist Partisan Canons, hrsg. von Anna Brzyski, Durham und London 2007. 2 Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter [1. Aufl. 1948], 10. Aufl., Bern 1984. 3 Wilhelm Waetzoldt hat in seinem zweibändigen Werk über die ersten Jahrzehnte der fachwissenschaft­ lichen Entwicklung in Deutschland gesagt: »Große Inhalte in großen literarischen Formen zu bewältigen, ein kunsthistoriographischer Kartonstil ist die wissenschaft­liche Sehnsucht der Zeit« und spricht nachgerade von der »Zeit der Handbücher« (Wilhelm Waetzoldt, Deutsche Kunsthistoriker, 3. Aufl., Berlin 1986, Bd. II, S. 77). Wie lange diese Zeit angehalten haben soll, ist schwer zu sagen, denn bei genauerer Betrachtung erweist sich, dass die Produktion von Überblicksdarstellungen kontinuierlich weiterbetrieben wird. Vgl. zum Gegenstand Hubert Locher, »Das ›Handbuch der Kunstgeschichte‹. Die Vermittlung kunsthistorischen Wissens als Anleitung zum ästhetischen Urteil«, in: Memory & Oblivion. Proceedings of the XXIXth International Congress of the History of Art held in Amsterdam 1996, hrsg. von Wessel Reinink und Jeroen Stumpel, Dordrecht 1999, S. 69–87; und im Kontext Hubert Locher, Kunstgeschichte als historische Theorie der Kunst 1750–1950, 2. korr. Aufl., München und Paderborn 2010, S. 236–297. 4 Ich schließe mich der Einfachheit Jürgen Osterhammel und Niels P. Petterson an, die feststellen: »Die weitverbreitete Empfindung, im ›Zeitalter der Globalisierung‹ zu leben, ist wohlbegründet.« Dies., Geschichte der Globalisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen, 6. Aufl., München 2019. Den Begriff der »Artworld« (oder »Art World«) führte ein: Arthur C. Danto, »The Art World«, in: The Journal of Philosophy, 61, 19, 1964, S. 571–584. 5 Franz Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte, Stuttgart 1842; Carl Schnaase, Geschichte der bildenden Künste, 6 Bde., Düsseldorf 1843–1861; Anton Springer, Handbuch der Kunstgeschichte. Zum Gebrauche für Künstler und Studirende und als Führer auf der Reise, Stuttgart 1855; ders., Kunsthistorische Briefe. Die bildenden Künste in ihrer

weltgeschicht­lichen Entwicklung, Prag 1857; Wilhelm Lübke, Grundriß der Kunstgeschichte, Stuttgart 1860. 6 Kunstgeschichte in Bildern. Systematische Darstellung der Entwickelung der bildenden Kunst. Vom klassischen Altertum bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, 5 Abteilungen, bearbeitet von Georg Dehio, Abt. 1 bearbeitet von Franz Winter, Leipzig 1898–1902. 7 Richard Hamann, Geschichte der Kunst von der altchrist­lichen Zeit bis zur Gegenwart, Berlin 1933. Dazu: Hubert Locher, »Hamann’s Canon: The Illustration of the Geschichte der Kunst (1933) and the Photo Archive of the Kunstgeschicht­liches Seminar in Marburg«, in: Photo Archives and the Photographic Memory of Art History, hrsg. von Costanza Caraffa, München 2011, S. 297–312. Hamann ergänzte das Werk später um einen weiteren Band zur Kunst der früheren Epochen: Richard Hamann, Geschichte der Kunst. Von der Vorgeschichte bis zur Spätantike, München 1952. 8 Katharina Medici-Mall, »Peter Meyer«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, https://hls-dhs-dss.ch/de/ articles/027748/2008-06-18/ (14.06.2019). 9 Peter Meyer, Europäische Kunstgeschichte in zwei ­Bänden, Zürich 1947–1948, S. 5. 10 Ebd., S. 9–29. 11 Ernst H. Gombrich, The Story of Art, London 1950. Deutsch: Die Geschichte der Kunst, Köln und Berlin 1952. Zahlreiche Neuauflagen und Übersetzungen. Ich zitiere hier nach der 3. neubearbeiteten und erweiterten Aufl., Stuttgart und Zürich 1986. 12 Ebd., S. 9. 13 Ebd., »Zur Einführung: Von der Kunst und den Künstlern«, S. 13–28. 14 Ebd., S. 9–10. 15 Vgl. Dazu Ernst H. Gombrich, »Werte und Kanons in der bildenden Kunst. Eine Korrespondenz mit Quentin Bell«, in: Ders., Die Krise der Kulturgeschichte. Gedanken zum Wertproblem in den Geisteswissenschaften (engl. Ideals and Idols, Oxford 1979), München 1991, S. 263–286. 16 Charles Rufus Morey, »The Value of Art as an Academic Subject,« in: Parnassus, 1, 3, 15.03.1929, S. 7; Erwin Panofsky, »The History of Art«, in: The Cultural Migration. The European Scholar in America, hrsg. von William R. Crawford, Philadelphia 1953, S. 82–111. 17 Key Monuments of the History of Art. A Visual Survey, hrsg. von Horst W. und Dora J. Janson, New York 1959. 18 Siehe Ulrike Wendland, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebe-

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nen Wissenschaftler, 2 Bde., München 1998, Bd. I, S. 332– 338; Elizabeth Sears und Charlotte Schoell-Glass, »An Émigré Art Historian and America: H. W. Janson«, in: The Art Bulletin, 95, 2, 2013, S. 219–242. 19 Janson und Janson, »Preface«, in: dies. 1959 (wie Anm. 17), o. Pag. 20 Ebd., »Historic significance, rather than aesthetic appeal to modern sensibility, has been the determining factor in the choice of the works of art – and the photographs – here reproduced. Although the plates do not discourage the leisurely browser, they are intended primarily for a more disciplined and systematic perusal in conjunction with an introductory lecture course or with one of the numerous available one-volume surveys of the history of art.« 21 Horst W. und Dora J. Janson, History of Art. A Survey of the Major Visual Arts from the Dawn of History to the Present Day, New York 1962, weit. Aufl. 1969 und 1977. 22 Penelope J. E. Davies, Walter B. Denny, Frima Fox Hofrichter, Joseph Jacobs, Ann M. Roberts und David L. Simon, Janson’s History of Art. The Western Tradition, Englewood Cliffs/NJ und London 2006, bzw. Upper Saddle River/NJ 2007. Im Worldcat angezeigt als »intended for undergraduate courses in the History of Art.« 23 Randy Kennedy, »Revising Art History’s Big Books: Who’s in and Who Comes Out,« in: The New York Times, 07. März 2006, https://www.nytimes.com/2006/03/07/ arts/design/revising-art-historys-big-book-whos-in-andwho-comes-out.html (06.04.2021). 24 Ebd. 25 Janson und Janson 1959 (wie Anm. 17), Abb. S. 951. Der Titel wird heute meist als Arrangement in Grey and Black No. 1 angegeben. Öl auf Leinwand, 144,3 × 162,5 cm, Musée d’Orsay, Paris. 26 Kennedy 2006 (wie Anm. 23): »›Yes, it’s a famous piece and everyone teaches it,‹ he said, ›but the »Symphony in White« – you can just do so much more with it, talking about the Japanese influences on Whistler’s work and a lot of things that allow you to see how fantastic a painter he really was.‹« 27 Zitiert in Kennedy 2006 (wie Anm. 23). Zu Stephen F. Eisenman siehe https://arthistory.northwestern.edu/ people/faculty/stephen-eisenman.html (06.04.2021). Er ist der Autor einer verbreiteten Überblicksdarstellung zum 19. Jahrhundert: Stephen F. Eisenman, Nineteenth Century Art. A Critical History [1. Aufl. 1994], 5. Aufl., London und New York 2020. 28 Ebd.

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29 Ebd. 30

Siehe dazu Locher 2013 (wie Anm. 1). Die gedruckte Fassung ist inzwischen nicht mehr lieferbar, https://www.pearson.com/us/higher-education/ program/Davies-Janson-s-History-of-Art-The-WesternTradition-8th-Edition/PGM334151.html; https://www. pearson.com/store/en-us/search.html?q=art%20history (06.04.2021). 32 Helen Gardner, Art Through the Ages. An Introduction to its History and Significance, London und New York o. J. [ca. 1926], (Vorwort, 506 Seiten; 176 Tafeln). Revised Edition, London und New York [ca. 1936] (Vorwort, 795 Seiten, 4 Tafeln). 3. Aufl., 2 Bde., London und New York 1944 und 1948. 4. Aufl, revidiert von Sumner McK. Crosby, London 1959. 33 Fred S. Kleiner, Gardners Art through the Ages. A Global Approach, mir liegt die 14. Auflage als »International Edition« vor, Wadsworth Cengage Learning, 2013. Zum Aufbau der zwei ersten Auflagen und einer dritten, stark veränderten von 1948 siehe Barbara Jaffé, »›Gardner‹ Variety Formalism: Helen Gardner and ›Art through the Ages‹«, in: Partisan Canons, hrsg. von Anna Brzyski, Durham, NC 2007, S. 203–223. Inzwischen liegt die 16. Auflage von 2020 vor: https://www.cengage.co.uk/ books/9781337630702/ (28.07.2021). 34 Marilyn Stokstad, Art History, New York 1995. ­Neuauflage bearbeitet von Michael Cothren, 6. Aufl., New York 2018. 35 https://www.pearson.com/us/higher-education/ program/Stokstad-Revel-for-Art-History-Access-Card-6thEdition/PGM2474378.html (06.04.2021). 36 Vgl. hierzu das »Advanced Placement Program« des U.S.-amerikanischen College Board. Zum einschlägigen Stoff: https://apcentral.collegeboard.org/pdf/ap-arthistory-course-and-exam-description.pdf (Stand 2021; 06.04.2021). 37 Die Vermutung liegt nahe, dass im Zuge der Verlagerung des Studiums von Wissensaneignung auf »Kompetenzerwerb«, der zumal in Deutschland seit den 1990er Jahren um sich griff, generell die Überblickswerke an Bedeutung verloren haben. »Kunstgeschichte im Überblick« wird aber durchaus als Lehrveranstaltung angeboten, wie die stichprobenartige Recherche belegt, so etwa an der Universität Freiburg (2018/19), ebenso in Wien (2018/19), traditionell an Kunstakademien bzw. im Studium Generale, bspw. an der Berliner Universität der Künste (2019). Das besondere Feld des Kunstgeschichtsunterrichts in den Schulen kann an dieser Stelle nur angezeigt werden. An 31

den öffent­lichen Schulen hat in den letzten Jahrzehnten eine weitgehende Zurückdrängung des spezifisch kunsthistorischen Unterrichts stattgefunden. Zur Rechtfertigung und Verteidigung des kunsthistorischen Unterrichts an Schulen siehe die Beiträge in: Kunstgeschichte und Bildung, hrsg. von Claudia Hattendorf, Ludwig Tavernier und Barbara Welzel, Norderstedt 2013. 38 Ludwik Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaft­lichen Tatsache. Einführung in die Lehre von Denkstil und Denkkollektiv [Erstveröffentlichung 1935], hrsg. von Lothar Schäfer und Thomas Schnelle, Frankfurt am Main 1980. 39 Ebd., S. 148. 40 Vgl. Locher 1999 (wie Anm. 3). 41 Art in Time. A World History of Styles and Movements, London 2014, https://www.phaidon.com/store/art/art-intime-9780714867373/ (31.05.2021). 42 Art. The Definitive Visual Guide, hrsg. von Andrew Graham-Dixon, London 2008. Die deutsche Ausgabe erschien unter dem merkwürdig zweisprachigen Titel Art. Die visuelle Geschichte. Über 2500 Kunstwerke von der Frühzeit bis zur Gegenwart, London 2019. 43 Fleck 1935/1980 (wie Anm. 38), S. 149–150. 44 Janson und Janson 1959 (wie Anm. 17), Abb. S. 1060: Number 32, 269 × 457 cm, mit Angabe des Besitzes bei Lee Krasner Pollock. Das Werk befindet sich heute in Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. 45 Zugang über: https://www.cengage.com/ (06.04.2021). 46 Zur statistisch signifikanten Zunahme der Diversität unter den Studierenden bei gleichbleibender Dominanz von »weißen« Personen in der Administration und im Lehrkörper siehe den Bericht der Association of American Colleges and Universities vom März 2019, https://www. aacu.org/aacu-news/newsletter/2019/march/facts-figures, basierend auf dem jähr­lichen Report Race and Ethnicity in Higher Education. Supplement zum Download https:// www.equityinhighered.org/resources/report-downloads/ (31.05.2021). 47 Art and the Global Economy, hrsg. von John Zarobell, Oakland, CA 2017: mit Beiträgen, die den Standpunkt der emerging Markets im nicht-west­lichen Gebiet behandeln; Art and Globalization, hrsg. von James Elkins, Zhivka Valiavicharska und Alice Kim, University Park, PA 2010. Für eine knappe Übersicht der Tendenz siehe Olav Velthuis, »Globalization of the Art Market [emerging art markets]«, in: Grove Art online, 16.02.2015, https://doi.org/10.1093/ gao/9781884446054.article.T2274637 (31.5.2021). 48 1992 startete John Onians an der University of East

Anglia das Studienprogramm »World Art Studies«, dessen Ziel es war, sich mit einer bunten Sammlung von Objekten aus allen Weltgegenden zu beschäftigen. In dieser Tradition sehen sich Kitty Zijlmans und Wilfried van Damme als Herausgeber der World Art Studies. Exploring Concepts and Approaches, Amsterdam 2008, wobei die Fokussierung auf der Gegenwartskunst liegt. Für eine jüngere Diskussion, die auch historisch ausgreift, siehe ›Global Art History‹. Transkulturelle Verortungen von Kunst und Kunstwissenschaft, hrsg. von Julia Allerstorfer und Monika LeischKiesl (Linzer Beiträge zur Kunstwissenschaft und Philosophie, 8), Bielefeld 2017: Bezeichnend ist, dass die Beitragenden fast ausschließlich von einem west­lichen Standpunkt argumentieren und in west­lichen Institutionen verankert sind, auch wenn immerhin zwei Personen einen anderen Herkunftshintergrund (Monica Juneja) bzw. eine institutionelle Doppelfunktion (Hamid Keshmirshekan) haben. Plädoyers für eine globale Kunstgeschichte finden sich auch im weiter ausgreifenden auf eine Tagung von 2012 zurückgehenden Band The Humanities between Global Integration and Cultural Diversity, hrsg. von Hans G. Kippenberg und Birgit Mersmann, Göttingen 2016. Burcu Dogramaci (»Migrant, Nomad, Traveller – Towards a Transnational Art History«, S. 50–69, in: ebd.) und Birgit Mersmann (»Art History and the Culture of the Image. A Manifesto for Global Art History«, S. 70–76 in: ebd.: der Beitrag wiederholt eine frühere Stellungnahme »Globalgeschichte der Kunstgeschichte. Ein kulturund bildkritisches Manifest«, in: kritische berichte, 2, 2012, S. 26–31) vertreten in ihren Beiträgen eine Kunstgeschichte, die den transnationalen Austausch berücksichtigt, Begegnung und Prozesse der Interaktion und Übertragungen einbeziehen (Dogramaci) bzw. eine Rekonzeptualisierung der Kunstgeschichte im Blick auf die koloniale Vergangenheit fordert (Mersmann). Beide Autorinnen sind verhalten zuversichtlich, dass das Denkmodell einer »Kunstgeschichte« in modifizierter Gestalt als Bildwissenschaft auch in der Übertragung auf nicht-west­liche Sachverhalte und Kulturen produktiv ist. 49

Neil MacGregor, A History of the World in 100 Objects, London 2010, Taschenbuchausgabe im Penguin-­ Verlag 2012. Deutsche Ausgabe unter dem Titel Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten, München 2011 (mit weit. Aufl.).

»Key Monuments of the History of Art«

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Mediendiskurs und Medienpraxis in ausgewählten Leitfäden zum kunsthistorischen Studium. Ein Problemaufriss Christian Nille

Oft sind es die kleinen und alltäg­lichen Dinge, die einen großen Einfluss auf unser Leben haben, da sie zu dessen festem Bestand gehören, und dabei gleichsam übersehen werden, eben weil sie permanent gegenwärtig sind.1 Die Hauptthese der folgenden Ausführungen besagt Entsprechendes für die kunsthistorischen Leitfäden, insofern sie im Studium der Kunstgeschichte aktuell allgegenwärtig sind und dieses womöglich nachhaltig prägen, jedoch bislang noch in keiner Weise zum Gegenstand der wissenschaft­lichen Reflexion gemacht worden sind. Ziel wird es daher sein, einen entsprechenden Problemaufriss, samt erster Lösungsansätze, zu geben und dabei genauer auf den Aspekt der Lehrmedien in der Kunstgeschichte einzugehen, als die die kunsthistorischen Leitfäden zu verstehen sind und über die sie zugleich Auskunft geben. Die Leitfäden sollen folglich als Quellen der kunsthistorischen Selbstreflexion erschlossen werden. Um dies zu erreichen, werden folgende Punkte behandelt: Zunächst erfolgt eine Definition, worum es sich handelt, wenn von kunsthistorischen Leitfäden die Rede ist. Dann gilt es, Methoden zu skizzieren, wie diese Quellen idealtypisch zu erschließen und zu bearbeiten sind. Es folgen Überlegungen, warum es sich überhaupt lohnt, sich mit diesen Leitfäden auseinanderzusetzen, um dann auf einige Probleme einzugehen, auf die eine solche Auseinandersetzung stoßen kann, mit dem Ziel, den Forschungsstand zu erhellen. All diese Punkte sind allgemeiner Natur, sie thematisieren

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Christian Nille

nicht die Leitfäden direkt, sondern deren Behandlung, das heißt, sie nehmen eine Metaperspektive ein. Eine direkte Auseinandersetzung folgt anhand ausgewählter Beispiele, um das Ausgeführte in der Forschung zu konkretisieren. Es wird danach gefragt, welche Diskurse sich bezüglich einiger in der Kunstgeschichte relevanter Lehrmedien in den Leitfäden finden. Dann werden die Diskurse mit der in den Leitfäden vorkommenden Medienpraxis verg­lichen, woraufhin die Medienpraxis selbst thematisiert wird. Am Schluss folgt ein Fazit, in dem die Ergebnisse zusammengetragen und weiterführende Fragen formuliert werden.

Was sind ›kunsthistorische Leitfäden‹?

Der Begriff der Kunstgeschichte ist doppelt besetzt und bezeichnet einmal den Fachgegenstand und das andere Mal das Fach selbst. Grob zu unterschieden sind dementsprechend zwei Gruppen von Texten, die programmatisch sowohl den Begriff der Kunstgeschichte als auch jenen des Leitfadens im Titel tragen. So erschien etwa Ernst Wickenhagens Leitfaden für den Unterricht der Kunstgeschichte: Baukunst, Bildnerei, Malerei, Kunstgewerbe und Musik bereits 1868 und erfuhr bis in die 1920er Jahre eine Vielzahl von Auflagen.2 Wie in vielen anderen Publikationen dieser Zeit wird darin – in erster Linie für den Schulunterricht – die Geschichte der verschiedenen Kunstgattungen von der Frühzeit bis zur Gegenwart ausgebreitet.3 Kunstgeschichte be-

zeichnet also den Gegenstand des Fachs, die Kunstwerke und ihre Geschichte.4 Andererseits bezeichnet der Begriff der Kunstgeschichte die Disziplin, das Fach, das man an einer Universität studieren kann.5 Entsprechende Leitfäden beziehen sich dann auf das Fach, nicht auf seinen Gegenstand. Dies ist gemeint, wenn im Folgenden von kunsthistorischen Leitfäden gesprochen wird. Ferner zeichnen sich die kunsthistorischen Leitfäden durch eine enorme Individualität aus. Sie werden auf ganz unterschied­liche Weisen bezeichnet: etwa als ›Hinweise‹, ›Empfehlungen‹, ›Anleitung‹, ›Merkblatt‹ oder eben in vielen Fällen als ›Leitfaden‹.6 Der Umfang der Leitfäden schwankt ebenfalls enorm, in Augsburg sind es elf, in Wuppertal 87 Seiten.7 Sie beziehen sich auf das ganze Studium oder auf spezielle Elemente, wie das Verfassen von Hausarbeiten.8 Als Erscheinungsform kommen gedruckte oder digitale Varianten infrage, die dann als PDF oder auf den Homepages der Institute erscheinen – mal als Einzeldokument, mal als Dokumentensammlung.9 Tendenziell gibt es für jedes Institut einen eigenen Leitfaden, manchmal auch mehrere.10 Die Herausgeber differieren dabei stark: das ganze Institut, einzelne Lehrende oder der Fachschaftsrat.11 Schließlich, und dies steht im Zentrum der vorliegenden Ausführungen, unterscheiden sich die Inhalte enorm voneinander, das heißt, dass zentrale Fragen der Kunstgeschichte völlig unterschiedlich behandelt, völlig unterschied­liche Kunstgeschichtskonzeptionen entworfen werden, wofür später einige Beispiele vorzustellen sind. Trotz dieser enormen Mannigfaltigkeit ist allen Leitfäden der Intention nach die Funktion gemein, den Studierenden eine Orientierung dahingehend zu gewähren, wie Kunstgeschichte am entsprechenden Institut funktioniert und was zu tun ist, um dort erfolgreich Kunstgeschichte zu studieren. Ihnen kommt in Bezug auf die einzelnen Institute jene Funktion zu, die Einführungsbücher für die Kunstgeschichte allgemein übernehmen (Abb. 1).

Abb. 1 Internetverweis auf den Leitfaden für das wissenschaftliche Arbeiten des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Mainz (31.01.2021)

Als Grund für das Abfassen eines Leitfadens wird beispielsweise angegeben, dadurch »die allgemeine Unordnung des Studenten (wir schließen jetzt mal von uns auf euch) zu umgehen.«12 Der Leitfaden soll dem (meist studentischen) Leser »helfen, sich mit den Grundlagen zum erfolgreichen Studium der Kunstgeschichte vertraut zu machen.«13 Neben formalen Vorgaben zu Zitierweisen, Bildunterschriften etc. interessieren in erster Linie inhalt­ liche Konzeptionen der Kunstgeschichte. Diese orientierungsgebende Funktion im Kontext des Studiums lässt die Leitfäden einerseits deutlich als Lehrmedien der Kunstgeschichte erkennen, andererseits geben sie Informationen über andere für die Kunstgeschichte unabdingbare Lehrmedien, wie die Sprache oder das Bild.

Idealtypische Bearbeitung der kunsthistorischen Leitfäden

Da zu den kunsthistorischen Leitfäden keinerlei Forschungen existieren, muss eine Bearbeitung dieser Quellen ab ovo stattfinden, was idealtypisch

Mediendiskurs und Medienpraxis in ausgewählten Leitfäden

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folgendermaßen aussehen könnte: Am Anfang steht das Sammeln der Leitfäden, um ein Korpus für die weiteren Arbeitsschritte zu erhalten. Dabei ist Vollständigkeit angestrebt, was auch bedeutet, dass Texte, bei denen es unklar ist, ob sie als Leitfäden anzusehen sind, erst einmal mit aufgenommen werden. Um der Individualität der Leitfäden gerecht zu werden, folgt zweitens eine entsprechende Charakterisierung eines jeden Textes, bei der anzugeben ist, wer für den Leitfaden verantwortlich ist, wann er erschienen ist, wie umfangreich er ist, in welcher Form er vorliegt, welche Vorbildleitfäden zu identifizieren sind, ob markante Besonderheiten existieren und so weiter.14 Drittens wird ein Katalog an Fragen entwickelt, um die Leitfäden anhand der von ihnen gegebenen Antworten auswerten zu können – etwa danach, was der Gegenstand der Kunstgeschichte sei, oder zum Umgang mit Bildern und Sprache –, wobei zwischen einer dis­kursiven und einer praktischen Analyseebene zu unterscheiden ist.15 Auf diese Weise lassen sich unterschied­liche Kunstgeschichtskonzeptionen ermitteln, die viertens mit dem allgemeinen Fach- und Wissenschaftsdiskurs abzugleichen sind.16 Durch synchrone und diachrone Vergleiche der Auswertungsergebnisse lassen sich fünftens Gruppen von ähn­lichen Leitfäden sowie historische Wandlungen systematisch erfassen. Um den Charakter der Leitfäden allgemein zu klären, muss sechstens ihre tatsäch­liche Prägekraft geprüft werden, indem die Leitfäden eines Instituts mit den dort entstandenen Arbeiten der Studierenden ver­g­lichen werden. Möchte man sich nicht mit dem Beschreiben und Erklären des Istzustands zufriedengeben, folgt siebtens das Herausstellen von Mängeln – etwa in Form von Ungenauigkeiten oder Widersprüchlichkeiten – einzelner Leitfäden(gruppen) und das Aufzeigen von produktiven Alternativen.17

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Warum sich die Auseinandersetzung mit den kunsthistorischen Leitfäden lohnt

Insofern aus Mangel an Zeit und finanziellen Ressourcen in unserem Wissenschaftssystem nicht alles erforscht werden kann, muss eine begründete Auswahl getroffen werden. Auf die Auseinandersetzung mit den kunsthistorischen Leitfäden bezogen, bedeutet dies, dass angegeben werden muss, warum sich eine Auseinandersetzung mit diesen lohnt. Hierfür lassen sich mindestens vier Punkte anführen: Erstens stellen die Leitfäden einen festen Teil der Kunstgeschichte als wissenschaft­licher Disziplin dar, und die Beschäftigung einer Wissenschaft mit sich selbst ist eine notwendige Bedingung dafür, dass ihr Tun als »wissenschaftlich« angesprochen werden darf, da es hierdurch transparenter und damit sowohl nachprüfbarer als auch objektiver wird, was einen Unterschied zu anderen sozialen Feldern bedeutet.18 Aus diesem Grund haben sich Wissenschaftsgebiete wie die philosophisch geprägte Wissenschaftstheorie, die Wissenschaftsgeschichte oder die sozialwissenschaftlich orientierte Hochschulforschung herausgebildet, wobei die Bearbeitung der kunsthistorischen Leitfäden in der oben skizzierten Form vor allem in die ersten beiden Bereiche fällt. Zweitens ist eine Bearbeitung der Leitfäden aus einem studien- und arbeitspraktischen Grund unabdingbar. Insofern sich die Kunstgeschichtskonzeptionen teilweise grundsätzlich unterscheiden, sollte man wissen, auf welche Art und Weise Kunstgeschichte an einem jeden Ort gelehrt und betrieben wird. Ohne eine solche Orientierung macht ein Wechsel des Arbeits- oder Studienorts eventuell gravierende Umstellungen nötig oder führt sogar zu einem Scheitern. Noch verstärkt wird dieses Problem, indem die individuelle Mobilität während oder nach Abschluss eines Studiums immer mehr an Bedeutung gewinnt. Da sich die kunsthistorischen Leitfäden in erster Linie an Studierende richten, denen sie eine Orientierung im Studium der Kunstgeschichte geben

sollen, kommt ihnen nicht zuletzt aufgrund ihres normativen Charakters drittens eine gewaltige Prägekraft zu – zumindest potenziell. Sie verkörpern den Anspruch, ganzen Generationen von Kunsthistorikern zu vermitteln, wie Kunstgeschichte funktioniert. Umso wichtiger ist es, an dieser Stelle anzusetzen, um sich einen systematischen und breiten Überblick über das Fach und dessen Entwicklung zu verschaffen.19 Viertens bieten die Leitfäden eine gute Möglichkeit, das breite und bunte Feld der Kunstgeschichte zu greifen und fruchtbar zu machen. Zu vielen (mitunter grundlegenden) Ansichten finden sich Alternativen, die anregend wirken. Dieses reichhaltige Angebot schlicht zu ignorieren, kommt einer Selbstbeschneidung gleich. Außerdem lassen sich Konstellationen aus der früheren Lehre der Kunstgeschichte, für die leider keine Quellen mehr existieren, wie die damalige Rezeption von Lehrwerken in der Schule, zumindest indirekt aus der Gegenwart erhellen.20

Probleme in der Auseinandersetzung mit den Leitfäden

In der bisherigen Auseinandersetzung mit den Leitfäden sind mir einige Probleme begegnet, die klar benannt werden müssen, um gezielt an Lösungen arbeiten zu können. Weiterhin erklären sie auch, zumindest in Teilen, die fehlende Forschung näher. Erstens ist das, was zu sammeln ist, von dessen Definition abhängig: das heißt, je nachdem, wie die kunsthistorischen Leitfäden definiert werden, werden einige Texte in das zu bearbeitende Korpus aufgenommen, andere nicht. Zugleich hängt die Definition von den Inhalten der ausgewählten Leitfäden ab. Diese wechselseitige Abhängigkeit von theoretischem Konzept und empirischem Material ist stets im Blick zu behalten, lässt sich jedoch in der Forschung nicht umgehen.21 Das Sammeln der Leitfäden fällt oft schwer, da meist nur die aktuellen Leitfäden greifbar sind.

Selbst bei Instituten, die über ein Archiv und einen hierfür zuständigen Mitarbeiter verfügen, blieben meine Nachfragen bislang oft vergeblich. Zum Teil wird sich an ältere Leitfäden erinnert, die aber nicht archiviert worden sind, zum Teil wurde vergessen, dass solche überhaupt existierten.22 Die Lösung besteht wohl in intensiven Einzelrecherchen vor Ort, inklusive Nachfragen bei aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern und Studierenden. Dass keine Forschungen zu den kunsthistorischen Leitfäden existieren, bedeutet nicht alleine eine große Chance für eine zukünftige Auseinandersetzung mit diesen, sondern auch ein gewisses Problem, insofern sich keine ausgetretenen Pfade finden, man sich nicht an Vorhandenem abarbeiten kann, wie es bei klassischen Arbeitsfeldern der Fall ist, sondern wirk­liche Grundlagenforschung betrieben werden muss. Zur Klärung der fehlenden Forschungen und zugleich als mög­liche Orientierungspunkte, um eine solche zu etablieren, sind folgende Begebenheiten zu berücksichtigen: Die Leitfäden ähneln ihrer Struktur und ihrem Anspruch nach Schulbüchern, so dass die Schulbuchforschung eine gute Anlaufstelle zu deren Erforschung darstellen sollte, insofern sie über reichlich Erfahrung und damit ein geeignetes methodisches Instrumentarium in der systematischen Auswertung von Lehrbüchern verfügt. Jedoch stellen Lehrbücher zur Kunst und Kunstgeschichte für die etablierte Schulbuchforschung höchstens einen randständigen Forschungsgegenstand dar – und die Hochschule wird nicht als Arbeitsgebiet der Schulbuchforschung angesehen.23 Die Hochschulforschung wiederum ist in den meisten Teilen quantitativ-empirisch ausgerichtet und verfügt über keine kunsthistorische Fach- und Bildkompetenz, was jedoch für die adäquate Bearbeitung der Leitfäden notwendig ist.24 Was die Kunstgeschichte selbst betrifft, so ist die facheigene Reflexion – dem überwiegenden Selbstverständnis der Disziplin gemäß – vor allem histo-

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risch ausgerichtet, das heißt, dass gegenwärtige Konstellationen wenig interessieren.25 Zudem entstammen die meisten Wissenschaftsbilder, denen sich die Kunstgeschichte bildkompetent widmet, den Naturwissenschaften.26 Schließlich begegnet man bei der Aufarbeitung der Leitfäden, sofern man sich nicht an jene Personen richtet, die für deren Erarbeitung verantwortlich waren, oft Desinteresse oder Ablehnung. Ersteres gründet darauf, dass angenommen wird, dass die Leitfäden zwar existieren, jedoch für die kunsthistorische Lehre, für die Prägung der Studierenden irrelevant seien. Daher lohne ihre Erforschung nicht. Letzteres beruht auf der Auffassung, dass die Aufarbeitung der Leitfäden und damit eventuell verbundene Verbesserungsvorschläge die Arbeit der Institute schlechtmachen wollen – man möchte sich ungern den Spiegel vorhalten lassen.27 Ersteres ist zu prüfen, letzteres sollte keinen Hinderungsgrund für die Forschung darstellen, sondern vielmehr als wertvoller Indikator dafür dienen, dass man an einem für die Disziplin wichtigen Punkt ansetzt. Ansonsten würde es einen nicht berühren, während sich Unwichtiges leicht ignorieren lässt.

Einige Diskurse über Lehrmedien der Kunstgeschichte

In den bisherigen Ausführungen wurde die Auseinandersetzung mit den kunsthistorischen Leitfäden auf einer allgemeinen, einer Metaebene skizziert. Nun soll der Blick auf einzelne Leitfäden gerichtet und damit konkrete Fragen thematisiert werden, wobei die Frage nach den Lehrmedien der Kunstgeschichte den Rahmen vorgibt. Dass dies nur exemplarisch anhand ausgewählter Beispiele geschehen kann, dürfte klar sein. Hierbei interessieren zunächst die in den Leitfäden zu findenden Diskurse, also die dortigen Vorgaben dazu, wie die Kunstgeschichte jeweils funktioniert, genauer gesagt funktionieren soll.

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Eine der Grundfragen einer jeden wissenschaft­ lichen Tätigkeit besteht darin, womit sie sich eigentlich befasst. Wer Kunstgeschichte studieren und betreiben möchte, muss wissen, mit was er sich beschäftigen soll: Was sind also die Gegenstände der Kunstgeschichte? Im Augsburger Leitfaden findet sich hierzu eine differenzierte Antwort: »Kunstgeschichte als Wissenschaft beschäftigt sich nicht mit den einzelnen Werken, Gattungen, Epochen etc. an sich, sondern mit den offenen Fragen, die selbst die bekanntesten Werke heute aufwerfen. Um ein Beispiel zu nennen: Sie setzt sich nicht mit Michelangelos Figur des ›David‹ an sich auseinander, sondern sie fragt beispielsweise heute danach, ob diese Skulptur als Symbol städtischer Freiheit verstanden worden ist. Derartige Fragen und die damit verbundenen Probleme bilden den Gegenstand einer kunsthistorischen Untersuchung, bei der die Skulptur selbst das Material ist, das kritisch analysiert wird.«28 Das Kunstwerk ist in dieser Kunstgeschichtskonzeption das zu analysierende »Material«, es ist Mittel zum Zweck, um »Fragen« zu beantworten und »Probleme« zu lösen, die das Kunstwerk zwar betreffen, jedoch darüber hinausweisender Natur sind. Sucht man in der Kunstgeschichte nach ähn­ lichen Konzeptionen, so wird man etwa bei Günter Bandmann fündig, wenn er »Das Kunstwerk als Geschichtsquelle« oder als »Gegenstand der Universalgeschichte« thematisiert.29 Auch an die Ar­ beiten Erwin Panofskys wäre zu denken, der als »Gegenstand der Interpretation« von der »vor-ikonographischen Beschreibung« über die »ikonographische Analyse« bis zur »ikonologischen Interpretation« nie das Kunstwerk an sich, sondern stets unterschied­liche Arten von »Sinn« angibt.30 Diese Sichtweise ist nicht alternativlos. So heißt es im Gießener Leitfaden:

»Wenn Sie einen wissenschaft­lichen Text schreiben oder ein Referat halten, z. B. zu ­Donatellos Skulptur des ›Heiligen Markus‹ von Orsanmichele in Florenz, dann stützen Sie sich in der Regel auf Informationen und Deutungsangebote, die Sie in der Fachliteratur vorfinden. Und das ist auch richtig und gut so! Verlangt wird ja nicht von Ihnen, dass Sie bereits alles zum ›Heiligen Markus‹ wissen, sondern dass Sie unterschied­liche Publikationen zum Thema kritisch rezipieren, diskutieren und zusammenfassen können und durch die (in Referat oder Hausarbeit offengelegte) Verarbeitung der Publikationen auf ­eigene Beobachtungen oder neue Perspektiven zum Thema kommen.«31 Eindeutig bildet das Kunstwerk, der Heilige Markus, den Gegenstand der Auseinandersetzung. Zu diesem sollen neue Beobachtungen und Perspektiven entwickelt werden, mit dem suggerierten Ziel, alles über ihn zu wissen. Eine typische Literaturgattung der Kunstgeschichte, die so verfährt, stellen Werkmonografien dar. Hinsichtlich des Gegenstandes zeigen sich in Augsburg und Gießen zwei völlig unterschied­liche Kunstgeschichtskonzeptionen. Dies stellt keine Seltenheit dar, wie die Vorgaben zum Umgang mit einem zentralen (Lehr-)Medium der Kunstgeschichte, nämlich der Sprache, zeigen. Der Göttinger Leitfaden macht hierzu keine Vorgaben, so dass man frei im Umgang damit ist.32 Im Augsburger Leitfaden hingegen heißt es: »Die Hausarbeit muss hinsichtlich Rechtschreibung und Grammatik fehlerfrei sein. Es ist auf eine klare und sach­liche Sprache zu achten.«33 Noch mehr wird in Bielefeld verlangt, denn dort werden neben orthografischer und grammatikalischer Korrektheit »eine präzise und zugleich variantenreiche Wortwahl sowie ein sicherer Stil« gefordert.34 Obgleich nicht genauer angegeben wird, was unter dem ›sicheren Stil‹ zu ver-

stehen ist, lässt sich festhalten, dass dieser überhaupt eine Rolle spielt. Denn somit wird die Sprache nicht zu einem neutralen Medium, um damit im Sinne einer Korrespondenztheorie der Wahrheit klar und sachlich Aussagen über die Wirklichkeit, über ein Kunstwerk zu treffen, sondern ihr wird im Sinne einer hermeneutischen Wahrheitstheorie eine aktive Funktion zugesprochen: sie soll eine adäquate Kunsterfahrung im Sprechen erzeugen.35

Das Verhältnis von Mediendiskurs und Medienpraxis

Neben der Sprache stellt das Bild ein, wenn nicht das für die (Lehre der) Kunstgeschichte zentrale Medium dar. So heißt es programmatisch im Augsburger Leitfaden: »Erst sehen – dann lesen.«36 Differenzierter wird dies im Mainzer Leitfaden behandelt: »Die zur Veranschaulichung der behandelten Objekte und zur Unterstützung der Argumentation eingesetzten Bilder der PowerPointPräsentation sollten mit großer Sorgfalt ausgesucht und angewandt werden. Es ist sinnvoll, das Referat als eine Bildsequenz aufzufassen und die Abfolge der PowerPoint-Präsentation sowie die herangezogenen Vergleiche zuvor auf ihre Schlüssigkeit und Folgerichtigkeit zu überprüfen. Sie sollten den Text deswegen immer als Kommentar zu den gezeigten Bildern konzipieren. Da die wissenschaftlich ­betriebene Kunstgeschichte von einem vergleichenden Sehen ausgeht, bei dem die bearbeiteten Objekte unter verschiedenen Gesichts­ punk­ten mit jeweils anderen verg­lichen ­werden, sollten Sie auch bei der PowerPoint-­ Präsentation die Möglichkeit nutzen, zwei Bilder einander gegenüberzustellen.«37

Mediendiskurs und Medienpraxis in ausgewählten Leitfäden

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Abb. 2 Doppelseite aus dem Mainzer Leitfaden von 2016 zur »Beschriftung von Abbildungen«

Auf der Ebene des Mediendiskurses ist der hohe Status der Bilder als Leitmedien unverkennbar, insofern der Text alleine als Kommentar zu diesen fungiert, sie also nur unterstützend begleitet, wobei mit dem vergleichenden Sehen zugleich eine genuine kunsthistorische Methodik zum adäquaten Umgang mit Bildern herausgestellt wird. Wie verhält sich nun die Medienpraxis der kunsthistorischen Leitfäden, also deren konkrete Gestaltung, zum gerade skizzierten Diskurs? Es ist anzunehmen, dass diese ebenfalls bilderfreundlich und bildspezifisch ausfällt. Dem ist jedoch oft nicht so, denn es finden sich im Augsburger Leitfaden, wie in vielen anderen auch, überhaupt keine Bilder.38 Einer diskursiv geforderten Ikonophilie steht eine praktizierte Ikonophobie gegenüber – möchte man keinen performativen Widerspruch

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konstatieren, so lässt sich gleichwohl feststellen, dass die Leitfäden hinsichtlich der bildkompetenten Medienpraxis einiges an Potenzial verschenken. Am Beispiel des Mainzer Leitfadens lässt sich dies detaillierter angeben. Denn dort werden zwar die Zentralität des Bildes und das vergleichende Sehen gefordert, jedoch nicht umgesetzt. Bilder werden nie nebeneinander gestellt, um einen sehenden Vergleich zu ermög­lichen, sondern stets alleine gezeigt, um dabei zur Veranschaulichung des im Text Gesagten zu dienen. Man erhält etwa Vorgaben für die »Beschriftung von Abbildungen« und daneben ist ein beschriftetes Bildbeispiel zu sehen (Abb. 2).39 In dieser Verwendung kehrt sich die diskursiv geforderte Stellung des Bildes zum Text um, denn nun erläutert das Bild den Text höchstens – es verdoppelt die text­liche Information

und ist damit letztendlich überflüssig. Was pädagogisch durchaus einleuchtet, nutzt gleichsam nur einen Teil der Möglichkeiten des Bildes.

Medienpraxis der Leitfäden

Nachdem die bisherigen Beispiele für die Medienpraxis der Leitfäden, hier in Form der Umgangsweisen mit Bildern, hinter den diskursiven Ansprüchen weit zurückgeblieben sind, sollen nun zwei gelungenere Bildpraktiken vorgestellt werden, deren Erstellung und Erfassung gleichsam ein höheres Maß an Bildkompetenz verlangen, da nun das Bild in seiner genuinen Medialität zum Tragen kommt.40 Das erste Beispiel entstammt dem Gießener Leitfaden und taucht im Kontext des Themenkomplexes »Bildsuche und Bildbestellung« auf (Abb. 3).41 Im Text erfahren die Studierenden, wie die Bild­ datenbank prometheus zu nutzen ist.42 Das beigegebene Bild zeigt nun keine Verdoppelung der Textinformationen – wie dies beim Mainzer Beispiel der Fall war –, etwa in Form der Benutzeroberfläche von prometheus, sondern konfrontiert den Betrachter mit einer älteren Form der Bildersammlung: einer fürst­lichen Galerie aus dem 17. Jahrhundert. Indem das Bild nicht im Wiedererkennen einer bereits vorhandenen Information aufgeht, fordert es zu einer intensiveren Betrachtung heraus, die zu tieferen Einblicken in die Thematik führt. Der digitalen Bilddatenbank, die der Wissenschaft offensteht und Bilder möglichst nach dem immer selben Schema in Einheitsgröße präsentiert, steht eine Sammlung von Originalen in einer privaten Einrichtung gegenüber, die gedrängt gehängt und gestellt sind, wobei ihre jeweilige Größe sowie ihre Rahmung sofort ins Auge springen. Über diese Konfrontation wird das geschicht­liche Geworden-Sein der im Leitfaden thematisierten aktuellen kunsthistorischen Praxis sichtbar, so dass der Betrachter einen reflektierenden Abstand zu dieser gewinnt. Bildsuche und Bildbestellung stellen dann keine Selbstverständlichkeit, die

Abb. 3 Seite zur Bildsuche und Bildbestellung aus dem Gießener Leitfaden mit David d.J. Teniers, Erzherzog Leopold besucht seine Galerie in Brüssel, um 1651, Öl auf Leinwand, Kunsthistorisches Museum in Wien

mechanisch anzuwenden ist, dar, sondern die Arbeit mit Reproduktionen wird zur reflektierten Praxis – ein Prozess, der nicht zuletzt durch das gezeigte Bild ausgelöst wird. In den meisten Leitfäden wird zweitens entweder auf Bilder verzichtet oder man reproduziert solche auf die eine oder andere Weise. Nur ausnahmsweise jedoch werden für die Leitfäden eigene Bilder gestaltet. Eine solche Ausnahme findet sich auf der letzten Seite eines älteren Mainzer Leitfadens (Abb. 4).43 Obgleich dem Bild keine Unterschrift beigegeben ist und es ohne direkten Bezug auf einen Text gezeigt wird, lassen sich die Inhalte gut identifizieren: Zu sehen ist ein Baum auf einer Wiese, an den drei Schilder mit verschiedenen Seminarformen geheftet sind; hinzu kommt die An-

Mediendiskurs und Medienpraxis in ausgewählten Leitfäden

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Abb. 4 Baumdarstellung mit Studieninhalten auf der letzten Seite des Mainzer Leitfadens von 2007

gabe von »Exkursionen«. Auf der Wiese befinden sich zwei weitere Schilder, das eine markiert das »Grundstudium«, das andere das »Hauptstudium«. Hierdurch soll offenbar der Studienverlauf verbildlicht werden. Die Qualität dieses Bildes besteht nicht so sehr in seinem Duktus, insofern mit groben Umriss­ linien und einer vereinfachten Formgebung operiert wird, was ein wenig unbeholfen wirkt. Schlagend ist vielmehr die grundsätz­liche Bildidee, die sich durch eine Verortung des Motivs in der Bildgeschichte herausstellen lässt. Denn die Kombination von Wissen und Wissensvermittlung mit einem Baum besitzt eine lange Tradition in Form unterschied­licher Wissensbäume.44 Ein bekanntes Beispiel für einen solchen Wissensbaum findet sich in einem Ergänzungsband zur Encyclopédie von Diderot und d’Alembert aus dem Jahr 1780, mit dem versucht wird, das damalige Wissen systematisch darzustellen (Abb. 5).45 Charakteristisch für die meisten Wissensbäume ist der Umstand, dass sie einen fixierten Bestand von Wissen abbilden, der geordnet wird. Man kann sich, von einem be-

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stimmten Ausgangspunkt beginnend, die einzelnen Elemente aneignen und verfügt dann über das entsprechende Wissen, wobei man theoretisch zu einem Ende kommen kann. Dies nun widerspricht einer Auffassung von Wissen, das ohne feste Basis ins Unend­liche reicht – es gibt immer nur bessere Theorien über die Wirklichkeit.46 Der Baum im Mainzer Leitfaden spielt nun gestalterisch genau damit: Indem der Baum links durch das gegen die Leserichtung in die Vergangenheit weisende »Grundstudium« und rechts durch das »Hauptstudium« flankiert wird, werden die dort zu findenden Leistungen zu einer Durchgangsstation – der Baum und die Landschaft bilden im Bild eine untrennbare Einheit, wohingegen die klassischen Wissensbäume von der Umgebung weitgehend getrennt sind. Hierdurch enden die Lernmöglichkeiten nicht mit den Wissensbeständen des Baumes, sondern sie setzen sich nach rechts hin fort, sie reichen ins Unend­liche. Auch ein weiteres Element spricht für diese Art der Wissensauffassung: Einerseits kriecht eine Raupe den Wissensbaum empor, doch andererseits fliegt ein Schmetterling über dem Baum davon, er löst sich also von diesem Bestand an Wissen. All diese Überlegungen können hier nur angedeutet werden, zeigen jedoch bereits die Komplexität des Bildes, das als Lehrmedium auch die Lehre, die Vermittlung von Wissen und deren Ziele reflektiert, und zwar auf eine bildeigentüm­liche Weise. In diesem Sinn fordern gerade jene kunsthistorischen Leitfäden die kunsthistorische Forschung heraus, die Bilder in ihren vollen bild­lichen Möglichkeiten zur Anwendung bringen und damit eines bildkompetenten Umgangs bedürfen.

Fazit und weiterführende Fragen

Im vorliegenden Text wurde zunächst allgemein eine mög­liche Erschließung der kunsthistorischen Leitfäden skizziert, um diese dann anhand einiger

Beispiele zu konkretisieren. Vergleicht man nun das exemplarische Abarbeiten an den Leitfäden mit dem Gesamtanspruch, so wird deutlich, wie viel Arbeit noch zu leisten ist und dass diese durchaus nottut. Es konnte und sollte nur ein Anfang gemacht werden. Ergänzend können weitere Punkte benannt werden, die es im Kontext der Leitfäden zu berücksichtigen gilt: Hierzu zählt etwa, dass jeder einzelne Text auf seine innere Struktur hin untersucht werden muss. Das heißt, dass zu prüfen ist, ob es sich um eine konsistente Kunstgeschichtskonzeption handelt oder ob sich Unstimmigkeiten finden. Dabei sind die einzelnen Angaben etwa zum Gegenstand der Kunstgeschichte, zur Sprache oder zum Bild innerhalb eines Textes zu kontextualisieren. Weiterhin müssten die Leitfäden mit anderen Texten ähn­licher Funktion abgeg­lichen werden. Von besonderer Bedeutung sind hier die Einführungsbücher in die Kunstgeschichte (Abb. 1) sowie die Modulhandbücher der kunsthistorischen Studiengänge. Bei ersteren fällt auf, dass sie – vor allem, wenn man ihren normativen Anspruch bezüglich einer doch erheb­lichen Leserschaft berücksichtigt – bislang wenig Beachtung vonseiten der Forschung erfahren haben.47 Letztere sind ebenfalls noch nicht wissenschaftlich aufgearbeitet.48 Im Vergleich zu den Leitfäden enthalten sie eher wenige direkte Informationen zu Kunstgeschichtskonzeptionen, sondern geben eher über die Studiengangsstruktur Auskunft. Auch sind ihre Vorgaben bindend. Noch weiter gedacht stellt sich die Frage, wann die kunsthistorischen Leitfäden entstanden und warum sie aktuell in jedem Institut vorhanden sind. Stichproben deuten an, dass sich die Entstehungszeiten je nach Institut stark unterscheiden. In Mainz werden die 1990er Jahre genannt, in Gießen taucht erst 2011 ein Leitfaden auf.49 Zur aktuellen Konjunktur lässt sich die These formulieren, dass

Abb. 5 Christian Friedrich Wilhelm Roth, Baum des Wissens, 1780

sie mit den seit rund zwanzig Jahren stattfindenden Reformen der Hochschulen korreliert. Sie könnte dem Wunsch geschuldet sein, der »inneren Orientierungslosigkeit« der Beteiligten entgegenzuwirken, denn: »Verunsicherung oder schlichte Unkenntnis darüber, worum es in Schule und Hochschule eigentlich geht, prägen Eltern, Lehrer, Professoren, Studenten und Schüler.«50 In dieser Situation leuchtet es ein, mit den Leitfäden für Orientierung sorgen zu wollen. Mit dieser Überlegung wird auch klar, wie stark die Lehrmedien der Kunstgeschichte mit allgemeinen (bildungs-) politischen Entwicklungen zusammenhängen – ein weiterer Punkt, der für eine intensive Auseinandersetzung mit ihnen spricht. Hierzu kann die Erforschung der kunsthistorischen Leitfäden hoffentlich ihren Anteil leisten.

Mediendiskurs und Medienpraxis in ausgewählten Leitfäden

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1 Bei der Entstehung des vorliegenden Textes haben mich viele Personen direkt oder indirekt unterstützt, denen ich hiermit danken möchte. Der Diskussion im Anschluss an den Vortrag der Marburger Tagung konnten wertvolle Einsichten und Anregungen entnommen werden – gleiches gilt für einen ähn­lichen Vortrag, der im Januar 2019 in Landau gehalten wurde. Hinzu kommen Auskünfte und zum Teil das Übersenden von Materialien durch Klaus Weber (Mainz), Helen Barr (Frankfurt), Carolin Rinn (Gießen), Robert Bauernfeind (Augsburg), Alexandra Vinzenz (Heidelberg), Michael Hoff (Heidelberg) und Michael Lissok (Greifswald). 2 Ernst Wickenhagen, Leitfaden für den Unterricht der Kunstgeschichte: Baukunst, Bildnerei, Malerei, Kunstgewerbe und Musik, Stuttgart 1868. 3 Als weitere Beispiele dieses Typs seien Adolf Thamm, Leitfaden zur Kunstgeschichte cultivirter Völker alter und neuer Zeit, Striegau 1874 und Wilhelm Buchner, Leitfaden der Kunstgeschichte, Essen 1878 genannt. Vgl. zu diesen Texten weiterführend auch Hanni Geiger, »Kunstgeschichte für ›höhere Töchter‹? Kunsthistorische Lehrbücher des 19. und frühen 20. Jahrhunderts für Frauen«, Magisterarbeit Univ. München 2007, in: Open Access LMU / Geschichts- und Kunstwissenschaften, 36, 2007, http://epub. ub.uni-muenchen.de/11911/ (03.02.2019). 4 Zum Gegenstand der Kunstgeschichte vgl. Abs. VI. 5 In den Überlegungen unterscheide ich nicht zwischen den Begriffen kunsthistorisch, kunstgeschichtlich o. ä. Zum Begriff der Kunstgeschichte vgl. auch Heinrich Dilly, »Einleitung«, in: Kunstgeschichte. Eine Einführung, hrsg. von Hans Belting, Heinrich Dilly, Wolfgang Kemp, Willibald Sauerländer und Martin Warnke, Berlin 2003, S. 9–19, hier v. a. S. 9–13. 6 Vgl. etwa Ulrich Heinen, Hinweise zum Studium. Hand-out für Studierende des lehrerbildenden Faches Kunst. Wege zu Studium, wissenschaft­licher Arbeit und bibliographischen Grundlagen für die Lehrveranstaltungen im lehrerbildenden Fachstudium Kunst, Wuppertal 2018, https://www. kunst.uni-wuppertal.de/fileadmin/kunst/pdf/WissArb Kunst.pdf (04.02.2019); Helen Barr, Empfehlungen für das Schreiben einer Hausarbeit, Frankfurt 2015, https://www. kunst.uni-frankfurt.de/files/mitarbeiter/Empfehlungenfu-r-das-Schreiben-einer-Hau.pdf (04.02.2019); KWI Bochum, Anleitung zur Erstellung von Hausarbeiten im Fach Kunstgeschichte, Bochum 2015, http://www.kunstgeschichte. ruhr-uni-bochum.de/mam/files/anleitunghaus arbeiten.pdf (04.02.2019); Universität Koblenz-Landau, Merkblatt zur Anfertigung wissenschaft­licher Arbeiten / Merkblatt zur An-

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fertigung von Handouts / Merkblatt zur Zitierweise von Literatur in Wissenschaft­lichen Arbeiten und zu Bildunterschriften, Landau o. J., https://www.uni-koblenz-landau.de/de/ landau/fb6/kunst/studium/zusaetz­licheInformationen (04.02.2019); Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft, Abteilung ­Kunstgeschichte, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Leitfaden für das wissenschaft­liche Arbeiten, Mainz 2016; Augsburg, Referat, Thesenpapier, Hausarbeit. Leitfaden des Lehrstuhls für Kunstgeschichte der Universität Augsburg, Augsburg 2018, https://www.philhist. uni-augsburg.de/lehrstuehle/kunstgeschichte/downloads/ Leitfaden.pdf (04.02.2019); TU Dortmund, Referat, Thesenpapier/Handout, Hausarbeit. Leitfaden »Kunstgeschichte und Bildwissenschaft«, Dortmund o. J., http://www.fk16.tudortmund.de/kunst/cms/assets/files/Welzel/Leitfaden-KG_ aktuell.pdf (04.02.2019). 7

Vgl. Augsburg 2018 (wie Anm. 6) und Heinen 2018 (wie Anm. 6). 8 Vgl. zu ersterem Heinen 2018 (wie Anm. 6), zu letzterem Barr 2015 (wie Anm. 6). 9 Insgesamt überwiegen aktuell die digitalen Ausgaben. Es wird für jede Variante nur ein Beispiel angeführt. Gedruckt: Mainz 2016 (wie Anm. 6); PDF: Augsburg 2018 (wie Anm. 6); Homepage: LMU München, Hinweise zum wissenschaft­lichen Arbeiten und zum Abfassen von Seminararbeiten, München o. J., https://www.kunstgeschichte.unimuenchen.de/studium/hinweise/wissenschaft/index.html (04.02.2019); Sammlung: ebd.; Einzeldokument: Heinen 2018 (wie Anm. 6). 10 Ein Beispiel für mehrere Leitfäden an einem Institut findet sich in Frankfurt mit Barr 2015 (wie Anm. 6) und Helen Barr, Hinweise zur Anfertigung einer Hausarbeit, Frankfurt 2017, https://www.kunst.uni-frankfurt.de/files/ pdfs/2017_Hinweise-zur-Anfertigung-einer-Hausa.pdf (04.02.2019). Etwas weiter gefasst könnte man die in Frankfurt ebenfalls vorhandenen Erstsemester-Reader als weitere kunsthistorische Leitfäden verstehen. 11 Institut: Mainz 2016 (wie Anm. 6); einzelne Lehrende: Barr 2015 (wie Anm. 6); Fachschaftsrat Kunstgeschichte: First Aid Kit. Gebrauchsanweisung für das Studium der Kunstgeschichte, Mainz 2007, https://docplayer. org/5501371-First-aid-kit-gebrauchsanweisung-fuer-dasstudium-der-kunstgeschichte.html#download_tab_ content (04.02.2019). Eine tendenzielle Entwicklung der Leitfäden korreliert oft mit den unterschied­lichen Herausgebern. In Mainz etwa wurden die Leitfäden zu Beginn in den 1990er Jahren vom Fachschaftsrat herausgegeben, was später von einzelnen Lehrenden und schließlich vom gan-

zen Institut übernommen wurde. Diese Auskunft verdanke ich Herrn Klaus Weber (Mainz). Es finden sich, soweit es sich feststellen lässt, keine von einem Fachschaftsrat herausgegebenen Leitfäden, die aktuell gültig sind. 12 Fachschaftsrat Kunstgeschichte 2007 (wie Anm. 11), S. 4. 13 Mainz 2016 (wie Anm. 6), S. 3. Es sei darauf hingewiesen, dass hier vom »Studium der Kunstgeschichte« allgemein die Rede ist und nicht erwähnt wird, dass der Leitfaden eigentlich nur Auskünfte über das Mainzer Studium der Kunstgeschichte bietet. Hieran lässt sich gut erkennen, wie wenig ausgeprägt die Beschäftigung mit den kunsthistorischen Leitfäden ist. 14 Um nur ein Beispiel für eine erwähnenswerte Besonderheit zu geben, sei darauf hingewiesen, dass das Merkblatt zur Anfertigung wissenschaft­licher Arbeiten der Universität Koblenz-Landau (wie Anm. 6) ein Dokument aus Heidelberg, Zur Entwicklung von Referaten und Hausarbeiten, Heidelberg 2004, https://www.uni-koblenz-landau. de/de/landau/fb6/kunst/studium/dateien_studium/ wissenschaftl_arbeiten (09.02.2019) enthält. 15 Vgl. zu dieser Differenzierung Abs. VI. 16 Beispiele für die beiden Kontextualisierungen finden sich in Abs. V und VII. 17 Ein einfaches Beispiel für Ungenauigkeiten besteht darin, dass ein Leitfaden über einen relevanten Punkt keine Angaben macht (vgl. Abs. V mit dem Thema der Sprache der Kunstgeschichte). 18 In der hier dargebotenen Formulierung findet eine Orientierung an Pierre Bourdieu statt. Vgl. etwa das Bestreben, dass das »Subjekt der Objektivierung selbst objektiviert« wird. »Damit meine ich [d. h. Bourdieu; C. N.] die Reflexion, die dem Erkenntnissubjekt das gewöhnlich von ihm beanspruchte Privileg entzieht, indem sie mit Hilfe aller verfügbaren Objektivierungsinstrumente (statistische Untersuchung, ethnographische Beobachtung, historische Forschung usw.) die Voraussetzungen ans Licht bringt, die aus seiner Involviertheit in das Objekt der Erkenntnis hervorgehen.« (Pierre Bourdieu, Mediationen. Zur Kritik der scholastischen Vernunft, Frankfurt am Main 2001, S. 18–19). Vgl. zur Analyse des wissenschaft­lichen Feldes weiterhin Pierre Bourdieu, Homo academicus, Frankfurt am Main 1992 und zur Spezifik des massenmedialen Feldes (im Unterschied zu jenem der Wissenschaft) ders., Über das Fernsehen, Frankfurt am Main 1998. 19 Wie prägend die Ausbildung auf die späteren Dispositionen wirkt, wird etwa herausgearbeitet von Pierre Bourdieu, »Der Habitus als Vermittlung zwischen Struktur

und Praxis«, in: ders., Zur Soziologie der symbolischen Form, Frankfurt am Main 1974, S. 125–158. Die Schulbuchforschung begründet ihre Notwendigkeit unter Bezugnahme auf denselben Mechanismus: »Schulischen Bildungsmedien kommt aufgrund ihres verdichteten und kanonischen Charakters wissenschaftlich, politisch und bildungspraktisch eine wichtige Rolle zu. Da sich in ihnen das Wissen findet, das eine Generation an die nächste weitergeben möchte, werden sie häufig zum Politikum«. Siehe: Homepage des Georg-Eckert-Instituts – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung (GEI), Abs. »Institut«, http://www.gei.de/institut.html (09.02.2019). 20 Zur Klärung der Rezeption von aktuellen Leitfäden lassen sich etwa Studierende befragen. Dies ist bei älteren Quellen nicht möglich, insofern die Akteure nicht auffindbar oder verstorben sind. Vgl. hierzu auch die Beiträge von Joseph Imorde und Andreas Zeising in diesem Band. Eventuell lässt sich aber von aktuellen Rezeptionen die damalige Situation erhellen. 21 Vgl. etwa Erwin Panofsky, »Kunstgeschichte als geisteswissenschaft­liche Disziplin«, in: ders., Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, Köln 2002, S. 7–35, der von einer »organischen Situation« spricht, um dieses Problem zu bezeichnen, S. 15. 22 In Mainz finden sich allein die aktuellen Leitfäden, vgl. Mainz 2016 (wie Anm. 6). In Greifswald hat der Fachschaftsrat, dem ich seinerzeit angehörte, im Studienjahr 2007/08 einen Leitfaden entworfen. Eine schrift­liche Nachfrage beim aktuellen Greifswalder Fachschaftsrat hat ergeben, dass diesem keinerlei Leitfäden bekannt sind. 23 Entsprechend wurde meine Anfrage, ob zur Erschließung der kunsthistorischen Leitfäden eine Kooperation möglich wäre, vom GEI negativ beantwortet. 24 Dieses Bild wird durch Anfragen bei den zentralen Institutionen der Hochschulforschung gestützt. Vgl. weiterhin die Darstellung bei Christian Nille, »Hochschulforschung und historische Bildwissenschaft. Potenziale einer bislang unerprobten Zusammenarbeit«, in: die hochschule, 1-2, 2018, S. 46–66. 25 Vgl. etwa das »Fachforum Wissenschaftsgeschichte der Kunstgeschichte«, https://kunsthistoriker.org/wissenschaftsgeschichte.html (15.02.2019). Die Variante, gegenwärtige Probleme konsequent zu historisieren, findet sich leider selten. 26 Meist wird die Behandlung dann nicht als Kunstgeschichte, sondern als Bildwissenschaft bezeichnet. Als klassisches Beispiel vgl. Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder, hrsg. von Hubert Burda und Christa Maar, Köln 2004.

Mediendiskurs und Medienpraxis in ausgewählten Leitfäden

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27 Dieses Misstrauen ist ein großes Problem bei der konsequenten Reflexion des eigenen wissenschaft­lichen Tuns. Gerne erforscht man (örtlich und zeitlich) Fremdes, weil es einen selbst nicht betrifft. Vgl. hierzu Bourdieu 1992 (wie Anm. 18), v. a. S. 31–38. 28 Augsburg 2018 (wie Anm. 6), S. 2. Hervorhebungen im Original. 29 Günter Bandmann, »Das Kunstwerk als Geschichtsquelle«, in: Deutsche Vierteljahresschriften für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 1950, S. 445–469; ders., »Das Kunstwerk als Gegenstand der Universalgeschichte«, in: Jahrbuch für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, 7, 1962, S. 146–166. 30 Vgl. Erwin Panofsky, »Ikonographie und Ikonologie«, in: Ikonographie und Ikonologie. Theorien – Entwicklungen – Probleme, hrsg. von Ekkehard Kaemmerling, Köln 1991, S. 207–225, hier v. a. S. 223. 31 Tina Bawden u. a., Studienleitfaden für Studierende des Instituts für Kunstgeschichte, Gießen 2013, S. 4. 32 Lehrende des Kunstgeschicht­lichen Seminars und der Kunstsammlung der Universität Göttingen, Hinweise zum wissenschaft­lichen Arbeiten in der Kunstgeschichte, ­Göttingen 2014, https://www.uni-goettingen.de/de/ document/download/46e1c3b902ad5e03480169408a4898ac. pdf/Leitfaden_wissArbeiten_Oktober2014.pdf (24.02.2019). 33 Augsburg 2018 (wie Anm. 6), S. 6. 34 Bielefeld: Leitfaden für Studierende des BA-Studiengangs »Bild- und Kunstgeschichte«, Bielefeld 2018, S. 4, https://www.uni-bielefeld.de/geschichte/studium/downloads/Historische-Bildwissenschaft-KunstgeschichteAllgemeines-zum-Studium-April-2018.pdf (24.02.2019). 35 Vgl. als Beispiel für eine Korrespondenztheorie der Wahrheit in Bezug auf die Sprache: Karl Popper, »Zwei Seiten des Alltagsverstandes: ein Plädoyer für den Realismus des Alltagsverstandes und gegen die Erkenntnistheorie des Alltagsverstandes«, in: ders., Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf, Hamburg 1984, S. 32–108, hier S. 44: »Unser Hauptziel in der Philosophie und Wissenschaft sollte die Suche nach Wahrheit sein. […] Doch die Suche nach Wahrheit ist nur dann möglich, wenn wir klar und einfach reden […].« Vgl. als Beispiel für eine hermeneutische Wahrheitsauffassung und die Folgen für die Sprache die Ausführungen zu Max Imdahl, der einen markanten Sprachstil pflegte, von Angeli Janhsen, »Max Imdahl und die ›neue Kunst‹«, in: Regards croisés, 7, 2017, S. 14–23, hier S. 15: »Kunst müsse aktualisiert werden, aufgeführt: ›Kunstwerke sind nicht nur zu erklären, sie sind

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– soweit es die Sprache zulässt – als sie selbst zu vergegenwärtigen, sozusagen aufzuführen.‹« 36

Augsburg 2018 (wie Anm. 6), S. 3. Mainz 2016 (wie Anm. 6), S. 7. 38 Vgl. etwa Augsburg 2018 (wie Anm. 6); Göttingen 2014 (wie Anm. 32); Bielefeld 2018 (wie Anm. 34). 39 Vgl. Mainz 2016 (wie Anm. 6), S. 8–9. 40 Mit Gottfried Boehm, »Zuwachs an Sein. Hermeneutische Reflexion und bildende Kunst«, in: ders., Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens, Berlin 2010, S. 243–267 ließe sich sagen, dass nun starke Bilder behandelt werden, wohingegen zuvor schwache Bilder interessierten: »Starke Bilder sind solche, die Stoffwechsel mit der Wirklichkeit betreiben. Sie bilden nicht nur ab, sie setzen aber auch nicht nur dagegen, sondern bringen eine dichte, ›nicht unterscheidbare‹ Einheit zustande. Es ist diese Interferenz von Darstellung und Dargestelltem, die als kategoriale Umschreibung des Bildes in seiner unverkürzten Mächtigkeit gesehen werden darf. In der Nichtunterscheidung partizipieren wir an beidem: einer ästhetischen Perfektion und einer inhalt­lichen Evidenz. Stark sind solche Bilder, weil sie uns an der Wirklichkeit etwas sichtbar machen, das wir ohne sie nie erführen« (ebd., S. 252). 41 Bawden u. a. 2013 (wie Anm. 31), S. 11. 42 Vgl. ebd., S. 11–12. 43 Fachschaftsrat Kunstgeschichte 2007 (wie Anm. 11). 44 Eine gute Übersicht hierzu bietet Manuel Lima, The Book of Trees. Visualizing Branches of Knowledge, New York 2014. 45 Vgl. zu diesem Bild Steffen Siegel, »Im Wald des Wissens. Sichtbare Ordnungen der Enzyklopädie auf der Schwelle zwischen Kultur und Natur«, in: Atlas der Weltbilder, hrsg. von Christoph Markschies, Ingeborg Reichle, Jochen Brüning und Peter Deufelhard, Berlin 2011, S. 280– 293. 46 Ein typischer Vertreter dieser Auffassung ist Karl Popper (vgl. etwa Anm. 35). 47 Vgl. eine historische Aufarbeitung eines einzelnen Einführungsbuchs durch Heinrich Dilly: »Die erfolgreichste Einführung in die Kunstgeschichte«, in: Kunst­ KritikGeschichte. Festschrift für Johann Konrad Eberlein, hrsg. von Johanna Aufreiter, Gunther Reisinger, Elisabeth Sobieczky und Claudia Steinhardt-Hirsch, Berlin 2013, S. 497–518. Zu aktuellen Einführungen finden sich wenige Arbeiten; hierzu gehören auch relativ wenige Rezensionen. 48 Arbeiten zu Modulhandbüchern betreffen die Kunstgeschichte bislang nicht und sind in erster Linie quantitativ ausgerichtet. Vgl. etwa Michael Kerres und Andreas 37

Schmidt, »Zur Autonomie von Bologna-Studiengängen. Eine empirische Analyse von Modulhandbüchern, in: die hochschule, 2, 2011, S. 173–191. 49 Vgl. Anm. 11 und Bawden u. a. 2013 (wie Anm. 31), S. 40. 50 Jochen Krautz, Ware Bildung. Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie, München 2007, S. 94.

Mediendiskurs und Medienpraxis in ausgewählten Leitfäden

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Sehen lernen

Sehen lernen. Kunstgeschichte in der Schule Joseph Imorde

»Wo lernt unsre Jugend sehen? Denn das Sehen will gelernt sein, und die meisten Menschen können thatsächlich nicht sehen, sie sehen nur, sozusagen, en gros; und doch ist dieses Sehenkönnen die unerläß­liche Vorbedingung alles künstlerischen Urtheils.«1 Wer über die Geschichte der Kunstgeschichte in der Schule sprechen möchte, wird den frühen Befürworter und Förderer der »Verwendung antiker Kunstwerke im klassischen Unterricht«2, den Karlsruher Gymnasialprofessor Hermann Luckenbach (1856–1949) nicht außer Acht lassen dürfen. Luckenbach, der in Tübingen und Straßburg klassische Philologie und Archäologie studiert hatte und sich dann für eine Karriere im badischen Schuldienst entschied, war schon 1886 auf einer Versammlung akademisch gebildeter Lehrer in Freiburg mit der Forderung aufgefallen, man solle den Unterricht der alten Sprachen durch das Betrachten von Bildern bereichern. Der Grund für sein Engagement in dieser Sache war eine für das gesamte Fach Kunstgeschichte wegweisende drucktechnische Neuerung in der Verarbeitung von fotografischen Vorlagen, nämlich die Erfindung der Autotypie, patentiert durch Georg Meisenbach im Jahr 1882. Wie ehemals die »Erfindung der Buchdruckerkunst das Wort zum Gemeingut aller Menschen gemacht habe«, so fand Luckenbach nun die Autotypie dazu berufen, »das Bild in genauer Wiedergabe des Originals in die weitesten Kreise zu tragen.«3

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Joseph Imorde

Die hier greifbare Absicht, fotografische Bilder in Schulbüchern zum Medium kultureller Bildung zu machen und in diesem Zuge die Auseinandersetzung mit Kunst und Kunstgeschichte gesellschaftlich zu verankern, wurde vor 1900 nicht nur von Kunstwissenschaftlern und Didaktikern befördert,4 sondern vor allem auch von verschiedenen Verlagen als Aufgabe angenommen. So erkannte das Verlagshaus E. A Seemann »in der Erziehung der Massen

Abb. 1 Hermann Luckenbach, Abbildungen zur alten Geschichte für die oberen Klassen höherer Lehranstalten, München und Leipzig 1893 (5. Aufl. 1904), Deckblatt

Abb. 2 Hermann Luckenbach, Abbildungen zur alten Geschichte für die oberen Klassen höherer Lehranstalten, München und Leipzig 1893 (5. Aufl. 1904 [?]), Beispielseiten 52–53

zu malerischem Sehen einen der wichtigsten Factoren der Volkserziehung«5 und rechnete aufgrund der niedrigen Preise der firmeneigenen Produkte auf die weiteste Verbreitung von Reproduktionen klassischer Kunst sowohl in den deutschen Haushalten, wie auch in höheren Schulen. Das künstlerische Anschauungsmaterial erhielt dort auch dadurch einen neuen Status, dass man es nun vermehrt schon etablierten Lehrmitteln wie Wandkarten, Globen, physikalischen Instrumenten oder naturwissenschaft­ lichen Präparaten gleichstellte.6 Bezeichnenderweise nahm sich Luckenbach bei seinem Publikationsprojekt mit dem Titel Abbildungen zur Alten Geschichte für die oberen Klassen höherer Lehranstalten, erstmals 1893 im Druck erschienen (Abb. 1–2),7 ein Beispiel an den bei E. A. Seemann schon früher veröffentlichten Bildersammlungen Rudolf Menges, doch

ersetzte er die Kupfer- und Holzstiche nun weitestgehend mit fotografischen Reproduktionen, die er als wirklichkeitsnäher einschätzte. Die sogenannte »Schul- oder Gymnasialarchäologie«8, die Luckenbach mit seinem Buch zu etablieren versuchte, wollte mit den Bildern inhaltlich das Wesent­liche darbieten. Dem Betrachten der größten Schöpfungen griechischer und römischer Kunst kam dabei die Aufgabe zu, den Schülerinnen und Schülern die Geschichte und Kultur des Altertums nahezubringen, sollte sie aber auch zum künstlerischen Sehen anleiten.9 Eben dieses Ziel verfolgte auch eine andere für die Schule konzipierte Bildersammlung, nämlich die des Oberlehrers am Städtischen Gymnasium und Realgymnasium in Bonn am Rhein, Paul Brandt (1861–1932), die zuerst 1904 als Anhang

Sehen lernen. Kunstgeschichte in der Schule

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Abb. 3 Paul Brandt, Bilderanhang zum IV. Teile: Lehraufgabe der Obersekunda. 100 Abbildungen und eine farbige Tafel zur Kunst- und Kulturgeschichte der Griechen und Römer, Breslau 1904, Deckblatt

zum IV. Teil des Lehrbuchs für den Geschichtsunterricht an höheren Lehranstalten von Wilhelm Pfeifer (1857–1939) erschien (Abb. 3–4). Brandt wollte mit den gebotenen Abbildungen die Schüler und Schülerinnen dazu anregen, die Formen der Kunstwerke innerlich nachzuerleben und nachzuempfinden.10 Stärker als bei Luckenbach wurde hier eine Spielart angewandter Einfühlungstheorie zum Motor ästhetischer Bildung. Was die Organisation und Abfolge der historischen Beispiele und auch die Zusammenstellung der verschiedenen Vorlagen betraf, griff Brandt ebenso freimütig auf Luckenbach zurück, wie dieser vordem auf die Seemann’schen Bilderbogen.11 Die Abbildungen der Alten Geschichte wurden gleichsam geplündert und ähn­liche, wenn nicht gleiche ikonografische Arrangements von

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Brandt für den Unterricht der alten Geschichte am Gymnasium in den Bilderanhang übernommen, allerdings in noch kondensierter Form und noch strikterer ikonografischer Anordnung. Was allein als Lehrmittel gedacht war, ging dann mit zwei anderen Bildanhängen 1911 in dem überaus erfolgreichen und bis 1968 immer wieder aufgelegten Buch Sehen und Erkennen auf.12 Während Luckenbach mit Unterstützung des Badischen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts an einem Lehrbuch für das Großherzogtum Baden gearbeitet hatte, stellte Paul Brandt Abbildungen für ein Unterrichtswerk zusammen, das an preußischen Gymnasien benutzt werden sollte.13 Den unterschied­lichen Vorstellungen und Gewichtungen innerhalb der Lehrpläne entsprechend gingen die deutschen Staaten ihre eigenen Wege, was die Verwendung von Anschauungsmaterial betraf. Allerdings hatte sich zwischen dem ersten Erscheinen der Luckenbach’schen Abbildungen 1893 und der Publikation des Bilderanhangs von Brandt 1904 einiges getan. Die Vorherrschaft des rein Verstandesmäßigen im Schulleben wurde – so Adalbert Ipfelkofer – durch die Betonung der Gemüts- und Willensbildung abgelöst.14 Dabei spielten Bilder eine entscheidende Rolle. Zwar blieb umstritten, wie die Gegenstände im Unterricht einzusetzen seien und wie man sie innerhalb der Erziehung der Schülerinnen und Schüler zu gewichten habe, aber es wurde zum Konsens, sie nicht mehr nur als dienende Illustrationen zu verwenden, sondern vielmehr als eigenständige Werke der Kunst zu betrachten. Der Verleger Artur Seemann plädierte 1901 in einem Beitrag für die Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung mit dem Titel »Bildende Kunst in der Schule« für eine Trennung von Anschauungsunterricht und reiner Kunstbetrachtung. Während die Bilder in den einzelnen Disziplinen wie etwa der Alten Geschichte, den alten Sprachen oder im Deutschunterricht noch zu sehr als Dienstleister genutzt würden, seien sie bei der reinen Kunstbe-

Abb. 4 Paul Brandt, Bilderanhang zum IV. Teile: Lehraufgabe der Obersekunda. 100 Abbildungen und eine farbige Tafel zur Kunst- und Kulturgeschichte der Griechen und Römer, Breslau 1904, Beispielseiten 32–33

trachtung von der engen Beziehung zu den Fächern befreit. In diesem Falle stehe nicht die abstrakte Begriffsbildung im Mittelpunkt, sondern man konzentriere sich bei der Kunstbetrachtung allein auf die ästhetische Wirkung des jeweiligen Werkes.15 Nur eine so geartete Nutzung von Bildern könne »Freude an der Kunst«16 vermitteln und die Schüler und Schülerinnen stufenweise zum ästhetischen Sehen anleiten. Man setzte innerhalb einer ästhetisch ausgerichteten Reformpädagogik auf die »Inanspruchnahme der Selbstthätigkeit des Lernenden« und aktivierte – um es mit Georg Warnecke zu sagen – das »Erlebungsprinzip«, das die »überwiegende Verstandeskultur und die mechanische Uebung des Gedächtnisses durch die Bildung der Empfindung zu ergänzen zwingt.«17

Die Grundsätze der Behandlung von Werken der bildenden Kunst für die Belehrung und den Genuss der heranwachsenden Jugend höherer Schulen hatte sich mit der weiten Verbreitung von Druckerzeugnissen aller Art tiefgreifend gewandelt:18 weg von der Schularchäologie als Hilfsdisziplin, hin zur Vermittlung formaler und inhalt­licher Qualitäten des Kunstwerks selbst.19 Solche ästhetischen Erwägungen zogen unter anderem Forderungen nach sich, nun auch die »Schulzimmer mit künstlerisch wertvollen Bildern«20 auszustatten. Alles sollte nun der ästhetischen Bildung dienstbar gemacht werden: das Schulgebäude, die Flure und Klassenzimmer, die Lehrmittel, ja selbst der Unterricht, von dem nicht wenige eine verstärkte Berücksichtigung des Schönen erwarteten. Waren die

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Abb. 5 Blick in den Zeichensaal der Realschule der israelitischen Gemeinde in Frankfurt am Main, 1908

Räume früher öde und kahl gewesen, die Wände grau und schmucklos, überhaupt die Ausstattung einfach bis dürftig,21 bemühte man sich nun, die schulische Umgebung als Ganzes künstlerisch zu gestalten. Eine durchgeformte Atmosphäre könne »still und beständig und darum um so tiefer und nachhaltiger«22 auf die Schülerinnen und Schüler wirken. Die Formen des umgebenden Lebens waren entscheidend, eben jene »Eindrücke, die der Geist noch unbewußt aufnimmt und die ihm, wenn er zu vollem Eigenleben erwacht ist, als die selbstverständ­lichen erscheinen.«23 Man favorisierte das Aufhängen von künstlerischen Bildern im Schulraum auch deshalb, weil diese nicht zuerst auf den Verstand zielten, sondern die Kinder nachhaltig ins Kunstempfinden einführten. Doch natürlich war man sich auch darüber einig, dass eine solche ästhetische Wirkung nicht Teil des eigent­ lichen Unterrichts sein konnte. Ebenso wenig war der künstlerische Wandschmuck Lehrmittel im gewöhn­lichen Sinne.24 Wer durch Anbringung von Bildern im Schulraum eine künstlerische Atmosphäre zu erzeugen hoffte, setzte nicht auf schnellen Lernerfolg, sondern auf nachhaltige Wirkung.25

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»Da der Schüler im Betrachten der Kunstwerke gänzlich ungeübt ist, so steht er in der Regel völlig ratlos vor den zahlreichen Abbildungen, die ihm vorgelegt werden. Meist ist die Zeit zu kurz, die für die Betrachtung der Bilder bleibt. Und doch weiß jeder aus eigener Erfahrung, daß erst ein wiederholtes, eindring­ liches Beschauen dem Kunstwerk alle Schönheiten abzugewinnen vermag. Daraus folgt, daß die Abbildungen längere Zeit in der Klasse verbleiben müssen, damit sich die Schüler in Muße mit allen wesent­lichen Eigenschaften des Bildes vertraut machen können.«26 Nach 1900 setzte sich mehr und mehr die Meinung durch, dass die deutsche Bildung zu lange und zu einseitig die Wissensvermittlung betont habe. Nun sei die Ausbildung der Sinne zu favorisieren, eine Ausbildung des Gefühls, des künstlerischen Sehens und Empfindens.27 Die Kinder sollten die Bilder ohne pedantische Zucht und äußeren Drill betrachten können. Denn erst eine ungezwungene Kunstanschauung biete »in erster Linie Genuß, und deshalb sollte auch die Erziehung zur Kunstan-

schauung in erster Linie Genuß sein.«28 Pointiert konnte der Leipziger Lehrerverband 1906 in einer programmatischen Broschüre mit dem Titel Bildbetrachtungen diesen neuen Grundsatz formulieren: Alleiniges »Ziel aller Bildbetrachtung« ist der »Genuß am Kunstwerk«.29 Nebenziele sind Anregung zu Naturbeobachtung, Erziehung zum Sehen und die Geschmacksbildung der Schüler und Schülerinnen. Ein mit Sorgfalt ausgewählter Wandschmuck stand dabei in der Aufgabe, ästhetische Erlebnisse zu bieten und »allmählich den Kindern zu innerem Eigentum zu werden«30. Wie das in der Praxis aussah, kann hier an einem Beispiel deutlich werden: der künstlerischen Ausschmückung des Neubaus der Realschule der israelitischen Gemeinde in Frankfurt am Main, dem Philanthropin. Dort hatten die Verantwort­lichen – vor allem wohl der Maler Arthur Galliner, der an den Akademien in Berlin und München ausgebildet worden war, Grundsätze für die künstlerische Ausschmückung des Schulgebäudes festgelegt: »Nur Bilder von künstlerischem Wert dürfen als Wandschmuck dienen; unterricht­liche oder fachwissenschaft­liche Nebenzwecke sind ausgeschaltet. Denn der Wandschmuck soll nicht belehren, sondern erfreuen, erheben; er soll die Klassen und Korridore zu gefälligen, heiteren, zu stimmungsvollen Räumen gestalten. Er dient nur dem idealen Zweck, die Kinder empfänglich zu machen für die Schöpfungen der Kunst, ihnen die Augen zu öffnen für die Schönheiten der Natur, damit ihr Geschmack sich läutere und das Bedürfnis nach einer gefälligen, vielleicht auch künstlerischen Gestaltung ihrer eigenen häus­lichen Umgebung sich entwickele.«31 Das verwendete Bildmaterial gliederte sich in zwei Gruppen: Die eine umfasste Reproduktionen nach Werken alter und moderner Meister, die an-

dere Schöpfungen, die eigens als Schulwandschmuck gedacht waren; besonders farbige Lithografien solcher Verlage wie Teubner und Voigtländer hob Galliner hervor. Bei der Verteilung und Anordnung der Bilder wurde darauf Bedacht genommen, dass jeder Korridor, jeder »Fachsaal« und jede Klasse ein möglichst einheit­liches Gepräge bekam. Selbstredend berücksichtigte man die jeweiligen Altersstufen der Kinder.32 Grundsätzlich sollte bei der Behandlung des Wandschmucks jene Forderung wirksam werden, die der Direktor der Kunstgewerbeschule in Stuttgart, Franz August Otto Krüger, 1901 auf dem ersten Kunsterziehungstag in Dresden geäußert hatte: »Hängen Sie nur Bilder auf, die lediglich von selbst und unmittelbar auf die Kinder wirken: bei den kleinen solche, die ihnen etwas erzählen, bei den größeren solche, die auch dekorativ wirken und den Kindern einen Begriff davon geben, wie sie vielleicht später ihre eigenen Wohnräume dekorativ schmücken können. Aber als Künstler bitte ich Sie: Lassen Sie die Erklärungen weg, lassen Sie die Bilder ohne Vermittler wirken. Ein gutes Kunstwerk spricht für sich selbst.«33 Die geforderte atmosphärische Wirkung des Wandschmucks wurde im Zeichensaal der Frankfurter Schule (Abb. 5) vor allem durch Reproduktionen nach Selbstporträts von Albrecht Dürer, Rembrandt van Rijn und Arnold Böcklin verbreitet, zudem noch durch zwei größere Gemäldewiedergaben, namentlich von Meindert Hobbemas Allee von Middelharnis und dem Großen Wasserfall von Jacob Ruysdael. Zusätzlich standen Wechselrahmen zur Verfügung, die man nach Bedarf mit Handzeichnungen, Holzschnitten, Kupferstichen und Radierungen, aber auch mit Reproduktionen nach Gemälden füllen konnte. Im Physiksaal sahen die Schüler und Schülerinnen neben Porträts von

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Isaac Newton und Hermann von Helmholtz, malerische Szenen aus der industriellen Gegenwart, so das Eisenwalzwerk von Adolph Menzel und daneben die Vulkanwerft von Ludwig Dettmann, eine Farblithografie, die der Verlag Teubner erfolgreich vertrieb. Für die Klasse IV, einen täglich genutzten Unterrichtsraum, hatte man thematisch auf historische Motive gesetzt. Dort konnten die Schülerinnen und Schüler eine Ansicht von Paestum betrachten, Oswald Achenbachs Konstantinsbogen, die Zerstörung Trojas von Peter Cornelius und Michelangelos Jeremias aus der Sixtinischen Kapelle des Vatikan.34 Die Ausstattung wollte Stimmungen bieten und sollte allein atmosphärisch auf die Phantasie und das Gefühl der Kinder wirken. Zu diesem Zweck musste der künstlerische Wandschmuck auch unerklärt bleiben.35 Der wahre Genuss eines Kunstwerkes entstehe durch das innere Nachschaffen. Genussfähigkeit setzte ein tätiges Einfühlen voraus, bei dem es vordringlich um die Registratur eines selbstindizierten Gefühlsüberschwangs ging: »Aus der Empfindung geboren, kann die Kunst auch nur mit der Empfindung, dem eigentlich angebornen Kunstgefühl, erfasst werden. Mit Worten lässt sich das Wesent­liche im Kunstwerk nicht wiedergeben. Was gesehen, beobachtet, verstanden, beschrieben werden kann, ist nur das äussere Kleid des Künstlerischen. Das Wort kann nur helfen, die Störungen zu beseitigen, welche dem klaren Sehen und Einfühlen, der Herstellung der direkten Verbindung zwischen dem Kunstwerk und dem Betrachter im Wege stehen. Niemals aber kann das Wort den Kunstgenuss ersetzen.«36 Solche Annahmen avancierten im Kaiserreich und später in der Weimarer Republik zu Grundannahmen der ästhetischen Erziehung. Das gute Bild war keine Sache des reflektierenden Denkens

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mehr, sondern wurde zu einem Ding des unmittelbaren Fühlens.37 Den Zweck einer solchen Betrachtungsweise von Kunstwerken sah etwa Franz Lenbach darin, »das Denken auszusetzen, die Denkmaschine stehen zu lassen, uns das Grübeln zu vertreiben und uns in einen wonnigen Zustand zu versetzen, der mit nagenden Gedanken nichts zu tun hat«38. Wo eine »Kunst für Alle«39 gefordert und das Empfinden zum universellen Erkenntnismittel erhoben wurde, ging es um nichts weniger, als dem Volk »Genussfähigkeit«40 seiner selbst beizubringen. In der Schule wurden dazu die Fundamente gelegt. Was man als Schritt hin »zur Demokratisierung der Kunst«41 werten konnte, das war aber vor allem auch offen für nationalistische Vorstellungen. Was die Reformpädagogik mit dem Kunsterziehungstag von 1901 auf den Weg brachte, war eine vordergründig emanzipatorische Ästhetik von unten, die über die Jahre politisch in Dienst genommen wurde – bis zu dem Punkt, an dem die Einfühlung als Kennzeichen des deutschen Wesens bezeichnet werden konnte.42 Doch ganz ohne Zweifel hing die zunehmende Betonung der ästhetischen Seite schulischer Bildbetrachtung mit der signifikanten Zunahme qualitätsvoller Produkte zusammen. Erst die rasante technische Entwicklung der Reproduktionsindustrie um 1900 konnte den »kunstgeschicht­lichen Anschauungsunterricht«43 in die Sphären höherer künstlerischer Bildung heben und in der Schule eine ästhetische Erziehung etablieren, die den empfindungsbewussten Kunstgenuss favorisierte.

1 Gustav Wustmann, »Seemann’s kunsthistorische ­Bilderbogen«, in: Die Grenzboten, 36, I. Semester, II. Bd., 1877, S. 321–331, hier S. 323. 2 Karl-Heinz von Rothenburg, Geschichte und Funktion von Abbildungen in lateinischen Lehrbüchern. Ein Beitrag zur Geschichte des textbezogenen Bildes (Prismata. Beiträge zur Altertumswissenschaft, XVIII), Frankfurt 2009, S. 59. 3 Hermann Luckenbach, Antike Kunstwerke im klassischen Unterricht. Beilage zu dem Programm des Grossherzog­ lichen Gymnasiums zu Karlsruhe für das Schuljahr 1900/01, München 1901, S. 1. 4 Paul Brandt, Vorschläge für den Kunstunterricht an Gymnasien. Wissenschaft­liche Beilage zum Jahresbericht des städtischen Gymnasiums mit Oberrealschule zu Bonn, Bonn 1900, S. 5: »Seit Jahren tobt der Kampf in Einzelschriften und Programmabhandlungen, in den pädagogischen Zeitschriften und den Verhandlungen der Direktorenkonferenzen.« 5 Dazu die Kritik bei Richard Muther, »Geschmacksverbildung«, in: ders., Studien und Kritiken. Band I: 1900, Wien o. J. [1901], S. 266–275, hier S. 273: »›Alte Meister in farbiger Nachbildung‹ lautet der Titel eines Sammelwerkes, das, wie die ›Zeitschrift für bildende Kunst‹, die Litfass-Säule des Seemann’schen Verlages, verkündet, ›in der Erziehung der Massen zu malerischem Sehen einen der wichtigsten Factoren der Volkserziehung erblickt und in Anbetracht des billigen Preises auf die weiteste Verbreitung in der Familie, den Schulen und Lehranstalten aller Art wird rechnen dürfen‹. Quod Deus bene vertat!« 6 Wustmann 1877 (wie Anm. 1), S. 325. Zu Preisen und Nutzung der Bilderbögen S. 328–329. 7 Hermann Luckenbach, Abbildungen zur alten Geschichte für die oberen Klassen höherer Lehranstalten, München und Leipzig 1893, S. 2 [Vorwort]: »Mehr und mehr hat sich die Erkenntnis Bahn gebrochen, dass die erhaltenen Denkmäler des Altertums mehr als früher im Unterricht zu verwenden sind. Die Art der Verwendung ist zwiefach: entweder kann ein Bild dazu dienen, bei gegebener Gelegenheit eine Schriftstelle besser verstehen zu lehren, oder aber es werden eine Reihe von Denkmälern im Zusammenhange dem Schüler vorgeführt. Dass diese letztgenannte Aufgabe der Geschichtsstunde zufällt, auch darüber ist man einig […].« 8 Siehe »Schularchäologie«, in: Enzyklopädisches Handbuch der Erziehungskunde, hrsg. von Joseph Loos, 2 Bde., Wien 1908, Bd. 2, S. 568–574, hier S. 568: »Betrachtet die Archäologie als Wissenschaft die Form und den Inhalt die-

ser Denkmäler zunächst vom Standpunkte der Kunst aus, so stellt sich die Archäologie in der Schule in den Dienst des Unterrichts und hilft ihm sein Ziel leichter erreichen. Die Schularchäologie ist demnach als Hilfsdisziplin anzusehen, die in erster Linie den Unterricht in den klassischen Sprachen und in der Geschichte und weiters auch in der Muttersprache unterstützen und fördern soll.« 9 Anonym, »Die antike Kunst in der Schule«, in: Die Grenzboten, 51, Viertes Vierteljahr, 1892, S. 224–232, hier S. 227. Siehe auch S. 228: »Eine wichtige Forderung aber ist, daß schon in den untern Klassen nur das beste in guten Abbildungen vorgezeigt werde. Die jüngern Schüler sollen zur Schulung des Auges die Schöpfungen der Blütezeit griechischer Kunst und die großartigsten Werke des kaiser­lichen Roms kennen lernen, gleichsam das Alphabet, mit dem sie später auch andre Zeiten verstehen werden.« 10 Paul Brandt, Bilderanhang zum IV. Teile: Lehraufgabe der Obersekunda. 100 Abbildungen und eine farbige Tafel zur Kunst- und Kulturgeschichte der Griechen und Römer […], Lehrbuch für den Geschichtsunterricht an höheren Lehranstalten von W. Pfeifer […], Breslau 1904, Vorwort [keine Seitenzählung]. 11 Dass die Bilder nicht zuerst zum Genuss anregen sollen, mag einer Weisung zu schulden sein, die in den Lehrplänen und Lehraufgaben für die höheren Schulen in Preußen von 1901 zu finden ist (Halle 1901, S. 31): »Die Verwertung von künstlerisch wertvollen Anschauungsmitteln, wie sie in Nachbildungen antiker Kunstwerke und in sonstigen Darstellungen antiken Lebens reichlich vorliegen, wird empfohlen. Die Betrachtung und Besprechung der Anschauungsmittel soll aber nicht Selbstzweck werden.« Nach Adalbert Ipfelkofer, Bildende Kunst an Bayerns Gymnasien. Erwägungen, Erfahrungen und Vorschläge von Dr. Adalbert Ipfelkofer, K. Gymnasialprofessor, München 1907, S. 44. 12 Siehe Magdalena Bushart, »Die Oberfläche der Bilder. Paul Brandts vergleichende Kunstgeschichte«, in: kritische berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, 37, 1, 2009, S. 36–54, die auf diesen Entstehungszusammenhang nicht hinweist. Siehe Wilhelm Waetzoldt, »Paul Brandt: Bilderanhang zum Lehrbuch für den Geschichtsunterricht an höheren Lehranstalten von Wilhelm Pfeifer, Breslau 1904–7«, in: Monatshefte der kunstwissenschaft­lichen Literatur, 3, 1907, S. 215. 13 Rudolph Menge, »Kunstunterricht am Gymnasium«, in: Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik, hrsg. von Wilhelm Rein, 9 Bde., 2. Aufl., Langensalza 1906, Bd. 5, S. 250–265, hier S. 252–253.

