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German Pages 492 Year 1976
S. G. M I C H L I N LEHRGANG DER MATHEMATISCHEN P H Y S I K
MATHEMATISCHE
LEHRBÜCHER
UND
MONOGRAPHIEN
H E R A U S G E G E B E N VON D E R A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N D E R DDR Z E N T R A L I N S T I T U T FÜR MATHEMATIK UND MECHANIK
I. A B T E I L U N G MATHEMATISCHE
LEHRBÜCHER
B A N D XV
LEHRGANG DER MATHEMATISCHEN PHYSIK VON S. G. M I C H L I N
A K A D E M I E - V E R L A G 19 7 5
•
B E R L I N
S. G. M I C H L I N
LEHRGANG DER MATHEMATISCHEN PHYSIK In deutscher Sprache herausgegeben von
Prof. Dr. rer. nat. habil. F. K U H N E R T und Prof. Dr. rer. nat. habil. S. P R Ö S S D O R F
2., berichtigte Auflage
Mit 49
Abbildungen
A K A D E M I E - V E R L A G 1975
B E R L I N
C . T . MMX.TIIH K v p i ' MUTOMilTH'K't'liOii n:iin;ii Kr^-hicm-n im N'crliij: „Niiuktt", Moskau
Den Ischl* ( Imtsi-Uuii^: Prof. Dr. rer. nut. Iiubil. S I F . G F R I K D P R O S S D O R F . Karl-Marx-Stadt (Teil 1
V),
Dr. rer. mit. B E R N D SII-HKRMAN V Karl-Marx-Stadt (Teil VI
VII, Anhäufle)
Krsi'liirnrn im \kiidrinic-Ycrlap, 108 Drrlin, I.rip/.ifrrr SiraUc 3—4 r' 2. Auflage, Ak allein ¡r-Yrrlap, Berlin, 1975 I.iM-nznuminer: 202 • 100/420/75 O w n t Herstellung: VF.tl Dnirki rri „Thomas Müntzer**, 582 Bad Langensalza lleslellnuminer: 701 470 4 (5794) • LSV 1064 IVinted in CUR E V P 65, -
VORWORT
Das dem Leser vorgelegte Buch stellt eine Erweiterung von Vorlesungen über mathematische Physik dar, die ich im Laufe der letzten Jahre vor MathematikStudenten der Leningrader Universität gehalten habe. Wie die meisten Lehrbücher auf diesem Gebiet enthält das vorliegende Buch nur die Theorie der linearen partiellen Differentialgleichungen, fast ausschließlich zweiter Ordnung. Natürlicherweise nehmen die am weitesten entwickelten und für die Anwendungen wichtigsten drei Gleichungstypen — die elliptischen, parabolischen und hyperbolischen Gleichungen — in einem solchen Buch den ersten Platz ein. Die zuletzt genannten zwei Gleichungstypen lassen sich, zumindest im Lokalen, als abstrakte gewöhnliche Differentialgleichungen auffassen, welche die gesuchte Funktion außerdem unter dem Symbol eines elliptischen Differentialoperators enthalten. Daraus kann man ableiten, daß der elliptische T y p den grundlegenden Gleichungstyp für die klassische mathematische Physik darstellt und daß man das Studium gerade mit diesem T y p beginnen muß. I m Buch offenbaren sich die besondere Rolle und der hohe Entwicklungsstand der positiv-definiten Probleme (d. h. der Probleme mit einer positiv-definiten Energie). Diese lassen sich leicht mit der Variationsmethode behandeln, wobei es gelingt, auf natürliche Weise den Begriff der verallgemeinerten Lösung einzuführen. Ein derartiger Zugang ermöglicht es, ohne zusätzlichen Aufwand die Lösungen vieler positiv-definiter Probleme zu erhalten und damit sofort weit über den Rahmen eines klassischen Lehrbuches hinauszugehen. Ich halte es für zweckmäßig, vor der Behandlung der nicht stationären Gleichungen und der FoURiERschen Methode die Theorie des Eigenspektrums für positiv-definite Operatoren darzulegen, was mit Hilfe der Variationsmethode leicht möglich ist. Auf der Grundlage dieser Theorie wird das gemischte Randwertproblem für nicht stationäre Gleichungen gelöst: Die FouRiERsche Methode führt auf die Entwicklung nach dem Eigenspektrum, wodurch sich ohne große Mühe eine Begründung dieser Methode über den Begriff der verallgemein- rten (in gewissen Fällen auch der klassischen) Lösung geben läßt. Die Spektralzerlegung benutzen wir auch für die Lösung des CAUCHYschen Problems; für die
