Lehrbuch des Deutschen Strafrechts [24. Aufl. (44.–45. Tsd), Reprint 2022]
 9783112659847, 9783112659830

Table of contents :
Obersetzungen.
Vorwort zur 21. und 22. Auflage
Vorwort zur 23. Auflage
Vorwort zur 24. Auflage
Inhaltsverzeichnis.
Abkürzungen.
Druckfehlerberichtigung.
Einleitung.
Allgemeiner Teil
Erstes Buch. Das Verbrechen
Zweites Buch. Die Strafe mit Einschlufs der sichernden Mafsnahmen
Besonderer Teil. Die einzelnen Verbrechen und ihre Bestrafung
Einleitung ( § 79. Obersicht des Systems)
Erstes Buch. Die strafbaren Handlungen gegen Rechtsgüter des einzelnen.
Zweites Buch. Die strafbaren Handlungen gegen Rechtsgüter der Gesamtheit
Paragraphenregister
Sachregister
Front Matter 2
Nachtrag I.
Nachtrag II.
Nachtrag III.
Nachtrag IV.
Nachtrag V.

Citation preview

Lehrbuch des

Deutschen Strafrechts. Voll

Dr. Franz v. Liszt, weiland ord. Professor der R e c h t e in Berlin.

Vierundzwanzigste Auflage (44 — 45. Tausend) nach dem Tode des Verfassers besorgt von

Dr. Eberhard Schmidt, o r d . Professor der R e c h t e in Breslau.

Berlin und Leipzig

1922

Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter & Co. vormals G . J . G ö s c h e n ' s c h e Verlagshandlung — J . G u t t e n t a g , Verlagsbuchhandlung — G e o r g R e i m e r — Karl J . T r ü b n e r — V e i t & C o m p .

Obersetzungen. 1. Ins P o r t u g i e s i s c h e von José Hygino Duarte P e r e i r a . 2 Bände. Rio de Janeiro 1899 (bei F. Briguiet). 2. Ins N e u g r i e c h i s c h e von Konstantin A. K y p r i a d e s . 2 Bde. 1. Bd. 1900, 2. Bd. 1914. 3. Ins S e r b i s c h e von Mil. R. W e s n i t s c h . Belgrad 1902. 4. Ins R u s s i s c h e von F. E l i a s c h e w i t z . Moskau 1903. 5. Ins J a p a n i s c h e von O k a d a , A b i c o , Suni. 2. Bände. Tokio 1903. 6. Ins F r a n z ö s i s c h e von René L o b s t e i n mit einem Vorwort von E. Garçon. 2 Bände. 1. Bd. 1911, 2. Bd. 1913 (Paris bei V. Giard et E. Brière). 7. Ins S p a n i s c h e von Quintiliano S a l d a n a (Madrid bei Hijos de Reus). 1. Bd. 1914. Ein 2. und 3. Band dürften während des Krieges erschienen sein.

Alle Rechte vorbehalten.

Vorwort zur 21. und 22. Auflage. Schon vor etwa zwei Jahren war die 20. Auflage dieses Buches erschöpft. Der rechtzeitigen Neubearbeitung stellten sich untibersteigliche Hindernisse in den Weg. Zunächst mußte die bereits begonnene n . Auflage meines Völkerrechts fertig gestellt werden. Kaum war das erreicht (das Vorwort ist vom Dezember 1917), da machte mir eine schwere Erkrankung lange Monate hindurch jede wissenschaftliche Betätigung unmöglich. Ein anastatischer Neudruck mußte einstweilen die Lücke ausfüllen. Erst im Frühsommer 1918 konnte ich mit den Vorarbeiten beginnen, die sich diesmal zeitraubender gestalteten als sonst. Die strafrechtliche Literatur ist gerade während der Kriegsjähre besonders fruchtbringend gewesen. Neben den Neuauflagen der Kommentare von Erank (1914), Olshausen-Zweigert (1916) hat sie uns den neuen, im ganzen vorzüglichen Kommentar von Schwartz (1914) gebracht. Dazu kamen das Lehrbuch von Wachenfeld (1914), ME Mayers tiefgründiges Werk „Der allgemeine Teil des deutschen Strafrechts" (1915) und Köhlers mehr umfang- als inhaltsreiches „Deutsches Strafrecht. Allgemeiner Teil" (1917). Von diesen Werken hattq meine letzte, im September 1913 abgeschlossene Auflage noch keines berücksichtigen können. Ihre sorgfältige Durcharbeitung brachte reiche Anregung, gab vielfachen Anlaß zur Überprüfung der von mir bisher vorgetragenen Ansichten und nötigte fast in jedem Paragraphen zu Zusätzen und Abänderungen. Dennoch habe ich die Anlage des Buches (von der Umstellung der beiden ersten Abschnitte der Einleitung abgesehen) beibehalten können. Und trotz der nicht unbeträchtlichen Vermehrung des Inhalts ist es durch sparsamere Anordnung des Satzes gelungen, den Umfang um etwa einen Druckbogen zu verringern. Der Druck hatte mit den bekannten Schwierigkeiten zu kämpfen. Und wenn es der bewährten Druckerei von Lippert & Co. in Naumburg a/S. im allgemeinen auch gelungen ist, ihrer Herr zu werden,

IV

Vorwort zur 21. und 22. Auflage.

so muß doch die freundliche Nachsicht des Lesers manche Unebenheiten des Satzes entschuldigen. Besonders störend war für die Korrektur die andauernde Unsicherheit und Langsamkeit der Postverbindung. Doppelten Dank schulde ich daher meinen jungen Freunden, Herrn Dr. Eberhard Schmidt (Assistenten des kriminalistischen Instituts der Universität Berlin) und Herrn Rechtsanwalt Oborniker für ihre freundliche Unterstützung, dem letzteren auch für die Herstellung der Register. Der Druck des besonderen Teils war schon weit vorgeschritten, als die Novemberrevolution einsetzte und mit der Beseitigung der Monarchie die Strafdrohungen gegenstandslos machte, die zu deren Schutz bestimmt waren. Ich habe, von anderen Erwägungen abgesehen, schon im Interesse der Geschlossenheit des Systems es für richtiger gehalten, diese von der Gesetzgebung noch nicht zum Ausdruck gebrachten Änderungen auch im letzten Viertel des Buches unberücksichtigt zu lassen. Die notwendigen Streichungen wird der Leser selbst leicht vornehmen können. Die Strafgesetze der Revolutionszeit konnten, teilweise wenigstens, noch bei der Korrektur erwähnt werden. Die neue Auflage geht in einem Zeitpunkt hinaus in die Öffentlichkeit, in dem wieder einmal die Umgestaltung unseres Strafgesetzbuchs in greifbare Nähe gerückt scheint. Daß es mir, wenn die seit Jahren gehegte Hoffnung sich erfüllt, noch vergönnt sein wird, das seit 1881 eingeführte, jetzt in 40 000 Exemplaren verbreitete Buch dem Strafrecht der Zukunft anzupassen, wage ich nicht zu hoffen. Darum wollte ich diesem Vorwort, das vielleicht zugleich ein Schlußwort ist, das Verzeichnis der mir bekannt gewordenen Übersetzungen beifügen. Sind sie doch auch zugleich ein Beweis des Ansehens, dessen sich bis zum Kriegsausbruch die deutsche Strafrechtswissenschaft im Ausland erfreute. Daß sie dieses heute verlorene Ansehen wiedergewinnen wird, ist mir keinen Augenblick zweifelhaft. Glücklich das Geschlecht, das die Wiederaufrichtung der internationalen Arbeitsgemeinschaft auch auf dem Gebiet der Wissenschaft erlebt! S e e h e i m a. d. Bergstraße, den 1. April 1919.

Dr. Franz v. Liszt.

Vorwort zur 23. Auflage. Am 21. Juni 1919 schloß Franz v. Liszt die Augen für immer. Mit ihm schied einer der größten Strafrechtslehrer von uns, dessen bahnbrechende Geistesarbeit der Wissenschaft neue Ziele setzte und sich in der strafrechtlichen Gesetzgebung aller Kulturstaaten für lange Zeiten wiederspiegeln wird. Durch Liszts Wirken, so sehr es das vorteilhafte Gepräge deutscher Gelehrtenarbeit trug, ging ein internationaler Zug. Das zeigt nicht nur seine Tätigkeit in der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung, sondern auch sein in der ganzen Welt anerkanntes und über die ganze Welt verbreitetes L e h r b u c h d e s D e u t s c h e n S t r a f r e c h t s . Liszt hat mit diesem Buch eine Pionierarbeit für das internationale Ansehen der deutschen Strafrechtswissenschaft geleistet, für die wir ihm nicht dankbar genug sein können. Die Hoffnung, daß sein Lehrbuch zur Wiedergewinnung dieses Ansehens wird beitragen können, hat ihn vielleicht nicht zuletzt bestimmt, für die Weiterherausgabe des Werkes auch nach seinem Tode Sorge zu tragen. Im Oktober 1918 ersuchte mich Liszt, die Herausgabe des Lehrbuchs nach seinem Tode zu übernehmen. Der sehr starken Bedenken, die dagegen sprachen, war ich mir bewußt. Das bedeutendste bestand darin, daß Liszts Lehrbuch ein Stück ureigenster Persönlichkeit seines Verfassers ist und daß daher die Fortsetzung von fremder Hand, auch wenn sie noch so pietätvoll erfolgt, die geschlossene Harmonie des Werkes notwendigerweise stören wird. Trotz dieses und anderer Bedenken glaubte ich mich der Verantwortung, die mit der Übernahme der Herausgabe verbunden ist, nicht entziehen zu dürfen. Leider ist meine damalige Hoffnung, daß mir in g e m e i n s a m e r Arbeit mit Liszt, wie sie bei der Besorgung der 21. und 22. Auflage stattgefunden hatte, ein weiteres, tieferes Einfühlen in Liszts Arbeitsweise möglich sein würde, durch Liszts allzufrühen Tod vernichtet worden.

VI

Vorwort zur 23. Auflage.

Die Gesichtspunkte, die mich bei der Herausgabe der vorliegenden Auflage geleitet haben, seien hier in K ü r z e dargelegt. Den Lisztschen T e x t , soweit es irgend anging, unberührt zu lassen, war mir ein selbstverständliches Gebot der Pietät. Dies war um so eher möglich, als die letzte von Liszt selbst besorgte Auflage, wie alle ihre Vorgängerinnen, auf der Höhe der modernen Forschung stand und nicht die geringsten Altersspuren aufwies. Damit aber waren mir die Wege, die ich zu gehen hatte, genau vorgezeichnet. E s k a m einmal darauf an, das Lehrbuch dem jüngsten Stande der Strafgesetzgebung anzupassen, andererseits, die Literaturnachweise unter den Überschriften der einzelnen Paragraphen und in dep Anmerkungen nach Maßgabe der Neuerscheinungen zu vervollständigen und zu ergänzen. Revolution und Friedensvertrag wirkten auf das Strafrecht insofern mittelbar ein, als sie gewisse Rechtsgüter, die bisher strafrechtlich geschützt waren, beseitigten. Monarchie und Wehrpflicht haben aufgehört, Schutzobjekte des deutschen Strafrechts zu sein. Die Lösung der Frage, ob damit auch die jene Einrichtungen schützenden Strafrechtssätze als aufgehoben und beseitigt zu betrachten sind oder ob sie so lange weiter „ g e l t e n " , bis der Gesetzgeber sie expressis verbis aufhebt, möchte ich den Staatsrechtlern überlassen. Eine Erörterung jener jedenfalls bedeutungslos gewordenen Strafrechtssätze kommt im Lehrbuch unter keinen Umständen mehr in Frage; die ihnen gewidmeten Stellen mußten daher gestrichen werden. W o solche Streichungen vorgenommen worden sind, fehlt es an der in Betracht kommenden Stelle nicht an einem entsprechenden Hinweis. Von dieser negativen Bedeutung der Revolution und des Friedensvertrages abgesehen, waren aber vor allem auch zahlreiche positive Gesetzesänderungen zu berücksichtigen. Die Reichsverfassung vom 1 1 . August 1919 und der Friedensvertrag mußten eingearbeitet werden. V o n besonderer Bedeutung war hierbei das Recht des Ausnahmezustandes (Art. 48 RVerf.), das in dem ganz neu gefaßten § 25 des Lehrbuchs dargestellt worden ist. D a s Gesetz gegen das Glücksspiel vom 23. Dezember 1919 erforderte eine teilweise Umänderung des Textes im § 144 des Lehrbuchs, das Straftilgungsgesetz vom 9. April 1920 erforderte die Einfügung zweier neuer, selbständiger Paragraphen über die Rehabilitation (§§ 78a

Vorwort zur 23. Auflage.

VII

und 78b). Auch die Steuergesetzgebung von 1 9 1 9 und 1920 mußte mit ihren wichtigsten Bestimmungen Erwähnung finden. Nicht geringer war die Arbeit, die mir der Fortgang der S t r a f r e c h t s r e f o r m bei der Herausgabe bereitete. Außer dem Entwurf eines Jugendgerichtsgesetzes von 1920 konnten in letzter Stunde (zum großen Teil schon während der Korrektur) auch noch der Kommissionsentwurf von 1 9 1 3 und der jüngste Entwurf von 1 9 1 9 nebst der umfänglichen Denkschrift zu diesem letzteren eingearbeitet werden. Dabei habe ich mich durchweg streng an die von Liszt bisher befolgte Methode gehalten, indem ich regelmäßig von den Vorschlägen des Vorentwurfs ausgegangen bin und die Bestimmungen der anderen Entwürfe im Anschluß daran und unter Vergleichung mit dem Vorentwurf dargestellt habe. Außer zahlreichen kürzeren Zusätzen im Text und in den Anmerkungen machte- die Berücksichtigung der Entwürfe namentlich in den §§ 16 und 66 des Buches erheblichere Umgestaltungen notwendig. Boten so die Gesetzgebung und die Strafrechtsreform neben den äußeren politischen Verhältnissen Veranlassung zu einer nicht unbeträchtlichen Vorarbeit für die neue Auflage, so erforderte auch die seit der letzten Bearbeitung erschienene L i t e r a t u r eine mühevolle und dabei entsagungsreiche Arbeit von Seiten des Herausgebers. In der Literatur fehlte es nicht an bedeutsamen Neuerscheinungen, die auch dem Lehrbuch gegenüber zu kritischer Stellungnahme anregten. Ich habe mich jedoch durch literarische Meinungsäußerungen an keiner Stelle des Buches zu textlichen Änderungen verleiten lassen, sondern habe mich darauf beschränkt, den Standpunkt des betreffenden Schriftstellers gegenüber dem Lehrbuch in den Anmerkungen zu erkennen zu geben. Nach den gleichen Grundsätzen ist auch die R e c h t s p r e c h u n g d e s R e i c h s g e r i c h t s eingearbeitet worden. Was den Umfang der von mir herangezogenen Literatur betrifft, so habe ich mich, einem alten Brauch Franz von Liszts folgend, im. wesentlichen an die Anschaffungen des Kriminalistischen Instituts der Universität Berlin gehalten. E s versteht sich somit von selbst, daß alle wichtigeren Neuerscheinungen der deutschen strafrechtlichen Literatur berücksichtigt worden sind. Dies gilt nicht nur von den allgemeinen Werken, wie dem letzten Bande von Bindings Normen, dem Kommentar der Reichsgerichtsräte Ebermayer, Eichelbaum, Lobe und Rosenberg, dem großen historischen Werke von His über das Strafrecht des deutschen Mittel-

VIII

Vorwort zur 23. Auflage.

alters und dem Buche von Nagler über die Strafe, sondern auch, von der monographischen Literatur, unter der m. E. Honigs „Einwilligung des Verletzten", Kerns „Äußerungsdelikte", Pertens „Beihilfe zum Verbrechen" besondere Beachtung verdienten, und von den Aufsätzen unserer führenden juristischen Zeitschriften. Die Dissertationenliteratur mußte vielfach auch für die Zeit nachgetragen werden, da Franz v. Liszt die Bearbeitung selbst besorgen konnte. Das lag daran, daß die Bestände des Kriminalistischen Instituts an Dissertationen aus dem Jahre 1918 im Laufe des letzten Jahres einen erheblichen Zuwachs erhalten haben. Vollständigkeit ist hinsichtlich der Dissertationenliteratur weder erreichbar noch erstrebenswert. Im allgemeinen sei bemerkt, d a ß ich nur selten über das Jahr 1917 mit Literaturnachtragungen zurückgegangen bin. — Ein besonderes W o r t sei zu dem die a u ß e r d e u t s c h e S t r a f g e s e t z g e b u n g d e r G e g e n w a r t behandelnden § 17 des Lehrbuchs gestattet. Eine Überprüfung des gesamten hierin enthaltenen reichen Materials ist mir leider nicht möglich gewesen; ich mußte mich damit begnügen, die Notizen, die in den mir zugänglichen deutschen und ausländischen Zeitschriften über die Strafgesetzgebung des Auslandes enthalten waren, zu verwerten, und hoffe, d a ß mir dabei nichts Wichtiges entgangen ist. Sehr wertvoll war es mir, daß Herr Professor Dr. Frantz Dahl in Kopenhagen sich der Mühe unterzog, die Angaben über den skandinavischen Norden auf Richtigkeit und Vollständigkeit nachzuprüfen. Die Änderungen, die ich in diesem Abschnitt vorgenommen habe, gehen sämtlich auf seine Anregung zurück. E s ist mir ein besonderes Bedürfnis, Herrn Professor Dr. Dahl an dieser Stelle für seine liebenswürdige Unterstützung und das meiner Arbeit entgegengebrachte Interesse meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. F ü r die übrigen ausländischen Gebiete habe ich einen so freundlichen Mentor leider nicht gefunden, so d a ß ich den Leser hinsichtlich etwaiger Unrichtigkeiten u m Nachsicht bitten muß. Besonderen D a n k schulde ich endlich Herrn Geh. Justizrat Professor D r . Frevdenthal in F r a n k f u r t a. Main, der mich durch vielfachen wertvollen R a t bei der Bearbeitung unterstützt hat. Herrn cand. jur. Wegner in Berlin danke ich für freundliche Hilfe bei der Anfertigung der Register. —

Vorwort zur 23. Auflage.

IX

Ich habe geglaubt, daß ich Zusätze im literarischen Apparat, soweit sie lediglich der Vervollständigung der literarischen und Quellennachweise dienen, nicht besonders als von mir herrührend zu kennzeichnen brauchte. Weitergehende Zusätze aus meiner Feder habe ich sowohl im Text, wie auch in den Anmerkungen in eckige Klammern ([ ]) gesetzt. Neue Anmerkungen erhielten eine Buchstabenbezeichnung (a), l a ), l b ), usw.). Neu ausgearbeitete Paragraphen im Texte des Lehrbuchs habe ich durch einen Stern (*) neben der Überschrift gekennzeichnet. Der Leser wird aus der Seltenheit dieser Zeichen ersehen, daß Liszt in alter Weise zu Worte kommt und daß es immer noch Franz von Liszts Lehrbuch ist, das hiermit von neuem in die Welt geht. Wenn ich das Gefühl haben dürfte, daß auch die neue Auflage geeignet sei, dem Lehrbuch die alten Freunde zu erhalten und neue zu erwerben, so würde meine Arbeit aufs reichste belohnt sein. B e r l i n - S ü d e n d e , im April 1921. Mittelstr. u / 1 2 .

Dr. Eberhard Schmidt.

Vorwort zur 24. A u f l a g e . D i e v o r l i e g e n d e N e u a u f l a g e ist ein Notbehelf.

Sie soll d i e

B e f r i e d i g u n g der nach wie v o r regen N a c h f r a g e nach dem L e h r buch ermöglichen, stellt aber keine N e u b e a r b e i t u n g dar, ist

lediglich

ein

mit

einer

Reihe

von

sehener unveränderter A b d r u c k der v o r i g e n umfassende Überarbeitung

sondern

Nachträgen

ver-

Auflage.

eine

Für

schien die Zeit nicht günstig.

E s ist

für die allernächste Zeit der A b s c h l u ß der Strafrechtsreform erwarten.

Eine völlige Neubearbeitung,

die

bedeutend

zu

längere

Zeit in A n s p r u c h g e n o m m e n haben würde, w ü r d e der Gefahr ausgesetzt gewesen

sein, durch

den R e f o r m a b s c h l u ß

überrascht

werden, und hätte dann vielleicht gar nicht erscheinen

zu

können.

D a r u m habe ich mich entschlossen, an der bisherigen B e a r b e i t u n g nichts zu ändern und nur in 5 Nachträgen die wichtigsten N e u e r u n g e n auf d e m Gebiete des Strafrechts darzustellen, namentlich die Geldstrafennovelle

vom

21.

Dezember

1921

Schutze der Republik v o m 21. Juli 1Q22.

und

das

Gesetz

zum

D i e seit dem A b s c h l u ß

der v o r i g e n A u f l a g e erschienene Literatur mußte einstweilen unberücksichtigt bleiben, desgleichen die R e c h t s p r e c h u n g des Reichsgerichts. B r e s l a u , den 5. A u g u s t

1922.

Scharnhorststraße 28.

Dr. Eberhard Schmidt.

Inhaltsverzeichnis. Einleitung. §

i.

Der B e g r i f f des S t r a f r e c h t s und die A u f g a b e des L e h r buchs. I. D a s S t r a f r e c h t als die rechtlich begrenzte S t r a f g e w a l t des Staates. II. Die Kriminalpolitik. I I I . D i e Geschichte. I V . Die Quellen des Strafrechts

i

I. Die antisoziale Bedeutung des Verbrechens und die soziale Funktion der Strafe. §

2.

§

3.

§

4.

§

5.

D a s S t r a f r e c h t als R e c h t s g ü t e r s c h u t z . I. Die Rechtsordnung. II. D a s Verbrechen. I I I . D i e Strafe. I V . S e k u n d ä r e N a t u r des Strafrechts D i e U r s a c h e n u n d d i e A r t e n d e r K r i m i n a l i t ä t . I. D e r Begriff der Kriminologie. I I . A k u t e und chronische K r i m i nalität. III. Der „Verbrechertypus". I V . D i e soziologische A u f f a s s u n g des Verbrechens Die kriminalpolitischen Forderungen der Gegenwart. I. D e r G r u n d g e d a n k e . I I . Seine E i n z e l a n w e n d u n g . I I I . Die Schranken des Z w e c k g e d a n k e n s Der S t r e i t der S t r a f r e c h t s s c h u l e n . I. Der .Gegensatz der beiden Richtungen. II. Die Milderung des Gegensatzes. I I I . D i e legislativen Ergebnisse

3

8 12 19

II. Die Geschichte des Strafrechts. §

6.

§

7.

§

8.

§

9.

§ 10. § 11. § 12.

Allgemein-geschichtliche Einleitung. I. Rechtsvergleichung und K r i m i n a l p o l i t i k . I I . D e r soziale C h a r a k t e r der ursprünglichen Strafe. I I I . D i e staatliche Strafe. IV. Der Z w e c k g e d a n k e in der S t r a f e D a s S t r a f r e c h t d e r R ö m e r . I. B i s z u m 7. J a h r h u n d e r t der S t a d t . I I . D i e Zeit des Quästionenprozesses. I I I . D i e K a i s e r zeit Das mittelalterlich-deutsche Strafrecht. Erster Abs c h n i t t . D a s frühere Mittelalter: B i s z u m 13. J a h r h u n d e r t . I. Ursprünglicher Charakter. II. Das Kompositionensystem. I I I . D i e öffentliche Strafe. I V . D e r Zerfall der fränkischen Monarchie. Zweiter Abschnitt. D a s spätere Mittelalter: V o m 13. bis ins 16. J a h r h u n d e r t D i e p e i n l i c h e G e r i c h t s o r d n u n g K a r l s V . I. D i e italienischen Juristen des Mittelalters. I I . D i e populär-juristische L i t e r a t u r Deutschlands. I I I . D e u t s c h e G e s e t z g e b u n g e n ; insbesondere die Schwarzenbergischen Arbeiten. I V . Die Entstehungsgeschichte der P G O . V . I h r e B e d e u t u n g D a s g e m e i n - d e u t s c h e S t r a f r e c h t . I. D i e G e s e t z g e b u n g bis z u r M i t t e des 18. Jahrhunderts. I I . D i e gemeinrechtliche Wissens c h a f t . I I I . D i e Rechtspflege. I V . D i e G e s e t z g e b u n g seit 1750 D a s Z e i t a l t e r d e r A u f k l ä r u n g . I. D i e literarische B e w e g u n g . I I . A n e r k e n n u n g der neuen G e d a n k e n d u r c h die G e s e t z g e b u n g W i s s e n s c h a f t u n d G e s e t z g e b u n g b i s z u m J a h r e 1870. I. D i e W i s s e n s c h a f t des Strafrechts. I I . D i e Geschichte der deutschen S t r a f g e s e t z g e b u n g : Erster A b s c h n i t t . D i e deutschen

27 29

33

40 44 50

XII

Inhaltsverzeichnis. Seite

§ 13.

§ 14. § 15.

§ 16.

§ 17.

Strafgesetzbücher v o r 1 8 5 1 . Zweiter Abschnitt. D a s preußische Strafgesetzbuch v o n 1 8 5 1 . Dritter Abschnitt. Die deutsche Landesstrafgesetzgebung nach 1 8 5 1 • Die E n t s t e h u n g und W e i t e r b i l d u n g des R e i c h s s t r a f gesetzbuchs. I. Fehlgeschlagene Versuche. I I . Das S t G B f ü r den Norddeutschen B u n d . I I I . D a s R S t G B . I V . und V . Spätere Abänderungen. V I . Die Novelle vom 19. J u n i 1 9 1 2 V I I . Die Novelle v o m 23. Dezember I 9 i 9 Die übrigen Reichsstrafgesetze Literatur des R e i c h s s t r a f r e c h t s und seiner Hilfsw i s s e n s c h a f t e n . I. Textausgaben. I I . Systematische Darstellungen. I I I . K o m m e n t a r e . I V . Abhandlungen allgemeineren Inhalts. V . Zeitschriften. V I . Spruchsammlungen. V I I . S t r a f rechtsfälle. V I I I . Hilfswissenschaften Die deutsche Strafrechtsreform. I . Die Vorarbeiten. I I . Der Vorentwurf. I I I . Der Gegenentwurf. I V . Der K o n i missionsentwurf und der Entwurf 1 9 1 9 . V . Der E n t w u r f eines Jugendgerichtsgesetzes Die aulierdeutsche S t r a f g e s e t z g e b u 11g. I. Österreich, Ungarn. I I . Die Niederlande. I I I . Der skandinavische Norden. I V . Der europäische Osten. V . Der europäische Südosten. V I . Die Schweiz. V I I . Frankreich, B e l g i e n , L u x e m b u r g , Monaco. V I I I . Die iberische Halbinsel. I X . Die italienische H a l b insel. X . Die S t a a t e n mit englisch-amerikanischem R e c h t . X I . Die mittel- und südamerikanischen Staaten. X I I . Die T ü r k e i . X I I I . Die hinterasiatischen S t a a t e n

53

60 64

72

75

80

III. Die Quellen des Reichsstrafrechts. § 18.

§ 19.

§ 20.

§ 21.

§ 22.

§ 23.

§ 24.

D a s S t r a f g e s e t z . I . Norm und Strafgesetz. I I . Das gesetzte R e c h t als einzige Quelle der Strafrechtssätze. I I I . Gesetz, Verordnung, V e r t r a g . I V . B e g r i f f des Gesetzes. D r u c k f e h l e r u n d Redaktionsversehen. V . Die gesetzlichen Quellen. V I . B l a n k e t t gesetze Das zeitliche Geltungsgebiet der Strafrechtssätze. I . Beginn und E n d e ihrer Herrschaft. I I . Die sog. rückwirkende K r a f t der Strafrechtssätze. I I I . Anwendung des mildesten Gesetzes Das sachliche Geltungsgebiet der Strafrechtssätze. R e i c h s r e c h t u n d L a n d e s r e c h t . I . Der Grundsatz. I I . Die reichsrechtlich nicht geregelten „ M a t e r i e n " . I I I . Weitere Beschränkungen der Landesgesetzgebung. I V . Die Ausführungsgesetze der Einzelstaaten Das räumliche Geltungsgebiet der Strafrechtssätze. G r u n d s ä t z l i c h e E r ö r t e r u n g . I . B e g r i f f des internationalen Strafrechts. I I . Die Prinzipien des internationalen Strafrechts. I I I . Die moderne Gesetzgebung F o r t s e t z u n g . D i e d e u t s c h e R e i c h s g e s e t z g e b u n g . I . Der Ausgangspunkt. I I . D e r strafrechtliche Begriff des Inlands. I I I . I m Auslande begangene Übertretungen. I V . Verbrechen und Vergehen im Auslande. V . Besondere Bestimmungen. V I . Die E n t w ü r f e Fortsetzung. Internationale Rechtshilfe. I . Die A u s lieferung als A k t der internationalen Rechtshilfe. I I . D i e deutschen Auslieferungsverträge. D a s A s y l r e c h t politischer V e r brecher und die belgische Attentatsklausel Das persönliche G e l t u n g s g e b i e t der S t r a f r e c h t s s ä t z e . I . Staatsrechtliche und I I . völkerrechtliche Befreiungen. I I . Die Militärpersonen

88

92

95

99

101

107 110

Inhaltsverzeichnis.

XIH Seite

§ 25.

A u s n a h m e r e c h t . I. Bedeutung des Art. 48 RVerf. II.Aufhebung der entgegenstehenden früheren Bestimmungen des Reichs- und Landesrechts. III. Delegation derBefugnisse des Reichspräsidenten nach Art. 48 RVerf. IV. Das Reichsgesetz vom 30. November 191g. V . Das Kriegs- und Nachkriegsstrafrecht

112

Allgemeiner Teil. Erstes Buch.

Das Verbrechen. § 26. § 27.

D e r B e g r i f f d e s V e r b r e c h e n s . I. Begriffsmerkmale. II. Erscheinungsformen. III. Kriminelles Unrecht und Polizeidelikt D i e D r e i t e i l u n g d e r S t r a f t a t e n . I. Geschichtliches. II. Die Dreiteilung des geltenden Rechts. III. Anwendung der Dreiteilung

117 120

I. Abschnitt.

Die Verbrechensmerkmale. I. Das Verbrechen als Handlung. § 28. § 29. § 30. § 31.

D e r A l l g e m e i n b e g r i f f der H a n d l u n g . I. Die Willensbetätigung. II. Der Erfolg. III. Beziehung des Erfolges auf die Willensbetätigung 1. D a s T u n . I. Die Körperbewegung. II. Die Verursachung. III. Folgesätze. IV. Einschränkungen und Ausnahmen. V. Geschichte der Frage. VI. Der Stand der Ansichten . . 2. D a s U n t e r l a s s e n . I. Begriff der Unterlassung. II. Die rechtswidrige Unterlassung. III. Die Kausalität der Unterlassung D i e H a n d l u n g im A u f b a u d e r T a t b e s t ä n d e . I. Die Ausführungshandlung. II. Vorsatz und Fahrlässigkeit. III. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit. IV. Zeit und Ort der Handlung

122 127 133

136

II. Das Verbrechen als rechtswidrige Handlung. § 32.

§ 33. § 34. § 35.

D i e R e c h t s w i d r i g k e i t a l s B e g r i f f s m e r k m a l . I. Begriff der Rechtswidrigkeit. II. Abgrenzung der rechtmäßigen und rechtswidrigen Handlung. III. Wegfall der Rechtswidrigkeit. IV. Geschichtliche Entwicklung 139 D i e N o t w e h r . I. Geschichte. II. Die Merkmale des Begriffes. III. Überschreitung der Notwehr 143 D e r N o t s t a n d . 1. Geschichte. II. Begriff. III. Das geltende . Recht, insbesondere das B G B 148 Die übrigen Fälle ausgeschlossener Rechtswidrigkeit. I. Amtspflicht. II. Besondere Berechtigung. III. Das richtige Mittel zum richtigen Zweck. IV. Einwilligung des Verletzten. V . Selbstverletzung. VI. Wahrheitsgetreue Kammerberichte 152 III. Das Verbrechen als schuldhafte Handlung.

§ 36.

D e r S c h u l d b e g r i f f . I. Schuld im weiteren und im engeren Sinn. II. Geschichte des Schuldbegriffs. III. Schuldfreies Unrecht

158

XIV

Inhaltsverzeichnis.

§ 37.

Die Zurechnungsfähigkeit. I. Die Zurechnungsfähigkeit als normaler Zustand. II. Die verminderte Zurechnungsfähigkeit. III. Die actiones liberae in causa. IV. Mangelnde Zurechnungsfähigkeit und die Teilnahme D i e F ä l l e d e r Z u r e c h n u n g s u n f ä h i g k e i t . I. Fehlende geistige Reife; Jugend und Entwicklungshemmung. II. Fehlende geistige Gesundheit. III. Bewußtseinsstörungen D e r V o r s a t z . I. Begriff. II. Die Arten. I I I . Die Subsumtion unter das Gesetz F o r t s e t z u n g . D e r I r r t u m . I. Begriff und Einfluß auf den Vorsatz. II. Wesentlicher und unwesentlicher Irrtum. III. Aberratio ictus und error in persona D a s B e w u ß t s e i n der R e c h t s w i d r i g k e i t . I. Der Grundsatz. II. Folgesätze. III. Ausnahmen D i e F a h r l ä s s i g k e i t . I. Geschichte. II. Begriff. III. Einfluß des Irrtums. IV. Die fahrlässigen Vergehen in der Reichsgesetzgebung. V. Fahrlässigkeit in bezug auf einzelne Vergehensmerkmale. V I . Grade der Fahrlässigkeit Die V e r s c h u l d u n g bei P r e ß v e r g e h e n . I. Die Unzulänglichkeit der allgemeinen Grundsätze. II. Der verantwortIII. Die preßrechtliche Fahrliche Redakteur als Täter. lässigkeit

Seite

§ 38. § 39. § 40. § 41. § 42.

§ 43.

164 168 171 177 180

184

187

I V . D a s Verbrechen als strafbares Unrecht.

§ 44.

§ 45.

Unrecht und Verbrechen. I. Bürgerliches und peinliches Unrecht. II. Die Tatbestandsmäßigkeit. III. Bedingungen der Strafbarkeit im eigentlichen Sinne. I V . Prozeßvoraussetzungen . . . . • D e r A n t r a g d e s V e r l e t z t e n . I. Geschichte und Stand der Gesetzgebung. II. De lege ferenda. Die beiden Gruppen der Antragsvergehen. III. Der Antrag im geltenden Reichsrecht

190 194

II. Abschnitt.

Die Verbrechensformen. I. Vollendung und Versuch des Verbrechens.

§ 46.

§ 47. § 48.

D e r B e g r i f f d e s V e r s u c h e s . I. Vollendetes und versuchtes Verbrechen. II. Geschichte des Versuchsbegriffes. I I I . Vorbereitung und Ausführung. I V . Arten des Versuches. V . Zweifelhafte Fälle. V I . Strafbarkeit des Versuches . . . D e r „ u n t a u g l i c h e V e r s u c h " . I. Geschichte der Frage. I I . Der Grundsatz D e r R ü c k t r i t t v o m V e r s u c h . I. Seine Bedeutung. II. Rücktritt beim beendeten und beim nichtbeendeten Versuch. III. Freiwilligkeit des Rücktritts. I V . Der Rücktritt als Strafaufhebungsgrund

200 207

210

II. Täterschaft und Teilnahme.

§ 49.

§ 50.

Überblick und Geschichte. I. Die Grundgedanken des geltenden Rechts. II. Die Geschichte der Frage. I I I . Die akzessorische Natur der Teilnahme. I V . Begünstigung; K o m plott und Bande. V . Die notwendige Teilnahme. V I . Die Entwürfe 1. D i e T ä t e r s c h a f t . I. Begriff. II. Sog. mittelbare Täterschaft. III. Mittäterschaft. I V . Nebentäterschaft

2*3 217

Inhaltsverzeichnis.

XV Seit»

$ 51. $ 52.

§ 53.

§ 54. § 55. § 56. § 57.

2. D i e T e i l n a h m e . I. Anstiftung. I I . Beihilfe D i e T e i l n a h m e . F o l g e s ä t z e . I. Vorsätzliche Teilnahme an vorsätzlicher Handlung. I I . Strafbarkeit der Haupthandlung. I I I . Unselbständigkeit der Teilnahm ehandlung. IV. Mehrfache Beteiligung an demselben Vergehen. V. Einschränkungen des Grundsatzes Die Teilnahme. Einfluß persönlicher Verhältnisse. I. Folgerung aus der unselbständigen Natur der Teilnahme. II. S t G B . § 50. I I I . Andere Fälle III. Einheit und Mehrheit der Verbrechen. E i n h e i t u n d M e h r h e i t d e r H a n d l u n g e n . I. Der Grundgedanke. I I . und I I I . Die Fälle der Handlungseinheit . . H a n d l u n g s m e h r h e i t und V e r b r e c h e n s e i n h e i t . I. Der Begriff. II. Die Anwendungsfälle. I I I . Das sog. Kollektivverbrechen D i e V e r b r e c h e n s e i n h e i t . I. Die richtige Auffassung. I I . Der 1. Fall. Scheinbare Gesetzeskonkurrenz. I I I . Der 2. Fall. Die scheinbare Verbjrechenskonkurrenz (Idealkonkurrenz) . . D i e V e r b r e c h e n s m e h r h e i t . I. Der Rückfall. II. Zusammentreffen mehrerer Verbrechen (Realkonkurrenz)

222

226 230

232 234 238 242

Zweites Buch.

Die Strafe mit Einschlufs der sichernden Mafsnahmen. 1. § 58.

§ 59§ 60. § 61.

§ 62. § 63. § 64. § 65. § 66.

D e r B e g r i f f der S t r a f e . I. Die Begriffsmerkmale. Strafe und sichernde Maßnahmen. II. Folgerungen aus dem Begriff. I I I . Disziplinarstrafe. Ordnungsstrafen. Polizeistrafe

245

II. Die Strafarten (Das Strafensystem). D a s S t r a f e n s y s t e m des g e l t e n d e n R e c h t s u n d d e r Entwürfe. I. Haupt- und Nebenstrafen. Nachstrafen. I I . Das System der Strafmittel im R S t G B . I I I . Die Entwürfe 249 Die Todesstrafe. I. Geschichte. II. Anwendungsgebiet. I I I . Vollzug der Todesstrafe 251 D i e F r e i h e i t s s t r a f e . I h r e G e s c h i c h t e . . I. Die alten Zuchthäuser. I I . Der Beginn der Reform. I I I . Der Streit der Systeme in Nordamerika. IV. Der Sieg der Einzelhaft. V. Das sog. irische System und die bedingte Entlassung. V I . Das Refcrrmatorysystem (Elmira). V I I . Der Strafvollzug und die Reichsgesetzgebung 255 D i e F r e i h e i t s s t r a f e n der R e i c h s g e s e t z g e b u n g . I. Die Arten. II. Ihre Unterschiede. I I I . Vollzug der Freiheitsstrafe 259 D i e G e l d s t r a f e . I. Anwendungsgebiet. I I . Reichsstrafgesetzbuch. I I I . Nebengesetze. I V . Verwendung der Geldstrafen 262 N e b e n s t r a f e n an der F r e i h e i t . . I. Polizeiaufsicht. I I . Überweisung an die Landespolizeibehörde. I I I . Ausweisung . . . 263 Ehrenstrafen. I. Der Verweis. I I . Nebenstrafen an der Ehre. I I I . Aberkennung sämtlicher Ehrenrechte. IV. Aberkennung einzelner Ehrenrechte. V. Nachverfahren . . . . 265 D i e s i c h e r n d e n M a ß n a h m e n der d e u t s c h e n E n t w ü r f e .

XVI

Inhaltsverzeichnis. Seite

I. Erziehungsmaßregeln gegen Jugendliche. I I . V e r w a h r u n g bei fehlender oder verminderter Zurechnungsfähigkeit. I I I . W i r t s h a u s v e r b o t und Trinkerheilanstalt. I V . D a s Arbeitshaus. V . D i e V e r w a h r u n g gefährlicher Gewohnheitsverbrecher. V I . Das Aufenthaltsverbot. V I I . Die Reichsverweisung gegen Ausländer

269

Anhang. § 67.

Die Buße.

§ 68.

D i e r i c h t e r l i c h e S t r a f z u m e s s u n g . I. A b s o l u t e und relative Strafdrohungen. I I . D i e S t r a f r a h m e n des heutigen R e c h t s . I I I . Die Strafzumessung. I V . S t r a f ä n d e r u n g . V . S t r a f u m w a n d lung. Strafanrechnung S t r a f ä n d e r u n g : 1. S t r a f s c h ä r f u n g . I. Allgemeines. I I . D i e Rückfallsschärfung. I I I . Die E n t w ü r f e S t r a f ä n d e r u n g : 2. S t r a f m i l d e r u n g . I. Allgemeine Milderungsgründe. Jugend, Versuch, B e i h i l f e . I I . Besondere Milderungsgründe. D i e „mildernden U m s t ä n d e " Strafumwandlung. I. U m w a n d l u n g der Geldstrafe in Freiheitsstrafe. I I . U m w a n d l u n g einer Freiheitsstrafe in eine andere. I I I . U m w a n d l u n g der E i n z i e h u n g in Geldstrafe . . A n r e c h n u n g auf die v e r w i r k t e Strafe. I. A n r e c h n u n g der Untersuchungshaft. I I . Anrechnung der im A u s l a n d e vollzogenen Strafe. I I I . E r w i d e r u n g oder A u f r e c h n u n g . . . Z u s a m m e n t r e f f e n mehrerer S t r a f t a t e n („reale K o n k u r renz"). I. N o t w e n d i g k e i t einer Milderung des H ä u f u n g s prinzips. I I . D i e Gesamtstrafe. I I I . und I V . A b w e i c h u n g e n . V . Besondere B e s t i m m u n g e n der Nebengesetze

I. I h r Anwendungsgebiet.

II. Ihr Wesen

. . . .

271

III. D a s S t r a f m a ß in Gesetz und Urteil.

§ 69. § 70 § 71. § 72. § 73.

I V . Der W e g f a l l des staatlichen

§ 74.

§ 75. § 76. § 77. § 78.

§ 78b.

276 277 279 280

282

Strafanspruchs.

Die S t r a f a u f h e b u n g s g r ü n d e im allgemeinen. I. Der Begriff. I I . D e r Tod des Schuldigen. I I I . D i e t ä t i g e R e u e . I V . G u t e F ü h r u n g des Verurteilten. Bedingte Verurteilung. Rehabilitation Die Begnadigung. I. B e g r i f f , Geschichte und A u f g a b e . I I . W i r k u n g . A r t e n . I I I . D i e Träger des B e g n a d i g u n g s r e c h t s . I V . Zusammentreffen landesrechtlicher Begnadigungsansprüche Die V e r j ä h r u n g im a l l g e m e i n e n . I. Rechtsgrund der Verjährung. I I . Ihre W i r k u n g . I I I . Ihre Geschichte Die Verfolgungsverjährung. I. D i e V e r j ä h r u n g s f r i s t e n . I I . Beginn der V e r j ä h r u n g . I I I . Unterbrechung. I V . R u h e n und V . W i r k u n g der V e r j ä h r u n g Die Vollstreckungsverjährung. I. D i e V e r j ä h r u n g s f r i s t e n . II. Beginn der V e r j ä h r u n g . I I I . U n t e r b r e c h u n g der V e r j ä h r u n g . I V . V e r j ä h r u n g der Nebenstrafen. V . V e r j ä h r u n g in d e n Nebengesetzen V. Die

§ 78a.

273

285 287 290 292

295

Rehabilitation.

Ü b e r b l i c k u n d G e s c h i c h t e . I. D e r Grundgedanke. I I . D i e Geschichte D a s g e l t e n d e d e u t s c h e R e c h t . I. D a s Strafregisterwesen. I I . D a s Straftilgungsgesetz v o m 9. A p r i l 1920

296 300

Inhaltsverzeichnis

XVII Seite

Besonderer Teil. Die einzelnen Verbrechen und ihre Bestrafung. § 79.

Ü b e r s i c h t des S y s t e m s . I. Begriff des Rechtsgutes. II. Rechtsgüter des einzelnen. III. Rechtsgüter der Gesamtheit . . . 306 Erstes Buch.

Die strafbaren Handlungen gegen Rechtsgüter des einzelnen. Erster Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben. § 80.

A l l g e m e i n e s . I. Der Rechtsbegriff „Mensch". und III. Gefährdung von Leib und Leben

II. Verletzung

§ 81.

B e g r i f f u n d A r t e n der T ö t u n g . I.Begriff. II. Die Handlung. III. Die Arten der Tötung 312 D i e v o r s ä t z l i c h e g e m e i n e T ö t u n g . G e s c h i c h t e . I. Römi : sches Recht. II. Das deutsche Mittelalter. III. Die Karolina. IV. Das gemeine Recht. V. Die neuere Gesetzgebung. VI. Das Merkmal der Überlegung 313 Die vorsätzliche gemeine Tötung. Das geltende Recht. I. Mord und Totschlag. II. Mildere und III. schwerere Fälle des Totschlags 315 D i e K i n d e s t ö t u n g . I. Geschichte. II. Begriff. III. Gegenstand und IV. Subjekt der Tötung. V. Strafe 317 D i e T ö t u n g a u f V e r l a n g e n . I. Geschichte. II. Geltendes Recht. III. Bestrafung 320 D i e f a h r l ä s s i g e T ö t u n g . I. Geschichte. II. Geltendes Recht 321

310

I. Die Tötung.

§ 82.

§ 83. § 84. § 85. § 86.

II. Die Körperverletzung. § 87. § 88.

§ 89.

G e s c h i c h t e u n d B e g r i f f . I.Geschichte. II. Begriff der Körperverletzung. III. Die Widerrechtlichkeit; insbesondere Einwilligung des Verletzten 32?. Die A r t e n der K ö r p e r v e r l e t z u n g . I. Die leichte vorsätzliche, II. die gefährliche Körperverletzung. III. Die Mißhandlung Pflegebefohlener. IV. Die schwere Körperverletzung. V . Die Körperverletzung mit tödlichem Ausgange. V I . Die fahrlässige Körperverletzung. VII. Die Körperverletzung im A m t und die Mißhandlung militärisch Untergebener . . . . 325 V e r f o l g u n g u n d B e s t r a f u n g . I. Antragserfordernis. II. Antragsberechtigung . III. Buße. IV. Erwiderung (Retorsion) 329 III. Die Gefährdung von Leib und Leben.

§ 90. §91. | 92.

1. D i e A u s s e t z u n g . I.Geschichte. II. Begriff. III. Bestrafung 330 2. D i e V e r g i f t u n g . I.Geschichte. II. Begriff. III. Bestrafung 332 3. D e r R a u f h a n d e l . I. Geschichte. II. R S t G B § 227,1. Absatz. III. R S t G B § 227, 2. Absatz 334 v. Li»st, Strafrecht. 24 Aufl. JI

XVIII

Inhaltsverzeichnis.

§ 93.

4. D e r Z w e i k a m p f . I. Geschichte und systematische Stellung. II. Begriff des Zweikampfes. III. Die Herausforderung zum Zweikampf. IV. Bestrafung. V. Der Zweikampf aus militärdienstlicher Veranlassung

Seite

336

IV. Die Abtreibung. § 94.

I. Geschichte.

II. Begriff.

III. Die Arten

342

Zweiter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen unkörperliche Rechtsgüter. I. Strafbare Handlungen gegen die Ehre. §

95.

§

96.

§

97.

G e s c h i c h t e u n d B e g r i f f der B e l e i d i g u n g . I. Injuria und Beleidigung. II. Der Begriff der Ehre. III. Die Handlung. IV. Die Reclitswidrigkeit Die A r t e n der B e l e i d i g u n g . I. Die einfache Beleidigung. II. Die üble Nachrede. III. Die Verleumdung. IV. Die Kreditgefährdung. V. Die sog. Beleidigung Verstorbener V e r f o l g u n g und B e s t r a f u n g der B e l e i d i g u n g . I. Der Wahrheitsbeweis. II. Das Antragserfordernis. III. Erwiderung. I V . Privatgenugtuung

347 355 359

II. Strafbare Handlungen gegen die Freiheit. §

98.

§

99.

§ xoo. § 101. § 102.

B e g r i f f der F r e i h e i t s v e r b r e c h e n . I. Die persönliche Freiheit. II.-Die Arten ihrer Verletzung. III. Die Mittel der Verletzung: Gewalt, Drohung, List, Mißbrauch der Amtsgewalt G e s c h i c h t e der Freih-eitsverbrcchen. I. Das crimen vis. II. Das A L R . III. Das R S t G B . IV. Bekämpfung des Negerhandels 1. D i e N ö t i g u n g . I. Begriff. II. Die Nötigungsmittel. III. Widerrechtlichkeit der Nötigung. IV. Versuch und Vollendung. V. § 153 der Gewerbeordnung 2. D i e F r e i h e i t s b e r a u b u n g (oder E i n s p e r r u n g ) . I. Der Begriff. II. Die Mittel und III. die Vollendung der Freiheitsberaubung. IV. Die Bestrafung V . Begehung durch Beamte. 3. D e r M e n s c h e n r a u b . I. Der Begriff im allgemeinen. II. Der eigentliche Menschenraub. III. Der Kinderraub. IV. Sklavenraub und Sklavenhandel

361 364 367 369 370

III. Strafbare Handlungen gegen Sittlichkeit und Schamgefühl. § 103. § 104. § 105. § 106. § 107.

Ü b e r s i c h t . I. Das geschützte Rechtsgut. II. Der Begriff der unsittlichen Handlung. III. Geschichtliche Übersicht . . . 1. D i e E n t f ü h r u n g (oder d e r F r a u e n r a u b ) . I. Geschichte. II. Begriff. III. Die Arten 2. D i e N ö t i g u n g z u r U n z u c h t ( i n s b e s o n d e r e d i e N o t z u c h t ) . I. Geschichte. II. Die Fälle des R S t G B . . . . 3. U n z u c h t u n t e r M i ß b r a u c h e i n e s A b h ä n g i g k e i t s v e r h ä l t n i s s e s . I. Geschichte. II. Die Fälle des R S t G B . . 4. D i e V e r f ü h r u n g z u m B e i s c h l a f . I. Die Erschleichung des Beischlafs. II. Die Verführung eines unbescholtenen jungen Mädchens

374 378 381 384 386

Inhaltsverzeichnis. § 108. § 109.

§ 110. § in.

XIX

5. K u p p e l e i , Z u h ä l t e r e i u n d F r a u e n h a n d e l . I. Geschichte. II. Begriff der Kuppelei. I I I . Ihre Arten. I V . Die Zuhälterei. V . Der Frauenhandel 6. V e r l e t z u n g d e s S i t t l i c h k e i t s g e f ü h l s . I. Erregung eines öffentlichen Ärgernisses. II. Verbreitung unzüchtiger Schriften. III. Schriften, die das Schamgefühl verletzen. I V . Mitteilungen aus nichtöffentlichen Gerichtsverhandlungen . . . 7. D i e w i d e r n a t ü r l i c h e U n z u c h t . I. Geschichte. II. Geltendes Recht 8. D i e B l u t s c h a n d e . I.Begriff. II. Geschichte. III. Geltendes Recht

Seite

387

394 397 399

IV. Strafbare Handlungen gegen Familienrechte (Personenstand und Ehe).

§ 112. '§ 113. § 114. § 115. § 116.

Ü b e r s i c h t . I. Personenstand. II. Namenrecht. III. Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern und zwischen Ehegatten i . D i e V e r l e t z u n g des Personenstandes. I. Geschichte und Begriff. II. Das geltende Recht. III. § 68 des Personenstandsg 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n b e i S c h l i e ß u n g d e r E h e . I. Die Eheerschleichung. II. Amtsdelikte bei Schließung der Ehe 3. D i e m e h r f a c h e E h e . I. Begriff und Geschichte. II. Das geltende Recht 4. D e r E h e b r u c h . I. Geschichte. II. Begriff. Das geltende Recht .

400 401 403

404 406

V . Strafbare Handlungen gegen die Religionsfreiheit und das religiöse Gefühl.

§ 117. § 118.

G e s c h i c h t e und B e g r i f f . I. Geschichte der Religionsvergehen. II. Der Gegenstand des Strafschutzes. III. Reichsrecht und Landesrecht 408 Die einzelnen Religionsvergehen. I. Gotteslästerung. II. Beschimpfung von Religionsgemeinschaften. III. Beschimpfender Unfug. I V . Störung des Gottesdienstes. V . Störung des Gräberfriedens 411 V I . Hausfriedensbruch und Verletzung fremder Geheimnisse.

§; 119. § 120.

§

121.

i.Der Hausfriedensbruch. I. Geschichte. I I . Begriff. I I I . Arten 415 2. D i e V e r l e t z u n g f r e m d e r G e h e i m n i s s e . I. Allgemeines. II. Verletzung des Briefgeheimnisses. I I I . Offenbarung von Privatgeheimnissen 418 V I I . Störung des persönlichen Rechtsfriedens durch Bedrohung. I . B e g r i f f des Rechtsfriedens. I I . D i e Bedrohung in der G e schichte und I I I . im geltenden R e c h t Dritter A b s c h n i t t .

Strafbare Handlungen gegen Urheberrechte und Erfinderrechte. $ 121.

i . D i e V e r l e t z u n g des schriftstellerischen und k ü n s t l e r i s c h e n U r h e b e r r e c h t s (mit Einschlufi d e s V e r l a g s -

II»

421

XX

§ 123.

§ 124.

Inhaltsverzeichnis. rechts). I. Das schriftstellerische Urheberrecht. II. Das Verlagsrecht. III. Das künstlerische Urheberrecht 2. D i e V e r l e t z u n g d e s g e w e r b l i c h e n Urheberrechts. I. Verletzung des Urheberrechts an (Geschmacks-) Mustern und Modellen. II. Verletzung des Patentrechts. III. Verletzung des Rechts an Gebrauchsmustern 3. D e r u n l a u t e r e W e t t b e w e r b und v e r w a n d t e D e l i k t e . I. Allgemeiner Begriff. II. Das G vom 7. Juni 1909. III. Verrat von Geschäftsgeheimnissen außerhalb des unlauteren Wettbewerbs. IV. Schutz des Firmen- und Namenrechts (des Rechts auf Warenbezeichnungen)

S«ite

424

428

430

Vierter Abschnitt. Strafbare Handlungen gegen Vermögensrechte. § 125.

Übersicht. I. Schutz der dinglichen Rechte, II. der Zueignungsrechte, III. der Forderungsrechte. IV. Delikte gegen das Vermögen überhaupt. V. Ergänzende Strafdrohungen

438

I. Strafbare Handlungen gegen dingliche Rechte. § 126.

1. D e r D i e b s t a h l . Geschichte. I. Das römische Recht. II. Das deutsche Mittelalter. III. Die Italiener. IV. Die PGO. V. Das gemeine Recht und die Landesgesetzgebung 440 § 127. D e r B e g r i f f d e s D i e b s t a h l s . I. Begriffsbestimmung. II. Die fremde bewegliche Sache. III. Der Gewahrsam. IV. Das Wegnehmen. V. Die Zueignungsabsicht. VI. Versuch und Vollendung. V I I . Der Verletzte 442 § 128. D i e A r t e n d e s D i e b s t a h l s . I. Der einfache Diebstahl. II. Der schwere Diebstahl. III. Diebstahl im Rückfall. IV. Der räuberische Diebstahl. V. Der Familien- und Hausdiebstahl. VI. Die Notentwendung 450 § 129. D e m D i e b s t a h l v e r w a n d t e F ä l l e . I. Gebrauchsanmaßung. II. Besitzentziehung. III. Forst- und Felddiebstahl. IV. Zueignung von Munition. V. und VI. R S t G B § 370 Ziff. 1 und 2. VII. Der Mundraub. V I I I . Der Futterdiebstahl 456 § 130. 2. D e r R a u b . I. Geschichte. II. Begriff. III. Die Arten des Raubes. IV. Nebenstrafe 459 § 131. 3. D i e U n t e r s c h l a g u n g . I.Geschichte. II. Begriff. III. Die Arten der Unterschlagung. IV. Depotg. vom 5. Juli 1896 462 § 132. 4. D i e S a c h b e s c h ä d i g u n g . I.Geschichte. II. Begriff. III. Die Arten 466 § 133. 5. D i e E n t z i e h u n g e l e k t r i s c h e r A r b e i t . I. Das Rechtsgut. II. und III. Die beiden Fälle 469 II. Verletzung von Zueignungsrechten.

§ 134.

I.Verletzung des Jagdrechts. II. Verletzung des Fischereirechts. III. Verletzung des Bergrechts

§ 135.

i.Der Vertragsbruch. I. Geschichte. II. Das geltende Recht 2. D i e U n t r e u e . I. Geschichte. II. R S t G B § 266. III. Die Untreue nach den Versicherungsgesetzen. IV. Das Hypo-

471

III. Strafbare Handlungen gegen Forderungsrechte.

§ 136.

475

Inhaltsverzeichnis.

§ 137.

§ 138.

thekenbankg. vom 13. Juli 189g. V. Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 und G betr. die Privatversicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901. VI. Genossenschaftsg. vom 1. Mai 1889. V I I . Börseng. vom 8. Mai 1898 . . . . 3. D e r B a n k b r u c h . I. Geschichte. II. Begriff. III. Die Arten des Bankbruchs. IV. Verwandte Vergehen nach der Konkursordng. V. Strafdrohungen des Handelsgesetzbuchs und VI. des Depotg. von 1896 4. D i e V o l l s t r e c k u n g s v e r e i t e l u n g

XXI Seite

476

478 486

IV. Strafbare Handlungen gegen das Vermögen überhaupt. § 139. § 140. § 141. § 142. § 143.

§ 144. § 145, § 146. § 147.

i . D e r B e t r u g . G e s c h i c h t e und B e g r i f f . I. Geschichte des Betruges. II. Die Begriffsmerkmale 487 D i e A r t e n d e s B e t r u g e s . I. Einfacher Betrug. II. Betrug im Rückfall. III. Versicherungsbetrug. IV. Der Notbetrug. V. Das betrügerische Kurstreiben 493 2. D i e E r p r e s s u n g . I.Geschichte. II. Begriff. III. Die Strafe der Erpressung 496 3. S t r a f b a r e A u s b e u t u n g a n d e r e r . Allgemeines, a) D i e Übervorteilung Minderjähriger. I. Grundsätzliche Bedeutung. II. Übervorteilung Minderjähriger 498 Fortsetzung. b) D e r W u c h e r und v e r w a n d t e F ä l l e . I. Geschichte. II. Der Kreditwucher. III. Der Geschäftsoder Sachwucher. IV. Mit dem Wuchergesetz zusammenhängende Strafdrohungen. V. Abzahlungsgeschäfte. VI. Verleitung zu Börsenspekulation 500 4. D i e G e f ä h r d u n g d e s V e r m ö g e n s , a) D a s G l ü c k s spiel. I. Begriff. II. Die Arten 504 b) D i e ö f f e n t l i c h e A u s s p i e l u n g ( L o t t e r i e ) . I. Geschichte und systematische Stellung. II. R S t G B § 286. III. Prämienpapiere: G vom 8. Juni 1871 508 c) G e f ä h r d u n g d u r c h K o n t e r b a n d e 511 5. D i e S a c h b e h l e r e i ( P a r t i e r e r e i ) . I. Geschichte. II. Begriff. III. Die Strafe. IV. Die Steuerhehlerei 511

Fünfter Abschnitt.

Die durch das Mittel des Angriffs gekennzeichneten Straftaten. I. Die gemeingefährlichen Verbrechen des Reichsstrafgesetzbuchs. § 148. § 149. § 150.

§ 151.

A l l g e m e i n e s . I. Die Terminologie des R S t G B . II. Grundcharakter der Gruppe. III. Der Begriff der Gemeingefahr. IV. Seine Verwendung im Gesetz I . B r a n d s t i f t u n g und Ü b e r s c h w e m m u n g . I. Geschichte der Brandstiftung. II. und III. Begriff und Arten der Brandstiftung. IV. Die Überschwemmung 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d e n E i s e n b a h n - u n d Telegraphenbetrieb. I. Gefährdung des Eisenbahnbetriebes. II. Verhinderung oder Gefährdung des Betriebes einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanlage. III. Nebenstrafen. IV. Schutz der unterseeischen K a b e l ; G vom 21. November 1887 3. B e s c h ä d i g u n g v o n W a s s e r b a u t e n u s w . ; G e f ä h r d u n g der S c h i f f a h r t . I. Zerstörung oder Beschädigung von

517 518

523

XXII

§ 152. § x 53§ 154. § 155-

Inhaltsverzeichnis. Wasserbauten. I I . Strafbare Handlungen an Schiffahrtszeichen. I I I . Stranden- oder Sinkenmachen eines Schiffes 4. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n in b e z u g a u f a n s t e c k e n d e Krankheiten. I. Verletzung der Anordnungen bei Volksseuchen. I I . Verletzung der Anordnungen bei Viehseuchen 5. V e r g i f t u n g v o n B r u n n e n u n d Gebrauchsmitteln. I. Geschichte und systematische Stellung. I I . Das geltende Recht 6. N i c h t e r f ü l l u n g v o n L i e f e r u n g s v e r t r ä g e n . I. Geschichte. I I . Begriff 7. V e r l e t z u n g d e r R e g e l n d e r B a u k u n s t

Seite

526 528 529 530 532

II. Mißbrauch von Sprengstoffen. § 156.

I . D a s G vom 9. Juni 1884 im allgemeinen. I I . Die von ihm bedrohten strafbaren Handlungen. I I I . Nebenstrafen und objektive Maßregeln. I V . Begehung im Ausland III. Die

§ 157.

532

Warenfälschung.

I. Systematische Stellung. I I . Geschichte. I I I . Das Nahrungsmitteig. vom 14. Mai 1879. IV. Blei- und zinkhaltige Gegenstände: G vom 25. Juni 1887. V. Gesundheitsschädliche Farben: G vom 5. Juli 1887. V I . Weing. vom 7. April 1909. V I I . Brausteuerg. vom 15. Juli 1909. V I I I . Künstliche Süßstoffe: G vom 7. Juli 1902. I X . Butterg. vom 15. J u n i 1897. X . Schlachtvieh- und Fleischbeschaug. vom 3. Juni 1900

535,

IV. Strafbare Handlungen an Geld. § 158. § 159.

G e s c h i c h t e und s y s t e m a t i s c h e Stellung. 1. Geschichte der sog. Münzverbrechen. I I . Ihre Stellung im System. I I I . Die Geldzeichen D i e A r t e n d e r G e l d v e r b r e c h e n . I. Die eigentliche Münzfälschung. I I . Das Verbreiten von gefälschten Geldzeichen. I I I . S t G B § 148. IV. Münzverringerung. V. Vorbereitungshandlungen. V I . Verwandte Übertretungen. V I I . Der Schutz von Reichskassenscheinen und Reichsbanknoten: G vom 26. Mai 1885 und vom 2. Januar 1911

54i

543

V. Strafbare Handlungen an Urkunden. § 160. § 161. § 1Ö2. § 163.

A l l g e m e i n e s . I . Geschichte und systematische Stellung der Urkundenverbrechen. I I . Begriff der Urkunde. I I I . Die Arten der Urkunde i.Die eigentliche Urkundenfälschung. I. Die Handlung. I I . Die Absicht. I I I . Die Arten. IV. Vollendung. V . Bestrafung 2. D i e F a l s c h b e u r k u n d u n g ( i n s b e s o n d e r e die sogen a n n t e i n t e l l e k t u e l l e U r k u n d e n f ä l s c h u n g ) . I . Legislativer Grundgedanke. I I . Das geltende Recht 3. D i e ü b r i g e n U r k u n d e n v e r b r e c h e n . I . Urkundenunterdrückung. I I . Grenzverrückung. I I I . Strafbare Handlungen an Stempel-, Post- und Telegraphenwertzeichen. I V . Schutz der Versicherungsmarken. V . Strafbare Handlungen an Steuer- und Zollzeichen. V I . an Legitimationspapieren. V I I . in bezug auf Gesundheitszeugnisse

547 55° 554

556

Inhaltsverzeichnis.

XXIII Saite

Zweites

Buch.

Die strafbaren Handlungen gegen Rechtsgüter der Gesamtheit. Erster Abschnitt.

Die Verbrechen gegen den Staat. § 164.

§ 165. § 166.

§ 167.

§ 168. § 169.

§ 170.

Überblick. I . Begriif und Arten der Staatsverbrechen. I I . Hoch- und Landesverrat. Majestätsbeleidigung. I I I . Verleztung staatsbürgerlicher Rechte. I V . Angriffe auf fremde Staaten 1. D e r H o c h v e r r a t . I . Begriff. I I . Arten. I I I . Vorbereitungshandlungen. IV. Beschlagnahme des Vermögens . . 2. D e r L a n d e s v e r r a t . I. Der Begriff im allgemeinen. I I . Der militärische, I I I . der diplomatische Landesverrat. IV. Beschlagnahme des Vermögens. V. Der Kriegsverrat. V I . G vom 5. April 1888. V I I . Die Nichterfüllung von militärischen Lieferungsverträgen 3. A u s s p ä h u n g u n d V e r r a t m i l i t ä r i s c h e r G e h e i m n i s s e . I Begriff des militärischen Geheimnisses. I I . Ausspähung. I I I . Verrat. I V . Weitere strafbare Handlungen. V. E r gänzende Bestimmungen 4. D i e M a j e s t ä t s b e l e i d i g u n g 5. S t r a f b a r e Handlungen gegen staatsbürgerliche R e c h t e . I . Geschichte. Die Entwürfe. I I . Strafbare Handlungen gegen gesetzgebende Versammlungen, I I I . gegen das politische Wahl- und Stimmrecht 6. S t r a f b a r e Handlungen gegen fremde Staaten. I . Übersicht. I I . Die einzelnen Fälle

561 564

568

573 578

578 581

Zweiter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt. § 171. § 172. § 173. § 174.

§ '75§ 176.

1. G e w a l t s a m e r E i n g r i f f i n A m t s h a n d l u n g e n . I . Allgemeines. I I . Widerstand. I I I . Tätlicher Angriff. I V . Nötigung. V. Aufruhr. V I . Auflauf 2. G e w a l t g e g e n F o r s t - o d e r J a g d b e a m t e u n d d i e i h n e n g l e i c h g e s t e l l t e n P e r s o n e n . I . Begriff. I I . Arten. I I I . Bestrafung 3. D i e B e f r e i u n g v o n G e f a n g e n e n . I . Begriff und systematische Stellung. I I . Geschichte. I I I . Arten 4. D i e S t ö r u n g d e s ö f f e n t l i c h e n F r i e d e n s . I . Begriff des öffentlichen Friedens. I I . Geschichte der strafbaren Friedensstörungen. I I I . Die einzelnen Fälle des geltenden Rechts 5-Die strafbaren Aufforderungen. I . Begriff und systematische Stellung. I I . Die strafbaren Aufforderungen im R S t G B . I I I . Die übrigen Fälle. I V . Der Duchesneparagraph 6.Mißachtung der S t a a t s g e w a l t . I . Staatsverleumdung. I I . Amtsanmaßung. I I I . Der Bruch amtlicher Verwahrung. I V . Beschädigung von Bekanntmachungen. V. Verletzung

584 588 589

591 596

XXIV

Inhaltsverzeichnis. von Hoheitszeichen. V I . Amtssiegelbruch. V I I . Pfandbruch. V I I I . Übertretungen; Mißbrauch des roten K r e u z e s nach dem G v o m 22. März 1902. Trachten und Abzeichen der K r a n k e n p f l e g e nach dem G»vom 7. September 1915 . .

Seite

601

Dritter Abschnitt. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n die § 177.

Staatsverwaltung.

Ü b e r s i c h t . I. Die A u f g a b e n der Staatsgewalt. II. Ihr Schutz durch die Strafgesetzgebung. III. Die Einteilung dieser Gruppe

606

I. Strafbare Handlungen im Amte. § 178.

G e s c h i c h t e und Begriff. I. Begriff der Amtsverbrechen. II. Ihre Geschichte. I I I . Begriff des Beamten. IV. Einteilung

§ 179.

D i e e i n z e l n e n A m t s v e r b r e c h e n . I. Bestechung. II. Rechtsbeugung. I I I . Verbrechen bei Trauung und Eheschließung. I V . Bedrückung der Staatsbürger. V . Amtsmißbrauch im Strafverfahren. V I . Urkundenverbrechen. VII. Amtsunterschlagung. V I I I . Gebührenüberhebung. I X . Diplomatenverbrechen. X . Strafbare Handlungen der Post- und Telegraphenbeamten. X I . Der Parteiverrat. X I I . Strafbare Pflichtverletzung des Amtsvorgesetzten

der Ajmtsvcrbrcchcn

607

610

II. Die falsche Aussage (die sog. Eidesverbrechen). § 180. § 181.

Geschichte und systematische Stellung. I. Geschichte. II. Systematische Stellung der Eidesverbrechen Das geltende Recht. I. Die Arten der Eidesverbrechen. II. Strafermäßigung. Strafaufhebung, Nebenstrafen . . .

619 622

III. Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege. § 182. § 183. § 184.

1. D i e f a l s c h e A n s c h u l d i g u n g . I. Systematische Stellung. I I . Geschichte. I I I . Geltendes R e c h t 2. B e g ü n s t i g u n g u n d H e h l e r e i . I. Geschichte. I I . Begriff und Arten. I I I . Die Begünstigung im geltenden Recht. I V . Die Hehlerei 3. D i e ü b r i g e n Vergehen gegen die Rechtspflege. I . Eidesbruch. I I . Veröffentlichung der Anklageschrift. I I I . Verletzung der Dingpflicht. I V . Unterlassung der Anzeige. V . Veraltete Strafdrohungen

628 630

635

IV. Vergehungen gegen die Wehr- und Volkskraft des Staates. §185.

§ 186.

1. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e W e h r k r a f t . I. Falschwerbung. II. Verleitung zur Fahnenflucht. I I I . Verletzung des Kriegsleistungsg. I V . Übertretung des Festungsrayong. V . Übertretung des Kriegshafeng. V I . Brieftaubenverkehr im Kriege 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e V o l k s k r a f t . I . A l l gemeines. II. § 144 S t G B . I I I . Die geschäftsmäßige A n werbung zur Auswanderung. I V . Die gewerbepolizeilichen

638

Inhaltsverzeichnis. Strafdrohungen des G vom g. J u n i 1897. handel

XXV V. Der F r a u e n -

Seite

640

V . Strafbare Handlungen gegen die staatliche Überwachung des Preß- und des Vereinswesens. § 187.

§ 188.

1. D i e P r e ß p o l i z e i v e r g e h e n . I . Nichtnennung des Druckers und Verlegers. I I . Nichtablieferung der Pflichtexemplare. I I I . Nichtaufnahme amtlicher Bekanntmachungen. I V . Nichtaufnahme von Berichtigungen. V. Verbreitung verbotener ausländischer Druckschriften. V I . Verbreitung m i t Beschlag belegter Druckschriften 2. S t r a f b a r e Überschreitungen des Vereinsrechts. I . Geschichte. I I . Das R S t G B I I I ' Das Vereinsg. vom ig. April 1908

642 643

V I . Strafbare Handlungen gegen die Sicherheits- und Sittlichkeitspolizei. § 189.

§ 190.

1. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e S i c h e r h e i t des L e b e n s , d e r G e s u n d h e i t , d e s V e r m ö g e n s . I . G über den Verkehr m i t Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909. I I . Reichsimpfg. vom 8. April 1874. Gemeingefährliche K r a n k h e i t e n : G vom 30. J u n i 1900. Phosphorzündwaren: G vom 10. Mai 1 9 1 3 . I I I . Die Übertretungen des R S t G B . I V . Schutz gegen Viehseuchen und Pflanzenkrankheiten 2. S t r a f b a r e Handlungen gegen die Sittlichkeitspolizei. I . Landstreicherei und B e t t e l . I I . Spiel, Müßiggang und Trunkenheit. I I I . Branntweinhandel auf hoher See. I V . Prostitution. V. Tierquälerei. V I . Grober Unfug. V I I . Übertretung der Polizeistunde. V I I I . Verletzung der Sonntagsruhe

646

652

VII. Strafbare Handlungen gegen die Wirtschaftspolizei. § 191.

§ 192.

§

r

93-

§ 194.

1. D i e Ü b e r t r e t u n g e n d e r A r b e i t e r s c h u t z g e s e t z e . I . Die Übertretungen der Gewerbeordnung. I I . Die Übertretungen des Kinderschutzg. I I I . Hausarbeitsg. I V . Regelung der Arbeitszeit. V. Wirtschaftliche Demobilmachung 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e A r b e i t e r - u n d A n g e s t e l l t e n v e r s i c h e r u n g s g e s e t z e . I . Quellen. I I . Allgemeines über den I n h a l t der Reichsversicherungsordn. vom 19. J u l i 1911 und des Versicherungsg. für Angestellte vom 20. Dezember 1 9 1 1 . I I I . Strafbestimmungen der Reichsversicherungsordng. I V . Strafbestimmungen des Angestelltenversicherungsg 3- S t r a f b a r e H a n d l u n g e n a u f d e m G e b i e t e d e s A k t i e n w e s e n s . I . Untreue. I I . Wissentlich falsche Angaben bei Eintragung des Gesellschaftsvertrages. I I I . Verschleierung des Standes der Gesellschaftsverhältnisse. I V . Unterlassene Bestellung des Aufsichtsrates und Nichtbeantragung der Konkurseröffnung. V. Ausstellung oder Benutzung falscher Bescheinigungen behufs Abstimmung. V I . Stimmenverkauf. V I I . Wahlfälschung. V I I I . Die durch das HandelsGB vom 10. Mai 1897 angefügten Fälle 4. D i e ü b r i g e n Ü b e r t r e t u n g e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i z e i . Übertretungen I . des G vom 1. Mai 1889 betr. die Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften; II. des G vom 20. April

658

660

661

XXVI

I nhaltsverzeichnis. 1892 b e t r . die G e s e l l s c h a f t e n m i t b e s c h r ä n k t e r H a f t u n g ; I I I . des G betr. den Geschäftsbetrieb v o n K o n s u m a n s t a l t e n v o m 12. A u g u s t 1896; I V . d e s G v o m 4. D e z . 1899 b e t r . d i e g e m e i n s a m e n R e c h t e der B e s i t z e r v o n S c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n ; V . d e s G ü b e r die p r i v a t e n V e r s i c h e r u n g s u n t e r n e h m u n g e n v o m 1 2 . M a i 1 9 0 1 ; V I . des G ü b e r d i e S i c h e r h e i t d e r B a u f o r d e r u n g e n v o m 1. J u n i 1909; V I I . d e s S t e U e n v e r m i t t l u n g s g . v ö m 2. J u n i 1 9 1 0

Seite

664

VIII. Strafbare Handlungen gegen das Verkehrswesen. § 195.

§ 196.

§ 197.

1. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n gegen das Münz-, Bankund Börsenwesen. I. G e g e n d a s M ü n z w e s e n . II. Gegen das Bankwesen. III. Unbefugte Ausgabe von Inhaberpapieren. I V . Strafdrohungen des H y p o t h e k e n b a n k g . v o m 13. J u l i 1899. V. Widerrechtliche Verbreitung von Kurszetteln. Abschluß von verbotenen Börsentermingeschäften. V I . D a s D e p o t g . v o n 1896 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n i n b e z u g a u f d i e M a ß - u n d G e w i c h t s - sowie die Legierungspolizei. 1. F a l s c h e s M a ß u n d G e w i c h t . I I . V e r l e t z u n g d e s G v o m 20. J u l i 1881 b e t r . d i e B e z e i c h n u n g des R a u m g e h a l t s der S c h a n k g e f ä ß e . III. Verletzungen der Schiffsvermessungsverordng. vom 1 . M ä r z 1895. I V . V e r l e t z u n g e n des G v o m 16. J u l i 1884 b e t r . d e n F e i n g e b a l t der G o l d - u n d S i l b e r w a r e n . V . Verl e t z u n g des G v o m 1. J u n i 1898 b e t r . die e l e k t r i s c h e n M a ß einheiten. V I . V e r l e t z u n g d e s G v o m 19. M a i 1891 b e t r . d i e P r ü f u n g der H a n d f e u e r w a f f e n 3. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n i n b e z u g a u f d a s E i s e n b a h n - , Telegraphen- und Postwesen. 1. Z u w i d e r h a n d l u n g e n g e g e n die E i s e n b a h n - B a u - u n d B e t r i e b s o r d n u n g . II. Verl e t z u n g der besonderen V o r r e c h t e der P o s t e n . III. Verl e t z u n g d e s G v o m 20. D e z e m b e r 1899 ü b e r d a s P o s t w e s e n . I V . Errichtung und Betrieb v o n Telegraphenanlagen . . .

669

672

674

IX. § 198.

S t r a f b a r e H a n d l u n g e n in b e z u g a u f das S c h i f f a h r t s w e s e n . I . G v o m 22. J u n i 1899 b e t r . d a s F l a g g e n r e c h t d e r K a u f f a h r t e i s c h i f f e . I I . G v o m 25. M ä r z 1880 b e t r . d i e S c h i f f s m e l d u n g e n bei d e n d e u t s c h e n K o n s u l a t e n . III. Verletzung der S c h i f f s v e r m e s s u n g s o r d n g . v o m 1 . M ä r z 1895. I V . S t G B § 1 4 5 u n d die K a i s e r l i c h e n V e r o r d n u n g e n . V . G v o m 2. J u n i 1902 b e t r . d i e V e r p f l i c h t u n g z u r M i t n a h m e h e i m z u s c h a f f e n der S e e l e u t e . V I . Ü b e r t r e t u n g e n d e r S t r a n d u n g s o r d n g . v o m 1 7 . M a i 1874. V I I . V e r l e t z u n g e n d e s G v o m 2 1 . N o v e m b e r 1887 b e t r . die unterseeischen K a b e l . V I I I . Verletzungen der S e e m a n n s o r d n g . v o m 2. J u n i 1902. I X . G v o m 2. J u n i 1902 b e t r . d i e S t e l l e n v e r m i t t l u n g f ü r S c h i f f s l e u t e . X . S c h i f f fahrt und Fischerei im Küstenmeere. X I . G über die Wiederh e r s t e l l u n g d e r d e u t s c h e n H a n d e l s f l o t t e v o m 7. N o v e m b e r 1 9 1 7 . X I I . H o c h s e e f i s c h e r e i i n der N o r d s e e . X I I I . B i n n e n s c h i f f a h r t u n d F l ö ß e r e i : G v o m 1 5 . J u n i 1895

675

Inhaltsverzeichnis.

XXVII Seite

X. Strafbare Handlungen in bezug auf das Finanzwesen des Reichs.

§ 199. § 200.

§ 201.

§ 202.

§ 203.

Allgemeines. I. Einteilung der hierher gehörenden Verbrechen. II. Die typischen Fälle. III. Eigentümlichkeiten der in den Zoll- und Steuergesetzen enthaltenen Strafdrohungen I.Verletzung der Gebührenpflicht. I. Post- und Portohinterziehung. II. Erschwerte Hinterziehung der Postund Telegraphengebühren. III. Strafbare Handlungen in bezug auf Telegraphenfreimarken. I V . Gebühren für den Kaiser-Wilhelms-Kanal: G vom 20. Juni 1899. V . Schifffahrtsabgaben, G vom 24. Dezember 1911 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e Z o l l g e s e t z e . I. Vereinszollg. II. Sicherung der Zollvereinsgrenze. III. Zuwiderhandlungen gegen das G vom 23. Juni 1882. I V . Zolltarifg. vom 25. Dezember 1902. V. Übertretung der österreichisch-ungarischen Zollgesetze. V I . Die zollwidrige Verwendung von Gerste nach dem G vom 3. August 1909 . . 3. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e Steuergesetze. I. Salzsteuer. II. Tabaksteuer. III. Brausteuer. IV. Branntweinmonopol. V. Zuckersteuer. V I . Schaumweinsteuer. V I I . Leuchtmittelsteuer. V I I I . Zündwarensteuer. I X . Erbschaftssteuer. X . Grunderwerbsteuer. XI. Spielkartensteuer. X I I . Reichsnotopfer. X I I I . Umsatzsteuer. X I V . Einkommensteuer. X V . Körperschaftssteuer. X V I . Kapitalertragssteuer. X V I I . Besitzsteuer. X V I I I . Die Steuergesetze der Kriegsjahre 4. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e S t e m p e l g e s e t z e . I. Die Delikte des R S t G B . II. Der Wechselstempel. I I I . Reichsstempelg vom 1. Juli 1881. IV. Der Warenumsatz Stempel

680

687

688

690

695

XI. Die Militarverbrechen.

§ 204.

§ 205.

Allgemeine Bestimmungen. I. Geschichte des Militärstrafrechtes. II. Begriff der Militärverbrechen. I I I . Persönliches Geltungsgebiet des M i l S t G B . IV. Räumliches Geltungsgebiet. V. Das Strafensystem. V I . Abweichungen von den allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen S t G B . . . D i e einzelnen m i l i t ä r i s c h e n V e r b r e c h e n und Verg e h e n . I. Kriegsverrat. II. Gefährdung der Kriegsmacht im' Felde. I I I . Unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht. . I V . Selbstbeschädigung und Vorschützung von Gebrechen. V . Feigheit. V I . Strafbare Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung. V I I . Mißbrauch der Dienstgewalt. V I I I . Widerrechtliche Handlungen im Felde gegen Personen oder Eigentum. I X . Andere widerrechtliche Handlungen gegen das Eigentum. X . Verletzung von Dienstpflichten bei Ausführung besonderer Dienstverrichtungen. X I . Sonstige Handlungen gegen die militärische Ordnung .

Paragraphenregister Sachregister . . . ,

C96

700 704 711

Abkürzungen. Allfeld:

Lehrbuch des deutschen Strafrechts. Begründet von Hugo Meyer. Neu bearbeitet von Philipp Alfeld. 7. A u f l . 1912. ALR: Allgemeines preußisches Landrecht; die beigefügten Ziffern bezeichnen den Paragraphen des 20. Titels des I I . Teils. A s c h a f f e n b u r g : Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform, herausgegeben von A s c h a f f e n b u r g . v. B a r : v. Bar Handbuch des deutschen Strafrechts I. B d . 1882. v. B a r G e s e t z : v. Bar Gesetz und Schuld im Strafrecht 1. B d . 1906, 2. B d . 1907, 3. B d . 1909. B a u m g a r t e n A u f b a u : Baumgarten A u f b a u der Verbrechenslehre 1913. Bgr.: Begründung zum Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigenkommission. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizamts. Berlin 1909. B e l i n g V e r b r e c h e n : Beling Die Lehre v o m Verbrechen 1906. B e r l i n e r J a h r b u c h : Jahrbuch der internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre. B e r l i n e r S e m i n a r a b h d l g . : Abhandlungen des kriminalistischen Seminars, seit 1889 von v . Liszt herausgegeben; N e u e Folge seit 1901; dritte Folge seit 1914 (als Abhandlungen des kriminalistischen Instituts der Universität Berlin), herausgegeben von v . L i s z t und D e l a q u i s . Berner: Berner Lehrbuch 18. A u f l . 1898. BGB: Bürgerliches Gesetzbuch. Binding: Binding Handbuch I. B d . 1885. B i n d i n g N o r m e n : Binding Die Normen und ihre Übertretung I. B d . 1872 (1890), I I . B d . 1877 (1914, 1916), I I I . B d . 1918. I V . B d . 1919/20. B i n d i n g G r u n d r i ß : Allgemeiner Teil 7. A u f l . 1907.B i n d i n g L e h r b u c h : Binding Lehrbuch. Besonderer Teil I . B a n d . 2. Aufl.1902. I I . B a n d . I . A b t e i l u n g . 2. A u f l . 1904. 2. A b t e i l u n g 1905. Birkmeyer: V. Birkmeyers Darstellung des Strafrechts in der von ihm herausgegebenen Enzyklopädie der Rechtswissenschaften 2. A u f l . 1904. B i r k m e y e r T e i l n a h m e : v. Birkmeyer Die Lehre von der Teilnahme und die Rechtsprechung des Deutschen Reichsgerichts 1890. Brunner: Brunner Deutsche Rechtsgeschichte 1. B a n d 2. A u f l . 1906. 2. B a n d 1892. v. B u r i B e i t r ä g e : v. Buri Beiträge zur Theorie des Strafrechts und zum Strafgesetzbuch. Gesammelte Abhandlungen 1894. van Calker: van Calker Grundriß des Strafrechts 1916. CCC: Constitutio criminalis Carolina (peinliche Gerichtsordnung K a r l s V.). DJT; Deutscher Juristentag.

Abkürzungen. DJZ: DStZ: EG: E 1919: Endemann

XXIX

Deutsche Juristenzeitung. Deutsche Strafrechtszeitung. Einführungsgesetz zum Reichsstrafgesetzbuch. Entwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 19x9. E i n f ü h r u n g : Endemann Einführung in das Studium des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Ein Lehrbuch des bürgerlichen Rechts. I. Bd. 8. und 9. Aufl. 1904, II. Bd. 8. und 9. Aufl. 1905. Finger: Finger Lehrbuch des deutschen Strafrechts I. Bd. 1904. Frank: Frank Das StGB für das Deutsche Reich nebst dem E G herausgegeben und erläutert, n . bis 14. Aufl. 1914. GA: (Goltdammer) Archiv für Strafrecht. GE: Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuchs. Aufgestellt von Kahl, v. Lilienthal, v. Liszt und Goldschmidt 1911. Glaser: Glaser Handbuch des Strafprozesses I 1883, II 1885. G l a s e r A b h a n d l u n g e n : Glaser Abhandlungen aus dem österreichischen Strafrecht I 1888. G r e n z f r a g e n : Finger, Hoche und Breßler Juristisch-psychiatrische Grenzfragen 1903 ff. Groß: Archiv für Kriminalanthropologie und Kriminalistik, herausgegeben von Groß; seit 1916 als Archiv für Kriminologie weitergeführt von Heindl u. a. Grünhut: Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, herausgegeben von Grtinhut. GS: Der Gerichtssaal; 1849 von Jagemann begründet, seit 1904 von Oetker und Finger herausgegeben. Günther: Günther Die Idee der Wiedervergeltung in der Geschichte und Philosophie des Strafrechts I. Bd. 1889. II. Bd. 1891. III. Bd. 1. Hälfte 1895. GVG: Gerichtsverfassungsgesetz. Hälschner: Hälschner Das gemeine deutsche Strafrecht I 1881, II 1884 bis 1887. van Hamel: van Hamel Inleiding tot de Studie van het nederlandsche Strafrecht 1889, 2. Aufl. 1907. H e c k er: Mecker Lehrbuch des deutschen Militärstrafrechts 1887. HG: v . Holtzendorff und v. Jagemann Handbuch des Gefängniswesens in Einzelbeiträgen I, II 1888. HH: V. Holtzendorff Handbuch des deutschen Strafrechts in Einzelbeiträgen I bis III 1871/74, IV 1877. HSt: Handwörterbuch der Staatswissenschaften 3. Aufl. i g o g f f . HV: Handbuch des Völkerrechts, herausgegeben von v. Holtzendorff. I bis IV 1885—1889. IKV: Internationale kriminalistische Vereinigung. JW: Juristische Wochenschrift. KE: Kommissionsentwurf eints S t G B für das Deutsche Reich, von 1913. Kitzinger: Kitzinger Die I K V . Betrachtungen über ihr Wesen und ihre bisherige Wirksamkeit 1905. Knapp: Knapp Das altnürnberger Kriminalrecht 1896. K o h l e r S t u d i e n : Köhler Studien aus dem Strafrecht I. bis VI. Bd. i89off. Köhler: Köhler Deutsches Strafrecht. Allgemeiner Teil 1917 K ö s t l i n : A b h a n d l u n g e n : KÖStlin Abhandlungen aus dem Strafrecht. Herausgegeben von Geßler 1888. v. K r i e s : v. Kries Lehrbuch des deutschen Strafprozeßrechts 1892. Krohne: Krohne Lehrbuch der Gefängniskunde 1889. KVS: Kritische Vierteljahrsschrift. LA: Archiv für öffentliches Recht, herausgegeben von Laband usw. LGO: Landgerichtsordnung.

XXX

Abkürzungen.

Liepmann: Liepmann Einleitung in das Strafrecht 1900. v . L i l i e n t h a l : V. Lilienthal Grundriß 4. Aufl. 1916. v. L i l . H e f t 1 u s w . : Strafrechtliche Abhandlungen, herausgegeben v o n H. Bennecke; vom 15. Heft a b von Beling; vom 68. H e f t ab von v. Lilienthal. v. L i s z t D e l i k t s o b l i g a t i o n e n : v. Liszt Die Deliktsobligationen im System des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 1898. v. L i s z t P r e ß r e c h t : V. Liszt Das deutsche Reichspreßrecht 1880. v. L i s z t V ö l k e r r e c h t : v. Liszt Das Völkerrecht systematisch dargestellt. 11. Aufl. 1918. v. L i s z t A u f s ä t z e : v. Liszt Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge I. und II. Bd. 1905. LO: Landesordnung. Mayer: Ai. JE. Mayer Der allgemeine Teil des deutschen Strafrechts 1915Merkel: Merkel Lehrbuch des Strafrechts 1889. M e r k e l - L i e p m a n n : Merkel-Liepmann Die Lehre von Verbrechen und Strafe 1912. MilStGB: Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich. M i t t e i l u n g e n : Mitteilungen der Internationalen kriminalistischen Vereinigung seit 1889. Mommsen: Mommsen Römisches Strafrecht 1899. ÖRE: Österreichischer Regierungsentwurf. ÖVE: österreichischer Vorentwurf. Olshausen: Olshausen Kommentar 10. Aufl. 1916. Die kleineren Ziffern bezeichnen die Nummern der angezogenen Note. Oppenhoff: Oppenhoff Kommentar 14. Aufl. 1901 herausgegeben von Delius. Ö s t e r r e i c h i s c h e Z: Österreichische Zeitschrift für Strafrecht, herausgegeben von Löjfler. OT: Entscheidungen des Berliner Obertribunals. P e r n i c e L a b e o : Pernice M. Antistius Labeo II. B d . 2. A u f l . 1895. PGO; Peinliche Gerichtsordnung Karls V . R: Entscheidungen des Reichsgerichts; zitiert nach Band und Seitenzahl der von den Mitgliedern des Gerichtshofes herausgegebenen Sammlung. Reform; Aschrott und v. Liszt Die Reform des Reichsstrafgesetzbuchs. Kritische Besprechung des Vorentwurfs zu einem Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich unter vergleichender Berücksichtigung des österreichischen und schweizerischen Vorentwurfs, Berlin 1910. RGBl: Reichsgesetzblatt. R G R ä t e K o m m : Das Reichsstrafgesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts erläutert von. Ebermayer, Eichelbaum, Lobe und Rosenberg 1920. RMilG: Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts. RStGB: Reichsstrafgesetzbuch. Sammlung: Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung (J. Guttentag). Schsp: Schwabenspiegel. Ausgabe von Laßberg. Schwartz: Schwartz Das S t G B für das Deutsche Reich. Mit Kommentar 1914. S c h w e i z e r Z . : Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. S o e r g e l - K r a u s e : Jahrbuch des Strafrechts und Strafprozesses, herausgegeben seit 1906 von Soergel und Krause. Ssp: Sachsenspiegel. Ausgabe von Homeyer. S t e n g l e i n N e b e n g e s e t z e : 4. A u f l . 1911 bis 1913. StG:. Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in rechtsvergleichender Darstellung I. B d . 1894 (herausgegeben v o n V. Liszt). II. B d . 1898 (herausgegeben von v. Liszt und Crusetl);.

Abkürzungen.

XXXI

StGB: Strafgesetzbuch. S t o o ß L e h r b u c h : Stooß Lehrbuch des österreichischen Strafrechts. 2. A u f l . 1913StPO: Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich. SRE: Schweizer Regierungsentwurf (1918). VD: Vergleichende Darstellung des deutschen und außerdeutschen Strafrechts. Vorarbeiten zur deutschen Strafrechtsreform I905ff. (Allg. T . : Allgemeiner Teil. Bes. T . : Besonderer Teil). VE: Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigenkommission. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichsjustizamts. Berlin 1909. Wach: Wach Handbuch des Zivilprozesses I 1885. W a c h e n f e l d : Wachenfeld Lehrbuch'des deutschen Strafrechts 1914. WV; Wörterbuch des Verwaltungsrechts. Herausgegeben von V. Stengel, 1889/90; 1. Bd. 2. Aufl. herausgegeben von Fleischmann 1911 ff. Z (ohne Zusatz): Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, seit 1881. Z o r n S t a a t s r e c h t : 2. Aufl. I. Bd. 1895; II. Bd. 1897. ZPO: Zivilprozeßordnung für das Deutsche Reich.

Allgemeine Bemerkung. Um einerseits wiederholte Anführung von längeren, in dem vorstehenden Verzeichnisse nicht angeführten Büchertiteln zu vermeiden, andererseits die Auffindung des vollständigen Büchertitels zu erleichtern, habe ich dem Namen des Verfassers in der Klammer den Paragraphen des Lehrbuchs angefügt, zu dem das Werk vollständig genannt ist. „ H e i m b e r g e r (Lit. zu § 49)" bedeutet also, daß der vollständige Titel der gemeinten Heimberg ersehen Schrift sich in den Literaturangaben zu § 49 findet.

An alle Leser richte ich die dringende Bitte, mich auf Irrtümer und Druckfehler gütigst aufmerksam machen zu wollen. Meines Dankes dafür mögen sie versichert sein. Der Herausgeber.

Druckfehlerberichtigung. S. 115 Anm.

10 letzte Z e i l e : statt R V e r s . lies

RVerf.

S . 1 5 5 A n m . 5 a letzte Z e i l e : statt A n w e n d u n g lies S . 228 Z e i l e

S . 2 5 3 A n m . 4 a Z e i l e 4 v. u . : statt n a c h lies S. 296 Zeile

Abwendung

14 v . u . : D i e Z a h l 285 ist zu streichen. noch.

I I v. u . : „ n i c h t n u r " ist zu streichen.

S . 2 9 6 Z e i l e 7 v. u . : statt dieser lies diese. S . 3 4 3 Z e i l e 1 4 v. u . : statt das E 1 9 1 9 lies des E S . 5 9 2 Z e i l e 2 v . u . : lies H e i l b o r n

214.

1919.

Einleitung. § I.

Der Begriff des Strafrechts und die Aufgabe des Lehrbuchs.

I. Strafrecht 1 ) ist der I n b e g r i f f derjenigen s t a a t l i c h e n R e c h t s r e g e l n , durch die an das Verbrechen als T a t b e s t a n d die S t r a f e als R e c h t s f o l g e geknüpft wird. 8 ) Als der dem Strafrecht eigenartige Tatbestand bildet das Verbrechen eine besondere Unterart des Unrechts (des Deliktes), d. h. der schuldhaften, rechtswidrigen Handlung. Und als die dem Strafrecht eigenartige Rechtsfolge unterscheidet sich die S t r a f e von andern Rechtsfolgen des Unrechts dadurch, daß sie einen vom Staate gegen den Schuldigen verhängten eigenartigen Eingriff in dessen Rechtsgüter darstellt. Verbrechen und Strafe sind demnach die beiden Grundbegriffe des Strafrechts. Damit ergibt sich als die nächste Aufgabe der Strafrechtswissenschaft: in rein juristisch-technischer Betrachtung, gestützt auf die S t r a f g e s e t z g e b u n g , Verbrechen und Strafe als begriffliche Verallgemeinerungen ins Auge zu fassen; die einzelnen Vorschriften des Gesetzes, bis zu den letzten Grundbegriffen und Grundsätzen aufsteigend, zum geschlossenen System zu entwickeln; im besonderen Teile des Systems die einzelnen Verbrechen und die auf diese gesetzten Strafen, im allgemeinen Teile den Begriff des Verbrechens, der Strafe überhaupt darzustellen. Als hervorragend p r a k t i s c h e Wissenschaft, stets für die Bedürfnisse der Rechtspflege arbeitend und aus dieser immer neue Befruchtung schöpfend, muß die Rechtswissenschaft die eigentlich ') Strafrecht im o b j e k t i v e n Sinn, auch peinliches Recht, Kriminalrecht genannt. I m s u b j e k t i v e n Sinne bedeutet Strafrecht das Recht zu strafen (jus puniendi), also das Recht, Strafe anzudrohen, sowie im Einzelfall sie zu verhangen und zu vollstrecken. Als S t r a f a n s p r u c h bezeichne ich dieses R e c h t in seiner A n w e n d u n g auf den Einzelfall. Z u beachten ist, daß von einem staatlichen S t r a f r e c h t im subjektiven Sinne nur unter der Voraussetzung gesprochen werden kann, daß die an sich schrankenlose S t r a f g e w a l t des S t a a t e s in kluger Selbstbeschränkung V o r a u s s e t z u n g u n d I n h a l t ihrer Betätigung (Verbrechen und S t i a f e ) bestimmt hat. G a n z ebenso Mommsetl 5 6 (daß das Strafrecht entstanden sei durch gesetzliche Beschränkung der an sich unbeschränkten magistratischen Koerzitionsgewalt, bildet den G r u n d gedanken seines Buchs). W i e überhaupt „ d a s Recht die Politik der G e w a l t " ist (V. Ihering), so ist das staatliche Recht zu strafen die r e c h t l i c h b e g r e n z t e S t r a f g e w a l t des S t a a t e s (unten § 6 I I I ) . Die Begrenzung wird durch das Strafrecht im objektiven Sinne gebildet. ') „ S t r a f e " ist hier in dem weiteren, auch die „sichernden M a ß n a h m e n " umfassenden Sinne zu verstehen (vgl. unten § 58). r. L i n t , Strafrecht.

24. Aufl.

1

2

§ i.

Der Begriff des Strafreclits und die Aufgabe des Lehrbuch?

s y s t e m a t i s c h e Wissenschaft sein und bleiben; denn nur die Ordnung der Kenntnisse im System verbürgt jene sichere, immer bereite Herrschaft über alle Einzelheiten, ohne welche die Rechtsanwendung stets Dilettantismus bleibt, jedem Zufall, jeder Willkür preisgegeben. Das Lehrbuch beschränkt sich auf die Darstellung des im D e u t s c h e n R e i c h e g e l t e n d e n Strafrechts. Und zwar in erster Linie des b ü r g e r l i c h e n Strafrechts, während das Militärstrafrecht nur in seinen äußersten Umrissen dargestellt werden kann. Das außerdeutsche Strafrecht und das Strafrecht der deutschen Einzelstaaten bleibt für das System außer Betracht. I I . Über das geltende Strafrecht hinaus führt uns die Erkenntnis der Strafe als eines in die Hand des Staates gelegten M i t t e l s z u r B e k ä m p f u n g d e s V e i bi e d i e n s . Diese Erkenntnis legt uns die Frage nach dem Rechtsgrund und den Zielen der staatlichen Strafgewalt, aber auch nach dem Ursprung und der Eigenart des Verbrechens nahe. Die wissenschaftliche Lösung dieser Frage ist Aufgabe der auf K r i m i n o l o g i e und P ö n o l o g i e gestützten K r i m i n a l p o l i t i k . Sie gibt uns den Maßstab für die Wertschätzung des Rechts, welches gilt, und sie deckt uns das Recht auf, welches gelten sollte; aber sie lehrt uns auch, das geltende Recht aus seinem Zweck heraus zu verstehen und seinem Zweck gemäß im Einzelfalle anzuwenden. Die leitenden Grundsätze der Kriminalpolitik durften daher, ebenso wie die Geschichte des Strafrechts, in diesem Lehrbuche nicht übergangen, sie mußten aber, wie diese, in die Einleitung verwiesen werden, deren e r s t e r A b s c h n i t t der Kriminalpolitik gewidmet ist. 3 ) I I I . Die G e s c h i c h t e des Strafrechts wird nur so weit herangezogen, als es notwendig ist, um das geltende Recht als ein geschichtlich gewordenes und weiter sich entwickelndes zu begreifen. Ihr Platz ist im z w e i t e n A b s c h n i t t e der Einleitung. IV. Nicht in das System des Strafrechts, sondern ebenfalls in die Einleitung, gehört die Lehre von den Q u e l l e n des Strafrechts und dem H e r r s c h a f t s g e b i e t e der Strafrechtssätze, die im wesentlichen nicht auf strafrechtlichen, sondern auf staats- und völkerrechtlichen Grundsätzen beruht. Von dem Herrschaftsgebiete der Quellen handelt der d r i t t e A b s c h n i t t der Einleitung. 4 ) 8 ) Die Umstellung der beiden ersten Abschnitte der Einleitung beruht auf einer Anregung Freudenthals Z 39 2 1 7 . Vgl. die 20. Auflage. *) Diese Lehre wird meist als erster Teil des Systems behandelt; die Abweichung ist ohne wesentliche Bedeutung.

§ 2.

Das Strafrecht als Rechtsgüterschutz.

3

I. Die antisoziale Bedeutung des Verbrechens und die soziale Punktion der Strafe. § 2.

Das Strafrecht als Rechtsgüterschutz.

Literatur. Z u r R e c h t s p h i l o s o p h i e : Ahrens Naturrecht 1 338. V. ¡bering Der Zweck im R e c h t 3. Aufl. 1893 1 99. Dazu Hurwicz Rudolf v . Ihering und die deutsche Rechtswissenschaft. Berliner Seminarabhandlgn. N . F . 6 4. Heft 1911. Kelsen Hauptprobleme der Staatsrechtslehre 1911. Stammler Theorie der Rechtswissenschaft 1911. Müller-Eisert GS 8 4 67. Binder Rechtsnorm und Rechtspflicht 1912. —• Z u r N o r m e n t h e o r i e : Dinding Die Nonnen (insbes. 1 2. Aufl. 1890 S. 328, 338). Thon Rechtsnorm und subjektives R e c h t . 1878. V. Liszt Z 3 1, 6 663 (Aufsätze 1 126, 212), 8 134. Höpfner Z 2 3 623. Mayer 175. Kohlrausch (Lit. zu § 32) 45. v. Bar Gesetz 1 22. Affolter LA 2 3 361. Holder G S 77 2 7 3 . Kelsen 270. Binder 25. Baumgarten Aufbau 210. Vgl. auch die Zusammenstellung bei Kitzinger G S 5 5 1 (23 Note 2). — Oppenheim Die O b j e k t e des Verbrechens 1894. Ötker Z 17 493. ME. Mayer (Lit. zu § 32) 66. Hegler (Lit. zu § 21) 36. Hold von Ferneck (Lit. zu § 32) 1 182. Hirschberg Die Schutzobjekte der Verbrechen (V. LH. Heft 113) 1910. Jacobs Schutzobjekt und T a t o b j e k t Straßburger Diss. 1914. — Kantorowicz Rechtswissenschaft und Soziologie 1911. Sternberg Das Verbrechen in K u l t u r und Seelenleben der Menschheit 1912. V. Hentig Strafrecht und Auslese 1914.

I. Die Rechtsordnung. Das Recht ist die Ordnung der im Staate organisierten Gesellschaft; mit der Entwicklung des Staates ändert es im Lauf der Jahrhunderte Wesen und Gestalt. Im neuzeitlichen Staat, der, mit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts einsetzend, durch die Herausbildung einer über den einzelnen stehenden herrschaftlichen Staatsgewalt (als Befehls- und Zwangsgewalt) sich kennzeichnet, ist das Recht ein S y s t e m v o n Z w a n g s n o r r n e n geworden, die nicht nur den einzelnen, sondern (im modernen Verfassungsstaat) auch die Staatsgewalt selbst binden (oben § 1 Note 1) und so die Erreichung der gemeinsamen Ziele gewährleisten. Als Privatrecht regelt es die Beziehungen der einzelnen zueinander; als öffentliches Recht die Beziehungen zwischen diesen und der Staatsgewalt, deren Befugnisse es zugleich umgrenzt, indem es dem Staatsbüiger die Mitwirkung bei der Bildung des Staatswillens sichert. Hier wie dort regelt es menschliche Lebensbeziehungen. 1. Der Staat ist, wie jede Gesellschaft, ein Z w e c k v e r b a n d v o n M e n s c h e n , der gemeinsamen Verfolgung gemeinsamer Zwecke dienend; seine Rechtsordnung soll die Erreichung der Verbandszwecke gewährleisten. Hinter dem Staate steht, als sein Träger, das S t a a t s v o l k , die in vielfachen, neben- und durcheinander liegenden Schichten gelagerte Gesamtheit der zur Gesellschaft verbundenen einzelnen Menschen. Alles Recht ist mithin um der Menschen willen da. Es bezweckt 1*

4

§ 2.

Das Strafrecht als Rechtsgüterschutz

den S c h u t z m e n s c h l i c h e r L e b e n s i n t e r e s s e n . Interessenschutz ist das Wesen des Rechts; der Zweckgedanke die das Recht erzeugende Kraft. Die durch das Recht geschützten Interessen nennen wir Rechtsgüter.1) R e c h t s g u t i s t d a s r e c h t l i c h g e s c h ü t z t e I n t e r e s s e . Alle Rechtsgüter sind L e b e n s i n t e r e s s e n , Interessen des einzelnen oder der Gemeinschaft. Nicht die Rechtsordnung erzeugt das Interesse, sondern das Leben; aber der Rechtsschutz erhebt das Lebensinteresse zum Rechtsgut. Persönliche Freiheit, Hausrecht, Briefgeheimnis, Urheber- und Erfinderrechte waren Lebensinteressen, lang, ehe sie durch die Verfassungsurkunden gegen willkürliche Eingriffe der Staatsgewalt oder durch die Strafgesetze gegen Verletzung von Seiten einzelner sichergestellt wurden. Das Bedürfnis erzeugt den Schutz, und mit den wechselnden Interessen wechselt Zahl und Art der Rechtsgüter. Darum wurzeln die Rechtsnormen letzten Grundes in dem Wissen wie in den religiösen, sittlichen und ästhetischen Anschauungen des Staatsvolkes; sie finden hier ihren festen, bodenständigen Halt und empfangen hier den Antrieb zur Entwicklung. Das Recht ist eine Kulturerscheinung und unlöslich mit der Gesamtkultur verbunden.4) 2. Die Abgrenzung der Machtkreise, den Schutz dieser und die Zurückweisung jener Interessen übernimmt der über den einzelnen stehende allgemeine Wille: er löst sie in der R e c h t s o r d n u n g : in der Scheidung der berechtigten von den unberechtigten Interessen. Die Rechtsordnung grenzt die Machtgebiete voneinander ab; sie bestimmt, wieweit der Wille sich frei betätigen, wieweit er insbesondere fordernd oder versagend in die Willenskreise anderer Rechtssubjekte übergreifen darf; sie gewährleistet die Freiheit, das Wollen-Dürfen und verbietet die Willkür; sie erhebt die Lebensbeziehungen zu Rechtsbeziehungen, die Lebensinteressen zu Rechtsgütern; sie schafft, Rechte und Pflichten an bestimmte Voraussetzungen knüpfend, aus dem Lebensverhältnis das Rechtsverhältnis. Gebietend und verbietend, ein bestimmtes Handeln oder Nichthandeln unter bestimmten Voraussetzungen vorzeichnend, sind die *) Rechtsgut ist nicht ein Gut d e s R e c h t s (wie Binding u. a. annehmen), sondern ein durch das Recht anerkanntes und geschütztes G u t der M e n s c h e n . Es kann, braucht aber nicht, durch die Gewährung eines subjektiven Rechts geschützt zu sein. Vgl. Merkei-Liepm. 84. — Abweichend ötker 495: Rechtsgüter sind die vom Recht angestrebten Zustände. Ähnlich Gerlatld V D . A l l g . T. 1 203 und Hirschberg. Irrtümlich Frank Einleitende Bestimmungen V : nicht dem Staat, sondern dem Recht wird im Text der Rechtsschutz als A u f gabe gestellt. Gegen ihn auch Mayer 23. *) Das ist der Grundgedanke VOJ ME. Mayer Rechtsnormen und Kulturnonnen (v. LH. Heft 50) 1903.

§ 2.

Das Strafrecht als Rechtsgüterschutz.

5

Normen der Rechtsordnung der Schatzwall der Rechtsgüter. Der Rechtsschutz, den die Rechtsordnung den Lebensinteressen gewährt, ist N o r m e n s c h u t z . „Rechtsgut" und „Norm" sind die beiden Grundbegriffe des Rechts. 4 ) II. Das Verbrechen. 1. Trotz der zunehmenden Erstarkung der Staatsgewalt steht die staatliche Friedensordnung mit ihren rechtlichen Geboten und Verboten im täglichen Kampf mit den Schwächen und Leidenschaften der Menschen. Dem Recht tritt das Unrecht gegenüber; bald als trotzige Auflehnung des einzelnen gegen die Rechtsordnung oder als hinterlistige Umgehung ihrer Normen, bald als sorglose Nichtachtung der an den Verkehr gestellten Anforderungen. Stets ist das Unrecht seiner E r s c h e i n u n g nach Rechtswidrigkeit, Übertretung eines staatlichen Gebots oder Verbots. Aber damit ist sein wesentlicher I n h a l t nicht bezeichnet. Dieser liegt in dem Angriff auf die rechtlich geschützten Interessen anderer, sei es einzelner, sei es der Gesamtheit selbst; das Unrecht ist Verletzung oder doch Gefährdung von Rechtsgütern. So wie das Recht nicht nur den Staat, sondern in letzter Linie die im Staate geordnete Gesellschaft schützt, so richtet sich das Unrecht nicht nur gegen jenen, sondern in seinem Endziel gegen diese.' Darin liegt die a n t i s o z i a l e B e deutung des Unrechts. 2. Das Gesagte gilt in verstärktem Maße von dem Verbrechen. Auch dieses ist Unrecht; eine durch besondere Artmerkmale (darüber unten § 26) ausgezeichnete Untergruppe der Gattung. Auch das Verbrechen ist seiner Erscheinung nach Rechtswidrigkeit, seinem Wesen nach aber ein für besonders gefährlich erachteter Angriff auf die Rechtsgüterwelt. Wer in dem Verbrechen nur die Verletzung der dem Staate geschuldeten Gehorsamspflicht erblickt (Bindtng), der wird dem Wesensgehalt des Mordes oder des Landes*) Mein Ausgangspunkt in Beziehung auf die allgemeine Rechtslehre ist mithin derselbe wie derjenige Rindings. Aber sofort trennen sich unsere "Wege. Binding hat sowohl in seinen „Normen" als auch in seinem Handbuche 1 155, ohne dem Rechtsgute, dessen Schutz zu d i e n e n die Norm berufen ist, weitere Beachtung EU schenken, in durchaus einseitiger und willkürlicher Weise d«AI Begriff der Norm zum Angelpunkte des ganzen strafrechtlichen Systems gemacht. Vgl. darüber V. Liszt Z 6 672 (Aufsätze 1 222}, 8 134. — Der Grundfehler der Nonnentheone liegt in der rein formalistischen Auffassung des Delikts als einer Verletzung der Gehorsamspflicht (Normen 1 § 45), wobei die Richtung des Verbrechens gegen die Lebensbedingungen der rechtlich geordneten Menschengemeinschaft völlig in den Hintergrund tritt. Von den Anhängern der Normentheorie (Finger, N agier, ötker n. a.) hat Btling Verbrechen S. 115, indem er an Stelle der einzelnen Normen die „Normalität der Handlung" zum Ausgangspunkt nimmt, die Bindingsche Normentheorie völlig preisgegeben.

6

§ 2.

Das Strafrecht als Rechtsgüterschutz.

Verrates nicht gerecht. D a s Verbrechen ist a n t i s o z i a l e H a n d l u n g wie jedes Unrecht; ein Angriff auf die Gesellschaft selbst, auch wenn es unmittelbar gegen Rechtsgüter des einzelnen sich wendet'. Darum mündet die wissenschaftliche Erforschung des Verbrechens zwar einerseits in die allgemeine Rechtslehre und die Rechtsphilosophie, andererseits aber auch in die Gesellschaftswissenschaft (Soziologie). I I I . Die Strafe. Hinter den Normen der Rechtsordnung steht d i e Z w a n g s gewalt des Staates. Die Rechtsnormen sind Zwangsnormen; die Rechtsordnung ist nicht nur Friedensordnung, sondern auch Kampfordnung. W o dem staatlichen Befehl der Gehorsam verweigert wird, greift die Staatsgewalt (man denke an die Sicherheitspolizei in allen ihren Zweigen) zwingend ein. Dem geschehenen Unrecht gegenüber verwendet sie den Erfüllungszwang (Zwangsvollstreckung) und den Zwang zur Wiederherstellung der gestörten Ordnung oder zur Entschädigung in Geld. Dem begangenen V e r b r e c h e n gegenüber versagen aber diese Formen des staatlichen Zwangs. Der Mord läßt eine Wiederherstellung ebensowenig zu, wie, nach unserer heutigen Anschauung, eine Entschädigung in Geld. Hier greift die Staatsgewalt zu einem neuen, im Laufe der Jahrhunderte herausgebildeten Mittel: zur A n drohung und zum Vollzug der öffentlichen S t r a f e a l s e i n e s d e n V e r b r e c h e r v o n S t a a t s w e g e n t r e f f e n d e n Ü b e l s an Leben oder Freiheit, an Ehre oder Vermögen. Den R e c h t s t i t e l für diese Maßnahme nimmt der Staat einerseits aus der Notwendigkeit der Strafe für die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung und damit für die Sicherheit der Gesellschaft; andererseits aus der, wenn auch beschränkten, Eignung der Strafe für die Erreichung dieses Ziels. Die Eignung der Strafe erhellt gerade aus der Vielseitigkeit der Wirkungen, die sie, bei zweckmäßiger Ausgestaltung, zu erzielen vermag. 4 ) i. W a r n e n d und a b s c h r e c k e n d tritt die S t r a f d r o h u n g zu den Geboten und Verboten der Rechtsordnung hinzu. D e m rechtlich gesinnten Bürger zeigt sie in eindringlicher Form, welchen W e r t der Staat seinem Befehle beilegt (die Strafdrohung als „Mißbillig u n g " der Zuwiderhandlung, als Ausdruck des rechtlichen und sozialen , .Unwerturteils"); weniger feinfühligen Naturen stellt sie als Folge ihres rechtswidrigen Verhaltens ein Übel in Aussicht, dessen Vorstellung als Gegengewicht den verbrecherischen H a n g nieder4) Hier soll meine Ansicht im Zusammenhange vorgetragen werden. Dea Streit der Strafrechtstheorien behandelt § 5.

§ 2.

Das Strafrecht als Rechtsgüterschutz.

7

h a l t e n soll. In der einen wie in der a n d e r e n R i c h t u n g aber w e n d e t sich die S t r a f d r o h u n g a n die G e s a m t h e i t der R e c h t s g e n o s s e n (Generalprävention). 2. A b e r die g a n z e ihr e i g e n t ü m l i c h e K r a f t e n t f a l t e t die S t r a f e i m Strafvollzug, in d e r B e w ä h r u n g d e s W i l l e n s der R e c h t s o r d n u n g durch den S t r a f z w a n g . Er wirkt: a) auf die G e s a m t h e i t der R e c h t s g e n o s s e n , i n d e m er einerseits d u r c h seine a b s c h r e c k e n d e K r a f t die v e r b r e c h e r i s c h e n N e i g u n g e n im Z a u m e h ä l t und a n d r e r s e i t s d u r c h d i e w i e d e r h o l t e u n d v e r s t ä r k t e M i ß b i l l i g u n g die r e c h t l i c h e G e s i n n u n g d e r S t a a t s b ü r g e r s t ä r k t u n d s i c h e r t (Generalprävention); b) ebenso auf d e n V e r l e t z t e n , d e m er ü b e r d i e s die G e n u g t u u n g g e w ä h r t , d a ß d e r g e g e n ihn g e r i c h t e t e r e c h t s w i d r i g e Ü b e r griff nicht ungeahndet bleibt; c) g a n z besonders auf d e n V e r b r e c h e r selbst (Spezialprävention). J e n a c h I n h a l t und U m f a n g d e s S t r a f ü b e l s k a n n d a s S c h w e r g e w i c h t d e r W i r k u n g , d i e d u r c h d e n S t r a f v o l l z u g auf d e n V e r brecher a u s g e ü b t w i r d , v e r s c h i e d e n sein. a) D i e A u f g a b e d e r S t r a f e k a n n d a h i n gehen, d e n V e r b r e c h e r wieder z u einem b r a u c h b a r e n Gliede der G e s e l l s c h a f t zu m a c h e n (künstliche A n p a s s u n g , A d a p t i o n ) . E s k a n n sich d a b e i in erster L i n i e u m die K r ä f t i g u n g d e r e r s c h ü t t e r t e n H e m m u n g s v o r s t e l l u n g e n oder u m die u m g e s t a l t e n d e E i n w i r k u n g auf den C h a r a k t e r d e s T ä t e r s h a n d e l n ; d e m e n t s p r e c h e n d k a n n m a n A b s c h r e c k u n g oder Besserung a l s die a n g e s t r e b t e W i r k u n g d e r S t r a f e unterscheiden. ß) D i e A u f g a b e d e r S t r a f e k a n n a b e r a u c h d a h i n gehen, d e m f ü r die G e s e l l s c h a f t u n b r a u c h b a r g e w o r d e n e n V e r b r e c h e r die p h y sische Möglichkeit zur B e g e h u n g weiterer V e r b r e c h e n auf i m m e r oder auf Z e i t zu e n t z i e h e n , ihn a u s der Gesellschaft auszuscheiden (künstliche Selektion). M a n spricht hier v o n d e r Unschädlichmachung des V e r b r e c h e r s . J e n a c h d e m i m g e g e b e n e n F a l l e die eine oder die a n d e r e W i r k u n g d e r S t r a f e z u m Z w e c k g e s e t z t w i r d , g e s t a l t e t sich d e m n a c h d e r V o l l z u g d e r S t r a f e in verschiedener W e i s e . I n s b e s o n d e r e wird e s die b e a b s i c h t i g t e W i r k u n g auf d e n V e r b r e c h e r (die S p e z i a l prävention) sein, die I n h a l t u n d U m f a n g d e r S t r a f e b e s t i m m t . D i e F o r d e r u n g d e r K r i m i n a l p o l i t i k g e h t d a h i n , die E i g n u n g der S t r a f e a l s Mittel z u m Z w e c k m ö g l i c h s t a u s z u n u t z e n u n d sie n a c h d e n B e dürfnissen des E i n z e l f a l l e s zu gestalten. A b e r die a l l g e m e i n e A n l a g e d e r S t r a f g e s e t z g e b u n g wird bei d e r A u f s t e l l u n g der v e r brecherischen T a t b e s t ä n d e wie b e i d e r inhaltlichen B e s t i m m u n g d e r S t r a f e a u c h die ü b e r d e n V e r b r e c h e r h i n a u s g r e i f e n d e n W i r k u n g e n

8

§ 3-

Die Ursachen und die Arten der Kriminalität.

der Strafdrohung wie des Strafvollzuges (die G e n e r a l Prävention) nicht aus den Augen verlieren dürfen. IV. In allen seinen Formen aber, trotz seiner Eigenart, ist das Strafrecht R e c h t , das heißt Interessenschutz. Nicht die Art der geschützten Interessen, die den verschiedensten Rechtsgebieten angehören können, sondern die Eigenart des Schutzes macht das Wesen des Strafrechts aus. Vermögens- und Familienrechte, Leben und Staatsgebiet, die Stellung des Staatsoberhauptes wie die politischen Rechte des Bürgers, die Interessen der Staatsverwaltung und die der Handelsgesellschaften, die Geschlechtsehre des Weibes und die Sicherheit des Verkehrs — alle Interessen ohne Ausnahme können des verstärkten Schutzes teilhaftig werden, den die Strafe verleiht. In allen Rechtsgebieten tritt das Strafrecht ergänzend und sichernd hinzu („sekundäre", ,,komplementäre", „sanktionierende" Natur der Strafrechtssätze).

§ 3.

Die Ursachen und die Arten der Kriminalität.

I. Die zielbewußte Verwertung der Strafe als einer Waffe der Rechtsordnung in ihrem Kampfe gegen das Verbrechen ist unmöglich ohne die wissenschaftliche Erforschung des Verbrechens in seiner tatsächlichen, äußeren E r s c h e i n u n g und in seinen inneren, aus den Tatsachen zu erschließenden U r s a c h e n . Diese kausal erklärende „Lehre vom Verbrechen" kann als Kriminologie (Ätiologie der Kriminalität) bezeichnet werden. 1 ) Innerhalb der Kriminologie kann man weiter unterscheiden die Kriminal-Biologie (oder - A n t h r o p o l o g i e ) und die KriminalSoziologie. Die e'rstere hat das Verbrechen als Ereignis im Leben des E i n z e l m e n s c h e n zu schildern, den Hang zum Verl ) E s ist der Fehler der älteren, dem 18. Jahrhundert angehörenden Richtung der Kriminalpolitik (vgl. unten § I i ) , daß ihrem stolzen Gebäude der feste Unterbau mangelt. Dieser wurde erst möglich mit der naturwissenschaftlichen Erkenntnis des Menschen (Anthropologie im weitesten Sinne) einerseits, einer sicheren Methode (Statistik) f ü r die Gesellschaftswissenschaft andrerseits. Jene ältere, rationalistische Richtung der Kriminalpolitik findet ihren Abschluß in den Arbeiten von J. Bentham (f 1832). Gesamtausgabe von Bowring II B d e . 1843. Seine Lehre ist v o n Dumont in ein System gebracht, und dieses ist von Beneke ins Deutsche übersetzt worden: Grundsätze der Zivil- und Kriminalgesetzgebung aus den Handschriften J. B.S 2 B d e . 1830. Später ist die Kriminalpolitik, wenn a u c h stets v o n einzelnen weitergepflegt (so von Berenger und Bonneville de Marsangy in Frankreich, von örsted in Dänemark, von Mittermaier und v. Holtzendorff in Deutschland, von Wahlberg in Österreich), ebensosehr durch die Träumereien der philosophischen wie durch die Selbstgenügsamkeit der geschichtlichen und die Unfruchtbarkeit der rein juristischen Rechtsschule in den Hintergrund gedrängt worden, um erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zu neuer B l ü t e zu gelangen.

§ 3- Die Ursachen und die Arten der Kriminalität.

9

brechen (penchant au crime) in seiner indi\ iduellen Gestaltung und seinen individuellen Bedingungen zu untersuchen; sie zerfällt in die Kriminal-Somatologie (Anatomie und Physiologie) und die KriminalPsychologie. Aufgabe der Kriminal-Soziologie dagegen ist es, das Verbrechen zu schildern als Ereignis des g e s e l l s c h a f t l i c h e n Lebens, es zu untersuchen in seiner sozialen Gestaltung, sowie in seiner sozialen Bedingtheit. Man muß sich aber darüber klar bleiben, daß der G e g e n s t a n d der Untersuchung ein und derselbe, und nur die M e t h o d e eine verschiedene ist: dort die systematische Einzelbeobachtung, hier die systematische Massenbeobachtung. Denn das Verbrechen als Erscheinung des gesellschaftlichen Lebens setzt sich zusammen aus einer Anzahl von e i n z e l n e n Verbrechen; und j e d e s von diesen ist nur ein Teil eines s o z i a l e n Phänomens. Und man darf nicht vergessen, daß nur die V e r b i n d u n g beider Methoden, so daß die Ergebnisse der einen durch die der anderen gegenseitig geprüft urd ergänzt werden, zu richtiger Erkenntnis des Verbrechens führen kann. 1 ) ') Aus der Nichtberücksichtigung der im Text gemachten Erwägungen erklärt sich die heute im wesentlichen überwundene Spaltung der Kriminologie in zwei Richtungen, die anthropologische einerseits, die soziologische andrerseits. — Aus der reichen Literatur können hier nur einzelne bahnweisende Schriften hervorgehoben werden, i. Die systematische Einzelbeobachtung beginnt mit der psychologischen Schilderung einzelner merkwürdiger Verbrechen. Hierher gehört der sog. alte Pitaval, 1735/43 in Paris von Gayot de Pitaval (f 1743) herausgegeben, vielfach nachgeahmt; so: Der neue Pitaval von Hitzig und Höring 60 Bde. 2. Aufl. 1857ff. Geschichten aus dem alten Pitaval usw. herausgegeben von Paul Ernst 3 Bde. 1910. Vgl. auch unten § 15 VII (Der Pitaval der Gegenwart). Unter den zahlreichen Arbeiten aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ist Feuerbachs Aktenmäßige Darstellung merkwürdiger Kriminalrechtsfälle i828f. auch heute noch mustergültig. In Auswahl herausgegeben von v. Scholz 2 Bde. 1913. Auch die Arbeiten über Gefängniswesen (siehe unten § 61) enthalten viel Einschlagendes. — Mit der Geschichte des berufsmäßigen Verbrechertums beschättigt sich das große Werk von Avr.-Lallemant Das deutsche Gaunertum in seiner sozialpolitischen, literarischen und linguistischen Ausbildung zu seinem heutigen Bestände 1858/62. Seine heutige Gestalt schildern u. a. Valentini Das Verbrechertum im preußischen Staate 1869. Schräder Das Verbrechertum in Hamburg 1879. Starke Verbrechen und .„Verbrecher in Preußen 1854 bis 1878, 1884. Die Verbrecherwelt von Berlin 1886 (SA aus Z 4, 5, 6). Wertvoll die Verwaltungsberichte des Berliner Polizeipräsidiums (1871 bis 1900) 1882, 1892, 1902. Vgl. Lindenau Z 22 287, 24 381. Über Kriminalistik vgl. unten § 4 Note 12. — Die Anatomie und Physiologie des Verbrechers wurde insbesondere von medizinisch-naturwissenschaftlicher Seite eifrig gepflegt. Vgl. die Lit.-Angaben über Psychiatrie unten § 15 VIII 2. Aus Untersuchungen über Verbrechergehirne und Mörderschädel (Schwekendiek, M. Benedikt u. a.) entwickelte sich in Italien die von dem Mediziner C. Lombroso (f 1909; vgl. Sommer Z 81 125) begründete, von den Juristen E. Ferri und R. Garojalo geührte „kriminal-anthropo'ogische Schule". Hauptwerke dieser durch das {Festhalten des anthropologischen Verbrechertypus gekennzeichneten Richtung: Lombroso L'uomo delinquente 1. Aufl. 1878, 5. Aufl. 1896; deutsch von Frähkel 1887. Ferri I nuovi orizzonti del diritto e della procedura penale 1881,

IO

§ 3.

Die Ursachen und die Arten der Kriminalität.

II. Die Betrachtung lehrt, daß jedes einzelne Verbrechen durch das Zusammenwirken zweier Gruppen von Bedingungen entsteht, der individuellen Eigenart des Verbrechers einerseits, der diesen umgebenden äußeren, physikalischen und gesellvon der 3. Aufl. a b unter dem Titel: Sociologia criminale; deutsche Übersetzung von Kurella (nach der 4. Aufl.) unter dem Titel: Das Verbrechen als soziale Erscheinung 1896. Garojalo Criminologia 2. Aufl. 1890; französische Bearbeitung in 4. Aufl. 1895. Zusammenfassend: Wulffen Psychologie des Verbrechers 2 Bde. s. a. (in Langenscheidts Enzyklopädie). Derselbe Gaunerund Verbrechertypen 1 9 1 0 . Kauf/mann Die Psychologie des Verbrechens 1 9 1 z . Kurella Anthropologie und Strafrecht 1912. — Zeitschriften: Archivio di psichiatria, antropologia criminale e scienze penali, seit 1880 von Lombroso und seinen Freunden herausgegeben; Archives de l'anthropologie criminelle et des sciences pénales, seit 1886. Verhandlungen der internationalen kriminalanthropologischen Kongresse zu Rom 1885, Paris 1889, Brüssel 1892 (Rosenfeld Z 13 1 6 1 ) , Genf 1896 (Nücke Z 17 390), Amsterdam 1901, Turin 1906, Köln 1 9 1 2 . Über den Einfluß der Vererbung vgl. Homburger Z 35 1. Literaturübersicht bei Kölscher Jahresberichte über usw. Neurologie und Psychiatrie. Heft 16 1 9 1 3 . — 2. Die Kriminalstatistik hat sich erst allmählich und noch immer nicht vollständig von der Justizstatistik losgelöst. Begründer (neben Guerry) der Belgier Quetelet (f 1874) ; zunächst 1836 in seinem Buche Sur l'homme et le développement de ses facultés ou Essai de physique socia'e, dann in einer Reihe von Schriften. — Hauptwerk für Deutschland: A. V. Otlingen (f 1905) Die Moralstatistik in ihrer Bedeutung für eine Sozialethik 1. Aufl. 1868/69, 3 . Aufl. r882. v. Mayr Statistik und Gesellschaftslehre 1 2. Aufl. 1 9 1 4 , 2 1897, 8 1909ff.' (aus Marquardsen Handbuch des öffentlichen Rechts). Band 3 1 enthält die Moralstatistik mit Einschluß der Kriminalstatistik. Derselbe Z 32 33. — Die amtlichen statistischen Veröffentlichungen in Frankreich seit 1827 (für 1825). Für das Deutsche Reich seit 1883 (für die Jahre 1882 ff.) die mustergültig gearbeitete Reichskriminalstatistik. Dazu Aschrott Z 35 507. Seit 1901 die Kriminalstatistik für Heer und Marine. Außerdem die Justiz- und Gefängnisstatistiken der deutschen Einzelstaaten. — Ferner: Rettich Die württembergische Kriminalität 1895. A. Meyer Die Verbrechen in ihrem Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen im Kanton Zürich 1895. Berg Getreidepreise und Kriminalität (Berliner Seminarabhdlgn. 1 2) 1902. Weidemann Die Ursachen der Kriminalität im Herzogtum Sachsen-Meiningen (daselbst 2 1) 1903. Blau Kriminalstatistische Untersuchung der Kreise Marienwerder und Thorn (daselbst 2 2) 1903. Petersilie Untersuchungen über die Kriminalität in der Provinz Sachsen (Beilage zu G S 64) 1904. Dochow Die Kriminalität im Amtsbezirk Heidelberg (Berliner Seminarabhandlgn. 6 1) 1906. Galle GS 71 3 2 1 , 72 42 (Kriminalität der Provinz Schlesien), v. Liszt Festschrift für den 26. deutschen J ui istentag (Aufsätze 2 433) 19&2. Bonger Criminalité et conditions économiques 1905 (dazu Kitzinger K V S 47 149). Seuffert Untersuchungen über 275; 131, 171. 338; I 6 4 , 187, 189, 278; 127,259, 345, 353.

•) Die durchaus herrschende Ansicht (mit dem Text Finger 1 246) lehnt das Erfordernis grundsätzlich ab und beschränkt den Vorsatz auf das Wissen der konkreten Tatumstände. Praktische Bedeutung gewinnt die Meinungsverschiedenheit nur, soweit das Gesetz sogenannte „Rechtsbegriffe" verwendet, deren Auffassung bei den Juristen selbst bestritten ist. So z. B. der Begriff der Urkunde. Aber diese Begriffe lassen sich von den übrigen gar nicht sondern. Eine volkstümliche Fassung des Gesetzes würde sie ganz verschwinden lassen. — Binding.verlangt zum Vorsatz die Subsumtion unter die dem Strafgesetz zugrunde liegende Norm. Aber wie die Normen lauten (z. B. die der Urkundenfälschung), erfahren wir nicht. Und da nach dem Gesetz das Wissen ganz zweifellos auch der Norm nicht angehörende Strafbarkeitsmerkmale umfassen muß, wie die Aszendenteneigenschaft in § 215, so läßt sich Binditlgs Ansicht ohne gewaltsame Künstelei (vgl. Normen 3 187) überhaupt nicht durchführen.

§ 4°-

Fortsetzung.

Der Irrtum.

177

Strafbarkeit, mit den Prozeßvoraussetzungen, mit den Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen oder den in den besonderen Tatbestand aufgenommenen Strafmilderungsgründen.10) § 40.

Fortsetzung.

Der Irrtum.

Literatur. Außer den zu §§ 39 und 41 angeführten Schriften: V. Bar Gesetz 2 363. v. Hippel Z 35 833. Binding Normen 3. — Pfotenhauer De delicto per errorem in persona commisso 1828. Siegel Verwechslungsfälle bei Anstiftung. Göttinger Diss. 1895. Schweizer Zur Lehre vom Irrtum im Strafrecht. Straßburger Diss. 1906. Quentin Darstellung und Kritik der Lehre vom error in persona vel objecto und der aberratio ictus. Heidelberger Diss. 1907. Ulmer Irrtum und Schuldinhalt im Strafrecht. Leipziger Diss. 1908. Rothkugel Der Irrtum über das Objekt der Straftat. Heidelberger Diss. 1909. Canter Der Einfluß des Rechtsirrtums im Strafrecht. Erlanger Diss. 1917.

I. Aus dem Begriff des Vorsatzes ergibt sich die strafrechtliche Bedeutung eines Irrtums des Täters. 1 ) 1. Da Vorsatz (oben § 39 III 2) Kenntnis der sämtlichen T a t bestandsmerkmale ist, so wird d u r c h den Subsumptionsirrtum, d. h. d u r c h i r r t ü m l i c h e N i c h t a n n a h m e eines T a t b e s t a n d s m e r k m a l e s (oder eines S t r a f s c h ä r f u n g s g r u n d e s ) der V o r s a t z a u s g e s c h l o s s e n . Es liegt also vorsätzlicher Diebstahl nicht vor, wenn der Täter die Eigenschaft der Sache als einer fremden; es liegt Aszendententotschlag nicht vor, wenn er die Eigenschaft des Erschlagenen als eines Aszendenten nicht kannte. Dagegen bleibt Irrtum in bezug auf die oben § 39 unter III 3 erwähnten Merkmale außer Betracht. Irrtümliche Annahme eines nicht vorhandenen Tatbestandsmerkmales oder Strafschärfungsgrundes dagegen begründet untauglichen Versuch (unten § 47). 2. Ob die irrtümliche Ablehnung der Subsumption der Tat unter das Gesetz auf einer unrichtigen Beurteilung der Tatsachen, oder auf einer irrtümlichen Auffassung der auf diese anzuwendenden Rechtssätze beruht, ist für die rechtliche Tragweite des Irrtums ohne Bedeutung. Die an sich berechtigte Unterscheidung von T a t i r r t u m 10) Die schwierige Frage nach dem Irrtum über Strafmilderungsgründe wird ini Besonderen Teil wiederholt behandelt werden. Man denke einstweilen an einen Irrtum der Kindesmörderin über die Ehelichkeit oder Unehelichkeit ihres Kindes. Die Berücksichtigung dieses Irrtums würde zu durchaus unbefriedigenden Ergebnissen führen; StGB § 59 fordert sie auch nicht. Abweichend Allfeld 141, Frank § 59 II, Mayer 328. Vgl. auch Daniel Der Irrtum über Strafminderungsumstände 1911 (im Anschluß an Binding). ') Finger 1 §§ 45 bis 47 faßt (im Anschluß an Binaing) den Irrtum als „Grund ausgeschlossener Zurechnungs- (nicht Delikts-)fähigkeit" auf. Dagegen treffend V. Bar Gesetz 1 361. Nach Binding Normen 3 141 ist die Irrtumslehre ganz unabhängig von der Schuldlehre. Dagegen mit Recht die herrschende Ansicht.

v. L i s i t , Strafrecht.

24. A u l .

1 2

178

§ 4°.

Fortsetzung.

Der Irrtum.

und R e c h t s i r r t u m findet im Gesetz keine Grundlage. Völlig verkehrt aber ist es, innerhalb des Rechtsirrtums weiter zu unterscheiden zwischen dem Irrtum über Strafrechtssätze und dem Irrtum übet andere Rechtssätze, und den letzteren, also den außerstrafrechtlichen Rechtsirrtum, mit dem Tatirrtum auf die gleiche Stufe zu stellen, '"icnnoch ist die Meinung weit verbreitet, daß der Tatirrtum und der außerstrafrechtliche Rechtsirrtum den Vorsatz ausschließen, während der strafrechtliche Rechtsirrtum einflußlos bleibt. Diese Unterscheidung scheitert schon daran, daß es rein strafrechtliche Begriffe gar nicht gibt, das Strafrecht als Schutzrecht vielmehr seine Begriffe den übrigen Rechtsgebieten entlehnt. 2 ) I I . Der Irrtum kann aber auch darin bestehen, d a ß b e i r i c h t i g e r S u b s u m p t i o n d e r T a t u n t e r d a s G e s e t z , d. h. unter die Verbrechensmerkmale, der T ä t e r sich über einen der konkreten. Tatumstände irrt. Er weiß z. B., daß er einen Menschen tötet, hält ..bei" den getöteten A irrtümlich für den B . Der Irrtum ist hier gegeben durch die N i c h t ü b e r e i n s t i m m u n g zwischen der V o r s t e l l u n g d e s T ä t e r s über die den Erfolg verursachende oder nichthindernde Bedeutung seiner Willensbetätigung und dem tatsächlichen Verlauf.3) 1. Die Vorstellung des Erfolges und der Mittel zu seiner Verursachung oder Nichthinderung kann mehr oder weniger bestimmt sein (dolus determinatus und indeterminatus), wenn sie auch niemals weder ganz unbestimmt sein darf, noch sämtliche Einzelheiten zu umfassen vermag. Der Täter muß die Glieder der durch seine Willensbetätigung angeregten oder nichtgehemmten Kausalkette im a l l g e m e i n e n kennen und ihre Wirkung sich vorstellen. Aber das genügt auch. Wie das von ihm gegebene Gift physiologisch wirkt, was sich in der gestohlenen Brieftasche findet, wen die von ihm geworfene Sprengbombe treffen wird — das braucht er nicht zu .vissen. Die V o r s t e l l u n g d e s k a u s a l e n V e r l a u f s und dieser selbst, von den durch die Willensbetätigung zu verursachenden oder nichtgehinderten Veränderungen und diese V e r ä n d e r u n g e n selbst müssen sich decken; aber nicht in allen, sondern nur in den w e s e n t l i c h e n Einzelheiten. 2. Ein Irrtum des Täters über Verlauf und Erfolg seiner Willens2 ) Trotz allgemeinen Widerspruchs der Literatur hält R an der Unterscheidung fest; so zuletzt 33 241, 37 339, 42 26, 54 4, verwickelt sich aber dabei in die schwersten Widersprüche. Ebenso RMilG, zuletzt 13 97, 274, 14 278, 17 41, 72, 1 1 5 , 124, 21 22, 78. Neuerdings auch Schwartz § 59 Note 12. — K E hat (abweichend von V E § 61) die Unterscheidung (ebenso wie G E § 23) aufgegeben; [ E 1919 ist ihm darin gefolgt, Vgl. unten § 41 Note 2.] 3 ) Die herrschende Ansicht hält, freilich ohne jede grundsätzliche Auffassung, diesen Irrtum für irrelevant, soweit nicht aberratio ictus (unten 111^ vorliegt.

§ 4°-

Fortsetzung.

Der Irrtum.

179

betätigung schließt daher die Zurechnung zum Vorsatz nur dann aus, wenn der Irrtum ein wesentlicher ist. Wesentlich aber ist der Irrtum, wenn d e n T ä t e r d i e V o r a u s s i c h t d e s t a t s ä c h l i c h e n V e r l a u f e s von d e r B e g e h u n g d e r T a t a b g e h a l t e n h a b e n w ü r d e ; wenn also sein Vorsatz auch nicht als eventueller den tatsächlichen Verlauf umfaßt hat. 4 ) Die Nichtübereinstimmung zwischen dem vorgestellten und dem tatsächlich eingetretenen Verlaufe der Handlung schließt dagegen die Zurechenbarkeit des Erfolges zum Vorsatze n i c h t aus, wenn die Abweichung nur e i n z e l n e und gegenüber dem Gesamtbilde der Handlung nur u n w e s e n t l i c h e Punkte betrifft. 5 ) So wäre meines Erachtens vorsätzliche Tötung in folgenden (sehr bestrittenen) Fällen anzunehmen: Der Täter dringt mit geladenem Revolver auf seine Geliebte ein, in der eingestandenen Absicht, sie zu erschießen; im Ringen berührt die Bedrohte selbst unabsichtlich den gespannten Hahn und wird tödlich getroffen. — A wirft den B über die Brücke, um ihn zu ertränken; B schlägt auf den Brückenpfeiler auf und zerschmettert sich die Schädeldecke. — Der Wildschütze legt auf den Jäger an, um ihn zu erschießen; dieser macht unwillkürlich einen Seitensprung und stürzt dabei in den Abgrund. Dagegen kann ein Umstand dadurch zu einem w e s e n t l i c h e n werden, daß er, u n t e r A u s s c h l u ß a l l e r a n d e r n e n t s p r e c h e n d e n U m s t ä n d e , mit vollster Bestimmtheit von dem Vorsatze erfaßt wurde. A, der durch das Telephon dem B eine Beleidigung zurückgeben will, wird aus Versehen mit C verbunden und beschimpft diesen. D will seinen Todfeind E töten, hält in der Dunkelheit seinen eigenen Sohn F für den E und t ö t e t den Sohn. In beiden Fällen ist die Annahme eines vollendeten vorsätzlichen Verbrechens m. E . irrtümlich. Ebenso ist vollendeter schwerer Diebstahl ausgeschlossen, wenn der Dieb, in dem verschlossenen Kästchen eine bestimmte Urkunde suchend, hier 10000 Mk. findet und diese an sich nimmt. III. Die aufgestellten Grundsätze reichen völlig aus, um alle Fälle des Irrtums über die verursachende oder nichthindernde Bedeutung der Handlung zu erledigen. E s liegt durchaus kein Grund vor, die dem gemeinen Recht in diesem Gegensatze fremden, erst im 19. Jahrhunderte (durch Pfotenhauer

573.

4)

Vgl. auch § 119 B G B . Gegen mich Finger 1 253, V. Hippel 541, 546, Ähnlich wie der T e x t , trotz seines Widerspruchs, Mayer 332 wie auch

Frank § 59 IX.

5) Nach diesem Satze ist auch der nach Weber (1826) benannte dolus generalis zu beurteilen. E r soll vorliegen, wenn der Täter in der irrigen Voraussetzung, das Verbrechen bereits vollendet zu haben, eine weitere Handlung vornimmt, um die Spuren der T a t zu verdecken usw., und d a d u r c h erst den von ihm ursprünglich vorgesetzten Erfolg herbeiführt. Hier fragt es sich, 1. ob die sämtlichen Teilakte wegen der Einheit des Erfolges als eine einzige Handlung aufzufassen sind; 2. ob deren Ablauf von der Vorstellung des Täters nur in für diesen unwesentlichen Punkten abweicht. Ist beides der Fall, so bedarf es zur Zurechenbarkeit des Erfolges der Annahme einer besonderen Dolusart nicht; ist es nicht der Fall, so vermag auch diese Annahme die einzelnen selbständigen Akte nicht zu verknüpfen. Die Handlungseinheit wird hier freilich meist gegeben sein. Kohlers Äquivalenztheorie, GA 66 97, gelangt im wesentlichen zu dem gleichen Ergebnis. Anders Allfeld 152, V. Bar Gesetz

2 358; Finger 1 263, Frank

Mayer

330.

§ 59 I X , Lobe in RGRäteKomm. Einl. I X E b, 12*

180

§ 41 • Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit.

1828) einander entgegengestellten alten Schulbegriffe der aberratio ictus (sive impetus) und des error in persona (sive objecto) weiter beizubehalten.*) Im Sinne der vorherrschenden Ansicht liegt Abirrung vor, wenn der. vorgestellte Erfolg bei einem andern als dem vorgestellten Objekt eintritt, und diese Abirrung des Erfolges zurückzuführen ist a u f ä u ß e r e U m s t ä n d e . Hier soll die Zurechnung des eingetretenen Erfolges stets ausgeschlossen sein, vielmehr Zusammentreffen eines versuchten vorsätzlichen mit einem vollendeten fahrlässigen Verbrechen angenommen werden. Dagegen soll ein I r r t u m (eine Verwechslung) des T ä t e r s stets als unwesentlich betrachtet, die Zurechnung des Erfolges zum Vorsatze stets gegeben sein, vorausgesetzt, daß die beiden Objekte dem in Frage stehenden Verbrechensbegriffe gegenüber von gleicher strafrechtlicher Bedeutung sind. Diese Unterscheidung krankt schon daran, daß sie die Fälle gar nicht deckt, in welchen der vorgestellte Erfolg an dem vorgestellten Objekt, aber auf einem nicht vorgestellten Wege eingetreten ist. E s fehlt aber auch jeder Grund, die beiden Fälle strafrechtlich verschieden zu behandeln. Ob A, der den B durch das Telephon beschimpfen will, selbst die Nummern verwechselt oder infolge eines Versehens des Beamten falsch verbunden wird, kann keinen Unterschied machen.

§ 41.

Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit.

Literatur, v Bar Gesetz 2 373. Binding Normen 3. Liepmann Z 3 8 21, 8 9 115, 379, 525. Gegen ihn Engelmann GS 86 161. — Heinemann (Lit. zu § 28). Derselbe Z 18 371. Kohlrausch (Lit. zu § 32) Allfeld Die Bedeutung des Rechtsirrtums im Strafrecht 1904. Köhler Die Strafbarkeit beim Rechtsirrtum 1904. Derselbe LZ 14 16. Westerkamp Muß sich der zur strafrechtlichen Verschuldung erforderliche Bewußtseinsinhalt auf die rechtliche oder sittliche Wertung der Tat erstrecken? Marburger Diss. 1907 Pietsch Unter welchem Gesichtspunkt muß sich der vorsätzlich handelnde Täter die von ihm begangene T a t vorgestellt haben ? Erlanger Diss. 1907. Goerdeler Das Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit im Schuldinhah. Göttinger Diss. 1908. Häselbarth Die Putativnotwehr. Rostocker Diss. 1904. Jerschke Die Putativnotwehr (V. Lil. Heft 124) 1911.

I. Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit ist nicht Merkmal des Vorsatzbegriffes.') •) R steht auf dem Standpunkte der seit Feuerbach herrschenden Ansicht. Vgl. zuletzt R 19 179. Das gemeine R e c h t (PGO 145) hat, wie Volksrechte und Rechtsbücher, die Abirrung stets ebenso wie den Irrtum in der Person behandelt (z. B . Preußen 1721) und regelmäßig in beiden Fällen, gestützt auf Clarus und Carpzov (Sächsische Konstit. 4 6), vollendetes vorsätzliches Verbrechen angenommen (milder freilich Damhouder u. a.). Noch Österreich 1852 § 134 stellt beide Fälle, die auch die französische Wissenschaft nicht unterscheidet, ausdrücklich einander gleich. Gegen die Unterscheidung, wie der T e x t , Allfeld 151, Beling 60, Finger 1 255, Frank § 59 I I I , Kohler 1 142, Kohler GA 66 103 (Äquivalenzlehre), Lammasch (Lit zu § 17 I) 33, Rosenfeld Z 8 2 491 F ü r sie neuerdings V Bar Gesetz 2 366, V Hippel V D 544. Lit. bei Binding Normen 8 227 Note 18. l ) Die Frage ist überaus bestritten. 1. Binding Nonnen 2 403 verlangt Bewußtsein der Normwidrigkeit. Ihm folgen Finger 1 261, Lobe in RGRäteKomm. Einl. V I I I und ötker. Dabei ist die Scheidung der Normwidrigkeitsund der Strafbarkeitsmerkmale im Sinne BindingS zu beachten. —• 2. Eine andere Gruppe fordert Bewußtsein der Rechtswidrigkeit, nicht aber der Straf-

§ 4i •

D a s Bewußtsein der R e c h t s w i d r i g k e i t .

l8l

1. E s ist nicht Merkmal des w i s s e n s c h a f t l i c h e n , der lex ferenda gegenüber zu vertretenden Vorsatzbegriffes. Dieser würde erfordern die Kenntnis des Täters von der Richtung der Tat gegen ein rechtlich geschütztes Interesse (oben § 39 I I I 1). Das ist etwas wesentlich anderes, als das V e r b o t e n s e i n der Tat, also ihre Rechtswidrigkeit in dem Sinne, wie das Wort ganz regelmäßig genommen wird. Von vorsätzlichem Betrug kann nur gesprochen werden, wenn der Täter weiß, daß er durch seine Handlung das Vermögen eines andern beschädigt; ob er weiß, daß er damit etwas durch die Rechtsordnung Verbotenes tut, bleibt gleichgültig. 2. Es ist nicht Merkmal des p o s i t i v r e c h t l i c h e n Vorsatzbegriffes. Dieser verlangt (oben § 39 III) Subsumption der Tat unter das Gesetz. Weiß der Täter, daß seine Tat alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes erfüllt, so ist es gleichgültig, ob er auch weiß, daß er damit gegen eine Rechtsnorm verstoßen hat. F ü r die gegenteilige Auffassung bietet das Gesetz keine Stütze. 2 ) II. Der

aus dem Gesagten folgende Satz, daß das Merkmal

b a r k e i t ; so Alljeld 142, Baumgarten A u f b a u 1 7 9 , Gertand (Lit. zu § 5) 47, Olshausen § 59 N o t e n 16, 30. — 8. Mit dem T e x t R , zuletzt 19 253, 20 293, 87 139, R M i l G 13 199, 274; ferner v. Bar Gesetz 2 391, Frank § 59 I I , Kitzinger GS 55 89, v. Lilienthal 38, Lüjjler 264, Lucas (Lit. zu § 39) 66, Merkel-Liepm. § 26, Schwartz § 59 N o t e 7, Weismann Z 1 1 87 N o t e 196, besonders aber Heinemann. — 4. D a s B e w u ß t s e i n der Pflichtwidrigkeit verlangen v. Hippel V D A l l g . T . 3 592, Derselbe Z 31 576, 35 833, Kohlrausch 24, Liepmann 134, ME. Mayer (Lit. zu § 28). 2) D a s Erfordernis der S u b s u m p t i o n unter das Gesetz n i m m t meiner A n s i c h t (abgesehen von den F ä l l e n unter I I 2) jede Schärfe; denn die staatlichen N o r m e n decken sich im wesentlichen m i t den sittlichen Forderungen. D a s polizeiliche Unrecht aber erfordert ü b e r h a u p t (oben § 26 N o t e 6) gesonderte B e h a n d l u n g . Anders, wenn, wie während des K r i e g e s , neue Normen in unübersehbarer Menge sich folgen. D a h e r b e s t i m m t e die B R V v o m 18. J a n u a r 1917 ( R G B l . S. 58) für die auf Grund des Ermächtigungsgesetzes erlassenen Strafdrohungen, d a ß das Verfahren einzustellen sei, wenn „ d e r Beschuldigte in unverschuldetem Irrtum über das Bestehen oder die A n w e n d b a r k e i t der übertretenen Vorschrift die T a t für erlaubt gehalten h a t " . V g l . dazu R 58 4, 13. T r o t z der prozessualen E i n k l e i d u n g h a n d e l t es sich u m die Aufstellung eines Schuldausschließungsgrundes. S o a u c h Binding Leipziger Z 1 1 297, Goldschmidt J\V 46 182, v. Hippel D S t Z 4 24, 697. D a g e g e n K. Meyer Z 38 360, Feisenberger Z 38 855, R 53 81 (persönlicher Strafausschließungsgrund). V g l . a u c h Lobe Leipziger Z 1 1 225, Schäfer daselbst 1 1 425. B e i verschuldetem I r r t u m finden die allgemeinen Regeln wieder A n w e n d u n g . V g l . R 50 309. — [ E 1919 § 11 A b s . 2 hält Vorsatz f ü r ausgeschlossen, wenn jemand irrtümlich einen T a t b e s t a n d a n n i m m t , der nach ö f f e n t l i c h e m oder bürgerlichem R e c h t die Rechtswidrigkeit ausschließen würde (der T ä t e r züchtigt ein f r e m d e s K i n d in der Meinung, es sei sein eigenes), und unterscheidet in § 12 d a v o n denjenigen F a l l , wo der T ä t e r zwar vorsätzlich handle, aber auf Grund rechtlichen oder tatsächlichen Irrtums die T a t für erlaubt h ä l t (der T ä t e r z ü c h t i g t ein fremdes K i n d in der Meinung, es stehe ihm diesem gegenüber ein Züchtigungsrecht zu). V g l . dazu D e n k s c h r i f t 22ff. A u s d e m W o r t l a u t der §§ 11 und 12 d ü r f t e indessen k a u m das herauszulesen sein, w a s die D e n k s c h r i f t hineinlegt. — Unklar auch K E § 17 A b s . 2 in V e r b i n d u n g m i t § 114.]