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Ipfelkofer 1907 (wie Anm. 11), S. 8. Artur Seemann, »Bildende Kunst in der Schule«, in: Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung, Nr. 26, Sonntag, den 28. Juni 1903, S. 305–307. 16 Ebd., S. 306. 17 Georg Warnecke, Hauptwerke der bildenden Kunst in geschicht­lichem Zusammenhange. Zur Einführung erläutert von Dr. Georg Warnecke. Mit 441 Abbildungen im Text und 4 Farbendrucken, Leipzig 1902, S. III. 18 Ebd.: »Die Grundsätze für die unterricht­liche Behandlung von Werken der bildenden Kunst, soweit dieselbe nicht wissenschaft­lichen Zwecken dient, sondern auf die Belehrung und den Genuß der heranwachsenden Jugend unserer höheren Schulen sowie des großen bil­ dungsfreund­lichen Publikums abzielt, haben in den letzten vierzig bis fünfzig Jahren eine tiefgreifende Wandlung durchgemacht, die, fast könnte man sagen, von einem ­Extrem zum anderen geführt hat.« 19 Hans Diptmar, Gymnasialarchäologie oder allgemeine Kunstgeschichte? Ein Beitrag zur Frage der Kunsterziehung am Humanistischen Gymnasium. […] Programm des k. humanistischen Gymnasiums Zweibrücken am Schlusse des Schuljahres 1906/07, Zweibrücken 1907, S. 6: »Wenn man nun die Erscheinungen des modernen Bildermarktes vom Standpunkt der Schule aus betrachtet, wobei ich hier zunächst das humanistische Gymnasium im Auge habe, so zeigt sich ein unverkennbares Zurücktreten des rein lehrhaften Bildes.« 20 Ernst Linde, »Über den gegenwärtigen Stand der kunstpädagogischen Bewegung in Deutschland«, in: Die Deutsche Schule, 6, 4, 1902, S. 201–217, hier S. 205–206: »Einmütig wird betont: Es soll kein neues Lehrfach eingeführt werden! Mit diesem Verzichte gehorcht man nicht etwa nur der Not, insofern der Lehrplan unserer Schulen nach keiner Seite hin eine Mehrbelastung verträgt, sondern vielmehr dem eignen Triebe; man fühlt, dass mit einer streng schulmässigen Pflege der ästhetischen Anlagen dem Wesen der Kunst Gewalt angethan werden würde. So beschränken sich denn die Forderungen auf eine Ausschmückung der Schulzimmer mit künstlerisch wertvollen Bildern, auf eine den Anforderungen der Ästhetik ge­ nügenden Herstellung des Schulgebäudes selbst, auf die Betonung der künstlerischen Qualität der Bilderbücher und Jugendschriften, sowie auf weitergehende Berücksichtigung des Schönen im Unterrichte, als es bisher der Fall war. […] Einig ist man sich eben nur darin, dass weder in der eignen Kunstübung des Schülers, noch in einem förm­ lichen Kunstunterricht der Schwerpunkt der künstleri15

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schen Erziehung zu suchen sei, sondern vielmehr darin, dass man das Kind von klein auf in eine Art künstlerischer Atmosphäre versetze, es viel Schönes schauen und geniessen lasse.« 21 Siehe Max Semrau, »Künstlerischer Wandschmuck für Schule und Haus«, in: Die Lehrmittel der deutschen Schule, 1, 5, 1901, S. 52–54, hier S. 52: »Die Erinnerung an das Schulzimmer unserer Kindheit ruft gewiss bei den Meisten das Bild eines recht öden, kahlen Raumes wach. Wie mögen viel Gutes und Schönes in diesem Raume empfangen haben, aber er selbst war von allem, was Schönheit heißt, meilenweit entfernt: die Wände grau und schmucklos, die ganze Ausstattung mehr als einfach, ja dürftig.« 22 Anonym: »Künstlerischer Wandschmuck für Schule und Haus«, in: Schulblatt für die Provinz Brandenburg, 66, 7/8, 1901, S. 391–394, hier S. 392. 23 Anonym, »Künstlerischer Wandschmuck für Schule und Haus«, in: Die Kunst für Alle, 17, 12, 1902, S. 275–278, hier S. 276. 24 Fritz Stahl, »Künstlerischer Wandschmuck für die Schule und im Hause«, in: Die Kunst im Leben des Kindes. Künstlerischer Wandschmuck für Schule und Haus. Bilderbücher. Das Kind als Künstler. Katalog der Ausstellung im Hause der Berliner Secession, Leipzig und Berlin 1901, S. 19– 52, hier S. 26. 25 Meier Spanier, »Künstlerischer Bilderschmuck für Schulen«, in: Versuche und Ergebnisse der Lehrervereinigung für die Pflege der künstlerischen Bildung in Hamburg, Hamburg 1901, S. 55–62, hier S. 56. Siehe Winfried Müller, »Originallithographien als Wandschmuck um 1900. Die Künstlersteinzeichnungen des Leipziger Verlages Merfeld & Donner«, in: Arbeitskreis Bild Druck Papier. Tagungsband Dresden 2005, hrsg. von Christa Pieske, Konrad Vanja, Detlef Lorenz und Sigrid Nagy (Arbeitskreis Bild Druck Papier, 10), Münster, New York, München und Berlin 2006, S. 13–31, hier S. 19: »[…] von der Kunstpädagogik der Zeit geforderten Zurücktreten vordergründiger Didaxe […].« 26 Karl Tittel, »Künstlerischer Wandschmuck in der Schule«, in: Neue Jahrbücher für das Klassische Altertum, Geschichte und Deutsche Literatur und für Pädagogik, 16, 1904, S. 506–528, hier S. 509–510. 27 Ludwig Gurlitt, »Kunsterziehung innerhalb des altklassischen Unterrichtes«, in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur und für Pädagogik, 10, 1902, S. 177–199, hier S. 178. 28 Konrad Lange, »Das Wesen der künstlerischen Erziehung«, in: Kunsterziehung. Ergebnisse und Anregungen

des Kunsterziehungstages in Dresden am 28. und 29. September 1901, Leipzig 1902, S. 27–38, hier S. 34. 29 Ernst Goldhagen, »Grundsätz­liches über Bildbetrachtungen«, in: Bildbetrachtungen. Arbeiten für Kunstpflege des Leipziger Lehrervereins, hrsg. vom Leipziger Lehrerverein, Leipzig 1906, S. 7–20, hier S. 10. 30 Arthur Galliner, »Der Wandschmuck im neuen Schulgebäude«, in: Beilage zum Programm der Realschule der israelitischen Gemeinde Philanthropin (Realschule und höhere Mädchenschule) zu Frankfurt a. M. Ostern 1909, Frankfurt am Main 1909, S. 20–25, hier S. 21. 31 Ebd., S. 22. 32 Ebd. 33 Ebd., S. 23. Galliner bringt eine leicht gekürzte Fassung, ich den gesamten Wortlaut des Diskussionsbeitrags. Franz August Otto Krüger, Kommentar in der Sektion »Der Wandschmuck«, in: Kunsterziehung 1902 (wie Anm. 28), S. 128–129. 34 Galliner 1909 (wie Anm. 30), S. 25. 35 Elisabeth Toussaint, »Künstlerische Erziehung in der Schule«, in: Die Lehrerin in Schule und Haus 12, 27, 1906, S. 723–731, hier S. 729. Siehe auch Heinrich Möhn, »Künstlerischer Wandschmuck für Schule und Haus«, in: Evangelisches Schulblatt, 46, 4, 1902, S. 174–180, hier S. 176. 36 Ulrich Diem, Bildbetrachtung. Eine Wegleitung für Kunstfreunde. Mit einer farbigen Tafel und 22 schwarzen Abbildungen, St. Gallen 1919, S. 228. 37 Theodor Alt, Die Möglichkeit der Kritik neuer Kunstschöpfungen und der Zeitgeschmack. Anhang: Die Aesthetik Albrecht Dürers, Mannheim 1910, S. 101. 38 Wilhelm Wyl (Wilhelm Ritter von Wymetal) und Franz von Lenbach, Gespräche und Erinnerungen, Stuttgart und Leipzig 1904, S. 135. 39 Ferdinand Avenarius, »Unsere Sache«, in: Der Kunstwart, 1895/96, S. 1–3, hier S. 1–2. Vgl. Edgar Herrenbrück, Literaturverständnis im wilhelminischen Bürgertum. Eine Untersuchung konservativer Zeitschriften zwischen 1900 und 1914, Diss. Univ. Göttingen 1970, S. 12. 40 Johannes Richter, Die Entwicklung des kunsterzieherischen Gedankens als Kulturproblem der Gegenwart nach Hauptgesichtspunkten dargestellt, Diss. Univ. Leipzig 1909, S. 120–121. 41 W. Fred, Die Wohnung und ihre Ausstattung (Sammlung Illustrierter Monographien, 11), Bielefeld und Leipzig 1903, S. 138. 42 Eduard Wechßler, Esprit und Geist. Versuch einer Wesenskunde des Deutschen und des Franzosen, Bielefeld und Leipzig 1927, S. 51. 43 Warnecke 1902 (wie Anm. 17), S. IV.

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Strahlen der Begeisterung. Skioptikon und Projektionsvortrag in der kunstgeschicht­lichen Schul- und Volksbildung um 1900 Andreas Zeising

I.

Noch im Jahr 1893 zeigte sich der spätere Tübinger Ordinarius Konrad Lange überzeugt, dass der Diaapparat für die kunstgeschicht­liche Unterweisung an den Universitäten »keine große Bedeutung hat«.1 So kann man sich irren: Wenige Jahre später zählte die Lichtbildprojektion zu den weithin etablierten Unterrichtsmedien in den akademischen Kollegs. Die Bedeutung der Diaprojektion als »Prothese« der universitären Kunstgeschichte ist seit Heinrich Dillys Untersuchungen aus den 1970er Jahren unbestritten.2 Weniger Aufmerksamkeit wurde hingegen der Frage gewidmet, welche Rolle das Lichtbild jenseits der akademischen Wissenschaft, nämlich in der populären Vermittlung spielte.3 Wenn etwa Max Schmid 1899 den »Lichtbilderapparat« als »wirksamen Faktor zur Kunstbildung des Volkes, zur Erziehung einer künstlerisch fühlenden und verstehenden Nation« bezeichnete, dann war damit vor allem das weite Feld der Breitenbildung angesprochen.4 Um 1900 standen mit der Kunsterziehungs- und Volksbildungsbewegung allerorten die Zeichen auf Teilhabe am Schönen.5 Ästhetische Sensibilisierung erschien in Zeiten, da materialistisches Zweckdenken und Fortschrittsgläubigkeit den Alltag dominierten, als dringende Notwendigkeit. »Die Kurve der ästhetischen Bildung in Deutschland ist wieder einmal im Aufsteigen begriffen. Das Erfreulichste an der Sache ist aber, daß diesmal offenbar auch die Massen mit-

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Andreas Zeising

gezogen werden sollen«,6 hieß es 1901 im Vorwort zur Ernst Lindes Buch Kunst und Erziehung. Für die Breitenbildung war die mediale Vermittlung dabei schon aus praktischen Gründen ein un­um­ gäng­liches Erfordernis. Denn mochte man zwar einerseits im Namen der Lichtwark-Pädagogik immer wieder auf den Wert der Begegnung mit dem Original hinweisen, so ließ sich diese Forderung in der Praxis doch nur in sehr beschränktem Umfang einlösen. Wie, wenn nicht durch Reproduktionen, konnten die ›seelischen‹ Gehalte des Kunstwerks vermittelt, wie zum ›Genuss‹ der Werke angeleitet werden? Die Krux lag darin, dass die Vermittlung an ein Publikum adressiert war, das die vielbeschworenen Originale überhaupt nicht kannte und sie womöglich nie in Augenschein nehmen würde (und daran hat sich ja seither wenig geändert). Die Arbeit mit der Reproduktion konnte sich mithin nicht als Propädeutikum verstehen, sondern sie stand vor der Aufgabe, den versprochenen ›Genuss‹ in verlustfreier Weise medial zu vermitteln. Im Folgenden will ich aus sozial- und medien­ geschicht­licher Perspektive skizzieren, welche Anforderungen und Erwartungen sich dabei um 1900 im Bereich der kunstgeschicht­lichen Schulbildung mit dem Einsatz des Skioptikons verbanden und wie in diesem Zusammenhang eine spezifisch schulische Didaktik starkgemacht wurde, die sich vom bloßen volksbildnerischen Diavortrag unterscheiden sollte.

II.

»Die Zeit, da man auf unseren höheren Schulen an der Hand von Lessings Laokoon in Kunst und Kunstentwicklung eingeführt wurde, ist endgültig vorüber. Kunst will empfunden werden. Um aber zu echter, nicht bloß vorgestellter Empfindung zu werden, müssen die Kunsteindrücke ihren Weg durch die Sinne nehmen.«7 Georg Howe, der Direktor der Düsseldorfer Luisenschule, eines Gymnasiums für »höhere Töchter«, sprach für viele, als er 1911 im Vorwort zum Schullichtbilder-Katalog der Firma Liesegang die Vorzüge der Arbeit mit dem Skioptikon in hohen Tönen pries. Damals war der Einsatz visueller Medien in den Schulen bereits nicht mehr wegzudenken. Zu Beginn der 1890er Jahre war der ­Anschauungsunterricht, den die Pädagogik seit ­Johann Heinrich Pestalozzi, Johann Friedrich Herbart, Wilhelm Rein und anderen zum Königsweg der Didaktik erhoben hatte, in den ministerialen Empfehlungen für die preußischen Gymnasien verankert worden. Zum Einbezug der »Kunstbetrachtung« in den Unterricht war dabei ausdrücklich ermuntert worden.8 Ein Schulfach Kunst, wie wir es heute kennen, existierte freilich nicht, was übrigens ein von akademischen Kunsthistorikern oft beklagter Missstand war.9 Nur an den »höheren Töchterschulen« war in Preußen ein stilkund­licher Abriss in Kunstgeschichte curricular vorgesehen.10 An den Gymnasien lag es hingegen im Ermessen der Lehrer, wie und in welchem Umfang ›Kunstbetrachtung‹ in den Unterricht einzubringen war. Verbind­liche Methoden der Unterweisung gab es dabei ebenso wenig wie einen Kanon dessen, was konkret zu vermitteln war. Zwei Richtungen standen sich dabei gegenüber: Vielerorts erachtete man Kunstgeschichte als gelegent­liche Ergänzung zum Unter-

richt in Fächern wie Geschichte und Literatur, die mit kulturgeschicht­lichen Höchstleistungen, vor allem aber auch mit dem nationalen künstlerischen Erbe vertraut machen und so der »Wiedergeburt unseres Volksgeistes«11 Rechnung tragen sollte, wie es in wilhelminischer Diktion hieß. Andererseits war eine wachsende Zahl von Enthusiasten bemüht, die Schüler der Oberstufenklassen in fakultativen Zusatzstunden nicht nur systematisch in der Kunstgeschichte zu unterweisen, sondern vor allem an den ›Genuss‹ der Werke heranzuführen. Das Verlagsgewerbe hatte sich auf einen entsprechenden Bedarf längst eingestellt: Angefangen bei Schulwandtafeln über Wand- und »Meisterbilder« für das Klassenzimmer bis hin zu illustrierten Mappenwerken waren zu allen kunstgeschicht­lichen Stilepochen Bildmedien lieferbar, deren gediegene Qualität und ›künstlerischen‹ Wert man mit beständigem Nachdruck anpries.12 Das Skioptikon nahm unter den eingesetzten Unterrichtsmedien in der Zeit nach 1900 im Grunde keine Sonderstellung mehr ein (Abb. 1).13 Tatsächlich war die Technik ja nicht neu, sondern in anderen Fächern bereits weithin in Gebrauch. Zwar konnte der Gymnasialprofessor Lothar Koch, der in Bremerhaven einen kunstgeschicht­lichen Oberstufenkurs mit Lichtbildstunden einrichtete, 1896 über die verbreitete Gleichgültigkeit in Lehrerkreisen gegenüber der Erfindung klagen und seine Schwierigkeiten schildern, entsprechende Bilder für seine kunstgeschicht­liche Unterweisung überhaupt erst einmal zu beschaffen.14 Doch findet sich schon 1899 im Encyklopädischen Handbuch der Pädagogik ein eigenes Lemma zum Thema »Skioptikon im Kunstunterricht«, in dem es heißt: »Groß auf die Wand geworfene Schattenbilder für den Unterricht zu benutzen, wird neuerdings immer häufiger versucht«.15 Verfasser des Artikels war kein Geringerer als Herman Grimm, der sich allerdings damit begnügte, eine gedrängte Zusammenfassung seines 1892 in der Nationalzeitung erschienenen (und bis

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Abb. 1 Ankäufe archäologischer und kunstgeschichtlicher Unterrichtsmedien, aus: Jahresbericht des k.k.l. Staatsgymnasiums in Czernowitz, 1902/03

heute vielfach zitierten Erfahrungsberichts) über die Lichtbildprojektion im universitären Hörsaal zu liefern.16 Dass es ausgerechnet ein schulferner Akademiker wie Grimm war, der den Artikel zur Didaktik der Kunstgeschichte im Handbuch beisteuerte, und nicht etwa der vormalige Lehrer Bruno Meyer, ein Pionier des kunstgeschicht­lichen Schulunterrichts und Ordinarius für Kunstgeschichte, der früh für den Gebrauch des Skioptikons geworben hatte, wurde in den Pädagogischen Monatsheften damals nachdrücklich kritisiert.17

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Andreas Zeising

Den zahlreichen Schulprogrammen und Jahresschriften der Gymnasien, auf die ich mich im Folgenden hauptsächlich beziehe, lässt sich entnehmen, in welchem Umfang die kunstgeschicht­liche Unterweisung mit dem »Schattenbildwerfer« in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg tatsächlich in den Schulen Einzug hielt. Noch immer war sie zwar ein Gegenstand der Diskussion, doch ging es dabei vor allem um das ›Wie‹. Willy Scheels weitläufige Abhandlung Das Lichtbild und seine Verwendung im Rahmen des regelmäßigen Schulunter-

richts führte 1908 die »Kunstlehre« bereits als vorzüglichstes Anwendungsgebiet für das Skioptikon an (Abb. 2).18 Der Münchner Gymnasialprofessor Adalbert Ipfelkofer nannte es 1907 ein schulisches Lehrmittel, »dem an Leistungsfähigkeit und an Vielseitigkeit kein anderes auch nur gleichkommt«, da man »vor solchen Lichtbildern fast der gleichen Sensationen teilhaftig werden kann wie vor den Originalen«; »Für die Erzielung eines starken Eindruckes auf den Beschauer […] und für die Besprechung mit größeren Klassen gibt es für den Kunstunterricht am Gymnasium nichts Besseres als das Skioptikon.«19 Das geeignete Equipment sowie technische Gebrauchsanweisungen für den Schulalltag waren damals im Handel zu beziehen, wenngleich nicht billig.20 Neben der Herrichtung eines verdunkelbaren »Lichtbildzimmers«, schlug die Anschaffung eines geeigneten Projektors, je nach Lichtstärke, mit wenigstens einhundert Mark zu Buche.21 Hinzu kamen nicht unerheb­liche Anschaffungskosten für die Diapositive. Eine kostensenkende Kooperation zwischen den Kultusministerien und den Herstellern entsprechender Bilder wurde zwar oft gefordert,22 kam aber offenbar ebenso wenig zustande wie der Aufbau eines schulischen Leihverkehrs. Auf Initiative des schon erwähnten Gymnasialdirektors Lothar Koch unternahm zwar die von Bruno Meyer geführte Photographische Kunst- und Verlagsanstalt Helios 1896 den Vorstoß, »für alle höheren Schulen Deutschlands ein Leihinstitut einzurichten, aus dem die für zehn Vorträge nötigen Bilder zu dem geringen Preise von 40 Mark entliehen werden konnten«,23 ein entsprechendes Rundschreiben an sämt­liche Direktoren höherer Lehranstalten verzeichnete allerdings einen derart geringen Rücklauf, dass die Idee schnell im Sande verlief. Letztlich lag es damit im Ermessenen jeder einzelnen Schule, sich die nötigen Bilder aus dem riesigen Angebot zu beschaffen (Abb. 3). Der Katalog des Berliner Unternehmens von Franz Stoedtner

Abb. 2 Willy Scheel, Das Lichtbild und seine Verwendung im Rahmen des regelmäßigen Schulunterrichts, Leipzig 1908

verzeichnete 1899 bereits 10 000 lieferbare Diapositive zur Kunstgeschichte.24 Das führende Unternehmen für den Schulbedarf, Eduard Liesegang in Düsseldorf, legte 1911 einen Katalog kunstgeschicht­ licher Lichtbilder speziell für den Gebrauch an höheren Schulen vor (Abb. 4).25 Ein Grundstock von 200 Durchlichtvorlagen wurde hier mit einem Anschaffungspreis von 160 Mark beziehungsweise einer Mark pro Einzeldia veranschlagt. Die als »vollständige Sammlung« von 612 Dias inserierte Kollektion kostete stolze 480 Mark, sie dürfte allerdings aufgrund des Umfangs für die allermeisten Schulen kaum für den Erwerb in Frage gekommen sein. Alternativ konnte man Dias von Liesegang zu einem Preis von 15 Pfennig pro Bild und Woche für den Schulgebrauch ausleihen. Anderorts ging man

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Abb. 3 Diapositive für den Geschichtsunterricht, aus: Schulwart. Ein ausführliches Verzeichnis der besten Lehr- und Lernmittel, Ausgabe 1914

kurzerhand zur Selbstanfertigung von Diapositiven über (Abb. 5). In der Unterrichtspraxis konkurrierte der Einsatz des Skioptikons mit dem Gebrauch gedruckter Unterrichtsmedien. Neben fotografischen Tafeln waren dabei für den Schulgebrauch konzipierte Bildatlanten, etwa die Publikationen für den altsprach­lichen und den Geschichtsunterricht von Paul Brandt oder Hermann Luckenbach, sowie die Tafelbände des Leipziger E. A. Seemann-Verlags von Georg Dehio, Rudolf Menge und Georg Warnecke führend.26 Letztere waren in vielen höheren Schulen sogar noch bis in den 1920er Jahre hinein in Benutzung. In der Praxis erwies sich der Umgang mit Bildern und Bildatlanten – einmal abgesehen von den zum Teil veralteten Illustra­ tionen im Holzschnitt – allerdings in vielerlei Hinsicht als problematisch. So wartete selbst Warneckes im Umfang reduziertes Kunsthistorisches Bilderbuch, um ein Beispiel zu nennen, mit einer Unmenge mittelmäßiger Autotypien in stilge­ schicht­lichen Zusammenstellungen auf (Abb. 6).27

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Wirk­liche »Kunstbetrachtung«, so monierte man in Kreisen der progressiven Lehrerschaft, war mit solchen billigen Bildern kaum zu leisten: »[D]ie packende Wirkung des Ganzen fehlt, zur Weckung des Kunstempfindens strömt zu wenig aus von diesen Bildchen.«28 Demgegenüber bot die Lichtbildprojektion das Kunstwerk nicht nur »in imponierender Größe und Klarheit«29 dar, sondern auch in jener isolierten Betrachtungsweise, auf die es nach verbreiteter Ansicht ankam. Schließlich war es ja so, wie Josef Strzygowski 1907 mit Gewissheit feststellte, dass es sich im Kunstunterricht »nicht lange genug bei ein und demselben Kunstwerke verweilen [ließ]. Nur durch Vertiefung kann, was hinter aller Erscheinung steckt, der Inhalt, erschaut werden.«30 Dass ausgerechnet Strzygowski als entschiedener Gegner des Skioptikons im Schulunterricht auftrat, mutet daher sonderbar an, leistete das Lichtbild nach verbreiteter Ansicht doch gerade hier, bei der vertiefenden Betrachtung des Einzelwerks, mehr als konkurrierende Unterrichtsmedien.

Abb. 4 Kunstgeschichtliche Sammlung für höhere Lehranstalten, Katalog der Firma Eduard Liesegang, Düsseldorf, 1911

Der Einsatz von gedruckten »Anschauungsbildern« warf zudem in der Praxis zuweilen weitere schultypische Probleme auf. Scheel nannte deren »Wirkung« mehr als zweifelhaft, »wenn die gezeigte Reproduktion nicht genügend groß ist, um von allen Schülern gleichzeitig gesehen und erkannt zu werden.«31 Hilfslehrer Robert Eins aus Danzig warnte jedoch die Kollegen eindringlich vor dem etwaigen Herumreichen gedruckter Bildvorlagen unter halbwüchsigen Schülern, die womöglich weniger des ideellen Gehalts als vielmehr nur der sinn­lichen Oberfläche gewahr wurden: »[M]an sieht in den Händen gewisser Jünglinge nicht gern Wiedergaben eines erhabenen, von reinem, idealem Wollen gezeitigten Kunstwerkes.«32

Abb. 5 Julius Busch, Die Lichtbilder-Sammlung des Gymnasiums und der Realschule zu Mülheim (Ruhr), 1906

Willy Barczat sprach in seiner Broschüre Bildende Kunst und Schule drastisch von der »Nichtswürdigkeit der Finger«, die der idealen Nacktheit einer Venus Medici oder des Apoll vom Belvedere habhaft wurden.33 Dem fragwürdigen Hantieren mit gedruckten Bildern war Abhilfe zu schaffen mit der entmaterialisierenden Lichtbildprojektion, die das Kunstwerk in auratischer Unnahbarkeit ins dunkle Klassenzimmer zauberte. »Dem Auge erscheint nichts als das Bild allein […]«, beschrieb Barczat die Bannkraft der Projektion, die ihm geradezu wie »der von Menschenhand nicht berührte Vermittler des Kunstwerkes selbst« erschien:

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Abb. 6 Georg Warnecke, Kunstgeschichtliches Bilderbuch für Schule und Haus, 8. vermehrte Auflage, Leipzig 1914

»Jede Einzelheit kann herausgeschnitten und zur wünschenswerten Deutlichkeit gebracht werden. Ferner lassen sich bequem je nach Wunsch nebeneinander oder im Bruchteil einer Sekunde hintereinander Vergleiche vorführen. Vor allem empfiehlt es aber seine unvergleich­liche Lichtwirkung.«34 In ähn­licher Weise sah Herman Grimm die Eigentümlichkeit des neuen Mediums darin begründet, die Werke »augenblicklich auf der Fläche leuchtend erscheinen und sofort wieder verschwinden zu lassen«, wodurch sie »tief in das Gedächtnis der jungen Leute eindringen.«35 Zweifellos war hier ein wichtiger und vielleicht zu selten betonter Aspekt des Projektionsbildes benannt, nämlich dessen intensives Eigenleuchten, durch das sich das im dunklen Klassenzimmer gezeigte Kunstwerk kategorial von jedem materiellen Original unterschied.

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Das Faszinosum der »leuchtenden Erscheinungen«36 und ihre Anziehungskraft auf junge Zuhörer erinnert zudem an die Charakteristik heutiger Displays, deren Attraktion, wie manche Lehrkraft weiß, mit den Gegenständen der Unterweisung nicht selten kollidiert. Alles in allem fand das Projektionsbild in der Zeit um 1900 überwiegend Fürspruch. Nur konservative Kulturkritiker monierten damals das vermeintlich »Vorübergehende, Flüchtige der Skioptikonbilder«,37 also sozusagen deren Virtualität, die dem vermeint­lichen Ewigkeitscharakter des Kunstwerks zuwiderzulaufen schien. Tatsächlich war es aber die mehrheit­liche Meinung, dass das projizierte Bild gerade in seiner immateriellen Epiphanie, wenn nicht das Erlebnis des Originals, so doch in jedem Falle noch die beste gedruckte Reproduktion in den Schatten stellte. Am künstlerischen Wandschmuck etwa, der tagein, tagaus die Flure

zierte, mussten sich die Schüler ja notgedrungen »müde sehen«, wie es hieß: »Wird dann ein Bild, gleichviel welchen Gegenstandes, wirklich einmal im Unterricht behandelt, dann pflegen die Schüler vor lauter Bekanntschaft mit der Reproduktion nichts zu sehen, und eine Wirkung ist vollkommen ausgeschlossen.«38 Andererseits kannte man auch damals schon die Klage über das »zerfahrene, nicht bei der Stange bleibende, abspringende und flackernde Wesen« der Schüler, ja die generelle »Unfähigkeit der Gegenwartsmenschen[,] sich ruhig zu vertiefen.«39 Die Lichtbildprojektion versprach in beiden Fällen Abhilfe, entfachte das Erscheinen der »Strahlbilder«40 aus dem Nichts doch eine immer neue Anteilnahme: da die Aufmerksamkeit im Dunkel in keiner Weise abgelenkt wurde, stand das Kunstwerk jederzeit im Mittelpunkt des Interesses. Willy Scheel schilderte eine kunstgeschicht­liche »Lichtbildstunde« mit der 7. Klasse wie folgt: »[Ich] richtete Apparat und Bilder mit Hilfe eines Kollegen sorgsam her. Darauf führte ich kurz vor Beginn des Unterrichts meine Quarta in geordnetem Zuge ins Lichtbildzimmer, hieß sie Platz nehmen, entzündete meine Kontrolllampe, ließ den Apparat durch Stöpselkontakt angehen und darauf das Zimmer verdunkeln. Meine 44 Schüler saßen auch im Dunkeln mäuschenstill und voller Erwartung. Ich stellte sodann einen vorher instruierten Quartaner, den ›Senior‹ der Klasse, neben den Apparat, um das Einstecken der Bilder zu besorgen und kann nur sagen, daß alles ohne Tadel funktionierte und die prächtigen Lichtbilder großen Eindruck machten.«41 Freilich besaß die Dunkelheit des Vorführraums auch ihre Nachteile – nicht zuletzt, da sie die vermeintlich moralisch ungefestigte Jugend in verführerische Unsichtbarkeit hüllte. Lothar Koch, der den Unterricht in Kunstgeschichte als eine »nur

reifen Schülern zu gewährende Vergünstigung« empfahl, setzte darauf, dass »Würde und Schönheit des zu behandelnden Gegenstands« vor »Ausschreitungen« schützten.42 Der Erfolg gab ihm Recht: »Die Haltung der Schüler während der Vorträge selbst in dem völlig verdunkelten Räume war musterhaft.«43 Schwerer wog der Einwand, dass die Dunkelheit des Vorführraums kommunikative Barrieren zwischen dem Lehrenden und den Schülern errichtete. Galt doch den aufgeschlossenen Pädagogen die »zwanglos behag­liche Besprechung«,44 wie Paul Brandt es einmal nannte, als wesent­liches Instrument der Werkbetrachtung. Gedacht war sie als dialogische Gesprächspädagogik, die die Schüler dahin führen sollte, visuelle Eindrücke und eigenes Erleben kommunikativ zu teilen. Daher war es »zu bedauern, daß es auch bei dem lichtstärksten Apparat nicht möglich ist, genau Auge- und Mienenspiel der Anwesenden als Probe für Teilnahme und Verständnis zu erfassen«.45 Auch Strzygowski warnte als erklärter Gegner des Skioptikons im Schulunterricht nicht nur vor drohender Schädigung der Augen, sondern vor allem vor dem pädagogischen Kontrollverlust, den die Lehrperson im Dämmerlicht erleiden müsse.46 Doch abgesehen von der mangelnden »Augenfühlung«47 zwischen Lehrperson und Auditorium erwies das Skioptikon, wie überzeugte ›Laternisten‹ meinten, gerade dort seine Vorteile, wo es darum ging, »das rein Künstlerische und Formale zum Gegenstand der Erläuterung zu machen«, so der bereits genannte Max Schmid: »Eben darin liegt ein nicht genug gewürdigter Vortheil für Lehrer und Lernende, die beide von der Theorie zur Praxis, von der Aesthetik zur Erziehung des Auges geleitet werden.«48 Aus diesem Grund war die Unterweisung mit dem Apparat auch keineswegs empfohlen für jene rückwärtsgewandten Lehrer, die, wie Adalbert Ipfelkofer kritisch anmerkte, »Kunst-

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Abb. 7 Werbeanzeige des Unternehmens Eduard Liesegang, 1909

geschichte nun à la Lübke treiben, ebenso jene, die das Lichtbild mehr nur nebenher als Illustration zum kunstgeschicht­lichen Vortrag verwenden statt als Ausgangs- und Mittelpunkt.«49 »Unbequem ist die Anwendung des Skioptikons denjenigen Lehrern, welche daran gewöhnt sind, nur aus einem Hefte vorzutragen«,50 so noch einmal Herman Grimm.

III.

Die letzten Anmerkungen führen zu der interessanten, wenngleich in der Kürze nicht vollständig zu beantwortenden Frage, inwieweit die Einführung der Lichtbildprojektion an einem methodisch-

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didaktischen Umbruch in der schulischen Kunstvermittlung beteiligt war. »Gerade die Mitarbeit des Schülers in stufenweis[e] sich erhöhender Anforderung zu erzielen, ist die Absicht und der Zweck der Lichtbildstunde in der Schule: sie unterscheidet sich dadurch vom Lichtbildvortrag vor stummen Zuschauern«,51 konstatierte Willy Scheel im Jahr 1908. Er brachte damit nicht so sehr den Unterschied zwischen schulischer und universitärer Praxis auf den Punkt, sondern grenzte die Kunstvermittlung in der Schule vor allem gegen das weite Feld der kunstgeschicht­lichen Volksbildung ab. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hatte die populäre Kunstvermittlung in der Volksbildung enorme Zuwächse verzeichnet. Dabei hatte die Lichtbildprojektion auch hier einen wahrhaften Triumphzug erlebt. Anders als die Schulen verfügten die Bildungsvereine, Vortragszirkel und Volkshochschulen über organisatorische Erfahrung und Professionalität, um den Medieneinsatz koordiniert zu gestalten. Dazu zählte nicht zuletzt der Einsatz konfektionierter Diaserien samt zugehöriger Vortragstexte. 1902 richtete die als Dachorganisation fungierende Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung einen eigenen Verleih von Skioptikonbildern ein, der die angeschlossenen Kör­ perschaften mit Bilderserien sowie bei Bedarf mit vollständig ausgearbeiteten Projektionsvorträgen belieferte ‒ darunter et­liche zu Themen der Architektur und bildenden Kunst.52 Auch eine Organisation wie der Dürerbund bot entsprechende Lichtbildserien für den Verleih an.53 Kommerzielle Anbieter wie Stoedtner und E. A. Seemann erkannten rasch das Marktpotenzial. Für Stoedtner arbeitete etwa der Kunsthistoriker Wolfgang von Oettingen entsprechende Vorträge aus.54 Der hartnäckigste Promotor des kunstgeschicht­ lichen Lichtbildes war allerdings das 1854 gegründete Düsseldorfer Familienunternehmen Liesegang,55 das selbst keine Durchlichtvorlagen produzierte, sondern Dias der Anstalten Hanfstaengl,

Schauer und der französischen Firma Braun, Clément & Co. vertrieb (Abb. 7).56 Liesegang betätigte sich in erster Linie als Hersteller optischer Projektionsapparate und technischen Zubehörs. Dementsprechend wirkte das Unternehmen früh auch publizistisch darauf hin, die Verbreitung des Skioptikons zu befördern und es vom Makel des Unterhaltungsmediums zu befreien.57 Wohl wissend, dass viele Volksbildungsinstitutionen weder über die technische Ausrüstung noch über fachlich geschulte Redner verfügten, vermietete Liesegang auf Wunsch komplette Lichtbild­ serien samt Projektor und dem zugehörigem Vortragstext (Abb. 8). Auf diese Weise konnten kunstgeschicht­liche Vorlesungen mit dem Skioptikon auch von völlig fachfremden Vortragenden oder ›Wanderrednern‹ gehalten werden. Lieferbar waren, soweit dies heute zu rekonstruieren ist, »Laternbildervorträge« über Dürer, Leonardo, Raffael und andere italienische Meister sowie über Rembrandt und die französische Malerei des 19. Jahrhunderts, das heißt ein gängiger bildungsbürger­ licher Kanon.58 Ausgearbeitet wurden die Vorträge von dem heute vergessenen Kunsthistoriker Berthold Daun,59 der sich in diesem Zusammenhang nachdrücklich für eine Popularisierung der Kunstgeschichte aussprach, deren gesammelte Früchte eben nicht in der Gelehrtenstube verdorren, sondern »frisch unter das Volk zu vertheilen«60 seien. Die von Daun ausgearbeiteten und von Liesegang vertriebenen Vorträge – nur darauf kommt es mir an dieser Stelle an – waren ihrem angedachten Gebrauchszweck entsprechend konventionell aufgebaut. Das Verhältnis zwischen dem Vortragenden und den Zuhörern war eindimensional, wenngleich nicht so unpersönlich wie im Falle des Ableierns einer Schallplatte (ein Medium, das sich auf dem Feld der kunstgeschicht­lichen Volksbildung nie recht etablieren konnte). Der sehr dichte und alles andere als kurze Vortragstext erforderte zweifellos fokussierte Aufmerksamkeit. Begleitet wurde

Abb. 8 Berthold Daun, Rembrandt (Projektionsvorträge aus der Kunstgeschichte, Heft VI), Düsseldorf 1904

jeder Vortrag von etwa fünfzig bis sechzig Lichtbildern, was bei einer angenommen Vortragsdauer von anderthalb Stunden einer zügigen Bildfrequenz von etwa neunzig Sekunden entspricht.61 Solch eilfertiges Vorgehen war nun allerdings das krasse Gegenteil von dem, was progressive Pädagogen mit dem schulischen Lichtbildvortrag bezweckten. »Nichts wäre verkehrter[,] als mit einer möglichst großen Fülle von Kunstwerken und Abbildungen imponieren, die Schüler von Bild zu Bild jagen zu wollen.«62 Nicht ohne Stolz erwähnte Willy Scheel, in einer Anschauungsstunde nur ein einziges Dia mit seinen Schülern betrachtet zu haben, nämlich Tizians Zinsgroschen.63 Gerade darin, dass im Unterricht durch »schauende Aufnahme alles Sinnfälligen«64 die Transformation der

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passiv Rezipierenden in aktiv Betrachtende anzustreben war, sollte sich die Kunstanschauung in den höheren Klassen unterscheiden vom Kathedervortrag, wie er in der kunstgeschicht­lichen Erwachsenenbildung üblich war. Tatsächlich, das deutet sich hier an, war der »Bildwerfer« in der Schule mehr als nur ein technisches Hilfsmittel. Er veränderte Diskurs- und Argumentationsweisen und war das Mittel der Wahl – so sahen es jedenfalls fortschrittlich eingestellte Pädagogen – um eine aktive Didaktik der ›Besprechung‹ und des ›Sehen-Lernens‹ anzuregen. Den ›Lichtbildunterricht und seine Methode‹ wollte Scheel dabei konsequent auf den Ansatz der Reformpädagogik verpflichtet wissen, wie ihn Lichtwark, Lange, Ludwig Volkmann und andere formuliert hatten: »Doch wenn auch auf der Oberstufe der Vortrag des Lehrers überwiegt, muß strengstens darauf gehalten werden, daß der Schüler sich nicht nur als Zuschauer fühlt. Ich pflege nicht nur auf der Unterstufe, sondern gerade bei der Betrachtung von Kunstwerken selbst in [der] Oberprima von der Lichtwarkschen Methode nicht abzugehen, die folgende drei Stufen der Behandlung empfiehlt: Man lasse das Bild reden, den Schüler fragen, den Lehrer reden.«65 »[O]hne das belebende Wort«, um noch einmal den an Fragen der schulischen Bildung interessierten Kunsthistoriker Josef Strzygowski zu zitieren, »sorgt man bei der Masse höchstens für einen gesunden leib­lichen Appetit«, nicht aber für den angestrebten höheren ›Genuss‹ der Werke.66 Ob diese Befähigung der Lehrerschaft mit der Verbreitung kunstgeschicht­lichen Unterrichts an den höheren Schulen Schritt hielt, kann man allerdings bezweifeln. Da ein Fach Kunst in der Lehrer-

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ausbildung nicht existierte, war die »Kunstbetrachtung« notwendigerweise ein didaktisches Experimentierfeld. Vieles deutet darauf hin, dass nicht wenige gestandene Gymnasialprofessoren am stilkund­lichen Kathedervortrag auch dann noch festhielten, als in der Kunstpädagogik das Konzept der ›extensiven‹ Bildung längst hinter die Forderung nach ›intensiver‹ Bildung zurückgetreten war. Es muss stutzig machen, dass es etwa Lothar Koch als Notbehelf durchaus angebracht erschien, auf vorgefertigte Bildserien und fertig ausformulierten Vorträge »aus sachkundiger Feder«67 zurückzugreifen. Koch selbst ließ seinerzeit in einem kunst­ geschicht­lichen Oberstufenkursus noch mehrere hundert Bilder durch den Projektor laufen. »Der vierte Vortrag wäre besser in zwei zerlegt worden«, merkte der Vortragende selbstkritisch über eine Vorlesung zur Kunst des Mittelalters an: »[…] Nur im schnellsten Tempo gesprochen, vermochte der Vortrag die Zeit von 1½ Stunden nicht zu überschreiten.«68 Von didaktischer Reduktion konnte da keine Rede sein. Das Beispiel deutet an, dass der Einsatz neuer Lehrmedien in den Schulen nicht zuletzt ein Lernen auch auf Seiten der Lehrerschaft erforderte. Sinnvoll einzusetzen war der Lichtbildapparat nur bei einer adäquaten Didaktik, nämlich einem Einsatz des gesprochenen Worts, das eine diskursive Verbindung zwischen Bild, Lehrer und Lernenden herzustellen vermochte. »Der Lehrer wird eifrig an seiner Fortbildung zu arbeiten haben, sonst kommt das Gebotene zögernd, ›erlernt‹ und nicht ursprünglich heraus«,69 gab Paul Schubring 1910 in der Zeitschrift Kunst und Jugend zum Gebrauch des Skioptikons im Kunstunterricht zu bedenken. Für den studierten Theologen Schubring, der bei dieser Gelegenheit auch die Aufnahme des Faches Kunstgeschichte in die Lehrerausbildung forderte, kam es vor allem auf die Befähigung des Pädagogen an, durch »Leidenschaft« den Funken der Begeisterung zu übertragen:

»[E]s ist nicht damit getan, Lichtbilder anzusehen und ein liebes Gesicht zu machen. Wer später vor Primanern über Rembrandt sprechen will, der muss den Dingen näher auf den Leib rücken, d. h. er muss von dem großen, ewigen, wütenden und unend­lichen Ringen um die Form eine deut­liche Vorstellung gewinnen. Je kürzer die Zeit ist, welche in [der] Prima zur Verfügung steht, je geringer das Pensum, um so klüger und bewusster muss es behandelt werden.«70 An der hier beschriebenen Praxis didaktischen Handelns hat sich seither wenig geändert, auch wenn inzwischen Beamer und Whiteboard die Diaprojektion wie die Overheadfolie ersetzt haben71 und nicht mehr das ›Ringen um die Form‹ im Mittelpunkt steht, sondern Dinge wie Bildkompetenz und Orientierungswissen die Debatte um Kunstgeschichtsvermittlung in der Schule bestimmen. Erst die Herstellung einer Beziehung zwischen Bild und Wort indes vermag das Strahlen der Begeisterung bei den Adressaten zu entfachen.

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1 Konrad Lange, »In Sachen der künstlerischen Erziehung der deutschen Jugend«, in: Kunstwart, 6, 1892/93, S. 301. Lange begründete seine Skepsis unter anderem mit Hinweis darauf, dass die Fülle der zur Anschauung zu bringenden Werke vom Vortragenden didaktisch nicht bewältigt werden könne: »So wird man z. B. in einem einstündigen Kolleg über Rembrandt, wenn man allein das Rovinskische Werk über die Radirungen [sic] und die charakteristischen Bilder des Meisters in Braunschen oder Hanfstängelschen Photographien vorlegen will, mindestens 500 verschiedene Kunstwerke zur Anschauung zu bringen haben. Das würde bei 14 Stunden im Semester auf die Stunde etwa 35 Abbildungen ergeben. Ist es möglich, diese in Zeit von 45 Minuten alle mit dem Skioptikon vorzuführen? Wo würde man da die Zeit zum Sprechen hernehmen?« (ebd.). Nachdem Lange 1894 an die Universität Tübingen berufen worden war, vertrat er freilich eine konträre Position und trieb den Aufbau eines »Apparates« mit Lichtbildern voran. 1907 notierte er: »Der Unterricht in der Kunstgeschichte hat sich seit der Einführung der Projektion wesentlich verändert. Während früher die Photographien im Kolleg herum gegeben oder ausgehängt werden mussten, wird jetzt jedes Kunstwerk, das im Vortrag berührt wird, gleichzeitig im Lichtbild vorgeführt. Daraus ergibt sich eine viel eingehendere kunstkritische Betrachtungsweise an Stelle der früheren mehr summarisch-kunsthistorischen.« Zit. nach Julica Hiller-Norouzi, »Leuchtendes Beispiel. Die Anfänge der Diaprojektion am Kunsthistorischen Institut der Universität Tübingen«, in: Klick – die kunsthistorische Lichtbildprojektion (reflex. Tübinger Kunstgeschichte zum Bildwissen, 3, 2010), hrsg. von Juliane Pasedag und Nina Pfeiffer, S. 24–35, hier S. 35. 2 Heinrich Dilly, »Lichtbildprojektion – Prothese der Kunstbetrachtung«, in: Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung, hrsg. von Irene Below, Gießen 1975, S. 153–172. Über die Bedeutung der Diaprojektion für die kunstgeschicht­liche Vermittlung vgl. Heinrich Dilly, »Die Bildwerfer. 121 Jahre kunstwissenschaft­liche Dia-Projektion«, in: Zwischen Markt und Museum. Beiträge der Tagung »Präsentationsformen von Fotografie«, hrsg. von Martha Caspers (Rundbrief Fotografie Sonderheft 2), 1995, S. 39–44; Silke Wenk, Zeigen und Schweigen. Der kunsthistorische Diskurs und die Diaprojektion, in: Konfigurationen. Zwischen Kunst und Medien, hrsg. von Sigrid Schade und Georg Christoph Tholen, München 1999, S. 292–305; Ingeborg Reichle, »Medienumbrüche«, in: kritische berichte, 1, 2002, S. 40–56; dies., »Fotografie und Lichtbild: Die ›unsichtbaren‹ Bildmedien der Kunstge-

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schichte«, in: Sichtbarkeit und Medium. Austausch, Verknüpfung und Differenz naturwissenschaft­licher und ästhetischer Bildstrategien, hrsg. von Anja Zimmermann, Hamburg 2005, S. 169–181; Susanne Neubauer, »Sehen im Dunkeln – Diaprojektion und Kunstgeschichte«, in: Georges-Bloch-Jahrbuch des Kunst­historischen Instituts der Universität Zürich, 8, 2002/03, S. 177–188; Dorothee Haffner, »›Die Kunstgeschichte ist ein technisches Fach‹. Bilder an der Wand, auf dem Schirm und im Netz«, in: Bild/Geschichte. Festschrift für Horst Bredekamp, hrsg. von Philine Helas, Maren Polte, Claudia Rückert und Bettina Uppenkamp, Berlin 2007, S. 119–129; Heinrich Dilly, »Weder Grimm, noch Schmarsow, geschweige denn Wölfflin … Zur jüngsten Diskussion um die Diaprojektion um 1900«, in: Fotografie als Instrument und Medium der Kunstgeschichte, hrsg. von Costanza Caraffa (I Mandorli, 9), Berlin und München 2009, S. 91–116; Pasedag und Pfeiffer 2010 (wie Anm. 1); Pascal Weitmann, »Die Doppelprojektion – von der Sichtbarmachung einer Kunstauffassung bis zum Untergang vor dem Beamer«, in: ders., Wider den digitalen Götzendienst. Kritische Anmerkungen zum modischen Verhältnis von Kunstwissenschaft und ›neuen Medien‹, München 2012, S. 6–23. 3 Hinweise zur Geschichte der Nutzung des Mediums Diaprojektion in der populären Kunstgeschichtsvermittlung finden sich vor allem bei Jens Ruchatz, Licht und Wahrheit. Eine Mediumgeschichte der fotografischen Projektion, München 2003. Darauf aufbauend am Beispiel der Düsseldorfer Lichtbildanstalt Aachen – der Charme der Kulturstadt um 1925, hrsg. von Carl Simon & Co. Foticon Images, Aachen 2014. Zum größeren Kontext von Diaprojektion und sozialer Arbeit: Ludwig Vogl-Bienek, Lichtspiele im Schatten der Armut. Historische Projektionskunst und Soziale Frage, Frankfurt am Main 2016. 4 Max Schmid, »Kunstgeschicht­liche Lichtbilder«, in: Kunst und Handwerk, 50, 1899/1900, S. 18–22, hier S. 20. 5 Vgl. Teilhabe am Schönen. Kunstgeschichte und Volksbildung zwischen Kaiserreich und Diktatur, hrsg. von Joseph Imorde und Andreas Zeising, Weimar 2013. 6 Ernst Linde, Kunst und Erziehung. Gesammelte Aufsätze, Leipzig 1901, S. III. 7 Georg Howe, Kunstgeschicht­liche Sammlung für höhere Lehranstalten. In konzentrischen Kreisen von 200 und 612 Diapositiven, Düsseldorf 1911, Einleitung S. 3–4, hier S. 3. 8 Vgl. Andreas Zeising, »Anschauung oder Anleitung zum Genuss? Kunstgeschichte in der gymnasialen Oberstufe im Spiegel von Schulprogrammen aus der Zeit 1900–

1914«, in: kritische berichte, 46, 1, 2018, S. 17–31. Grundlegend noch immer Wolfgang Kehr, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik im 19. und 20. Jahrhundert. Studien zur Vermittlung von Kunstgeschichte an den Höheren Schulen, Diss. München 1983. 9 Siehe etwa Paul Schubring, Kunstgeschicht­liche Fortbildung, in: Kunst und Jugend, 4, 11, 1910, S. 159–163. 10 Vgl. Hanni Geiger, »Kunstgeschichte für ›höhere Töchter‹? Kunsthistorische Lehrbücher des 19. und frühen 20. Jahrhunderts für Frauen«, Magisterarbeit Univ. München 2007, in: Open Access LMU / Geschichts- und Kunstwissenschaften, 36, 2007, https://epub.ub.uni-muenchen. de/11911/1/Geiger_Hanni_11911.pdf (12.02.2021). 11 Lothar Koch, Beiträge zur Förderung des Kunstunterrichts auf den höheren Schulen. Programm des Gymnasiums und der Realschule zu Bremerhaven, Ostern 1896, S. 6. 12 Eine weitläufige Übersicht der Hersteller und Produktpaletten für die unterschied­lichen Fächer findet sich bei Hans Diptmar, Das Bild in der Schule. Ausblick und Umschau vom Arbeitsfeld des Humanistischen Gymnasiums. Programm des K. Humanist. Gymnasiums Zweibrücken am Schlusse des Schuljahres 1907/08. 13 Vgl. etwa die Anmerkungen bei Rudolf Menge, »Kunstunterricht am Gymnasium«, in: Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik, hrsg. von Wilhelm Rein, 10 Bde., 2. Aufl., Langensalza 1906, Bd. 5, S. 250–265, hier S. 259‒260. 14 Koch 1896 (wie Anm. 11), S. 15‒16. 15 Herman Grimm, »Skioptikon im Kunstunterricht«, in: Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik, hrsg. von Wilhelm Rein, 7 Bde., Bd. 6, Langensalza 1899, S. 658– 673, hier S. 658. 16 Vgl. Herman Grimm, »Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptions« [1892], in: ders., Beiträge zur deutschen Culturgeschichte, Berlin 1897, S. 276–395. 17 Hans Schmidkunz, »Aus der Geschichte des kunstwissenschaft­lichen Unterrichtes«, in: Pädagogische Monatshefte,10, 5, 1904, S. 248–263, hier S. 250. Zu Bruno Meyers Lehrmittelprojekten siehe auch den Beitrag von Maria Männig im vorliegenden Band. 18 Willy Scheel, Das Lichtbild und seine Verwendung im Rahmen des regelmäßigen Schulunterrichts. Wissenschaft­liche Beilage zum Jahresbericht über das Schuljahr 1907/08 des Gymnasiums und Realgymnasiums i.E. zu Steglitz, 1908. Die Verbreitung des Geräts verdeutlicht auch Wilhelm Tesdorpf, Leitfaden für den kunstgeschicht­lichen Unterricht in der höheren Mädchenschule, Esslingen am Neckar 1909,

der konkret für den Unterricht mit dem Skioptikon konzipiert war. Einen gedruckten Bildatlas lieferte der Verlag als fakultative Ergänzung. 19 Adalbert Ipfelkofer, Bildende Kunst an Bayerns Gymnasien. Erwägungen, Erfahrungen und Vorschläge. Programm des K. Luitpoldgymnasiums in München für das Schuljahr 1906/07, S. 91‒92 und S. 98. 20 Zu nennen ist etwa die in zahlreichen Auflagen erschienene und mehrfach umgearbeitete Anleitung: Paul Eduard Liesegang, Die Projections-Kunst für Schulen, Familien und öffent­liche Vorstellungen (10. Aufl., Düsseldorf 1896) sowie Karl Hassack und Karl Rosenberg, Die Projektionsapparate, Laternbilder und Projektionsversuche in ihren Verwendungen im Unterrichte, Wien und Leipzig 1907. 21 Die technisch überholte Gerätegeneration mit schwachem Petroleumlicht war nach 1900 kaum noch in Gebrauch. Gängig waren Projektoren mit Auerlicht (gasbetriebener Glühstrumpf ), Drummondschem Kalklicht (Knallgasflamme, die auf ein Stück Kalkstein gerichtet wird, das intensiv zu leuchten beginnt) oder elektrischer Kohlebogenlampe. Vgl. Koch 1896 (wie Anm. 11), S. 13‒14. 22 Zum Beispiel Ipfelkofer 1906/07 (wie Anm. 19), S. 95. 23 Lothar Koch, »Bericht über die Abhaltung des I. Cyclus von kunstgeschicht­lichen Vorträgen am Gymnasium zu Bremerhaven«, in: Gymnasium und Realschule Bremerhaven, Ostern 1898, S. 15–20, hier S. 15. Die Jahresberichte 1899 und 1900 enthalten jeweils einen Bericht über die nachfolgenden Kurse. 24 Vgl. Schmid 1899/1900 (wie Anm. 4), S. 22. Darunter waren auch spezialisierte Themenkreise, wie etwa die damals stark nachgefragte deutsche Kunst. Vgl. Franz Stoedtner, Deutsche Kunst in Lichtbildern. Zugleich ein Kompendium für den Unterricht in der Kunstgeschichte, Berlin 1908. 25 Howe 1911 (wie Anm. 7). 26 Vgl. Lehrgut. Kunstgeschichte in Schulbüchern und Unterrichtsmedien um 1900, hrsg. von Joseph Imorde und Andreas Zeising, Siegen 2018. 27 Georg Warnecke, Kunstgeschicht­liches Bilderbuch für Schule und Haus, 8., vermehrte Aufl., Leipzig 1914. 28 Ipfelkofer 1906/07 (wie Anm. 19), S. 90. 29 Ebd. 30 Josef Strzygowski, Die bildende Kunst der Gegenwart. Ein Büchlein für jedermann, Leipzig 1907, S. 148. Die Ablehnung verwundert, bezog Strzygowski doch im universitären Bereich in dieser Frage eine eher progressive Position. So etablierte er die Diaprojektion 1910 in Wien, siehe: Friedrich Polleroß, »Diasammlung des Instituts für

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Kunstgeschichte«, in: Schaukästen der Wissenschaft. Die Sammlungen der Universität Wien, hrsg. von Claudia Feigl, Köln, Wien und Weimar 2012, S. 106–107 (Dank für diesen Hinweis an Maria Männig). 31 Scheel 1908 (wie Anm. 18), S. 15. Hervorhebung im Original. 32 Robert Eins, Kunstgeschichte als Zweig des Geschichtsunterrichts in den oberen Klassen des Gymnasiums. Beilage zum Programm des König­lichen Gymnasiums zu Danzig, Ostern 1898, S. 16. 33 Willy Barczat, Bildende Kunst und Schule. Beilage zum Jahresbericht des König­lichen Gymnasiums zu Rawitsch, 1912, S. 19. 34 Ebd., S. 20. Hervorhebung im Original. 35 Grimm 1899 (wie Anm. 15), S. 667. 36 Ebd. Auch in der zeitgenössischen Literatur finden sich selten Hinweise auf diesen kategorialen Unterschied zwischen Projektion und Originalwerk. Eine Ausnahme machte Erica Tietze-Conrat, die dazu 1920 kritisch anmerkte: »[W]ie kann ein Gemälde, dessen Farbe – wenn wir sie auch transparent nennen möchten – doch am Stoffe haftet und von außen her das Licht empfängt, durch ein Glasbild wiedergegeben werden, das doch erst durch die Durchleuchtung des Skioptikons an die Wand geworfen wird, also ein wirk­liches Transparent ist?!«; Erica Tietze-Conrat, »Uvachromie«, in: Kunstchronik und Kunstmarkt, 56, 1920/21, S. 263–266, hier S. 264. 37 Ipfelkofer 1906/07 (wie Anm. 19), S. 99, der hier kritische Einwände referiert. 38 Scheel 1908 (wie Anm. 18), S. 15. 39 Ipfelkofer 1906/07 (wie Anm. 19), S. 37. Der zweite Teil des Zitats ist der damals vielbeachteten Abhandlung Zukunftspädagogik von Wilhelm Münch (Berlin 1904) entnommen. 40 Der Ausdruck »Strahlbilder« war verbreitet und wurde etwa vom Unternehmen E. A. Seemann zur Bewerbung seiner Diapositive benutzt. Vgl. Alfred Langer, Kunstliteratur und Reproduktion. 125 Jahre Seemann Verlag im Dienste der Erforschung und Verbreitung der Kunst, Leipzig 1983, S. 128–132. 41 Scheel 1908 (wie Anm. 18), S. 39. 42 Koch 1896 (wie Anm. 11), S. 25. 43 Ebd., S. 17. 44 Zit. nach Friedrich Falbrecht, Über den Unterricht in der bildenden Kunst am Gymnasium. Programm KaiserFranz-Josef-Staatsgymnasium, Freistadt 1905, S. 28. 45 Barczat 1912 (wie Anm. 33), S. 21. 46 Strzygowski 1907 (wie Anm. 30), S. 148.

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Barczat 1912 (wie Anm. 33), S. 21. Schmid 1899 (wie Anm. 4), S. 20. 49 Ipfelkofer 1906/07 (wie Anm. 19), S. 52. 50 Grimm 1899 (wie Anm. 15), S. 658. 51 Scheel 1908 (wie Anm. 18), S. 38. 52 Vgl. Horst Dräger, Die Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung. Eine historisch-problemgeschicht­liche Darstellung von 1871–1914, Stuttgart 1975, S. 229‒237. Siehe auch Ruchatz 2003 (wie Anm. 3), S. 244‒261 sowie: Johannes Tews, Volk und Bildung. Festschrift zum 60jährigen Bestehen der Gesellschaft für Volksbildung, Berlin 1931, S. 48‒63. 53 Vgl. Anonym, »Vorträge mit Lichtbildern. Eine Bitte des Dürerbundes«, in: Deutscher Wille, 30, 2. Oktoberheft, 1916, S. 110–111. 54 Vgl. Scheel 1908 (wie Anm. 18), S. 8. 55 Das Unternehmen existiert bis heute. Vgl. Die Geschichte der Firma Ed. Liesegang, Düsseldorf, zur Feier ihres 75jährigen Bestehens am 2. Dezember 1929, Druckschrift der Firma Ed. Liesegang, Düsseldorf 1929. 56 Vgl. Anke Napp, Bild des Monats: November 2018, aus dem Diaarchiv, in: Blog des Foto- und Diaarchivs des Kunstgeschicht­lichen Seminars der Universität Hamburg, 01. November 2016, https://bildarchiv-kunstgeschichte. blogs.uni-hamburg.de/tag/liesegang (12.02.2021). Vgl. auch dies., »›Ohne gute Fotos kann der Kunsthistoriker nicht arbeiten‹. Die Fotografiensammlung des Kunstgeschicht­lichen Seminars der Universität Hamburg«, in: Rundbrief Fotografie, 25, 3, 2018, S. 32–42. 57 Dies im Einzelnen detailliert dargestellt bei Ruchatz 2003 (wie Anm. 3). 58 Einige der Vorträge liegen in einer von Liesegang publizierten Heftreihe vor. Vgl. Projektionsvorträge aus der Kunstgeschichte, hrsg. von Berthold Daun, 6 Hefte, Düsseldorf 1899–1905. »Im Anschlüsse daran sei auf Rembrandt: Vortrag zu einer Serie von 60 Laternen-Bildern hingewiesen, der in Heft VI der Projektions-Vorträge aus der Kunstgeschichte von der Sciopticonfabrik für Laternenbilder Ed. Liesegang in Düsseldorf geboten wird, mit der leihweisen Überlassung des betreffenden Apparates.« (Zeitschrift für christ­liche Kunst, 9, 1904, Sp. 283). Siehe zu diesem Zusammenhang auch Ruchatz 2003 (wie Anm. 3), S. 306‒307. 59 Daun war akademisch gebildet und publizierte wissenschaftlich, trat aber auch als Verfasser mehrerer populärwissenschaft­licher Darstellungen in der Reihe der Knackfuß’schen Künstlermonograpien hervor und unterrichtete jahrzehntelang im Bereich der Erwachsenenbildung. 48

Offenbar war er im Umgang mit der Lichtbildprojektion experimentierfreudig: »Bei einem Besuche, den der Kaiser in der Werkstatt des Professors Rudolf Siemering abstattete, um dessen Skizzen zum Standbild König Friedrich Wilhelms I. für die Siegesallee zu besichtigen, wurden die kleinen Skizzen durch den Kunsthistoriker Dr. Berthold Daun mit Hilfe des Skioptikons in der Größe, die sie in Wirklichkeit erhalten sollen, auf die Wand projiziert. Durch diese Methode wird die Beurteilung der zukünftigen Wirkung eines monumentalen Werkes schon im Stadium der Skizze wesentlich erleichtert.« Anonym, »Vermischte Nachrichten«, in: Kunst für Alle, 14, 1898/99, S. 76‒77. 60 Berthold Daun, »Das Skioptikon in der Kunstwissenschaft«, in: Laterna Magica, 14, 3, 1898, S. 49–55, hier S. 55. 61 Vgl. Ruchatz 2003 (wie Anm. 3), S. 242. 62 Ipfelkofer 1906/07 (wie Anm. 19), S. 99. 63 Scheel 1908 (wie Anm. 18), S. 38. 64 Ipfelkofer 1906/07 (wie Anm. 19), S. 99, vgl. auch S. 104. 65 Scheel 1908 (wie Anm. 18), S. 37. 66 Strzygowski 1907 (wie Anm. 30), S. 148. 67 Koch 1896 (wie Anm. 11), S. 27. 68 Lothar Koch, »Bericht über die Abhaltung des 2. Cyclus von kunstgeschicht­lichen Vorträgen am Gymnasium zu Bremerhaven«, in: ders., Gymnasium und Realschule Bremerhaven, Ostern 1899, S. 16. 69 Schubring 1910 (wie Anm. 9), S. 162. 70 Ebd. S. 161. 71 Vgl. Vom Schulbuch zum Whiteboard. Zu Vermittlungsmedien der Kunstpädagogik. Festschrift für Josef Walch, hrsg. von Andrea Dreyer und Joachim Penzel, München 2012.

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»Die steinernen Wunder von Naumburg«. Ein Film, ein Buch und das Zu-sehen-Geben eines Doms Barbara Schrödl

»Ein Bildwerk erklären in dem Sinne, daß das Auge geführt wird, ist […] an sich schon ein notwendiger Teil kunstgeschicht­ licher Unterweisung«1, konstatierte Heinrich Wölfflin 1921. Fotografien und Filme lassen sich als Instrumente verstehen, die das Zeigen und Sehen als mediale Formate wie auch mittels ihrer konkreten Gestaltung strukturieren. Der Beitrag untersucht, wie der Kulturfilm Die steinernen Wunder von Naumburg (1932) und der Kunstbildband Die steinernen Wunder von Naumburg. Fünfzig Aufnahmen mit der Filmkamera von C. Oertel und R. Bamberger beschrieben und gedeutet von Edwin Redslob (1933) die jeweiligen Medien einsetzen, um ihren Rezipientinnen und Rezipienten die Bildwerke des Naumburger Westchores zu vermitteln. Zudem fragt er danach, in welchem Verhältnis die entworfenen Lektüreanleitungen zur zeitgenössischen Kunstgeschichte stehen. In den 1920er und 1930er Jahren wurden die Werke für ihre besondere Präsenz, Lebensnähe und spezifische Anordnung im Raum geschätzt und waren in den nationalen Diskurs eingebunden. Das Buch und der Film folgen diesen Deutungen. In manchen Aspekten perfektionieren sie sie sogar noch. Dabei ziehen sie medienspezifisch unterschied­liche Strategien heran. Jeweils offerieren sie jedoch einen Zugang, der kunsthistorisches Wissen mit besonderer Sichtbarkeit, Emotionalisierung sowie narrativer Ausdeutung verbindet und zumindest im Falle des Films eine Reflexion der Bilder eher erschwert denn fördert.

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Der Film Die steinernen Wunder von Naumburg, den Curt Oertel und Rudolf Bamberger im Auftrag der Deutschen Universal-Film AG drehten, lässt sich als Kulturfilm charakterisieren. Der Kulturfilm war ein dokumentarisches Format, das in der Zeit der Weimarer Republik aufkam. Durch eine unterhaltsame und ästhetisierende Aufbereitung der Inhalte sollte ein breites Publikum für kulturelle Themen gewonnen werden. Meist wurde eine Dauer von dreißig Minuten nicht überschritten. Die steinernen Wunder von Naumburg wurde 1932 uraufgeführt.2 Ein Jahr später kam im Leipziger Kunstbuchverlag E. A. Seemann die Publikation Die steinernen Wunder von Naumburg. Fünfzig Aufnahmen mit der Filmkamera von C. Oertel und R. Bamberger beschrieben und gedeutet von Edwin Redslob heraus.3 Film und Buch gelten den Bildwerken des Naumburger Westchors. Diese wurden damals als Meisterwerke der deutschen Kunst erachtet, waren in den nationalen Diskurs eingebunden und genossen vor allem aufgrund der ihnen zugeschriebenen besonderen Realitäts- und Lebensnähe große Popularität.4 Eine Tendenz zur Verlebendigung der Bildwerke durchzog nicht nur die populärwissenschaft­ liche Literatur,5 sondern auch die Wissenschaft.6 Den »Pygmalionmythos«7, wie Willibald Sauerländer diese Fiktionen vor allem um die Stifterfiguren nannte, hatte die fotografische Repräsentation der Werke befördert. Der Film versprach, das Vermögen zu haben, diesen Prozess weiter voranzutreiben. Auf dem Schutzumschlag des Bandes ist vermerkt:

»Wer dies Buch zur Hand nimmt, wird erstaunt und entzückt sein, künstlerische Eindrücke von den Wundern Naumburgs zu empfangen, wie er sie noch nie erlebt hat – auch noch nicht erleben konnte. Mit optischen Mitteln, die nur die moderne Filmkamera mit ihren Bewegungs- und Beleuchtungsmöglichkeiten bietet, sind hier verborgene Schönheiten ans Licht gebracht und Bilder entstanden, die geradezu erschütternd wirken. […] Naumburgs steinerne Wunder, mit den Mitteln der Gegenwart neu entdeckt und neu gesehen […].«8 Die spezifischen Qualitäten der filmischen Vermittlung der Naumburger Bildwerke waren in der zeitgenössischen Rezeption ein zentrales Thema: Es interessierten die medialen Effekte des mit Filmbildern illustrierten Buchs und des Films selbst. Die These einer Unsichtbarkeit der fotografischen Vermittlung in der Kunstgeschichte muss daher – zumindest sobald das filmische Medium mit ins Spiel kommt – überdacht werden.9 Das Buch und der Film Die steinernen Wunder von Naumburg ziehen medienspezifisch unterschied­liche Strategien heran, um die Skulpturen und Reliefs zu visualisieren. Sie zeigen jedoch darin Analogien, dass sie die kunsthistorischen Narrative der Realitätsnähe, Präsenz und Lebendigkeit der Bildwerke sowie deren erzählerische Ausdeutungen weiter steigern.

Das Buch Die steinernen Wunder von Naumburg

In den 1920er Jahren war es durchaus nichts Singuläres, dass zu Kulturfilmen Begleitpublikationen erschienen. Auch der Kunsthistoriker Hans Cürlis gab zu einigen seiner Kulturfilme Broschüren heraus, die mit Filmstandbildern illustriert waren.10 Während diese jedoch als Werbematerial für die Filme zu betrachten sind, stellt sich Die steinernen

Abb. 1 Rudolf Bamberger, Curt Oertel und Edwin Redslob, Die steinernen Wunder von Naumburg. Fünfzig Aufnahmen mit der Filmkamera von C. Oertel und R. Bamberger beschrieben und gedeutet von Edwin Redslob [28 cm × 19,5 cm, 1933], Cover

Wunder von Naumburg als eigenständige Publikation dar (Abb. 1). Auf dem Cover stimmt ein im engen Bildausschnitt erfasstes Bruststück der Stifterfigur des Grafen Dietmar die Betrachterin auf eine Lektüre ein, die darauf zielt, ihr die Bildwerke nahezubringen: Durch den spezifischen Einsatz der fotografischen Mittel wird der Skulptur der Eindruck von Lebensnähe verliehen und ein Schild, das Oberkörper und Mundpartie verdeckt, bringt zudem das Thema des Zeigens beziehungsweise des Verbergens ins Spiel. Das Frontispiz präsentiert den Dom – aus weiter Ferne und von großer Höhe aus gesehen – inmitten seines städtischen Umfelds. Auf der folgenden Doppelseite ermöglicht links ein Grundriss des Westchores, sich den Standort der

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Abb. 2 Rudolf Bamberger, Curt Oertel und Edwin Redslob, Die steinernen Wunder von Naumburg. Fünfzig Aufnahmen mit der Filmkamera von C. Oertel und R. Bamberger beschrieben und gedeutet von Edwin Redslob [28 cm × 19,5 cm, 1933, Ausschnitt], S. 19

Bildwerke zu erschließen. Rechts beginnt die siebenseitige, von nationalem Denken gefärbte Einleitung des Reichskunstwarts Edwin Redslob.11 Der Autor zielt darauf, in die Baugeschichte des Doms, die Kunstgeschichte der Bildwerke und das »Erlebnis der Naumburger Plastik«12 einzuführen. Dabei orientiert er sich am kunsthistorischen Forschungsstand der Zeit.13 Nicht behandelt werden jedoch fachspezifische Fragen des Einflusses, des Stils oder der Händescheidung. Der Text ist mit elf fotografischen Abbildungen illustriert, die sich nicht im Film finden. Sie präsentieren die Skulpturen ganzfigurig sowie Ausschnitte des Westlettners, die jeweils mehrere Bildfelder der Passionsgeschichte zeigen. Der sich anschließende, aus Filmstandbildern bestehende fünfundvierzigseitige Bildteil ist doppelseitig angelegt. Pro Seite wird fast durchgängig nur eine Abbildung abgedruckt. Diese wird jeweils durch Bildunterschriften sowie knappe Erläuterungen ergänzt und füllt ungefähr das halbe

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Seitenformat aus. Die Bildformate variieren, da Hoch- wie auch Querformate auf die Schmalseite gestellt werden. Die Werke erscheinen stets in engen Bildausschnitten: die Stifterfiguren sowie die Kreuzigungsgruppe als Halbfigur, Bruststück, Bildniskopf oder im Detail und die Reliefs der Passionsszenen in Ausschnitten, die mehrere Halbfiguren, einzelne Köpfe oder ausgewählte Details zeigen. Effektvoll ausgeleuchtet werden die in rund vier Metern Höhe angebrachten Werke aus verschiedenen Perspektiven und in leichter Untersicht erfasst. Sie können somit im Buch aus geringerer Distanz betrachtet werden als vor Ort. Dies suggeriert eine besondere Nähe: eine räum­liche Nähe, die darauf angelegt ist, auch als eine emotionale Nähe gelesen zu werden. Die engen Bildausschnitte lassen die Einbindung des Figurenschmucks in die Architektur in den Hintergrund treten (Abb. 2).

Abb. 3 Hugo Erfurth, Bildnis der Tänzerin und Tanzpädagogin Gret Palucca (nach links), 22,2 × 16,0 cm, aus Privatsammlung, heute Deutsche Fotothek

Abb. 4 Rudolf Bamberger, Curt Oertel und Edwin Redslob, Die steinernen Wunder von Naumburg. Fünfzig Aufnahmen mit der Filmkamera von C. Oertel und R. Bamberger beschrieben und gedeutet von Edwin Redslob [28 cm × 19,5 cm, 1933], S. 20–21

Der Einsatz der fotografischen Mittel betont seine naturalistischen Züge. Durch die starken Vergrößerungen sind die Bearbeitungsspuren des Steins kaum erkennbar. Wiederholt kaschieren Verschattungen beschädigte Partien und betonen das Minenspiel. Einige Bilder zeigen zudem Analogien zur zeitgenössischen Porträtfotografie (Abb. 3). Einer der bedeutendsten Porträtfotografen der Zeit war Hugo Erfurth.14 Dieser konzentrierte sich in den 1920er und zu Beginn der 1930er Jahre auf die Gesichter seiner Modelle, bevorzugte neutrale Hintergründe, verzichtete auf spielerische Elemente und arbeitete mit Hell-Dunkel-Effekten, Retuschen, Schärfekontrasten sowie Weichzeichnern. Es entstanden psychologisierende Darstellungen, die eine idealisierte, an der bürger­lichen Porträt-

kunst orientierte Individualität in Szene setzen. Auf einem solchen Blick basieren auch die vorliegenden Darstellungen der mittelalter­lichen Skulpturen und Reliefs des Naumburger Westchores. Die Bilder der zwölf Stifterfiguren sind besonders spannend. Bamberger und Oertel schlossen an einige Darstellungskonventionen der kunsthistorischen Fotografie an, während sie andere variierten:15 Fortgeführt wurde die bereits vor Erfindung der Fotografie einsetzende Tendenz zur Konzentration auf das Objekt und zur Arbeit mit Ausschnitten. Dies löste die Figuren aus ihrem architektonischen Zusammenhang heraus.16 Die erst mit der Durchsetzung der Fotografie stärker in den Fokus rückenden Fragen des ›richtigen‹ Kamerastandorts und der ›richtigen‹ Beleuchtung von Skulpturen

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werden dagegen neu beantwortet. Bis in die 1920er Jahre hatten eine neutrale Beleuchtung und ein frontaler Standort grundsätzlich als verbindlich gegolten – außer für barocke Werke oder in vergleichbarer Weise mit Bewegung arbeitende Kunst.17 Im Falle der Stifterfiguren hatte unter anderem Heinrich Wölfflin explizit Frontalität gefordert.18 Die von diesen Traditionen deutlich abweichenden Inszenierungen Bambergers und Oertels erweisen sich jedoch als nichts Singuläres. In den 1920er Jahren war die fotografische Erfassung von Kunstwerken und Baudenkmälern vom Experiment geprägt. Richard Hamann beispielsweise publizierte Fotografien, deren Konzentration auf die Köpfe die Figuren psychologisierte.19 Diese Tendenz prägte auch die Aufnahmen von Walter Hege,20 der die Bildwerke mit seiner spezifischen Darstellungsweise jedoch deut­licher dramatisierte und heroisierte.21 Die doppelseitige Bebilderung des Bandes aktiviert das in der Kunstgeschichte so bedeutsame Vergleichende Sehen.22 Während jedoch meist – in der Tradition Heinrich Wölfflins – zwei formal verwandte Werke hinsichtlich ihrer Unterschiede und Ähnlichkeiten verg­lichen werden,23 geht es im vorliegenden Fall um die Konstruktion von Bezügen (Abb. 4). Wenn etwa Figurenköpfe wie zur Kommunikation einander zugewendet werden, werden inhaltlich-narrative Zusammenhänge formuliert. Wird dagegen bei Beibehaltung des Blickwinkels rechts ein engerer Bildausschnitt eines Objekts als links gezeigt, entsteht der Eindruck einer räum­ lichen Annäherung. Beziehungen werden auch über die Doppelseiten hinweg konstruiert. Werden Motive in unmittelbarer Folge aus unterschied­ lichen Perspektiven und Entfernungen in Szene gesetzt, wird der Blick imaginär vor und zurück beziehungsweise um die Figuren herumgeführt. Bildunterschriften, die vorrangig den Taten, Charakteren und Dynastien der historischen Stifterinnen und Stifter gelten, regen zudem narrative Aus-

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deutungen der Bilder, Bildpaare und -sequenzen an.24 Den Werken wird darüber tendenziell der Charakter eines Gegenübers im Raum verliehen. Dies bringt sie der Leserin nicht nur visuell, sondern auch emotional nahe. Das Arbeiten mit großformatigen Bilderfolgen rückt Die steinernen Wunder von Naumburg in die Nähe des Fotobuchs. Zwar ist nicht eindeutig definiert, was ein Fotobuch ist, doch besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Buchform, die Veröffentlichung durch einen Verlag, die Betonung des Visuellen, großformatige Abbildungen, eine kohärente Gestaltung, Bildsequenzen sowie ein rhythmisch organisierter Sehvorgang zentral sind.25 Einige Autorinnen und Autoren führen zudem einen Kunstanspruch an.26 Für die vorliegende Publikation lassen sich der Prozess der Gestaltung des Buchs im Zusammenspiel von Verlagsvorgaben, Buchgestaltung und Autoren sowie die Gestaltungsziele der einzelnen Beteiligten leider nicht mehr nachvollziehen.27 In der Nutzung des Buchs kommt jedoch das zum Tragen, was bereits Hanne Bergius als spezifisch für das Fotobuch erachtet: »Beim Blättern ereignete sich – Filmschnitten gleichzusetzen – eine zwischenbild­liche Bewegung, die die Leserin im Unterschied zum Film selbst bestimmte.«28

Der Film Die steinernen Wunder von Naumburg

Der Film Die steinernen Wunder von Naumburg entspricht mit einer Länge von einundzwanzig Minuten einem klassischen Beiprogramm-Format. Das Beiprogramm ergänzte den abendfüllenden Hauptfilm um verschiedene Kurzfilme, wovon meist einer über aktuelle Ereignisse berichtete und einer einen kulturellen Charakter hatte. Als Beiprogrammfilm lief der Film im ›normalen‹ Kinoprogramm und erreichte somit nicht nur ein speziell interessiertes Publikum.29 Dies entsprach der Zielsetzung der Regisseure.30 Die breite Zugäng-

Abb. 5 Die steinernen Wunder von Naumburg, Regie: Curt Oertel und Rudolf Bamberger [21 min., 35mm, 1:1.33, s/w, Ton, 1932], 00:06:19, 00:06:24, 00:06:29

lichkeit von Die steinernen Wunder von Naumburg wird dadurch gefördert, dass an zeitgenössische Sehgewohnheiten angeschlossen wird: Aufgenommen wird das in Architekturbildbänden und Kulturfilmen architekturhistorischer Thematik weit verbreitete Muster einer schrittweisen Annäherung an die Bauten.31 Dieses korrespondiert zugleich mit der filmischen Konvention des establishing shots. Zu Beginn führen Totalen den Blick zunächst über eine Landschaft und dann über ein Häusermeer hinweg. Der Dom ist dabei stets im Bild, steht aber nicht im Zentrum. Anschließend nähert sich die Kamera dem Bauwerk und schließlich erfolgt der Eintritt in den Innenraum.32 Unterlegt von einem kurzen Kommentar zur kunsthistorischen Wertschätzung der Bildwerke des Westchores, dem Verhältnis der Stifterfiguren zur Architektur und der Behauptung ihrer »menschlich nahe[n] Beziehung zu uns, zur Gegenwart«, wird der Blick durch das Langhaus und die Pforte des Lettners in den Chorraum mit der Reihe der Stifterfiguren geführt.33 Schrifteinblendungen bezeichnen das jeweils Gezeigte. Schließlich setzt Orgelmusik von Johann Sebastian Bach ein.34 Langsam fährt die Kamera einzelne Figuren, Figurengruppen und Architekturelemente aus der Nähe ab. Im Zentrum des Films stehen die Bildwerke des Westchores. Der Fokus liegt dabei zeitlich auf den für etwa acht Minuten gezeigten Reliefs des Lettners, visuell aber

auf den nur ca. fünf Minuten dargestellten Stifterfiguren. Der Film ist nach der Musik geschnitten. Die Montage dramatisiert das Geschehen durch räum­liche und inhalt­liche Anschlüsse oder Gegenüberstellungen. Motivwechsel erfolgen durch Schnitte, Überblendungen, Schiebeblenden oder Kameraschwenks. Lange und ruhige Einstellungen überwiegen, die Kamera bleibt jedoch stetig in Bewegung. Aus geringer Distanz umkreist sie die spannungsvoll ins Licht gesetzten Stifterköpfe und fährt die Kreuzigungsgruppe beziehungsweise die Passionsszenen ab (Abb. 5). Besonders virtuos werden die filmischen Mittel im Fall der Stifterfiguren eingesetzt: Es scheint, wie Wolfgang Ullrich postuliert, »als würden sie selber ihre Köpfe bewegen und in Beziehung zueinander treten«35 (Abb. 6). Curt Oertel nahm für seinen Film – zu Recht – in Anspruch, dass er »seine eigent­lichen Spannungsmomente«36 aus dem Einsatz der Großaufnahme und einem langsamen Schnitt gewinne. Dabei zielte er darauf, ein »Staunen«37 hervorzurufen (Abb. 7). Gegen Ende des Films wird das Staunen explizit zum Thema gemacht.38 Im sonnenerleuchteten Kreuzgang spielende Kinder werden mit den Bildwerken im Innenraum kontrastiert und die Szene endet mit Großaufnahmen eines kleinen Mädchens, das mit weit aufgerissenen Augen ins Dominnere blickt.39 Deutlich wird, dass Die steinernen Wunder von Naumburg gerade nicht ein Er-

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Abb. 6 Die steinernen Wunder von Naumburg, Regie: Curt Oertel und Rudolf Bamberger [21 min., 35mm, 1:1.33, s/w, Ton, 1932], 00:08:45, 00:08:56, 00:09:03

lebnis der Bildwerke vor Ort in Szene setzt, sondern die Rezeption in einer Weise strukturiert, die besondere Sichtbarkeit, räum­liches Erleben und emotionale Nähe verbindet. Der Film konnte begeistern: 1933 gewann er bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig und beim Filmwettbewerb in Mailand jeweils eine Goldmedaille.40 Zudem erschienen zahlreiche positive Rezensionen. Die Weltbühne lobte die »herzhafte Lichtbewegung« und die Montage, die »an Stelle des bloßen Bildberichts Anfänge von motivischer Arbeit« setze.41 Herbert Ihering würdigte im Berliner Börsen-Courier, dass »die starre und steife Form des Kulturfilms aufgegeben worden« sei und »leichte[] musikalisch fließende[] Übergänge«42 den Bildwechsel bestimmten. Lotte H. Eisner schwärmte, dass die Werke »von einer neuen Optik gefaßt, unheim­liches, eindring­liches Leben« gewinnen würden und sich der Film durch seine Kameraführung positiv von der herkömm­ lichen 43 »Postkartenaufreihung« abhebe. Ungefähr zehn Jahre später kritisierte Arnold Fanck, dass man sich »filmischer Mittel bedient habe, die ebenso, wenn nicht besser, mit den Möglichkeiten der ›Standphotographie‹«erzielen könnte.44 Fancks Urteil ist jedoch vor dem Hintergrund des rasanten Wandels der filmischen Sprache zu relativieren.45

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Zur kunsthistorischen Interpretation der Bildwerke

Die Bildwerke des Westchors werden dem Naumburger Meister, einem in Frankreich ausgebildeten Steinbildhauer der Mitte des 13. Jahrhunderts, zugeordnet. Fragen des französischen Einflusses, der Händescheidung, des Stils und der Identifizierung der Figuren durchziehen die Forschung ebenso wie Vorstellungen ihrer besonderen Natur- und Realitätsnähe. Im Kontext des Buchs und des Films Die steinernen Wunder von Naumburg sind insbesondere letztere Deutungen von Relevanz. In Bezug auf die Kreuzigungsgruppe ist ­beispielsweise vom einem »das Unschöne nicht scheuendem Realismus« die Rede und den acht Passionsreliefs wird ein »Streben nach dramatischer Wirkung« bescheinigt.46 Letzteren wurde darüber hinaus eine spezielle Räumlichkeit zugeschrieben. August Schmarsow beobachtete eine »Staffelung« der Figuren.47 Die Kreuzigungsgruppe wurde zudem in die Nähe eines Passionsspiels gerückt.48 Besondere Aufmerksamkeit kam den zwölf lebensgroßen Stifterfiguren zu. In den 1930er Jahren stand die Figur der Uta von Naumburg im Zentrum. Sie wurde zur »deutsche[n] Ikone«49 stilisiert und erfuhr eine besondere Emotionalisierung. Doch auch den übrigen Stifterfiguren wurde mit gesteigerter Einfühlsamkeit begegnet. Die Emotionen wachrufende Ausdrucksstärke der Werke

Abb. 7 Die steinernen Wunder von Naumburg, Regie: Curt Oertel und Rudolf Bamberger [21 min., 35mm, 1:1.33, s/w, Ton, 1932], 00:16:31, 00:16:33, 00:16:35

führte Wilhelm Pinder darauf zurück, dass der Raum für das Skulpturenprogramm geplant worden sei.50 Die Forschung ist von Thesen einer räumlich aufeinander bezogenen Aufstellung der Figuren durchzogen. Erwin Panofsky konstatierte beispielsweise, dass rhythmische Strukturen die Figurenreihe zu einer »Versammlung lebendiger, durch tausend unsichtbare Fäden verbundener Individuen« umformen würden.51 Edwin Redslob erachtete sie dagegen als auf das Geschehen am Altar ausgerichtet.52 Die Vorstellungen einer auf den Raum bezogenen Anordnung der Stifterfiguren bringen die Betrachterin ins Spiel. So stellt sich nicht nur die Frage nach einer Kommunikation der Figuren untereinander, sondern auch die nach einer Bezugnahme auf die Besucherinnen und Besucher des Doms. Auch dieser Gedanke hat Tradition: Bereits Heinrich Schmarsow hatte den vier im Chorquadrat aufgestellten Stifterfiguren bescheinigt, diese zu begrüßen oder zu verabschieden.53

Kunsthistorisches Wissen und das Zusehen-Geben durch das Buch und den Film

Sigrid Schade und Silke Wenk betonen mit dem Begriff des Zu-sehen-Gebens das aktive Moment im Akt des Zeigens und lenken die Aufmerksamkeit auf die Bedingungen der Herstellung von Sichtbarkeit.54 Die Erkenntnis, dass die Fotografie das Dar-

gestellte einer grundlegenden Transformation unterzieht sowie neue Sichtweisen eröffnet, kam in der Kunstgeschichte spätestens in den 1870er Jahren auf.55 In den 1890er Jahren wurde sie durch Heinrich Wölfflin in eine größere Fachöffentlichkeit getragen.56 Er sah in der Übersetzungsleistung der Fotografie bereits ein Potenzial, um kunsthistorische Kompetenz zu vermitteln oder zu verstellen. Daher beschäftigten ihn ihre Darstellungsmodi. Das Sehen und dessen Lenkung waren ihm ein Anliegen: »Es ist durchaus nicht natürlich, daß jeder sieht, was da ist. Ein Bildwerk erklären in dem Sinne, daß das Auge geführt wird, ist daher an sich schon ein notwendiger Teil kunstgeschicht­ licher Unterweisung.«57 1931 schrieb dann Walter Benjamin dem Medium an sich produktives Potenzial für die kunsthistorische Arbeit zu: »Jeder wird die Beobachtung haben machen können, wieviel leichter ein Bild, vor allem aber eine Plastik, und gar erst Architektur, im Photo sich erfassen lassen als in der Wirklichkeit.«58 Werden Fotografien in Bücher eingebunden, erfahren sie eine neue Rahmung. In der Fotobuchforschung wird das Zusammenspiel der Einbindung der Einzelbilder in eine Bildfolge und die Möglichkeit der Betrachterin, Tempo und Leserichtung der Rezeption selbst zu bestimmen, betont.59 Mareike Stoll leitet daraus ab, dass das in den 1920er Jahren aufkommende Fotobuch einen

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kritischen Umgang mit der Fotografie fördere.60 Im Kontext der Kunstbuchforschung wird dagegen vor allem das visuelle Moment der Wissensvermittlung diskutiert. Der Beginn einer »visuell operierenden Kunstwissenschaft«61 wird um die Wende zum 20. Jahrhundert angesetzt. Argumentiert wurde unter anderem mit dem paarweisen Vergleich und mit Bildsequenzen.62 In den 1920er Jahren verbreiteten und verfeinerten sich diese Verfahren parallel zu der zunehmenden Quantität fotografisch illustrierter Kunstbücher. Zudem wurde immer deut­licher auf die Arbeit mit dem Visuellen gesetzt. Die Architekturtitel der auflagenstarken, preiswerten und den ganzseitigen Bildteil nur durch eine knappe Einleitung ergänzenden Reihe Die Blauen Bücher beispielsweise arbeiten mit Sequenzen, die die Bildabfolge nach »einem FernNah- und Außen-Innen-Schema«63 organisieren, um einen Besuch vor Ort zu simulieren. Ende der 1930er Jahre setzt dann Die Wies. Ein Meisterwerk des Deutschen Rokoko, ein Band der noch deut­licher auf das Bild ausgerichteten Reihe Der eiserne Hammer, das Fern-Nah- und Innen-Außen-Schema ein, um für die Betrachterin einen nach kunsthistorischen Kriterien organisierten Zugang zu dem Bauwerk zu entwerfen.64 Kombiniert man Benjamins Vorstellung, die Fotografie verleihe Herrschaft über die Werke, mit Stolls These, das Fotobuch fördere einen kritischen Umgang mit Fotografien und der Beobachtung einer Wendung zur visuellen Vermittlung kunsthistorischen Wissens, so könnte man Bücher als Instrumente begreifen, die Erkenntnisse der Kunstgeschichte durch bild­liche Mittel transportieren, der Betrachterin diese Übersetzungsleitung aber zugleich bewusst machen und sie zu eigenen Erkundungen anregen. Auch der Film modelliert das Sehen, das Denken und die Erwartungen. Das Medium führt den Blick weitaus deut­licher als Bücher und es lässt der Betrachterin weniger Raum zum Reflektieren. In den 1930er Jahren wurde diskutiert, ob der Film

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die Vermittlung von Wissen befördere oder behindere. Im Kontext der Kunstgeschichte stand der Tübinger Ordinarius Konrad Lange mit seiner Sorge nicht alleine, dass von dem neuen Medium »eine Verführung […] zu raschem und oberfläch­ lichem Sehen ohne tieferes Verständnis« ausgehen könnte.65 Dagegen bestand im Kontext der Volksbildung gegenüber dem Film eine größere Offenheit. Man war von der Vorstellung fasziniert, die Anschaulichkeit und Attraktivität der bewegten Bilder könnte die Lernbereitschaft begünstigen. So plädierte Erwin Ackerknecht mit dem Argument für ihren Einsatz in der Schul- und Volksbildung, dass sich »das Volk der geistigen Anstrengung als solcher gar nicht bewußt zu werden« brauche.66 Doch gab es auch hier kritische Stimmen: Der Pädagoge Arthur Hoffmann fürchtete, dass zwischen »bloß aufnehmende[r] Hingabe und schöpferisch bewältigende[r] Aktivität des Blicks« das Passive überwiege.67 Der Medientheoretiker Siegfried Kracauer war in diesem Punkt noch kritischer: »Man vergißt sich im Gaffen, und das große dunkle Loch belebt sich mit dem Schein des Lebens, das niemanden gehört und alle verbraucht.«68 Das kinematografische Dispositiv schien einigen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen offenbar zu perfekt zu funktionieren. Der Kunstlehrer Georg Netzband wollte daher die Filmvorführung zuweilen anhalten, um das Publikum durch Übungen mit dem Zeigestock zu aktivieren.69 Rudolf Arnheim wendet den Zeigestock zur Metapher: »Und weiterhin gibt es die Möglichkeit […] mittels der bewegten Kamera, die sich hier als Zeigestock betätigt, und durch Herausheben von Teilausschnitten den Aufbau der malerischen Komposition im Film zu demonstrieren.«70 Vergleichbar hoffte der für einen Einsatz des Films in der akademischen Kunstgeschichte plädierende Albert Erich Brinckmann, damals Ordinarius in Köln beziehungsweise in Frankfurt, die Bewegung der Kamera könnte eine kunsthistorisch model-

lierte Raumerfahrung von Architektur in Szene setzen.71 Jüngst griff Winfried Pauleit diese Gedanken wieder auf: Die Apparatur des Kinos sei »die Verkörperung eines Erziehers – ein Lehrkörper –, der seinen Stoff via Leinwand vermittelt.«72 Welche Sichtweisen auf die Bildwerke legten die aus dem Zusammenspiel von Medium, spezifischem Medieneinsatz, zeitgenössischen Rezeptionsgewohnheiten und kunsthistorischem Diskurs hervorgehende »kunsthistorische Unterweisung«73 durch das Buch und den Film Die steinernen Wunder von Naumburg der Betrachterin nahe? Das Buch fordert seine Leserin medienbedingt immer wieder zum Innehalten und Konzentrieren auf einzelne Bilder auf, aber auch zu ihrer Zusammenschau auf den Doppelseiten und über diese hinweg. Seine Gestaltung schließt an das Format des in den 1920er Jahren aufkommenden preiswerten, vorwiegend auf das Visuelle setzenden und auf ein breites Publikum zielenden Kunstbuchs an, korrespondiert aber auch mit dem Fotobuch. Seine innovative, visuelle Wissensvermittlung lässt sich als Reaktion auf die Konkurrenz durch den Film betrachten. Speziell zielt das vorliegende Buch darauf, der Leserin die Werke durch enge Bildausschnitte, spezielle Kamerastandorte, eindrucksvolle Beleuchtung, das suggestive Neben- und Hintereinanderreihen der Bilder, erzählerische Bildunterschriften und ein hand­liches Buchformat räumlich wie auch emotional nahezubringen und sie zu narrativen Ausdeutungen anzuregen. Dies lässt sich als eine Visualisierung kunsthistorischer Vorstellungen ihrer besonderen Naturnähe, realistischen Gestaltung, Plastizität und erzählerischen Kraft verstehen. Über die damalige Rezeption ist bislang wenig bekannt. Ein Rezensent lobte das Buch jedoch mit den Worten: »Das gute Kupfertiefdruckverfahren gibt […] die Licht[-] und Schattenwerte der Figuren auf das beste wieder, lässt sie geradezu körperlich erscheinen […].«74 Gegenüber dem tradierten, wenn auch durch zeitgenössische Aktuali-

sierungen mit neuer Attraktivität aufgeladenen Medium des Buchs war der Films damals etwas Neues, dem große Begeisterung entgegengebracht wurde. Der unablässige Bilderfluss auf der großen Leinwand des dunklen Kinos verstärkte das Bewegte, Plastische, Räum­liche und Narrative des fotografisch illustrierten Kunstbuchs und ergänzte Ton und Tempo. Im vorliegenden Film rufen das Zusammenspiel weniger Totalen und Halbtotalen mit überwiegend nahen Einstellungen in Kombination mit der unablässig bewegten Kameraführung, dem Rhythmus der musikalischen Untermalung und der kontrastreichen Beleuchtung neben dem Eindruck räum­licher und emotionaler Nähe auch die Vision eines Schauspiels der Bildwerke auf der Bühne des Westchores hervor. So konstatierte Lotte H. Eisner, dass »Stein zum Leben« erweckt worden sei.75 Dies schließt an weiter oben bereits diskutierte kunsthistorische Deutungen an. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Buch und in perfektionierter Form der Film Die steinernen Wunder von Naumburg – bezogen auf einige Deutungen der zeitgenössischen Kunstgeschichte – partiell einlösen konnten, was Heinrich Wölfflin gefordert hatte: Eine gezielte Führung des Auges.76 Für den Film bestätigt dies ein Zeitgenosse: Die »rastlos schweifende Kamera entspricht hier ungefähr dem Auge des sachverständigen Besuchers, das in Einzelheiten von allen Seiten fixiert, dann auch wieder den Blick zurückschweifen lässt […] Vergleiche zieht und sich am Gesamteindruck erfreut.«77 Film und Buch vermittelten jeweils Zugänge zu den Bildwerken, welche kunsthistorisches Wissen mit besonderer Sichtbarkeit, Emotionalisierung sowie narrativer Ausdeutung verbanden und zumindest im Falle des Films eine Reflexion der Bilder durch die Zuschauerin eher erschwerten denn förderten.