VI
Vorwort
Gleichungen mit konstanten Koeffizienten — die Wärmeleitungs- und die Wellengleichung — läßt sich dieses Problem allerdings einfacher und hinreichend allgemein über die koordinatenweise FouBiEB-Transformation lösen. Einen ihr gebührenden Platz n i m m t im Buch auch die Potentialtheorie ein. Wie man nämlich z. B . an den DntiCHLETschen und NEUMANNschen Problemen für die LAPLACE-Gleichung im Falle eines unendlichen Gebietes oder am Problem der Richtungsableitung erkennt, kann man sich nicht nur auf positivdefinite Probleme beschränken. Die potentialtheoretische Methode behandeln wir am Beispiel der LAPLAOE-Gleichung, da sie sich hier leichter anwenden läßt und sofort überzeugende Resultate liefert. Die gesamte Darlegung erfolgt für den allgemeinen Fall eines mehrdimensionalen Raumes. Die oben genannten Aspekte führen zu folgendem Aufbau des Buches. Der Haupttext ist in sieben Teile von unterschiedlichem Umfang gegliedert. Die ersten drei Teile haben vorbereitenden Charakter ; dem Teil I I („Elemente der Variationsrechnung") kommt außerdem eine gewisse selbständige Bedeutung zu. Der etwas kürzere Teil I V enthält den notwendigen formalen Apparat sowie die Formulierung der Grundbegriffe und die Aufgabenstellung für die wichtigsten Probleme. Teil V ist umfangmäßig der größte, was sich voll und ganz durch die besondere Rolle der elliptischen Differentialgleichungen erklären läßt. Wir heben in diesem Teil das letzte Kapitel hervor, das dem Problem der Richtungsableitung in einem zweidimensionalen Gebiet gewidmet ist, einem Problem, dessen Index von Null verschieden sein kann. Im Teil V I werden die Wärmeleitungs- und die Wellengleichung sowohl mit konstanten als auch mit variablen Koeffizienten untersucht. Eine Vereinigung beider Gleichungen in einem Teil erscheint mir sinnvoll: Ungeachtet der unterschiedlichen Eigenschaften lassen sich beide Gleichungen mit analogen Methoden lösen. Der umfangmäßig kleine Teil V I I ist dem Korrektheitsbegriff bei Problemen der mathematischen Physik gewidmet. Das Buch enthält außerdem vier kurze Anhänge, in denen einige neuere Ideen und Ergebnisse aus der Theorie der partiellen Differentialgleichungen dargelegt sind. Von mir stammt lediglich der Anhang 1. Die Herren W . M. BABITSCH,
W . G. MAZJA u n d I . J . BAKELMAN h a b e n sich
freundlicherweise
bereit erklärt, die übrigen Anhänge zu verfassen; ihnen möchte ich hiermit aufrichtig danken. Die Konzeption und den Hauptinhalt dieses Buches habe ich wiederholt mit meinen Kollegen vom Lehrstuhl für mathematische Physik an der Leningrader Universität, der von Akademiemitglied W . I. SMIRNOW geleitet wird, erörtert. Ihnen allen möchte ich meine tiefe Dankbarkeit ausdrücken. Zu besonderem Dank bin ich den Herren W . M. BABITSCH und W . G. MAZJA verpflichtet, deren Hinweise ich an mehreren Stellen des Buches benutzt habe. Auf ihren Überlegungen sind insbesondere die Ausführungen über die LJAPUNOW-Flächen im
Vorwort
VII
Kapitel 18 aufgebaut. Weiter möchte ich meinen Hörern I. N. KROLL, S. M.