182

§ 41.

D a s B e w u ß t s e i n der

Rcchtswidrigkeit.

der Rechtswidrigkeit ohne Rücksicht auf den guten oder schlechten Glauben des Täters streng objektiv zu prüfen sei, wird nach zwei verschiedenen Richtungen von Bedeutung. 1. I r r i g e A n n a h m e , d a ß d i e n i c h t rechtswidrige Handlung rechtswidrig sei, schadet dem T ä t e r nicht. D a s W a h n v e r b r e c h e n (Putativdelikt) ist nicht Verbrechen, insbesondere nicht versuchtes (fehlgeschlagenes) Verbrechen. 3 ) Zwei F ä l l e sind hier m ö g l i c h , a b e r in gleicher W e i s e zu erledigen. a) D e r T ä t e r n i m m t irrigerweise die R e c h t s w i d r i g k e i t einer ü b e r h a u p t n i c h t rechtswidrigen H a n d l u n g a n . D i e F r a u e n s p e r s o n , die m i t Angehörigen ihres G e s c h l e c h t s w i d e r n a t ü r l i c h e U n z u c h t t r e i b t , i s t überzeugt, sich einer rechtswidrigen und s t r a f b a r e n S o d o m i t e r e i schuldig zu m a c h e n . b) D e r T ä t e r n i m m t irrigerweise a n , d a ß ein U m s t a n d , d e r d i e R e c h t s w i d r i g k e i t einer im allgemeinen rechtswidrigen H a n d l u n g a u s s c h l i e ß t , n i c h t vorliege, o b w o h l er im gegebenen F a l l e t a t s ä c h l i c h vorhanden ist. D e r L e h r h e r r n i m m t i r r t ü m l i c h a n , die Grenzen des ihm zustehenden Z u c h t r e c h t s ü b e r s c h r i t t e n zu h a b e n .

2. I r r i g e A n n a h m e , d a ß d i e r e c h t s w i d r i g e H a n d lung nicht r e c h t s w i d r i g sei, n ü t z t dem T ä t e r n i c h t ; der Irrtum über die dem Strafgesetz zugrunde liegenden Gebote oder Verbote kann nur innerhalb des Strafrahmens berücksichtigt werden. A u c h hier sind zwei gleich zu b e h a n d e l n d e F ä l l e zu u n t e r s c h e i d e n . a) D e r T ä t e r n i m m t irrigerweise a n , d a ß eine im allgemeinen r e c h t s widrige H a n d l u n g ü b e r h a u p t n i c h t rechtswidrig i s t . D e r W u c h e r e r weiß n i c h t , d a ß das W u c h e r g e s e t z seine H a n d l u n g s w e i s e u n t e r S t r a f e g e s t e l l t h a t ; der B a u e r n b u r s c h e weiß n i c h t , d a ß S o d o m i t e r e i n i c h t nur u n s i t t l i c h , sondern a u c h rechtswidrig i s t . D i e s e H a n d l u n g e n sind t r o t z dieses I r r t u m s V e r b r e c h e n , wie sie es o h n e diesen I r r t u m w ä r e n . b) D e r T ä t e r n i m m t irrigerweise a n , d a ß die von ihm als i m allgemeinen rechtswidrig e r k a n n t e H a n d l u n g u n t e r eine j e n e r A u s n a h m e n falle, in welchen die R e c h t s w i d r i g k e i t ausgeschlossen i s t . D e r T ä t e r g l a u b t sich in N o t s t a n d oder einem g e g e n w ä r t i g e n rechtswidrigen Angriffe gegenüber (in „ P u t a t i v n o t w e h r " ) zu befinden oder T r ä g e r eines Z ü c h t i g u n g s r e c h t s zu sein. D a s Ges e t z b i e t e t k e i n e n - A n h a l t s p u n k t d a f ü r , diese F ä l l e a n d e r s zu b e h a n d e l n als 3) D a s W a h n v e r b r e c h e n wird v i e l f a c h m i t d e m u n t a u g l i c h e n V e r s u c h v e r w e c h s e l t ; vgl. u n t e n § 47. A u c h Biriding N o r m e n 3 401 f a ß t es m i t diesem a l s „ u m g e k e h r t e n I r r t u m " z u s a m m e n . — Verschieden von dem W a h n v e r b r e c h e n i s t der V e r b r c c h e r w a h n , b e i d e m der T ä t e r d i e R e c h t s w i d r i g k e i t seiner H a n d l u n g k e n n t , a b e r , v e r m e i n t l i c h höheren P f l i c h t e n g e h o r c h e n d , sich b e w u ß t ü b e r die R e c h t s o r d n u n g h i n w e g s e t z t . A u c h der V e r b r e c h e r w a h n b l e i b t , a b e r a u s a n d e r e n G r ü n d e n , o h n e E i n f l u ß a u f die B e u r t e i l u n g der T a t . V g l . M i l S t G B § 48. — B e s o n d e r e S c h w i e r i g k e i t e n b i e t e t die irrige N i c h t a n n a h m e der t a t s ä c h l i c h erfolgten E i n w i l l i g u n g des V e r l e t z t e n , s o w e i t diese ü b e r h a u p t a l s r e c h t l i c h erheblich e r s c h e i n t . F o l g e r i c h t i g (oben § 3 5 I V ) m u ß sie g r u n d s ä t z l i c h a l s I r r t u m über die R e c h t s w i d r i g k e i t , n i c h t über ein T a t b e s t a n d s m e r k m a l b e t r a c h t e t und b e h a n d e l t werden. U n d ebenso ist irrige A n n a h m e der n i c h t e r f o l g t e n Einwilligung n a c h dem o b e n I I 2 G e s a g t e n zu b e r ü c k s i c h t i g e n . A b e r a u c h hier k o m m e n wir zu a b w e i c h e n d e n E r g e b n i s s e n , wenn die N i c h t e i n willigung T a t b e s t a n d s m e r k m a l ist ( u n t e n I I I ) .

§ 41-

Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit.

185

die unter a besprochenen. Auch hier also m , ü der Irrtum, mag er Tat- oder Rechtsirrtum sein, einflußlos bleiben.4) I I I . D i e eben a u f g e s t e l l t e R e g e l erleidet jedoch eine wichtige freilich rein p o s i t i v r e c h t l i c h e Ausnahme. Ü b e r a l l d o r t , w o d e r G e s e t z g e b e r d a s M e r k m a l d e r R e c h t s w i d r i g k e i t in d e r Tatbestand eines Verbrechens aufgenommen hat, um faßt der Vorsatz, der die K e n n t n i s sämtlicher Tat bestandsmerkmale verlangt, auch das Bewußtsein de Rechtswidrigkeit.5) 1 1. D i e s e A u f n a h m e ist aber in verschiedener W e i s e erfolgt. a) V i e l f a c h h a t d e r G e s e t z g e b e r die R i c h t u n g der H a n d l u n g g e g e n ein b e s t e h e n d e s R e c h t oder eine R e c h t s p f l i c h t z u m T a t bestandsmerkmal gemacht. S o v e r l a n g t er z u m D i e b s t a h l eine „ f r e m d e " S a c h e , z u m E h e b r u c h eine b e s t e h e n d e „ E h e " , z u m W i d e r s t a n d gegen die S t a a t s g e w a l t „ r e c h t m ä ß i g e " A m t s a u s ü b u n g . b) In einer A n z a h l v o n F ä l l e n (so beim D i e b s t a h l und B e t r u g ) ist „ r e c h t s w i d r i g e A b s i c h t " T a t b e s t a n d s m e r k m a l . c) H i e r h e r g e h ö r t widrig usw."

endlich a u c h die W e n d u n g :

„Wer

rechts-

In allen diesen F ä l l e n m u ß bei irriger Annahm des Täters, daß die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen sei, die S t r a f b a r k e i t der T a t entfallen. Dies gilt auch d a n n , w e n n d e r T ä t e r irrtümlicherweise a n g e n o m m e n h a t (oben I I 2 b ) , z u d e m E i n g r i f f in f r e m d e R e c h t s g ü t e r b e r e c h t i g t gewesen z u sein. Z u r S t r a f b a r k e i t g e n ü g t e v e n t u e l l e r V o r s a t z (oben § 39 I I ) . 2. E s ist ferner d a r a u f h i n z u w e i s e n , d a ß einzelne N e b e n g e s e t z e besondere B e s t i m m u n g e n ü b e r d e n E i n f l u ß des s o g e n a n n t e n R e c h t s irrtums enthalten.6) 4) Ebenso Köhler 287. Die gemeine Meinung nimmt hier Straflosigkeit an. Ebenso, wenn auch schwankend R. Sehr bestimmt RMilG, zuletzt 11 166, 283, 15 101. Gegen den Text wird besonders auch die Lehre von den „negativen Tatbestandsmerkmalen" (oben § 26 Note 5) verwertet; doch soll den Täter nur der Irrtum über die tatsächliche Lage (irrige Annahme eines gegenwärtigen Angriffs), nicht über die Rechtsnorm (Begriff der Notwehr) schützen. Über K E und E 1919 vgl. oben Note 2. Es ist zuzugeben, daß dieses Ergebnis im allgemeinen dem Billigkeitsgefühl entspricht. Wenn aber der Hasenfuß im Wald von einem harmlosen Wanderer, der ihn nach dem Wege fragen will, einen Angriff befürchtet und ihn daher niederschießt, wird wohl unser Rechtsgefühl die Berücksichtigung dieses Irrtums nicht verlangen. 5) Vgl. oben- § 32 Note 6. In dem dort Gesagten liegt auch die einzig mögliche Rechtfertigung dieser Ausnahme. Ebenso, wenn auch unsicher, R, zuletzt 19 209, 20 393. Ähnlich wie der Text auch Frank § 59 III. Dagegen die Meisten. — G E hat folgerichtig in a l l e n Verbrechenstatbeständen dar ,,rechtswidrig" gestrichen. 6) Vereinszollg. 1869 § 163; Nachdrucksg. 1870 § 18 Abs. 2; Reichsab gabenordnung § 358. Über S t G B § 193 vgl. unter § 95 IV (Beleidigung).

184

§ 42.

§ 42.

Die Fahrlässigkeit.

Die Fahrlässigkeit.

Literatur, v. Bar Gesetz 2 435. Binding Normen 4. Derselbe G S 87 257. V. Hippel V D Allg. T . 8 565. Exner D a s Wesen der Fahrlässigkeit 1910. Dazu Gutherz bei Groß 8 9 90; Stooß Schweizer Z 2 8 391 und Österreichische Z 2 5; Exner (Lit. zu § 39); Kohlrausch Reform 1 208; Körner G S 82 53. Messer bei Aschaffenburg 8 6. Galliner (Lit. zu § 36). Mannheim Der Maßstab der Fahrlässigkeit im Strafrecht (V. Lil. H e f t 157) 1912. Köhler Probleme der Fahrlässigkeit im Strafrecht 1912. Gegen ihn Kriegsmann Z 33 739. Beschütz Die Fahrlässigkeit (V. Lil. H e f t 76) 1906. Kuhlmann Die nicht ausdrückliche Fahrlässigkeit im R S t G B . Münstersche Diss. 1912. Kohler G A 62 241. Klee G A 62 394 (preuß. P r a x i s 1792 bis 1812). Storch Über den Begriff, die Arten und die Bestrafung der K u l p a (V. Lil. H e f t 171) 1913. I. Der Begriff der Fahrlässigkeit h a t sich als z w e i t e S c h u l d f o r m auf dem Gebiete des Strafrechts erst allmählich und langsam entwickelt. E i n z e l n e fahrlässige Verbrechen sind es gewesen (so die fahrlässige Tötung), welche Wissenschaft und Rechtsprechung zumeist beschäftigten. So kann es uns nicht wundernehmen, d a ß die Entwicklung noch immer nicht abgeschlossen ist, d a ß der einheitliche Begriff den romanischen Rechten fremd geblieben ist, und d a ß noch in unserm geltenden Rechte sich verschiedene Entwicklungsstufen nebeneinander vertreten finden. Wesentlich ist dem Begriff der Fahrlässigkeit seit den Schriften der mittelalterlichen Italiener die Beziehung der Schuld auf den eingetretenen Erfolg. Wenn B G B § 276 sagt: „Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht l ä ß t " , so ist d a m i t der Begriff der Fahrlässigkeit nicht erschöpft. Dasselbe gilt gegen die völlig mißglückte Fassung in V E § 60. Erforderlich ist vielmehr noch der Eintritt eines rechtswidrigen E r f o l g e s und die V o r h e r s e h b a r k e i t dieser Wirkung des Verhaltens. Mit andern Worten: Der heutige Begriff des fahrlässigen Vergehens beruht darauf, daß der eingetretene Erfolg nicht als Bedingung der Strafbarkeit (unten § 4 4 1 1 1 ) , sondern als Teil der Handlung selbst aufgefaßt wird. Ebenso K E § 19 und E 1919 § 14. Erst d a m i t tritt die Fahrlässigkeit als zweite Schuldart neben den Vorsatz. Freilich bietet die unbewußte Fahrlässigkeit der Konstruktion als Schuldform Schwierigkeiten, die nur überwunden werden können, wenn man auf den m a t e r i e l l e n G e h a l t d e r S c h u l d (oben § 36 I) zurückgeht und die Nichtvoraussicht des Erfolges als Ausfluß der Gleichgültigkeit des Täters gegenüber den Anforderungen des sozialen Zusammenlebens betrachtet. 1 ) W e r zum Vorsatz Bewußtsein der Rechtswidrigkeit oder ähnliches verlangt (oben § 41 Note 1), muß fahrlässige Begehung des im übrigen vorsätzlichen Deliktes annehmen, wenn infolge eines unentschuldbaren Irrtums jenes Bewußtsein fehlt. D a m i t tritt ein zweiter Fahrlässigkeitsbegriff (die „Rechtsfahrlässigkeit") neben den ersten, und die Verwirrung wird vollkommen. Vgl. auch oben § 41 III.

II. Fahrlässigkeit ist formell Nichtvoraussicht des voraussehbaren Erfolges-bei Vornahme der Willensbetätigung. V o r a u s s e h b a r ist der Erfolg, wenn der Täter ihn h ä t t e v o r a u s s e h e n *) So bestimmt, aber mit einseitiger Betonung der „Gefühlsschuld" Exner. W e r zur Schuld die k o n k r e t e subjektive Beziehung zum Erfolg vera n g t , muß dahin gelangen, mit Kohlrausch der Fahrlässigkeit die Eigenschaft leiner Schuldform abzusprechen. A u c h Baumgarten A u f b a u 114, 202 weist die Fahrlässigkeit aus der Verbrechenslehre hinaus. Gegen Kohlrausch und Baumgarten vgl. Binding Normen 4 312.

§ 42-

Die Fahrlässigkeit.

185

s o l l e n u n d k ö n n e n . Fahrlässige Handlung ist mithin die willkürliche Verursachung oder Nichthinderung eines nicht vorausgesehenen, aber voraussehbaren Erfolges. 2 ) Und auch hier muß, wie beim Vorsatze (oben § 39 III), die zweite, wesentlich weitergehende, Fassung neben die erste gestellt werden: Fahrlässigkeit ist das vermeidbare Nichtkennen eines Tatbestandsmerkmales (StGB §59). Auch der vermeidbare Subsumptionsirrtum begründet mithin Fahrlässigkeit. Dasselbe gilt von der schuldhaften Nichtkenntnis der Rechtswidrigkeit, soweit diese vom Gesetzgeber unter die Begriffsmerkmale aufgenommen ist (oben § 41 III). Zum Begriff der Fahrlässigkeit gehört: 1. M a n g e l an V o r s i c h t bei der Willensbetätigung, d. h. Außerachtlassung der durch die Rechtsordnung gebotenen und nach Lage der Umstände erforderlichen Sorgfalt. Das Maß der Sorgfalt bestimmt sich dabei a l l g e m e i n nach der o b j e k t i v e n Natur der vorgenommenen Handlung, nicht nach der besonderen Eigenart des Handelnden. Die Nichtanspannung der Aufmerksamkeit, die Nichterfüllung des Sollens, erscheint im Sinne der herrschenden Terminologie als ein Willensfehler. 2. Zu dem Mangel an Vorsicht muß aber Mangel an V o r a u s s i c h t hinzutreten, d. h. es muß dem Handelnden möglich gewesen sein, den Erfolg als Wirkung der Körperbewegung (wenn auch nur in allgemeinen Umrissen)3) vorherzusehen und das Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale zu erkennen. Bei der Beurteilung dieser Frage sind die geistigen Fähigkeiten des H a n -) Der Begriff der Fahrlässigkeit wird durch den des Vorsatzes begrenzt. D a r a u s ergibt sich (vgl. oben § 39): 1. Fahrlässigkeit liegt bei eingetretenem Erfolge vor, wenn der T ä t e r die Möglichkeit des Erfolgseintrittes sich vorgestellt, aber m i t dem (unrichtigen u n d vermeidlichen) Urteil: „der Erfolg wird n i c h t e i n t r e t e n " ihn abgelehnt h a t . 2. Fahrlässigkeit liegt f e m e r vor, wenn der Täter die Möglichkeit des Erfolgseintrittes sich ü b e r h a u p t nicht vorgestellt h a t (obwohl er sie sich h ä t t e vorstellen können). Auf dieser Erwägung b e r u h t die seit Feuerbach weit verbreitete Unterscheidung von bewußter Fahrlässigkeit (erster Fall) und unbewußter Fahrlässigkeit (zweiter Fall). Diese Unterscheidung ist richtig. Falsch aber wäre es, die bewußte Fahrlässigkeit als die schwerere Schuldform zu betrachten. Denn danach würde der umsichtige T ä t e r , der die entferntesten Folgen ängstlich zuvor erwägt, ungleich strenger beh a n d e l t als der gedankenlose B u m m l e r . Ebenso Allfeld 158. V. Bar Gesetz 2 459, Wachenfeld 164. [Gegen die „ H a l b i e r u n g " ü b e r h a u p t Binding Normen 4 312, 408, 471, 473. Vgl. auch Lobe in R G R ä t e K o m m . Einl. X I 1. K E § 19 u n d E 1919 § 14, die f a s t wörtlich übereinstimmen, unterscheiden b e w u ß t e u n d u n b e w u ß t e Fahrlässigkeit, machen aber hinsichtlich der B e s t r a f u n g keinen Unterschied zwischen den beiden Fahrlässigkeitsformen.] 3 ) R 19 51, 35 1 3 1 ; RMilG 6 262, 8 165. E s genügt, d a ß der T ä t e r den Tod eines Menschen, wenn a u c h n i c h t eines b e s t i m m t e n Menschen, voraussehen k o n n t e ; es ist nicht erforderlich, d a ß Zeit, Ort, die übrigen Einzelheiten des Kausalverlaufes voraussehbar waren. Vgl. oben § 40 I I . Bedenklich dagegen R 29 219 u n d 3 4 91.

i86

§ 42.

Die Fahrlässigkeit.

d e l n d e n überhaupt und im Augenblicke des Handelns (Aufgeregtheit, Angetriinkenheit), ist s e i n größerer oder geringerer Scharfblick zugrunde zu legen. Der Maßstab ist hier ein subjektiver, b e s o n d e r e r . Das geistige Können des einzelnen Täters steht in Frage. Wird es bejaht, dann erscheint der Mangel der Voraussicht als ein V e r s t a n d e s f e h l e r . 4 ) 3. Damit ist zugleich der m a t e r i e l l e Gehalt der Fahrlässigkeit als Schuldart klargelegt. Er liegt darin, d a ß d e r T ä t e r d i e f ü r i h n erkennbare antisoziale B e d e u t u n g seiner T a t infolge seiner G l e i c h g ü l t i g k e i t gegen die A n f o r d e r u n g e n des s o z i a l e n Z u s a m m e n l e b e n s n i c h t e r k a n n t hat. 4 3 ) III. Die Fahrlässigkeit beruht mithin auf einem Irrtum über die den Erfolg verursachende oder nichthindernde Bedeutung der Willensbetätigung, bzw. auf mangelnder Kenntnis der Tatbestandsmerkmale. Darin liegt ihr Unterschied vom Vorsatz. Aber jener Irrtum und dieser Mangel begründen die Annahme der Fahrlässigkeit nur dann, wenn sie hätten vermieden werden können und sollen. Darin liegt der Unterschied der Fahrlässigkeit vom Zufall. Der I r r t u m schließt mithin Fahrlässigkeit nur dann aus, wenn er unvermeidbar war, wenn es also dem Täter nach seiner zur Zeit der Tat gegebenen Veranlagung unmöglich war, die Vorstellung von der Bedeutung seiner Willensbetätigung zu gewinnen. Vgl. S t G B § 59 Abs. 2. IV. Alle Vorschriften der Rechtsordnung sind an sich der fahrlässigen Übertretung fähig. Aber nicht jede fahrlässige Übertretung wird von dem geltenden Rechte mit Strafe belegt. E s bildet im Gegenteile die Bestrafung fahrlässiger Vergehen eine A u s n a h m e , die nur dann als gegeben anzunehmen ist, wenn der Wille, auch die fahrlässige Übertretung zu bestrafen, ausdrücklich im Gesetze ausgesprochen oder aus dem Zusammenhange der gesetzlichen Bestimmungen zu entnehmen ist. 6 ) 4) Die im T e x t vertretene Ansicht (Unterscheidung von „ V o r s i c h t " und „Voraussicht") teilt auch Ii in einer Reihe von Entscheidungen, zuletzt 30 25, 50 417, sowie RMilG 5 15, 14 197, 22 32. Gegen den T e x t Binding Normen 4 507 und 508 Note 20, der jedoch im Irrtum ist, wenn er aus dem T e x t das Erfordernis eines „festen Zusammenhanges des fahrlässigen Verhaltens mit bestimmten Charaktereigenschaften des Schuldigen" herausliest. Der T e x t p a ß t durchaus auch auf den, der sich „eben einmal vergessen" hat. (Vgl. oben § 36 Note 5.) 6) V g l . R 22 43, Lobe in R G R ä t e K o m m . Einl. X I 4. Das S t G B bedroht die fahrlässige Begehung mit Strafe a u s d r ü c k l i c h in folgenden Fällen: S t G B §§ 222 und 230 Tötung und Körperverletzung; §§ 121 und 347 E n t woichenlassen von Gefangenen; § 163 Falscheid; § 259 Partiererei; §§ 309, 3 1 1 , 314, 316, 318, 326, 329 Gemeingefährliche Verbrechen; § 345 Vollstreckung einer nicht zu vollstreckenden Strafe. Dazu treten verschiedene Nebengesetze. — Für den polizeilichen Ungehorsam genügt im allgemeinen Fahrlässigkeit;

§ 43-

Die Verschuldung bei Preßvergehen.

187

V . Z u m Vorsatz ist Vorstellung s ä m t l i c h e r unter den Verbrechensbegriff fallender Tatbestandsmerkmale (mit Einschluß des Erfolges) erforderlich. Fehlt auch nur eins dieser Begriffsmerkmale in der Vorstellung, so ist der Vorsatz ausgeschlossen, und es kann Fahrlässigkeit vorliegen. Genau betrachtet, würden daher jedem e i n z e l n e n vorsätzlichen Verbrechen begrifflich e b e n s o v i e l e fahrlässige Vergehen entsprechen, als jenes Verbrechen Begriffsmerkmale h a t ; und nichts würde den Gesetzgeber hindern, nur eins oder das andre der fahrlässigen Vergehen mit Strafe zu belegen, die übrigen aber straffrei zu lassen. So würden der vorsätzlichen Tötung eines Menschen zwei Fälle des fahrlässigen Vergehens entsprechen: 1. Der T ä t e r weiß, d a ß er tötet; aber nicht, d a ß er einen Menschen vor sich hat. 2. Er weiß, daß er gegen einen Menschen handelt; aber nicht, d a ß er tötet. Die Gesetzgebung hat von dieser Unterscheidung im allgemeinen keinen Gebrauch gemacht. Wohl aber ist es geschehen bezüglich der Sachhehlerei in § 259 S t G B (unten § 147). VI. G r a d e d e r F a h r l ä s s i g k e i t . D a s geltende Recht hat in zwei Fällen die Fahrlässigkeit als eine schwerere dann behandelt, wenn der Täter zu der von ihm außer acht gelassenen Sorgfalt „ v e r m ö g e seines Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet w a r " 6 ) ( S t G B §§ 222 und 230, Tötung und Körperverletzung). Hierher gehören auch die „ ä r z t l i c h e n K u n s t f e h l e r " .

§ 43.

Die Verschuldung bei PreBvergehen.

Literatur, v. Liszt Preßrecht §§ 47 bis 57. v. Schwarze-Appelius Kommentar zum Preßgesetz. Bearbeitet von Wulffen 1 9 1 4 . Kitzinger Das Reichsgesetz über die Presse vom 7 . Mai 1 8 7 4 , 1920 (vortrefflicher Kommentar). Loening Die strafrechtliche Haftung des verantwortlichen Redakteurs 1889. ötker Die strafrechtliche Haftung des verantwortlichen Redakteurs 1893. V. Bülow G A 4 0 2 4 1 , 4 3 3 2 4 u n d Z 1 4 6 4 3 .

Klöppel

Das Reichspreßrecht 1 8 9 4 .

Wahl Die strafrechtliche Haftung des verantwortlichen Redakteurs nach § 2 t Reichspreßgesetz. Leipziger Diss. 1904. Lieblich Der verantwortliche Redakteur und seine Haftung nach § 20 Abs. 2 RPrG 1905. Gaze Die strafrechtliche

doch bedarf Wortlaut und Sinn des Gesetzes stets genauer Prüfung. Vgl. Goldschmidt Verwaltungsstrafrecht (oben § 26 Note 6) 475, 470. — [KE § 392 und E 1 9 1 9 § 407 lassen bei Übertretungen fahrlässiges Handeln genügen, es sei denn, daß das Gesetz selbst Vorsatz verlangt oder, wie KE, nicht aber E 1 9 1 9 fortfährt, unzweideutig voraussetzt.] •) Die Handlung muß also, wenn auch nur als Hilfsverrichtung, in den Kreis der Amts- usw. Geschäfte hineinfallen. Ebenso Wachenfeld 3 1 5 . Dies ist auch bei verbotenem Gewerbebetriebe, Kurpfuscherei, Mißbrauch der Amtsgewalt usw. der Fall; vgl. R. 27 1 6 7 Ebenso Allfeld 158. Wesentlich enger Frank § 222 II, Schwartz § 222 Note 4. Vgl. R 34 65, 36 405 (Gebrauch eines Fahrrades beim Besuche der Kunden oder auf dem Wege von und zu der Arbeit); 39 204 (die Vormundschaft als Amt); 54 234. Den Standpunkt der Praxis billigt Binding Normen 4 486. — Interessant und richtig die Entscheidung des Bayer. OLG 13 85, der Binding Normen 4 488 Note 2 zustimmt.

i88

§ 43.

Die Verschuldung bei Preßvergehen.

Haftung für Preßdelikte 1906. Galli GA 62 161. Appelius Z 27 657. Gusti Die Grundbegriffe des Preßrechts (Berliner Seminarabhandlgn. 5 4. Heft) 1908 (dazu Tesar bei Groß 39 99). Zimmermann Die Grundbegriffe des belgischfranzösischen Preß-Strafrechts usw. (v. LH. Heft 81) 1907. Berger Das Preßdelikt, sein Begriff, seine rechtliche Gestaltung und seine Grenzen. Greifswalder Diss. 1910. Marx Die strafrechtliche Bedeutung des § 21 des RPrG. Erlanger Diss. 1911. Binding Abhandlungen I 221. Stielmann Z 34 198. — Über K i n e m a t o g r a p h e n z e n s u r : Hellwig Annalen des Deutschen Reichs 1910 (verneint mit Recht die Anwendbarkeit des Preßgesetzes). I. D i e in d e n v o r h e r g e h e n d e n P a r a g r a p h e n e n t w i c k e l t e n allg e m e i n e n G r u n d s ä t z e f i n d e n z u n ä c h s t a u c h a u f Preßvergehen A n wendung; d. h. auf d i e j e n i g e n s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n , d e r e n W e s e n in d e m M i ß b r a u c h e d e s R e c h t s d e r f r e i e n Meinungsäußerung durch Verbreitung von Druckschriften b e s t e h t (§ 20 A b s . 1 des P r e ß g e s e t z e s v o m 7. Mai 1874). x ) A b e r diese allgemeinen G r u n d s ä t z e reichen den P r e ß v e r g e h e n g e g e n ü b e r n i c h t aus. A b g e s e h e n v o n a n d e r n G r ü n d e n (man d e n k e z. B . a n die A n o n y m i t ä t d e r periodischen Presse) b e w i r k t die U m g e s t a l t u n g , die d e r G e d a n k e d u r c h seine D r u c k l e g u n g e r f ä h r t , u n d d a s d a m i t g e g e b e n e e i g e n a r t i g e Z u s a m m e n w i r k e n einer R e i h e v o n P e r s o n e n (Verfasser, H e r a u s g e b e r , R e d a k t e u r , V e r l e g e r , D r u c k e r , Verbreiter), d a ß d e n P r e ß v e r g e h e n g e g e n ü b e r eine E r g ä n z u n g der allgemeiner; Grundsätze über Verschuldung2) durch S o n d e r b e s t i m m u n g e n unerläßlich w i r d , soll n i c h t d i e S t r a f v e r f o l g u n g a n juristischen S c h w i e r i g k e i t e n scheitern. D a s R e i c h s p r e ß g e s e t z h a t d i e s e m G e d a n k e n R e c h n u n g g e t r a g e n , indem es die allgemeinen G r u n d s ä t z e n a c h z w e i R i c h t u n g e n hin e r g ä n z t . I I . D a s R e i c h s p r e ß g e s e t z h a t n a c h d e m V o r b i l d e anderer Ges e t z g e b u n g e n in § 20 A b s . 2 die a l l g e m e i n e n G r u n d s ä t z e über V e r s c h u l d u n g z u n ä c h s t d u r c h die A u f n a h m e d e r H a f t u n g d e s v e r antwortlichen Redakteurs einer periodischen Drucks c h r i f t 3 ) ergänzt. D e r v e r a n t w o r t l i c h e R e d a k t e u r m u ß m i t h i n R e d a k t e u r sein, d . h . die B e f u g n i s h a b e n , ü b e r die A u f n a h m e eines A r t i k e l s zu ent*) Über den Begriff der D r u c k s c h r i f t vgl. Preßg. § 2; dazu G vom. 12. März 1884, das Stimmzettel aus dem Begriff der Druckschrift ausscheidet. Über den Begriff der periodischen Druckschrift vgl. § 7 Preßg. Über das „Verbreiten" unten § 109. 2) Nach diesen sind, da das Preßdelikt als eigenartige Gedankenäußerung, begangen durch Verbreitung einer Druckschrift, erscheint, regelmäßig der Verleger oder der „fernere" Verbreiter Täter, die übrigen Beteiligten, entsprechende Verschuldung vorausgesetzt, Teilnehmer. Soweit dagegen die Verantwortlichkeit an bestimmte Personen geknüpft ist, ist strafbare Teilnahme Dritter ausgeschlossen. So schon V. Liszt Preßrecht 69. Vgl. österlein Die Ausdehnung des Preßprozesses auf die technischen Arbeiter 1894 und Kitzinger § 20 Note I 2. 3) Vgl. Preßg. § 8 über die vom Gesetze geforderten Eigenschaften des verantwortlichen Redakteurs.

§ 43-

Die Verschuldung bei Preßvergehen.

scheiden. Aber nur jener Redakteur ist verantwortlicher Redakteur im Sinne des Gesetzes, der i . auf der betreffenden Nummer der Zeitung oder Zeitschrift als solcher genannt und 2."dazu bestellt ist, den Inhalt des Blattes auf seine etwaige strafrechtliche Bedeutung hin zu prüfen und gegebenenfalls die Veröffentlichung zu verhindern. § 20 Abs. 2 kann demnach keine Anwendung finden, wenn eines dieser beiden Erfordernisse fehlt; es kann in beiden Fällen nur wegen Nichtbefolgung des § 7 des Preßg. nach §§ 18 und 19 Bestrafung eintreten. 4 ) D e m verantwortlichen Redakteur gegenüber stellt nun das Gesetz die (widerlegliche) V e r m u t u n g s e i n e r Täterschaft bezüglich der durch den Inhalt der periodischen Druckschrift begangenen strafbaren Handlungen auf. Die Vermutung kann widerlegt werden durch den vom Angeklagten erbrachten Nachweis oder die durch das Gericht von A m t s wegen erfolgte Feststellung, daß „besondere Umstände" vorliegen, durch „welche die Annahme der Täterschaft ausgeschlossen wird". Unter diesen „besonderen" Umständen sind die im E i n z e l f a l l g e g e b e n e n , nicht notwendig „außergewöhnlichen" Umstände zu verstehen, durch welche die Kenntnis des verantwortlichen Redakteurs von dem strafbaren Inhalte der von ihm redigierten Nummer oder ein anderes Tatbestandsmerkmal (z. B. die Rechtswidrigkeit) ausgeschlossen wird. 8 ) I I I . D a s Reichspreßgesetz h a t aber weiter das System der Fahrlässigkeitsstrafen, verbunden m i t dem sogenannten b e l gischen System der stufenweisen Verantwortlichkeit, zur Ergänzung der allgemeinen Grundsätze herangezogen. Wenn die bei der Herstellung und Verbreitung einer Druckschrift strafbaren Inhaltes beteiligten Personen deren Inhalt nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit geprüft haben oder nicht wenigstens durch die Nennung ihres Vormannes den Nachweis mangelnden eignen Verschuldens erbringen können, so werden sie wegen dieser ihrer Fahrlässigkeit zur Verantwortung gezogen (§ 21). 6 ) *) Die Ansichten gehen, auch zwischen den Senaten des R, weit auseinander. Die Streitfrage kann hier nicht weiter verfolgt werden. Näheres vgl. jetzt bei Kitzinger § 7 Note III. ') Dieser von mir schon 1880 vertretenen Ansicht hat sich, entgegen ältern Entscheidungen, angeschlossen der Beschluß der Ver. Strafsenate 6. Juni 91 22 65. Ferner R 22 221, wohl auch (obwohl noch weitergehend) R 31 211. Vgl. Kitzinger § 20 Note'II 1 a und b. •) In Wirklichkeit handelt es sich mithin nach der Auffassung des Gesetzes u m d i e f a h r l ä s s i g e B e g e h u n g der durch den I n h a l t der D r u c k s c h r i f t b e g r ü n d e t e n s t r a f b a r e n H a n d l u n g ; v. Liszt Preßrecht § 47 III, §§ 51 f. Ebenso Allfeld 139, Merkel 292, Rosenfeld Die Nebenklage 1900 S.106. Vgl. auch R 26 45. Dagegen die herrschende Ansicht, neuerdings Kitzinger § 21 Note IV. Die grundsätzliche Auffassung wird von Wichtigkeit bei der Frage nach dem Antragserfordemis, dem Bußanspruch, der Anwendbarkeit des § 200 StGB usw.

§ 44-

Unrectit und Verbrechen.

IV. Das Verbrechen als strafbares Unrecht. § 44.

Unrecht und Verbrechen.

Literatur. Ü b e r d i e B e d i n g u n g e n d e r S t r a f b a r k e i t : Francke G A 20 33. Kitzinger GS 55 i. ' Kohler GA 49 i . Finger GA 50 32. Blume Tatbestandskomplemente (V. LH. H e f t 73) 1906. Binding G S 68 1 (Abdhlgn. 1 97). Laue D a s bedingte Verbrechen. Leipziger Diss. 1906. Sommer Das bedingte Verbrechen 1908. (Beide im Anschluß an Binding.) V. Bar Gesetz 3 17. Lazarus Die sogen. Schuld-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe im Strafprozeß usw. (V. LH. H e f t 135) 1911. Mandel D i e sogen, äußeren Bedingungen der Strafbarkeit usw. Erlanger Diss. 1912. Rittler Österreichische Z 8 324. — Vgl. auch Höpfner GA 57 278. Singewald G S 81 338.

1. 1. V e r b r e c h e n ist das vom Staate mit Strafe bedrohte Unrecht. D i e bisher e n t w i c k e l t e B e g r i f f s b e s t i m m u n g des U n r e c h t s als der s c h u l d h a f t e n r e c h t s w i d r i g e n H a n d l u n g b e a n s p r u c h t G e l t u n g f ü r die s ä m t l i c h e n R e c h t s g e b i e t e . V o n allen a n d e r n A r t e n des U n rechts h e b t sich d a s p e i n l i c h e U n r e c h t , d a s V e r b r e c h e n , scharf a b d u r c h seine e i g e n a r t i g e R e c h t s f o l g e , die S t r a f e . Aber Strafe und E r s a t z p f l i c h t (als die p r i v a t r e c h t l i c h e Unrechtsfolge) schließen sich n i c h t a u s ; sie k ö n n e n a u c h n e b e n e i n a n d e r a n denselben T a t bestand geknüpft werden. 2. W e n n es a b e r T a t b e s t ä n d e g i b t , die s o w o h l die s t r a f r e c h t liche als a u c h d i e p r i v a t rechtliche U n r e c h t s f o l g e n a c h sich ziehen, so ist d a m i t der B e w e i s e r b r a c h t , d a ß V e r b r e c h e n und b ü r g e r l i c h e s U n r e c h t u n m ö g l i c h z w e i sich ausschließende B e g r i f f e sein k ö n n e n , d a ß d a s V e r b r e c h e n v i e l m e h r nur d u r c h q u a n t i t a t i v e V e r s c h i e d e n h e i t e n v o n d e m b l o ß p r i v a t r e c h t l i c h r e l e v a n t e n U n r e c h t sich a b h e b t . G e n a u e r e B e t r a c h t u n g zeigt, d a ß d e r S t a a t die P r ä v e n t i v f u n k t i o n der S t r a f e ü b e r a l l d a v e r w e n d e t , w o ihm die R e s t i t u t i v f u n k t i o n des P r i v a t r e c h t s ( E r f ü l l u n g s z w a n g , W i e d e r h e r s t e l l u n g , E n t s c h ä d i g u n g ) n i c h t auszureichen scheint, u m d a s U n r e c h t e i n z u d ä m m e n . Dies ist der F a l l : a) Wenn, wie bei Diebstahl usw., dem meist mittellosen Täter gegenüber der Entschädigungszwang versagt. b) Wenn, wie bei Tötung, Notzucht usw., die privatrechtliche Entschädigung eine Ausgleichung der rechtlichen Störung herbeizuführen nicht vermag. c) Wenn die Rechtsordnung dem angegriffenen Rechtsgut, vielleicht in ganz mißverständlicher Auffassung, einen besonders hohen Wert beilegt und daher die Mißbilligung des Angriffs in besonders eindringlicher Form aussprechen will. d) Wenn die Häufigkeit des Angriffs, das Überhandnehmen gewisser Verbrechen (Fälschung von Nahrungsmitteln, Schleichhandel, Wucher usw.), das Bedürfnis erweckt, durch strenge Strafdrohung ein genügendes Gegengewicht zu schaffen.

Verbrechen ist mithin, inhaltlich bestimmt, der für die ge-

§ 44-

Unrecht und Verbrechen.

191

gebene Rechtsordnung nach A n s i c h t des Gesetzgebers besonders gefährliche Angriff auf rechtlich geschützte Interessen. I I . A b e r n i c h t jede unter diesen B e g r i f f fallende H a n d l u n g ist s t r a f b a r ; sondern nur jene, die einem d e r im Gesetze g e n a u umschriebenen u n d ausschließend a u f g e z ä h l t e n T a t b e s t ä n d e entspricht. D a s ist d a s bereits o b e n § 26 (Note 4) h e r v o r g e h o b e n e Verbrechensm e r k m a l der Tatbestandsmäßigkeit ( , , T y p i z i t ä t " im Sinne von Beling).1) D u r c h seine A u f s t e l l u n g sichert der V e r f a s s u n g s s t a a t d e m einzelnen B ü r g e r die individuelle F r e i h e i t g e g e n ü b e r der Willk ü r d e r S t a a t s g e w a l t ; darin liegt die politische B e d e u t u n g des S a t z e s : n u l l u m crimen sine lege (oben § 18). D e r A u f b a u der T a t b e s t ä n d e der einzelnen Verbrechen r u h t auf d e m v o m G e s e t z g e b r a u c h t e n T ä t i g k e i t s w o r t (töten, nötigen, w e g n e h m e n u s w . ) ; d a z u t r i t t die B e z e i c h n u n g des S u b j e k t s (meist allgemein b e z e i c h n e t : „ w e r t ö t e t " u s w . ; m a n c h m a l mit Einschränk u n g auf b e s t i m m t e G r u p p e n wie „ I n l ä n d e r " , „eine S c h w a n g e r e , w e l c h e " , „ e i n B e a m t e r , w e l c h e r " ) und des O b j e k t s (wer einen Menschen tötet, eine F r a u e n s p e r s o n n o t z ü c h t e t , eine fremde S a c h e b e s c h ä d i g t ) ; weitere M o d a l i t ä t e n , wie d a s Mittel (Gift, G e w a l t oder D r o h u n g ) , O r t und Zeit (in einer K i r c h e , zur N a c h t z e i t ) , Ö f f e n t l i c h keit usw. können h i n z u t r e t e n . V e r b r e c h e n , deren T a t b e s t a n d die B e g e h u n g durch ein n ä h e r b e s t i m m t e s S u b j e k t erfordert, n e n n t m a n Sonderdelikte. D e r B e g r i f f ist f ü r die Teilnahmelehre v o n B e d e u t u n g (vgl. u n t e n § 49 I). R e g e l m ä ß i g ist n u n die S t r a f b a r k e i t g e g e b e n , der s t a a t l i c h e S t r a f a n s p r u c h e n t s t a n d e n m i t der B e g e h u n g d e r t a t b e s t a n d s mäßigen, schuldhaften, rechtswidrigen Handlung. In einzelnen F ä l l e n ^ber sieht der G e s e t z g e b e r w e g e n der Persönlichkeit des Täters d i e s e m gegenüber, aber auch n u r i h m gegenüber, v o n d e r B e s t r a f u n g ab, w ä h r e n d er die T a t im übrigen als s t r a f b a r betrachtet. Man k a n n hier v o n „persönlichen Straffreiheitsgründen" sprechen. Hierher g e h ö r e n (abgesehen v o n d e n oben in § 24 b e h a n d e l t e n F ä l l e n ) : S t G B §§ 53 A b s . 3 (Überschreitung der N o t w e h r ) , 173 B l u t s c h a n d e ( V e r w a n d t e und V e r s c h w ä g e r t e absteigender Linie, die d a s 18. L e b e n s j a h r n i c h t erreicht haben), 257 (persönliche B e g ü n s t i g u n g , g e w ä h r t v o n einem Angehörigen), 247 (Diebstahl oder U n t e r s c h l a g u n g , b e g a n g e n v o n V e r w a n d t e n aufsteigender Linie oder v o n E h e g a t t e n ) , 209 (Kartellträger usw. beim Z w e i k a m p f ) . Diese persönlichen S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e können m i t d e n oben § 26 e r w ä h n t e n D e l i k t s a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e n zu d e m B e g r i f f der „Strafausschließungsgründe i m w e i t e r e n S i n n e " Außerhalb des Tatbestandes im Sinne des Textes liegen daher die unter III besprochenen Bedingungen der Strafbarkeit.

192

§ 44-

Unrecht und Verbrechen.

zusammengefaßt werden; diese treten in scharfen Gegensatz zu den unter § 74 zu erwähnenden Strafaufhebungsgründen. III. In e i n e r R e i h e v o n F ä l l e n h a t d e r G e s e t z g e b e r den E i n t r i t t der S t r a f d r o h u n g abhängig g e m a c h t von dem Vorliegen äußerer, von der tatbestandsmäßigen H a n d l u n g s e l b s t u n a b h ä n g i g e r , zu ihr h i n z u t r e t e n d e r U m s t ä n d e (Bedingungen der Strafbarkeit). 2 ) So ist die Strafbarkeit feindlicher Handlungen gegen befreundete Staaten bedingt durch die Verbürgung der Gegenseitigkeit (§§ 102 und 103); unterlassene Anzeige eines bevorstehenden Verbrechens unterliegt der Strafe des § 139 nur dann, wenn das Verbrechen oder dessen strafbarer Versuch begangen worden ist; Aufreizung zum Zweikampf fällt unter § 210 nur, falls der Zweikampf stattgefunden h a t ; zur Strafbarkeit des Raufhandels ist erforderlich, d a ß durch ihn der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung verursacht worden ist (§ 227); die Zahlungseinstellung ist Bedingung der Strafbarkeit beim Bankbruch (§§ 239ff. K O und § 11 Depotg. 1896); der Ehebruch ist nur strafbar, wenn wegen derselben die Ehe geschieden ist (§ 172); die Strafbarkeit des Ehebetruges ist bedingt durch die Auflösung der Ehe (§ 170). 3 ) Alle diese Bedingungen der Strafbarkeit sind ä u ß e r e U m s t ä n d e , die mit der verbrecherischen H a n d l u n g selbst und deren Bestandteilen n i c h t s z u t u n h a b e n , vielmehr g e t r e n n t von dieser ins Auge gefaßt werden müssen. Daraus ergibt sich eine Reihe wichtiger Folgesätze. 1. Die Schuld als Vorsatz wie als Fahrlässigkeit umfaßt nicht die a u ß e r h a l b d e r H a n d l u n g liegenden Bedingungen der Strafbarkeit. ^ Verschieden von diesen Fällen sind die, in welchen der Eintritt eines schwereren Erfolges Voraussetzung für die Verhängung einer strengeren Strafe ist. Vgl. oben § 36 Note 10. Hier ist die Handlung strafbar, auch wenn der schwerere Erfolg nicht eintritt. Die unter III im Texte aufgestellten Sätze finden hier nur sinngemäße Anwendung. Dasselbe gilt von den Bedingungen erhöhter Strafbarkeit in den §§ 87 Abs. 2, 154 Abs. 2. Der Begriff ist als solcher allgemein anerkannt, in seiner Anwendung sehr bestritten. Blume unterscheidet zwischen den Voraussetzungen, deren Eintritt von dem Willen des Täters abhängt („Tatbestandskomplemente") und den „Bedingungen", die seinem Willen entzogen sind (in den §§ 87, 139, I54a, 210, 2171 handelt es sich nach ihm um widerlegliche Vermutungen des Kausalzusammenhanges). Enger Mandel, gegen ihn Kriegsmann Z 84 760. [Vom Texte vielfach abweichend Rittler (Bedingungen der Strafbarkeit sind die Umstände, die auf die Wertung der Tat, ihre Verwerflichkeit, ohne Einfluß sind.) Seine Polemik gegen die 20. Aufl. dieses Buches dürfte durch die jetzige Fassung —• „tatbestandsmäßige Handlung" statt „Straftat" — erledigt sein. Was Bestandteil der tatbestandsmäßigen Handlung ist, sagt der Text.] — Mit Bindings „bedingtem Verbrechen" hat der Begriff nichts zu tun. Gegen Binding (außer v. Beling, Wach u. a.) besonders Baumgarten Aufbau 52.

§ 442. W e n n

Unrecht und Verbrechen.

und solange die vom

193

Gesetz aufgestellte Bedingung

der Strafbarkeit fehlt, liegt eine strafbare Handlung auch als versuchte nicht vor.

Strafbarer Versuch ist daher nur dann

nehmen und nach

§ 44 S t G B zu bestrafen, wenn die

anzu-

Bedingung

der Strafbarkeit vorliegt, die Handlung selbst aber nicht bis zur Vollendung gediehen oder fehlgeschlagen ist (vgl. unten § 46 V 1). 3.

Wenn

und solange die Bedingung der

ist auch die E n t s t e h u n g

des s t a a t l i c h e n

Strafbarkeit fehlt, Strafanspruches

u n m ö g l i c h , ist die Handlung eben k e i n e s t r a f b a r e im Sinne des Gesetzes. a) Daher kanu vor Eintritt der Bedingung (z. B . der rechtskräftigen Scheidung der Ehe im Falle des § 172 S t G B ) weder die Verfolgung eingeleitet, noch auch nur der Antrag auf deren Einleitung mit rechtlicher Wirkung gestellt -werden. Die Antragsfrist beginnt vielmehr beim Ehebruch erst mit der Kenntnis des Verletzten von der Rechtskraft des Scheidungsurteils. 4 ) b) Teilnahme an der Handlung und deren Begünstigung bleiben straflos, wenn die Bedingung der Strafbarkeit nicht eintritt. c) Falsche Anschuldigung liegt nicht vor, wenn nach Inhalt der Anzeige die nach dem Gesetze erforderliche Bedingung der Strafbarkeit fehlt. d) O b j e k t i v e Maßregeln, wie Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung von Gegenständen, sind, da sie die richterliche Feststellung einer strafbaren Handlung zur Voraussetzung haben, unter der gleichen Voraussetzung unzulässig. Wenn aber die Bedingung eintritt, dann wird ihre Wirkung zurückbezogen auf den Zeitpunkt der Begehung der Handlung; der Anspruch gilt als in diesem Augenblick entstanden. Daher ist die Vornahme v o r b e r e i t e n d e r gerichtlicher oder polizeilicher Schritte auch vor Eintritt der Bedingung rechtlich durchaus möglich. 4. Soweit lediglich die B e g e h u n g d e r

Handlung

s e l b s t in

Frage steht, bleiben die Bedingungen der Strafbarkeit außer Betracht. a) D i e V o l l e n d u n g ist unabhängig von dem Eintritt der Bedingung. b) F ü r Z e i t und O r t der Begehung ist Zeit und Ort des Eintritts der Bedingung gleichgültig. c) Die V e r j ä h r u n g des Verbrechens beginnt ihren Lauf ohne Rücksicht auf den E i n t r i t t der Bedingung (unten § 77 II). d) B e g ü n s t i g u n g und nicht Teilnahme liegt vor. wenn dem Täter vor E i n t r i t t der Bedingung, aber nach Begehung der Handlung, Beistand geleistet wurde. 5. D a s

Vorliegen der erforderlichen

Bedingung

stehung des Strafanspruchs gehört zur S c h u l d f r a g e .

für die

Ent-

Zur urteils-

mäßigen Feststellung ist mithin nach § 262 S t P O Zweidrittelmehrheit erforderlich. IV. V o n

den

Bedingungen

Anspruchsvoraussetzungen

der

Strafbarkeit,

dem materiellen

die

Rechte

als an-

*) Ebenso auch, trotz der A n n a h m e einer Prozeßvoraussetzung, die gem. Meinung; a u c h R 87 372. Entscheidend dafür § 61 S t G B . Dagegen folgerichtig Frank § 172 I I I , Mittermaier V D Bes. T . 4 100, Schwartz § 172 Note 4. V. L i n t , Strmfrecht. at. Aufl. 13

194

§ 45-

Der Antrag des Verletzten.

g e h ö r e n , sind n a c h B e g r i f f und W i r k u n g zu s c h e i d e n d i e s o g e n a n n t e n P r o z e ß v o r a u s s e t z u n g e n , d. h. die Voraussetzungen für die rechtliche Wirksamkeit der prozessualischen Handlungen überhaupt, insbesondere aber für die Geltendmachung des A n spruches („Klagvoraussetzungen"). Dieser Begriff gehört ausschließlich dem Strafprozeßrechte an. E r u m f a ß t außer der Zuständigkeit des Gerichtes usw.: den Vorentscheid der Behörden oder Gerichte bei Verfolgung von Beamten ( E G zum G V G § Ii), die Voraussetzungen, unter denen gegen Mitglieder einer gesetzgebenden Versammlung während der Dauer einer Sitzungsperiode eine Strafverfolgung eingeleitet werden kann (RVerf Art. 37; E G zur S t P O § 6 Ziff. 1) u. a. Ferner sind hier auch die sogenannten E r m ä c h t i g u n g s v e r g e h e n ( S t G B §§ 99, 101, 197) zu rechnen.*) Die wichtigste Folgerung aus dieser Unterscheidung besteht auf dem Gebiete des Strafprozeßrechts darin, d a ß bei Mangel einer Bedingung der Strafbarkeit Abweisung des A n s p r u c h e s (Freisprechung mit anspruchvernichtender Wirkung), bei Mangel einer Prozeßvoraussetzung dagegen Abweisung der K l a g e (Einstellung ohne Vernichtung des Anspruches) einzutreten hat. § 45.

Der Antrag des Verletzten.

Literatur. Allfeld VD Allg. X. 2 161. v. Bar Gesetz 8 293. ötker Reform I 280. — v. LiSZt GS 29 187 (Aufsätze 1 36). Köhler Die Lehre vom Strafantrag (V. Lil. Heft 18) 1899. Gerland GS 57 81. Eulau Geteilter, bedingter, unter Vorbehalt gestellter Strafantrag (V. Lil. Heft 60) 1905. Bluhm Die Bestimmungen des RStGB über den Strafantrag im Verhältnis zu 380 StPO. Breslauer Diss. 1908. Wallerstein Der Strafantrag und die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach deutschem Strafrecht 1908. Flex Der Verletzte im Sinne des § 65. 1914. Cronewitz Die Lehre vom Strafantrag usw. Erlanger Diss. 1914. Coenders Der Strafantrag und die Privatklage des Verletzten 1915. Derselbe GS 83 286. stalder Der Strafantrag im Schweizerischen Recht (V. Lil. Heft 186) 1915. — Vgl. oben § ig Note 7. 1. Während die PGO nur in vier Fällen: Entführung, Notzucht', Ehebruch und Familiendiebstahl, die Verfolgung von Amts wegen ausschloß, und das gemeine Recht nur noch Beleidigung und Kindesunterschiebung hinzufügte, hat die neuere Gesetzgebung in einer rasch anschwellenden Zahl von Fällen die Strafverfolgung von dem Antrag des Verletzten abhängig gemacht. Auf die Reichsgesetzgebung übte auch hier das sächsische StGB 1868 bestimmenden Einfluß. Eine-wesentliche Einengung der Antragsberechtigung trat durch die Novelle vom 26. Februar 1876 ein (oben § 13 IV); eine kleine Erweiterung brachte die Novelle von 1912. Die Antragsfälle des RStGB sind: §§ 102, 103, 104 (Strafbare Handlungen gegen befreundete Staaten), 123 (Hausfriedensbruch), 170, 172, 179, 5) Auch die Ermächtigung ist, wie der Antrag, Prozeßvoraussetzung. Sie kann aber, im Unterschiede vom Antrage, niemals zurückgenommen werden; R 33 66. Sie ist auch nicht, wie dieser, befristet; R 18 382. VgL v. Bar 8 360.

§ 45-

Der Antrag des Verletzten.

195

182 (Eheerschleichung, E h e b r u c h , Erschleichung des Beischlafs, Verführung eines jungen Mädchens), 189, 194 bis 196, 232 (Beleidigung und Körperverletzung), 236, 237 (Entführung), 247, 263 (Diebstahl, Unterschlagung, B e t r u g gegen Angehörige usw.), 288, 289, 292, 299, 300, 301, 302, 303 (Fälle „strafb a r e n E i g e n n u t z e s " und Sachbeschädigung), 370 Ziff. 5 und 6 (Genußmittelund F u t t e r d i e b s t a h l ) . F e r n e r nach der Novelle von 1912: §§ 123 Abs. 2, 247a, 264a. Dazu zahlreiche F ä l l e in den Nebengesetzen (aufgezählt Begr. 268 N o t e 2). V E s t e h t im allgemeinen auf demselben Standpunkt, erweitert aber das Antragserfordernis bei Diebstahl, Unterschlagung, Betrug und dehnt es a u f die neugeschaffene Vermogensbeschädigung aus. Ebenso K E und E 1 9 1 9 . — Dagegen i s t nach § 51 (127) M i l S t G B die Verfolgung eines militärischen V e r b r e c h e n s oder Vergehens unabhängig von dem Antrage des Verl e t z t e n oder einer andern zum Antrage berechtigten Person. I I . B e i genauerer B e t r a c h t u n g müßten de lege ferenda die Antragsvergehen in zwei nach I n h a l t und Behandlung wesentlich verschiedene Gruppen zerlegt werden. 1 ) 1. Gewisse Rechtsgüterverletzungen sind nur dann für die öffentliche Rechtsordnung von B e d e u t u n g , wenn der Verletzte sie als Verletzung empfindet und, d a ß er dies t u t , in vorgeschriebener F o r m (durch den „ A n t r a g " auf Verfolgung) e t k l ä r t . D i e unzüchtige Berührung eines Mädchens kann von der B e r ü h r t e n als Liebkosung oder als tiefste E n t e h r u n g empfunden werden. H i e r i s t die Stellung des Antrages B e d i n g u n g d e r S t r a f b a r k e i t . 2. B e i der zweiten Gruppe der Antragsfälle liegt die Sache durchaus anders. Man denke an die Verführung eines bisher unbescholtenen, noch nicht sechzehnjährigen Mädchens ( S t G B § 182). Hier ist das Interesse des S t a a t e s a n der Verfolgung vom A n f a n g e an gegeben; aber ihm steht das Interesse des Verletzten an der Nichtverfolgung (da der „strepitus f o r i " für ihn nur eine neue Verletzung wäre) schroff gegenüber. Und der S t a a t verzichtet dem Verletzten zuliebe a u f die Geltendmachung seines Strafanspruches, solange der Verletzte n i c h t durch die Stellung des „ A n t r a g e s " erklärt, daß das bei ihm v o m S t a a t e vorausgesetzte Interesse im Einzelfalle n i c h t vorliege. Hier ist der Antrag n i c h t Bedingung der S t r a f b a r k e i t der T a t , sondern Voraussetzung der Geltendmachung des staatlichen Strafanspruches, mithin P r o z e ß v o r a u s s e t z u n g ; sein Mangel n i c h t Strafausschließungsgrund, sondern Hindernis der Strafverfolgung in dem oben {§ 44 I V ) besprochenen Sinne; und die ganze Lehre von diesen Antragsvergehen würde gar nicht ins Strafrecht, sondern in das Strafprozeßrecht gehören.

III. Nach geltendem Recht ist der Antrag stets B e d i n g u n g der S t r a f v e r f o l g u n g , nicht der S t r a f b a r k e i t , m i t h i n ProzeBvoraussetzung, nicht Anspruchsvoraussetzung.2) Mangel des Antrages hat nach StPO § 259 Einstellung des Verfahrens, nicht Freisprechung des Angeklagten zur Folge. Die Lehre vom Antrage gehört mithin ausschließlich dem Prozeßrecht an. 1. Berechtigt zur Antragstellung ist: !) v. Liszt Aufsätze 1 8, 36. Zustimmend Lobe in R G R ä t e K c i r . m . § 61 N o t e 1. H e u t e herrschende Meinung. Dagegen neuerdings Cronewitz. 2 ) 1. Ü b e r e i n s t i m m e n d R m i t der gem. Meinung. V g l . Lobe ( A n m . S i ) , Mayer 1 0 1 , Mittler (Lit. zu § 44) 339- 2. Als Bedingung der S t r a f b a r k e i t , m i t hin dem materiellen R e c h t angehörig, fassen den Antrag a u f : V. Birkmeyer 13*

§ 45-

Der A n t r a g des Verletzten.

a) In Ermangelung besonderer gesetzlicher Anordnung 3 ) der d u r c h d a s V e r b r e c h e n V e r l e t z t e , d. h. der Träger des durch die strafbare Handlung unmittelbar angegriffenen Rechtsgutes; so der Eigentümer bei der Sachbeschädigung, der Inhaber der befriedeten Räume beim Hausfriedensbruch usw. Dabei ist der Zeitpunkt der Begehung maßgebend. Doch muß der Verletzte, um antragsberechtigt zu sein, das achtzehnte Lebensjahr zurückgelegt haben (StGB § 65 Abs. 1). b) D e r g e s e t z l i c h e V e r t r e t e r s t a t t des V e r l e t z t e n , wenn dieser geschäftsunfähig oder noch nicht achtzehn Jahre alt ist, oder wenn eine Körperschaft verletzt wurde (StGB § 65 Abs. 2, StPO § 414)-4) c) N e b e n dem V e r l e t z t e n der g e s e t z l i c h e V e r t r e t e r , wenn ersterer über achtzehn Jahre alt, aber noch minderjährig ist (StGB § 65 Abs. i), der G a t t e nach § 195 (232), der a m t l i c h V o r g e s e t z t e nach § 196 (232).®) In diesen beiden Fällen (b und c) ist der Zeitpunkt der Antragsstellung maßgebend. Ist der gesetzliche Vertreter selbst der Täter oder Teilnehmer, mangelt ihm die Geschäftsfähigkeit, oder unterläßt er es pflichtwidrig, den Strafantrag zu stellen, so wird ein Pfleger zum Zwecke der Antragsstellung bestellt.6) Mehrere Antragsberechtigungen, mögen diese mehreren Verletzten (so, Venn ein Wort mehrere Personen beleidigt hat), oder aber dem Verletzten und dem Nebenberechtigten zukommen, sind voneinander unabhängig. Wenn daher von den mehreren Berechtigten einer die dreimonatige Frist versäumt oder den Antrag zurück29, 423, Cronewitz, Köhler, Wach V D Bes. T . 8 69. 3. Eine mittlere, sehr wenig k l a r e Ansicht vertreten insbes. v. Bar, Hälschtier 1 711, Kitzinger G S 55 72, V. Risch G S 86 251, Schwartz § 61 N o t e 2 sowie (ganz verworren) R M i l G 5 87, 1 3 81. V E 71 hat durch die Fassung: „Macht das Gesetz die Verfolgung . . . a b h ä n g i g " jeden Zweifel ausgeschlossen. Bedenklich aber Bgr. 269. ') S t G B §§ 102, 103, 104, 170, 182, 189, 196, 288 Usw.; Wettbewerbg. 1909 § 12 (mit beachtenswerter Erweiterung der Antragsberechtigung). 4) V g l . A r t . 34 I I I E G zum B G B . Der unter P f l e g s c h a f t stehende Taubstumme ü b t das Antragsrecht selbständig aus. — Der Vormund eines beschränkt Geschäftsfähigen ( B G B §§ 6, 1906) ist nicht antragsberechtigt; R 84 98. Wohl aber der Konkursverwalter. 5) Die Mutter (abgesehen von S t G B § 182) nur in den Fällen der §§ 1684, 1685 B G B . Zu beachten ist (besonders in prozessualer Beziehung), daß auch bei mehrfacher Antragsberechtigung wegen derselben Rechtsverletzung es sich immer nur um e i n e strafbare Handlung, mithin auch nur um e i n e n Strafanspruch handelt, als dessen Träger ausnahmslos der S t a a t erscheint. •) B G B § 1909. Ebenso R 85 47, 50 156. Dagegen Olshausen § 65 N o t e 7. Die Antragsfrist des § 61 beginnt dann mit dem Tage, an dem der Pfleger von der Handlung und der Person des T ä t e r s Kenntnis erhält. Ebenso dann, wenn der von einem Dritten Verletzte geisteskrank, aber noch nicht entmündigt ist. Übereinstimmend R 27 366.

§ 45-

Der Antrag des Verletzten.

197

nimmt, so wird hierdurch das Recht der übrigen nicht ausgeschlossen ( S t G B § 6 2 ; v g l . auch S t P O § 415) 7) Die Stellung des Antrages, d. h. die E r k l ä r u n g , die Verfolgung zu beantragen, kann auch im Auftrage des Berechtigten durch einen im Einzelfalle dazu bevollmächtigten Stellvertreter erfolgen. Verschieden von der Vertretung in der Erklärung ist die Vertretung im W i l l e n , d. h. in der Entschließung über die Stellung des Antrages. A u c h diese ist zulässig, soweit die Wahrnehmung der durch d a s Antragsvergehen verletzten Interessen (insbesondere die Vermögensverwaltung) einem Dritten übertragen werden kann und, im gegebenen Fall, übertragen worden ist. 8 ) 2. D a s Antragsrecht ist befristet. E s e r l i s c h t ( S t G B § 61), wenn der Berechtigte den A n t r a g nicht binnen drei Monaten stellt. Die Rügefrist läuft unabhängig von etwaiger tatsächlicher Verhinderung des Berechtigten an der Antragsstellung; 9 ) ihr Lauf beginnt m i t dem Tage, an dem der zum Antrage Berechtigte v o n der H a n d l u n g und von der Person des Täters, bzw. der Person auch nur e i n e s an der T a t Beteiligten 1 ") Kenntnis gehabt h a t ; sie ist, wenn die Kenntnis am 12. Februar erlangt worden, mit Beginn des 12. Mai abgelaufen. Ist die Strafbarkeit der T a t von einer zu der H a n d l u n g hinzutretenden Bedingung abhängig, so beginnt die Antragsfrist erst mit dem Eintritte der Bedingung zu laufen (oben § 44 Note 4). 1 1 ) 3. D e r A n t r a g ist u n t e i l b a r . Die Verfolgung findet nach S t G B § 63 gegen sämtliche an der Handlung Beteiligte (Täter, Teilnehmer) sowie gegen den Begünstiger ( S t G B § 257) statt, auch wenn nur 'J Für jeden von mehreren amtlich Vorgesetzten des Beleidigten läuft die Frist-selbständig ; R 46 203. Ebenso Lobe in RGRäteKomm. § 62 Note 1. u. 2. ') Ebenso R, zuletzt 21 231, mit der gem. Meinung. Dagegen Allfeld 279, Binding 1 652, Finger 1 195, Lobe in RGRäteKomm. § 61 Note 8. — Die Befugnis ist dem Vertreter des im Auslande wohnenden Berechtigten ausdrücklich eingeräumt in § 12 Patentg. 1891 und § 23 Warenzeicheng. 1894. ») Ebenso V. Bar 3 319 und Lobe in RGRäteKomm. § 61 Note 12. Dagegen wird die Frist als tempus utile behandelt von R 27 366; Frank § 61 V I I I . Schwartz § 61 Note 6a; Bgr. 272. ,0 ) Vereinigte Strafsenate 9 390; Finger 1 202, Lobe in RGRäteKomm. § 61 Note 13, Schwartz § 63 Note 1; Bgr. 270. Dagegen Frank § 61 V I I I (der „Täter" im technischen Sinne nimmt) ; ferner Allfeld 276, Binding 1 639, (die von der Kenntnis des letzten Beteiligten rechnen). " ) Eine wesentliche Veränderung erleidet die Frist in dem Falle wechselseitiger Beleidigungen und Körperverletzungen (StGB §§ 198, 232; StPO § 428), indem hier der Beklagte bei Verlust seines Rechts verpflichtet ist, den Antrag auf Bestrafung spätestens bis zur Beendigung der Schlußvorträge in erster Instanz zu stellen, hierzu aber auch dann berechtigt bleibt, wenn zu jenem Zeitpunkte die dreimonatige Frist" bereits abgelaufen ist. Eine besondere Bestimmung der Frist findet sich in § 96 der Seemannsordng 1902 (bis zur Abmusterung). Neben der Rügefrist läuft die Verjährung des Verbrechens selbständig.

§ 45-

198

Der Antrag des Verletzten.

gegen eine dieser Personen auf Bestrafung angetragen w u r d e ; und die Rücknahme des Antrags gegen den einen h a t Einstellung des Verfahrens überhaupt zur Folge ( S t G B § 64 Abs. 2). Daher ist die Beschränkung des Antrages auf einzelne der Beteiligten ausgeschlossen, und wenn sie dennoch vorkommt, so m u ß , je nach der mutmaßlichen Willensrichtung des Antragsberechtigten, der Antrag entweder als rechtsunwirksam oder als gegen alle, auch gegen die nicht genannten Beteiligten, gerichtet, betrachtet werden. 1 1 *) Eine scheinbare Ausnahme von der Unteilbarkeit des Antrages findet sich bei den sog. relativen (subjektiven) Antragsvergehen, deren Verfolgung nur, wenn und soweit der Täter zur Zeit der T a t in einem gewissen persönlichen Verhältnisse zum Verletzten stand, durch die Stellung des Strafantrages bedingt ist. 1 2 ) In diesen Fällen hat Stellung und Nichtsteilung wie Zurücknahme des Antrages eben nur denjenigen Beteiligten gegenüber rechtliche Bedeutung, denen gegenüber die Handlung zum Antragsvergehen gemacht ist; innerhalb des Kreises, dieser Personen greift wieder die allgemeine Regel von der Unteilbarkeit des Antrages ein. 4. Die Zurücknahme des Antrages ist seit dem G vom 26. Februar 1876 nur in den gesetzlich besonders vorgesehenen F ä l l e n 1 1 ) und nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils zulässig ( S t G B § 64). 5. Der Antrag m u ß die A b s i c h t , d i e V e r f o l g u n g h e r b e i z u f ü h r e n , bestimmt zum Ausdrucke bringen ( S t P O § 156). Daher ist bedingte Antragsstellung, falls es sich um eine echte Bedingung, nicht nur um einen einschränkenden Vorbehalt handelt, ausgeschlossen. 1 S a ) Verzicht auf den Antrag ist rechtlich ohne B e d e u t u n g ; Widerruf der R ü c k n a h m e des gestellten Antrages unzulässig. 6. D a s Antragsrecht ist höchstpersönlicher N a t u r , geht daher auf den Rechtsnachfolger des Verletzten nicht über. 1 4 ) "») Vgl. R 54 288. StGB §§ 247, 263, 289, 292; Depotg. 1896 5 9. 13) Diese sind: S t G B §§ 102 bis 104, 194, 247, 263, 292, 370; §§ 232 und 303, wenn gegen einen Angehörigen verübt; §§ 247a, 264a (nach der Novelle von 1912); ferner Nachdruckg. 1870 § 27; Urheberg. vom 9., 10. und 11. Januar 1876; Patentg. 1891; Gebrauchsmusterg. 1891; Warenz'eicheng. 1894 §§ 14, 15; Depotg. 1896 § 9; Urheberrechtsg. 1901 § 45, Kunst-Urheberrechtsg. 1907 § 41; Wettbewerbg. 1909 § 22. — Der Minderjährige kann den von seinem Vormunde gestellten Antrag nach erreichter Volljährigkeit zurücknehmen; R 22 256, RMilG 15 71. — Nach StPO § 431 ist die Zurücknahme der P r i v a t k l a g e bis zur Verkündung des Urteils zweiter Instanz gestattet. Sie ist nicht notwendig Zurücknahme des Antrages; amtliche Verfolgung bleibt daher möglich. Richtig AUfeld 280, Frank § 64 II, Lobe in RGRäteKomm. § 64 Note 3, Schwarte § 64 Note 4. Dagegen Binding 1 650, Finger 1 205. 1S») Vgl. Lobe in RGRäteKomm. § 61 Note 10. l t ) Wenn der Erbe in das verletzte Rechtsobjekt s u k z e d i e r t , ist er s e l b s t verletzt und d e s h a l b antragsberechtigt. Ebenso Frank § 61 V ; da12)

§ 45-

Der Antrag des Verletzten.

199

7. Wenn dieselbe T a t ein Antrags- und ein Offizialdelikt in Ideälkonkurrenz enthält, so kann wegen des letzteren ohne Antrag verfolgt werden; Rücknahme des gestellten Antrages b t für das Offizialdelikt ohne Bedeutung. 1 6 ) gegen Alljeld 274, v. Bar Gesetz 3 311, Finger 1 195, Köhler 427, Lobe in RGRäteKomm. § 61 Note 8, Schwartz § 61 Note 4c. Nach V E § 723 dagegen geht das Recht auf den hinterbliebenen Ehegatten, die Kinder und in Ermangelung dieser Personen auf die übrigen Verwandten gerader Linie, sowie die Geschwister des Verletzten über. Ebenso K E § 43' und E 1919 § 38*. " ) Ebenso R 82 280.

II. Abschnitt.

Die Verbrechensformen.1) Literatur. V. Overbeck Die Erscheinungsformen des Verbrechens im Lichte der modernen Strafrechtsschule (Kritische Beiträge Heft 4) 1909.

I. Vollendung und V e r s u c h des V e r b r e c h e n s . |§ 46. Der Begriff des Versuchs. Literatur. Frank VD Allg. T . 5 163. v. Bar Gesetz 2 4 8 7 ; dazu Kriegsmann Z 3 0 542. Gra) ZU Dohna Der Mangel am Tatbestand. Festgabe für

Güterbock 1910. — Kohler 1 1, 8 220. v. Bari Beiträge 178, 187. James Gold-

schmidt Die Lehre vom unbeendigten und beendigten Versuch (V. Lil. Heft 7) 1897. ötker Z17 53. Klee Wille und Erfolg in der Versuchslehre (V. Lil. Heft 14)

1898. Finger und Schoetensack in der Festschrift für Binding 1911 1 257, 375.

Loesch Der Versuch usw. Erlanger Diss. 1911. Stienen Fälle einer begrifflichen Unmöglichkeit des Versuchs. Münstersche Diss. 1911. Derselbe Z 3 4 459. Loeb Der Versuch im R S t G B und im V E . Würzburger Diss. 1913. Germann Über den Grund der Strafbarkeit des Versuchs. (Züricher Beiträge Heft 53) 1914. Schüler Der Mangel am Tatbestand (V. Lil. Heft 181) 1914. Cohn Die Revisionsbedürftigkeit des heutigen Versuchsbegriffes (V.Ll/.Heft 192) 1916. Klein Der Versuch nach den Entwürfen zu einem S t G B . Erlanger Diss. 1917. —

Zu III: Meyer Der Anfang der Ausführung. Festgabe für Berner 1892. Redslob

Versuch und Vorbereitung (v. Lil. Heft 90) 1908.- Jüsgen Der Begriff des Unternehmens im R S t G B . Rostocker Diss. 1906. Werneburg GS 86 17 (Begriff des Unternehmens). — Zur G e s c h i c h t e d e r V e r s u c h s l e h r e : Pernice

Labeo 2 105. Mommsen 97- Brunner 2 458. His (Lit. zu § 8 II) 167. Knapp 27. Schreuer (Lit. zu § 8 I) 81. Seeger Versuch der Verbrechen nach römischem Recht 1879. Derselbe Ausbildung der Lehre vom Versuch in der Wissenschaft des Mittelalters 1869. Hinschius Kirchenrecht 5 930. — Vgl. L i t . zu §§ 47, 48.