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1 Heinrich Wölfflin, Das Erklären von Kunstwerken (Bibliothek der Kunstgeschichte, 1), Leipzig 1921, S. 3. 2 Die steinernen Wunder von Naumburg, Regie: Curt Oertel und Rudolf Bamberger, Drehbuch: Rudolf Bamberger, Kamera: Curt Oertel, Produktionsfirma: C. Oertel und R. Bamberger (Berlin-Schöneberg), Länge: 569 m, 21 min., Format: 35mm, 1:1.33, s/w, Ton, Zensur (DE): 31. August 1932, Uraufführung (DE): 07. Oktober 1932, Berlin, Marmorhaus. 3 Rudolf Bamberger, Curt Oertel und Edwin Redslob, Die steinernen Wunder von Naumburg. Fünfzig Aufnahmen mit der Filmkamera von C. Oertel und R. Bamberger beschrieben und gedeutet von Edwin Redslob, Leipzig 1933. 4 Willibald Sauerländer, »Die Naumburger Stifterfiguren. Rückblick und Fragen. Für Richard Krautheimer in aller Freundschaft«, in: Die Zeit der Staufer. Geschichte, Kunst, Kultur (Ausst. Kat. Stuttgart 1977), 5 Bde., hrsg. von Reiner Hausherr und Christian Väterlein, 6., verb. Aufl., Stuttgart 1979, Bd. 5, S. 169–245, hier S. 174–178. Gerhard Straehle meldet in seiner Dissertation gegen ­Willibald Sauerländers These von einer Verbindung von Lebendigkeitsphantasien und nationalen Ausdeutungen Bedenken an. Vgl. Gerhard Straehle, Der Naumburger Meister in der deutschen Kunstgeschichte. Einhundert Jahre deutsche Kunstgeschichtsschreibung 1886–1989, Diss. Univ. München 2009, S. V, https://d-nb.info/99837900X/34 (06.05.2019). Anja Schürmann zeigt auf, dass das Bemühen um Verlebendigung der Figuren die Publikationen politisch unterschiedlich eingestellter Autoren durchzieht. Anja Schürmann, »›Rechte‹ und ›linke‹ Ideologisierungen. Wilhelm Pinder und Richard Hamann beschreiben staufische Kunst«, in: Kunstgeschichte im »Dritten Reich«. Theorien, Methoden, Praktiken, hrsg. von Ruth Heftrig, Olaf Peters und Barbara Schellewald (Schriften zur modernen Kunsthistoriographie, 1), Berlin 2008, S. 245–260. Zwar sind Lebendigkeitsphantasien nicht grundsätzlich mit nationalen und rassistischen Ausdeutungen verknüpft, doch bieten sie dafür Ansatzpunkte. Lothar Schreyer beispielsweise schreibt über die Stifterfiguren: »Im Gotteshaus des Volkes ist die Schicksalsgemeinschaft des Volkes erhoben durch die Gnade. Die zwölf Stifter im Dom zu Naumburg verkündigen die begnadete deutsche Gemeinschaft.« Lothar Schreyer, Frau Uta in Naumburg. Eine Beschreibung und Deutung der Stifterfiguren, Oldenburg und Berlin 1934, S. 55. 5

Exemplarisch ist ein Gedicht von Heinrich Wandle: »Wie eine Sage geht sie durch die Welt, sie lächelt, denn sie weiß viel mehr, als andere Menschen um ihr Leben wissen. […] Sie spricht nicht viel, denn Gottes Sprache

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drückt schweigend sich in ihrem Wesen aus. […] Wer ihren Stundenruf erfuhr, spricht leise, so wie sie.« Heinrich Wandle, Uta, Halle 1930, S. 9. 6 Richard Hamann erklärt: »In diesen unnachahmlich lebendigen Geschöpfen, die wie von heute den Raum mit bedeutendem Dasein füllen, hat mittelalter­liche Porträtdarstellung ihren Höhepunkt erklommen.« Richard Hamann, Deutsche Köpfe des Mittelalters. Auswahl nach Aufnahmen des kunstgeschicht­lichen Seminars mit einer Einleitung von Richard Hamann (1922), 2. Aufl., Marburg 1923, o. Pag. (S. 1). Erwin Panofsky spricht von einer »Versammlung lebendiger, durch tausend unsichtbare Fäden verbundener Individuen.« Erwin Panofsky, Die deutsche Plastik des elften bis dreizehnten Jahrhunderts, München 1924, S. 146. Hans Jantzen schreibt: »Den Eindruck von Lebensnähe dieser Figuren weiß der Naumburger Meister vor allem dadurch zu erreichen, daß er seine Gestalten als ­geistig beschäftigt charakterisiert […].« Hans Jantzen, Deutsche Bildhauer des 13. Jahrhunderts (Deutsche Meister), Leipzig 1925, S. 238. 7 Vgl. Sauerländer 1977 (wie Anm. 4), S. 179. 8 Bamberger, Oertel und Redslob 1933 (wie Anm. 3), Schutzumschlag. 9 Vgl. Ingeborg Reichle, »Fotografie und Lichtbild: Die ›unsichtbaren‹ Bildmedien der Kunstgeschichte«, in: Sichtbarkeit und Medium. Austausch, Verknüpfung und Differenz naturwissenschaft­licher und ästhetischer Bildstrategien, hrsg. von Anja Zimmermann, Hamburg 2005, S. 169–181. Der Film gewährte neue Seherfahrungen, die kunsthistorische Fotografie in einem anderen Licht erscheinen ließen. Kritisch angemerkt wurde, dass die fotografische Vermittlung im Unterschied zum Film Raum, Raumerlebnis, ­Volumen und zeit­liche Aspekte nicht erfassen könnte. ­Zugleich lässt sich beobachten, dass der Film auf die Fotografie zurückwirkte. Vgl. Barbara Schrödl, Korrespondenzen zwischen Architekturgeschichte, Fotografie und Film. Beitrag zu einer Medienarchäologie der Kunstgeschichte, Habil.-Schrift Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz 2014, S. 363. 10 Vgl. Hans Cürlis, Schaffende Hände. Die Maler. Zu dem Filmwerk ›Schaffende Hände‹ des Instituts für Kulturforschung, Berlin 1926. 11 Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde Edwin Redslob, der in die Partei eintreten sollte, dies jedoch verweigerte, von dem amtierenden Reichs­ innenminister Wilhelm Frick aus allen Ämtern entlassen. Das Amt des Reichskunstwarts wurde aufgehoben. Vgl. Olaf Peters, »Redslob, Edwin« in: Neue Deutsche Bio­ graphie, 21, 2003, S. 250–251, https://www.deutschebiographie.de/pnd118743759.html (06.05.2019).

12 Bamberger, Oertel und Redslob 1933 (wie Anm. 3), S. 5–11, hier S. 9. 13 Zum Forschungsstand der Weimarer Zeit siehe ­Straehle 2009 (wie Anm. 4), S. 283‒511. 14 Zu Porträtfotografie von Hugo Erfurth siehe Hugo Erfurth. 1874–1948. Photograph zwischen Tradition und Moderne, hrsg. von Bodo von Dewitz und Katrin SchullerProcopovici, Köln 1992, darin insbesondere: Bodo von Dewitz, »Hugo Erfurth. Ein Photograph und die vielen ›Köpfe seiner Zeit‹«, S. 10–27 und Claudia Gabriele Phillipp, »Bildnismäßige Photographie. Zur künstlerischen Legitimation des Photographen«, S. 37–44. 15 Bereits auf dem ersten internationalen Kunsthistorikerkongress, der 1873 im Österreichischen Museum für Industrie und Kunst in Wien stattfand, wurde die Notwendigkeit der Etablierung wissenschaft­licher Standards bei der fotografischen Erfassung kunsthistorischen Materials konstatiert. Vgl. Ingeborg Reichle, »Kunst-Bild-Wissenschaft. Überlegungen zu einer visuellen Epistemologie der Kunstgeschichte«, in: Verwandte Bilder. Die Fragen der Bildwissenschaft, hrsg. von ders., Steffen Siegel und Achim Spelten, Berlin 2007, S. 179‒189. Die Diskussion um den richtigen Standort und die richtige Beleuchtung begründeten Hermann Wilhelm Vogel und Heinrich Wölfflin. Vgl. Hermann Wilhelm Vogel, »Photographie und Wahrheit«, in: ders., Lichtbilder nach der Natur. Studien und Skizzen, Berlin 1879, S. 147‒164; Heinrich Wölfflin, »Wie man Skulpturen aufnehmen soll (Teil I)«, in: Zeitschrift für bildende Kunst, N. F. 7, 1896, S. 224‒228; ders., »Wie man Skulpturen aufnehmen soll (Teil II)«, in: Zeitschrift für bildende Kunst, N. F. 8, 1897, S. 294‒297; ders., »Wie man Skulpturen aufnehmen soll? Probleme der italienischen Renaissance«, in: Zeitschrift für bildende Kunst, N. F. 26, 1914, S. 237‒244. 16 Bereits die frühen, auf der Zeichnung basierenden Darstellungen der Stifterfiguren des Naumburger Malers August Weidenbach in der Publikation Carl Peter Lepsius, Über das Alterthum und die Stifter des Doms zu Naumburg, Naumburg 1822, verzichten auf eine Erfassung der Baldachine. Dennoch sind die Skulpturen im Unterschied zu den meisten der späteren fotografischen Aufnahmen deutlich in die Architektur eingebunden. Vgl. Wolfgang Schenkluhn, »Individualität und Meisterschaft. Zur Nahaufnahme der Stifterfiguren im Naumburger Westchor«, in: Individualität und Meisterschaft. Die Naumburger Stifterfiguren in Nahaufnahmen von Juraj Lipták, hrsg. von Wolfgang Schenkluhn, Heiko Brandl und Juraj Lipták, Halle 2011, S. 5–28, hier S. 7–10.

17 Besonders intensiv widmete sich Arthur Schlegel dieser Frage. Vgl. Arthur Schlegel, »Der Standpunkt beim Aufnehmen von Skulpturen«, in: Photographische Rundschau, 69, 4, 1932, S. 71–74, hier S. 71. 18 Wölfflin 1921 (wie Anm. 1), S. 23; Hermann Giesau, »Der Naumburger Bildhauer in Amiens«, in: Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 1924/25, S. 201–206, hier S. 206. 19 Richard Hamann geht es darum, die Skulpturen als Visualisierung des »deutschen Wesens« lesbar zu machen. Seine sprach­liche Deutung der Figuren ist psychologisierend angelegt. Beispielsweise liest man: »In diesen unnachahmlich lebendigen Geschöpfen, die wie von heute den Raum mit bedeutendem Dasein füllen, hat mittelalter­liche Porträtdarstellung ihren Höhepunkt erklommen. […] Graf Dietrich (43), erste Verwirklichung des Typus’ eines preußischen Hauptmannes, der auf dem Exerzierplatz seine Kerle anschreit, cholerisch und leicht zu Zornesausbrüchen neigt, um so mehr als gewisse Kurzatmigkeit den schweren Körper mühsamen in Bewegung setzt und auch der Wut ein Körnchen Leiden untermischt.« Hamann 1922 (wie Anm. 6), S. 1. Er bezieht sich auf die Abbildung Nr. 43. 20 Vgl. Angela Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis. Richard Hamann und Foto Marburg (HumboldtSchriften zur Bild- und Kunstgeschichte, 7), Berlin 2009, S. 262. 21 Walter Heges Skulpturenfotografien verbinden das Spiel mit Unschärfen, die Vorliebe für ungewöhn­liche Perspektiven wie Nah- oder Untersichten, starke Hell-Dunkel-Kontraste und spannungsreiche Bildkompositionen. Die Naumburger Stifterfiguren werden in verschiedenen Bildausschnitten, vor allem Ganz- und Halbfiguren, Brustbildern und Bildnisköpfen erfasst. Im Falle der Brustbilder und Bildnisköpfe werden Groß- oder Nahaufnahme, formatfüllende Darstellung und eine Platzierung der Kamera auf Augenhöhe der Figuren verbunden, wodurch der Eindruck großer Nähe entsteht. Ganz- und Halbfiguren werden ebenfalls formatfüllend dargestellt, aber aus deut­licher Untersicht aufgenommen, wodurch sie eine Heroisierung erfahren. Vgl. Angelika Beckmann, »Ein ›Wegweiser zum Sehen‹. Walter Heges Photographien von Kunstwerken. Intentionen und Gestaltungsweisen, in: Dom. Tempel. Skulptur. Architekturphotographien von Walter Hege, hrsg. von Angelika Beckmann und Bodo von Dewitz, Köln 1993, S. 14‒22. 22 Zum Vergleichenden Sehen siehe Vergleichendes Sehen, hrsg. von Lena Bader, Martin Gaier und Falk Wolf (eikones), München, Paderborn 2010. 23 Heinrich Wölfflin, Kunstgeschicht­liche Grundbegriffe.

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Das Problem der Stilentwicklung in der neueren Kunst, München 1915. 24 Die Bildunterschrift zur Gerburg genannten Stifterfigur lautet beispielsweise: »Gerburg eröffnet die Versammlung der fürst­lichen Stifter des Domes. Noch wie auf dem Weg zum Heiligtum und schon in seinem Banne, weist ihre Haltung ruhegebietend auf die Nähe des Alters.« Bamberger, Oertel und Redslob 1933 (wie Anm. 3), S. 13. 25 Im deutschsprachigen Raum begründete die Fotobuchforschung Hanne Bergius. Vgl. Hanne Bergius, »Die neue visuelle Realität. Das Photobuch der 20er Jahre«, in: Deutsche Fotografie. Die Macht eines Mediums. 1870–1970 (Ausst. Kat.), hrsg. von Klaus Honnef, Rolf Sachsse und Karin Thomas, Bonn 1997, S. 88–102. Jüngst griff Mareike Stoll Bergius’ Thesen auf und führte sie in Aspekten weiter. Stoll definiert auch, was unter einem Fotobuch zu ­verstehen ist. Vgl. Mareike Stoll, ABC der Photographie. Photobücher der Weimarer Republik als Schule des Sehens (Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Photographie. DGPh-Stipendium zur Geschichte des deutschsprachigen Photobuchs, 2), Köln 2018, S. 38. 26 Natascha Pohlmann, »Do not touch. Das Fotobuch im musealen Ausstellungsraum«, in: Valenzen fotografischen Zeigens, hrsg. von Katharina Sykora, Kristin Schrader, Dietmar Kohler, Natascha Pohlmann und Daniel Bühler (Das fotografische Dispositiv, 3), Marburg 2016, S. 218–233 und S. 220. 27 Zur Arbeit Edwin Redslobs am Buch Die steinernen Wunder von Naumburg sowie zu seiner Entstehung auf Seiten des Verlages E. A. Seemann scheinen keine Unterlagen erhalten zu sein. Angefragt wurde beim Germanischen Nationalmuseum | Deutsches Kunstarchiv und ­Historisches Archiv. Vgl. Laura Metz, Email an Barbara Schrödl, 12. Juli 2018. Recherchiert wurde zudem in den Findmedien des Staatsarchivs Leipzig, des Bundesarchivs in Berlin und des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar. 28 Bergius 1997 (wie Anm. 25), S. 88. 29 Arnold Fanck, »Der Kultur-Spielfilm. Eine Filmgattung, deren Möglichkeiten und Werte noch nicht erkannt wurden«, in: Nationalsozialistische Monatshefte, 13, 1942, S. 357–366, hier S. 363, zit. Reiner Ziegler, Kunst und Architektur im Kulturfilm 1919‒1945, Konstanz 2003, S. 58. 30 Curt Oertel, »Auf dem Weg zu neuen ›Erlebnislängen‹«, in: Berliner Tagblatt, 12. Januar 1936, Nr. 3, Beiblatt, zit. Ziegler 2003 (wie Anm. 29), S. 55. 31 Gundolf Winter, »Bildwerk und Bauwerk. Zur Mediatisierung von Architektur im Fernsehen«, in: Die Kunstsendung im Fernsehen der Bundesrepublik Deutschland

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(1953–1985), Teil I: Geschichte–Typologie–Ästhetik, mit einem Beitrag von Christoph Schreiner, hrsg. von Gundolf Winter, Martina Dobbe und Gerd Steinmüller, Potsdam 2000, S. 379‒426, hier S. 382. 32 Die steinernen Wunder von Naumburg 1932 (wie Anm. 2), 00:00:31–00:01:34 min. 33 Ebd., 00:01:34–00:02:37 min., das Zitat 00:02:31– 00:02:36 min. 34 Ebd., 00:01:38 min. Mit Orgelkompositionen von Johann Sebastian Bach wurden die filmischen Bilder durch eine traditionsreiche und weiten Kreisen bekannte, geistliche Musik ergänzt. 35 Wolfgang Ullrich, Uta von Naumburg. Eine deutsche Ikone, Berlin 1998, S. 67–68. 36 Oertel 1936 (wie Anm. 30), Beiblatt. 37 Ebd. 38 Dies hat bereits Wolfgang Ullrich beobachtet, doch fokussiert er auf eine Gegenüberstellung von Gemeinschaft und Einzelperson. Ullrich 1998 (wie Anm. 35), S. 68. 39 Die steinernen Wunder von Naumburg 1932 (wie Anm. 2), 00:15:34–00:16:46 min., der staunende Blick 00:16:26–00:16:32. 40 Ziegler 2003 (wie Anm. 29), S. 55. 41 Anonym, »Die steinernen Wunder von Naumburg«, in: Die Weltbühne, Berlin, 11. Oktober 1932, ohne Seitenangabe, zit. Rudolf Bamberger. Skizzen aus Leben und Werk, hrsg. von Deutsche Kinemathek Berlin (Schriftenreihe Deutsche Kinemathek, 18), Berlin 1972, S. 105. 42 Herbert Ihering, »Die steinernen Wunder von Naumburg«, in: Berliner Börsen-Courier, 08. Oktober 1932, ohne Seitenangabe, zit. Deutsche Kinemathek Berlin 1972 (wie Anm. 41), S. 104. 43 L. H. E. [Lotte H. Eisner], »Die steinernen Wunder von Naumburg«, in: Der Film-Kurier (Berlin), 08. Oktober 1932, ohne Seitenangabe, zit. Deutsche Kinemathek Berlin 1972 (wie Anm. 41), S. 103. 44 Arnold Fanck, »Der Kultur-Spielfilm. Eine Filmgattung, deren Möglichkeiten und Werte noch nicht erkannt wurden«, in: Nationalsozialistische Monatshefte, 13. Juni 1942, S. 357–366 und S. 363, zit. Ziegler 2003 (wie Anm. 29), S. 58. 45 Vgl. Schrödl 2014 (wie Anm. 9), S. 201–205. 46 Wilhelm Bode, Geschichte der deutschen Plastik, Berlin 1886, S. 54 und S. 58. 47 Vgl. August Schmarsow, Die Bildwerke des Naumburger Doms, Magdeburg 1892, S. 44. 48 Vgl. Schmarsow 1892 (wie Anm. 47), S. 39–41. 49 Ullrich 1998 (wie Anm. 35). Zur Emotionalisierung

dieser Figur siehe August Schmarsow, der sie bereits 1892 mit einer begehrenswerten Frau vergleicht: »Hier ist dem Künstler ein deutsches Frauenbild gelungen, das Hoheit und Liebreiz in wunderbarem Maße vereinigt.« Schmarsow 1892 (wie Anm. 47), S. 21. In den 1930er Jahren erscheinen dann verschiedene literarische Abhandlungen, z. B. Wandle 1930 (wie Anm. 5), Felix Dhünen, Uta von Naumburg. Schauspiel in 3 Akten, Berlin 1934 und Hanna Kiel, Uta von Naumburg. Erzählung, Berlin 1936. 50 Wilhelm Pinder, Der Naumburger Dom und seine Bildwerke aufgenommen durch Walter Hege, Berlin 1925, S. 16. 51 Peter Bömer, Der Westlettner des Naumburger Doms und seine Bildwerke. Form- und funktionsgeschicht­liche Studien, Diss. Univ. Münster 2013, Regensburg 2014, S. 162. Er beruft sich auf Panofsky 1924 (wie Anm. 6), S. 146‒147. 52 Bamberger, Oertel und Redslob 1933 (wie Anm. 3), S. 11. 53 Vgl. Schmarsow 1892 (wie Anm. 47), S. 28. 54 Sigrid Schade und Silke Wenk, »Inszenierungen des Sehens: Kunst, Geschichte und Geschlechterdifferenz«, in: Genus I: Zum Geschlechterverhältnis in den Kulturwissenschaften, hrsg. von Hadumod Bußmann und Renate Hof, Stuttgart 1995, S. 340–407. Sigrid Schade und Silke Wenk, Studien zur visuellen Kultur. Einführung in ein transdisziplinäres Forschungsfeld (Studien zur visuellen Kultur, 8), Bielefeld 2011. 55 Vogel 1879 (wie Anm. 15). 56 Wölfflin 1896, Wölfflin 1897 und Wölfflin 1914 (wie Anm. 15). 57 Wölfflin 1921 (wie Anm. 1), S. 3. 58 Walter Benjamin, »Kleine Geschichte der Fotografie« (1931), in: ders., Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie (1963), Frankfurt am Main 1977, S. 45–64 und S. 60–61. 59 Bergius 1997 (wie Anm. 25), S. 88–90. 60 Stoll 2018 (wie Anm. 25), S. 146. 61 Volker Gebhardt, »Verlegte Kunst. Das Kunstbuch am Ende des 20. Jahrhunderts«, in: Darstellung und Deutung. Abbilder der Kunstgeschichte, hrsg. von Matthias Bruhn, Weimar 2000, S. 89‒100, hier S. 92. 62 Vgl. Schrödl 2014 (wie Anm. 9), S. 72–83. 63 Michael Ponstingl, »Das Auge und der Apparat. Die Bildbandreihen des Verlages Karl Robert Langewiesche 1904–1960. Heimatschutz und Kunsterziehung«, in: Das Auge und der Apparat. Eine Geschichte der Fotografie aus den Sammlungen der Albertina (Ausst. Kat. Wien und München 2003), Paris 2003, S. 202–223, hier S. 213. 64 Adolf Heckel und Walter Müller-Grah, Die Wies. Ein

Meisterwerk des Deutschen Rokoko (Der eiserne Hammer), Königstein im Taunus und Leipzig 1936; Schrödl 2014 (wie Anm. 9), S. 91–93. 65 Konrad Lange, Das Kino in Gegenwart und Zukunft, Stuttgart 1920, S. 170. 66 Erwin Ackerknecht, Das Lichtspiel im Dienste der Bildungspflege. Ein Handbuch für Lichtspielreformer, Berlin 1918, S. 35. 67 Arthur Hoffmann, Bild und Film im Unterricht. Die neuen Aufgaben nach Zielsetzungen und Verfahren, Stuttgart und Berlin 1938, S. 129. 68 Siegfried Kracauer, »Langeweile« (ohne Datum), in: Siegfried Kracauer, Das Ornament der Masse. Essays [1920– 1931] (1963), Frankfurt am Main 1977, S. 321–324 und S. 322. 69 Georg Netzband, »Einsatz des Unterrichtsfilms ›Perspektivisches Sehen‹ (F 164/1937) im 5. und 6. Schuljahr«, in: RfdU-Filme im Unterricht. Beispiele aus der Praxis, hrsg. von Wilhelm Helmbrecht, Berlin 1938, S. 205–213. 70 Rudolf Arnheim, »Malerei und Film« (1934), in: ders., Kritiken und Aufsätze zum Film, hrsg. von Helmut H. Diederichs, München und Wien 1977, S. 151–153 und S. 153. 71 Vgl. Winter 2000 (wie Anm. 31), S. 379. Albert Erich Brinckmann hatte unter anderem erklärt: »Man hat die Raumvorstellung als einen Komplex von Bewegungsvorstellungen definiert, d. h. von Vorstellungen, zu deren Gewinnung das vermittelnde Auge sich hin und her bewegen muss, also gleichsam das betrachtete Objekt von wechselnden Standpunkten aus abtastet, und deren Summe dann, durch das Hirn addiert, die Raumvorstellung ergibt.« Albert Erich Brinckmann, »Raumbildung in der Baukunst«, in: Deutsche Kunst und Dekoration, 29, 1911, S. 52‒58, hier S. 57. 72 Winfried Pauleit, »Der Kinematograph als Zeigestock. Zum ästhetischen Erziehungsanspruch von Kino und Schule«, in: Ästhetik & Kommunikation, 125, 2004, S. 13–20 und S. 14. 73 Wölfflin 1921 (wie Anm. 1), S. 3. 74 L. S., »Die steinernen Wunder von Naumburg«, in: Der Bildwart. Blätter für Volksbildung, 8/9, 1935, S. 249– 250. 75 L. H. E. [Eisner] 1932 (wie Anm. 43), ohne Seitenangabe, zit. Deutsche Kinemathek Berlin 1972 (wie Anm. 41), S. 103. 76 Vgl. Wölfflin 1921 (wie Anm. 1), S. 3. 77 O. [Fritz E. Olimsky], »Die steinernen Wunder von Naumburg«, in: Berliner Börsen-Zeitung, 08. Oktober 1932, ohne Seitenangabe, zit. Deutsche Kinemathek Berlin 1972 (wie Anm. 41), S. 104.

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Eingeschränkte Sichtverhältnisse. Zur fotografischen Vermittlung romanischer Kunst in Frankreich um 1950 Bernd Carqué

Mit eingeschränkten Sichtverhältnissen hatte zu rechnen, wer in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die vertrauten Handbücher zur Bau- und Bildkunst der Romanik beiseite legte und stattdessen einen Blick in jene Bände warf, die eben diesen Gegenstand auf überraschend neuartige Weise zur Anschauung brachten. Namentlich in den Veröffentlichungen der Benediktinerabtei Sainte-Marie de la Pierre-qui-Vire, aber auch im Umfeld der dominikanischen Art sacré-Bewegung fanden sich eingespielte Darstellungskonventionen und Sehgewohnheiten außer Kraft gesetzt. Motivzersetzende Hell-Dunkel-Kon­traste (Abb. 1) brachen nicht weniger radikal mit den Gepflogen­ heiten der fotografischen Objektwiedergabe wie schwindelerregende Blickwinkel (Abb. 2), klaustrophobisch enge Bildausschnitte oder die unvermittelte Nahsicht. Wo bislang noch gleichförmige Überschaubarkeit vorherrschte (Abb. 3), zeichneten sich nun unverkennbare Tendenzen zu einer vehement fokussierenden Blickregie, ja zu verunklärender Zurichtung und Überformung ab. So sehr dadurch auch die Lesbarkeit der gegenständ­lichen Motivgestalt erschwert und die Identifizierbarkeit der Objekte unterlaufen wurde, nahm man doch eine unverminderte Vermittlungsfunktion für die betreffenden Illustrationen in Anspruch. Damit nicht genug, entwickelten sich insbesondere die benediktinischen Éditions Zodiaque zu einem verlegerisch überaus erfolgreichen, nachhaltig wirksamen Unternehmen der Popularisie-

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rung romanischer Bau- und Bildkunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dieser Umstand wirft Fragen auf, die der Beitrag im Blick vor allem auf die Bildsprache der Fotografien zu beantworten sucht: Welche Deutungsangebote wurden dem Leser und Betrachter der Bücher unterbreitet, welche Bedeutungsdimensionen mithin der Romanik zugeschrieben? Welche Bildmittel und Darstellungsmodi kamen dabei zum Einsatz? Aus welchen Quellen speiste sich die offensive Erprobung neuer visueller Möglichkeiten der Objektrepräsentation? Woher rührte der anhaltende Erfolg dieser Vermittlungsmedien ungewöhn­lichen Zuschnitts? Dem Bildgedächtnis nicht nur der Kunstgeschichte haben sich die Éditions Zodiaque insbesondere durch die gleichnamige Zeitschrift und die daraus hervorgegangene Buchreihe La Nuit des temps eingeschrieben,1 mit denen sie 1951 respektive 1954 im burgundischen Saint-Léger-Vauban angetreten waren, um nach den grundstürzenden Umwälzungen zweier Weltkriege eine spirituelle wie ästhetische Erneuerung ins Werk zu setzen, die wesentlich von Vergangenheitsbezügen getragen wurde.2 In nie dagewesener Breite den Monumenten romanischer Kunst gewidmet, sollten die Publikationen einer um Orientierung ringenden Gegenwart Leitbilder vermitteln, die »dans les plus grands siècles de la Foi«3 geschaffen worden waren. Außerdem versprach sich die Abtei neue Impulse für die eigene, unter dem Rubrum ›art sacré‹ gefasste Kunstproduktion, mit der sie im 1948 eingerichte-

Abb. 1 Lucien Hervé, Le Thoronet, ehemalige Abteikirche, Nordquerhausarm, 1951

ten Atelier du Cœur-Meurtry an die Gründungsphase kubistischer Abstraktion vor dem Ersten Weltkrieg anzuknüpfen suchte.4 Darin kam sie mit den zur selben Zeit von dominikanischer Seite unternommenen Anstrengungen überein, gegen den massiven Widerstand des katholischen, teils in die Kollaboration verstrickten Konservativismus eine zeitgemäße religiöse Kunst zu etablieren, die sich an der Klassischen Moderne orientierte.5 Im Unterschied zur Art sacré dominikanischen Zuschnitts wurde für die Benediktiner freilich die programmatische Verquickung von Vergangenheit und Gegenwart, Mittelalter und Moderne konstitutiv, aus der im Wechselspiel von romanischer und zeitgenössischer Kunst auch das spezifische ästhetische Profil der Éditions Zodiaque hervorgegangen ist – ein Profil, das beide Zeitschichten wechselseitig aufeinander bezog und bildlich miteinander verschmolz.6 Antithetische Begriffspaare wie »confusion« und »ordre« kehren namentlich in den Texten der fünf-

Abb. 2 R. G. Phélipeaux, Paray-le-Monial, ehemalige Prioratskirche, nordwestlicher Vierungspfeiler, 1954

ziger Jahre leitmotivisch wieder, um Gegenwart und Vergangenheit kontrastiv aufeinander zu beziehen und einer als ebenso zerrüttet wie sinnentleert wahrgenommenen Nachkriegszeit die unversehrte Ursprünglichkeit einer christlich zentrierten Kultur und Gesellschaft entgegenzusetzen, von der die Impulse zur Erneuerung ausgehen sollten.7 Maßgeb­lichen Anteil an der Konstruktion einer solchen Epochenimagination, welche die Romanik und mit ihr das Früh- und Hochmittelalter aus gegenwartskritischer Perspektive zur »utopischen Vergangenheit«8 werden ließ, hatten jene Bilder, die von R. G. Phélipeaux, Gérard Franceschi, Jean Dieuzaide, Pierre Belzeaux und anderen Fotografen in aufwendigen Kampagnen eigens für die Éditions Zodiaque angefertigt wurden. Im Vergleich mit den klassischen Handbüchern der ersten Jahrhunderthälfte zur Bau- und Bildkunst der Romanik9 fällt an diesen Aufnahmen der gezielt herbeigeführte Bruch mit den Gepflogenheiten der Objektwiedergabe ins Auge. Waren Autoren wie Ca-

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Abb. 3 Paray-le-Monial, ehemalige Prioratskirche, Inneres nach Nordosten

mille Enlart, Émile Mâle, Marcel Aubert oder Henri Focillon allen Unterschieden ihrer Herangehensweise zum Trotz gleichermaßen um Abbildungen bemüht, die ihren Gegenstand bevorzugt in der Halbtotalen, aus frontalem Blickwinkel und unter homogener Beleuchtung zur Anschauung brachten, wichen die Éditions Zodiaque namentlich in den fünfziger und sechziger Jahren von solchen Standards nüchternen Dokumentierens ab und schlugen stattdessen den Weg einer konsequenten Inszenierung der Monumente im Sinne des Expressiven, des Dramatischen und des Mystischen ein. Entwickelt und eingeübt wurde der Modus luzider Dokumentation, den die Illustrationen der Handbücher mit großer Einhelligkeit an den Tag legen, zuvörderst durch die fotografische Aneignung und Erschließung von Bau- und Bildwerken im Zuge der Denkmalinventarisation. Federführend war dabei der epistemische Habitus einer Mittel­ alterarchäologie, die in ihrem szientistischen Selbst-

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verständnis dem Exaktheitsideal der empirischen Naturwissenschaften nachzueifern suchte, indem sie dem Paradigma der objektiven Beobachtung zum Durchbruch verhalf.10 Unter den programmatischen Vorzeichen der Objektivität kristallisierten sich Darstellungskonventionen heraus, die in den Bildarchiven staat­licher Denkmalpflegeinstitutionen11 ebenso beherrschend in Erscheinung traten wie unter den Beständen kommerzieller Bildagenturen.12 So zeigen etwa die von Séraphin-Médéric Mieusement in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts im Auftrag der Commission des Monuments historiques angefertigten Aufnahmen13 und die Portfolios von Neurdein oder Giraudon14 eine gleichermaßen standardisierte Blickregie, die auf uneingeschränkte Sichtverhältnisse und zentralperspektivisch organisierte Überschaubarkeit, auf Detailschärfe und gegenständ­liche Lesbarkeit abzielt. An solchen Grundsätzen orientierten sich schließlich auch jene Mittelalterarchäologen und Kunsthistoriker, die ihre Werke überwiegend mit eigenen Aufnahmen versehen haben – etwa Eugène Lefèvre-Pontalis oder Arthur Kingsley Porter.15 Dem Anspruch objektiver Erfassung genügten in besonderer Weise Fotografien, die nicht vor Ort, sondern vor Gipsabgüssen entstanden waren, wie sie dem Publikum beispielsweise im 1882 eröffneten Musée de sculpture comparée16 in Paris vor Augen standen (Abb. 4).17 In Arbeiten zur Bildhauerkunst fanden solche Aufnahmen bevorzugt, mitunter sogar ausschließlich Verwendung.18 Die in situ bestehenden Einschränkungen der Objektwahrnehmung konnten kaum wirkungsvoller überwunden werden als durch die vermeintlich objektivierende Gleichförmigkeit der Gipse, ihre homogene Farbigkeit, ihre gleichmäßige Ausleuchtung oder ihre teils in deutlich reduzierter Untersicht hergestellte Zugänglichkeit. An der Prägung entsprechender Sehgewohnheiten und Darstellungskonventionen waren demnach die vor Ort geschaffenen Aufnahmen der Objekte,

plastische Abformungen in musealer Präsentation und deren fotografische Wiedergaben in wechselseitiger Verschränkung beteiligt. Die dabei vollzogene intermediale Angleichung der Repräsentationsstile hatte zur Folge, dass sich die unter weitgehender Vermeidung standortbedingter Faktoren eingenommene Betrachterperspektive als ein weithin gültiger Standard etablierte, der die Objekte unterschiedslos in idealer Frontalität und Unmittelbarkeit, Schärfe und Helligkeit zur Anschauung brachte. Der normierenden Wirkung solcher Modi haben sich die Éditions Zodiaque konsequent entzogen. Schon die Choreografie der Bilderstrecken etwa in den Bänden der Reihe La Nuit des temps konterkariert eingespielte Sehgewohnheiten, indem sie den Betrachter nicht von der orientierenden Gesamtansicht über ausgewählte Bauteile bis zu den Motiven des Skulpturenschmucks schrittweise an die Monumente heranführt, sondern meist unvermittelt am Detail ansetzt und im sprunghaften Wechsel der Einstellungsgrößen Nahaufnahmen und Halbtotalen einander ablösen lässt. In ihrem Folgeverhältnis nicht der Logik sukzessiver Erschließung unterworfen, forcieren auch die Aufnahmen selbst diesen fragmentierenden Effekt durch ein überwiegend eng bemessenes Gesichtsfeld, das die räum­liche Struktur der Bauten ebenso verunklärt wie den narrativen Zusammenhang figür­licher Motive. Raum- und Blickachsen zeigen sich nur selten zur Deckung gebracht, denn anstelle der frontalen Betrachterperspektive herrschen diagonal geführte Blicke vor, die oft aus extremer Untersicht mehrere Raumkompartimente durchqueren oder aus großer Höhe stürzend den vertikalen Baugliedern folgen (Abb. 2). Auch die Skulptur wird kaum je in bildparalleler Überschaubarkeit vor Augen geführt, sondern bevorzugt stark angeschnitten und aus flachem Winkel in den Blick genommen. Erheb­liche Einschränkungen erfahren die Sichtverhältnisse schließlich auch durch energisch zugespitzte Hell-Dunkel-Kontraste, die das Bildmotiv

Abb. 4 Zwischentitel in Aubert 1947 (wie Anm. 9) mit dem Gipsabguss des Hauptportals der ehemaligen Abteikirche von Vézelay

nicht mehr im gegenständ­lichen Zusammenhang, sondern nur noch ausschnitthaft in Erscheinung treten lassen (Abb. 1). Solche Beleuchtungseffekte evozieren gezielt eine Aura des Rätselhaften, ja des Mystischen, indem sie figür­liche Details im Streiflicht erfassen und jäh aus dem Dunkel der Schlagschatten aufscheinen lassen oder das Helldunkel bis zur Unkenntlichkeit der Raumdisposition verstärken. Bewusst einkalkuliert ist bei alledem die Irritation des Betrachters, der sich mit unergründ­lichen Raumverhältnissen oder mit figür­lichen Details konfrontiert sieht, die sich ihrer Identifizierung und Lokalisierung widersetzen. Durch die dramatisierende Blickregie der Abbildungen wird das Augenmerk des Betrachters auf andere als die vertrauten bautypologischen oder ikonografischen Aspekte gelenkt: Enges Gesichtsfeld und radikale Nahsicht fokussieren in beispielloser Unmittelbarkeit auf die Materialität der Bau- und Bildwerke sowie auf deren abstrakte

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Abb. 5 R. G. Phélipeaux, Detail der Christusfigur im Tympanon der Abteikirche von Vézelay, 1954

Formqualitäten. Kraft der besonders nuancenreichen Tonalität der Heliogravüre tritt die Oberflächenbeschaffenheit des Mauerwerks und der Bildhauerarbeiten beherrschend in Erscheinung und akzentuiert ganz im Sinne des gesuchten Ideals archaischer Materialsichtigkeit einen vermeintlich originären Zustand der Monumente, den diese freilich erst im Zuge rezenter Purifizierungsmaßnahmen durch den Verlust jeg­lichen Verputzes und ihrer Polychromie angenommen haben – so die Kathedrale Saint-Lazare in Autun19 durch die Restaurierungen im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts oder die ehemalige Prioratskirche in Paray-le-Monial20 durch diejenigen der Jahre 1923– 1958. Im letzteren Fall ging die restauratorische mit der ikonischen Zurichtung einher, antwortete die fotografische Inszenierung des Mauerwerks umgehend auf dessen Freilegung in situ (Abb. 2). Zu dieser bildlich beschworenen Aura des Urzuständ­lichen tritt das visuelle Konstrukt des Ungegenständ­lichen hinzu, denn wo nicht expres-

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sive Details wie die Fratzen der Verdammten und Dämonen am Weltgerichtstympanon des Gislebertus in Autun hervorgekehrt werden,21 ist durch vehementen Beschnitt die gegenständ­liche Motivgestalt oft kaum mehr auszumachen. So wird das ornamental stilisierte Faltenwerk der Christusfigur im Tympanon von Vézelay (Abb. 5) nach Maßgabe ebenjener zeitgenössischen Vorstellung des Nicht-Figurativen zugerichtet, als deren historisches Beispiel und Vorbild man die sakrale Kunst der Romanik aufgeboten hat, um die traditionsmächtige Wechselseitigkeit von Abstraktion und Spiritualität, Ungegenständlichkeit und Transzendenz zu bezeugen.22 Das in den fünfziger Jahren ausschlaggebende Verständnis reiner Formqualitäten speiste sich aus zwei Traditionsströmen, deren erster über das nachdrück­liche Bekenntnis zur Abstraktion zwischen den Weltkriegen, das sich gegen den traditionalistischen »Retour à l’ordre« wandte,23 bis in die Gründungsphase der Avantgarden zu Beginn des Jahrhunderts zurückreichte. Wirkmächtige Mittlergestalt auf diesem Weg war mit Albert Gleizes ein kubistischer Praktiker und Theoretiker der ersten Stunde, der in der Zwischenkriegszeit intensiver denn je den Grundbedingungen künstlerischer Gestaltung nachspürte, bevor er nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der wichtigsten Inspiratoren der Benediktiner von Sainte-Marie de la Pierre-quiVire werden sollte.24 Am Tympanon von Vézelay galt sein Augenmerk der genuinen Formdynamik des Plastischen, die er nicht als ein gegenstandskonstitutives Bildmittel im ikonografischen Zusammenhang, sondern als autonomen Ausdruckswert wahrnahm (Abb. 6). Darin entsprach seine künstlerische Sichtweise dem zweiten Traditionsstrang des Ungegenständ­lichen, den der kunsthistorische Formalismus verkörpert. Mit Henri Focillon wie mit dessen Schüler und Schwiegersohn Jurgis Baltrušaitis bemächtigte sich auch von wissenschaft­ licher Seite ein selektiver Blick auf abstrakte Elementarformen der Werke mittelalter­licher Kunst.25

Einen entscheidenden Schritt weiter gegangen ist unter dem Eindruck dieser Sicht- und Verständnisweisen die fotografische Aneignung der Werke. Um die programmatische Rückbesinnung auf die »plus grands siècles de la Foi«26 als gangbaren Weg einer religiösen und kulturellen Erneuerung der Gegenwart sinnfällig werden zu lassen, bediente sie sich des visuellen Konstrukts der Zeitenspiegelung. Denn nur durch die angleichende Zurichtung und Überformung der Monumente konnten empirische Belege dafür beigebracht werden, dass das in verklärender Rückschau herbeigesehnte Zeitalter der Romanik und die modernen Vorboten der Erneuerung – der avantgardistische Aufbruch des 20. Jahrhunderts – in einem inneren Zusammenhang stehen. Erst durch die gezielte Inszenierung reiner Formqualitäten (Abb. 5) gewann die vielbeschworene Wesensverwandtschaft von Mittelalter und Moderne an ästhetischer Evidenz. Auf pointierte Weise wird hier im Modus der Verähnlichung ein suggestives Wechselspiel von Vergangenheit und Gegenwart, alter und neuer Kunst greifbar, das in den Éditions Zodiaque und darüber hinaus mit großem Erfolg Spiritualität und Abstraktion, Transzendenz und Ungegenständlichkeit zueinander in Beziehung gesetzt hat. Ganz in diesem Sinne argumentiert beispielsweise eine Publikation zur ehemaligen Zisterzienserabtei Thoronet in der Provence, wenn sie mit der »architecture mystique« bereits im Untertitel das Ziel markiert, das die Kamera Lucien Hervés anvisiert hat, um es mit 78 einschlägigen Aufnahmen ins Werk zu setzen.27 Wie zur selben Zeit in den Bänden der Éditions Zodiaque, so sieht sich der Betrachter auch hier konfrontiert mit der Auf­ lösung gegenständ­licher Zusammenhänge durch Licht, Schatten und Bildausschnitte (Abb. 1), mit der jähen Nahsicht auf das Material und seine Oberflächentextur, mit extremen Blickwinkeln und gekippten Motiven, welche die Senkrechten des Objekts zu Bilddiagonalen werden lassen, mit

Abb. 6 Robert Pouyaud nach Albert Gleizes, Le portail de Vézelay, 1930

dem Hang, dreidimensionale bau­liche Strukturen in körperlose Flächenornamente zu verwandeln, oder mit der filmischen Manier, die Heliogravüren im Layout randlos auf die volle Größe der Buchseite auszudehnen. Und auch hier rückten Bildgestalt und Bildsprache demonstrativ von allen Darstellungskonventionen ab, unter deren Regie die Abtei sonst fotografisch in Erscheinung trat.28 Im Kontext des von Claude Arthaud verlegten Bandes sind diese Repräsentationsweisen unverkennbar religiös eingebettet und spirituell ausgerichtet, denn die Aufeinanderfolge der Illustrationen wird nicht von der hierarchisch-funktionalen Logik des Gebäudeensembles und seiner architekturgeschicht­lichen Erschließung bestimmt. Vielmehr wechseln sich assoziativ platzierte Bilder mit Texten insbesondere der Bibel und Bernhards von Clairvaux ab, deren Ordnung der Tageszeitenliturgie des monastischen Stundengebets folgt. Dieselben Modi fotografischer Repräsentation können freilich auch eine abweichende Orientie-

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Abb. 7 Lucien Hervé, Eiffelturm in Paris, 1944

rung annehmen und beispielsweise auf primär ästhetische Sinnschichten abzielen. So akzentuieren die Aufnahmen von Serge Moulinier zu zwei ebenfalls bei Arthaud erschienenen Büchern elementare Gestalteigenschaften, Material- und Formqualitäten der dorischen beziehungsweise gotischen Architektur, indem sie die Monumente einer radikalen Stilisierung unterwerfen, wie sie gleichlautend bereits bei Lucien Hervé begegnet.29 Auch die Arbeiten des Fotografen Roger Parry zu den Publikationen von André Malraux legen einschlägige Zurichtungen und Überformungen an den Tag. Indem sie sich einer pointierenden Ausleuchtung der Objekte, monumentalisierender Blickwinkel oder des dramatisierenden Wechsels von der Totalen zur Nahaufnahme bedienen, sollen in der Tradition der formalistischen Kunstbetrachtung grundlegende Prinzipien mensch­licher Kreativität und Gestaltung zum Vorschein gebracht werden.30 Einmal mehr werfen diese Befunde die Frage nach der Genese solch markanter Repräsentationsweisen und Vermittlungsformen auf. Auch die verbreitete Akzeptanz und Nachfrage von Modi, die bis dahin kaum je für die Darstellung alter Kunst Verwendung fanden, verlangt nach Erklärung.

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Erste Anhaltspunkte liefert der besagte Band zur Abtei von Thoronet, denn er gibt ein aufschlussreiches Beziehungsgeflecht zu erkennen. Den einführenden Reflexionen des Kunsthistorikers François Cali über die Spiritualität der Zisterzienser ist ein Geleitwort des Dominikanerpaters Pie-Raymond Régamey vorangestellt, der als Protagonist und Wortführer der Art sacré-Bewegung die Bilder und Texte des Bandes im Horizont moderner religiöser Sinnsuche verortet. Damit nicht genug, geht diesen Zeilen wiederum ein Geleitwort des Architekten Le Corbusier voraus, das die Illustrationen als »témoins de vérité« preist. »La lumière et l’ombre« – mithin die noch vor der Nahsicht und dem Ausschnitt am stärksten hervorstechenden Stilmittel der Aufnahmen – »sont les haut-parleurs de cette architecture de vérité, de calme et de force.«31 Außerdem assoziiert Le Corbusier die vermeintlich unverstellte Materialität der mittelalter­lichen Steinarchitektur mit dem »béton brut« seiner Gegenwart – mit eben jenem Werkstoff also, den er selbst ins Zentrum gerückt hatte, als er 1950 auf den Appel aux Grands des Dominikanerpaters und Mitherausgebers der Zeitschrift L’Art sacré, Marie-Alain Couturier, antwortete, indem er einen genuin modernen Weg kirch­ licher Baukunst einschlug und bis 1955 die Wallfahrtskapelle Notre-Dame du Haut in Ronchamp realisierte.32 Ein weiteres Bindeglied im Wechselspiel von Vergangenheit und Gegenwart ist schließlich Lucien Hervé, der 1949 auf Anraten Couturiers mit Le Corbusier in Kontakt getreten war und zum Zeitpunkt der Aufnahmen in der Abtei von Thoronet bereits eine enge dokumentarische Zusammenarbeit mit dem Architekten etabliert hatte.33 In seinem Œuvre hat die fotografische Epochenverschränkung paradigmatische Gestalt angenommen, denn Mittelalter und Moderne zeigen sich dort in dieselbe Bildsprache übertragen und einander ikonisch verähnlicht. So bringen im provenzalischen Thoronet (Abb. 1)

wie im indischen Chandigarh (Abb. 8) Licht und Schatten das räum­liche Zueinander der Bauglieder im abstrahierenden Flächenornament der Aufnahmen zum Verschwinden, während die materielle Beschaffenheit der Oberflächen unter den Schlaglichtern umso deut­licher zutage tritt. Epochenübergreifende Entsprechungen finden sich auch zwischen Hervés Blick auf Schlüsselwerke der Moderne und dem Bild der Romanik in den Éditions Zodiaque. Die extreme Vogelschau vom Eiffelturm (Abb. 7)34 kehrt als radikal neuartige Ansicht eines Vierungspfeilers im Eingangsband der Buchreihe La Nuit des temps wieder (Abb. 2). Gleichlautende Bildprägungen bei László MoholyNagy – etwa die stürzenden Blicke vom Berliner Funkturm35 – geben zu erkennen, dass wesent­liche Aufnahmemodi Hervés in der Tradition der Neuen Fotografie und des durch sie angeregten Neuen Sehens36 der zwanziger Jahre stehen und sich von dorther dem Imaginarium der französischen Nachkriegsmoderne mitgeteilt haben. Im fotografischen Einflussbereich des Bauhauses oder mit der vom Deutschen Werkbund 1929 in Stuttgart ausgerichteten Ausstellung »Film und Foto« wurde das ehedem als misslungen Beanstandete zur genuin modernen Bildsprache nobilitiert. So bescheinigte Moholy-Nagy »den sogenannten ›fehlerhaften‹ Fotoaufnahmen« – beispielsweise der extremen Schräg-, Auf- oder Untersicht – eine gesteigerte Wahrheitsfunktion.37 Und Werner Gräff erstellte in seiner zur Werkbundausstellung erschienenen Schrift Es kommt der neue Fotograf! ein reich illustriertes Kompendium jener Bildmittel, die als Signale des Traditionsbruchs und des Neubeginns wahrgenommen werden sollten.38 Dieses lehrhafte Inventar umfasste von der Kameraperspektive über Einstellungsgrößen und Bildausschnitte bis zur Ausleuchtung alle einschlägigen »Stilfiguren«,39 die dem Neuen Sehen zu internationaler Aufmerksamkeit verholfen haben. Als Inbegriffe des fotografischen Umbruchs der Zwischenkriegszeit hat man

Abb. 8 Lucien Hervé, Oberstes Gericht von Le Corbusier in Chandigarh, Indien, 1955

sie im angelsächsischen Raum40 ebenso rezipiert wie in Frankreich, wo ihre Kenntnis namentlich durch die Photographie-Ausgaben der renommierten Kunstzeitschrift Arts et Métiers Graphiques41 befördert wurde. Dort ging man freilich einen entscheidenden Schritt über die eingespielte Wechselbeziehung zwischen Neuem Bauen und Neuem Sehen42 hinaus, indem man die Modi der Darstellung konsequent auch für das monumentale Erbe der Vergangenheit in Anspruch nahm. Bei Lucien Hervé bestimmen sie das Bild der modernen Baukunst ebenso wie das der alten, und die Fotografen der Éditions Zodi­ aque haben die Repräsentationsweisen zu einer umfassenden Vermittlungsstrategie für die Bau- und Bildkunst der Romanik verdichtet. Mit dieser ikonischen Überblendung zweier Epochen trugen sie maßgeblich zur anhaltenden Popularität der Publikationen aus dem burgundischen Saint-Léger-Vauban bei, denn sie bedienten tief in der Klassischen Moderne eingewurzelte Sehgewohnheiten und verliehen dem Mittelalter dadurch eine bestechende, bis dato ungesehene Modernität.

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1 Zodiaque. Cahiers de l’Atelier du Cœur-Meurtry, 1, 1951, bis 41, 1992, und N. S. 1, 1992, bis N. S. 24, 1997; La Nuit des temps, 1 (Bourgogne romane, 1954) bis 88 (Westphalie romane, 1999); aus dieser wie aus den zahlreichen anderen Buchreihen des Verlages (u. a. Introductions à la nuit des temps, Les Formes de la nuit, Les Points cardinaux, La Carte du ciel, Les Travaux des mois) wurden einzelne Bände auch in deutschen Lizenzausgaben aufgelegt (Echter Verlag, Würzburg; Schnell & Steiner, Regensburg). Trotz seines immensen Einflusses auf die visuellen wie auf die mentalen Bilder romanischer Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde dieses verlegerische Großunternehmen bislang erst in Ansätzen erschlossen. Insbesondere fehlt eine eingehende Analyse der Bildstrategien, ihrer Genese und ihrer ideologischen Implikationen; siehe neben zahlreichen älteren Aufsätzen beider Autoren zuletzt Zodiaque. Le monument livre, hrsg. von Cédric Lesec, Lyon 2012, und Janet T. Marquardt, Zodiaque. Making Medieval Modern, 1951–2001, University Park 2015; unter den verbreiteten apologetischen (Selbst-)Darstellungen hervorzuheben sind Angelico Surchamp, »L’Aventure de Zodiaque«, in: Annales de l’Académie de Mâcon, 13, 2001, S. 179–194, und Matthieu Collin, »Le Edizioni Zodiaque. Un’avventura di cinquant’anni«, in: Benedetto. L’eredità artistica, hrsg. von Roberto Cassanelli und Eduardo López-Tello Garcia, Mailand 2007, S. 425–434. 2 Zur Programmatik siehe vor allem die Zeitschrift Zodiaque; deren Schlüsseltexte aus den Jahren 1951 bis 1960 wiederabgedruckt als Points de vue sur l’art abstrait et l’art sacré (Visages et documents, 3), Saint-Léger-Vauban, 1973; das Themenheft Actualité de l’art roman der Zeitschrift Témoignages. Cahiers de La Pierre-qui-Vire, 30, 1951; Angelico Surchamp, »Signification de l’art roman – sens de l’art roman«, in: Bourgogne romane (La nuit des temps, 1), hrsg. von Jean Baudry u. a., Saint-Léger-Vauban, 1954, S. 11–20. 3 André Gybal, »Beauté d’un mur«, in: Témoignages, 30, 1951, S. 269–281, hier S. 269. 4 Philippe Plagnieux, »Le double discours de l’image«, in: Lesec 2012 (wie Anm. 1), S. 23–59. 5 Besser erschlossen, seien aus der umfangreichen Literatur zur ›art sacré‹ der Dominikaner exemplarisch herausgegriffen: Sabine de Lavergne, Art sacré et modernité. Les grandes années de la revue »L’Art sacré«, Namur 1992; Sven Ochsenreither, Kunst und Kirche am Ende der klassischen Moderne. Eine kunsthistorische Untersuchung am Beispiel der »art sacré« in Frankreich, Frankfurt am Main 2004; MarieAlain Couturier (1897–1954). Un combat pour l’art sacré,

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hrsg. von Antoine Lion, Nizza 2005; Jean-Michel Leniaud, La révolution des signes. L’art à l’église (1830–1930), Paris 2007, S. 381–398; Fanny Drugeon, Incarnation sans figures? L’abstraction et l’église catholique en France, 1945–1965 (Microfiche-Ausgabe), Lille 2008; Françoise Caussé, La revue ›L’Art sacré‹. Le débat en France sur l’art et la religion (1945– 1954), Paris 2010; Isabelle Saint-Martin, Art chrétien / art sacré. Regards du catholicisme sur l’art. France, XIXe–XXe siècle, Rennes 2014; Laurence Bertrand Dorléac, Nach der Befreiung. Frankreich und die Kunst (1944–1947), Berlin und München 2016, bes. S. 36–49; ›L’Art Sacré‹. Die Kunstzeitschrift der französischen Dominikaner und das Engagement für eine moderne christ­liche Kunst, hrsg. von Hans Körner und Jürgen Wiener, Essen 2019. 6 Im Unterschied zur Gotik ist die Romanik als historische Referenz der Kunst des 20. Jahrhunderts wie vor allem als Motor künstlerischer Erneuerungsbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg bislang kaum je wahrgenommen, geschweige denn im Zusammenhang dargestellt worden. Zumindest Ansätze hierzu finden sich etwa bei Madeline H. Caviness, »Broadening the Definitions of ›Art‹: The Reception of Medieval Works in the Context of PostImpressionist Movements«, in: Hermeneutics and Medieval Culture, hrsg. von Patrick J. Gallacher und Helen Damico, New York 1989, S. 259–282; dies., »The Politics of Taste. An Historiography of ›Romanesque‹ Art in the Twentieth Century«, in: Romanesque Art and Thought in the Twelfth Century. Essays in Honor of Walter Cahn, hrsg. von Colum Hourihane, Princeton 2008, S. 57–81; Holger Brülls, Neue Dome. Wiederaufnahme romanischer Bauformen und antimoderne Kulturkritik im Kirchenbau der Weimarer Republik und der NS-Zeit, Berlin und München 1994; Sibylle Ehringhaus, Germanenmythos und deutsche Identität. Die Frühmittelalter-Rezeption in Deutschland 1842–1933, Weimar 1996; Susanne Wacker, Ottonik-Rezeption, Phil. Diss., Hamburg 2001; Stefanie Lieb, Der Rezeptionsprozeß in der neuromanischen Architektur. Studien zur Rezeption von Einzelformen in restaurierter romanischer und neuromanischer Architektur, Köln 2005; Tilmann Buddensieg, »Die karolingischen Maler in Tours und die Bauhausmaler in Weimar. Wilhelm Koehler und Paul Klee«, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 73, 2010, S. 1–18; Kai Kappel, »Nächstes Fremdes, ferner Spiegel. Romanik-Rezeption als Identitätsstiftung für eine andere Moderne«, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, 66, 2012, S. 231– 257; Romanesque – Picasso (Ausst. Kat. Barcelona und Paris 2016–2017), hrsg. von Juan José Lahuerta u. a., Barcelona 2016.

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Surchamp 1954 (wie Anm. 2), S. 20: »La signification de l’art roman, en notre temps, est évidente. Il y faut voir un regret, le regret d’un monde. Le regret d’un ordre chrétien qui fut le nôtre […].« 8 Nach Nikolaus Himmelmann, Utopische Vergangenheit. Archäologie und moderne Kultur, Berlin 1976. 9 Beispielsweise Camille Enlart, Manuel d’archéologie française depuis les temps mérovingiens jusqu’à la Renaissance. Première Partie: Architecture, I: Architecture religieuse, Paris 1902; Histoire de l’Art depuis les premiers temps chrétiens jusqu’à nos jours I: Des Débuts de l’Art Chrétien à la Fin de la Période Romane, 2 Bde., hrsg. von André Michel, Paris 1905; Robert de Lasteyrie, L’Architecture religieuse en France à l’époque romane. Ses origines, son développement, Paris 1912; Émile Mâle, L’Art religieux du XIIe siècle en France. Étude sur les origines de l’iconographie du Moyen Âge, Paris 1922; Charles Oursel, L’art roman de Bourgogne. Études d’histoire et d’archéologie. Préface de A. Kingsley Porter, Dijon und Boston 1928; Marcel Aubert, L’Art français à l’époque romane. Architecture et sculpture, 4 Bde., Paris 1929–1950; ders., L’architecture cistercienne en France, 2 Bde., Paris 1943; ders., La sculpture française au MoyenÂge, Paris 1947; Paul Deschamps, La Sculpture française à l’époque romane. Onzième et douzième siècles, Florenz und Paris 1930; Henri Focillon, L’Art des sculpteurs romans. Recherches sur l’histoire des formes, Paris 1931; ders., Art d’Occident. Le Moyen Âge roman et gothique, Paris 1938. 10 Zur forcierten Ausrichtung an den Normen der exakten Wissenschaften in den Institutionalisierungs- und Professionalisierungsprozessen der Geschichtswissenschaft und verwandter Disziplinen unter der Dritten Republik siehe Guy Bourdé und Hervé Martin, Les écoles historiques, Paris 1983, S. 181–214; Ursula A. J. Becher, Geschichtsinteresse und historischer Diskurs. Ein Beitrag zur Geschichte der französischen Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1986, S. 63–68; Patrick Garcia, »Le moment méthodique«, in: Les courants historiques en France XIXe–XXe siècle, hrsg. von Christian Delacroix, François Dosse und Patrick Garcia, Paris 2007, S. 96–199; zu den epistemischen Paradigmen und Praktiken grundlegend Harold I. Brown, Observation and Objectivity, New York und Oxford 1987; Erfahrung und Beobachtung. Erkenntnistheoretische und wissenschaftshistorische Untersuchungen zur Erkenntnisbegründung, hrsg. von Hans Poser, Berlin 1992; Christoph Hoffmann, Unter Beobachtung. Naturforschung in der Zeit der Sinnesapparate, Göttingen 2006; Lorraine Daston und Peter Galison, Objektivität, Frankfurt am Main 2007; Anja Zimmermann, Ästhetik der Objektivität.

Genese und Funktion eines wissenschaft­lichen und künstlerischen Stils im 19. Jahrhundert, Bielefeld 2009; Histories of Scientific Observation, hrsg. von Lorraine Daston und Elizabeth Lunbeck, Chicago und London 2011. 11 Jules Roussel und Camille Enlart, Catalogue illustré des Clichés Photographiques des Archives de la Commission des Monuments Historiques, Paris o. J. [ca. 1908]; Paul Ratouis de Limay, »Les archives photographiques des BeauxArts«, in: Centenaire du Service des Monuments historiques et de la Société Française d’Archéologie (Congrès archéologique de France, XCVIIe session, tenue à Paris en 1934), 2 Bde., Paris 1935, hier Bd. 1, S. 287–299; zu den Anfängen der fotografischen Dokumentation Anne de Mondenard, La Mission héliographique. Cinq photographes parcourent la France en 1851, Paris 2002. 12 Zu diesen im Überblick Giovanni Fanelli, Histoire de la photographie d’architecture, Lausanne 2016, S. 92–103 und S. 217–226. 13 Monuments historiques, cathédrales de France et Musée de sculpture comparée (Palais du Trocadéro). Catalogue des photographies comprenant les monuments mégalithiques et gallo-romains, la période romane, l’art gothique aux XIIIe, XIVe et XVe siècles, l’époque de la Renaissance, les XVIIe et XVIIIe siècles, photographiés par Mieusement, 3 Bde., Paris 1886; zu Mieusement siehe Françoise Bercé und Sylvie Cohen, Mieusement, cathédrales de France. Photographies du XIXe siècle (Ausst. Kat.), Paris 1988; Regards objectifs. Mieusement et Lesueur, photographes à Blois (Ausst. Kat. Blois 2000–2001), hrsg. von Farid Abdelouahab und Bruno Guignard, Paris 2000. 14 Extrait des collections photographiques de Neurdein Frères, Paris 1895; Catalogue des collections et sujets édités dans le format carte postale par Neurdein Frères, Paris 1900; Monique Le Pelley Fonteny, Adolphe & Georges Giraudon. Une bibliothèque photographique (Ausst. Kat. Bourges und Paris), Paris 2005. 15 Vgl. die zahlreichen Aufsätze von Eugène LefèvrePontalis im Bulletin monumental und in den Kongressakten der Société Française d’Archéologie oder Arthur Kingsley Porter, Romanesque Sculpture of the Pilgrimage Roads, 10 Bde., Boston 1923. 16 Paul Deschamps, »Le Musée de sculpture comparée«, in: Centenaire 1935 (wie Anm. 11), Bd. 1, S. 381–410; Le Musée de sculpture comparée. Naissance de l’histoire de l’art moderne, hrsg. von Caecilia Pieri, Paris 2001; Françoise Bercé, »Le Musée de sculpture comparée. De Viollet-leDuc à Enlart«, in: Le Musée des Monuments français, hrsg. von Léon Pressouyre, Paris 2007, S. 57–89 und S. 186–189;

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Susanne Mersmann, Die Musées du Trocadéro. Viollet-leDuc und der Kanondiskurs im Paris des 19. Jahrhunderts, Berlin 2012. 17 Für den Zwischentitel zur Première partie von Aubert 1947 (wie Anm. 9) wurde partiell freigestellt ein Cliché aus dem Bestand der Neurdein Frères verwendet, das ausschnittweise schon Lasteyrie 1912 (wie Anm. 9) genutzt hat (S. 670). Zum einschlägigen Angebot dieser Bildagentur siehe Axel Gampp, »Plaster Casts and Postcards: the postcard edition of the Musée de Sculpture Comparée at Paris«, in: Plaster Casts. Making, Collecting and Displaying from Classical Antiquity to the Present, hrsg. von Rune Frederiksen und Eckart Marchand, Berlin und New York 2010, S. 501–517; Dominique Jarrassé und Emmanuelle Polack, »Le musée de Sculpture comparée au prisme de la collection de cartes postales éditées par les frères Neurdein (1904–1915)«, in: Cahiers de l’École du Louvre, 4, 2014, S. 2–20. 18 So bei Paul Deschamps, La Sculpture française, époque romane, Paris 1947. 19 Zur Rückgewinnung der vermeint­lichen »physiognomie première« durch die Entfernung der klassizistischen Kalkschlämme in den Jahren 1838–1840 siehe Franz-Bernhard Serexhe, Studien zur Architektur und Baugeschichte der Kathedrale Saint-Lazare in Autun, Phil. Diss., Freiburg im Breisgau 2005, S. 257–260; zur verwandten Situation in Vézelay Kevin Dean Murphy, Memory and Modernity: Architectural Restoration in France, 1830–1848, Phil. Diss., Evanston 1992, S. 453. 20 Zu den 1923 von Père Dargaud initiierten Maßnahmen, die »pureté primitive de l’église« insbesondere durch die radikale Abtragung von bis zu sieben Putzschichten wiederherzustellen, siehe Jean-Noël Barnoud, Nicolas Reveyron und Gilles Rollier, Paray-le-Monial, Paris 2004, S. 71–75; zur Rekonstruktion eines verputzten Innenraums im Zuge der jüngsten Restaurierungskampagne 1997–2005 siehe Frédéric-Olivier Didier und Gilles Rollier, »Paray-leMonial, redécouverte d’un chef-d’œuvre de l’architecture romane«, in: Monumental 2, 2007, S. 58–63; die Ergebnisse zeigt u. a. Marie-Thérèse Engel, Paray-le-Monial. Une basilique à découvrir, Châtillon-sur-Chalaronne 2006. 21 Beispielhaft für solche Präferenzen der Motivauswahl ist Denis Grivot, Le monde d’Autun (Les Points cardinaux, 1), Saint-Léger-Vauban 1960; unter der Regie dieses Autors fanden zahlreiche Aufnahmen der Éditions Zodiaque auch Eingang in Denis Grivot und George Zarnecki, Gislebertus, sculpteur d’Autun, Paris 1960. 22 Neben den in Anm. 2 aufgeführten Quellen siehe vor

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allem Georges Mercier, L’Art abstrait dans l’art sacré. La tendance non-figurative dans l’art chrétien contemporain, Paris 1964. 23 Monika Steinhauser, »›Retour à l’ordre‹. Zum Traditionsverständnis im Richtungsstreit der Kunstdiskussion zwischen den Weltkriegen«, in: Feindbild Geschichte. Positionen der Architektur und Kunst im 20. Jahrhundert, hrsg. von Helmut Gebhard und Willibald Sauerländer, Göttingen 2007, S. 87–146. 24 Albert Gleizes, Vers une conscience plastique. La forme et l’histoire, Paris 1932; zu diesem Hauptwerk des Kunsttheoretikers im biographischen Kontext siehe Peter Brooke, Albert Gleizes. For and Against the Twentieth Century, New Haven und London 2001, S. 150–154 und passim; den engen Kontakt zu den Éditions Zodiaque und deren Gründergestalt und Vordenker Angelico Surchamp dokumentiert Albert Gleizes et ses disciples. Du cubisme à la contemplation (Ausst. Kat. Lyon 2016–2017), Chasselay 2016; zur spirituellen Ausrichtung Gleizes’ in der Nachkriegszeit Guillaume Libert, Albert Gleizes et Jean-Claude Libert. L’Expériance du Sacré, Paris 2019. 25 Jurgis Baltrušaitis, La stylistique ornementale dans la sculpture romane, Paris 1931, zu den abstrakten ›Kompositionslinien‹ des Tympanons in Vézelay besonders S. 265– 268; zum weiteren Kontext des Formalismus La vie des formes. Henri Focillon et les arts (Ausst. Kat. Lyon), hrsg. von Christian Briend und Alice Thomine, Gent 2004, darin besonders Willibald Sauerländer, »L’art des sculpteurs romans et le retour à l’ordre«, S. 147–153; Recht Roland, »Émile Mâle, Henri Focillon et l’histoire de l’art du Moyen Âge«, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, 148, 2004, S. 1651–1665; ders., Le croire et le voir. L’art des cathédrales (XIIe–XVe siècle), Paris 1999, S. 67–80. 26 Wie Anm. 3. 27 François Cali, La plus grande aventure du monde. L’architecture mystique de Cîteaux, Paris 1956; zu diesem Buch siehe Maximilian Sternberg, »Monastic paradigms in modernism: Le Thoronet and the romantic legacy«, in: The Journal of Architecture, 17, 2012, S. 925–949; zu Hervé zuletzt Lucien Hervé. Géometrie de la lumière, Geometry of Light (Ausst. Kat. Tours 2017–2018), hrsg.von Imola Gebauer, Paris 2017. 28 Beinahe zeitgleich etwa für die Caisse Nationale des Monuments Historiques mit Aufnahmen der Archives Photographiques, von Giraudon oder Roger-Viollet bei Raoul Berenguier, L’Abbaye du Thoronet, Paris 1959. 29 François Cali, L’ordre grec. Essai sur le temple dorique,

Paris 1958; ders., L’ordre ogival. Essai sur l’architecture gothique, Paris 1963. 30 André Malraux, Les Voix du silence, Paris 1951; ders., Le Musée imaginaire de la sculpture mondiale, 3 Bde., Paris 1952–1954. Einen Schwerpunkt auf die Bildstrategien dieser Publikationen legen Henri Zerner, »André Malraux ou les pouvoirs de la reproduction photographique«, in: ders., Écrire l’histoire de l’art. Figures d’une discipline, Paris 1997, S. 145–156; Louise Merzeau, »Malraux metteur en page«, in: Les écrits sur l’art d’André Malraux, hrsg, von Jeanyves Guérin und Julien Dieudonné, Paris 2006, S. 65–79; Georges Didi-Huberman, L’Album de l’art à l’époque du ›Musée imaginaire‹, Paris 2013; Walter Grasskamp, André Malraux und das imaginäre Museum. Die Weltkunst im Salon, München 2014. Zu Roger Parry vgl. Christophe Berthoud und Christian Bouqueret, Roger Parry, le météore fabuleux (Ausst. Kat.), Paris 1996; Mouna Mekouar und Christophe Berthoud, Roger Parry. Photographies, dessins, mises en pages (Ausst. Kat.), Paris 2007. 31

Cali 1956 (wie Anm. 27), o. S. Jüngst u. a. Ronchamp, l’exigence d’une rencontre. Le Corbusier et la chapelle Notre-Dame du Haut. Colloque, Lyon 2007; Maria Antonietta Crippa, Le Corbusier – Ronchamp. Die Kapelle Notre-Dame du Haut, Regensburg 2014. 33 Umfassend dokumentiert in Le Corbusier / Lucien Hervé. Kontakte, hrsg. von Éric Cez und Anne Zweibaum, München 2011; vgl. ferner Barbara Mazza, Le Corbusier e la fotografia. »La vérité blanche«, Florenz 2002; zum weiteren Kontext siehe auch Architekturfotografie der Nachkriegsmoderne, hrsg. von Gerda Breuer, Frankfurt am Main 2012. 34 Lucien Hervé, The Eiffel Tower, hrsg. von Barry Bergdoll, New York 2003. 35 Moholy-Nagy. Future Present (Ausst. Kat. New York, Los Angeles und Chicago 2016–2017), hrsg. von Matthew S. Witkovsky u. a., New Haven und London 2016, Kat.Nr. 165–170; Andreas Haus, »Luftbild – Raumbild – Neues Sehen«, in: Fotogeschichte, 12, 45/46, 1992, S. 75–90; zentrale Programmschrift ist László Moholy-Nagy, Malerei Photographie Film (Bauhausbücher, 8), München 1925. 36 Andreas Haus und Michel Frizot, »Stilfiguren. Das Neue Sehen und die Neue Fotografie«, in: Neue Geschichte der Fotografie, hrsg. von Michel Frizot, Köln 1998, S. 456– 475; Christine Kühn, Neues Sehen in Berlin. Fotografie der Zwanziger Jahre (Ausst. Kat.), Berlin 2005; Kai-Uwe Hemken, »Seherlebnisse. Die Ausstellung ›Film und Foto‹ 1929, das Bauhaus und die Foto-Avantgarde der 1920er Jahre«, 32

in: Bauhaus und die Fotografie. Zum Neuen Sehen in der Gegenwartskunst (Ausst. Kat. Düsseldorf und Berlin 2018–2019), hrsg. von Corina Gertz u. a., Bielefeld 2018, S. 34–47. 37 Moholy-Nagy 1925 (wie Anm. 35), S. 26 mit mehreren eigenen Beispielen (S. 58, 59, 90 oder 91) und der Aufnahme eines Fabrikschornsteins von Albert Renger-Patzsch (S. 57 und 131), die aus der Froschperspektive zugleich die Materialität inszeniert. 38 Werner Gräff, Es kommt der neue Fotograf!, Berlin 1929. 39 Haus und Frizot 1998 (wie Anm. 36). 40 Vgl. etwa Charles Geoffrey Holme, »Editor’s Introduction«, in: Modern Photography. The Studio Annual, 2, 1932, S. 7–8, hier S. 7: »The possibilities of views looking down, of views looking up, of extreme perspectives, of space dramatically conceived […], all these things have been formed into a technical repertoire unknown to the photographer in the days before the war.« 41 Arts et Métiers graphiques – Photographie, 1, 1930, bis 10, 1940, und 11, 1947. 42 Exemplarisch neben der in Anm. 36 aufgeführten Literatur Michael Stöneberg, Arthur Köster. Architekturfotografie 1926–1933. Das Bild vom ›Neuen Bauen‹, Berlin 2009; Sigfried Giedion und die Fotografie. Bildinszenierungen der Moderne, hrsg. von Werner Oechslin und Gregor Harbusch, Zürich 2010; Le Ciel devant soi. Photographie et architecture religieuse (Ausst. Kat. Toulouse), hrsg. von David Lemaire, Paris 2017; Iris Metje, Der moderne Kirchenbau im Blick der Kamera. Architekturfotografie in der Weimarer Republik, Berlin 2018.

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»›Sehen zu lernen‹, das war die Devise«. Die Florentiner Ferienkurse von den Anfängen bis 1938 Ute Dercks

Als sich August Schmarsow für das Winter­ semester 1888/89 von der Breslauer Universität beurlauben ließ, um seine Lehrveranstaltungen nach Florenz zu verlegen, stellte er wesent­liche Weichen für die Gründung des Kunsthistorischen Instituts in Florenz. Schmarsow (1853–1936) gehörte zu den Kunstwissenschaftlern, die seit ihrer Studienzeit intensiv mit Fotografien arbeiteten, für Publikationen Fotokampagnen in Auftrag gaben und sich für den Gebrauch von Fotografien und Diaprojektionen in der Lehre stark machten (Abb. 1).1 Ein ebenso wichtiges Lehrmittel war für Schmarsow das Studium von Bau- und Kunstwerken vor Ort: »[…] denn alleiniger und ausschließ­licher Verkehr mit Reproduktionen ist, ohne korrektiven Einfluss der Originale, überaus gefährlich für den Lernenden, oft noch für den ­geübten Forscher verhängnisvoll. Der Universitätslehrer wird also in Städten, wo umfassendere Sammlungen und reichere Auswahl von Monumenten nicht zu Gebote stehen, die Schüler veranlassen, ihre Ferienzeit wenigstens zur Ausbreitung ihres Anschauungskreises und zum Studium der Originalwerke an den Hauptstätten der Kunst zu benutzen […].«2 In diesem Sinne gestaltete Schmarsow das Wintersemester in Florenz und

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Ute Dercks

»las im Circolo filologico über italienische Plastik: in seiner Wohnung hielt er Übungen ab, denen als Themen Ausschnitte aus der ­Geschichte der italienischen Plastik und die Masaccio-Masolino-Frage zugrunde gelegt wurden. Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung bildeten die Ergänzungen.«3 Nicht alle Teilnehmer kamen 1888 von der Breslauer Universität: Aby Warburg (1866–1929) hatte in Bonn, München und Straßburg studiert, Max Jakob Friedländer (1867–1958) in München und Leipzig, Ernst Zimmermann (1866–1940) in Leipzig, München und Berlin. Die Breslauer Studenten waren Johannes Seger (1864–1943), Max Semrau (1859–1928), Hermann Ulmann (1866–1896), August Winkler (1861–1900) und Ernst Burmeister (1867–1894), der allerdings erst im Sommersemester 1889 nach Breslau wechselte; als »Hospitant« war außerdem der Kaufmann und Kunstsammler Albert Kollmann (1837–1915) mit dabei.4 Insofern war Schmarsows »Pioniertat«5 mehr als nur die Verlegung seiner kunsthistorischen Lehrveranstaltungen, sondern hatte eher das Format eines Studienkurses, wie er in den folgenden Jahrzehnten in Florenz angeboten werden sollte. Gleich zu Beginn des Semesters rief Schmarsow mit seinen Studenten im Oktober 1888 das »Kunsthistorische Institut in Florenz« aus, wovon ein Album zeugt, das neben einer Widmung von Karl Eduard von Liphart (1808– 1891) auch die Unterschriften von Schmarsow und

Abb. 1 Porträtfotografie von August Schmarsow, um 1900

den beteiligten Studenten enthält (Abb. 2).6 Freilich war eine solche Gründung keine ganz neue Idee gewesen.7 Bereits seit den 1870er Jahren galt das Haus des seit 1863 in Florenz lebenden Connaisseurs Liphart als ein Anziehungspunkt für junge Kunsthistoriker wie Schmarsow, Wilhelm von Bode (1845–1929), Adolph Bayersdorfer (1842– 1901) und Carl Ruland (1834–1907); dort war auch die Idee gereift, nach dem Vorbild der »Schwesterwissenschaft Archäologie, [die] sich ein Arbeitsheim in Rom errichtet hatte«, eine ähn­liche Institution auch für die Kunstgeschichte in Florenz zu schaffen; sie sollte »allen, die ihre Studien in Italien unter dem Eindruck der Denkmäler selbst erweitern und vertiefen wollten, das wissenschaft­liche Rüstzeug darbieten und selbst zu einer fruchtbaren Forschungsstätte werden.«8 Noch während seines Florenzaufenthaltes wurde Schmarsow im Dezember 1888 nach Berlin berufen, um mit dem preußischen Ministerialdirektor

Friedrich Althoff (1839–1908) und dem Unterrichtsminister Gustav von Goßler (1838–1902) über die Institutsgründung zu verhandeln, brachte aber »die Nachricht mit, dass die Errichtung eines Instituts von Preußen aus noch kein Verständnis finde.«9 Erst 1893 auf dem Kunsthistorischen Kongress in Nürnberg nahm das Projekt konkrete Gestalt an, als die Gründung mehrerer Institute für neuere Kunstgeschichte für deutsche, niederländische und italienische Studien in Form eines Memorandums festgehalten, und von denen »die florentinische Anstalt«10 empfohlen wurde. Dieser Nürnberger Kongress war nicht nur bahnbrechend für die kunsthistorische Forschung im Hinblick auf die Gründung außeruniversitärer Forschungsstätten »vor Ort«, sondern auch für die Fotografie als fachspezifisches Instrument und Medium. Denn auf ebendiesem Kongress veranlasste Schmarsow die Gründung einer »Kunsthistorischen Gesellschaft für photographische Publikationen« und richtete in Leipzig eine »Sammelstelle für photographische Aufnahmen wissenschaft­lichen Wertes« ein.11 Trotz des negativen Bescheids, den Schmarsow seinerzeit von Althoff erhalten hatte, sollte dieser Ministerialdirigent des Königlich Preußischen Kultusministeriums, »der den Ruf genießt, der erfolgreichste För-

Abb. 2 Unterschriften von Schmarsow und seinen Studenten im »Album des Kunsthistorischen Instituts zu Florenz 1888«

»›Sehen zu lernen‹, das war die Devise«. Die Florentiner Ferienkurse

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derer der preußischen Hochschulen seit Wilhelm von Humboldt (1767–1835) gewesen zu sein,«12 im Laufe seiner Amtszeit noch eine zentrale Rolle als Initiator und Förderer der Ferienkurse in Florenz spielen.

Der erste »kunsthistorische Giro« – Die preußischen Oberlehrer 1908 in Florenz

Akademisch-wissenschaft­liche Ferienkurse zu Lehrerfortbildungen, Freiluftunterricht oder Lehrwanderungen kamen Ende des 19. Jahrhunderts mit der Reformpädagogik auf, die unter anderem auf Johann Amos Comenius (1592–1670) und dessen Grundsätzen aus der Didactica magna von 1657 zurückging: »Wenn wir also den Schülern wahres und zuverlässiges Wissen von den Dingen einpflanzen wollen, so müssen wir wirklich alles durch eigene Anschauung und sinn­liche Demonstration lehren.«13 Archäologische Übungskurse führten Philologen und Archäologen bereits ab 1890 nach Griechenland und ab 1891 nach Italien.14 Sie sollten laut Beschluss der Direktorenkonferenz preußischer Lehranstalten 1903 fortgesetzt und gefördert werden.15 Zwar schalteten Reisebüros bereits einige Jahre zuvor Annoncen für »Gesellschaftsreisen von Lehrern höherer Lehranstalten nach Italien im Sommer 1899«, allerdings waren dies keine staatlich geförderten Maßnahmen, sondern Bildungsreisen interessierter Lehrer à la Grand Tour.16 Kurz vor Althoffs Tod wurde am Kunsthistorischen Institut in Florenz ein vom Preußischen Ministerium finanzierter Kursus für Lehrer realisiert.17 Die Kunstchronik berichtete noch während des Ferienkurses davon (Abb. 3).18 Jedoch auch der Tagespresse in Deutschland und Italien19 war das Ereignis eine Nachricht wert, darin schildern einzelne Teilnehmer vornehmlich ihre persön­lichen Eindrücke: »›Sehen zu lernen‹, das war die Devise, unter der die Rundgänge durch die Museen, Kirchen und Paläste der herr­lichen Arnostadt standen«, schrieb

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Abb. 3 Zeitungsmeldung in der Kunstchronik, 1908

Martin Wehrmann (1861–1937), »[…] aber sicher ist niemand zu der alten Thätigkeit zurückgekehrt ohne das Bewußtsein, nicht nur mancherlei Schönes gesehen, sondern ein Gefühl für die Kunst der Renaissance gewonnen, ja vor allem Sehen gelernt zu haben.«20 Auch Paul Brandt (1861–1932) erzählte euphorisch von der »Frühlingsfahrt ins gelobte Land Italien«21. An anderer Stelle äußerte er sich auch eingehend zum pädagogischen Nutzen der Fahrt, und obwohl er die Kunst »als die freund­liche Begleiterin für die Pflichtfächer«22 ansah, sollte diese mehr als bisher im Schulunterricht berücksichtigt werden. Der Philologe Daniel Schöningh (1862–1938) ging in seinem Artikel ausführ­licher auf die einzelnen Stationen ein und kommentierte mit kunsthistorischer Expertise, aber ebenso enthusiastisch die Reise: »[…] [D]em großen Kreise der Amtsgenossen nah und fern (wünscht er ebenso) wie der engeren Gemeinschaft der reiferen Schüler unserer Anstalt dankbaren Sinnes von den tiefen,

erhebenden Eindrücken zu erzählen, die das gelobte Land Italien mit seiner herr­lichen Natur, seiner geistig regen Bevölkerung und seiner hohen Kunst, der schönsten Blüte seiner alten Kultur, in den Herzen der Teilnehmer zurückgelassen hat.«23 Leiter und Organisator der Fahrt war Paul Schubring (1869–1935), der nach einem Theologiestudium und einer Anstellung als Lehrer an der Scuola Internazionale in Bari erst 1895 zur Kunstgeschichte kam (Abb. 4). Er promovierte 1898 über die Malerei des Trecento, und nach einem Volontariat bzw. einer Assistentenstelle an den Berliner Museen wurde er 1904 an der Technischen Hochschule in Berlin habilitiert und dort 1907 zum ordent­lichen Professor ernannt.24 Die Festschrift zu Ehren seines 60. Geburtstags, die mit Beiträgen unter anderem von Paul Clemen (1866–1947), Oskar Fischel (1870–1939), Georg Gronau (1868– 1938) und Oskar Wulff (1864–1946) erschien, zeugt von der Wertschätzung, die ihm von Universitätsprofessoren und Museumskollegen entgegengebracht wurde.25 Schubring berichtete in der Tageswie auch der Fachpresse vom »kunsthistorischen Giro«: »Vor allem schulden wir dem Direktor des Instituts, Professor Brockhaus, herzlichsten Dank; unter seiner Oberleitung stand der Kursus und die deutsche Gastfreundschaft, die er uns im fremden Land schenkte, die unermüd­liche Beihilfe bei den tausend Schwierigkeiten des Alltags ist von allen Teilnehmern mit dankbarstem Herzen angenommen werden.«26 Der Institutsdirektor Heinrich Brockhaus (1858–1941) hatte die Teilnehmer am 30. März 1908 mit den Worten willkommen geheißen: »In der Entsendung einer so systematischen Vertretung des

Abb. 4 Porträtfotografie von Paul Schubring, 1920/29

preußischen Schulwesens kommt zum Ausdruck eine vom Staate anerkannte hohe Würdigung der Kunst in ihrer Bedeutung für die allgemeine Bildung des Menschen.«27 Er erinnerte sich später: »Es war schön für uns, als die Schar preußischer Lehrer zum Willkommensabend bei uns ankamen, und Else [Brockhaus], unterstützt von der Instituts-Assistentin Fräulein Dr. Schottmüller (von den Berliner Museen beurlaubt) die Einzelnen zu ihrem Erstaunen mit ihren Namen anredete, sie hatte sich bei gutem Personengedächtnis, die Gesichter nach den eingesandten Photographien gemerkt. Wir setzten ihnen beim Mahl zwei Haufen Risotto vor mit zwei nie gesehenen Riesenfischen […]. Dazu den roten Chianti-, den weißen Orvietowein. Es war vergnügt.«28

»›Sehen zu lernen‹, das war die Devise«. Die Florentiner Ferienkurse

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Auch im Jahresbericht des Instituts wird der Kurs berücksichtigt, der wie Brockhaus schrieb, »seinen natür­lichen Stützpunkt in unserem Institut [fand]; es war uns eine Freude, die Wege zu ebnen und hierdurch zu dem hohen Ziel mitzuwirken.«29 Aus diesen unterschied­lichen, im Detail nicht immer kongruenten Berichten lässt sich zusammenfassen: Der Denkmälerkursus in Ober- und Mittelitalien für Oberlehrer und Direktoren preußischer höherer Schulen wurde vom Preußischen Kultusministerium durch Reisestipendien von 450 RM für jeden der Teilnehmer unterstützt. Diese waren zuvor von den Schulkollegien (zwei bis drei pro Provinz) ausgewählt worden, so dass sich eine Gruppe von insgesamt 22 oder 25 Männern – drei oder vier in Begleitung ihrer Ehefrauen – in Florenz einfand. Der Kursus startete am 30. März 1908 mit Eröffnungsreden von Heinrich Brockhaus und Robert Davidsohn (1853–1937) im Kunsthistorischen Institut in Florenz und führte in den folgenden drei Wochen unter der Leitung von Schubring zu den wichtigsten Kunststätten der Stadt und in die unmittelbare Umgebung, sowie nach Pisa, Siena und San Gimignano. Aber auch die nicht ohne weiteres zugäng­lichen Privatbauten wie die Villa Böcklin, die Torre del Gallo oder der Palazzo Davanzati der Florentiner Kunsthändler Stefano Bardini (1836–1922) und Elia Volpi (1858–1938) wurden besichtigt. Die Begrüßung durch den Bürgermeister Francesco Sangiorgi (1860–1922) ermöglichte eine ausführ­liche Besichtigung des Palazzo Vecchio. Das Archäologische Museum und die Antikenabteilungen wurden unter der Führung des am Deutschen Archäologischen Institut in Rom ansässigen Archäologen Walter Amelung (1865–1927) besucht. Am Ostermontag, den 20. April, verließ die Gruppe Florenz und reiste in den folgenden Tagen über Pistoia nach Bologna, Ravenna, Ferrara, Padua und Verona, einige Lehrer fuhren noch nach Venedig. Auf diese »Frühlingsfahrt« der Oberlehrer sollten viele weitere folgen,

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die sich sowohl in der Art der Organisation, Finanzierung und Themenauswahl als auch in der Zielgruppe voneinander unterschieden, aber immer am Kunsthistorischen Institut in Florenz verortet waren. Eine einheit­liche Bezeichnung wurde für das Format nicht gefunden: Heinrich Brockhaus (Direktor 1897–1912) nannte es »Ferienkursus«, sein Nachfolger Hans von der Gabelentz (1912– 1922) »kunstgeschicht­licher Kursus« oder »Archivkursus«, Heinrich Bodmer (1922–1932) und Arthur Haseloff (1932–1935) boten jährlich einen »Studiengang« mit »Studienfahrt«, »Lehrgang«, »Osterkursus« oder »Herbstkurs« an, und bei Friedrich Kriegbaum (1932–1943) gab es »Kunsthistorische Schulungskurse«.

Vielfalt der Veranstaltungsformate in den Jahren 1909–1911: Vorträge für »weitere Kreise«30, technische Führungen und der Archivkurs für »jüngere Forscher und Studenten«

Im Jahresbericht von 1907/08 kündigte Brockhaus in einer »Voranzeige« Führungen und Vorträge für das Frühjahr 1909 an.31 Das Programm war vielseitig und wandte »sich an die Gebildeten überhaupt; es wollte durch Vorträge, dann durch Besprechungen vor den Denkmälern selbst unmittelbar an die künstlerischen und historischen Erinnerungen der Stadt heranführen.«32 Die Führungen und Vorträge gingen wohl direkt von Brockhaus aus, die er zusammen mit »den genannten Herren, welche am Gedeihen des Institutes regen Anteil nehmen und ihre Zeit und ihre Kraft in der uneigennützigsten Weise wochenlang zur Verfügung gestellt haben« umsetzte.33 Dies passte gut zum Profil des Instituts, das Brockhaus 1904 durch die Einführung »Wissenschaft­licher Besprechungen« geschärft und nun zusammen mit den Vorträgen für eine rege Diskussion zu aktuellen Forschungsthemen am Haus gesorgt hatten:

»Kürzere Bemerkungen – auch diese oft von grossem Interesse – und förm­liche Vorträge wechselten in diesen Sitzungen je nach Inhalt und Wunsch miteinander ab. Sie wurden oft durch Vorweisen besonders von den Forschern angefertigter, nicht in den Handel gekommener Photographien noch wertvoller gemacht.«34 Aus den Jahresberichten, Korrespondenzen oder sonstigen Archivalien geht nicht hervor, ob es eine gesonderte Finanzierung für die Veranstaltungen gab, auch liegen keine Teilnehmerlisten vor. Die Aktivitäten des Instituts wurden aber in der Presse erwähnt und gewürdigt, so etwa in der Neuen Züricher Zeitung: »Die Vorträge und Führungen, die vom kunsthistorischen Institut in den letzten acht Wochen veranstaltet wurden, haben in Florenz großen Anklang und eine überaus starke Beteiligung gefunden. Es scheinen, auf Anregung Prof. Heinrich Wölfflins hin, für das nächste Frühjahr Vorträge und Führungen, an denen sich hauptsächlich deutsche Studierende und Kunstgelehrte beteiligen werden, geplant zu sein, und zwar sollten sie mit ›kleinerer‹ Teilnehmerzahl stattfinden.«35 Während die Vorträge 1909 stärker auf die Malerei ausgerichtet waren, wurden sie im folgenden Jahr auf Führungen zur Skulptur konzentriert. Eine Besonderheit und Neuheit – die bestimmt auch auf die reduzierte Teilnehmerzahl zurückzuführen ist – war die »Technische Führung für Plastik (Bildhaueratelier, Marmorarbeit, Gießerei, Majolikafabrik)«.36 Ende Februar 1911 erschien in der Kunstchronik unter der Rubrik »Vermischtes« Brockhaus’ Anzeige für einen Ferienkurs über die »Verbindung von Archiv- und Denkmäler-Studium« unter der Leitung von Walter Bombe (1873– 1946) vom 21. März bis 1. April 1911:

»Zweck des Kurses ist, Kunsthistorikern das Archivstudium zu erleichtern, unter Berücksichtigung der Baukunst, Bildnerei, Malerei und des Kunstgewerbes. Jeden zweiten Tag wird eine Vorlesung stattfinden, an dazwischen liegenden Tagen sind zur Erläuterung einige Führungen und Ausflüge in Aussicht genommen. […] Der Kurs ist für Studenten und für Mitglieder des ›Vereins zur Erhaltung des Kunsthistorischen Instituts‹ gratis, abgesehen von einer Einschreibegebühr im Betrage von 5 Lire (= 4 Mark). Etwaige besondere Kosten (bei Ausflügen usw.) sind von den Teilnehmern zu tragen.«37 Der an »jüngere Forscher und Studenten« adressierte Kurs beinhaltete sowohl Ortstermine in Florentiner Archiven, Museen und Bauwerken als auch eine Einführung in das Archivstudium.38 Brockhaus dankte im Jahresbericht ausdrücklich Walter Bombe, der von 1904 bis 1912 am Institut war und teils in dessen Auftrag Archivstudien machte.39 Obwohl das Institut für die Ferienkurse keine Finanzhilfe aus öffent­licher Hand erhielt, schienen diese inzwischen fest in das Jahresprogramm des Instituts aufgenommen worden zu sein, denn Brockhaus schrieb im folgenden Jahresbericht wie selbstverständlich: »Ein Ferienkurs ist diesmal nach Umbrien eingerichtet worden für die Zeit vom 11. bis 17. April [1912] unter Führung des Herrn Privatdozenten Dr. Walter Bombe, und zwar nach Perugia, Assisi und Urbino.«40 Umso mehr verwundert die Meinungsverschiedenheit zwischen Brockhaus und einigen Vereinsmitgliedern über die Weiterführung der Ferienkurse im Frühjahr 1912.