MINEJEW und K . G. SEMJONOW für die Hilfe bei der Vorbereitung des Manuskrip-
tes danken. Schließlich bin ich dem Redakteur des Buches W. W. ABESTOW zu Dank verpflichtet, der das Manuskript sehr aufmerksam gelesen und wesentlich zu dessen Verbesserung beigetragen hat. Leningrad, Januar 1968
S . MICHLIN
VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
Beim Aufbau des vorliegenden Lehrganges habe ich mich von zwei grundsätzlichen Überlegungen leiten lassen: 1. Gegenwärtig kann man nicht die Theorie der partiellen Differentialgleichungen darlegen, ohne in vollem Umfang das Arsenal der Ideen und Mittel der Funktionalanalysis auszunutzen. 2. In einem Lehrgang der mathematischen Physik spielen die elliptischen Gleichungen die dominierende Rolle. "Bei den Änderungen, die ich für die deutsche Ausgabe geschaffen habe, war ich bemüht, den genannten Tendenzen verstärkt Rechnung zu tragen. Ich will die wichtigsten Änderungen aufzählen: Bei einer Reihe von Sätzen sind die Formulierungen verbessert und die Beweise vereinfacht worden. Der Zusammenhang zwischen den Begriffen der verallgemeinerten und der stetigen Ableitungen ist ausführlicher dargestellt worden. Der Begriff der verallgemeinerten Divergenz wurde eingeführt und mit dessen Hilfe genau beschrieben, wie man die EuLEKsche Gleichung im Falle mehrerer Variabler aufzufassen hat. Es wurde ein Kriterium dafür angegeben, daß ein Element des HILBERT-Raumes zum energetischen Raum eines gegebenen positiv-definiten Operators gehört. Der Satz über die höheren Ableitungen des Volumenpotentials wurde verbessert: Wir beweisen, daß diese Ableitungen einer gewissen LIPSCHITZ-Klasse angehören, wenn die Dichte des Potentials aus einer analogen Klasse genommen wird. Schließlich haben wir den Charakter der Anfangsbedingungen beim CAUCHYProblem für die Wellengleichung mit variablen Koeffizienten näher untersucht. Es ist mir eine Freude, die hohe Qualität der Übersetzung hervorzuheben, die von Prof. Dr. F. KUHNERT. Prof. Dr. S . PRÖSSDORF und Dr. B. SILBERMANN vortrefflich ausgeführt wurde. Leningrad, Januar 1972
S . MICHLIN
INHALTSVERZEICHNIS
Einführung Teil I. Mittelfunktionen
1 und verallgemeinerte Ableitungen
K a p i t e l 1. Mittel funktionell
7 7
§ 1. Der Mittelungskern § 2. Mittelfunktionen § 3. Konvergenz der Mittelfunktionen Übungsaufgaben
7 9 10 13
K a p i t e l 2. Verallgemeinerte Ableitungen
15
§1. Der Begriff der verallgemeinerten Ableitung § 2. Die einfachsten Eigenschaften der verallgemeinerten Ableitung § 3. Grenzwerteigenschaften der verallgemeinerten Ableitungen § 4. Der Fall einer unabhängigen Veränderlichen § 5. Die S0B0LEWschen Räume und Einbettungssätze Übungsaufgaben
15 19 21 23 25 20
Teil II. Elemente der Variationsrechnung
27
K a p i t e l 3. Grundbegriffe
27
§ 1. Beispiele zur Ermittlung des Extremums eines Funktionais § 2. Die Aufgabenstellung der Variationsrechnung § 3. Die Variation und der Gradient eines Funktionais § 4. Die ErrLERSche Gleichung §5. Die zweite Variation. Eine hinreichende Bedingung für das Extremum § 6. Das isoperimetrische Problem §7. Die Minimalfolge Übungsaufgaben K a p i t e l 4. Funktionale, die von reellen Funktionen reeller Veränderlicher abhängen § 1. § 2. § 3. § 4. § 5. § 6.