I. Begriffsbestimmung. 1. Vollendetes Verbrechen ist die tatbestandsmäßige, schuldhafte rechtswidrige Handlung selbst. Die Vollendung setzt mithin voraus, daß sämtliche Merkmale des das Verbrechen darstellenden besonderen Tatbestandes gegeben sind, daß insbesondere der durch das Gesetz zum Begriff dieses Verbrechens geforderte Erfolg eingetreten ist. Der Zeitpunkt der Vollendung wird demnach für jedes Verbrechen nur durch das geltende Recht bestimmt, das nicht immer ') Vgl. oben § 26 I I .

Gegen die Aufstellung dieses Begriffs, den

Allfeld,

Beling, Wachenfeld u. a. aufgenommen haben, neuerdings Köhler und Mayer.

Ersterer spricht von „Unvollständigkeit und Unselbständigkeit", letzterer von „Strafausdehnungsgründen". Aber Vollendung, Täterschaft, Verbrechenseinheit passen unter keinen dieser beiden Ausdrücke. — Auch in diesem Abschnitt darf der oben S. 122 Note 1 betonte methodische Grundsatz nicht aus den Augen gelassen werden, daß die Erscheinungsformen des Verbrechens auf den Erscheinungsformen der natürlichen Handlung beruhen.

§ 46.

Der Begriff des Versuchs.

201

den E i n t r i t t des eigentlichen Deliktsübels (die Verletzung bzw. Gefährdung des angegriffenen Rechtsgutes) für maßgebend erachtet, sondern vielfach („Absichtsdelikte"; siehe oben § 39 II 2 a) schon mit der auf den Erfolg gerichteten Tätigkeit die Vollendung eintreten läßt. D a r a u s ergeben sich zahlreiche Unklarheiten und Widersprüche. So ist der Augenblick der Vollendung ein andrer beim Diebstahl ( S t G B § 242) als bei der Unterschlagung ( S t G B § 246), ein andrer bei der Münzfälschung ( S t G B § 146) als bei der Urkundenfälschung ( S t G B § 267). B e i Bestimmung des Zeitpunktes der Vollendung bleiben die Bedingungen der Strafbarkeit außer Betracht (oben § 44 I I I 4a). 2. Versuchtes Verbrechen ist die auf Erfüllung des Tatbestandes gerichtete Willensbetätigung. a) Versuch liegt zunächst vor, wenn die auf Herbeiführung des Erfolges gerichtete (d. h. in der Meinung, d a ß der Erfolg eintreten werde, unternommene) Willensbetätigung erfolglos geblieben ist. Dieser S a t z wird allgemein anerkannt. b) Versuch liegt aber auch dann vor, wenn eines der begleitenden Tatbestandsmerkmale (also abgesehen vom Erfolg), deren Vorliegen oder Eintreten der Täter angenommen hatte, nicht vorgelegen hat oder nicht eingetreten ist. E s ist versuchter Diebstahl, wenn der T ä t e r die von ihm weggenommene eigene Sache für eine fremde, versuchter Meineid, wenn er die von ihm beschworne wahre Tatsache für unwahr gehalten hat. Dieser Satz ist sehr bestritten. Er ergibt sich aus der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller T a t bestandsmerkmale (oben § 39 I I I ) . 1 ) 3. In beiden Fällen liegt das Wesen des Versuches in der Richtung der Willensbetätigung, mithin in der Beziehung des Geschehenen auf ein Nichtgeschehenes. Diese Beziehung m u ß s u b j e k t i v gegeben sein in dem V o r s a t z , mithin der Gefährlichkeit des Täters, so d a ß Versuch einer fahrlässigen S t r a f t a t ausgeschlossen ist; 2 ) und sie m u ß o b j e k t i v gegeben sein in der M ö g l i c h k e i t , *) Die Gegner nehmen hier P u t a t i v d e l i k t an. So AUfeld 215, V. Bar 2 528, Beling Verbrechen 329, Binding Nonnen 8 495, van Calker 47, Graf zu Dohna, Finger 1 314, Frank § 43 I (zum Versuch gehört Irrtum über einen zukünftigen Tatumstand), Klee 26, Lobe in RGRäteKomm. § 43 Note 11, Mayer 346, 364, ötker Z 1756, Wachenfeld 167,177. Im Sinne des Textes Delaquis (Lit. zu § 47) 132, Kriegsmann (Lit. zu § 47), v. Lilienthal 33 sowie R in ständiger Rechtsprechung; ebenso Bgr. 289. 2) Zum Versuche ist V o r s a t z genügend, A b s i c h t , trotz des Wortlauts des § 43, nicht erforderlich, soweit sie nicht auch zur Vollendung notwendig ist. Unklar R 7 119. Jedenfalls genügt unbestimmter (eventueller) Vorsatz; so auch Allfeld 211, Finger 1 310, Schwartz § 43 Note 3, sowie R 12 64, 19 90. Dagegen v. Bar 2 543, zweifelnd Frank § 43 II 1. Der schwerste dervorgestellten Erfolge ist dann für die Beurteilung maßgebend. Ebenso Lobe in RGRäteKomm. § 43 Note 2.

202

§ 46.

Der Begriff des Versuchs.

sei es des Erfolgseintrittes, sei es des Vorliegens oder Eintrittes der übrigen Tatbestandsmerkmale, mithin in der Gefährlichkeit der T a t . Aus b e i d e n Merkmalen ergibt sich die Gefährlichkeit der Willensbetätigung als das Wesen des Versuchs. 3 ) Daraus folgt positivrechtlich die Straflosigkeit der Vorbereitungshandlungen wie die mildere Bestrafung des Versuchs. II. Geschichte. Der Versuchsbegriff v e r d a n k t seine Entstehung der mittelalterlichen R e c h t s w i s s e n s c h a f t Italiens. Dem römischen R e c h t „ f e h l t für den Versuch der Begriff wie das technische W o r t " (Motnmstn). Dagegen werden schon in den Leges Corneliae e i n z e l n e Versuchs- und Vorbereitungshandlungen m i t der Strafe des vollendeten Verbrechens bedroht. Unter dem Einflüsse der Rhetorik wird, insbesondere seit Hadrian, die subjektive Seite des Verbrechens, die voluntas, im Gegensatz z u m exitus, mehr und mehr in den Vordergrund gestellt, wohl auch dem f l a g i t i u m imperfectum überhaupt mildere Strafe angedroht (1. 1 § 2 D . 47, 11). A b e r einen allgemeinen Begriff des Versuches hat auch das spätrömische Recht nicht gewonnen. Ebensowenig das d e u t s c h e M i t t e l a l t e r . Vielfach werden zwar schon in den Volksrechten Angriffe auf Leib und Leben, auch wenn sie ohne Erfolg geblieben, so Messerzücken, Wegsperre, Anlaufen, Wassertauche usw., unter Strafe gestellt, aber, wie wir aus dem angedrohten B u ß s a t z e entnehmen können, nicht als Versuchshandlungen, sondern als selbständige Verbrechen, etwa als Lebensgefährdung, insbesondere aber als F r i e d e n s g e f ä h r d u n g . Dagegen arbeiten die i t a l i e n i s c h e n Schriftsteller an der Verallgemeinerung des Begriffes. Sie bestimmen den Versuch unter Beziehung des Geschehenen auf einen nicht eingetretenen Erfolg als ein „cogitare, agere, sed non periicere" und verlangen, der damaligen Rechtsanschauung g e m ä ß , i m Gegensatz zu den Römern mildere Bestrafung des Versuchs. Ihnen folgen Klagspiegel und Bambergensis. Die P G O g i b t im A r t . 178 eine durchaus gelungene und ganz allgemeine Begriffsbestimmung: „ I t e m so sich jemand einer Missetat mit etlichen scheinlichen Werken, die zur Vollbringnng der Ä h n l i c h , wie schon Feuerbach, auch Allfeld 206, Finger 1 304, Mayer 345 (der Versuch ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt), Merkel 132; a u c h V. Bar 400 („Eindruckstheorie"), Frank V D 267 (Störung des Rechtsfriedens), ferner, aber m i t B e t o n u n g der allgemeinen Gefahr, Kohler 1 20, mit B e t o n u n g der o b j e k t i v e n Gefährlichkeit des betätigten t ö s e n Willens E. V. Liszt Z 26 24, Wachenfeld 170, 180. V g l . a u c h Lobe in R G R ä t e K o m m . § 43 N o t e 3 und 4. Ähnlich a u c h die A u f f a s s u n g des Versuchs als Friedensgefährdung in den Quellen des deutschen Mittelalters. — D i e grundsätzliche A u f f a s s u n g wird wichtig für die Beurteilung des untauglichen Versuchs. V g l . unten § 47. A b weichend: 1. Die heute wissenschaftlich überwundene A u f f a s s u n g , nach welcher der Versuch als „teilweise Verwirklichung" der verbrecherischen A b s i c h t erscheint. Sie wird neuerdings vertreten v o n Binding Normen 3 441. W e r beim Scheibenschießen die Scheibe stets verfehlt, h a t seine A b s i c h t , ins Schwarze zu treffen, nicht „ t e i l w e i s e " , sondern gar nicht verwirklicht. Bindings A n s i c h t vermag dem fehlgeschlagenen Verbrechen nicht g e r e c h t . z u werden. — 2. D i e insbes. durch v. S u r f neu begründete . j e t z t a u c h v o n Delaquis (Lit. z u § 47) grundsätzlich vertretene, rein s u b j e k t i v e A u f f a s s u n g des Versuchs, die ihren letzten Grund in der L e u g n u n g des o b j e k t i v e n Gefahrbegriffs h a t (oben § 28 N o t e 5). — g. D i e v o n Rossi, Lammasch, Herzog, Klee, Oermann, teilweise a u c h v. Bar, vertretene Ansicht, die den Grund für die S t r a f b a r k e i t des Versuchs in der V e r m u t u n g findet, c)aß der T ä t e r die begonnene T a t fortsetzen und vollenden werde (Präsumtion der Perfektionskraft). Diese Ansicht b e t o n t einseitig die Gefährlichkeit des Täters.

§ 46-

Der Begriff des Versuchs.

203

Missetat dienstlich sein mögen, untersteht, und doch an Vollbringung derselben M i s s e t a t durch andere Mittel wider seinen Willen verhindert wurde, solcher böser W i l l , daraus etlich W e r k , als obsteht, folgen, ist peinlich zu strafen. A b e r in einem F a l l härter denn in dem andern . . . " D a s gemeine R e c h t b e m ü h t e sich, die verschieden schwer zu bestrafenden Fälle genauer zu b e s t i m m e n , und unterschied zumeist conatus remotus (Vorbereitungshandlungen), propinquus {Ausführungshandlung) und proximus (den beendeten Versuch in der G e s t a l t des fehlgeschlagenen Verbrechens). Letzterer liegt vor, wenn der T ä t e r getan h a t , q u a n t u m in ipso f u i t e t ad consummandum delictum necessarium p u t a v i t (so schon Menochius, später Carpzov und JSF. Böhmer). A n der milderen B e s t r a f u n g des Versuchs wird im allgemeinen festgehalten. A u c h die ausnahmsweise Gleichstellung des beendeten Versuchs m i t der Vollendung, die von Böhmer, Leyser u. a. für die schwersten Verbrechen gefordert und z. B . v o n B a y e r n 1751 und Österreich 1768 ausgesprochen wird, findet bei Koch u. a. Widerspruch und wird z. B . v o n Preußen 1721 abgelehnt. F ü r die deutschen Gesetzbücher des 19. Jahrhunderts werden die a u s dem G vom 22. Prairial Jahr I V herübergenommenen, auf das Josephinische S t G B 1787 zurückführenden, B e s t i m m u n g e n des Code pénal vorbildlich; der Versuch wird meist als „ c o m m e n c e m e n t d ' e x é c u t i o n " bestimmt, die Gleichstellung von Versuch und Vollendung (,,toute t e n t a t i v e est le crime m ê m e " ) , z. B . von P r e u ß e n 1851 und B a y e r n 1861, aufgenommen. Im A n s c h l u ß an das geltende R e c h t b e s t i m m t V E § 75 den Versuch als „ B e g i n n der A u s f ü h r u n g " , und wie j e n e s h ä l t V E § 76 an der milderen B e s t r a f u n g fest. ^Unklar K E § 29 und E 1919 § 23. B e i d e verlangen B e t ä t i g u n g des Vorsatzes, eine S t r a f t a t zu begehen, durch „ H a n d l u n g e n , welche die T a t zur Ausführung bringen s o l l e n " . D i e D e n k s c h r i f t b e h a u p t e t d a z u , d a ß a u c h nach dem E n t w u r f 1919 entscheide, „ o b sich eine T ä t i g k e i t bereits als Ausführungshandlung d a r s t e l l e " . D a s a b e r widerspricht d e m W o r t l a u t des E n t w u r f s . N a c h diesem k o m m t es auf die s u b j e k t i v e A u f f a s s u n g des T ä t e r s an und nicht auf die o b j e k t i v e Unterscheidung zwischen Ausführungs- und Vorbereitungshandlungen. A n der milderen B e s t r a f u n g des Versuchs halten K E und E 1919 fest.]

I I I . Vorbereitung und Versuch. D a s Wesen des Versuches besteht in der objektiven wie subjektiven Beziehung des Geschehenen auf die nicht eingetretene Tatbestandsverwirklichung, insbesondere auf den nicht eingetretenen Erfolg. Je entfernter aber das Geschehene von der Vollendung geblieben, auf einer je früheren Stufe die Willensbetätigung unterbrochen wurde: desto schwieriger, desto unsicherer ist der Nachweis jener Beziehung. D a r a u s ergibt sich die N o t w e n d i g k e i t , d i e e n t f e r n t e r e n V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n den näheren, s t r a f b a r e n V e r s u c h s h a n d l u n g e n g e g e n ü b e r z u s t e l l e n , jene straflos zu lassen, diese zu bestrafen. Im Anschlüsse an das französische Recht wird ( S t G B § 43) die Grenzlinie zwischen Vorbereitung und Versuch durch den Anfang der Ausführung, das „commencement d'exécution" des französischen Rechts, gebildet. Nur die Ausführungshandlung ist strafbarer Versuch ; was ihr vorangeht, ist straflose Vorbereitung. Der Begriff der Ausführungshandlung aber ist in dem oben § 31 I entwickelten Sinne zu nehmen. 4 ) *) 1 . Übereinstimmend im wesentlichen die herrschende A n s i c h t ; a u c h

204

§ 46•

Der Begriff des Versuchs.

Von der grundsätzlichen Straflosigkeit der Vorbereitungshandlungen h a t die Gesetzgebung einzelne Ausnahmen gemacht. E s gehören hierher alle diejenigen Fälle, in denen entweder eine V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g unter besondere Strafe gestellt oder schon das U n t e r n e h m e n einer strafbaren Handlung mit der Strafe des vollendeten -Verbrechens bedroht wird (unten V I 2). Denn „ U n t e r n e h m e n " ist ein w e i t e r e r B e g r i f f als das in § 43 S t G B eng begrenzte „Versuchen". E s u m f a ß t auch solche Handlungen, die als Vorbereitungshandlungen noch nicht in das Gebiet des strafbaren Versuches hineinfallen würden; und zwar soweit nicht gesetzliche Sonderbestimmungen im Wege stehen, sämtliche Vorbereitungshandlungen . 8 ) IV. Innerhalb des einheitlichen Versuchsbegriffs haben wir zwei Arten des Versuchs zu unterscheiden. 1. Nichtbeendeter Versuch liegt vor, wenn die Ausführungshandlung noch nicht abgeschlossen ist. 2. Beendeter Versuch liegt vor, wenn die Ausführungshandlung abgeschlossen, die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale, insbesondere der Erfolg, aber nicht eingetreten ist. Hier können drei Fälle unterschieden werden. 8 ) a) Der Eintritt des Erfolges ist zweifelhaft, aber von einer weiteren Willensbetätigung des Täters unabhängig: die Verletzung ist lebensgefährlich, der Ausgang aber noch unsicher; b) der Eintritt des Erfolges ist sicher: die Verletzung ist unbedingt tödlich, der Verletzte lebt aber augenblicklich noch; c) der Nichteintritt des Erfolges ist sicher: die mit TötungsR, zuletzt 49 208, 51 341, 68 336. RMilG 10 253, 17 3. Vielfach wird, mit dem Text sachlich übereinstimmend, „berechenbarer (oder notwendiger) Zusammenhang" verlangt. Mayer 347, 352 erklärt „die erste Angriffshandlung" als Versuch. — 2. Sachlich abweichend dagegen die Vertreter der subjektiven Theorie, so v. Buri, Delaquis (Lit. zu § 47), Hälschner 1 336, 342, Redslob, wohl auch V. Bar, die Strafbarkeit annehmen, sobald die A b s i c h t in der Tat zum unzweideutigen Ausdrucke gelangt, „objektiviert" ist. {Nach dem im Text unter II a. E. Gesagten spricht der Wortlaut des KE und des E 1919 durchaus für die Annahme der subjektiven Auffassung.] ') Sehr bestritten. 1. Die herrschende Ansicht (auch R, zuletzt 53 45) faßt das Unternehmen einfach als Versuch auf. — 2. Andre betrachten es als den engern Begriff gegenüber dem Versuch, so daß es nur die letzten Ausführungshandlungen umfassen würde. Auch nach Frank § 105 II ist Vorbereitung ein bestimmt gearteter Versuch (der planmäßig vorbereitete und mit Überlegung ausgeführte Versuch). — 8. Für die Ansicht des Textes AUfeld 208, V. Liszt falsche Aussage 1877 S. 175, Mayer 349 und VD Bes. T. 1 268, Werneburg. — StGB § 82 gilt nur für das hochverräterische Unternehmen. Vgl. R 3 26, 8 354 und unten § 165. — Auch in den Nebengesetzen wird das „Unternehmen" vielfach verwertet. Nach KE § 12 umfaßt es Vollendung und Versuch. Am besten würde der Ausdruck (wie im VE) überhaupt vermieden. [So mit Recht E 1919. Vgl. Denkschrift S. 39.] ") Ich spreche im folgenden der Kürze wegen nur vom Erfolg. Das Gesagte gilt aber auch von den übrigen Tatbestandsmerkmalen (siehe oben I 2).

§ 46Vorsatz

D e r Begriff des Versuchs.

beigebrachte Verletzung ist leicht.

sogenannten

fehlgeschlagenen

205

Dies ist der Fall des

Verbrechens

Die beiden Arten des Versuches können auch

(unten als

§

47). 7 )

teilweise

und als e r f o l g l o s e Ausführung einander gegenübergestellt werden.

V. Zweifelhafte Fälle. 1. W e n n die Strafbarkeit der Handlung von einer o b j e k t i v e n B e d i n g u n g abhängt, ist Versuch möglich (wenn auch nicht immer strafbar), falls die Bedingung von Anfang an gegeben oder später eingetreten, die Handlung aber entweder unvollendet geblieben oder mißlungen ist (oben § 44 III 2). Dieser Satz findet entsprechende Anwendung bei den durch den Erfolg qualifizierten Delikten (oben § 36 Note 10). Wenn also der Versuch der Notzucht den Tod der Frauensperson, etwa infolge eines Herzschlages, verursacht hat, so ist der Strafrahmen des § 178 nach § 44 (für den Täter wie für den Teilnehmer) herabzusetzen •') doch behält ein etwaiger R ü c k t r i t t vom Versuch (unten •§ 48) seine Wirkung. 2. Bei den (echten wie unechten) U n t e r l a s s u n g s v e r g e h e n ist im allgemeinen zwar fehlgeschlagenes Verbrechen, nicht aber nichtbeendeter Versuch möglich; denn solange die Vornahme des geforderten Tuns (Stellen der Weichen durch den Eisenbahnwärter) noch möglich ist, liegt eine Rechtswidrigkeit nicht vor; ist jene Frist aber abgelaufen, so ist auch die Unterlassung unwiderruflich gegeben.') 3. Dasselbe gilt aus gleichem Grunde bei den (polizeilichen) reinen T ä t i g k e i t s d e l i k t e n (oben § 28 II 1). Rasches Fahren in belebten Straßen, Rauchen an feuergefährlichen Stellen und ähnliche Delikte gestatten für ihre regelmäßige Begehungsweise die Annahme einer begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Tätigkeit nicht. Ein andres Beispiel bieten die durch Verbreitung von Druckschriften begangenen strafbaren Handlungen. Doch ist in diesen, wie in den unter 2 erwähnten Fällen, zu beachten: a) daß bei Anwendung eines größeren Apparates zur Herbeiführung des Erfolges die Möglichkeit unvollendeter Tätigkeit sich ergibt; b) daß dasselbe für die Fälle der irrigen Nichtannahme eines Tatbestandsmerkmales gilt. 4. Wenn das Gesetz ausnahmsweise V e r s u c h s - o d e r V o r b e r e i t u n g s h a n d t o n g e n , insbesondere auch das U n t e r n e h m e n einer strafbaren Handlung, mit der Strafe der Vollendung belegt oder a l s s e l b s t ä n d i g e V e r b r e c h e n unter besondere Strafe stellt (unten V I 2, 3), so ist Versuch dieser Straftat ausgeschlossen. Denn die Annahme dieses V e r s u c h e s d e s V e r s u c h e s ') Die Unterscheidung des Textes, entsprechend der zwischen délit manqué und délit tenté in-den romanischen Rechten, ist wichtig für den R ü c k tritt v o m Versuch (§ 48). Sie lehrt ferner, daß m i t dem „ A n f a n g der Ausführung" nicht der Versuch überhaupt, sondern nur der unbeendete Versuch bestimmt wird, aus diesen Worten also keinerlei Schlußfolgerungen für das fehlgeschlagene Verbrechen gezogen werden dürfen. Unhaltbar daher auch aus diesem Grunde die Ansicht BindingS (qben Note 3). — Bei mittelbarer Täterschaft (unteri § 50 Note 8) ist für unsere F r a g e die Willensbetätigung des Bestimmenden, nicht die des Bestimmten, maßgebend. Dasselbe gilt analog bei Verwendung eines leblosen, aber selbsttätigen Werkzeuges (Absendung einer Höllenmaschine). 8) Ebenso Bgr. 291 ; Allfeld 210 (gegen die früheren Auflagen), V. Bar 546, Finger 1 317, Frank § 43 V , Lobe in R G R ä t e K o m m . § 43 Note 6a, Olshausen § 43 5, Schwariz § 43 N o t e 5e. Dagegen Thomsen Der Versuch der durch eine Folge qualifizierten Delikte 1895; Mayer 348. ") Ebenso Finger 1 316; abweichend Allfeld 209 (für die unechte Unterlassung), Frank § 43 V , Köhler 454, Lobe in R G R ä t e K o m m . § 43 Note 7a.

206

§ 46. Der Begriff des Versuchs.

oder eines Versuches der Vorbereitung würde nicht nur zu unlöslichen logischen Schwierigkeiten führen, sondern auch das durch jene Ausnahmen bereits gestörte Gleichmaß der gesetzlichen Strafbestimmungen doppelt erschüttern.") Dasselbe muß aber auch von den zu selbständigen Verbrechen erhobenen Teilnahmehandlungen (unten § 52 Note 6) gelten.

V I . Die Bestrafung des Versuchs. D a s R S t G B bestraft im Anschlüsse an das französische R e c h t den Versuch eines Verbrechens immer, den eines Vergehens ausnahmsweise in den besonders ausgezeichneten F ä l l e n , 1 1 ) den einer Übertretung niemals. Die Reichsgesetzgebung ist ferner, im Gegensatze zum französisch-preußischen Recht, zu der kriminalpolitisch nicht unbedenklichen, gemeinrechtlichen Auffässung zurückgekehrt, nach welcher der Versuch stets milder zu bestrafen ist als das vollendete Verbrechen ( S t G B § 44); unten § 70 I ) . 1 8 ) Nur ausnahmsweise wird dieser Grundsatz verlassen: 1. Der heute gegenstandslose § 80 S t G B bestrafte den hochverräterischen Mordversuch wie den Mord selbst mit dem T o d e ; auch der (1918 aufgehobene) § 153 GewO stellte Versuch und Vollendung in der Strafe einander gleich. 2. In einer Reihe von Fällen wird das „ U n t e r n e h m e n " (oben Note 5) einer strafbaren Handlung ebenso schwer bestraft wie ihre Vollendung. Vgl. S t G B §§ 81, 82, 105, 114, 122 Abs. 1, 159, 357; Sprengstoffg. 1884 § 9, Sklavenraubg. 1895 § 1 ; ebenso in zahlreichen Finanzgesetzen usw. 3. Soweit Vorbereitungshandlungen als selbständige Verbrechen bestraft werden, fallen sie nicht unter den herabgesetzten, sondern unter einen besonderen Strafrahmen. S t G B § § 8 3 bis 86, 151, 201, teilweise 49a. 10 ) Ebenso Begr. 290, 292, Finger 1 315. Dagegen Allfeld 209, Frank § 43 v . Olshausen § 48 28, Schwarte § 43 Note 5 c für den Fall, daß es sich wirklich um Schaffung „selbständiger Verbrechen" (delicta sui generis) und nicht nur um Gleichstellung in der Bestrafung handelt. Gegen den Text auch Seligmann (Lit. zu § 27) 53 (zu beachten dessen eigenartige Terminologie). " ) E s sind dies §§ 107, 120, 140, 141, 148, 150, 160, 169, 240, 242, 246, 253. 263, 289, 303 bis 305, 339, 350, 352 S t G B ; Nahrungsmittelg. 1879 § 12, Rinderpestg. 1878 § 1, Bankg. 1875 § 57 Abs. 2, Spionageg. 1893 §§ 2 und 4, Bors eng. 1908 §§ 89, 95 Z. 1. — Auf landesrechtlichem Gebiete kann auch der Versuch einer Übertretung bestraft werden (vgl. oben § 20 Note 2). 12 ) G e g e n die mildere Bestrafung des Versuchs Seuffert Mitteilungen der J K V 9 108 sowie die deutsche Landesversammlung der J K V zu Bremen 1902. Für sie v. Bar 569, Köhler in dem Vorwort zu Klee sowie dieser selbst S. 52, ferner (vom Standpunkte der Schutzstrafe aus) Heberle Aus welchen Gründen ist der beendete Versuch stets geringer zu strafen als das vollendeteV erbrechen ? Diss. 1896. Der österreichische R E stellt, im Gegensatz zu den beiden andern Entwürfen, den Versuch der Vollendung gleich. Nach S R E 19 ist Strafmilderung bei angefangenem Delikt vorgeschrieben, bei fehlgeschlagenem zugelassen.

§ 47-

§ 47.

Der „untaugliche Versuch",

207

Der „untaugliche Versuch".

Literatur. Außer den zu § 46 genannten Schriften: V. Bar Gesetz 2 487; dazu Kriegsmann Z SO 542. — Lammasch Das Moment objektiver Gefährlichkeit im Begriffe dts Verbrechensversuches 187g. V. Liszt Z 1 93. Kohler 1 7. Rosenberg Z 20 685. Delaquis Der untaugliche Versuch. Berliner Seminarabhdlgn. 8 1904; dazu E. V. Liszt Z 25 24. Kriegsmann Wahnverbrechen und untauglicher Versuch (V. Lil. Heft 51) 1904. Kohn Der untaugliche Versuch und das Wahnverbrechen usw. (v. Lil. Heft 53) 1904. Fabian Abgrenzung von untauglichem Versuch und Putativdelikt (V. Lil. Heft 63) 1905. Rudert Die subjektive und objektive Seite im Tatbestände des untauglichen Versuches. Leipziger Diss. 1907. V. Schoen Die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs usw. Würzburger Diss. 1908. Celichowski Die Bedeutung der Lehre vom adäquaten und vom zufälligen Kausalzusammenhang für die Frage des Versuchs mit untauglichen Mitteln. Hallische Diss. 1909. Wintritz Das problematische und das apodiktische Urteil in der Lehre vom Versuch (v. Lil. Heft 117) 1910. I. Geschichte. Schon bei den römischen Juristen, von Neratius und PomponiüS bis auf Ulpian und Paulus, scheint die Strafbarkeit des untauglichen Versuches, wenn auch nur in Beziehung auf einzelne strafbare Handlungen, zu den vielbesprochenen Streitfragen gehört zu haben. Die späteren von ihnen bemühten sich, strafbare und straffreie Fälle zu unterscheiden, ohne aber zur Aufstellung eines allgemeinen Grundsatzes zu gelangen (Pemice 2 114). Das gemeindeutsche Recht und die auf ihm beruhende Gesetzgebung erwähnte den untauglichen Versuch bei einzelnen Verbrechen, wie Vergiftung, Abtreibung u. a., und behandelte ihn zumeist als einen die ordentliche Strafe ausschließenden Milderungsgrund. Im 19. Jahrhundert hat Feuerbach (Lehrbuch 4. Aufl. 1808) die Frage in allgemeiner Fassung gestellt und damit den Streit über die Strafbarkeit des mißlungenen Versuches lebhaft entfacht. Feuerbach will nur die g e f ä h r l i c h e Versuchshandlung bestraft wissen und verlangt daher, daß die Handlung ihrer äußern Beschaffenheit nach mit dem beabsichtigten Erfolge in ursächlichem Zusammenhange stehe. Diese Forderung führte zur Unterscheidung von M i t t e l und O b j e k t der mißlungenen Handlung und weiter (Jenuli 1809, Mittermaier 1816) zur Unterscheidung von a b s o l u t e r und rel a t i v e r U n t a u g l i c h k e i t des Mittels oder Objekts. Rasch wurde diese Ansicht, trotz der von manchen, wie KÖstlin, HälsChner, V. Schwarze u. a., gegen sie erhobenen Bedenken, zur herrschenden und blieb es bis in die jüngste Zeit. Danach sprach man von a b s o l u t untauglichem Versuche, wenn die Handlung mit den angewendeten Mitteln und gegenüber dem angegriffenen Objekte in k e i n e m F a l l e zum Ziele führen konnte (Mordversuch mit einer ungeladenen Pistole; gegen einen bereits Verstorbenen); von r e l a t i v untauglichem Versuche, wenn das gewählte Mittel oder das angegriffene Objekt zwar im allgemeinen geeignet waren, im E i n z e l f a l l e aber, wegen der besonderen Gestaltung der Verhältnisse, sich als ungeeignet herausstellten (Mordversuch mit einer im Augenblicke des Abdrückens zerspringenden Pistole; gegen jemand, der sich durch ein Panzerhemd geschützt hat). Die Vertreter dieser Ansicht (so auch die Rechtsprechung in Preußen, Bayern, Österreich, ferner in den romanischen Ländern) straften den relativ untauglichen Versuch, ließen den absolut untauglichen dagegen straflos (so neuerdings wieder Schwartz); die Gegner (und ihnen folgte die württembergische und sächsische Praxis) verlangten Bestrafung in beiden Fällen. Nur einzelne, wie V. Bar, wollten die Untauglichkeit des Mittels anders behandeln wie die des Objekts. Dann trat ein beachtenswerter Umschwung in den Anschauungen ein. Seit 1872 wurde V. Buri in einer Reihe von Abhandlungen der Neubegründer der subjektiven Theorie. Sie

2o8

§ 47.

Der „untaugliche Versuch"

behauptete etwa: Eine bestimmte vorgenommene Handlung könne zur Herbeiführung eines bestimmten vorgestellten Erfolges immer nur tauglich oder nichttauglich, d. h. kausal oder nichtkausäl sein, nicht aber mehr oder weniger nichtkausal. Das Wesen des Versuches, der des objektiven Tatbestandes überhaupt entbehre, bestehe in der Verkörperung des verbrecherischen Willens; diese finde sich aber in durchaus gleicher Weise auch bei dem sogenannten untauglichen Versuch. Die Ansicht h a t die rückhaltlose Billigung des R e i c h s g e r i c h t s gefunden. Mit aller Entschiedenheit hat sich dieses auf den subjektiven Standpunkt gestellt und in einer Reihe von Entscheidungen, vor allem aber in der vielerörtei¿en Entscheidung der vereinigten Strafsenate vom 24. Mai 1880, die Strafbarkeit auch des absolut untauglichen Versuches ausgesprochen; 1 ) später freilich ( R 3 3 321) mit der Einschränkung, daß bei Anwendung von „in der realen Wirklichkeit nicht vorhandenen Mitteln" die Strafbarkeit ausgeschlossen sei.

II. Der Grundsatz. Aus dem oben § 46 I Gesagten ergibt sich, daß die Gefährlichkeit der Willensbetätigung, d. h. ihre Eignung, die Verwirklichung der sämtlichen Tatbestandsmerkmale, insbesondere den Erfolgseintritt, herbeizuführen, dem strafrechtlichen Versuchsbegriffe wesentlich ist. Daraus folgt: Der ungefährliche („absolut untaugliche") Versuch ist nicht Versuch, sondern Wahnverbrechen, mithin nicht strafbar. 2 ) § 43 StGB hat die Frage weder, wie sein Wortlaut zeigt, entschieden, noch auch, wie die Begründung zu § 43 ergibt, entscheiden wollen. Er grenzt Versuch und Vorbereitung voneinander ab; den • ) R 1 439. Ferner R 1 451 (Tötungsversuch an einem totgebornen Kinde); 8 198, 3 4 217, 47 65 (Abtreibungsversuch von seiten einer nicht schwangeren Frauensperson); 8 351; 17 158 (untaugliches Mittel), 3 9 316 (untaugliches Obj e k t ) , 42 92 (Mangel am Tatbestand). Ebenso RMilG 18 41. Vgl. dazu Binding Normen 8 527. — S t a n d der Ansichten: 1. F ü r das Reichsgericht: Bierling (Lit. zu § 28) 3 123, Delaquis (im Ausgangspunkt), Hälschiier 1 353, Lammasch 63 und Z 14 510; Bgr. 289. — 2. Die herrschende Ansicht hält an der S t r a f l o s i g k e i t d e s a b s o l u t u n t a u g l i c h e n V e r s u c h e s fest. So das O L G Hamburg ( D J Z 4 58); Allfeld 215, Binding 1 693 und Normen 3 , Finger 1 304 (grundsätzlich), Kriegsmann, ME. Mayer 346 und D J Z 7 330, Merkel 130, Olshausen § 4 3 23. Klee 32 stellt (im Anschluß an Kohler) alles auf die Tauglichkeit des Plans a b , vertritt aber im übrigen die herrschende Ansicht. — 3 . Noch weiter gehen diejenigen Schriftsteller, die Versuch und „Mangel im T a t b e s t a n d " unterscheiden wollen und bei fehlendem oder untauglichem O b j e k t sowie bei Mangel des gesetzlich verlangten Mittels nur Putativdelikt annehmen; vgl. oben § 46 Note 1. Nach Graf ZU Dohna soll, soweit untauglicher Versuch vorliegt, der nomologische Irrtum des Täters, nicht aber der ontologische, Straflosigkeit bewirken. Also Strafbarkeit, wenn der T ä t e r über die Tragweite seines Revolvers, Straflosigkeit, wean er über die Entfernung des Angegriffenen geirrt h a t . Ebenso Frank § 43 I I I sowie Finger. Gegen diese völlig unhaltbare Unterscheidung Kriegsmann Z 3 3 723, Mayer 358. F ü r die Unterscheidung von Versuch und Mangel am T a t b e s t a n d neuerdings Lobe in R G R ä t e K o m m . § 43 Note 8 — 1 1 . 2 ) Dabei ist zu beachten, daß der ungefährliche Versuch nicht nur als fehlgeschlagenes Verbrechen (oben § 46 IV 2 c), sondern auch als nichtbeendeter Versuch erscheinen kann (der Dieb wird bei Anwendung ungeeigneter E i n bruchswerkzeuge betroffen).

§ 47-

Der „untaugliche Versuch"

209

Gegensatz von gelungenem und fehlgeschlagenem Verbrechen b e r ü h r t § 43 ü b e r h a u p t n i c h t . J e d e B e r u f u n g auf ihn in dieser F r a g e ist v e r f e h l t . V i e l m e h r sollte d i e E n t s c h e i d u n g n a c h wie v o r d e r W i s s e n s c h a f t und der R e c h t s p r e c h u n g überlassen bleiben. D i e E n t s c h e i d u n g k a n n d a h e r n u r a u s d e m W e s e n des V e r s u c h s b e g r i f f s a b g e l e i t e t werden. In dieser E r k e n n t n i s w u r z e l t die objektive Theorie. A u s d e m richtig e r f a ß t e n B e g r i f f e d e r G e f a h r (oben § 28 I I 3) e r g i b t sich a b e r : 1. B e i der B e u r t e i l u n g ist die H a n d l u n g n i c h t in willkürlicher V e r a l l g e m e i n e r u n g , sondern u n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g aller sie begleitenden besonderen U m s t ä n d e ins A u g e zu fassen. Mit a n d e r n W o r t e n : konkrete Gefährlichkeit i s t e r f o r d e r l i c h . 2. D i e B e u r t e i l u n g m u ß als nachträgliche Prognose die im A u g e n b l i c k e der A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g , in d e n der U r t e i l e n d e sich z u r ü c k z u v e r s e t z e n h a t , allgemein e r k e n n b a r e n oder nur d e m T ä t e r b e k a n n t e n U m s t ä n d e b e r ü c k s i c h t i g e n ( B e u r t e i l u n g e x a n t e ) ; sie darf n i c h t die erst d u r c h d e n w e i t e r e n V e r l a u f a u f g e d e c k t e n U m s t ä n d e in B e t r a c h t ziehen (Beurteilung e x post). In diesem S a t z liegt d e r Unterschied v o n d e r älteren o b j e k t i v e n T h e o r i e (im Sinne F e u e r b a c h s ) ; er f ü h r t in d e n p r a k t i s c h w i c h t i g s t e n F ä l l e n zu d e n selben Ergebnissen wie die s u b j e k t i v e T h e o r i e des R e i c h s g e r i c h t s . 3. W e n n unter B e r ü c k s i c h t i g u n g d e r im A u g e n b l i c k e d e r H a n d l u n g allgemein e r k e n n b a r e n oder d e m T ä t e r b e k a n n t e n U m s t ä n d e die V e r w i r k l i c h u n g d e r T a t b e s t a n d s m e r k m a l e , insbesondere der E r f o l g s e i n t r i t t , ausgeschlossen erscheint, ist der V e r s u c h a l s u n g e f ä h r l i c h straflos. Demnach ist z. B. der Versuch der Abtreibung durch eine nichtsrhwangere Frauensperson strafbar, wenn das Vorhandensein einer Schwangerschaft (im Augenblick der Tat) nicht völlig ausgeschlossen; strafbarer Tötungsversuch an einem totgeborenen Kinde ist möglich, wenn der Tod nicht zweifellos war. Anders in den vielgebrauchten Schulbeispielen; beim Totbeten (das zuerst Feuerbach 1808 verwertet hat), Nestelknüpfen, Verhexen; bei dem Versuche, auf Kanonenschußweite den B durch einen Pistolenschuß zu töten usw. 3 ) 3) Binding Normen 3 498 hat meine Ansicht gröblich mißverstanden Prognose ist etwa9 anderes als Beweisschwierigkeit. Frank § 43 III 2 hält es für „unverständlich, wieso man das Leben eines Toten gefährden könne". Das ist typisch für die immer noch beliebte Beurteilung ex post. Im Augenblick der Tat war der Tod eben noch zweifelhaft (man denke an den sog. Scheintod der Neugebornen, eingeleitete künstliche Atmung usw.). Wenn Frank die „mögliche Kausalität" entscheiden läßt, so hat er damit meinen Standpunkt eingenommen. Zu beachten ist auch hier die Gleichwertigkeit der begleitenden Tatumstände und des Erfolges. Hält der Schwörende die von ihm beschworene objektiv wahre Tatsache für unwahr, so liegt versuchter Meineid vor, falls die Unwahrheit nicht als ausgeschlossen erscheint. Dagegen die oben § 46 Note 1 angeführten Schriftsteller.

T. L i s r t , Stiafrecht.

24. AuS.

210

§ 48.

Der Rücktritt vom Versuch.

III. Die Entwürfe. Bei dem unlösbaren Zwiespalt der Ansichten, insbesondere bei dem fast allgemeinen Widerspruch, den die Rechtsprechung des Reichsgerichts gefunden hat, ist g e s e t z l i c h e Regelung der Frage notwendig. Der deutsche V E hat sie nicht gebracht Der Schweizer R E läßt bei absolut untauglichem Versuch Strafmilderung nach freiem Ermessen zu (Art. 20); handelt der Täter aus Unverstand, so kann Straffreiheit eintreten. Der österreichische R E gewährt grundsätzlich Straffreiheit, schränkt sie aber durch weitgehende Ausnahmen ein (§ 14). Der G E § 29 gibt eine selbständige und brauchbare, freilich nicht ganz durchsichtige Bestimmung: ,der Versuch bleibt straflos, wenn der Täter die Ausführung unter Umständen, welche die Vollendung als ausgeschlossen erscheinen ließen, in Kenntnis dieser Umstände vorgenommen h a t " (§ 29). [ K E und E 1919 bringen durch ihre oben (§ 46 II a. E.) mitgeteilte Fassung zum Ausdruck, daß auch der untaugliche Versuch strafbar ist. K E § 30 Abs. 2 räumte hinsichtlich der Bestrafung dem Richter die Möglichkeit ein, b e i m a b s o l u t u n t a u g l i c h e n V e r s u c h die Strafe nach freiem Ermessen j u mildem und unter Umständen überhaupt von Strafe abzusehen. E 1919 § 24 Abs. 2 erstreckt diese Ermessensfreiheit auf a l l e Fälle des untauglichen Versuchs.] Eine endgültige Lösung des legislativen Froblems ist nach alledem noch nicht gefunden.

§ 48.

Der Rücktritt vom Versuch.

Literatur. Herzog R ü c k t r i t t v o m Versuch und tätige Reue 1889. Gtrlach Der qualifizierte Versuch. Rostocker Diss. 1908. Wein R ü c k t r i t t vom Versuch und tätige Reue. Würzburger Diss. 1909. Baer R ü c k t r i t t und tätige R e u e bei untauglichem Versuch (v. LH H e f t 114) 1910. Schuh Der R ü c k t r i t t v. V . und seine Bedeutung für die Teilnahme Münstersche Diss 1910. Joseph Die Wirkung der tätigen Reue auf die Strafbarkeit des Täters und der Teilnehmer. Rostocker Diss. 1910. Dahlmann Der freiwillige R ü c k t r i t t v. V . Kieler Diss. 1911. Schmitz Der freiwillige R ü c k t r i t t usw. Erlanger Diss. 1912 Meyer Der freiwillige R ü c k t r i t t usw. Erlanger Diss. 1914. Lang Der R ü c k t r i t t v o m Versuch bei Teilnahme und mittelbarer Täterschaft. Erlanger Diss. 1915. I. In dem Augenblicke, in dem die Grenzlinie zwischen straflosen Vorbereitungshandlungen

und

strafbarer A u s f ü h r u n g

schritten wird, ist auch die auf den Versuch gesetzte wirkt.

Diese Tatsache

kann nicht

mehr geändert,

über-

Strafe vernicht

„nach

rückwärts annulliert", nicht aus der Welt geschafft werden.

Wohl

aber kann die Gesetzgebung aus kriminalpolitischen Gründen dem bereits straffällig gewordenen Täter eine goldene Brücke zum R ü c k züge bauen. tritt

zum

Sie hat es getan, indem sie den f r e i w i l l i g e n Strafaufhebungsgründe

machte

(StGB

Rück§ 46).')

Das römische Recht hatte in vereinzelten Quellenstellen die Bedeutung des freiwilligen Rücktrittes ausdrücklich anerkannt. Vgl. insbesondere 1. 19 pr. D. 48, 10: Qui falsam monetam percusserint, si id totum formare noluerunt, suffragio justae poenitentiae absolvuntur. — A r t . 178 P G O verlangte zur Strafbarkeit des Versuches, daß der Täter „durch andre Mittel wieder seinen Willen" an der Vollbringung der Missetat verhindert worden sei. D a s gemeine Recht gewährte teils Straflosigkeit, teils Strafmilderung. Die erstere Ansicht ') Über den R ü c k t r i t t bei mittelbarer Täterschaft v g l . unten § 50 N o t e 9; über den Einfluß einer Bedingung der Strafbarkeit oben § 46 V 1.

§ 48.

Der Rücktritt vom Versuch.

2X1

gelangte zur Herrschaft in den deutschen LandesStGBüchern. Doch machten diese teilweise (nicht Preußen 1851 und Bayern 1861, die sich an das französische Recht anschließen) den freiwilligen Rücktritt zum Strafaufhebungsgründe, statt die Nichtfreiwilligkeit als Begriffsmerkmal des Versuches hinzustellen. Diesem Beispiele folgte auch § 46 RStGB. V E § 77 sagt kurz und bündig: „die Strafbarkeit des Versuches fällt weg, wenn der Täter freiwillig die Ausführung aufgegeben oder den Eintritt des zur Vollendung gehörigen Erfolges abgewendet hat." [Ebenso auch K E § 31 und E 1919 § 25.] SRE 21 kennt im zweiten Falle (Rücktritt) nur Strafmilderung.

II. Der freiwillige Rücktritt des Täters h e b t d i e S t r a f b a r k e i t d e r V e r s u c h s h a n d l u n g a u f . Freiwilliger Rücktritt ist aber unmöglich, wenn die Herrschaft über die Willensbetätigung und ihre Folgen bereits dem T ä t e r entrissen ist, mag der Eintritt oder der Nichteintritt des Erfolges gewiß sein, also insbesondere beim mißlungenen Verbrechen. Der freiwillige R ü c k t r i t t kann erfolgen: 1. B e i dem nicht beendeten Versuche durch Nichtvollendung der W i l l e n s b e t ä t i g u n g ; „wenn der Täter die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben h a t " ( S t G B § 46 Nr. 1). Der T ä t e r l ä ß t den zum Schlage erhobenen A r m sinken; er wirft den von ihm geschriebenen beleidigenden Brief nicht in den Postkasten. Mit der Beendigung der auf den Erfolg gerichteten Willensbetätigung entfällt mithin auch die Anwendbarkeit des § 46 Ziff. 1. Sollte die Handlung nach dem Vorsatze des Täters aus mehreren Teilakten bestehen (fortgesetzte kleine Gaben von Gift), die erst durch ihr Zusammenwirken den Erfolg herbeiführen sollten, so ist R ü c k tritt bis zu dem letzten Teilakte möglich.*) 2. Bei dem beendeten Versuche, solange der Eintritt des E r folges noch zweifelhaft ist, durch ,,Abwenden des Erfolges" ( S t G B § 46 Nr. 2): der abgesendete Brief wird während des Postlaufes zurückverlangt, die Wirkung des Giftes durch Gegengift beseitigt. III. In beiden Fällen verlangt das Gesetz Freiwilligkeit des Rücktritts: indem § 46 Nr. 1 die Straffreiheit nur gewährt, wenn der Täter an der Ausführung nicht durch „Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren", während Nr. 2 Abwendung des Erfolges „ d u r c h eigne T ä t i g k e i t " des Täters verlangt. Die Freiwilligkeit wird am besten bestimmt durch ihren Gegensatz: die tatsächliche H i n d e r u n g an der Vollendung des Verbrechens. Der R ü c k t r i t t darf nicht in äußeren, vom Willen des Täters unabhängigen Umständen, er m u ß in einem freigefaßten Entschlüsse des Täters seinen Grund haben, m a g dieser aus Furcht vor Entdeckung*) oder Reue, aus sittlichem Abscheu oder phy£)

Ebenso R 48 138. ") Ebenso Frank § 46 II, R 47 75, RMilG 11 137; dagegen Allfeld 221, Lammasch 42, Mayer 371; bedenklich R 87 402 (dazu Alsberg GS 17 375), 88 M*

212

§ 48.

Der Rücktritt vom Versuch.

sischem E k e l , m a g er v i e l l e i c h t a u c h a u s d e n niedrigsten B e w e g g r ü n d e n , e t w a der E n t t ä u s c h u n g über d e n g e r i n g e n W e r t d e r zu stehlenden Gegenstände,4) entspringen. Der tatsächlichen H i n d e r u n g s t e h t die A n n a h m e der H i n d e r u n g g l e i c h . Endg ü l t i g e s A u f g e b e n des verbrecherischen E n t s c h l u s s e s ist nicht erforderlich. „ E i g e n e T ä t i g k e i t " des T ä t e r s k a n n a u c h bei e n t scheidender M i t w i r k u n g d r i t t e r Personen a n g e n o m m e n w e r d e n , w e n n diese d u r c h die B e m ü h u n g e n des T ä t e r s h e r b e i g e f ü h r t w o r d e n i s t ; w e n n d e r T ä t e r also z. B . d e n A r z t h e r b e i g e r u f e n h a t , d a m i t er d e m v o n i h m V e r g i f t e t e n G e g e n g i f t eingebe. Im zweiten F a l l e ist die s t r a f a u f h e b e n d e W i r k u n g des R ü c k t r i t t e s a n die weitere B e d i n g u n g g e k n ü p f t , d a ß die H a n d l u n g noch nicht e n t d e c k t , d. h. n o c h n i e m a n d e m a u ß e r d e n a n d e r T a t B e teiligten b e k a n n t w a r . K e n n t n i s seitens d e r A n g e g r i f f e n e n schließt die A n w e n d u n g des § 46 N r . 2 n i c h t aus, s o w e i t diese K e n n t n i s zu d e n B e g r i f f s m e r k m a l e n des V e r b r e c h e n s (wie bei d e r E r p r e s s u n g ) g e h ö r t , 8 ) oder w e n n d e r T ä t e r , u m d e n E r f o l g a b z u w e n d e n , d e m A n g e g r i f f e n e n v o n der T a t K e n n t n i s g e g e b e n h a t . I V . A u s d e m W e s e n des f r e i w i l l i g e n R ü c k t r i t t s a l s eines Strafaufhebungsgrundes, d e r z w a r v o n d e r bereits v e r w i r k t e n S t r a f e befreit, aber a n d e m V e r b r e c h e n s c h a r a k t e r d e r V e r s u c h s h a n d l u n g nichts ändert, folgt: 1. D e r R ü c k t r i t t des T ä t e r s m a c h t w e d e r d e n M i t t ä t e r noch d e n A n s t i f t e r oder G e h i l f e n s t r a f f r e i ; d e n n die T a t s a c h e , d a ß sie sich an einer s t r a f b a r e n H a n d l u n g beteiligt h a b e n , b l e i b t bestehen. A b e r M i t t ä t e r wie T e i l n e h m e r k ö n n e n sich selbst d e r W o h l t a t des Gesetzes t e i l h a f t m a c h e n (unten § 52 I I I 3) : A n s t i f t e r u n d G e h i l f e allerdings n i c h t d u r c h N i c h t V o l l e n d u n g der H a n d l u n g n a c h § 46 N r . 1, d e n n h a t t e n sie ihre H a n d l u n g n o c h n i c h t b e e n d e t , so w a r e n sie ü b e r h a u p t n o c h n i c h t s t r a f b a r geworden," w o h l a b e r d u r c h selbs t ä n d i g e A b w e n d u n g des E r f o l g e s n a c h § 46 N r . 2. 6 ) 402. Vgl. auch Frank (Lit. zu § 46) 231: Straffreiheit, wenn der Täter sich sagt, ich will nicht weiter handeln, selbst wenn ich könnte. 4) Vgl. aber auch R 45 6: Rücktritt nicht freiwillig, wenn der Täter die Gegenstände so beschädigt hat, daß die Wegnahme nicht mehr lohnt. Dazu Finger GS 81 368. 6) Dagegen R 26 77, nach dessen Ansicht in diesen Fällen § 46 Ziff. 2 überhaupt nicht anwendbar wäre. Richtig Allfeld 222, Frank § 46 III, Köhler 473, RMilG 11 137. •) Ebenso Bgr. 298; Allfeld 224, Finger 1 320, Frank § 46 V, Hälschner 1 362; Lobe in RGRäteKomm. § 46 Note 2a; Derselbe ebenda § 48 Note 2 A e ; R 14 19, 16 347, 20 259, 38 223, 47 358, 54 177 (auch R 89 37 ist nicht gegen den Text). Dagegen v Bar 2 688, Binding GS 68 23 (Grundriß 138), Herzog 260, Kühler 1 143; nach ihnen soll nur-der Rücktritt des Täters, dieser aber dann für alle Teilnehmer maßgebend sein. Meist übersieht man, daß Strafaufhebungsgründe s t e t s nur demjenigen zugute kommen, in dessen Person sie isch ereignet haben (unten § 74 I). Genauere Unterscheidung bei Lang.

§ 492. Nur die

Teilnahme.

Strafe der versuchten

„Der Versuch als s o l c h e r barkeit des etwa in der anderweitigen

Überblick und Geschichte. Handlung

213

entfällt

(§46:

bleibt straflos"), nicht aber die Straf-

Versuchshandlung

Verbrechens. 7 )

Man

spricht

gelegenen hier

vollendeten

seit

Feuerbach,

wenig bezeichnend, von „qualifiziertem" Versuch. 3.

Wenn

sonderer

Vorbereitungs-

oder

Versuchshandlungen

Strafe bedroht sind, oder das unternommene

mit

be-

oder

ver-

suchte dem vollendeten Verbrechen in der Bestrafung gleichgestellt ist (oben

§ 46 VI), so hat der R ü c k t r i t t , da das Gegenteil nicht

bestimmt ist, keine strafaufhebende W i r k u n g . 8 )

V. Täterschaft und Teilnahme. § 49.

Überblick und

Geschichte.

Literatur, v. Bar Gesetz 2 575 und dazu Kriegsmann Z 80 549. v. Buri. Zur Lehre von der Teilnahme usw. 1860 (Durchführung der subjektiven Theorie). v. Birlcmeyer D i e Lehre von der Teilnahme usw. 1890. Derselbe V D Allg. T. 2 1. Gegen ihn insbes. Löffler bei Grünhut 19 511, sowie V. Burl G S 45 1 (Beiträge 389). Kohler 1 92, 106, 3 232. Bauer Die akzessorische Natur der Teilnahme. Göttinger Diss. 1904. Nagler Die Teilnahme am Sonderverbrechen 1903. Höpfner Z 26 579, 27 465 (hier über Beling Verbrechen 390). Hagerup Z 29 614 (gegen v. Birkmeyer), 30 755 (gegen Beling). Baumbach v. Kaimberg D a s Wesen des Sonderverbrechens, insbes. die Teilnahme usw. Heidelberger Diss. 1917. Coenders Strafrechtliche Grundbegriffe, insbesondere Täterschaft und Teilnahme 1909. Hergt Die Lehre von der Teilnahme am Verbrechen (Münchener Preisschrift) 1909 (in engstem Anschluß an V. Birkmeyer). Dazu Köhler K V S 49 144. Berolzheimer Die akzessorische Natur der Teilnahme 1909. Binding G S 71 1, 76 87, 78 1 (Abhdlgn. 1 131, 253). Derselbe L Z 13 337 (Strafrechtl. Bedeutung der Wette). Graf Bissingen und Nippenburg Die Lehre von der akzessorischen Natur der Teilnahmehandlungen usw. Würzburger Diss. 1909. Humbser Die Teilnahme nach dem V E . Erlanger Diss. 1 9 1 1 . Dreyer Die akzessorische Teilnahme. Heidelberger Diss. 1 9 1 1 . Michel Die akzessorische Natur der „ T e i l n a h m e " nach den Entw. zu einem neuen D . S t G B . Erlanger Diss. 1915. Hoegel Z 87 651. — Freudenthal Die notwendige Teilnahme am Verbrechen (v. Lil. H e f t 37) 1901. Vogels Die Ausnahmen in der Lehre von der Teilnahme a m Verbrechen. Heidelberger Diss. 1911 (im Anschluß an Freudenthal). Mayer Zur Entwicklung der Kottendelikte. 1913. Perten Die Beihilfe zum Verbrechen (V. Lil. H e f t 198) 1918 (de lege ferenda). D a z u Liepmann Z 41 280. Klee G A 67 81. — Zur G e s c h i c h t e der Teilnahmelehre: Brunner 2 565, His (Lit. zu § 8 II) m . Heimberger Die Teilnahme a m Verbrechen in Gesetzgebung und Literatur von Schwarzenberg bis Feuerbach 1896. Engelmann in der Festschrift für Binding 1911 2 387 (mittelalterlich italienisches Recht). ') Dies gilt sowohl für sog. Idealkonkurrenz, als auch für Gesetzeskonkurrenz (unten § 56). Abweichend frühere A u f l a g e n . V g l . AUfeld 222, Frank § 46 IV, Lobe in R G R ä t e K o m m . § 46 N o t e 2 c , der aber in N o t e d b e i Gesetzeskonkurrenz völlige Straflosigkeit eintreten läßt, Mettgenberg Z 27 573 . ') Für die im T e x t vertretene A n s i c h t sehr bestimmt R 10 324 und B g r . 292. Ebenso auch K E § 32 Abs. 2. N a c h Allfeld 223, Frank § 46 IV ist R ü c k t r i t t nur dann ausgeschlossen, wenn es sich nicht um Gleichstellung in der Bestrafung, sondern um Aufstellung eines selbständigen Vergehens handelt

214

§ 49-

Teilnahme.

Überblick und Geschichte.

I. A u s d e m Begriff d e r U r s a c h e (oben der durch

Setzen einer B e d i n g u n g

§ 29) f o l g t , d a ß

zu dem

eingetretenen

jeder, Erfolge

a n dessen Herbeiführung sich beteiligt, den E r f o l g v e r u r s a c h t d a ß , d a alle B e d i n g u n g e n des Erfolges gleichwertig sind, den

einzelnen an der Herbeiführung des Erfolges

begrifflicher Unterschied schiedene

Bestrafung

nicht

hat;

zwischen

Beteiligten

ein

besteht; d a ß mithin nur ihre

innerhalb

desselben

Strafrahmens

ver-

gerecht-

f e r t i g t ist. D a s geltende d e u t s c h e R e i c h s r e c h t h a t diese F o l g e r u n g e n gezogen-

Es

stiftung lichen schaft

stellt

und

Beihilfe

Gegensatz als

vielmehr

Täterschaft

andererseits

zueinander;

Verursachung

des

es

Erfolges,

in

nicht

einerseits,

scharfen

betrachtet

nur

Anstiftung

An-

begriffdie

und

TäterBeihilfe

d a g e g e n a l s T e i l n a h m e a n der d u r c h den T ä t e r b e w i r k t e n V e r u r s a c h u n g des E r f o l g e s ( „ a k z e s s o r i s c h e N a t u r " d e r

Teilnahme)1);

es v e r l a n g t z w a r n i c h t f ü r d e n A n s t i f t e r , w o h l a b e r f ü r d e n hilfen grundsätzlich

mildere

B e s t r a f u n g als f ü r den

Ge-

Täter.

Das deutsche Reichsrecht hat jedoch diesen seinen Standpunkt nicht ausnahmslos durchgeführt, ihn vielmehr' (abgesehen von S t G B § 50) in zwei Richtungen verlassen. 1. Soweit einzelne Rechtsregeln nur von bestimmten Personen Gehorsam fordern, kann nur der Täter, niemais der Teilnehmer bestraft weiden. s ) Verschieden von diesem Fall ist der des S o n d e r d e l i k t e s . Hierher gehören jene Tatbestände, die die Begehung durch ein bestimmt geartetes Subjekt (einen Deutschen, einen Beamten, Soldaten, Rechtsanwalt usw.) verlangen. Diese Personen allein können unmittelbare oder mittelbare Täter, andere dagegen Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfen) sein (vgl. auch unten § 53 II 2). Die akzessorische Natur der Teilnahme wird daher hier nicht durchbrochen. 2. D i e jüngste Gesetzgebung des Reichs neigt dahin, die Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme preiszugeben und damit die an die Spitze dieses Paragraphen gestellten Sätze zur Durchführung zu bringen. Das ist geschehen i m Sklavenraubg. .1895, das jede ..Mitwirkung an einem auf Sklavenraub gerichteten Unternehmen" mit derselben Strafe belegt. Ebenso in den §§ 45 und 48 Abs. 2 des Auswanderungsg. 1897. Von besonderer Bedeutung aber ist es, daß auch das B G B § 830 Täter und Teilnehmer einander völlig gleichstellt. II. Geschichte. Die Entgegensetzung von Täterschaft und Teilnahme ist das Ergebnis einer langsamen und schwankenden geschichtlichen E n t wicklung. 1 ) D a ß nach geltendem R e c h t die Strafbarkeit der „ T e i l n a h m e " abhängig ist v o n der Strafbarkeit der H a u p t t a t , kann bedauert, nicht aber geleugnet werden. Gegen die „Akzessorietät" Berolzheimer, Binding, Hagerup, Hoegel, Hoepjner, Kohler u . a . , deren Ausführungen de lege ferenda B e a c h t u n g verdienen. 2) Vgl. oben § 43 Note 2. Solche Ausnahmen bedürfen strengen Nachweises. Viel zu weitgehend R 25 38, das bei allen Formaldelikten (oben § 36 N o t e 8) Teilnahme andrer als der im Gesetz genannten Personen ausschließt. Methodisch verfehlt Nagler. Gegen ihn v. Bar 2 657, ME. Mayer V D Allg. T . 2 271. Zweifsind Frank I V vor § 47.

§ 49-

Teilnahme,

überblick und Geschichte.

215

D a s r ö m i s c h e R e c h t h a t die Beteiligten, die auctores, socii, ministri, fautores, participes, mit Strafe belegt, aber ohne zwischen ihnen begriffliche Untei^chiede zu machen (Mommsetl 98). D a s i s t auch der Standpunkt des spätrömischen Rechts. I m m i t t e l a l t e r l i c h e n D e u t s c h l a n d wurde der Anstifter d e m Täter, wenigstens bei einer R e i h e von Verbrechen, in der B e strafung gleichgestellt. Bisweilen trifft ihn a u c h härtere Strafe. Dagegen war bezüglich der Strafbarkeit des Gehilfen die Entwicklung bei den einzelnen Verbrechen ganz verschieden; bald wird (wie i m Landfrieden von 1235) die Gewährung v o n R a t und T a t m i t der Täterschaft gleichgestellt, bald (Ssp. 2 25, 1 ; 2 1 3 , 6) nur der „rechte Volleist", ohne dessen Mitwirkung die B e gehung n i c h t möglich gewesen wäre, dem Täter gleich bestraft, während die übrigen Beteiligten mit geringerer Strafe davonkommen. Auf d e m letzteren S t a n d p u n k t e stand auch die m i t t e l a l t e r l i c h e R e c h t s w i s s e n s c h a f t I t a l i e n s , wenn sie consilium (Rat), auxilium (Tat) und m a n d a t u m (Anstiftung) von der Täterschaft unterschied und den mandans wie den socius principalis, qui causam d a t delicto, dem Täter in der Bestrafung gleichstellte. Aber auch sie gelangte nicht zu begrifflichen Unterscheidungen. So hat sich denn a u c h P G O Art. 1 7 7 d a m i t begnügt, auf den R a t der Rechtsverständigen zu verweisen. Nur den A n s t i f t e r hat sie in Art. 1 0 7 (Meineid) l>esonders erwähnt. A u c h der g e m e i n r e c h t l i c h e n Wissenschaft und Gesetzgebung gelang es n i c h t , feste Begriffe zu gewinnen; die von ihr aufgestellten Unterscheidungen — T e i l n a h m e vor, während und nach der Tat (letztere zumeist als besonderes Verbrechen betrachtet), allgemeine und besondere, hauptsächliche und nebensächliche, physische und psychische, positive und negative Teilnahme — ente h r e n ebensosehr der begrifflichen Schärfe wie der praktischen Brauchbai keit. D i e Verwirrung hat ihren H ö h e p u n k t erreicht, s e i t d e m durch das preußische S t G B 1 8 5 1 die Lehre v o n der bloß a k z e s s o r i s c h e n N a t u r d e r T e i l n a h m e die Herrschaft in Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung erlangte.*) D i e s e Auffassung ist in das R S t G B übergegangen, das Mittäterschaft, A n s t i f t u n g und Beihilfe unterscheidet. I I I . D i e Ausbildung der Lehre von der akzessorischen Natur der Teilnahme in der zweiten H ä l f t e des 19. Jahrhunderts war das Ergebnis der geänderten B e a n t w o r t u n g zweier grundlegender Fragen. 1. Gegen die Auffassung der Anstiftung als mittelbarer Herbeiführung aes Erfolges, als ein Verursachen, bei dem die Beeinflussung des Handelnden nur ein Glied in der K e t t e v o n Ursache und Wirkung ( i n t e l l e k t u e l l e U r h e b e r s c h a f t ) 1 ) ist, h a t man eingewendet, d a ß dann der Täter als Werkzeug in der H a n d des Anstifters erscheine, was mit der Annahme der Willensfreiheit unvereinbar sei. Dagegen hielt man eine Einwirkung auf den sich selbst bes t i m m e n d e n Willen des Täters („relative Willensfreiheit") doch für möglich und g e l a n g t e so dazu, die A n s t i f t u n g als T e i l n a h m e a n d e r v o n d e m T ä t e r b e g a n g e n e n T a t zu bestrafen. D i e s i s t der S t a n d p u n k t des geltenden R e c h t s . D a m i t erhält die Anstiftung unselbständiges Wesen, ihre Strafbarkeit s ) Ü b e r die Dogmengeschichte vgl. Bauer. D i e Lehre s t a m m t aus dem C. p é n a l und dringt m i t dem preußischen S t G B 1 8 5 1 in Deutschland ein. Durchgeführt wird sie durch Schütze 1869, v. Birkmeyer 1890. *) S i e w a r die alleinherrschende bis ins 19. Jahrhundert (vgl. z. B . Feuerbach u n d V. Wächter). V o n Neueren vertreten sie, außer Binding 1 700, Kohler 1 106 a n d Haupt Z 16 569, a u c h Nagler 1 3 4 , StOOß Grundzüge 1 226. — Neuerdings wird die Unterscheidung der A n s t i f t u n g von der Täterschaft auf die a n g e b l i c h e Eigenart der „psychischen K a u s a l i t ä t " gestützt; so besonders von Frank II vor § 47.

216

§ 49.

Teilnahme.

Überblick und Geschichte.

wird abhängig von der Strafbarkeit der vom Täter begangenen Handlung, die versuchte Anstiftung bleibt straflos. 2. Wer eine Bedingung zu dem Erfolge gesetzt hat, ist für diesen verantwortlich. Die herrschende Ansicht will aber gerade bei der Beteiligung mehrerer an demselben Verbrechen die Verursachung von dem Setzen einer bloßen Bedingung unterscheiden. Wer verursacht, ist T ä t e r ; und wenn er gemeinsam mit andern verursacht, Mittäter. Wer nur eine Bedingung setzt, ist Gehilfe. So wird auch die Beihilfe zur u n s e l b s t ä n d i g e n T e i l n a h m e a n d e r T a t eines andern. Da aber die Unterscheidung von Ursache und Bedingung unhaltbar ist (oben § 29 VI), kann es nicht wundernehmen, daß Wissenschaft und Rechtsprechung, um die Unterscheidung halten zu können, auf die Irrwege einer rein subjektiven Theorie gedrängt werden (vgl. unten § 50 Note 1 o), s ) IV. Glücklicheren Erfolg hatte die Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, indem sie die Ausscheidung des K o m p l o t t s und der Bande einerseits, der Begünstigung andererseits aus den Arten der Beteiligung mehrerer an demselben Verbrechen in der Gesetzgebung durchsetzte und damit die Einfachheit und Klarheit dieses Begriffes wesentlich förderte. 1. Komplott ist die Verabredung mehrerer zur Begehung eines oder mehrerer bestimmter Verbrechen; Bande die auf Begehung mehrerer, noch nicht einzeln bestimmter Verbrechen gerichtete Verbindung. Die ältere Ansicht hatte (an P G O A r t . 148 anknüpfend) entweder alle Mitglieder als „gegenseitige A n s t i f t e r " für den gesamten Erfolg verantwortlich gemacht oder aber die Verabredung selbst als Versuch des Verbrechens gestraft. Die heutige Wissenschaft dagegen hält daran fest, daß den einzelnen das begangene Verbrechen nur insoweit zugerechnet werden kann, als eben die Begriffe der Täterschaft, Anstiftung, Beihilfe im gegebenen Falle tatsächlich durch das Verhalten der einzelnen verwirklicht worden sind; daß ferner vom Versuch nicht gesprochen werden kann, solange kein Anfang der Ausführung vorliegt. Der Gesetzgebung aber bleibt es unbenommen, Verabredung und Verbindung als selbständige Verbrechen unter Strafe zu stellen oder aber sie als Schärfungsgründe zu verwenden. Die Reichsgesetzgebung hat das erstere bezüglich des Komplotts getan in S t G B § 83, Spionageg. 1893 § 5, M i l S t G B §§ 59, 72, 100, 103, sowie bezüglich des Komplotts und der Bande in § 6 Sprengstoffg 1884.. Dagegen ist in §§ 146 und 147 Vereinszollg. 1869 und in §§ 101 und 105 der Seemannsordng. 1902 das Komplott, in S t G B §§ 243 Nr. 6, 250 Nr. 2, M i l S t G B § 134, Vereinszollg. § 146 die bandenmäßige Begehung lediglich als Strafschärfungsgrund behandelt. 2. Die Begünstigung ist keine Form der Beteiligung mehrerer an dem Verbrechen. Denn es fehlt ihr, da sie erst n a c h Abschluß der Ausführungshandlupg*) möglich ist, das einzige, allen Formen der Beteiligung gemeinsame Merkmal: das Setzen einer Bedingung zu dem eingetretenen Erfolg. Sie ist mithin selbständiges Verbrechen und gehört als solches in den Besonderen ') Die auf der Unterscheidung von mehr- und minderwertigen Bedingungen beruhende o b j e k t i v e Theorie führt bis auf Pufendorf 1672 zurück (Heimberger 144); sie wird im 18. Jahrhundert vielfach, so von Kreß, JSF. Böhmer u. a., später insbesondere von Feuerbach und Berner (1847 bis 1Ö61) vertreten. Auch hier wird neuerdings die „psychische K a u s a l i t ä t " (oben Note 4) zur. Begründung der Unterscheidung herangezogen. So von Frank § 47 II (Setzen einer Ursache = Täterschaft, einer Bedingung = Teilnahme), ebenso Wachenfeld 187; ähnlich Allfeld 225. •) Sie ist aber v o r der Vollendung (Eintritt des Erfolges) möglich: A h a t den B tödlich verwundet; noch ehe B stirbt, befördert C die Flucht des A .

§ 5°-

i . Die Täterschaft.

217

Teil. Dieser, in der Wissenschaft nur mehr von einzelnen') widersprochenen Auffassung folgt, im Gegensatze zum Code pénal und Preußen 1851, nicht nur das R S t G B , sondern auch die Mehrzahl der außerdeutschen Gesetze und Entwürfe. V. Wenig förderlich war die Aufstellung des Begriffs der notwendigen Teilnahme (Schütze 1869) oder des concursus necessarius. Er ist gegeben bei Straftaten, die nach ihrem Tatbestande das Zusammenwirken mehrerer begrifflich fordern. Tatsächlich ist in diesem Falle stets Mittäterschaft im technischen Sinne erforderlich.8) Es gehören hierher zwei Gruppen von Straftaten : 1. Solche, bei denen die Handlungen der notwendig Mitwirkenden sich aufeinanderzu bewegen, der Zweikampf, Stimmenkauf, (Begegnungsdelikte

nach Freudenthal) ;

2. solche, bei denen die Handlungen der notwendig Mitwirkenden nach außen konvergieren, wie Aufruhr, Meuterei (Konvergenzdelikte nach Freudenthal). Hier ist das Zusammenwirken bald Tatbestandsmerkmal (so S t G B §§ 115, 122), bald Strafschärfungsgrund (so S t G B §§ 123 Abs. 2, 223a). VI. Die Entwürfe. Während die deutschen Entwürfe an der grundsätzlichen Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme festhalten, hat der Ö R E § 12 die sämtlichen Beteiligten einander gleichgestellt und nur die schwersten Strafdrohungen für den Gehilfen gemildert. S R E 23 läßt bei Beihilfe mildere Bestrafung zu. Doch bemühen sich auch jene, die Strafbarkeit der Teilnahmehandlung von der Rücksicht auf die Schuld des Täters unabhängig zu machen ; der S R E und der GE bestrafen auch die versuchte Anstiftung, und der letztere erweitert den Begriff der Täterschaft auf Kosten der Teilnahme. Im übrigen wiederholt der K E inhaltlich die Bestimmungen des geltenden Rechts, bemüht sich aber, Anstiftung und mittelbare Täterschaft scharf zu scheiden. E 1919 folgt durchaus dem K E .

§ 50.

I. Die Täterschaft.

Literatur. V. Igel Die Nebentäterschaft. Rostocker Diss. 191 o. Daniel Mittaterschaft, gemeinschaftliche Begehung und Begehung mit vereinten Kräften. Münstersche Diss. 1910. Goetz Grenzziehung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe (V. Lil. Heft 115) 1911 (im Anschluß an Löning). Lehmann (Lit. zu § 38). Petri Die mittelbare Täterschaft (V. Lil. Heft 125) 1911. Derselbe Z 30 690. Nowak Nebentäterschaft, Quasitäterschaft. Münstersche Diss. 1911. Suhr Die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe de lege ferenda. Göttinger Diss. 1912. Flegenheimer Das Problem des dolosen Werkzeugs (V. Lil. Heft 164) 1913. Schreiber Täterschaft und Teilnahme bei Straftaten, die aus psychischen Gründen nur von bestimmten Personen begangen werden können (V. Lil. Heft 172) 1913. Benthin Die Scheidung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe. Rostocker Diss. 1913. V. Michael Der Mensch als Werkzeug. Rostock er Diss. 1914. Fraenkel Tolstois „lebender Leichnam" in strafrechtlicher Beleuchtung.

So Kohler 1 118, Merkel 153; ebenso Beling, der mit dem unhaltbaren

Begriff der „Nachtäterschaft" (als einer nicht unter die Teilnahme fallenden, aber ihr analogen Erscheinungsform der Tatbestandsverwirklichung) arbeitet, sowie V. Bar 736. Gegen diesen Kriegsmann 563. Vgl. aber auch Frank 21. Abschnitt I. Gegen Meyer 5. Aufl. vgl. Allfeld 225. •) Abweichend Freudenthal 41 ff., dem sich Frank V vor § 47 angeschlossen hat. Aber Zweikampf mit einem Paralytiker ist ebenso undenkbar, wie die Zusammenrottung eines Schullehrers mit 30 zehnjährigen Kindern. Ebenso R 40 21, sowie V. Bar 2 731. Der Ehebruch, der ja auch durch Notzucht begangen werden kann, gehört überhaupt nicht hierher.