»›Sehen zu lernen‹, das war die Devise«. Die Florentiner Ferienkurse

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Streit um die Ferienkurse 1912/1913 und der »kunstgeschicht­liche Kursus« in Florenz und Rom von 1914

Das Protokoll der Ausschusssitzung des »Vereins zur Erhaltung des kunsthistorischen Instituts« vom 10. April 1912 dokumentiert, dass der Ferienkurs im Frühjahr 1912 mit sieben Teilnehmern stattfinden und auch in mehrere Orte Umbriens führen sollte; in diesem ist aber ebenso die Meinung von Direktor Brockhaus festgehalten, der »mit Rücksicht auf mancherlei hervorgetretenen Unzuträglichkeiten, gegen die Fortsetzung der Ferienkurse« war.41 Für eine Fortsetzung hingegen sprachen sich der Ausschussvorsitzende Ferdinand Freiherr von Stumm (1843–1925) und der Schatzmeister des Vereins Eduard Arnhold (1849–1925) aus. Zudem regte Schmarsow an, »in Angliederung an den deutschen Universitätsunterricht archivalische Kurse, namentlich für Paläographie der späteren (13.–15.) Jahrhunderte einzurichten. Solche Kurse bestehen in Österreich, fehlen aber in Deutschland. Hierzu wäre Verständigung mit den Vertretern der Kunstwissenschaft und der historischen Hilfswissenschaften an reichsdeutschen Hochschulen erforderlich.«42 Welche »Unzuträglichkeiten« Brockhaus genau meinte, wurde im Protokoll nicht weiter dargelegt, aber die Kurse bereiteten viel organisatorische Arbeit, zumal die Teilnehmer nicht immer ausreichende Vorkenntnisse mitbrachten, um die Analysen vor Ort zu vertiefen und auch für die Forschung fruchtbar zu machen. Der »Ferienkurs April 1912 in Umbrien« wurde trotz der Diskussionen wie angekündigt durchgeführt: »Für die Zeit vom 11. bis ungefähr 21. April 1912 hat Herr Privatdozent Dr. Walter Bombe

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übernommen, in Perugia, Assisi, Urbino etc. kunstgeschicht­liche Führungen abzuhalten. Anmeldungen zur Teilnahme sind an den Unterzeichneten zu richten, und zwar möglichst bis Mitte März, da nur eine beschränkte Anzahl von Teilnehmern in Aussicht genommen ist. Die Kosten für Wohnung, Verpflegung und Fahrt sind von den Teilnehmern zu tragen; über den mutmaß­lichen Betrag wird auf Wunsch vorher Auskunft erteilt werden. Die Führung selbst ist für Studenten und für Mitglieder des ›Vereins zur Erhaltung des Kunsthistorischen Instituts in Florenz (e. V.)‹ abgesehen von einer Einschreibgebühr von 3 Mark unentgeltlich, während andere Teilnehmer ein Honorar von 20 Mark zu entrichten haben. Studenten der philosophischen Fakultät und der Technischen Hochschulen können übrigens nach dem bestehenden Regolamento freien Eintritt in die italienischen Staatssammlungen erhalten unter Beachtung näherer Bestimmungen, über welche der Unterzeichnete gern Auskunft zu geben bereit ist.«43 Aber ähnlich kritische Stimmen und Bedenken wie sie Brockhaus geäußert hatte, gab es später auch von seinen Nachfolgern. Auf Brockhaus wurde seinerzeit nicht mehr gehört – er sollte noch im selben Jahr als Direktor zurücktreten. Im Gegenteil: in derselben Ausschusssitzung wurde im Etat ein »Archivkurs« mit Bombe für die Osterferien 1913 eingeplant.44 Dieser Osterkurs kam dann unter dem neuen Direktor Hans von der Gabelentz-Linsingen (1872–1946) zustande, der am 1. Oktober 1912 sein Amt angetreten hatte. Allerdings war es kein Archivkurs zu Ostern mit Bombe, sondern ein Herbstkurs zum Thema »Mittelalter­ liche Architektur und Plastik in der Toskana«, der unter der Leitung von Gabelentz nach Pistoia, Lucca, Pisa und Calci führte.45 An der thematischen Neuorientierung war sicherlich der neue As-

sistent Walther Biehl (1882–1963) nicht unbeteiligt, der auf ebendiesem Gebiet forschte. Auch Gabelentz hatte ein großes Interesse daran, im Institut verschiedene Veranstaltungsformate anzubieten; so beschrieb er in einem 1914 in Leipzig erschienenen Büchlein, in dem er für finanzielle Unterstützung des Instituts warb und neue Vereinsmitglieder zu gewinnen suchte: »Richtung und Ziel für den weiteren Ausbau des Instituts sind die von Anfang an gegebenen geblieben, d. i.: Eine Arbeitsstätte für Studierende und Gelehrte zu errichten, einen Sammelpunkt zu gegenseitigem Gedankenaustausch zu bilden und für Fachgelehrte und kunstsinnige Laien eine Art Auskunftsstelle in allen die italienische Kunst betreffenden Fragen zu schaffen. […] In den letzten Jahren haben im Frühjahr Führungen durch Florentiner Kunstschätze, Vorträge, und im Herbst Ferienkurse stattgefunden. Nach wie vor finden im Institut wissenschaft­liche Besprechungen in deutscher oder italienischer Sprache statt.«46

Friedrich Rintelen (1881–1926) und dem Archäologen Richard Delbrück (1875–1957), dem Leiter des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom, abgehalten. In Florenz übernahmen Direktor von Gabelentz, Hans Willich (1869–1943), Oskar Fischel und Walter Mannowsky (1881–1958) die Leitung. Der Programmentwurf listet sehr detailliert die einzelnen Ortstermine und Führungen in Rom, Florenz und Umgebung auf und enthält außerdem noch den Zusatz: »Bei der Kürze der Zeit, die für die Besichtigungen zur Verfügung steht, wird den Teilnehmern in ihrem eigenen Interesse dringend empfohlen, sich gründlich vorzubereiten.«48 Die Forderung nach einer individuellen Vorbereitung und dem damit verbundenen wissenschaft­lichen Anspruch sollte noch vierzehn Jahre später zu Grundsatzdiskussionen über das Ziel der Ferienkurse zwischen deren Leitern führen. Aber zunächst wurde das Institut im Mai 1915 wegen des Ersten Weltkriegs geschlossen und erst im Herbst 1923 wiedereröffnet.49

»[…] den jungen Leuten eine wirk­liche Anregung zu bieten« – Die »Studiengänge

Im Frühjahr, wenige Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, wurde vom 14. April bis Anfang Mai 1914 ein »Kunstgeschicht­licher Kursus für die Direktoren, Oberlehrer und Zeichenlehrer höherer Lehranstalten« angeboten.47 Nach 1908 war dies nun der zweite vom Preußischen Ministerium finanzierte Ferienkurs – mit dem Unterschied, dass er nicht nur nach Florenz, sondern auch nach Rom ging und thematisch das archäologische ebenso wie das kunsthistorische Spektrum von der Antike bis zum Barock abdeckte. In Rom wurden im Königlich Preußischen Historischen Institut und im Deutschen Kaiser­lichen Archäologischen Institut die Vorträge und Führungen von dem ehemaligen Stipendiaten des Kunsthistorischen Instituts in Florenz und inzwischen zum Professor ernannten

für Kunsthistoriker« zwischen 1926 und 1931 unter der Leitung von Bodmer, Haseloff und Weigelt

Zu den Plänen des 1922 ernannten Institutsdirektors Heinrich Bodmer (1885–1950) gehörte auch die Wiederaufnahme der Studienkurse. Die umfangreiche Korrespondenz zwischen ihm und dem seit 1912 amtierenden Vereinsvorsitzenden Wilhelm von Bode enthält unter anderem einen Brief von Bodmer, den er am 25. Mai 1925 nach Berlin schickte: »Ein nicht sehr glücklich ausgefallener Versuch von Herrn Prof. Hamann in Marburg im letzten Herbst, einen Studiengang für Kunsthistoriker an unserem Institut durchzuführen,

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brachte uns auf den Gedanken, eine alte Tradition unseres Instituts wieder aufnehmend, selbst einen solchen Kursus in ganz bescheidenem Rahmen zu unternehmen, und es bedeutete für mich eine Freude, als uns das Preußische Ministerium für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung vor ungefähr vierzehn Tagen die Mitteilung machte, dass unserem Institut zur Durchführung eines solchen Kurses eintausend Mark zur Verfügung gestellt werden sollten. Wir haben nun den kommenden Oktober für diese Veranstaltung in Aussicht genommen; die Ankündigung des Kurses würde durch die Mitteilungen an die Dozenten der Kunstgeschichte an den verschiedenen Universitäten erfolgen. Wir haben die Teilnehmerzahl auf ungefähr vierundzwanzig festgesetzt, glauben aber kaum, dass in Anbetracht der schwierigen finanziellen Verhältnisse der deutschen Studierenden mehr als ungefähr die Hälfte dieser Zahl kommen werden.«50 Der Kurs im Herbst 1925 musste zunächst ausfallen, wobei einer der Gründe vermutlich darin lag, dass das Institut zwar offiziell wieder geöffnet war, aber immer noch seinen provisorischen Sitz in den Uffizien hatte und unter sehr schwierigen finanziellen Verhältnissen viele andere Probleme zu lösen waren: »Bodmers konkrete Aufgaben am Institut bestanden zunächst in dessen innerer Reorganisation als funktionierende Arbeitsstätte, in der Wiederaufnahme der wissenschaft­lichen Aktivitäten sowie in der Wiederherstellung des Vertrauens und der Kontakte zu den italienischen Gelehrten.«51 In den ersten beiden Jahren nach der Wiedereröffnung bot Bodmer zunächst Vorträge und Führungen in der »Sala Pro Cultura« der Biblioteca Pietro Thouar an der Piazza Tasso an.52 Der für das Jahr 1925 geplante Kursus wurde auf das Frühjahr 1926 verschoben, und kurz vor Beginn des »Lehrgangs« konnte Bodmer vermelden:

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»Wir sind im jetzigen Moment im Institut mit den Vorbereitungen zu dem am 7. April beginnenden Kursus für Studierende Preußischer Universitäten vollauf beschäftigt. Es wird unser Bestreben sein, den Lehrgang bis in alle Einzelheiten vorzubereiten, nichts dem Zufall zu überlassen und den jungen Leuten eine wirk­liche Anregung zu bieten.«53 Im Jahresbericht 1925/26 legte er die Details zu Organisatoren und Programm, Finanzierung und Intention des Kurses dar und veröffentlichte zum ersten Mal auch eine Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: »Führungen und Galeriebesichtigungen in den Vormittagsstunden in Florenz wechselten ab mit Übungen, die jeweils abends von 5 bis 7 Uhr in den Räumen des Institutes nach Art von Seminarien, bei denen die sämt­lichen Teilnehmer zu aktiver Mitarbeit herangezogen wurden, stattfanden. In unmittelbarem Anschluß an den ersten in Florenz abgehaltenen Teil des Studienganges wurde eine gemeinsame Studienfahrt nach den Städten Lucca, Pisa, Siena, Assisi und Perugia unternommen, die den Zweck hatte, die Teilnehmer mit denjenigen Denkmälern bekannt zu machen, die dem vom Kurse berücksichtigten streng umgrenzten Studiengebiet angehörten. Trotzdem die Studierenden von den verschiedensten Universitäten Deutschlands herbeigekommen waren und einander nicht kannten, war das Einvernehmen zwischen Kursleitung und Schülern von Anfang an sehr herzlich und, obwohl die an die Teilnehmer gestellten Anforderungen keine geringen waren, nahmen alle Studierenden mit großem Interesse und nie nachlassendem Eifer an der gemeinsamen Arbeit teil. Das Institut hatte den Teilnehmern freien Eintritt in die italienischen Galerien verschafft, war

bei dem Nachweis von Wohnungen behilflich gewesen und hatte auch bei der italienischen Staatseisenbahn, die den Kursteilnehmern Fahrtermäßigung einräumte, bereitwilliges Entgegenkommen gefunden. Die beiden letzten Tage, welche die Studierenden in Florenz verbrachten, bot der Kursleitung Gelegenheit, einige schwer zugäng­liche Privatsammlungen zu zeigen, deren Besitzer die sämt­lichen Teilnehmer gastlich bewirteten. Der Kursus fand am 28. April mit einer geselligen Zusammenkunft im Garten des Deutschen Konsulates, zu der auch die deutsche Kolonie geladen war, seinen Abschluß.«54 Die relativ vielen Frauen, die 1926 und an den folgenden Kursen teilnahmen, spiegeln das veränderte Geschlechterverhältnis unter den Studierenden der Kunstgeschichte an den deutschen Universitäten wider. Nach der schon erwähnten Frida Schottmüller (1872–1936), die Brockhaus 1908 bei dem Kursus für die preußischen Oberlehrer unterstützt hatte, kam im Herbst 1925 auch erstmals eine Stipendiatin (des Freistaates Bayern) an das Kunsthistorische Institut in Florenz.55 Allerdings erwartete die Wissenschaftlerinnen nach der Promotion bestenfalls eine Stelle als Assistentin.56 Nicht viele Frauen konnten sich für eine Professur weiterqualifizieren, denn »auch wenn Frauen seit 1920 der Weg zur Habilitation offenstand, wählten nur wenige diesen Karriereweg, da die Hürden nach wie vor groß waren. Einerseits kollidierte ein solcher Berufsweg mit ›etablierten Vorstellungen von Weiblichkeit‹, andererseits erwuchs den Männern in einem nach wie vor sprichwört­lichen ›brotlose Kunst‹-Feld hier eine mög­liche Konkurrenz, die angesichts weniger Stellen Relevanz hatte.«57

Hierzu zählt auch die Mitarbeiterin von Alfred Stange, Anni Warburg (1899–1993), die sich zum Ferienkurs 1929 angemeldet hatte und unter anderem an der Bonner Universität für die Diathek zuständig war.58 Auch Aenne Liebreich (1899–1939) und Helen Rosenau (1900–1984), die am Florentiner Kurs von 1928 teilgenommen hatten, wollten sich habilitieren. Beiden wurden jedoch ihre Habilitationsverfahren aufgrund der antisemitischen Gesetzgebung verweigert.59 Das Thema des Studiengangs zur italienischen Kunst des 13. Jahrhunderts von 1926 wurde 1928 und 1929 jeweils um ein Jahrhundert fortschreitend weitergeführt und 1931 auch auf einzelne Orte in Umbrien ausgedehnt.60 Institutsdirektor Bodmer, sein Assistent Curt H. Weigelt (1883–1934) und Arthur Haseloff (1872–1955) bestritten in diesen Jahren gemeinsam das Programm und luden außerdem Gastdozenten ein. Während für die Vorträge des Kurses von 1926 noch auf den Saal in der Deutschen Schule, Via Faentina 24, ausgewichen werden musste, konnte nach dem Umzug des Instituts vom provisorischen Sitz in den Uffizien zurück in den Palazzo Guadagni der »Große Studiensaal« genutzt werden, der über eine Leinwand für Projektionen verfügte (Abb. 5). Dort fanden nicht nur die am 18. Dezember 1926 wieder aufgenommenen Institutsvorträge, sondern auch die Übungen während der Studienkurse statt; daher war das Institut während der Dauer der Kurse in den Nachmittagsstunden nur für die Kursteilnehmer zugänglich.61 Aus den von Haseloff und Bodmer 1926 unabhängig voneinander verfassten Berichten lassen sich Details der Organisation, der wissenschaft­ liche Anspruch der Kurse, aber auch Verbesserungsvorschläge herauslesen.62 Alle Ferienkurse von 1926 bis 1931 wurden durch das Preußische Ministerium finanziell unterstützt; nichtsdestotrotz machten Bodmer und Haseloff in ihren Berichten darauf aufmerksam, dass eine individuelle Förderung der Teilnehmenden durch Stipendien oder

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Abb. 5 Großer Lesesaal des Kunsthistorischen Instituts in Florenz im Palazzo Guadagni, 1927–1935, Photothek des KHI in Florenz, Inv.-Nr. 126258

Zuschüsse wünschenswert wäre. Haseloff schlug vor, dass die Universitätslehrer besonders Begabten eine Empfehlung schreiben sollten, um ihnen die Reisekosten wenigstens teilweise zu erstatten oder Tagegelder zu gewähren: »Je strenger die Auswahl der Teilnehmer getroffen wird, je mehr die Kursleitung imstande ist, geeigneten, aber unbemittelten Bewerbern zu helfen, desto schärfer wird sich der wissenschaft­liche […?] der Veranstaltung ausprägen und desto größer der Erfolg sein.«63 Über die zu behandelnden kunsthistorischen Themen und die Zielsetzung der Kurse waren sich Bodmer und Haseloff mehr oder weniger einig. Der Kieler Professor Arthur Haseloff, der sich als Sekretär der kunstgeschicht­lichen Abteilung des Preußischen Historischen Instituts in Rom in den Jahren 1905– 1915 durch seine Exkursionen und Fotokampagnen zu Denkmälern der Hohenstaufer in Süditalien einen Namen als Verfechter für das Studium vor Ort gemacht hatte, wurde seit dem Jahresbericht von 1922/24 als Vereinsmitglied geführt.64 Für ihn musste »der Sinn und Zweck eines derartigen, vom Florentiner Institut veranstalteten Kursus […] sich grundsätzlich von den Studienreisen, wie sie von verschiedenen Kunsthistorischen Seminaren unter-

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nommen worden sind, unterscheiden.«65 Es könne keine allgemeine Übersicht über die Denkmäler der bereisten Gegend gegeben werden, sondern die Aufgabe bestünde »in erster Linie darin, den Kursusteilnehmern das Problematische an den Denkmälern, vor die sie gestellt werden, klar zu machen, um sie dann in ein umso tieferes und eindring­licheres Verständnis einzuführen. Es gilt, vom gegenwärtigen Zustand ausgehend, die Frage zu prüfen, wieweit das einzelne Kunstwerk, sei es Bauwerk oder Gemälde, in seiner ursprüng­ lichen Gestalt erhalten ist, vielleicht in früherer oder späterer Zeit verändert ist, wieviel durch die Zeit oder durch die Menschenhand verdorben ist, oder inwieweit die Fälscherkünste moderner Restauratoren den Dingen einen anderen Charakter gegeben haben.«66 In der kritischen Auseinandersetzung mit den Kunst- und Bauwerken, der Literatur und den Untersuchungsmethoden sah Haseloff den eigent­ lichen Wert der Kurse, die er auch für die universitäre Lehre für einschneidend hielt:

»In der Tat kann und muss die Einrichtung derartiger Kurse, wie sie in diesem Frühjahr zum ersten Male abgehalten wurden, einen fruchtbaren Einfluss auf die gesamte Gestaltung des kunstgeschicht­lichen Unterrichts gewinnen und muss für die Ausgestaltung unserer wissenschaft­lichen Beziehungen in Italien von weitreichender Bedeutung sein.«67

eine seelische Zentralheizung entwickelt«, wie sich Aby Warburg in seiner flammenden Rede anlässlich der Rückkehr des Instituts in den Palazzo Guadagni am 15. Oktober 1927 ausdrückte und in der er allen bis dato amtierenden Vereins- und Ausschussvorsitzenden sowie Institutsdirektoren die »Gesinnung eines selbstvergessenen Idealismus« bescheinigte.70

Für Bodmer lag das Ziel des Kursus Verschärfte Zulassungsbedingungen,

»zunächst darin, den Teilnehmern, welche sich bisher mit der italienischen Kunst nur wenig oder gar nicht beschäftigt hatten, einen allgemeinen Überblick über die Leistungen Italiens im frühen Mittelalter zu geben. Dann aber sollte der weitere Versuch unternommen werden, die Studierenden mit den besonderen bei der Erforschung diese Periode auftretenden Problemen und Fragestellungen vertraut zu machen und ihnen eine Methode der systematischen Untersuchung zu bieten […]. Es sollten nicht abgeschlossene, allgemein anerkannte Ergebnisse der Wissenschaft vorgetragen werden, sondern die Studierenden sollten Einblick gewinnen in die mühsame und aufopferungsvolle Forscherarbeit, welche sich die Erschliessung eines von der Kunstgeschichte bisher nur ungenügend bearbeiteten Studiengebietes zur Aufgabe stellt.«68 Er unterstrich außerdem das persön­liche Engagement aller Beteiligten, das der »Deutschen Kolonie« in Florenz und derjenigen, die Besichtigungen ihrer privaten Besitzungen zuließen, ebenso wie die geselligen Zusammenkünfte, »durch welche die Kursteilnehmer nicht nur untereinander, sondern auch mit den Leitern des Studienganges bekannt werden sollten.«69 Das Institut kam auch hier seinem Ruf als großzügige und offene Forschungsstätte nach, in der »sich für jedermann, der sucht,

Finanzhilfen und neue Ziele. Zur Fortsetzung der Kurse unter Arthur Haseloff und Friedrich Kriegbaum bis 1938

In ihren Berichten von 1926 hatten Bodmer und Haseloff die Notwendigkeit einer besseren inhalt­ lichen Vorbereitung der Studierenden betont und eine Verknüpfung der Studienkursthemen mit den universitären Lehrplänen gefordert – ebenso hatte dies ja Brockhaus 1912 schon vorgeschlagen. Aber erst für den »Osterkursus« von 1931, knapp zwei Jahre bevor Bodmer am 30. September 1932 von seinem Amt als Institutsdirektor zurücktrat und seinem (kommissarischen) Nachfolger Haseloff die Leitung überließ, formulierte Bodmer die »Richtlinien für den Studiengang des kunsthistorischen Instituts in Florenz«. Danach sollte die Zahl auf fünfzehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer reduziert und im »Gegensatz zu den bisherigen Florentiner Kursen […] nur ein Universitätsdozent aus Deutschland zugezogen werden. Voraussetzung für die Teilnahme an den Kursen ist das Studium der Kunstgeschichte im Hauptfach, während mindestens 4 Semestern. […]. Auch wird es sich die Institutsleitung zur Pflicht machen, den Kursteilnehmern möglichst viel freie Zeit zum eigenen Studium der Kunst der besuchten Städte einzuräumen. Auch sollen die Studierenden neben den obligatorischen

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Veranstaltungen über eine beschränkte Zahl von freien Nachmittagen verfügen können.«71 So realisierte Bodmer seinen letzten Studiengang im Frühjahr 1931 entsprechend dieser Richtlinien und ergänzte diese in seinem Programmentwurf um einen weiteren Passus: »Zur Anmeldung bedarf es einer besonderen Empfehlung des betreffenden Herrn Ordinarius der Kunstgeschichte.«72 Daneben gab es aber im Vereinsausschuss und innerhalb des Instituts, zum Beispiel vonseiten des Assistenten Weigelt, Kritik am jähr­lichen Studienkurs. Weigelt stand Bodmer und dessen Institutsführung, hauptsächlich aber der »Hypertrophie der Photographiensammlung«73 generell kritisch gegenüber und formulierte seine Bedenken gegenüber Dritten auch schriftlich, etwa in einem Brief an Ernst Bange (1893–1945), der an den Staat­lichen Museen zu Berlin beschäftigt und als Ausschussmitglied des Vereins Ansprechpartner für Institutsangelegenheiten war: »Dieser Kursus sollte doch nun gerade auf Wunsch des Ausschusses, besonders auf Wunsch von Clemen mehr zu einem Reisekursus gemacht werden, und es scheint mir darum nicht ganz berechtigt, gerade diese Reise zu verkürzen und den Florentiner Aufenthalt zu verlängern. Wie ich Ihnen schon geschrieben habe, ist Haseloff gerade über den Wegfall von Assisi besonders bestürzt, weil eben die organische Behandlung des ganzen Giotto-Komplexes auf diese Weise unterbunden wird.«74 Es konnte in diesem Punkt ein Kompromiss gefunden werden, so dass Assisi auch für die nächsten Jahre auf der Liste der besichtigten Orte blieb. Etwa ein halbes Jahr später schrieb Weigelt an Haseloff: »Ich selbst bin mit Rücksicht auf das Institut ein Gegner der jähr­lichen Kurse und fände einen zweijährigen Turnus ausreichend.«75 Und tatsäch-

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lich wurde für 1932 kein Studienkurs organisiert. Zunächst gingen aber die Reformbestrebungen der Studienkurse noch weiter, als Haseloff in einem Brief an Weigelt die Idee äußerte, die Studienkurse auszuweiten, damit sich die Studierenden diese als eine Art »Zwischensemester« an ihren Universitäten anerkennen lassen konnten.76 Die Hauptprobleme sah Haseloff darin, »dass das Florentiner Institut infolge seiner eigenartigen Struktur ausserhalb des Betriebes der deutschen Universitäten oder auch der Staat­lichen Museen steht und dass infolgedessen alle derartigen Organisationspläne mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.«77 Vor dem Hintergrund, dass Haseloff ein Semester in den USA verbringen sollte, kam ihm die Idee, ob nicht auch amerikanische Studierende für solche Kurse mit heranzuziehen wären: »Wenn dabei ein materieller Gewinn zu erzielen wäre, der etwa unseren deutschen Studierenden diese Dinge erleichterte, so würde ich den Gedanken nicht für unglücklich halten, natürlich immer nur unter der Bedingung, dass unsere einheimischen Studierenden nicht dabei zurückgesetzt werden.«78 Um weitere Kosten zu sparen, schlug er im Jahr darauf vor, anstelle Dozenten aus Deutschland anreisen zu lassen und diesen Tagegelder zu zahlen, geeignete Personen, die ohnehin am Institut waren, als Honorardozenten zu beauftragen.79 Für seinen ersten »Studiengang« ließ auch Direktor Haseloff ein Programm drucken und verschickte dies zusammen mit einem Begleitbrief an verschiedene Universitätsprofessoren in Deutschland (wie seinerzeit Bodmer für den geplanten Kursus von 1925), in dem er um eine finanzielle Unterstützung für einzelne Teilnehmer bat.80 Der Frühjahrskurs 1933 dauerte fünf Wochen, hatte insgesamt 38 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und war den Denkmälern in Oberitalien, Florenz, der Toskana und Umbrien »mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Kunstgutes bzw. der für die deutsche

Kunstgeschichte wichtigen Denkmälerkreise« gewidmet.81 Mit Besichtigungen in Verona, Modena, Bologna, Lucca, Pisa, Florenz, Siena, Arezzo, San Gimignano, Assisi und Rom sollten »die Studierenden vor ausgewählten Denkmälern verschiedenster Art in das Wesen der italienischen Kunstentwicklung insbesondere in der Toskana« eingeführt werden. Ergänzt wurden die Exkursionen durch kleinere Ausstellungen und Gastvorträge am Institut.82 Die letzte Etappe in Rom war im Programm als obligatorisch ausgewiesen (Abb. 6): »Von Assisi aus muss die Reise bis Rom fortgesetzt werden, wo der Besuch der faschistischen Ausstellung und die Abstempelung der Fahrkarten daselbst unerlässlich sind.«83 Wie in den Jahrzehnten zuvor wurde auch über diese Reise im Jahresbericht viel Positives referiert: »Die lebhafte und freudige Teilnahme, die die Studierenden die ganze Zeit hindurch, trotz aller Anstrengungen, bezeugten, beweist uns, daß der Studiengang in der Art seiner Durchführung einem wirk­lichen Bedürfnisse der akademischen Jugend entsprach.«84 Die Erfolgsreihe wurde 1934 in ähn­licher Konstellation fortgeführt, wobei es bei dem Kurs vom 11. März bis 14. April darum ging, die »Studierenden in das Wesen italienischer Kunstart mit seinen großen Gegensätzen nach Landschaft und Bevölkerung einzuführen und ihnen zugleich eine Vorstellung von der Vielartigkeit der italienisch-deutschen und deutsch-italienischen Kunstbeziehungen zu geben.«85 Am 1. April 1935 wurde Friedrich Kriegbaum (1901–1943) mit der kommissarischen Leitung des Instituts betraut und musste die Studienkurse 1935 und 1936 wohl auch wegen fehlender Devisen ausfallen lassen.86 Ersatzweise bot der neue Direktor »kunstwissenschaft­liche Führungen« am Sonntagvormittag und öffent­liche Vorlesungen im Institut in italienischer Sprache am Donnerstagmorgen an, wobei sich seine Intentionen von denen seiner Vorgänger unterschied: »Die etwa ­einstündigen Führungen sind unentgeltlich. Mit

ihnen hofft das Institut seine Arbeitsgebiete einem grösseren Kreise bekannt zu machen.«87 Kriegbaums erster Kurs stellte direkt eine Neuerung dar, denn unter dem Titel Das Giotto-Problem und Monumente in der Toskana und Rom organisierte er den »I. Kunsthistorischen Schulungskurs« zusammen mit der 1913 gegründeten Bibliotheca Hertziana in Rom für den Herbst 1937.88 Herzstück des Kurses war die Ausstellung zum 600. Todesjahr von Giotto, die von April bis Oktober 1937 in den Uffizien gezeigt wurde. Die Ausstellung »Onoranze a Giotto« stellte die erste Retrospektive zur frühen italienischen Malerei dar und bot Anlass für Konfrontationen seitens der kunstwissenschaft­lichen Intelligenzija Italiens (wie Ugo Ojetti, Mario Salmi, Richard Offner oder Roberto Longhi), die sich kritisch äußerte über den Stellenwert von Giottos Malerei bzw. die propagandistischen Absichten der Faschisten, den Geist der Ausstellung zu nationalisieren.89 Der im Herbst 1938 angebotene »II. Kunsthistorische Schulungskurs« fand in derselben Besetzung und mit fast identischen Stationen wieder unter Beteiligung des römischen Instituts statt.90

Die Florentiner Ferienkurse und das Lehrmedium Fotografie

Bereits den Oberlehrern von 1908 war der Gebrauch von Fotografien für den Schulunterricht evident: »Selbst die Photographen kamen uns entgegen; ihre Bestände wie die Gipse Lellis wurden gemustert, damit daraus die deutschen Anstalten einmal ihr Material beziehen können.«91 Sie hinterließen dem Institut aber auch »als freund­liche Widmung vom Ferienkurs […] eine große Ansicht von Siena in Kupferstich aus der Zeit um 1600.«92 Aber die im Aufbau befind­liche Abbildungssammlung und Bibliothek, die anfangs maßgeblich aus Schenkungen und Nachlässen bestanden, mussten gerade in den ersten Jahrzehnten für spezielle Forschungsthemen punktuell ergänzt werden. So wurden

»›Sehen zu lernen‹, das war die Devise«. Die Florentiner Ferienkurse

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Abb. 6 Programm des Studienkurses am Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1933

(offensichtlich) für den Frühjahrskurs 1912 zweiundzwanzig Fotografien zur umbrischen Malerei bei Alinari angekauft.93 Zu den Fresken des Franziskusmeisters in der Unterkirche von San Francesco in Assisi hatte Arthur Haseloff ausdrücklich nach Fotografien von Gabriele Carloforti gefragt, die dieser 1880/81 von den »inzwischen schlecht lesbaren Fresken«94 gemacht hatte, und bekam von Bodmer zur Antwort, dass das Institut die Aufnah-

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men von Carloforti beziehe, die von Anderson aber noch nicht im Handel seien. Es lassen sich durch solche Äußerungen spezielle, auf die Kursthemen ausgerichtete Erwerbungen nachvollziehen. Jedoch war bei nur wenigen Zugängen der Verwendungszweck im Inventarbuch der Abbildungen so deutlich angegeben wie 1933 bei den 95 Abbildungen zu Kunst- und Bauwerken in Pisa, Siena, Lucca, San Gimignano und Florenz.95 Die mit dem Vermerk

Abb 7 Edizione Brogi: Mercato Vecchio in Florenz, vor 1885, Photothek des KHI in Florenz, Inv.-Nr. 88230

»Kursus 1933« inventarisierten Objekte stammten zu einem großen Teil von Alinari und Brogi, die diese vor und während des Sanierungsprojektes Risanamento di Firenze in den 1880er Jahren aufgenommen hatten, und die den Mercato Vecchio, das Ghetto sowie die mittelalter­lichen Kirchen vor ihrem Abriss zeigen (Abb. 7). Auch Postkarten und Pläne der Stadt waren unter den Neuzugängen, und zusammen mit den zwei Jahre zuvor inventarisierten Fotografien von Giuseppe Baccani, die auch er anlässlich der Abbrucharbeiten gemacht hatte, bildete der Bestand eine gute visuelle Basis für das Studium dieses das Zentrum von Florenz doch maßgeblich verändernden Eingriffs.96 Unter den 1933 inventarisierten Objekten finden sich aber auch Fotografien, die zusätzlich mit dem Vermerk »Diapositivabzug« eingetragen wurden. Es handelt sich dabei nicht etwa um die Inventarisierung der Diapositive, die mit separaten Inventarnummern in einem eigenen Inventarbuch erfasst und in Glasrahmen nach dem gleichen Klassifikationssystem wie der fotografische Bestand aufbewahrt wurden. Das Institut besaß bereits seit 1913 einen eigenen Projektionsapparat, den es zu-

sammen mit 1000 Dias aus Mitteln einer Schenkung erwerben konnte.97 Diese wurden aber erst am 24. Januar 1927 als »Alter Bestand« unter den Nummern 1–1103 im Inventarbuch der Diapositive, das in zwei Bänden nur bis 1943 geführt worden ist, aufgelistet.98 Der Zeitpunkt der Inventarisierung fällt mit dem Faktum zusammen, dass am 18. Dezember 1926 die öffent­ lichen Vorträge und wissenschaft­lichen Besprechungen wieder aufgenommen und »unter lebhaftem Beifall […] von Lichtbildern begleitet« wurden.99 Allerdings sind mit »Diapositivabzug« auf Papier übertragene Kontaktabzüge meist im Format 6 × 6 cm gemeint, die als eigenständige Foto-Objekte in den Bestand der Abbildungen eingegliedert wurden.100 Die Übertragung der Dias in einen Papierabzug war für die Sammlungspraktiken des Instituts ein eher ungewöhn­liches Vorgehen, aber es ermöglichte den Studienkursteilnehmern während ihrer Übungen das Studium des gesamten Bildmaterials. Die Diapositive hingegen wurden für den Vortrag von Walter Paatz (1902–1978) verwendet, der im Kursprogramm für den 11. März 1933 mit dem Titel Die Entwicklung des Stadtbildes von Florenz angekün-

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digt wurde.101 Dieser Kurs brachte noch eine weitere Neuerung: »Besonders wertvoll war uns die Vorführung von Altflorenz in den Stichfolgen Zocchis, die dank dem großen Entgegenkommen des Herrn Leo Olschki, der uns die Blätter zur Verfügung stellte, während der Dauer des 5. Studienganges gemacht werden konnte.«102

Resümee

Die vom Kunsthistorischen Institut in Florenz veranstalteten Ferienkurse zeichneten sich von Anfang an dadurch aus, dass sie eine Mischung aus Besichtigungen von Bauwerken, Museen und Privatsammlungen waren, die von Vorträgen und Seminaren begleitet wurden. Bei den Führungen und Ortsterminen erhielten die Teilnehmenden aber auch Einblick in die diversen Arbeitspraktiken, wenn etwa Archivare in ihre Arbeit einführten, Fabriken und Handwerksbetriebe besucht oder Decken- und Wandmalereien aus der Nähe studiert wurden – wie in Assisi, wo »der Superintendent der Provinz Perugia, Dr. A. Bertini-Colosso, durch Aufstellung von Leitern und Gerüsten in der Kirche von S. Francesco die Prüfung der schwer zugäng­lichen Fresken« ermöglichte.103 Die Kurse sollten den Studierenden etwas bieten, was im Hörsaal unmöglich erarbeitet werden konnte. Ab den 1920er Jahren stieg der wissenschaft­liche Anspruch an die Teilnehmenden weiter an. Dies ging weit darüber hinaus, was die preußischen Oberlehrer 1908 von ihrer Fahrt nach Florenz mit dem Wunsch des »Sehen Lernens« zwanzig Jahre zuvor hatten erwarten dürfen. Es sollte nun eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kunst- oder Bauwerk, dem Abbildungsmaterial, der Literatur, den Restaurierungen und den kunstwissenschaft­lichen Methoden erwirkt werden. Die begleitenden Vorträge und Seminare dienten dazu, das Gesehene vorzubereiten, zu vertiefen, zu vergleichen und zu hinterfragen.

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Das Florentiner Institut stellte dazu alle verfügbaren Bücher und Abbildungen zur Verfügung, um »in gemeinsamer Arbeit eine Entwicklungslinie zu ziehen, welche vom Ausgang der langobardischen Periode bis zu den Anfängen eines selbständigen Stiles in der Toskana führte. Unterstützt wurde dieses Unternehmen durch das umfangreiche, zum Teil vor dem Kriege durch das Institut hergestellte unveröffentlichte Material, welches hier zum ersten Mal einem engeren Kreis von Fachgenossen unterbreitet wurde.«104 Hierbei spielten Abbildungen wie Stiche und Pläne, aber vor allem die Fotografien eine zentrale Rolle.

1 Siehe August Schmarsow, »Rückschau beim Eintritt ins siebzigste Jahr«, in: Die Kunstwissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen: Cornelius Gurlitt, Carl Neumann, A. Kingsley Porter, Julius von Schlosser, August Schmarsow, Josef Strzygowski, Hans Tietze, Karl Woermann, hrsg. von Johannes Jahn, Leipzig 1924, S. 134–156, hierin zu Schmarsows Auftrag an der Universität in Straßburg (vor 1877) »die verwaiste Photographiensammlung des kunsthistorischen Apparates zugänglich zu machen« (S. 4) und zu seinen Publikationen »S. Martin von Lucca und die Anfänge der toskanischen Skulptur im Mittelalter (1890), worin sich Gelegenheit bot, durchgreifende Stichproben in der Plastik des Trecento vorzunehmen, und Meisterwerke Deutscher Bildnerei des Mittelalters, I. die Naumburger Domskulpturen (1892), mit photographischen Aufnahmen, die E. v. Flottwell, nach meiner Vorschrift des Standortes vor jeder Statue angefertigt hat« (S. 143). 2 August Schmarsow, Kunstgeschichte an unsern Hochschulen, Berlin 1891, S. 93. 3 Curt H. Weigelt, Das Kunsthistorische Institut in Florenz 1888–1897–1925. Wilhelm von Bode zum 80. Geburtstage […], Leipzig 1925, S. 7. Der Philologische Zirkel war 1872 gegründet worden und hatte seinen Sitz im Palazzo Spini Feroni in der Via de’ Tornabuoni, wo auch andere Gesellschaften und Vereine wie die Società Dante Alighieri zu Kongressen mit internationalen Gästen einluden, und der das intellektuelle Zentrum der Stadt bildet, siehe Fulvio Conti, »Palazzo Spini Feroni nell’Ottocento: da residenza aristocratica a luogo della sfera pubblica e del loisir«, in: Un palazzo e la città (Ausst. Kat. Florenz 2015–2016), hrsg. von Stefania Ricci und Riccardo Spinelli, Mailand 2015, S. 186–209. 4 Zu allen Teilnehmern siehe Hans W. Hubert, Das Kunsthistorische Institut in Florenz von der Gründung bis zum hundertjährigen Jubiläum (1897–1997), Florenz 1997, S. 14–15. Siehe außerdem zu Burmeister: Max Semrau, »Das Institut für mittelalter­liche und neuere Kunstgeschichte«, in: Chronik der König­lichen Universität zu Breslau für das Jahr vom 1. April 1894 bis zum 31. März 1895, 9, 1895, S. 64–65; zu Winkler siehe Nekrolog, in: Kunstchronik, N. F. 16, 1901, Sp. 263–264. 5 Weigelt 1925 (wie Anm. 3), S. 6. 6 »Album des Kunsthistorischen Instituts zu Florenz 1888«, Archiv des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut (Archiv des KHI Florenz), KHI I, 1. 7 Zu Schmarsows Rolle bei der Gründung des Florentiner Instituts siehe Hans W. Hubert, »August Schmarsow, Herman Grimm und die Gründung des Kunsthistorischen Instituts in Florenz«, in: Storia dell’arte e politica culturale

intorno al 1900. La fondazione dell’Istituto Germanico di Storia dell’Arte di Firenze, hrsg. von Max Seidel, Venedig 1999, S. 339–358. Siehe außerdem Bernhard vom Brocke, »Wege aus der Krise. Universitäts-Seminar, AkademieKommission oder Forschungs-Institut? Institutionalisierungsbestrebungen in den Geistes- und Naturwissenschaften und in der Kunstgeschichte vor und nach 1900«, in: ebd., S. 178–222. 8 Alle Zitate aus Weigelt 1925 (wie Anm. 3), S. 8. Zur Geschichte des Instituts siehe ausführlich Hubert 1997 (wie Anm. 4). 9 Weigelt 1925 (wie Anm. 3), S. 6. 10 Der geschäftsführende Ausschuss bestand aus Adolph Bayersdorfer, August Schmarsow und Max Georg Zimmermann, Kunstchronik, N. F. 5, 3, 1893, Sp. 35–36. 11 Schmarsows Gründung ging zurück auf Anton Springers Antrag auf dem Kunstwissenschaft­lichen Kongress in Wien im Jahr 1873, siehe zu beidem Kunstchronik, N. F. 5, 19, 1894, Sp. 297–300. 12 Ludwig Pallat, Richard Schöne, Generaldirektor der König­lichen Museen zu Berlin, Berlin 1959, S. 163. 13 Johann Amos Comenius, Grosse Didaktik, hrsg. von Andreas Flitner, Düsseldorf und München 1954, S. 138. 14 Vgl. Bertram Faensen, Antikensammlungen in Ostpreußen, Berlin 2011, S. 218–219; siehe auch Korrespondenzblatt für die Philologenvereine Preußens, 1. Jg., 14, 1893. Zu Ferienkursen anderer Fakultäten, beispielsweise die »Wissenschaft­lichen Ferienkurse für Geist­liche« der Universität Bonn, 1892, siehe Thomas Becker und Philip Rosin, Die Buchwissenschaften: Geschichte der Universität Bonn, 4 Bde., Bonn 2018, hier Bd. 3, S. 139–140 oder Ruth Conrad, Lexikonpolitik: Die erste Auflage der RGG im Horizont protestantischer Lexikographie, Berlin 2012, S. 212– 214. Zu »Naturwissenschaft­lichen Ferienkursen« ab 1892 in Berlin und Göttingen siehe Heike Renate Biermann, Praxis des Mathematikunterrichts 1750–1930: Längsschnittstudie zur Implementation und geschicht­lichen Entwicklung des Mathematikunterrichts am Ratsgymnasium Bielefeld, Berlin 2010, S. 298–305. 15 Unter dem Kapitel »Entwicklung des Kunstsinns bei den Schülern« im Leitsatz 10 festgehalten: »Die Beibehaltung der archäologischen Ferienkurse in Deutschland und Übungsreisen in Italien und ihre ausgiebige Förderung ist dringend erwünscht«, siehe Verhandlungen der DirektorenVersammlung der Provinz Pommern, 14. Jg., 66, 1903, S. 119. 16 Korrespondenzblatt (wie Anm. 14), 7. Jg., 7, 1899. Siehe auch für die Schweiz in: Deutsche Blätter für erziehenden Unterricht, 26, 1899, S. 71.

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17 Zu Althoff siehe: Todesanzeige im KorrespondenzBlatt für den akademisch gebildeten Lehrerstand (Pädagogisches Wochenblatt), 16. Jg., 40, 1909, S. 419; Nachruf von Karl Knabe in: Pädagogisches Archiv. Monatszeitschrift für Erziehung, Unterricht und Wissenschaft, 50. Jg., 9, 1908, S. 432. Einen guten Überblick bieten Bernhard vom Brocke, »Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Preußen und im Deutschen Kaiserreich 1882–1907. Das ›System Althoff‹«, in: Bildungspolitik in Preußen zur Zeit des Kaiserreichs, hrsg. von Peter Baumgart (Preußen in der Geschichte, 1), Stuttgart 1980, S. 9–118, sowie Hartwin Spenkuch, Die preußische Universitätspolitik im Deutschen Kaiserreich. Dokumente zu Grundproblemen und ausgewählten Professorenberufungen in den Philosophischen Fakultäten zur Zeit Friedrich Althoffs (1897 bis 1907), Berlin 2018. 18 »Vermischtes«, in: Kunstchronik, N. F. 19, 22, 1908, Sp. 384. 19 »Il ricevimento dei professori tedeschi a Palazzo Vecchio«, in: La Nazione, 16. April 1908, Archiv des KHI Florenz, I, U2,25–31. 20 Martin Wehrmann, »Von dem ersten kunsthistorischen Ferienkursus in Italien«, in: Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung), 2. Juni 1908, Beilage zu Nr. 255, Archiv des KHI Florenz, I, U2, 24–31. 21 Paul Brandt, »Der erste Florentiner kunsthistorische Ferienkursus«, in: Bonner Zeitung, 10. Mai 1908 (Sonntagsbeilage), 17. Jg., 129, S. 5. 22 Paul Brandt, »Nachklänge zum kunsthistorischen Ferienkursus in Florenz«, in: Pädagogisches Archiv (wie Anm. 17), 50, 1908, S. 443–455. 23 Daniel Schöningh, Der erste kunsthistorische Ferienkurs in Italien für Lehrer höherer Unterrichtsanstalten (Beilage zum Programm des König­lichen Marien-Gymnasiums zu Posen), Posen 1909, S. 2. 24 Christiane Fork, »Paul Schubring«, in: Metzler Kunsthistoriker Lexikon, Zweihundert Porträts deutschsprachiger Autoren aus vier Jahrhunderten, hrsg. von Peter Betthausen u. a., Stuttgart 1999, S. 373–375. 25 Tancred Borenius, Paul Clemen, Alexander Dorner, u. a., Italienische Studien. Paul Schubring zum 60. Geburtstag gewidmet, Leipzig 1929. 26 Paul Schubring, »Die Frühlingsfahrt preußischer Gymnasialprofessoren nach Florenz. Eine Ergänzung«, in: Frankfurter Zeitung, 28. April 1908, Zeitungsausschnitt im Archiv des KHI Florenz, I, U2,25–31; ders., »Die preußischen Oberlehrer in Florenz. Ein kunsthistorisches [sic!] Giro Ostern 1908«, in: Pädagogisches Archiv (wie Anm. 17), 50. Jg., 6, 1908, S. 252–257, hier S. 254.

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27 Heinrich Brockhaus, »Ansprache zur Eröffnung des vom Königlich Preußischen Kultusministerium veranstalteten Ferienkurses für Lehrer höherer Schulen (30. März 1908)«, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 1, 1908/11, S. 5. 28 Heinrich Brockhaus, Aus meinen Lebenserinnerungen, maschinenschrift­liches Manuskript, 1937, Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut, Signatur Ka 966 h (RARO). 29 Heinrich Brockhaus, Jahresbericht 1908/09 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1909, S. 5. 30 Heinrich Brockhaus, Jahresbericht 1910/11 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1911, S. 4. 31 Heinrich Brockhaus, Jahresbericht 1907/08 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1908, S. 23. 32 Weigelt 1925 (wie Anm. 3), S. 23. 33 Brockhaus 1909 (wie Anm. 29), S. 8, Programm S. 7–8: »1. Woche: Montag, 22. März: Eröffnungsrede über Cosimo de’ Medici, von Prof. Brockhaus; Vortrag über häus­liches Leben im alten Florenz, von Dr. Bombe. Mittwoch, 24. März: Führung in Santa Croce und später in der Carmine-Kirche, von Dr. Gronau und Privatdozent Dr. Willich aus München. Freitag, 26. März: Führung in S. Lorenzo, von Dr. Gottschewski und Prof. Brockhaus. 2. Woche: Montag, 29. März: Vortrag über die Kirchenund die Palastfassaden der toskanischen Kunst, von Privatdozent Dr. Willich. Mittwoch 31. März und Donnerstag 1. April: Führung durch das alte Florenz mit einleitendem Vortrag über Florentiner Zunft- und Amtshäuser, von Dr. Bombe. Freitag, 2. April: Führung in den Uffizien, von Prof. Brockhaus. 3. Woche: Montag, 5. April: Vortrag über die Florentiner Renaissance-Plastik in ihrem Verhältnis zur Antike und zur Gotik, von Dr. Gottschewski. Dienstag, 6. April: Führung in der Pitti-Gallerie, von Dr. Gronau. Mittwoch, 7. April: Führung zu Florentiner Palästen, von Privatdozent Dr. Willich; anschließend ­Führung zu den Scalzo-Fresken des Andrea del Sarto, von Dr. Wilhelm Waetzoldt. 4. Woche: Dienstag, 13. April: Vortrag über das Kunstleben in Florenz zu Anfang des 16. Jahrhunderts, von Dr. Gronau. Mittwoch, 14. April: Führung zu den Porträts in den Uffizien, von Dr. Waetzoldt. Freitag, 16. April: Führung im Museo Nazionale, von Dr. Gottschewski.« 34

Heinrich Brockhaus, Jahresbericht 1904/05 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1905, S. 16. 35 Neue Züricher Zeitung, 28. April 1909, S. 21. Laut Heinrich Brockhaus, Jahresbericht 1903/04 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1904, S. 7 ist Wölfflin als Mitglied

des Vereins zur Erhaltung des Kunsthistorischen Instituts geführt und gehörte ab Jahresbericht 1904/05 (wie Anm. 34), S. 18 zu dessen Ausschuss. 36 Heinrich Brockhaus, Jahresbericht 1909/10 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1910, S. 4–5: »1. Woche: Dienstag, 29. März: Eröffnung im Institut durch den Direktor; daran anschließend: Vortrag über Organisation des Bildhauergewerbes, von Dr. Gottschewski. Mittwoch, 30. März: Führung in der Carmine-Kirche (Masaccio), von Dr. Bombe. Sonnabend, 2. April: Führung im Dom (Plastik), von Dr. Gottschewski. 2. Woche: Dienstag, 5. April: Führung in Santa Maria Novella (Cimabue-Frage, Uccello, Ghirlandajo), von Dr. Bombe. Mittwoch, 6. April: Führung in dem Dommuseum und dem Museo Nazionale (Plastik), von Dr. Gottschewski. Sonnabend, 9. April: Führung in Santa Croce und in dem Museo Nazionale (Plastik), von Dr. Gottschewski. 3. Woche: Montag, 11. April: Führung im Baptisterium und im Dom (Architektur), von Privatdozent Dr. Willich. Dienstag, 12. April: Technische Führung für Plastik (Bildhaueratelier, Marmorarbeit, Gießerei, Majolikafabrik), von Dr. Gottschewski. Freitag, 15. April: Führung In der Galleria antica der Akademie (Michelangelo), von Dr. Gottschewski. 4. Woche: Montag, 18. April: Führung in San Lorenzo (Plastik), von Dr. Gottschewski. Dienstag, 19. April: Führung zu Florentiner Palästen, von Dr. Willich. Mittwoch, 20. April, Vortrag: Zusammenfassendes über Florentiner Plastik, von Dr. A. Gottschewski. Schluss des Kurses im Institut durch den Direktor.« 37

Kunstchronik, N. F. 22, 17, 1911, Sp. 270. Brockhaus 1911 (wie Anm. 30), S. 4–5: »Dienstag, 21. März, nach Eröffnung durch den Direktor. Einführung in das Archiv-Studium. Donnerstag, 23. März: Einteilung des Florentiner Staatsarchivs. Freitag, 24. März: Führung im Florentiner Staatsarchiv durch Herrn Staatsarchivar Giorgetti. Sonnabend, 25. März: Beispiele biographischer Untersuchungsweise. Montag, 27. März: Beispiele aus den Gebieten der Baukunst, Bildnerei und kunstgewerblich interessanter Inventare. Dienstag, 28. März, fand eine ­monat­liche wissenschaft­liche Sitzung statt. Donnerstag, 30. März: Beispiele aus dem Gebiete der Malerei. Freitag, 31. März: Führung im Palazzo Davizzi-Davanzati mit Erklärung des dortigen Fresken-Zyklus. Sonnabend, 1. April: Vortrag über Raphaels Peruginer Lehrjahre; Schluß des Ferienkurses durch den Direktor. Montag, 3. April, schloß sich noch eine Führung in die Badia, das Baptisterium und die Werkstatt des Dom-Architekten an.«

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Brockhaus 1911 (wie Anm. 30), S. 5.

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Heinrich Brockhaus, Jahresbericht 1911/12 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1912, S. 4. 41 Protokoll vom 10. April 1912, Archiv des KHI Florenz, 7, Institutssitzungen, U1, U3; siehe auch Archiv des KHI Florenz, 7, 1911–1914–1928 Institutsgeschichte U3, S. 3–7. 42 Protokoll vom 10. April 1912, Archiv des KHI Florenz, 7, Institutssitzungen, U1, U3; siehe auch Archiv des KHI Florenz, 7, 1911–1914–1928 Institutsgeschichte U3, S. 3–7. 43 Gedruckte Ankündigung, datiert »Anfang Februar 1912«, Archiv des KHI Florenz, 7, Institutssitzungen, U4 Ausschusssitzungen, Wissenschaft­liche Kurse 1912, 1914, 1926, U1,1–1. 44 Protokoll vom 10. April 1912, Archiv des KHI Florenz, 7, Institutssitzungen, U1, U3; siehe auch Archiv des KHI Florenz, 7, 1911–1914–1928 Institutsgeschichte U3, S. 3–7. 45 Hans von der Gabelentz-Linsingen, Jahresbericht 1913/14 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1914, S. 5. 46 Hans von der Gabelentz-Linsingen, Das Kunsthistorische Institut in Florenz, Leipzig 1914 (Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz – Max-Planck-Institut, Signatur Ka 946 d (RARO)), S. 5 und 8. 47 Siehe Programmentwurf: Archiv des KHI Florenz, 7, Institutssitzungen, U4 Ausschusssitzungen, Wissenschaft­ liche Kurse 1912, 1914, 1926, U2, 1–2, 2–2. 48 Siehe Programm: Archiv des KHI Florenz, 7, Institutssitzungen, U4 Ausschusssitzungen, Wissenschaft­liche Kurse 1912, 1914, 1926, U2, 1–2, 2–2 und Archiv des KHI Florenz, 7, Institutssitzungen, U4 Ausschusssitzungen, Wissenschaft­liche Kurse 1912, 1914, 1926, U1, 1–1: »I. Rom: Versammlung am 13. April abends 7 Uhr im kgl. Preuss. Historischen Institut in Rom, Via Dogana Vecchia 29. (Besprechung mit den Herren Prof. Dr. Rintelen und Prof. Dr. Delbrück). Für Rom sind folgende Führungen und Vorträge vorgesehen: 1. Kunst des Altertums: 1) Vortrag von 9 bis 11: Ueberblick über das Forum, die Heiligtümer am Forum (Vormittag: Fora des Augustus, Trajan, Nerva; Nachmittag: Orientierungsspaziergang: Piazza Venezia, Piazza Navona, Pons Aelius Lungara, Pons Fabricius, Porta S. Paolo, Stadtmauer – unter vorwiegender Berücksichtigung des Antiken). 2) (Via Appia. und Latina, eventuell Callistuskatakomben). 3) Vortrag 9 bis 11, die Basiliken auf dem Forum (Vormittag: Caracallathermen; Nachmittag: Pantheon, ausführlich; nochmaliger kurzer Besuch auf dem Forum). 4) (Villa Hadrians und Tivoli). 5) Führung Nachmittags, Primaporta (Vormittag: Palatin, mit beson-

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derer Berücksichtigung des Hauses der Livia). 6) Vortrag von 10 bis 13, S. Costanza und S. Agnese (Nachmittag: S. Maria Maggiore, S. Clemente, S. Sabina, S. Paolo, S. Cosmo e Damiano). 7) Vortrag 9 bis 11 im Thermenmuseum, zur Einführung in die antike Plastik. 8) Lateranisches Museum, Bögen des Titus und Constantin). 9) (Capitolinische Museum [sic!], Barracco). 10) (Vatikanische Antikenmuseen). Es ist wünschenswert, dass die Teilnehmer in der nicht von Führungen in Anspruch genommenen Zeit die in Klammern genannten Denkmäler in der angegebenen Reihenfolge besuchen. 2. Kunst des Mittelalters und der neueren Zeit: 1) Die mittelalter­lichen Kirchen und ihr Schmuck, besonders die Malerei; Vortrag in S. Maria Antiqua; Führung durch die nahegelegen anderen Kirchen: S. Clemente, SS. Govanni e Paolo. Nachmittags: S. Maria Trastevere. Villa Doria Panfili. 2) Kirchen der Frührenaissance. Nachmittag: S. Maria del Popolo. Villa Papa Giulio. Ponte Molle. Acqua acetosa. 3) S. Peter und Vatikan (ohne Führung). 4) S. Pietro in Montorio. Farnesina. Galleria Corsini. Nachmittag: Aventin. 5) S. Peter (mit Führung), Vatikan (mit Führung). 6) Die Architektur des Barock, besonders in der Gegend um den Corso Vittorio-Emanuele. Nachmittag: Kapitolinisches Museum, Kapitol. 7) Ausflug nach Frascati, Grottaferrata, Albano. 8) Malerei des Barock (Casino Rospigliosi, Palazzo Barberini usw. Galleria Doria. 9) Galleria Borghese. Vorträge: 1) Überblick über die Malerei des Mittelalters. 2) Geschichte des römischen Stadtbildes (Dr. Mannowsky). 3) Raffael. 4) Rom als Barockstadt. 5) Römische Malerei des 17. Jhdt. (Dr. Mannowsky). 6) Fremde Künstler in Rom. Über alles Einzelne wird den Teilnehmern in der Besprechung am 13. April abends 7 Uhr Mitteilung gemacht werden. II. Florenz: Beginn der Führung am 4. Mai. Für Florenz sind folgende Führungen und Vorträge in Aussicht genommen: 1) Rundgang durch die Stadt. ­Besichtigung von Baptisterium und Dom. Nachmittags: S. Francesco. S. Miniato. 2) Palazzo Vecchio – Bargello – Badia – Nachmittag: FiesoIe. 3) S. Croce – S. Trinita – S. Maria Novella. Nachmittag: Certosa. 4) S. Marco – Accademia – Scalzo – S. Apollonia. Nachmittag: S. Salvi und Settignano. 5) Uffizien. Nachmittag: Carmine – S. Spirito – Palazzo Davanzati. 6) Pitti. Nachmittag: Casa Buonarroti – Boboligarten. 7) SS. Annunziata – Innocenti – S. Maria Maddalena dei Pazzi. Museo Archeologico. Nachmittag: S. Lorenzo – Medicikapelle – Palazzo Riccardi. 8) Ausflug nach Pistoja oder Pisa. Vorträge: Professor Willich über Florentiner Paläste, ev. mit Führung. ­Professor Fischel über Raffael.«

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Vgl. Wilhelm von Bode, Jahresbericht 1922/24 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1924, S. 3–4. Siehe außerdem ausführlich dazu Hubert 1997 (wie Anm. 4), S. 31–38. 50 Archiv des KHI Florenz, A I,1a) Mappe, II Bodmer 1924–26 Bode. 51 Vgl. Hubert 1997 (wie Anm. 4), S. 43–49, bes. S. 46. 52 Die Vorträge sind einzeln aufgelistet in Bode 1924 (wie Anm. 49), S. 8 und Jahresbericht 1924/25 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1925, S. 7; die Bebilderung einiger der Vorträge lässt sich detaillierter anhand des Inventarbuchs der Diapositive der Photothek nachvollziehen, darunter der Vortrag von Bodmer vom 29. April 1924 »Eine Mailändische Malerschule um 1500« und dessen ­Assistenten Curt H. Weigelt vom 4. Mai 1924 »Ambrogio Lorenzetti und das sienesische Wirklichkeitsgefühl«. 53 Brief vom 29. März 1926, Archiv des KHI Florenz, A I,1a) Mappe, II Bodmer 1924–26 Bode. 54 »[…] Die Namen der Kursteilnehmer sind folgende: 1. Stephanie von Below, Berlin – 2. Fritz Bernstein, Berlin – 3. Sofie Cassirer, Berlin – 4. Hans F. Clemm, Bonn – 5. Frau Grete Clemm, Bonn – 6. Burkhard von Lepel, Bonn – 7. Hanns Swarzenski, Bonn – 8. Frieda Hillger, Danzig – 9. Lottie LöwenthaI, Frankfurt a. M. – 10. Ellinor Wertheim, Frankfurt a. M. – 11. Klara Steinweg, Göttingen – 12. Lilli Martius, Kiel – 13. Dr. Carla F. Schneider, Kiel – 14. Toni Herrmann, Königsberg. Als Hospitanten nahmen an dem Kurse ferner teil: 15. Dr. Albert Freiherr von Bodman, Florenz – 16. Dr. Georg Martin Richter, ­Florenz – 17. Ivan Fenyö, Budapest – 18. Eduard Graf von Coudenhove, Würzburg – 19. Werner Müller, Zürich – 20. Eduard Vodoz, Zürich«, Heinrich Bodmer, Jahresbericht 1925/26 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1926, S. 6–8. 55 Camilla Ullner hatte bei Heinrich Wölfflin über Benedetto da Maiano promoviert. Stipendiatin vom 1. Oktober 1925 bis 30. Juni 1926, siehe Bodmer 1926 (wie Anm. 54), S. 9. Zu Schöttmüller siehe zuletzt Gabriele Fattorini, »Frida Schottmüller (1872–1936), ›connoisseurship‹ al femminile nella Berlino di Wilhelm von Bode«, in: I conoscitori tedeschi tra Otto e Novecento, hrsg. von Francesco Caglioti, Andrea De Marchi und Alessandro Nova, Mailand 2018, S. 127–138. 56 Siehe dazu allgemein Barbara Paul, »›… noch kein Brotstudium‹ – zur Ausbildungs- und Berufssituation der ersten Kunsthistorikerinnen in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts«, in: Kritische Berichte, 4, 1994, S. 6–21, bes. S. 7–10; Kunsthistorikerinnen 1910–1980, Theorie,

­Methoden, Kritiken, hrsg. von K. Lee Chichester und Brigitte Sölch, Berlin 2011. 57 Sabine Arend, »Studien zur deutschen kunsthistorischen ›Ostforschung‹ im Nationalsozialismus. Die Kunsthistorischen Institute an den (Reichs-) Universitäten Breslau und Posen und ihre Protagonisten im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik«, Diss. HU Berlin 2009, ­Kapitel: »Die Stunde der Frauen: Assistentinnen und Hilfskräfte«, S. 272–284, hier S. 273. 58 »Stange betonte gegenüber der Fakultät, bei der er die Verlängerung ihrer Anstellung beantragte, dass ›sie keinerlei andere Ziele an[strebe], sodass die Gefahr der Kollision verschiedener Interessen nicht gegeben ist, die bei einem den Dr. habil. und die Dozentur erstrebenden jüngeren Herren bestünde‹«, Arend 2009 (wie Anm. 57), S. 274, Anm. 1479. Zu Anni Warburg-Wagner siehe Ruth Heftrig, »Facetten der Bonner Kunstgeschichte im Nationalsozialismus«, in: Zwischen Diktatur und Neubeginn. Die Universität Bonn im ›Dritten Reich‹ und in der Nachkriegszeit, hrsg. von Thomas Becker, Bonn 2008, S. 141–158, bes. S. 153. 59 Barbara Lange, »Aenne Liebreich – Facetten einer Hochschulkarriere in den zwanziger und dreißiger Jahren«, in: Kritische Berichte, 4, 1994, S. 22–34, bes. S. 27; dies., »Aenne Liebreich (1899–1939/40). Dr. phil. – Habilitation unerwünscht«, in: Kunstgeschichte in Kiel. 100 Jahre Kunsthistorisches Institut der Christian-Albrechts-Universität 1893– 1993, red. von Hans Dieter Nägelke, Kiel 1994, S. 45–51. 60 25. März–21. April 1928 »Toskanische Kunst des 14. Jahrhunderts«, Teilnehmende: »1. Hanna Adenauer, Bonn. 2. Gerd Adrini, Göttingen. 3. Günter Arnolds, Hamburg. 4. Lena Aster, München. 5. Barbara Busch, München. 6. Joachim Gerhardt, Bonn. 7. Karl Giehrl, Bonn. 8. August ten Hompel, Münster. 9. Johannes Körber, Jena. 10. Frieda Krebs, Bonn. 11. Karl August Kutzbach, Hamburg. 12. Aenne Liebreich, Kiel. 13. Lotti Loewenthal, Frankfurt. 14. Dr. Hans Huben Mahn, Tübingen. 15. Reinhold Merckens, Berlin. 16. Marie Louise Mez, Hamburg. 17. Dr. Ella Oppermann, Greifswald. 18. CarI Heinz Pfitzner, Bonn. 19. Margo Remy, Bonn. 20. Helen Rosenau, Bonn. 21. Kurt Sternelle, Hamburg. 22. Hans Robert Weihrauch, Freiburg. 23. Joachim Freiherr von Welck, München. 24. Lorli Wertheim, Frankfurt – Hospitanten: 1. Charlotte Busch, München. 2. Hans von der Gabelenz-Linsingen, Lemnitz. 3. Walter Holzhausen, Dresden. 4. Dr. Walter Paatz, Lübeck. 5. Anita Rosenberg, Gießen«, Heinrich Bodmer, Jahresbericht 1927/28 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1928, S. 14–16.

07.–28. April 1929 »Toskanische Kunst des 15. Jahrhunderts«, Teilnehmende: »Walter Bachstitz, Bonn; Paula Degenhard, Marburg a. L.; Hans Richter, Bonn; Ernst Emmerling, Köln; Loni Ernst, Köln; Margarete Fugmann, Berlin; Otto Gillen, Kiel; Fritz Haeberlein, Marburg a. L.; Ingeborg Hecht, Göttingen; Herbert Henmann, Berlin; Jerrold M. Holmes, Berlin; Harold Joachim, Göttingen; Elsemarie Knögel, Bonn; Adalbert Kupferberg, Leipzig; Leni Lueg, Bonn; Pfarrer Münch, München; Leonie von Obstfelder, Bonn; Robert Oertel, München; Hans Peters, Tübingen; Erica Perri, München; Anna Marie Ruppin, Berlin; Bernhard Saran, Frankfurt a. M.; Horst Sauer, Leipzig; Adolf Schahl, Leipzig; Irene Schmidt, Bonn; ­Albert Schulze-Vellinghausen, Bonn; Albert Verbeek, Bonn; Anni Warburg, Bonn; Hans Robert Weihrauch, Berlin; Herbert Werner, Jena; Adolphe Wulff, München«, Heinrich Bodmer, Jahresbericht 1928/29 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1929, S. 17. 20. März–16. April 1931 »Einführung in die italienische Kunst«, Teilnehmende: »Walter Bachstitz, Bonn; Hanna Becker, Leipzig; Hildegard Berndsen, Bonn; Toni Brandi, Berlin; Lizzi Buttermilch, Berlin; Annemarie Güdesen, Kiel; Herwart von Guilleaume, Köln; Annemarie Henle, Heidelberg; Hertha Höck, Kiel; Adolf lsermeyer, Göttingen; Dr. Carl Ernst Köhne, Bonn; Frau Hilde Krause, Münster; Hanna Lehmkuhl, Münster; Lothar Pretzell, Köln; Bruno Thomas, Kiel; Dr. H. Weigert, Bonn; Cees van de Wetering, München«, Heinrich Bodmer, Jahresbericht 1930/31 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1931, S. 10. 61 Siehe Programm des Studiengangs vom 20. März bis 17. April 1931, Zentralarchiv Berlin SMB-ZA, III/VKI 035, 36 bis 41. 62 Arthur Haseloff, Bericht über den wissenschaft­lichen Kursus des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, Frühjahr 1926 (undatiert), Archiv des KHI Florenz, 7, Institutssitzungen, U4 Ausschusssitzungen, Wissenschaft­liche Kurse 1912, 1914, 1926, U3, 1–5; Heinrich Bodmer, Bericht über den vom Kunsthistorischen Institut in Florenz mit Unterstützung des Preussischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung veranstalteten Studiengangs der Kunstgeschichte an Preussischen Universitäten (7.–28. April 1926), datiert 03. Mai 1926, Zentralarchiv Berlin SMB-ZA, III/ VKI 035, 10 bis 17. 63 Haseloff 1926 (wie Anm. 62), S. 5. 64 Bode 1924 (wie Anm. 49), S. 12. 65 Haseloff 1926 (wie Anm. 62), S. 2. 66 Haseloff 1926 (wie Anm. 62).

»›Sehen zu lernen‹, das war die Devise«. Die Florentiner Ferienkurse

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Ebd., S. 6. Bodmer 1926 (wie Anm. 62), S. 1–2 und S. 11. 69 Ebd., S. 5. 70 Rede Aby Warburgs abgedruckt in Bodmer 1928 (wie Anm. 60), S. 4. 71 Schreiben von Heinrich Bodmer an den Vereinsvorsitzenden Wilhelm Waetzold, datiert 23. Juli 1930, Zentralarchiv Berlin SMB-ZA, III/VKI 035, 24 bis 25. 72 Programmentwurf für den Kursus von 1931, Zentralarchiv Berlin SMB-ZA, III/VKI 035, 36 bis 41 (Teilnehmerliste siehe Anm. 60). 73 Brief von Curt H. Weigelt an Ernst Friedrich Bange, datiert 25. November 1930, Zentralarchiv Berlin SMB-ZA, III/VKI 021, S. 2. Zur Kritik von Weigelt siehe auch Ute Dercks, »Wenn das Sammeln zur ›fixen Idee‹ wird – Die frühen Fotokampagnen des Kunsthistorischen Instituts in Florenz«, in: Rundbrief Fotografie, Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen, N. F. 86, 2015, S. 7–18. 74 Brief Curt H. Weigelt an Ernst Friedrich Bange (wie Anm. 73). 75 Brief von Curt H. Weigelt an Arthur Haseloff, datiert 02. Juni 1931 Archiv des KHI Florenz, KHI A I,18 U2, U20, 1-2, 2-2. 76 Brief von Arthur Haseloff an Curt H. Weigelt, datiert 23. Mai 1931, Archiv des KHI Florenz, KHI A I,18 U2, U21, 1-2, 2-2. 77 Ebd. 78 Ebd. 79 Brief von Arthur Haseloff an Minister, datiert 24. November 1932; Archiv des KHI Florenz, CI,21 – Studienkurs 1931 U5, U27. 80 Der Begleitbrief von Arthur Haseloff, datiert 13. Januar 1933, ging an »Brinckmann (Berlin), Sedlmaier (Rostock), Schmitt (Greifswald), Frey (Breslau), Clasen (Königsberg), Bruhns (Leipzig), Knapp (Würzburg), Frankl (Halle), Pinder (München), Weise (Tübingen), Friedländer (Freiburg), Griesebach (Heidelberg), Rauch (Giessen), Clemen (Bonn), Wackernagel (Münster), Panofsky (Hamburg), Vitzhum (Göttingen), Witte (Köln), Institut (Jena, Ordinarius nicht bekannt), [handschriftl. zugefügt:] Rose«, Archiv des KHI Florenz, Korr. 1931–1939, CI,21 – Studienkurs 1933 U5, U15. 81 Arthur Haseloff, Jahresbericht 1932/33 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1933, S. 4. 05. März–06. April 1933: 1. Alfken, Klara, Berlin; 2. Behrens, Reinhold, München; 3. Birkmann, Gertrud, Erlangen; 4. Brutzer, Gregor, München; 5. Esser, Karl-Heinz, München; 6. Fischer, Paul, 68

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Ute Dercks

Berlin; 7. Gessner, Adolf, Frankfurt M.; 8. Gobert, Renate, Hamburg; 9. Goetsche, Gertrud, Kiel; 10. Grunelius, Margarete von, Frankfurt; 11. Hackenbroch, Yvonne, München; 12. Haseloff, Günther, Berlin; 13. Hepner, Hildegard, Rom; 14. Hetsch, Rolf, München; 15. Hintze, Lotte, München; 16. Jacoby, Annie, Berlin; 17. Johnen, Ruth, München; 18. Keiser, Wolfgang, München; 19. Lindner, Irma, Göttingen; 20. Mutter, Friedrich, München; 21. Oelrichs, Konrad, Kiel; 22. Oncken, Alate, Berlin; 23. Paeseler, ­Wilhelm, Erlangen; 24. Redlefsen, Ellen, Kiel; 25. RosenRunge, Heinz, München; 26. Schaewen, Renate, München, 27. Schlee, Ernst, Kiel; 28. Strube, Martha, Bonn; 29. Töwe, Christian, Bonn, 30. Warm, Erika, Göttingen; 31. Wegner, Erika, Dresden TU; 32. Wentzel, Hans, Hamburg; 33. Wirth, Ulrich, Florenz; 34. Wischke, Heinz, Dresden TU; 35. Wogau, Carmen von, Göttingen. Hospitanz: 36. Hesse, Irmgard, Florenz; 37. Kantorovicz, HildeDore, Florenz; 38. Weinzheimer, Waltraud, Florenz; Liste siehe Archiv des KHI Florenz, Korr. 1931–1939, CI,21 – Studienkurs 1933 U5, U15. 82 Programm: Archiv des KHI Florenz, Korr. 1931–1939, CI,21 – Studienkurs 1933, U4, U39. 83 Ebd. 84 Haseloff 1933 (wie Anm. 81), S. 5. 85 Arthur Haseloff, Jahresbericht 1933/34 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1934, S. 5. 86 Für das Jahr 1935 siehe Arthur Haseloff, Jahresbericht 1934/35 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1935, S. 4. Für die folgenden Jahre siehe Friedrich Kriegbaum, Jahresbericht 1935/36 und 1936/37 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1936 und 1937. 87 Siehe Programme im Zentralarchiv Berlin SMB-ZA, III/VKI 035, 51 und Zentralarchiv Berlin SMB-ZA, III/ VKI 035, 43. 88 16. September–15. Oktober 1937. Unter der Leitung von Kriegbaum und mit Beteiligung von Ludwig Heydenreich, Werner Haftmann, Robert Oertel und Herbert ­Siebenhüner ging die Reise von Padua über Pisa, Siena, Arezzo, Florenz und Assisi nach Rom, wo Leo Bruhns und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Gruppe übernahmen. Indirekt war die Bibliotheca Hertziana bereits im Kurs von 1933 involviert gewesen, da sie ihren damaligen Assistenten Harald Keller für Führungen durch ausgewählte Denkmäler in Rom zur Verfügung stellte, um damit den Florentiner Studienkurs noch zu verlängern, Haseloff 1933 (wie Anm. 81), S. 4–5. 89 Siehe ausführlich dazu Alessio Monciatti, Alle origini

dell’arte nostra, La mostra giottesca del 1937 a Firenze, Mailand 2010. 90 15.–30. September 1938, anschließend ging es nach Rom. Es nahmen teil: Herbert Pée, Lottlisa Behling, Hermann Müncher, Wilfried Thöllden, Alfred Hirth, Annemarie Schwarzweber, Karl von Reth, Stefan Selhorst, Else Koch, Kurt Seeleke, Gisela Spickerköter, Ursula Lampe, Erika Hanfstaengl, sowie Christina Walter und Wolfgang Erth, Archiv des KHI Florenz, Korr. 1931–1939, CI,21 – Studienkurs 1938 U6, U10. 91 Schubring 1908 (wie Anm. 26), S. 252–257, hier S. 254. 92 Brockhaus 1909 (wie Anm. 29), S. 4. 93 Siehe Eintrag im Kassenbuch des KHI, datiert 28. November 1911, Archiv des KHI Florenz, Reg Kas 01. 94 Brief von Arthur Haseloff an Heinrich Bodmer vom 12. Februar 1926, Archiv des KHI Florenz, Korr. 1926-1929 CI – Kurse 1926 U42, 1–2; Antwort von Bodmer vom 17. Februar 1926, Archiv des KHI Florenz, Korr. 1926–1929 CI – Kurse 1926 U41, 1–3. Zu Gabriele Carloforti und der Fotokampagne während der Restaurierungsarbeiten unter Giovanni Battista Cavalcasalle 1872–1892 im Sacro Convento di Assisi siehe Marco Mozzo, »Il restauro di Cavalcaselle nella documentazione fotografica – interventi e interpretazioni«, in: Studi di Memofonte. Rivista on-line semestrale, 7, 2011, S. 59–89. 95 Inventarbuch der Abbildungen XV, vom 04.03.1933, Inv.-Nr.n 87992-88007; 01.04.1933, Inv.-Nr.n 88225–88303. Siehe dazu auch die Listen der Ausgaben für Fotografien, Diapositive und Reproduktionen für den Studienkurs 1933, in Archiv des KHI Florenz, CI,21 – Studienkurs 1933 U4, U16, U17 und U18. 96 Siehe dazu einführend mit den wichtigsten Literaturangaben das Kapitel »Zwischen Mythos und Moderne«, in: Florenz! (Ausst. Kat. Bonn 2013–2014), hrsg. von der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn und München 2013, S. 328–343. 97 Gabelentz-Linsingen 1914 (wie Anm. 45), S. 4. Zu Diasammlungen für die Kunstgeschichte siehe zuletzt Maria Männig, »Bruno Meyer and the Invention of Art Historical Slide Projection«, in: Photo-Objects. On the Materiality of Photographs and Photo Archives in the Humanities and Sciences, hrsg. von Julia Bärnighausen, Costanza Caraffa, Stefanie Klamm, Franka Schneider und Petra Wodtke, Berlin 2019, S. 275–291. 98 Der Bestand umfasst etwa 4200–4500 Diapositive in Glasrahmen und wenige moderne in Kunststoffrahmen; die älteren stammen von Alinari, Brogi, Lionello Ciacchi,

Franz Stoedtner und der Landesbildstelle Sachsen in Dresden. Die erste Inventarisierung im Jahr 1927 unternahm wohl der Stipendiat Walter Heil. 99 Heinrich Bodmer, Jahresbericht 1926/27 des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, 1927, S. 8–9. 100 Zum Klassifikationssystem der Abbildungssammlung des Instituts siehe Ute Dercks, »›And because the use of the photographic device is impossible without a proper card catalog …‹: The Typological-Stylistic Arrangement and the Subject Cross-Reference Index of the KHI’s Photothek between 1897 and the 1930s«, in: Classifying content. Photographic collections and theories of thematic ordering, hrsg. von Chiara Franceschini und Katia Mazzucco (Visual Resources, 30, 3) 2014, S. 181–200. 101 Zum Vortrag von Paatz siehe Programm (wie Anm. 82). 102 Haseloff 1933 (wie Anm. 81), S. 4 und 6. 103 Bodmer 1928 (wie Anm. 60), S. 15. 104 Bodmer 1926 (wie Anm. 62), S. 2.

»›Sehen zu lernen‹, das war die Devise«. Die Florentiner Ferienkurse

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Die Exkursion in der kunsthistorischen Lehre. Ein Ausflug auf die documenta 14 Jasmin Kolkwitz

Im Laufe ihrer Geschichte vollzog die akademische Disziplin Kunstgeschichte eine außerordentliche Entwicklung, die sich als kontinuierliche Medialisierung von analogen zu digitalen Fachstrukturen beschreiben ließe, was zu dem Schluss verleiten könnte, dass die mediale Zugänglichkeit der Kunstwerke und ihrer Quellen heute als Selbstverständlichkeit gilt und das authentische Werk gegenüber dem digitalen Bild eine immer geringere Rolle in der Lehre zu spielen scheint. Doch haben sich nicht nur das Fach und seine Lehrmedien verändert, sondern gleichermaßen sein Gegenstand – die sogenannten Originale.1 Dabei erfordert die zeitgenössische Kunst – gegenüber den Werken einer älteren, bis in die Nachkriegszeit reichenden Tradition – immer spezifischere Herangehensweisen, zumal sie sich oft nur bedingt unter Gattungsbegriffe oder Strömungen subsumieren lässt. Vor dem Hintergrund der Dialektik zwischen Lehrmedium und Original erweist es sich als ein dringendes Anliegen, dem Umgang mit dem Werk und der Umsetzung der Werkbegegnung im kunsthistorischen Unterricht näher auf den Grund zu gehen. Hier verfügt das Fach seit jeher neben der Lehre im Hörsaal und Seminarraum, die mit den Worten Wolfgang Ullrichs treffend als »Übung vor Reproduktionen«2 charakterisiert werden kann, mitunter auch über die Möglichkeit der Lehre vor dem Original. Deren Ort ist naturgemäß die Exkursion in die Stadt oder ins Museum, die im Gegensatz zu den universitären

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Jasmin Kolkwitz

Lehrräumen von der Anschauung und Analyse der Primärobjekte profitiert. Genauer gesagt werden Architekturen, Ausstellungsexponate oder Artefakte im kulturellen Umraum und seit jüngerer Zeit auch ephemere Werkpraktiken maßstabs- und wirklichkeitsgetreu zum Gegenstand der Vermittlung erhoben. Verbunden sind damit insbesondere material- und erfahrungsästhetisch bestimmte Wahrnehmungen; impliziert ist zudem das Versprechen, die authentische Erscheinungsform der zu behandelnden Lehr- und Lernobjekte unmittelbar vor sich zu haben.

Was ist eine Exkursion?

Der aus dem Lateinischen entlehnte Begriff ›Exkursion‹ (excursio) mit den Bedeutungen »kriegerischer Streifzug, Ausflug (zu Studienzwecken), kurze Reise« ist im Deutschen seit dem 17. Jahrhundert als Ausdruck der Gelehrtensprache nachweisbar. Darüber hinaus bezeichnet das Abstraktum ›Exkurs‹ bis heute eine »Abschweifung innerhalb einer (wissenschaftlichen) Abhandlung«.3 In der akademischen und schulischen Lehre ist mit Exkursion ein Lehrausflug oder eine Forschungsreise gemeint, die neben der Kunstgeschichte hauptsächlich in den Disziplinen Geografie, Geschichte, Archäologie und Biologie als »außerschulischer Lernort«4 Anwendung findet. Im englischsprachigen Raum ist eher von field trip denn excursion die Rede.5 Erstgenannter Ausdruck rückt dabei

den forschend-entdeckenden Aspekt im Gelände stärker ins Zentrum und erinnert an die deutsche Bezeichnung der Feldstudie. Die Forschungsliteratur zur Exkursion legt ihr Augenmerk vornehmlich auf die Exkursionsdidaktik, Exkursionsformen sowie anwendungsbezogene Exkursionsberichte einzelner Fächer. Die intensivste Auseinandersetzung findet in den Disziplinen Geografie und Geschichte statt – am häufigsten unter didaktisch-methodischen Gesichtspunkten – wobei ein Ort als gegenwärtiger Bedeutungsträger oder kultureller Erinnerungsort in Erscheinung tritt.6 Innerhalb des kunsthistorischen Diskurses zur Lehre und ihren Lehrmedien wird die Exkursion dagegen kaum behandelt – vielleicht weil sie als Gang zum Original immer schon als unersetzlich erachtet wurde und in ihrer strukturellen Anlage wenig Veränderung erfuhr? Die Problematik der didaktischen Vermittlung schien sich ›vor Ort‹ nicht zu stellen, während davon distanzierte Lehrräume und Lehrformen seit Anbeginn des Faches, in aller Regel im Zusammenhang mit technisch-medialen Instrumenten oder Bildmedien, thematisiert werden.7 Immerhin erörtern neuere praktisch orientierte Einführungswerke in das Studium die Exkursion gelegentlich.8 Außerdem sind kunsthistorische Exkursionsberichte in institutseigenen Veröffentlichungen oder Festschriften vorzufinden.9 Es wäre allerdings ein Trugschluss, anzunehmen, die Exkursion eröffne einen medienfreien Raum. Vielmehr wird die Annahme verfolgt, dass sie sich in einem Spannungsverhältnis zwischen Lehrmethode und Lehrmedium bewegt, weshalb ihre Funktion in Abhängigkeit des jeweiligen Kontextes genauer zu betrachten ist. So gilt es herauszuarbeiten, was eine Exkursion grundsätzlich ist, welcher Raum ihr innerhalb des Faches zugewiesen wird und warum es sinnvoll erscheint, Exkursionen zu praktizieren. Der Gegenstand wird hierfür aus verschiedenen Blickwinkeln systematisch entfaltet:

Erstens soll die Lehrpraxis der Exkursion historisch von ihren Fachanfängen, zweitens exemplarisch mittels Auslegung von ausgewählten zeitgenössischen Lehrcurricula und drittens anhand von Praxiserfahrungen am Fallbeispiel der documenta 14 beleuchtet werden.

Zur Geschichte der Exkursion

Kulturgeschichtlich betrachtet weisen Exkursionen im Sinne von Forschungsexpeditionen und Bildungsreisen als Reisen zu bestimmten Orten mit einem zielgerichteten Erkenntnisinteresse eine lange Tradition auf. Während in der Antike vor allem der Nahe Osten und Griechenland für Seefahrer und Pilger von Interesse waren, bildeten in der Neuzeit Italien, Frankreich, die Niederlande, England oder die Schweiz beliebte Reiseziele für Pilger, Händler, Gelehrte, Künstler sowie adlige und bildungsbürgerliche Schichten.10 Reisebeschreibungen dieser Akteure sind daher als wichtiges Überlieferungsmedium anzusehen, da sie anfänglich einziges Zeugnis über fremde Kulturen darstellten, ebenso wie Guiden und Itinerarien, welche detailliert über Stadttopografien oder Reiseetappen berichteten und als Vorläufer der modernen Reiseführerliteratur gelten können.11 Die kulturelle Praxis des Reisens war demnach vor allem von wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Motiven geprägt. Vom 16. bis 18. Jahrhundert herrschten die Reisetypen der Grand Tour oder Kavalierstour als »gesamteuropäisches Phänomen«12 vor, die als Erziehungs- und Bildungsreisen vorrangig ein Privileg für Söhne aus gutem Hause bildeten, wohingegen sie Frauen nicht gestattet waren.13 Aufgrund sich erst langsam etablierender Infrastrukturen hinsichtlich des Beförderungs- und Herbergswesens waren die Unternehmungen mit beschwerlichen Anstrengungen verbunden. Je nach sozialem Status und zur Verfügung stehenden Mitteln dauerten Reisen Monate

Die Exkursion in der kunsthistorischen Lehre

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bis Jahre an. Im Zuge industrieller Neuerungen wurde die Bildungsreise für eine breitere Klientel erschlossen.14 Ihren Widerhall findet die Bildungs- in der touristischen Studienreise, die in ihrer Anlage große Parallelen zur akademischen Exkursion aufweist. Gewiss herrscht in heutigen Zeiten – in denen die Mobilität uneingeschränkt ist und die Tourismusbranche floriert – generelle Übereinkunft darüber, sich innerhalb Europas und über dessen Grenzen hinweg frei bewegen zu können. Es verwundert daher nicht, dass sich einzelne Reiseveranstalter auf Kunst- und Kulturreisen spezialisiert haben, entsprechend bieten Kunst- oder Museumsvereine sowie Volkshochschulen Exkursionsformate an.15 Hinzu kommen in vielen Metropolen innovative thematische oder auf abwechslungsreiche Bewegungsformen ausgerichtete Stadtführungskonzepte, die auch unter Individualreisenden wieder an Attraktivität gewinnen und dieserart das bis in die Frühe Neuzeit zurückreichende Vorbild des Cicerone am Leben erhalten.16 Nichtsdestoweniger sind die Annehmlichkeiten einer zunehmend technologisierten und global vernetzten Welt spürbar, in der Medien alles visuell, digital zugänglich machen. So kann ein Museumsbesuch inzwischen ohne Weiteres virtuell geschehen, wie es das Google Art Project schon 2011 initiierte, von einer fortwährenden Medialisierung jeglicher Kunst- und Kulturdenkmäler ganz zu schweigen.17

Frühe Befürworter der kunsthistorischen Exkursion in der akademischen Lehre

Dessen ungeachtet muss zwischen Ansprüchen von Laien gegenüber einer Originalbegegnung und jenen von Kunstgeschichtsstudierenden geschieden werden. Wirft man einen Blick auf die Anfänge des akademischen Faches Kunstgeschichte, lässt sich die Aufnahme der Exkursion in das kunsthistorische Curriculum nicht eindeutig datieren. Hein-

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rich Dilly zufolge sind Exkursion und Lichtbildprojektion zeitgleich in den kunsthistorischen Unterricht integriert worden.18 Bekanntermaßen liegt die Geburtsstunde der akademischen Kunstgeschichte als eigenständige Disziplin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, gleichwohl die Wehen einen größeren vorbereitenden Zeitraum umfassen.19 Als weitverbreitet gilt auch, dass die Fachetablierung wesentlich mit dem Einzug der Lichtbildprojektion einherging.20 »Kunstgeschichte ist Geisteswissenschaft; ihre Theorien bilden sich aus der Anschauung der künstlerischen Gegenstände – idealerweise der Originale. Da aber der Forscher selbst nicht gleichzeitig allen Originalen gegenüberstehen kann, viel weniger noch die Leser- oder Hörerschaft, ist die Kunstgeschichte auf die Reproduktion angewiesen, die das Original durch das Medium eines Zwischenträgers wiedergibt, in den Anfängen der Kunstgeschichte durch den Zeichner und Graphiker, später durch den Photographen.«21 Bernhard von Tieschowitz’ Worte lassen erkennen, in welchem Dilemma sich die Kunstgeschichte von Beginn an befand. Während die Primärarbeit am Objekt einerseits wünschenswert war, konnte der alltägliche Unterricht andererseits nicht ohne Stellvertreterobjekte auskommen. Der nicht zuletzt durch Walter Benjamins prognostizierten Auraverlust entfachte Diskurs zum Stellenwert fotografischer Reproduktionen erhielt im Hinblick auf die kunsthistorische ›Übung vor Reproduktionen‹ besondere Brisanz, wobei Für und Wider der Unterrichtsmethode vielfach erörtert worden sind.22 Unumstritten bilden die Reduktion und Isolierung eines Objekts bis heute Kernprobleme der medial vermittelten Betrachtung.23 Umso bemerkenswerter ist es, dass trotz des geradezu dialektisch anmutenden Verhältnisses – die Lehre mit

projizierten Reproduktionen vollzieht sich im möglichst abgedunkelten Raum, während die Lehre auf Exkursion vor Originalen normalerweise am helllichten Tage stattfindet – die kunsthistorische Exkursion als wissenschaftliches und soziales Ereignis in der Forschung bislang wenig Berücksichtigung gefunden hat.24 Bezeichnenderweise erfuhr die Notwendigkeit des kunsthistorischen Unterrichts in seinen Anfängen jedoch überwiegend an jenen Orten Akzeptanz, wo deren Fachvertreter am Aufbau von Museen beteiligt waren und folglich Kunstsammlungen als Mittel für den Anschauungsunterricht zur Verfügung standen.25 Die Übung vor Originalen kann somit durchaus als eine der ältesten kunsthistorischen Lehrpraktiken angesehen werden. Trotz der anfänglich starken historischen Fachausrichtung zeichnete sich bei einzelnen Lehrstuhlbegründern schon frühzeitig ein Bewusstsein für eine intensive Objektzentrierung ab. So war die Exkursion als Übung vor Originalen dem ersten Ordinarius für Kunstgeschichte der Universität Wien, Rudolf Eitelberger (1817–1885), ein zentrales Anliegen. Tanja Jenni und Raphael Rosenberg wiesen nach, dass 1864/65 im Vorlesungsverzeichnis die erste Lehrveranstaltung »explizit als im Museum abgehalten« dokumentiert ist und sich damit eine »grundlegende Änderung der Lehrmethode« vollzogen habe. In den Folgejahren bis 1873 seien sogar über vierzig Prozent der Veranstaltungen als »›Übungen im Bestimmen und Erklären von Kunstwerken‹ vor Objekten gehalten« worden. Hauptaustragungsort war das 1863 durch Eitelberger mitgegründete k. k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie.26 Gerade seine Doppelfunktion als Museumsleiter und Universitätsprofessor mag dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass Eitelberger Theorie und Praxis zu verbinden wusste. Ein weiterer Exkursionsverfechter war August Schmarsow (1853–1936), der sich 1881 in Göttingen

habilitierte und ein Jahr später zum außerordentlichen Professor ernannt wurde.27 Jener war sich neben den Vorteilen der Lichtbildprojektion offenbar zugleich der Relevanz des Umgangs mit Originalen für Forschende und Studierende gewahr.28 Im Jahre 1883 führte er in Göttingen kunsthistorische Exkursionen ein und ging im gleichen Jahr selbst für ein Forschungssemester nach Italien.29 Zu diesem Zeitpunkt ging Schmarsow davon aus, sich potenziell beruflich nach Berlin zu orientieren, um Herman Grimm (1828–1901) zu unterstützen und plante bereits, ein erstes deutsches Forschungsinstitut im Ausland zu gründen: »Ein florentinisches Institut für neuere Kunstgeschichte [...] müßte von Berlin ausgehen. [...] Nichts könnte für meine Florentiner Wünsche willkommener sein, als das Sommerhalbjahr in Berlin, den Winter in Florenz zu lesen, solange nicht besondere Umstände eintreten. [...] [M]eine Vorlesungen kämen einfach ins berliner Lectionsverzeichnis, und ich nähme meine specielleren Schüler mit hierher, um ihnen in praktischen Uebungen grade das zu geben, was ihnen daheim auch von Prof. Grimm nicht geboten werden kann. [...] In dieser Form, glaube ich, würde sich am besten eine Gründung des florentinischen Instituts erreichen lassen [...].«30 Wenngleich Schmarsows Pläne zu diesem Zeitpunkt noch keine Gestalt annehmen sollten, belegen die Zeilen zum einen seinen Wunsch nach einer ständigen Forschungseinrichtung in Italien und zum anderen seine Idee, Forschung und Lehre praxisorientiert am Objekt zu vereinen. Des Weiteren macht seine Bemerkung über Grimm deutlich, dass selbst der von diesem virtuos praktizierte Unterricht mit fotografischer Diaprojektion den Eindruck vor Originalen nicht zu ersetzen vermochte. 1888 begab sich Schmarsow schließlich für

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ein ganzes Semester mit neun Studierenden auf Langzeitexkursion nach Florenz, womit er den Grundstein für die spätere Institution legte.31 Zuletzt sei an dieser Stelle Richard Hamann (1879–1961) erwähnt, der als erster Ordinarius für Kunstgeschichte 1913 nach Marburg berufen worden war. Von seinem Studierendenkreis wird er in Anekdoten stets als passionierter Exkursionspraktiker beschrieben.32 Sein Schüler Gustav André bekräftigte dies gar mit den Worten: es gäbe »[...] kein kunstgeschichtliches Institut, in dem das Reisen eine solche Rolle spielt wie im Marburger.«33 Die große Reisebegeisterung ist bei Hamann gleichermaßen im Zusammenhang mit dem Aufbau des ›Photographischen Apparats‹ für das Marburger Kunstgeschichtliche Institut und der Einrichtung der Photographischen Abteilung – dem späteren Bildarchiv Foto Marburg – als einer mehr oder weniger selbständig agierenden Versorgungsstelle für kunsthistorische Fotografien zu sehen. Oftmals gehen seminaristische Exkursionen und Fotokampagnen miteinander einher, doch trägt dieser Umstand auch dazu bei, dass anhand der Quellen nicht immer eine eindeutige Unterscheidung der Exkursionsanlässe getroffen werden kann.34 In der 1990 von einer Forschungsgruppe zusammengestellten Chronik des Kunstgeschichtlichen Seminars sind die Vorlesungsverzeichnisse und Marburger Chroniken von 1913 bis 1954 ausgewertet worden. Hier wird den Lehrjahren Hamanns (1913–1949) gleichfalls eine »rege Exkursionstätigkeit«35 bescheinigt, die offenbar die nähere hessische Umgebung wie deutschlandweite Ziele einschloss. Es wurden sowohl Architektur- als auch Ausstellungsexkursionen unternommen, etwa 1925 zur »Jahrtausend-Ausstellung der Rheinlande« in den Messehallen Köln-Deutz, ebenso fanden mehrtägige Auslandsexkursionen statt, beispielsweise 1932 nach London zum Besuch der »Exhibition of French Art 1200–1900« in der Royal Academy.36 Richard Hamann-Mac Lean (1908–2000)

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äußerte sich entsprechend in einem Interview zum »Vorlesungs- und Seminarstil« seines Vaters: »Es ging ihm in der Lehre sehr stark darum, den Studenten das Sehen zu lehren. Dafür führte er Exkursionen und ein Praktikum ein (4 × 2 Stunden), in dem Bildbeschreibungen geübt wurden. [...] Ohne jede Vorstudien und Beeinflussung mußten die Studenten lernen, sich mit einem Kunstwerk auseinanderzusetzen. Später wurde es dann in den geschicht­ lichen Zusammenhang gestellt und aus diesem heraus noch einmal gedeutet. Immer war das Studierenbei- [sic!] oder besser: mit ihm gleichzeitig ein eigenständiges Forschen. [...] In seiner Lehre ging es ihm um unmittelbare Objektbezogenheit [...]. Das wachsende Fotoarchiv war für diese Art eine unerläßliche Voraussetzung. Durch die Photos konnte der Nachteil der Provinz – weit von den Originalwerken zu sein – wettgemacht werden.«37 Hamann stellt insofern eine interessante Perspektive dar, als ihm die Exkursion methodisch dazu diente, das Sehen zu lehren, ihm aber zugleich Mittel war, einzelne Objekte mit den Studierenden eingehend zu beforschen und aufzunehmen, um nicht zuletzt die Archivbestände zu erweitern.38 Wie Hamann-Mac Lean richtigerweise beschreibt, war sich sein Vater der provinziellen Lage des Marburger Instituts durchaus bewusst. Für Richard Hamann bestand somit kein Zweifel, dass gute Reproduktionen für den Unterricht erforderlich seien, die Übung vor dem Original aber unabdingbar ist und wegen des geringen kulturellen Angebots unmittelbar vor Ort durch Exkursionen kompensiert werden müsse.

Die akademische Lehrform Exkursion in der Gegenwart

Um einen Eindruck zu gewinnen, wie es um die Exkursion im Fach Kunstgeschichte heute bestellt ist, soll mittels einer exemplarischen Auswertung der jeweils jüngsten Fassung der geltenden Studien- und Prüfungsordnung einiger Institute ein kursorischer Blick auf ihre curriculare Verankerung geworfen werden. Ausgewählt wurden vier große Institute, die je mit mindestens sieben Universitätsprofessuren besetzt sind, nämlich die Kunsthistorischen Institute der Freien Universität Berlin (FU), der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), der Universität Hamburg und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Das Kunstgeschichtliche Institut der Philipps-Universität Marburg als kleineres Institut mag als Referenzkategorie dienen.39 Die Exkursion wird in den Studien- und Prüfungsordnungen mehrheitlich in einer Reihe mit der Vorlesung, dem Seminar, der Übung etc. als »Veranstaltungs-« oder »Lehrform« angeführt, im Speziellen dann aber in aller Regel Seminaren entsprechend der Modulbeschreibungen zu- oder untergeordnet. Für den Bachelor Kunstgeschichte weisen bis auf die LMU München alle Institute verpflichtende Exkursionen für einführende Module aus. In Marburg sind vier, in Bonn acht und in Hamburg sogar zehn verpflichtende Exkursionstage festgelegt. Die Studien- und Prüfungsordnung der LMU München verbalisiert hingegen kein einziges Mal eine Exkursion oder Übung vor dem Original. Lediglich die Prüfungsform »Exkursionsbericht« in den Wahlpflichtmodulen lässt vermuten, dass fakultative Exkursionen angeboten werden. Die FU Berlin sieht zwar verpflichtende Exkursionen vor, jedoch in Form »Studentischer Mentorien« deren Konzept darauf beruht, dass fortgeschrittene Studierende anstelle der Lehrenden Exkursionen durchführen.40 So lässt sich eine Grundtendenz der Qualifikationsziele mit den

Worten des Bonner Instituts in Bezug auf die Bildkünste und Architektur gut auf den Punkt bringen: »Auf Exkursionen im In- und Ausland werden Analyseverfahren der Objektbeschreibung, Gegenstandserfassung, Topographie- und Geländekenntnisse eingeübt.«41 Explizit hervorgehoben wird zumeist der Kompetenzerwerb, einen Vortrag vor einem Original halten zu können. Für die Masterstudiengänge ergibt sich ein ähnliches Bild. In Marburg wird eine zehntägige, in Bonn eine fünftägige Exkursion und in Hamburg werden sieben Exkursionstage, die sich aus einzelnen Seminaren konstituieren, festgeschrieben. An der FU Berlin geschieht im Rahmen von verschiedenen Exkursionen in dem Modul »Forschung am Objekt« eine Auseinandersetzung mit Originalen und deren jeweiligem Kontext. Die LMU München bildet erneut die Ausnahme; weder Exkursionen noch das Arbeiten vor Originalen finden wörtlich Erwähnung. Zwar sieht der Masterstudiengang in München ebenfalls ein »Forschungsseminar« vor – ob darin eine Beschäftigung mit Originalen erfolgt, kann nur gemutmaßt werden. Auch für die Masterstudiengänge weist die Integration von Exkursionen in die kunsthistorische Lehre einen gemeinsamen Hintergrund auf. Die Qualifikation zielt vor allem auf einen forschungsorientierten Ansatz sowie kennerschaftliche Kompetenzen. Schon die Situierung der Exkursionen in Modulen wie »Praxisfelder der Forschung« (Bonn) oder »Feldstudien« (Marburg) signalisiert das Training einer problem- und gleicherweise praxisorientierten Arbeitsweise. In der Gesamtschau ist zu resümieren, dass Exkursionen im grundständigen Studium als unerlässlicher Bestandteil der Ausbildung aufgefasst werden, um einen fundierten Überblick über Bildund Architekturpraktiken unmittelbar am Original zu erlangen und einzuüben. Demgegenüber erscheint eine an einigen Instituten etablierte studentische Ersatzexkursion zu Beginn des Studiums

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eher fragwürdig und darf keineswegs als gleichwertig angesehen werden. Im weiterführenden Masterstudium zeigt sich, dass eine unter einem spezifischen inhaltlichen Fokus abgehaltene mehrtägige Exkursion einen besonderen Stellenwert einnimmt. Hierfür werden in der Regel kulturgeschichtlich bedeutsame Städte aufgesucht, die einen gattungsund medienübergreifenden Lehransatz vereinbaren. Gleichwohl darf angenommen werden, dass viele Institute darüber hinaus fakultative Exkursionen anbieten. In Großstädten mag es aufgrund mannigfaltiger Angebote einfacher sein, diesem Anspruch gerecht zu werden. Im Vergleich dazu stehen Studierenden an Instituten in kleineren Städten vor Ort oft nur begrenzt Möglichkeiten zum Selbststudium zur Verfügung, weshalb sich Exkursionen dort als besonders bereichernd erweisen können. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle jedoch, dass verpflichtenden Exkursionsangeboten gegenüber anderen Veranstaltungsformen gegenwärtig bedauerlicherweise der geringste Anteil in den Lehrcurricula zukommt.42

Zwischenfazit: Theoretische Perspektivierung der Exkursion

Insgesamt kristallisieren sich als zentrale Charakteristika kunsthistorischer Exkursionen erstens die zeitliche Dimension, zweitens der methodisch anwendungsbezogene Charakter und drittens die inhaltliche Einbettung in einen seminaristischen Zusammenhang heraus. Tages- oder Großexkursionen lassen sich ferner durch deren institutionellen Rahmen, den Ort sowie deren inhaltliche Intention unterscheiden, etwa ob ein thematischer Gegenstand mittels des Originals exemplifiziert oder tiefergehend erforscht werden soll. Ulrike Ohl und Kerstin Neeb differenzieren äquivalent dazu zwischen einer »Überblicksexkursion« und einer »handlungsorientierten Arbeitsexkursion«.43 Des Weiteren geht damit je nach Ausrichtung eine Va-

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rianz des »Selbst- bzw. Fremdbestimmungsgrad[es]« der Studierenden und damit ein graduell unterschiedliches Niveau von Passivität hin zu Aktivität der Lernenden einher,44 womit weitere Unterscheidungskriterien benannt sind. Fernerhin führt die historische wie zeitgenössische theoretische Perspektivierung vor Augen, dass kunsthistorische Exkursionen geradezu einen konträren Lehransatz gegenüber medial vermittelter Lehre intendieren. Denn sie sollen weniger bloß Anlass geben, über ein Werk zu sprechen, als mit dem Original in Dialog zu treten, sprich eine Lehrsituation der ›unverfälschten‹ Begegnung herstellen. Sowohl die Fachanfänge als auch die gegenwärtige Lage der Disziplin lassen erkennen, dass die Exkursion vorrangig als Lehrmethode fungiert(e), einerseits als Übung vor dem Original im Sinne eines Anschauungsunterrichts und einer Sehschule sowie andererseits als Primärarbeit, um kennerschaftliche und forschungsbezogene Methoden zu üben. Im Falle von Fotografie, Gemälden oder Druckgrafik mag der kunsthistorische Unterricht mittels medialer Repräsentanten in hinreichender Weise praktikabel sein, sofern die immer gegebene Abstraktion in der Kommentierung präsent gehalten und reflektiert wird; schwieriger wird es für den Bereich der Plastik und Architektur. Die Grenzen solcher Lehre sind bald erreicht, wenn nicht nur ein definiertes Werk, sondern die konkrete ästhetische Erfahrung Gegenstand der Lehre sein soll und insbesondere, wenn es um Gegenwartskunst geht, die häufig installativ räumlich orientiert ist, mitunter ephemeren Charakter annimmt oder gar aktive Partizipation ihrer Betrachterinnen und Betrachter beinhaltet.