Das einfachste Variationsproblem Untersuchung der zweiten Variation Der Fall mehrerer unabhängiger Veränderlicher Funktionale, die von Ableitungen höherer Ordnungen abhängen Funktionale, die von mehreren Funktionen abhängen Natürliche Randbedingungen
27 28 31 39 43 44 49 49 51 51 53 55 59 (il 03
X
Inhaltsverzeichnis
K a p i t e l 5. Das Minimum des quadratischen Funktionais § § § § § § § §
70
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Der Begriff des quadratischen Funktionais 70 Positiv-definite Operatoren 71 Der energetische Raum 76 Das Minimumproblem des quadratischen Funktionale 84 Die verallgemeinerte Lösung 86 Über die Separabilität des energetischen Baumes 89 Die Erweiterung eines positiv-definiten Operators 91 Das einfachste Randwertproblem für die gewöhnliche lineare Differentialgleichung 95 § 9. Ein allgemeineres Minimumproblem für das quadratische Funktional 100 § 10. Der Fall eines nur positiven Operators 102 Übungsaufgaben '. 103 K a p i t e l 6. Das Eigenspektrum eines positiv-definiten Operators
104
§ 1. Der Begriff des Eigenspektrums eines Operators § 2. Eigenwerte und Eigenelemente eines symmetrischen Operators § 3. Das verallgemeinerte Eigenspektrum eines positiv-definiten Operators § 4. Die Variationsfassung des Eigenwertproblems § 5. Der Satz über den kleinsten Eigenwert § 6. Ein Satz über das diskrete Spektrum § 7. Das STUBM-LiOTmiXEsehe Problem § 8. Einige Elementarfälle § 9. Das Mini-Max-Prinzip § 10. ü b e r das Wachstum der Eigenwerte beim STURM-LiouvnxEschen Problem Übungsaufgabe Teil I I I . Elemente der Theorie der Integralgleichungen K a p i t e l 7. Vollstetige Operatoren
104 106 107 109 111 113 117 121 122 125 126 127
^. 127
§ 1. Notwendige Kenntnisse aus der Funktionalanalysis § 2. Der FBEDHOLMsche Operator § 3. Der Integraloperator mit schwacher Singularität § 4. Operatoren mit schwacher Singularität im Raum der stetigen Funktionen . . . . Übungsaufgaben K a p i t e l 8. Die FiiEDHOLMsche Theorie § 1. Gleichungen mit vollstetigen Operatoren. Integralgleichungen § 2. Überführung in eine endlichdimensionale Gleichung. Beweis des ersten und zweiten FsEDHOLMschen Satzes § 3. Beweis des dritten FsEDHOLMschen Satzes § 4. Beweis des vierten FBEDHOLUschen Satzes § 5. Die FBEDHOLMsche Alternative § 6. Über die Stetigkeit der Lösungen einer Gleichung mit schwacher Singularität
127 129 131 135 137 138 138 140 143 144 147 148
Teil IV. Allgemeines Über partielle Differentialgleichungen
151
K a p i t e l 9. Differentialgleichungen und Randwertaufgaben
151
§;1. §^2. § 3. §^4. § 5.
Der Differentialausdruek und die Differentialgleichung Die Klassifizierung der Differentialgleichungen zweiter Ordnung Randbedingungen und Randwertaufgaben Das CAUCHYsohe Problem Existenz-, Eindeutigkeits- und Korrektheitsprobleme bei Randwertaufgaben
151 153 156 159 160
Inhaltsverzeichnis
XI
K a p i t e l 10. Charakteristiken. Die kanonische Form. Die GsEENschen Formeln . . . 165 § 1. Transformation der unabhängigen Veränderlichen § 2. Charakteristiken. Die Beziehung zwischen den CAFCHYschen Anfangswerten auf der Charakteristik § 3. Transformation der Differentialgleichungen zweiter Ordnung auf die kanonische Form § 4. Der Fall zweier unabhängiger Veränderlicher § 5. Formal adjungierte Differentialausdrücke § 6. Die GsEENschen Formeln
105 167 169 170 173 174
Teil V. Gleichungen vom elliptischen Typ
179
K a p i t e l 11. Laplace-Gleichung und harmonische Funktionen
179
§ 1. § 2. § 3. § 4. § 5. § 6. § 7. § 8. § 9. § 10.
Grundbegriffe Die singulare Lösung der LAPACE-Gleichung Die Integraldarstellung für die Funktionen der Klasse C. 7. 8.
S 9. § 10. § 11. S 12. § 13. § 14.