§ 50.

2 X 8

I, Die Täterschaft.

Erlanger Diss. 1916. Brandt Grenzen der mittelbaren Täterschaft. Erlanger Diss. 1916. Winter Die mittelbare Täterschaft usw. Münstersche Diss. 1917. Wachenfeld Z 40 3off., i 2 9 f f . , 321 f f . T ä t e r s c h a f t i s t die b e g o n n e n e oder b e e n d e t e B e g e h u n g d e r Ausführungshandlung. I. T ä t e r allein

D a b e i sind zwei Fälle zu

ist zunächst derjenige, der die

ausführt,

allein v e r w i r k l i c h t

den

gesetzlichen

unterscheiden.

Ausführungshandlung

Tatbestand

des

Verbrechens

( A l l e i n t ä t e r ) : M ö r d e r a l s o z. B . d e r j e n i g e ,

einen andern vorsätzlich und mit Überlegung getötet h a t ; derjenige, der Gewalt anwendet

der

Räuber

u n d die Sache w e g n i m m t .

m a c h t es k e i n e n U n t e r s c h i e d , o b d e r E r f o l g l e d i g l i c h d u r c h

Dabei eigene

körperliche T ä t i g k e i t oder durch B e n u t z u n g der N a t u r k r ä f t e , eines W e r k z e u g e s oder eines Tieres herbeigeführt

wurde.

I I . T ä t e r ist a u c h d e r j e n i g e , d e r sich eines a n d e r n

Menschen

(vielleicht des V e r l e t z t e n selbst) als W e r k z e u g e s b e d i e n t u n d diesen eine

die

Ausführungshandlung

wichtige

Einschränkung

der Teilnahme

(unten

§ 51).

begeht.1)

durch den

Dieser

spricht

hier

von

mittelbarer

intellektueller Urheberschaft.3)

(fingierter)

Diese liegt

durch erleidet

positivrechtlichen

Soweit dieser aber nicht

k o m m t die allgemeine R e g e l zur uneingeschränkten Man

Satz

Begriff

eingreift,

Anwendung.2)

Täterschaft

oder

vor:

') Über die Benutzung des e i g e n e n Körpers vgl. oben § 37 I I I . Irrtum darüber, ob man Täter oder Teilnehmer ist, bleibt einflußlos (oben § 39 III 3). Wer nicht weiß, d a ß der von ihm Bestimmte oder Unterstützte geisteskrank ist, wird dennoch als Täter bestraft; denn der Tätervorsatz ist vorhanden, wenn auch der Täter sich darüber in Unklarheit befindet. Ebenso auch Finger 1 336, Schwartz § 4 7 Note 2. Frank 3. Abschn. II und Wachenfeld 190 nehmen hier fahrlässige Täterschaft, ötker Handbuch des Strafprozesses 3 (1907) 131 A n m . g Teilnahme an. Über K E und E 1919 v g l . A n m . 3. s) 1. Der Begriff der mittelbaren Täterschaft wird heute von Wissenschaft und Rechtsprechung ganz allgemein anerkannt; so auch R 1 146, 8 96, 4 256, 12 67, 18 410. Dagegen neuerdings Hoegel Z 37 667. —• 2. Doch glauben verschiedene Schriftsteller, die Anwendbarkeit des Begriffes bei gewissen Delikten ausschließen zu müssen. So v. Bar Gesetz 2 636 (aber nur bei Rechtsbeugung und Eidesdelikten), Beling Verbrechen 236 (bei Formaldelikten), Bitlding Grundriß 146 (Inzest usw. müssen nach ihm „eigenhändig" begangen werden), Brandt, Frank 1. Teil 3. Abschn. III, Fraenkei, Höpfner Z 22 205, Kohler 1 133, Lobe in R G R ä t e K o m m . Einl. S. 34 (wie Binding), Mayer 376, 378, Nagler 72 (bei Mangel rechtlicher Voraussetzungen), Perten (Lit. zu § 49) 128, Olshausen 1. Teil 3. Abschn. 5, Schwartz § 47 N o t e 2. So soll die H a f t u n g einer Frauensperson für Notzucht, eines Nichtverwandten für Blutschande, eines Nichtbeamten für ein reines Amtsdelikt ausgeschlossen sein, wenn sie zur Herbeiführung des Erfolges einen Wahnsinnigen bestimmt oder einen Zurechnungsfähigen gezwungen haben. Gegen diese Einschränkungen Allfeld 237, Lammasch 43. Sie führen zur Straflosigkeit dessen, der sich des menschlichen Werkzeuges bedient. Dennoch verdankt dieser Ansicht S t G B § 160 (Verleitung zum Falscheid) sein wenig erfreuliches Dasein. Vgl. Helldorf Die mittelbare Täterschaft und die Verleitung zum Falscheid. Hallische Diss. 1895. Ähnlich verhält es sich mit S t G B § 271. — 8. Noch weiter geht Mittermaier Z 21 235, der die Täterschaft grundsätzlich auf die Begehung der Ausführungshandlung beschränkt. Ähnlich Beling Z 28 589. Das ist nicht nur dem geltenden Recht 2)

§ 5°-

i - D ' e Täterschaft.

219

1. Wenn der vom T ä t e r Benutzte, n i c h t

zurechnungsfähig

war.

Wer etwa dem Tobsüchtigen ein Messer in die Hand

gibt,

d a m i t dieser einen andern ersteche, ist als T ä t e r des Mordes schuldig. Dem der

Wahnsinnigen steht aber nicht nur das K i n d , sondern Strafunmündige durchaus gleich

(oben

§ 38 Note

auch

2 und

5).

Hierher würde auch die Bestimmung eines Hypnotisierten zur B e gehung einer S t r a f t a t gehören. delikte",

in

denen

der

D e r Satz gilt auch für die „Sonder-

Tatbestand

bestimmte

Eigenschaft

des Täters erfordert, und diese bei d e m unmittelbar

eine

Handelnden

fehlt, bei dem Bestimmenden aber vorhanden ist (vgl. oben § 49 I 1). Der Deutsche, der den neutralen Ausländer zur Begünstigung Deutschland

feindlichen

Kriegsmacht

stifter, wenn der Ausländer zurechnungsfähig, dagegen Täter, wenn dieser geisteskrank 2. Wenn der B e n u t z t e

der

bestimmt, ist strafloser A n mittelbarer

ist. 4 )

u n f r e i , d. h. genötigt, gehandelt h a t ;

genauer: wenn die Voraussetzungen des § 52 S t G B gegeben waren. 6 ) 3. Wenn

der B e n u t z t e

nicht

vorsätzlich,

d.

h. nicht

der Voraussicht der F o l g e n seines Tuns, gehandelt h a t .

in

Wer die

Krankenpflegerin durch T ä u s c h u n g bestimmt, s t a t t Chinins Arsenik zu geben, ist nicht A n s t i f t e r zu einem von der Pflegerin überhaupt nicht

begangenen Morde, sondern selbst Mörder. 8 )

In den Fällen,

in denen Bewußtsein der Rechtswidrigkeit zum T a t b e s t a n d e gehört, steht dessen Mangel d e m Fehlen des Vorsatzes gleich. 4. Wenn

das Verbrechen eine

bestimmte

Absicht

fordert

(z. B . Aneignungsabsicht beim Diebstahl), diese A b s i c h t aber d e m gegenüber undurchführbar, sondern a u c h wissenschaftlich verfehlt. — 4. Völlig abweichend diejenigen, die in Zurechnungsunfähigkeit usw. nur persönliche Strafausschließungsgründe erblicken; vgl. oben § 37 N o t e 5. — 5. Mit dem T e x t neuerdings Petri und Winter. Ausdrücklich S R E 25. [ K E § 33 u n d E 1919 § 26 bezeichnen übereinstimmend denjenigen als mittelbaren T ä t e r , der vorsätzlich veranlaßt, d a ß die T a t durch einen nicht vorsätzlich Handelnden oder Unzurechnungsfähigen zur A u s f ü h r u n g g e l a n g t . N a c h beiden E n t w ü r f e n Hegt mittelbare T ä t e r s c h a f t aber a u c h dann vor, wenn sich nachträglich ergibt, d a ß der andere vorsätzlich g e h a n d e l t h a t und zurechnungsfähig gewesen ist. Diese zwar praktisch brauchbaren, begrifflich aber unklaren B e s t i m mungen sind in den beiden E n t w ü r f e n nötig, weil sich die Verfasser nicht entschließen konnten, nach dem Vorbilde des G E das Gebiet der T ä t e r s c h a f t auf K o s t e n der A n s t i f t u n g zu erweitern und diese in eine lediglich subsidiäre Stellung zu drängen. A u c h sind die E n t w ü r f e t r o t z D e n k s c h r i f t zum E 1919 S. 42 im Grundsatze noch immer v o n dem G e d a n k e n der akzessorischen N a t u r der Teilnahme beherrscht. D a h e r die N o t w e n d i g k e i t besonderer Ausnahmebestimmungen, wie E 1 9 1 9 § 28 A b s . 1 S a t z 2, § 29 A b s . 1 S a t z 2. G E § 31 m a c h t solche Bestimmungen überflüssig.] *) Sehr weitgehend R 28 109 (ein B e a m t e r h a t einen N i c h t b e a m t e n zur Fälschung einer jenem a n v e r t r a u t e n U r k u n d e b e s t i m m t ; R n i m m t T ä t e r s c h a f t des B e a m t e n a n ) ; ebenso Frank I I I v o r § 47. 5) V i e l weiter gehend (gegenüber S t G B § 48 v i e l zu weit) R 26 242. *) E b e n s o R 85 332, 89 298. Übereinstimmend auch' Lobe in R G R ä t e K o m m . E i n l . S. 35. V g l . a u c h R M i l G 22 21.

220

§ 5°-

i . Die Täterschaft.

zu der Tat benutzten Täter mangelt, während sie bei dem Bestimmenden vorliegt.7) 5. Wenn der unmittelbar Handelnde durch Dienstpflicht oder durch gesetzliche Bestimmung zum Handeln v e r b u n d e n war.8) In allen Fällen ist der Bestimmende so zu beurteilen, als wenn er die Handlung seines Werkzeuges selbst vorgenommen hätte.9) III. Täter ist ferner derjenige, der im b e w u ß t e n Zusammenwirken mit andern die Ausführungshandlung begonnen oder beendet hat (Mittäterschaft nach § 47 StGB). 1. Mittäterschaft setzt mithin B e t e i l i g u n g an der Ausf ü h r u n g s h a n d l u n g voraus. Damit ist der Unterschied von der Beihilfe zunächst o b j e k t i v bestimmt. So ist der Mittäter beim Morde derjenige, der eine tödliche Verletzung beigebracht; beim Diebstahl, wer die Sache in Aneignungsabsicht weggenommen; beim Betrüge, wer an der Täuschung sich beteiligt hat. Bei den sogenannten z u s a m m e n g e s e t z t e n Verbrechen (oben § 31 I) ist Mittäter derjenige, der auch nur eine der das Verbrechen bildenden Ausführungshandlungen begangen hat. So sind (bewußtes Zusammenwirken vorausgesetzt) A und B Mittäter, wenn A die Frauensperson C vergewaltigt oder den D mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben bedroht und B die C mißbraucht oder, dem D die Brieftasche wegnimmt: denn Gewalt und Drohung sind Tatbestandsmerkmale für Notzucht und Raub. Wenn aber A Wache stand, während B einen Einbruchsdiebstahl verübte, so ist A niemals Mittäter, sondern Gehilfe; denn das Wachestehen ist nicht Ausführungshandlung beim Diebstahl.10) ') Ebenso R 3 9 37, 47 148 (bei Diebstahl) und Lobe (Anm. 6) S. 36/7. Da-

gegen v. Bar 2 627, Beling, Frank III vor § 47, Wachenfeld 197, Perten 134,

die ein „doloses Werkzeug" ablehnen. ") Vgl. oben § 35 I. Ebenso Finger 1 337, Wachenfeld 197. *) Also: 1. Hat der Täter, wenn auch durch ein Wort, mehrere Werkzeuge erfolgreich bestimmt, so liegt wegen Einheit der Willensbetätigung (unten § 54 I I I j) für jenen nur ein Verbrechen vor. Ebenso, wenn er das eine Werkzeug zu mehreren Verbrechen bestimmt. — 2. Der Täter bleibt Täter, auch wenn er scheinbar nur eine Beihilfehandlung setzt. Beispiel: Der Erwachsene A hält das Opfer, während der Knabe B den Dolchstoß führt. — 8 . Erfordert das Gesetz eine bestimmte körperliche Tätigkeit (z. B . das Einsteigen nach § 243 Ziff. 2), so muß diese von dem Werkzeug vorgenommen werden, um dem Täter zugerechnet werden zu können. Dagegen R 24 86. — 4. F ü r Zeit und Ort der Begehung ist die Handlung des Werkzeuges maßgebend (oben § 31 IV 3). Dagegen Allfeld 238. — 5. Beendeter Versuch liegt vor, sobald das Weitere der Selbsttätigkeit des Werkzeuges überlassen ist (also mit der Hervorrufung des Entschlusses in dem Geisteskranken). Vgl. oben § 46 Note 7. — 8. Rücktritt vom Versuch ist daher dem Bestimmenden von diesem Augenblick ab nur als Abwendung des Erfolges (nach § 46 Ziff. 2) möglich. Abweichend R 8 9 37 und Lobe in R G R ä t e K o m m . § 46 Note 2a. — 7. Führt das Werkzeug die Handlung nicht aus, so liegt fehlgeschlagenes Verbrechen und nicht (strafloser) Versuch der Anstiftung vor. — 8. Für die Zurechnungsfähigkeit ist (oben § 37 I I I ) der Zeitpunkt der Bestimmung maßgebend. 10) Stand der Ansichten: 1. Das Reichsgericht vertritt, gestützt auf die

Die Täterschaft.

221

V o r s a t z des Mittäters u m f a ß t :

i . die Kenntnis der

§ 5°2. D e r

1

Verbrechensmerkmale und 2. das Bewußtsein des Zusammenwirkens mit den übrigen Mittätern.

Fehlt es an diesem Bewußtsein

Zusammenwirkens, so ist Mittäterschaft ausgeschlossen.

des

So, wenn

auf Seiten des einen der beiden Beteiligten die Zurechnungsfähigkeit oder aber der Vorsatz m a n g e l t . 1 1 )

Ebenso dann, wenn der zweite

Täter den ohne sein Vorwissen vom ersten geschaffenen Zustand benutzt 3.

(also etwa die von diesem gefesselte Frau Die

ständigen) eigne,

Mittäterschaft

ist

keine

Form

mißbraucht).

der

T e i l n a h m e an d e m T u n e i n e s a n d e r n ,

selbständige

Täterschaft.

Daher

ist

jeder

(unselbsondern Mittäter

in der Bestrafung unabhängig von seinen Genossen; es kann mithin der eine Mittäter als Mörder, der andere a b Totschläger, der eine als Räuber, der andre als Dieb bestraft werden. 1 2 )

Und umgekehrt:

ausdrückliche Erklärung der Motive, in einer Reihe von Entscheidungen die auch in der Wissenschaft vielfach verteidigte Ansicht, nach welcher der Unterschied zwischen Mittäterschaft und Beihilfe lediglich in der Willensrichtung des Täters gelegen sein soll; nach welcher der Mittäter den „herrschenden" animus auctoris, der Gehilfe den „sich unterordnenden" animus socii haben; jener die T a t a l s d i e s e i n e , dieser die T a t a l s d i e e i n e s a n d e r n wollen muß. Nur auf die Willensrichtung, nicht auf die objektive Beteiligung komme es daher an, vorausgesetzt, daß irgend eine äußere Mitwirkung stattgefunden h a t ; auch das Herbeischaffen der Werkzeuge, das Hinwegräumen der Hindernisse, die Ermunterung der Täter, das Wachestehen, während die Genossen das gemeinsam geplante Verbrechen vollführen, selbst die ermunternde Anwesenheit am Tatorte, könne als Mittäterschaft betrachtet werden. So R 2 160, 3 181; zuletzt R 28 345, 351, 28 304, 37 55, 92, 89 193, 53 138; R M i l G 10 86, 1 1 75, 182, 17 92, 22 154. Die Unterscheidung zwischen eigener und fremder T a t steht aber in der L u f t ; vgl. Feisenberger Z 38 530. Wiederholt (so R 14 28, 15 295, 54 152) hat R aber Mitwirkung zur Ausführung verlangt (ungenau Mayer 402) und damit seinen Standpunkt preisgegeben. Die „ s u b j e k t i v e " Theorie scheitert rettungslos daran, daß sie den, der mit „sich unterordnendem W i l l e n " die Haupthandlung (etwa die Tötung) begeht, als Gehilfen betrachten muß, während sie andererseits beim K o m p l o t t (oben § 49 IV i), da hier j e d e Mitwirkung Täterschaft begründet, den Begriff der Beihilfe überhaupt aufhebt. Dazu Bierling 149. Den Standpunkt des R teilen: v. Bar 2 597, Bierling (Lit. zu § 28) 3 148, Kohler 1 96, v. Lilienthal 35, Lobe in R G R ä t e K o m m . § 47 Note 2, Sagler (Lit. zu § 49) 76, 124 (Verursachungswille), Olshausen § 47 3 bis 5 (mit ganz willkürlicher Gruppierung der Ansichten); Bgr. 305. Dagegen Flegenheimer 21, Gerland "(Lit. zu § 5) 61, Mayer 403. — 2. F ü r die im T e x t vertretene (schon von Feuerbach begründete) Ansicht, wie früher die Rechtsprechung von Berlin und München, vor allen Birkmeyer, ferner Belitlg Verbrechen 408, Finger 1 339; Frank § 47 II (obe/i § 49 Note 5), Hälschner 1 377, 420, v. Lilienthal 45 (im Ergebnis), Mayer 403, Merkel, Wachenfeld 201. — 3. Vermittelnd Haupt Z 15 578. Ahnlich Tjaben G A 42 226. Nach ihm g i b t es zwischen zweifellosen Täter- oder Gehilfenhandlungen ein breites Gebiet von Betätigungen, deren Einreihung unter Täterschaft oder Beihilfe nur nach der Willensrichtung des Handelnden bestimmt werden kann. Ebenso Allfeld 247 (vgl. 239). Benthin hält jede Unterscheidung für unmöglich. " ) v g ' - § 49 Note 8. — Übereinstimmend Finger 1 342, Lobe in R G R ä t e -

Komm. § 47 Note 2, R 17 313, 40 21; abweichend aber R 19 192.

" ) Ebenso R 42 6. Zustimmend Lobe in R G R ä t e K o m m . § 47 N o t e 9.

222

§5i-

Die Teilnahme.

w e r nicht T ä t e r sein kann (z. B. der Nichtbeamte bei einem reinen Amtsdelikt), kann auch nicht Mittäter sein. 1 3 ) IV. Aber auch wenn mehrere Personen ohne b e w u ß t e s Z u s a m m e n w i r k e n an der Herbeiführung oder Nichthinderung desselben Erfolges beteiligt sind, ist jeder von ihnen als T ä t e r verantwortlich, vorausgesetzt, d a ß nicht ein Fall der Teilnahme (unten § 51) vorliegt. Beteiligung an der Ausführungshandlung ist hier, mangels besonderer gesetzlicher Bestimmung, nach allgemeiner Regel nicht erforderlich. Hierher gehören insbesondere die Fälle fahrlässiger Mitwirksamkeit; so, wenn mehrere Bauarbeiter gemeinsam einen Balken von dem Gerüste des abzutragenden Baues herabwerfen, ohne die Vorübergehenden zu warnen, und durch ihr unvorsichtiges Gebaren einen Menschen töten (vgl. 1. 11, 4 D . 9, 2). Ebenso auch dann, wenn die mehreren gleichzeitig oder nacheinander 1 4 ) handelnden Täter, zwar jeder für sich vorsätzlich, aber ohne das Bewußtsein gemeinsamer Tätigkeit (mag auch der A auf die Wirksamkeit des B — nicht auch umgekehrt — rechnen), denselben Erfolg durch ihr Zusammenwirken herbeiführen oder gemeinsam nicht abwenden. Ebenso, wenn der eine vorsätzlich, der andere fahrlässig handelt. Endlich müssen aber auch die Fälle hierher gerechnet werden, in denen die Annahme der Mittäterschaft etwa durch Geisteskrankheit des einen der beiden Beteiligten ausgeschlossen ist (oben Note 11). Man kann in diesen Fällen, zum Unterschiede von der gesetzlich geregelten Mittäterschaft, von Nebentäterschaft (als einem Unterfalle der Mehrtäterschaft) sprechen. 1 6 )

§ 51.

2. Die Teilnahme.

Literatur. Loewenhtim Der Vorsatz des Anstifters nach geltendem Recht (V. Lil. Heft 9) 1897. Korn Der Vorsatz des Anstifters nach geltendem Recht usw. Göttinger Diss. 1902. Kellner Die Mittel der Anstiftung in ihrer materiellrechtlichen und prozessualen Bedeutung. Würzburger Diss. 1909. Bisoukides in der Festgabe für v. Liszt (Haering) 1911 S. 1. Ibach Die Anstiftung (v. Lil. Heft 148) 1912. Röhricht Die rechtliche Natur der Anstiftung (v. Lil. Heft l s ) Ein Fall der Mittäterschaft ist die „ g e m e i n s c h a f t l i c h e " Begehung (Unterfall: das „Rottenverbrechen"), die im StGB vielfach als erschwerender Umstand behandelt wird. So S t G B §§ 119, 123, 223a, 293; Vereinszollg. §§ 146, 147. Die Strafschärfung tritt also nur ein, wenn Mittäterschaft vorliegt (nicht bei Teilnahme oder Nebentäterschaft). Ebenso Lobe in RGRäteKomm. § 47 Note 11. Dagegen Binding Lehrb. 2 813, Daniel 79, Freudenthal (Lit. zu § 49) 147, der auch hier nur tatsächlich-einverständliches Handeln fordert. Richtig RMilG 5 153, 7 198. Auch für b a n d e n m ä ß i g e Begehung ist die Mittäterschaft erforderlich. " ) Vgl. oben § 29 Note 5. Ebenso im wesentlichen v. Bar 2 797. Dagegen Allfeld 242, Mayer 385. ") Mayer 384, Wachenfeld 198 u. a. haben sich meiner Terminologie angeschlossen. Lobe in RGRäteKomm. § 47 Note 4 hält Mittäterschaft zweier bewußt fahrlässig (oben § 42 Note 2) Handelnder für möglich.

§ 5i.

2. Die Teilnahme.

163) 1913. Pertert (Lit. zu § 49). Steinhoff Gehilfen. Erlanger Diss. 1 9 1 7 .

223

Der Vorsatz des Anstifters und des

Teilnahme ist (nach geltendem Recht) Beteiligung an der von einem andern begonnenen oder vollendeten Ausführungshandlung. Die Teilnahme ist entweder Anstiftung oder Beihilfe. 1 ) I. A n s t i f t u n g i s t d i e v o r s ä t z l i c h e B e s t i m m u n g e i n e s a n d e r n zu der v o n ihm v o r s ä t z l i c h b e g a n g e n e n s t r a f baren Handlung.13) 1. Das Gesetz erwähnt in § 48 Abs. 1 als A n s t i f t u n g s m i t t e l : 2 ) Geschenke, Versprechen, Drohung, Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums. Aber die Schlußworte: „oder durch andere Mittel" zeigen, daß jene Aufzählung lediglich beispielsweise erfolgte, und jedes Mittel, auch das Anbieten einer Wette, Bitten und Beschwörungen, die Verhöhnung der Gewissensbedenken, im gegebenen Falle sogar scheinbares Abiaten von der Begehung der Handlung, als genügend erachtet werden muß. Nur ist zu beachten, daß Zwang und Drohung nicht in „Nötigung" übergehen, Irrtumserregung nicht die Vorsätzlichkeit des Tuns ausschließen darf; denn damit würde an Stelle der Anstiftung mittelbare Selbstbegehung treten (oben § 50 II). Die Bestimmung kann auch durch die Einwirkung mehrerer erfolgen, mögen diese gemeinsam (als Mitanstifter) oder unabhängig voneinander vorgehen. 2. Wesentlich ist der Anstiftung die v o r s ä t z l i c h e Bes t i m m u n g eines andern zu der von ihm begangenen Handlung, d. h. die Hervorrufung des Handlungsentschlusses in dem andern. 8 ) Die bloße Gewährung der Gelegenheit (z. B. die Benennung eines zum Meineid bereiten Zeugen) genügt nicht, kann aber Beihilfe sein. 3. Die Anstiftung ist nach der Auffassung unseres positiven Rechts nicht intellektuelle Urheberschaft, sondern (unselbständige T e i l n a h m e a n d e r T a t e i n e s a n d e r n ; sie trägt den Grund ihrer Strafbarkeit nicht in sich, sondern entlehnt ihre Strafbarkeit aus dieser fremden Tat (vgl. oben § 49 Note 4). Erfolg der Anstiftung ist zwar zunächst die Hervorrufung des Entschlusses zur Handlung ') In abweichendem Sinne wird von „Teilnehmen" gesprochen in S t G B §§ 115, 116, 124, 125, 128, 129. 1*) Nach Lobe in RGRäteKomm. § 48 Note 2 A a ist Anstiftung zur Begehung eines fahrlässigen Delikts nicht ausgeschlossen. Vgl. auch Olshausen § 48 Note 18 ünd R G 86 402, wo sich aber keine klare Stellungnahme zu dieser Frage findet. — Wie der Text K E § 35, E 1919 § 28. *) V E § 78 hat die Aufzählung der Anstiftungsmittel, ebenso wie die übrigen Entwürfe (KE § 35; E 1919 § 28), mit Recht gestrichen. *) Eine Ausnahme (Gleichstellung von Anstiftung, mittelbarer Täterschaft und Nebentäterschaft) enthält § 20 Nächdrucksg. 1870.

224

§ 51-

Die Teilnahme.

in dem Täter. Aber dieser Erfolg ist nicht an sich, sondern nur dann strafbar, wenn der Entschluß des Täters zu der, sei es vollendeten, sei es auch nur versuchten, strafbaren Handlung geführt hat. 4. Der V o r s a t z des Anstifters besteht in dem Bewußtsein, daß durch die eigene Willensbetätigung in dem Anzustiftenden der Entschluß zur Begehung einer bestimmten, strafbaren H a n d lung hervorgerufen werde. Er muß mithin auch diese als eine von dem Täter zu begehende umfassen. Begeht der Angestiftete eine wesentlich andere 4 ) als die vom Anstifter vorgestellte Handlung, so kann eben soweit Vorsatz des Anstifters nicht angenommen werden (vgl. unten § 52 I 2). 5. Die S t r a f e des Anstifters ist nach dem Gesetze zu bestimmen, das auf die Handlung Anwendung findet, zu der er wissentlich angestiftet h a t ; ist der Täter nur eines Versuches schuldig, so wird auch für den Anstifter der Strafrahmen herabgesetzt. 5 ) II. Beihilfe ist die v o r s ä t z l i c h e U n t e r s t ü t z u n g e i n e s a n d e r n bei d e m v o n ihm b e g a n g e n e n vorsätzlichen V e r b r e c h e n o d e r V e r g e h e n ( S t G B § 49). Die Beihilfe zu einer Ü b e r t r e t u n g bleibt straflos. 6 ) 1. Unterstützung einer Handlung liegt nur dann vor, wenn e i n e B e d i n g u n g z u d e m E r f o l g e tatsächlich gesetzt worden ist. Andernfalls würde nur (strafloser) Versuch der Beihilfe vorliegen. 7 ) Die Unterstützung kann eine psychische (Bestärkung des 4) Vgl. oben § 40 I I 2. Auch nach R 8 4 327 b r a u c h t der Anstiftervorsatz nicht alle näheren U m s t ä n d e der T a t zu umfassen. E b e n s o Lobe in R G R ä t e K o m m . § 48 Note 2 A a . 5 ) Verschieden von dem Anstifter ist der , , F ü h r e r " , „ A n f ü h r e r " oder „ R ä d e l s f ü h r e r " ( S t G B §§ 115, 125; Vereinszollg. 1869 §§ 146, 147; Seemannsordng 1902 §§ 101, 105; Sklavenraubg. 1895 § 1 u. a.). Vgl. Scherling (Lit. zu § 99) 54. D a b e i haben wir unter Führern die geistigen, die Bewegungen der Genossen bestimmenden, L e i t e r der gesammelten S c h a r (der R o t t e ) , also nicht notwendig die Anstifter der T a t , zu verstehen. — Die „ S t i f t e r " und „Vors t e h e r " der Verbindung h e b t hervor S t G B §§ 128, 129. — Vom „V e r a n s ' t a l t e r " sprechen das Nachdrucksg. (oben N o t e 3) und das Sklavenraubg. Auch hier ist die geistige Leitung das entscheidende; die Veranstaltung aber bedeutet dennoch nicht Anstiftung, sondern T ä t e r s c h a f t . Ü b e r das „ V e r a n l a s s e n " vgl. oben Note 3. —• D i e A u f f o r d e r u n g unterscheidet sich von der Anstiftung dadurch, daß sie deren Erfolg, die B e s t i m m u n g des andern, n i c h t voraussetzt; von dem A n r e i z e n oder A u f r e i z e n als indirekter Aufforderung dadurch, daß sie den Willen des B e s t i m m e n d e n zum Ausdruck bringt. E b e n s o R 47 4 1 1 , 50 146. Dagegen i s t das V e r l e i t e n nichts anderes als „ A n s t i f t e n " . •) Zahlreiche Steuergesetze bestrafen die B e i h i l f e zu jeder „ Ü b e r t r e t u n g " des Gesetzes. T) Hilfe-, B e i s t a n d - , Vorschubleistung ( S t G B §§ 89, 180, 257) setzen wirkliche Förderung des Erfolges voraus. Abweichend R 6 169, 8 267, 18 265; Schwartz § 49 Note 5 (Eignung zur Förderung genügt). Übereinstimmend mit dem T e x t Allfeld 249, V. Bar 2 697, Finger 1 356, Frank § 4 9 I V ; teilweise auch R 3 8 56. Doch kann versuchte physische als vollendete psychische B e i hilfe erscheinen. Lobe in R G R ä t e K o m m . § 49 N o t e 4 verlangt Förderung

§51-

2- Die Teilnahme.

225

Entschlusses durch Angaben über die Art der Ausführung) oder physische sein („Rat oder Tat"); sie kann auch in der vor der Handlung gegebenen Zusage nachträglicher Begünstigung derselben bestehen (StGB § 257 Abs. 3; unten § 52 IV): Nie aber darf sie, wenn Vorsatz, bez. Absicht dem gesetzlichen Tatbestande entsprechen, Teil der Ausführungshandlung sein (oben § 50 III). Sie wird sich in den meisten Fällen als eine Handlung darstellen, die, wenn vom Täter begangen, lediglich (straflose) Vorbereitung wäre. Beihilfe kann auch durch Unterlassung begangen werden, falls Rechtspflicht zum Tun vorlag. Unterlassene Anzeige aber kann, wegen der Sondervorschrift in StGB § 139, nicht als Beihilfe gestraft werden, wenn die Anzeigepflicht nicht unabhängig von § 139 begründet ist. 2. Auch die Beihilfe ist nur als v o r s ä t z l i c h e U n t e r s t ü t z u n g einer v o r s ä t z l i c h e n H a n d l u n g strafbar. 8 ) 3. Der V o r s a t z des Gehilfen umfaßt: 1. Die Vorstellung der eigenen Handlung; 2. die Vorstellung der Handlung eines andern; 3. die Vorstellung, daß diese Handlung durch jene unterstützt werde.9) Dagegen ist die Kenntnis des Täters von der ihm geleisteten Hilfe nicht erforderlich. 4. Die Beihilfe setzt als (unselbständige) Teilnahme an der Tat eines anderen unerläßlich voraus, daß auf Seiten des Täters eine s t r a f b a r e H a n d l u n g , sei es auch nur auf der Stufe des Versuches, vorliege. Sie ist umgekehrt nach der Beendigung der Tat ausgeschlossen, wenn diese nicht etwa ein Dauerdelikt (unten § 54 III 2e) darstellt. 5. Die S t r a f e des Gehilfen ist nach demjenigen Gesetze zu bestimmen, das auf die Handlung Anwendung findet, zu der er wissentlich Hilfe geleistet hat, jedoch nach den über die Bestrafung des Versuchs aufgestellten Grundsätzen (unten § 70 I) zu ermäßigen. Liegt Beihilfe zu einer bloß versuchten Handlung vor, so ist zweimalige Herabsetzung des Strafrahmens nötig. 10 ) der Begehungshandlung des Haupttäters und kommt damit dem Text mindestens sehr nahe. Ausnahme in S t G B § 121 Abs. 2 (fahrlässige Beförderung der Entweichung eines Gefangenen). Doch liegt hier eben keine Teilnahmehandlung, sondern ein selbständiges Verbrechen vor. Vgl. Lobe in RGRäteKomm. § 49 Note 5. •) Vgl. RMilG 20 197. 10 ) Nur in einzelnen Fällen droht das Gesetz dem Gehilfen g l e i c h e S t r a f e -wie dem Täter; so in S t G B § 143, § 3 Reichsstempelg. 1894, § 318 HandelsGB. Einen besonderen Strafrahmen für die Beihilfe enthalten S t G B §§ 203, 218 und 219; Wechselstempelg. 1869 § 15; Auswanderungsg. 1897 § 48. — Zu beachten ist ferner, daß überall dort, wo der Gesetzgeber Versuch und Vollendung in bezug a u f die Bestrafung gleichstellt oder gar schon das Unternehmen mit der Vollendungsstrafe belegt (oben § 46 VI), wegen der tatsächlichen Unmöglichkeit, die vorgeschriebene Herabsetzung des Strafrahmens vorzunehmen, Täter und GeT. L i s i t , Strifrecht. a*. Aufl.

15

226

§ 52-

§ 52.

Die Teilnahme.

Folgesätze.

Die Teilnahme.

Folgesätze.

Literatur. Wuttig Fahrlässige Teilnahme am Verbrechen (V. LH. Heft 40) 1902. Weinberg Teilnahme an fahrlässigen Handlungen nach geltendem Recht. Freiburger Diss. 1904. Brandes Wann sind Teilnahmehandlungen straflos ? Göttinger Diss. 1909. Schacht Das fahrlässige Zusammenwirken mehrerer Personen (V. Lil. Heft 106) 1909. Bongen Die Teilnahme an der Teilnahme. Rostocker Diss. 1914. — Heilborn Der Agent provocateur 1901. Katzenstein Z 21 374. Singewald Der Agent provocateur (v. Lil. Heft 83) 1908. — Die zu § 51 angeführten Schriften. Perten (Lit. zu § 49).

I. Nur vorsätzliche Anstiftung oder Beihilfe zu vorsätzlichem Handeln ist Teilnahme im Sinne des Gesetzes. 1 ) 1. Mithin ist n i c h t Teilnahme: a) Vorsätzliche Bestimmung oder vorsätzliche Beihilfe zu f a h r l ä s s i g e m Handeln. Vielmehr liegt hier ein Fall der mittelbaren Täterschaft (oben § 50 II) vor. 2 ) b) F a h r l ä s s i g e Bestimmung oder f a h r l ä s s i g e Beihilfe zu f a h r l ä s s i g e m Handeln. Hier greift die allgemeine Regel durch, daß jeder, der durch sein Verhalten eine Bedingung zu dem eingetretenen Erfolge gesetzt hat, als Nebentäter (oben § 50 IV) für diesen verantwortlich zu machen ist. c) F a h r l ä s s i g e Bestimmung oder f a h r l ä s s i g e Beihilfe zu vorsätzlichem Tun muß straflos bleiben. Teilnahme im technischen Sinne kann nicht angenommen werden, weil das gesetzlich erforderliche Merkmal der Vorsätzlichkeit fehlt; aber auch mittelbare Selbstbegehung ist ausgeschlossen, da nach Annahme des Gesetzes die freie und vorsätzliche Handlung des unmittelbaren Täters den Kausalzusammenhang unterbricht (oben § 29 IV). 2. Anstifter und Gehilfe haften nur für die v o r s ä t z l i c h hervorgerufene, beziehungsweise unterstützte Handlung. a) Decken sich Handlung des Angestifteten und Anstiftervorsatz in einem w e s e n t l i c h e n Punkte nicht, so liegt diesbezüghilfe unter denselben Strafrahmen fallen. E s war daher insbesondere Beihilfe nicht bloß zum vollendeten, sondern auch zum versuchten Mord aus S t G B § 80 mit dem Tode zu bestrafen. Ebenso Hälschner 2 735. Dagegen R 12 64 mit der herrschenden Ansicht. Ebenso selbstverständlich dort, wo der Gesetzgeber selbst den Unterschied von Täterschaft und Teilnahme aufgegeben (vgl. oben jj 49 I 2) oder Teilnahmehandlungen zu selbständigen Verbrechen erhoben hat (unten § 52 Note 6). *) So auch die herrschende Ansicht. Dagegen nehmen Teilnahme an fahr-

lässigen Straftaten an: Beling Z 18 272, Binding Grundriß 152, V. Birkmeyer Teilnahme 141, Mayer 407, Olshausen §§ 48 18, 49 18. — Vgl. oben § 51

Note 1a. 3) Ebenso R 23 175; Katzenstein Z 21 378, Perten 126, 205. Nach Ansicht der Gegner (oben Note 1) würde, wer böswillig den Gutgläubigen bestimmt, nur wegen Fahrlässigkeit haften, mithin, soweit nur vorsätzliche Begehung strafbar ist, straflos bleiben.

§ ¿2.

Die Teilnahme.

Folgesatze.

227

lieh Anstiftung nicht vor (excessus mandati). Hat der zu Raub Angestiftete einen Mord, der zu Betrug Angestiftete einen Diebstahl begangen (oder auch umgekehrt), so kann die begangene Handlung dem Anstifter nicht zum Vorsatze angerechnet werden. Nur wenn die vom Angestifteten begangene Handlung als das Mehr gegenüber derjenigen sich darstellt, zu welcher angestiftet worden, ist Zurechnung des Weniger zum Vorsatze des Anstifters möglich; so, wenn der zum Diebstahl Angestiftete einen Raub, der zum einfachen Diebstahl Angestiftete einen schweren Diebstahl begangen hat. Zu beachten ist dabei, daß der Vorsatz alle nicht ausgeschlossenen Erfolge umfaßt (oben § 40 II), sowie, daß dem Teilnehmer auch der von ihm weder vorhergesehene, noch für ihn vorhersehbare Erfolg zugerechnet wird, soweit auch beim Täter von jedem Verschulden abzusehen ist (Fälle der Erfolgshaftung). 3 ) b) Das Gesagte gilt auch dann, wenn auf * Seiten des Angestifteten ein sogenannter e r r o r in o b j e c t o oder eine sogenannte a b e r r a t i o ictus vorliegt (oben § 40 III). Auch hier kommen die allgemeinen Regeln über die Behandlung des Irrtums zur Anwendung.4) Daher kann, wenn infolge dieser Regeln der Vorsatz des Täters als ausgeschlossen erscheint, auf Seiten des Anstifters mittelbare Selbsttäterschaft anzunehmen sein. c) Erfordert der Tatbestand eines Verbrechens ein b e s t i m m t e s Motiv (z. B. Eigennutz bei der Kuppelei), so muß der Teilnehmer wissen, daß den Täter dieses Motiv bestimmt, er braucht aber seinerseits durch dieses Motiv nicht bestimmt zu sein.5) Dieselben Grundsätze gelten auch für den Gehilfen. II. Die Strafbarkeit der Teilnahme ist bedingt durch die Strafbarkeit der Haupthandlung. 1. Anstiftung wie Beihilfe sind demnach unmöglich, wenn die Strafbarkeit der H a u p t h a n d l u n g ausgeschlossen ist (doch kann hier mittelbare Täterschaft vorliegen), werden aber nicht berührt von dem Wegfall der Strafbarkeit des T ä t e r s (persönlicher Strafausschließungsgrund, Strafaufhebungsgrund) oder dem Mangel einer Prozeßvoraussetzung. s

) Ebenso RMilG 10 222. Vgl. oben § 36 Note 10. ) Vgl. hier die an einen praktischen Fall (V. Liszt Strafrechtsfälle 12. Aufl. 1920 Nr. 45) sich anschließende Literatur. Neuerdings V. Bar 2 673, Binding Normen 3 211, 263, v. Birkmeyer Teilnahme 165, Ibach (Lit. zu § 51) 79, Kohler 1 142, Korn (Lit. zu § 51), Lobe in RGRäteKomm. § 48 Note 2 B f , Loewertheim (Lit. zu § 51) und Siegel (Lit. zu § 40). — Rosahl hatte (1858 bei Halle) den Rose angestiftet, den Schliebe zu töten; Rose hält den Harnisch für Schliebe und erschießt jenen. Die herrschende Ansicht (oben § 40 Note 6) betrachtet Rose als Mörder, Rosahl als Anstifter zum Mord. Gegen letztere Annahme Binding, SchwartZ § 48 Note 10 und, unter Betonung der geradezu unmöglichen Folgerungen, Siegel. «) Ebenso R 20 12. Vgl. damit den Satz oben § 50 II 4. 4

J

5*

228

§ 52.

Die Teilnahme.

Folgesätze.

2. a) Die v e r s u c h t e , sei es fehlgeschlagene, sei es unvollendete A n s t i f t u n g ist nicht Anstiftung, da es an der strafbaren Handlung des Täters fehlt. 4 ) Auch kann sie nicht als versuchte. Selbstbegehung des Verbrechens bestraft werden. Hierher gehört auch die Anstiftung des sogenannten omnimodo facturus, d. h. des schon vor der Einwirkung zur T a t Entschlossenen. b) Ebenso muß die v e r s u c h t e , sei es unvollendete, sei es fehlgeschlagene, Beihilfe straflos bleiben. 6 ) 3. a) Ebenso wie versuchte Anstiftung ist A n s t i f t u n g z u m V e r s u c h e nicht möglich. Der Vorsatz des Anstifters wie des Täters muß auf die Ausführung gerichtet sein. Fehlt dieser Vorsatz dem T ä t e r (dieser will z. B . nur „versuchen", ob der falsche Schlüssel öffne), so liegt strafbarer Versuch überhaupt nicht vor. Fehlt er dem A n s t i f t e r (dieser will z. B., daß der Täter auf dem Versuche ertappt werde), so kann von Anstiftung keine Rede sein. Der sogenannte Agent provocateur ist daher nur strafbar, wenn er den Täter zur (vollendeten) Ausführung verleitet, um ihn vielleicht hinterher der Bestrafung zu überliefern. Dann liegt eben vollendete Anstiftung zu vollendetem Verbrechen vor. 7 ) b) Ebenso ist B e i h i l f e ausgeschlossen, wenn der Gehilfe voraussieht, daß mit dem von ihm gewährten Mittel der Erfolg nicht herbeigeführt werden wird. 8 ) III. Aus der Unselbständigkeit der Teilnahme folgt weiter: i. T e i l n a h m e a n e i n e r T e i l n a h m e h a n d l u n g ist mittelbare Teilnahme an der Haupthandlung. Teilnahme an der Anstiftung ist mithin als Anstiftung, Teilnahme an der Beihilfe als Beihilfe zu bestrafen; zweimalige Herabsetzung des Strafrahmens ist (bei Beihilfe zur Beihilfe) ausgeschlossen. 9 ) •) Doch kann der G esetzg eber die erfolglos gebliebene Anstiftung als selbständiges Verbrechen unter Strafe stellen. Er hat dies getan in S t G B §§ 49a, 85, i n , 141, 159, 357, MilStGB §§ 99, ioo, 110, 116, 149 und verschiedenen Nebengesetzen. Dasselbe gilt von der versuchten Beihilfe, vgl. S t G B §§ 141, 347; sowie von der Beihilfe zu einer an sich straflosen Handlung, vgl. S t G B §§ 120, 121, 180, 285, 347, 354, 355. *) So die herrschende Ansicht. Insbesondere auch E 15 315. Köhler 499, Loewenheim (Lit. zu § 51) 30, Olshausen § 48 14 nehmen auch bei Anstiftung zum Versuch Strafbarkeit an. Allfeld 229 und ihm folgend Steinhoff (Lit. zu § 51) wollen zwischen der formellen und der materiellen Vollendung des Verbrechens (Eintritt einer „sachlichen Verletzung", oben § 46 I) unterscheiden. — Vgl. auch Note 8. ") Der „Gehilfe" weiß z. B., daß das Abtreibungsmittel gänzlich ungeeignet ist. Übereinstimmend hier die gem. Meinung, insbes. R 15 315, 16 25, 17 377. ») Ebenso Allfeld 234, Binding Normen 2 903, 908, Wachenfeld 259; R 23 300. Abweichend Beling Verbrechen 447, Bongen, Frank §§ 48 II, 49 III, da auch die Teilnahmeformen strafbare Handlungen sind. — Nach Finger 1 349 bleibt Teilnahme an Teilnahmehandlungen straflos. Ebenso Hilgemann Teilnahme an der Teilnahme 1908.

§ 52.

Die Teilnahme.

Folgesatze.

229

2. M e h r f a c h e A n s t i f t u n g z u e i n u n d d e r s e l b e n Haupttat ist i m m e r n u r e i n V e r b r e c h e n ; d o c h k a n n M e h r t ä t e r s c h a f t in b e z u g auf die A n s t i f t u n g desselben T ä t e r s d u r c h m e h r e r e Personen (Mitoder N e b e n a n s t i f t u n g ) vorliegen. W i r d zu m e h r e r e n H a u p t t a t e n d u r c h einunddieselbe H a n d l u n g , z. B . d u r c h e i n a u f r e i z e n d e s W o r t , a n g e s t i f t e t , so liegt w e g e n E i n h e i t d e r W i l l e n s b e t ä t i g u n g t r o t z Mehrheit d e r E r f o l g e E i n h e i t der H a n d l u n g (unten § 54 I I I 1) v o r . w ) 3. D e r A n s t i f t e r w i e der G e h i l f e b l e i b t s t r a f l o s , w e n n er selbst, sei es d u r c h p s y c h i s c h e , sei es d u r c h p h y s i s c h e E i n w i r k u n g , den B e g i n n d e r A u s f ü h r u n g der s t r a f b a r e n H a n d l u n g v e r h i n d e r t ( „ W i d e r r u f " g e n ü g t nicht). D e r T e i l n e h m e r w i r d f ü r seine Person s t r a f l o s ( S t G B § 46 Z i f f . 1), w e n n er die B e e n d i g u n g der A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g v e r h i n d e r t . E b e n s o k a n n sich, w e n n bee n d e t e r V e r s u c h v o r l i e g t , der A n s t i f t e r ebenso wie der G e h i l f e d u r c h freiwillige A b w e n d u n g d e s E r f o l g e s (oben § 48) einen S t r a f a u f h e b u n g s g r u n d f ü r seine P e r s o n sichern. 4. W e n n der G e s e t z g e b e r V e r s u c h s - oder V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n a l s s e l b s t ä n d i g e V e r b r e c h e n unter S t r a f e gestellt h a t (oben § 46 V I ) , so fallen T ä t e r und T e i l n e h m e r u n t e r denselben S t r a f r a h m e n (oben § 5 1 N o t e 10). Dieser S a t z f i n d e t a u c h d a n n A n w e n d u n g , w e n n T e i l n a h m e h a n d l u n g e n v o m Gesetze als selbständige V e r b r e c h e n b e s t r a f t w e r d e n (oben N o t e 6). I V . B e i mehrfacher Beteiligung derselben Person a n d e m selben V e r b r e c h e n wird die leichtere F o r m der B e t e i l i g u n g (Beihilfe) d u r c h die schwerere ( A n s t i f t u n g ) konsumiert, die unselbs t ä n d i g e (Teilnahme) aber d u r c h die selbständige (Täterschaft), d e r sie subsidiär ist, beseitigt (unten § 56 II). W e n n der A n s t i f t e r sich später a n d e r A u s f ü h r u n g des V e r b r e c h e n s als T ä t e r oder a b e r als Gehilfe beteiligt, b e h a n d e l t ihn d a s S t r a f r e c h t im ersten F a l l e nur als T ä t e r , i m zweiten nur als A n s t i f t e r . 1 1 ) D a die B e g ü n s t i g u n g k e i n e A r t der T e i l n a h m e ist (oben § 49 I V 2), k ö n n t e n a n sich der A n s t i f t e r zu einer s t r a f b a r e n H a n d l u n g wie der Gehilfe (in realer K o n k u r r e n z ) sich der B e g ü n s t i g u n g in b e z u g auf die v o m T ä t e r e r l a n g t e S a c h e schuldig m a c h e n . D i e s e Möglichkeit wird a b g e s c h n i t t e n d u r c h die a u s d r ü c k l i c h e V o r s c h r i f t in S t G B § 257 A b s . 3 (unten § 183). V . D i e A n w e n d u n g der G r u n d s ä t z e gewisse Einschränkungen. 1 2 )

über T e i l n a h m e

erleidet

10 ) Nicht also reale Konkurrenz. Mit dem Text die überwiegende Meinung. Vgl. Lobe in RGRäteKomm. § 48 Note 4. Dagegen R 5 227, 8 153, 11 371 lern er V. Birkmeyer Teilnahme 181, Merkel 147. Vgl. oben § 50 Note 9 Znf. 1. " ) Reale Konkurrenz ist also n i c h t anzunehmen. Ebenso R 27 273, 33 4 0 1 , 47 3 7 2 , 48 2 0 6 . " ) Vgl. Freudenthal (Lit. zu § 49) 97, 109, 117; dazu v. Bar 2 273, Beling

230

§ 53'

Die Teilnahme.

Einfluß persönlicher Verhältnisse.

1. Diejenige Person, d e r e n I n t e r e s s e n d u r c h e i n e S t r a f d r o h u n g g e s c h ü t z t w e r d e n s o l l , kann nicht wegen Teilnahme an einer Übertretung dieses Gesetzes bestraft werden. So die Entführte nicht wegen Beihilfe zu der ^Entführung, die Schülerin nicht wegen Anstiftung des Lehrers zu dem Verbrechen des § 174 Abs. 1 R S t G B ; der übervorteilte Minderjährige ist nicht nach §§ 301, 302, der Bewucherte nicht nach § 302 a strafbar. 2. Wenn das Gesetz Teilnahmehandlungen als selbständige Verbrechen unter besondere Strafe stellt, während die H a u p t h a n d l u n g s t r a f l o s bleibt, so kann der Haupttäter nicht wegen Anstiftung oder Beihilfe zu der Teilnahmehandlung bestraft werden. Wer den Kuppler bezahlt, bleibt straffrei wie der Gefangene, der einen andern bestimmt, ihm zur Selbstbefreiung behilflich zu sein. 3. Wenn die Straflosigkeit gewisser Personen aus dem Zusammenhange der gesetzlichen Bestimmungen erkennbar ist, dürfen diese auch nicht als Teilnehmer an der T a t des andern bestraft werden. Das gilt z. B. von dem Stimmenkäufer nach § 243 K O .

§ 53.

Die Teilnahme.

EinfluB persönlicher Verhältnisse.

Literatur. Krug Die besonderen Umstände der Teilnehmer (V. LH. H e f t 24) 1899. Koppmann Die Strafbarkeit der Teilnahme von Zivilpersonen an rein militärischen Delikten usw. Erlanger Diss. 1903. Nagler (Lit. zu § 49). Kohler GA 51 169. v. Bar Gesetz 2 662. Redslob Die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse usw. (v. Lil. H e f t 97) 1909. Schönjeld Die Teilnahme von Zivil- und Militärpersonen an gemeinen und militärischen Delikten. Breslauer Preisschrift 1911. Cohn GS 87 314.

I. A u s der u n s e l b s t ä n d i g e n N a t u r der Teilnahme würde folgen, d^ß 1. die Strafbarkeit der Täterhandlung auch dann für Anstifter und Gehilfen maßgebend sein müsse, wenn die Strafbarkeit der Täterschaft durch persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse des Täters begründet, erhöht oder vermindert wird; d a ß 2. persönliche Eigenschaften und Verhältnisse der Teilnehmer selbst völlig außer Betracht bleiben müssen. Anders dagegen bei Mittätern und Nebentätern (oben § 50 III, IV), von denen jeder s e l b s t ä n d i g , also nach seinen eigenen persönlichen Eigenschaften und Verhältnissen, strafbar ist. II. Das geltende Recht hat diese Folgerung aus der unselbständigen Natur der Teilnahme uneingeschränkt zu ziehen sich Verbrechen 434, Kohler GA 58 4; Brandes (im Anschluß an Freudenthal). Das Reichsgericht hat sich im allgemeinen dem 2. und 3. Satz gegenüber ablehnend verhalten. Siehe den Besonderen Teil.

§ 53-

Die Teilnahme.

E i n f l u ß persönlicher Verhältnisse.

231

gescheut und durch die Bestimmung in § 50 1 ) seiner eigenen Auffassung die Spitze abgebrochen. 1. Danach sind persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse, welche die Strafbarkeit erhöhen oder vermindern, entgegen der oben (unter I) gezogenen Folgerung stets denjenigen Beteiligten zuzurechnen, in deren Person sie vorliegen, aber auch nur ihnen. B e i s p i e l e : W e n n d e r N i c h t v e r w a n d t e B d e n Sohn A des V a t e r s C, o d e r w e n n er die M u t t e r A des n e u g e b o r e n e n K i n d e s C zur T ö t u n g des V a t e r s o d e r K i n d e s C b e s t i m m t h a t ; oder w e n n u m g e k e h r t d e r S o h n A oder die M u t t e r A d e m F r e m d e n B zur T ö t u n g des V a t e r s o d e r des K i n d e s C Hilfe geleistet h a b e n : so ist in b e i d e n F ä l l e n d e r F r e m d e B n a c h den B e s t i m m u n g e n über g e m e i n e T ö t u n g , d e r Sohn A n a c h den ü b e r A s z e n d e n t e n t o t s c h l a g , die M u t t e r A n a c h d e n ü b e r K i n d e s t ö t u n g g e l t e n d e n B e s t i m m u n g e n zu b e u r t e i l e n . Dasselbe gilt v o n J u g e n d , R ü c k f ä l l i g k e i t , s t r a f s c h ä r f e n d e r Gewerbs- u n d G e w o h n h e i t s m ä ß i g k e i l 2 | u s w . U n d d a s gleiche m u ß a n a l o g a u c h f ü r d a s Mord u n d T o t schlag u n t e r s c h e i d e n d e M e r k m a l d e r Ü b e r l e g u n g , f ü r d i e A b s i c h t alsbaldigen V e r b r a u c h s u n d ä h n l i c h e psychische M o m e n t e a n g e n o m m e n werden. 3 )

2. Wenn es sich dagegen um persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse handelt, die ein an sich strafloses Tun erst zu einem strafbaren machen, welche die Strafbarkeit also erst begründen, nicht erhöhen oder vermindern, so sind diese, wenn beim Täter vorliegend, der oben (unter I) aufgestellten Regel gemäß stets auch den Teilnehmern (Anstiftern und Gehilfen) zuzurechnen (nicht umgekehrt). 4 ) Hier gelangt also die Unselbständigkeit der Teilnahme zur vollen Anerkennung. B e i s p i e l e : A n s t i f t u n g u n d Beihilfe zu e i n e m reinen A m t s v e r b r e c h e sind n a c h d e n f ü r dieses g e g e b e n e n B e s t i m m u n g e n zu b e u r t e i l e n , w ä h r e n d , wenn d e r B e a m t e A n s t i f t e r o d e r Gehilfe, ein N i c h t b e a m t e r a b e r T ä t e r i s t , ein V e r b r e c h e n ü b e r h a u p t n i c h t v o r l i e g t ; d e n n d e r N i c h t b e a m t e k a n n n u r als m i t t e l b a r e r , n i c h t a b e r als u n m i t t e l b a r e r T ä t e r ein A m t s v e r b r e c h e n b e g e h e n . E b e n s o bei T e i l n a h m e v o n Zivilpersonen a n M i l i t ä r v e r b r e c h e n . 6 )

I I I . Strafaufhebungsgründe, der Mangel an Prozeßvoraussetzungen und persönliche Strafausschließungsgründe wirken ihrem l

) Die Bestimmung ) F ü r diese beiden S t r a f s e n a t e n R 25 266. V g l . § 149 Vereinszollg. a

a

war d e m preußischen S t G B 1851 fremd. letzteren U m s t ä n d e a n e r k a n n t von den Vereinigten M i t d e m T e x t Lobe in R G R ä t e K o m m . § 50 N o t e 2. 1869, B r a u s t e u e r g . 1906 § 45.

) Ebenso Finger 1 363, Hälschner 1 438, Redslob 67, Schwartz § 211

N o t e 7. D a g e g e n d i e ü b e r w i e g e n d e M e i n u n g . V g l . z. B . Lobe in R G R ä t e K o m m . § 50 N o t e 2. G a n z w i l l k ü r l i c h Frank § 2 1 1 I I : i s t d i e T ä t e r s c h a f t T o t s c h l a g , so l i e g t dieser s t e t s a u c h f ü r d i e T e i l n e h m e r v o r ; ist sie M o r d , so h a f t e t n u r d e r T e i l n e h m e r w e g e n M o r d , d e r m i t Ü b e r l e g u n g g e h a n d e l t h a t . Vgl. V. Liszt V D B e s . T . 5 43, Klee GA 67 91. Vgl. a u c h o b e n § 50 N o t e 12. *) E b e n s o R 28 100. ') Ebenso Allfeld 2 3 1 , v. Bar Gesetz 2 669, Nagler (Lit. zu 49) n 6 , Schönfeld 56, Schwartz Note 1 von § 47; ferner R 25 2 3 4 , 27 1 5 8 , . 8 8 4 1 7 ; dagegen Finger 1 364, Kohler 1 1 3 5 , Mayer 413. Dabei kann die Anwendung der militärischen Freiheitsstrafen zu Schwierigkeiten führen. Vgl. das oben § 49 I 1 über das ,,Sonderdelikt" Gesagte.

232

§ 5+'

E i n h e i t u n d Mehrheit der H a n d l u n g e n .

Wesen nach, ohne daß es diesbezüglich einer ausdrücklichen Bestimmung bedarf, stets nur für denjenigen Beteiligten, in dessen Person sie vorliegen (vgl. oben § 48 Note 7).

III. Einheit und Mehrheit der Verbrechen. § 54.

Einheit und Mehrheit der Handlungen.

Literatur. V. Buri E i n h e i t u n d M e h r h e i t der Verbrechen 1879. Merkel H H 2 579, 4 225. Schütze Z 8 48. Binding 1 349, 500, 547. v. Liszt Z 6 694 (Aufsätze 1 246). Bünger Z 8 520. Heinemann Die L e h r e von der I d e a l k o n k u r r e n z 1893. Wachenfeld Theorie der V e r b r e c h e n s k o n k u r r e n z 1893. Köhler Die Grenzlinien zwischen Idealkonkurrenz u n d Gesetzeskonkurrenz 1900. Höpfner E i n h e i t u n d Mehrheit der Verbrechen 1 1901, 2 1908. Stürenburg Die B e s t r a f u n g k o n kurrierender Verbrechen. Leipziger Diss. 1908. Neuhaus E i n e und dieselbe H a n d l u n g oder m e h r e r e selbständige H a n d l u n g e n ? B o n n e r Diss. 1908: Baumgarten Die L e h r e von I d e a l k o n k u r r e n z u n d Gesetzeskonkurrenz (v. Lil. H e f t 103) 1909. v. B a r Gesetz 8 507. P. Merkel V D Allg. T . 5 269. Egenolf D a s Dauer- u n d Z u s t a n d s v e r b r e c h e r Diss. 1 9 1 4 . Gutenaecker D a s D a u e r - u n d Z u s t a n d s v e r brechen im R S t G B . E r l a n g e r Diss. 1 9 1 1 . — Brunner 2 541. Schreuer (Lit. zu § 8 I). His (Lit. zu § 8 I) 100. Derselbe (Lit. zu § 8 I I ) § 14. Hlnschius Kirchenrecht 5 944. Rasche Die Verbrechenskonkurrenz usw. im sächsischen R e c h t des Mittelalters. M ü n s t e r s c h e Diss. 1912.

I. Das Verbrechen ist Handlung, d. h. (oben § 28) eine auf menschliches Wollen zurückführbare Veränderung in der Außenwelt. Liegt nur eine Handlung vor, so ist mithin nur ein Verbrechen gegeben.1) Aber auch eine Mehrheit von Handlungen kann vom Gesetzgeber als ein Verbrechen betrachtet und mit einer Strafe belegt werden. Die Untersuchung der Frage, wann ein V e r b r e c h e n vorliegt, wann deren mehrere gegeben sind, setzt daher die Entscheidung der Vorfrage voraus, wann wir es mit einer H a n d l u n g , und wann wir es mit einer Mehrheit von Handlungen zu tun haben. II. Handlungseinheit ist jedenfalls dann gegeben, wenn durch eine einheitliche Willensbetätigung ein einheitlicher Erfolg herbeigeführt, also z. B. durch einen Flintenschuß ein Mensch getötet worden ist. 2 ) Diese Ansicht r u h t auf der E r k e n n t n i s (oben S. 1 1 7 N o t e 1), d a ß d a s Verbrechen eine b e s t i m m t g e a r t e t e H a n d l u n g ist, der Handlungsbegriff also f ü r den Verbrechensbegriff den Gattungsbegriff d a r s t e l l t . D a h e r ist die F r a g e n a c h der Verbrechenseinheit a u s der H a n d l u n g s e i n h e i t , diese a b e r a u s d e n E l e m e n t e n des Handlungsbegriffs zu b e a n t w o r t e n . E b e n s o Begr. 369 -^Höpfner, sehr b e s t i m m t Mayer 156. Vgl. a u c h u n t e n § 56 N o t e 5. I n t e r e s s a n t Bierling (Lit. zu § 28) 128.' — I m Anschluß a n Binding (Verbrechen gleich Normwidrigkeit) legen Beling Verbrechen 306, Finger, Frank § 73 I I , P. Merket die „ T a t bestandsverwirklichung" zugrunde. D a a b e r diese doch nur durch eine H a n d J u n g erfolgen k a m , ist m i t jener F a s s u n g das P r o b l e m nicht gelöst. Vgl. B g r . 381 N o t e 5. 2 ) Auch d a n n , wenn die H e r b e i f ü h r u n g des Erfolges unter m e h r e r e S t r a f gesetze fällt. Vgl. d a r ü b e r u n t e n § 56, insbesondere N o t e 2.

§ 54-

Einheit und Mehrheit der Handlungen.

233

III. Handlungseinheit ist ferner gegeben: 1. Durch die Einheit der Willensbetätigung trotz Mehrheit der Erfolge. Wenn ein Wort mehrere Menschen beleidigt, ein Schuß mehrere Jagdvögel trifft, durch eine fahrlässige Unterlassung Hunderte von Menschen ums Leben kommen, liegt immer nur eine Handlung vor. Daran kann auch die Artverschiedenheit der eingetretenen mehreren Erfolge nichts ändern. Hat der geschleuderte Stein einen Menschen getötet, den zweiten verletzt und außerdem eine Scheibe zertrümmert, so können wir nur von einer Handlung mit mehreren Erfolgen, nie aber von mehreren Handlungen sprechen.3) 2. Durch die Einheit des Schlüßerfolges trotz Mehrheit der Willensbetätigungen.4) Ob im Einzelfalle Einheit des Erfolges anzunehmen ist, ist nach folgenden Regeln zu beurteilen. a) Bei denjenigen Rechtsgütern, die nur in der Person ihres Trägers verletzt oder gefährdet werden können (wie Leben, Ehre, geschlechtliche Freiheit), entscheidet die Einzahl oder Mehrzahl der angegriffenen Personen über die Einheit oder Mehrheit des Erfolges. Wenn A den B durch eine Reihe von Axthieben tötet oder durch eine Flut von Schimpfwörtern beleidigt, ist mit der Einheit des Erfolges die Einheit der Handlung gegeben. b) Viel schwieriger gestaltet sich die Frage bei den übrigen Rechtsgütern, die auch losgelöst von der "Person ihrer Träger (oder nur in dieser Loslösung) der Gefährdung oder Verletzung zugänglich sind. Es ist zweifellos nur e i n e Sachbeschädigung, wenn eine Maschine durch langwierige, vielleicht wiederholt unterbrochene, Arbeit in ihre Teile zerlegt und unbrauchbar gemacht wird. Aber auch das Wegnehmen mehrerer, einzeln fortgetragener, Sachen, die Beschädigung mehrerer Gegenstände durch wiederholtes Zuschlagen kann als e i n e Handlung erscheinen; und zwar selbst dann, wenn die weggenommenen oder beschädigten Sachen v e r s c h i e d e n e n Eigentümern gehören. Die Einheit des Erfolges kann hier gegeben sein durch die Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t der G e g e n s t ä n d e , die in demselben Schaufenster, demselben Gasthof sich befinden; also durch die Einheit des Gewahrsams. Fehlt es an dieser zusammenfassenden Beziehung (z. B . es hat A durch übereinstimmende Vorspiegelungen mehrere Personen beschwindelt), so kann nicht Einheit der Handlung, wohl aber des Verbrechens (fortgesetztes Verbrechen, unten § 55 II) angenommen werden. c) An die Vermögensrechte schließen sich die Urheternechte an. E s ist jedenfalls unrichtig, hier nur die Personenzahl der Verletzten entscheiden 3 ) Ebenso bestimmt R 21 63; Bgr. 383; Alljeld 256. Vgl. unten § 56 Note 1. — Verfehlt ist der namentlich von v. Buri vertretene Schluß: Handlung ist Kausalität; mehrere Erfolge verlangen mehrere Kausalitäten; mithin liegen mehrere Handlungen vor. Der Fehler liegt in der Gleichstellung von Handlung und Erfolg. 4 ) Hier wird die Grenzlinie zu den unten in § 55 behandelten Fällen allerdings schwer zu ziehen sein. Scharfsinnige, aber kaum befriedigende Untersuchungen bei HÖpfner 222 (er verlangt zur „Identität der Handlung" zeitliche Kontinuität und einen „gewissen psychischen Zusammenhang"). — Das Unterlassen wird wohl stets als einheitliche Willensbetätigung erscheinen. Vgl. aber auch unten 2 e .

234

§ 55-

Handlungsmehrheit und Verbrechenseinheit.

lassen zu wollen. 5 ) Man denke an Sammelwerke, die aus Beiträgen verschiedener Verfasser zusammengesetzt sind. d) Vielfach hat das Gesetz selbst darauf hingewiesen, daß die Mehrheit der Willensbetätigung wegen der Einheitlichkeit des SchluOerfolges zu einer Einheit zusammenzufassen sei, indem es sich solcher Ausdrücke bedient, die eine Mehrheit von Einzelhandlungen umfassen. So sprechen die §§ i4Öff. S t G B nicht von der Nachmachung einzelner Geldstücke, sondern von Geld usw. überhaupt; so gebraucht § 1 7 6 S t G B wie viele andere, die Mehrzahl „unzüchtige Handlungen"; so liegt in den Ausdrücken „Zweikampf", „Schlägerei", „Mißhandlung'^ „ B e t r i e b eines Gewerbes", „Unternehmen einer L o t t e r i e " und manchen anderen die Umfassung einer Reihe von Einzelhandlungen. Dennoch ist es unrichtig oder doch irreführend, hier mit v. Buri von „gesetzlicher E i n h e i t " zu sprechen. Denn die Einheit ist nicht erst durch das Gesetz geschaffen, sondern in der Einheitlichkeit des Schlußerfolges begründet; es liegt ein Fall der natürlichen Hand1 ungseinheit vor.

e) E i n e Handlung enthält ferner wegen der Einheit des Erfolges das sog. fortdauernde Verbrechen (Dauerverbrechen), d. i. die ununterbrochene Verwirklichung des verbrecherischen Tatbestandes ; so eine durch Wochen oder Monate andauernde Freiheitsentziehung oder die dauernde Veränderung des Personenstandes. Und dasselbe gilt, wenn auch aus anderem Grunde, von dem sog. Zustandsverbrechen, bei dem, wie bei der Doppelehe oder der Körperverletzung mit dauerndem Siechtum, der durch die einmal abgeschlossene Handlung herbeigeführte, wenn auch dauernd rechtswidrige Zustand strafrechtlich nicht weiter in Betracht kommt.

§ 55.

Handlungsmehrheit und Verbrechenseinheit.

Literatur. Fürst Das zusammengesetzte Delikt. Bonner Diss. 1 9 1 4 . — Über das f o r t g e s e t z t e Verbrechen: Merkel H H 2 573, 4 225. Binding 1 540. Schütze Z 3 48 (zu I I 4). Höpfner (Lit. zu § 54) 257. Beling Verbrechen 364. V. Bar Gesetz 3 568. P. Merkel (Lit. zu § 54). Dyckhoff Fortdauerndes, fortgesetztes und Gesamtdelikt usw. Würzburger Diss. 1907. Brunnen Das fortgesetzte Delikt. Heidelberger Diss. 1907. Krämer Das fortgesetzte Verbrechen. Göttinger Diss. 1907. Doerr Das fortgesetzte Delikt (GS 71 Beilageheft) 1908. — Zu I I I : V. Lilienthal Beiträge zur Lehre von den Kollektivdelikten 1879. Schaub Der Begriff der Gewerbsmäßigkeit usw. Marburger Diss. 1905. Hennig Kollektivdelikt und Rückfall usw. Heidelberger Diss. 1907.

I. Aber auch eine Mehrheit von Handtungen kann der strafrechtlichen Betrachtung als eine Verbrecheriseiriheit erscheinen. In d i e s e n F ä l l e n m u ß d i e E i n h e i t in a l l e n r e c h t l i c h e n B e z i e h u n g e n a l s solche' b e t r a c h t e t u n d b e h a n d e l t w e r d e n . Das juristisch einheitliche Verbrechen ist demnach überall dort begangen, wo, und in jedem der Augenblicke, in dem eine der Handlungen begangen wurde; bei einem Wechsel der Gesetzgebung ') Übereinstimmend (bei Verletzung fremder Warenzeichen) R 4 8 134.

§ 55-

Handlungsmehrheit und Verbrechcnseinheit.

235

kommt immer das mildere, bei einem Widerspruch zwischen dem einheimischen und dem fremden Rechte immer das erstere zur Anwendung. I s t auch nur eine der Einzelhandlungen erschwert, so ergreift die' Erschwerung auch die Gesamthandlung, soweit nicht eben durch die Erschwerung einer Einzelhandlung die Einheit aufgehoben wird- Teilnahme an einer Einzelhandlung ist stets Teilnahme an dem einheitlichen Verbrechen. Dasselbe gilt von der Begünstigung. Die Verjährung beginnt nicht, ehe die letzte der Handlungen gesetzt wurde, und ebenso ist die Antragsfrist von der letzten Handlung zu berechnen. Am deutlichsten aber tritt die Einheit zu Tage auf dem Gebiete des Prozeßrechts: Gegenstand der' Strafverfolgung sind die sämtlichen zur Einheit gehörenden, wenn auch nur teilweise bekannt gewordenen Handlungen; durch die Entscheidung auch nur über eine der Einzelhandlungen wird Rechtskraft bezüglich der gesamten Einheit begründet. 1 ) I I . Die wichtigsten Fälle einer solchen durch das Gesetz geschaffenen Verbrechenseinheit sind: j . Das fortgesetzte Verbrechen, d. i. die u n t e r b r o c h e n e , stoßweise wiederholte Verwirklichung desselben verb r e c h e r i s c h e n T a t b e s t a n d e s ; eine Mehrheit von (bisher nicht bestraften) Handlungen, juristisch zusammengehalten durch ihre G l e i c h a r t i g k e i t , die nicht nur in denrflnhalt des jeweiligen Vorsatzes und iii der Richtung gegen dasselbe Rechtsgut, sondern vor allem in der Ähnlichkeit der Begehungsart begründet sein muß. 2 ) 1 ) 1. Übereinstimmend: Bezüglich des Antrages R 15 370. Bezüglich der Verjährung: R 10 204, 14 145 mit der gem. Meinung; dagegen Beling Verbrechen

387, Binding 1 837 und Grundriß 256, Kitzinger (Lit. zu § 31) 249; bezüglich

der Rückfallsverjährung: R 50 243. Bezüglich der Rechtskraft R 24 419, 2$ 299. Bezüglich eines Wechsels der Gesetzgebung: R 48 355, 51 1 7 1 , 305. — 2. Ab-

weichend Kohler GA 53 162, Rathenau 106, R 17 227, 48 203 (bez. der Teilnahme

dritter an den Teilhandlungen); vgl. dazu Schwartz § 73 Note 6h. s) Als delictum continuatum schon im gemeinen R e c h t (Engau, Koch u. a.) mit einer einzigen Strafe belegt, wurde das fortgesetzte Verbrechen seit 1 8 1 3 von den deutschen LandesStGBüchern, wenn auch in verschiedener Fassung, meist ausdrücklich erwähnt. Aus dem Schweigen des R S t G B läßt sich, da dieses auch die übrigen Fälle der juristischen Handlungseinheit nicht ausdrücklich behandelt, kein Grund zur Verwerfung des Begriffes ableiten. Im Gegenteil muß aus § 74 gefolgert werden, daß mehrere unselbständige Handlungen als Einheit zu beurteilen sind. Ebenso mit der gem. Meinung in ständiger Rechtsprechung R . — Aber auch bei den Anhängern des Begriffes herrscht Meinungsverschiedenheit über seine Fassung, hervorgerufen durch das mißverständliche Bestreben, die n a t ü r l i c h e H a n d l u n g s m e h r h e i t auf eine natürliche H a n d l u n g s e i n h e i t zurückzuführen. Dabei sind zwei Hauptrichtungen zu unterscheiden. 1. Die subjektive Theorie verlangt, neben Gleichartigkeit der Begehungsform und Einheit des angegriffenen Rechtsgutes, Einheit bald des E n t s c h l u s s e s , bald des V o r s a t z e s . Letzteres der Standpunkt des R , so zuletzt 22 235, 23 300, 58 42. Vgl. aber auch R 51 228 (Gleichartigkeit der Begehungsform). Ebenso RMilG t 216, 18 293 (das, wie R 27 19 und 53 274, bei Verletzung „persönlicher individueller R e c h t e " verschiedener Personen die Möglichkeit eines fortge-

§ 55-

Handlungsmehrheit und Verbrechenseinheit.

Beispiele: Das ehebrecherische Verhältnis des A mit der B führt zu einer Reihe von Beischlafsakten; C treibt mit demselben Knaben in mehreren aufeinanderfolgenden Nächten widernatürliche U n z u c h t ; D gibt das auf einmal verschaffte falsche Geld in Teilbeträgen aus; der Diener nimmt sich täglich eine Zigarre aus dem Zigarrenkästchen seines Herrn. Dagegen könnte von fortgesetztem Verbrechen keine Rede sein, wenn der Ehebrecher, nachdem er das Verhältnis gelöst, später mit einer anderen Frauensperson sich v e r g e h t ; oder wenn der Zigarrendieb das früher offene, später verschlossene K ä s t c h e n nunmehr gewaltsam erbricht. A u c h bei Angriff auf Freiheit, Leben, Gesundheit verschiedener Personen (Soldatenmißhandlungen) kann die Mehrheit der Handlungen (oben § 54 III 2a) eine Verbrechenseinheit bilden. 2. A u c h d u r c h e i n e g e m e i n s a m e B e d i n g u n g der S t r a f b a r k e i t (oben

§ 44

III)

kann

Verbrechenseinheit

eine

Mehrheit

zusammengefaßt

natürlicher werden.3)

eine allgemeine R e g e l nicht aufstellen. seitigkeit z. B .