Die documenta 14 als Exkursionsort

Diese Tatsache würde dafür sprechen, gerade für die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst, Exkursionen zu Ausstellungen als unabdingbares Element der Lehre zu etablieren – trotz oder gerade auch angesichts der nur scheinbaren visuellen Verfügbarkeit von nahezu jedem Gegenstand im Zeitalter digitaler Medien. Als idealer Ort zur exemplarischen Vermittlung der besonderen Anforderungen, welche die häufig gattungsentgrenzende Gegenwartskunst stellt, bietet sich die documenta als Großereignis des zeitgenössischen Kunstbetriebs an: Zum einen wird sie nach wie vor international als eine der wichtigsten Ausstellungsinstitutionen für Gegenwartskunst wahrgenommen. Zum anderen verfolgt sie durch ihren Fünfjahresturnus den bereits in ihren Grundpfeilern angelegten Gedanken Arnold Bodes (1900–1977), Tendenzen des zeitgenössischen Kunstschaffens sowie dessen Einflüsse in einem breiten Spektrum thematisieren zu wollen.45 In der Regel, und so auch bei der vierzehnten Ausgabe der documenta, gelingt es tatsächlich, ein großes Repertoire an Formen zeitgenössischen künstlerischen Schaffens mehr oder weniger repräsentativ abzudecken, wobei Aspekte der Intermedialität, -disziplinarität und -kulturalität ebenso integriert werden, wie auch die Idee einer globalen Orientierung umgesetzt und schließlich sogar der Gedanke der Ortsspezifik auch eines Kunstereignisses berücksichtigt und aktiv genutzt wird. Die documenta 14 unter der künstlerischen Leitung von Adam Szymczyk (*1970) fand im Jahr 2017 in Athen und Kassel statt und brachte damit erstmals einen zweiten, gleichwertigen Standort in das Konzept der traditionsreichen Schau ein. Mit ihrem Motto ­Learning from Athens setzte die Ausstellung buchstäblich einen Fokus auf Lern- oder vielmehr Verlernprozesse und bot aufgrund ihrer sehr politischen Dimensionierung und vielfach performativen Anlage einen anspruchsvollen Lehr- wie Lerngegenstand dar.46

Besonders bemerkenswert ist hier, dass durch die Doppelstruktur gleichfalls der Exkursionsgedanke gewissermaßen in die Konzeption eingeschrieben war.47 Denn das Publikum war dazu eingeladen, zunächst nach Athen und später nach Kassel zu reisen. An beiden Ausstellungsorten wurden an den weitläufigeren Ausstellungsstationen institutionell begleitete Ausstellungsrundgänge angeboten.48 Größere Besuchsgruppen waren dazu angehalten, eine solche ›Exkursionsbegleitung‹ in Anspruch zu nehmen, weil externes Kunstvermittlungspersonal nicht geduldet wurde. Da universitäre Seminargruppen eine Ausnahme bildeten und autonom agieren konnten, ließ sich der komplexe Ansatz didaktisch fruchtbar machen – wie im Folgenden anhand einer im Sommersemester 2017 mit Studierenden durchgeführten Exkursion exemplifiziert werden soll.49 Mitunter der größte Vorteil einer Exkursion besteht darin, dass nicht nur ein aus dem Kontext gelöstes Werk im Fokus steht, sondern ein bestehender Dialog zwischen Ausstellungsort, Raum, Werk sowie der gesamten Inszenierung erörtert werden kann. Auf diese Weise lassen sich Werkkonzeptionen, -gruppen und -vergleiche sowie kuratorische Botschaften vom Gegenstand ausgehend unter Bezugnahme auf das spezifische Kunstfeld erarbeiten. Als didaktische Methoden wurden Inputreferate, Gruppendiskussionen oder vereinzelt selbständige Rundgänge mit anschließenden Diskussionen oder Reflexionsgesprächen eingesetzt. Insgesamt bespielte die documenta 14 in Kassel fünfunddreißig über das gesamte Stadtbild verteilte Ausstellungsorte. Eine Begehung aller Orte wäre an zwei Tagen weder bewältigbar noch sinnvoll gewesen, weshalb das Exkursionsitinerar eine Programmauswahl mit vierzehn Stationen vorsah (Abb. 1). Entgegen des vorgeschlagenen Parcours der Ausstellungsmacher nahm die Exkursion ihren Anfang an einem der zentralsten Orte einer jeden documenta,50 dem Fried­richsplatz, der bereits viel-

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Abb. 1 documenta 14: Kassel Info-Karte/Map, 10. Juni – 17. September 2017, hrsg. von documenta 14 und docu­ menta und Museum Fridericianum gGmbH, gestaltet von Mevis & van Deursen mit Virginie Gauthier, Daria Kiseleva und Marius Schwarz. Die Faltkarte wurde dem Publikum während der Ausstellungslaufzeit in Kassel kostenlos bereitgestellt und ist bis heute online abrufbar. Zu sehen ist die Karte hier sowohl im zusammengefalteten als auch entfalteten Zustand inkl. der vierzehn eingezeichneten Exkursionsstationen

fältige Blickpunkte eröffnete, nicht zuletzt weil an dieser Stelle ein monumentales Athenzitat aufgebaut war, anhand dessen die Ausgangsfrage der Ausstellung aufzufächern war.51 Generell wurde bei allen Werkbeispielen stets versucht, der Bezug zu Athen und gegebenenfalls zu den jeweils korrespondierenden Werken mitzudiskutieren.52 Neben institutionell etablierten Ausstellungsorten, wie dem Fridericianum oder der documenta Halle, wurden eine Reihe unkonventioneller Lokalitäten bespielt, etwa der ehemalige unterirdische Bahnhof auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs, die Glaspavillons auf der Kurt-Schumacher-Straße oder die Neue Neue Galerie in einem ehemaligen Postge-

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bäude. Desgleichen spielte der öffentliche Raum, beispielsweise mit dem Königsplatz oder der Karlsaue, eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Die Route war somit einesteils von einer Diversität an Kunst- und Architekturformen sowie andernteils von einer bewegten Stadterkundung im Wechsel von drinnen und draußen geprägt. So ergibt sich auf einer documenta-Exkursion die besondere Gelegenheit, präsentierte Werke in ihrem primär gedachten Kontext zu erleben, da die meisten Arbeiten – im Gegensatz zu anderen (temporären) musealen Ausstellungen – ortsspezifisch und in Bezug auf das übergeordnete kuratorische Konzept geschaffen sind.53 Mit Blick auf Performances, performative und oftmals den Rezipienten geistig wie körperlich involvierende Kunst, wie sie im Superkunstjahr 2017 auch auf der Biennale di Venezia oder den Skulptur Projekten Münster anzutreffen waren,54 wird besonders deutlich, dass sich die Lehrsituation der Exkursion grundlegend vom seminaristischen Unterricht unterscheidet. Die Exkursion fungiert nun nicht mehr als Lehrmethode, sondern bildet den originären Rahmen, in dem dergleichen Werke überhaupt zugänglich und sinnlich wahrnehmbar werden können. Sie wird somit zum Vehikel der Vermittlung und erscheint in ihrem genuin medialen Charakter. Gewiss gilt die Exkursion nicht als konventionelles Lehrmedium – schon gar nicht gemäß eines technikorientierten Medienbegriffs, der Medien vorrangig als Technologien in Form von Werkzeugen begreift, die das körperliche Wahrnehmen und Handeln verändern.55 Legt man jedoch ein allgemeingültiges Medienverständnis zugrunde, wie es etwa Lorenz Engell und Joseph Vogl auf den Punkt bringen, gestaltet sich der Sachverhalt anders: Denn »Medium heißt Mitte und Mittleres, Vermittlung und Vermittler und appelliert an die Frage, wie die Rolle, die Tätigkeit und das Material dieses ›Dazwischen‹ genauer beschaffen sei.«56 Das Dazwischen darf im Falle einer

Abb. 2a, b Zwei Screenshots der per Smartphone dokumentierten und auf YouTube veröffentlichten Werkpraxis, Performance­ tag 25.07.2017. Mattin mit Dania Burger, Dafni Krazoudi, Danai Liodaki, Smaragda Nitsopoulou, Ioannis Sarris und Eleni Zervou: Social Dissonance, 2017, Dauerkonzert, 163 Tage, aufgeführt im Rahmen der documenta 14, documenta Halle, Kassel

Exkursion weniger als materieller Zwischenträger, im weiteren Sinne aber als Bereitstellung eines transparenten medialen Dispositivs verstanden werden, in welchem sich Vermittlungs- und folglich Lernprozesse entfalten.57 Über den gemeinsamen Ausstellungsbesuch und Austausch wird ein Moment des Wahrnehmens befördert, das über das Betrachten hinausgeht und sich in eine einzigartige ästhetische Erfahrung wandelt. Zu dieser spezifischen und kollektiv geteilten Wahrnehmungsanordnung tragen eine sich überwiegend im Stehen und Gehen vollziehende Rezeptionshaltung,58 der vorgegebene Zeitrahmen und weitere Regeln der Lehrveranstaltungsform wie auch die Versammlung der Seminargruppe an einem öffentlichen, musealen Ort bei, dem zugleich bestimmte Konventionen eingeschrieben sind.59 Neben einer durch eine kunsthistorische Ausstellungsexkursion präformierten Wahrnehmungsanordnung ist jenes Dispositiv zugleich von weiteren Verflechtungen, etwa individuellen Wissensbeständen der Teilnehmenden, Diskursen das Exkursionsziel betreffend sowie generellen Faktoren des Kunstfeldes beeinflusst, wodurch es stets einer situationsspezifischen Veränderlichkeit unterliegt.60 Um zwei Beispiele zu nennen: Die Arbeit Social Dissonance von Mattin (*1977) verlangte in einem

Raum der documenta Halle die ausdrückliche Teilnahme des Publikums (Abb. 2a–b). Mehr noch entstand das immaterielle Werk ausschließlich durch soziale Beteiligung täglich als einstündiges sogenanntes »Dauerkonzert« in Athen und Kassel.61 Einziger Anhaltspunkt war eine verbale Partitur, die den Partizipierenden zuvor bereitstand. Die performative Arbeit nahm durch die Mitwirkung der diversen Besuchenden jedes Mal eine neue Gestalt an, die per Videoaufzeichnung dokumentiert und online geteilt wurde.62 So manifestierten sich darin vielfältige Interaktionsformen – dissonante wie konsonante – etwa Streitgespräche, körperliche Bewegungsabläufe oder erzeugte Klänge und Rhythmen. Ein Teil der Studierenden nahm an dieser Arbeit teil und reflektierte die Erfahrungen nachträglich in einem Protokoll. Auch die partizipative Installation El Objetivo von Regina José Galindo (*1974) im Stadtmuseum setzte auf Publikumsbeteiligung und testete die körperliche wie emotionale Konstitution der Besucherschaft bis an ihre Grenzen aus. Teilnehmende konnten sich entweder in die Rolle eines Schützen (Abb. 3a) oder eines unter Beschuss stehenden Zielobjekts (Abb. 3b) – den Laserpunkt der Waffe auf dem Leib fühlend – versetzen. Nach diesem sozialen Experiment herrschte bei den Studierenden das drin-

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Abb. 3a, b Publikum interagiert mit der Installation von Regina José Galindo: El Objetivo, 2017, Performance in speziell gebautem Raum mit vier G36-Sturmgewehren, Maße variabel, präsentiert im Rahmen der documenta 14, Stadtmuseum, Kassel

gende Bedürfnis, sich unmittelbar über die ästhetische Erfahrung auszutauschen, um solche Kunstwerke grundsätzlich zu bewerten und über die evozierten Themen zu diskutieren. Es ist offensichtlich, dass Reproduktionsmedien im Seminar keinen vergleichbaren Werkzugang offerieren können und nicht in der Lage sind, die wesentliche Substanz solcher die Erlebnisdimension einschließenden Werke zu transportieren. Die im Vorfeld unternommene Vorbereitung zeichnete auffallend kontrastreich ab, wie unzureichend zeitgenössische Kunstausstellungen im konventionellen Unterricht nur thematisiert werden können.63 Dieser Eindruck erhärtete sich durch die retrospektive Beschäftigung mit vorangegangenen docu-

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menta-Ausstellungen, wobei den Studierenden sowohl Erläuterungen des kuratorischen Konzepts als auch die Werkverortung große Probleme bereiteten. Ein Gefühl von der Ausstellung als Körper, ihren vielschichtigen Zwischentönen, ihrer konzeptionellen Anlage sowie dazugehörigen Akteuren lässt sich im Seminarraum kaum vermitteln. Überdies ist ein Grund darin zu suchen, dass viele Studierende bis dato selbst noch keine documenta oder vergleichbare Großausstellung besucht hatten und ihnen das Vorstellungsvermögen hierfür schlichtweg fehlte.

Die Bedeutung der Exkursionspraxis für die Lehre

Zweifelsfrei übernimmt eine Ausstellung die Funktion eines spezifischen Lernortes, den es vor dem Hintergrund eines zunehmend performativen und partizipativen Kunstbegriffes durch gezielte Lehrpraktiken unbedingt zu nutzen gilt. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass Ausstellungsexkursionen zwar Originalerfahrungen ermöglichen, diese sich aber jeweils in einem komplexen medialen Dispositiv abspielen, da diverse deiktische Werkzeuge an der Kunstbegegnung mitwirken. Eine Ausstellung tritt bereits an sich als Medium auf, woran wiederum ein ganzer Medienverbund anknüpft. Im konkreten Fall deuteten etwa Beschilderungen zu Werktiteln und Urhebern sowie in Ausnahmefällen zugehörige Werkkommentare oder Instruktionen an die Rezipierenden quasi mit dem ›Zeigefinger‹ auf ein bestimmtes Werk.64 Darüber hinaus sind die Begleitpublikationen, Webpräsenz und Info-Karte oder bedingt auch die auf dem Ausstellungsgelände allgegenwärtig Präsenz zeigende, institutionelle Kunstvermittlung, die sich auf der documenta 14 weniger als Führungspersonal denn als ein auf Augenhöhe interagierender Chorus begriff, zu medialen Zeichenträgern der Ausstellung zu rechnen. Ein medienfreier kunsthistorischer Unterricht lässt sich demnach selbst auf Exkursion nicht erreichen. Allerdings kreiert die Exkursion einen gänzlich andersartigen Lehr- wie Wahrnehmungsraum als universitär abgehaltene Lehrveranstaltungen. Die Kommunikationssituation ist nicht mehr nur von einem »performative triangle« aus Lehrendem, Publikum und gezeigter Reproduktion geprägt, wie Robert S. Nelson es beschreibt.65 Mehr noch entwickelt sich eine wechselseitige Interaktion zwischen der gesamten Seminargruppe und einer nun ›materialgewordenen‹ Werksituation, die sich durch eine körperliche, ästhetisch erlebbare Rezeption auszeichnet. Die kollektiv erlebten Primärer-

fahrungen und der unmittelbare Austausch darüber markieren somit wesentliche Differenzen. Die Art des Frontalunterrichts wird weitgehend verlassen und ein potenziell gemeinsames Lernen begünstigt, wodurch hierarchische Strukturen, zumindest in Teilen, abflachen. In der Praxis machte sich dies beispielsweise bei Studierenden bemerkbar, die im Seminar eher verhalten interagierten, während der Exkursion dagegen an Motivation und Zutrauen hinzugewannen, sich stärker in kommunikative Prozesse einzubringen. Mitunter ausschlaggebend hierfür war, dass die Kursgruppe einer nicht vorhersehbaren Situation mit einem ähnlichen Wissenshorizont sowie einem hohen Maß an Flexibilität begegnete. Grundvoraussetzung leiblicher Erfahrungen ist jedoch, sinnliche Rezeption regelmäßig zu trainieren.66 Die kunsthistorische Exkursion befindet sich damit an der Schnittstelle zwischen Lehrmethode und -medium, deren Funktion je nach Intention und Ziel eher die eine oder andere Form annimmt. Hierbei ist zu unterscheiden, ob es sich um eine methodische Übung handelt, wofür sich prinzipiell jede Ausstellung als Exkursionsort eignet. Besteht hingegen der Anspruch, forschungsbezogen im Feld zu arbeiten und zugleich Tendenzen der Gegenwart abzulesen, ist erstens eine medial möglichst breit gefächerte und zweitens eine bedeutende Ausstellung als beispielgebender Ort zu wählen. Abgesehen von den Erkenntniszuwächsen für die Studierenden bieten Exkursionen zudem die Möglichkeit, als Forschungswerkzeug für Lehrende fruchtbar gemacht zu werden. Insbesondere wenn es darum geht, rezeptionsästhetische Studien zu betreiben, können Rezeptionsmodi aus erster Hand beurteilt werden – die Exkursion ist dann buchstäblich im doppelten Sinne als Feldforschung zu begreifen. Solche in anderen Fächern bereits vielfach erprobten Forschungsansätze bilden in der Kunstgeschichte noch die Ausnahme, bergen jedoch mit Perspektive auf ephemere Kunst großes Potenzial in sich.

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Fraglos hängen die Angebotsbedingungen kunsthistorischer Exkursionen immer auch von finanziellen Ressourcen der Institute sowie Studierenden ab. Daneben ist die personelle Besetzung, deren Schwerpunkte und damit verbunden die jeweilige Beziehung zum werkbezogenen Arbeiten entscheidend. Die Exkursion als integraler Bestandteil der Lehre stand bei den beispielgebenden historischen Lehrvertretern schließlich nicht zufällig in enger Verbindung zu ihrer doppelten Beschäftigungsart, wie der Begründung eines Museums, Archivs oder Forschungsinstituts neben der universitären Anstellung. Eitelberger, Schmarsow und Hamann waren somit einerseits persönlich mit Originalen konfrontiert und bildeten andererseits einen Sinn dafür aus, ihre Studierenden im Umgang mit selbigen zu befähigen. Die Begegnung mit dem Original als Ergänzung zum seminaristischen Unterricht ist in der Kunstgeschichte zweifelsohne als ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung anzuerkennen, wobei sowohl das richtige Sehen als auch Wahrnehmen als fortwährender Lernprozess aufzufassen sind. Diese Aspekte dürften in Zeiten einer allgegenwärtig vermittelten Bilderflut, die unsere Sehgewohnheiten fortwährend prägt und mitverantwortlich dafür sein mag, dass das Original zugunsten visuell verfügbarer Repräsentanten an Stellenwert verloren hat, wieder stärker an Relevanz gewinnen, da Betrachtende nur allzu oft mit präformierten Erwartungshaltungen an ein Kunstwerk herantreten, ohne dabei wahrhaftig hinzusehen. Umgekehrt sind es wiederum mediale Reproduktionen, die eine Differenzerfahrung im Abgleich zwischen Abund Urbild erst ermöglichen und einer Arbeit damit ihren Originalstatus zuschreiben.67 Für performative Arbeiten, die neben der Rezeptions- gleichfalls eine Produktionsdimension des Publikums einschließen, bleibt eine Originalerfahrung indessen unersetzlich. Werke, die von Vergänglichkeit, Unikalität und oftmals Immate-

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rialität gekennzeichnet sind, lassen sich durch Stellvertreter nun mal nicht adäquat übersetzen. Hinzukommt, dass Sekundärerfahrungen in vielen Fällen von den Kunstschaffenden gar nicht gewünscht sind. Und sollten doch Reproduktionen von Performances existieren, bilden diese darüber hinaus oftmals sehr eindimensionale, ausschnitthafte Ansichten ab, die der originären Werksituation kaum gleichkommen können. Dies spricht dafür, in der Lehre trotz aller Fortschritte der Disziplin vor allem im Hinblick auf die performativen Künste der Gegenwart einen gedanklichen Schritt zurück zu den Ursprüngen des Faches zu wagen, zurück zu den ›Originalen‹ der zeitgenössischen Kunst, die sich gerade im Medienzeitalter vielleicht sogar mehr denn je der Reproduzierbarkeit entziehen.

Postskriptum: Exkursion auf Umwegen?

Mit Blick auf die Perspektive dieses Aufsatzes sollen aus aktuellem Anlass Begleiterscheinungen der Coronapandemie zumindest in Ansätzen thematisiert werden. Gewiss ist das Fach Kunstgeschichte durch seine bewährten und jüngst hinzugekommenen medialen Lehrpraktiken durchaus in der Lage, derzeit bestehende Einschränkungen im wissenschaftlichen Alltag weitgehend aufzufangen.68 Angesichts der Entwicklungen in den Jahren 2020 und 2021, die Schließungen kultureller Einrichtungen ebenso wie Kontaktbeschränkungen beinhalteten, stellt sich jedoch nicht mehr die Frage nach Erscheinungs- und Umsetzungsformen oder dem Stellenwert von Exkursionen in der kunsthistorischen Lehre, sondern vielmehr jene nach ihrer gegenwärtigen Durchführbarkeit. Originalerfahrungen stehen damit zur Disposition oder machen alternative Zugänge erforderlich. Allerorten zeichnete sich eine mehr denn je rasch einsetzende Verlagerung sämtlicher Sammlungspräsentationen, Ausstellungs- und Vermittlungsformate in den digitalen Raum ab.69 Wie im Aufsatz

dargelegt, können und sollten digitale Lehrmedien – das gilt auch für digitale Ausstellungen – Exkursionen keineswegs substituieren. Dennoch mögen digitale Ausstellungsrundgänge einen Kompromiss offerieren und außerdem zu einer Bereicherung der kunsthistorischen Distanzlehre beitragen.70 Ein »wir gehen auf Exkursion« wäre damit allerdings obsolet, vielmehr handelt es sich dann um ein individuelles Scrollen, Ein- oder Auszoomen, gestisches Wischen oder Schwenken im virtuellen Raum, wobei ein relatives Simultanerlebnis einzig durch ergänzende Videokonferenzmedien zu gewährleisten ist. Fraglos sind solche Erlebnisse sowohl für die einzelnen Studierenden als auch für eine sich zeitversetzt durch die Benutzeroberfläche navigierende Seminargruppe völlig andere als in einer physischen Ausstellungssituation, die es weder vermögen, die Raum- noch die körperliche Erfahrung hervorzurufen, von einer wenig dynamischen Kommunikation ganz zu schweigen.71 Als gruppenorientiertes Lehrmedium scheinen digitale Rundgänge womöglich weniger praktikabel zu sein, dafür aber umso sinnvoller als Ergänzung zum individuellen Selbststudium für Studierende. Online-Ausstellungstouren dürfen somit weniger als Ersatzexkursion denn als Exkurs betrachtet werden. Wie schon argumentiert, eignen sich digitale Zugänge zudem nicht für alle künstlerischen Formate gleichermaßen. Das spiegelt sich in gewisser Weise auch im digitalen Ausstellungsangebot wider, das bisher zweidimensionaler, skulpturaler oder medienbasierter respektive explizit für den virtuellen Raum konzipierter Kunst den Vorrang zu geben scheint.72 Zudem ist von Seiten des Feuilletons bereits zu Recht beklagt worden, dass Ausstellungshäuser oftmals dazu tendieren, insbesondere ihre Highlights oder großen Meisterwerke im digitalen Schaufenster zu exponieren.73 Es bleibt einerseits abzuwarten, wann eine Rückkehr zum akademischen wie musealen Normalbetrieb und demzufolge herbeigesehnte kunst-

historische Exkursionen wieder möglich sein werden; und andererseits, ob und inwiefern auch die Kunst durch die weltweite Krise eine Veränderung erfährt. Nicht zuletzt darf dies mitunter am Beispiel der für 2022 angekündigten documenta fifteen beurteilt werden, wobei die pandemischen Bedingungen die Ausstellungskonzeption und Entstehung der Kunst unmittelbar wie ganz existenziell betreffen. In jedem Falle wird sie Anlass zur Exkursion geben. Zuletzt ist an dieser Stelle noch hervorzuheben, dass sich die Pandemie nicht ausschließlich negativ auf die kunsthistorische Lehre auswirkt: Auf der einen Seite haben Restriktionen dazu geführt, die Digitalisierung kultureller Güter voranzutreiben und dieserart auch kunsthistorische Lehrmedien zugänglicher, interaktiver und intersubjektiver zu gestalten. Auf der anderen Seite mag sie in der Post-Pandemie-Ära zugleich Movens dafür sein, kunsthistorische Exkursionen aufgrund der Verlusterfahrungen von wahrhaftigen Live-Erfahrungen wieder verstärkt im Lehralltag anzusiedeln.

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1 Heinrch Dilly stellte bereits in den 1970ern die These auf, dass der Gegenstand der Kunstgeschichte gegenteilig ihre Reproduktionen seien, siehe ders., »Lichtbildprojektion – Prothese der Kunstbetrachtung«, in: Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung, hrsg. von Irene Below, Gießen 1975, S. 153–172, hier S. 164–166. Vgl. zu dieser Diskussion auch Hubert Locher, »Reproduktionen: Erfindung und Entmachtung des Originals im Medienzeitalter«, in: Modernisierung des Sehens. Sehweisen zwischen Künsten und Medien, hrsg. von Matthias Bruhn und Kai-Uwe Hemken, Bielefeld 2008, S. 39–53, hier insbes. S. 42–45. Zur Aufweichung und Instabilität des Begriffes »Original«, angefangen von der antiken bis hin zur zeitgenössischen Kunst siehe auch Roman Weindl, Die »Aura« des Originals im Museum. Über den Zusammenhang von Authentizität und Besucherinteresse, Bielefeld 2019, insbes. Kap. 4, S. 73–88. 2 Wolfgang Ullrich, Raffinierte Kunst. Übung vor Reproduktionen, Berlin 2009. Ullrich befragt in diesem Band eine potenziell eintretende Unvereinbarkeit von einem durch Reproduktionen erzeugten Vorstellungsbild eines Originals und einer tatsächlichen Inaugenscheinnahme, wobei Letztere mit Enttäuschung und Desillusionierung einhergehen könne. Den Vorrang der Reproduktion gegenüber dem Original diagnostiziert jener seit der Moderne. Siehe insbes. Kap. I »›Das Original ist nicht das, was man denkt, das es sein sollte‹ (Marina Abramović)«, S. 7–18. 3 »Exkursion«, in: DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, https://www.dwds.de/wb/ Exkursion (18.05.2019). 4 »Außerschulische Lernorte« sind bspw. Orte mit explizitem Bildungsauftrag wie Museen oder Gedenkstätten. Grundsätzlich sind damit aber alle Unterrichtsaktivitäten außerhalb des gewohnten Lernumfeldes gemeint, die eine Begegnung mit einem Objekt oder einer Situation vor Ort ermöglichen. Jan Erhorn und Jürgen Schwier, »Außerschulische Lernorte. Eine Einleitung«, in: Pädagogik außerschulischer Lernorte. Eine interdisziplinäre Annäherung, hrsg. von dens., Bielefeld 2016, S. 7–14, hier S. 7; Petra Sauerborn und Thomas Brühne, Didaktik des außerschulischen Lernens, Baltmannsweiler 2017, S. 11. In der Kunstgeschichte ist ferner von der ›Übung vor dem Original‹ die Rede, die im Weiteren analog zur Exkursion benutzt wird. 5 Vgl. etwa Gregory Rohlf, »How to Make Field Trips Fun, Educational, and Memorable: Balancing Self-directed Inquiry with Structured Learning«, in: The History Teacher, 48, 3, 2015, S. 517–528.

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6 Zum Überblick: Exkursionsdidaktik. Ein fächerübergreifender Praxisratgeber für Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung, hrsg. von Christian Stolz und Benjamin Feiler, Stuttgart 2018; Ulrike Ohl und Kerstin Neeb, »Exkursionsdidaktik. Methodenvielfalt im Spektrum von Kognitivismus und Konstruktivismus«, in: Geographiedidaktik. Theorien – Themen – Forschung. Das Geographische Seminar, hrsg. von Johann-Bernhard Haversath, Braunschweig 2012, S. 259–288; Bernd Hey, Die historische Exkursion. Zur Didaktik und Methodik des Besuchs historischer Stätten, Museen und Archive, Stuttgart 1978. 7 Bspw. Herman Grimm, »Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons (1892)«, in: Theorie der Fotografie I. 1839–1912, hrsg. von Wolfgang Kemp, München 1999, S. 200–205; August Schmarsow, »Das kunsthistorische Institut«, in: Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, hrsg. von Rektor und Senat (1. Teil: Die philologische und die philosophisch-historische Sektion), Bd. 4, Leipzig 1909, S. 173–179; Robert S. Nelson, »The Slide Lecture, or The Work of Art ›History‹ in the Age of Mechanical Reproduction«, in: Critical Inquiry, 26, 3, 2000, S. 414–434. 8 Renate Prochno, Das Studium der Kunstgeschichte. Eine praxisbetonte Einführung, Berlin 2008, insbes. S. 47 und S. 85–88; Susanna Partsch, Einführung in das Studium der Kunstgeschichte, Stuttgart 2014, S. 199. 9 Zumeist handelt es sich um Städte- und Architekturexkursionsberichte, die überwiegend für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts vorliegen. Die Berichte gehen mitunter auf studentische Initiativen zurück oder mögen als Nachweis für finanzielle Unterstützer gedient haben. Vgl. bspw. Irmgard Rößler, »Erlebnisse mit Richard Hamann«, in: Festschrift. Richard Hamann zum 65. Geburtstag am 29. Mai 1944, unveröffentlichtes Typoskript 1944, S. 1–5; Russlandbericht. Exkursion 1965, hrsg. vom Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln, Köln 1966; »Trier – Exkursion des Kunsthistorischen Instituts. Gemeinschaftsbericht der Studenten des Instituts«, in: Ruperto Carola, 1968, 43/44, S. 103–122; Kunstmuseen in New York und Washington. Ergebnisse der U.S.A.-Exkursion vom 9. bis 21.7.1992 mit Wolfram Prinz und Iris Marzik, hrsg. vom Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe-Universität Frankfurt am Main und zusammengestellt von Thomas Köhler, Frankfurt am Main 1994. 10 Mathis Leibetseder, »Kavalierstour – Bildungsreise – Grand Tour: Reisen, Bildung und Wissenserwerb in der Frühen Neuzeit«, in: Europäische Geschichte Online, hrsg.

vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte, Mainz 14.08.2013, http://ieg-ego.eu/de/threads/europa-unterwegs/ kavalierstour-bildungsreise-grand-tour (13.02.2019), Abschn. 1 und 2. Obwohl Handels- und Pilgerreisen nicht als Exkursionen zu bezeichnen sind – da im einen Falle merkantile und im anderen religiöse Beweggründe vorliegen – trugen diese sich bereits in der frühen Antike ausbildenden Reiseformen wesentlich zur Etablierung weiterer Reisetypen bei. Zudem steht eine erwünschte transzendente Erfahrung auf Pilgerreisen insofern in enger Verbindung zu einer erkenntnisorientierten Exkursion, als das Aufsuchen heiliger Stätten gleichwohl mit der Begegnung sakraler Bauten und Kunstwerke einhergeht und somit auch bildenden Charakter einschließt. Vgl. zur Entwicklung der Reisegeschichte im Altertum Lionel Casson, Reisen in der Alten Welt, München 1976. 11 Vor allem Reiseberichte zu Italien bestimmen die Forschung, vgl. Ludwig Schudt, Italienreisen im 17. und 18. Jahrhundert, Wien 1959 sowie Le Guide di Roma. Materialien zu einer Geschichte der römischen Topographie, unter Benützung d. handschriftl. Nachlasses von Oskar Pollak, hrsg. von Ludwig Schudt, Wien und Augsburg 1930. Für einen Überblick literarischerBeispiele vgl. Linda Maria Pütter, Reisen durchs Museum. Bildungserlebnisse deutscher Schriftsteller in Italien (1770–1830), Hildesheim, Zürich und New York 1998. Vgl. hierzu auch Hubert Locher, Kunstgeschichte als historische Theorie der Kunst 1750–1950, München 2010, insbes. Kap. III, Unterkap. »Anleitung zum ästhetischen Urteil: Das Handbuch als Reisebegleiter«, S. 254–266. Hier werden die Reisehandbücher Ernst Försters (1800–1885), Anton Springers (1825–1891) und Jacob Burckhardts (1818–1897) zueinander in Beziehung gesetzt, die Kunsthistorikern und der Bildungselite auf Reisen um die Mitte des 19. Jahrhunderts als Standardwerke unersetzlich wurden. 12

Leibetseder 2013 (wie Anm. 10), Abschn. 5. Ebd., Abschn. 4; Karlpeter Elis, »Reisen ist Bildung, wie umgekehrt Bildung Reisen ist«, in: bildungsreise – reisebildung, hrsg. von dems., Wien 2004, S. 3–20, hier S. 13. Die Kunstgeschichte stellte anfänglich ebenfalls eine Männerdomäne dar. Generell wurden Frauen erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland zum Studium zugelassen. Dass sich das Geschlechterverhältnis gut 100 Jahre später beinahe verkehrte, ist umso interessanter. Ein Zusammenhang zwischen wohlhabendem Hintergrund, kultiviertem Reisen und einem anschließenden »Luxusstudium für Kavaliere«, wie Beyrodt spitzzüngig andeutete, ist in den ersten Jahren der Kunstgeschichte sicherlich 13

nicht von der Hand zu weisen. Allein schon aufgrund der hohen Gebühren hatte das Fach zunächst ein elitäres Image. Wolfgang Beyrodt, »Kunstgeschichte als Universitätsfach«, in: Kunst und Kunsttheorie 1400–1900, hrsg. von Peter Ganz, Martin Gosebruch, Nikolaus Meier und Martin Warnke, Wiesbaden 1991, S. 313–333, hier S. 330–332. 14

Leibetseder 2013 (wie Anm. 10), Abschn. 18; Wolfgang Günter, »Geschichte der Bildungsreise«, in: Handbuch für Studienreiseleiter. Pädagogischer, psychologischer und organisatorischer Leitfaden für Exkursionen und Studienreisen, hrsg. von dems., München und Wien 2009, S. 18–19. 15 Bspw. Angebote des Veranstalters Studiosus, siehe https://www.studiosus.com; gleichwohl gibt es Formate, die sich dezidiert an ein jüngeres Zielpublikum wenden, z. B. EinzigART – die jungen Freunde des Museumsverein Kassel e. V., http://einzigart-kassel.blogspot.com (15.05.2019). 16 Als Cicerone, nach dem antiken Rhetor und Politiker Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.), wird traditionell der Fremdenführer bezeichnet, der dem Bildungsreisenden eloquent und umfassend gebildet die lokalen Sehenswürdigkeiten erläutert. Jacob Burckhardt übernimmt diesen Begriff für seinen berühmten Reiseführer, der Betrachterinnen und Betrachter zum Erleben und Beurteilen bedeutender Kunstwerke anleiten sollte. Vgl. Jacob Burckhardt, Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens, Basel 1855. Heutzutage zielen Stadtrundgänge meist nicht nur auf das ›Abklappern‹ sehenswürdiger Denkmäler, sondern versuchen sozial gewachsene Strukturen einer Stadt sowie Spuren urbanen Wandels aufzudecken. Sie können deshalb häufig unter dem Konzept der »Spaziergangswissenschaft« nach Lucius Burckhardt verortet werden. Jener suchte den Raum der Stadt gleicherweise aus soziologischer Sicht zu erfassen und die Wahrnehmung für die Umwelt zu schärfen. Vgl. Lucius Burckhardt, Warum ist Landschaft schön? Die Spaziergangswissenschaft, Berlin 2006. 17 Heute Google Arts & Culture, in: https://artsand culture.google.com/ (15.05.2019). 18 Heinrich Dilly, »Die Bildwerfer. 121 Jahre kunstwissenschaftliche Dia-Projektion«, in: Zwischen Markt und Museum. Beiträge der Tagung »Präsentationsformen von Fotografie«, hrsg. von Martha Caspers (Rundbrief Fotografie Sonderheft 2), 1995, S. 39–44, hier S. 43. 19 Zur Entwicklung der Fachgeschichte siehe Heinrich Dilly, Kunstgeschichte als Institution. Studien zur Geschichte einer Disziplin, Frankfurt am Main 1979, Locher 2010 (wie Anm. 11) sowie Beyrodt 1991 (wie Anm. 13).

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20 Dilly 1975 (wie Anm. 1); siehe auch Wiebke Ratzeburg, »Mediendiskussion im 19. Jahrhundert. Wie die Kunstgeschichte ihre wissenschaftliche Grundlage in der Fotografie fand«, in: kritische berichte, 30, 1, 2002, S. 22–39. 21 Bernhard von Tieschowitz, »Die Photographie im Dienste der kunstgeschichtlichen Forschung«, in: Festschrift Richard Hamann zum sechzigsten Geburtstage. 29. Mai 1939, überreicht von seinen Schülern, Burg bei Magdeburg 1939, S. 151–162, hier S. 151; vgl. auch das Referenzwerk Karl Krumbacher, Die Photographie im Dienste der Geisteswissenschaften, Leipzig 1906. 22 Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt am Main 2007 [Nachdruck der Ausgabe von 1936]; Dilly 1975 (wie Anm. 1); Ratzeburg 2002 (wie Anm. 20); Ingeborg Reichle, »Medienbrüche«, in: kritische berichte, 30, 1, 2002, S. 40–56. 23 Wenngleich an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben sollte, dass eine vermittels Reproduktionen erzeugte Isolierung von Objekten zugleich zu einer Methodenkonturierung des Faches beigetragen hat, bspw. im Hinblick auf das ›Vergleichende Sehen‹ (Heinrich Wölfflin) oder die ikonographisch-ikonologische Methode (Erwin Panofsky). 24 Eine Ausnahme bilden zwei Aufsätze, welche die Unterrichtsanteile vor dem Original jeweils auf eine Institutsperspektive fokussieren (Wien bzw. Berlin). Tanja Jenni und Raphael Rosenberg: »Die Analyse der Objekte und das Studium der Quellen – Wiens Beitrag zur Etablierung einer universitären Kunstgeschichte«, in: Reflexive Innenansichten aus der Universität. Disziplinengeschichten zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik, hrsg. von Karl Anton Fröschl, Gerd B. Müller, Thomas Olechowski und Brigitta Schmidt-Lauber, Göttingen 2015, S. 121–134; Simone Schweers: »Kunstgeschichte und (Aus-)Bildung? Das Studium vor Originalen 1810–1910«, in: In der Mitte Berlins. 200 Jahre Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität, hrsg. von Horst Bredekamp und Adam S. Labuda, Berlin 2010, S. 147–157. 25 Beyrodt 1991 (wie Anm. 13), S. 317–318. 26 Jenni und Rosenberg 2015 (wie Anm. 24), S. 124. Heutzutage MAK – Museum für Angewandte Kunst. 27 Schmarsow gilt zwar nicht als Göttinger Institutsbegründer, jedoch als erster Vertreter der modernen Disziplin. 1885 erhielt er einen Ruf nach Breslau, wo er als außerordentlicher Professor das Kunsthistorische Seminar aufbaute. Hans W. Hubert, »August Schmarsow, Herman Grimm und die Gründung des Kunsthistorischen Instituts in Florenz«, in: Storia dell’arte e politica culturale intorno al 1900. La fondazione dell’Istituto Germanico di Storia

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dell’Arte di Firenze, hrsg. von Max Seidel, Venedig 1999, S. 339–358, hier S. 340 und S. 344. 28 Dilly 1995 (wie Anm. 18). Die Verfasserin dankt Heinrich Dilly (1941–2019) außerdem für seinen freundlichen Hinweis, dass Schmarsow gar als einer der »sensibelsten Bildwerfer« im Vergleich zu seinen Zeitgenossen zu sehen ist (Korrespondenz vom 31.05.2019). 29 Hubert 1999 (wie Anm. 27), S. 342. 30 Zit. nach Hubert 1999 (wie Anm. 27), S. 343. Die Zeilen von Schmarsow stammen aus einem Brief vom 20.11.1883 an den Universitätsdezernenten im Kultusministerium, dem sog. Ministerium der geistlichen, Unterrichtsund Medizinalangelegenheiten von Preußen, Friedrich Althoff. 31 Ebd., S. 344. Schmarsow beschrieb selbst, dass er dies auf Erbitten externer Studierender, denen andernorts kein Zugang zu den Originalen vermittelt wurde, anfänglich als Privatunterricht unternahm. August Schmarsow, Die Kunstgeschichte an unseren Hochschulen, Berlin 1891, S. 30. Vgl. auch den Aufsatz von Ute Dercks in diesem Band. 32 Bspw. Gustav André, »Marburger Reisen«, in: Festschrift Richard Hamann 1944 (wie Anm. 9), S. 1–25; Rößler 1944 (wie Anm. 9). Vgl. hierzu auch die Beschäftigung mit der Quelle: Michael H. Sprenger, »›Hamanns Schule ist eine der schwersten, aber sie übt.‹ Marburger Kunstgeschichte im Spiegel einer Festschrift von 1944«, in: Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft zwischen 1930 und 1950, hrsg. von Nikola Doll, Christian Fuhrmeister und Michael H. Sprenger, Weimar 2005, S. 243–261. 33 André 1944 (wie Anm. 32), S. 1. 34 Siehe hierzu auch Angela Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis. Richard Hamann und Foto Marburg, Berlin 2009, S. 41, die bereits auf diese Problematik verweist. 35 »Auswertung der Vorlesungsverzeichnisse vom WS 1913/14 bis zum SS 1954«, in: Karin Brandes, Ekkehard Bremer und Heinrich Dilly, Richard Hamann und seine Schüler. Eine Chronik des Kunstgeschichtlichen Seminars der Philipps-Universität Marburg, Marburg 1990, S. 136–147, hier S. 139. Eine Einsichtnahme der Verfasserin in die Vorlesungsverzeichnisse im Universitätsarchiv Marburg im Zeitraum von 1954 bis in die Gegenwart zeigte außerdem, dass in Marburg nach wie vor verhältnismäßig viele Exkursionen durchgeführt werden. Insbes. ab den 1970ern nehmen die Exkursionsangebote zu und weisen eine größere Vielfalt auf, wenngleich Architekturexkursionen einen Schwerpunkt bilden. Naturgemäß stehen die Angebote

immer in Verbindung mit dem Personal und der Ausrichtung eines Instituts. 36 Eine Ausnahme bildeten die Jahre 1927, 1928 und 1933, über die aus den Verzeichnissen und Chroniken wohl keine Exkursionsdokumentation hervorging. Fälschlicherweise wird hier auch das Jahr 1932 als exkursionsfrei angegeben, doch fand in diesem Jahr die Köln-Exkursion statt, die ebendort wiederum unzutreffend auf 1931 datiert wurde. Vgl. Brandes, Bremer und Dilly 1990 (wie Anm. 35), S. 139. 37 »Interview mit Prof. Dr. Richard Hamann-Mac Lean (Mainz) durchgeführt von Lelah Ferguson am 09.07.1989«, in: ebd., S. 163–168, hier S. 164–165. 38 Die Studierenden wurden hierfür in der fotografischen Praxis geschult, was Hamann zugleich als Teil des Forschungsprozesses erachtete, siehe Matyssek 2009 (wie Anm. 34), S. 30. Die »Auswertung der Vorlesungsverzeichnisse vom WS 1913/14 bis zum SS 1954« benennt in diesem Zeitraum 21 »Photographische Praktika«, in: Brandes, Bremer und Dilly 1990 (wie Anm. 35), S. 137. 39 Die Auswertung bezieht sich auf den letzten Abrufstand, nach diesem Datum geänderte Studien- und Prüfungsordnungen wurden nicht berücksichtigt. Hierdurch soll ein ausschnitthafter Eindruck vermittelt werden. Es werden keinerlei Ansprüche auf Repräsentativität erhoben. Abrufbar sind die B.A.- und M.A.-Studien- und Prüfungsordnungen auf den Institutsseiten: FU, in: https://www. fu-berlin.de/service/zuvdocs/amtsblatt/2013/ab412013. pdf?1380620425, S. 996–1047, https://www.fu-berlin.de/ service/zuvdocs/amtsblatt/2012/ab642012.pdf?1343722871, S. 1077–1112; LMU, in: https://www.kunstgeschichte.unimuenchen.de/studium/studiengaeng/kunstgeschichte_ba/ studord_2012/stud_pdf/psto2012amtl.pdf, S. 1–47, https:// www.kunstgeschichte.uni-muenchen.de/studium/master_ stud/kuge_master_neu/stud_pruef_master/pruefo_master. pdf, S. 1–33; Uni Hamburg, in: https://www.kultur.unihamburg.de/studium/ba-studiengaenge/ba-studiengaengeab-ws-16-171/materialien/rpo-und-fsb-ab-16-17/20160706fsb-ba-kunstgeschichte-fassung-hp.pdf, S. 1–22, https:// www.fbkultur.uni-hamburg.de/studium/ma-studiengaenge /materialien-ma/master-fsb-studienbuecher/fsb-ma-kgvom-9-6-2010.pdf, S. 787–792; Uni Bonn, in: http://hdl. handle.net/20.500.11811/1173, S. 358–365 bzw. S. 604–618; Uni Marburg, in: https://www.uni-marburg.de/de/universitaet/administration/recht/studprueo/01-bachelorstudiengaenge/po-kunstgeschichte-ba-neufassung-25012017.pdf, S. 1–45, https://www.uni-marburg.de/de/universitaet/ administration/recht/studprueo/02-masterstudiengaenge/

po-kunstgeschichte-ma-neufassung-08022017.pdf, S. 1–44 (letzter Zugriff auf alle Websites: 25.05.2019). 40

Auch die Uni Hamburg erkennt studentische Exkursionsformate in Teilen an. 41 Studien- und Prüfungsordnung Bonn (wie Anm. 39), S. 360. 42 Zwar wird diese Aussage auf Basis der Beispiele getroffen, jedoch handelt sich hierbei um traditionelle und renommierte Institute, was den Verdacht nahelegt, dass dies genereller Usus an deutschen Instituten zu sein scheint. 43 Ohl und Neeb 2012 (wie Anm. 6), S. 261. 44 Stolz und Feiler 2018 (wie Anm. 6), S. 25. Die Autoren sehen die Unterscheidungsmerkmale auch in Abhängigkeit methodischer Grundtypen von Exkursionen, siehe vertiefend S. 25–44; für eine »Typisierung« im Fach Geschichte siehe Hey 1978 (wie Anm. 6), S. 17–21. 45 Die ersten documenta-Ausstellungen folgten noch einem Vierjahresrhythmus. Obschon die erste documenta bekanntlich den Anspruch erhob, neben zeitgenössischen Positionen vor allem bis dato ungesehene und durch die Nationalsozialisten diffamierte Werke aus der Zeit vor 1945 einzubeziehen, sollte das Zeitgenössische für nachfolgende Schauen kennzeichnend werden. Zum Konzept der documenta 1955: Werner Haftmann, »Einleitung«, in: documenta. Kunst des XX. Jahrhunderts. Internationale Ausstellung im Museum Fridericianum in Kassel (Ausst. Kat.), München 1955, S. 15–25. Vgl. jedoch auch aktuellste Forschungsbeiträge zum Gründungsmythos der documenta, wobei erstmals in umfangreicher Art und Weise gewisse Kontinuitäten der ersten documenta zur NS-Zeit dargelegt bzw. an einzelnen Akteuren – insb. der Figur Werner Haftmann – festgemacht werden konnten: documenta. Geschichte/Kunst/Politik, hrsg. von der Stiftung Deutsches Historisches Museum und Raphael Gross, 2 Bde. (Historische Urteilskraft. Magazin des Deutschen Historischen Museums), Berlin 2020, Bd. 2; sowie die daraus hervorgegangene Ausstellung documenta. Kunst und Politik, 18.06.2021–09.01.2022, im Deutschen Historischen Museum, Berlin. 46

Siehe Adam Szymczyk, »Iterability and Otherness – Learning and Working from Athens«, in: The documenta 14 Reader, hrsg. von Quinn Latimer und Adam Szymczyk, München, London und New York 2017, S. 17–42. Die Ausstellung erstreckte sich insgesamt über den Zeitraum vom 08.04.–17.09.2017. 47 Trotz des global gedachten Ansatzes, der zwar stark polarisierte, aber zugleich als zeitgemäß und konsequent

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für das Ausstellungsformat zu beurteilen ist, schrieb sich hier gewissermaßen das einer Exkursion seit Anbeginn der Kunstgeschichte innewohnende Merkmal sozialer Distinktion fort. Denn dem ›Doppelbesuch‹ darf durchaus eine gewisse Exklusivität unterstellt werden, was sich letztlich auch darin ausdrückte, dass die Mehrheit der Besucherinnen und Besucher den traditionellen documenta-Standort aufgesucht hat. Vgl. zu den Besuchszahlen den offiziellen Abschlussbericht der documenta 14, https://www. documenta14.de/de/news/25596/closing (17.05.2019). Nichtsdestoweniger entspricht diese Tatsache generell der Rezeption (zeitgenössischer) Kunstausstellungen, deren Besucherschaft sich mehrheitlich aus einem elitären Kreis konstituiert, wie bereits seit Pierre Bourdieus Studien bekannt ist. Vgl. z. B. ders. und Alain Darbel, L’Amour de l’Art. Les musées et leur public, Paris 1966. 48

Die auf der documenta 14 angebotenen »Walks« wurden von sog. Choristinnen und Choristen begleitet, deren zweistündige Ausstellungsrundgänge jeweils ganz unterschiedliche Schwerpunkte setzten und sich in der Regel ein bis zwei Ausstellungsstationen widmeten. Vgl. hierzu https://www.documenta14.de/en/public-education/16748/ walks (15.05.2019). 49 Die von der Verfasserin 2017 durchgeführte zwei­ tägige Exkursion im Rahmen des Seminars documenta. Geschichte und Gegenwart am Institut für Kunstgeschichte in Marburg führte ausschließlich nach Kassel, da es sich um ein fakultatives Exkursionsangebot handelte. 50 Vgl. dazu die Nennung im Map Booklet: »Ein möglicher Einstiegspunkt ist der stillgelegte Tunnel am KulturBahnhof (Kassels Hauptbahnhof ) [...].«, siehe documenta 14: Kassel Map Booklet, hrsg. von Quinn Latimer und Adam Szymczyk, Altenburg 2017, S. 6. 51 Gemeint ist die auf dem Friedrichsplatz präsentierte Außeninstallation The Parthenon of Books (2017) der argentinischen Künstlerin Marta Minujín (*1943) in Anlehnung an den Athener Parthenon. 52 Um das politische Ausmaß und die Griechenlandbezüge besser zu erfassen, wäre die Rezeption des Athener Teils für die Seminargruppe selbstverständlich ausgesprochen sinnvoll gewesen. 53 Rund 150 der lebenden, künstlerischen Positionen, darunter auch Kollektive, schufen zur documenta 14 sowohl für Athen als auch Kassel eine neue Arbeit. Vgl. hierzu The documenta 14 daybook, hrsg. von Quinn Latimer und Adam Szymczyk, München, London und New York 2017. 54 Das alle zehn Jahre sich wiederholende Zusammenfallen der documenta, Biennale di Venezia und Skulptur

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Projekte Münster in einem Jahr wird seit 2007 unter dem begrifflichen Superlativ »Superkunstjahr« gefasst. Siehe Wolfgang Ullrich, »Zwischen Deko und Kommerz«, in: perlentaucher. Das Kulturmagazin, 17. Juli 2017, https:// www.perlentaucher.de/essay/wolfgang-ullrich-ueberkuratoren-und-kunstmarktkunst.html (13.05.2019). 55 Vgl. Marshall McLuhan, Die magischen Kanäle. ›Understanding Media‹, Düsseldorf 1968. 56 Lorenz Engell und Joseph Vogl, »Vorwort«, in: Kursbuch Medienkultur. Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard, hrsg. von Claus Pias, Joseph Vogl, Lorenz Engell, Oliver Fahle und Britta Neitzel, Stuttgart 1999, S. 8–11, hier S. 9. 57 Zum Begriff des Dispositivs: Knut Hickethier, »Mediendispositiv«, in: ders.: Einführung in die Medienwissenschaft, Stuttgart und Weimar 2003, S. 186–201. Vgl. auch Jean-Louis Baudry, »Ideological Effects of the Basic Apparatus«, in: Narrative, Apparatus, Ideology. A Film Theory Reader, hrsg. von Philip Rosen, New York 1986, S. 286– 298; ders., »The Apparatus: Metapsychological Approaches to the Impression of Reality in the Cinema«, in: ebd., S. 299–318. Im Anschluss an Baudry, der den Dispositivbegriff explizit am Beispiel des Kinos entwickelt hat, entwirft Hickethier exemplarisch das Dispositiv des Fernsehens. Hickethier geht insofern über Baudry hinaus, als er den Dispositivbegriff um verschiedene mediale Anordnungen erweitert. Fernerhin geht er von einer Veränderlichkeit und weiteren Vernetzung aus, wodurch grundsätzlich eine Übertragung auf verschiedene Wahrnehmungsdispositionen eröffnet wird. So verdeutlicht Hickethier anhand des Fernseh-Dispositivs eine freiere Rezeptionshaltung im Gegensatz zum Kino, die nicht ausschließlich durch eine spezifische Anordnung im Raum und einen medial vermittelten Programminhalt gekennzeichnet sei, sondern in gewissem Sinne auch durch eine Rezipienteninstanz selbst, die dazu imstande sei, das Dispositiv mitzugestalten, indem sie situativ Handlungs- und Wahrnehmungsoptionen ergreife. Betrachtet man die Exkursion ebenso als Dispositiv, das die Originale und Rezipierenden als wesentliche Konstituenten des medialen Gefüges zusammenführt und in der Folge eine ästhetische Wahrnehmungserfahrung der Subjekte ermöglicht, erscheint eine Übertragung des Konzeptes naheliegend. 58 Gewiss neigen Studierende auch auf Exkursionen dazu, sich während Referaten oder längeren Diskussionen einen Sitzplatz zu suchen. In vielen Ausstellungshäusern werden inzwischen Sitzgelegenheiten in die Ausstellungsfläche integriert oder Klapphocker (z. B. der Museums­

hocker Stockholm II) zur Verfügung gestellt, doch erlauben dies nur großzügige Raumsituationen. Für die Besichtigung und Begehung einer Großausstellung sind die Hocker aufgrund oftmals dicht bespielter Räume unpraktikabel und an außermusealen Orten ohnehin nicht verfügbar; zudem bieten eng getaktete Exkursionsprogramme wenig Gelegenheit zum Sitzen. 59 Vgl. dazu Hickethier 2003 (wie Anm. 57), S. 192–193. 60 Vgl. ebd., S. 190 und S. 199. 61 Siehe die Angaben zum Werk https://www.documenta14.de/en/artists/13587/mattin (15.05.2019). 62 Ein Schild am Eingang zum Aufführungsraum von Social Dissonance informierte die Teilnehmenden darüber, dass sie sich mit ihrer Entscheidung zur Teilnahme automatisch damit einverstanden erklärten, dass die Werkpraxis aufgezeichnet, live gestreamt und im Netz archiviert werde. 63 Bspw. erfolgte eine Beschäftigung mit dem Reader, Szymczyk 2017 (wie Anm. 46), dem Athener Kulturmagazin South as a State of Mind, das in den Jahren 2015–2017 in vier Ausgaben (Nr. 6–9) als Begleitmedium der documenta 14 fungierte (hrsg. von Latimer und Szymczyk) oder dem diskursiven Forum Parliament of the Bodies, siehe dazu https://www.documenta14.de/en/public-programs/ (15.05.2019). 64 Siehe Hubert Locher, »Worte und Bilder. Visuelle und verbale Deixis im Museum und seinen Vorläufern«, in: deixis – Vom Denken mit dem Zeigefinger, hrsg. von Heike Gfrereis und Marcel Lepper, Göttingen 2007, S. 7–37. Locher verweist auf das disparate Verhältnis zwischen verbalem Zeigen und der Kritik an dadurch entstehenden Beeinträchtigungen in der ästhetischen Erfahrung, z. B. durch störende Beschriftungen etc. Zu Recht hebt er hervor, dass die Ausstellungspraxis jedoch bis heute nicht auf Zeigegesten verzichtet, insbes. S. 10–14. 65 Nelson 2000 (wie Anm. 7), S. 415. 66 Vgl. Eckart Liebau, »Leibliches Lernen«, in: Pädagogische Theorien des Lernens, hrsg. von Michael Göhlich, Christoph Wulf und Jörg Zirfas, Weinheim und Basel 2007, S. 102–111. 67 Siehe dazu Locher (wie Anm. 1), insbes. S. 39–41. 68 Nichtsdestoweniger zeigt bspw. die thematische Ausrichtung der Tagung »Digitale Erfahrungen und Strategien in der Kunstgeschichte nach einem Jahr Corona-Pandemie« an, dass über Perspektiven und Erfahrungswerte sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch der Praxis des Museums- und Ausstellungswesens Austauschs- wie Handlungsbedarf besteht und digitale Transformationsprozesse

noch lange nicht abgeschlossen sind. Veranstaltet vom Verband Deutscher Kunsthistoriker, Ulmer Verein e. V. und Arbeitskreis der digitalen Kunstgeschichte, 26.–27.03.2021 via Zoom. Siehe dazu https://www.arthistoricum.net/ vkg2021/ (20.02.2021). 69 Dies mag auch damit zusammenhängen, dass für viele Ausstellungen sonst gar kein Rahmen zur öffent­ lichen Präsentation gegeben wäre, sofern der Ausstellungszeitraum sich etwa auf die Zeit des sog. Lockdowns erstreckte. Neben digitalen Museumsrundgängen oder Führungsangeboten werden online auch Kunstgespräche oder Einblicke hinter die Kulissen offeriert. Vgl. hierzu z. B. das digitale Angebot des Städel Museums, das schon weit vor der Coronapandemie über eine beachtliche, sehr zeitgemäße Webpräsenz samt Digitalsammlung und weiteren Angeboten verfügte, etwa seit Herbst 2019 auch über einen Podcast. Inzwischen werden außerdem zahlungspflichtige Live-Angebote unter dem Motto »Museum für zuhause« im Netz angeboten. Vgl. dazu https://staedelmuseum.de/ de/angebote/museum-fuer-zu-hause-live (20.02.2021). ­Einige Museen haben während des Lockdowns auch Präsenz vermittelt, indem sie künstlerische Positionen dazu einluden, Arbeiten im öffentlichen Raum zu zeigen. So bespielte z. B. die gebürtige US-Amerikanerin Trisha Baga (*1985) mit einer Projektion ihrer filmischen Arbeit Hope (2020) in der Nacht vom 3. auf den 4. November 2020, dem Tag der Präsidentschaftswahl in den USA, die Fassade des Fridericianums in Kassel. Siehe dazu https://fridericianum. org/de/events/trisha-baga-hope/ (20.02.2021). 70 Bereits seit dem Sommersemester 2020 findet die akademische Lehre weitgehend auf Distanz im virtuellen Raum statt. Mit Aussetzen der Kontaktbeschränkungen und Wiederaufnahme der Präsenzlehre wären bspw. Kunstspaziergänge zu lokalen Architekturen, Skulpturen oder Kunst im öffentlichen Raum unter Einhaltung der Hygienevorschriften trotz Pandemie möglich. 71 Zu technischen Schwierigkeiten bei einer OnlineTour durch eine Ausstellung siehe Andreas Kilb, »Virtuelle Rundgänge. Was das digitale Museum nicht kann«, in: faz. net, 15. April 2020, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ kunst/virtuelle-rundgaenge-was-das-digitale-museumnicht-kann-16724997.html (20.02.2021). 72 Vgl. z. B. die in der Digitalen Kunsthalle des ZDF zusammengefassten Ausstellungsangebote verschiedener Institutionen, https://digitalekunsthalle.zdf.de (20.02.2021). 73 Siehe Kilb 2020 (wie Anm. 71).

Die Exkursion in der kunsthistorischen Lehre

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Digitalität

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»Die historischen Abenteuer des Sprechens sind kein Kontinuum … Es gibt Zäsuren, die ganze Aufschreibesysteme mit einem Schlag vergessen machen …« — Friedrich Kittler, 1985 In 2000, I published an article about how art historians made oral arguments with images.1 Since then, much has happened to art history and media studies, and consequently, I look back at that old work as if from a foreign country. Today, what I find most useful about my essay is its details about slide lectures. At the time I was teaching with slides, a medium that I, like many others, have since abandoned, creating an apparent epistemic break of the sort that interested Michel Foucault or Friedrich Kittler.2 To understand this media discontinuity, the usage of photographic slides needs attention. Art history reached its maturity as a discipline with the slide lecture, and many features of those lectures have migrated to our present digital world. Consequently, a simple narrative of technological determinism cannot adequately account for art history’s present engagement with digital technology. For the article’s title, »The Slide Lecture, or the Work of Art History in the Age of Mechanical Reproduction,« I inserted the word »history« into Walter Benjamin’s famous article, written originally in German as Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.3 The alteration was possible only because the English and

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French versions rendered Kunstwerk as »work of art« not »art work.«4 I changed the meaning of the word »work« from a thing to an action to create a title appropriate for a study of how art history made oral arguments with photographic slides. That same concern has led to the present study. Re-reading Benjamin’s title now, I am struck instead by the word »reproduction,« for the character, status, and availability of reproductions is a basic issue of our digital age. Central to my previous paper was the concept of the communicative triangle of the speaker, what is spoken about (the image), and the audience. What is presented in the art history lecture, as is obvious, is not the work of art, but an image, a reproduction. Heinrich Dilly, who did much to elucidate the early years of art history, called slides the prosthesis of the discipline,5 a useful word, because art historians without their slides are lacking an essential tool. Two other sources provide relevant theoretical terms for slide lectures, as well as later technologies. Art history lectures may be »Apollonian« and appeal to logic and rationality, or »Dionysian« and rely on impressions and emotion. These terms originated in Friedrich Nietzsche’s The Birth of Tragedy from the Spirit of Music (Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik),6 although my definition of this duality differs from Nietzsche’s, which was born from his interest in ancient Greek culture. Types of media themselves may be usefully distinguished by Marshall McLu-

han’s notion of »hot« and »cold« media, a difference that has to do with the level of sensory data provided by the medium, as well as the degree of audience participation. »Hot« media have an abundance of data; »cold« media have a high level of participation. For McLuhan, a lecture was »hot,« a seminar »cold.«7 A hot medium arrives fully formed and all-encompassing. The two sets of distinctions are relative to the context of the discourse in which they are used, in my case the art history lecture. The present paper explores the ways that art historians and curators use images and words to inform their publics. Its three parts are devoted to the teaching media (or, Lehrmedien as it is termed in this volume) of photographic slides, digital images, and virtual reality, the latter being the latest technology used by some museums and art history departments. My evidence derives from and applies mainly to practices in the United States. Chronologically, my analysis begins in the 1950s, with flashbacks to the early twentieth century and the beginning of the art historical use of lanterns, and concludes in the present century.

Slides

Thanks to YouTube, today it is possible to view both actual and fictive lectures. I will start with the latter, a clip from Mona Lisa Smile, an American movie from 2003 that is set in the 1950s.8 The central character, Katherine Watson, played by Julia Roberts, has secured a temporary position at Wellesley College near Boston. Still finishing her doctorate at the University of California at Los Angeles, Watson is a beginning teacher.9 Wellesley is a small, elite liberal arts college only for women. In the film clip, it is Watson’s first day, and she is about to meet her class, History of Art 100. As someone who taught with slides for many years, I can say that the main details of Watson’s lecture are authentic, including being nervous before teaching

one’s first class, a feeling that does not disappear with the use of newer technologies. The film director’s staff has assiduously researched art history education in the 1950s, down to the professor’s two black boxes of slides. They are identical to the ones I was given when I began teaching at the University of Chicago in 1977. These boxes held large lantern slides, which had been a staple of art historical instruction in Europe and the United States from the later nineteenth century until to the 1940s, as well as the smaller 35 mm color slides and their cardboard holders.10 Both formats could thereby be combined in a single sequence. Two boxes were used by professors who employed dual projectors or showed a large number of slides on one projector. Watson only shows one image at a time, but must have prepared many slides to require two boxes. We as the audience don’t get to find out, since her first class ends sooner than she had intended. One small inaccuracy in this scene is that all the slides she shows are in color, which I doubt was the case at Wellesley in the 1950s. In the movie, the art history lecture hall—supposedly at Wellesley, but actually filmed at Columbia University11—has a large white screen that was typical of the era. By the 1950s, slide lectures were well established and were generally given in properly outfitted rooms. This was not always the case. At first, as Heinrich Dilly has noted, slide projection was added to pre-existing halls, as in the case of the seminar room at the University of Leipzig in 1908.12 At the front of the room and on either side of the teacher’s lectern were drawings and photographs relevant to the class. The old method of art history instruction also relied on reproductions circulated around the class.13 To show slides at Leipzig, the projector was placed above and to the left of the lectern, so that the images appeared on the back wall of the room. At Leipzig, the teacher was thus able to see what the students saw after they had turned around. There the lecturer did not

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stand in the front of the room as today, where it is more difficult to see the images properly, since they are projected to the side of the lecturer. Although functional for the professor, the Leipzig arrangement did not prevail, presumably because once slides were adopted, the older visual aids were not needed anymore. Audience convenience and the tradition of theatrical seating dictated the arrangement used today, but not all German professors immediately moved to the front of the hall. A former student of the famed art historian Heinrich Wölfflin (1864–1945) remembered him standing »next to the slide machine in the back of [the] auditorium.«14 Precisely when professors began to speak from the front of the lecture hall is not known, but by the 1950s Watson’s position at the head of her class had been standard for decades. At the beginning of the film clip, the camera draws close to Watson. Talking to a colleague, she stands at the entrance to her classroom. Next, a partial view into the lecture hall shows us what she sees; the following close-up of her face confirms that the previous shot was from her point of view. The film then jumps to a general shot from a camera at the back of the room, giving us the student point of view, as the professor enters the classroom. Next, we switch back to Watson’s view, looking out at the class. These are examples of the shot/reverse shot film technique, in which the camera focuses on someone, then reverses to show what that person is seeing. In the process, the spectator’s eye merges with that of the camera, making viewers part of the action and, in the case of Mona Lisa Smile, encouraging us to alternately assume the positions of teacher and student. Once the film is thus unified or »sutured,« to use a term from media studies, the scene continues.15 Watson speaks to the class generally and then to the projectionist personally, a shift in conversational footing, and yet another indication that the slide projectionist and her slides are an integral part

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of this slide lecture, as they were in the Heidi Chronicles, the source that I used in my earlier article in 2000.16 A dialogue ensues between teacher and students that is less important to an analysis of the slide lecture than to the narrative of the film, with one exception—Watson’s first question, »Can anyone tell me what this is?« The word »this« is a spatially deictic expression, words that only make sense in an actual spatial setting so that all present understand that »this« is the projected image. In identifying the work of art, a student responds without the deictic, referring not to the projected image but to what it represents, for teacher and students have tacitly agreed that the on-screen image is the work of art itself. As Frederick Bohrer has written, »The elision (or, better, reduction) of [an] art object to its photographic image is the very key to both the productiveness and limitation of modern art history.«17 In the darkened lecture hall, distractions fade away, allowing the class to focus their attention on the brightly lit image on the screen. In so doing, another form of suture takes place: the eyes of the audience meld with the lens of the projector, so that they see what the projector shows, the camera captured, and the painter painted. In the presence of a dynamic lecturer, their eyes are added to the equation, as observed by a student of Wölfflin: »Wölfflin, the master of extemporaneous speaking, places himself in the dark and together with his students at their side. His eyes, like theirs, are directed at the picture. He thus unites all concerned and becomes the ideal beholder, his words distilling the experiences common to everyone.«18 In sum, Wölffin’s presentations were enthralling, an apt word for the circumstances, as the etymology of »enthralling« goes back to the notion of enslaving. Suture is a benign form of enslavement.

For her second class, Watson decides to take another approach, as shown in another film clip.19 She had learned in the previous lecture that her students had memorized the assigned text (is there any doubt that we are watching fiction?). The initial slide of her second lecture, Carcass of Beef by Chaim Soutine, shocks the students; as they discuss it, she walks to the back of the room and sits on the stairs, thereby becoming, like Wölffin, part of the group. From there, she poses pedagogically productive questions: »What is art? What makes it good and bad? And who decides?« The students work with her to interpret the Soutine, responding not with regurgitated facts, but with opinions and emotions. As they participate, the class changes from a lecture to a seminar, from a »hot« to a »cold« medium in McLuhan’s terms. In art history lectures, speakers use either their hand or an extension of the hand, for example a pointer, to direct the audience’s attention to particular details and thereby maintain suture. Joseph Leo Koerner of Harvard University mentions such a mundane occurrence in the preface to his book, The Reformation of the Image.20 Lecturing on material that later became the book, Koerner began a class by presenting a painting by Caspar David Friedrich on the left screen, then the standard position for the »anchor« slide to which image comparisons were made. Next, he showed from the right projector the predella of the Wittenberg Altarpiece that depicts Luther in a pulpit preaching and gesturing to his audience from the right side of the image. As Koerner spoke and gestured, his students noticed something that he did not, namely that when he pointed to the Wittenberg Altarpiece, the shadow of his hand merged with the pointing hand of Martin Luther. At that moment, he wrote that »preacher and teacher, pulpit and podium, sermon and lecture, parishioners and undergraduates … all seemed part of the same mechanism.«21 Past and present were sutured together in the Harvard classroom.

At Wellesley, Watson re-presented and re-produced the work of art by means of the slides, but the illusion was that neither has taken place, because the tacit agreement between Watson and her students is that the slide image is the work of art. As photographs, slides were regarded as »indexical signs,« a term from the semiotic system of the American philosopher Charles Saunders Peirce.22 An index has been affected by its referent and has a direct existential connection with it. Common indices are smoke for fire, or a shadow for an object that blocks the light. Early photography was an example of a pure index—the image was created by light falling on the photographic emulsion of film or paper. Later post-process techniques in the dark room, such as enlargement, change in contrast, and the insertion or deletion of details in the photograph, compromised that indexicality. Nonetheless, popular opinion long subscribed to the original notion of a photograph, which literally means »light writing.« Lecturers exploited this belief to juxtapose objects of greatly different dimensions as if they were equal. Such arguments were possible only with dual projectors or what Koerner termed the »profession’s coincidence machine,« a coincidence being by definition »a notable concurrence of events or circumstances having no apparent causal connection.«23 For example, when I taught medieval art, I made the well-known comparison of the Gothic frames of the Psalter of Saint Louis with the window tracery of the contemporaneous Sainte-Chapelle in Paris, even though the difference in scale is great.24 The same objection applies, of course, to books illustrated with photographs that are enlarged or reduced in size from original works of art, as Edgar Wind already observed half a century ago.25 The slide lecture also reduced everything to two dimensions, so that painting, sculpture, and architecture appeared the same. Architectural historians fought against this by presenting ground plans, in

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fig. 1 French Impressionists, 1908, Nationalgalerie, Berlin

order to walk the class through a building or site, and historians of the book presented text pages to remind the class that medieval miniatures were not framed paintings in a museum. Frames themselves were routinely excised from art historical reproductions, occasionally with some difficulty, as was the case with Raphael’s tondo Madonna della Sedia.26 By convention, lecturers ignored the spatial context of images. All art history lectures, whether with slides or digital media, begin with a white screen, as in the fictional Wellesley lecture hall. In the slide lecture, one or two images were shown on those screens. Wölfflin was famous for lecturing with two slides in comparison, but he was not the first German art historian to do so.27 Today such image comparisons are so ordinary that we tacitly accept them as a given part of our discipline, but Zeynep Çelik ­Alexander has shown how they originated in a period when the comparative method was in vogue.28 The art historical lecture with photographic slides first began in Germany in the later nineteenth century and then spread to every place art history was taught. During the ensuing decades, lectures varied little, in spite of several changes: from gas-fired to electric projectors, large glass lantern slides to small

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35mm film slides, and from black-and-white to color images. Through it all, art historians projected images on white screens, an aesthetic choice and technical requirement, as white is more reflective. But there also was a larger context for the white screen. In this regard, I have profited from Charlotte Klonk’s studies of the history of museum and commercial exhibition spaces around 1900.29 Exhibition formats in that period changed from paintings hung one above the other to cover much of the green or red walls of a gallery to Peter Behrens’s innovative installation of German art at the Nationalgalerie in Berlin in 1906.30 There and in the museum’s exhibition of French Impressionists in 1908 (fig. 1), paintings were displayed in a single row against a white background. Beholders were meant to concentrate on one or two paintings shown side by side. The art history lecture hall simulated that same experience. In Germany, the modernist hang and the slide lecture were part of the modernist visual regime. Our familiarity with slides, whether photographic or digital, dulls us to the effects that they initially engendered in audiences in the late nineteenth and early twentieth centuries. For example, when William Morris attended an illustrated lecture about early printing in 1888, he left entranced by the greatly enlarged letters that he saw and resolved to design a new font for his editions.31 In 1916, when projection technology was still young and powerfully present for both speaker and audience alike, Max Weber, a Russian-born American artist, created the large pastel Lecture at the Metropolitan Museum (fig. 2).32 With more than a hint of Cubism, Weber rendered the visual power of the auditorium’s projection booth and the stream of golden light that expands to fill the screen at the right. The force of the projected image is so great that it echoes through the encircling seats of the auditorium like the ripples in a pond when some-

fig. 2 Max Weber, Slide Lecture at the Metropolitan Museum, 1916, pastel on paper, 62.2 × 47.6 cm, New York, Metropolitan Museum of Art, Estate of Max Weber

thing breaks the water’s still surface. Weber depicted all this for a lecture about Giotto. He represents it as if it were a »Dionysian« lecture using a »hot« medium. Another early reaction to projected images comes from the poet Rainer Maria Rilke, who toured Europe from 1905 to 1907, delivering an unillustrated lecture about Rodin. As Brigid Doherty recounts, the poet sought to convey the power and majesty of Rodin’s work through spoken words, and thus he intentionally did not show lantern slides, even though he was familiar with the medium. He did, however, evoke those slides at a crucial moment in his talk. Mentioning Rodin’s

statue of Balzac, he said: »And—your eyes, like the lenses of a magic lantern, cast a gigantic Balzac past me onto the wall.«33 Rilke’s simile makes clear the operations of suture that I discussed regarding the film clip of Mona Lisa Smile, as well as the power and presence of lantern slides, especially when they enlarged the work of art. As for early art history classes with slides, prime examples are found in the teaching of the first and second professors of art history at the University of Berlin, Herman Grimm (1828–1901), ordinarius from 1872 to 1901, and Heinrich Wölfflin, his successor until 1912. Grimm, an arch-Romantic, was the son and nephew of the Brothers Grimm and

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subscribed firmly to the great-man or, in his case, great-artist theory of history.34 He wrote books on Michelangelo and Raphael that were well received by the public but not by fellow art historians.35 Today, he is perhaps best remembered for the incorporation of lantern slides into his teaching, as he explained in an essay of 1897.36 Grimm taught with the sciopticon, an early form of the slide projector since 1892, purchasing it and the lantern slides with his own funds.37 In his essay, he wrote about his first experiences of using slides to teach Renaissance art: when the work of art is projected on the wall, his audience sees the image and hears his words at the same time, which was a distinct improvement over the earlier teaching method of passing reproductions around the class.38 For Grimm, literary and cultural context dropped away in the auratic presence of the work of art. In the darkened lecture hall, Raphael’s earliest masterpiece suddenly appears on the wall, stunning and larger than the actual painting. It was an encounter with the living presence of a great work of art. The sciopticon isolated the past work and created a new work in the present.39 In sum, Grimm used lantern slides to stage the Romantic sublime, or as Frederick Bohrer put it, Grimm created »dramatic performances, whose goal was a sort of ideal presence, magically transporting audiences to Raphael’s frescoes or Michelangelo’s sculpture.«40 In that sense, Grimm’s performances resembled the magic lantern entertainments that were popular in the nineteenth century. For him, slides were a »hot« medium and a »Dionysian« experience. Heinrich Wölfflin showed two slides at a time in order to compare and contrast works of art. Following the introduction of lantern slides, the use of dual projections was the next pedagogical advance, according to Goldschmidt.41 Wölfflin taught the comparative method in order to establish formal aesthetic categories, which he used in The Principles of Art History (Kunstgeschicht­liche Grundbegriffe),

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published in 1915.42 In his lectures and book, he built up an »Apollonian« argument about Renaissance and Baroque art, something that was far from Grimm’s intention. In contrast to Grimm’s epiphanies of auratic masterpieces, Wölfflin showed his audience how to analyze early modern art, and thus required their active participation in the analysis so that they could employ his categories elsewhere. He thereby made the slide lecture into a »cool« medium. In later decades, most art historical lectures fell somewhere in the middle between the »hot/ cold« and »Dionysian/Apollonian« dichotomies. However, these distinctions are useful for thinking about the discipline’s transition to digital media.

Digital Images

When art historians switched to what Johanna Drucker called »digitized art history,«43 the status and context of the photographic object changed, and »digital art history,« the preferred name, has become a burgeoning field with its own journals— online, of course.44 Databases of images replaced the slide collections of art history departments, and this change in media has had social and technical consequences. After the switch to digital images, classes no longer needed slide projectionists, an important source of student jobs, and digital collections required a smaller staff than slide archives. The slides themselves were either discarded or put in long-term storage. Each photographic slide had been unique, and copies were inferior to the original. Now digital images are copied and transferred effortlessly with no loss of quality or difference from the original. In the new regime, image supplanted object. As physical entities, slides were handled by professors and projectionists, either of whom might reverse the slide or turn it upside down in the slide box and/or the projector. If dropped, glass slides shattered and had to be destroyed. Color film decayed

and faded or turned pink. Digital images do not fade and cannot be broken, although they can be deleted by mistake. Slide projectors showed what was on the film and at its resolution. Digital projectors can only cope with smaller images. A 35mm slide has been estimated to equal an 87-megapixel image.45 One of the finest small format digital cameras on the market now, the Nikon D850, produces 45-megapixel images. However, a high-quality digital projector can show only an 8-megapixel image, and the models commonly used in classrooms support just a 1024 × 768 pixel resolution or .78 megapixels. Since the shift to digital, art historians have been working with lower-quality images. Formerly, every member of an art history department visited the slide collection several times a week, if not daily, to select images for their classes. As a result, slide archives were the principal meeting places for the faculty and the place to get quick answers about art works in a colleague’s field. Now art historians in the United States work in isolation, from their offices or homes, and find images in university databases or in the constantly growing holdings of Artstor, a collection of millions of images established by the Andrew W. Mellon Foundation.46 As in the past, professors still take their own photographs but now store them electronically to be accessible wherever they take their external hard drives. Today many museums have uploaded digital images of their artworks to the internet. Google has brought together vast numbers of such images on its Arts and Culture site, making yet more tangible André Malraux’s musée imaginaire.47 The increased availability of art images is changing the canon of art. Artworks in museums whose collections are digitized and readily available have become the art that is taught and published. Malraux once declared that the history of art consisted of that which had been photographed48—today it is what has been digitized and uploaded to the web.

However, all museums are not equal in this respect. Some still charge large fees to reproduce images, even in scholarly journals and books, fees that authors—not publishers—usually have to pay. Inevitably, those organizations will see their art marginalized. Moreover, the importance of the archives and libraries of the great universities and museums that once were essential for detailed research is waning. Thanks to the internet, their advantages are being extended to scholars everywhere. Nonetheless, we have not reached a utopia like the mythical library of Alexandria that contained all books. Although the internet of images might seem to be a great cultural leveler, it first benefits those individuals and establishments with the sufficient education and income to use it effectively, thereby maintaining and even increasing economic inequalities. PowerPoint, a Microsoft program, has become the standard platform for presenting digital images in art history lectures. The computer engineers Robert Gaskins and Dennis Austin created and named the program in the 1980s and released it in 1987, while working at the software company Forethought. Shortly thereafter, Microsoft bought Forethought and incorporated PowerPoint into its suite of software applications, which are used worldwide.49 Designed originally for business presentations that aimed to sell something, whether shoes, ideas, or the presenters themselves, PowerPoint is visualized rhetoric; and like all rhetoric it is a form of communication meant to persuade. Some art historians began using the program for digital lectures in the 1990s. In the next decade many more professors came to rely upon it, or its Apple equivalent Keynote. In the process, they transferred aspects of slide lectures to the new medium. PowerPoint itself had imitated older practices, referring to separate panels as slides.50 This migration of aspects of one technology to another is an old phenomenon. Thus, in the transition from manuscript to printed books, printers’ fonts

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copied handwriting styles, and the odd letter patterns of typewriters, which had initially been created to prevent keys clashing on manual machines, eventually migrated to electric typewriters and then to computers. Media transfers occur in other aspects of art history lectures on PowerPoint, especially in what the French literary theorist Gérard Genette termed paratext, those aspects of a book that supplement the text itself, such as the book cover, table of contents, or list of illustrations.51 Digital art history also has paratexts, for example, the title slide at the beginning of a lecture. One example of a PowerPoint paratext is the background color chosen for each panel. Since white had been the default wall color of art installations for decades, art historians employed a white screen for slide lectures, and initially presented digital images on a white background.52 Some professors, however, observed that a white background washed out paintings, making them look similar to underexposed photographs, and chose black grounds instead. On the other hand, some historians of photography preferred a white ground for black-and-white photos to bring out their gradations in value, as did some scholars of Chinese and African art. Others experimented with different backgrounds. In the early years of digital slide lectures, between about 2003 and 2005, I attended art history lectures with paintings shown on blue grounds, a practice less common today. Many lecturers rejected colored grounds because they interacted with the palette of the object displayed, as Joseph Albers observed and made the basis of his series Homage to a Square. Those art historians preferred black or gray for their PowerPoint grounds. In America today, the art historical profession has generally settled on black as the proper background, even though it gives undue emphasis to contrasting white text. Art historians in other countries, however, may have different customs.

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Captions are another supplementary item in PowerPoint and are added to images to give professors firmer control over identifications and attributions than mentioning them out loud. Students also benefited from seeing the correct spelling of foreign terms and names. Initially practices varied as to where captions should be placed. Some speakers put words on images, as is done routinely in collage or advertising. Most felt, however, that this violated fine art framing practices. A standard PowerPoint format put the caption block at the top of the screen, but gradually most scholars moved that information to the bottom of PowerPoint slides, following the convention of print and film media. Finally, formal art history lectures typically begin with a title slide, consisting of the title, a key image for the topic, and the presenter’s name in imitation of the covers and title pages of books. In contrast to the paucity of slide lectures available on the internet, examples of digital art history lectures are abundant. I have selected two for analysis and comparison with slide lectures: an informal lecture similar to what a professor might present to a class, and a formal academic address. The first video, from 2017, records the Renaissance art historian Alexander Nagel of the Institute of Fine Arts of New York University, speaking at the Institute for Advanced Studies in Princeton about »The Dark Side of the Earth in the Sixteenth Century.«53 He initially focuses on a fresco in the Borgia apartments at the Vatican and argues that it refers visually to Columbus’s discovery of the New World. Later he makes an original reading of a detail of Raphael’s School of Athens. Professor Nagel speaks from a small lectern and often gestures to the nearby back-lit screen in a manner similar to, but not the same as, that used in a slide lecture. Pointers, whether laser pointers or wood sticks, do not work on a back-lit screen. Using it or any digital screen for that matter, speakers should not touch the surface, which would have

cramped the style of one of my teachers, Richard Krautheimer, who assuredly belonged to the pre-digital era. When we students became sleepy during an afternoon’s lecture, he liked to slam his long pointer against the painted wood screen to wake us up, a highly effective technique. At the more august Institute for Advanced Study, Nagel merely gestures to the screen. With a back-lit screen, the lecturer’s hand also no longer casts shadows on the screen, as Joseph Koerner once put to good use when discussing the Wittenberg Altarpiece. To change slides, Nagel uses a digital remote, thereby eliminating the need for a slide projectionist and the speaker’s interaction with that person, as seen in The Heidi Chronicles and Mona Lisa Smile. Unlike the slides in Mona Lisa Smile, Nagel’s digital images advance soundlessly and do not interrupt the flow of the lecture. The result better resembles a documentary with voice-over than it does old slide lectures. In Nagel’s presentation, images appear on a black background with white captions at the bottom of the screen, the now canonical format of an American slide lecture. Nagel shows one or two images at a time, as in a slide lecture, and makes constant reference to them by glancing or moving to the screen and sometimes pointing to a detail in the painting. While he appears to have notes or a formal paper on the lectern, he reads from neither. In this respect, the performance resembles a classroom presentation. Nagel’s continual verbal and bodily engagement with the images holds the audience’s attention. He often uses the phrase, »You will notice … » to draw attention to a particular detail. The presence of the second person »you« is a marker of conversation and dialogue, and yet another sign that the speaker and audience share the same space, even if we are now looking at the pre­ sentation on a computer screen. The use of »you« draws together the three components of the lecture, speaker, audience, and image in a manner

similar to the suture of the shot/reverse shot technique used in films. In contrast, Joseph Connors’s presentation to the World Monuments Fund at the National Gallery in Washington represents the more formal style of the digital lecture.54 Professor Connors, an architectural historian at Harvard University, was formerly the director of the American Academy in Rome and Harvard’s Villa I Tatti in Florence. He speaks and acts differently from Professor Nagel in his presentation, »Renaissance and Baroque Rome: The Art of Urban Form.« The video of the lecture focuses either on the speaker, the image on the screen, or both. After an extended introduction by the president of the Fund, Connors turns to the screen and advances to the first slide after the title. Soon he calls for the lights to be dimmed, rendering more legible the digital images, which lack the sharp detail of photographic slides. The reduced lighting resembles a theater or cinema and diminishes the speaker’s presence in the room, save for his head illumined by the podium light. Looking out over the dark room, the speaker would have difficulty discerning individual audience members, and he addresses virtual spectators on the internet as much as those attending the lecture. The lecture opens with a satellite view of Rome from Google Earth, yet another digital innovation that has transformed classroom and formal lectures, displacing older vistas from paintings or prints. The view from near outer space establishes the physical context of Baroque Rome, but in a manner different from the daily, lived experience of a city, a point that Michel de Certeau made in regard to elevated views from skyscrapers.55 Soon we see more detailed views. Connors prefers optical rather than haptic means to isolate elements of aerial views, and overlays images with colored circles, something that is easy to do in PowerPoint. Unlike Nagel, Connors remains at the podium and seldom walks to the projected images, which may

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not have been easily seen from his position. In this presentation, the visual or optical—not the haptic—prevails, as in a film. The lecturer instructs and leads his audience around Rome. They do not experience the streets of Rome by themselves. Indeed, they are discouraged from doing so: »When you go to old Rome today… you will find it very confusing.« We need our guide. He teaches the supporters of the World Monuments Fund and us about the urban fabric of Baroque Rome and the great building projects that transformed it. In so doing, he speaks not so much about isolated monuments as about intertwined streets and buildings in conversation with each other. Occasionally we glimpse the speaker, but mainly, Rome itself holds our attention. Connors’s presentation is closer to a voice-over documentary than Nagel’s. Nevertheless, both presentations remain lectures, because of the use of the first and second person. Narrators of documentaries speak in the third person, and like actors ignore the camera and its audience. While art historical presentations with digital images remain lectures in a tradition that stretches back centuries, aspects of them also anticipate newer teaching methods that blur the distinction between lecture and cinema. Connors offers his audience the experience of the streets and buildings of seventeenth-century Rome. In contrast, Nagel makes an argument, assembling the evidence for the visual awareness of the New World at the Vatican in the early sixteenth century. While the differences between their lectures are not as great as those separating Grimm and Wölfflin, they nonetheless may be described through the categories of Nietzsche and McLuhan: Nagel’s medium is »cool,« and his rhetoric is »Apollonian,« while Connors’s is the opposite. In sum, the advent of digital images did not fundamentally alter art historical lecturing styles. The next technical innovation to be discussed may have a more substantive effect on the discipline.

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Virtual Reality

Some museums and art history departments have begun incorporating imaging presentations about major objects in their collections or central monuments on the syllabus. Augmented reality (AR) places computer-generated images in a real-world environment, whereas virtual reality (VR) creates a wholly fictive world. Both are interactive, meaning that viewers control where they look. Precise distinctions between AR and VR are not always maintained in the literature, and thus I will mainly use VR to refer to both VR and AR. Neither was created for art history classes or museum web pages, and both have more lucrative applications for real estate visualizations, computer gaming, and the modeling of situations of high social value, such as military games, surgery, or flight simulations for pilots.56 Conceptually, AR/VR creations are no different from those museum exhibitions that place objects in settings thought historically appropriate, e.g., the Cloisters, a medieval museum in New York, or in museum period rooms that were popular in the earlier twentieth century but often disassembled later.57 Similar effects are now achieved digitally, and museums have created on their websites what otherwise might be achieved only by grand international exhibitions or Malraux’s imaginary museum.58 For example, the Metropolitan Museum has combined in a VR its murals from the Roman villa of P. Fannius Synistor at Boscoreale with those held in eight European museums.59 Using a model of the villa, the VR returns all frescoes to their original locations. At the beginning of the VR, a ground plan turns into a three-dimensional model that rotates around to the villa’s entrance. Insipid computer music plays in the background, a feature taken from computer games. The spectator walks through the main door and into a spacious atrium decorated with frescoes and then into smaller decorated rooms off

the atrium. Inside each space, the viewer turns around to look at the frescoes before continuing to another room. A ground plan in the lower left corner provides continuous orientations within the complex. The VR has only minimal historical information. Thus, it is not the equivalent of an art historical lecture on the villa, but instead an opportunity to experience a Roman villa, in a way similar to visiting the actual architectural recreation of the Villa dei Papiri at the Getty Villa in California, or the ruins of Pompeii themselves. The crucial difference is that the Metropolitan Museum VR is available anywhere in the world at any time, and at no cost. Imaging technology is being used in museums in diverse ways. In AR/VR, animal skeletons come to life in a natural history museum, and holographs of early astronauts narrate their adventures for an aviation museum.60 Not all such endeavors are prepared or authorized by the museum itself. At the Museum of Modern Art in New York, artists have created an AR app that alters what is exhibited in a gallery. Using it, visitors with smart phones see not the paintings of Jackson Pollock, for example, but other art and messages.61 In a similar manner, an app for the Isabella Stewart Gardner Museum in Boston rehangs paintings that were stolen several decades ago.62 The recreation of the Boscoreale villa is part of an efflorescence of digital archaeological projects throughout the world.63 One of the largest endeavors is the photographic survey of the seven hundred Buddhist caves at Dunhuang, China.64 The VR presentations of some of the caves give internet visitors a sense of the scale and arrangement of the mural programs. In this respect, remote Dunhuang is better documented than well-known historical monuments in Europe or the United States. Over the past generation, the field of Roman archaeology has been transformed by digital reconstructions of prominent sites.65 In another area of antiq-

uity, a VR presentation prepared at Yale University allows the viewer, wearing VR goggles, to stand in the throne room of the ancient palace at Nimrud in Iraq.66 Used in conjunction with a class about the ancient Middle East, the Nimrud VR puts back together what ISIS destroyed and gives the viewer a sense of the grandeur of the hall. VR creates wholly artificial worlds, even if based on valid data. Not all are pedagogically useful; a case in point is the simulation of Van Gogh’s Night Café in the Yale University Art Gallery. In it, viewers move into the painting, looking at objects in the room, first as they would be seen from the fourth wall of the spatial box. Then they proceed further into the room to see, for example, the billiard table from different angles. Fiction rules, however, when the simulated digital camera then turns into an adjacent room, where a pianist plays the music that has been heard from the beginning.67 What might the educational value be of such work? None, as far as I can tell, but it is mildly interesting. Of greater significance is the virtual recreation of Rembrandt’s Anatomy Lesson of Dr. Tulp, which is available on an iPhone app. The VR describes the event and shows how Rembrandt executed the painting.68 Also to be commended is the virtual gallery that the Kremer Museum created so that a large private collection of Dutch seventeenth-century paintings can be widely enjoyed. As the Kremer’s founder put it, »Imagine taking the museum to the people instead of taking the people to the museum.«69 For classes at Columbia University, its Media Center for Art History in the Department of Art and Archaeology has created perhaps the greatest VR project to date, over two thousand VR panoramas of world architecture, which have been contributed to Artstor.70 The 360° spherical panoramas allow viewers to explore the interior and exterior of buildings. Some of the VRs are further enhanced. A recent production recorded a choir in Amiens Cathedral and added the music to the panorama of

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the church. While in the VR, a viewer hears the music while standing first in the choir of the great cathedral, then at the entrance to the choir, and finally inside the western entrance. The aural transition is from slight to great reverberation, an effect for which the Gothic cathedrals are famous. For the full experience, VR googles are necessary, but the music and the panoramas are available for all on the internet.71 Walter Benjamin was concerned about the loss of aura and the uniqueness of the work of art due to mechanical reproduction. AR and VR (re)create aura, and for some professors that is one of their chief virtues.72 Both VR and sonic re-creations immerse audiences in reconstructions of the past. Immersion is the hallmark of computer games and computer simulations in popular movies. Students may thus be more familiar with the effect than professors. Using the VRs from Columbia, professors have the opportunity to place their students in buildings all over the world. These »spaces of experience,«73 to borrow the title of Klonk’s book, belong to a long tradition of immersive visual environments, as Oliver Grau has noted,74 and thus are not as radically new as sometimes claimed. Indeed, the desire to be absorbed into the work of art and overwhelmed by that experience was a hallmark of Romanticism two centuries earlier. Cinema has also endeavored to create such effects, from wide-screen movies and Dolby Surround Sound to the implementation of CGI in the Star Wars series and the 3D effects of Avatar that required the audience to wear special glasses, a simple version of VR goggles. VR produces an especially intense immersion, because the world of the simulation is not »out there,« like actors on a stage or in a film. Instead, thanks to the goggles, the virtual environment envelops viewers wherever they look. As a technique, immersion, according to Grau, »arises when artwork and technologically advanced apparatus,

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message and medium, are perceived to merge inseparably.«75 VR creates what Manovich calls »telepresence … the ability to see and act at a distance.«76 Because the viewer in VR is part of what is viewed, the psychological distance necessary for analysis becomes difficult. Grau describes the result as »Dionysian,«77 and indeed the art historical precedents are the aforementioned lecturing styles that also recreate the world of the art and artist. What then is the teacher’s role when using VR? Will the medium overwhelm the message, the content of the professor’s presentation? At Columbia, professors select which views the students see and thus order the visual material as they would with photographic or digital images. In the classroom use of the VR, students are free to move around a 360° panorama as they wish, which may divert them from what the professor is saying. But these are the problems of being there, and are no different from taking a class, for example, to a Gothic cathedral. Some students will wander away or not look in the direction that the professor advises, but a skilled teacher will maintain the class focus. Nonetheless, VR presents a challenge to a professor who wants to build up an inductive argument step by step through a series of images. Grimm would possibly have been more comfortable with VR than Wölfflin. In his recent book, Teaching with the Screen: Pedagogy, Agency, and Media Culture, Dan Leopard introduces the useful concept of the pedagogical agent, which is similar to, but also different from, Dilly’s prosthesis, for agents are more active and instrumental.78 Instructors of all sorts have long relied on such agents, from blackboards and phonograph records to photographic slides. They have always had to guard that such agents do not hinder learning and the teacher/student relationship. For example, mathematics professors, who derive formulas on the blackboard without turning to face their classes, have no idea if the students are under-

standing the material. Lecturing with slides in a dark room presents similar challenges and can stifle interaction with students, as Goldschmidt already understood.79 VR creates problems of yet greater magnitude. The image quality of VR varies greatly. At one end are the Columbia panoramas, based on photographs taken by a high-quality digital camera.80 At the other is the computer-generated imagery of archaeological reconstructions. Indexicality applies to the former but not the latter. Over time, the image quality of VR will improve due to advances in computer technology, even if the pace of past progress may not continue.81 With the use of artificial intelligence, computer engineers are close to creating video that is realistic and convincing but entirely fictitious. Such productions will have many consequences, the least of which is the loss of indexicality.82 Still, the proliferation of fake VRs has the potential to undermine VR generally. Art history, however, has a more pedestrian problem: while digital cameras and computers steadily improve, the weak link for art history lectures is the digital projector, whose ability to project high-quality images is currently is currently far behind. As demand for VRs of historical sites increases, many institutions may begin producing them, for as previously mentioned, that which is digitized and made available on the internet will increase the reputation of a site and influence the history written about it. Over time, AR and VR will be replaced by better technology, although no one can predict the future forms of aesthetic immersion. What is more certain is that in the future, more and more art historians, long accustomed to digital imagery, or »Born Digital,«83 will assume positions of leadership in the discipline in the history of art. They, in turn, will devise new technologies and promote the adaptation of systems designed for other purposes in the better-funded fields of science and medicine.