L.TAi'uxow-Flächen 289 Der Raumwinkel 294 Das Potential der Doppelschicht 299 Das GAUsssche Integral 300 Die Grenzwerte des Potentials der Doppelschicht 303 Die Stetigkeit des Potentials der einfachen Schicht 306 Die Normalableitung des Potentials der einfachen Schicht 308 Zurückfiihrung der DiRicm.ETsehen und X-EUMA^xschen Probleme auf Integralgleichungen 312 Die DiRiciiLETsehen und XKU.MAN ssolieu Probleme im Halbraum 314 Untersuchung des ersten Paares adjungierter Gleichungen 316 Untersuchung des zweiten Paares adjungierter Gleichungen . . 317 Die Lösung des DmiCHLETschen Problems für das Außengebiet 320 Der Fall zweier unabhängiger Veränderlicher 322 Die Gleichungen der Potentialtheorie für den Kreis 327
K a p i t e l 19. Das Problem der Kichtungsableitung
330
S 1. Aufgabenstellung
330
§ 2. D e r HILBERTSCIU- O p e r a t o r
331
§ 3. Gleichungen mit dem HiLBERTschen Operator 336 § 4. Die Anzahl der Lösungen und der index des Problems der Kichtungsableitung in der zweidimensionalen Ebene 342 Teil VI. Xicht stationäre Gleichungen
345
K a p i t e l 20. Die Wärmeleitungsgleichung
345
§ 1. Die Wärmeleitungsgleichung und ihre Charakteristiken § 2. Das Maximumprinzip
345 347
Inhaltsverzeichnis § 3. § 4. § 5. § 0.
XIII
IJ 's CAUCHYsche Problem und die gemischte Aufgabe Eindeutigkeitssätze Abstrakte Funktionen einer reellen Veränderlichen Die verallgemeinerte Lösung der gemischten Aufgabe
K a p i t e l 21. Die Wellengleichung §1. Der Begriff der Wellengleichung § 2. Die gemischte Aufgabe und ihre verallgemeinerte Lösung § 3. Die Wellengleiohung mit konstanten Koeffizienten. Das CAUCHYsehe Problem. Der charakteristische Kegel § 4. Der Eindeutigkeitssatz für das CAUCHYsche Problem. Das Abhängigkeitsgebiet § 5. Die Erscheinung der Wellenausbreitung § 6. Die verallgemeinerte Lösung des CAUCUYschen Problems K a p i t e l 22. Die FouRiEitsche Methode § 1. § 2. § 3. § 4. § 5. § 6. § 7.
Einige Eigenschaften der FouRiER-Transformation Die Herleitung der PoissONschen Formel Die Begründung der PoissoNschen Formel Die unendliche Geschwindigkeit der Wärmeübertragung
K a p i t e l 24. Das CAUCHYsohe Problem für die Wellengleichung § 1. Die Anwendung der FouRiER-Transformation § 2. Die Umformung der Lösung § 3. Der Fall des dreidimensionalen Baumes § 4. Die Begründung der KnicHHOFFSchen Formel § 5. Die hintere Wellenfront §• 6. Der Fall m = 2 (Die Membranschwingungsgleichung) § 7. Die Saitenschwingungsgleichung § 8. Die Wellengleichung mit veränderlichen Koeffizienten Teil VII.
Korrekte und nicht korrekte Aufgaben
K a p i t e l 25. Über die Korrektheit der Aufgaben der mathematischen Physik § 1. § 2. § 3. § 4. § 5. § 6. § 7. jj 8.
357 357 358 361 362 364 366 369
Die FoüBlEBSche Methode für die Wärmeleitungsgleichung 369 Die Begründung der Methode 371 Über die Existenz der klassischen Lösung. Ein Spezialfall 374 Die FouBiERsche Methode für die Wellengleichung 376 Die Begründung der Methode für die homogene Gleichung 378 Die Begründung der Methode für homogene Anfangsbedingungen 381 Die Saitenschwingungsgleichung. Bedingungen für die Existenz der klassischen Lösung 383
K a p i t e l 23. Das CAUCHYsche Problem für die Wärmeleitungsgleichung § 1. § 2. § 3. § 4.