(StGB

Handlungen Doch

Die Verbürgung der

§§ 102, 103) v e r m a g e i n e Wohl

nehmen

es s i c h u m d i e s e l b e

Bankbruch,

stellung handelt 3.

Einen

wenn

(vgl. u n t e n

Fall

der

aber

Gegen-

ist eine s o l c h e

§ 137).

Verbrechenseinheit

bildet

auch

das

E s liegt vor,

das

gegen

zwei

an

sich

rechtswidrigen,

zu-

§ 54 I I I

eine natürliche H a n d l u n g s e i n h e i t gegeben ist. aus

anzu-

Zahlungsein-

sammengesetzte Verbrechen, soweit nicht bereits nach Gesetz

zur sich

Verbrechenseinheit

jedenfalls n i c h t zu begründen. beim

läßt

1

wenn

verschiedene

Rechtsgüter gerichteten H a n d l u n g e n einen einheitlichen Verbrechensbegriff

bildet.

So ist der Begriff des R a u b e s aus Diebstahl

Nötigung,

jener

der

Notzucht

weiblichen

Geschlechtsehre

aus Nötigung

und

Verletzung

und der

zusammengesetzt.

setzten Verbrechens verneint). Dabei wird verkannt, daß auch das f a h r l ä s s i g e Vergehen fortgesetzte Begehung zuläßt. Hiergegen R 53 226. R 46 16 hält folgerichtig bei jährlich sich wiederholender Selbsteinschätzung, die stets neuen Entschluß voraussetzt (?), fortg. Verbr. für ausgeschlossen. Die s u b j e k t i v e Theorie vertreten ferner: Doerr; ME. Mayer und Kahl 28. d. Juristen tag 1 156, 3 377. — 2. Die objektive Theorie (Wachetljeld m ) legt das Schwergewicht auf die Einheit des E r f o l g e s , verwischt damit aber die Grenzlinie gegenüber den oben § 54 I I I 2 besprochenen Fällen. — 3. Die im Text vertretene Ansiebt ( M e h r h e i t gleichartiger Handlungen) teilen im wesentlichen Allfeld 258, Beling 103, Frank § 74 V („unter Benutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses"), Friedländer Z 11 412, HÖpfner 257, Kramer, Mayer 166 (Ausnutzung derselben Gelegenheit). Ähnlich auch V. Bär 3 586. Wohl auch R M i l G 19 295. — Die einheitliche Strafe ist ein Bedürfnis der Rechtsprechung; wünschenswert dagegen wäre die Möglichkeit einer ausgiebigen Strafschärfung. [E 1919 § 37 (übereinstimmend mit K E § 44) enthält zwar die gesetzliche Anerkennung des Begriffs des fortgesetzten Verbrechens; die wichtigste Frage aber, w a n n mehrere Handlungen einer Person eine fortgesetzte S t r a f t a t bilden, wird nicht beantwortet. Hinsichtlich der Bestrafung wird eine „Berücksichtigung des Umfangs der strafbaren T ä t i g k e i t " vorgeschrieben; ein Hinausgehen über die gesetzlichen Strafrahmen ist jedoch nicht gestattet. So führt die Bestimmung in keiner Hinsicht über den gegenwärtigen Rechtszustand hinaus.] — Ausgeschlossen ist die Zusammenfassung von Handlungen, zwischen denen eine Bestrafung lieg t; R 20 316. Dagegen Beling Verbrechen 375, Mayer 158; richtig Bgr. 388, R 48 336.

§ 55-

Handlungsmehrheit und Verbrechenseinheit.

4. Ferner gehören hierher die beiden folgenden Fälle: а) D i e verbrecherische Handlung, die als Mittel zur Begehung eines anderen Verbrechens gedient h a t (Beispiel: Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung beim Einbruchsdiebstahl), ist mit dieser zu einer Einheit zusammenzufassen, wenn sie zu den gesetzlichen Merkmalen der letzteren gehört oder als das dem gewöhnlichen Hergange entsprechende Mittel vom Gesetzgeber stillschweigend vorausgesetzt wird. Hier wird mithin nur das z w e i t e Verbrechen (der Einbruchsdiebstahl) bestraft. 4 ) b) Die verbrecherische Handlung, die als Verwirklichung der zum Begriffe eines anderen Verbrechens erforderlichen Absicht erscheint (Beispiel: die Aneignung der durch Diebstahl oder Betrug erlangten Sachö), ist mit dieser zu einer Einheit zusammenzufassen, wenn diese Verwirklichung als dem gewöhnlichen Hergange entsprechend stillschweigend von dem Gesetzgeber vorausgesetzt und ein neuer Vermögensschaden nicht verursacht wird. Hier gelangt nur das e r s t e Verbrechen (Diebstahl oder Betrug) zur Bestrafung. 5 ) III. Unter den Begriff der juristischen Handlungseinh.eit gehört endlich auch das sog. Kollektivdelikt im e. S., bei dem eine Reihe von Einzelhandlungen, die aus derselben Willensrichtung hervorgegangen sind, mit einer einzigen Strafe belegt wird. Man rechnet hierher: 1. D a s gewerbsmäßige Verbrechen (das „quasi artem exerc e r e " der Römer). E s kennzeichnet sich durch die Absicht des Täters, sich durch wiederholte Begehung dieses Verbrechens eine Einnahmequelle (verschieden von der einmaligen Erlangung eines Vermögensvorteils) zu verschaffen. 2. D a s geschäftsmäßige Verbrechen. E s teilt mit dem gewerbsmäßigen den auf öftere Wiederholung gerichteten Entschluß, unterscheidet sich von ihm aber dadurch, d a ß die Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen, genügt. 3. D a s gewohnheitsmäßige Verbrechen. E s liegt vor, wenn infolge wiederholter Begehung die Triebkraft des verbrecherischen Reizes verstärkt, die Widerstandskraft geschmälert ist. Gewohnheit ist mithin d e r d u r c h w i e d e r h o l t e Begehung einer *) Ebenso R 40 430, 58 279. Anders bei schwerem Hausfriedensbruch: R 47 25. Gegen den Text Mayer 158. б ) Übereinstimmend R, zuletzt 48 290, 49 16, 406, 50 254; ebenso RMilG 16 51, 22 253; Bgr. 374 Note 4. Dagegen R 48 60 (der Täter hat Formulare zu Fahrscheinheften entwendet, zwei davon ausgefüllt und verwendet: Realkonkurrenz). —• Da keine Handlungseinheit vorliegt, findet § 73 keine unmittelbare Anwendung.

238

§ 56.

Die Verbrechenseinheit.

b e s t i m m t e n H a n d l u n g h e r v o r g e r u f e n e H a n g zu d e r e n weiterer Begehung.6) Die Reichsgesetzgebung verwendet den Begriff des Kollektivdeliktes, teils als strafbegründenden Umstand, so daß die einfache Begehung straflos bleibt, teils als Strafschärfungsgrund gegenüber der milder strafbaren einfachen Begehung. ') Das weitere gehört in den Besonderen Teil. In allen drei Fällen genügt für die Strafbarkeit, daß, wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, e i n e strafbare Hand-ung zur richterlichen Aburteilung gelangt. Dann liegt allerdings ein Kollektivdelikt überhaupt nicht vor, und die höhere Strafbarkeit des e i n e n , allein zur Aburteilung stehenden Verbrechens rechtfertigt sich nur durch den auf Wiederholung gerichteten Entschluß oder durch den durch Wiederholung erzeugten Hang. 8 ) Dagegen liegt ein Kollektivdelikt stets dann vor, wenn wirklich m e h r e r e H a n d l u n g e n zur richterlichen Aburteilung stehen und trotz der Mehrheit der Handlungen nur ein gewerbsmäßiges usw. Verbrechen angenommen werden muß.

§ 56.

Die Verbrechenseinheit.

Literatur. Die zu §§ 54 und 55 angeführten Schriften. Heyden D i e S u b sidiarität der Strafgesetze. E r l a n g e r Diss. 1907. Eckstein G S 78 4 3 2 . Wilhelmi Wirkliche und scheinbare Konkurrenz von Verletzung^- und Gefährdungsverbrechen gegen Leben und L e i b (V. Lil. H e f t 145) 1 9 1 2 . Freymann D a s Zusammentreffen von Verletzungs- und Gefährdungsdelikt im S t r a f r e c h t 1 9 1 2 . Leni Die Gesetzeskonkurrenz 1912. Seligmann (Lit. zu § 27).

I. Die rechtliche Behandlung der Verbrechenseinheit ist die gleiche, mag diese eine Handlungseinheit oder aber eine Handlungsmehrheit darstellen. Dem einheitlichen Verbrechen entspricht die eine und einheitliche Strafe. Dies gilt auch dann ausnahmslos, •) Übereinstimmend R 3 2 394. Abweichend Groß D J Z 11 9 1 2 . ') V g l . 1. Gewerbsmäßigkeit: S t G B §§ 260, 2 8 5 , 294, 3 0 2 d und e, 3 6 1 Ziff. 6 ; außerdem in verschiedenen Nebengesetzen. Dagegen handelt es sich in § 4 P a t e n t g . 1891 und in verwandten F ä l l e n um die Verletzung des Gesetzes durch eine gewerbliche, d. h. in den Gewerbebetrieb hineinfallende Handlung. E b e n s o R 3 7 369. — 2. Geschäftsmäßigkeit: S t G B § 1 4 4 ; einzelne Nebengesetze. —• 3 . Gewohnheitsmäßigkeit: S t G B §§ 150,. 180, 1 8 1 a , 260, 284 Abs. 2, 3 0 2 d .und e; verschiedene Nebengesetze. 8 ) Vgl. R 5 3 59. — Soweit j e n e r E n t s c h l u ß oder dieser Hang aus vergangenen Handlungen gefolgert wird, ist deren S t r a f b a r k e i t gleichgültig; a u c h v e r j ä h r t e , begnadigte, im Auslande begangene, bereits bestrafte, j a selbst n i c h t einmal rechtswidrige Handlungen können mitherangezogen werden. Das Reichsgericht schwankt. R i c h t i g R 5 3 9 7 ; unrichtig 5 370. — Im S i n n e des T e x t e s die gem. Meinung gegen Binding 1 249, 550 N o t e 1 2 , Köhler 549. Gegen die Berücksichtigung v e r j ä h r t e r .Handlungen Binding 1 826 N o t e 7, V. Risch Z 8 268 N o t e 53.

§ 56-

Die

Verbrechenseinheit.

239

wenn eine Mehrheit von gleichartigen, d. h. unter dasselbe Strafgesetz fallenden, Erfolgen vorliegt: das mehrfach übertretene Strafgesetz f i n d e t nur einmal Anwendung, und die Mehrheit der E r folge k a n n n u r bei Zumessung der Strafe innerhalb des Strafrahmens b e r ü c k s i c h t i g t werden. 1 ) Schwierigkeiten entstehen aber dann, wenn die Verbrechenseinheit auf den ersten Blick unter mehrere verschiedene Strafgesetze fällt, wenn, wie S t G B § 73 sagt, „eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt".2) W i e die bisherigen, durch den unzweideutig klaren W o r t l a u t des Gesetzes unterstützten, Ausführungen ergeben, ist hier nicht v o n einem Zusammentreffen mehrerer V e r b r e c h e n , wohl aber von einem solchen mehrerer verletzter S t r a f g e s e t z e die Rede. Nicht Verbrechenskonkurrenz, sondern Gesetzeskonkurrenz liegt vor. Und die Frage ist die: Wie ist diese „ K o n kurrenz" zu lösen, welches der verletzten Strafgesetze ist zur A n w e n d u n g zu bringen? B e i der Lösung dieser Frage, die streng genommen nicht zur Lehre vom Verbrechen, sondern zu der der Gesetzesanwendung gehört, sind zwei Fälle auseinanderzuhalten. I I . D e r erste F a l l : Scheinbare Gesetzeskonkurrenz. Wenn von den mehreren scheinbar verletzten Gesetzen eines die strafbare H a n d l u n g nach allen Richtungen berücksichtigt, so ist selbstverständlich n u r dieses Gesetz auf die Handlung anzuwenden. 3 ) Folgende F ä l l e sind zu unterscheiden: 1. D i e b e s o n d e i e B e s t i m m u n g g e h t d e r a l l g e m e i n e n vor. F ä l s c h u n g eines Legitiniationspapiers zum Zwecke besseren F o r t k o m m e n s ist immer nach § 363 S t G B , nie als Urkundenfälschung im Sinne des § 267 zu behandeln (Spezialität). 2. Die S t r a f b a r k e i t der Teilnahme wird durch Täterschaft, die der Beihilfe durch A n s t i f t u n g (oben § 52 IV), die Strafbarkeit des ') D i e herrschende A n s i c h t s p r i c h t hier v o n „gleichartiger idealer V e r brechenskonkurrenz" und will den § 7 3 S t G B „ a n a l o g " zur A n w e n d u n g b r i n g e n . Diese A u f f a s s u n g i s t v ö l l i g v e r k e h r t . Sie s t e h t a u c h im Widerspruche zu dem Gesetze, das eine „ g l e i c h a r t i g e I d e a l k o n k u r r e n z " überhaupt nicht k e n n t . Nach. Mayer 5 0 7 liegt „ d a s gerade G e g e n t e i l einer K o n k u r r e n z " vor. Vgl. auch Schwartz § 13 N o t e 7 . 2) A u c h hier sind die bereits hervorgehobenen beiden F ä l l e zu unterscheiden: 1. E i n h e i t der W i l l e n s b e t ä t i g u n g m i t E i n h e i t des E r f o l g e s (oben § 54 I I ) ; z. B . blutschänderischer E h e b r u c h . 2. E i n h e i t der W i l l e n s b e t ä t i g u n g m i t Mehrheit der E r f o l g e (oben § 54 I I I 1); z. B . derselbe S c h u ß v e r w u n d e t einen Menschen u n d zertrümmert eine Scheibe. D i e rechtliche B e h a n d l u n g der beiden F ä l l e ist aber dieselbe. 3) Schon A. Merkel h a t diese F ä l l e aus der Idealkonkurrenz ausgeschieden und als Gesetzeskonkurrenz bezeichnet. D e r A u s d r u c k ist irreführend. In W a h r h e i t ist v o n „ K o n k u r r e n z mehrerer G e s e t z e " k e i n e R e d e , da u n z w e i f e l h a f t nur eins v o n ihnen A n w e n d u n g beanspruchen k a n n . Ü b e r die einzelnen. F ä l l e gehen die M e i n u n g e n w e i t auseinander. V g l . z. B . Mayer 502, 5 1 2 .

240

§ 56.

Die Verbrechenseinheit.

Versuchs sowie der Vorbereitungshandlungen durch die Vollendung, die Strafbarkeit der Gefährdung durch die Verletzung, die Strafbarkeit der einzelnen Körperverletzungen durch den Zweikampf usw. ausgeschlossen (Konsumtion).4) 3. Strafdrohungen, die nach ausdrücklicher oder stillschweigender Anordnung des Gesetzes anderen gegenüber nur aushilfsweise Geltung haben, werden durch diese ausgeschlossen (Subsidiarität). Beispiele bieten S t G B §§ 49a und 207 oder § 12 Wettbewerbg. von 1909; §§ 140, 911, 1490, 1491 Reichsversicherungsordnung r g n . 4. Verbrechen, deren Begriffe widerstreitende Merkmale enthalten (Mord und Totschlag, Diebstahl und Unterschlagung), schließen sich gegenseitig aus (Alternativität). III. Der zweite Fall: Scheinbare Verbrechenskonkurrenz. Die unvermeidliche Lückenhaftigkeit unserer Gesetzgebung bringt es mit sich, daß wir in zahlreichen Fällen keinen Paragraphen finden, welcher der Handlung nach allen ihren Seiten gerecht würde. Hier bleibt nach geltendem Recht nur ein, freilich gewaltsamer und wenig befriedigender Ausweg übrig: wir wenden jene Strafdrohung an, die uns durch die Spannweite ihres Strafrahmens die volle Würdigung der Handlung wenigstens annäherungsweise gestattet. 8 ) So *) R 44 208: Anstiftung zur Beihilfe an eigener T a t geht in der Täterschaft auf. — R 58 189: Beihilfe zu fremder T a t wird von der Anstiftung als der schwereren Teilnahmeform mitumfaßt. —• Übereinstimmend bezüglich der Teilnahmeformen Lobe in R G R ä t e K o m m . § 48 Note 1. s) 1. Die herrschende Ansicht spricht hier, insbesondere seit Klein und Feuerbach, von „ungleichartiger idealer Verbrechenskonkurrenz": eine Handlung, mehrere Verbrechen. Gleichbedeutend die Ausdrücke: „begrifflicher Zusammenhang" (RMilG), „eintätlicher Zusammenfluß", „concursus formalis". Diese Auffassung steht aber nicht nur im offensichtlichen Widerspruche zu Sinn und Wortlaut des § 73, der von der Verletzung mehrerer Strafgesetze, nicht aber von der Begehung mehrerer Delikte spricht, sie führt auch strafprozessualisch, da sie mehrere Strafansprüche annehmen muß, geradezu zu Ungeheuerlichkeiten. — 2. Mit dem T e x t e im wesentlichen übereinstimmend Baumgarten (gegen ihn aber Kriegsmann Z 80 944), Beling Verbrechen 303 (Doppelsubsumtion unter verschiedene neutrale Typen), Hitler G S 82 195 und

beiGrünhut 13 126, v. Kries 2oy,0rtloff GA 32 400, Wachenfeld 103, insbesondere

aber Heinemann, Höpfner und Mayer 506. Übereinstimmend auch Binding 1 349, freilich in vollem Widerspruche mit Binding 1 568 (weshalb Päderastie des Lehrers mit depi Schüler anders zu behandein ist als blutschänderischer Ehebruch, vermag ich nicht einzusehen). Mit aller Bestimmtheit hat sich auch V E § 90 auf diesen Standpunkt gestellt: Zusammentreffen mehrerer Strafgesetze, nicht: mehrerer strafbarer Handlungen. Vgl. Bgr.378.383. Ebenso G E , K E und E 1919. Dagegen stellen O e R E 64 und S R E Art. 65 Ideal- und Realkonkurrenz einander völlig gleich. Für die Gleichstellung Coenders Strafrechtliche Grundbegriffe 1909 S. 292 und DStrZ 1 341. — Zu beachten ist, daß nach § 1 3 5 Vereinszollg. und anderen Steuergesetzen mehrfache Strafe trotz Einheit der Handlung eintreten kann; vgl. R 28 1; auch R 49 401 für den Fall, daß jedes der konkurrierenden Gesetze eine festbestimmte Strafe androht. Vgl. auch R 52 273, 342 und dazu unten § 199 Note 6. Besondere Bestimmungen

§ ¡6.

Die Verbrechenseinheit.

241

ist die Notzucht an der eigenen Tochter, die sowohl unter § 173 als unter § 177 S t G B fallen würde, nach dem letzteren Paragraphen zu bestrafen. Diese Aushilfsregel und nicht mehr spricht § 73 S t G B aus, nach dem nur dasjenige Gesetz zur Anwendung kommt, das die schwerste Strafe, und bei ungleichen Strafarten dasjenige Gesetz, das die schwerste Strafart androht. 6 ) Für den Richter ergibt sich in diesem Falle die Notwendigkeit, urteilsmäßig festzustellen (gegebenenfalls durch Befragung der Geschworenen), d a ß die Handlung unter beide Strafgesetze fällt, und was für ihn bei der Auswahl bestimmend war. Das mildere Strafgesetz ist bei der Strafzumessung in k e i n e r Weise zu berücksichtigen. Eben darum kann, wenn das schwerere Gesetz ein geringeres Mindestmaß hat als das mildere, unter da;', Mindestmaß des letzteren bei der Strafzumessung herabgegangen werden. 7 ) Eine etwa in dem milderen Strafgesetz angedrohte Nebenstrafe kann bei Anwendung des schwereren Gesetzes, das sie nicht kennt, nicht verhängt werden. Wohl aber sind polizeiliche Maßregeln (z. B. Einziehung, soweit man sie nicht als Strafe auffaßt; v g l . unten § 58 I 2)8) zulässig, und der Bußanspruch des Verletzten kann durch die Anwendung der strengeren Strafdrohung nicht geschmälert werden. Nachträgliche Verfolgung wegen des leichteren Verbrechens wird durch die Rechtskraft des Urteils ausgeschlossen; doch kann später die Annahme eines Rückfalls auf jene Feststellung gegründet werden. Zu berücksichtigen ist, daß die Strafarten ihrer Schwere nach in folgender Reihe aufeinander folgen: Todesstrafe, Zuchthaus, Gefängnis, Festungshaft, Haft, Geldstrafe; daß stets die schwerste Strafe, auf die erkannt werden kann, also bei gleicher Strafart das höhere Höchstmaß (trotz etwaiger Zulassung mildernder Umstände) 8 *) und nur, wenn dies gleich ist, das höhere Mindestmaß entscheidet; daß erst in dritter Linie Nebenstrafen, niemals aber Arten der Privatgenugtuung oder Prozeßvoraussetzungen zu berücksichtigen sind. 9 ) Ist die eine der festgestellten Straftaten lediglich versucht, über „ Z u s a m m e n t r e f f e n " in den Steuergesetzen von I 9 i 8 f f . ; z. B . Weinsteuerg. § 37, Tabaksteuerg. § 77, Reichsabgabenordnung § 383. *) § 73 stets anzuwenden, soweit nicht der F a l l unter I I vorliegt. Daher ist es zwecklos, bei jedem einzelnen Delikt die Möglichkeit einer. Idealkonkurrenz mit allen möglichen anderen Verbrechen zu untersuchen, wie das häufig geschieht. ') So die überwiegende Meinung. Auch R 8 84, 16 302, R M i l G 8 79; dagegen Frank § 73 I V , Wachenfeld 266. Abweichende Bestimmung in V E , K E und £

1919.

) E b e n s o R 46 132 und 5 8 89. »«) R 5 3 48. Vgl. auch R 54 29. ») Übereinstimmend R 16 302, 24 58. R 17 193 will Polizeiaufsicht nicht 8

V. L i s a t , Strafrecht.

24. Aufl.

1 6

242

§ 57-

Die Verbrechensmehrheit.

so ist bei der Vergleichung der herabgesetzte Strafrahmen zu berücksichtigen. 9 *)

§ 57.

Die Verbrechensmehrheit.

Literatur. Olshausen Einfluß von Vorbestraiungen 1876. Strafenkonkurrenz 1879. May GA 57 159, 321.

Rosenblatt

Mehrere. Verbrechen desselben T ä t e r s stehen nicht notwendig in rechtlicher Beziehung zueinander. W i r haben im Gegenteile, von besonderer gesetzlicher Anordnung abgesehen, die mehreren Verbrechen desselben T ä t e r s ebenso selbständig zu behandeln, wie mehrere Handlungen verschiedener Täter. Eine strafrechtlich erhebliche Beziehung der mehreren Handlungen desselben T ä t e r s untereinander entsteht nur durch das kriminalpolitische Bedürfnis nach Schärfung oder Milderung der an sich verwirkten Strafe. Nach geltendem R e c h t e kann jene Beziehung sein: I. Rückfall, d. i. Begehung eines gleichen oder gleichartigen Verbrechens nach gänzlicher oder teilweiser Verbüßung oder E r lassung der wegen eines früher begangenen gleichen oder gleichartigen Verbrechens zuerkannten S t r a f e ; vorausgesetzt, d a ß nicht seit Verbüßung oder E r l a ß der früheren Strafe bis zur Begehung des neuen Verbrechens ein gewisser Zeitraum verstrichen ist, der die strafrechtliche Beziehung zwischen beiden Handlungen als zerrissen erscheinen l ä ß t ( R ü c k f a l l s v e r j ä h r u n g ) . Der R ü c k f a l l wird nach Reichsrecht nur in einzelnen Fällen als Strafschärfungsgrund verwendet (unten § 69); anders die E n t w ü r f e ; auch V E §§ 87, 88, G E §§ 95, 96, K E §§ 1 1 9 , 120 und E 1919 §§ 118, 119. II. Reale Konkurrenz (wirkliches Zusammentreffen) mehrerer selbständiger strafbarer Handlungen ( S t G B § 74). x ) Sind diese gleichartig, so spricht man von Wiederholung; sind sie ungleichartig, von Häufung. Die folgerichtige Durchführung des Gedankens, daß bei Begehung mehrerer Verbrechen durch denselben T ä t e r jedes der Verbrechen mit der ihm entsprechenden Einzelberücksichtigen, da ihr Eintritt nicht im Willen des Gerichtes liegt; dagegen mit Recht Atlfeld 367. Abweichend vom Text auch R 51 327, RMilG 16 7, das die Aberkennung der Ehrenrechte vor dem Mindestmaß der Freiheitsstrafe berücksichtigt. •») Ebenso R 53 48, Lobe in RGRäteKomm. § 73 Note 3. *) Wann eine Handlung, wann m e h r e r e vorliegen, ist nach den oben § 54 aufgestellten Grundsätzen zu beurteilen. — Bei Verbreitung einer Druckschrift von mehreren Verbreitungsmittelpunkten aus liegt wirkliches Zusammentreffen ebensovieler (strafbarer) Handlungen vor: so der 15. deutsche Juristentag 1 71, 2 350 im Anschluß an das Gutachten V. Liszts (Aufsätze 1 64); R 5 314. Dagegen Binding 1 585 Note 45.

§57-

Diej Verbrechensmehrheit.

243

strafe, die Summe jener Handlungen daher m i t der Summe dieser Einzelstrafen zu belegen sei, führt nach der heute in der Gesetzgebung herrschenden Auffassung bei Vollzug der zeitigen Freiheitsstrafen zu unerträglichen Härten (unten § 73). Die gesetzliche Anordnung der Milderung dieser Härten erheischt die gesetzliche Feststellung der Voraussetzungen, unter denen die Abweichung von dem Grundsatze stattfinden soll, und f ü h r t somit zu der A u f stellung des Begriffes des Zusammentreffens. 2 ) Voraussetzungen des Begriffs sind: einerseits die, wenn auch tatsächlich vereitelte, r e c h t l i c h e M ö g l i c h k e i t g l e i c h z e i t i g e r A b u r t e i l u n g , anderseits die t a t s ä c h l i c h e M ö g l i c h k e i t n a c h t r ä g l i c h e r B e r ü c k sichtigung jener rechtlichen Möglichkeit. Genauer gesprochen: Zusammentreffen mehrerer S t r a f t a t e n liegt bei Begehung durch denselben Täter unter folgender Doppelvoraussetzung v o r : 1. Wenn die mehreren wegen einer von ihnen v e r k ü n d e t w o r d e n ist.

Handlungen begangen waren, e h e d a s U r t e i l in e r s t e r Instanz

Beispiel: Die Verbrechen a, b, c sind am 1. Januar, 1. Februar, 1. März begangen; Zusammentreffen liegt vor, wenn die Aburteilung wegen a, b und c am 15. März erfolgt; aber auch dann, wenn am 15. März lediglich über das Verbrechen a gesprochen wurde, und die Verbrechen b und c erst nachträglich zum Vorschein kommen. Dagegen steht das am 16. März begangene Verbrechen nicht mehr im „Zusammentreffen" mit a, b und c, auch wenn bezüglich dieser das Berufungsverfahren noch schweben sollte (StGB § 74) .2") 2. W e n n d i e v e r w i r k t e n S t r a f e n g l e i c h z e i t i g zur V o l l s t r e c k u n g kommen. Dies ist zunächst der Fall, wenn sämtliche strafbare Handlungen Gegenstand derselben Verhandlung und Entscheidung sind. Bei nicht gleichzeitiger Aburteilung ist Zusammentreffen nur dann anzunehmen, wenn (nach Rechtskraft des früheren Urteils) die nachträgliche Entscheidung über das später entdeckte Verbrechen stattfindet, solange eine Verbesserung des früheren Urteils noch möglich ist, solange also die in dem früheren Urteile ausgesprochene Strafe noch nicht vollständig v e r b ü ß t , verjährt oder erlassen ist ( S t G B § 79). 2 h ) Beispiel: Ist der Verbrecher wegen a am 15. März zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden (und hat er die Strafe sofort angetreten), so ist Zusammentreffen von b und c mit a anzunehmen, wenn b.und c vor dem 15. Juni zur Aburteilung kommen; nicht aber, wenn an dem Tage, an dem das Urteil ') Ebendarum sprechen Hälschner 1 654, Rosenblati 4 u. a. statt von Verbrechenskonkurrenz von Strafenkonkurrenz. 2») Dagegen R 63 145. ,b) „Erfassen" im Sinne des § 79 ist auch eine unter der Bedingung guter Führung innerhalb einer bestimmten Frist nach Maßgabe der AmnestieVO v. 3. XII. 1918 (vgl. unten § 75) erlassene Strafe. R 53 116. 16*

244

§ 57-

D'e Verbrechensmehrheit.

wegen b u n d c gefällt werden soll, die wegen a e r k a n n t e S t r a f e bereits verb ü ß t , v e r j ä h r t oder erlassen ist. D a s s p ä t e r e U r t e i l h a t in jenem Falle u n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g der f r ü h e r ausgesprochenen G e s a m t s t r a f e auf eine Zusatzs t r a f e zu erkennen. 3 ) 3 ) Aber a u c h wenn j e m a n d m i t A u ß e r a c h t l a s s u n g des § 79 S t G B d u r c h verschiedene r e c h t s k r ä f t i g e U r t e i l e zu m e h r e r e n Strafen v e r u r t e i l t wurde, sind die e r k a n n t e n S t r a f e n noch n a c h t r ä g l i c h d u r c h gerichtliche E n t s c h e i d u n g auf eine G e s a m t s t r a f e z u r ü c k z u f ü h r e n . S t P O §§ 492, 494.

Zweites Buch.

Die Strafe mit Einschlufs der sichernden Mafsnahmen. i. § 58.

Der Begriff der Strafe.

Literatur. Vgl. die zu §§ 4 bis 6 angeführten Schriften. Außerdem GoldSChmidt VD Allg. T. 4 8 1 . — Zu I: Merkel Kriminalistische Abhandlungen 1867 1 57. Wuest Die sichernden Maßnahmen in dem Entwurf zu einem schweizerischen S t G B 1905. Hafter Schweizer Z 17 2 1 1 . Stooß daselbst 18 i, 167; 3 3 1 3 5 . V. Birkmeyer Strafe und sichernde Maßnahmen. Rektoratsrede 1906. Derselbe Beiträge zur Kritik des V E 2. Heft 1910. V. Redwitz Die polizeilichen Maßregeln des R S t G B und ihr Verhältnis zu dessen allgemeinen Grundsätzen (V. Lil. Heft 102) 1909. v. Liszt Österreichische Z 1 3 und DStrZ 1 45. Stooß bei ASChafetlburg 8 368. Verhandlungen des 13. D J T (Gutachten von Pollitz, Köhler, Loffler; Referat von Lenz). Schühly Kritische Darstellung der Strafen und sichernden Maßnahmen des VE. Heidelberger Preisarbeit 1 9 1 2 . Lenz Österreichische Z 3 283. Kahl D J Z 17 1 0 S 1 . Delaquis Z 32 671. Derselbe Verhandlgn des schweizerischen Juristenvereins 1 9 1 3 . Exner Theorie der Sicherungsmittel (Berliner Seminarabhdlgn 3. Folge 1 1. Heft) 1914. — Zu I 2 : Glücksmann Die Rechtskraft der strafprozessualen Entscheidungen über Einziehung und Unbrauchbarmachung (v. Lil. Heft 15) 1898. Herschel ebenso (V. Lil. Heft 23) 1899. Grünbaum Voraussetzungen der Unbrauchbarmachung usw. (V. Lil. Heft 166) 193. Friedländer Das objektive Verfahren nach dem Reichsstrafprozeßrecht 1895. Schoetensack Der Konfiskationsprozeß 1905. V. Seeler Die Einziehung nach dem Reichsstrafgesetzbuch. Würzburger Diss. 1918. Kronecker W y 1 645 (Einziehung). — Zu II 1: Graf zu Dohna VD Allg. T . 1 261. — Zu II 2 : Ötker Kriminelle und zivile Haftung Dritter nach hessischen Rechtsquellen. Festgabe für Ihering 1892. Derselbe in den zu § 43 angeführten Schriften. Poetsch Die subsidiäre Haftung für fremde Geldstrafen usw. 1907. Beling WV 1 308 (Haftung Dritter). Pollack (Lit. zu § 199) 83. — Zu II 3: AriSChÜtz Verwaltungsarchiv 1893 S. 389. Isaac Z 21 625. — Zu I I I : Hinschius Kirchenrecht 4 753 Note 9. Oppenheim Die Rechtsbeugungsverbrechen 1886. Preger LA 7 365. Wachinger VD Bes. T. 5 193. Kaskel Begnadigung im ehrengerichtlichen Verfahren der freien Berufsstände. Berliner Diss. 1911. Krakenberger Die rechtliche Natur der Ordnungsstrafe (v. ¿(7. Heft 156) 1 9 1 2 .

I. Strafe und sichernde Maßnahmen. 1 ) 1. S t r a f e ist nach geltendem Recht das Übel, das der Straf') Das Wort „Strafe" findet sich erst seit dem Anfange des 14. Jahrhunderts. Etymologie sehr zweifelhaft. Vgl. Günther Wiedervergeltung 1 5, HlS (Lit. zu § 8 II) 342, Loening Z 5 546 Note 18. Andere mittelalterlichdeutsche Ausdrücke sind büßen, bessern, wandeln, kehren (auch pein, pön).

246

§ 58.

Der Begriff der Strafe,

richter gegen den Verbrecher wegen des Verbrechens verhängt, um das gesellschaftliche Unwerturteil über Tat und Täter zum Ausdruck zu bringen. Z w e i Merkmale bilden mithin den Begriff der S t r a f e : Sie ist 1. eine Verletzung des Täters in seinen rechtlich geschützten Interessen, ein Eingriff in Leben, Freiheit, Vermögen, E h r e des Verbrechers; sie ist aber 2. zugleich eine augenfällige Mißbilligung der Tat und des Täters. In dem ersten Merkmal liegt vor allem die spezialprävenierende, in dem zweiten die generalprävenierende Wirkung der Strafe. 2. „ S i c h e r n d e M a ß n a h m e n " (oben § 5 III) sind solche staatliche Maßregeln, durch die ausschließlich entweder die Anpassung des einzelnen an die Gesellschaft (erziehende oder bessernde Maßnahmen) oder die Ausscheidung der Anpassungsunfähigen aus der Gesellschaft (schützende oder sichernde Maßnahmen im engeren Sinn) bezweckt wird. Im geltenden Recht wenig ausgebildet, haben die beiden Gruppen von Maßnahmen in den Entwürfen für das Deutsche Reich, für Österreich und die Schweiz wie in den Vorentwürfen für Dänemark und Schweden vielfache Verwendung gefunden. Die sichernden Maßnahmen der deutschen Entwürfe sind unten in § 66 zusammengestellt. Für das geltende Recht ist im Zweifel an dem Strafcharakter der angedrohten Maßregeln festzuhalten. Das Arbeitshaus, die Polizeiaufsicht usw. sind daher den Strafen zuzurechnen. Dagegen sind als sichernde Maßnahmen zu betrachten und hier nicht weiter zu erörtern: Die Fürsorgeerziehung nach §§ 55, 56 und die Unterbringung in einem A s y l nach § 362 Absatz 3; ferner die Einziehung von Gegenständen, s o w e i t diese Gegenstände nicht im Eigentum des Täters oder eines Teilnehmers zu stehen brauchen ( S t G B §§ 40 bis 42). 2 ) 3. D a s V e r h ä l t n i s d e r s i c h e r n d e n M a ß n a h m e zur S t r a f e ist sehr bestritten. Die scharfe Entgegensetzung der beiden Begriffe, wie sie sich bei v. Birkmeyer und anderen findet, widerspricht den tatsächlichen Verhältnissen. Zwar ist es gewiß, d a ß die sichernde Maßnahme nicht notwendig an die Begehung einer an sich strafbaren Handlung geknüpft zu sein b r a u c h t und daher über den Begriff der Strafe hinausführt; so wenn die Fürsorge2 ) Die Rechtsnatur der Einziehung ist sehr bestritten. Mit dem T e x t die herrschende Ansicht; auch R 46 132, 58 124. Von einzelnen Schriftstellern wird der Straf Charakter allgemein angenommen, von andern allgemein verneint. Eine Mittelmeinung, die sich bezüglich des § 40 mit dem T e x t deckt, vertritt Lobe in R G R ä t e K o m m . § 40 N o t e 1 u. 2. Vgl. auch unten § 59 II B2. D i e Unbrauchbarmachung ist aus dem im Text angegebenen Grunde stets sichernde Maßnahme. — Über das Verhältnis der (weitergehenden) Konfiskation in VerZollG § 134 zur Einziehung vgl. R 49 127.

§ 58.

Der Begriff der Strafe.

247

erziehung gegen verwahrloste, aber noch nicht verbrecherisch g e w o r d e n e K i n d e r u n d J u g e n d l i c h e v e r h ä n g t , oder wenn d e r g e m e i n g e f ä h r l i c h e G e i s t e s k r a n k e v e r w a h r t w i r d , ehe er ein V e r b r e c h e n begangen hat. A b e r w e n n die s i c h e r n d e M a ß n a h m e an d i e B e g e h u n g einer s t r a f b a r e n H a n d l u n g g e k n ü p f t i s t , so kann sie sehr w o h l d a s W e s e n d e r S t r a f e (ein m i t d e m U n w e r t u r t e i l v e r b u n d e n e s Ü b e l ) in sich a u f n e h m e n , u n d z w a r a u c h v o m S t a n d p u n k t d e r Vergeltungstheorie aus. U n d s o w e i t diese a u c h f ü r die S t r a f e , w e n n a u c h nur n e b e n h e r , d i e V e r f o l g u n g d e s B e s s e r u n g s - u n d d e s S i c h e r u n g s z w e c k e s z u l ä ß t , e b e n s o w e i t g r e i f t d i e S t r a f e in d a s G e biet der sichernden Maßnahme hinüber. Die beiden Rechtsinstitute v e r h a l t e n sich also wie z w e i s i c h s c h n e i d e n d e K r e i s e : D i e reine A b s c h r c c k u n g s s t r ä f e ( V e r g e l t u n g s s t r a f e ) und die reine s i c h e r n d e M a ß n a h m e s t e h e n z u e i n a n d e r i m G e g e n s a t z ; i n n e r h a l b des i h n e n g e m e i n s a m e n G e b i e t e s a b e r k a n n die s i c h e r n d e M a ß n a h m e a n d i e S t e l l e d e r S t r a f e t r e t e n (mit i h r „Vikariieren") und u m g e k e h r t . D a s ist a u c h d e r S t a n d p u n k t d e r d r e i d e u t s c h e n E n t w ü r f e ; a u c h V E § 42 l ä ß t (ebenso K E § 102 u n d E 1 9 1 9 § 95) es zu, d a ß d a s A r b e i t s h a u s a n d i e S t e l l e der S t r a f e t r i t t . I I . Folgerungen a u s dem B e g r i f f e der Strafe. 1. D i e S t r a f e i s t ein Ü b e l , d a s d e r V e r b r e c h e r e r l e i d e t . Dad u r c h u n t e r s c h e i d e t sie sich w e s e n t l i c h v o n d e m S c h a d e n s e r s a t z , m a g sie a u c h m i t i h m u n t e r d e n g e m e i n s a m e n h ö h e r e n B e g r i f f d e r R e c h t s f o l g e n d e s U n r e c h t s g e b r a c h t w e r d e n können. 3 ) Nicht u n t e r d e n B e g r i f f d e r S t r a f e fallen d a h e r , w e i l d e m Z w e c k e d e r G e n u g t u u n g (auch f ü r d e n „ i d e e l l e n " S c h a d e n ) d i e n e n d : a) D i e B u ß e (unten § 67). b) D i e Ausfertigung des verurteilenden Erkenntn i s s e s a n d e n V e r l e t z t e n sowie die B e f u g n i s z u dessen ö f f e n t licher B e k a n n t m a c h u n g auf K o s t e n des Verurteilten-4) D e n n auch h i e r h a n d e l t es sich n i c h t d a r u m , d e n B e l e i d i g e r z u v e r l e t z e n , s o n d e r n d a r u m , die v e r l e t z t e E h r e des B e l e i d i g t e n d u r c h g e r i c h t l i c h e E h r e n *) Es darf aber nicht vergessen werden, daß auch die Strafe dem Verletzten Genugtuung gewährt, und diese von dem Täter als ein Übel empfunden wird; daß also Privatrecht und Strafrecht auch in dieser Frage nicht völlig getrennt vorgehen dürfen. Vgl. V. Liszt Deliktsobligationen 3. 4) S t G B §§ 165 und 200; Patentg. 1891 § 36, Gebrauchsmusterg. 1891 § 10, Warenzeicheng. 1894 § l9> Wettbewerbg. 1909 § 23 Abs. 2. Dagegen ist die Veröffentlichung des Urteils N e b e n s t r a f e in Nahrungsmitteig. 1879 § 16 und verschiedenen anderen Nebengesetzen, besonders in den Steuergesetzen seit 1913. — Abweichend vom Texte erklärte R, insbes. 6 180, 46 73, die fragliche Maßregel stets für eine Strafe. Ebenso RMilG 2 19, 8 300; besonders aber Günther 3 1. Hälfte 536 (der den Zusammenhang mit der Vergeltungsidee betont), Wachenfeld 252 (wegen der Kosten). — Übereinstimmend mit dem Text: AUfeld 343, Binding Lehrb. 1 163, Oraf zu Dohna, Frank § 200 I, ötker Z 17 532 Note 101, Schwartz § 200 Note 2; auch Bgr. 386.

248

§ 5$.

Der Begriff der Strafe.

erklärung wiederherzustellen. Begnadigung des Verurteilten bleibt daher einflußlos. 2. Strafe ist Verletzung eines Rechtsgutes, dessen Träger der V e r b r e c h e r ist und zwar, um ihn in diesem seinem Interesse zu treffen. T r i f f t die Verletzung nicht den Verbrecher, so liegt Strafe nicht vor. Daher ist nicht Strafe die H a f t u n g d r i t t e r P e r s o n e n für die von dem Schuldigen verwirkten Geldstrafen, die sich in vielen Reichs- und Landesgesetzen findet. 5 ) 3. Die Strafe wird wegen der begangenen Rechtsverletzung verhängt, und wenn sie auch durch ihre Zweckbestimmung in die Zukunft reicht, so ist sie doch als U n r e c h t s f o l g e an einen in der Vergangenheit liegenden Tatbestand geknüpft. Dadurch unterscheidet sie sich vom S t r a f z w a n g e (als Erfüllungszwang), der auf die Herbeiführung einer b e s t i m m t e n Handlung oder Unterlassung durch „Ordnungsstrafen" gerichtet ist. 4. Die Strafe muß vom Staate durch die Organe der Strafrechtspflege verhängt werden. E s scheiden demnach alle v o n R e c h t s wegen eintretenden F o l g e n der Verurteilung aus dem Gebiete der Strafe aus. Dies gilt auch von der dauernden 6 ) Die Haftung ist meist s u b s i d i ä r ; sie kann aber auch s o l i d a r i s c h (so in dem sonderbaren Art. 36 Abs. 1 des Zollreglements zum Deutsch-Ägyptischen Handelsvertrag vom 19. J u l i 1892, R G B 1893 S. 77) oder k u m u l a t i v , also selbständig sein. In diesem letzten Falle setzt sie aber selbständige Verschuldung voraus, ist also eigentliche Strafe. — Das Wesen dieser eigentümlichen Einrichtung, die sich schon seit dem 17. Jahrhundert findet, ist sehr bestritten. 1. Nach meiner Ansicht handelt es sich um eine öffentlichrechtliche Haftung f ü r f r e m d e S c h u l d (publizistische Bürgschaft). Ebenso Beling (steuerähnlicher Verwaltungsanspruch des Staates), Binding Normen 2 614 Note 930, Loening (Lit. zu § 43) 132 Note 1. Rosenfeld Strafprozeß 5. Aufl. 102. Vgl. auch Goldschmidt Deliktsobligationen (oben § 26 Note 6) 24. — 2. Dagegen (für die Auffassung als Strafe) Allfeld 229 (strafrechtliche Haftung), Binding 1 489 (im Gegensatz zu seiner früheren Ansicht), u. a. — 8. Nach Ötker liegt ein Fall dei Täter-Garantenhaftung vor. — Die grundsätzliche Auffassung ist entscheidend für eine Reihe von Einzelfragen. So sind in bezug auf Verjährung, Begnadigung usw. die Grundsätze des öffentlichen R e c h t s anzuwenden. Ist der Haftpflichtige sclbsc neben einer der Personen, für die er zu haften hat, an der T a t strafrechtlich beteiligt, so kann ihn die Zahlung zweimal treffen: einmal als Strafe, dann aber als Haftung für seinen Genossen (ebenso R wiederholt, zuletzt 25 294). E s ist weiter möglich, daß dieselbe Person für mehrere an derselben T a t B e teiligte mehrfach zur Haftung herangezogen wird, oder daß trotz Erfüllung der Haftpflicht hinterher noch Anklage wegen Teilnahme an dem Vergehen erhoben wird, und umgekehrt. Auch ist es nur bei dieser Auffassung erklärlich, daß auch Körperschaften, wie Aktiengesellschaften, Eisenbahnuntemehmungen usw., deren strafrechtliche Verantwortung in unserem positiven R e c h t e grundsätzlich ausgeschlossen ist (oben § 28 I 2), daß femer Jugendliche und Geisteskranke vom Gesetze ausdrücklich der Haftung unterstellt werden. — Dagegen liegt S t r a f e überall da vor, wo die Haftung durch ein selbständiges Verschulden des Haftenden (Fahrlässigkeit bei Auswahl, Beaufsichtigung usw.) bedingt ist. So nach zahlreichen Nebengesetzen (auch den neueren Steuergesetzen). Auf einem ganz anderen Grundgedanken ruht die hier nicht zu erörternde G e s a m t s c h u l d h a f t u n g für verwirkte Geldstrafen nach § 3 5 Reichsstempelg. 1 8 9 4 .

§ 59-

Das Strafensystem des geltenden Rechts und der Entwürfe.

249

U n f ä h i g k e i t z u m D i e n s t e in d e m D e u t s c h e n H e e r e und der Marine sowie zur B e k l e i d u n g ö f f e n t l i c h e r Ä m t e r , die n a c h S t G B § 3 1 m i t d e r V e r u r t e i l u n g zu Z u c h t h a u s s t r a f e „ v o n R e c h t s w e g e n " verbunden i s t . F e r n e r g e h ö r e n hierher z a h l r e i c h e B e s t i m m u n g e n in den N e b e n g e s e t z e n . 6) III. Verschieden von der peinlichen Strafe i s t : 1. D i e s t a a t l i c h e D i s z i p l i n a r s t r a f e , die v o m Staate n i c h t als I n h a b e r der ö f f e n t l i c h e n Z w a n g s g e w a l t , sondern k r a f t seiner d i e n s t h e r r l i c h e n S t e l l u n g , im Interesse d e s inneren D i e n s t e s , verhängt wird. Daraus f o l g t : Ihre Verhängung ist, weil nicht S t r a f s a c h e , n i c h t S a c h e der o r d e n t l i c h e n S t r a f g e r i c h t e ; dieselbe Ü b e r t r e t u n g k a n n D i s z i p l i n a r s t r a f e und ü b e r d i e s e i g e n t l i c h e S t r a f e n a c h sich z i e h e n ; w e n n j e m a n d m e h r e r e n D i e n s t k r e i s e n a n g e h ö r t , so kann er w e g e n desselben V e r g e h e n s m e h r m a l s disziplinarisch b e s t r a f t w e r d e n (z. B . als B e a m t e r und als R e s e r v e o f f i z i e r ) ; d u r c h V e r j ä h r u n g d e r S t r a f e wird d i e d i s z i p l i n a r i s c h e V e r f o l g u n g nicht, a u s g e s c h l o s s e n usw. 2. N a c h p o s i t i v r e c h t l i c h e r A n o r d n u n g die S t r a f e für geringfügigere Rechtsverletzungen, die die Reichsgesetzgebung ebenfalls m i t d e m N a m e n der O r d n u n g s s t r a f e b e z e i c h n e t . Sie f i n d e t sich besonders h ä u f i g in den Z o l l - und S t e u e r g e s e t z e n sowie im V e r s i c h e r u n g s r e c h t ; es g e h ö r e n hierher aber a u c h die F ä l l e d e r einfachen Nichterfüllung der Dingpflicht.7) 3. D a g e g e n ist die p o l i z e i l i c h e S t r a f e n a c h g e l t e n d e m R e c h t v o n d e r peinlichen S t r a f e n i c h t v e r s c h i e d e n (vgl. o b e n § 26 I I I ) .

II. Die Strafarten (Das Strafensystem). § 59.

Das Strafensystem des geltenden Rechts und der Entwürfe.

Literatur. Goldschmidt (Lit. zu § 58). Die zu § 58 sonst angeführte Lit. Verhandlungen des 29., 30. und 3 1 . D J T . •) Sogenannte Rechtsverwirkungen; vgl. Bitlding 1 328 Note 14, V. Gierke Deutsches Privatrecht 1 42g. Beispiele bieten B G B §§ 1312, 1680; GVG § 1 7 6 Abs. 1; ZFO § 1032, Gewerbeordng. § 53. Auch die Aberkennung der Staatszugehörigkeit und die Verweisung aus dem Reichsgebiet nach §§ 23, 24 des Gesetzes gegen die Steuerflucht vom 26. Juli 1918, die durch die Verwaltungsbehörden angeordnet werden, sind keine Strafen. Dagegen handelt es sich überall dort um eine wirkliche Strafe, wo durch s t r a f g e r i c h t l i c h e s E r k e n n t n i s der Verlust einer Befugnis ausgesprochen wird. Über die Heranziehung von Heeresunfähigen zum militärischen Arbeitsdienst (während des Kriegs) vgl. G vom 1. August 1918. ') Eigenartig § 77 a Börseng. 1908: im Wiederholungsfalle tritt peinliche S t r a f e an die Stelle der Ordnungsstrafe.

250

§ 59- Das Strafensystem des geltenden Rechts und der Entwürfe»

I. In dem Systeme des R S t G B haben wir H a u p t - und N e b e n s t r a f e h zu unterscheiden. Erstere können auch allein, letztere nur in Verbindung mit einer Hauptstrafe verhängt werden. Unter den Nebenstrafen sind als N a c h s t r a f e n diejenigen hervorzuheben, die erst nach der Erledigung der Hauptstrafen zum Vollzuge gelangen. Ein weiterer Einteilungsgrund ergibt sich, wenn wir die Rechtsgüter des Verbrechers ins Auge fassen, deren Verletzung der S t a a t zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes vornimmt. E s sind L e b e n , F r e i h e i t , V e r m ö g e n , Ehre.1) II. Danach gewinnen wir folgendes System: A . Hauptstrafen. 1. A m L e b e n : Die Todesstrafe. 2. An der F r e i h e i t : a) Zuchthaus; b) Gefängnis; c) Festungsh a f t ; d) H a f t . 3. Am V e r m ö g e n : Die Geldstrafe. 2 ) 4. An der E h r e : Der Verweis. B . Nebenstrafen. 1. An der F r e i h e i t : a) Die Zulassung der Stellung unter Polizeiaufsicht; b) Überweisung an die Landespolizeibehörde; c) Ausweisung aus dem Reichsgebiete. 3 ) 2. Am V e r m ö g e n : a) Die Einziehung v o n Gegenständen, die durch ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen hervorgebracht oder zur Begehung (nicht bloß zur Vorbereitung oder bei Begehung eines solchen gebraucht oder bestimmt sind, s o f e r n sie dem T ä t e r oder einem Teilnehmer gehören (§ 40 S t G B ) 4 ) ; b) der dauernde oder zeitige Verlust der Befugnis zum Gewerbebetriebe, soweit auf ihn im Urteil durch den Richter erkannt wird; 8 ) c) die Veröffent') Die Bestimmungen des RStGB über das Strafensystem sini absolut gemeines Recht (oben § 20 Note 7). —• Über das Strafensystem des MilStGB vgl. unten § 204 V. — Von den Nebenstrafen werden in den folgenden Paragraphen nur diejenigen erörtert werden, welche allgemeinere Bedeutung haben. *) Die Geldstrafe ist stets Hauptstrafe, auch wenn sie n e b e n einer Freiheitsstrafe angedroht ist. — Das wird wichtig für StGB § 45. Übereinstimmend . Wächter Die Buße 1874. Dochow Die Buße 1875. Graf zu Dohna Die Stellung der Buße im reichsrechtlichen System des Immaterialgiiterschutzes. Berliner Seminarabhdlgn. i 4 1902. Bergmann Schließt die wegen einer Körperverletzung zuerkannte Buße die Geltendmachung jedes weiteren Entschädigungsanspruches aus? Leipziger Diss. 1908. Fritsche Schadenersatz und Buße bei Körperverletzungen und Beleidigungen. Leipziger Diss. 1908. Dreyfuß Z 31 636.

I. Anwendungsgebiet. Das geltende deutsche Reichsrecht (anders die Entwürfe) hat die Geltendmachung des Schadensersatzes im Strafverfahren, den sogenannten Adhäsionsprozeß, abgelehnt und den Verletzten auf den Zivilrechtsweg verwiesen. 1 ) Nur in einzelnen Fällen gewährt es dem Verletzten einen im Strafverfahren zu verfolgenden Anspruch auf B u ß e . Die Falle, in denen auf Buße erkannt werden kann, sind die folgenden: 1. S t G B § 188. Ü b l e N a c h r e d e und V e r l e u m d u n g ( S t G B §§ 186 und 187), wenn die Beleidigung nachteilige Folgen für die Vermögensverhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten mit sich bringt. Höchstmaß 0000 Mark. — 2. S t G B § 231. K ö r p e r v e r l e t z u n g in allen Fällen. Höchstmaß 6000 Mark. — 3. N a c h d r u c k s g . 1870 § 18. Höchstmaß öooo Mark; jetzt noch in Kraft für das G e s c h m a c k s m u s t e r g . vom 11. Januar 1876 § 14. — 4. P a t e n t g . 1891 § 37. Höchstmaß 10000 Mark. — 5. G e b r a u c h s m u s t e r g . 1891 § 11. Höchstmaß 10000 Mark. — 6. W a r e n z e i c h e n g . 1894 § 18. Höchstmaß 10000 Mark. — 7. G gegen den u n l a u t e r e n W e t t b e w e r b 1909 § 26. Höchstmaß 10000 Mark. — 8. U r h e b e r r e c h t s g . vom 19. Juni 1901 (Literatur ') Über B G B § 847 vgl. v. Liszt Deliktsobligationen 64. V E § 57 gestattet die strafprozessuale Verfolgung des Ersatzanspruches, wenn dieser 20000 Mark nicht übersteigt und die Feststellung ohne Verzögerung des Strafverfahrens möglich ist. K E § 94 schließt sich an [desgl. auch E 1919 § 87, der hervorhebt, daß es sich um einen Schaden handeln müsse, den der Täter dem Verletzten nach bürgerlichem Recht durch e i n m a l i g e Zahlung einer Geldsumme zu ersetzen hat. Der Strafrichter entscheidet nach E 1919 § 87 Abs. 2 endgültig].

272

§ by.

Die Buße.

und Tonkunst) § 40. Höchstmaß 6000 Mark. — 9. V e r l a g s r e c h t s g . v o m 19. J u n i 1901 § g'(wie in dem zu 8 angeführten G). — 10. K u n s t w e r k g . v o m g. J a n u a r 1907 § 35. Höchstmaß 6000 Mark. — Auf dem ihr überwiesenen Gebiete kann die L a n d e s g e s e t z g e b u n g Buße zulassen; v g l . z. B. Forstg. f ü r Elsaß-Lothringen v o m 9. J u l i i 888 § 75.

In allen Fällen gelten die folgenden Rechtssätze: Der Zuspruch der Buße ist durch das im Strafverfahren zu stellende Verlangen des Verletzten (StPO §§ 443 bis 446) bedingt; die Buße ist an den Verletzten zu entrichten; die erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus; die zur Buße Verurteilten haften als Gesamtschuldner (obwohl S t G B § 188 das nicht ausdrücklich ausspricht); auf einen höheren Betrag der Buße als den beantragten darf nicht erkannt werden (StPO § 445); der Anspruch des Verletzten kann von dessen Rechtsnachfolgern nicht erhoben oder fortgesetzt werden (StPO § 444 Abs. 4); die Eintreibung erfolgt nach den Vorschriften der ZPO (StPO § 495). II. Das W e s e n der Buße ist bestritten; bald wird sie als Strafe, bald als Entschädigung, bald als eine aus beiden Elementen zusammengesetzte Einrichtung betrachtet. Da der Begriff der Entschädigung durch den Ersatz vermögensrechtlicher Nachteile nicht erschöpft wird, sondern auch die dem Verletzten gebührende Genugtuung für den von ihm erlittenen Eingriff in seine Rechtssphäre überhaupt in sich schließt, so fällt auch die Buße unter den Begriff der Entschädigung, besser: der G e n u g t u u n g . 2 ) Diese Auffassung schließt nicht aus, daß der Anspruch auf Buße als höchstpersönlicher nur dem Verletzten, nicht aber seinen Erben zusteht. Sie findet unmittelbare Bestätigung in den Nebengesetzen (,,statt der Entschädigung kann auf Buße erkannt werden"). Von diesem Standpunkte aus können wir die meisten der hier anknüpfenden Streitfragen erledigen. So ist weder der N a c h w e i s eines Vermögensnachteils, noch ein solcher N a c h t e i l überhaupt 3 ) Bedingung für das Entstehen des Anspruchs; so ist Buße auch bei scheinbarem Zusammentreffen von Straftaten (StGB § 73) zuzusprechen, wenn auch das sie enthaltende Gesetz als das mildere bei der Bestimmung der Strafe außer Betracht bleibt; so verjährt der Anspruch auf Buße nach den Grundsätzen des Zivilrechts, 4 ) *) Im wesentlichen derselben Meinung (wenn auch meist mit Beschränkung auf E r s a t z des Vermögensschadens) die meisten; auch R l . 2 2 2 4 , 1 5 3 5 2 (Buße bei V e r l u s t der Zeugungsfähigkeit), 1 7 190, 2 4 398. Vgl. Graf ZU Dohna 1 252. A l s P r i v a t s t r a f e wird die B u ß e a u f g e f a ß t v o n Heime, während Hälschner, Merkel, Siooß, V. Wächter zwei Elemente in der B u ß e unterscheiden wollen, ein ziviles und ein pönales. Frank III v o r § 13 zieht den Ausdruck „Entschädigung" v o r . ') Teilweise abweichend allerdings S t G B § 188. 4 ) Ebenso. Allfeld 327, Frank § 70 III, Olshausen § 7 0 6, Wachenfeld 254; dagegen Binding 1 854, Löning V D Allg. T. 1 449.

§ 68.

Die richterliche Strafzumessung.

273

w e n n a u c h seine G e l t e n d m a c h u n g i m Strafprozesse d u r c h die s t r a f r e c h t l i c h e V e r j ä h r u n g des V e r b r e c h e n s t a t s ä c h l i c h unmöglich gem a c h t w i r d ; so w i r d die z u e r k a n n t e B u ß e d u r c h B e g n a d i g u n g n i c h t b e r ü h r t , w ä h r e n d die N i e d e r s c h l a g u n g des S t r a f v e r f a h r e n s (unten § 75 I I ) allerdings t a t s ä c h l i c h a u c h die G e l t e n d m a c h u n g des B u ß a n s p r u c h s v e r h i n d e r t .

III. Das Strafmaß in Gesetz und Urteil. § 68.

Die richterliche

Strafzumessung.

Literatur. Rosenfeld VD Allg. T . 3 93 (Strafzumessung), van Calker ebenda 173 (Gesinnung). Raäbruch ebenda 189 (Strafänderung). V. Liszl Reform 1 373. —• Wahlberg Das Prinzip der Individualisierung in der Strafrechtspflege 1869; Kl. Schriften 3 101. Finger Der obj ktive Tatbestand als Strafzumessungsgrund 1888. Derselbe Gutachten für den 20. d. Juristentag 29 2 S. 37. ME. Mayer bei Aschaffenburg 3 309. Sturm daselbst 11 77. Körner Die Frage der Gleichmäßigkeit der Strafzumessung im D. Reicá 1907 (Statistische und national-ökcnomische Abhdlgn. Heft 3). Hoegel GS 71 378. Derselbe Verhandlungen des 28. d. Juristentages 28 1 S. 3. Storch daselbst 4 1. Aschroit Z-82 134. V. Birkmeyer GS 77 353. Derselbe österreichische Z 2 316. Exner (Lit. zu § 39). Derselbe Österreichische Z 8 290. Sturm Z 34 64, Ueberschaer GA 59 295 (über den VE). Lichtenstein Die Strafzumessung im Anschluß an das russische S t G B von 1903. Gießener Diss. 1912. Feisenberger Z 31 948. I. In d e m W e s e n des s t a a t l i c h e n S t r a f r e c h t s , als der S e l b s t b e s c h r ä n k u n g der a n sich u n b e s c h r ä n k t e n S t a a t s g e w a l t (oben § 1 N o t e 1), l i e g t , d a ß d u r c h d a s S t r a f g e s e t z n i c h t nur die V o r a u s s e t z u n g der S t r a f e (der T a t b e s t a n d des Verbrechens), sondern a u c h ihr I n h a l t (die Rechtsfolge) n a c h A r t und M a ß b e s t i m m t wird. Die Betrachtung der Geschichte lehrt uns, daß diese im älteren Strafrecht ein für allemal (absolut) gegebene Bestimmung erst allmählich im Laufe der Entwicklung einer r i c h t e r l i c h e n B e m e s s u n g der Strafe Platz macht. So kennt sowohl die Gesetzgebung der X I I Tafeln als auch die Zeit des Quästionenprozesses nur Verhängung oder Nichtverhängung der unabänderlich vom Gesetze vorgeschriebenen Strafe; und erst die Kaiserzeit verleiht, den Gedanken der extraordinaria cognitio ausdehnend, dem Richter die Befugnis zur Bemessung der Strafe nach den Umständen des Einzelfalles. Auch im deutschen Mittelalter finden wir, soweit die Herrschaft des gesetzten Rechts reicht, nur absolut bestimmte Strafdrohungen, die aber durch das „Richten nach Gnade" ergänzt werden. Und dasselbe gilt im wesentlichen von der PGO. Erst im späteren gemeinen Rechte, als das Gebiet der willkürlichen Bestrafung immer weiter ausgedehnt wurde, und neue Strafarten an Stelle der in der Karolina angedrohten getreten waren, gewann die richterliche Strafzumessung an Bedeutung. Da es an gesetzlichen Vorschriften über die Bestimmung ebenso fehlte wie an wissenschaftlichen Grundsätzen über die Strafzumessung, verfiel die Rechtsprechung schrankenloser Willkür. Den entgegengesetzten Standpunkt vertraten in äußerster Schroffheit, vor keiner Folgerung zurückschreckend, die Schriftsteller der Aufklärungszeit (oben § 11,1, v . L i S i t , Strafrecbt.

2t, A u l l .

I&

274

§ 68.

Die richterliche Strafzumessung.

insbesondere Code pénal 1791): Sie wollten den Richter gebunden wissen an den B u c h s t a b e n des Gesetzes. A u s diesem K a m p f e ging d a s die Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts beherrschende System der r e l a t i v b e s t i m m t e n Strafdrohungen hervor, der zwischen Mindestmaß und H ö c h s t m a ß sich spannenden S t r a f r a h m e n . D o c h fehlt a u c h iieute noch dem Richter der feste M a ß s t a b , um innerhalb des Strafrahmens die im Einzelfalle verwirkte S t r a f e zu bemessen. Diesen Maßstab vermag ihm nur der G e d a n k e der Spezialprävention (oben § 2 III) zu geben. Die von der Vergeltungstheorie geforderte Gleichung zwischen Schuld und Strafe stellt den Richter vor eine völlig unlösbare A u f g a b e . Daran hat auch V E §§ 81 bis 89 nichts Wesentliches geändert, obwohl er den Richter anweist, einerseits die Folgen der T a t , andererseits die v e r brecherische Gesinnung des Täters zu berücksichtigen. W e r t v o l l i s t dagegen das in V E § 83 vorgeschlagene außerordentliche Milderungsrecht, das in den im Gesetz bestimmten „besonders leichten F ä l l e n " bis zum Straferlaß g e h e n kann. D a s Gegenstück bilden die „besonders schweren F ä l l e " , deren Behandlung im V E recht bedenklich erscheint. D i e Zulassung mildernder U m s t ä n d e ist im V E nicht, wie dringend wünschenswert wäre, auf sämtliche S t r a f t a t e n ausgedehnt. [ K E §§ n o f f . hält an diesen Vorschlägen im wesentlichen f e s t . Dagegen erstreckt E 1919 §§ 113 bis 115 die Zulassung mildernder Umstände auf sämtliche Verbrechen und Vergehen und sieht f ü r den F a l l der A n n a h m e mildernder Umstände eine in besonderer S t a f f e l u n g durchgeführte E r m ä ß i g u n g der ordentlichen S t r a f e nach A r t und M a ß vor. In der B e h a n d l u n g der besonders leichten und besonders schweren Fälle lehnt sich E 1919 an die anderen E n t w ü r f e an.]

II. In der Reichsgesetzgebung finden sich a b s o l u t e S t r a f drohungen nur in ganz verschwindender Z a h l und B e d e u t u n g : soweit das Gebii t der Todesstrafe reicht (oben § 60 I I , vgl. aber Note 6 ; anders M i l S t G B §§ 58, 60, 63, 95, 97, 133, 141), und soweit die Geldstrafe als Bruchteil oder als Vielfaches eines bestimmten Geldbetrages zu berechnen ist (oben § 63 III). Die Herrschaft führt auch in der Reichsgesetzgebung das System der „Strafrahmen", d. h. der relativ bestimmten Strafdrohungen. Diese R e l a t i v i t ä t kann liegen: I; Darin, daß der Gesetzgeber dem Richter i n n e r h a l b d e r s e l b e n S t r a f a r t einen Spielraum zwischen einem Mindest- und einem Höchstbetrage läßt. In diesem Falle ist nicht nur der A b s t a n d zwischen der unteren und der oberen Grenze, sondern auch die durch die A r t der Berechnung, insbesondere durch die Rechnungseinheit bei den Freiheitsstrafen (oben § 62 II 3), bestimmte Zahl der dazwischen liegenden S t r a f g r ö ß e n zu beachten. So enthält „ Z u c h t haus bis zu fünfzehn J a h r e n " 169 S t r a f g r c ß e n ; „ G e f ä n g n i s bis zu fünf J a h r e n " deren etwa (Schaltjahre!) 1826; „ F e s t u n g s h a f t bis zu fünfzehn Jahren" e t w a 5478; „ H a f t bis zu sechs W o c h e n " 42 Strafgrößen. 2. Darin, daß der Gesetzgeber dem Richter die W a h l l ä ß t zwischen z w e i o d e r s o g a r m e h r e r e n (wieder durch Mindestmaß und Höchstmaß begrenzten) S t r a f a r t e n . Vgl. S t G B § 185. Preßg. § 21 läßt sogar dem Richter die W a h l zwischen v i e r verschiedenen Strafarten (Geldstrafe, Haft, Festungshaft, Gefängnis). In diesem Falle h a t der Richter in leichteren Fällen die leichtere S t r a f a r t ; wenn Zuchthaus und Festungshaft zur Wahl gestellt

§ 68.

Die richterliche Strafzumessung.

275

sind, 1 )

Zuchthaus nur bei festgestellter ehrloser Gesinnung des Täters zu wählen ( S t G B § 20). 3. Darin, daß es dem Ermessen des Richters überlassen wird, ob er auf eine oder zwei Hauptstrafen, oder auch, ob er neben der Hauptstrafe auf eine Nebenstrafe erkennen will.

III. Innerhalb der gesetzlichen Strafrahmen hat der R i c h t e r die Strafe für das einzelne gegebene Verbrechen zu bemessen; im Einzelfalle die Aufgabe Zu lösen, die der Gesetzgeber im allgemeinen zu lösen hatte. Diese Bestimmung der Strafe innerhalb des Strafrahmens heißt Strafzumessung; die den Richter dabei leitenden Gesichtspunkte nennt man S t r a f m e h r u n g s - (oder Straferhöhungs-) und S t r a f m i n d e r u n g s g r ü n d e . Sie können nur in der größeren oder geringeren Intensität der asozialen Gesinnung, in dem Vorliegen oder Fehlen der sozialen Anpassungsfähigkeit gefunden werden. Die äußere Tat, mit dem durch sie \erursachten Erfolge, ist in ihrer symptomatischen Bedeutung für die psychische Eigenart des Täters (oben § 3 II) zu würdigen. Der von M. E. Mayer geprägte Satz: „Das Motiv entlastet, der Charakter belastet" mag dem Richter dabei als Leitfaden dienen. IV. Wenn auch der Gesetzgeber die Strafrahmen für die einzelne Verbrechensart weit genug bemißt, so daß der verschiedenen Schwere des Einzelfalles Rechnung getragen werden kann, so können doch Ausnahmen vorkommen, denen gegenüber der Regelstrafrahmen sich als zu eng erweist, in welchen also ein Hinaufgehen über das Höchstmaß, ein Herabgehen unter das Mindestmaß als angezeigt erscheint. Für diese Fälle stellt der Gesetzgeber, an die besondere Gestaltung des Tatbestandes anknüpfend, b e s o n d e r e , sei es schwerere, sei es leichtere, S t r a f r a h m e n auf. Nicht genau spricht man hier von Strafänderung (als ob es sich um eine richterliche und nicht um eine gesetzgeberische Tätigkeit handelte), zerfallend in S t r a f s c h ä r f u n g und S t r a f m i l d e r u n g . V . Tatsächliche oder rechtliche Unanwendbarkeit an sich anzuwendender Strafarten führt zur Strafumwandlung: das Zusammentreffen früherer mit späteren in derselben Sache notwendig werdenden Entscheidungen oder von der zu erkennenden Strafe mit anderen bereits vom Verbrecher erlittenen Übeln zur Strafanrechnung. Endlich sind noch die besonderen Bestimmungen ins Auge zu fassen, die der Gesetzgeber für den Fall des Zusammentreffens mehrerer Straftaten gegeben hat. i) Dies ist der Fall: S t G B §§ 81 bis 86, 88, 89, 94. 96, 98, 100, 105 und 106; MilStGB §§ 2 und 62.

18*

§ 69.

276

§ 69.

Strafänderung.

Strafänderung.

1. Strafschärfung.

I. Strafschärfung.

Literatur. Überhaupt: Lippmanri Historisch-dogmatische Darstellung der Lehre von der richterlichen Strafänderungsbefugnis 1863. ME. Mayer Die allgemeinen Strafschärfungsgründe des deutschen M i l S t G B 1903. Aichinger Strafmilderung und Strafschärfung im V E , verglichen mit dem geltenden Recht. Erlanger Diss. 1912. — Über den R ü c k f a l l s. oben § 4 Note 8. Dazu Kohlhaas Der R ü c k f a l l nach deutschem Reichsstrafrecht. Tübinger Diss. 189O. Hartwig D a s geltende deutsche gemeine Rückfallsrecht. Erlanger Diss. 1901. Honig Der ungleichartige Rückfall als allgemeiner Strafschärfungsgrund. Erlanger Diss. 1914. I

Die

Weite der von der

Gesetzgebung

verwendeten

regel-

mäßigen Strafrahmen gestattet es, die Aufstellung von besonderen, erhöhten

Strafrahmen auf ein verhältnismäßig

beschränken.

Allgemeine

RStGB fremd geblieben zelnen

Vergehungen

kleines

Schärfungsgründe

(anders M i l S t G B §,§ 53, 55).

werden

als

gewerbs- oder gewohnheitsmäßige

strafschärfend Begehung

Gebiet

sind

zu

dem

Bei e i n -

berücksichtigt:

(oben

§ 55 N o t e

7),

Gemeinsamkeit oder Öffentlichkeit der VerÜbung, Gebrauch einer W a f f e , Verletzung eines Verwandten aufsteigender Linie, Beteiligung als Rädelsführer, gewinnsüchtige Absicht, Eintritt eines schweren Erfolges (oben § 36 Note iö) und andere mehr.

Auch der R ü c k -

fall (oben § 57 I) wird nur bei wenigen einzelnen Verbrechen als Schärfungsgrund verwendet.

E s muß daher der Hinweis auf den

Besonderen Teil an dieser Stelle genügen. II. Der Rückfall, im römischen wie im mittelalterlich-deutschen Rechte und ebenso in A r t . 161, 162 P G O nur bei einzelnen Verbrechen, insbesondere beim Diebstahl (der ter furatus steht dem grassator gleich), als Schärfungsgrund anerkannt, wird im gemeinen Recht, das auf der Lehre der Italiener von der consuetudo delinquendi und der iteratio delicti fußt, wesentlich weitergebildet und verallgemeinert. Insbesondere werden allmählich die Begriffe Rückfall, Zusammentreffen, Gewohnheit schärfer bestimmt und genauer voneinander geschieden. Die Mehrzahl der deutschen Strafgesetzbücher des 19. Jahrhunderts (so auch Preußen) stellt, mit zahlreichen Abweichungen im einzelnen, den Rückfall als allgemeinen Strafschärfungsgrund auf. Die außerdeutsche Gesetzgebung schwankt. Die Reichsgesetzgebung verwertet den Rückfall nur in folgenden Fällen: Zunächst in S t G B selbst in §§ 244, 245 (Diebstahl), 250 Ziff. 5 (Raub), 261 (Hehlerei), 264 (Betrug). Vgl. auch § 362 Abs. 2. Ferner in zahlreichen Nebengesetzcn, besonders Zoll- und Steuergesetzen. Dazu treten noch die Bestimmungen des M i l S t G B (§§ 13, 70, 71, 114, 122). I I I . Wesentliche Fortschritte bringen die Entwürfe. Der Rückfall wird in weitestem Umfang als Strafschärfungsumstand anerkannt. Gegen den Täter, der wegen wiederholten und schweren Rückfalls als g e w e r b s - o d e r g e w o h n h e i t s m ä ß i g e r V e r b r e c h e r erscheint, ist in V E § 89 eine strenge „Sicherungsstrafe" vorgesehen. [ K E § 121 und E 1919 § 120 sehen f ü r gewerbs- und gewohnheitsmäßige Verbrecher ebenfalls besonders erhöhte Strafrahmen vor, verwenden aber daneben noch die oben § 66 erörterte Sicherungsverwahrung.]

§ 7°-

§ 70.

S t rafänderung.

Strafänderung.

2. Strafmilderung.

2.

277

Strafmilderung.