This paper began by reprising my old article’s concept of a three-part structure for illustrated lectures: speaker, image, and audience. Digital art history has made significant changes to this triangle that are more apparent than real. PowerPoint allows more data to be incorporated into the presentation in the form of captions, primary sources, or multiple images. Yet, fundamentally, art historical lectures with digital images may still be »Apollonian« or »Dionysian,« and the treatment of the visual medium either »cold« or »hot,« depending upon the teaching style. Greater change will come with broad adoption of VR in classrooms. A hot medium with Dionysian characteristics, VR immerses the audience in the artwork, and teachers tend to disappear no matter what rhetoric they use. Will the pedagogical use of VR lead to the questioning of the historicity of digital presentations more generally? It should. Scholars have long criticized restorations, whether actual or hypothetical. In the future, they need to apply the same exacting standards to VR. These and other interrogations would be welcomed, since digital art history has yet to receive analysis and criticism comparable to that of photography and film. AR/VR may or may not be the next digital technology to find widespread adoption, but something like it is apt to dazzle and beguile future art historians, especially those teaching in the tradition of Herman Grimm. For immersive technologies, McLuhan’s adage applies: the medium is the message.84 How will the »Dionysian« effects of VR be reconciled with »Apollonian« rhetoric in the future? Will VR attract more students to art history classes as the introduction of slides once did? Today, immersive technologies seem poised to change art history, but precisely how is as difficult to envision as the future technologies of art history would have been for Grimm and Wölff­ lin a century ago.

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1 Robert S. Nelson, »The Slide Lecture or the Work of Art ›History‹ in the Age of Mechanical Reproduction,« in: Critical Inquiry, 26, 3, 2000, pp. 414–434. 2 Friedrich A. Kittler, Aufschreibesysteme 1800/1900, Munich 1985, p. 183: »The historical adventures of speaking do not form a continuum and … are marked by breaks that in a single stroke can consign entire discourse networks to oblivion …« in: Friedrich A. Kittler, Discourse Networks 1800/1900, Stanford, CA 1990, p. 177. 3 Walter Benjamin, Illuminations, ed. by Hannah Arendt, New York 1968, pp. 217–251; idem, Gesammelte Schriften, ed. by Rolf Tiedemann and Hermann Schweppenhäuser, vol. 1, 2, Frankfurt am Main 1974, pp. 431–508. 4 L’œuvre d’art à l’époque de sa reproduction mécanisée,« for which see Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit [1935], ed. by Burkhardt Lindner, Berlin 2012, pp. 164–199. 5 Heinrich Dilly, »Lichtbildprojektion – Prothese der Kunstbetrachtung,« in: Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung, ed. by Irene Below, Giessen 1975, pp. 153–171. 6 Discussed in section 1–6: Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik [1872], Stuttgart 2014, pp. 20–46; Friedrich Nietzsche, The Birth of Tragedy and The Case of Wagner, ed. and trans. by Walter Kaufmann, New York 1967, pp. 33–56. These terms are discussed in Paul Raimond Daniels, Nietzsche and The Birth of Tragedy, Durham 2003, pp. 41–71; and Barbara von Reibnitz, Ein Kommentar zu Friedrich Nietzsche »Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik«, Stuttgart 1992, pp. 54–89. 7 Marshall McLuhan, Understanding Media. The Extensions of Man, Cambridge 2001, pp. 22–32. 8 https://www.youtube.com/watch?v=A9R2MRYwv_Y (Dec. 10, 2019). 9 To the extent that it matters, the film errs in its implied chronology of the UCLA program, for it was not likely to have had a doctoral student able to teach else­ where in the 1950s. The first PhD student in art history at UCLA was only admitted in the fall of 1956 and received the PhD in 1964, the first awarded by the department. I thank Prof. Miwon Kwon, the chair of the UCLA department, for this information. 10 On lantern slides in America, see Howard B. Leighton, »The Lantern Slide and Art History,« in: History of Photography, 8, 2, 1984, pp. 107–118. On the transition to what were initially called »miniature« slides, see p. 113. 11 The lecture hall in one of the original Columbia buildings has been used for multiple American movies: http://www.scoutingny.com/the-most-famous-classroom-

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in-new-york-city-2/ (Dec. 10, 2019). I thank Nicole Paxton Sullo for this reference. 12 Heinrich Dilly, »Weder Grimm, noch Schmarsow, geschweige denn Wölfflin … Zur jüngsten Diskussion über die Diaprojektion um 1900,« in: Fotografie als Instrument und Medium der Kunstgeschichte, ed. by Costanza Caraffa (I Mandorli, 9), Berlin 2009, pp. 91–93; Susanne Neubauer, »Sehen im Dunkeln – Diaprojektion und Kunstgeschichte,« in: Georges-Bloch-Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich, 9/10, 2002/03, p. 178. 13 Adolph Goldschmidt describes teaching methods before lantern slides: »Kunstgeschichte,« in: Aus fünfzig Jahren deutscher Wissenschaft; die Entwicklung ihrer Fachgebiete in Einzeldarstellungen, ed. by Gustav Abb, Berlin 1930, pp. 194–196, as does Franz Landsberger, Heinrich Wölfflin, Berlin 1924, pp. 92–93. 14 Wolfgang Born, »Heinrich Wölfflin 1864–1945,« in: College Art Journal, 5, 1, 1945, p. 46. Landsberger remembered him standing beside the students, see Landsberger 1924 (as note 13), p. 94. 15 On »suture,« and the creation of subject positions in film, the literature is large but a useful overview is Shaun Moores, »Text, Readers and Context of Reading: Developments in the Study of Media Audiences,« in: Media Texts. Authors and Readers, ed. by David Graddol and Oliver Boyd-Barrett, Philadelphia 1994, pp. 256–272; and more recently Francesco Casetti and Daniel Leisawitz, »Sutured Reality: Film, from Photographic to Digital,« in: October, 138, 2011, pp. 95–106. 16 Wendy Wasserstein, The Heidi Chronicles and other Plays, New York 1991, pp. 160–161, pp. 205–206. 17 Frederick N. Bohrer, »Photographic Perspectives: Photography and the institutional Formation of Art History,« in: Art History and its Institutions. Foundations of a Discipline, ed. by Elizabeth Mansfield, New York 2002, p. 249. 18 Landsberger 1924 (as note 13), pp. 93–94. 19 https://www.youtube.com/watch?v=yYxCZpbKsAs (May 31, 2021). 20 Joseph Leo Koerner, The Reformation of the Image, Chicago 2004, p. 9–10. 21 Ibid., p. 10. 22 Collected Papers of Charles Sanders Peirce, Vol. 2, ed. by Charles Hartshorne and Paul Weiss, Cambridge 1960, pp. 143–144 (2:248). 23 Koerner 2004 (as note 20), p. 9; Oxford English Dictionary, https://www.oed.com/view/Entry/36005?redirectedFrom=coincidence#eid, (Dec. 11, 2019).

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Paris, BnF Lat. 10525. Walter Grasskamp, The Book on the Floor. André Malraux and the Imaginary Museum, Los Angeles 2016, pp. 132–133. 26 An important exception to the usual practice is E. H. Gombrich’s discussion of the frame of the painting in The Sense of Order. A Study in the Psychology of Decorative Art, Ithaca, NY 1979, p. 14, pp. 75–78, pp. 156–157, pp. 160–61, p. 242, and p. 284. There he publishes the Wrightsman Lectures that he delivered in 1970 at the Institute of Fine Arts, New York University. As a beginning graduate student, I vividly remember how he began those lectures. He showed as his first slide the Raphael painting with its frame and said that the frame interested him more than the painting, which struck me as a most radical notion. He then made it the paradigmatic example throughout the subsequent book. 27 Dilly 2009 (as note 12), pp. 102–109. 28 Zeynep Çelik Alexander, Kinaesthetic Knowing. ­Aesthetics, Epistemology, Modern Design, Chicago 2017, pp. 75–78. On the topic generally in art history, see Comparativism in Art History, ed. by Jaś Elsner, New York 2017. To these accounts could be added the new discipline of comparative literature, born in Istanbul during the 1930s among German scholars, especially Leo Spitzer, see Emily S. Apter, The Translation Zone. A New Comparative Literature, Princeton 2006, pp. 41–64. On early slide projectors see Christopher L.C.E. Witcombe, »Art History and Technology. A Brief History«, at http://arthistoryresources.net/ arth-technology/arth-technology5.html (Dec. 11, 2019). Still earlier apparatuses are discussed by Frances Terpak in Barbara Maria Stafford and Frances Terpak, Devices of Wonder. From the World in a Box to Images on a Screen, Los Angeles 2001, pp. 297–306. 29 Charlotte Klonk, »Patterns of Attention: From Shop Windows to Gallery Rooms in early Twentieth-Century Berlin,« in: Art History, 28, 4, 2005, pp. 468–496; idem, Spaces of Experience: Art Gallery Interiors from 1800–2000, New Haven 2009, pp. 79–85. 30 Ibid., pp. 79–83. 31 The Ideal Book. Essays and Lectures on the Arts of the Book by William Morris, ed. by William S. Peterson, Berkeley 1982, pp. xvii–xviii. 32 Kaveh Askari, »Picture Craft, Visual Education and the Lantern: A Lecture Fantasy,« in: Beyond the Screen. ­Institutions, Networks and Publics of early Cinema, ed. by Marta Braun, Charlie Keil, Rob King, Paul Moore, and Louis Pelletier, Bloomington, IN 2012, pp. 207–208; Mil25

ton W. Brown, American Painting. From the Armory Show to the Depression, Princeton 1955, p. 139; Percy North, Max Weber. The Cubist Decade, 1910–20, Atlanta 1991, p. 29, p. 45 and p. 52; Doreen Bolger et al., American Pastels in the Metropolitan Museum of Art (exh. cat. New York 1989– 1990), ed. by Doreen Bolger, New York 1989, pp. 127–129. 33 Rainer Maria Rilke, »Rodin. Ursprüng­liche Fassung des Vortrags,« in: Rainer Maria Rilke. Kommentierte Ausgabe in vier Bänden, Schriften, ed. by Horst Nalewski, vol. 4, Frankfurt am Main 1996, p. 503. The passage is discussed by Brigid Doherty, »Rilke’s Magic Lantern: Figural Language and the Projection of ›Interior Action‹ in the Rodin Lecture,« in: Ewa Lajer-Burcharth and Beate Söntgen, Interiors and Interiority, Berlin 2016), p. 315. 34 Udo Kultermann titles his discussion of the art historian, as »Herman Grimm and the Romantic Legacy,« in his The History of Art History, Pleasantville, NY 1993, pp. 126–127; idem, Geschichte der Kunstgeschichte. Der Weg einer Wissenschaft, Munich 1990, pp. 122–124. 35 On Grimm, the literature is large. Perhaps most important here is Johannes Rößler, »Erlebnisbegriff und Skioptikon. Herman Grimm und die Geisteswissenschaften an der Berliner Universität,« in: In der Mitte Berlins. 200 Jahre Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität, ed. by Horst Bredekamp and Adam S. Labuda, Berlin 2010, pp. 69–89, esp. p. 85. More recently, there is Alexander 2017 (as note 28), pp. 63–64. 36 Herman Grimm, »Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons,«, in: idem, Beiträge zur deutschen Culturgeschichte, Berlin 1897, pp. 276–395. Andreas Beyer reviews the article’s main points and sets it in the larger context of German essays in »Lichtbild und Essay. Kunstgeschichte als Versuch,« in: Essayismus um 1900, ed. by Wolfgang Braungart and Kai Kauffmann, ­Heidelberg 2006, pp. 37–48. 37 Rößler 2010 (as note 35), p. 85. 38 Grimm 1897 (as note 36), p. 284; Goldschmidt 1930 (as note 13). 39 Grimm 1897 (as note 36), pp. 314–315, p. 318. 40 Bohrer 2002 (as note 17), p. 250. 41 Goldschmidt 1930 (as note 13), p. 195. 42 There is considerable secondary literature about the book, especially Kunstgeschichten 1915. 100 Jahre Heinrich Wölfflin, Kunstgeschicht­liche Grundbegriffe, ed. by Matteo Burioni, Burcu Dogramaci and Ulrich Pfisterer, Passau 2015. Recent accounts include Hubert Locher, Kunstgeschichte als historische Theorie der Kunst 1750–1950, Munich

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2001, pp. 384–387; Margaret Iversen and Stephen Melville, Writing Art History. Disciplinary Departures, Chicago 2010, pp. 62–75; David Summers, »Heinrich Wölfflin Kunstgeschicht­liche Grundbegriffe. Das Problem der Stilentwicklung in der neueren Kunst, 1915,« in: The Books that Shaped Art History from Gombrich and Greenberg to Alpers and Krauss, ed. by Richard Shone and John Paul Stonard, London 2013, pp. 42–53; Christopher S. Wood, A History of Art History, Princeton 2019, pp. 307–317. 43 Johanna Drucker, »Is There a ›Digital‹ Art History?«, in: Visual Resources, 29, 1–2, 2013, pp. 5–13. The literature on digital art history is large and growing rapidly, but most publications are available online. Introduction to American work in this area are the other articles in the same volume of Visual Resources, as well as Michelle Millar Fisher and Anne Swartz, »Why Digital Art History?«, in: Visual Resources, 30, 2, 2014, pp. 125–137 and Johanna Drucker, Anne Helmreich, Matthew Lincolm, and Francesca Rose, »Digital art history: the American scene,« in: Perspective. Actualité en histoire de l’art, 2, 2015 pp. 1–15, file:///B:/Libraries/Downloads/perspective-6021.pdf (Dec. 11, 2019). For an overview from the point of view of art history research centers, see Diane M. Zorich, »Transitioning to a Digital World: Art History, Its Research Centers, and Digital Scholarship,« June 2012, a report prepared for the Kress Foundation, http://www.kressfoundation. org/research/transitioning_to_a_digital_world/ (Dec. 11, 2019). For a British accounting of the effects of digital images in art history, see Teaching Art History with new Technologies. Reflections and Case Studies, ed. by Kelly Donahue-Wallace, Laetitia La Follette and Andrea Pappas, Newcastle 2008. 44

Bibliography is assembled by the Digital Art History Lab of the Frick Museum, https://www.frick.org/research/ bibliography_digital_art_history (Dec. 11, 2019). 45 https://www.kenrockwell.com/tech/film-resolution. htm (Dec. 13, 2019). 46 https://www.artstor.org/about/mission-history/ (Dec. 11, 2019). 47 See https://artsandculture.google.com/ (Dec. 11, 2019). Malraux used the term in the first part of Les voix du silence, Paris 1951, pp. 9–126 and in the title of Le Musée imaginaire de la sculpture mondiale, 3 vols., Paris 1952–1954. See also Grasskamp 2016 (as note 25), pp. 137–152 and Georges Didi-Huberman, L’album de l’art à l’époque du ›Musée imaginaire,‹ Paris 2013. 48 André Malraux, Museum without Walls, New York 1967, p. 111.

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Robert S. Nelson

49 See

New Yorker, May 28, 2001, newyorker.com/magazine/2001/05/28/absolute-powerpoint (Dec. 11, 2019). 50 On the early history of presentation programs, see David C. Brock, »Slide Logic: The Emergence of Presentation Software and the Prehistory of PowerPoint,« October 4, 2016, site of the Computer History Museum in Mountain View, CA, https://computerhistory.org/blog/slide-logic-the-emergence-of-presentation-software-and-the-prehistory-of-powerpoint/?key=slide-logic-the-emergence-ofpresentation-software-and-the-prehistory-of-powerpoint (Dec. 11, 2019). 51 Gérard Genette, Seuils, Paris 1987. 52 Brian O’Doherty, Inside the white Cube. The Ideology of the Gallery Space, Berkeley 1986. 53 https://video.ias.edu/friends/2017/1018-AlexanderNagel (Dec. 11, 2019). 54 https://www.youtube.com/watch?v=RzUks-XVIqE (Dec. 11, 2019). 55 On this distinction, see Michel de Certeau, The ­Practice of Everyday Life, Berkeley 1984, pp. 91–110, https:// monoskop.org/images/2/2a/De_Certeau_Michel_The_ Practice_of_Everyday_Life.pdf (Dec. 11, 2019). 56 Oliver Grau, Virtual Art. From illusion to immersion, Cambridge 2003, pp. 169–173, translated from Virtuelle Kunst in Geschichte und Gegenwart. Visuelle Strategien, ­Berlin 2001. 57 Rebecca Leuchak, »Imagining and Imaging the Medieval: The Cloisters, Virtual Reality and Paradigm Shifts,« in: Historical Reflections / Réflexions Historiques, 23, 3, 1997, pp. 349–369. On the influence of the Cloisters elsewhere in America, see essays in: To inspire and Instruct. A History of Medieval Art in Midwestern Museums, ed. by Christina Nielsen, Newcastle 2008. 58 In general, see Sabine Fabo, »Von imaginären zum digitalen Museum?« in: Konfigurationen. Zwischen Kunst and Medien, ed. by Sigrid Schade and Georg Christoph Tholen, Munich 1999, pp. 413–425. 59 https://www.metmuseum.org/metmedia/video/ collections/gr/boscoreale-model (Dec. 11, 2019). 60 Jennifer Billock, »Five Augmented Reality Experiences That Bring Museum Exhibits to Life,«, in: Smithsonian Magazine, June 29, 2017, https://www.smithsonianmag. com/travel/expanding-exhibits-augmented-reality-180963810/ (Dec. 11, 2019). 61 Miranda Katz, »Augmented Reality Is Transforming Museums,« Wired Magazine, April 23, 2018, https://www. wired.com/story/augmented-reality-art-museums/ (Dec. 11, 2019).

62

https://www.hackingtheheist.com/ (Dec. 11, 2019). Beyond Illustration. 2D and 3D Digital Technologies as Tools for Discovery in Archaeology, ed. by Bernard Frischer and Anastasia Dakouri-Hild, Oxford 2008. 64 Digital Dunhuang: https://www.e-dunhuang.com/ cave/10.0001/0001.0001.0323 (Dec. 11, 2019). VR presentations of the caves have been displayed at various museums, e. g. the Getty Museum in 2016: https://www.ibtimes.com/ las-getty-center-blends-oculus-ready-vr-ancient-chineseart-virtual-reality-museum-2364802 (Dec. 11, 2019). 65 Imaging ancient Rome. Documentation, Visualization, Imagination, ed. by Lothar Haselberger and John Humphrey, Portsmouth, RI 2006. 66 https://news.yale.edu/2017/09/25/students-visit-lostarchaeological-treasure-virtual-reality (Dec. 11, 2019). 67 https://www.artofcorner.fr/en/2017/01/27/art-historyand-virtual-reality/ (Dec. 11, 2019). 68 https://www.mauritshuis.nl/en/press/persarchief/ 2019/rembrandt-reality/ (Dec. 11, 2019). 69 https://www.thekremercollection.com/the-kremermuseum/ (Dec. 11, 2019). 70 https://www.artstor.org/collection/world-architecture -virtual-reality-panoramas-columbia-university/ (Dec. 11, 2019). For my introduction to the Columbia resources, I thank Holger Klein, Gabriel Rodriguez, and Stefaan van Liefferinge. 71 http://projects.mcah.columbia.edu/amiens-arthum/ amiens-cathedral-choral-experience (Dec. 11, 2019). 72 Website Inside Higher Education, »More Than Just Cool?« July 12, 2017, https://www.insidehighered.com/ digital-learning/article/2017/07/12/vr-and-ar-more-justcool (Dec. 11, 2019). 73 Klonk 2009 (as note 29). 74 See Grau 2003 (as note 56), pp. 13–89 for the pre-­ modern period. 75 Ibid., p. 339. 76 He makes distinctions among technology that promotes telepresence: Lev Manovich, The Language of New Media, Cambridge 2001, pp. 164–167. 77 Grau 2003 (as note 56), p. 339. 78 Dan Leopard, Teaching with the Screen. Pedagogy, Agency, and Media Culture, New York 2013, pp. 30–50. 79 Goldschmidt 1930 (as note 13), p. 195. 80 They used a Nikon D800. 81 Tom Simonite, »Moore’s Law is Dead. Now What?« in: MIT Technology Review, May 13, 2016, https://www. technologyreview.com/s/601441/moores-law-is-dead-nowwhat (Dec. 15, 2019). 63

82 Cade Metz, »Internet Companies Prepare to Fight the ›Deepfake‹ Future,« in: New York Times, Nov. 24, 2019, https://www.nytimes.com/2019/11/24/technology/techcompanies-deepfakes.html (Dec. 11, 2019). 83 Sophie Hatchwell, Ferm Insh and Hana Leaper, »Born Digital: Early Career Researchers Shaping Digital Art History,« in: Visual Resources, 35, 1-2, 2019, pp. 171–179. 84 McLuhan 2001 (as note 7), p. 7.

Technologies of Art History: Slides, PowerPoint, and Virtual Reality

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Die kunsthistorische Bilddatenbank zwischen digitalisierter Diathek und visuellem Wissensraum Georg Schelbert

Es ist zumindest der Eindruck des Verfassers, dass sich im Rückblick eine eher romantische Sicht auf die kunsthistorische Diathek als Institution entwickelt hat.1 In der Realität enthielt diese oft nicht die Abbildungen, die gebraucht wurden. Insbesondere mit der zunehmenden Ausweitung und Differenzierung der Forschungs- und Lehrthemen befand sie sich in ständigem und zunehmendem Spannungsverhältnis mit der Forschungsliteratur und den darin publizierten Abbildungen. Stammten die meisten Aufnahmen in der Frühzeit der Glasdias um und nach 1900 direkt von Agenturen oder wurden nach Fotovorlagen angefertigt, reproduzierten die Kleinbilddia-Bestände der 1980er und 1990er Jahre fast ausschließlich Abbildungen aus Printpublikationen. Zwar gab es bei den meisten kunsthistorischen Instituten eine Fotostelle mit einer entweder fest angestellten oder auf Stückzahlbasis arbeitenden Person, aber die erlaubte Zahl der Bestellungen war meist stark begrenzt und es war in der Regel mit Bearbeitungszeiten von etwa zwei Wochen zu rechnen. Auch wenn grundsätzlich die Möglichkeit bestand, Kleinbilddias selbst aufzunehmen, so war dies nicht ganz ohne handwerk­liches Geschick zu bewerkstelligen. Daher blieb es für die meisten Studierenden und Lehrenden unverzichtbar, auf die Dienste der Diathek zurückzugreifen. Was aber wohl den größten Reiz der Diathek ausmachte, war der Umstand, dass das gesamte an einem Institut verfügbare Bildmaterial – so beschränkt es auch sein

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Georg Schelbert

mochte – an einem Ort, in einheit­lichem Format und in einer einheit­lichen Ordnung verfügbar war. Eine solche Sammlung vermittelte denn auch das – selbstverständlich trügerische – Gefühl, bereits die Gesamtheit kunsthistorischer Werke zu enthalten. Diese Geborgenheit vermittelnde Gesamtheit wurde bereits im analogen Zeitalter hie und da gestört, und das nicht nur durch die ohnehin vorhandenen Altbestände an Bildern in anderen fotografischen Formaten2 und die wachsenden Bildanteile in der Fachliteratur, aus der sich die Diathek speiste und die eine ständige Erweiterung nahe legten. Darüber hinaus zeigten bibliothekarische Mikroformen bereits an, dass der technologische Fortschritt beim Kleinbild nicht enden würde. Ab 1976 erschien der Marburger Index – Inventar der Kunst in Deutschland. Dieser bestand aus Mikrofiches, der 48-fach verkleinerte Reproduktionen der in in Marburg und bei Partnerinstitutionen wie dem Rheinischen Bildarchiv vorhandenen Fotopappen enthielt.3 Aufbewahrt in Papiertaschen, Schubladen oder Drehständern, konnten sie mit entsprechenden Lesegeräten konsultiert werden. Ungeübte Nutzer erlebten dabei zunächst ein schwer zu kontrollierendes Huschen von 98 Bildchen über den Schirm. Der nach der Systematik des Marburger Archivs aufgebaute Bildindex war für den kunsthistorischen Alltagesgebrauch trotz des enormen Bildbestands aufgrund der Fokussierung auf Architektur und Bauskulptur häufig zu speziell. Jedoch war mit dem Bildindex, den sich

nur die größten kunsthistorischen Universitätsinstitute leisten konnten, bereits eine Art analoge Verbunddatenbank entstanden. Anders als die Dias diente dieses Bildmaterial zunächst nur der Recherche, weil es nicht unmittelbar projizierbar war. Eigentlich als ein Nachweisinstrument und Angebotskatalog für die Bestellung von hochwertigen Abzügen in Marburg und den Partnerisnstitutionen entworfen, konnte davon im Notfall vor Ort ein Repro-Dia angefertigt werden.4

Das Ende der analogen Diathek

Als gegen Ende der 1980er Jahre die ersten PCs in die Institute Einzug hielten, spielte das digitale Bild selbst noch keine Rolle. Vielmehr wurde zuerst nur über eine Katalogisierung des vorhandenen analogen Bildbestandes nachgedacht. Digitale Kataloge sollten einen schnelleren Zugriff auf die analogen Bildbestände nach verschiedenen Suchkriterien – Künstler, Titel, Epochen, Bildinhalte – erlauben. Es war noch nicht vorstellbar, digitale Bilder von hoher Qualität und in größerem Umfang in der Praxis einzusetzen; ebenso war von deren Übertragung im Netz noch keine Rede. Trotz der nach heutigen Maßstäben minimalen Bildgrößen war es noch Ende der 1990er Jahre zu aufwendig oder zu teuer, die Daten für die üb­licherweise in Diatheken enthaltenen Bildermengen zu speichern.5 Auch in der Vortragspraxis hielt sich das analoge Dia zunächst unangefochten. Als Beispiel für die gelegentlich skurril wirkenden Verfahren aus dieser Phase des Medienwechsels kann vielleicht genannt werden, dass eine – naturgemäß am Computer erstellte – CAD-Zeichnung oder auch die eine oder andere Webseite für die Präsentation im Seminar oder Vortrag noch Ende der 1990er Jahre als Dia reproduziert und projiziert wurde (wobei der Bildschirm mit seinen leuchtenden Pixeln als Fotografiervorlage deutlich bessere Ergebnisse brachte als der flaue und streifige Ausdruck auf dem Tinten-

strahldrucker, sofern überhaupt schon ein farbiger Drucker zur Verfügung stand). Erst kurz vor der Jahrtausendwende ließen es die technischen Entwicklungen realistisch erscheinen, dass auch die Bilder selbst digital werden würden. In bestehenden Diatheken richtete man sich darauf ein, zunächst die vorhandenen Dias zu digitalisieren. Das mäßige Auflösungsvermögen der Diascanner, der hohe Zeitaufwand, vor allem die fragwürdige Qualität der Dias selbst, die ja zumeist selbst aus Büchern abfotografiert waren, führten jedoch dazu, dass dieser Weg kaum flächendeckend beschritten wurde. Nur für Unikate, beispielsweise von Exkursionen, bot sich das an.6 Im Fall von Repro-Aufnahmen nach Büchern oder anderen Vorlagen war ein erneutes Scannen aus dem Buch oder vom Fotoabzug meist einfacher und führte zu besseren Ergebnissen.7 Auf welchem Weg auch immer: die Herstellung, Speicherung und Projektion digitaler Bilder waren handhabbar geworden. Das Ende der analogen Diathek kam schneller als allgemein erwartet. Das alte Medium verschwand freilich nicht sogleich, sondern wurde kontinuierlich verdrängt.8 Um das Jahr 2000 war erst in wenigen Einrichtungen ein Beamer im Hörsaal oder Seminarraum vorhanden, bereits fünf Jahre später gehörte dies zur Normalität. Vor allem in Seminarräumen, gelegentlich aber auch in Vorlesungssälen fanden sich allerdings weiterhin auch Diaprojektoren. Am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin waren Dias sogar bis 2015 im regulären Vorlesungseinsatz.9 Bis etwa zu diesem Zeitpunkt gab es hier zudem noch Ausleihen an externe Personen für Vorträge. Etwa zur gleichen Zeit wurden aber schon erste Leihverträge für Dias als museale Objekte in Ausstellungen abgeschlossen. Die Revolution betraf aber selbstverständlich nicht nur die Medienformate selbst und deren Projektionsformen, sondern das Gesamtsystem Bildarchiv, das hier in der Sonderform der kunsthistorischen Lehrdiathek betrachtet wird.

Die kunsthistorische Bilddatenbank

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Abb. 1 Imago Bilddatenbank: Karteikasten und gute Nachbarschaft (Screenshot, um 2005)

Die lokale digitale Diathek

In der ersten Phase der Anlage digitaler Bildrepositorien war das Internet noch kein etablierter Faktor. Die ersten Bilddatenbanken der 1990er Jahre waren als lokale Infrastrukturen gedacht, die, wie vormals die analoge Diathek, nur vor Ort zu konsultieren waren. Allenfalls handelte es sich um netzwerkfähige Datenbanken, die ein Arbeiten an mehreren Plätzen erlaubten. Hierzu fand Software wie MS Access oder FileMaker Anwendung, die unter Umständen auch für ein verteiltes Arbeiten in Server-Client-Architekturen eingesetzt werden konnte.10 Hinsichtlich der Datenstruktur, aber auch der Oberflächengestaltung, dienten analoge Bildsammlungen als Vorbild, vor allem der Leuchttisch, auf dem die Dias sortiert wurden. Orientierung für die Metadaten-Modelle lieferten zunächst die Kategorien, die auch bei der Erfassung der Dias von Belang waren: Künstler, Werktitel, Datierung, Material und vor allem die Quelle. Die ambitionierteren Datenmodelle, an denen bereits seit längerem für die Erschließung von Museumssammlungen und Baudenkmälern – in Deutschland durch Lutz Heusinger in Marburg, international vor allem seitens des Getty

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Georg Schelbert

Center – gearbeitet wurde,11 spielten noch kaum eine Rolle. Die Modellierung dürfte sich in den meisten Fällen auf einige relationale bzw. kontrollierte Elemente, etwa Stammdaten für Personen oder Wertelisten für Kunstgattungen beschränkt haben. Einzelne Projekte zur Erstellung neuer Managementsysteme hatten jedoch den Anspruch, nicht nur ein Katalogisierungs- und Retrievalsystem zu bieten, sondern dem kunst- und bildwissenschaft­lichen Arbeiten in spezifischer Weise Rechnung zu tragen. Schon seit 1993 wurde von André Reifenrath in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhlinhaber Horst Bredekamp und anderen Mitgliedern des damaligen kunsthistorischen Seminars der Humboldt-Universität zu Berlin die Datenbank Imago entwickelt (Abb. 1). Sie ist der anspruchsvolle Versuch, die Vorteile der schlagwortbasierten Suche mit räumlich-visuellen Elementen zu verbinden – sowohl in Analogie zur Leuchtplatte, auf der die Dias nebeneinander angeordnet werden, als auch zum klassischen Karteikasten mit seinen Reitern, der hinterlegen, verzweigten Begriffsthesaurus versanschau­lichen sollte.12 Unmittelbare Anregungen hierfür waren Martin Warnkes als Karteikartensystem aufgebauter

Die digitale Diathek im Internet

Abb. 2 Projekt HyperImage: »Bilddiskurs« (Screenshot HyperGiott, HU Berlin, um 2003)

Bildindex zur Politischen Ikonographie und nicht zuletzt auch Aby Warburgs Bilderatlas Mnemo­ syne.13 Das Institut für Kunst- und Bildgeschichte arbeitet noch heute mit dieser Datenbank, für die nie eine Online-Anbindung programmiert wurde.14 Auch das später entstandene Projekt Hyper­ Image, an dem die Humboldt-Universität ebenfalls beteiligt war und das die direkte Verbindung von Bildelementen – auch über mehrere Bilder und Bildergruppen hinweg – ermöglichte, orientierte sich an Denkoperationen und Gestaltungskonzepten, die aus dem Analogen entlehnt sind (Abb. 2).15 Die Umgebung ermöglichte die visuelle Definition von Bildelementen durch Flächenmarkierungen, die annotiert oder mit anderen Markierungen in Vergleichsbildern in Beziehung gesetzt werden konnten. Obwohl das Projekt auf einen weitgehend textfreien »Bilddiskurs« setzte, lag ihm eine Auszeichnungssprache in Textform zugrunde (PETal).16 Ebenso weisen die tatsächlich umgesetzten Anwendungen des Projekts einen hohen Anteil an Text auf. Das digitale Format sollte bei Hyper­ Image vor allem das direkte Arbeiten mit Bildern ermög­lichen und diese untereinander in Beziehung setzen. Ziel war aber zunächst weder die Vernetzung über das Internet noch eine ständige Fortschreibung dieser Vernetzung, sondern eine abgeschlossene digitale Publikation, die sowohl lokal als auch im Netz präsentiert werden kann.17

Ähnlich wie die frühen PC-Anwendungen versprach das seit den mittleren 1990er Jahren schnell wachsende, weltweite Internet zunächst nur die Übertragung und Bereitstellung von Text-Information, die allenfalls durch Hyperlinks vernetzt und mit kleinen, statischen Bildbestandteilen garniert werden konnte. Nicht nur die Übertragungskapazitäten des Netzes, sondern auch die technischen Fähigkeiten der Browser begrenzten hier anfänglich die Möglichkeiten. So spielte das Internet bei den mit anspruchsvolleren Datenmodellen und Bildelementen arbeitenden Projekten – wie beispielsweise Imago – zunächst noch keine Rolle. Wohl im Jahr 2001 erreichte die Vernetzung über das Internet die Grenze des Selbstverständ­lichen. Wikipedia war nun online verfügbar. Im deutschsprachigen kunsthistorischen Bereich gingen die Zeitschrift kunsttexte.de und das Rezensionsjournal sehepunkte online, und ebenso die digitale Datenbank »prometheus – Das verteilte Bildarchiv für Forschung und Lehre« (Abb. 3).18 Da nun sowohl allgemeinere Standards zu erfüllen waren und zugleich anstelle von Clientprogrammen immer mehr mit anfangs technisch noch recht beschränkten Browseroberflächen gearbeitet wurde, stellte das Arbeiten im Netz die teils sehr elaborierten Merkmale der lokalen Systeme in Frage. Dies zwang sowohl zur stärkeren Vereinheitlichung der Daten und Operationsmöglichkeiten als auch zur Reduktion derselben auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Mit einer von Anfang an äußerst pragmatischen Einstellung gelang es im Fall von prometheus, die einzelnen Datenbanken – zunächst von kunsthistorischen Instituten und später auch von Forschungsinstituten und Museen – mit einer gemeinsamen Oberfläche ins Netz zu bringen.19 Einige Jahre später etablierte sich im angloamerikanischen Raum mit Artstor eine ähn­liche, ebenfalls mit verschiedenen Datenquellen, jedoch mit einer zentralen Datenbank arbeitende Infra-

Die kunsthistorische Bilddatenbank

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Abb. 3 prometheus Bildarchiv, Pool der Bilddatenbanken (Screenshot, 2020)

struktur für kunsthistorische Lehrbilder.20 Technisch handelt es sich bei den Datenbanken, die zu prometheus beitragen um unterschiedlichste Formate. Aber auch bei den Metadaten – bis heute die entscheidende Basis, auf deren Grundlage Bilder in den jeweiligen Datenbanken sortiert, gruppiert und schließlich gefunden werden können – herrschen große Differenzen, da die lokalen Systeme nicht modifiziert w ­ erden. So können beispielsweise die Titelbezeichnungen von Kunstwerken erheb­ liche Varianten aufweisen, ganz abgesehen von variierenden Zuschreibungen und Datierungen. Dem Konzept der zusammengeführten lokalen Datenbanken ist es außerdem geschuldet, dass in prometheus zahlreiche, allerdings oftmals stark differierende Repräsentationen vor allem zu prominenten Objekten erscheinen und so etwa Leonardos Mona Lisa vielerlei ›Schwestern‹ erhält21, während zugleich große Bestände vor allem aus dem Museumsbereich fehlen. Gerade in den Museen wurde jedoch in den vergangenen Jahren viel digi-

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Georg Schelbert

talisiert. Zwar bemüht sich prometheus, auch Datenbestände von Kunstmuseen einzubeziehen, aber letztlich ist nur ein kleiner Teil vertreten, während diese zugleich immer mehr eigene Web-Präsenzen bereitstellen. Von den Benutzerinnen und Benutzern werden die von den Museen erstellten und bereitgestellten digitalen Repräsentationen wohl meist über eine Web-Suchmaschine gefunden.22 Allgemeine Bildrecherchen mit Suchmaschinen wie Google führen allerdings oft zu sehr durchwachsenen Ergebnissen, nicht zuletzt in Abhängigkeit von der Unverwechselbarkeit des gesuchten Personennamens oder Werktitels. Doch auch das Konzept von prometheus hat aufgrund des Verzichts auf eine Gesamtredaktion seine Grenzen und ­Lücken, bietet aber angesichts der immensen ­weiterhin wachsenden Bildmengen und geplanter Verknüpfungen mit Normdaten erhebliche Perspektiven. Ein vollständiges Repertorium kunsthistorischer Datenbanken zu erstellen, erscheint heute angesichts der immensen Zahl an Anbietern von

Abbildungsmaterial und der Zahl verfügbarer Abbildungen von Kunstwerken mittlerweile utopisch. Noch bis 2009 wurde dies seitens der Universitätsbibliothek Freiburg in einer Art BilddatenbankenBibliografie zu leisten versucht.23 Überwiegend erst nach der Etablierung von prometheus verbreitete sich der Einsatz von onlineDatenbanken in den einzelnen Universitätsinstituten, vor allem getragen von den Datenbanksystemen DILPS und easydb.24 Beide waren von Anfang an browserbasiert ausgelegt. Institute, die ähn­liche Systeme25 einsetzten, boten somit unter Umständen einen doppelten Zugang, einmal über die eigene Website und einmal über das prometheusBildarchiv, wenn sie dort einspeisten. Für easydb, das sich zum kommerziellen Marktführer entwickelte, entwarf die Entwicklerfirma programmfabrik auch ein eigenes System zur Vernetzung (das sogenannte Connector-Modul), was einige Institute dazu bewog, sich nicht mehr an der Einlieferung in prometheus zu beteiligen.26 Eine wachsende Rolle für kunsthistorisches Bildmaterial in der Lehre spielen inzwischen öffent­liche Aggregator-Datenbanken wie die europeana und die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB), wobei hier sehr unterschied­liche Arten von Kulturerbe-Material zusammenkommen und dadurch der gezielte Zugriff trotz einiger Verbesserungen an Datenmodell und Oberflächen immer noch schwierig ist.27 Auch wenn DDB und europeana im Prinzip nur Originalmaterial aus Sammlungen präsentieren, sind im Bereich der Kunst nicht nur Repräsentationen der eigent­lichen Werke enthalten, sondern auch zahlreiche Bildobjekte, die das Werk – als Druckgrafik, Foto etc. – abbilden.28 Erwähnenswert ist, dass mit Online-Angeboten wie prometheus, aber auch easydb anfangs auch didaktische Formate verknüpft waren; hierzu gehörte etwa auch der Versuch einer Integration von HyperImage.29 Die Angebote konnten sich jedoch letztlich nicht durchsetzen.30 Die Dynamik der Arbeit mit Bildern im Internet

entfaltete sich eher über das Netz hinweg innerhalb einzelner Angebote.

Klassifikationen – Bilder ordnen und bezeichnen

Digitale Formate, die Vernetzung über das Internet und die auf Servern und den Endgeräten inzwischen verfügbaren Rechenkapazitäten ermög­ lichen inzwischen Dimensionen der Informationsspeicherung, -übermittlung, -verknüpfung und -auswertung, die zuvor nicht vorstellbar waren. Hierbei verbinden sich eine Reihe älterer Entwicklungstränge, die bislang noch nicht angesprochen wurden. Der wichtigste, bislang lediglich im Zusammenhang mit den Ordnungssystemen angeschnittene Aspekt ist zweifellos die gedank­liche Formalisierung des Gegenstands zu dessen Aufbereitung in Datenbanken. Formalisierungen im Sinne von Klassifizierungen fanden lange vor dem Einsatz des Computers statt und können darüber hinaus als grundlegender Bestandteil wissenschaft­licher und kunsthistorischer Methodik im Besonderen angesehen werden. In einem weiten Sinn können wesent­liche Teile der Kunstgeschichtsschreibung als systematisierende Konstruktion auf der Grundlage von Konzepten und Terminologien aufgefasst werden. Die der Verschlagwortung von Datensätzen zugrunde liegende Einteilung nach Stilen und Gattungen beispielsweise gehört zum Fundament des Faches. Auch die ikonografische Klassifikation, streng formalisiert im elaborierten System Iconclass, wurde vor dem Einsatz von Computern entwickelt, wenngleich derartige Infrastrukturen bereits im Hinblick auf solche erwarteten technischen Fortschritte angelegt waren und dementsprechend frühzeitig in Anwendung kamen. Iconclass, von Henri van de Waal seit den 1940er Jahren entwickelt, ist auf der von Mevil Dewey zur Klassifikation der Inhalte bibliografischer Medien in den

Die kunsthistorische Bilddatenbank

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1870er Jahren eingeführten Dewey Decimal Classifikation (DDC) aufgebaut. Mit der Einteilung in Sparten wie ›Religion und Magie‹, ›Natur‹, ›Mensch­liches Leben im Allgemeinen‹, ›Gesellschaft und Kultur‹, ›Geschichte‹, ›Bibel‹, ›Literatur‹, ›Klassische Mythologie‹ sowie – später hinzugefügt – ›Abstrakte Kunst‹, spiegelt es vorwiegend den historisch gewachsenen Kanon der west­lichen Kunstgeschichtsschreibung wider.31 Im Zuge des Einsatzes des Computers wurden auch andere Bereiche der Klassifikation von Kunstwerken in strukturierte Vokabulare bzw. Klassifikationen und Thesauri überführt.32 Noch gegen Mitte der 1980er Jahre erschien es als die entscheidende Herausforderung für den Einsatz von Computern im Umgang mit Kunstwerken und ihren Abbildungen, dass diese in bestimmter Weise gekennzeichnet und klassifiziert werden können. Die von Lutz Heusinger, einem Pionier der digitalen Modellierung kunsthistorischer Wissensbestände, auf dem internationalen Kunsthistorikertag in Wien 1983 vorgetragenen acht Thesen zur Kunstgeschichte und EDV sind noch völlig vom Gedanken der Klassifikation und der Transformation in sprachbasierte Konzepte bestimmt.33 Auf demselben Kongress wurden innerhalb des internationalen Museumsverbunds ICOM die Unterabteilung zum Dokumentationswesen, CIDOC, offiziell gegründet, mit dem Ziel, Standards für die Dokumentation in Museen zu erarbeiten.34 110 Jahre zuvor, 1873, hatte am selben Ort der erste internationale Kunsthistorikerkongress stattgefunden, auf dem erstmals umfassend über eine systematische visuelle Erfassung von Kunstwerken diskutiert wurde. Auf dem Kongress trug auch Bruno Meyer sein Plädoyer für den Einsatz von Dias in der Lehre vor.35 Die in den 1980er und 1990er Jahren tatsächlich umgesetzten Erfassungskonzepte und Datenbanksysteme basierten praktisch ausschließlich auf verbalen Metadaten, so etwa das Marburger Informa-

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Georg Schelbert

tions-, Dokumentations- und AdministrationsSystem (MIDAS) und der für seine Realisierung verwendete Hierarchische Datenadministrator (HiDa).36 Dort bildet das Objekt den zentralen Datensatz, dem in einer »Aspektgruppe« einzelne Fotografien zugeordnet werden.37 Aber auch eine der ersten Forschungsdatenbanken, der Census of Antique Works of Art Known in the Renaissance, bildet seine Verknüpfungen letztlich ebenso wie noch die neueste Graphendatenbank mit sprachlich-gedank­lichen Konzepten in der Art von »Vorbild für«, »Abbildung von« etc., wenn auch hier bereits Bilder mitgeliefert wurden und beim Arbeiten mit der Datenbank immer auch mit Entscheidungen auf visueller Basis – etwa Ähnlichkeit oder Identifizierung – gerechnet wurde.38 Schlagworte und Klassifikationen, die sich in der analogen Welt der Bibliothekskataloge, Zettelkästen oder der Diathek in Form von Reitern und Etiketten finden und einen festen Ort haben, können im digitalen Format freier gehandhabt werden. Der einzelne Datensatz entspricht nicht mehr dem materiellen Medienobjekt, das in aller Regel nur einmal vorhanden ist und stets nur einmal beschriftet oder in ein bestimmtes Fach einsortiert werden kann. Vielmehr kann der digitale Datensatz zugleich vielen Notationen einer Klassifikation zugeordnet und über diese aufgerufen werden. Das gleichberechtigte Nebeneinander verschiedener Perspektiven wird möglich: Das Bild eines Gemäldes kann in einer Bilddatenbank potenziell nach stilistischen, ikonografischen, sozialen, ethnologischen, kunsttechnologischen oder auch fotografiehistorischen Kriterien gesucht, gruppiert und dargestellt werden. Umgekehrt lassen sich viele Bilder einem bestimmten Aspekt zuordnen und als Teil desselben anzeigen. Zwar ist die in einem Moment sichtbare Ordnung weiterhin immer nur eine mög­ liche, aber durch neue Abfragen und darüber hinaus auch durch die Veränderung der Daten können jederzeit neue Ordnungen geschaffen werden.39

Obwohl jede Klassifikation im digitalen Raum nur eine von vielen Möglichkeiten der Ordnung ist, unter der die einzelnen Datensätze geführt werden können, schwinden die Vorbehalte gegen kanonisierende Ordnungen nicht.40 Dabei könnte mit Blick auf die ja immer schon mit Ordnungssystemen arbeitenden Bildarchive zugestanden werden, dass durch die Digitalisierung die Freiheit und Effizienz steigen. Es ist nun nicht nur möglich, viele verschiedene Attribute zuzuordnen und sich damit von eindimensionalen Ordnungen zu befreien, sondern dies kann auch – im Sinne des Crowdsourcing – von vielen Individuen orts- und zeitunabhängig ausgeführt werden.41 Überdies können nun, wenn das Bild selbst digital vorliegt, auch Maschinen Verbindungen zwischen begrifflichklassifizierenden Systemen und dem Bild herstellen. Die äußerst dynamische Entwicklung des Content Based Image Retrieval (CBIR) oder Computer Vision genannten Felds lässt vermuten, dass in absehbarer Zeit Verschlagwortung und Katalogisierung im engeren Sinn nicht mehr ›von Hand‹ gemacht werden wird. Die Komplexität der Entwicklung kann hier nicht weiter betrachtet werden, jedoch ist anzumerken, dass die Verfahren und Ergebnisse – ebenso wie beim Crowdsourcing – in direkter Weise von Weise von den zugrunde liegenden Rahmenbedingungen, etwa der Einteilung des Medienmaterials und den hinzugezogenen Wissensbeständen, abhängen.42 Eine solche grundlegende Rahmenbedingung, deren Thematisierung überfällig ist, stellt die Differenzierung der Medienschichten dar, die typischerweise gerade mit visuellen Repräsentationen kunsthistorischer Objekte verbunden sind.43 Bereits die analoge Fotothek oder Diathek kannte solche Schichten: Auch hier gab es schon Reproduktionen nach anderen Fotografien, nach Vervielfältigungen im Druck und anderen Zwischenschritten. Gerade bei Lehrsammlungen ist das Anfertigen von Reprofotografien üblich. Zugleich stehen bei

einer Lehrbildsammlung fast ausschließlich die abgebildeten Gegenstände (die Kunstwerke, Denkmäler) im Fokus des Interesses, so dass durch die Medienschichten ohne weitere Reflexion ›hindurchgesehen‹ wird, was sich in der Beschriftung und Einordnung niederschlägt.44 So nennt die Beschriftung in der Regel das »erste« abgebildete Kunstwerk und weist dem Fotoobjekt damit auch den Platz in der Ordnung des Archivs zu.45 Das Foto des Gemäldes der Kathedrale von Salisbury von John Constable wird dem Namen des Urhebers des Gemäldes entsprechend unter »C« einsortiert sein, weil das Gemälde in erster Linie als Kunstwerk von eigenem Wert und nicht als eine Abbildung eines anderen Werks – hier der Kathedrale von Salisbury – angesehen wird. Eine moderne Grundrisszeichnung derselben Kathedrale wird unter »Orte: S« zu finden sein, obwohl auch die von einem technischen Zeichner hergestellte Grundrisszeichnung selbst als ein Werk verstanden werden könnte. In beiden Fällen wird die Ebene der Fotografie übergangen. Nach diesem Prinzip waren Fotografien in kunsthistorischen Bildarchiven und Diatheken kaum als Werke eigenen Ranges erschlossen. Da im analogen Bildarchiv nur eine einzige Aufstellung möglich ist (es sei denn, dass Objekt ist in mehreren Abzügen vorhanden), wird aus pragmatischen Gründen die Ordnung nach dem wahrscheinlichsten Bedarfsfall entsprechend dem kunsthistorischen Lehr- und Forschungsbetrieb angelegt. Dies führt unweigerlich dazu, dass die Eigenwertigkeit der medialen Zwischenstufen (hier der Fotografie), unter Umständen aber auch diejenige von dargestellten Objekten (z. B. die Kathedrale von Salisbury) unterdrückt wird. Das digitale Archiv ist hier freier, was – so sei hier vermutet – im Gegenzug auch zur Wahrnehmung des Objektcharakters der Fotografie in den letzten beiden Jahrzehnten beigetragen hat. Die Differenz zwischen abgebildetem Objekt und Bild(-medium) fällt bei den künstlerischen

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Werkgattungen freilich sehr unterschiedlich ins Gewicht. Bei der Grafik – Handzeichnung oder Druckgrafik – erreichte die Fotografie seit jeher eine relativ hohe Ähnlichkeit zum Gegenstand. Durch besondere Reproduktionsverfahren wie den farbigen Kohledruck wurde bereits kurz nach der Mitte des 19. Jahrhunderts mitunter fast FaksimileQualität erreicht.46 Im Fall von Gemälden ist die Abbildungstreue aufgrund der Übertragung von Farbe in Graustufen, dem in der Regel stärkeren Verkleinerungsgrad und dem Fehlen jeder Dreidimensionalität des Farbauftrags bereits eine deut­ lichere Differenz auszumachen. Die Differenz ist bei fotografischen Aufnahmen von dreidimensionalen Objekten und insbesondere im Fall von Architektur und städtebau­lichen Situationen schließlich so offensichtlich, dass das Foto selbst, die Machart der Aufnahme, eher in den Blick gerät und der gestaltende Anteil des Fotografen gewürdigt wird. Inzwischen hat der Prozess der Wahrnehmung der Fotografien – beginnend mit den ältesten Perioden – als Werke eigenen Werts auch bei Bildsammlungen eingesetzt, die für Forschung und Lehre bestimmt sind. Eine Vorreiterfunktion in der Thematisierung dieses Prozesses hatte das Kunsthistorische Institut in Florenz.47 In Marburg wurden 2011 die kunsthistorischen Lehrbildsammlung (der »kunsthistorische Apparat«) neben dem Negativarchiv des Bildarchivs gesichert und in den forschenden Blick genommen,48 und in der Bilddatenbank Bildindex der Kunst und Architektur können inzwischen wahlweise sowohl die ›Werke‹ als auch die Fotobjekte angezeigt werden.

Datenmodelle – Katalogisierung als Aussage

Zur angemessenen Repräsentation der Medienschichten und der historischen Sachverhalte, die sich um den Bildinhalt, das Fotoobjekt und seine

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Sammlungsgeschichte gruppieren, reichen schlichte Klassifikationen nicht aus. Diese müssen Bestandteile einer umfassenderen Semantik sein, die ebendiese Medienschichten und sonstige Entitäten zu differenzieren in der Lage sind. Als konzeptuell bahnbrechend kann hier das seit den späten 1990er Jahren von einer Gruppe des genannten CIDOC entwickelte CRM-Modell gelten, das die Beschreibung von Artefakten in erster Linie als Beschreibung von Beziehungen – und darüber hinaus zeitlich definierten Ereignissen – zwischen dem Objekt, den Personen, die es herstellten, restaurierten, besaßen, oder aber Beziehungen zu anderen Objekten, die es abbilden etc., auffasst.49 Eine Schwierigkeit für die Umsetzung solcher Modelle besteht darin, dass hierzu entsprechend flexible DatenbankManagement-Systeme erforderlich sind. Anwendungen von CIDOC-CRM oder ähn­liche, auf Aussagesätzen bzw. Aussagetripeln50 basierenden Modellen fanden zunächst im Sammlungs- und Forschungsbereich statt, etwa in WissKI51, Arachne52 (Abb. 4) oder ZUCCARO.53 Mit ConedaKOR wurde 2008 eine Anwendung geschaffen, die auf dieser Logik basiert und dezidiert für Lehr­ bildsammlungen bestimmt war.54 Gemessen am CIDOC-CRM oder allgemein an den auf Tripel­ logiken basierenden, oft auch als semantisch bezeichneten Datenmodellen sind die bisherigen Umsetzungen aber entweder technisch unzureichend, schwer zu handhaben oder bilden nur einen Teil des Modells ab, was im Fall von Lehrbildsammlungen durchaus ausreichend sein kann.55 Mit Neo4J und anderen Systemen stehen inzwischen auch genuine Graphdatenbank-Programme zur Verfügung,56 die eine komplexe Aussagenlogik – einschließlich Forschungsdiskussionen und bis zu einem gewissen Grad auch Unschärfen und Unsicherheiten57 – abbilden können, andererseits aber neue Herausforderungen etwa bezüglich der Datenberechnung oder bei der Gestaltung von Eingabe- und Suchober­ flächen mit sich bringen.58

Abb. 4 Arachne Bilddatenbank mit sog. Kontextbrowser (Screenshot, 2019)

Mit semantischen Modellen ist es nicht nur möglich, die Verhältnisse zwischen Objekten und Akteuren oder die räum­lichen und zeit­lichen Aspekte von Ereignissen darzustellen, sondern ebenfalls beliebig komplexe Medienzusammenhänge – die bereits mehrfach angesprochenen Medienschichten – auszudrücken und etwa ein Digitalbild, das einen Fotoabzug abbildet, der wiederum eine Lithografie abbildet, die ihrerseits eine Statue abbildet, als solches zu beschreiben. Nur hochspezialisierte analoge Sammlungen konnten die Vielfalt der materiellen, medialen und inhalt­lichen Merkmale der Bilder in ihren Katalogdaten oder Objektbeschriftungen vermerken. Keine Sammlung wäre in der Lage gewesen, alle denkbaren Aspekte zu berücksichtigen. Im digitalen Raum ist dies hingegen im Prinzip möglich. Mit einer Vielzahl von Aspekten zu arbeiten, bringt freilich auch Herausforderungen mit sich, deren Bewältigung unter anderem vom Datenmodell, der Datenbanksoftware und nicht zuletzt der Rechenleistung abhängig sind.

Verweisen als Grundlage der Vernetzung

Ein im Grunde einfaches Konzept, das als weiterer vordigitaler Strang anzusprechen ist, wurde vergleichsweise spät in die Konzepte der digitalen Bilddatenbanken integriert: der Einsatz von Normdaten. Gemeint sind damit zentral hinterlegte Informationen, insbesondere im Fall von einmaligen Entitäten wie Personen, Artefakten, Ereignissen oder Orten, aber auch im Fall von allgemeinen Konzepten, die als stabile Referenz herangezogen werden können. Dabei kommt es zunächst weniger auf den Inhalt dieser Informationen an als auf einen Identifikator, durch den sichergestellt wird, dass alle Bezugnehmenden die gleiche Person, das gleiche Objekt oder den gleichen Ort meinen. Indem hierfür Nummernsysteme eingesetzt werden, sind sowohl Sprachunabhängigkeit als auch Präzision und Eindeutigkeit gewährleistet. So einfach das Konzept ist, es erklärt sich bei näherer Betrachtung schnell, warum dieses vergleichsweise spät als wesent­liches Element eines globalen Wis-

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sensraumes Bedeutung erlangte: Erst wenn ein umfassendes und allgemein genutztes Netz des Austausches etabliert ist, kann auf zentrale Referenzen zugegriffen werden bzw. kann die Übereinstimmung der Referenz in verschiedenen Wissensspeichern überprüft werden. Das war erst mit dem Internet, dem World Wide Web, der Fall. Im Bibliothekswesen entwickelte sich ein System der Datenreferenzen zunächst im Sinn der Datennormierung und noch ohne den Aspekt einer wechselseitigen Vernetzung. Festgelegte Vokabulare und Thesauri legten beispielsweise die Schreibung bestimmter Begriffe und Namen fest, die – wie am Beispiel von ›Goethe‹, ›Göthe‹ und ›Göte‹ deutlich wird – nicht nur über Sprachen und Schriftsysteme hinweg, sondern auch innerhalb einer Sprache sehr stark variieren können.59 Im Lauf der Zeit haben sich daraus Normdatenrepositorien entwickelt, die in Deutschland inzwischen zur Gemeinsamen Normdatei (GND) zusammengefasst sind.60 Auf internationaler Ebene sind die einzelnen nationalen Datenbestände wiederum im Virtual International Authority File (VIAF) zusammengeführt,61 ohne dass die einzelnen Datenbestände ihre Eigenständigkeit aufgeben. Spätestens am multiplen Konzept von VIAF ist erkennbar, dass die Idee des einen Normdatensatzes – im Englischen zutreffender »authority file« genannt – an seine Grenzen stößt: Ist nun der Eintrag zu David Teniers II. in der GND, in der Bibliothèque Nationale de France, in der Library of Congress, oder in einem kunsthistorischen Spezialverzeichnis wie ULAN (Union List of Artist Names) der richtige? Im Fall von Künstlernamen wohl im Zweifel der letztere. Dort würde man aber keine Daten zu porträtierten Fürsten finden. Wenn das erste wichtige Ziel der Verwendung von Normdaten die Identifizierung von Entitäten (in unseren bisherigen Beispielen Personen) ist, dann besteht wohl in der übergreifenden Nummer des VIAF der größte Wert, wohingegen die einzelnen Normdatensätze unter Umständen lückenhafte oder falsche

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Lebensdaten etc. enthalten mögen. Nur angemerkt sei hier, dass das Vorhandensein eindeutiger Bezeichner – allgemein URI (Uniform Resource Identifier) genannt – einen der Grundpfeiler für die von Tim Berners-Lee seit Mitte der 1990er Jahre entwickelten Konzepte des Semantic Web und des Linked Open Data-Modells darstellt.62 Vor einigen Jahren trat mit Wikidata, einer auf einem strikten Graphenmodell basierenden, offenen Online-Datenbank ein neuer globaler Player für die Dokumentation des ›Weltwissens‹ auf den Plan. Zunächst bestand das Ziel in der Vereinheitlichung der verschiedenen Sprachversionen der Wikipedia.63 Anders als bei der Wikipedia selbst, die immer noch stark an einem historischen Enzyklopädie-Konzept einschließlich rigider Relevanzkriterien festhält, ist Wikidata inzwischen für eine fast unbegrenzte Aufnahme von Sachverhalten geöffnet. Begrenzender Faktor dieses mittlerweile auf über 100 Millionen Datensätze und einem Vielfachen an Verknüpfungen angestiegenen Datenspeichers sind vor allem die Arbeitsleistung und die inhalt­lichen Vorlieben der freiwillig Beitragenden. Für die Eintragung aller spätgotischen Vesperbilder – um ein beliebiges Beispiel zu nennen – müsste sich erst einmal jemand finden. Andererseits sind Daten vorhandener Kataloge – auch ganzer Sammlungsbestände wie z. B. der Münchner Pinakothek – bereits enthalten, weil sie als entsprechend strukturierte Daten für einen Import geeignet waren.64 Da die Daten in Wikidata frei zugänglich sind und verschiedene Schnittstellen bieten, könnte die Nutzung der Referenz auf Wikidata-Entitäten und den damit netzförmig verbundenen Informationseinheiten so weit gehen, dass diese in andere Bilddatenbanken eingelesen werden.65 Damit eröffnen sich globale Vernetzungsszenarien, bei denen ein großer Teil der »Semantik« innerhalb von Wikidata liegt: Während sich das ›Wissen‹ der eigenen Bilddatenbank lediglich darauf beschränkt, dass es sich beispielsweise um ein Foto des Apoll vom Belvedere

handelt, können zusätz­liche Informationen zu dieser Skulptur (Zuschreibung, Fundort, Aufstellung, Nachfolgewerke etc.) über Wikidata bezogen werden.66 Hunderte oder Tausende von Bilddaten­ banken weltweit, die Abbildungen vom Apoll vom Belvedere besitzen, teilen sich dieses Wissen und verzichten umgekehrt darauf, potenziell unvollständige, irrige oder veraltete Information lokal anzusammeln. Dabei ist es in technischer Hinsicht denkbar, dass die gewünschten Angaben zum Werk regelmäßig in die eigene Datenbank eingespielt und dort gespeichert werden, oder dass sie lediglich im jeweiligen Moment in aktueller Form angezeigt werden.67 Gerade für Lehrbildsammlungen, die stets nur begrenzte Ressourcen die inhalt­liche Erschließung besitzen, erscheint ein derartiges Szenario plausibel.

Der entgrenzte Wissens- und Bilderraum

Wir sind damit bei einer letzten Frage angelangt, nämlich danach, wo eigentlich die Grenzen des eignen, lokalen Bilddatenbanksystems anzusetzen sind, wenn nun das Wissen über die Kunstwerke – zumal derjenigen, die weltweit bekannt, ausgiebig dokumentiert und vielfach besprochen sind – in seinen spezielleren Bestandteilen nicht in der jeweiligen Bilddatenbank vorgehalten, aber über die Verbindungen im Netz dennoch verfügbar sind. Es zeichnet sich hier eine Entwicklung ab, die abschließend skizziert werden soll: Über die informationstechnisch notwendige Differenzierung und Entkoppelung von Informationen hinaus, sind gerade im Fall des weltweiten Kulturerbes die Daten im Begriff, sich in eine nur durch Verweise zusammengehaltene Wissenswolke aufzulösen, deren Lücken und Unebenheiten eventuell sogar noch durch Künst­liche Intelligenz gefüllt und geglättet werden.68 Diese Vernetzung der beschreibenden Daten stellt – zumal gegenüber der eingangs skizzierten geschlossenen Diathek – zugleich eine Auf-

lösung und Entgrenzung dar. Die im Digitalen ebenso volatilen, da potenziell von überall her adressierbaren Bilder der Werke fügen sich in diesen Wissensraum auf neue Weise ein. Bereits jetzt werden im Internet direkt adressierbare Bilddatenbestände über die Suchmaschinen zum Bestandteil eines universellen Bilderpools und eines potenziell grenzenlosen Ökosystems. Neue Standards wie IIIF ermög­lichen es, Bilder über Server und Systeme hinweg direkt aufzurufen und zu vergleichen.69 Bereits jetzt sind die Bilder nicht mehr nur über textuelle Meta- und Kontextdaten, sondern auch mit Ähnlichkeits­suche auffindbar.70 Im globalen digitalen Ökosystem ist freilich nicht mehr nur das Auffinden und Auflisten von Bilddateien denkbar, sondern auch die Einbettung in größere raumzeit­liche Zusammenhänge. Derzeit geben verschiedene Dienste von Google und Wettbewerbern wie Microsoft eine Vorstellung davon, etwa die Karten in Google Maps oder der virtuelle Globus von Google Earth, einschließlich thematischer Overlays oder der Street-View-Funktion. Google und Co. stellen mit Street View nicht nur den raumzeit­lichen Rahmen bereit, sondern auch immense Mengen an Bildmaterial des ansonsten nur wenig oder gar nicht von der architektur- und kunsthistorischen Dokumentationsfotografie abgedeckten Raums und der darin enthaltenen Gegenstände. Um den Eindruck eines historischen Bauwerks zu erhalten oder ein bestimmtes, vielleicht an einer Seitenfassade befind­liches Detail zu studieren, kann es eher zum Ziel führen, Google Earth zu konsultieren, als nach den immer gleichen Fotografien der Hauptansichten zu suchen (Abb. 5), auch wenn ein bewusst konzipiertes Architekturfoto seinen eigenen hohen Aussagewert hat. Umgekehrt wäre es denkbar, den – insbesondere hinsichtlich der zeit­lichen Abdeckung – unbestreitbar wertvollen Bildbestand kunsthistorischer ­Dokumentationsfotografie auch in das Raum-ZeitSystem eines virtuellen Globus einzuspielen. 71

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Abb. 5 Architektonische Details an der Bauwerksfuge zwischen der Zecca di Venezia (links) und der Biblioteca Nazionale Marciana in einer Google Streetview-Ansicht (Screenshot, 2019)

­ erade aus der Perspektive kunsthistorischer LehrG bildsammlungen erscheint es grundsätzlich attraktiv, Raumkoordinaten und weitere Angaben zu Kunstwerken mit einem System zu referenzieren, das so global wie das Kulturerbe selbst ist und zu dem die Bildmaterialien lediglich hinzugefügt werden müssten. In weiterer Steigerung könnte diese Hinzufügung maschinell gestützt massenhaft erfolgen, wodurch aus der Summe der Bilder wiederum Rekonstruktionen räum­licher Situationen entstehen könnten.72 Mit derartigen Verschmelzungen von Bild und Raum entstünden nicht nur neue visuelle Zugangswege, sondern es erweiterte sich das kunsthistorische Bildarchiv entscheidend in städtebau­liche und kulturräum­liche Dimensionen. Es sei nur angemerkt, dass das Bildmaterial, das auf diese Weise örtlich und zeitlich unbeschränkt sowie potenziell unter beliebig vielen und mannigfaltigen Aspekten auffindbar wird, umso eher wiederum Gegenstand von verschiedenen, auch künstlerischen, Interaktionen innerhalb des Web werden kann.73 Ein Abglanz derartiger Szenarien trifft das Konzept Lehrbildsammlung bereits heute – und sei es nur in der Form, dass sich das Arbeiten generell

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von der Suche in Spezialsammlungen »in das Internet« verlagert. Wie sich die die Entwicklung fortsetzen wird, ist aufgrund der vielen zu berücksichtigenden Faktoren – vor allem aber aufgrund der Tatsache, dass der kunsthistorische »Bildermarkt« nur einen kleinen Teil der globalen Bilderwelt darstellt und damit Dynamiken unterworfen ist, die nicht fachlich motiviert sind – kaum vorherzusagen. Wurde mancherorts die Lehrsammlung aus praktischen Gründen bereits aufgegeben und vielleicht sogar entsorgt, da der Bedarf nun weitgehend aus Verbunddatenbanken oder direkt aus dem Netz gedeckt wird, so ist andernorts die analoge Sammlung durch die Repräsentation im digitalen Raum überhaupt erst wieder ins Bewusstsein getreten, weil sie jetzt adäquat abgebildet und handhabbar gemacht werden kann. Entgegen anfäng­licher Erwartungen hat die nunmehr seit zwei Jahrzehnten andauernde Phase der Digitalisierung nicht grundsätzlich zum Verschwinden der analogen Bildträger, sondern vielmehr zu ihrer gesteigerten Wahrnehmung geführt – freilich nur, wenn diese Digitalisierung tatsächlich stattfand und für den Raum des Netzes geöffnet wurde.

1 Zur Entwicklung der kunsthistorischen Diathek und ihren Ordnungssystemen, die entwicklungsgeschicht­liche Vorstufen der digitalen Bilddatenbank darstellen, siehe Georg Schelbert, Die Ordnung der Diathek (im Erscheinen). 2 Zu den Fotoabzügen und älteren Grafiksammlungen kamen bei den Diatheken der meisten kunsthistorischen Institute wohl verschiedene Losebildsammlungen, bestehend aus modernen Drucken, Postkarten und anderen Formaten, hinzu. 3 Marburger Index. Inventar der Kunst in Deutschland, hrsg. vom Bildarchiv Foto Marburg, Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte, Philipps-Universität Marburg, München u. a. 1976–2006; als CD-Rom: 1995–2010. Fritz Laupichler, Das Bildarchiv Foto Marburg. Von der »Photographischen Gesellschaft« zum Deutschen ­Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte. Ein historischchronologischer Abriss 1913–2013, Marburg 2016, S. 84–90. 4 Eine direkte Projektion ist nicht möglich, ohne den Mikrofiche zu zerstören. Ein Ausdrucken mit Readerprintern war möglich. Für die Projektion war das Abfotografieren mit Diafilm erforderlich. 5 Vgl. Hubertus Kohle, »Digitale Diathek«, in: Kunstchronik, 50, 1997, S. 474–475. Von einer der ersten InstitutsBilddatenbanken, Imago, wird berichtet, »dass es als ein Hilfsmittel konzipiert [ist], das die weiterhin be­ste­hende klassische Diathek nur erschließt. Verzichtet ist auf die Einbindung hochauflösender Bildscans, damit auch auf die vorläufig noch technisch unbefriedigende Projektion«, ebd., S. 475. Imago arbeitete anfangs nur mit »mittelgroßen« Bildern von ca. 800 × 500 px. Bilder von ca. 1000 px Seitenlänge galten bereits als große Formate. Das 1987 eingeführte VGA-Format für Monitore und Beamer war zunächst aber ohnehin nur auf eine Größe von 640 × 480 px ausgelegt. 6 Diese Aufnahmen waren in der ersten Phase des Aufbaus der digitalen Diatheken allerdings eher weniger gefragt, waren sie doch meistens als Amateuraufnahmen von Exkursionen und sonstigen Feldforschungen entstanden und zeigten eher spezielle Gegenstände in einer Bildsprache und Aufnahmequalität, die zumindest nicht immer für Proseminar und Vorlesung geeignet ist. Erst vor dem Hintergrund des inzwischen gestiegenen Interesses an der Fachgeschichte erhalten diese Aufnahmen spezifische Aufmerksamkeit. 7 Abgesehen vom Umstand, dass diese durch fortwährenden Gebrauch eventuell Schäden an den Bildern aufwiesen (oder keine nach aktuellen Maßstäben ausreichende Druckqualität besitzen). In einer Prüfungskampa-

gne der eigenen prometheus-Beiträge wurde am IKB der Humboldt-Universität festgestellt, dass manche Bücher mittlerweile stark berieben waren und sich eine Neuaufnahme nicht mehr lohnte. 8 Vgl. auch Stephan Hoppe und Holger Simon, »Abschied vom Dia! Vorteile elektronischer Bildprojektion in der kunsthistorischen Lehre«, in: Kunstchronik, 53, 2000, S. 338–339, hier S. 339: »Das althergebrachte Dia wird mittelfristig noch ein hochwertiges Aufnahmemedium für Originalfotos sein, langfristig aber von der digitalen Fotografie abgelöst werden.« 9 Susanne von Falkenhausen hielt ihre Vorlesungen bis zum Ausscheiden im Jahr 2015 ausschließlich mit Dias. 10 Z. B. die Diathek an der Justus-Liebig-Universität Gießen, auf der Basis von FileMaker 5 entwickelt von Stefan Brenne und als Konfiguration auch für andere Institute zur Verfügung gestellt. Der online-Zugang zu den Daten wird seit 2001 über die prometheus-Bilddatenbank ermöglicht. 11 Lutz Heusinger, Marburger Informations-, Dokumentations-, und Administrations-System (MIDAS). Handbuch, München und Leipzig 1989. Am Getty Research Institute wurde seit den 1990er Jahren das Beschreibungsschema CDWA (Categories for the Description of Works of Art) erstellt. Siehe Murta Baca und Patricia Harpring, Categories for the Description of Works of Art, Los Angeles 2009 (rev. Edition 2016), http://www.getty.edu/research/ publications/electronic_publications/cdwa/ (03.04.2021), aus dem 2005–2006 eine reduzierte Version, CDWA Lite, abgeleitet wurde. Siehe Murta Baca, Introduction to Metadata, Los Angeles 2008 (3. Aufl. 2016), S. 22, http://www. getty.edu/publications/intrometadata/ (03.04.2021). 12 André Reifenrath, »Über die Probleme einer geisteswissenschaft­lichen Bilddatenbank und deren Lösung«, in: Humboldt-Spektrum, 1, 1995, S. 38–41; Kohle 1997 (wie Anm. 5); Dorothee Haffner, »›Die Kunstgeschichte ist ein technisches Fach‹. Bilder an der Wand, auf dem Schirm und im Netz«, in: Bild/Geschichte. Festschrift für Horst Bredekamp, hrsg. von Philine Helas, Maren Polte, Claudia Rückert und Bettina Uppenkamp, Berlin 2007, S. 119–129, hier S. 125–126. 13 Vgl. Dorothee Haffner: »Ein kunsthistorischer Thesaurus für die Diathek«, in: AKMB-news, 7, 2, 2001, S. 23– 26, https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/akmbnews/article/view/260/245 (03.04.2021). 14 Die Datenbank wurde bis ca. 2009 von der Firma acht: g Consulting weiterentwickelt, zum Einsatz einer browserbasierten Version kam es jedoch nicht mehr.

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15 Katja Kwastek, »PETAL und Hyperimage – die Idee eines bildbasierten Forschungsnetzwerks«, in: Zeitenblicke, 5, 2006, http://www.zeitenblicke.de/2006/3/Kwastek1 (03.04.2021); Lisa Dieckmann, Anita Kliemann und Martin Warnke, »Meta-Image – Forschungsumgebung für den Bilddiskurs in der Kunstgeschichte«, in: Digitale Dienste für die Wissenschaft (cms-Journal, 35), 2012, S. 11–17, DOI: http://dx.doi.org/10.18452/6626 (03.04.2021); Katja Kwastek, »Vom Bild zum Bild – Digital Humanities jenseits des Textes«, in: Grenzen und Möglichkeiten der Digital Humanities, hrsg. von Constanze Baum und Thomas Stäcker, 2015 (Sonderband Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften, 1), DOI: 10.17175/sb001_002 (03.04.2021). 16 Dieckmann, Kliemann und Warnke 2012 (wie Anm. 15), Kwastek 2006 (wie Anm. 15). 17 HyperImage wurde überwiegend für Projekte eingesetzt, die den Charakter von Werkverzeichnissen oder Kunstdenkmäler-Inventaren haben: z. B. Anna Oppermann unter der Leitung von Carmen Wedemeyer und Martin Warnke; Corpus Vitrearum/HyperGlass unter der Leitung von Dorothee Haffner und Frank Martin; HyperGiotto unter der Leitung von Peter Seiler, https://warnke.web. leuphana.de/hyperimage/hyperimage/ (03.04.2021). Aufgrund des Auslaufens von Flash sind die meisten Hyper­ Image-Publikationen der ersten Generation nicht mehr online konsultierbar; eine neue Programmversion wurde von der Firma bitGilde-Solutions entwickelt, siehe: http:// hyperimage.ws/de/ (03.04.2021). 18 Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia (03.04.2021); https://prometheus-bildarchiv.de (03.04.2021), http://www.kunsttexte.de (03.04.2021), http://www.sehepunkte.de (03.04.2021). 19 Holger Simon, »Prometheus. Das verteilte digitale Bildarchiv«, in: Kunstchronik, 54, 2001, S. 88–89; Horst Bredekamp und Ingeborg Reichle, »PROMETHEUS. Das verteilte digitale Bildarchiv für Forschung und Lehre. Ein internetgestütztes Konzept zur Zusammenführung heterogener Wissensquellen am Kunstgeschicht­lichen Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin«, in: Humboldt-Spektrum, 4, 2002, S. 48–53. 20 Artstor wurde – ebenso so wie das Zeitschriftenportal JSTOR – von der Andrew W. Mellon Foundation 2003 initiiert und ist Teil von ITHAKA, einer Organisation zur Unterstützung der Geisteswissenschaften mit digitaler Infrastruktur: https://www.artstor.org/ (03.04.2021). 21 Vgl. den Vortragstitel von Lisa Dieckmann »Mona Lisas Schwestern – zum Umgang mit Redundanzen, Bildqualität und heterogenen Metadaten«. Berliner Gespräche

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zur Digitalen Kunstgeschichte, 5: Bilderflut – Bilderschatz, 07. Juli 2014, http://www.kunstgeschichte.hu-berlin.de/ veranstaltungen/bgdk5/ (11.08.2021). 22 Soweit als freie Daten lizenziert und per Schnittstelle erreichbar, wurden derartige Bestände in einzelnen Fällen, wie etwa im Fall des Metropolitan Museum of Art in New York, ebenfalls in prometheus integriert. 23 Vgl. z. B. Angela Karasch, Bildrecherche 1: Klassische Bildinventare zur Architektur- und Kunstgeschichte, Freiburg 2009, http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/6342 (03.04.2021), hier als online-Publikation im pdf-Format veröffentlicht. Zuvor erschien das Verzeichnis gedruckt. 24 easydb wird seit 2003 von der Firma programmfabrik als proprietäres System mit Serviceverträgen angeboten: https://www.programmfabrik.de/easydb/ (03.04.2021). DILPS (Distributed Image Library Processing System) wurde ab 2004 gemeinsam vom Kunstgeschicht­lichen Institut der Universität Frankfurt, der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich und der Staat­lichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe mit dem Informatiker Jürgen Enge als Open-Source-Software erstellt. Das auf den LAMP-Komponenten (Linux, Apache, MySQL und php) aufbauende System wird noch an einigen Universitätsinstituten eingesetzt, jedoch nicht mehr aktualisiert. Am kunsthistorischen Institut der Universität Frankfurt wurde stattdessen seit 2009 das auf einer Tripellogik basierende System ConedaKOR entwickelt (siehe dazu auch Anm. 54). 25 Z. B. das an der Universität Bonn entwickelte System arkuBID, das insbesondere in archäologischen Instituten verbreitet ist, siehe: http://www.arkubid.uni-bonn.de/ (03.04.2021). 26 Z. B. FU Berlin, Universitäten Göttingen, Münster und Marburg, während etwa die Datenbestände der kunsthistorischen Institute der Universitäten Bern, Stuttgart oder Hamburg in prometheus eingespeist werden. 27 Die europeana wurde nach Vorläuferprojekten wie Michael (Multilingual Inventory of Cultural Heritage in ­Europe), http://www.michael-culture.org/de/1051/ (03.04.2021) und der Vorstufe EDLnet in einer Beta-Version Ende 2008 freigeschaltet. Die nach dem Modell der europeana konzipierte und seit Ende 2012 online zugäng­ liche Deutsche Digitale Bibliothek (DDB), die zugleich als deutsche Lieferquelle für die europeana fungiert, wird gemeinsam von Bund und Ländern getragen, wobei die Arbeitsstellen überwiegend an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Deutschen Nationalbibliothek angesiedelt sind.

28 In der DDB sind z. B. die Bildsammlungen des Deutschen Dokumentationszentrums für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg, siehe: https://bildindex.de (03.04.2021) vertreten sowie seitens der Institutssammlungen u. a. die Diathek des Kunsthistorischen Seminars Hamburg und die Mediathek des IKB der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Unterscheidung der Ebenen zwischen Datensätzen zu Werken selbst und deren Abbildungen ist sowohl bei der europeana als auch bei der DDB aufgrund der Datenmodelle, der Datenqualität und der Benutzeroberflächen jedoch immer noch unbefriedigend. 29 Projekt Meta-Image, siehe dazu Dieckmann, Kliemann und Warnke 2012 (wie Anm. 15) sowie Lisa Dieckmann und Martin Warnke, »Meta-Image und die Prinzipien des Digitalen im Mnemosyne-Atlas Aby Warburgs«, in: Computing Art Reader, hrsg. von Piotr Kuroczyński, Peter Bell und Lisa Dieckmann, Heidelberg 2018, S. 78–93, https://doi.org/10.11588/arthistoricum.413.c5770 (03.04.2021). 30 Zu den Erwartungen vgl. das Abstract von Dorothee Haffner zum Vortrag auf der EVA-Tagung 2005: »Die klassischen Diatheken der kunst- und kulturgeschicht­lichen Universitätsinstitute werden zunehmend durch online ­verfügbare, digitale Bildarchive abgelöst. Im Netz stehen schlichte Bildersammlungen neben komfortablen Systemen, die zusätzlich Arbeitsmappen und Präsentationsmodule anbieten, also das Arbeiten mit den Dias durch Online-Werkzeuge nachbilden. Didaktisch orientierte Systeme bieten zusätzlich Lernmodule, z. B. zur Schulung grundlegender Methoden oder Arbeitstechniken«, dies., »Im Kegel des Projektors: Recherche in Digitalen Diatheken«, in: Konferenzband EVA Berlin 2005, hrsg. von Gerd Stanke, Andreas Bienert und James Hemsley, Berlin 2005, S. 22. 31 Henri van de Waal, »Système de classification iconographique ›Iconclass‹ et la collection de reproductions D. I. A. L. (Decimal index of the art of the Low Countries) 1970«, in: Bibliographie d’histoire de l’art, Paris 1969. S. 187–190. Zum Einsatz von Iconclass in kunsthistorischen Bilddatenbank Angela Kailus, »Der Kanon der Motive: ikonographische Indexierung mit ICONCLASS«, in: Konferenzband EVA Berlin 2005 (wie Anm. 30), S. 12–14; vgl. http://www.iconclass.org/ (03.04.2021). 32 Vgl. aus der Perspektive der Entwicklung eines ­Thesaurus für die Datenbank Imago Haffner 2001 (wie Anm. 13). Den umfassendsten Versuch stellt diesbezüglich der Art and Architecture Thesaurus des Getty Research Institute dar: https://www.getty.edu/research/tools/ vocabularies/aat/ (03.04.2021).

33 Lutz Heusinger, »Kunstgeschichte und EDV – acht Thesen«, in: kritische berichte, 11, 1983, 4, S. 67–70. 34 Ursprünglich »Comité international pour la documentation«, heute »International Committee on Documentation«. 35 Ohne Verf., »Erster kunstwissenschaft­licher Congress in Wien (1. bis 4. September 1873)«, in: Mitteilungen des k.k. Oesterreich. Museums für Kunst und Industrie. Monatsschrift für Kunst und Kunstgewerbe, 97, Oktober 1873. Vgl. zu Meyer auch Ingeborg Reichle, »Fotografie und Lichtbild: Die ›unsichtbaren‹ Bildmedien der Kunstgeschichte«, in: Sichtbarkeit und Medium. Austausch, Verknüpfung und Differenz naturwissenschaft­licher und ästhetischer Bildstrategien, hrsg. von Anja Zimmermann, Hamburg 2005, S. 169–181, hier S. 173–174; und Maria Männig, »Bruno Meyer and the Invention of Art Historical Slide Projection«, in: Photo-Objects. On the Materiality of Photographs and Photo Archives in the Humanities and Sciences, hrsg. von Julia Bärnighausen, Costanza Caraffa, Stefanie Klamm, Franka Schneider und Petra Wodtke, Berlin 2019, S. 275–291. 36 Laupichler 2016 (wie Anm. 3), S. 125–126. Zum Aufbau von MIDAS siehe Heusinger 1989 (wie Anm. 11); Fritz Laupichler, »MIDAS, HIDA, DISKUS – was ist das?«, in: Arbeitsgemeinschaft der Kunst- und MuseumsbibliothekenNews, 4, 1998, 2/3, S. 18–24; sowie Jens Bove, Lutz Heusinger und Angela Kailus, Marburger Informations-, Dokumentations- und Administrations-System (MIDAS). Handbuch und CD (Literatur und Archiv, 4), 4. Aufl., Marburg 2001; ArtDok: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/3770/ (03.04.2021). 37 Obwohl Foto Marburg – ungeachtet der Denomination »Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte« – bis heute in erster Linie ein Bildarchiv verkörpert und dass das MIDAS/Hida-System dort zur Erfassung von Fotografien eingesetzt wurde, stehen in der Datenbank nicht letztere (also die Fotografien, einschließlich der Fotografen) im Mittelpunkt, sondern die abgebildeten Gegenstände (also die Bauten und Kunstwerke). Unter den – in den Zeiten des Aufbaus des Bildarchivs noch nicht gegebenen – Voraussetzungen des Internets wäre dieses Konzept für die digitalen Lehrbildsammlungen bereits das ideale Modell gewesen, handelte es sich bei Lehrbildern doch in der Regel um Repro-Aufnahmen, bei denen das einzelne Bild weniger als das abgebildete Kunstwerk interessiert und daher hierzu kaum Daten aufzunehmen sind (allenfalls Quellennachweise, um Nutzungsrechte zu kennzeichnen). Zur Geschichte und zum Selbst-

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verständnis von Foto Marburg vor dem Hintergrund des Übergangs zur Arbeit mit Digitalfotografien siehe Christian Bracht, »Foto Marburg. Ein klassisches Bildarchiv und die digitale Bilderwelt«, in: Digitale Fotografie. Kulturelle Praxen eines neuen Mediums, Visuelle Kultur, hrsg. von Irene Ziehe und Ulrich Hägele, Münster 2009, S. 157–166. 38 Siehe Peter Seiler, Tatjana Bartsch und Martin Rode, »Antike im Blick: Open Access für den Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance«, in: Konferenzband EVA Berlin 2007, hrsg. von Andreas Bienert, Gerd Stanke, James Hemsley und Vito Cappellini, Berlin 2007, S. 33–38; Tatjana Bartsch, »›Distinctae per locos schedulae non agglutinatae‹ – Das Census-Datenmodell und seine Vorgänger«, in: Pegasus. Berliner Beiträge zum Nachleben der Antike, 10, 2008, S. 223–260. 39 Zu den hiermit verbundenen Aspekten der Bildzusammenhänge (»Hyperimage«) vgl. Felix Thürlemann, Mehr als ein Bild. Für eine Kunstgeschichte des »hyperimage«, München 2013; Maria Männig, »Instagram als HyperImage«, in: kunsttexte.de. Kunst Design Alltag, 1, 2017, https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/148 (03.04.2021). 40 Vgl. Margarete Pratschke, »Geschichte und Kritik digitaler Kunst- und Bildgeschichte«, in: Kuroczyński, Bell und Dieckmann 2018 (wie Anm. 29), S. 21–37, hier S. 29, https://books.ub.uni-heidelberg.de/arthistoricum/reader/ download/413/413-17-83316-3-10-20190111.pdf (03.04.2021), zur Kritik auf Heusingers Vorschläge von 1983 (vgl. Anm. 33). 41 Die für digitale Bilddatenbanken grundsätzlich interessanten Einsatzmöglichkeiten im kollaborativen Arbeiten, auch mit gemischten Akteursgruppen (also alle Arten von Crowd-Sourcing und Citizen Science), sollen hier aus Gründen des Umfangs nicht weiter beleuchtet werden. Festzuhalten ist, dass die Ergebnisse stark davon abhängen, wie die Aufgabe definiert ist. Homogene Datenbestände lassen sich nur bei Verwendung einer Klassifikation erzielen. Außerdem ist die richtige Zuordnung der Verschlagwortung davon abhängig, ob die Medienebenen definiert sind. Das im Bereich der Kunstgeschichte bekannteste Projekt ist die von Hubertus Kohle und François Bry initiierte online-Plattform ARTigo, siehe: https://www.artigo. org/ (03.04.2021). 42 Vgl. zu den konzeptuellen und technischen Grundlagen Martin Bullin und Andreas Henrich, »Ansätze und Problemfelder«, in: Bilddaten in den Digitalen Geisteswissenschaften, hrsg. von Canan Hastik und Philipp Hegel (Episteme in Bewegung. Beiträge zu einer transdisziplinären Wissensgeschichte, 16, hrsg. von Gyburg Uhlmann im Auf-

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trag des SFB 980), Wiesbaden 2020, S. 11–33, sowie insbesondere im Hinblick auf die kunsthistorische Anwendung William Vaughan, »Computergestützte Bildrecherche und Bildanalyse«, in: Kunstgeschichte digital. Eine Einführung für Praktiker und Studierende, hrsg. von Hubertus Kohle, Berlin 1997, S. 97–106; und Peter Bell, »Computer Vision und Kunstgeschichte – Dialog zweier Bildwissenschaften«, in: Kuroczyński, Bell und Dieckmann 2018 (wie Anm. 29), S. 61–75, https://doi.org/10.11588/arthistoricum.413 (03.04.2021). 43 Vgl. hierzu, insbesondere in Bezug auf das digitale Bild als letzte dieser Medienschichten, Harald Klinke, »Bildwissenschaft ohne Bildbegriff«, in: Bilder der Gegenwart. Aspekte und Perspektiven des digitalen Wandels, hrsg. von dems., Göttingen 2019, S. 13–32. 44 Zum größeren Kontext des »Durchscheinens« vgl. Emmanuel Alloa, Das durchscheinende Bild. Konturen einer medialen Phänomenologie, Zürich 2011. 45 Mit dem »ersten Kunstwerk« ist dasjenige Werk gemeint, das in erster Linie als Werk gesehen wird und nicht als Abbildung eines anderen Werks, vgl. Costanza Caraffa, »Einleitung«, in: Fotografie als Instrument und Medium der Kunstgeschichte, hrsg. von ders. (I Mandorli, 9), Berlin 2009, S. 7–26, hier S. 25: »So basiert das Ordnungssystem einer kunsthistorischen Fotothek auf der Grundannahme, dass eine Abbildung mit dem Abgebildeten gleichzusetzen sei – eine Fiktion die durch ihre eindrucksvolle Materialisierung in Regalmetern Wahrheit suggeriert und beansprucht.« 46 Zu nennen sind hier insbesondere die Produkte von Adolphe Braun. Vgl. den Beitrag von Franziska Scheuer im vorliegenden Band. 47 Mit der Florence Declaration von 2009 wurde die Blickrichtung explizit vom dokumentarischen Wert kunsthistorischer Fotografien auf den Wert als historisches Objekt verschoben, siehe: https://www.khi.fi.it/de/photothek/ florence-declaration.php (03.04.2021). Vgl. Costanza Caraffa, »From ›photo libraries‹ to ›photo archives‹: on the epistemological potential of art-historical photo collections«, in: Photo archives and the photographic memory of art history, hrsg. von ders. (I Mandorli, 14), Berlin und München 2011, S. 11–44; auch mit dem Fokus auf die durch den Objektcharakter über das »Bild« hinausgehenden Dokumentqualitäten: Costanza Caraffa, »Objects of Value: Challenging Conventional Hierarchies in the Photo Archive«, in: Photo-objects. On the Materiality of Photographs and Photo Archives in the Humanities and Sciences, hrsg. von Julia Bärnighausen, Costanza Caraffa, Stefanie Klamm, Franka Schneider und Petra Wodtke, Berlin 2019, S. 11–32.