349 351 353 354
Der Hauptsatz Positiv-definite Aufgaben Das DnucHLETsche Problem für die homogene LAFLACE-Gleichung Das äußere NEUMANNsche Problem Das innere NEUMANNsche Problem Aufgaben der Wärmeleitung Abgeleitete Aufgaben für die Wellengleichung Über nicht korrekte Aufgaben der mathematischen Physik
386 386 390 393 396 398 398 400 403 405 408 409 410 411 417 417 417 418 420 421 423 425 427 428
XIV
Inhaltsverzeichnis
Anhänge
431
Anhang 1. Elliptische Systeme
431
Anhang 2. Über das CAUOHYsche Problem für hyperbolische Gleichungen (W. M. BABITSCH)
.'
437
Anhang 3. Einige Fragen der Theorie allgemeiner Differentialoperatoren (W. 6 . MAZJA) 447 Anhang 4. Nichtlineare elliptische Gleichungen zweiter Ordnung (I. J . BAKELMAN) 456 Literaturhinweise 497 Sachverzeichnis
473
EINFÜHRUNG
Die mathematische Physik ist ein Teilgebiet der allgemeinen Theorie der partiellen Differentialgleichungen. Die Bezeichnung „Mathematische Physik" rührt daher, daß dieses Teilgebiet aus der Betrachtung einiger einfacher und wichtiger Probleme der Physik entstanden ist. Wir betrachten einige dieser Probleme. 1. Das P r o b l e m der schwingenden S a i t e . Wir nehmen an, daß die Buhelage einer Saite mit der z-Achse übereinstimmt und die Schwingung derselben in der vertikalen Ebene erfolgt. Auf Grund irgendwelcher Ursachen sei die Saite aus dem Gleichgewichtszustand gebracht worden. Eine solche Ursache kann z. B. ein auf die Saite erfolgter Stoß sein. Dabei ändert die Saite ihre ursprüngliche Form; jeder Punkt der Saite erfährt einen gewissen Ausschlag. Der Einfachheit halber wollen wir annehmen, daß der Ausschlag senkrecht zur x-Achse und ständig in ein und derselben x, «-Ebene erfolgt (s. Abb. 1). u
Abb. 1 Die Ordinate u liefert dann die Abweichung der Saite von der Buhelage. Offensichtlich ist u eine Funktion zweier Veränderlicher — des Punktes x und der Zeit t: u = u(x, t). Wir setzen voraus, daß die Saite homogen ist, einen konstanten Querschnitt besitzt und daß zur Zeit t > 0 auf die Saite keinerlei äußere Kräfte einwirken; außerdem soll die Saite nicht dehnbar sein und keinen Widerstand gegen Biegung besitzen. Dann kann man zeigen, daß die Funktion u der linearen partiellen Differentialgleichung aJu _ l a2« ääF — HF HF
(l)
genügt. Dabei bedeutet a eine von den physikalischen Eigenschaften der Saite abhängige konstante Größe.
2
Einführung
Gleichung (1) beschreibt die tatsächlichen Vorgänge genähert und ist nur im Falle kleiner Ausschläge der Saite anwendbar. Sie heißt Wellengleichung mit zwei unabhängigen Veränderlichen oder Saitenschwingungsgleichung. Schwierigere physikalische Probleme führen auf Differentialgleichungen, die mit Gleichung (1) eine gewisse Ähnlichkeit besitzen, aber von komplizierterer Gestalt sind. So werden die Transversalschwingungen einer dünnen Membran,
entsprechenden Voraussetzungen durch folgende partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung beschrieben: asit , Shi = i e2« . .„. + ° = cons,t(2) Gleichung (2) heißt Membranschwingungsgleichung oder Wellengleichung mit drei unabhängigen Veränderlichen. Ähnlich wie die Saitenschwingungsgleichung beschreibt auch Gleichung (2) nur kleine Schwingungen der Membran. Die Wellengleichung mit vier unabhängigen Veränderlichen hat die Gestalt dH d*u ,3*u_ 1 02« .„. 2 _ Iii? """ "dz " ö 2 ~W' Diese Gleichung bestimmt z. B. das Geschwindigkeitsfeld eines schwingenden Gases, wenn man voraussetzt, daß die Geschwindigkeiten der Gasteilchen klein sind und außerdem ein Potential besitzen; letzteres bedeutet, daß eine Funktion u existiert derart, daß für den Geschwindigkeitsvektor v eines Gasteilchens die Beziehung v = grad u gilt. 2. Wir betrachten einen homogenen festen Körper und stellen uns vor, daß ein gewisser Teil seiner Oberfläche erhitzt wird. Dann entsteht in diesem Körper ein Temperaturfeld, wobei die Temperatur im Körper offensichtlich von Punkt zu Punkt verschieden ist und sich außerdem noch mit der Zeit ändert. Folglich ist die Temperatur u eine Funktion der unabhängigen Veränderlichen x, y, z, t: u = u(x, y, z, t). Man kann nun beweisen, daß diese Funktion eine partielle Differentialgleichung der Form Pu a2« a 2 » = öu k=2C0nat> (4) T T v dx> dt ' ' erfüllt.