Literatur. Morris Geschichte und S y s t e m der mildernden U m s t ä n d e im deutschen S t r a f r e c h t und P r o z e ß 1887. Goetze D i e mildernden U m s t ä n d e . Göttinger Diss. 1893. Lohsing bei G r o ß 24 1, 384; Hoegel ebenda 24 45. Kahl

DJZ 11 895- Aichinger (Lit. zu § 69). I. D i e allgemeinen Milderungsgründe der Reichsgesetzgebung 1 ) s i n d : 1. Jugendliches A l t e r ; 2. Versuch; 3. Beihilfe. 1. B e i j u g e n d l i c h e m A l t e r (oben § 38 I) b e s t i m m t S t G B § 57:») a) Ist die Handlung m i t dem T o d e oder m i t lebenslänglichem Zuchthaus bedroht, so l a u t e t der herabgesetzte Strafrahmen: Gefängnis von drei bis z u fünfzehn Jahren. b) Bei lebenslänglicher F e s t u n g s h a f t : Festungshaft von drei bis zu fünfzehn Jahren. c) In allen übrigen Fällen ist die Strafe zwischen dem gesetzlichen Mindestbetrage der angedrohten S t r a f a r t und der H ä l f t e des Höchstbetrages der angedrohten Strafe zu bestimmen. Dies g i l t auch für die Fälle, in denen (oben § 63 III) die Geldstrafe dem Erwachsenen gegenüber als Vielfaches eines bestimmten B e t r a g e s zu bemessen ist, so d a ß a u c h hier die in § 27 S t G B angegebenen Mindestbeträge maßgebend sind. A n Stelle von Zuchthaus t r i t t Gefängnisstrafe von gleicher Dauer. d) W e g e n Vergehen oder Übertretungen kann in besonders leichten Fällen auf V e r w e i s erkannt werden. e) A u f Verlust sämtlicher oder einzelner Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit v o n Polizeiaufsicht ist nicht zu erkennen. Überweisung an die Landespolizeibehörde dagegen ist g e s t a t t e t ; bei jugendlichen Dirnen aber Arbeitshaus ausgeschlossen (oben § 64 II). 2. F ü r den F a l l des V e r s u c h e s b e s t i m m t S t G B § 44: Ist das vollendete Verbrechen m i t dem T o d e oder m i t lebenslänglichem Zuchthaus bedroht, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein, neben der (allgemein) auf Zulässigkeit v o n Polizeiaufsicht erkannt werden k a n n . Lebenslängliche Festungshaft w i i d durch Festungshaft n i c h t unter drei Jahren ersetzt. In allen übrigen Fällen k a n n die Strafe bis auf ein Viertel des Mindestbetrages der auf das vollendete Verbrechen oder Vergehen angedrohten Freiheits- oder Geldstrafe ermäßigt werden. 3 ) Ist hiernach Zuchthausstrafe unter einem Jahr v e r w i r k t , so ist sie nach M a ß g a b e des § 21 S t G B in Gefängnis zu verwandeln. W e n n jedoch neben der Strafe des vollendeten Verbrechens oder V e r gehens die (vollständige oder nach S t G B § 35 teilweise) Aberkennung der biirger') D i e Landesgesetzgebung ist auf dem ihr überlassenen Gebiete a u c h in dieser B e z i e h u n g nicht gebunden (oben § 20 N o t e 2). — N a c h Wachenfeld 263 handelt es sich nur u m Modifikationen des gewöhnlichen Strafrahmens; v g l . a u c h Mayer 482. *) Sind f ü r die in F r a g e stehende s t r a f b a r e H a n d l u n g im Gesetze mildernde U m s t ä n d e vorgesehen, so ist zuerst über diese zu entscheiden und dann erst die Herabsetzung des S t r a f r a h m e n s v o r z u n e h m e n ; R 6 98. Entgegengesetzter A n s i c h t Lobe i n R G R ä t e K o m m . § 57 N o t e 2. •') B e t r ä g t das Mindestmaß der Vollendungsstrafe einen Monat Gefängnis, so bilden sieben und nicht a c h t T a g e die Mindestgrenze der Versuchsstrafe. So a u c h Frank § 44 I , Lobe in R G R ä t e K o m m . § 44 N o t e 5 b , Olshausen § 4 4 6 gegen R 5 442, 46 303, Köhler 480.

278

§ jo.

Strafänderung. 2. Strafmilderung.

liehen Ehrenrechte zulässig oder geboten ist, oder auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden kann, so gilt Gleiches auch bei der Versuchsstrafe (StGB- § 45). Hat ein jugendlicher Verbrecher sich des Versuchs schuldig gemacht, so ist die Herabsetzung zuerst nach § 44 und dann nach § 57 vorzunehmen. 4 ) 3. Die Strafe des G e h i l f e n ist ebenfalls nach den über die Bestrafung des Versuchs aufgestellten Grundsätzen zu ermäßigen (StGB § 49). Liegt Beihilfe zum Versuche vor, so ist die Herabsetzung zweimal vorzunehmen. Beihilfe zur Beihilfe führt dagegen nur zu einmaliger Herabsetzung (oben § 52 Note 9). Die Herabsetzung entfällt, wenn das Gesetz den Versuch mit der Strafe des vollendeten Verbrechens belegt (oben § 51 Note 10).

I I . Daneben finden wir bei den einzelnen Vergehungen eine Reihe besonderer Milderungsgründe. So die „Anreizung" durch den Gegner beim Totschlag in § 2 1 3 ; die durch den gegnerischen Angriff hervorgerufene Erregung bei Beleidigung und Körperverletzung ( S t G B §§ 199, 2 3 3 ; unten § 72 I I I ) ; die Fälle der §§ 1 5 7 und 158 beim Meineid usw. 6 ) Insbesondere aber hat der Reichsgesetzgeber bei zahlreichen strafbaren Handlungen f ü r den Fall „mildernder U m s t ä n d e " , die im schwurgerichtlichen Verfahren durch Befragen der Geschworenen festzustellen sind (StPO § 297), mildere Bestrafung vorgesehen. 8 ) In den meisten Fällen ist die Milderung bindend vorgeschrieben; in anderen Fällen (so S t G B §§ 187, 246, 263, 333, 340 Abs. i , nicht aber 340 Abs. 2 und 228) dagegen hat der Richter trotz Feststellung des Vorliegens mildernder Umstände die Wahl, ob er die Milderung eintreten lassen will oder nicht. Diese vom Gesetzgeber nicht näher bezeichneten „mildernden Umstände" können nicht nur in der T a t selbst, sondern auch in dem ihr vorangegangenen oder nachfolgenden Verhalten des Täters 7 ) gefunden werden. Darin liegt ihr Unterschied von den „besonders leichten", „minder schweren F ä l l e n " in S t G B § 57 Ziff. 4, 94, 96. «) Umgekehrt Lobe in RGRäteKomm. § 44 Note 3. — Ein Strafrahmen mit 1 Jahr Zuchthaus als Mindestmaß ergibt nach der Ansicht des Textes 1 Tag Gefängnis als Mindestmaß für Versuch des Jugendlichen. Übereinstimmend im Ergebnisse Aufeld 3 5 1 , Finger 1 519, Frank § 44 I I I , Olshausen § 5 7 9, Wachenfeld 261. Dasselbe gilt entsprechend für den Fall, daß Beihilfe eines Jugendlichen zu betrafen ist. 6 ) Darüber Besonderen Teil. Wenn dem Jugendlichen die Milderungsgründe der §§ 157, 158 zugute kommen sollen, so ist zuerst der regelmäßige Strafrahmen nach § 57 herabzusetzen, dann die „an sich verwirkte" Strafe zu bestimmen, und nun erst die Ermäßigung nach §§ 157, 158 vorzunehmen Abweichend R 9 245, sowie Allfeld 3 5 1 , Frank § 157 I I , Olshausen § 157 4 ") Die Zulassung der „circonstances atténuantes" stammt aus dem französischen Recht (insb. G vom 28. April 1832). Das R S t G B hat sie folgewidrig nicht bei allen Straftaten vorgesehen; ebensowenig V E § 82, dem leider auch K E folgt. Anders G E und E 1 9 1 9 (vgl. oben § 68 I). ') Dagegen Wachenfeld 265. "

§

§ 71.

Strafumwandlung.

279

Straf Umwandlung.

Literatur. Adams D i e geschichtliche E n t w i c k l u n g der subsidiären Freiheitsstrafe (V. Lil. H e f t 162) 1912.

Strafumwandlung ist die U m r e c h n u n g e i n e r S t r a f a r t i n e i n e a n d e r e . Sie wird notwendig, sobald die Anwendung der zunächst in Frage kommenden Strafart aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Sie ist in folgenden Fällen vorgeschrieben: I. Eine nicht beizutreibende Geldstrafe ist in Freiheitsstrafe umzuwandeln

(Ersatzfreiheitssträfe;

StGB

§§ 28, 29, 78;

StPO

§ § 491« 495)A n die Stelle der Geldstrafe t r i t t nach § 28 S t G B : 1. R e g e l m ä ß i g G e f ä n g n i s . 2. H a f t bei Übertretungen, ferner nach richterlichem Ermessen bei Vergehen, wenn die Geldstrafe allein oder an erster Stelle oder wahlweise neben H a f t angedroht ist, vorausgesetzt, d a ß die erkannte Strafe nicht den B e t r a g v o n sechshundert Mark und die an ihre Stelle tretende Freiheitsstrafe nicht die Dauer v o n sechs Wochen übersteigt. 3. Z u c h t h a u s . W a r neben der Geldstrafe auf Zuchthaus erkannt, so ist die an deren Stelle tretende Gefängnisstrafe in Zuchthaus umzurechnen.*) M a ß s t a b d e r U m w a n d l u n g ( S t G B § 29): B e i Verbrechen oder Vergehen ist irgend ein B e t r a g zwischen drei und fünfzehn Mark, bei Übertretungen irgend ein B e t r a g zwischen einer und fünfzehn Mark einer eintägigen Freiheitsstrafe gleichzuachten. Grenze der Freiheitsstrafe. Ihr Mindestbetrag ist ein T a g , 1 ) der Höchstbetrag bei H a f t sechs W o c h e n , bei Gefängnis ein Jahr. Im Falle des Zusammentreffens (unten § 73) erhöht sich der Höchsbetrag auf drei Monate H a f t , bzw. zwei Jahre Gefängnis ( S t G B § 78 A b s . 2). Wenn eine neben der Geldstrafe wahlweise (oder a u c h bei mildernden Umständen) angedrohte Freiheitsstrafe ihrer D a u e r nach den vorgedachten Höchstbetrag nicht erreicht, so darf die subsidiäre Freiheitsstrafe den angedrohten Höchstbetrag j e n e r Freiheitsstrafen nicht übersteigen ( S t G B § 29 letzter Satz). D i e subsidiären Freiheitsstrafen sind niemals in eine Gesamtstrafe zu vereinigen. Der Verurteilte kann sich durch Erlegung des Strafbetrags, soweit dieser durch die entstandene Freiheitsstrafe noch nicht getilgt ist, von der letzteren freimachen (StGB § 28 Abs. 4). Vielfach v o n dem eben Gesagten abweichende Bestimmungen enthalten die Nebengesetze. So schließen sie teilweise die Umwandlung in Freiheitsstrafe überhaupt aus, wie Erbschaftssteuerg. 1906 § 52 u. a . ; oder sie stellen einen anderen U m w a n d l u n g s m a ß s t a b auf wie Nachdrucksg. 1870 § 18 A b s . 3 ; oder sie bestimmen das H ö c h s t m a ß der Freiheitsstrafe abweichend, wie die Steuergesetze von 1 9 0 9 , 1 9 1 8 , 1 9 1 9 . Mehrfach ist auch die A r t der Freiheitsstrafe abweichend bestimmt: so in Gewerbeordng. § 146 (stets Gefängnis) und § 147 (stets H a f t ) ; Vereinsg. 1908 § 1 9 (stets H a f t ) . ") Keine u n m i t t e l b a r e Umwandlung von Geldstrafe in Zuchthaus: 296. ') Bruchteile eines Tages, die sich bei der Umrechnung ergeben, sind mithin in Wegfall zu bringen.

R 54

280

§ 72.

Anrechnung auf v e r w i r k t e

Strafe.

II. Die Umwandlung einer Freiheitsstrafe in eine andere ist aus verschiedenen Gründen notwendig. 1. D a der gesetzliche Mindestbetrag der Zuchthausstrafe ein' Jahr beträgt, so ist die Umrechnung in Gefängnis nötig, sobald in den Fällen der §§ 44, 49, x^y, 158 S t G B nach dem herabgesetzten Strafrahmen Zuchthausstrafe unter einem Jahr verwirkt wäre. 2. Wird bei Zusammentreffen von Zuchthaus mit Festungshaft oder Gefängnis die Gesamtstrafe nach S t G B § 74 Abs. 2 gebildet (unten § 73), so sind diese Strafen in Zuchthaus umzurechnen. 3. War neben einer Geldstrafe auf Zuchthaus erkannt, so ist die subsidiäre Gefängnisstrafe (nicht die Haft) in Zuchthausstrafe umzuwandeln ( S t G B § 28 Abs. 3). M a ß s t a b d e r U m r e c h n u n g in allen drei Fällen ( S t G B § 21): A c h t Monate Zuchthaus sind gleich zwölf Monaten G e f ä n g n i s ; acht Monate Gefängnis gleich zwölf Monaten Festungshaft. III. Vereinzelt findet sich auch noch die Umwandlung der Einziehung in eine Geldstrafe. Vgl. z. B . G vom >9. Juni 18^5 (österreichisch-ungarische Zollgesetze) § 4-2)

§ 72.

Anrechnung auf die verwirkte Strafe.

Literatur. Z u I : Kriegsmann V D A l l g . T . 8 221. — Z u I I I : Schoetensack V D A l l g . T . 2 397. Beling Die geschichtliche E n t w i c k l u n g der Retorsion und K o m p e n s a t i o n usw. (v. Lil. H e f t 5) 1894. Steinitz Die sogenannte K o m p e n s a t i o n im R S t G B (v. Lil. H e f t 4) 1894. Schönherr Die K o m p e n s a t i o n im S t r a f r e c h t . E r l a n g e r Diss. 1908. Lohmann D i e K o m p e n s a t i o n bei Retorsion gegen B e leidigungen durch Mitglieder deutscher P a r l a m e n t e (V. Lil. H e f t 170) 1 9 1 3 . Günther 3 1. H ä l f t e S. 283.

I. Eine erlittene Untersuchungshaft kann der Strafverbüßung gleichgestellt und bei Fällung des Urteils auf die erkannte Strafe (die im Urteil ihrem vollen Betrag nach anzugeben ist) ganz oder teilweise angerechnet werden ( S t G B § 60). Die Anrechnung ist soweit möglich wie die Umrechnung; sie ist also bei zeitiger Freiheitsund Geldstrafe 3 ), nicht bei Verweis oder Todesstrafe, nie bei den Nebenstrafen gestattet. 1 ) Das Ergebnis der Anrechnung kann sein, s) N i c h t hierher gehören die B e s t i m m u n g e n , nach denen (so S t G B § 3 3 5 ; P r e ü g . § 16) s t a t t auf E i n z i e h u n g auf Z a h l u n g des W e r t e s des einzuziehenden. G e g e n s t a n d e s e r k a n n t werden k a n n . •) V g l . hierzu R 54 24. E b e n s o im wesentlichen Allfeld 363, Finger 1 523, Frank § 60 I I I , Lobe in R G R ä t e K o m m . § 60 N o t e 4. — U n v e r s c h u l d e t b r a u c h t die U n t e r s u c h u n g s h a f t n i c h t zu sein; a b w e i c h e n d V E § 86. [ N a c h K E § m (in E 1 9 1 9 n i c h t wiederholt) ist die erlittene U n t e r s u c h u n g s h a f t auf zeitige Freiheitsstrafe und auf G e l d s t r a f e u n v e r k ü r z t anzurechnen, doch k a n n d a v o n „ a u s besonderen G r ü n d e n " g a n z oder teilweise abgesehen werden.]

§ 72 •

Anrechnung auf die verwirkte Strafe.

281

d a ß der R e s t der verwirkten Strafe unter das Mindestmaß der Strafa r t h e r a b s i n k t ; eine U m w a n d l u n g f i n d e t in diesem Falle nicht statt. I I . E i n e i m A u s l a n d e v o l l z o g e n e Strafe ist, w e n n w e g e n d e r selben H a n d l u n g im Gebiete des Deutschen R e i c h s abermals Verurteilung erfolgt, auf die zu erkennende z u b r i n g e n ( S t G B § 7 v g l . m i t § § 3 u n d 4).

S t r a f e in

eine

Anrechnung

A u c h hier g i l t in b e z u g

auf Zulässigkeit und Ergebnis der U m w a n d l u n g das zu I

Gesagte.

III. Die sogenannte Erwiderung oder Aufrechnung (Retorsion o d e r K o m p e n s a t i o n ) ( S t G B §§ 1 9 9 u n d 233). verletzungen 189)

mit

W e n n leichte Körper-

(§ 2 2 3 S t G B ) m i t s o l c h e n , B e l e i d i g u n g e n

leichten

Körperverletzungen

oder

letztere

( § § 1 8 5 bis mit

eisteren

a u f d e r S t e l l e (d. h . s o l a n g e d i e d u r c h d i e K r ä n k u n g h e r v o r g e r u f e n e G e m ü t s b e w e g u n g fortdauert) v o n d e m V e r l e t z t e n selbst (nicht e t w a seinen

Angehörigen)2)

erwidert

beide Angeschuldigte oder dem

Maße

nach

mildere

werden,

so k a n n

der

Richter

f ü r einen v o n ihnen eine der A r t Strafe

eintreten

oder beide f ü r „ s t r a f f r e i " erklären.

lassen

oder

den

für oder

einen

D a s gleiche gilt sachlich

f ü r den F a l l , d a ß eine B e l e i d i g u n g m i t einer B e l e i d i g u n g auf

auch der

Stelle erwidert wird ( S t G B § 199). Es handelt sich dabei um eine Erweiterung des dem Richter bei Bemessung der Strafe zugewiesenen Spielraumes, die bis zur Gestattung der StrafumWandlung, ja selbst der Verschonung mit aller Strafe reicht. Die beiden geschichtlichen Wurzeln des Instituts, 3 ) die privatrechtliche Kompensation einerseits, die strafrechtliche Berücksichtigung des justus dolor andererseits, tragen auch heute noch seine Lebenskraft. Dem Richter soll die Gelegenheit geboten werden, einerseits die Aufregung des zuerst Angegriffenen, andererseits die Tatsache, daß dieser bereits selbst sich Sühne genommen, in umfassendster Weise in Betracht zu ziehen. Aufgerechnet mit dem Strafübel wird also, wenn auch aus verschiedenem Grunde, die von jedem der beiden Teile bereits erlittene Verletzung. Ebendarum setzt die Anwendung des durch oie §§ 199 und 233 dem Richter eingeräumten Rechts voraus, daß auf seiten beider Teile s t r a f b a r e Handlungen vorliegen; bei F r e i s p r e c h u n g aus irgend einem Grunde, sei es auch nur des einen der beiden, kann daher von Aufrechnung keine Rede mehr sein. Sie ist daher ausgeschlossen, sobald wegen Mangels der Rechtswidrigkeit die Strafbarkeit der Handlung des einen der beiden Teile entfällt. Dagegen ist sie an sich möglich, wenn auf Seiten des einen der beiden Täter ein persönlicher Strafausschließungsgrund gegeben ist. 1 ) *) Oder dem Begleiter: R 29 240. E s ist auch dem deutschen Mittelalter nicht fremd gewesen (Kleinfeller K V S 38 132, H/s (Lit. zu § 8 II) 394), aber erst durch die mittelalterliche Wissenschaft Italiens ausgebildet worden. Vgl. Günther 1 214, Lotning Z 5 573, insbes. aber Beling und Steinitz. Für die neuere Gesetzgebung ist der E i n f l u ß des Antragserfordernisses und der P r i v a t k l a g e unverkennbar. *) Vgl. oben § 24. Ebenso die herrschende Ansicht. Dagegen R 4 14; Kleinfeller V D Allg. T . 1 332, Schwartz § 11 Nöte 6. 3)

282

§ 73-

Zusammentreffen mehrerer Straftaten („reale Konkurrenz").

§ 73.

Zusammentreffen mehrerer Straftaten („reale Konkurrenz").

Literatur. Vergleiche die oben zu § 57 angeführten Abhandlungen. — Brunner 2 541. Schreuer (Lit. zu § 8 I). kohler 3 392- Zeiler 7, 83 669. I. Liegen mehrere selbständige Straftaten desselben Täters z u r strafrechtlichen Beurteilung vor, so wäre die logisch notwendige Folge aus der Selbständigkeit der einzelnen Handlungen die Selbständigkeit der ihnen entsprechenden Einzelstrafen, die mithin sämtlich ungekürzt neben- oder nacheinander zu vollstrecken wären. Aber so wie zur Zeit der Vorherrschaft der Todesstrafe die t a t s ä c h l i c h e U n m ö g l i c h k e i t , mehrere Todesstrafen an demselben Täter anders als bildlich zu vollstrecken, so führt in d e m heutigen R e c h t das Ü b e r w i e g e n d e r F r e i h e i t s s t r a f e n zu tiefgehenden Abweichungen von der H ä u f u n g ( K u m u l a t i o n ) der für die Einzelverbrechen verwirkten Strafen. Mit der Dauer der Freiheitsstrafe wächst deren Schwere: Soll daher die S t r a f vollstreckung bei zusammentreffenden Straftaten nur die wirkliche Summe der einzelnen Straf übel zufügen, so muß sie diesen an U m fang nehmen, was sie durch die Häufung an Schwere gewinnen. So gelangen wir zu der. Forderung einer Milderung des Grundsatzes der Häufung bei zusammentreffenden Straftaten; einer Milderung, die in Wahrheit eine Wiederherstellung des ursprünglichen Gleichmaßes zwischen Einzelhandlung und Einzelstrafe ist; einer Milderung, die aber nur dort und nur soweit angemessen ist, wo und soweit die Häufung jenes ursprünglich Gleichmaß stört. Dies ist der Grundgedanke der in den §§ 7 4 f f . R S t G B niedergelegten Bestimmungen. II. Die Milderung der H ä u f u n g ist im R S t G B zum Ausdrucke gelangt in der Gestalt der Gesamtstrafe. Sie findet aber nur dort Anwendung, wo durch m e h r e r e (gleichnamige oder ungleichnamige) V e r b r e c h e n o d e r V e r g e h e n m e h r e r e z e i t i g e F r e i h e i t s s t r a f e n verwirkt worden sind; denn nur hier würde nach Ansicht des Gesetzgebers der unverkürzte Vollzug sämtlicher Einzelstrafen eine von ihm nicht gewollte Schärfung jeder Einzelstrafe bedeuten. 1 ) ') VE §§ 91 bis 93 hat die Bestimmungen des geltenden Rechts wesentlich vereinfacht. Er dehnt die Gesamtstrafe einerseits auf Übertretungen, andrerseits auf alle Arten der Freiheitsstrafe aus. [KE §§ 40, 4t hat diesen Standpunkt indessen wieder aufgegeben und ist zu einer Sonderbehandlung der Einschließung und der H a f t zurückgekehrt. E 1919 schließt sich hierin dem K E an. Nach § 34 E 1919 ist auf Einschließung n e b e n G e f ä n g n i s (nicht neben Zuchthaus) gesondert zu erkennen, ebenso nach § 35 auf mehrere verwirkte Geldstrafen. Da die H a f t nach E 1919 § 43 Abs. 3 nur Ersatzstrafe für uneinbringliche Geldstrafen ist, die Bildung einer Gesamtstrafe aber nur bei Ver-

§ 73- Zusammentreffen mehrerer Straftaten („reale Konkurrenz").

283

D i e G e s a m t s t r a f e b e s t e h t in e i n e r E r h ö h u n g der verwirkten schwersten Strafe (Asperationsprindp). Es werden zunächst die sämtlichen Einzelstrafen ausgeworfen. Die schwerste von ihnen (bei gleichartigen die der Dauer, bei ungleichartigen die der A r t nach schwerste) bildet die E i n s a t z s t r a f e , die unverkürzt beizubehalten ist; die übrigen Einzelstrafen werden verhältnismäßig gekürzt und dann zu der Einsatzs^rafe hinzugerechnet. 2 ) Die Gesamtstrafe darf den Betrag der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen und fünfzehnjähriges Zuchthaus, zehnjähriges Gefängnis 2 *) oder fünfzehnjährige Festungshaft nicht übersteigen ( S t G B § 74). Die Gesamtstrafe ist trotz ihier Entstehung überhaupt, insbesondere aber in bezug auf die Verjährung, als eine einheitliche Strafe aufzufassen. I I I . In allen anderen Fällen tritt grundsätzlich Häufung der Einzelstrafen ein. So bei Zusammentreffen von Ü b e r t r e t u n g e n unter sich oder m i t Verbrechen oder Vergehen; ferner wenn nicht zeitige Freiheitsstrafen untereinander, sondern solche mit a n d e r e n S t r a f m i t t e l n oder andere Strafmittel untereinander zusammentreffen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn mehrere lebenslange Freiheitsstrafen oder mehrere Todesstrafen untereinander oder eine Todesstrafe mit einer Freiheitsstrafe zusammentreffen. Die genannten Strafen sind dann eben einfach nebeneinander zu erkennen. 3 ) Doch wird der Grundsatz der Häufung nicht rein durchgeführt. 1. So ist zwar auf G e l d s t r a f e n , die wegen mehrerer strafbarer Handlungen allein oder neben einer Freiheitsstrafe verwirkt sind, ihrem vollen Betrage nach zu erkennen; allein bei der Umwandlung in Freiheitsstrafe dürfen z w e i J a h r e G e f ä n g n i s und, Wirkung mehrerer zeitiger Freiheitsstrafen in Betracht kommt, so wird die Haft neben anderen Freiheitsstrafen ebenfalls stets selbständig erscheinen. Eine Ausnahme dürfte aber denkbar sein auf Grund des § 404, nach dem eine primäre Haftstrafe möglich ist.] ') Im Falle des § 79 StGB ist eine Z u s a t z s t r a f e auszusprechen. —• Wird durch das Revisionsgericht die Feststellung einzelner strafbarer Handlungen aufgehoben, so fällt damit die Gesamtstrafe, die eine aus unselbständigen Teilen bestehende Einheit bildet, in sich zusammen. Dagegen die ver. Strafsenate 25 298, sowie Frank § 74 IV, Schwartz § 74 Note 5. — Ist die Bildung der Gesamtstrafe nicht möglich, so muß die Erhöhung der Einsatzstrafe unterbleiben. Beträgt die eine Einzelstrafe also eine Woche und die andere einen Tag Gefängnis, so darf nicht auf mehr als eine Woche erkannt werden. So R wiederholt, zuletzt 30 141. Ebenso auch Lobe in RGRäteKomm. § 74 Note 7a, RMilG 21 184. Dagegen Eckstein GS 80 428, Kluckhohn GS 84 460. *") Auch bei Jugendlichen darf die Gesamtstrafe diese Höhe erreichen. Die Milderungen des § 57 finden bei Berechnung der Einzelstrafen statt; die Bildung der Gesamtstrafe unterliegt nur der Vorschrift des § 74; § 57 bleibt hier außer Betracht: R 54 202. 3 ) Ebenso die herrschende Ansicht. Vgl. neuerdings R 54 290.

§ 73-

Zusammentreffen mehrerer Straftaten („reale Konkurrenz").

wenn die mehreren Geldstrafen nur wegen Übertretungen erkannt, d r e i M o n a t e H a f t nicht überschritten werden 4 ) (StGB § 78 vgl. mit" § 29). 2. D i e A b e r k e n n u n g d e r E h r e n r e c h t e und d i e Z u l a s s u n g v o n P o l i z e i a u f s i c h t sind xwar neben der Gesamtstrafe zulässig oder geboten, auch wenn sie nur neben der Verurteilung zu einer der zusammentreffenden Einzelstrafen zulässig oder geboten sind 5 ) ( S t G B § 76); aber das für diese Nebenstrafen an sich vorgezeichnete Höchstmaß darf auch neben der Gesamtstrafe nicht überschritten werden. IV. Aber auch innerhalb des Gebietes der zeitigen Freiheitsstrafen erleidet der Grundsatz der Gesamtstrafe wesentliche Einschränkungen. 1. Trifft H a f t mit einer anderen Freiheitsstrafe zusammen, so ist auf die erstere g e s o n d e r t zu erkennen. Auf eine mehrfach verwirkte Haft ist ihrem Gesamtbetrage nach, jedoch nicht über die Dauer von drei Monaten, zu erkennen ( S t G B § 77). 2. Trifft F e s t u n g s h a f t nur mit Gefängnis zusammen, so ist auf jede dieser Strafarten gesondert zu erkennen. Ist Festungshaft oder Gefängnis mehrfach verwirkt, so ist hinsichtlich der mehreren Strafen gleicher A r t so zu verfahren, als wenn sie allein verwirkt wären. Doch darf die Gesamtdauer der Strafen in diesen Fällen fünfzehn Jahre nicht übersteigen ( S t G B § 75). V. Abweichende Bestimmungen finden sich vielfach in den Nebengesetzen. Ganz eigentümlich das (nicht mehr in Kraft befindliche) Spielkartenstempelg. 1878, das in mehreren Strafdrohungen die Strafe nach der Zahl der einzelnen feilgehaltenen, erworbenen, gebrauchten usw. Spiele bemißt, während § 3 Reichsstempelg. 1894 die Geldstrafe so bestimmt, daß sie mindestens zwanzig Mark für jedes Wertpapier beträgt. Nach HandelsGB § 319 tritt Geldstrafe von zehn bis dreißig Mark für jede der widerrechtlich zur Ausübung des Stimmrechts benutzten Aktien, jedoch nicht unter eintausend Mark, ein. ') Diese Grenze m u ß auch dann eingehalten werden, wenn die mehreren Geldstrafen wegen Vergehen erkannt sind, aber ausnahmsweise (oben § 71 I) in Haft umgewandelt werden sollen. So R 5 372, 7 368; Lobe in RGRäteKomm. § 78 N o t e 3. 5 ) E s kann daher Aberkennung der Ehrenrechte neben Gefängnis nach § 32 StGB nur dann ausgesprochen werden, wenn eine der Einzelstrafen drei Monate erreicht. — Die Dauer der Aberkennung wird auch neben der Gesamtstrafe einheitlich berechnet.

§ 74-

D i e Strafaufhebungsgründe im allgemeinen.

285

IV. Der Wegfall des staatlichen Strafanspruchs. § 74.

Die Strafaufhebungsgründe im allgemeinen.

Literatur. Binding

1 808. — Zu II: v. Bar Gesetz 3 365. Birkmeyer

Der

T o d des Verbrechers in seiner B e d e u t u n g f ü r S t r a f r e c h t und S t r a f p r o z e ß . Erlanger Diss. 1907 (1908). Weber Die V o l l s t r e c k u n g v o n Vermögensstrafen V D Allg. T . in den N a c h l a ß (V. LH. H e f t 28) 1900. — Zu I I I : Schoetensack

2 435, 467. Binding bei Grünhut 2 686. Lammasch Diebstahl und Beleidigung 1893 S. 34.

Liepmann

methoden 1893 s. 63.

Z 22 72.

Thomsen

Kriminalpolitische Bekämpfungs-

Herzog (Lit. zu § 48). ötker z 17 554.

I. Strafaufhebungsgründe sind solche nach B e g e h u n g der S t r a f t a t e i n t r e t e n d e U m s t ä n d e , die den b e r e i t s entstandenen Strafanspruch vernichten. Darin liegt ihr Unterschied von den S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e n , die das Entstehen eines Strafanspruches hindern (vgl. oben § 44 II). Die Eigenart der Strafaufhebungsgründe tritt am deutlichsten hervor in 4er Strafverbüßung, die als Leistung und mithin als Tilgung des Anspruchs erscheint. Sie wirken stets nur zugunsten desjenigen, in dessen Person sie eintreten (oben § 48 Note 6), ohne die Strafbarkeit der Tat zu beseitigen (Ausnahme in StGB § 204). Soweit durch prozessualische Handlungen, wie durch Vergleich im Sühneverfahren, durch Rücknahme des Antrages oder der Privatklage, durch rechtskräftige Entscheidung über den Anspruch usw., die Tilgung (Konsumtion) des Strafanspruchs herbeigieführt wird, kommt die Darstellung dieser Strafaufhebungsgründe unzweifelhaft dem S t r a f p r o z e ß r e c h t e zu. Als dem materiellen Strafrechte angehörige Strafaufhebungsgründe werden regelmäßig angeführt: 1. Der Tod des Schuldigen; 2. die tätige Reue; 3. die Begnadigung; 4. die Verjährung. Allein nur die beiden letzten können als gemeine Strafaufhebungsgründe festgehalten werden, während der tätigen Reue nur ausnahmsweise straftilgende Wirkung von unserer Gesetzgebung verliehen wird, und der Tod des Schuldigen überhaupt nicht zu den Strafaufhebungsgründen, sondern nur zu denjenigen Umständen gerechnet werden kann, durch welche die Verfolgung und Vollstreckung für immer ausgeschlossen wird. II. Aus den Zwecken der Strafe folgt die höchstpersönliche Natur des Strafanspruchs. Während weder dem spätrömischen noch dem mittelalterlichen oder gemeindeutschen Rechte die Durchführung des Strafverfahrens gegen den Verstorbenen bis zur Vollstreckung der Strafe an dem Leichnam oder bis zur Hinrichtung im Bilde (in effigie) widerstrebte, während noch Wissenschaft und Gesetzgebung der Aufklärungszeit den Namen des Verstorbenen an Galgen oder Schandsäulen anschlagen ließ (Josephinisches S t G B

286

§ 74-

Die Strafaufhebungsgründe im allgemeinen.

1787 § 17), hemmt nach unserer heutigen Auffassung der Tod des Schuldigen nicht nur das Feststellungs-, sondern auch das Vollstreckungsverfahren. Von einem Wegfall des Strafanspruchs infolge des Todes des Schuldigen könnte nur soweit gesprochen werden, als damit die Unmöglichkeit der Vollstreckung gegeben ist. Davon kann aber den rechtskräftig erkannten Vermögensstrafen gegenüber keine Rede sein. Wohl aber ergibt sich aus dem S t r a f z w e c k e die höchstpersönliche Natur des Strafanspruchs und damit die Forderung, daß die Strafe die P e r s o n des Schuldigen treffe. 1 ) Da das heutige Recht im allgemeinen diese Auffassung durchaus teilt, ist es eine nicht zu billigende Ausnahme, wenn das S t G B , im Anschluß an die deutschen Landesrechte, in § 30 die V o l l s t r e c k u n g v o n G e l d s t r a f e n in d e n N a c h l a ß anordnet, sofern das Urteil (dem der Strafbefehl gleichsteht) bei Lebzeiten des Verurteilten rechtskräftig geworden war. 2 ) III. Der sog. tätigen Rejie (d. h. der Abwendung oder dem Ersatz des Deliktsübels), die zur Zeit des gemeinen Rechts (Sachsen 1572 IV i6, Preußen 1685 u. a.) vielfach die Anwendung der ordentlichen Strafe ausschloß, legt unsere Gesetzgebung nur ausnahmsweise und in durchaus willkürlicher Abgrenzung die Bedeutung eines Strafaufhebungsgrundes bei. Sie will in diesen Fällen dem Verbrecher die Möglichkeit des Rückzuges offen lassen und so d a s durch ihn bedrohte Rechtsgut vor Verletzung überhaupt oder doch vor größerer Verletzung schützen. Außer dem .bereits besprochenen R ü c k t r i t t e v o m V e r s u c h e (oben § 48) gehören hierher: 1. Widerruf der fahrlässigen falschen Aussage, S t G B § 163; 2. Abstehen vom Zweikampfe, S t G B § 204; 3. rechtzeitiges Löschen des bereits ausgebrochenen Brandes, S t G B § 310; 4. rechtzeitige Anzeige des geplanten Verbrechens nach § 5 Abs. 2 des Spionageg. 1914; 5. Anzeige des Kriegsverrates oder der Meuterei nach §§ 61 und 105 MilStGB. Die Nebengesetze machen von der tätigen Reue, besonders aus fiskalischen Gründen, häufigeren Gebrauch. Vgl. z. B. Steuerfluchtg. 1918 § 25 (nachträgliche Leistung bewirkt Straffreiheit für Täter und Teilnehmer), Gesetz über Steuernachsicht vom 3. Januar 1920 (RGBl. S. 45). IV. Zu den Strafaufhebungsgründen rechnen neuere Gesetze und Entwürfe in gewissen Fällen auch die gute Führung des Verurteilten. 1. Bei der b e d i n g t e n V e r u r t e i l u n g (oder bedingten Strafaussetzung) kann der Verurteilte, wenn er sich während der Bewährungsfrist gut führt, die endgültige Erlassung der Strafe herbeiführen (vgl. oben § 4 Note 3). V E §§ 38 ') Deshalb kann auch die Landesgesetzgebung den Erben für die von dem Erblasser verwirkte Strafe strafrechtlich nicht verantwortlich machen, soweit nicht § 30 StGB eingreift. Vgl. aber R 45 52, 4 7 15. 2) V E § 35, K E § 69 und E J919 § 57 Schließen die Vollstreckung in den Nachlaß aus. Vgl. Goldschmidt V D Allg. T. 4 406.

§ 75-

Die Begnadigung.

287

bis 41 hat, an Stelle der administrativen, die richterliche Strafaussetzung zugelassen, wenn das Urteil eine sechs Monate nicht übersteigende Gefängnisoder H a f t s t r a f e ausspricht und der Täter noch nicht wegen Verbrechens oder Vergehens zu Freiheitsstrafe verurteilt war. Auf Geldstrafen findet die Maßregel keine A n w e n d u n g ; wohl aber auf die an ihre Stelle tretenden Freiheitsstrafen. Die Bewährungsfrist ist im Urteil zu bestimmen; sie beträgt zwei bis fünf, bei Übertretungen ein bis zwei Jahre. Bei schlechter Führung ordnet das Gericht die Vollstreckung der erkannten Strafe a n ; bei guter Führung gilt m i t dem A b l a u f der F r i s t die Strafe als erlassen. [ K E §§ 74 bis 78 schließt sich dem V E im wesentlichen an. E 1919 § 64 f ü h r t insofern eine Milderung der Voraussetzungen ein, als er nicht mehr verlangt, d a ß der Täter bisher wegen Verbrechens oder Vergehens zu Freiheitsstrafe nicht verurteilt sein dürfte, sondern sich m i t der B e s t i m m u n g begnügt, d a ß bedingte Strafaussetzung i n d e r R e g e l einem Verurteilten nicht bewilligt werden s o l l e , der im Inlande schon zu einer Freiheitsstrafe wegen Verbrechens oder wegen V e r g e h e n s z u einer Freiheitsstrafe v o n m e h r a l s s e c h s M o n a t e n verurteilt worden ist. Bei Jugendlichen steht Verbüßung einer Freiheitsstrafe der bedingten Strafaussetzung nach § 135 A b s . 2 des E 1919 überhaupt nicht entgegen.] 2. N a c h V E §§ 50 bis 52, K E §§ i 3 o f f . und E 1919 § 81 kann die gute Führung des Verurteilten nach V e r b ü ß u n g , E r l a ß oder Verjährung der Strafe zur R e h a b i l i t a t i o n führen. [Da diese Rehabilitation ein besonderes Rechtsinstitut darstellt, das nur teilweise unter die Strafaufhebungsgründe gerechnet werden k a n n und im übrigen selbständigen Charakter hat, so ist darauf in einem besonderen A b s c h n i t t zurückzukommen (vgl. unten §§ 78a und 78 b).]

§ 75.

Die Begnadigung.

Literatur, v. Bar Gesetz 3 457. Heimberger D a s landesherrliche Abolixionsrecht 1901. Frit2SChen D a s landesherrliche Abolitionsrecht. Freiburger Diss. 1906. Mendelsohn Bartholdy G S 71 358. Adolph D a s landesherrliche Begnadigungsrecht in Deutschland. Jenaer Diss. 1907. Fleischmann W V 1 5 a (Abolition). Delaquis W V 1 374 (Begnadigung und Rehabilitation). — Loetling Z 5 227, Frauenstädi Z 17 88, His (Lit. zu § 8 II) S. 3 8 4 f f . (deutsches Mittelalter). Sternberg Die Begnadigung bei den Naturrechtslehrern. Berliner Diss. 1899. Beyerle V o n der Gnade im deutschen R e c h t 1910. — Uber die Niederschlagung von Strafverfahren gegen Kriegsteilnehmer: K. Mayer Z 37 796, 38 651, 39 675. Ü b e r A m n e s t i e in den Friedensverträgen: Becker Z 40 40, V. Hippel Z 40 433. — Amnestieerlasse v o m 3. und 7. Dezember 1918 ( R G B l . S. 1393 und 1415). D a z u Meyer Z 40 455, Schmidt ebenda 394. — Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit vom 4. A u g u s t 1920 ( R G B l . S. 1487); dazu Kahl D S t r a f r Z 7 263.

I. Begnadigung ist B e s e i t i g u n g d e r S t r a f f o l g e n d u r c h V e r f ü g u n g d e r S t a a t s g e w a l t , also Verzicht des Strafanspruchsberechtigten auf den ihm erwachsenen Anspruch. Sie ist ein A k t der Verwaltung, nicht der Gesetzgebung oder der Rechtsprechung. Sie s o l l dazu dienen, den starren Verallgemeinerungen des Rechts gegenüber die Forderungen der Billigkeit (freilich immer nur zugunsten des Verurteilten, nie umgekehrt 3 )) zur Geltung zu bringen; •) D i e Badische Verfassung v o m 21. März 1919 stellt dies in § 16 A b s . 3 ausdrücklich fest.

288

§ 75-

Die Begnadigung.

sie k a n n d a z u dienen, einen (wirklichen oder vermeintlichen) Irrtum des Richters zu verbessern oder der Staatsklugheit auf K o s t e n des R e c h t s zum Siege zu verhelfen. Das Begnadigungsrecht entstammt der römischen Kaiserzeit. Mit der Aufnahme der fremden Rechte dringt es nach Deutschland herüber. Im 16. und 17. Jahrhundert wird es als landesfürstliches Regal von den Landesherren in Anspruch genommen und mehr und mehr nach öffentlichrechtlichen Gesichtspunkten behandelt. Die Schriftsteller der Aufklärungszeit, von Beccaria und Filangieri (anders Montesquieu) bis auf Kant und Feuerbach, bekämpfen die Begnadigung lebhaft, aber erfolglos. 1791 in Frankreich beseitigt, wird sie 1801 hier wieder eingeführt. Heute wird das Begnadigungsrecht von der deutschen Wissenschaft an sich kaum in Zweifel gezogen, wenn auch eine zweckentsprechendere Regelung seiner Ausubung durch rechtliche Ausgestaltung als möglich und wünschenswert verlangt werden muß.

II. Die B e g n a d i g u n g ist Beseitigung der Straffolgen des V e r brechens, nicht der begangenen S t r a f t a t selbst; diese kann daher auch noch später, insbesondere zur Begründung der Rückfallschärfung in B e t r a c h t gezogen w e r d e n ; vgl. oben § 69 II. Sie beseitigt nur die Straffolgen, nicht die privatrechtliche Ersatz- und Genugtuungsp f l i c h t , l ä ß t also die B u ß e unberührt. Sie kann die Straffolgen g a n z o d e r t e i l w e i s e ausschließen, u m f a ß t also E r l a ß und Milderung der Strafe wie die S t r a f u m w a n d l u n g . Durch B e g n a d i g u n g kann mithin auch an Stelle der verwirkten eine andere (mildere) S t r a f a r t treten. Jedoch darf weder das gesetzliche Höchstmaß der S t r a f a r t überschritten, 1 ) noch eine dem Strafensystem des Reichsrechts fremde S t r a f e (z. B . Prügelstrafe) verwendet werden. S t a t t der H a u p t s t r a f e n kann eine Nebenstrafe (z. B . Polizeiaufsicht) b e s t i m m t w e r d e n ; aber auch E r l a ß der Nebenstrafe ohne E r l a ß der Hauptstrafe ist möglich. So kann die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte erlassen werden (Restitution oder Rehabilitation), nicht aber die v o n R e c h t s wegen eintretenden E h r e n f o l g e n der Verurteilung sowie andere R e c h tsver Wirkungen. Verwaltungsm a ß r e g e l n , wie die Unterbringung in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt, werden von der Begnadigung nicht berührt. Der B e g n a d i g u n g im e. S. oder dem Verzicht auf die rechtsk r ä f t i g erkannte Strafe steht die N i e d e r s c h l a g u n g der Strafverfolgung (Abolition) gegenüber. Diese ist Verzicht auf den noch n i c h t festgestellten, also möglicherweise gar nicht vorhandenen A n s p r u c h und schon d a r u m verwerflich. 1 3 ) I I I . Träger des Begnadigungsrechts ist in allen Fällen (auch in d e m der A n t r a g s - und P r i v a t k l a g e verbrechen) der strafanspruchsv) Denn das Strafensystem des R S t G B bindet unbedingt, lind zu ihm gehören auch die gesetzlichen Höchst- und Mindestmaße. Vgl. oben § 20 Note 7. '*) Über Abolitionsversprechen vgl. R 53 65.

§ 75-

D e

'

Begnadigung

289

berechtigte Staat, und zwar bald das Deutsche Reich, das durch den Reichspräsidenten, bald die deutschen Einzelstaaten, aie durch ihre Landesregierungen bez. die Senate von Bremen, Hamburg und Lübeck das Begnadigungsrecht ausüben.2) 1. Dem Reichspräsidenten steht das Begnadigungsrecht (nicht die Niederschlagung) in folgenden Fällen zu (Art. 49 RVerf.): a) Nach StPO § 484 in Sachen, in denen das Reichsgericht in erster und letzter Instanz erkannt h a t (vgl. GVG § 136 Ziff. 1; § 12 Spionageg. 1893). Hierher gehören nicht nur Hoch- und Landesverrat gegen das Reich sowie der als Verbrechen sich darstellende Verrat militärischer Geheimnisse, sondern auch die gemäß § 3 S t P O mit diesen „zusammenhängenden Verbrechen"; auch Versuch und Teilnahme; nicht aber, abgesehen von dem Falle des Zusammenhanges, Begünstigung und unterlassene Anzeige. b) Nach dem G vom 7. April 190Q betr. die Konsulargerichtsbarkeit § 72 in Sachen, in welchen der Konsul oder das Konsulargericht in erster Instanz e r k a n n t hat. Dasselbe gilt bezüglich der (zur Zeit fehlenden) Schutzgebietsgerichte nach § 3 des G von 19. März 1888 in der Fassung von) 10. September 1900.

c) Hinsichtlich der Strafurteile der Marinegerichte, sowie der von den Reichsverwaltungsbehörden erlassenen Strafverfügungen. 2 *) 2. In allen übrigen Fällen sind die E i n z e l s t a a t e n Träger des Strafanspruchs und mithin des Begnadigungsrechts. Doch ist die Niederschlagung in den meisten Bundesstaaten durch Verfassungsbestimmungen beschränkt oder beseitigt, 3 ) und die Begnadigung überhaupt darf in manchen Fällen, so l ) Eigenartige Bestimmungen in §§ 22 und 23 des Deutsch-Österreichischen Zollkartells vom 6. Dezember 1891 (15. Januar 1905). [Vgl. im übrigen Reichsverf. v. 11. August 1919 Art. 49; Preuß. Verfassung vom 30. November 1920 A r t . 54 (Ausübung des Begnadigungsrechts in Einzelfällen durch das Staatsministerium ; für allgemeine Straferlasse ist ein Gesetz erforderlich); Bayrische Verfassung vom 14. August 1919 § 51 ( e i n z e l n e Personen begnadigt das Gesamtministerium; der Landtag beschließt durch Gesetz über Straferlasse, die sich auf alle bestraften Personen oder auf besondere Gruppen beziehen); Badische Verfassung vom 2 1 . März 1919 § 16 Abs. 3 usw.]. 2 ") Durch Art. 49 RVerf. wurde Ziff. II der VO vom 1. Februar 1919 ( R G B l . S: 173) beseitigt. 3 ) Alte preuß. Verf. Art. 49 Abs. 3 (der König konnte bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen). Vgl. die ausführliche Darstellung von Heimberger und V. Bar. Weitergehende Befugnisse der Landesherrn finden sich in den Kriegsgesetzen. [Das preußische Gesetz über die Niederschlagung von Untersuchungen vom 27. Januar 1920 gev/ährt nur ein beschränktes Niederschlagungsrecht für solche Untersuchungen, die infolge der Kriegsverhältnisse seit mindestens dem 1. März 1917 ruhen oder längere Zeit geruht haben (Pr. GS S. 51). Die Preußische Verfassung vom 30. November 1920 läßt Niederschlagungen nur auf Grund eines Gesetzes zu. Auch die badische Verfassung vom 21. März 1919 verlangt dafür eine besondere gesetzliche Ermächtigung. Die Bayrische Verfassung vom 14. August 1919 aber bestimmt in § 69 Abs. VI, daß anhängige strafrechtliche Untersuchungen weder durch den Landtag noch durch die Ministerien oder sonstigen Verwaltungsbehörden gehemmt werden dürfen. Demnach ist in Bayern eimAbolition ohne verfassungsänderndes Gesetz nicht denkbar.] — Die Abolition ist durch die Justizgesetzgebung nicht beseitigt (wie Finger 1 569 u. a. b t haupten); so auch die gern. Meinung der staatsrechtlichen wie strafrechtlichen Schriftsteller. — Jedenfalls ist das Niederschlagungsrecht gehemmt, solange eine Strafsache beim Reichsgericht anhängig ist. So R 28 41g, Wachenfeld Dagegen R 88 204, sowie Fleischmann, Heimberger, Mayer 552.

v. L i s z t , S t r a f r e c h t .

2',. Aufl.

19

§ ?6.

290

Die Verjährung im allgemeinen.

insbesondere in den Fällen der Ministeranklage nur unter gewissen Voraussetzungen ausgeübt werden. Der Ü b e r t r a g u n g des Begnadigungsrechts seiner A u s ü b u n g n a c h steht das R S t G B nicht im Wege. 4 )

IV. Bei Zusammentreffen landesrechtlicher Begnadigungsansprüche untereinander ist davon auszugehen, daß in bezug auf Entstehung und Geltendmachung der Strafansprüche die deutschen Staaten zueinander in demselben Verhältnisse stehen, wie die v e r schiedenen Gerichte desselben Staates. Dieser Satz ist der Grundgedanke der heutigen Gerichtsverfassung Deutschlands. 1. L i e g t ein r e c h t s k r ä f t i g e s U r t e i l vor, so hat derjenige Einzelstaat das Begnadigungsrecht, dessen Gericht in erster Instanz erkannt hat. 2. Werden durch e i n e strafbare Handlung mehrere gleichberechtigte G e r i c h t s s t ä n d e in verschiedenen Staaten begründet, so entsteht durch Eröffnung der Untersuchung nach S t P O § 12 ein ausschließliches Niederschlagungsrecht für den Staat, dem das eröffnende Gericht angehört. 5 ) Niederschlagung in einem anderen Staate bleibt von da ab ohne rechtliche Wirkung. 3. Die Verbindung mehrerer zusammenhängender Strafsachen bei demselben Gerichte (StPO §'§ 4 und 13) begründet mit dem Augenblicke der Verbindung ein ausschließliches Niederschlagungsrecht bezüglich sämtlicher Strafsachen zugunsten des Staates, dem das betreffende Gericht angehört. Niederschlagung in einem anderen Staate ist ohne rechtliche Wirkung. Bei nachträglicher Trennung leben die Niederschlagungsbefugnisse in den einzelnen Staaten wieder auf. 8 ) § 76. Literatur.

Die Verjährung im allgemeinen.

Löning V D AUg. T . 1 379. v. Bar Gesetz 8 381. —

H H 2 595. v. Risch

Z 9 235. Binding

1 816. Hälschner

1 693.

Treude

Heime

Die Ver-

jährung nach Reichsstrafgesetzgebung. Heidelberger Diss. 1908. PudOT GA 6C 183. Lourii Die Kriminalverjährung (v. LiII. Heft 178) 1914.

I. Wenn durch den Ablauf einer bestimmten Reihe von Jahren *) Vgl. G vom 4. Juli 1879, durch das der Kaiser ermächtigt war, die Ausübung in Elsaß-I.othringen einem Statthalter zu übertragen. Dazu häufige landesrechtliche Übertragung an die Vorsteher verschiedener Verwaltungszweige (auch in Preußen). [Vgl. aus der Revolutionszeit Ziff. V I I I der Verordn. vom 5. Dezember 1918 (RGBl. S. 1422): „Das Recht der Strafmilderung und des Straferlasses wird von dem R a t e der Volksbeauftragten ausgeübt und kann übertragen werden."] •) Selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, daß das Landesrecht des eröffnenden Gerichts überhaupt Niederschlagung zuläßt. •) Die Frage ist bestritten. Für die mehreren deutschen Staaten „gemeinschaftlichen" Gerichte greifen besondere Vereinbarungen der beteiligten Staaten ein.

§ y6.

Die Verjährung im allgemeinen.

der privatrechtliche Anspruch aufgehoben oder die Rechtsfolgen einer strafbaren Handlung beseitigt werden, so liegt der Grund f ü r diese Erscheinung und zugleich ihre innere Berechtigung nicht in einer mystischen, Recht erzeugenden oder Recht vernichtenden K r a f t der Zeit, sondern darin, daß die Rechtsordnung, die nicht die folgerichtige Durchführung allgemeiner Grundsätze, sondern die Verwirklichung praktischer Zwecke zur Aufgabe hat, d e r M a c h t d e r T a t s a c h e n Rechnung trägt. Wohl wäre die Verfolgung und Bestrafung auch der kleinsten Übertretung noch nach einem Menschenalter an sich denkbar; aber die Wirkung, die die Strafe auch in diesem Falle dem Täter, dem Verletzten und allen übrigen gegenüber erzielen könnte, stände außer allem Verhältnisse zu den Schwierigkeiten und Unsicherheiten, welche die Feststellung des Sachverhaltes bietet, zu dem störenden Eingriff in neubegründete, tiefgewurzelte und weitverzweigte Verhältnisse. Die heutige Strafgesetzgebung räumt demnach der Verjährung die Wirkung eines Strafaufhebungsgrundes ein; sie kennt sogar neben der Verjährung der verwirkten, aber noch nicht rechtskräftig festgestellten Strafe ( „ V e r f o l g u n g s v e r j ä h r u n g " ) auch eine Verjährung der rechtskräftig erkannten Strafe ( „ V o l l s t r e c k u n g s verjährung"). Vgl. StGB § 66. II. In ihren beiden Gestalten ist die Verjährung Strafaufhebungsgrund. Sie schließt nicht nur die Verfolgung aus, sondern sie tilgt das staatliche Strafrecht. Als A n s p r u c h s v e r j ä h r u n g , nicht K l a g e Verjährung, gehört sie inhaltlich und ihrer Eigenart nach nicht dem Prozeßrecht an, sondern dem materiellen Recht. 1 ) Aber sie tilgt nur die R e c h t s f o l g e n der Tat. Diese selbst vermag sie nicht aus der Welt zu schaffen. Auch die verjährte (wie die begnadigte) Tat kann mithin als Grundlage f ü r die Annahme der Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit verwertet werden. III. [Im mittelalterlichen deutschen Recht begegnet die Verjährung als sog. Verschweigung bei den auf Privatklage zu verfolgenden Delikten: Der Kläger geht seines Klagerechts verlustig, wenn er die o f t sehr kurze Frist zur Klage ungenutzt verstreichen läßt. Vielfach bezieht sich dieser Grundsatz aber nur auf leichtere Sachen, und bei Delikten, die von Amts wegen verfolgt worden sind, fehlt jeder Gedankean eine Verjährung (vgl. His, Lit. zu § 8 II, 403). Daher eventuell freisprechendes Urteil. So auch die herrschende Ansicht; vgl. R 44 152, 1 6 7 , Beling Z 3 9 663. Dagegen sieht Frank § 66 II, in der Verjährung ein materiellrechtliches Institut, das aber in der geltenden Gesetzgebung die Eigenschaft einer negativen Prozeßvoraussetzung erhalten h a t ; er verlangt daher eventuell Einstellungsurteil. Ganz ähnlich Lobe in RGRäteKomm. § 66 N o t e 1—3. Zu demselben Ergebnis (Einstellung) gelangen, trotz abweichender Begründung, Mayer 522, Schwartz § 66 N o t e 1. Umgekehrt erblickt Birtding 1 823 in ihr zunächst nur ein prozessuales Hindernis mit materiellrechtlichen Reflexwirkungen. Gegen die Doppelnatur der Verjährung spricht StPO § 380. i9*

292

§ 77-

Die Verfolgungsverjährung.

In der Karolina wird sie mit keiner Silbe erwähnt.] Das römische Recht kennt die Kriminalverjährung (abgesehen von den Privatverbrechen) erst seit der lex Julia de adulteriis (16 v.Christus), die für die von ihr mit Strafe bedrohten Verbrechen eine fünfjährige Verjährungsfrist einführte. Später finden wir (abgesehen von den Fleischesverbrechen) allgemein in bezug auf alle crimina publica die zwanzigjährige Verjährungsfrist ausdrücklich anerkannt. Unverjährbar waren auch nach spätrömischem Recht parricidium, suppositio partus und Apostasie. Im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts findet die Verjährung in den deutschen Staaten weitergehende Verwendung; so kennt sie Preußen schon 1620, während Baden-Durlach sie 1622 beseitigt; 1656 wird sie in Niederösterreich als eine ganz neue, dem bayrischen Recht von 1616 entlehnte Einrichtung bezeichnet (bei BratSCh). Die gemeinrechtliche Wissenschaft erblickt den Rechtsgrund der Verjährung zumeist in der vermuteten Besserung des Verbrechers (Acquisitivverjährung), der sich deshalb weder aus dem Lande geflüchtet noch ein neues Verbrechen begangen, aber auch den Nutzen aus seiner Tat nicht mehr in den Händen haben darf. Vielfach wird bei den schwersten Verbrechen die Verjährung ganz ausgeschlossen. Der Kampf der gesamten Aufklärungsliteratur von S. V. Cocceji und Beccaria bis auf Feuerbach und Henke gegen die ihr unerklärliche und auch dem heutigen englischen gemeinen Rechte fremde Kriminaiver jährung (Österreich hatte sie 1787 beseitigt, 1803 aber wieder eingeführt) endete damit, daß nicht nur die Verjährung der Strafklage neuerdings anerkannt, sondern nach dem Beispiele der französischen Gesetzgebung von 1791 und 1808 auch die (schon früher in der Rechtsprechung sich findende) Verjährung der rechtskräftig erkannten Strafe in die neuere deutsche Gesetzgebung (zuerst Sachsen 1838, n i c h t Preußen 1851 und Österreich 1852) aufgenommen wurde. Doch wurde bei Verbrechen, die mit dem Tode oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht waren, die Verjährung ausgeschlossen (so noch Österreich 1852). Die Reichsgesetzgebung folgt dem französischen Recht. V E §§

§ 85.

Die T ö t u n g a u f

Verlangen.

Die Tötung auf Verlangen.

Literatur. D i e zu § 35 V und § 80 a n g e f ü h r t e n S c h r i f t e n . OarreltS ü b e r die T ö t u n g auf V e r l a n g e n . T ü b i n g e r Diss. 1896. Wiebeck D e r V e r s u c h b e i der T ö t u n g auf V e r l a n g e n . R o s t o c k e r Diss. 1900. Hauptmann Ü b e r die B e s t r a f u n g der V e r s u c h s h a n d l u n g im F a l l e des § 2 1 6 S t G B . B r e s l a u e r Diss. 1906. Kahle D e r V e r s u c h der T ö t u n g a u f V e r l a n g e n . R o s t o c k e r Diss. 1908. Horn Z u r L e h r e v o n der T ö t u n g auf V e r l a n g e n 1910. Rupp D a s R e c h t auf d e n T o d . S t r a ß b u r g e r Diss. 1 9 1 3 . Holdheim Die T ö t u n g a u f V e r l a n g e n . G r e i f s w a l d e r Diss. 1918. Mettgenberg Z 27 564. Leppmann Z 82 5 1 5 . Hartmann bei G r ü n h u t 27 743. Ed. v. Liszt (Lit. zu § 83). I. Geschichte. Die T ö t u n g des V e r l a n g e n d e n w i r d schon von der g e m e i n rechtlichen W i s s e n s c h a f t des 18, J a h r h u n d e r t s l e b h a f t besprochen. Kreß, Böhmer, Engelhard, später Soden u. a. v e r l a n g e n mildere B e s t r a f u n g g e g e n Carpzov, Mathäus, Leyser, Willenberg. P r e u ß e n 1721 l ä ß t die volle S t r a f e des T o t s c h l a g s eintreten. A L R 834 dagegen b e s t r a f t sie wie B e i h i l f e z u m S e l b s t mord, also w e s e n t l i c h milder als die v o r s ä t z l i c h e T ö t u n g . D i e Mehrzahl der L a n d e s S t G B ü c h e r (nicht a b e r P r e u ß e n 1 8 5 1 , Ö s t e r r e i c h 1852, B a y e r n 1861) f o l g t diesem Beispiele, wobei die S c h w i e r i g k e i t , v i e l l e i c h t U n m ö g l i c h k e i t der A b g r e n z u n g von der B e i h i l f e z u m S e l b s t m o r d d e n A u s s c h l a g g a b . D i e B e s t i m m u n g des R S t G B i s t d e m sächsischen R e c h t (schon 1838) e n t n o m m e n . D i e deutschen E n t w ü r f e h a l t e n sie iru w e s e n t l i c h e n f e s t (E 1919 § 284).

II. Unter R S t G B § 216 fällt d i e v o r s ä t z l i c h e (überlegte oder nicht überlegte) T ö t u n g , zu w e l c h e r d e r T ä t e r d u r c h das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Get ö t e t e n bestimmt worden ist. Der Tod muß also durch den Dritten, er darf nicht durch den Getöteten selbst verursacht sein. Für die Abgrenzung von der straflosen Beihilfe zum Selbstmord wird der Begriff der Ausführungshandlung (oben § 31 I) maßgebend; die Undurchführbarkeit der subjektiven Theorie wird hier augenfällig. Die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen (oben § 29 IV). Selbstmord liegt also vor, wenn der Getötete z. B. freiwillig im Zimmer geblieben war, nachdem auf sein Verlangen der Dritte die Ofenklappen geöffnet hatte. Erforderlich ist das freie und bewußte Verlangen eines zurechnungsfähigen Menschen. 1 ) Der Entschluß zur T a t muß durch den Getöteten in dem Täter hervorgerufen sein: Einwilligung genügt nicht. Die T a t muß daher auch, wie bei der Anstiftung, dem Willen des Verlangenden in allem Wesentlichen (Zeitpunkt, Tötungsmittel usw.) entsprechen. Irrtum des Täters über das Vorliegen ') M a ß g e b e n d die B e s t i m m u n g e n d e s S t G B (§§ 5 1 , 55 bis 58). E b e n s o Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 2 1 6 N o t e 3, Schwartz § 2 1 6 N o t e 2. Teilweise a b w e i c h e n d Allfeld 382, Binding L e h r b . 1 35, Frank § 2 1 6 I I , Holdheim 14, Wachenfeld 309.

§ 86.

D i e fahrlässige T ö t u n g .

d e s Verlangens bleibt einflußlos. 2 ) M i t t ä t e r selbständig zu beurteilen.

321

Teilnehmer sind nach § 216,

I I I . S t r a f e : G e f ä n g n i s v o n drei bis zu fünf J a h r e n . W e g e n der Selbs t ä n d i g k e i t d e s V e r g e h e n s b l e i b t der V e r s u c h s t r a f l o s , ' ) k a n n a b e r a l s K ö r p e r v e r l e t z u n g s t r a f b a r sein, w e n n m i t d e m T ö t u n g s v o r s a t z ein e v e n t u e l l e r K ö r p c r v e r l e t z u n g s v o r s a t z v e r b u n d e n war. 4 ) D a m i l d e r n d e U m s t ä n d e n i c h t vorgesehen sind, k a n n u n t e r d a s M i n d e s t m a ß v o n drei J a h r e n in k e i n e m F a l l e herabg e g a n g e n werden. 6 )

§ 86. Literatur.

Klee

Die fahrlässige Tötung.

G A 6 2 394.

I. D i e f a h r l ä s s i g e T ö t u n g , als s t r a f b a r e H a n d l u n g d e m römischen S t r a f r e c h t e a u c h n a c h Hadrian fremd (oben § 36 N o t e 6), wird in den Q u e l l e n des d e u t s c h e n Mittelalters und v o n den Italienern v i e l f a c h erörtert. S o b r i n g t A r t . 146 P G O , m i t seiner freien Ü b o r s e t z u u g v o n 1. 9 § 4 und 1. 11 pr. D . 9, 2, d e u t s c h e R e c h t s a n s c h a u u n g e n im römischen G e w ä n d e . 1 )

II. S t G B § 222 bedroht den, der , , d u r c h F a h r l ä s s i g k e i t den T o d eines Menschen v e r u r s a c h t " . Diese vorsichtige und doch ungenaue Fassung besagt jedoch nichts anderes als: „ W e r fahrlässig einen Menschen t ö t e t " . Die oben § 81 aufgestellten Sätze finden daher uneingeschränkte Anwendung. S t r a f e : G e f ä n g n i s bis zu drei J a h r e n ; G e f ä n g n i s bis zu f ü n f J a h r e n , w e n n d e r T ä t e r zu der v o n i h m a u s den A u g e n gesetztfin A u f m e r k s a m k e i t v e r m ö g e seines A m t e s , B e r u f e s oder Gewerbe^ besonders v e r p f l i c h t e t w a r . 2 ) 2) V g l . o b e n § 39 N o t e 10. D a g e g e n Allfeld 383, Binding L e h r b , 1 35 und N o r m e n 2 990, Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 2 1 6 N o t e 5, Frank § 2 1 6 I V , Holdheim 17, Olshausen § 2 1 6 4, Schwartz § 2 1 6 N o t e 3, Wachenfeld 309, die J 2 1 6 a u c h in diesem F a l l e a n w e n d e n w o l l e n . 3) E b e n s o R 28 200 m i t der h e r r s c h e n d e n A n s i c h t . Ü b e r diese N ä h e r e s b e i Wieheck. D a g e g e n Hälschner 2 58, Hücking G A 3 5 169, Kohler S t u d i e n 1 128. — V E § 2 1 5 e r k l ä r t den V e r s u c h a u s d r ü c k l i c h f ü r s t r a f b a r . Ebenso ^stillschweigend) G E § 255 sowie (ausdrücklich) K E § 281 u n d E 1 9 1 9 § 284. 4) V g l . o b e n § 39 N o t e 7. — E b e n s o R 28 200 (oben N o t e 3), Beling Z 18 285 u . a . D a g e g e n Allfeld 384, Binding 1 721, Frank § 2 1 6 I I I , Kohlrausch ( L i t . zu § 32) 98, Olshausen § 216 5, Mettgenberg (da n a c h § 43 der V e r g e h e n s v e r s u c h n i c h t g e s t r a f t w e r d e n k ö n n e ) ; endlich a u c h a l l e d i e j e n i g e n , die b e i k ö r p e r l i c h e r V e r l e t z u n g des E i n w i l l i g e n d e n S t r a f l o s i g k e i t a n n e h m e n , so Wachenfeld 310. V g l . u n t e n e 87 N o t e 4. K e i n e eigene S t e l l u n g n a h m e bei Ebermayer i n R G R ä t e K o m m . e 2 1 6 N o t e 7. 5) S o die g e m . M e i n u n g . D a g e g e n Allfeld 383, Binding L e h r b . 1 35, Frank § 2 1 6 I I I , Garrelts, Hücking G A 35 169 u. a . , die hier a l s M i n d e s t m a ß des § 213 a n w e n d e n w o l l e n , da es sich u m einen p r i v i l e g i e r t e n T o t s c h l a g s f a l l handle. ') In S a c h s e n w u r d e noch im 18. J a h r h u n d e r t i m A n s c h l u ß a n S s p . 2 14, 1, 2 38, 2 49, 1, 2 65 u n d a n die sächsischen K o n s t i t u t i o n e n 4 n b e i fahrlässiger T ö t u n g , w e n n k e i n e V e r u r t e i l u n g zu L e i b e s s t r a f e s t a t t f i n d e t , d e n verfolgenden V e r w a n d t e n das W e r g e i d g e z a h l t (20 T a l e r f ü r den M a n n , 10 für die F r a u ) . S o n s t w u r d e w o h l a u c h eine a c t i o l e g i s A q u i l i a e u t i l i s g e g e b e n . *) O b e n § 42 N o t e 6. — Ü b e r ä r z t l i c h e K u n s t f e h l e r v g l . o b e n § 42 V I . R 50 37 h a t b e i einem H e i l v e r f a h r e n n a c h d e n G r u n d s ä t z e n der „ c h r i s t l i c h e n

v. L i s c t , Strafrecht. 24. Aufl.

21

322

§ Sy.

Körperverletzung.

Geschichte und Begriff.

Nach allgemeinen Grundsätzen (oben § 2 9 I I I 2) wird die Zurechenbarkeit des Erfolges durch die mitwirkende Fahrlässigkeit eines Dritten oder des Getöteten selbst nicht berührt. Wohl aber hebt das freie und vorsätzliche Handeln eines Zurechnungsfähigen die Verantwortlichkeit für den Erfolg auf.*)

II. Die Körperverletzung. § 87.

Geschichte und Begriff.

Literatur. Löffler V D B e s . T . 5 205. — Rieger Die Kastration in rechtlicher, sozialer und vitaler Hinsicht igoo. — Menne Die Körperverletzung, insbes. die vorschriftswidrige Behandlung und die Körperverletzung Untergebener (V. Lil. H e f t 99) 1909. Saraun Die Tätlichkeit als Begriff und als strafrechtlicher Tatbestand 1 9 1 3 . — Jacobsohn Der gesetzliche Schutz des Kindes gegen körperliche Mißhandlung (v. Lil. H e f t 160) 1 9 1 2 . Seidel bei Aschaffenburg 9 197. Ü b e r Kinderschutz vgl. auch den Kommissionsbericht zur Vorlage von 1909 in Drucksachen des Reichstags 1 9 0 9 / 1 0 Nr. 392 S. 85. — Mommsen

790. Kohler Studien 4. His (Lit. zu § 8 1) 265. Harster 154 (Lit. zu § 8 II).

I . Geschichte. Der Begriff der Körperverletzung als eines selbständigen Vergehens ist dem r ö m i s c h e n Rechte fremd geblieben. Die Körperverletzung geht hier völlig aui in dem unbestimmten und zunächst nur dem Gebiete des zivilrechtlirhen Vergehens angehörigen Begriffe der injuria. Zwar hatten die X I I Tafeln bei membruin ruptum Talion angedroht, wenn ein Vergleich nicht zustande kommen sollte (ni cum eo pacit). Aber schon bei os fractum aut collisum t r a t Geldstrafe ein (300, bzw. 1 5 0 As) und ebenso bei allen übrigen Injurien (25 As). Das prätorische R e c h t setzte an die Stelle dieser festen B u ß sätze die zivilrechtliche actio injuriarum aestimatoria. Auch kann unter Umständen das crimen vis gegeben sein. Zur Zeit des Quästionenprozesses werden drei Fälle der injuria als injuriae atroces mit peinlicher Strafe bedroht: das pulsare, verberare und domum vi introire, von denen nur die beiden ersten unter den heutigen Begriff der Körperverletzung fallen würden. Auch den i t a l i e n i s c h e n Praktikern ist infolgedessen das selbständige Vergehen der Körperverletzung fremd. Anders das d e u t s c h e M i t t e l a l t e r . Schon die Volksrechte widmen der Körperverletzung die größte Aufmerksamkeit (oben § 8 S. 35). Ihnen folgen die Quellen des späteren Mittelalters. Meist unterschied man die einfachen Schläge (der römischen Realinjurie entsprechend) einerseits, Blutwunden und Verstümmelungen (Lähmungen, debilitationes) andrerseits. Die ersteren wurden niedergerichtlich, die letzteren (auch im Ssp. und in den Landfrieden) m i t dem Verlust der Hand bedroht. Daneben waren das Messerzücken usw. besonders hervorgehoben. Trotz des Schweigens der P G O erhielt sich die deutschrechtliche Auffassung, welche die Körperverletzung als selbständiges Vergehen betrachtete und wenigstens in den schwereren Fällen mit peinlicher Strafe belegte, auch zur Zeit des gemeinen R e c h t s . Die Wissenschaft hielt an dem Vergehen der Wissenschaft" (Gesundbeten) § 2 2 2 angenommen.

Weber Z 89 44.

Vgl. dazu Holl Z 87 473,

') Verhältnis zii dem (wesentlich strengeren) § 2 2 6 : § 222 setzt voraus, daß nicht einmal Körperverletzungsvorsatz vorgelegen h a t .

§ 87.

Körperverletzung.

Geschichte und Begriff.

323

violatio corporis oder laesa sanitas fest, auch nachdem die Landesgesetsgebung (so schon Bayern 1616, Preußen 1620) begonnen hatte, die romanistische Anschauung zur Geltung zu bringen. Während noch im ALR die Grenzlinie zwischen Beleidigung und Körperverletzung fast völlig verwischt war, fand letztere selbständige Behandlung im österr. StGB von 1803, im Code pénal und im bayrischen StGB von 1813. Auch die neuere Gesetzgebung steht auf diesem Standpunkte, ist aber wenig glücklich in ihrem Bestreben, den Begriff der Körperverletzung schärfer zu fassen und die Strafbarkeit der unter ihn fallenden Verletzungen abzustufen, wobei die Schwere des Erfolges, häufig gemessen an der Dauer der verursachten Krankheit und Berufsunfähigkeit neben der Art der VerÜbung, und zwar ohne Rücksicht auf das Verschulden des Täters, regelmäßig den Ausschlag gibt. Das gilt auch von dem RStGB. VE §§ 227 bis 232 h a t Tatbestande und Strafrahmen erweitert, bringt aber ebensowenig wie GE §§ 265ff, K E §§ 287ii. oder E 1919 §§ 2g2ff. wesentliche Neuerungen. Besondere Bestimmungen zum Zwecke des „Kinderschutzes" enthält die Novelle von 1912. I I . I. K ö r p e r v e r l e t z u n g ist d i e ( w i d e r r e c h t l i c h e ) S t ö r u n g d e r k ö r p e r l i c h e n U n v e r s e h r t h e i t (der L e b e n s f u n k t i o n e n ) e i n e s a n d e r e n . Sie liegt v o r , sobald in den im Augenblicke des H a n d e l n s gegebenen körperlichen Z u s t a n d störend (sei es schädigend, sei es auch fördernd) eingegriffen w i r d ; sie wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß sie Mittel zu Heilzwecken ist. Doch m u ß ein gewisser, grundsätzlich nicht n ä h e r zu bestimmender G r a d der S t ö r u n g v e r l a n g t werden. 1 ) S c h m e r z e m p f i n d u n g ist in keinem F a l l e nötig. Als Körperverletzung erscheinen mithin: das Stoßen und Schlagen (das pulsare und verberare der Römer), Verwundungen (die coups et blessures des C. pénal), Verstümmelung, Lähmung; das Abschneiden von Haaren, Ausbrechen von Zähnen; Verursachung einer körperlichen oder geistigen Krankheit; Herbeiführen von Erbrechen, Durchfall, Samenerguß; das Berauschen, Betäuben (Chloroformieren), Hypnotisieren; Erregung von Schmerz; von Unbehagen, Ekel, Abscheu, Furcht, Schrecken und andere seelische Einwirkungen, vorausgesetzt, daß die Störung keine ganz unbedeutende war; unter derselben Voraussetzung störende Einwirkung auf die Sinne (Katzenmusik, blendendes Licht, Gestank, Kitzeln, Kratzen, unzüchtige Berührung); Verursachung von Hunger und Durst. 2 ) D e r E r f o l g kann u n m i t t e l b a r durch die eigene K ö r p e r b e w e g u n g des T ä t e r s oder m i t t e l b a r durch B e n u t z u n g eines Werkzeuges oder durch Hetzen eines H u n d e s h e r b e i g e f ü h r t sein. Dem T u n steht d a s pflichtwidrige Unterlassen (Entziehung der N a h r u n g ) gleich. 2. D a s R S t G B h a t den einheitlichen B e g r i f f der K ö r p e r verletzung gespalten in zwei schwer auseinanderzuhaltende U n t e r ') Auch Löjjler 213 verlangt „eine erhebliche und nicht bloß vorübergehende Störung (ähnlich RMilG 15 145); er wendet sich gegen die weite Fassung m e i n e s Begriffes, gibt aber zu, daß sie dem preuß. StGB (1851) entspricht; von diesem aber h a t das RStGB sie übernommen. s ) Nach Ebermayer in RGRäteKomm. § 223 Noteö greift diese Aufstellung zu weit. — Über die Übertragung von Geschlechtskrankheiten vgl. oben § 80 Note 3. Über künstliche Befruchtung, die stets Körperverletzung ist, vgl. Wassermann DStrZ 4 140. Über Sterilisation vgl. unten § 88 Note 5. 21*

324

§ 8y.