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Hubert Locher, »Kunsthistorische Bildsammlungen. Archivierte Fotopositive im Blick der kunsthistorischen Forschung«, in: Rundbrief Fotografie, 18, 3, N. F. 71, Sept. 2011, S. 5–7; Costanza Caraffa: »›Wenden!‹ – Fotografien in Archiven im Zeitalter ihrer Digitalisierbarkeit: ein material turn«, in: ebd., S. 8–15; Dorothea Peters, Bildergeschichte(n) – Zur Kontextualisierung von Fotografien aus dem Bildarchiv Foto Marburg, in: ebd., S. 15–23. 49 http://www.cidoc-crm.org/ (03.04.2021). 50 Im Sinne von Subjekt-Prädikat-Objekt-Aussagen als kleinster Einheit. 51 http://wiss-ki.eu/ (03.04.2021); Günther Görz, »WissKI: Semantische Annotation, Wissensverarbeitung und Wissenschaftskommunikation in einer virtuellen Forschungsumgebung«, in: Kunstgeschichte. Open peer reviewed Journal, 2011, URN: urn:nbn:de:bvb:355-kuge-167-7 (03.04.2021); WissKI wurde in einer ersten Projektphase 2009 bis 2012 im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts zwischen der Digital Humanities-Forschungsgruppe des Instituts für Informatik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Abteilung für Museumsinformatik des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg und der Biodiversitäts-Informatik-Gruppe am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn entwickelt. Die bis dahin ungewöhn­liche Anwendung eines Datenmodells und einer Ontologie gleichermaßen auf kulturhistorische wie naturhistorische Gegenstände zeigte die Universalität von CIDOC-CRM und WissKI. 52 Arachne ist – ausgehend vom Bildmaterial des Archäologischen Instituts der Universität zu Köln – die zentrale Objektdatenbank des Deutschen Archäologischen Instituts und berücksichtigt ebenso die Beziehungen zwischen Einzelobjekten, mehrteiligen Denkmälern wie die Rezeption und Reproduktion derselben; vgl. Reinhard Förtsch und Marian Keuler, »Cologne Digital Archaeology Laboratory – Arbeitsstelle für Digitale Archäologie«, in: Kölner und Bonner Archaeologica, 1, 2011, S. 174–175. 53 Die Datenbank ZUCCARO entstand seit 2001 aus den Bedarfen der Projekte Lineamenta – Forschungsdatenbank für italienische Architekturzeichnungen und ArsRoma – Kunsthistorische Forschungsdatenbank zur Malerei in Rom 1580–1630. Besonderer Wert wurde, über die Abbildung von sach­lichen Beziehungen hinaus, auf die Darstellungen der Quellen- und Forschungsgrundlagen gelegt; vgl. Martin Raspe und Georg Schelbert, »ZUCCARO. Ein Informationssystem für die historischen Wissenschaften«, in: IT Information Technology, 51, 2009, S. 207–215; Elisabeth Kieven und Georg Schelbert, »Architekturzeichnungen,

Architektur und digitale Repräsentationen – das Projekt LINEAMENTA«, in: Architecture on Display (kunsttexte. de, Architektur Stadt Raum, 4, 2014), hrsg. von Kai Kappel und Ursula Müller, https://edoc.hu-berlin.de/bitstream/ handle/18452/7484/kieven.pdf (03.04.2021); Martin Raspe und Georg Schelbert, »Genau, wahrscheinlich, eher nicht: Beziehungsprobleme in einem kunsthistorischen Wissensgraph«, in: Die Modellierung des Zweifels – Schlüsselideen und -konzepte zur graphbasierten Modellierung von Unsicherheiten (Sonderband Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften, 4), hrsg. von Andreas Kuczera, Thorsten Wübbena und Thomas Kollatz, Wolfenbüttel 2019, DOI: http://dx.doi.org/10.17175/sb004_012 (03.04.2021); http:// zuccaro.biblhertz.it (03.04.2021). 54 Thorsten Wübbena, »(Un)Ordnungen – Werkzeuge – Beziehungen: Datenbanksysteme und kunsthistorische Forschung«, in: Kuroczyński, Bell und Dieckmann 2018 (wie Anm. 29), S. 143–156; Thorsten Wübbena und Moritz Schepp, »ConedaKOR – Von der Tabelle zum Netzwerk«, in: DARIAH Working Papers, 30 (Tagung »Graphentechnologien in den digitalen Geisteswissenschaften«, 19. und 20.01.2017, Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz), Göttingen 2019, http://nbn-resolving.de/ urn:nbn:de:gbv:7-dariah-2019-2-9 (25.01.2021); Thorsten Wübbena, »Von Warburg zu Wikidata – Vernetzung und Interoperabilität kunsthistorischer Datenbanksysteme am Beispiel von ConedaKOR«, in: Hastik und Hegel 2020 (wie Anm. 42), S. 133–148; https://coneda.net/ (03.04.2021). 55 ConedaKOR verzichtet beispielsweise auf die Definition der Zeitdimension für die Beziehungen. 56 Neo4J ist eine Open-Source-Graphendatenbank, die erstmals 2010 vorgestellt wurde. Im Unterschied zu SQLDatenbanken oder verwandten Systemen werden die Daten nicht in verknüpften Tabellen gespeichert, sondern direkt in der Form von Graphen – unterteilt in die Kategorien »Kanten/edges«, »Knoten/nodes« und »Attribute/ attributes« abgelegt; Webpräsenz des Unternehmens: https://neo4j.com/ (03.04.2021). 57 Vgl. den Sammelband Modellierung des Zweifels von Kuczera, Wübbena und Kollatz 2019 (wie Anm. 53), DOI: 10.17175/sb004 (03.04.2021). 58 Zur Anwendung einer Graphendatenbanken in einer thematischen kunsthistorischen Bilddatenbank, IMAREAL vgl. Ingrid Matschinegg, Isabella Nicka, Clemens Hafner, Martin Stettner und Stefan Zedlacher, »Daten neu verknoten. Die Verwendung einer Graphdatenbank für die Bilddatenbank REALonline«, in: DARIAH-DE Working Papers,

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31, 2019, S. 1–36, http://webdoc.sub.gwdg.de/pub/mon/ dariah-de/dwp-2019-31.pdf (03.04.2021); siehe auch: https://www.imareal.sbg.ac.at/ (03.04.2021). 59 Auf der ersten Stufe dienten die Normdaten lediglich der korrekten »Ansetzung« in den Katalogen, für die eine bestimmte Schreibung des jeweiligen Namens verbindlich war. Die Datensätze waren in diesem Sinn nicht »individualisiert«, d. h. fest und ausschließlich mit einer einzigen, individuellen Person verbunden. Erst durch diesen Schritt, der bei den in die GND aufgegangenen Beständen der ehemaligen Personennormdatei (PND) der Deutschen Nationalbibliothek immer noch nicht ganz abgeschlossen ist, erhalten die »Normdatensätze« die Funktion einer sachbezogenen Referenz. 60 https://www.dnb.de/DE/Professionell/Standardisierung/GND/gnd_node.html (03.04.2021). 61 https://viaf.org/ (03.04.2021). 62 Zu Konzept und Prinzipien von Linked (Open) Data vgl. Tom Heath und Christian Bizer, Linked Data: Evolving the Web into a Global Data Space (Synthesis Lectures on the Semantic Web: Theory and Technology, 1), Williston 2011, https://www.morganclaypool.com/doi/pdf/ 10.2200/S00334ED1V01Y201102WBE001 (03.04.2021). 63 https://wikidata.org (03.04.2021). Wikidata, 2012 gegründet, eignet sich aufgrund der Internationalität und der Unabhängigkeit von einer einzelnen Sparte wie etwa dem Bibliothekswesen grundsätzlich hervorragend als globales Referenzsystem für Kulturdaten. Unter anderem mit Hinweis auf die mangelnde Kontrolle durch Experten sowie die fehlende Garantie der Dauerhaftigkeit reklamieren vor allem die Nationalbibliotheken weiterhin die Zuständigkeit für Normdatenfragen. Im Rahmen von Projekten wie GND4C (DFG-Projekt seit 2018, https://gepris. dfg.de/gepris/projekt/397117160 (03.04.2021)wird die Einbeziehung von Wikidata jedoch stärker berücksichtigt. 64 Zu verschiedenen Gattungen gibt es auch eigene Initiativen, die jedoch aufgrund sehr begrenzter Zahlen an Freiwilligen langsamer vorankommen, als in anfäng­lichem Enthusiasmus vermutet. Für Gemälde: https://www. wikidata.org/wiki/Wikidata:WikiProject_sum_of_all_ paintings (03.04.2021), gebautes Kulturerbe: https://www. wikidata.org/wiki/Wikidata:WikiProject_Built_heritage (03.04.2021). Wünschenswert und von hohem Effekt für die Arbeit an Bildkatalogen wäre es, wenn große Datenhalter im Kulturbereich, wie z. B. Museen oder insbesondere – im deutschsprachigen Raum – Foto Marburg ihre Daten und Identifier in Wikidata einspielen würden. 65 Derartige Überlegungen liegen den im Jahr 2015 be-

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gonnenen digitalen Erschließungsprojekten der Mediathek des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte zugrunde. Zu diesem Zweck werden entsprechende Wikidata-Identifier bei der Katalogisierung verwendet. Dazu: Georg Schelbert, Bildgeschichte digital greifbar. Die Glasdiasammlung des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin. Bericht von einem work in progress, Berlin 2018, S. 7, DOI: https://doi.org/10.18452/19463 (03.04.2021). Thorsten Wübbena hat Schnittstellen und Integrationsroutinen für das Datenbanksystem ConedaKOR geschaffen: Wübbena 2020 (wie Anm. 54). 66 Darüber hinaus dokumentiert ein Wikidata-Datensatz auch, welche »Normdatensätze« es zu dem Objekt gibt, die im Sinn des Linked Data dann direkt angesteuert oder gegebenenfalls auch direkt ausgelesen werden können. 67 Vgl. Nuno Freire und Antoine Isaac, »Wikidata’s Linked Data for Cultural Heritage Digital Resources: An Evaluation Based on the Europeana Data Model«, in: DC2019–The Seoul, South Korea Proceedings, 2019, S. 59–68, https://dcpapers.dublincore.org/pubs/article/view/4239 (03.04.2021) vor allem zu den technischen Fragen eines Harvesting der Wikidata-Daten im Rahmen der Verwendung in der europeana. Grundsätzlich zu den Fragen des Speicherns siehe Wolfgang Ernst, »Zwischen(-)speichern und übertragen. Eine medienarchäologische Analyse des digitalen Gedächtnisses«, in: Die Digitale Bibliothek und ihr Recht – ein Stiefkind der Informationsgesellschaft? Kulturwissenschaft­liche Aspekte, technische Hintergründe und recht­liche Herausforderungen des digitalen kulturellen Speichergedächtnisses, hrsg. von Oliver Hinter und Eric Steinhauer, Münster 2014, S. 85–107. 68 Das jeweils gültige Wissen kann sich überall befinden, beispielsweise in der Nähe der physischen Objekte, also etwa bei den Museen und Archiven. Zu Überlegungen, die im historischen Bereich stets lückenhaften Daten mit künst­licher Intelligenz zusammenzufügen und – im Sinn einer Simulation – zu ergänzen, vgl. Andreas Maier, »Will Machine Learning and Mixed Reality enable Virtual Time Travel?«, in: Towards Data Science, 6, April 2019, https://towardsdatascience.com/will-machine-learningand-virtual-reality-enable-time-travel-b66eb1c848ca (03.04.2021). 69 IIIF, das International Image Interoperability Framework, wurde 2011 definiert. Mit entsprechend zertifizierten Servern und Schnittstellen (APIs) können Bilder über Sammlungen und Institutionen aufgerufen und in geeigneten Viewern – etwa zum Vergleich von Ausschnitten – gesteuert werden, https://iiif.io/ (03.04.2021).

70 Generell zum Thema des digitalen Ökosystems aus der Perspektive der Kunstgeschichte – insbesondere unter Einbeziehung der Sammlungen als Erzeuger digitaler Reproduktionen der Kunstwerke – siehe Holger Simon, »Digitales Ökosystem – eine Antwort auf die digitale Transformation in den Kulturinstituten am Beispiel der Museen«, in: Kuroczyński, Bell und Dieckmann 2018 (wie Anm. 29), S. 319–328, https://doi.org/10.11588/ arthistoricum.413 (03.04.2021). 71 Google Earth ist ein virtueller Globus, der mit einer Client-Software oder (seit 2010 als Teil von Google Maps) über den Browser konsultiert werden kann. Die bisher angebotenen Versionen von Google Earth ermöglichten und ermög­lichen in unterschied­licher Weise das Einstellen von Bildern, Karten und 3D-Modellen. 72 Jared Heinly, Johannes L. Schönberger, Enrique Dunn und Jan-Michael Frahm, Reconstructing the World in Six Days (As Captured by the Yahoo 100 Million Image Dataset), Department of Computer Science, The University of North Carolina at Chapel Hill 2015, https://www.cs.unc. edu/~jheinly/publications/cvpr2015-heinly.pdf (03.04.2021). 73 Beobachtungen und Analysen hierzu bei Maria Männig, »Historisches Bewusstsein und digitale Herausforderung in der Kunstgeschichte. Kunstgeschichte 2.0«, in: Newest Art History. Wohin geht die jüngste Kunstgeschichte?, hrsg. vom Verband österreichischer Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker, Wien 2017, S. 105–120 und dies., »Kunstgeschichte der digitalen Bilder«, in: Wie Digitalität die Geisteswissenschaften verändert: Neue Forschungsgegenstände und Methoden (Sonderband Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften, 3), hrsg. von Martin Huber und ­Sybille Krämer, Wolfenbüttel 2018, http://www.zfdg.de/ sb003_014 (03.04.2021).

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›Super-Recognizer‹. Die Digitalisierung der kunsthistorischen ­Bildrecherche Matthias Bruhn

In der Schule des Sehens

Kunstgeschichte ist keine Geschichte der Kunst, so paradox es auch klingt. Zumindest konnte sich eine wissenschaft­liche Disziplin dieses Namens im deutschen Sprachraum nur deshalb zu Beginn des 19. Jahrhunderts etablieren, weil sie weit mehr zu bieten hatte als eine Chronik von Namen und Meisterwerken, wie sie schon die Antike gekannt hatte. Sie war vielmehr die Synthese unterschied­ licher Strömungen der Aufklärungszeit, von der altertumskund­lichen Stiltheorie bis zur Geschichtsphilosophie, von der Kunstkritik bis zur philosophischen Ästhetik und vom akademischen Zeichenunterricht bis zur Bildpädagogik. Wenn die Annahme zutraf, dass Erkenntnis in konkreten Formen stattfindet, so musste der Wandel dieser Formen zugleich mehr bedeuten als nur eine Äußerlichkeit. Gemessen an dieser Bandbreite mög­ licher Themen war »Kunstgeschichte« eine ziemlich unscheinbare Bezeichnung für das neue Fach, das sich von der Naturgeschichte emanzipierte. Es war Gestaltungs-, Geschichts- und Gesellschaftsmodell in einem, und es meint seither immer auch eine ›Schule des Sehens‹, also eine Anleitung zum Studium der Kunst, das die historisch-kulturelle Wertschätzung für ästhetische Leistungen fördern und die Aufmerksamkeit für ihre Besonderheiten und Botschaften erhöhen soll, indem sie Mittel zu ihrer besseren Beschreibung an die Hand gibt. Ein wesent­licher Faktor für den Erfolg dieses Programms war die industrielle Produktion und

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Matthias Bruhn

mit ihr der Buch- und Bilderdruck, der in größerem Umfang visuelle Mittel der Anschauung und des Vergleichs bereitstellte und auch dem Interesse an Musterkatalogen für die kunstgewerb­liche Gestaltung entgegenkam. Im Zusammenspiel mit der Fotografie wurden die wachsenden Grafiksammlungen, Korpuswerke und Fototheken zu einer wichtigen argumentativen Grundlage für die evolutiven Modelle der Kunst- und Kulturgeschichte und zum Ende des Jahrhunderts hin auch zum visuellen Verstärker einer modernen Ästhetik, die der reinen Form und ihrer Wahrnehmung eine eigene Erkenntnisqualität und Wirklichkeit zubilligt. Einen Höhepunkt und eine Synthese markiert hier Heinrich Wölfflins vielfach aufgelegte und übersetzte Publikation von 1915, die Kunstgeschicht­ lichen Grundbegriffe, in denen die Geschichte der Kunst konsequent als eine Geschichte der Sichtbarkeit und ihrer künstlerischen Erscheinungsformen beschrieben ist.1 Wie zahlreiche andere Publikationen um 1900, etwa Julius Meier-Graefes Entwickelungsgeschichte der modernen Kunst von 1904 oder Paul Brandts Bestseller Sehen und Erkennen von 1910, verfuhr Wölfflins Buch polarisierend, um mithilfe von Gegenüberstellungen eine neue kunsthistorische Begriffsbildung zu formulieren.2 Mit seinem Erscheinen kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges kulminierte und endete zugleich eine erste Hochphase der kunstwissenschaft­lichen Forschung. Das »Vergleichende Sehen« blieb gleichwohl eine Standardoperation kunsthistorischer

Praxis und auch in vielen anderen Disziplinen selbstverständlich.3 Der immense, teilweise bis heute anhaltende Erfolg einiger Buchtitel jener Zeit beruhte darauf, dass sie nicht nur ein rein wissenschaft­liches Programm verfolgten, sondern zugleich die Ansprüche und Geschmacksvorstellungen eines breiten Bildungsbürgertums trafen. Angesichts der neuen Massenmedien, ihrer mutmaß­lichen Überreizungen und qualitativen Inflationen lieferten sie einerseits eine Art Entschleunigungsprogramm, das der wissenschaft­lichen Untermauerung des bedrohten Bilderkanons diente (wie im Falle Wölfflins, der die Alltagskultur konsequent ausblendete), andererseits setzten sich einige der Publikationen das explizite Ziel, die anerkannten Formen der Hochkunst in die breitere mediale Entwicklung einzustellen oder mit dem kunstgewerb­lichen Interesse an Ornamentik und Gestaltung zu verbinden. Auf diese Weise schlugen sie auch neue Brücken zwischen der Hoch- und Populärkultur. An der Problemlage hat sich in der weiteren Folge im Grunde wenig geändert: Die mit der Industrialisierung anhebende Klage von der Bilderflut und den Schundbildchen wiederholte sich mit dem Aufkommen des Kinos, des Fernsehens und des World Wide Web; eine aufklärerisch-avantgardistische Kunstvermittlung hat auf diese mediale Entwicklung und ihre Kritik mit populären Bildbänden, mit Lehrfilmen und Rundfunksendungen geantwortet, gefolgt von einer gut zwei Jahrzehnte umfassenden Phase der Digitalisierung von audiovisuellen Archiven und Datenbanken in Museen und kunsthistorischen Instituten und deren Vernetzung durch Internetportale und andere OnlineAngebote. In den Jahren 2002–2003 wurde von Lutz Heusinger ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziertes Online-Kolleg für Kunstgeschichte unter dem traditionsreichen Titel Schule des Sehens initiiert, das wiederum an das berühmte Funkkolleg Kunst anschließen sollte.4

Wie im Laufe des 19. Jahrhunderts, als die Fortschritte der Druck- und Fototechnik imaginäre Museen entstehen ließen, wurden solche Ansätze von Zweifeln begleitet, ob sich die analoge Präsenz und Praxis der Künste im virtuellen Raum erfahrbar machen lasse.

Bild­liche Kombinatorik

Bedingt durch die interdisziplinäre Bedeutung und Anwendungsnähe fotografischer und elektronischer Bildpraktiken und das exponentielle Wachstum entsprechender Datenbestände, ähnelt auch die »bildwissenschaft­liche« Diskussion der letzten zwei Jahrzehnte den kunstwissenschaft­ lichen Überlegungen um 1900. Vor dem Hintergrund digitaler Verfahren zur Produktion, Annotation oder Suche von Bildern oder der massiven Investitionen in Sicherheitstechnologien (die wiederum auf kriminologische und polizei­liche Techniken des 19. Jahrhunderts zurückverweisen) ist es außerdem kein Zufall, wenn auch die Diskussion vergleichender Methoden wieder Aufwind bekommen hat.5 Tatsächlich steht das »Vergleichende Sehen« stellvertretend für bleibende Fragen der Kunstgeschichte, etwa der Klassifikation, der Kanonbildung, der Autorschaft oder Provenienz, und es berührt damit zugleich Limitationen, die mit der automatisierten Verarbeitung und Sortierung von Bildern einhergehen. In Kunstgalerie, Album oder Fotoroman, als Montage oder Tableau gehen visuelle Muster alle erdenk­lichen narrativen, kausalen oder kontrastiven Beziehungen ein. Ihre geradezu alchemische Reaktionsfreude wirft wiederum die Frage auf, ob die Wechselwirkungen auch objektiv bestehen oder nur ein Effekt der Präsentation und ihrer Wahrnehmung sind. Als besondere Herausforderung erweisen sich Bildpaare, die einander zwar augenscheinlich ähneln, aber ebenso offenkundig unterschied­lichen Kontexten, Epochen und Ver-

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Abb. 1 Joachim von Sandrart, Iconologia Deorum, Nürnberg 1680, S. 90a.

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Abb. 2 Théodore Géricault, Das Floß der Medusa, 491 × 716 cm, 1818/19, Paris, Musée du Louvre. Fotografie der Maison Braun, nach 1896

fahren entstammen und das Produkt von Zufällen, willkür­lichen Entscheidungen oder Präparationen sein könnten. Neben dem Einwand, dass ihre historische Beziehung assoziativ und ohne Nachweis bleibt, wird ihnen oft auch vorgehalten, dass sie ethisch bedenklich sind (etwa wenn eine moderne Kriegsfotografie mit einem Historiengemälde konfrontiert wird, nur weil sie einen ähn­lichen Bildaufbau zeigt).6 Solche Fragen erfahren eine neuer­liche Wendung, seit der Analyse eine faktisch unbegrenzte Menge von digitalen Bilddaten im Internet zur Verfügung steht; die deutschsprachige Kunstgeschichte sieht hier seit einiger Zeit ein Hyperimage entstehen, das sich als Gegenstück zum sprachbasierten Hypertext durch beliebige Verknüpfbarkeit auszeichnet, und spiegelt es auf ihre bisherigen Ikonologien zurück.7 Die digitale Recherche kann zudem Objekte gleich welchen Bedeutungsgehalts nach technischen Kriterien wie Abmessung und Farbpalette oder nach Nutzungs- und Metadaten kombinieren, und sie ist imstande, die Ergebnisse in diagrammatischer oder interaktiver Form auszugeben oder zu fusionieren. Vor dem Hintergrund

dieser Möglichkeiten ist erneut zu klären, wie mit Materialien, Zuständen, Kontexten oder historischen Beziehungen von Artefakten umzugehen ist, die der Mustererkennung entgehen. Als Beispiel soll hier ein Druck des 17. Jahrhunderts herangezogen werden, Joachim von Sandrarts Szene aus der antiken Götterwelt, publiziert in seiner Iconologia Deorum von 1680 (Abb. 1), das den Verfasser dieser Zeilen diffus an ein anderes Kunstwerk erinnerte.8 Auf dem Kupferstich tummeln sich diverse Figuren, davon viele in Menschengestalt, dazwischen Delfine, rechts unten eine Möwe. Im Hintergrund flattert ein Tuch, in der Ferne raucht ein Vulkan. Das aufgewühlte Wasser vorne lässt Buchillustrationen des 19. Jahrhunderts anklingen, die geflügelten Wesen erinnern an die surrealen Collagen Max Ernsts. Sandrart erläutert in seinem begleitenden Text, dass der Gott Neptun ein Beben ausgelöst und das Meer in Unruhe versetzt habe. Die kunsthistorisch vorgespurte Betrachtung könnte hier einen spekulativen Vergleich mit Théodore Géricaults gewaltigem Gemälde zum Schiffbruch der Fregatte Méduse wagen (Abb. 2), allgemein als Floß der Medusa bekannt. Die gigantische

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Abb. 3 Adolphe Mouilleron nach Eugène Delacroix, Die Freiheit führt das Volk (La liberté), Lithografie, nach 1830, 31,0 × 39,5 cm, Paris Musée Carnavalet

Darstellung von 1818 hält die siechenden und verzweifelten Opfer eines Schiffbruchs auf hoher See fest, wobei die Komposition einige Parallelen zum Kupferstich aufweist, die vom Motiv des aufgewühlten Meeres und den nackten Leibern über den betont diagonalen Aufbau und die Öffnung nach rechts bis zum flatternden Tuch reichen. Jedoch: Format, Thema und Intention könnten nicht weiter auseinanderliegen, ebenso die Gestaltung im Detail. Ein winziger Druck auf Papier und ein öffent­liches Riesenformat auf Leinwand; ein Naturereignis auf der einen, eine humane Katastrophe auf der anderen Seite. Der Inkommensurabilität zum Trotz bleibt eine formale Parallele bestehen, und es wäre nicht ausgeschlossen, dass das eine Bild dem anderen auf direktem Wege oder über Zwischenschritte als Vorlage diente; denn solches ist aus der Kunstgeschichte wohlbekannt, wie etwa bei dem Kupferstich Urteil des Paris von Marcantonio Raimondi, der als Figurenzitat in Édouard Manets berühmtem Gemälde Frühstück im Freien wiederkehrt. Von Géricault könnte der Weg wiederum weiter-

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führen zu Eugène Delacroix’ Freiheit auf den Barrikaden von 1830 (Abb. 3), das bekanntermaßen in Beziehung zu Géricaults Arbeit steht: Beides sind Referenzwerke der modernen französischen Historienmalerei, beide sind in Peter Weiss’ Roman Die Ästhetik des Widerstands als Momente des Aufbäumens verhandelt, und beide sind nicht nur kompositorisch, sondern auch genealogisch miteinander verknüpft.9 Trotz aller Unterschiede ist der Vergleich solcher Darstellungen schon deshalb nicht ›falsch‹, weil es keine falschen Vergleiche oder Assoziationen, sondern nur falsche Schlüsse oder Urteile geben kann. Dasselbe gilt für eine computergenerierte Gruppierung, die eine Beziehung zwischen Objekten aus formalen Gründen und unabhängig von kulturellen Bedeutungen herstellt. Sie liefert Belege für die ikonologische Forschung, selbst wenn sie diese nicht betreibt. Wie zu Zeiten der Kunstwissenschaft um 1900 stellt sich vielmehr die bildhistorische Frage, wie gleiche Inhalte mit verschiedenen Formen, gleiche Formen mit verschiedenen Bedeutungen aufgeladen werden können und ob das eine das andere nachweislich beeinflusst. Sandrart merkt bereits der Iconologia Deorum an, dass die Antike stets unterschied­liche Götterbilder bereithalte, die einander »nicht gar unähnlich« seien,10 und dass Bilder ihre Bedeutungen wechseln, Bedeutungen ihre Bilder. Konzepte wie Form, Stil oder Erscheinungsbild erweisen sich einmal mehr als Bindeglieder von Psychologie und Geschichte, von Gesetzen der Wahrnehmung und Ansprüchen historischer Beweisführung.

Automata und Automatismen

Noch vor wenigen Jahren wurde in Bezug auf die Möglichkeiten automatischer Bilderkennung und -interpretation die Skepsis zum Ausdruck gebracht, dass selbst ein avanciertes künst­liches Sehen ein Kruzifix nicht von einem Hammer unterschei-

den könne. Doch ist diese Differenzierung im Zuge des Machine Learning inzwischen sehr wohl möglich, und zwar aus demselben Grunde, aus dem sie von Menschen vorgenommen werden kann. Das maschinelle Lernen mithilfe neuronaler Netze gleicht nicht mehr nur vorgegebene Muster anhand bestimmter Vektoren ab, sondern bildet in einem Trainingsprozess eigene präsemantische Filter, die es erlauben, eine Abfrage zu transformieren und zu gewichten. Durch Training wird es denkbar, ein Gemälde raumzeitlich einzugrenzen und beispielsweise als Werk des Barock oder des frühen 20. Jahrhunderts zu bestimmen. Muster können selbständig zu stilistisch-chronologischen Serien arrangiert werden. Der mensch­liche Blick verfährt hier nicht grundsätzlich verschieden, wenn er mithilfe fach­ licher Vorkenntnisse eine gedruckte Quelle wie jene Sandrarts schrittweise eingrenzt als Buchillustration / Kupferstich > Europa > Frühneuzeit > Mythologische Szene > Nachleben der klassischen Antike. Hinzu kommt, dass die der Mustererkennung zugrunde liegenden technisch-mathematischen oder psychologischen Fragen seit Jahrzehnten ein gemeinsames, interdisziplinäres Forschungsfeld eröffnen. Die Studien zur Computer Vision (David Marr) oder zur »Informationsästhetik« der Nachkriegszeit (Max Bense) stammen ebenso wie jene des maschinellen Lernens oder der neuronalen Netze, die heute zusammenfassend als »KI« bezeichnet werden, schon aus der Anfangszeit des digitalen Computing.11 Sie standen dabei im Austausch mit Psychologie, Ästhetik, Spiel- oder Zeichentheorie.12 Mit dem Bau der ersten digitalen Computer wurde zugleich deutlich, dass ihre Universalität eine neue Sinnbestimmung erforderlich machen würde. Die Experimente der Architecture Machine Group (1967–1985) von Nicholas Negroponte und Leon Groisser in Massachusetts ließen erkennen, dass KI nur eine begrenzte Simulation natür­licher

Intelligenz sein könne, wenn ihr die körperlichsinn­liche Dimension und dadurch der entsprechende Erfahrungshorizont fehle. Konzepte zur automatischen Steuerung von Fahrzeugen wurden zwar schon vor Jahrzehnten vorgelegt, aber es fehlte die Sensor- und Rechenleistung, um diese auch umzusetzen.13 Mittlerweile sind Computer zwar fähig, selbständige Telefonate zu führen, wie im Jahre 2018 vom Assistenzsystem Google Duplex demonstriert, doch zeigte auch diese Demonstration, dass der Überraschungseffekt vor allem in einem menschelnden Verhalten lag, das durch künst­liche Versprecher und Pausen vorgetäuscht wurde, also auf emulativen Effekten, wie sie schon von den Automata der Frühneuzeit bekannt sind.

Apparative Halluzinationen

Inzwischen hat sich jedoch eine explosionsartige Entwicklung aus der Leistungssteigerung bei Prozessoren und hier vor allem bei Grafikkarten ergeben (z. B. Silicon Graphics, Sony Imageworks, NVIDIA). In Verbindung mit den globalen Netzwerken, ihren riesigen Datenbeständen und den darauf aufsetzenden Analysetools bieten sie die technische Grundlage für ein massenbasiertes Training von Applikationen, das eine Art ›Überhirn‹ bildet, das Entscheidungen antizipieren, Aussagen treffen und Meinungen beeinflussen kann. Deren Übergang von der Programmierung zum Trial-and-Error, von der Schaltung zur semantischen Interpretation ist der biologisch inspirierten Architektur- und Materialforschung vergleichbar, die das Naturvorbild nicht nur imitiert, sondern modellierend zu verstehen und konstruktiv zu übersetzen versucht. So hatte Robert Mercer, Informatiker und Pionier des Hochfrequenzhandels mit Wertpapieren, die Vermutung angestellt, dass Sprache auf wiederkehrenden Mustern beruhe, deren Verwendung zwischen Sprechenden ausgehandelt werde. Da sich Menschen Sprache eher durch

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Abb. 4 Memo Akten, Hallucinations. Screenshot aus der Serie »Learning to see« (2017)

Nachahmung und Versuch als aus Lexika aneignen, war es konsequent, diese Prozesse auch auf die digitale Kommunikation zu übertragen, sobald die technischen Kapazitäten bereitstehen. Mercer wurde zu einem wichtigen Akteur in der jüngeren Computerlinguistik, dessen Erkenntnisse unter anderem in Siri zum Einsatz kommen. Es spricht noch nicht gegen die Technologie als solche, dass Mercer ein Anhänger des Individualismus und Kraftmenschentums ist (weshalb er sein Unternehmen ›Renaissance‹ getauft hat), und dass er darüber hinaus einer der ersten Förderer und Finanziers von Donald Trump wurde.14 Problematisch könnte hingegen sein, dass auch ein digitales Informationssystem die Ideologie seiner Hersteller reproduzieren kann, wenn es die Logik des Deals als Ausgangspunkt von Erkenntnis nimmt.

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Der digitale Vergleichsmechanismus erinnert zudem immer noch an die fotografischen Bild­ apparate des 19. Jahrhunderts, die ihre Gegenstände nicht nur einem einheit­lichen Raster zum Zwecke des Mustervergleichs unterworfen, sondern auch die Hoffnung genährt haben, mithilfe bild­licher Medien prognostische Aussagen treffen zu können. Wie Carlo Ginzburg 1983 in seiner einflussreichen Aufsatzsammlung unter dem Titel Spurensicherungen gezeigt hatte, weist die kunsthistorische Forschung des späten 19. Jahrhunderts Verwandtschaften zur kriminologischen Arbeit auf, zumindest im Hinblick auf das gemeinsame Paradigma der Dechiffrierung und den positivistischen Glauben an das objektive Wissen eines »Apparats«, der es mit den Naturwissenschaften aufnimmt.15 In den Digital Humanities kehren einige dieser Vorstellungen wieder, insbesondere in der Hoffnung, dass die Maschinerie selber anstelle der Suchergebnisse auch die Suchaufträge generieren könnte. In jedem Falle schreibt das Digitale die er­ kennungsdienst­liche Funktion der Fotografie und die Spannung von Mensch und Maschinerie fort. Das mensch­liche Urteil bleibt Entscheidungsinstanz bei der automatisierten Auffindung und Kennzeichnung strafbarer Bild- und Textinhalte im Internet, und die stetig zunehmende Überwachung von Personen mithilfe von Gesichts- und Bewegungsanalysen steht nicht nur in der Kritik, weil sie ein umfassendes optisches Regime errichtet, sondern weil der daran angeschlossene Apparat durch sein Trainingsmaterial auch die Vorurteile mitliefert, die den Suchmechanismus abrichten. Das Projekt Hallucinations des türkisch-britischen Medienkünstlers Mehmet ›Memo‹ Akten führt diese Befangenheiten des maschinellen Lernens in verschwimmenden Farbbildern vor, deren Herkunft rätselhaft bleibt. Ergebnisse einer Google-Suche unter dem Stichwort »Donald Trump« wurden von Akten mit den Porträts von Theresa May, Nigel Farage, Marine Le Pen, Recep Tayyip

Abb. 5 Suchabfrage bei Google Images mit den Begriffen »Francis Bacon Face«, Zugriff Berlin, 11.02.2021, 13:00 MEZ (Screenshot des Autors)

Erdoğan und Wladimir Putin gemischt, und zwar in unbearbeiteter Form (Abb. 4). Der Verfasser dieses Textes hat Studierende in Seminarsitzungen befragt, welche der Genannten sie in dieser Gesellschaft wiedererkennen, wobei sich die blonden Haare der Ausgangsperson Trump als ikonisch dominant erwiesen. Mit wenig Mühe wäre es ebenso gut möglich, den Computer hierin Bildnisse des britischen Malers Francis Bacon erkennen zu lassen, dessen zerfließende Gesichter an einigen Stellen Ähnlichkeiten mit den Kompositen aufweisen könnten (Abb. 5). Dass das kunsthistorisch geschulte Auge dies geradezu reflexhaft tut, ist Ausdruck eines durchaus vergleichbaren professionellen Trainings auf Basis eines bestimmten Kanons. Als kreativer Sampler eingesetzt und wie ein Kunstfälscher operierend, wirft der Hallucinations-Algorithmus also Formen aus, die vor allem etwas über die Sehweisen und Aufmerksamkeiten der heutigen Zeit aussagen.

Suchen lernen

In der Kriminalistik hat sich der Begriff SuperRecognizer für Menschen etabliert, die über einen extrem ausgeprägten Sinn für Gesichter und Staturen ausgestattet sind und selbst vermummte Personen zu identifizieren vermögen. Sie belegen, dass es auch unter Menschen graduell unterschied­liche Fähigkeiten der Bilderkennung gibt, die durch digitale Verfahren lediglich unterstützt werden, und dass es bei jeder Betrachtung eine Vielzahl unsichtbarer Informationen und Faktoren gibt, welche die Identifikation beeinflussen. Dass Lernen jedoch nicht nur aus rekursiver Optimierung besteht, sondern auch soziale und praktisch-ethische Reflexion einschließt, ist schon in der Epoche der Aufklärung formuliert worden. Kunsthistorisch gesprochen stünde dem Deep Learning noch ein umfangreiches Lernprogramm bevor, ehe es zu komplexeren Methoden der Kunstund Bildgeschichte aufschließen könnte. Doch ist es ohnehin wahrschein­licher, dass ein digitaler Al-

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gorithmus eine ganz eigene Art von Kunstgeschichte hervorbringt: indem er je nach Auftrag aus verfügbaren Bilddateien neue Mischformen synthetisiert (wie im Falle der Hallucinations) oder alternative Chronologien und Topologien von Formen entwirft, die einen Bilderatlas unerwarteter Beziehungen ergeben.16 Als Recommendation System können solche Beziehungen den Ausgangspunkt für weitere Recherchen und Beweisführungen bilden, um nach Bindegliedern wie Studienzeichnungen, Kopien oder schrift­lichen Belegen zu suchen, und zwar unabhängig davon, auf welchem Wege sie zustande gekommen sind. Allerdings ist dieser Weg des Zustandekommens, die digitale Provenienz oder Genese nicht gleichgültig. Selbst eine vorinformierte Abfrage oder Recherche beginnt inzwischen fast durchweg bei Suchmaschinen, welche die Bildbestände des Internets mehrheitlich mithilfe von Begriffen durchforsten, deren Suchergebnisse dann weiter gefiltert und optimiert werden. Dabei bleiben einige dieser Filter Geschäftsgeheimnis. Die alltäg­liche Praxis legt es daher nahe, die zugrunde gelegten Suchwörter selber, d. h. die Verbegrifflichung von Phänomenen aller Art wieder stärker zu reflektieren. Auf die Kunstgeschichte übertragen hieße dies, verstärkt auf Techniken des formalen Vergleichs zu setzen, da von der differenzierenden Beschreibung zugleich das konzeptionelle Vermögen abhängt, Formen und Sachverhalte in Begriffe und Fragestellungen zu überführen, sie auf Orte, Zeiten, Ideen oder Personen zu beziehen und in ihre verschiedenen Bedeutungsebenen zu zerlegen. Eine solche Übung von Beschreibungsfertigkeiten wäre eine erste Antwort auf die Strategie der Suchmaschinenbetreiber, das mühsame Strukturieren von Informationen, durch das sich Datenbanken auszeichneten, unter der Maxime Don’t sort but search zugunsten möglichst intelligenter Abfragetechniken zurückzudrängen; eine zweite Heraus-

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forderung wird es sein, diese Abfragetechniken, in denen eine massenhafte Aufzeichnung von Abfragen mit Mustererkennungsverfahren und anderen Mitteln kombiniert ist, so weit wie möglich offenzulegen. Auf jeden Fall bieten sie Anlass, sich über Zwecke und Ziele der historischen Recherche zu verständigen und Strategien jenseits der Durchmusterung und Identifikation von Formen zu unterstützen. Im historischen Rückblick zeigt sich außerdem, dass das vergleichende Sehen in seiner Maschinisierung zwar eine Fortsetzung, aber keine Erfüllung findet, weil der Vergleich nur das Tor aufstoßen soll zu den vielen dahinterliegenden Sinndimensionen. Die fortschreitende Technisierung des Blicks sollte also weder ein Grund sein, sich in die reine Formbeschreibung zurückzuziehen, noch ist sie ein Grund, über die tiefergehende Technologiekritik die Form und ihre Beschreibung aus dem Auge zu verlieren. Die forschende Neugier als solche kann ohnehin durch kein Hilfsmittel ersetzt werden. Sie ist der bleibende Antrieb, wenn eine Suche keine Ergebnisse erbringt oder aus Gründen der Lizenzierung, Zensur, des Personalmangels oder schieren Unwillens ohne Echo bleibt. In der täg­lichen Arbeit dürfte es zukünftig immer seltener darum gehen, digital verfügbare Informationen aufzufinden, sondern vielmehr darum, sie tatsächlich verwenden und nachprüfen zu können. Nicht trotz, sondern wegen der digitalen Möglichkeiten der Suche oder Sortierung könnte im universitären Bereich verstärkt die Tugend der klassischen Recherche zurückkehren, also die projektorientierte Rekonstruktion von Zusammenhängen, Situationen und Ereignissen, die aus Literatur und Journalismus bekannt ist und inzwischen tief in das Feld der Kunst vorgedrungen ist, weil sie sich vor allem durch ihre hohe Motivation auszeichnet.

1 Heinrich Wölfflin, Kunstgeschicht­liche Grundbegriffe. Das Problem der Stilentwickelung in der neueren Kunst, München 1915. 2 Julius Meier-Graefe, Entwickelungsgeschichte der modernen Kunst. Vergleichende Betrachtung der bildenden Künste, als Beitrag zu einer neuen Aesthetik, 3 Bde., Stuttgart 1904; Paul Brandt, Sehen und Erkennen. Eine Anleitung zu vergleichender Kunstbetrachtung, Leipzig 1910. 3 Vergleichendes Sehen, hrsg. von Lena Bader, Martin Gaier und Falk Wolf (eikones), München, Paderborn 2010; Der vergleichende Blick. Formanalyse in Naturund Kulturwissenschaften, hrsg. von Matthias Bruhn und Gerhard Scholtz, Berlin 2017. 4 Das Projekt Schule des Sehens – Neue Medien der Kunstgeschichte war eine Kooperation der Kunstgeschicht­ lichen Institute in Berlin, Dresden, Hamburg, Marburg, München und Bern und des Instituts für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie der LMU München. Projektstart war 2002, siehe: kulturerbe-digital.de, https:// kulturerbe-digital.de/de/projekte/projekt/list-p/all/show/ schule-des-sehens/def_back/1/ (01.04.2021). Die ProjektSeite https://www.online.uni-marburg.de/sds/ (07.08.2019) ist seit einigen Jahren inaktiv. Im Rahmen von Schule des Sehens wurde auch das Funkkolleg Kunst in eine moderne digitale Form überführt: Geschichte der Kunst im Wandel ihrer Funktionen, http://www.kunstund-funktion.de (01.04.2021). 5 Siehe zum Beispiel Suchbilder. Visuelle Kultur zwischen Algorithmen und Archiven, hrsg. von Wolfgang Ernst, Stefan Heidenreich und Ute Holl, Berlin 2003; oder PhantomGesichter. Zur Sicherheit und Unsicherheit im biometrischen Überwachungsbild, hrsg. von Ulrich Richtmeyer, Paderborn 2014. Besonders zu erwähnen ist auch der DFGgeförderte an der Universität Bielefeld seit 2017 angesiedelte SFB 1288: Praktiken des Vergleichens: Die Welt ordnen und verändern. 6 Siehe z. B. die Beiträge in: Äpfel und Birnen. Illegitimes Vergleichen in den Kulturwissenschaften, hrsg. von Helga Lutz, Jan-Friedrich Missfelder und Tilo Renz, Bielefeld 2006. 7 Vgl. Felix Thürlemann, Mehr als ein Bild. Für eine Kunstgeschichte des hyperimage, Paderborn und München 2013. 8 Joachim von Sandrart, Iconologia Deorum, Nürnberg und Frankfurt am Main 1680, online via Heidelberger ­Bestände – digital, https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ sandrart1680 (19.03.2022).

9 Peter Weiss, Die Ästhetik des Widerstands, Ausgabe in einem Band, Frankfurt am Main 1988. Der Roman setzt mit der Beschreibung des Pergamonaltars ein (erster Band, S. 7–15) und vergleicht später Picassos Guernica mit Delacroix’ Freiheit auf den Barrikaden und Géricaults Floß der Medusa (S. 332–348). 10 Sandrart 1680, S. 91. 11 Der Begriff »Informationsästhetik« ist vor allem mit Max Bense verbunden (vgl. ders., Programmierung des Schönen. Allgemeine Texttheorie und Textästhetik, Baden-Baden und Krefeld 1960), wurde aber auch in seinem Umfeld verwendet, etwa in der von ihm betreuten Dissertation von Helmar Frank: Grundlagenprobleme der Informationsästhetik und erste Anwendung auf die mime pure, Diss. TH Stuttgart 1959. 12 Ernst, Heidenreich und Holl 2003 (wie Anm. 5); sowie Stefan Heidenreich, »Künst­liches Sehen«, in: Modernisierung des Sehens. Sehweisen zwischen Künsten und Medien, hrsg. von Matthias Bruhn und Kai-Uwe Hemken, Bielefeld 2008, S. 322–330 (zur Bedeutung David Marrs). Bedeutend älter ist der Topos vom künst­lichen Blick: Olga Moskatova, Mensch, Maschinen, Auge: Das filmische Motiv vom künst­lichen Sehen, Marburg 2009. 13 Josef Pauli, Erklärungsbasiertes Computer-Sehen von Bildfolgen (Dissertationen zur künst­lichen Intelligenz, 27), Diss. rer. nat. TU München 1992, Sankt Augustin 1993, S. 185–218. 14 Zu Robert Mercers Cambridge Analytica und dessen militärischer Strategie des Microtargeting siehe Carole Cadwalladr, »Revealed: how US billionaire helped to back Brexit«, in: The Guardian, 26. Februar 2017, https://www.theguardian.com/politics/2017/feb/26/us-billionaire-mercerhelped-back-brexit; sowie »The great British Brexit robbery: how our democracy was hijacked«, in: The ­Guardian, 07. Mai 2017, https://www.theguardian.com/ technology/2017/may/07/the-great-british-brexit-robberyhijacked-democracy (beide 07.08.2019). 15 Carlo Ginzburg, Spurensicherungen. Über verborgene Geschichte, Kunst und soziales Gedächtnis, übersetzt von Karl F. Hauber, Berlin 1983. 16 »When A Machine Learning Algorithm Studied Fine Art Paintings, It Saw Things Art Historians Had Never Noticed. Artificial intelligence reveals previously unrecognised influences between great artists«, in: The Physics arXiv Blog Follow, 19.08.2014, http://tinyurl.com/p6ypk56 (07.08.2019).

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Computer Vision und Visualisierung als didaktische Instrumente in der Kunstgeschichte Peter Bell

Die Prämisse »Sie müssen sehen lernen: es gilt ein Bildgedächtnis zu entwickeln, zu schulen«1 bezeichnet Heinrich Dilly als das am häufigsten ausgesprochene Gebot der Kunstgeschichte, dies in einer vielfach verwendeten Einführung in die Disziplin. Gerade ›lernen‹ auch Computer in allen Bereichen das Sehen; dabei in kleinem Umfang auch an Kunstwerken.2 Im Folgenden soll es um die Arten des kunsthistorischen Sehenlernens von Maschine und Studierenden sowie deren Verknüpfung in der Lehre gehen. Aus Gründen der Lesbarkeit und Zuspitzung wird die Maschine im Folgenden sehr stark personifiziert und als neuer Betrachter eingeführt. Die Vergleichbarkeit von mensch­licher und künst­licher Intelligenz hat gemeinhin ihre Grenzen und bleibt in vielem metaphorisch. Auch begriff­liche Entsprechungen wie ›neuronale Netze‹ suggerieren eine analoge Wahrnehmung, obgleich Maschine und Mensch einen grundlegend anderen Sehapparat besitzen und in einem jeweils anderen Verhältnis zur Welt stehen. Der Prozess des Sehenlernens in Kunstgeschichte und Computer Vision ist hingegen strukturell ähnlich. Während Lehrmedien, die sich nicht nur bereits im Lehrbetrieb bewährt haben, sondern in vielen Fällen bereits vollständig oder weitgehend abgelöst worden sind, historisch untersucht werden und ex post auf ihre Bedeutung für das Fach befragt werden können, soll es hier um Techniken gehen, die bisher kaum Einzug in die Lehre gefunden haben.

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Peter Bell

Visualisierungen, und mehr noch Computer Vision, werden im Folgenden für die Verwendung in der Lehre vorgeschlagen und auf ihr Potenzial hin beschrieben. Dies geschieht vor dem Hintergrund der vorhandenen Lehrmedien und mit dem Ziel, diese nicht disruptiv zu verdrängen, sondern ihre ­Methoden und Funktionsweisen möglichst zu integrieren und komplementäre Angebote zu entwickeln. Zum Sehenlernen haben sich im Laufe der Geschichte des Faches Kunstgeschichte unter­ schied­liche Lehr- und Lernmethoden etabliert. So wird auf die Betrachtung des Originals einerseits, auf das vergleichende Sehen (an Reproduktionen) andererseits traditionell besonderer Wert gelegt. Instrumente dafür waren und sind insbesondere die Exkursion zu den Originalen, die selbstständige Bildrecherche, Bildbeschreibung und Interpretation, die Dia-Doppelprojektion und der ›Postkarten-Test‹, der als Prüfungsform ein spezifisches Erkennen-Üben an den Bildern impliziert. Die Sehen lernende Maschine wird vor ähn­liche Aufgaben gestellt. Sie soll beispielsweise Korrespondenzen oder Unterschiede zwischen zwei Bildern erkennen, Bilder auffinden oder beschreiben und semantisch einordnen (›verstehen‹), wofür ebenfalls Lern- und Prüfungsphasen einander ablösen.3 Im Zuge der Digitalisierung der Kunstgeschichte verändert sich auch das Sehenlernen qualitativ, indem sich dessen Grundlagen verändern: Originale werden in immer besserer Qualität digital reproduziert, Online-Klausuren ersetzen den

›Postkarten-Test‹ und die Webrecherche, oft zu ausschließlich und eher oberflächlich durchgeführt, subsituiert oftmals den Besuch von Gedächtnisinstitutionen und die Konsultation von Fachdatenbanken. Die Art und Weise, wie diese Digitalisierung stattfand und sich in Teilen immer noch vollzieht, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Vieles davon gehört ins Feld der ›digitalisierten Kunstgeschichte‹ und nicht in das hier zu thematisierende Feld der ›digitalen Kunstgeschichte‹.4 Das nicht klar abzugrenzende Begriffspaar beschreibt zwei Qualitäten innerhalb der digitalen Transformation: ›Digitalisiert‹ meint den Schritt von der Schreibmaschine zur Textverarbeitung, vom Zettelkasten zur Datenbank, von der Dia-Projektion zur digitalen Projektion, vom Semesterapparat auf einem Regalbrett zur PDF-Textsammlung in einer Lehrplattform. Die digitale Kunstgeschichte beginnt hingegen dort, wo Skalen, Anwendungen und Methoden entstehen, die in dieser Form analog nicht möglich sind. Entsprechend ist das sogenannte maschinelle Sehen (Computer Vision) von Objekten visueller Kunst ein Feld der ›digitalen Kunstgeschichte‹. Sehen war bislang nicht an ein Gerät delegierbar, und auch die Menge an Bilddaten, die der Computer verarbeiten kann, ist mit dem mensch­lichen Sehen nicht zu vergleichen – denn Sehen im eigent­lichen Sinn ist an ein erkennendes und verstehendes Subjekt gebunden. Das maschinelle Sehen als ›maschinelle Verarbeitung visueller Informationen‹ entwickelt sich zu einem Forschungsinstrument in der digitalen Kunstgeschichte, mit großen Potenzialen auch für die Lehre. Die Maschine lernt jeweils an einer großen Menge von einzelnen Bildern, die mit bestimmen Metadaten verbunden sind und dabei jeweils eine exemplarische Funktion übernehmen. In vielen Fällen wird nicht nur das Bild als Ganzes verschiedenen Kategorien zugeordnet, sondern es werden konkrete Bilddetails markiert, durch Gesten des

Zeigens, welche als besondere Merkmale eine Zuschreibung oder Interpretation stützen können. Das ›Lernen‹ ist zumindest in Hinblick auf Einund Ausgabe ein beobachtbarer Prozess der Aggregation von Informationen, die einem bestimmten Objekt zugerechnet werden. Gleichzeitig ergeben sich aber im Zuge des sich noch entwickelnden maschinellen Sehens ganz ähn­liche Fragen, wie sie in der kunsthistorischen Lehre auftreten: Wie kann Sehen erlernt werden? Welche Hilfsmittel und Ordnungsschemata sind nötig? Woran lassen sich Künstler, Stile, Genres, Ikonografien oder Bauwerke und ihre Bestandteile erkennen? Wie viel muss vorgegeben werden, wie viel kann von der Maschine selbstständig erschlossen werden? Also wie viel Kontextwissen in Form von Metadaten sind für das ›Training‹ nötig? In welchen Schritten findet eine Bildinterpretation statt und wie weit kann sie reichen? Wie kann mit Unschärfen und Ambiguitäten umgegangen, wie können Hypothesen markiert oder abgesichert werden? Diese letzte Frage stellt sich auch im Hinblick auf Visualisierungen großer Bildmengen, wie sie etwa zur Darstellung der Ergebnisse des maschinellen Sehens generiert werden. Visualisierungen sind eine wichtige Form zur Veröffentlichung von Erkenntnissen der digitalen Kunstgeschichte, Analysewerkzeug und selbst wiederum Forschungsgegenstand.5 Gegenwärtig werden sie in der akademischen Lehre und Forschung noch eher selten verwendet, kommen aber gelegentlich in der musealen Vermittlung zum Einsatz. Das Studium beginnt auch heute noch in vielen Fällen mit Ernst H. Gombrichs Geschichte der Kunst und ähn­lichen Überblickswerken, worin eine große Meistererzählung anhand einer relativ überschaubaren Anzahl kanonischer Repräsentanten entwickelt wird.6 Dies führt zu Fallstudien, die auf eine kleine Anzahl an exemplarischen Bildern beschränkt bleiben, was sich methodisch und praktisch begrün-

Computer Vision und Visualisierung

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den lässt. Ein solches Vorgehen ist verbunden mit bestimmten Restriktionen in der Lehre wie auch im Forschungsprozess: limitierte Zeit, Schwierigkeiten bei der Bildbeschaffung, komplexe Bildrechtesituation, hohe Reproduktionskosten führen nicht zuletzt zu einer erzwungenen Begrenzung der Bildanzahl in den Publikationen. Viele dieser praktischen Limitationen haben sich durch die Digitalisierung verschoben oder sind entfallen, so dass mit anderen Skalen gearbeitet werden könnte. Für das Fach Kunstgeschichte ließe sich somit fragen, inwiefern diese Erosion der praktischen Hindernisse die methodisch und didaktisch begründete Beschränkung auf wenige Werke aufheben oder relativieren könnte, ob »Geschichte der Kunst, um wahre Kunstgeschichte zu werden, [per se] durch die enge Pforte des Verständnisses einzelner Kunstwerke«7 muss oder ob ein neuer Umgang mit größeren Mengen und Gruppen von Werken denkbar ist. Im aktuellen Paradigma des maschinellen Sehens und Lernens im Rahmen der Kunstgeschichte ergeben sich praktische Gründe, die für große Bilddatensätze sprechen. Eine digitale Kunstgeschichte, die sich als Beitrag zur aktuellen Forschung verstehen möchte, muss sich auf sehr große Korpora beziehen. Die Algorithmen benötigen eine hinreichende, das heißt möglichst große Anzahl von Bildern, um das Erkennen von Szenen und Objekten zu trainieren. Entsprechend wird im Folgenden mit großen Skalen argumentiert, ohne auf die methodische Frage einzugehen, was dadurch gewonnen oder verloren wird. Zumindest soll aber bemerkt werden, dass der Umgang mit umfangreichen Bildmengen (Stichwort ›Big Data‹) auch ein Mittel sein kann, um hegemoniale Narrative und verfestigte Diskurse aufzubrechen und beispielsweise einen tradierten Kanon in Frage zu stellen oder zu relativieren.8 Der Computer kann den Blick auf Bilder lenken, die jenseits der Pfade und Zentren geläufiger kunsthistorischer Erzählungen

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liegen. Außerdem sollten Visualisierungen keinesfalls nur als Präsentationsform für Ergebnisse aufgefasst werden, sondern explizit auch als Instrumente des Forschungs- und Erkenntnisprozesses.9 Beispielhaft kann anhand von Unternehmungen der hier umrissenen Forschungslinie den Studierenden deutlich gemacht werden, dass es grundsätzlich unverzichtbar ist, eine große Zahl an Objekten anzuschauen, um begründbare Zuschreibungen oder vernünftige Interpretationen vornehmen zu können. Denn auch Computer, insbesondere selbstlernende Systeme wie Convolutional Neural Networks (CNN),10 benötigen große Trainingsmengen. Die besondere Herausforderung liegt allerdings in der Klärung der Frage, wie mit dieser Menge umzugehen ist und in welcher Weise die enthaltenen Daten strukturiert und visualisiert, das heißt aussagekräftig dargestellt werden können.

Bilderatlas, Tabula, Tisch

Seit vielen Jahren wird Aby Warburgs Bilder­ atlas11 interdisziplinäre Aufmerksamkeit zuteil, die unter anderem durch die Ausstellung im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe bis in eine breitere, außerakademische Öffentlichkeit hineinreicht.12 Die Strahlkraft dieses visuellen Hauptwerks Warburgs hat zahlreiche Gründe und erschöpft sich nicht allein in der kulturwissenschaft­ lichen Tiefe und Spannweite der Zusammenstellung seiner Objekte oder im Umstand, visueller Auftakt der Ikonologie gewesen zu sein. Sie liegt mög­ licherweise auch darin, dass im Bilderatlas etwas nachlebt, was aus der kunsthistorischen (Lehr-) Praxis verschwunden ist: Es geht dabei um die Anordnung einer größeren Anzahl von Bildern anhand inhärenter Zusammenhänge. Der Bilderatlas stellt mit seinen ikonologischen und allgemein kulturwissenschaft­lichen Bezügen die Kür dieser Praxis dar. Diese visuelle Ordnung geht über die

Abb. 1 Kunsthistorisches Seminar, Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, 1915. Von links nach rechts: Ferrand Hudig, Eberhard Freiherr Schenk zu Schweinsberg, Adolph Goldschmidt, Hans Kauffmann, Arthur von Schneider, Rudolf Hoecker, Edmund Schilling, Erwin Panofsky

einzelne Tafel hinaus und bildet eine komplexe Ontologie aus. Jede Tafel steht nicht nur für ein Themenfeld, sondern bildet in ihrer anschau­lichen Binnenlogik Strukturen der Nähe und Distanz sowie andere, durch Größe, Komposition und Position der einzelnen Abbildungen hervorgerufene Verhältnisse. Warburg betont die Flexibilität der Befestigung der Einzelbilder und Tafeln, die ein Rearrangieren jederzeit ermöglicht. Dennoch antizipiert er für die Arrangements durch ihre Konzeption als Wandtafeln eine Rezeption als Bild. Durch die vertikale Anbringung an der Wand ist außerdem eine Fixierung der Einzelbilder notwendig, was ein gänzlich intuitives Verschieben einschränkt. Es sind Schautafeln, die ihre didaktische Wirkung unmittelbar aus sich heraus oder in der Die-

gese Warburgs entfalten. Die Präsentation unter­ schied­licher Bilder auf einer Wandtafel ist zu Warburgs Studienzeiten durchaus nicht unüblich gewesen. Gleichwohl erscheint das Wandformat in Warburgs auf Flexibilität ausgerichteter Konzeption für die Kunstgeschichte als weitgehend neues Forschungs- und Lehrmedium,13 indem Warburg hier – pointiert formuliert – nur ein vorhergehendes Lehrmedium um neunzig Grad gedreht hat, indem er die Horizontale des Arbeitstisches in die Vertikale der Schautafel bringt. Dieser Positionswechsel, der geometrisch trivial ist und begrifflich im Falle von ›table / tabula / tableau / Tafel‹ quasi homonym und synonym erscheint, stellt jedoch zwei verschiedene Medien dar. Warburg fixiert mit seinen Tafeln die durch die Diaprojektion in

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Abb. 2 Richard Hamann beim Unterricht im Lesesaal des Kunstinstituts, um 1940, aus: Hochschulen in Deutschland, Herausgeber Reichsbahn­ zentrale für den deutschen Reiseverkehr, Berlin um 1940

­ blösung begriffene kunsthistorische Studienarbeit A mit Reproduktionen auf Tischen und erhält so eine Mehrdimensionalität, die von der Dia-Doppelprojektion nicht geleistet werden kann. Die Arbeitstische, deren oft beacht­liche Größe ihre Funktion schon erklärt, wären so gesehen als Lehrmedien der Kunstgeschichte zu betrachten. Auf ihnen lassen sich viele Reproduktionen ausbreiten und arrangieren, und an ihnen finden die Seminare statt. Zum Zeitpunkt des ersten Höhepunkts medialer Diversifikation und Nutzung kunsthistorischer Reproduktionen werden sich auf diesen Tischen Druckgrafiken aller Techniken, Fotografien, illustrierte Fachliteratur, Durch-, Nach- und Umzeichnungen, Gipse und in Ausnahmen auch Originale befunden haben. Entsprechend wurde auch die Vielgestaltigkeit der Reproduktionstechniken unmittelbar einsichtig. In historischen Aufnahmen des Seminarbetriebs aus der Zeit vor Etablierung der Dia-Doppelprojektion als Standardmethode sind regelmäßig große Arbeitstische mit darüber gebeugten Seminarteilnehmern zu sehen. In diesem Sinn unterscheidet sich das Seminar von Adolph Goldschmidt

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im Jahr 1915 an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin (Abb. 1) wenig vom Seminar Richard Hamanns um 1940 im Kunsthistorischen Institut der Philipps-Universität Marburg (Abb. 2). Diese Bilder belegen auch, dass die Diaprojektion erst nach und nach das Betrachten auf dem Arbeitstisch ablöste und Letzteres im Seminarbetrieb noch länger Bestand hatte. Während der Arbeitstisch als Medium und Praxis in der Kunstgeschichte im regulären Lehrbetrieb gegenwärtig kaum mehr genutzt wird,14 beschreibt Bruno Latour die Bedeutung des Möbels ausführlich als die Arbeitsweise einer brasilianischen Botanikerin prägend. Indem er einräumt, »die Philosophie [könne] angesichts dieses Tisches nur in Verlegenheit geraten«,15 wird deutlich, dass selbst der Wissenschaftshistoriker das Medium in den Geisteswissenschaften nicht vermutet und dieses in erster Linie mit den Naturwissenschaften verbindet. Dabei stimmt dessen Gebrauchsform in Botanik und Kunstgeschichte weitgehend überein. Der Tisch ist in beiden Fächern Medium der Autopsie und Modellbildung. Als Fläche ermöglicht er, Ob-

jekte anzuordnen, in Bezug zu setzen und zu stapeln. Wie die heutige Datenbank speist eine dem Tisch naheliegende oder diesen beherbergende Fotothek, Bibliothek und/oder grafische Sammlung denselben mit Reproduktionen und nimmt Unpassendes unmittelbar wieder auf. Die gemeinsame Repräsentation der Reproduktionen auf dem Tisch macht ihn zu einer Vergleichsebene, auf der die unterschied­lichen Entstehungskontexte der repräsentierten oder präsentierten Objekte in den Hintergrund treten können: »Sind die Spezimen von verschiedenen Orten und aus verschiedenen Zeiten einmal klassifiziert, so werden sie zu Zeitgenossen auf der Tischfläche und sind damit dem gleichen einenden Blick ausgesetzt. Diese vor drei Jahren klassifizierte und jene aus mehr als tausend Kilometern herangeschaffte Pflanze bilden auf dem Tisch eine verschworene Gemeinschaft und ein synoptisches Tableau.«16 Der Unterschied zwischen dem botanischen Arbeitstisch und dem kunsthistorischen ist der Repräsentationsmodus: Während in der Naturwissenschaft ein Spezimen herangezogen wird, um seine Art zu repräsentieren, liegt in der Kunstgeschichte in der Regel nur eine Reproduktion vor. Gemeinsam hingegen ist die diachrone und ubiquitäre Herangehensweise, in welcher auf dem Tisch ›Proben‹ aus verschiedenen Jahrhunderten und Regionen versammelt sind, die dann einem ›einenden Blick‹ unterzogen werden. Latour berichtet, wie leicht sich die Objekte hin und her schieben oder vertauschen lassen, bis ein pattern entsteht: »Die neue Erkenntnis ergibt sich wie von selbst aus der auf dem Tisch ausgebreiteten Sammlung.«17 Der Tisch fungiert also unmittelbar als Erkenntnisinstrument und erscheint als solches auch sehr transparent für mehrere Umstehende. Statt der Doppelprojektion, die standardmäßig auf Binarität

setzt, können auf einer mehrere Quadratmeter großen Tischfläche ganze Gruppen von Objekten als Karte und Matrix arrangiert werden und so Übersichten zu Œuvres, Schulen, Motiven, Ikonografien, visuellen Diskursen bis hin zu Warburgs ikonologischen Bezügen erzeugen. Solche Tableaus in Form von Gruppenbildungen geben dem Sehen Perspektiven und ermög­lichen Distinktionen: »In einem wunderbaren Widerspruch erfaßt das Wort ›Übersicht‹ genau die beiden Bedeutungen dieser Beherrschung durch den Blick, da es gleichzeitig bedeutet, etwas zu überblicken und etwas zu übersehen, d. h. zu ignorieren.«18 Es sind gerade diese Sichten, die auch der Computer erzeugen kann, indem er bis ins Einzelbild selbst eingreift und nur gewisse Bilddetails segmentiert oder Kantenbilder, also eine Extraktion mög­ licher Konturlinien, durchführt. In noch größerer Menge können Bilder übersehen und arrangiert werden, worin letztlich auch die dimensionalen Grenzen des Tisches partiell überwunden werden können. Dabei ist zu beachten, was durch die Anordnung, im zweiten Sinn des Wortes ›übersehen‹, nicht gesehen wird beziehungsweise dekontextualisiert, abstrahiert oder ignoriert wird. Der Arbeitstisch wird von Latour als Erkenntnisinstrument eingeführt. Da an ihm aber ebenso Erkenntnisse zum Zweck der Vorführung reproduziert werden können, kann er zugleich, wie bereits festgestellt, als Lehrmedium fungieren. Latour sieht in diesem Dispositiv »keinerlei Unterschied zwischen Beobachtung und Experiment.«19 Die Auffassung, der Arbeitstisch sei ein Erkenntnisinstrument, mag für den kunsthistorischen Arbeitstisch, an dem Menschen aufgrund eigener Urteilskraft Bezüge herstellen, sogleich annehmbar erscheinen, doch zeigt der Blick auf das digitale Display, dass auch hier die Vorstellung des Arbeitstisches (wörtlich ist die Rede von ›Desktop‹ für die grafische Benutzeroberfläche) mehr als nur eine Metapher ist. Es stellt sich nun allerdings die Frage,

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ob ein virtueller Arbeitstisch, an dem der Computer selbst ordnet, Erkenntnisinstrument sein kann. In der digitalen Kunstgeschichte des maschinellen Sehens muss die Frage gestellt werden, inwieweit Beobachtung und Herstellung von Sinnzusammenhängen mensch­liche Monopole bleiben. An dieser Stelle ist zwischen einer die Zusammenhänge sehenden Erkenntnis und einem schlichten Ergebnis zu unterscheiden. Während die im Bereich der Künst­lichen Intelligenz formulierte terminologische Analogie zwischen Mensch und Maschine die Phänomene eher verunklärt, hilft an dieser Stelle vielleicht ein anderer Vergleich: ein ausgebildeter Spürhund findet Substanzen, ohne eine mit der mensch­lichen Auffassung vergleichbare Vorstellung über die Bedeutung der Suche, über Illegalität, Kriminalität und Polizeiarbeit zu haben. Trotzdem ist er durch sein Training und seine Wahrnehmungsmöglichkeiten in der Lage, die Substanzen zu finden und damit unmittelbar Ergebnisse zu liefern. Die Erkenntnis, dass der Hund Drogen gefunden hat und die diese Substanzen transportierende Person gegen das Betäubungsmittelgesetz verstößt, ist dagegen trivial, aber natürlich die notwendige Rekontextualisierung, die im Fall Mensch und Tier nur vom Menschen zu leisten ist. Das ›Assistenzsystem‹ Spürhund ähnelt also dem Assistenzsystem Computer Vision in dem Sinne, dass es ohne Verständnis der Gesamtsituation eingesetzt wird, um eine relativ konkrete Aufgabe zu lösen, in der es eine Überlegenheit besitzt (feinerer Geruchsinn, höhere Rechenkapazität) und dadurch Funde macht, die dann als Befunde vom Menschen eingeordnet werden müssen.

Karte, Map, Tableau

Viele Formen der Visualisierung, analog wie digital, werden im Englischen als ›Map‹ bezeichnet, während ›Kartieren‹ immer häufiger auch im deutschen Sprachgebrauch für das (visuelle) Sortieren

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von Informationen verwendet wird. Eine Eigenheit von Karten ist die maßstäb­liche Verkleinerung des Gegenstandes und damit eine Verdichtung, Abstrahierung und Priorisierung von Informationen. Katy Börner hat viele dieser »Maps & Macroscopes« seit 2005 gesammelt und in einer physischen und virtuellen Ausstellung präsentiert.20 Unter verschiedenen Themenstellungen wurden zunächst zehn, seit 2015 vier Visualisierungen pro Jahr ausgewählt, wodurch ein interdisziplinärer Eindruck der gestalterischen und methodischen Herangehensweisen entsteht. Auch wenn in diesem Projekt das Fach Kunstgeschichte unterrepräsentiert erscheint,21 zeigt die Sammlung an, welche Anwendungs- und Gestaltungsmöglichkeiten die Kunstgeschichte hätte und wie weit solche Visualisierungen durch die Digitalisierung über die lakonischen Skizzen eines Alfred Barr hinausgehen könnten.22 Durch seine räum­liche Ausdehnung und Flächigkeit kann der kunsthistorische Arbeitstisch auch eine solche ›Map‹ darstellen, wodurch Distanzen und Formationen sichtbar werden. Die Visualisierungsmöglichkeiten sind dabei auf einem Tisch stets dynamisch und interaktiv, was auch für den »Desktop« eines Computerbildschirms gelten mag. Digitale Informationsvisualisierungen können hingegen sehr unterschied­liche Grade von Statik, Dynamik und Interaktivität besitzen. Gemeinsam ist diesen Karten zumeist die Informationsverdichtung. Eine Kunstgeschichte, die der Aura des Einzelwerks verpflichtet ist, kann bereits mit dieser Form der Visualisierung Schwierigkeiten haben. Entsprechend haben beispielsweise die ansonsten viel beachteten Arbeiten von Lev Manovich kaum ein Echo in der Kunstgeschichte erfahren.23 Seine direkte Umsetzung des Distant-Reading-Ansatzes24 ins Visuelle durch das Plotten einer großen Menge von Einzelbildern unter einfachen Ordnungskriterien wie Chronologie oder Farbwert hat neue Möglichkeiten der Mustererkennung durch bloßes Abstandhalten eröffnet.25

Im Gegensatz zum Arbeitstisch fällt jedoch bei vielen Visualisierungen dieser Art das freie Arrangieren weg, da die Dimensionen und Anordnungen klar definiert werden. In der Genese dieser ­Visualisierungen besteht aber bereits ein neuer Sachverhalt, der ebenfalls weit vom einfachen Ge­ lehr­ten-Arbeitstisch-Verhältnis entfernt ist. Die Anordnungen erfolgen automatisch. Der Computer bildet aus Primär- oder Metadaten eine Reihenfolge, indem er beispielsweise Helligkeiten oder Jahreszahlen ausliest. Er ist also, wenn wir in Latours Bild bleiben wollen, der Kartengeber, der die Gegenstände auf dem Tisch ausbreitet.26 Dass hier schon der Computer arrangiert, fällt dabei so wenig auf wie etwa in der ›digitalisierten‹ Kunstgeschichte im Fall der Verwandlung einer Druckreproduktion in ein Pixelbild mittels Scan. Gerade weil die Aufgabe so trivial erscheint, wird der Computer nicht als Akteur wahrgenommen. Die Delegierung an den Computer wird nur aufgrund der Masse an Daten und der erhofften mathematischen Präzision im Umgang mit dieser vollzogen. In dieser Auffassung definiert sich das AkteurSein über die Möglichkeit eigenmächtiger Entscheidungen und auch dementsprechender Fehler. Der Computer sollte aber schon bei diesen sehr einfachen Aufgaben als Akteur wahrgenommen werden, da er sich in seiner Arbeitsweise, Rechenleistung und Kapazität grundsätzlich vom Menschen unterscheidet. Ab einer gewissen Datenmenge entzieht sich der Computer als Agent dem mensch­lichen Patron, der nicht mehr das Ergebnis im Ganzen oder Einzelnen beurteilen, sondern nur noch Stichproben prüfen oder Methoden nachvollziehen kann.27 Entsprechend sind Visualisierungen auch ein Instrument, um die Qualität und Plausibilität digitaler Methoden zu reflektieren. Visualisierungen als (interaktive) Karten können daneben auch Orientierung für Sehen lernende Studierende schaffen. Das Einzelbild wird nach unterschied­lichen Kriterien in Nachbarschaf-

ten verortet. So entstehen nicht nur sinnvolle Einzelvergleiche, sondern ganze Cluster von Dutzenden Bildern. Eine solche Anordnung von Bildern im zwei- oder dreidimensionalen Raum kann sehr suggestiv wirken und komplexe Zusammenhänge besser beschreiben, sie birgt gegenüber dem Vergleich zweier Werke mit Hilfe der Dia-Doppelprojektion allerdings größere statistische und geometrische Herausforderungen.

Reproduktion und Sondierung

Unabhängig davon, ob auf Zeichnungen, Kupferstiche, Diapositive oder digitale Projektionen geschaut wird, immer werden damit Medien genutzt, um abwesende Objekte zu reproduzieren und für Forschung und Lehre sichtbar zu machen. Computer Vision verändert jedoch das Verhältnis von reproduzierendem Medium und darauf blickendem Betrachter, indem die Maschine beide Rollen zugleich einnimmt. Wie der Kustode einer grafischen Sammlung, der gegebenenfalls auch auf vage Beschreibungen hin die richtigen Blätter beibringt, sie geordnet auf dem Tisch präsentiert, auf Details hinweist und auch mit seiner eigenen Kennerschaft kommentiert, übernimmt die Maschine nun eine aktive Rolle bei der Erschließung, Auffindung, Anordnung, Beschreibung und Interpretation der Werke. Der Vergleich trägt auch in dem Sinne, als der die Sammlung konsolidierende Wissenschaftler in vielen Fällen eine andere Vorstellung und Kenntnis des Bestandes hat. Das Beispiel trägt jedoch nicht, um die Unterschiede in Vorstellungen und Kenntnissen wechselseitig zu bewerten. Immerhin hat die Maschine vermutlich mit dem Kustoden gemein, die Werke bzw. Reproduktionen öfter vergleichend ansehen zu können. Die Vorteile der Maschine gegenüber dem mensch­ lichen Kustoden sind evident: Sie verfügt über mehr Zeit für ihre Arbeit, einen sicheren Umgang

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mit Mehrdimensionalität und ein besseres Gedächtnis, insofern sie verläss­licher die Abrufbarkeit des Gesehenen gewährleistet. Die Schwächen der Maschine liegen in dem, was man etwas unpräzise als inneres Verständnis einer Szene bezeichnen könnte und im Bereich der Intuition, die durch Hypothesenbildungen und Abstraktion erfolgt. Diese Defizite haben sich durch die Fortschritte im maschinellen Lernen reduziert. Aktuelle neuronale Netze erkennen Objekte und Szenen sicherer und haben mehr Toleranz gegenüber Veränderungen der Szene. Durch das in der Computer Vision erforschte Verfahren des ›Style Transfer‹28 lassen sich nicht nur stilistisch verschiedene Szenen mit gleicher Ikonografie in Verbindung setzen, sondern auch Fehlerquoten minimieren, die aus den verschiedenen Techniken und Materialien der Bildproduktion resultieren. Reproduktion und Original lassen sich so über künstlerische Gattungen und technischen Verfahren hinweg nachverfolgen.

Sehen

Erwin Panofskys bekannte dreistufige Einteilung der Bildanalyse kann als eine kunsthistorische Methode verstanden werden, die das Sehen strukturiert. Diese Strukturierung zielt weniger auf das Sehen von optischen Phänomenen, als dass verschiedenen Etappen der Zugabe von Wissen beschrieben werden, das in den Prozess des Erkennens einfließt. Ungeachtet dessen, dass der Computer auch dieses Dreistufenmodell adaptieren könnte, können verschiedene Algorithmen ganz unterschied­liche Sehaufgaben durchführen, wodurch eine Form des strukturierten Sehens entsteht. Dieses Sehen ist strukturiert, indem es verschiedene, teilweise klar begrenzte Sichtweisen vollziehen oder Sehaufgaben durchführen kann. Diese Sehaufgaben können beispielsweise darin liegen, den Stil von Werken zu vergleichen,29 Objekte

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im Bild zu erkennen,30 Ikonografien und Motive über Techniken hinweg zu vergleichen31 oder den Duktus eines Künstlers oder einer Werkstatt zu identifizieren.32 Dadurch, dass diese Ergebnisse quantitativ sind, lassen sie sich als Wahrscheinlichkeiten formulieren und räumlich visualisieren.33 Computer Vision ermöglicht es so, die verschiedenen visuellen Aspekte und die Semantik eines Bildes deutlich tiefergehend zu analysieren, indem Objekte, Dispositive, Szenen und Ikonografien erkannt und verg­lichen oder nonverbale Kommunikation im Bild untersucht werden, um beispielsweise Bilderzählungen zu rekonstruieren. Die Hoffnung ist berechtigt, dass sich auf dieser Grundlage in den nächsten Jahren ein schrittweises maschinelles Bildverstehen entwickelt, das, mit Kontextwissen verknüpft, dem gegenwärtigen kunsthistorischen Arbeiten ähn­licher wird. Gleichzeitig entsteht in Teilen ein neuer Formalismus, dessen Neuheit aber nicht nur in anderen Schlussfolgerungen besteht, sondern in einer umfassenderen empirischen Grundlage, größerer Transparenz und Reproduzierbarkeit.34 Dieser Formalismus sollte daher nicht zu dogmatisch als eine etwa vermeintlich reaktionäre Spielart von Kunstgeschichte abgewehrt, sondern als ein experimenteller Strang oder Filter betrachtet werden, mittels dessen insbesondere in der Lehre die Werke unter verschiedenen visuellen Kriterien unabhängig von Kontexten betrachtet werden; als ein Propädeutikum der Form. Die Karten und Tableaus, die auf diese Weise entstehen, brechen die linearen Recherche- und Darstellungsinstrumente wie Katalog, Diamagazin und Alphabet auf. Das beschriebene strukturierte Sehen enthält dabei wenig Informationen über das Dargestellte selbst, was gleichzeitig Vor- und Nachteil der Methode darstellt. Das maschinelle Sehen kann Bildanordnungen erzeugen, die aus einem konventionellen, auf dem Kanon der Einzelwerke basierenden Verständnis heraus nicht entstehen

Abb. 3 Suche nach irdenen Krügen in einem Bilddatensatz mit Reproduktionen flämischer Malerei (ca. 7000 Abbildungen). Oben Markierung der Ergebnisse durch User, unten neue Resultate. Datensatz: Getty Research Institute, Fotothek; Prototyp: Takami, Bell und Ommer, Screenshot Bell, 2019

könnten, die aber auch völlig sinnfreie Bezüge aufgrund von zufälligen visuellen Ähnlichkeiten aufweisen können. In dieser Ambivalenz liegt die besondere Herausforderung der Nutzung von Computer Vision als Lehrmedium. Es kann neue Verbindungen aufzeigen, aber auch zu falschen Schlüssen führen. Diese Situation ist im kunsthistorischen Lehrbetrieb allerdings alles andere als neu. Die Verantwortung für die Nutzung liegt stets bei der Lehrperson. Sie hat die Aufgabe, Wissenschaftlichkeit und die Lernziele einer Veranstaltung durch Anleitung, Korrektur und Ergänzung zu gewährleisten, wozu selbstverständlich ein kritischer Umgang mit den Lehrmedien gehören sollte. Der Sehen lernende Computer in seiner gegenwärtigen

Form ist somit als didaktisches Instrument unter Vorbehalt einsetzbar. Die Aussagen der Maschine müssen in jedem Fall kritisch hinterfragt werden. Im Idealfall kann dieses Feedback aber durch maschinelles Lernen begünstigt werden und unmittelbar zu besseren Ergebnissen führen.35 Der Vorteil des strukturierten Sehens ist, dass der Computer in Echtzeit viele verschiedene Sichten mit ganz unterschied­lichen Prämissen erzeugen kann, die voneinander unabhängig sind. Das heißt, der Computer wird beim Erzeugen neuer Ergebnisse nicht von vorherigen Seheindrücken beeinflusst, zumindest sofern eine solche Vermischung nicht explizit gewünscht ist. Die Ergebnisse des maschinellen Sehens können auf verschiedene Weisen angeordnet werden.

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Abb. 4 T-SNE-Plot zur Darstellung von ähnlichen Bildern aus einem selbst zusammengestellten Datensatz mit Verkündigungs­ darstellungen (Offert und Bell)

Sehr einfach ist die Anordnung in Reihen mit sinkender Ähnlichkeit (Abb. 3). Hier lässt sich beobachten, wie beispielsweise auf das Digitalisat eines Werkes weitere Scans anderer fotografischer Reproduktionen folgen, dann gegebenenfalls druckgrafische Reproduktionen oder Variationen des Werkes bis hin zu ähn­lichen Motiven etwa aus der gleichen Epoche. Der Computer gibt also Ähnlichkeiten aus. Als erstes erscheint das Suchbild, dann folgen in absteigender Reihenfolge ähn­liche Bilder. Diese Reihung wird über geometrische Abstandsmaße erstellt, indem Kontraste, Muster sowie gewisse Linienverläufe in den Bildern verglichen werden. Diese visuellen Ähnlichkeiten sind also rein quantitative Befunde aufgrund von statistischen Modellen und mathematischen Verfahren innerhalb der verwendeten Algorithmen. Verzichtet wird auf semantischen Referenzen, wie Metadaten oder andere Beschreibungen, die auf die Auswertung der Position der Pixel Einfluss nehmen würden. So kann die Textur des Papiers gegebenenfalls einen größeren Ausschlag für die

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Verknüpfung von Bildern haben als die darauf befind­lichen Zeichnungen.36 Die lineare Anordnung in Reihen von rechnerischer Ähnlichkeit ist im konventionellen kunsthistorischen Diskurs zunächst vielleicht irritierend, da sie nicht sogleich der visuellen Evidenz zu folgen scheint (Abb. 3). In der konkreten Verwendung wird hier ein idealerweise hermeneutischer Prozess in Gang gesetzt, in dem der Mensch zunächst nachvollziehen muss, welche Ähnlichkeiten die Maschine ›sieht‹. Wie kommt es zu den Bildfolgen, warum ergeben sich ›Querschläger‹ und warum erscheint das vermeintlich so offensichtlich Ähn­liche nicht unter den ersten Treffern? Im abgebildeten Beispiel wurde durch die Markierung eines irdenen Kruges in der Reproduktion eines flämischen Gemäldes nach weiteren Realien dieser Art im Bild gesucht. In den ersten Resultaten finden sich noch andere ähn­liche geformte Objekte, wie Obst, ein bauchiger Käfer und kugelförmige Blüten. Die Nutzer sind aufgefordert, ihre Suche zu konkretisieren. Während dies für die offensichtlich falschen

Abb. 5 Das Vergrößern eines T-SNE-Plots zur Repräsentation der Posenerkennung ergibt eine morphologische Ansicht ähnlicher Haltungen: Johannes hebt seinen rechten Arm zur Taufe. Obwohl die Ikonografie eine homogene Geste zu erzwingen scheint, entstehen feine Varianten (z. B. linker Arm, Knie), aus Bell und Impett 2019

Gegenstände leicht fällt, muss er oder sie genauer über das Rechercheziel reflektieren: möchte man nur Keramik finden oder auch Glas, nur eine braune, einfache Glasur oder auch farbige verzierte Stücke. Hierbei werden unmittelbar verschiedene Dimensionen von Ähnlichkeit sichtbar, die je nachdem in den Bereich des Materials, der Technik, des Duktus oder Stils, des Modus und der Ikonografie fallen (Abb. 4). Diese ohnehin miteinander verschränkten Konzepte kann der Computer nicht ohne weiteres differenzieren. Dies liegt nur zu einem gewissen Teil daran, dass die Algorithmen für die eigent­liche Sehleistung noch zu wenig trainiert sind. Ein maßgeb­licher Grund liegt in der Unzulänglichkeit einer rein visuellen Analyse. In diesem Fall schafft das neuronale Netz, ohne für den Bilddatensatz besonders trainiert worden zu

sein, durchaus sinnvolle Cluster für verschiedene Techniken wie Holzschnitt, Kupferstich und Malerei, während ein großes Cluster nur aus den Kartons mit Fotografien aus dem Bestand des Deutschen Dokumentationszentrums für Kunstgeschichte besteht. Ein tieferes inhalt­liches Verständnis setzt die Klassifizierung hinlänglich vieler Objekte im Bild voraus. Eine so generelle Wahrnehmung der dargestellten Dinge und ihrer Kontexte ist bislang, trotz beacht­licher Fortschritte, nicht für gegenwärtige Bildwelten möglich, und entsprechend ebenfalls nicht für die visuellen Kulturen der Vergangenheit. Da die kritische Masse von Abbildungen zum Trainieren eines neuronalen Netzes sehr hoch ist, müssen große Bildmengen akkumuliert werden, die zwangsläufig asynchron sind. Der künst­ liche Betrachter gleicht aus diesen rein metho-

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disch-technologischen Gründen mehr einem Dilettanten oder zumindest einem oberflächlich arbeitenden Generalisten statt einem kunsthistorischen Experten, der begrenzte Gegenstände unter Hinzunahme von Kontextwissen sehr genau betrachtet. Orientierung gibt auch hier ein Begriffspaar aus der Künst­lichen Intelligenz, in der von strong / general AI und von weak / applied AI gesprochen wird. Entsprechend ließe sich auch Computer Vision als ein kognitiver Teilbereich der Artificial Intelligence als generell und anwendungsbezogen definieren. In beiden Fällen ist mit ›stark‹ und ›generell‹ eine Potenz beschrieben, die mindestens der mensch­lichen entspricht und in ihrer Ganzheitlichkeit vorerst utopisch bleibt. Die Maschine vollzieht dadurch aber auch immer ein der mensch­ lichen Wahrnehmung verschiedenes Sehen – und in dieser Alterität liegt gerade die Chance des gemeinsamen Sehens. Dieses gemeinsame Sehen im Seminar läuft im Grunde wie die Betrachtung des Einzelbildes oder der Dia-Doppelprojektion ab. Nur muss jetzt eine Wolke an Bildern in Betracht gezogen werden. Sichtbare Cluster können ihrer Form und ihrem Inhalt nach charakterisiert werden. Besonders Grenz- und Überschneidungsregionen erfordern eine nahsichtigere Analyse. Bei der Interpretation der vom Computer aufgestellten Ähnlichkeitsverhältnisse können die Studierenden ihre eigenen Vergleichskriterien schulen und die komplexe Gemengelage an visuellen Dimensionen erfassen, die im Werk (und durch dessen Reproduktion) zusammenwirken. Die Verflechtung von Bildelementen lässt sich dort auflösen, wo ein Phänomen heraussticht und hinreichend prägnant ist. Dazu gehört in der bildenden Kunst die mensch­liche Anatomie. Figuren und Posen stellen einen Zugang zum Bild dar, der die Ikonografie und deren erzählerische Ausformung aufschließen kann. Die Abbildung zeigt Posen, die nach der Ausrichtung von acht Körper-

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gliedern verg­lichen werden (Abb. 5). Dadurch werden ähn­liche Posen nahe beieinander dargestellt und bilden so gelegentlich Cluster aus, an denen die Häufigkeit gewisser Körperhaltungen ablesbar wird. Hier wird eine Verwandtschaft zu Warburgs Verfahren zur Identifikation von sogenannten Pathosformeln ersichtlich. Dabei ist immer wieder daran zu erinnern, dass im maschinellen Prozess keinerlei Wissen über Kulturtransfer und die Wanderung von Bildmotiven oder sonstige Metadaten hinzugezogen wurden, sondern lediglich acht aus den Winkeln der Extremitäten generierte Vektoren. Diese Anordnungen wirken in vielen Fällen zunächst banal, wenn etwa Johannes durch die Taufhandlung in der Ikonografie der Taufe Christi eine klar zuordenbare Haltung einnimmt oder ein offensicht­liches Cluster aus sitzenden Marien der Verkündigung entsteht.37 Das Potenzial für die Lehre liegt aber gerade darin, in dieser einfachen Ordnung die Möglichkeit zu sehen, genauere Vergleiche vorzunehmen: wie sich etwa das Sitzmotiv verändert, welche Sitzmöbel möglich sind, welche Gesten hinzukommen und wie diese über die Zeit variieren etc. Die Feststellung solcher Ähnlichkeiten von Pose und Bewegungsmotiv ist weit davon entfernt, Warburgs Konzept der ›Pathosformel‹ angemessen zu adaptieren,38 bietet aber immerhin einen Zugang, der weiterführende Überlegungen hierzu stützen kann. Auch die von Michael Baxandall über den Text einer zeitgenössischen Predigt rekonstruierten Zustände, die Maria diesem zufolge in der Verkündigung einnimmt, sind für den Computer nur in Teilen visuell aufzudecken.39 Dazu müsste die Maschine ein Verständnis davon haben, welche Körperhaltungen für eine Gebärde konstituierend sind. So ist etwa beim Gestus Melancholicus der mit der Hand aufgestützte Kopf entscheidend, während die Haltung der Beine eher nebensächlich ist. Diese Feinheiten ließen sich rechnerisch modellieren, indem die Körperteile unterschiedlich gewich-

Abb. 6 »COINS. A journey through a rich cultural collection«, Visualisierungsprojekt der Fachhochschule Potsdam zusammen mit dem Münzkabinett Berlin, 2018, Screenshot Bell, 2018

tet würden sowie zwischen Gesten, Körperhaltungen und Tätigkeiten differenziert würde. Dergleichen funktioniert aber nur unter Zugabe semantischer Informationen, wodurch der experimentelle ›reine Formalismus‹, in dem Computer Vision zur Zeit mit guten Gründen verharrt, verlassen wird. Bereits jetzt ermöglicht uns die Posenerkennung immerhin einen Zugang ins Bild, durch den Fragen zur Ikonografie,40 zu bilderzählerischen Details, Körperbild und Stil geprüft werden können. Durch die zentrale Funktion von Bildfiguren und die relative Persistenz ihrer Anatomie auf diesem Abstraktionsgrad ist so eine Vergleichsebene von gegenständ­licher Kunst über viele Jahrhunderte gefunden worden. Obwohl aber hier bereits ein enger Ausschnitt aus der visuellen Information durch eine einstellige Anzahl von Winkeln gewählt wurde, zeigt die Visualisierung der Details, dass – für Kunsthistoriker kaum überraschend – selbst auf

dieser Maßstabsebene stilistische und ikonografische Aspekte miteinander verschränkt sind. An dieser Stelle wird deutlich – was auch didaktisch nutzbar gemacht werden kann –, dass sich diese Merkmale in Teilen nicht trennen lassen und eine analytische Präzisierung nur über zusätz­liches Kontextwissen oder eine vom Computer bislang nicht leistbare Differenzierung erfolgen kann. Eine Visualisierung, die Prinzipien des Arbeitstisches aufzugreifen scheint, ist die interaktive Repräsentation einer Auswahl von antiken Münzen aus deutschen universitären Sammlungen. Im Rahmen eines Studierendenprojekts an der Fachhochschule Potsdam entstand in Kooperation mit dem Berliner Münzkabinett zunächst ein Visualisierungsinterface, das vom Netzwerk universitärer Münzsammlungen Deutschlands (NUMiD) übernommen wurde (Abb. 6).41 Bewusst wird mit der Semantik eines Schatzes gespielt, indem die Mün-

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zen des Berliner Münzkabinetts gehäuft auf dem Bildschirm erscheinen. Das Bedürfnis, diese Mannigfaltigkeit zu erkunden und die Objekte wie ein Geldwechsler auf seinem Tisch zu sortieren, wird durch verschiedene Filter stimuliert, die auch visuell zu neuen Anordnungen – kleinere Haufen verschiedener Größe – führen. Dabei lassen sich jeweils zwei Filter, wie etwa Material und Münzstätte, kombinieren. Die Häufigkeiten werden unmittelbar durch die Größen der Münzhaufen repräsentiert. Gleichzeitig ist jede Münze als Objekt per Klick aufrufbar und mit einem Datenblatt versehen, so dass auch hier die Möglichkeit von Close Viewing und Distant Viewing besteht. In einem anderen Layout lassen sich einzelne Münzen herausgreifen und der ›Schatz‹ ordnet sich konzentrisch nach Ähnlichkeit an. Lev Manovichs Idee, jedes Objekt mit einer Reproduktion in die Visualisierung zu plotten und damit quantitative und qualitative Elemente zu verbinden, verliert in diesem Beispiel seine Abstraktion, indem eine Arbeitsumgebung simuliert wird. Der spielerische und intuitive Ansatz der Visualisierung ist unmittelbar überzeugend, da er derart dosiert ist, einerseits eine breite Zielgruppe anzusprechen und andererseits wissenschaft­lichen Standards verpflichtet zu bleiben. Dabei wird nicht nur ein Arbeitstisch nachempfunden, sondern auch die Haptik der Münzen suggeriert, so dass die Visualisierung auch einer Simulation nahekommt. Wie der Kartengeber gibt das Programm Möglichkeiten der Eingabe und klar strukturierte Ausgaben aus. Die Interaktion ließe sich noch weitertreiben, indem der Nutzer Münzen selbst gruppieren würde und mithilfe maschinellen Lernens noch mehr Ähnlichkeitsbezüge zwischen den Münzen hergestellt werden könnten.

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Ausblick

Digitale Visualisierungen, wie sie hier beschrieben wurden, bieten grundsätzlich neue Möglichkeiten, um von der konventionellen Wandprojektion zur interaktiven Präsentation auf dem Arbeitstisch zurückzukehren. Mittels des maschinellen Distant Reading können Reproduktionen in größerer Zahl nach unterschied­lichen Gesichtspunkten sortiert und angeordnet werden. Es entstehen neuartige Kartierungen des Materials, an denen sich Forschende und Studierende orientieren, die sie aber auch in Frage stellen können, indem sie wiederum neue Ordnungen herstellen. Dieses Distant Reading ist kein starres neues Paradigma, sondern schließt ein Close Reading und auch den binären Bildvergleich mit ein, da die Dimensionen frei wählbar sind. Der Computer ist in diesen Visualisierungen in der Metapher Latours ›Kartengeber‹, aber auch ›Mitspieler‹; kunsthistorisch ausgedrückt Betrachter, Kustode und Kurator in einem. Je nach Vorgaben und eigenen Resultaten arrangiert die Maschine die Reproduktionen auf dem Arbeitstisch. Als maschineller Betrachter hat sie die Möglichkeit, in sehr hoher Geschwindigkeit tausende von Bildern zu überblicken, in Bezug zu setzen und auch deren Metadaten auszuwerten. Dabei muss der Rechner letztlich auch Übersetzer sein, da ein mensch­licher Betrachter die vieldimensionalen Verhältnisse nur in zwei bis vier Dimensionen besehen kann. Die Bilder können mit diesem Medium auf verschiedene Art in Beziehung gesetzt werden, indem rein visuelle Bildvergleiche vorgenommen werden oder Kontexte wie Datierung, Entstehungsort und weitere Metadaten der zugrunde liegenden Werke mit den Bilddaten in Verbindung gebracht werden. Studierende können auf diesen Karten mit mehreren tausend nach Ähnlichkeit und Kontexten geordneten Bildern lernen, sich in der Kunstgeschichte zu orientieren. Sie können demnach als

Korrektiv zur weiterhin praktizierten engen Fallstudie eingesetzt werden. Damit dies gelingt, muss jede didaktische Nutzung von Computer Vision und computerinduzierten Visualisierungen unmittelbar mit Medienkritik verknüpft sein, um die jeweiligen Grenzen des mensch­lichen und des maschinellen Sehens besser verstehen zu lernen.

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1 Kunstgeschichte. Eine Einführung, hrsg. von Hans Belting, Heinrich Dilly und Wolfgang Kemp, Willibald Sauerländer und Martin Warnke, Berlin 1996, S. 11 (zuletzt 7., überarb. Aufl. 2008). Siehe auch Heinrich Dilly, »Die erfolgreichste Einführung in die Kunstgeschichte«, in: KunstKritikGeschichte, hrsg. von Johanna Aufreiter, Gunther Reisinger, Elisabeth Sobieczky und Claudia Steinhardt-Hirsch, Berlin 2013, S. 497–518. 2 Um einen Einsatz von Computer Vision in der Lehre zu ermög­lichen, soll im Folgenden auch der Forschungsstand durch einige neuere Publikationen vorgestellt werden. 3 Vgl. Richard Szeliski, Computer Vision: Algorithms and Applications. Texts in Computer Science, London 2011. 4 Johanna Drucker, »Is There a ›Digital‹ Art History?«, in: Visual Resources, 29, 1–2, 2013, S. 5–13, hier S. 7, DOI: 10.1080/01973762.2013.761106. 5 Katrin Glinka und Marian Dörk, »Zwischen Repräsentation und Rezeption – Visualisierung als Facette von Analyse und Argumentation in der Kunstgeschichte«, in: Computing Art Reader, Einführung in die digitale Kunstgeschichte, hrsg. von Piotr Kuroczyński, Peter Bell und Lisa Dieckmann, Heidelberg 2018, S. 234–250. 6 Ernst H. Gombrich, Die Geschichte der Kunst, 1. Aufl., Berlin 1950. 7 Hans Sedlmayr, zitiert nach Max Imdahl, Giotto. Arenafresken, Ikonographie Ikonologie, Ikonik, München 1980, S. 100. Imdahl teilt in diesem Fall Sedlmayrs Position. 8 Zu Bildmenge und Repräsentativität vgl. auch Hubert Locher, Kunstgeschichte als historische Theorie der Kunst 1750–1950, München 2001, etwa: »Die Plausibilität des entwicklungsgeschicht­lichen ›Lehrgebäudes‹ ist desto geringer, je größer die Menge der präsentierten Dokumente ist. Je mehr Beispiele genannt werden und je genauer die Betrachtung ist, desto problematischer wird eine kohärente ›Weltkunstgeschichte‹«, S. 291. 9 Glinka und Dörk 2018 (wie Anm. 5), S. 244. 10 Zhong-Qiu Zhao, Peng Zheng, Shou-tao Xu und Xindong Wu »Object Detection with Deep Learning: A Review«, in: IEEE Transactions on Neural Networks and Learning Systems, 30, 11, S. 3212–3232, ArXiv:1807.05511 [Cs] (16.04.2019). 11 Aby Warburg, Der Bilderatlas Mnemosyne, hrsg. von Martin Warnke und Claudia Brink (Aby Warburg, Gesammelte Schriften), Berlin 2000, Bd. II 1.2. 12 Aby Warburg, Mnemosyne Bilderatlas. Rekonstruktion – Kommentar – Aktualisierung, Ausstellung des ZKM

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Karlsruhe, 01.09.–13.11.2016, begleitet von einer Neuauflage der Heftreihe Baustelle, hrsg. von der Forschungsgruppe Mnemosyne / 8. Salon, 13 Bde., Karlsruhe 2016; siehe auch: Frank Zöllner, »›Eilig Reisende im Gebiete der Bildvergleichung.‹ Aby Warburgs Bilderatlas ›Mnemosyne‹ und die Tradition der Atlanten«, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 37, 2010, S. 279–304. 13 Zu anderen Formen von Wandtafeln vgl. den Beitrag von Maria Männig in diesem Band. 14 Ausnahmen bilden Lehrveranstaltungen in grafischen Lehrsammlungen, die an einigen Standorten noch fester Bestandteil des Curriculums sind. 15 Bruno Latour, Die Hoffnung der Pandora, Frankfurt am Main 2017, S. 49–52. 16 Ebd., S. 49–50. 17 Ebd., S. 51. 18 Ebd. 19 So bemerkt auch Latour: »Die Botanikerin lernt neue Dinge«, ebd. 20 Vgl. http://scimaps.org (16.08.2021). 21 Zu Schaubildern in der Kunstgeschichte vgl. Stil-­ Linien diagrammatischer Kunstgeschichte, hrsg. von Wolfgang Cortjaens und Karsten Heck (Transformationen des Visuellen, 2), Berlin und München 2014. 22 Als Gründungsdirektor des Museum of Modern Art (MoMA) in New York reflektierte Barr in zwei berühmt gewordenen Schaubildern über seinen Gegenstand und das Museum, indem er die Neueste Kunstgeschichte als (Ein-)Flussdiagramm von sich inspirierenden Avantgarden darstellte und das MoMA als einen Torpedo, dessen Bewegungslinie die Zeitachse ist, so dass die aktuellsten Strömungen vorne an der Spitze aufgenommen werden, während ältere den Torpedo / das Museum wieder verlassen. Vgl. u. a. Doron Goldfarb, Max Arends, Josef Froschuer, Martin Weingartner und Dieter Merkl, »Collectivizing the Barr Model«, in: Leonardo, 47, 3, 2014, S. 270. 23 Vgl. Lev Manovich, »How to Compare One Million Images?« in: Understanding Digital Humanities, hrsg. von David Berry, New York und London 2012, S. 249–278; und ders., »Museum without Walls, Art History without Names: Visualization Methods for Humanities and Media Studies«, in: The Oxford Handbook of Sound and Image in Digital Media, hrsg. von Carol Vernallis, Amy Herzog und John Richardson, Oxford 2013, S. 253–278. 24 Franco Moretti, Distant reading, Konstanz 2016. Vgl. auch Hubertus Kohle, Digitale Bildwissenschaft, Glückstadt 2013, S. 76–91, http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/ artdok/2185/ (16.08.2021).