Einführung
3
Der Ausdruck — 2 4- — 4d* lifi Ii* heißt gewöhnlich LAPLACE-Operator der Funktion u und wird mit dem Symbol A bezeichnet: 3*11 , 0 ,
r< h,
wh(r) = 0 ,
r ~2:h .
/ et>A(r) dy = r h sämtliche Ableitungen gleich Null sind. Es ist deshalb hinreichend zu beweisen, daß die Funktion (1) für r = h Ableitungen beliebiger Ordnung nach r besitzt, die alle gleich Null sind und daß die für r < h berechneten Ableitungen mit r -*h gegen Null streben. Den Beweis führen wir für die erste Ableitung; für die höheren Ableitungen verläuft der Beweis analog. a) Die Funktion mh(r) ist stetig für r = h. In der Tat folgt aus Formel (1), daß eoÄ (h + 0) = 0 = a>ft(A) ist. Andererseits gilt (oh(h — 0) = cA lim r
_ **
e
wegen
^ _
—
= 0
A—0
k2 — r2 r-*>>-0
00
"
b) Die Ableitung co'h(h) existiert und ist gleich Null. Es ist nämlich lim
r- + 0 r-vft
«"»W ~
h—r
=
Hm 0 = 0 .
r-»-A + 0
Gleichzeitig gilt Ä» ]im
r-*h — 0
«»»(O-auW^ lim « r— h r->-h — 0
f
= Q > r
~
Ä
wovon man sich z. B . mit Hilfe der L'HospiTALEschen Regel überzeugen kann. Somit existiert also der Grenzwert
lim
m »< r)
~ f » W = co'h(h) T— h
und ist gleich Null, c) Es gilt die Relation lim wh(r) = ch r-*h — 0
2rh 2 lim — — e ~r )
0,
die sich ebenfalls mit Hilfe der i/HospiTALEschen Regel leicht nachprüfen läßt.
§ 2. Mittelfunktionen
9
Also existiert die erste Ableitung cj'h(r) und ist für beliebiges r stetig. Genauso weist man die Existenz und Stetigkeit der folgenden Ableitungen nach Die Eigenschaft 4 ist bewiesen. § 2. Mittelfunktionen Es sei Q ein endliches Gebiet des Baumes En und u(y) eine auf Q summierbare Funktion. Wir setzen diese Funktion außerhalb Q fort, indem wir sie dort gleich Null setzen. Es sei x ein beliebiger Punkt des Baumes Em. Wir setzen Mx) = / to»(r) u(y) dy , a
(1)
wobei wh(r) irgendein Mittelungskern ist, der die Eigenschaften 1—4 aus § 1 besitzt. Die Funktion uh heißt Mittelfunktion bezüglich u; die Zahl h heißt Radius der Mittelung. Die Mittelfunktion kann man noch in zwei weiteren Formen darstellen: 1. Beachtet man, daß u(y) = 0 ist für y i Q, so kann man das Integral (1) auf den gesamten Baum ausdehnen, und dann gilt uh{x) = / to»(r) u(y) dy . Ä»
(1 a)
2. Infolge der Eigenschaft 2 des Mittelungskernes braucht man nicht über den gesamten Baum zu integrieren, sondern nur über die Kugel vom Badius h mit dem Mittelpunkt x: / a>h{r) u(y) dy . r xm die Koordinaten des Punktes x. Mit x' bezeichnen wir den Punkt mit den Koordinaten xv . . ., Xj_u x} -fxj+i> • •' > xm- Schließlich sei r' = \x' — y\. Wir bilden den Ausdruck uh(x') - uh(x) = r A J
{y)
mh(r') - **. dx*'... dxfy ~ J Em
1
2
m
a**> öxl>...
u{y)
dy
>
(2a)
S4-. ..
U{y) dy • ~ J dx*' 64'... W r u(x) h-t-0 gleichmäßig in jedem abgeschlossenen inneren Teilgebiet2) des Gebietes Q. 1)
Der Abstand vom Punkt x zu ü wird durch die Formel Q(X, Ü) = inf \x — y\
yiü
definiert. Offensichtlich ist g(x, ü) = 0 für x t Q. 2 ) Teilgebiet des Gebietes Q heißt jedes Gebiet Ü' c ü . Dabei heißt Q' inneres Teilgebiet, wenn seine Abschließung ß ' C Q ist, d. h. wenn il' zusammen mit seinem Rand im Inneren von ii liegt.
§ 3. Konvergenz der Mittelfunktionen
11
Beweis. Es sei Q' ein inneres Teilgebiet des Gebietes Q. Wir konstruieren ein Gebiet Q", das ein inneres Teilgebiet von Q ist und das seinerseits Q' als inneres Teilgebiet enthält (Abb. 3).
Die Ränder der Gebiete £2' und Q" bezeichnen wir entsprechend mit F' und / " ' ; h0 sei der kleinste Abstand zwischen den Punkten der Ränder T" und F " . Wir wählen h < A0. Auf Grund der Formel (2 b) und der Eigenschaft 3 des Mittelungskernes aus § 1 erhalten wir uh(z) - u(x) = f [u(y) - w(a:)] wh(r) dy .
(1)
t
Wir behandeln jetzt einige Beispiele. B e i s p i e l 1. Es sei Q das Intervall ( — 1, 1). Die Funktion u(x) = |a;| besitzt die verallgemeinerte Ableitung u'{x) = sign x. Wenn nämlich oo Lassen wir in Gleichung (1) n gegen oo streben, so finden wir X
u{x) = / v(t) dt + c . a
(2)
Die Beziehung (2) gilt fast überall auf dem Segment [a, ß]. Die rechte Seite dieser Gleichung ist aber überall auf diesem Segment definiert und stetig. Wir nehmen jetzt an, die Gleichung (2) gelte überall auf [ u = O.
(8)
Als Element der Menge D(F) erfüllt sie auch die Bedingungen (7). Ausführlicher behandeln wir das einfachste Yariationsproblem in Kap. 4. Als Beispiel betrachten wir das Problem der Brachistochrone. In diesem Fall ist 0(x, u, U) =
.
41
§ 4. Die EtTLERsche Gleichung
Unmittelbar können wir uns hier nicht auf Gleichung (8) berufen, da die Funktion 0 bei u = 0 unstetig ist und folglich nicht die Bedingungen aus § 3 erfüllt. Wir beweisen aber, daß Gleichung (8) anwendbar ist. Das Problem der Brachistochrone besitze eine Lösung u0(x). Aus physikalischen Überlegungen ergibt sich u0(x) > 0 für x > 0; andernfalls würde sich der gleitende materielle Punkt auf einigen Wegstücken nach oben bewegen, wofür zusätzlich Zeit aufgewandt werden müßte. Auf dem Intervall (0, a) wählen wir einen beliebigen Punkt a'. Wir konstruieren eine Funktion rj(x), die die folgenden Eigenschaften besitzt: a) r] 6 6'(1)[0, a]; b) rj{x) ==0, 0 x fS a ' ; c) rj(a) = 0; ansonsten ist die Funktion rj beliebig. Wir setzen dx,
F(u)
und es sei u(x) = u0(x) + 0; außerdem ist m(0) = 0, u(a) == b. Folglich gilt F(u) = F (u0 +