25 Viele Beiträge bewegen sich im Bereich von Bildverarbeitung (Image Processing) und Vorverarbeitung (Preprocessing). Vgl. z. B. Devon Elliott und William J. Turkel, »Faster than the Eye. Using Computer Vision to Explore Sources in the History of Stage Magic«, in: Seeing the Past with Computers: Experiments with Augmented Reality and Computer Vision for History, hrsg. von Kevin Kee und Timothy Compeau, Ann Arbor 2020, S. 83–94. 26 Latour 2017 (wie Anm. 15), S. 52. 27 So muss auch im Beispiel vom Spürhund der Beamte darauf vertrauen, dass der Hund alle Substanzen, die an seiner Nase vorbeitransportiert werden, sicher findet, weil er weder diesen ausgeprägten Geruchssinn noch die Zeit besitzt, jede einzelne Person zu durchsuchen. 28 Beim Style-Transfer wird versucht, inhalt­liche und stilistische Aspekte getrennt zu betrachten, um sie dann unter konkreten Bedingungen wieder zusammenzuführen. Vgl. u. a. Artsiom Sanakoyeu, Dmytro Kotovenko, Sabine Lang und Björn Ommer, »A Style-Aware Content Loss for Real-Time HD Style Transfer«, in: Lecture Notes in Computer Science (LNCS), 11212, 2018, S. 715–773, ArXiv:1807.10201 [Cs] (26.07.2018). 29 Ahmed Elgammal, Marian Mazzone, Bingchen Liu, Diana Kim und Mohamed Elhoseiny, »The Shape of Art History in the Eyes of the Machine«, in: Paper, ArXiv:1801.07729 [Cs] (23.07.2018). 30 Vgl. Elliot Crowley und Andrew Zisserman, »The State of the Art: Object Retrieval in Paintings Using Discriminative Regions«, in: Proceedings of the British Machine Vision Conference 2014, Nottingham 2014, https:// doi.org/10.5244/C.28.38; Peter Bell und Björn Ommer, »Training Argus. Ansätze zum automatischen Sehen in der Kunstgeschichte«, in: Kunstchronik, Monatsschrift für Kunstwissenschaft, Museumswesen und Denkmalpflege, 68, 4, 2015, S. 414–420; Nicolas Gonthier, Yann Gousseau, Said Ladjal und Olivier Bonfait, »Weakly Supervised Object Detection in Artworks«, ArXiv:1810.02569 [Cs] (05.10.2018). 31 Xi Shen, Alexei A. Efros und Mathieu Aubry, »Discovering Visual Patterns in Art Collections with Spatiallyconsistent Feature Learning«, in: 2019 IEEE/CVF Conference on Computer Vision and Pattern Recognition (CVPR), S. 9278–9287, Long Beach, CA 2019, DOI: 10.1109/ CVPR.2019.00950. 32 Richard N. Johnson u. a., »Image Processing for Artist Identification – Computerized Analysis of Vincent van Gogh’s Painting Brushstrokes«, in: IEEE Signal Processing Magazine, 35, 4, 2008, https://www.ri.cmu.edu/pub_files/

pub4/johnson_c_richard_2008_1/johnson_c_richard_ 2008_1.pdf. 33 Vgl. u. a. Benoit Seguin, Isabella di Lenardo und Frédéric Kaplan, »Tracking Transmission of Details in Paintings«, in: Abstracts of DH2017, the Annual Conference of the International Alliance of Digital Humanities Organizations (ADHO), Montreal 2017, Nr. 562. 34 So räumt Alois Riegl einleitend in seine Vorlesung zur historischen Grammatik der bildenden Kunst ein: »ich bin beschränkt im verfügbaren [Bild-]Material, und überdies fehlt die physische Möglichkeit alles vorzuzeigen.« Alois Riegl, Historische Grammatik der bildenden Künste, Graz 1966, S. 211. 35 Peter Bell und Björn Ommer: »Visuelle Erschließung. Computer Vision als Arbeits- und Vermittlungstool« in: EVA Berlin 2016, Elektronische Medien & Kunst, Kultur und Historie, hrsg. von Andreas Bienert, Berlin 2016, S. 67–73. 36 Vgl. zur computergestützten Bildsuche und Veranschaulichung visueller Ähnlichkeiten auch Fabian Offert, Oleg Haramov und Peter Bell, https://imgs.ai (Stand 21.11.2020). 37 Peter Bell und Leonardo L. Impett, »Ikonographie und Interaktion. Computergestützte Analyse von Szenen der Evangelien«, in: Das Mittelalter, 24, 1, 2019 (Themenheft Digitale Mediävistik), S. 31–53. 38 Zu einem Versuch in diese Richtung siehe Leonardo Impett und Sabine Süsstrunk, »Pose and Pathosformel in Aby Warburg’s Bilderatlas«, in: Computer Vision – ECCV 2016 Workshops, hrsg. von Gang Hua und Hervé Jégou, Cham 2016, S. 888–902, https://doi.org/10.1007/978-3-31946604-0_61 (16.08.2021). 39 Bell und Impett 2019 (wie Anm. 37). 40 Tomas Jenicek und Ondřej Chum, »Linking Art through Human Poses«, in: 2019 International Conference on Document Analysis and Recognition (ICDAR), Sydney 2019, S. 1338–1345. 41 https://visualize.numid.online/#/de; siehe auch Flavio Gortana, Franziska von Tenspolde, Daniela Guhlmann und Marian Dörk, »Off the Grid: Visualizing a Numismatic Collection as Dynamic Piles and Streams«, in: Open Library of Humanities, 4, 2, 2018, S. 30, DOI: http://doi. org/10.16995/olh.280 (16.08.2021).

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»A pretty screen is an invaluable addition to a pretty room, and will go far toward redeeming an ugly one from hopeless dowdiness. It can be used to make a cozy corner by the fireplace, or to shut off the draft from door or window, or to relieve the monotony of a blank wall and make a charming nook instead of a dreary waste of open space where the sensation of comfort would be impossible.« — Elizabeth Robinson Scovil, 18841 In the early twenty-first century, a large part of our lives is spent staring at screens. They command our attention at public places, in our private moments, and various »non-places« in between; they even enter our dreams.2 Some screens are stationary, others are mobile; some are large, others are small. The presence of screens in contemporary life seems self-evident and unavoidable. In the context of the COVID-19 pandemic, much of our communication has been exclusively via screens. Conferences, mobile work, leisure activities, and even teaching were mediated via screens. Especially in education, the screen took on an unprecedented role. Against this background and the interests of this anthology, this chapter attempts a prehistory of the media screen. It is one of the premises of this chapter that life with media screens cannot be fully grasped without understanding their predecessors and the contexts where they emerged. A genealogy of screens is needed. So far, this task has been ac-

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complished only imperfectly. Excavating »proto-screens«—both material and imaginary—and exploring the connections between screens from different times and places are tasks for an approach I call screenology, or media archaeology of the screen. Screenology occupies itself not only with screens as designed artifacts and utilities, but also with their uses, their intermedial relationships with other cultural forms, and the discourses that envelop them. Screenology investigates these issues within relevant cultural, social, and ideological frames of reference. When we speak about screens today we normally mean »media screens,« which can tentatively be characterized as displays of visual and textual information emanating from an »elsewhere.« This elsewhere may be far away, in a projection booth, on a spinning disk, inside a box (to which the screen may belong), or issue from a video camera, which allows viewers to see their own likenesses in real time, although still from an »elsewhere«. Screen-based devices serve communication. They are not only used for retrieving data but for creating and modifying it, as when playing a video game, writing digital code, or producing graphics with a computer. However, by excavating the past, media archaeology demonstrates that the word »screen«—as well as its variants and parallel expressions in other languages—has not always referred to the screens that dominate our current media culture.

Typically, a screen has a frame. Whether a picture frame or the framed picture itself can be considered a »screen« is debatable. The frame is a limes, a boundary that separates the painted surface from its surroundings. Following Suzanne Langer’s argumentation, we could claim that it delineates a virtual space, contrasting that space with everything else—the continuity of things that constitutes primary everyday reality.3 In a sense there is a rupture rather than a continuity between what is within the frame and what falls outside it; the same could be said about the relationship between the television screen and the living room interior. Following the same logic, traditional art gallery walls that were covered by paintings up to the ceiling were complex visual matrixes, because the observer’s gaze had to cross numerous boundaries between the real and the virtual as it scanned what was on display.4 Whether such an idea was realized in actual perceptual-cognitive practices can be questioned. It could be argued that the spaces between the framed surfaces were simply effaced by the mind as nonessential for the experience. This does not eliminate the conceptual divide that separates the real from the virtual, but it qualifies its absolute nature. Whether a painting can arrest the gaze and truly immerse the mind into its confines, even momentarily, depends on complex perceptual, cognitive, and contextual operations.5 »Media screen« is only one of the senses that has been assigned to the word »screen.« A hundred years ago its role was still peripheral, as the following dictionary definition demonstrates: »A covered framework, partition, or curtain, either movable or fixed, which serves to protect from the heat of the sun or of a fire, from rain, wind, or cold, or from other inconvenience or danger, or to shelter from observation, conceal, shut off the view, or secure privacy; as, a firescreen; a folding screen; a window-screen, etc.;

hence, such a covered framework, curtain, etc., used for some other purpose; as, a screen upon which images may be cast by a magic lantern; in general, any shelter or means of concealment.«6 It is significant that »a screen upon which images may be cast by a magic lantern« was only mentioned toward the end. Objects known as screens had existed long before »media culture« came into being and assigned different functions. These screens cannot be omitted from a screenological investigation; neither can the cultural formations they were part of. This situation raises a question: what is media culture? Briefly, it is a widely shared, although not uniform, state of things in which »mediated communication« by means of dedicated channels and devices has to a significant degree challenged or replaced traditional face-to-face communication. Books and newspapers contributed to its formation, and so did the magic lantern, the stereoscope, the telegraph, the telephone, etc.7 The second half of the nineteenth century was a pivotal period of gestation, although the process was gradual. It took various forms and proceeded at different speeds in different parts of the world. To understand media screens, we must travel back in time to eras when media culture as a pervasive condition did not yet exist. For centuries, »screens« have been a feature of domestic environments in the Western world, but also elsewhere, for example in Japan and China. The objects called screens—or something else but with roughly similar meanings—in the past were not identical with what we understand by that word today: information surfaces or »windows« for retrieving information or communicating with an »elsewhere.« A media archaeological excavation can show that these two types of screens are not entirely different in their designs and identities as objects, or even in their functions. Pretending that they are

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exactly the same thing would be a mistake; beside similarities, there are shifts and transformations that have often gone unnoticed. This article points out some of them, concentrating on the domestic environment and the screens used in them. As a fragment of a larger project on screenology, this text will mainly focus on screens used in Western domestic settings, leaving the rich history of Japanese and Chinese screens to another occasion. The focus here is mainly on the nineteenth century, although the ways in which the rising middle classes adopted screens from the aristocratic lifestyles of the past, matching them with their own ideals of the domestic environment, has to be first briefly explained. My approach is media archaeological, bridging materialistic approaches to objects with elements of discourse analysis.

Screens and Cross-Cultural (Dis)communications

Since the Middle Ages, the word »screen«—and corresponding words in other European languages—has been associated with many things, from shrines and chests to protective surfaces used by soldiers to household fixtures.8 They may have been considered as separate things for specific needs, but the idea of a nonpenetrable surface was common to all. The screen was a barrier, an obstruction. Its visual appearance was not unimportant, but secondary. In the seventeenth century a different idea of the screen began gaining popularity in the Western world: it had practical functions, but its foremost feature was its visual appeal. The screen was redefined as an object meant to be seen and observed. In England it was often called the »Indian screen,« which is a misnomer. This is how Alexander Pope referred to it in his pseudoheroic mock epic Rape of the Lock (1712): »One speaks the Glory of the British Queen, And one describes a charming Indian Screen; A third interprets Mo-

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tions, Looks, and Eyes; At every Word a Reputation dies.«9 Pope was making mischievous parallels between incompatible things, the act of describing the scenes on the screen contrasted with praising the queen. Richard Owen Cambridge rhymed in a satire inspired by Horace: »Is there no shell-work to be seen, Or Chinese chair or Indian screen?«10 The »Indian screens« were Chinese products transported via Indian seaports on their long journey to Europe. This also explains another misleading name for them: »Coromandel screen.« »Coromandel« was the Portuguese transcription of the name of a coastal region in southwestern India, conveniently situated along the shipping route from China.11 The expression »Coromandel screen« was adopted by other languages too, including English. Yet another way of referring to the same object made its way into dictionaries by 1700. It was the »folding screen.« By this point, folding screens were known from both China and Japan. They are tokens of the formative stage of international trade and communication networks. By being transported from one culture to another, they inspired local variants and gained new uses and meanings, becoming an element of media culture in the making. Their concrete uses as well the discourses around them embodied ideas that were transferred not only to the stage, but eventually also to the media screen. The full history of the intercontinental vicissitudes of East Asian folding screens has yet to be written. Asian screens imported to Europe served what Edward Said has called »othering.«12 They were fragments of alien cultures that had been domesticated, rendered comprehensible and therefore harmless. Instead of respecting their original nature, the imported screens were often cut up and the pieces attached to walls, submitting them to the Westerner’s organizing hand and controlling gaze. They were near rather than far; fascination became inseparable from distantiation, appreciation from

depreciation. Orientalist labels like »chinoiserie« and »le japonisme« seemed to embrace the Other, but they simultaneously built a boundary against it. It is worth asking to what extent Said’s rather monolithic adaptation of Foucault’s episteme is valid in this context. Did (re)actions toward screens always perpetuate identical stereotypes? Did they testify about more or less uniform attitudes or highlight more varied stances that had cracks and contradictions between them? Asian screens could not shed their alien orientalizing character, but mixing them with other genres and traditions gave rise to new forms. The countless folding screens used in nineteenth-century salons and dressing rooms often bear little resemblance to their Asian forebears. They had been integrated into other value systems. The role of screens at the residences of the French aristocracy of the ancien régime is a broad and highly interesting topic for an archaeological treatment, but cannot be explored here. It was aptly summarized in the next century by the bibliophile and pioneering fashion writer Octave Uzanne (1851‒1931). In his writing he discussed folding screens, commonly known at the time in French as paravents, or folding screens to protect from the wind. There were also screens known as pare feu, which refers to another practical function: »screening« people sitting in front of a fireplace from its heat. In a media archaeologically interesting way, the idea of »protection« has been transmitted forward in time: pare feu these days describes an internet »firewall.« Uzanne wrote: »The eighteenth century, in fact, understood, praised and loved the screen; this indispensable and protecting article of furniture took part in all the gay festivals at Trianon, as well as at Sceaux, in the dwellings of la Pompadour or the Duchess of Maine, as well as in the boudoir of Mlle Duthé; there appears in the

greater and lesser ceremonies that ingenious and practical obstacle to the draughts of air. If we examine the vignettes of Moreau, Fragonard, Eisen, Gravelot, Monnet, we find everywhere the screen in some corner, breaking with its zig-zag line the somewhat monotonous and solemn harmony of the wood-work of the period. In the Memoirs of Cas[a]nova, Ré[s]tif [de] la Bretonne or Richelieu, the screen appears on those scenes that claim the support of it as modest and mobile wall.«13

Screens and the Bourgeois Environment

Nineteenth-century bourgeois homes became packed with things. This had to do with capitalism and the increasing wealth of the middle classes, which created a new market for the curiosities made available by colonialism as well as a sense of horror vacui caused by industrialism and the emerging threat of the industrial proletariat. As a consequence, the home was now designed as a safe haven, a microworld separated from the outside. Screens became a popular element of interior design. Those who could not afford real Asian screens could access cheaper alternatives or could even produce the screens themselves; printed instructions were easy to find. Exquisite imported examples could be admired in the showrooms of merchants who specialized in import furniture or at exhibitions of Chinese curiosities. A well-known example was Nathan Dunn’s »Mr. Dunn’s Chinese Collection,« which was exhibited in Philadelphia, London, and elsewhere in the first half of the nineteenth century. The profuse collection included many specimens of folding screens, coated not only with lacquer but with superlatives in the catalog.14 As an unmistakable sign of their appeal, Asian screens were also exhibited by the indefatigable American showman P. T. Barnum, who never missed an opportunity for »money getting.«15 In London, Asian screens were

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offered up for the public’s gazes at the Museum of Ornamental Art (today’s Victoria and Albert Museum), founded in 1852. Domestic screens came in different shapes, many of which had been inherited from preceding centuries. Besides floor-standing models, there were others that were placed on a table or held in the hand. A large variety of screen designs can be encountered in nineteenth-century books and articles about the art of furnishing the house. Standard types, such as folding screens, pole screens, banner screens, clothes horse (or cheval) screens, face or »hand screens,« and window screens were described again and again. The texts were often coupled with instructions about how readers could embellish or even make screens themselves.16 The stereotypical lists of suggested uses show that both the word and the thing itself became codified as parts of the bourgeois decorum of »Victorian things.«17 Hester M. Poole provided a typical summary: »Screens in modern house furnishing are almost indispensable to divide the rear hall from the front, to device a cozy corner, to shut off the draft from an open door, to shield a couch, or form a nook about a desk in the corner of the sitting room, they are essential agents. The screen is one of the chief requisites of the unexpected, and the unexpected is desirable whenever it does not degenerate into the bizarre and is not at variance with the general scheme of decoration.«18 The »unexpected« was part of the expected within the system of domestic life. A balance between the practical and the ornamental was sought. Protecting the inhabitants from the scorching heat of the open fireplace with fire screens or the cold air seeping through doorways or windows with draft screens was important, but so was aesthetic impact. Fire screens were common in houses,

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where the open fireplace was the principal source of heating. In summer, the screen, embellished with embroidered patterns or an illustration, was used to cover its gaping mouth.19 As the century progressed, the screen became a standard feature in even modest cottages and farmhouses. Emphasizing their familiarity, Anna Bache anthropomorphized one into the narrator of a story, recounting the »adventures of a fire screen.«20 As a part of domestic culture, an important feature of all household screens was their movable and adjustable character. They were used to draw visual and spatial boundaries within the room. Some screens had door-like panels—referred to as »swinging leaves«—which could be opened or closed as needed, providing a kind of user interface. A pole screen had a »user interface« too, but it was configured differently. It was attached to a vertical rod protruding from a stand, and was slid up or down to position it properly between a fire or a source of air and the sitter’s face. The relationship between the things in front of and behind the screen was both discontinuous and continuous; the hidden could be seen by slightly displacing one’s head or taking a few steps. Some screens had panels of stained glass embedded in them, which transmitted light for common household activities like reading or doing handicrafts. Some opaque screens had a candle holder for the same purpose. Structurally most screens had the potential to serve more than a single function. The uses were determined by the individual case, but they were also dictated by guidelines imposed on a home’s inhabitants in a highly codified society. Folding screens were used as room dividers »for breaking up the hard, angular lines of the four square walls that form the boundary-line of most dwelling rooms.«21 At social gatherings they segregated areas for intimate tête-à-tête encounters so that the participants avoid unwanted attention. Screens in »sick-rooms« protected the patients

from draft, but also provided opportunities for moments of privacy, »to get out of bed, either to sit in a chair, or to obey the calls of nature.«22 Window screens—also called »shades« or »shutters«—helped to control light and temperature, while shielding the interior of the house from external gazes.23 If a fire screen was moved in front of the window, it could serve the same purpose. Together with heavy curtains, screens helped to create a divide between the inside and the outside. As scholars of nineteenth-century bourgeois society like Asa Briggs have routinely remarked, the home was conceived as a place of safety, togetherness, and comfort separated from the world of work, noise, pollution, hurry, and danger.24 However, the exterior world was also a source of curiosity and excitement, which created a demand for domestic media machines like the stereoscope.

Covered by Pictures: The Scrap Screen

»Gay lovely Screen! of blooming flow’rs, Of wheaten sheaves, of pearls so proud . . .« These lines from the poem Lines Addressed to a Fire-Screen, written by an anonymous poet on January 29, 1788, point out a seemingly evident, but important issue: besides their instrumental functions as temporary »movable walls,« the household screens were also conceived to attract gazes.25 This is obvious in the case of the oriental screens, but it can apply to all kinds of household screens, at least to some extent. From early on, they were decorated with ornaments and often with pictures. The variety was great, and so was the range of craftspeople and artists who embellished them. However, we should keep in mind that this does not make them media screens: the visual imagery and ornaments were the object’s permanent features. These screens were also static.26 I understand media screens as artifacts that exhibit content that is separate from them and is often in motion.

Embellishing the screen was considered a task for the ladies of the household. The habit began developing as early as the eighteenth century.27 Doit-yourself instructions for decorating screens were routinely included in handbooks for creative pastimes. The Young Lady’s Book (1829), for example, taught the reader how to create landscapes and »any kind of figure, animal, or small composition«28 for transparent screens. Embroidered cardboard, canvas, cretonne, patches of brocaded silk, white or painted satin, an engraving, etc. could be used; the wooden frames were commissioned from carpenters.29 A question that cannot be fully answered here is the iconography of the illustrations and decorations. Were they entirely based on models provided by tradition, or were individual innovations allowed, perhaps even encouraged? Was the iconography merely decorative, or could it also transmit messages that had semiotic significance for the household members, and even for their social milieu or the larger society? This is a challenge for further research. The nineteenth century witnessed an unprecedented explosion of mechanically reproduced imagery. Lithographs proliferated in illustrated magazines, promotional handbills, posters, trade cards, printed stationery, scraps, stamps, and, toward the end of the century, postcards. Serially marketed cartes de visite, cabinet cards, and stereoviews were only some of the many products produced by the sprawling photography industry. Visual imagery permeated both the exterior and the interior spaces of bourgeois society. As Walter Benjamin famously explained, mass-reproduced and -distributed images abolished the distance that had characterized the relationships to unique auratic artifacts, including academic oil paintings and statues.30 As carriers of »cult value,« paintings and sculptures were to be admired from a distance, whereas the new mass-produced images not only existed in multiple copies, they were within hand’s reach, available for

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physical handling. This led to a new, actively tactile attitude toward images, even though it may mostly have happened within conservative habits and ideology. Cheap and ubiquitous mass-reproduced images were collected, modified, and combined by nonprofessionals. The magnitude of this phenomenon can be deciphered from an 1885 advertisement published by an institution in London called the National Art Gallery: »THE WORLD OF SCRAPS! A 19TH CENTURY RELIEF. Of all the occupations of leisure, the business of Scrap Collection and Scrap adornment is the most simple, elegant, useful, and interesting, whether for male or female, young, middle-aged, or old. / To the young the SCRAP BOOK is an endless source of a delightful occupation and distinctly a means of an encouraging and developing aspiration to Art Study. / Pride in a well-filled and well-arranged Scrap Book is a most excusable interest. / Who shall tell of the glories of SCREEN WORK? / None but those who have engaged in this recreation can have but the faintest idea of the pleasant and profitable hours to be found in the pursuit of this fascinating enjoyment! / Materfamiliar rejoices in an elegant Scrap Screen as an almost indispensable piece of furniture. / Paterfamilias rejoices in the same elegant Scrap Screen as the practical and artistic outcome of much enjoyable home work. / We have much pleasure in stating that we have this season made arrangements for the supply of Scraps at prices which will, we believe, / Astonish the World of Scrap Workers.«31 The advertiser boasted it would sell »One Million Sheets of Scraps at 6d. (7 stamps) a packet, which is practically Giving them Away!«32 The scrapbook and the scrap screen were prominent

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forms of what could anachronistically be called the »Victorian mash-up culture.« Their compositions and elements shared features, but the scrapbook had covers, whereas the scrap screen was displayed in a prominent place in the home. Instructions for creating scrap screens were frequently published in the popular press. The »carrier« was normally a floor-standing folding screen with three to six leaves (upright panels) between four and six feet high.33 A carpenter constructed the skeletal wooden frameworks for the leaves and connected them by hinges. A thin stretched canvas overlaid with paper—newspaper was recommended—was added to make the structure sturdier. The visual compositions pasted on the screen surfaces resulted from combinations of coded cultural models and the aesthetic preferences of those who created them. Illustrating the screens was overwhelmingly a female occupation. The variety of designs ranged from purely ornamental to veritable celebrations of the new realm of images. An encyclopedia dedicated to »the art of making home happy« warned against going to extremes, which implies that this must have been a common error: »The great mistake people fall into in making these large folding screens is to load them so with pictures and color as to destroy all taste, and give them the appearance of grocers’ windows decorated for Christmas-time; therefore, be careful not to overload your screen either with subjects or bright tints.«34 A screen covered by forty thousand postage stamps surely was extreme.35 Scrap screens could contain thematic image clusters inspired by fairytales, Christmas or Easter cards, and public figures or events of importance. Offering »hints for inartistic work-women, or rather for those who have the idea in their brains but can not make the hand obey,« Harper’s Bazaar suggested, »Take some well-known author, put his likeness in the centre, and group around pictures of his life or illustrations of his works; or take a poem and illustrate it by collecting suitable pic-

tures from various sources from time to time.«36 How did contemporaries react to scrap screens? Did the screens encourage concentrated looking, or were they semi-ignored as part of an ornamental environment comprised of textiles, wallpapers, dishes, and the textures of the furniture? These are not easy questions to answer, because everyday material culture solicits detailed first-hand descriptions only in exceptional cases. It is necessary to turn to sources where direct observations have been converted into fiction or contextualized within discourses serving more general purposes, including education. Hints are also provided by the artifacts themselves. Large numbers of scrap screens survived. The habit of varnishing the collages after they had been composed equalized the differences between the source images, turning them into a mostly homogenous surface. That this was not always the case is suggested by a book written to instruct girls »how to make useful articles.« It describes scrap screens that had been made and donated by ladies to a private hospital, where the patients had »long and lingering illnesses«: »In every room of that institution there was one of these screens—the brightest, cheeriest objects possible; and they were evidently there for use as well as beauty; not only to guard from possible draughts, but to amuse and interest the patient by suggesting some fresher thought than the painful and saddening one of illness and physical pain. . . . They were arranged so as to tell a story, or exemplify a phase of life. For instance, each of the four leaves represented one of the seasons—summer, autumn, winter, spring. Another showed the four elements, and another illustrated the several ages of man. Others represented landscapes on one side, and seascapes on the other; and there was one screen given up entirely to bird and animal life.«37

The screens discussed in this example served— much like panoramic wallpaper—the purpose of creating a psychologically soothing ambience, but evidently they were also designed to invite observation and to stimulate the imagination and the intellect.38 The main difference was that whereas the panoramic wallpaper purported to turn the room into an immersive wrap-around environment, the screens remained framed, no matter which form they took. The English journalist and writer Dudley Costello (1803‒1865) claimed that he got the inspiration for a collection of short stories titled Stories from a Screen (1855) from a large screen he bought at an auction for next to nothing, »covered with pictures.« Observing its scenes carefully in his study, where it protected him from »the blasts from the East,« the writer noticed »[t]here are subjects there in plenty . . . if one only had the key to them.«39 So he devised a »key« for interpreting them, teasing out little stories from the visual motifs pasted on the leaves; others may have used screens for similar purposes. An Encyclopaedia of Cottage, Farm, and Villa Architecture (1846) emphasized the variety of visual information often presented by scrap screens: »Large fire screens for parlours are frequently covered with odd prints, and especially portraits of men, animals, plants &c., and even with select passages from newspapers; or with conundrums, riddles, enigmas, and charades. For a large library fire screen, nothing could be more appropriate than good maps; and, indeed, we have seen a globe raised on a pole, and sliding up and down it at pleasure, used as a small fire screen. It is a great advantage for young persons to have frequently put in their way, such instruments of education, as globes, maps, chronological tables, tables of the heights of mountains, the lengths of rivers, &c.; for in this manner the contents of these

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instruments, insensibly, and without effort, impress themselves on the mind.«40 The habit of covering the screens with pictures could be seen as an attempt to appropriate elements of industrial visual culture and to personalize it. Yet this effort may have been less radical than it seems. Cutting out pictures and pasting them on surfaces was a common convention, one which was not necessary highly thought of; if was simply a habit and a form of »do-it-yourself« pastime. The results did not reach out toward »high art,« but could be considered acceptable and even laudable. Harper’s Bazaar noted, »These are not Indian, nor Japanese, nor Early English—only simple homemade screens, requiring no artistic talent, and exhibiting no mournful lack of it, as is the case with most modern house-decorations.«41 The practice was passed forward in remarkably uniform ways, but tastes and trends changed over time. The Book of the Home noted in 1905: »Scrap screens of Christmas-cards and cuttings from illustrated papers are no longer fashionable. But a scrap screen that has some artistic merit can be made by mounting on a background of sage-green, brown, or smoke-gray cartridge-paper, the charming etchings, photogravures, prints, and lithographs issued as supplements by some of the artistic periodicals.«42 Obviously the practices of domestic screen creation and stylistic trends were following and reflecting on changes in mass-reproduced imagery. The late nineteenth century witnessed the appearance of new formats such as the »photograph screen,« which remains familiar in many homes around the globe, either in the traditional form of displaying framed photographs, or metamorphosed into the digital picture frame, which allows timed sequences of changing pictures.43 In the nineteenth century most of the photographs accumulating in homes were stored in albums, whereas the photograph screen was a miniature version of the folding

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screen. It provided a way of displaying selected photographs »on a table, what-not, or mantel-piece.«44 The Art Amateur instructed readers »tired of the album way« how to arrange photographs on a miniature screen with leaves that were about six inches broad: »Fancy photographs may go on one side, friends in the center leaves, and celebrities in the outer ones.«45 True to the tradition of domestic screens, it was recommended to paste colored paper on the wooden leaves and then to fix the photographs upon it. When the composition was ready, the result was varnished. The portable and changeable quality of photographs was abolished by such a practice—they were turned into permanent fixtures of the screen, just like the scraps and magazine cuttings used for such purposes for decades.46 Countless screens continued to serve practical functions as room dividers and as heat or draft barriers. However, some of them were beginning to be redefined as information carriers. As the century progressed, the category of objects identified as screens became increasingly complex. In 1862, the process was aptly summarized in an article which stated that screens »may be opaque, translucent, or transparent; concealing, obscuring, or revealing, and are an important element in the dramatic arrangement of a room or suite of rooms.«47 Such complexity of forms and functions was reflected in discourse about screens. The minds of many writers detached screens from their familiar material settings and roles and gave them new »transfigured« identities. Exploring the issue in full would take too long; instead I will give just one example. In a sermon, the Scottish clergyman Edward Irving (1792‒1834) evoked the experience of looking through transparent screens to explicate the relationship with the spirit of God: »If ever this recollection goeth out of the mind, that the Word is but the voice of the Spirit, and the instrument of holding intercourse be-

tween two spirits, the soul of man and the Spirit of God; if the Spirit of God be not beheld through the transparent screen, exhibiting his various affections toward us; if the screen alone is looked upon, its beauty, its structure, its richness, its usefulness; then evils accrue which I will open up in a few words.«48 Irving’s formulation raises an important issue: how is looking at the screen related to looking through it? This issue is of foundational importance for screenology, still raised over and over again when media screens are used.

An Archaeology of Screens for Transparent Imagery

Although most figures and ornaments on domestic screens were permanent, some objects anticipated media screens by providing sensations of passing time. The images on the screens became animated, which changed their identity. The pursuit of motion manifested itself in the practice of inserting stained glass paintings into the fire screens, although the »animation effect« they provided may have been unintentional. The flickering flames provided illumination, but also made the paintings embedded in the screens »alive.« A more intriguing case is the widespread use of transparencies. A vogue for transparent imagery emerged in the second half of the eighteenth century and continued into the next.49 Large transparencies were used as backdrops and scenic effects at theaters, and were displayed at public festivities; simpler versions had been used even earlier in popular attractions such as peepshow boxes and fairground booths. From the end of the century transparencies also found uses in intimate domestic settings as a perfect match for the aesthetic sensibilities of Romanticism. London was a major transparency production center, where the prominent printsellers Edward

Orme (1775‒1848) and Rudolph Ackermann (1764‒1834) competed for market share, as each tried to present himself as the inventor of the transparency.50 Orme’s famous book An Essay on Transparent Prints and on Transparencies in General (1807) purported to teach his method of creating transparencies for anyone interested. The text was published in English and French, and accompanied by gorgeous hand-colored plates.51 The book includes a chart illustrating »how they can be brought into use, and fitted up, for window-blinds, and upon glass for placing against the glass of windows, for spring-blinds, for lamps, for candle-shades, for hand-skreens [sic], for fire-skreens [sic], for temples, fans, &c.«52 Two types of fire screens are illustrated: a pole screen with a circular image (similar ones had also been attached to hand screens) and a floor-standing model known as the horse screen, which carries a large rectangular transparency of a Romantic Italian scene with a volcano erupting in the background. In all these cases rear lighting enlivens the image. The majority of the examples are related to interior design and decorative arts, without a direct relevance to media culture. The type that has the most importance for us is the floor-­ standing fire screen, which demonstrates the growing importance of the screen as a carrier of luminous images. Even more interestingly, the illustrated model evokes a related artifact known by the German expression Mondschein-Transparent (moonlight transparency). Moonlight transparencies are said to have been invented around 1780 by the German artist Philipp Hackert (1737‒1807), although this attribution is uncertain and was not unanimously shared by contemporaries.53 The format spread around Europe among the circles of the beau monde, until the widely distributed Weimar-based Journal des Luxus und der Moden attempted to create an organized business around it. This »trend magazine« of the time was edited by Friedrich Johann Justin Bertuch

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and the painter and engraver Georg Melchior Kraus. In the January 1799 issue Bertuch described—under the heading »Ameublement« (furnishing)— a new way of exhibiting transparencies, which had normally been either inserted into walls or observed by simply holding a candle or oil lamp behind the picture.54 The description was accompanied by an illustration, which depicts a design for a slim neoclassical viewing cabinet, about 87 cm wide and 105 cm tall, made of either mahogany or pearwood.55 It is mounted on lion’s paws, and resembles a floor-standing screen in the form of an antique temple. The temple facade has a tympanum, which is decorated either with a Wedgwood medallion or a bas-relief in plaster. It folds down so that a picture can be inserted from the top into a slit. The picture is viewed through a pane of glass which covers the framed opening on the front side. Bertuch suggested that a normal opaque copper engraving would be displayed in the daytime and replaced by a moonlight transparency in the evening. The latter type were landscape paintings, typically a scene from Italy, which was enhanced by moonlight or fire effects. These became visible when the picture was illuminated from the backside. The arrangement Bertuch suggested made sense, because, as he wrote, the transparency only looked like a plain white surface until it was illuminated. Hidden behind the tympanum of the viewing cabinet there was a smokestack, and inside the cabinet four adjustable oil lamps attached to two vertical iron rods. Thanks to this elaborate arrangement, spots of light could be directed to any area of the picture that needed to be illuminated. If desired, this could no doubt be performed »live« when the painting was being observed. Each lamp had two wicks; deciding between lighting just one or both helped to regulate the brightness. The device was recommended for an elegant lady’s bedroom or boudoir, where it could also serve as a night lamp.56

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Toward the end of 1798 Journal des Luxus und der Moden published an announcement (also under »Ameublement«) signed by Georg Melchior Kraus.57 The next year the same text was reprinted in the section »All kinds of Christmas presents for ladies.« Kraus told the readers that he had for some years provided »Italian transparencies« for »lovers of art and optical entertainments.« He had now discovered a more comfortable way of presenting them: a lightweight portable viewing cabinet. It was not identical with the one Bertuch described, but smaller, measuring only 51 cm wide and 38 cm tall, and was said to be suitable both for home display and travel. Kraus also listed ten transparencies he was offering for sale. Five of them were moonlight landscapes, the rest were night scenes with fire effects. The cabinet, which cost »2 Carol,« came with only one, but additional transparencies could be purchased for »1,5 Carol« each. Kraus assured the reader that all the transparencies would fit into the cabinet—their size had obviously been standardized. He warned that all subjects might not always be readily available, so it was better to place an order, either directly with him or the Landes-Industrie-Comptoir, a manufacturing company Bertuch had founded in 1791.58 Bertuch and Kraus were hardly competitors. They offered two types of cabinets: a small portable one and a bigger floor model. The transparencies for them certainly existed in two sizes, too. Kraus produced his own paintings, while Bertuch focused on the cabinet only, without mentioning how much it would cost. The model may not yet have been available or it may have been manufactured by someone else. Kraus’s announcements anticipate clients who would form collections of what he was offering. This is remarkable from the perspective of the dawning media culture. The prices indicate that the real value was in the transparencies, not in the viewing cabinet itself. Owning more than one transparency provided—so Kraus may have calcu-

lated—an incentive to put together visual »programs.« The emphasis was moving from more or less permanent decorations toward presentations of changeable views.59 No more announcements seem to have been published in the Journal des Luxus und der Moden, but the production of cabinets continued. The Nuremberg-based merchant Georg Hieronimus Bestelmeier offered a model for sale in his 1803 catalog.60 It resembles the Bertuch one but is not identical. Where does the moonlight transparency cabinet fit in the archaeology of the screen? Was it an enhanced picture frame or a development from the fire screen? The correct answer may be: both. The cabinet differs from the picture frames that had become a way of exhibiting oil paintings since the Renaissance by having volume and by not being on the wall. Even though it is a piece of furniture like the fire screen, it differs by including its own light source. Lighting the candles is not entirely different from the act of switching on a television set. The candles were necessary to make the image visible, whereas a framed oil painting can be observed even in quasi-darkness. Although the moonlight transparency cabinet could possibly be used as a fire or draft screen, these were not the guiding principles for its design. Moonlight transparencies emphasized their »to-be-looked-at-ness« and the atmospheric and animated qualities of the visuals presented. They did not fully manifest a separation between software and hardware, but they had an impact on the dynamics of the domestic interior, its existing lines of sight, and its trajectories of motion, by introducing a new source of visual (de)light. References to the cabinets used for moonlight transparencies can occasionally be found, but the production must have been relatively limited, as only a few examples survived. One exists in Weimar.61 It is even smaller than the one described by Kraus, only 34 cm wide, 28.5 cm tall and 15.2 cm deep. It resembles a miniaturized tabletop version

of a floor-standing fire screen; the difference is that it contains its own light source—a door at the back gives access to the illuminants. Its transparency, an aquarelle that has been preserved with it, is based on an engraving by Kraus, but could have been painted by someone else.62 Another viewing cabinet, a huge floor-standing model, exists at the Kunst­ museum Bern.63 It evokes the large cathode-ray tube television sets used in late twentieth-century home theaters, which have mostly disappeared. The cabinet was manufactured by the Swiss artist Franz Niklaus König (1765‒1832), who painted transparent scenes for lampshades, and from 1811 onward large transparencies (84.5 cm × 119 cm), which he exhibited around Europe. In media history, König is remembered for his Diaphanorama presentations in Paris, which are said to have inspired Charles-Marie Bouton and Louis J. M. Daguerre to create the Diorama, which showed massive spectacles of transparent paintings.64

From Framed Transparencies to Domestic Presentations of Illuminated Views

The dissemination of moonlight transparencies was limited to the social circles of the wealthy. Sometimes they were used for purposes which anticipated social practices we understand by the word »screening.« View boxes containing roll transparencies were used for such purposes by the Frenchman Louis Carrogis, known as Carmontelle (1717‒1806). He began his activities in the early 1780s and continued until the early nineteenth century.65 Carmontelle presented entertainments in the salons of the French nobility. His rolls of translucent watercolor paintings were about 50 cm tall and could be as much as 42 meters long. Most depicted parklands and other picturesque sites frequented by the aristocracy of the ancien régime. Each transparency was enclosed in its own presentation box, which had a screen-like opening on

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the front side and another on the back for illuminating the views. Before a presentation, the box had to be illuminated by placing it against a window, which was otherwise covered by curtains. This created a contrast between light and darkness. Standing next to the box, Carmontelle moved the roll with a crank, telling little stories related to the scenes.66 His transparencies were vehicles for visual storytelling.67 They were exhibited only from time to time, which contrasts with the constant presence of screens (fire screens, etc.) that were pieces of domestic furniture. Moonlight transparencies began blurring such distinctions, suggesting a coexistence between the presence of an artifact and the timebased acts of observation and meditation in the company of images. More affordable forms of transparencies were offered for middle-class consumers; the activities of Orme and Ackermann pointed in this direction, but producing cheap viewing devices was not a priority for them. Their transparent prints must have been viewed by simply holding them toward a light source. These prints were followed by basically similar products, such as astronomical transparencies. A famous boxed set of thirty-two hand-colored maps of the constellations named Urania’s Mirror, or A View of the Heavens was designed by »a Lady« and published by the London bookseller Samuel Leigh in November 1824.68 William Spooner’s Protean Views and similar products from other print manufacturers made transparent Romantic imagery widely available in the 1830s. Some of Spooner’s views transformed to other scenes when held up against the light.69 Devices like the Portable Diorama, designed by John Heaviside Clark and marketed by the London-based bookseller Samuel Leigh (1826), were occasionally introduced. The Portable Diorama was a desktop viewbox, which allowed the user to imitate on minuscule scale the effects produced at Bouton’s and Daguerre’s Diorama, and also to paint their own transparencies.70

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A popular form of transparency within the domestic setting was the lithophane, invented by the Parisian diplomat Baron Paul de Bourgoing in 1827.71 Large quantities were produced by the ceramics factories in the German-speaking area of central Europe. The lithophane is a white (occasionally colored) sheet of porcelain with a scene »imprinted« on it as a figural relief. When illuminated from behind, the imprinted scene appears with a remarkably three-dimensional character. Lithophanes were produced for many decorative purposes, from lamp shades and night lamps to the side panels of tea warmers. Many nineteenth-century homes had candle shields with a lithophane set in an ornate wooden or metal frame adorning tables or desks. When inserted into frames placed on tables or window sills, lithophane sheets inherited the place formerly occupied by moonlight transparencies in upper-class environments. Some were embedded in wall panels, or simply hung from strings in front of the window. Series of tiny erotic lithophanes were kept in pocket cases and only taken out at appropriate moments.72 Lithophanes therefore became tactile objects, which were in close proximity to the observer: they could be changed and collected, handled, removed, and inserted. Despite wide dissemination during its heyday, which lasted until the 1870s, the relevance of lithophanes for the media archaeology of the screen is limited. They were normally issued as separate ceramic sheets, often with Romantic genre scenes, rather than as narrative sequences. Many were on view permanently instead of exhibited one after another. Still, the flickering flame made the image appear »alive.« For the emergence of domestic media screens, however, a presentation mode that combined entertainment and education was more essential. This combination was manifested by miniature shadow theaters, or ombres chinoises, which became a common pastime in wealthier homes. Toward the end of the nineteenth century,

elaborate boxed sets were manufactured by companies like Léon Saussine in Paris and Adolf Sala in Berlin, and sold at department stores. They came with a miniature screen embedded in a stage with a richly decorated proscenium. The shadow figures were normally cut out from printed sheets of paper and mounted on cardboard by the buyer. More elaborate sets contained moving panorama-like rolls of scenes or systems for presenting feux pyriques––optical illusions resembling fireworks displays. A music box was also sometimes included. Projected magic lantern slides were another form of transparent imagery that became common in the homes of the upper and middle classes. First exhibited by itinerant showmen, magic lantern projections began turning into a domestic media technology as early as the late seventeenth century. When the Nuremberg-based merchant Georg ­Hieronymus Bestelmeier published his first sales catalog in 1793, it offered—in addition to a camera obscura and a wooden stage for presenting ombres chinoises—a small tin magic lantern for private non-professional buyers.73 In the nineteenth century magic lanterns were widely used in the homes of the bourgeoisie, which must have stripped them of some of their mystery. Children used magic lanterns to project fairy tales and comic episodes on the wall, an experience which reverberates in the children’s room projection scene recounted by Marcel Proust in the beginning of Remembrance of Things Past: Swann’s Way. Fancy designs were more important than high-quality lenses and illuminants. Thousands of inexpensive models were sold internationally by companies like the Nuremberg-based Ernst Plank (EP). The image remained small and faint, and any suitable surface could serve as the screen.

Conclusion: Toward a Genealogy of the Media Screen

What was achieved by this brief media archaeological excavation into the genealogy of the media screen? The purpose was to look for specimens of a certain class of objects from the past and try to figure out if they have anything to do with a class of somewhat similar objects ubiquitous in today’s integrated media culture. Both types have a shared name—»screen«—but seem at first look quite unlike each other. By investigating the features of these objects and the discursive manifestations that surrounded them, it has been shown that the screens of the past never had an immutable identity. Their practical uses remained much the same for centuries, but changes occurred in their designs, uses, and discursive manifestations. Screens were used as protectors against heat or cold. We saw how them began turning into objects to be looked at, and how the visual imagery they carried gradually became illuminated and animated. The thrust of this chapter was not to suggest causal links between the screens or screen-like objects of the past and the electronic and digital screens of today. However, the technical media we deal with in our everyday lives are not unconnected to these older screens, either. They are related by long crisscrossing cultural trajectories that are both material and discursive. The domestic screens used in countless households for centuries were gradually molded toward the forms and functions they serve in today’s screen-saturated media culture, testifying about its long and slow becoming.

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1 Elizabeth Robinson Scovil, »Screens,« in: The Decorator and Furnisher, 4, 3, June 1884, p. 100. 2 Marc Augé, Non-Places. Introduction to an Anthropology of Supermodernity, trans. John Howe, London, 1995. 3 Suzanne Langer, Feeling and Form. A Theory of Art, New York 1953, p. 72. For Langer, »[the painting’s virtual] space has no continuity with the space in which we live; it is limited by the frame, or by surrounding blanks, or incongruous other things that cut it off.« (ibid.). 4 Victor I. Stoichita, The Self-Aware Image. An Insight into Early Modern Meta-Painting, New York, 1997. 5 Jonathan Crary, The Suspensions of Perception. Attention, Spectacle, and Modern Culture, Cambridge, MA 2001. 6 Definition of »screen,« in: The Century Dictionary and Cyclopedia, vol. VII, New York 1897, pp. 5419–5420. 7 For a brief definition, see Huhtamo, Illusions in Motion. Media Archaeology of the Moving Panorama and Related Spectacles, Cambridge, MA 2013, pp. 364–366. The impact of the Gutenbergian printing press did not automatically lead to »media culture,« although it laid part of its foundation and had a huge impact on its future development. Other contributing factors, including the spreading of visual media, were also required. 8 For an etymological invstigation, see Erkki Huhtamo, »The White Behind the Picture: Toward a Media Archaeology of the Screen,« in: A Million Pictures. Magic Lantern Slides in the History of Learning, ed. by Sarah Dellmann and Frank Kessler, New Barnet, UK 2020, pp. 277‒304. 9 Alexander Pope, Rape of the Lock, London and New York 1902, Canto III, lines 13‒16. 10 Richard Owen Cambridge, The Intruder, In Imitation of Horace, Book I, Satire IX, London 1754, p. 17. Lady Betty Traherne, »issues« from »the open folds of an immense Indian screen,« in: Mary Charlton, The Wife and the Mistress, vol. III, London 1802, p. 179. 11 The word is said to come from either »Cholamandalam« or »Kurumandalam,« which are region names. I have been unable to establish precisely when the notion »Coromandel screen« was coined and adopted. It appeared in the English translation of Victor Hugo’s Les Misérables, trans. Chas. E. Wilbour, New York 1863, p. 116. The account book of the French merchant Lazare Duvaux, who provided luxury articles for the nobility between 1748‒1758 mentions »varnished screens (paravent) from China« and »screens covered with paper from India (garni de papier des Indes)« several times. In June 1753 there is note about »un grand paravent de vernis de Coromandel« belonging to

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Madame de Pompadour, brought to be re-embelished. Livre-journal du Lazare Duvaux, Marchand-bijoutier ordinaire du Roy 1748‒1758, tome II, Paris 1873, p. 161. 12 Edward W. Said, Orientalism, New York 1979 [1978]. He identified Orientalism as »a style of thought based upon an ontological and epistemological distinction made between ›the Orient‹ and (most of the time) ›the Occident‹« (p. 2). 13 Octave Uzanne, »The Screen,« in: The Decorator and Furnisher, 23, 1, October 1893, p. 27. Orig. »Le Paravent,« in: La Grande Dame, Revue mondaine et cosmopolite, 1, 1, January 1893, pp. 177‒178. 14 Enoch Cobb Wines, A Peep at China, in Mr. Dunn’s Chinese Collection […], Philadelphia 1839. 15 Ten Thousand Things of China and the Chinese: Being a picture of the genius, government, history, literature, agriculture, arts, trade, manners, customs, and social life of the Celestial Empire, as Illustrated by the Chinese Collection, 539 Broadway (Between Spring and Prince Streets.), New York 1850. 16 John Claudius Loudon, An Encyclopaedia of Cottage, Farm, and Villa Architecture and Furniture, London 1842, pp. 1072‒1075, passim. 17 Asa Briggs, Victorian Things, London 1988, p. 138. 18 H[ester] M. Poole, »Screens,« in: The Decorator and Furnisher, 16, 1, April 1890, p. 12. 19 »Screen for Fire-Place,« in: Messenger, 45, 25, June 21, 1876, p. 2. The text had originally appeared in Chambers’ Journal. 20 Anna Bache, The Fire-Screen, or Domestic Sketches, Philadelphia 1841. The expression »Adventures of a FireScreen« appears on top of each left-hand side page. 21 »Screens and their Uses,« in: The Furniture Gazette, N. S. XVII, February 26, 1862, p. 119. 22 The Family Physician. A Manual of Domestic Medicine, London 1886, p. 632. This resonates with a statement about an orphanage: »Yon calm retreat, where screen’d from every ill, The helpless orphan’s throbbing heart lies still.« The Picture of Liverpool; or, Stranger’s Guide, Liverpool 1805, p. 36. 23 Screen and blind were sometimes used interchangeably: »The purpose of a blind is to screen the room from outsiders, and to modify and subdue the light.« H. J. Cooper, The Art of Furnishing on Rational and Aesthetic Principles, 2nd Edition, London 1879, pp. 95‒96. 24 Asa Briggs, Victorian Things, London 1990. 25 »Lines Addressed to a Fire-Screen: Written January 29, 1788,« in: The Columbian Magazine, 3, 5, May 1789, p. 309.

26 This is also a way of making a distinction between media screens and framed paintings, which Lev Manovich called »classical screens« in: The Language of New Media, Cambridge, MA 2001, p. 95. Digital photo frames are a test case: instead of a single photograph, they display a sequenced series. Therefore, they are media screens, although simplified ones, rather than ›just‹ picture frames. 27 Janet Woodbury Adams, Decorative Folding Screens, New York 1982. 28 The Young Lady’s Book. A Manual of Elegant Recreations, Exercises, and Pursuits, 2nd Edition, London 1829, p. 477. 29 »How to Make a Screen,« in: The American Farmer. Devoted to Agriculture, Horticulture […], 10, 1, January 1881, p. 31. 30 Walter Benjamin, The Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction, trans. J. A. Underwood, London 2008 [1936]. 31 In »The Argosy Advertiser,« an unpaginated advertising supplement to The Argosy, ed. by Mrs. Henry Wood, London, September 1885, vol. 40, No. 238. Original emphasis in bold. 32 Ibid. 33 As an exception, in »Scrap Screen,« Harper’s Bazaar recommended turning the »common kitchen clotheshorse« into one, covered by an assortment of floral Christmas cards. Harper’s Bazaar, 14, 9, February 26, 1881, p. 141. 34 James D. McCabe, The National Encyclopaedia of Business and Social Forms, Embracing the Laws of Etiquette and Good Society […], Philadelphia 1884, p. 647. The ­quoted expression is part of the very long title. 35 »Odds and Ends. A Screen of Stamps,« in: New York Observer and Chronicle, 81, 25, June 18, 1903, p. 815. The screen was the work of the Philadelphian eccentric C. E. Schermerhorn, and was on a folding screen of four leaves. Every nation was said to be represented by multiple examples, and both old and new stamps were included. 36 »Home-Made Screens,« Harper’s Bazaar, 15, 9, March 4, 1882, p. 138. 37 How to Make Useful Articles for the Home. A Handy Book for Girls, ed. by Charles Peters, London 1899, p. 42. 38 Odile Nouvel-Kammerer, French Scenic Wallpaper 1795‒1865 (trans.), Paris 2000; Papiertapeten. Bestände, ­Erhaltung und Restaurierung, ed. by Mathias Tegtmeyer, Dresden 2005. Panoramic wallpaper created a wraparound effect, attempting to efface any sense of the frame. This could be realized only partially, because doorways and windows had to be cut out from the scene depicted by the wallpaper.

39 Dudley Costello, Stories from a Screen, London 1855, pp. v‒vi. The stories were first published in the New Monthly Magazine. This is worth comparing with Charlotte Gilman Perkins’s 1892 feminist classic The Yellow Wallpaper, rev. Edition, New York 1996, where the female protagonist, who has been locked into her bedroom to treat her »nervous condition«, starts seeing things happening in the room’s ornamental wallpaper. As a counter example it is worth mentioning Raymond Roussel’s poem La Source, where the protagonist describes in astonishing detail the label of a bottle of mineral water, in: Raymond Roussel, La Vue, Paris 1904, pp. 181‒236. 40 Loudon 1842 (as note 16). 41 See note 36. 42 The Book of the Home. An Encyclopaedia of all Matters relating to the House and Household Management, ed. by H. C. Davidson, vol. 1, London 1905, p. 257. 43 In 1888 a person wrote about »some of the most delightful panel screens for photographs I ever set eyes on.« Oxford English Dictionary, vol. XIV. 44 Mrs. Jane Weaver, »Photograph Screen,« in: Peterson’s Magazine, LXXXI, 4, April 1882, p. 325. According to Weaver, the photograph screen was a »new and exceedingly pretty affair.« 45 »A Photograph Screen,« in: The Art Amateur. A Monthly Journal Devoted to Art in the Household, 2, 2, January 1880, p. 42. Cabinet card photographs were first recommended to be soaked into water to remove them from their cardboard backings. 46 There were also »magic albums« and other mechanical devices that allowed carte de visite photographs to be viewed one after another. The selection could be changed when needed. Such devices qualify as media machines. 47 See note 21. 48 Edward Irving, For the Oracles of God, Four Orations. For Judgment to Come, An Argument, 3rd Edition, London 1824, pp. 515–516. Irving also used the metaphor of the gradual unfolding of the screen in a sermon, in: The Preacher, 50, July 14, 1831, p. 348. 49 Birgit Verwiebe, Lichtspiele. Vom Mondscheintransparent zum Diorama, Stuttgart 1997. 50 David Robinson, »Domestic Transparencies,« in: The Magic Lantern, 2, March 2015, p. 1, pp. 3–5. Robinson analyzed a transparency viewing cabinet seen in a painting in the Mike Smith Collection. The transparency depicts the French king Charles III and can be dated c. 1825–1826. 51 Edward Orme, An Essay on Transparent Prints and on Transparencies in General, London 1807. According to

From Shade to Display: A Contribution to the Media Archaeology of the Screen

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Orme, »[t]he principal use of these transparencies is, to supply the place of painted glass […].« The use of glass was too laborious and expensive, and the risk of failure was high (p. 5). 52 Ibid., Pl. 4 (between pp. 25–26), quot. p. 25. See also David Robinson, »Transparente,« in: Kinomagie. Was geschah wirklich zwischen den Bildern?, ed. by Werner Nekes and Ernst Kieninger, Wien 2016, p. 186. 53 Ibid., pp. 15–21. Verwiebe (as note 49) does not refer to Gabriel Christoph Benjamin Busch, Handbuch der Erfindungen, Neunter Theil, M–N, Eisenach, 1817, where the author claims that before Hackert’s arrival in Naples, Sir William Hamilton, a well-known Scottish art collector and naturalist based there, already had one, painted by a Swiss artist named du Pain. It inspired the work of the Austrian artist Andreas Nesselthaler, whose work then inspired Hackert (pp. 361–363). This differs from Verwiebe’s version. 54 Johann Justin Bertuch, »Die Mondschein-Transparents,« in: Journal des Luxus und der Moden, 14, 1, January 1799, pp. 48–50 and Pl. 3. 55 2 Pariser Fuss, 9 Zoll × 3 Fuss, 3 Zoll. 1 Pariser Fuss is 0,324 m. 56 The moonlight transparencies were not unlike oil paintings of similar subjects by Caspar David Friedrich and other Romantic painters, who occasionally tried out their hand in creating transparencies too. 57 Georg Melchior Kraus, »Portative Mondschein-Transparents,« in: Journal des Luxus und der Moden, 14, 11, Nov. 1799, pp. 595–596. 58 Susanne Schroeder, »Le Mondscheintransparent portatif (tableau transparent portatif avec clair de lune),« in: Lumière, transparence, opacité. Acte 2 du Nouveau Musée National de Monaco, ed. by Jean-Michel Bouhours, ­Monaco and Milan 2006, pp. 88–91. 59 One thinks about the price discrepancy between cheap computer printers and the expensive cartridges for them. 60 Verwiebe 1997 (as note 49), pp. 24–25. 61 At the Kochberg castle near Weimar, ibid., pp. 25–26. The object is attributed to Kraus, in: Sehsucht. Das Panorama als Massenunterhaltung des 19. Jahrhunderts, ed. by Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1993, pp. 198–199. 62 Schroeder 2006 (as note 58), p. 90. 63 Verwiebe 1997 (as note 49), pp. 70–76; Andreas Blühm and Louise Lippincott, Light! The Industrial Age

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Erkki Huhtamo

1750–1900. Art & Science, Technology & Society, New York 2001, p. 97. 64 Diaphanorama or ›transparent views of Switzerland‹ was exhibited at Palais-Royal, Galerie de pierre, No. 3, in 1820. See Stephan Oettermann, The Panorama. History of a Mass Medium, trans. Deborah Lucas Schneider, New York 1997, p. 74. Oettermann does not mention that König also opened a Muséum de M. Koenig at Rue Saint-Marc, No 8. Like the Diaphanorama, it focused on Switzerland. Annales de l’Industrie nationale et étrangère ou Mercure technologique, vol. IV, Paris 1821, p. 320. 65 Huhtamo 2013 (as note 7), pp. 39–46. 66 Carmontelle also designed transparencies meant to be attached to window panes; matching the scene outside, they were supposed to change the visual impression of the season. Ibid., pp. 39–46. 67 In terms of their designs, operational principles and domestic uses, Carmontelle’s boxes resemble miniature moving panorama view boxes that were constructed by both toy manufacturers and the users themselves in the nineteenth century. They were imitations of the itinerant moving panoramas shows, schrunken to a scale that fit for salons and nurseries. Ibid. 68 Erkki Huhtamo, »Watching the Borders and Peeking Beyond: Astronomical Demonstraton Instruments as a Challenge for Sreenology,« in: Écranosphère, 1, 1, Winter 2014, no page numbers. 69 For suggestions about the creator’s identity and details about editions, see Ian Ridpath’s website, www. ianridpath.com/atlases/urania.htm (20.07.2015). Copy in author’s collection. 70 Barbara Maria Stafford and Frances Terpak, Devices of Wonder. From the World in a Box to Images on a Screen, Los Angeles 2001, pp. 327–329. 71 The only history of the lithophane is Margaret Carney, Lithophanes, Atglen 2007. Another patent was granted in England in 1828 but no German patent has been discovered. 72 Véronique Willemin, Eros Secret. Objets érotiques à transformation, Lausanne 2006, p. 193; Carney 2007 (as note 71), p. 129. 73 Georg Hieronymus Bestelmeier, Pädagogisches Magazin für lehrreichen und angenehmen Unterhaltung für die Jugend. Erstes Stück, Nuremberg 1793, featured twelve screens for ombres chinoises and twenty screens for the magic lantern or laterna magica or camera obscura, Pl. 42, 78 and 79.

Die Autorinnen und Autoren

Alexandra Axtmann

Studium der Kunstgeschichte an der Universität Karlsruhe (TH) und Musikwissenschaft an der Staatlichen Hochschule für Musik in Karlsruhe. Danach selbstständige Tätigkeit in mehreren Museen und wissenschaftlichen Fachbibliotheken, u. a. 2008–2012 in der Bibliothek für Baugeschichte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). 2012 Promotion am KIT mit einer Arbeit über den sozialkritischen Hamburger Maler Harald Duwe (1926–1984), gefördert durch ein Promotionsstipendium des Landes Baden-Württemberg. 2012– 2018 Akademische Mitarbeiterin am Institut für Kunst- und Baugeschichte, Fachgebiet Kunstgeschichte am KIT. Seit 2019 Akademische Mitarbeiterin in der Abteilung Forschungsdienste der KITBibliothek und Lehraufträge am Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft am KIT. Aktuelle Forschungsinteressen und Publikationen umfassen die Wissenschaftsgeschichte der Kunstgeschichte und die Geschichte und Theorie des Papierschnitts, insbesondere des Weißschnitts.

Peter Bell

Steinmetzlehre; Studium der Kunstgeschichte, BWL und Grafik und Malerei an der Uni Marburg, Promotion 2011, wiss. Mitarbeiter im SFB 600 »Fremdheit und Armut« der Uni Trier. Postdoc an der Uni Heidelberg im Interdisciplinary Center for Scientific Computing (IWR) sowie WIN-Kollegiat

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Die Autorinnen und Autoren

und Forschungsgruppenleiter an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Geschäftsführer des Hartware MedienKunstVereins (HMKV) im Dortmunder U und wissenschaftlicher Mitarbeiter im prometheus-Bildarchiv an der Universität Köln. 2017 Professor (W1) für Digital Humanities mit Schwerpunkt Kunstgeschichte an der FAU Erlangen-Nürnberg. Mitglied im SPP 2172 »Das digitale Bild«. Im Jahr 2021 wurde er auf den Lehrstuhl für Kunstgeschichte und Digital Humanities der Universität Marburg berufen.

Matthias Bruhn

Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Philosophie in Hamburg (Promotion 1997) war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Warburg-Haus tätig, gefolgt von mehreren Fellowships und einer Tätigkeit als Koordinator der World Heritage Studies der BTU Cottbus. Er war Leiter der Berliner Forschungsgruppe »Das Technische Bild« (2005–2018) und Mitglied des Exzellenz-Clusters »Bild Wissen Gestaltung«, und gehört auch dessen Nachfolger »Matters of Activity« an der Humboldt-Universität zu Berlin an. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit zählen politisch-­ ökonomische und wissenschaftliche Funktionen von Bildern, die Geschichte visueller Medien sowie kunstwissenschaftliche Methodenfragen. Er ist

Mitherausgeber der Bildwelten des Wissens, die seit 2003 halbjährlich erscheinen, und hat zuletzt den Sammelband Bilder der Präzision (hrsg. mit Sara Hillnhütter, Berlin 2018) publiziert.

Bernd Carqué

Privatdozent an der Universität Heidelberg. Studium der Kunstgeschichte, Mittelalterlichen Geschichte, Klassischen Archäologie und Denkmalpflege in Bamberg und Berlin. 2000 Promotion an der TU Berlin mit der Arbeit Stil und Erinnerung. Französische Hofkunst im Jahrhundert Karls V. und im Zeitalter ihrer Deutung. 2001–2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen. 2009–2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Transcultural Studies/ Scientific Computing in the Humanities am HCI. 2015 Habilitation in Heidelberg mit der Arbeit Die ikonische Repräsentation materieller Relikte. Eine visuelle Gedächtnisgeschichte des Mittelalters im Frankreich der Neuzeit und Moderne. 2017–2019 Vertretung des Lehrstuhls für Kunstgeschichte mit dem Schwerpunkt Mittelalter in Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: vormoderne Herrschafts­ repräsentation, wissenschaftliche Visualisierungen, Bildmedien historischer Imagination, Wissenschafts- und Problemgeschichte der Kunsthistoriografie.

Ortwin Dally

Nach seinem Studium der Klassischen Archäologie, Klassischen Philologie und Alten Geschichte war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Heidelberg, wo er auch promoviert wurde, und des Instituts für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin, dem er nach der Habilitation auch als Honorarprofessor verbunden ist. Von 2004–2014 war er Generalsekretär des Deutschen Archäologischen Instituts. Seit 2014 ist er Leitender Direktor der Abteilung Rom des Deutschen Archäologischen Instituts. Er war und ist maßgeblich an Ausgrabungen in Südrussland und der Türkei und aktuell in Italien und Algerien beteiligt. Ortwin Dally hat ausgeprägte Forschungsinteressen, die auch durch zahlreiche Publikationen unterlegt sind, u. a. in dem Feld von Kulturkontakten sowie der Wissenschaftsgeschichte der Archäologie unter besonderer Berücksichtigung von Visualisierungsstrategien in der Archäologie.

Ute Dercks

1997 Abschluss des Studiums der Kunstgeschichte, Philosophie und Medienwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf mit einer Magisterarbeit zu mittelalterlichen Monatsdarstellungen. Darauf folgte die durch ein Graduiertenstipendium des Landes NRW geförderte

Die Autorinnen und Autoren

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Promotion bei Prof. Dr. Hans Körner (Das historisierte Kapitell in der oberitalienischen Kunst des 12. und 13. Jahrhunderts, 2002). Bevor sie 2004 als wissenschaftliche Mitarbeiterin und stellvertretende Leiterin der Photothek an das Kunsthistorische Institut in Florenz – Max-Planck-Institut kam, war sie in Museen und Galerien tätig, u. a. Schloss Benrath, Düsseldorf (1990–2002), Galerie Sander, Darmstadt (2002–2003), Kunstauktionshaus Hauswedell & Nolte, Hamburg (2003), Kunsthalle Hamburg, Abteilung Alte Meister (2003–2004). In ihren Forschungsprojekten verknüpft Ute Dercks Themen sowohl der Kunst-, Fotografie- und Archivgeschichte als auch die digitaler Technologien miteinander.

Anastasia Dittmann

2000–2006: Magisterstudium der Kunstgeschichte, Italianistik und Anglistik an der PhilippsUniversität Marburg. 2007–2011: Lehrtätigkeiten am Marburger Institut für Kunstgeschichte und Mitarbeit bei verschiedenen Erschließungsprojekten am Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg. 2012– 2015 Promotionsstipendium am DFG-Graduiertenkolleg »Das Wissen der Künste« an der Universität der Künste Berlin. 2017 bis 2021: wissenschaftliche Mitarbeiterin am Archiv der Universität der Künste Berlin, u. a. im Rahmen des BMBF-Verbundprojektes »Die Bildvorlagen- und Modell-

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Die Autorinnen und Autoren

sammlungen der Kunstakademie und Kunstgewerbeschule in Berlin, 1850–1932«. 2017–2020: berufsbegleitendes Weiterbildungs-Masterstudium Archivwissenschaft an der Fachhochschule Potsdam mit einer Abschlussarbeit zum Thema »Strategisches Projektmanagement in Universitätsarchiven«. Seit Juli 2021 Leiterin des Archivs und der Bibliothek am Museum Charlottenburg-Wilmersdorf in der Villa Oppenheim.

Philipp Goldbach

Bildender Künstler, der in seinen Arbeiten das Verhältnis von Zeit, Schriftsprache und technischem Bild erforscht – mit einem Schwerpunkt auf der Fotografie als Material und Metapher. Goldbach eignet sich ausgewählte Quellen aus Philosophie und Kunst an und verschlüsselt sie neu, um die Geistesgeschichte von Speichermedien, die Materialität von Information und die physischen Prozesse der Einschreibung in einem Spannungsfeld von Körperlichkeit und digitalisierter technologischer (Re-)Produktion zu diskutieren. Seine Arbeitsprozesse haben oft einen arbeitsintensiven performativen Charakter. Er studierte Medienkunst mit dem Schwerpunkt Fotografie an der Kunsthochschule für Medien Köln sowie parallel dazu Kunstgeschichte, Philosophie und Soziologie an der Universität zu Köln, wo er 2016 promovierte. Goldbach wurde u. a. mit dem Vordemberge-Gildewart-Stipendium (2009) und dem Ars Viva Preis

für Bildende Kunst (2011/12) ausgezeichnet. Er war Artist-in-Residence im Q21 MuseumsQuartier Wien auf Einladung der EIKON (2019). Goldbach hat international in zahlreichen Institutionen ausgestellt, darunter: CCCB Barcelona, Centre Pompidou Paris, DZ BANK Kunststiftung Frankfurt a. M., EPFL ArtLab Lausanne, FOTO|RAUM Wien, Riga Art Space, Irma Vep Lab Reims, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Hessisches Landesmuseum Museum Wiesbaden, Museum Folkwang Essen, Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen, Kunsthalle Düsseldorf, Museum Weserburg Bremen, Kunsthalle Bremerhaven, Haus der Photographie-Deichtorhallen Hamburg. Philipp Goldbach lehrte als Künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter für Fotografie an der Kunsthochschule für Medien Köln (2008–2009) und als Dozent für Theorie und Geschichte des Films und der Fotografie am Leiden University Centre for the Arts in Society (LUCAS) der Universität Leiden (2017–2019). Er war Mitglied des Kuratorenteams der Simultanhalle Köln und ist Teil der Künstlergruppe darktaxa-project.

Erkki Huhtamo

holds a Ph.D. in cultural history from the University of Turku, Finland. He is Professor of Design Media Arts, and Film, Television, and Digital Media at University of California Los Angeles (UCLA). He has published widely on media ar-

chaeology and media arts. He is the author of the large monograph Illusions in Motion: Media Archaeology of the Moving Panorama and Related Spectacles (2013) and the editor (with Jussi Parikka) of Media Archaeology: Approaches, Applications, and Implications (2011). His new book How to Dis­ mantle a Fairy Engine: Media Archaeology as Topos Studies is forthcoming.

Joseph Imorde

Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Musikwissenschaft in Bochum, Rom und Berlin. Ab 1991 arbeitete er als Redakteur der Architekturzeitschrift Daidalos. 1996 gründete er den Buchverlag »Edition Imorde«. Nach der Promotion zur römischen Festarchitektur des Barock wechselte er als Assistent an das Institut gta der ETH Zürich. Ab 2001 war er Stipendiat der Forschungsgruppe »Kultbild« an der Universität Münster. Gefördert wurde er vom Land Berlin, der Volkswagen- und der Thyssenstiftung. Von 2008 bis 2010 war Joseph Imorde Feodor Lynen-Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung, 2012 und 2017 Scholar am Getty Research Institute. Im August 2008 wurde er auf den Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Siegen berufen, 2021 wechselte er auf eine Professur für Kunstgeschichte an die weissensee kunsthochschule berlin. Buchveröffentlichungen: Präsenz und Repräsentanz (1997), Barocke Inszenierung (1999), Affektübertragung (2004), Die

Die Autorinnen und Autoren

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Grand Tour in Moderne und Nachmoderne (2008), Michelangelo Deutsch! (2009), Dreckige Laken (2012), Medialität und Menschenbild (2012), Teilhabe am Schönen (2013), Billige Bilder (2016), Carlo Dolci: A Refreshment (2017), »Höhere Bildung«. Kunstgeschichte in der Schule (2018), Lehrgut. Kunstgeschichte in Schulbüchern und Unterrichtsmedien um 1900 (2018), Sigmar Polke und die 1970er Jahre. Netzwerke, Experimente, Identitäten (2019).

Jasmin Kolkwitz

Seit 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg, Redaktionsmitglied des Fachorgans Rundbrief Fotografie. Analoge und digitale Bildmedien in Archiven und Sammlungen und Promovendin am Kunstgeschichtlichen Institut der Philipps-Universität Marburg. Seit 2017 übernimmt sie Lehraufträge am Kunstgeschicht­ lichen Institut Marburg mit dem Schwerpunkt Gegenwartskunst. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Ausstellungsgeschichte und kuratorische Praxis, Rezeptionsästhetik und Publikumsforschung sowie Methoden der Kunstgeschichte insbesondere im Hinblick auf zeitgenössische Kunst.

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Die Autorinnen und Autoren

Hubert Locher

Seit 2008 Professor für Geschichte und Theorie der Bildmedien an der Philipps-Universität Marburg und Direktor des Deutschen Dokumentationszentrums für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg. Forschung und Publikationen im Bereich der Kunst, Kunstliteratur und Kunsttheorie von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, u. a. zur Geschichte der Kunstgeschichte, der Kunstausstellung und der Fotografie. Buchveröffentlichen u. a.: Raffael und das Altarbild der Renaissance (Berlin 1994), Domenico Ghirlandaio ›Heiliger Hieronymus‹. Malerkonkurrenz und Gelehrtenstreit (Frankfurt am Main 1999), Kunstgeschichte als historische Theorie der Kunst 1750–1950 (München 2001, zweite korr. Aufl. 2010), Deutsche Malerei im 19. Jahrhundert (Darmstadt 2005), Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert. Eine kritische Anthologie (Darmstadt 2007). Autor und Herausgeber, zus. mit Hans Dieter Huber und Karin Schulte, Die Kunst des Ausstellens. Beiträge, Statements, Diskussionen, Ostfildern-Ruit 2002; zus. mit Adriana Markantonatos Reinhart Koselleck und die politische Ikonologie (München 2013); zus. mit Rolf Sachsse, Architektur Fotografie. Darstellung – Verwendung – Gestaltung (München 2016). Seit 2008 Herausgeber des Marburger Jahrbuches für Kunstwissenschaft (zus. mit Ingo Herklotz), seit 2014 des Rundbriefs Fotografie.

Maria Männig

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunstwissenschaft und Bildende Kunst an der Universität Koblenz-Landau (Campus Landau). Davor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ergänzungsbereich Medientheorie und -praxis am Institut für Germanistik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie MARA-Postdoc-Stipendiatin am Institut für Medienwissenschaft der Philipps-Universität Marburg. Sie absolvierte ein Doppelstudium der Kunstgeschichte an der Universität Wien sowie der Tapisserie an der Akademie der bildenden Künste in Wien. 2015 promovierte sie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe; 2017 erschien ihre Dissertation unter dem Titel Hans Sedlmayrs Kunstgeschichte. Eine kritische Studie im Böhlau Verlag. Gegenwärtig forscht sie zur Geschichte der kunsthistorischen Diaprojektion.

Photographic Archive. She was scientific and organisational secretary of the international conference Lucis Impressio. Incontri internazionali di studio sugli archivi fotografici e la fotografia di documentazione (Naples 2017) and the co-curator of the exhibition Un patrimonio in immagini. Il Fondo storico dell’Archivio fotografico ›Giovanni Previtali‹ del DSU (Naples and Utrecht 2017). On the ­Giovanni Previtali Photographic Archive, she published the essay Les plaques photographiques des Archives Giovanni Previtali de l’Université de Naples Frédéric II, in: La plaque photographique. Un outil pour la fabrication et la diffusion des savoirs (XIXe– XXe siècle), edited by Denis Borlée and Hervé Doucet (Strasbourg 2019). She was an adjunct lecturer of Contemporary Art History at the University of Messina (2014) and of Museology and Museography at the University of Naples Federico II (2015). Currently, she teaches Italian Literature and History in a high school.

Rossella Monaco

Rossella Monaco is an Italian researcher and art historian. In 2007, she graduated from the University of Naples Federico II in Modern Literature, where she gained a Ph. D. in Archaeological, Historical, and Artistic Sciences. Between 2012 and 2013, and again from 2016 to 2017, she was a research fellow at the Department of Humanities of the University Federico II with a project on the historical collection of the Giovanni Previtali

Susanne Müller-Bechtel

Mitglied Junges Forum der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig; Lehrbeauftragte an der JMU Würzburg, Studiengang »Sammlungen, Provenienz, Kulturelles Erbe« und am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS), TH Köln (akademisches Jahr 2021/22). 1990–1997 Studium der Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Kunsterziehung,

Die Autorinnen und Autoren

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LMU München. 2006 Promotion, LMU München: Dissertation zur Zeichnung als Medium der Kunstforschung im 19. Jahrhundert (erschienen 2009). 2006–2014 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunst- und Musikwissenschaft, TU Dresden. 2015 Habilitation, TU Dresden: Habil.Schrift zur akademischen Aktstudie zwischen 1650 und 1850 (erschienen 2018). 2015–2018 Vertretungen: Professur für Niederlandistik, Universität Bonn (Elternzeitvertretung), JMU Würzburg. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Bildkünste in der (Frühen) Neuzeit, speziell: Zeichnung in künstlerischer und kunstwissenschaftlicher Praxis (17.–19. Jahrhundert); künstlerische Rezeptionsund Transformationsprozesse; Künste im höfischen Kontext des 18. Jahrhunderts; Wand- und Deckenmalerei (1300–1800).

Robert S. Nelson

Professor Emeritus in the History of Art. Former Robert Lehman Professor at Yale University where he studied and taught Medieval art, mainly in the Eastern Mediterranean, and the history and methods of art history. He was the co-curator of the exhibition Holy Image, Hallowed Ground: Icons from Sinai at the J. Paul Getty Museum in 2006– 2007. His book, Hagia Sophia, 1850–1950, 2004, asks how the cathedral of Constantinople, once i­gnored or despised, came to be regarded as one of the great monuments of world architecture. Cur-

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Die Autorinnen und Autoren

rent projects involve the post-medieval reception of Byzantine art, especially but not only in the Italian Renaissance.

Christian Nille

geb. 1982, studierte von 2003 bis 2013 in Greifswald, Amiens und Mainz Kunstgeschichte, Kunstpädagogik und Kunst. 2014 erfolgte die Promotion in Kunstgeschichte mit einer fachgeschichtlichen und fachtheoretischen Arbeit. Zwischen 2013 und 2017 war er u. a. Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Mainzer Institut für Kunstgeschichte sowie an der Kunsthochschule Mainz. Seit 2019 ist er in Wiesbaden als Studienrat für die Fächer Kunst, Gesellschaftslehre und Latein tätig und zugleich assoziierter Gastwissenschaftler am Mainzer Institut für Kunstgeschichte. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der Geschichte und Theorie der Kunstgeschichte, der Raumtheorie, der mittelalterlichen Architektur, dem Campus der Universität Mainz sowie auf der Verbindung von Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik.

Georg Schelbert

Studium der Kunstgeschichte, Mittelalterlichen Geschichte und Philosophie an den Universitäten München und Bonn. Von 1997 bis 2005 war er als Mitarbeiter an der Bibliotheca Hertziana, MaxPlanck-Institut für Kunstgeschichte in Rom unter

anderem am Aufbau der Forschungsdatenbanken Linamenta und Zuccaro beteiligt. 2004 wurde er mit einer Dissertation zu römischen Kardinalspalästen des 15. Jahrhunderts promoviert. Seit 2005 ist er an kunsthistorischen Universitätsinstituten als wissenschaftlicher Mitarbeiter – neben Lehrtätigkeit – mit Arbeitsfeldern im Bereich des kunsthistorischen Dokumentationswesens betraut. 2005– 2011 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in Trier. Seit 2011 ist er Leiter der Mediathek des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Mitbegründer des Arbeitskreises Digitale Kunstgeschichte. Neben dem Ausbau der digitalen Bildbestände und der zugehörigen Infrastruktur hat er in den letzten Jahren unter anderem die Erforschung und webbasierte Erschließung der historischen Foto- und Diabestände des Berliner Instituts vorangetrieben (u. a. Historische Glasdiasammlung und Farbdiasammlungen Feist und Bernau).

Franziska Scheuer

Seit 2017 Forschungsreferentin am Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg und dort Mitglied des Redaktionsteams des Rundbrief Fotografie. 2017 Promotion an der Philipps-Universität Marburg zum Thema Bilder für den Frieden. Gestaltung und historischer Gebrauch der Autochrome des Multimediaensembles ›Les Archives de la planète‹ (1908–1931)

(Verlagspublikation in Vorbereitung). 2013–2015 Stipendiatin im Programm »Museumskuratoren für Fotografie« der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (Kupferstich-Kabinett Dresden, Fotosammlung Münchner Stadtmuseum, Museum Folkwang Essen, Jeu de Paume Paris). 2010–2013 Stipendiatin des Graduiertenzentrums Geistesund Sozialwissenschaften der Philipps-Universität Marburg. 2004–2009 Studium der Kunstgeschichte und Geschichte an der Universität des Saarlandes, der Universität Bern und der PhilippsUniversität Marburg.

Barbara Schrödl

Leiterin der Geschäftsstelle der Kunststiftung Dr. Hans-Joachim und Elisabeth Bönsch, Privatdozentin der Katholischen Privatuniversität Linz und Lehrbeauftragte an der New Design University St. Pölten. Arbeitsschwerpunkte: Mediengeschichte der Kunstgeschichte, Beziehungen zwischen Hoch- und Populärkultur, Kunst-, Architektur- und Designgeschichte der Klassischen Moderne, Fashion Studies. Jüngste Publikationen zum Themenfeld Die Architekturgeschichte und ihre Medien. Korrespondenzen zwischen Kunstgeschichte, Fotografie und Film, Reihe: Studien zur visuellen Kultur, hrsg. von Sigrid Schade und Silke Wenk, Bielefeld (erscheint 2022); »Erkundungen zur visuellen Vermittlung und Generierung kunsthistorischen Wissens. Zur Bedeutung des Kunsthistori-

Die Autorinnen und Autoren

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schen Instituts in Florenz und der Bibliotheca Hertziana in Rom bei der Entstehung von Kulturfilmen in den 1930er Jahren«, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana, 44, 2020, S. 325– 351; »Räume in Bewegung. Die Architekturgeschichte und die Hoffnung auf eine Korrektur des kunsthistorischen Blicks durch den Film«, in: BildFilmRaum. Interdisziplinäre Zugänge zum Film, hrsg. von Anett Werner-Burgmann u. a., Weimar 2019, S. 15–23.

Tobias Teutenberg

Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik an der Universität Kassel (BA), der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, der Universität Augsburg und der École normale supérieure in Paris (MA: »AISTHESIS. Historische Kunst- und Literaturdiskurse«). Von 2012 bis 2015 war er Promotionsstipendiat der Gerda Henkel Stiftung. Anschließend arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwig-Maximilians-Universität München und als wissenschaft­ licher Assistent am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München. 2019 erschien seine Dissertation Die Unterweisung des Blicks. Visuelle Erziehung und visuelle Kultur im langen 19. Jahrhundert. Aktuell arbeitet er als Wissenschaftlicher Assistent an der Bibliotheca Hertziana – MaxPlanck-Institut für Kunstgeschichte sowie als Wis-

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Die Autorinnen und Autoren

senschaftlicher Mitarbeiter im Projekt »Heinrich Wölfflin – Gesammelte Werke«. Forschungsschwerpunkte: Historische Perzeptologie, Geschichte des Zeichnens und des Zeichenunterrichts, Geschichte der Kunstgeschichte.

Andreas Zeising

Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik mit dem Abschluss Magister Artium. 2001 Promotion über den Kunstkritiker Karl Scheffler (1869–1951). Anschließend Volontariat am Düsseldorfer Museum Kunstpalast. 2003–2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunst- und Designgeschichte der Bergischen Universität Wuppertal. Ab 2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Universität Siegen. 2016 Habilitation. Lehraufträge und Lehrstuhlvertretungen in Bremen, Bonn, Dortmund, Düsseldorf und Siegen. Seit 2019 Vertretungsprofessur am Seminar für Kunst und Kunstwissenschaft der Technischen Universität Dortmund.

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Goldbach, S. 32–49 Philipp Goldbach Deakzession / Reakzession, 2016 15.000 Kleinbilddias, Diathek des Kunsthistorischen ­Instituts der Ruhr-Universität Bochum, 1855 × 75 × 74 cm Installationsansicht: Philipp Goldbach – bound to arrive as intruders, Kunstsammlungen der Ruhr-Universität ­Bochum, 27.10.2016 – 23.4.2017. © Philipp Goldbach / VG Bild-Kunst, Bonn. Abbildungsnachweis: Paul ­Schöpfer, Köln Dally, S. 52–87 Abb. 1: Foto: Jutta Schubert, Nr. IM 8485; Abb. 2: C. O. Müller [sic!] und F. Wieseler, Antike Denkmäler zur griechischen Götterlehre. Vierte umgearbeitete und vermehrte Ausgabe von Konrad Wernicke. Denkmäler der alten Kunst von C. O. Müller und F. Wieseler Teil II. Vierte umgearbeitete und vermehrte Ausgabe. Lieferung I. Zeus. Hera. Tafeln (Leipzig 1899), Taf. XIII; Abb. 3: Berlin, Humboldt-Universität, Winckelmann-Institut, Foto: ­Antonia Weiße, Nr. DSC 0026 Müller-Bechtel, S. 88–107 Abb. 1: CC0 1.0, Public Domain via Rijksprentenkabinet Amsterdam, RP-P-OB-427, http://hdl.handle.net/10934/ RM0001.COLLECT.36393; Abb. 2: © Klassik Stiftung Weimar, Bestand Museen / Sig. KK 6287. Foto: Olaf Mokansky; Abb. 3: Florenz, Uffizien, Gabinetto dei Disegni e Stampe, Inv. Nr. 119 E, aus: Disegno. Der Zeichner im Bild der Frühen Neuzeit (Ausst. Kat. Berlin 2007–2008), hrsg. von Hein-Theodor Schulze Altcappenberg und Michael Thimann, mit Heiko Damm und Ulf Sölter, Berlin 2007, S. 91; Abb. 4: Los Angeles, J. Paul Getty Museum, Inv. Nr. 2007.12, https://www.getty.edu/art/collection/objects/ 240234/hubert-robert-a-draftsman-in-the-capitolinegallery-french-about-1765/; Abb. 5: Archiv der Autorin;

Abb. 6: © Karlsruhe, Badische Landesbibliothek; Abb. 7: © VG Bild-Kunst, Bonn 2021; © Klassik Stiftung Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek / Sig. Ku 4°III S-588; Abb. 8: Archiv der Autorin Dittmann, S. 108–117 Abb. 1: © Archiv der Universität der Künste Berlin, Best. 327, Nr. 12; Abb. 2: © Archiv der Universität der Künste Berlin, Best. 301 – G I 3a, 4 F; Abb. 3: © Archiv der Universität der Künste Berlin, Best. 386, Nr. 58; Abb. 4: © Archiv der Universität der Künste Berlin, Best. 386, Nr. 49; Abb. 5: © Archiv der Universität der Künste Berlin, Best. 301 – M I 2, 26 F; Abb. 6: © Archiv der Universität der Künste Berlin, Best. 301 – M I 1, 3 F Scheuer, S. 118–133 Abb. 1: DDK, Fotografische Sammlung, Inv-Nr.: P-GKK A1982-00532, © Bildarchiv Foto Marburg; Abb. 2: DDK, Fotografische Sammlung, Inv-Nr.: P-GKKA1982-00057, © Bildarchiv Foto Marburg; Abb. 3: DDK, Fotografische Sammlung, Inv-Nr.: P-GKKA1982-07915, © Bildarchiv Foto Marburg; Abb. 4: Metropolitan Museum of Art, New York, Zugangs-Nr.: 1986.318 (Gift of Mrs. Alfred H. Barr Jr., 1986), Public Domain; Abb. 5–6: Public Domain Axtmann, S. 136–153 Abb. 1, 2, 4–7: Karlsruhe, Badische Landesbibliothek; Abb. 3: Wilhelm Lübke: Die Mittelalterliche Kunst in ­Westfalen, Leipzig 1853; Abb. 8: aus: Georg Moller, Die ­Kirche der heiligen Elisabeth zu Marburg, Darmstadt 1825 Männig, S. 154–173 Abb. 1: Public Domain, bearbeitet von Maria Männig; Abb. 2, 6: Public Domain; Abb. 3: Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin / Dietmar Katz [CC BY-NC-SA]; Abb. 4: aus Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt, 9,

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1828 https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kunstblatt9_ 1828/0373; Abb. 5: Mit freundlicher Genehmigung der Sammlung Musée Adrien Mentienne, Bry-sur-Marne; Abb. 7: Generallandesarchiv Karlsruhe, GLAK 76 / 9998; Abb. 8: KIT Archiv Monaco, S. 174–185 figs. 1a–c: Giovanni Previtali Photographic Archive, fig. 2: Giovanni Previtali Photographic Archive, inv. 3597; fig. 3: Giovanni Previtali Photographic Archive, inv. 3628; fig. 4: Giovanni Previtali Photographic Archive, inv. 2195, 2196, 2197 and 2198; fig. 5: photo by Foto Barra Napoli, 1950s– 1960s?; fig. 6: Giovanni Previtali Photographic Archive, inv. 3596; fig. 7: Giovanni Previtali Photographic Archive, inv.1989; fig. 8: Giovanni ­Previtali Photographic Archive Teutenberg, S. 186–201 Abb. 1: Die Hamburger Kunsthalle. Bauten und Bilder, hrsg. von Uwe M. Schneede und Helmut R. Leppien, Leipzig 1997, S. 88; Abb. 2: Anke Napp, Zwischen Inflation, Bomben und Raumnöten. Die Geschichte der Diasammlung des Kunstgeschichtlichen Seminars Hamburg, Weimar 2017, S. 30; Abb. 3a: Frankreichs Baukunst, hrsg. von Franz Stoedtner, Berlin vor 1940, © Bildarchiv Foto Marburg; Abb. 3b: Frankreichs Baukunst, hrsg. von, Berlin vor 1940, © Bildarchiv Foto Marburg; Abb. 4a: Französische Architektur und Plastik, hrsg. von Franz Stoedtner, Berlin vor 1925, © Bildarchiv Foto Marburg; Abb. 4b: Französische Architektur und Plastik, hrsg. von Franz Stoedtner, Berlin vor 1925, © Bildarchiv Foto Marburg; Abb. 5: Ludwig Heinrich Heydenreich, Vortragstafel zum Referat »Entwicklungsprobleme der Florentiner Frührenaissancearchitektur« (Brunelleschi), Fotografie Juli 1927, © Zentralinstitut für Kunstgeschichte München; Abb. 6: Ludwig Heinrich Heydenreich, Vortragstafel zum Referat »Entwicklungsprobleme der Florentiner Frührenaissancearchitektur« (Alberti), Fotografie Juli 1927, © Zentralinstitut für Kunstgeschichte München; Abb. 7: August Schmarsow, Das Kunsthistorische Institut, in: Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, hrsg. von Rektor und Senat, Leipzig 1909, Bd. 4.1, S. 172–179, Taf. XI; Abb. 8: August Schmarsow, Das Kunsthistorische Institut, in: Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, hrsg. von Rektor und Senat, Leipzig 1909, Bd. 4.1, S. 172–179, Taf. X

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Locher, S. 202–221 Abb. 1: Richard Hamann, Geschichte der Kunst von der altchristlichen Zeit bis zur Gegenwart, Berlin 1933; Abb. 2: Peter Meyer, Europäische Kunstgeschichte in zwei Bänden, Zürich 1947–1948; Abb. 3–4: Key Monuments of the History of Art. A Visual Survey, hrsg. von Horst W. und Dora J. Janson, New York 1959; Abb. 5: Fred S. Kleiner, Gardners Art through the Ages. A Global Approach, 14. Aufl. (International Edition), Boston 2013 Nille, S. 222–235 Abb. 1: https://www.kunstgeschichte.uni-mainz.de/ leitfaden-fuer-das-wissenschaftliche-arbeiten/ (09.02.2019); Abb. 2: Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft, Abteilung Kunstgeschichte, Johannes GutenbergUniversität Mainz, Leitfaden für das wissenschaftliche ­Arbeiten, Mainz 2016, S. 8–9; Abb. 3: Tina Bawden u. a., Studienleitfaden für Studierende des Instituts für Kunstgeschichte, Gießen 2013, S. 11; Abb. 4: Fachschaft: Fachschaftsrat Kunstgeschichte: First Aid Kit. Gebrauchsanweisung für das Studium der Kunstgeschichte, Mainz 2007, https://docplayer.org/5501371-First-aid-kit-gebrauchsanweisung-fuer-das-studium-der-kunstgeschichte.html#download_tab_content (04.02.2019), S. 56; Abb. 5: Ausklapptafel in: Pierre Mouchon, Table analytique et raisonnée des matières contenues dans les XXXIII volumes in-folio du Dictionnaire des sciences, des arts et des métiers, et dans son supplément, Paris 1780 Imorde, S. 238–247 Abb. 1–2: Hermann Luckenbach, Abbildungen zur alten Geschichte für die oberen Klassen höherer Lehranstalten, München und Leipzig 1893, 5. Aufl. 1904; Abb. 3–4: Paul Brandt, Bilderanhang zum IV. Teile: Lehraufgabe der Obersekunda. 100 Abbildungen und eine farbige Tafel zur Kunstund Kulturgeschichte der Griechen und Römer, Breslau 1904; Abb. 5: Arthur Galliner, »Der Wandschmuck im neuen Schulgebäude«, in: Beilage zum Programm der Realschule der israelitischen Gemeinde Philanthropin (Realschule und höhere Mädchenschule) zu Frankfurt a. M. Ostern 1909, Frankfurt am Main 1909 Zeising, S. 248–263 Abb. 1–6, 8: Public Domain; Abb. 7: Paul Eduard Liesegang, Die Projektions-Kunst und die Darstellung von Lichtbildern für Schulen, Familien und öffentliche Vorstellungen, Leipzig 1909

Schrödl, S. 264–277 Abb. 1, 2, 4: Das Buch befindet sich im Archiv der Autorin; Abb. 3: © SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Hugo Erfurth; Abb. 5–7: Die steinernen Wunder von Naumburg, Quelle: Bundesarchiv, Bestand Film: B 118586-1 Carqué, S. 278–289 Abb. 1: Cali 1956 (wie Anm. 27), S. 23; Abb. 2: Baudry 1954 (wie Anm. 2), Taf. 1 im Kapitel Paray-le-Monial; Abb. 3: Oursel 1928 (wie Anm. 9), Taf. XXIII; Abb. 4: Aubert 1947 (wie Anm. 9), Abb. 5: Baudry 1954 (wie Anm. 2), Taf. 9 im Kapitel Vézelay; Abb. 6: Gleizes 1932 (wie Anm. 24), S. VII; Abb. 7–8: Gebauer 2017 (wie Anm. 27), S. 46 und S. 78 Dercks, S. 290–313 Abb. 1–2, 4–7: Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut; Abb. 3: Heidelberger historische Bestände, https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ kunstchronik1908/0203 Kolkwitz, S. 314–333 Abb. 1: Archiv der Verfasserin, als Download verfügbar unter: https://www.documenta14.de/en/directions (15.05.2019), Foto: Frauke Kreutzmann; Abb. 2a, b: mit freundlicher Genehmigung des Künstlers; verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=9d1PQTsL_KY (15.05.2019), TC: 15:29 und TC: 32:29; Abb. 3a, b: mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin; Fotos: Jasmin Kolkwitz Nelson, S. 336–353 fig. 1: nach Charlotte Klonk, Spaces of Experience: Art Gallery Interiors from 1800–2000, New Haven und London 2009, fig. 38; fig. 2: Estate of Max Weber, mit freundlicher Genehmigung der Gerald Peters Gallery, New York

Bruhn, S. 374–383 Abb. 1: Public Domain, via Sterling and Francine Clark Art Institute Library, Digital Collection, https://francine. clarkart.edu/record=b1112795; Abb. 2: © Bildarchiv Foto Marburg – Rechte vorbehalten; Foto: Maison Braun; Abb. 3: Nachweis: CC0 1.0 Public Domain, Paris Musées / Musée Carnavalet, Abb. 4: © Memo Akten; Abb. 5: Suchabfrage: https://www.google.com/search?q=Francis%20 Bacon%20face&tbm=isch&tbs=isz:l&client=opera&hs =6pX&hl=de&sa=X&ved=0CAEQpwVqFwoTCJibt ZXW4e4CFQAAAAAdAAAAABAD&biw=1273&bih=653, Nachweis: M. Bruhn Bell, S. 384–401 Abb. 1: Fotoabzug: Teilnachlass Adolph Goldschmidt, Jüdisches Museum Berlin. Original: Freie Universität Berlin; Abb. 2: © Sammlung Bildarchiv Foto Marburg – Rechte vorbehalten, Inv.-Nr.: fmv635; Abb. 3: Teilbestand der Reproduktionen flämischer Gemälde des Getty Research Institute, Fotothek. Ergebnisansicht des Prototypen von Masato Takami, Peter Bell und Björn Ommer, Screenshot des Autors; Abb. 4: EFI-Projekt »Iconographics«, FAU Erlangen-Nürnberg, projektinterner Datensatz zu Verkündigungsdarstellungen, 2019. T-SNE-Plot, Fabian Offert und Peter Bell; Screenshot des Autors; Abb. 5: Peter Bell und Leonardo Impett, »Ikonographie und Interaktion. Computergestützte Analyse von Posen in Bildern der Heilsgeschichte«, Begleitende Datenpublikation zum gleichnamigen Aufsatz, in: Das Mittelalter, 24, 1, 2019 (Themenheft Digitale Mediävistik); Abb. 6: Visualisierung von Flavio Gortana, Franziska von Tenspolde, Daniela Guhlmann und Marian Dörk (Fachhochschule Potsdam), 2018, Screenshot des Autors

Schelbert, S. 354–373 Abb. 1: © Kunsthistorisches Seminar, HU Berlin; Abb. 2: © Kunsthistorisches Seminar, HU Berlin; Abb. 3: © prometheus – Das verteilte digitale Bildarchiv für Forschung & Lehre; Webdesign: Ingo Feisthamel, Screenshot des ­Autors; Abb. 4: © Deutsches Archäologisches Institut, Universität Köln, Screenshot des Autors; Abb. 5: © 2019 Google, Screenshot des Autors

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Impressum

Herausgegeben von Hubert Locher und Maria Männig anlässlich der Tagung Lehrmedien der Kunst­ geschichte/Media in the Teaching of Art History am Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg, 22.–24.11.2018. Lektorat Deutsch: Karin Kirchhainer, Jasmin Kruse Lektorat Englisch: Jennifer Farned Gestaltung und Satz: Edgar Endl, booklab GmbH, München Reproduktionen: Lanarepro, Lana (Südtirol) Gedruckt in der Europäischen Union

Titelbild: Philipp Goldbach, Deakzession / Reakzession, 2016 (Detail), 15.000 Klein­ bilddias, Diathek des Kunsthistorischen Instituts der Ruhr-Universität Bochum, 1855 × 75 × 74 cm; Installationsansicht: Philipp Goldbach – bound to arrive as intruders, Kunstsammlungen der RuhrUniversität Bochum, 27.10.2016–23.4.2017. © Philipp Goldbach / VG Bild-Kunst, Bonn. Abbildungsnachweis: Paul Schöpfer, Köln

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