Körperverletzung.

Geschichte und Begriff.

begrifft: k ö r p e r l i c h e M i ß h a n d l u n g und B e s c h ä d i g u n g an der Gesundheit. E r s t e r e liegt v o r bei S c h l a g e n , S t o ß e n und anderen u n m i t t e l b a r e n oder m i t t e l b a r e n ä u ß e r e n E i n w i r k u n g e n a u f d e n K ö r p e r d e s a n d e r e n ; letztere d a g e g e n bei S t ö r u n g i n n e r e r körperlicher F u n k t i o n e n . B e i d e A r t e n t r e f f e n h ä u f i g in derselben Handlung zusammen.3) 3. D i e K ö r p e r v e r l e t z u n g erscheint zugleich als B e l e i d i g u n g (Tätlichkeit), wenn sie b e w u ß t e r A u s d r u c k der N i c h t a c h t u n g ist. In d i e s e m F a l l e f i n d e t § 7 3 S t G B A n w e n d u n g . 4. D e r V o r s a t z der K ö r p e r v e r l e t z u n g k a n n sich m i t unbestimmtem (eventuellem) T ö t u n g s Vorsatz v e r b i n d e n ; in dem V o r s a t z d e r T ö t u n g wird jener der e v e n t u e l l e n V e r l e t z u n g m e i s t m i t e n t h a l t e n sein (oben § 39 N o t e 7). I I I . D i e allgemeinen G r u n d s ä t z e ü b e r die W i d e r r e c h t l i c h k e i t der H a n d l u n g und über die G r ü n d e , w e l c h e diese ausschließen (oben §§ 32 bis 35). f i n d e n a u c h auf die K ö r p e r v e r l e t z u n g uneingeschränkte Anwendung. Dies gilt aber a u c h von jeder Ü b e r s c h r e i t u n g der B e r e c h t i g u n g . Schwierigkeiten bietet, abgesehen von den Eingriffen zu Heilzwecken (oben § 35 Note 5), die Einwilligung des Verletzten (oben § 35 Note 9). Die Bestimmungen des S t G B geben keinen Anhalt für die (wenigstens in bezug auf schwere Fälle) unserm Rechtsbewußtsein entschieden widerstreitende (1. 13 pr. D. 9, 2) Annahme, daß der einzelne dominus membrorum suorum sei. Die Einwilligung m u ß mithin als gleichgültig erklärt werden. D a ß bei der Tötung die Einwilligung Einfluß auf die Strafbarkeit der H a n d l u n g ausübt, ist ein Beweis nicht gegen, sondern für die aufgestellte Behauptung. Denn StGB § 216 beweist, daß es ausdrücklicher Anordnung bedurfte, um dem „Verlangen" (Einwilligung genügt nicht) diesen Einfluß zu sichern, und daß dieses trotzdem nur bis zur Strafmilderung, nicht aber bis zum Ausschlüsse der Rechtswidrigkeit reicht. Überdies läßt sich ohne Übertreibung d i e Verstümmelung eines Einwilligenden als das schwerere Verbrechen gegenüber der Tötung bezeichnen. Der Hinweis aber auf unbedeutende Körperverletzungen erledigt sich durch die Erwägung, d a ß leichte vorsätzliche Körper3 ) Auch B G B §§ 823 ff. unterscheidet „ K ö r p e r " und „Gesundheit". Nach der herrschenden Ansicht (auch R) ist körperliche Mißhandlung: jede nicht unerhebliche Störung des Wohlbefindens sowie die entstellende Beeinträchtigung der Unversehrtheit; GesundheitsbeSchädigungen: das Verursachen einer Krankheit oder deren Förderung. Vgl. R 29 58. Diese Ansicht f ü h r t in vielen Fällen, insbes. bei dem vielbesprochenen „Zopfabschneiden", zu ganz unbefriedigenden Ergebnissen. AUfeld 393 und Frank § 223 I betrachten daher, sowie R auch die (im Gesetz nicht erwähnte) Verletzung der Integrität als Unterfall der Körperverletzung. R 32 113 schließt aus dem Begriffe der „körperlichen Mißhandlung" die „bloß psychische Einwirkung" aus, durch die „ d a s seelische Wohlbefinden des anderen affiziert" wird. Die Entscheidung ist (trotz Binding 1 43, Frank § 223 I, Löffkr 217, Schwartz § 223 Note 1, Wachenfeld 317) völlig unhaltbar. Das „seelische Wohlbefinden" ist ausnahmslos körperlich gebunden; seine Störung ergreift jedesmal auch das leibliche Leben des Angegriffenen.

§ 88.

Die Arten der Körperverletzung.

325

Verletzungen nur auf Antrag verfolgt werden können, bei Stellung des Antrages trotz Einwilligung bis auf drei Mark Geldstrafe herabgegangen werden kann. 4 )

§ 88. Literatur.

Die Arten der Körperverletzung.

Die zu § 87 angegebenen Schriften.

I. D i e l e i c h t e v o r s ä t z l i c h e K ö r p e r v e r l e t z u n g ( S t G B § 223). Sie ist V e r g e h e n ; d e r V e r s u c h d a h e r straflos. D i e leichte K ö r p e r v e r l e t z u n g ist e r s c h w e r t , w e n n d i e V e r l e t z u n g g e g e n V e r w a n d t e aufsteigender Linie begangen wurde. S t r a f e : a) im einfachen Falle Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu tausend Mark; b) im erschwerten Falle Gefängnis nicht unter einem Monat, bei mildernden Umständen wie zu a) ( S t G B § 228). II. Gefährliche vorsätzliche Körperverletzung ( S t G B § 223a). Sie liegt vor, w e n n die V e r l e t z u n g b e g a n g e n 1. m i t t e l s e i n e r W a f f e , i n s b e s o n d e r e anderen g e f ä h r l i c h e n 2. m i t t e l s mittels

eines

Auflauerns

eines

Werkzeuges;

hinterlistigen oder

wurde

eines Messers oder

eines

Überfalles

anderen

(insbesondere

unvorhergesehenen,

Gegenwehr ausschließenden Angriffs aus gedeckter

die

Stellung);

3. v o n m e h r e r e n g e m e i n s c h a f t l i c h (oben- § 5 0 N o t e 1 3 ) ; 4. m i t t e l s e i n e r d a s L e b e n g e f ä h r d e n d e n B e h a n d l u n g . W a f f e ist hier nicht im technischen Sinne (unten § 93 II) zu nehmen und bedeutet daher jedes zur Zufügung von erheblichen Verletzungen auf mechanischem Wege, und zwar in der i m E i n z e l f a l l e gewählten Anwendung, g e e i g n e t e Werkzeug, ohne Rücksicht auf Bestimmung und gewöhnliche Verwendung, so daß z. B . ein Spazierstock, ein schwerer Hausschlüssel, ein Bierglas usw. hierher gehören. Als Arten der W a f f e nennt das Gesetz (völlig unlogisch) „Messer und andere gefährliche Werkzeuge". W e r k z e u g ist jeder Gegenstand der Sinnenwelt, der durch menschliche Körperkraft in Bewegung gesetzt wird; auch der Stein, das Getriebe einer Maschine; nicht der gehetzte Hund (wohl aber die geschleuderte Katze), nicht der angetriebene Geisteskranke; nicht der ruhende Fels, die Herdplatte; nicht chemisch wirkende Gifte oder Betäubungsmittel. Auch hier muß die Gefährlichkeit, d. h. die Möglichkeit einer erheblichen Verletzung, nicht nur allgemein, sondern gerade im Einzelfalle gegeben sein. : ) 4) 1. Übereinstimmend R 2 442, 6 61 (dagegen 25 375, 3 8 34; besonders Begr. 659). — 2. Für Straflosigkeit allgemein: Allfeld 394, Binding Lehrb. 1 45, Finger 1 416, Heimberger (Lit. zu § 35 III) 1899 S. 8, Hartwig (Lit. zu § 35) 27, v. Hippel Z 12 917, Olshausen § 2 2 3 9. — 3 . v. Bar Gesetz 3 58, Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 223 Note 9, Frank 17. Abschnitt II 2, SchwarlZ § 223 Note 5 ' u . a. behaupten Straflosigkeit bei leichten Körperverletzungen. Ähnlich auch Löffler und Wachenfeld 317. — 4 . Nach Gerland 401 ist die Frage positivrechtlich überhaupt nicht lösbar. — Vgl. die oben zu § 35 I I I und IV angegebene Lit. — XSE § 271 schließt bei Einwilligung das Antragsrecht aus; [ K E § 293 schließt die Rechtswidrigkeit einer Körperverletzung bei Einwilligung des Verletzten aus, soweit nicht die T a t trotz Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. E 1919 enthält eine entsprechende Bestimmung nicht.] >) Sehr bestritten. Zustimmend Allfeld 396, Frank § 223 a I I ; RMilG

326

§ 88.

Die Arten der Körperverletzung.

In allen vier Fällen muß der Täter das Bewußtsein gehabt haben, daß einer der erschwerenden Umstände vorliege, daß also seine Handlung das Leben des anderen gefährde, daß er eine W a f f e gebrauche usw.') S t r a f e : Gefängnis nicht unter zwei Monaten; bei mildernden Umständen ( S t G B § 228) Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu tausend Mark.

I I I . Die Mißhandlung Pflegebefohlener ist seit d e r N o v e l l e von 1912 durch § 223a Abs. 2 der gefährlichen Körperverletzung in der B e s t r a f u n g w i e in d e m W e g f a l l des A n t r a g s e r f o r d e r n i s s e s gleichgestellt worden. 1. O b j e k t d e r H a n d l u n g ist eine e n t w e d e r noch .nicht a c h t z e h n J a h r e a l t e o d e r eine w e g e n G e b r e c h l i c h k e i t oder K r a n k h e i t ( v g l . u n t e n § 90) wehrlose, d. h. zur A b w e h r d e r M i ß h a n d l u n g u n fähige Person. 2. D e r T ä t e r m u ß z u d e m M i ß h a n d e l t e n in e i n e m b e s o n d e r e n G e w a l t - oder P f l i c h t e n v e r h ä l t n i s s e stehen. 3 ) D i e s e s l i e g t v o r : a) w e n n d e r T ä t e r die F ü r s o r g e oder O b h u t ü b e r d e n V e r l e t z t e n h a t . F ü r s o r g e ist R e c h t u n d P f l i c h t zur d a u e r n d e n Sorge f ü r die P e r s o n , w i e sie E l t e r n , V o r m ü n d e r , P f l e g e r , L e i t e r u n d A n gestellte v o n E r z i e h u n g s a n s t a l t e n , n i c h t a b e r die B e a m t e n der S t r a f a n s t a l t e n h a b e n . O b h u t ist die P f l i c h t zu, w e n n a u c h v o r ü b e r g e h e n d e r B e a u f s i c h t i g u n g , w i e sie d e m K i n d e r m ä d c h e n usw. o b l i e g t ; b) w e n n d e r T ä t e r d e m V e r l e t z t e n g e g e n ü b e r H a u s h a l t u n g s v o r s t a n d ist; c) w e n n d e m T ä t e r v o n d e m F ü r s o r g e p f l i c h t i g e n d i e (Fürsorge, d a s ist) G e w a l t ü b e r d e n V e r l e t z t e n überlassen w o r d e n ist (z. B . v o n d e r unehelichen M u t t e r ihrem L i e b h a b e r ) . 3. D i e H a n d l u n g . D i e K ö r p e r v e r l e t z u n g m u ß m i t t e l s g r a u s a m e r oder b o s h a f t e r B e h a n d l u n g b e g a n g e n sein. Die Graus a m k e i t k e n n z e i c h n e t sich o b j e k t i v d u r c h die S c h w e r e d e r z u g e f ü g t e n L e i d e n , s u b j e k t i v d u r c h d i e , w e n n auch n u r p a s s i v e , G e f ü h l l o s i g k e i t d e s T ä t e r s diesen L e i d e n g e g e n ü b e r ; sie e n t s p r i c h t d e m „ m a r t e r n " i n S t G B § 2 5 1 . 4 ) D i e B o s h e i t b e s t e h t in d e r (positiven) F r e u d e a n 6 41, 12 211. Gegen den T e x t Schwartz § 223 a Note 5 (es genügt die Eignung, das Leben zu gefährden). Schwankend, im Anschluß an R , Olshausen § 228a 5. — S t G B § 367 Ziff. 10 bedroht mit Übertretungsstrafe den, der bei einer Schlägerei, in die er nicht ohne sein Verschulden hineingezogen worden ist, oder bei einem (auch nur von ihm selbst, nicht von mehreren, ausgehenden Angriffe sich einer Waffe, insbes. eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges, bedient. Diese Strafdrohung entfällt, wenn es zu einer Verletzung gekommen ist; RMilG 18 188. 2) Übereinstimmend im Ergebnis Allfeld 398, Frank § 223 a II, HälSChner 2 95, Olshausen § 223a 12; dagegen R, zuletzt 10 101, R M i l G 8 174, 10 302. Sehr unklar R 17 279. Vgl. über die Rechtsprechung des R Ebermayer in R G RäteKomm. § 223a Note 8. 3) Abweichend Frank § 223 a III, der zwischen Pflichten begründenden und Rechte begründenden Verhältnissen unterscheiden will. E s gibt aber kein Recht ohne entsprechende Pflicht. 4) Ebenso R 4 9 389.

§ 88.

Die Arten der Körperverletzung.

dem (wenn auch nicht besonders schweren) Leiden des letzten. 4. Die S t r a f e ist dieselbe wie oben zu II.

327

Ver-

IV. Vorsätzliche Körperverletzung mit schwerem Erfolg (StGB § 224). Sie liegt vor, wenn die Handlung zur Folge hatte r. den V e r l u s t , sei es a) eines (im Verhältnis zum Gesamtorganismus) wichtigen Gliedes, sogenannte Verstümmelung. Gebrauchsunfähigkeit genügt mithin nicht, während Wiederherstellbarkeit durch ärztliche Kunst, z. B. durch Rhinoplastik, die Anwendung des Paragraphen nicht ausschließt; oder b) des S e h v e r m ö g e n s auf einem oder beiden Augen, d. h. den (dauernden) Verlust der Fähigkeit, Gegenstände zu erkennen, mag auch Lichtempfindung geblieben sein; c) des G e h ö r s , und zwar auf beiden Ohren, d. h. den (dauernden) Verlust der Fähigkeit, artikulierte Laute zu verstehen, mag auch die Schallempfindung geblieben sein; d) der S p r a c h e , d. h. der Fähigkeit, Gedanken durch hörbare "Worte auszudrücken; e) der Z e u g u n g s f ä h i g k e i t , d. h. nicht der Begattungs-, sondern der Fortpflanzungsfähigkeit (Zeugungs- und Gebärfähigkeit).5) Das römische Recht hatte die Entmannung unter die lex Cornelia de sicariis gestellt (das spadones aut thlibias facere) und bestrafte auch den, der sich dazu hergab (Kastraten als Sklaven, Sänger usw.). Justiniatl bedrohte 558 die Tat mit Wiedervergeltung. Die Beschneidung war nur den Juden gestattet und wurde im übrigen als Entmannung behandelt (1. 11 D. 48, 8; Nov. 142). Das fränkische Recht bestrafte mit vollem Wergeid. P G O Art. 133 faßte die Bewirkung von Zeugungsunfähigkeit (Unfruchtbarkeit) als Fall der Tötung (homicidium conditionale) neben der Abtreibung auf. Dagegen behandelte die spätere gemeinrechtliche Wissenschaft die procuratio sterilitatis als besonderes Verbrechen und bedrohte sie mit willkürlicher Strafe. Auch die Rechtsprechung hielt an der Todesstrafe nicht fest. In der neueren Gesetzgebung (abweichend Code pénal 316) ist die Kastration als besonderes Verbrechen aufgegeben worden. Bewirkung einer Frühgeburt (unten § 94) ist in § 224 ebensowenig erwähnt, wie der Verlust des Geruchs oder Geschmacks.

2. E r h e b l i c h e d a u e r n d e E n t s t e l l u n g , d. h. eine die äußere Gesamterscheinung verändernde, aber nicht notwendig auffallende Verunstaltung, auch wenn sie durch Toilettenkünste ') Über die S t e r i l i s a t i o n als Sicherungsmittel vgl. oben § 4 Note 8. — Der Entwurf vom 4. Juli 1918 (Z 40 74) stellt die Beseitigung der Fortpflanzungsfähigkeit bei Einwilligung des Operierten unter besondere Strafe. Vgl. dazu v. Liszt Z 40 8o, Wilhelm und Lindenau DStrZ 4 404, 5 217.

328

§ 88.

Die Arten der Körperverletzung.

verborgen w e r d e n k a n n ( P e r r ü c k e , falsche Z ä h n e , G l a s a u g e ) o d e r d u r c h die K l e i d u n g v e r b o r g e n w i r d . 6 ) 3. S c h w e r e G e s u n d h e i t s s c h ä d i g u n g , u n d z w a r V e r f a l l in a) S i e c h t u m , d. h. s c h w e r e chronische E r k r a n k u n g o h n e b e s t i m m t e H o f f n u n g auf H e i l u n g ; oder b) . L ä h m u n g , d. h. eine m i n d e s t e n s m i t t e l b a r d e n g a n z e n Menschen ergreifende B e e i n t r ä c h t i g u n g der F ä h i g k e i t , die M u s k e l n (auch die S c h l i e ß m u s k e l n des A f t e r s oder der Blase) w i l l k ü r l i c h a n z u s p a n n e n , d a h e r besonders der F ä h i g k e i t zur B e w e g u n g i m R a u m (auch hier ohne b e s t i m m t e H o f f n u n g auf H e i l u n g ) ; o d e r c) G e i s t e s k r a n k h e i t in d e m o b e n § 38 e r ö r t e r t e n S i n n e , also auch B e w u ß t l o s i g k e i t s - und E n t a r t u n g s z u s t ä n d e u m f a s s e n d . D a g e g e n ist v o r ü b e r g e h e n d e G e i s t e s s t ö r u n g kein „ V e r f a l l e n " in eine s o l c h e ; dasselbe E r g e b n i s f o l g t aus der G l e i c h s t e l l u n g m i t , , S i e c h t u m " und „ L ä h m u n g " . 7 ) S t r a f e : Zuchtbaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter einem Jahre; bei mildernden Umständen ( S t G B § 228) Gefängnis nicht unter einem Monate. Die Strafe tritt ein, auch wenn in bezug auf den schweren Erfolg weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit auf Seiten des Täters vorliegt (oben § 36 Note 10). — War der eingetretene Erfolg beabsichtigt (also bezweckt), so ist auf Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren zu erkennen (§ 225). War der Erfolg beabsichtigt, aber nicht eingetreten, so ist der Strafrahmen des § 225 nach S t G B 3 44 zu ermäßigen. Mildernde Umstände sind im Gegensatz zu § 224 nicht zugelassen.

V . D i e vorsätzliche Körperverletzung mit tödlichem Erfolg ( S t G B § 226). S t r a f e : Zuchthaus nicht unter drei Jahren oder Gefängnis nicht unter drei Jahren; bei mildernden Umständen ( S t G B § 228) Gefängnis nicht unter drei Monaten.

V I . Die fahrlässige Körperverletzung ( S t G B § 230; G e s u n d h e i t s b e s c h ä d i g u n g oder k ö r p e r l i c h e M i ß h a n d l u n g ) . S t r a f e : Geldstrafe bis zu neunhundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Jahren; bei Verletzung einer besonderen Amts-, Berufs- oder Gewerbspflicht (oben § 42 Note 6) kann die Strafe auf drei Jahre Gefängnis erhöht werden.

V I I . D i e Körperverletzung im A m t e ( S t G B § 340) wird bei d e n A m t s d e l i k t e n (unien § 1 7 9 I V ) , die Mißhandlung militärisch Untergebener ( M i l S t G B §§ 122, 123) bei den M i l i t ä r v e r b r e c h e n (unten § 205 V I I ) b e h a n d e l t w e r d e n . ') Übereinstimmend bezüglich des ersten, abweichend bezüglich des zweiten Falles die gem. Meinung, auch R 14 344 und Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 224 Note 5. ') Ebenso in der Hauptsache Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 224 Note 6a, Frank § 224 I I und R 44 59, dagegen (weitergehend) Allfeld 397.

§ 89.

§ 89. Literatur.

Verfolgung und Bestrafung der Körperverletzung.

Verfolgung und Bestrafung der Zu I I I : oben bei § 67.

329

Körperverletzung.

Zu I V : oben bei § 72 I I I .

I. D i e S t r a f v e r f o l g u n g t r i t t nur auf A n t r a g ein ( S t G B § 232), w e n n es sich u m l e i c h t e v o r s ä t z l i c h e (nicht § 223a) oder u m f a h r l ä s s i g e K ö r p e r v e r l e t z u n g h a n d e l t ; aber nur d a n n , wenn die K ö r p e r v e r l e t z u n g n i c h t m i t Ü b e r t r e t u n g einer A m t s - , B e r u f s oder G e w e r b e p f l i c h t b e g a n g e n w o r d e n ist. R ü c k n a h m e des A n trages zulässig, w e n n gegen einen A n g e h ö r i g e n v e r ü b t . I I . Antragsberechtigt ist der V e r l e t z t e , b z w . dessen V e r t r e t e r (oben § 45). E i n e A u s d e h n u n g e n t h a l t e n die auch hier (nach S t G B § 232) a n w e n d b a r e n §§ 195 und 196 S t G B , nach welchen a u c h der E h e m a n n , sowie der a m t l i c h V o r g e s e t z t e des V e r l e t z t e n neben diesem u n d u n a b h ä n g i g v o n ihm zur A n t r a g s t e l l u n g b e r e c h t i g t sind (vgl. u n t e n § 97 II). E i n e E r w e i t e r u n g , b z w . B e s c h r ä n k u n g der A n t r a g s f r i s t t r i t t bei w e c h s e l s e i t i g e n K ö r p e r v e r l e t z u n g e n ein. D e r B e g r i f f der W e c h s c l s e i t i g k e i t erfordert weder t a t s ä c h l i c h e n , noch ursächlichen Z u s a m m e n h a n g ; es g e n ü g t , w e n n der k l a g e n d e V e r l e t z t e d e n bek l a g t e n V e r l e t z t e n ebenfalls v e r l e t z t h a t . 1 ) In diesem F a l l e ist, w e n n v o n einem T e i l e auf B e s t r a f u n g a n g e t r a g e n w o r d e n , der andere T e i l bei V e r l u s t seines R e c h t e s v e r p f l i c h t e t , den A n t r a g auf B e s t r a f u n g spätestens bis zur B e e n d i g u n g der S c h l u ß v o r t r ä g e in erster I n s t a n z ( S t P O § 428) zu stellen, h i e r z u aber a u c h d a n n ber e c h t i g t , wenn zu j e n e m Z e i t p u n k t e die d r e i m o n a t i g e F r i s t bereits a b g e l a u f e n ist ( S t G B § 232 m i t § 198). A u f den Fall, d a ß K ö r p e r v e r l e t z u n g und B e l e i d i g u n g e i n a n d e r g e g e n ü b e r s t e h e n , ist diese Bestimmung nicht anzuwenden.2) I I I . In allen F ä l l e n der K ö r p e r v e r l e t z u n g 3 ) k a n n auf V e r l a n g e n des V e r l e t z t e n neben d e r S t r a f e auf eine a n ihn zu erlegende Buße bis z u m B e t r a g e v o n sechstausend M a r k e r k a n n t werden. Die Z u e r k e n n u n g der B u ß e s c h l i e ß t die G e l t e n d m a c h u n g eines w e i t e r e n E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r u c h s aus. F ü r diese B u ß e h a f t e n die d a z u V e r u r t e i l t e n als G e s a m t s c h u l d n e r ( S t G B § 231). IV.

Erwiderung

(Retorsion)

(StGB

§ 233).

Wenn

leichte

') Übereinstimmend Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 198 Note 2 iind R 2 87; dagegen Frank § 198 I, Otshausen § 188 1. 2) Bestritten. Dagegen Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 198 Note 6 und § 232 Note 5, Frank § 198 III, Olshausen § 198 7. 3 ) In allen Fällen, in denen eine vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung im Sinne des § 233 vorliegt, mag sie auch nach einem a n d e r e n A b s c h n i t t e des S t G B strafbar sein. Ebenso Allfeld 326, Binding Lehrb. 1 52, Frank 17. Abschn. I I I ; dagegen jnsbes. Olshausen § 281 5.

330

§ go.

i - Die Aussetzung.

Körperverletzungen 4 ) mit solchen, Beleidigungen mit leichten Körperverletzungen oder letztere mit ersteren auf der Stelle erwidert werden so kann der Richter für beide Angeschuldigte oder für einen von ihnen eine der Art oder dem Maße nach mildere oder überhaupt keine Strafe eintreten lassen.

III. Die Gefährdung von Leib und Leben. § 90.

I . Die Aussetzung.

Literatur. Radbruch V D B e s . T . 5 185. — Mommsen 619. v. Holtzendorff H H 3 463. Platz Geschichte des Verbrechens der Aussetzung 1876. — Weber D a s D e l i k t der Aussetzung. R o s t o c k e r Diss. 1904. Fenner D e r Tatbestand der Aussetzung usw. Marburger Diss. 1905. Sömmersdorf D e r T a t bestand der Aussetzung. W ü r z b u r g e r Diss. 1909. Warmuth D e r T a t b e s t a n d der Aussetzung. Würzburger Diss. 1909. Lifschütz D a s Aussetzungsdelikt in geschichtlicher Darstellung. Berner. Diss. 1909. I. Geschichte. Weder das R e c h t des früheren deutschen Mittelalters noch das römische R e c h t kennt ein besonderes Verbrechen der Kindesaussetzung, wenn auch, insbesondere seit Valentinian 1. (374), die T ö t u n g unmündiger K i n d e r , a u c h durch den V a t e r , als F a l l der Tötung behandelt wird. So a u c h v o n Justinian in der Novelle 153. E r s t das kanonische R e c h t f a ß t die Aussetzung des Neugeborenen durch die Mutter als L e b e n s g e f ä h r d u n g auf und h e b t sie als selbständiges Verbrechen hervor. Dieselbe Auffassung v e r t r i t t , trotz des Schwankens der italienischen Juristen, auch die P G O im A r t . 132. Sie straft das W e i b , das „ i h r K i n d , d a m i t sie dessen a b k o m m e , von sich l e g t " , an L e i b und Leben, wenn das K i n d s t i r b t ; dagegen m i t außerordentlicher Strafe, wenn es a m L e o e n bleibt. D i e Verweisung auf die Strafe des Kindesmordes, die noch in der Bambergensis sich findet, h a t die P G O gestrichen. Das gemeine R e c h t (Preußen 1620, Österreich 1656 bis 1768) unterschied dagegen zwei F ä l l e , einen schwereren, wenn Tötungsvorsatz vorlag, und einen leichteren, wenn dies nicht der F a l l w a r ; dort t r a t die Strafe des Kindesmordes, hier mildere S t r a f e ein. E r s t ö s t e r r e i c h 1787 scheidet wieder die Aussetzung scharf v o n der T ö t u n g , während A L R die gemeinrechtliche A u f f a s s u n g beibehält. D i e heutige Gesetzgebung (schon Bayern 1813 A r t . 174) hält an d e m C h a r a k t e r der Aussetzung als Gefährdungsdelikt fest und erweitert, im A n schluß an das kanonische R e c h t und einzelne gemeinrechtliche Schriftsteller (so JSF. Böhmer), die S t r a f b a r k e i t auf die Aussetzung von andern Hilfsbed ü r f t i g e n (languidi). Die deutschen E n t w ü r f e haben die noch im geltenden R e c h t sich findende Kasuistik aufgegeben und dadurch den K r e i s der geschützten Personen erweitert. V g l . E 1 9 1 9 § 289 und dazu Denkschrift S. 233.

II. Begriffsmerkmale der Aussetzung nach R S t G B § 221: 1. Gegenstand ist e i n e w e g e n j u g e n d l i c h e n Alters, G e b r e c h l i c h k e i t oder K r a n k h e i t hilflose Person. Die *) U m f a ß t sowohl § 223, als a u c h § 230, wenn kein schwerer E r f o l g i m Sinne der §§ 224 und 226 eingetreten i s t ; nicht aber § 340. — V g l . oben § 72 I I I .

§ 9°-

i • Die Aussetzung.

331

H i l f l o s i g k e i t , d. h. das Unvermögen, durch eigene Kraft oder Anrufung Dritter die Lebensgefahr 1 ) von sich abzuwenden, muß in den angegebenen Umständen ihre Ursache haben. Bezüglich des j u g e n d l i c h e n A l t e r s ist die feste Altersgrenze des preuß. S t G B (7 Jahre) mit Recht beseitigt. Die G e b r e c h l i c h k e i t kann, muß aber nicht durch Altersschwäche hervorgerufen sein. Als K r a n k h e i t ist auch Geistesstörung (nicht aber eine in regelmäßigen körperlichen Zuständen begründete Bewußtlosigkeit, wie tiefer Schlaf und dgl.), sind insbesondere Betäubungs- und Rauschzustände anzusehen; auch chloroformierte oder hypnotisierte Personen gehören, ebenso wie blödsinnige, zu den „ K r a n k e n " im Sinne des Gesetzes. Dagegen liegt Aussetzung nicht vor, wenn die Hilflosigkeit andere als die im Gesetze genannten Ursachen hatte (z. B . Erschöpfung des Bergsteigers, Fesselung, Knebelung, Taubstummheit). 2. Die Handlung ist entweder a) e i n A u s s e t z e n i m e n g e r e n S i n n e : das Versetzen aus dem bisherigen Zustande in einen anderen; vollendet mithin, sobald jene Beziehungen zur Außenwelt, in denen der Verletzte bisher Schutz gefunden, gelöst worden sind. Und zwar ein Aussetzen in h i l f l o s e r L a g e , d. h. das Versetzen in einen Zustand, in dem das Leben des Ausgesetzten g e f ä h r d e t ist (oben § 28 II 3). Aussetzung liegt daher nicht vor, wenn die Erwartung des Täters gerechtfertigt war, daß der Ausgesetzte durch dritte Personen aufgenommen werden würde; die bloße Möglichkeit einer Errettung durch Dritte reicht dagegen nicht aus. Oder b) e i n V e r l a s s e n in h i l f l o s e r L a g e : strafbar nur, wenn der Verlassene unter der Obhut des Täters stand, oder dieser für die Unterbringung, Fortschaffung oder Aufnahme des Verlassenen zu sorgen hatte. Die Verpflichtung kann hier, wie überall (oben § 30 II), begründet sein durch Gesetz wie Vertrag, aber auch durch vorangegangenes Tun, z. B . durch das Aufnehmen eines ausgesetzten Kindes von Seiten eines unbeteiligten Dritten (bestritten). Ein V e r s e t z e n in a n d e r e L a g e ist hier nicht erforderlich; wohl aber r ä u m l i c h e T r e n n u n g , durch Sichentfernen, sei es des Täters, sei es des Schützlings (der etwa in einen eben abfahrenden Eisenbahnwagen gelegt wird), oder durch Verschließen des Einganges usw. Vernachlässigung der pflichtgemäßen Obsorge (Unterlassung) genügt unter-dieser Voraussetzung. 2 ) ') Ebenso Frank § 221 I und Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 221 N o t e 1. Dagegen genügt nach der herrschenden Ansicht eine die G e s u n d h e i t gefährdende Lage. Vgl; R 31 165, 54 273 (eine Gebärende ist selbst bei normalem Geburtsverlauf als eine wegen K r a n k h e i t hilflose Person anzusehen). «) Übereinstimmend R 88 377, Allfeld 401, Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 221 Note 4, Frank § 221 I I . — Eine Erweiterung des Gesetzes auf Zurück-

§ qi.

332

2. Die Vergiftung.

3. D e r V o r s a t z besteht in dem B e w u ß t s e i n v o n d e r g e f ä h r d e n den den

Bedeutung

der

(eventuellen)

wie dieser

Handlung.

Der

Verletzungsvorsatz

Gefährdungsvorsatz begrifflich

schließt

ebensowenig

aus

jenen.3)

III. Strafe. Die Aussetzung ist regelmäßig V e r g e h e n : Der Strafsatz beträgt Gefängnis von drei Monaten bis zu fünf Jahren ; wenn von den leiblichen Eltern 4 ) gegen ihr Kind begangen, Gefängnis nicht unter sechs Monaten. Ist eine schwere Körperverletzung ( S t G B § 224) der ausgesetzten oder verlassenen Person verursacht worden, so tritt Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn der Tod verursacht worden, Zuchthaus von drei bis zu fünfzehn Jahren ein ( V e r b r e c h e n ) . Der Versuch ist nur strafbar, wenn die Aussetzung Verbrechen ist; er ist auch hier (oben § 46 Note 8) möglich. 6 )

§ 91.

2. Die Vergiftung.

Literatur. Löffler V D Bes. T . 5 299, 377. — Hetzer Das Verbrechen der Vergiftung. Greifswalder Diss. 1897. Gyr Die Vergiftung als Gefährdungsdelikt 1904. Rieth Das Verbrechen der Vergiftung. Würzburger Diss. 1905. Zietschmann Derselbe Titel. Leipziger Diss. 1905. Schwammberger Derselbe Titel. Heidelberger Diss. 1906. I. Geschichte. Die Vergiftung ist erst im neueren Recht, und zwar, als in Verletzungsabsicht begangene G e f ä h r d u n g , zum selbständigen Verbrechen geworden. Die Sullanische Gesetzgebung stellte das Geben, Zubereiten, Ankaufen, Verkaufen von G i f t unter die 1. Cornelia de sicariis et veneficis. Die römischen Kaiser dagegen brachten, unter dem Einfluß kirchlicher Anschauungen, die Vergiftung als maleficium mit der Zauberei in engste Berührung (C. 9, 18). Ganz ebenso das deutsche Mittelalter; so auch Ssp. 2 13, 7, der daher die Strafe des Feuertodes verhängt. Die P G O drohte in Art. 130 die Strafe des Rades dem, der „jemanden durch G i f t oder Venen an Leib oder Leben lassung von Kindern in nichthilfloser Lage, z. B . im EisenbahnwartesaaJ, wäre wünschenswert. [E 1919, § 289 Abs. 2 bestraft denjenigen, der einen Hilflosen, der unter seiner O b h u t steht oder für dessen Unterbringung, Fortschaffung oder A u f n a h m e er zu sorgen hat, i n h i l f l o s e r L a g e l ä ß t . Damit soll das Erfordernis einer räumlichen Trennung beseitigt sein. Vgl. Denkschrift S- 233.] 3) Oben § 39 Note 7. Daher Idealkonkurrenz mit Tötung wie Körperverletzung möglich. Ebenso Frank § 221 I I I , Olshausert § 221 13, Schwartz § 221 Note 6, sowie R 25 321, anscheinend wohl auch Ebermayer in R G R ä t e Komra. § 221 Note 5. Dagegen Allfeld 402, Binding Lehrb. 1 63. Wichtig bei R ü c k t r i t t v o m Versuch. Eigentümliche Folgerungen ergeben sich daraus, daß § 217 mildernde Umstände zuläßt, § 221 Abs. 3 aber nicht. *) N i c h t Stief-, Schwieger-, Pflege-, Großeltern. Ebenso Ebermayer a. a. O. N o t e 6. s) Über den Führer des K r a f t w a g e n s , der die von ihm verletzte Person in hilfloser L a g e verläßt, vgl. unten § 189 I. G E § 272 bestraft wegen Aussetzung allgemein jeden, der, nachdem er einen andern schuldhaft verletzt hat, diesen hilflos läßt, [über E 1919 § 289, der mit K E § 285 wörtlich übereinstimmt, vgl. oben A n m . 2. Der in G E § 272 für die Aussetzung zum Ausdruck gebrachte legislative Gedanke ist ganz allgemein in E 1919 5 16 Satz 2 verwendet worden.]

§9i-

2- Die Vergiftung.

333

beschädigt" ; Tötungsvorsatz oder Tötungserfolg wird vorausgesetzt, aber nicht verlangt, die Vergiftung mithin als selbständiges, von der Zauberei losgelöstes. Verbrechen anerkannt. Das gemeine Recht und die ihm folgende Gesetzgebung sonderte im Anschlüsse an die Sächsischen Konstitutionen 4 18 die gemeingefährliche Vergiftung von Brunnen und Weiden a b ; die Vergiftung aber wird zumeist (nicht Österreich 1656 und 1768, wohl aber Österreich 1787 ynd 1803, sowie A L R ) als Fall des Meuchelmordes aufgefaßt und damit ihrer selbständigen Bedeutung entkleidet. Dagegen machte, den späteren gemeinrechtlichen Schriftstellern (Grolman, Feuerbach, Martin u. a.) folgend, Preußen 1851 die Vergiftung wieder zum selbständigen Verbrechen, und ihm schließt sich das R S t G B an, individuelle und gemeine Gefährdung (Vergiftung von Brunnen usw.) streng voneinander trennend (unten § 153). Die deutschen Entwürfe sind zur älteren Auffassung zurückgekehrt und haben den selbständigen Tatbestand der Vergiftung gestrichen. Vgl. Denkschrift zum E 1919 S. 237. I I . B e g r i f f der V e r g i f t u n g n a c h

§ 229

StGB.

x. A l s M i t t e l f o r d e r t d a s G e s e t z S t o f f e , d i e (bei d e r g e g e b e n e n Art

der

Anwendung)

geeignet

sind,

die

Gesundheit,

sei

es

c h e m i s c h e m , sei es a u f m e c h a n i s c h e m W e g e (z. B . g e s t o ß e n e s zu

zerstören,

also,

wie

Code

penal 301

rasch den T o d herbeizuführen. die v o m

Gesetze

zu

Körper

wie bei Cholera,

weniger

dadurch

aus, Tod

Zu den G i f t e n gehören auch die

von

Tuberkulose

Gifte

auf c h e m i s c h e m

übertragbaren

nicht aber alkoholische

oder

W e g e den

Gaben

zu bewirken imstande sind.

mehr

Unter diesen S t o f f e n zeichnen sich

besonders hervorgehobenen

d a ß sie a u c h i n k l e i n e r e n Körper

sagt,

auf

Glas),

Ansteckungsstoffe

und anderen

(Bakterien),

Infektionskrankheiten,

Getränke.

2. D i e H a n d l u n g

b e s t e h t in d e m B e i b r i n g e n

der

genannten

S t o f f e , d . h . b e i V e r w e n d u n g v o n G i f t i m e n g e r e n S i n n e in d e s s e n E i n f ü h r u n g in d e n O r g a n i s m u s ,

also in d a s

Blut

des

Verletzten.

O b diese E i n f ü h r u n g d u r c h G e w a l t oder T ä u s c h u n g b e w i r k t

wird,

o b sie d u r c h d i e V e r d a u u n g s - o d e r d u r c h d i e A t m u n g s o r g a n c

(Nar-

kotisierung), durch Einspritzung

unter die H a u t

W e i s e ( K l y s m a ) erfolgt, ist d u r c h a u s Mit

dem

Beibringen

ist

das

oder

auf

andere

gleichgültig.

Verbrechen

vollendet;

etwaige

A n w e n d u n g von G e g e n g i f t schließt d a h e r die B e s t r a f u n g aus § 229 StGB

nicht

(Zucker oben

aus.

statt

Die

Arseniks

§ 47 erörterten

Strafbärkeit usw.)

diesem

des

untauglichen

sich

nach

den

Versuches

allgemeinen,

Grundsätzen.

3. D e r V o r s a t z m u ß gebrachten

richtet

die V o r s t e l l u n g u m f a s s e n , d a ß die

S t o f f e die G e s u n d h e i t zu zerstören g e e i g n e t sind.

Gefährdungsvorsatz

Gesundheit

eines

muß

anderen

hinzutreten:

zu

beschädigen

D i e V e r g i f t u n g ist m i t h i n vorsätzliches Verletzungsabsicht.

Ging

der

die

Vorsatz

Täters

Zu

Absicht,

die

( o b e n § 87

II).

Gefährdungsverbrechen des

bei-

dahin,

in

durch

334

§92-

3- Der Raufhandel.

das Gift zu töten, so liegt möglicherweise Idealkonkurrenz mit §§ 2 i i ff. vor. 1 ) I I I . Strafe: regelmäßig Zuchthaus bis zu zehn Jahren; wenn durch die Handlung eine schwere Körperverletzung ( S t G B § 224) verursacht worden, Zuchthaus nicht unter fünf Jahren; wenn der Tod verursacht worden, Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Versuch ist auch hier (oben § 46 Note 8) möglich; so wenn die beabsichtigte Einspritzung von Gift zwar mißlingt, aber einen Herzschlag des zu Vergiftenden oder den Verlust des Sehvermögens (beim Ringen dringt die Spitze des Instruments ins Auge) zur Folge hat. Neben der Strafe kann auf Buße erkannt werden, wenn die Vergiftung eine Körperverletzung zur Folge gehabt hat. 2 )

§ 92. Literatur. Löffler (V. Lil. Heft 22) 1899. Raufhandel. Tübinger seit Feuerbach (v. Lil.

3. Der Raufhandel.

VD Bes. T. 5 3 1 1 , 377. — Reuter Der Raufhandel usw. Regendanz Beiträge zur Lehre von der Beteiligung am Diss. 1906. Kriegsmann Mittäterschaft und Raufhandel Heft 80) 1907.

I. Geschichte. Verletzungen und Tötungen im Raufhandel bieten der rechtlichen Beurteilung in doppelter Beziehung besondere Schwierigkeiten. Einmal ist es in zahlreichen Fällen unmöglich, mit einiger Sicherheit festzustellen, wer von den Beteiligten den Tod oder die Körperverletzung verursacht hat. Ferner kann der Fall sich ereignen, daß der eingetretene Erfolg nur durch das Zusammenwirken mehrerer Verletzungen entstanden ist. Wie die deutschen Quellen, so beschäftigte sich auch die italienische Wissenschaft des späteren Mittelalters vielfach mit diesen Schwierigkeiten, für die das römische Recht (1. 11 § 3 D. 9, 2 vgl. mit 1. 51 eod.) widersprechende Entscheidungen getroffen hatte, ohne daß es jedoch über die Aufstellung gewaltsamer Fiktionen hinwegzukommen vermocht hätte. Auch die PGO begnügte sich mit einer solchen, wenn sie in Art. 148 bestimmt: „Wäre aber der Entleibte durch mehr denn einen, wie man wüßte, gefährlicherweise tödlich geschlagen . . . worden, und man könnte nicht beweislich machen, von welcher sonderlichen Hand und Tat er gestorben wäre, so sind dieselben, so die Verletzung wie obsteht getan haben, alle als T o t s c h l ä g e r zum Tod zu strafen." Die Landesgesetzgebung aus der Zeit des gemeinen Rechts ist trotz aller Anläufe zu sachgemäßer Regelung (vgl. z. B . Sächsische Konstitutionen 4 7) nicht glücklicher gewesen. Noch A L R 844 bestimmt, daß derjenige als Totschläger anzusehen sei, der zuerst von einer tödlichen Waffe Gebrauch gemacht habe. Die heutige Gesetzgebung bemüht sich, seit den Gesetzbüchern für Braunschweig und Preußen, alle willkürlichen Annahmen zu vermeiden und die Strafe nach dem Verschulden zu bemessen, hat aber mit diesen Bemühungen nur teilweise Erfolg erzielt. Dies gilt auch von § 227 R S t G B , der zwei wesent*) Oben § 39 Note 7. Ebenso Frank § 229 IV; dagegen (wenn auch mit verschiedener Begründung) AUfeld 405, Binding Lehrb. 1 60, Olshausen § 229 9. E s kann daher bei Rücktritt vom Tötungsversuch strafbare Vergiftung vorliegen. R 42 214 nimmt Idealkonkurrenz an, wenn das einheitliche Tun (Ausströmen von Gas) zuerst vom Vergiftungsvorsatz, dann aber vom Tötungsvorsatz beherrscht war. Vgl. Ebermayer in RGRäteKomm. § 229 Note 6. *) Vgl. auch oben § 89 Note 3.

§ gi.

3- Der Raufhandel.

335

lieh voneinander verschiedene Fälle umfaßt, in dem ersten ein Polizeidelikt zum Vergehen m a c h t und in dem zweiten gänzlich ungerechtfertigte Bestimmungen trifft. Die Entwürfe haben den zweiten Fall mit Recht gestrichen. (Vgl. V E § 231, G E § 273, K E § 294, E 1919 § 299.)

II. § 227 Abs. 1 bedroht die Beteiligung am (gefährlichen) Raufhandel. Wenn durch eine Schlägerei oder durch einen von mehreren gemachten Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 224) verursacht wird, so ist jeder, der sich an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt hat, schon wegen dieser Beteiligung zu bestrafen, falls er nicht ohne sein Verschulden hineingezogen worden ist. Demnach ist die B e t e i l i g u n g a l s s o l c h e , wenn die übrigen Voraussetzungen zutreffen, als selbständiges Vergehen strafbar; der Eintritt des Todes oder der schweren Körperverletzung ist zur Bedingung der Strafbarkeit gemacht. (Vgl. oben § 44 III). S c h l ä g e r e i ist der in Tätlichkeiten ausgeartete Streit zwischen mehr als zwei Personen. A n g r i f f ist gleichbedeutend mit „tätlichem Angriff" oder „ T ä t l i c h k e i t " in dem unten § 96 Note 1 erörterten Sinne. „ B e t e i l i g t " ist jeder, der an dem Orte und zur Zeit des Raufhandels persönlich anwesend ist und, sei es psychisch (wie durch Aufreizung usw.), sei es physisch, mitwirkt. Dabei macht es, vorausgesetzt, daß sich der Raufhandel als einheitlicher Vorgang darstellt, keinen Unterschied, ob die Mitwirkung vor oder nach jenem Zeitpunkte stattfand, in dem Tod oder Körperverletzung verursacht wurden. Ist der Urheber der tödlichen oder schweren Verletzung bekannt, so ist er nach §§ 211 ff., bzw. 224ff. S t G B zu bestrafen. Der Einwand der Notwehr schützt wohl gegenüber diesen Strafdrohungen (auch den, der die Schlägerei begonnen hat)'), nicht aber gegenüber § 22 7 (soweit der Täter nicht ohne sein Verschulden in den Raufhandel hineingezogen wurde). Jeder schuldhaft Beteiligte haftet aus § 227, selbst wenn feststeht, daß er die Verletzung nicht verursacht h a t ; insbesondere auch der Verletzte selbst. 2 ) Die S t r a f e ist Gefängnis bis zu 3 Jahren. Auf B u ß e ist nicht zu erkennen, da der Schuldige nicht wegen Verursachung des Erfolges, sondern wegen des Sondervergehens der Beteiligung am Raufhandel bestraft wird. 3 )

III. Einen schwereren Fall bedroht der 2. Abs. des § 227 S t G B . E r setzt voraus, daß durch eine Schlägerei oder durch einen von mehreren gemachten Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 224) verursacht worden, dieser Erfolg aber mehreren (vorsätzlichen, nicht fahrlässigen) 4 ) Verletzungen zuzuschreiben ist, die sie nicht einzeln, sondern nur durch ihr Zusammentreffen verursacht haben. Hier wäre nach den allgemeinen Grundsätzen jeder, dem eine dieser 'Verletzungen zur Last fällt, *) R M i l G 18 103. Ebenso Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 227 N o t e 10. 2) Vgl. R 82 33, Ebermayer a . a . O . Note 8. Übereinstimmend Binding Lehrb. 1 78, Frank §231 II, Kriegsmann 218. Dagegen R 80 367. Vgl. oben § 89 N o t e 3. ') übereinstimmend Ebermayer a. a. O. Note 13, Frank § 227 V , Kriegsmann 236. s)

336

§93-

4- D e r

Zweikampf.

nach den §§ 224 bis 226 zu bestrafen. -Statt dessen hat der Gesetzgeber einen b e s o n d e r e n S t r a f r a h m e n aufgestellt, der im Vergleiche mit den angegebenen Paragraphen einerseits als unverhältnismäßig mild, andrerseits als ungerechtfertigt streng erscheint. S t r a f e : Z u c h t h a u s bis zu fünf J a h r e n , bei m i l d e r n d e n U m s t ä n d e n {§ 228) G e f ä n g n i s n i c h t u n t e r einem M o n a t . A u f B u ß e i s t zu e r k e n n e n , w e n n e i n e K ö r p e r v e r l e t z u n g v o r l i e g t (oben § 89 N o t e 3).

§ 93.

4. Der Zweikampf.

Literatur. Kohlrausch V D B e s . T . 3 125. — W e r t v o l l e D a r s t e l l u n g in d e r B e g r ü n d u n g des p r e u ß . E n t w . v o n 1833 (S. i o i f f . ) . v. Below D a s D u e l l in D e u t s c h l a n d . G e s c h i c h t e und G e g e n w a r t 2 . A u f l . 1897 (dazu RosenfeldZ 18 5 7 7 ) . Erichson D a s D u e l l i m a l t e n S t r a ß b u r g 1897 (dazu Günther Z 19 886). v. Bonin Z 33 385 (geschichtlich). Coulin D e r g e r i c h t l i c h e Z w e i k a m p f i m a l t f r a n z ö s i s c h e n P r o z e ß u s w . 1. T e i l 1900. Derselbe V e r f a l l des o f f i z i e l l e n und E n t s t e h u n g d e s p r i v a t e n Z w e i k a m p f e s in F r a n k r e i c h 1909. Fehr D e r Z w e i k a m p f 1908 (geschichtlich). Naendrup D u e l l und E h r e n s c h u t z 1 9 1 2 . Vorberg D e r Z w e i k a m p f i n d e m S t G B f ü r d a s D e u t s c h e R e i c h 1902. Liepmann D u e l l u n d E h r e 1904. Binding D i e E h r e . D e r Z w e i k a m p f 1909. V e r h a n d l u n g e n d e s d e u t s c h e n Reichstags 1913. Schulz D e r Z w e i k a m p f i m R S t G B . Erlanger Diss. 1914. Geber D i e T a t b e s t a n d s e l e m e n t e des Z w e i k a m p f d e l i k t s (v. Lil. H e f t 182) 1 9 1 4 . — Gwinner Ü b e r die j u r i s t i s c h e N a t u r d e s s o g e n a n n t e n a m e r i k a n i s c h e n D u e l l s . E r l a n g e r Diss. 1892. Samer (derselbe T i t e l ) . W ü r z b u r g e r Diss. 1 9 0 5 . — M a r t i n D i e juristische B e u r t e i l u n g d e s s t u d e n t i s c h e n S c h l ä g e r d u e l l s 1887. Berger D a s s o g e n a n n t e a m e r i k a n i s c h e D u e l l u n d die s t u d e n t i s c h e S c h l ä g e r m e n s u r 1892.

Beling Z 32 541-

I. Geschichte und systematische Stellung. S t r a f b e s t i m m u n g e n gegen die H e r a u s f o r d e r u n g , d a s „ A u s h e i s c h e n " oder „ A u s l a d e n " z u m K a m p f , f i n d e n sich seit der z w e i t e n H ä l f t e d e s Mittelalters. 1 ) Sie k n ü p f e n sich einerseits a n d e n S c h u t z des H a u s r e c h t e s , andrerseits an das V e r b o t des gerichtlichen Z w e i k a m p f e s . B i s in den A n f a n g des 17. J a h r h u n d e r t s w i r d , unter d e m E i n f l u ß der Sächsischen K o n s t i t u t i o n e n (4 10), der H e r a u s g e f o r d e r t e , selbst w e n n er seinen Gegner t ö t e t , nur w i l l k ü r l i c h b e s t r a f t . B a l d a b e r treten strenge D u e l l m a n d a t e in d e n v e r s c h i e d e n e n L ä n d e r n (in R e u ß schon 1613, in Ö s t e r r e i c h 1624; D u e l l e d i k t des K a i s e r s M a t t h i a s v o n 1 6 1 7 bei V. Below Z 16 72-7) gegen die a u s den romanischen L ä n d e r n in neuer G e s t a l t herüberdringende U n s i t t e a u f . D a s R e i c h s g u t a c h t e n v o n 1668, das allerdings niemals gesetzliche K r a f t e r l a n g t e , d r o h t e d e m i m Z w e i k a m p f Gebliebenen s c h i m p f l i c h e s B e g r ä b n i s , d e m Ü b e r l e b e n d e n e n t e h r e n d e T o d e s s t r a f e . D i e S c h r i f t s t e l l e r der A u f k l ä r u n g s *) G e g e n V. Below h a l t e ich a n meiner früheren A n s i c h t f e s t . V. Below b e s t r e i t e t den g e r m a n i s c h e n U r s p r u n g des Duells. E s s t a m m t n a c h i h m a u s S p a n i e n (erste sichere N a c h r i c h t 1473 und 1480), d r i n g t d a n n n a c h F r a n k r e i c h u n d I t a l i e n , später n a c h D e u t s c h l a n d (erste N a c h r i c h t 1562). D e m g e g e n ü b e r b e t o n e i c h : 1. F ü r m i c h h a n d e l t es sich g a r n i c h t um d e n geschichtlichen U r s p r u n g der D u e l l s i t t e , sondern der D u e l l s t r a f e n . G e g e n v. Below sprechen ü b r i g e n s die italienischen S t a t u t a r r e c h t e (Kohler S t u d i e n 4), die schon i m 14. J a h r h u n d e r t d a s D u e l l k e n n e n . — 2. I c h b e h a u p t e , d a ß die S t r a f d r o h u n g e n g e g e n das D u e l l u n m i t t e l b a r a n die g e g e n d a s „ A u s h e i s c h e n " a n k n ü p f e n . D e n B e w e i s d a f ü r e r b r i n g t u n t e r a n d e r e m g e r a d e das v o n v. Below a n g e f ü h r t e S t r a ß b u r g e r D u e l l m a n d a t v o n 1650, d a s die früheren S t r a f d r o h u n g e n g e g e n d a s Ausheischen wörtlich wiederholt.

§93-

4- Der Zweikampf,

337

zeit sind auch hier geteilter Ansicht. Während Beccaria, Soden u. a. den Zweikampf überhaupt oder doch auf seiten des Geforderten straflos lassen wollen, verlangen Friedrich II. und Joseph I I . strengste Bestrafung. Das ALR 667 faßt den Zweikampf als Standesdelikt, u. z. als eigenmächtige Selbsthilfe für erlittene Beleidigung, auf, straft Tötung des Gegners als Mord oder Totschlag, droht beiden Teilen Adels- und Ehrverlust und läßt das Bild des flüchtigen Täters an den öffentlichen Schandpfahl schlagen. Noch Sovigny hielt (wie früher Michaelis, Sonnenfels u. a.) entehrende Strafe für angezeigt. Erst allmählich überzeugt sich die Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts, daß der Widerspruch zwischen dem Verbot der Strafgesetzgebung und dem Gebot der Sitte eine, wenn auch ernste, so doch nicht entehrende Strafe dringend verlange; und so verwendet, im Anschluß an Preußen 1 8 5 1 , auch unser R S t G B (von den Fallen in §§ 207 und 210 abgesehen) die Festungshaft als custodia honesta zur Bestrafung des Zweikampfes. V E §§ 220 bis 226 hält, mit viel zu weit gehender Differenzierung, grundsätzlich an dem Standpunkt des geltenden Rechtes fest. GE §§ 260 bis 264 hat die Tatbestände wesentlich vereinfacht und ausschließlich Gefängnisstrafe angedroht. [ K E §§ 297 bis 303 und E 1919 §§ 302 bis 307 erstreben ebenfalls eine Vereinfachung der Tatbestände, insbesondere durch Beseitigung des besonderen Tatbestandes des Kartelltragens und durch Fortlassung der qualifizierenden Umstände der §§ 202 und 208 des geltenden Rechts. Ein weitgespannter Strafrahmen bei dem Grunddelikt des Zweikampfs leistet dafür Ersatz. Im Gegensatz zum G E drohen K E und E 1919 Einschließung und nur für Fälle freventlichen Verschuldens Gefängnis an.] Der Grund für die Strafbarkeit des Zweikampfes liegt nicht in der Störung des öffentlichen Friedens: Denn der Zweikampf geht heutzutage meist in stiller Abgeschiedenheit vor sich; auch nicht darin, daß er als ungerechte Selbsthilfe den Gang der Rechtspflege durch eigenmächtigen Eingriff störte: Denn diese wird einfach beiseite gelassen und niemand Gewalt angetan; sondern nur darin, daß er ein Spie! um das Leben, eine G e f ä h r d u n g eigenen und fremden Daseins ist, wie sie der Staat nicht ruhig mitansehen zu können glaubt.

II. Der Begriff des Zweikampfes wird im S t G B nicht bestimmt, sondern als durch die Sitte vorgezeichnet vorausgesetzt. Auf diese ist daher bei allen Auslegungsfragen zurückzugehen; denn nur in dem Druck der Standessitte liegt die Rechtfertigung für die mildere Bestrafung des Zweikampfes,2) die im demokratischen Staate völlig entfällt. 1. Zweikampf i s t der v e r a b r e d e t e , den h e r g e b r a c h t e n o d e r (der Sitte entsprechend) v e r e i n b a r t e n R e g e l n e n t s p r e c h e n d e K a m p f m i t g l e i c h w e r t i g e n W a f f e n zwischen zwei P e r s o n e n . Der B e w e g g r u n d des Zweikampfes ist begrifflich gleichgültig. Die Tödlichkeit der Waffe gehört nicht zum Begriffe des Zweikampfes, aber unser geltendes Recht b e s t r a f t nur den Zweikampf mit tödlichen Waffen. 2. Der Begriff des Kampfes erfordert Angriff einerseits, *) Daher muß der Kampf zwischen Frauen oder zwischen Mann und Weib aus dem gesetzlichen Begriffe des Zweikampfes ausgeschlossen werden. Da-

gegen Allfeld 408, Ebermayer in RGRäteKomm. Vorbem. 5 vor § 201, Schwarte. V. L i s z t , Strafrecht.

Aufl.

22

338

§93-

4- D e r Zweikampf.

andererseits die Möglichkeit und die Absicht von Gegenangriff oder Verteidigung unter gegenseitigem Einsetzen von K r a f t , Entschlossenheit, Gewandtheit. Einen „einseitigen Z w e i k a m p f " (Frank) g i b t es nicht. E s ist kein Zweikampf, wenn die beiden Gegner das (ausdrückliche oder stillschweigende) Übereinkommen getroffen haben, den Gesetzen der Ehre scheinbar Genüge zu leisten, aber beiderseits in die L u f t zu schießen; oder wenn der Eine den Schüssen des Andern sich widerstandslos preisgibt. Aber auch das sogenannte a m e r i k a n i s c h e D u e l l (besser: die Losung ums Leben) ist kein Zweikampf. 3 ) Der Kampf muß v e r a b r e d e t sein. Ob der Vereinbarung eine längere oder kürzere Überlegung vorhergegangen, ist gleichgültig. Daher ist auch das sog. R e n c o n t r e wahrer Zweikampf. Nicht aber die A t t a c k e , bei welcher der Angegriffene in Notwehr handelt; anders selbstverständlich, wenn er sich auf den Zweikampf einläßt. 3. Der Begriff der W a f f e ist hier im engeren (technischen) Sinne zu nehmen: Er u m f a ß t a l l e (ihrer G a t t u n g nach) z u A n g r i f f und Verteidigung bestimmten und zur Beibringung von V e r l e t z u n g e n g e e i g n e t e n W e r k z e u g e . Ein Faustkampf ist wegen des Fehlens einer W a f f e ebensowenig Zweikampf wie das englische B o x e n oder das „ H a c k e i n " oder „Hosenlupfen" der Alpenbewohner. Die W a f f e muß aber auch der hergebrachten Sitte entsprechen, „ D u e l l w a f f e " in diesem Sinne sein; Stöcke und K n ü t t e l sind ebenso ausgeschlossen wie Messer und Dolch. 4 ) G l e i c h h e i t der W a f f e n ist nicht erforderlich, auch nicht Gleichheit der A r t nach, soweit diese nicht durch die Sitte gefordert wird. W o h l aber ist, wie das schon aus dem Begriffe des „ K a m p f e s " hervorgeht, G l e i c h w e r t i g k e i t der W a f f e n erforderlich, so d a ß nicht von vornherein der Sieg unzweifelhaft entschieden ist. Aus dem gleichen Grunde m u ß aber auch eine g e w i s s e Gleichwertigkeit der G e g n e r , die auch dem Schwächeren eine, wenn auch noch so geringe Hoffnung auf den Sieg g e w ä h r t , gefordert werden. Wenn in einem Pistolenduell ein Sehender seinen blinden Gegner erschießt, 3 ) Vgl. V. Liszt Aufsätze I i . Im Sinne des Textes jetzt die meisten; insbes. Berger, Gwinner, Geber, Schulz. Abweichende Ansichten: 1. Es ist Teilnahme am Selbstmord; so auch Allfeld 408. — 2. Es ist Tötung des Einwilligenden; so Kohler Studien 1 144. — 8. Es ist Mord (!); so Binding 1 702 und Lehrb. 1 26. — Richtig hebt Berger 10 hervor, daß auch das Schießen über das Taschentuch usw. nicht Zweikampf ist. Zu dieser Ansicht neigt auch Ebermayer in RGRäteKomm. § 202 Note 2. Dagegen Frank § 202, Schwartz § 202 Note i. 4 ) Ebenso R 7 29, Kohlrausch 143, Olshausen § 201 9- Dagegen (wesentlich weiter) Allfeld 408, Binding Lehrb. 1 69, Frank 15. Abschn. II, Schwartz 15. Abschn. Note 1, auch Ebermayer in RGRäteKomm. Vorbem. 6 vor § 201»

§93-

4- Der Zweikampf.

339

so liegt für die rechtliche wie für die sittliche Beurteilung gemeiner Mord vor. 6 ) 4. Das Gesetz verlangt aber weiter tödliche Waffen, d.h. s o l c h e W a f f e n , die zur Z u f ü g u n g von tödlichen Verletzungen b e s t i m m t und bei b e s t i m m u n g s g e m ä ß e r Airwendung g e e i g n e t sind. Ein „Kampf mit tödlichen Waffen" liegt nicht vor, wenn die Waffe zur Zufügung tödlicher Verletzungen nicht bestimmt, oder ihre Eignung dazu im Einzelfall durch besondere Schutzvorrichtungen aufgehoben ist. Nicht nur eine bestimmte Eigenschaft der Waffen, sondern auch eine dieser Eigenschaft entsprechende Verwendung im Kampfe ist erforderlich. Pistolen dürfen nicht auf Flintenschuß weite verwendet werden, und ausgestattet mit undurchdringlichen Panzern kann man keinen Zweikampf ausfechten. Der K a m p f s e l b s t muß l e b e n s g e f ä h r l i c h sein. Demnach erscheinen die gewöhnlichen studentischen S c h l ä g e r m e n s u r e n zwar als Zweikampf, nicht aber als strafbarer Zweikampf im Sinne des RStGB.8) Die Anwendung der strafgesetzlichen Bestimmungen über Körperverletzung und Raufhandel ist ausgeschlossen, weil die im Zweikampfe vorkommenden Verletzungen als Bestandteile des Zweikampfes zu diesem selbst gehören und nicht getrennt von ihm zur Strafe gezogen werden können. 7 ) Die l a n d e s r e c h t l i c h e n V o r s c h r i f t e n über Studentendüelle sind durch das R S t G B als Straf-, nicht als Disziplinargesetze beseitigt worden.8) 6) Gegen den Text Geber 25, Schwartz, und bezüglich der Gleichwertigkeit der Gegner Ebermayer R G R ä t e K o m m . Vorbem. 6 vor § 201. Maßgebend ist die Erwägung, daß nur der Druck der Standessitte die milde Behandlung des Zweikampfes zu rechtfertigen vermag (oben Note 2). Völlig verkannt von Geber, der daher in den meisten Einzelfragen zu unhaltbaren Ergebnissen gelangt. *) Im Ergebnisse, wenn auch nur teilweise in der Begründung, übereinstimmend: Allfeld 409, Berger 36, Binding Lehrb. 1 69, Birkmeyer 1164, Frank 15. Abschn. I I , Kohlrausch 142, Liepmann 20. — Dagegen hat R nach öfterem Schwanken durch Entsch. der Ver. Strafsenate 8 87 die Schlägermensur für strafbaren Zweikampf im Sinne des Gesetzes erklärt. Schwartz 15. Abschn. Note 2 schließt sich an. Ebenso Geber 77. — [Der heutige Stand der Wundbehandlung, mit dem eine Strafkammer ein freisprechendes Urteil über zwei Studenten begründet hat (vgl. DStrafrZ VI 215), ist für die Frage der Tödlichkeit der Waffen nicht maßgebend: V. Liszt DStrafrZ VI 216.] ' ) Ebenso Allfeld 409, Binding Lehrb. 1 69, Frank 15. Abschn. I I I . Dagegen HälSChner 2 944, der aber Straflosigkeit wegen Einwilligung annimmt. Die gegenteilige Ansicht zwingt dazu, gerade den ungefährlichen Zweikampf (als gemeine Körperverletzung usw.) härter zu bestrafen als den gefährlichen. [Ebermayer in RGRäteKomm. Vorbem. 7 vor § 201 nimmt mit Unrecht an, daß dieses letztere Ergebnis gerade aus der im T e x t vorgetragenen Ansicht folge.] •) Ebenso die herrschende Lehre: dagegen für die Gültigkeit landesrechtlicher Strafdrohungen Frank 15. Abschn. I V ; ferner die frühere preuß. Rechtsprechung, sowie das badische AG vom 23. Dezember 1871, das in Art. 8 die Schlägermensur mit Haft bedrohte. — V E § 224 macht den „Zweikampf

22*

§93-

340

4- Der Zweikampf.

5. Der Zweikampf ist vollendet, sobald einer der beiden Gegner den Kampf begonnen, d. h. von seiner Waffe zum Angriff Gebrauch gemacht hat, auch wenn die Waffe (Pistole) versagt haben sollte, oder wenn der Duellant absichtlich, aber ohne Einverständnis mit seinem Gegner (oben I I 2), in die L u f t geschossen hat. 9 ) Der Versuch (Zielen mit der Pistole, Ausholen zum Schlag) ist nicht strafbar. I I I . Der Gesetzgeber hat sich aber nicht damit begnügt, den Zweikampf selbst unter Strafe zu stellen, sondern bedroht im Anschluß an die geschichtliche Entwicklung auch gewisse V o r b e r e i tungshandlungen, nämlich die Herausforderung 10 ) zum Zweikampf und deren Annahme. 10 ) S t r a f e : regelmäßig ( S t G B § 201) Festungshaft bis zu sechs Monaten; wenn aber bei der Herausforderung die Absicht (gleich Vorsatz), d a ß einer von beiden Teilen das Leben verlieren soll, entweder ausgesprochen ist oder aus der gewählten Art des Zweikampfes erhellt ( S t G B § 202), F e s t u n g s h a f t von zwei Monaten bis zu zwei J a h r e n . Der V e r s u c h i s t straflos. T e i l n a h m e ist nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen. Einen F a l l der Beihilfe hebt der Gesetzgeber als Sonderdelikt hervor, indem er (in § 203) die Kartellträger, d. h. diejenigen, die den Auftrag zu einer Herausforderung (nicht den Auftrag zur Annahme) übernehmen und ausrichten (auch im Falle des § 202), mit F e s t u n g s h a f t bis zu sechs Monaten bedroht. Die Strafe der Herausforderung und deren Annahme, sowie die Strafe der Kartellträger f ä l l t w e g ( S t G B § 204), wenn die P a r t e i e n den Zweikampf vor dessen Beginn freiwillig aufgegeben haben. 1 1 ) Entgegen der allgemeinen Regel (oben § 74 I) wirkt hier die. „ t ä t i g e R e u e " der H a u p t t ä t e r zugunsten aller Beteiligten. K o m m t der Zweikampf wirklich zustande, so wird dadurch die S t r a f . unter Vorkehrungen gegen L e b e n s g e f a h r " zum milder bestraften Sonderdelikt. G E § 262 h a t ihn der Disziplinargerichtsbarkeit überwiesen. [Auch K E § 300 l ä ß t ihn straflos, während E 1 9 1 9 zu dem S t a n d p u n k t des geltenden R e c h t s zurückkehrt, indem er keinerlei Bestimmung über die studentische Schlägermensur trifft. Nach der Denkschrift S. 248 hält es der E 1 9 1 9 nicht für angebracht, der Schlägermensur, „ s o w e i t s i e Z w e i k a m p f m i t t ö d l i c h e n W a f f e n i s t " , eine Sonderstellung einzuräumen. Die (von K E richtig beantwortete) F r a g e geht aber eben gerade dahin, ob und inwieweit die studentische Schlagermensur Zweikampf mit tödlichen Waffen ist. Darüber schweigt sich E 1919 leider aus.j ») E b e n s o O l s h a u s e n 2 0 5 1, R 21 146, R M i l G 13 165. Dagegen AUfeld 408,

Binding Lehrb. 1 72, Ebermayer in RGRäteKomm. § 205 Note 1, Frank 15. Ab-

schn. 1. — R 52 64 h ä l t bereits die R i c h t u n g der Schußwaffe gegen den Gegner für begonnenen Angriff, daher für vollendeten Zweikampf. 1 0 ) Sie muß ernstlich gemeint, d. h. auf den Zweikampf gerichtet sein; Frank § 201 I gegen R 22 1 3 9 und Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 201 N o t e 2. n) R ü c k t r i t t beider P a r t e i e n von der getroffenen Vereinbarung ist er-

forderlich.

Ebenso Ötker GS 64 215.

Dagegen Allfeld 412, Kohlrausch

145,

Schwanz § 204 Note 4, sowie R 3 4 2 0 0 , 3 5 - 2 6 0 . Nach Frank § 204 I I und Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 204 Note 5 wird bei einseitigem R ü c k t r i t t e der Zurücktretende, aber nur für seine Person, straffrei. [ K E § 302 und E 1 9 1 9 i 306 stellen sich auf den B o d e n der heute herrschenden Lehre und lassen R ü c k t r i t t eines der Gegner genügen.]

§93-

4- ® e r

Zweikampf.

341

barkeit der Vorbereitungshandlungen für die beiden Parteien beseitigt (oben § 56 I I ) : Die übrigen Beteiligten, auch die Kartellträger ( S t G B § 203), haften nach den allgemeinen Grundsätzen über Teilnahme; aber nunmehr wegen ihrer Beteiligung am" Zweikampfe selbst. 1 ' 2 ) I V . Die Strafe des Zweikampfes ist im Gesetze verschieden abgestuft. 1. Regelmäßiger Strafrahmen ( S t G B § 205): Festungshaft von drei Monaten bis zu fünf J a h r e n . B u ß e ausgeschlossen. 2. W e r seinen Gegner im Zweikampfe t ö t e t ( S t G B § 206), wird mit Festungshaft n i c h t unter zwei J a h r e n , und wenn der Zweikampf den Tod des einen der beiden Gegner herbeiführen sollte, mit Festungshaft nicht unter drei J a h r e n bestraft. Erforderlich ist, daß der Tod aus einer vorsätzlichen Verletzung hervorging. D i e schwerere Strafe findet keine Anwendung, wenn der Tod durch Abspringen der Klinge verursacht wurde, oder wenn der Get ö t e t e durch einen Sturz sich die Klinge des Gegners in den L e i b s t ö ß t , oder wenn der Tod die Folge des durch die Bandagierung bewirkten Blutandranges zum Kopfe war. 1 ') 3. I s t eine Tötung oder Körperverletzung mittels vorsätzlicher Übertretung der vereinbarten oder hergebrachten Regeln des Zweikampfes bewirkt worden, so ist der Übertreter ( S t G B § 207), sofern nicht nach den oben erwähnten Bestimmungen eine härtere Strafe verwirkt (nicht: „angedroht") ist, nach den allgemeinen Vorschriften über Tötung oder Körperverletzung zu bestrafen. Auffallend ist die eventuelle Anwendung der Zweikampfstrafe, obwohl der Zweikampf mit der Überschreitung der Kampfesregeln aufgehört hat, Zweikampf zu sein. H a t der Zweikampf ohne Sekundanten stattgefunden, so kann die nach §§ 205, 206 verwirkte S t r a f e bis um die Hälfte, jedoch nicht über fünfzehn J a h r e , erhöht werden ( S t G B § 208). Die Behandlung der T e i l n e h m e r richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Insbesondere können auch die Mitglieder des Ehrengerichts, das den Zweikampf anordnet, sich der Teilnahme schuldig machen, wenn ihr Spruch die Gegner zum Zweikampfe b e s t i m m t h a t (anders nach V E , K E und E i 9 1 9 ) . E i n e n Fall h a t auch hier der Gesetzgeber als selbständiges Vergehen besonders hervorgehoben ( S t G B § 210) und damit für unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen der Teilnahme erklärt. W e r nämlich einen anderen zum Zweikampfe mit einem Dritten absichtlich (gleich vorsätzlich), insbesondere durch B e zeigung oder Androhung von Verachtung anreizt (oben § 5 1 Note 5), wird, falls der Zweikampf (wenn auch nicht infolge seiner Anreizung) stattgefunden h a t , s t a t t m i t Festungshaft, der regelmäßigen Strafe des Zweikampfes, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. S t r a f l o s bleiben ( S t G B § 209) Kartellträger, die ernstlich, wenn auch vergeblich, bemüht gewesen sind, den Zweikampf (nicht bloß seine F o r t setzung) zu verhindern, Sekundanten, sowie zum Zweikampf zugezogene Zeugen, Ärzte und Wundärzte.

1S

) Übereinstimmend Olshausen

§ 2 0 5 4.

Dagegen Allfeld

412 Note 39,

Ebermayer in RGRäteKomm. § 203 Note 2, Frank § 205 IV, Schwartz § 205

N o t e 2, auch R 11 279. , 3 ) Die herrschende Ansicht. Dagegen rechnet Frank § 206 I (trotz des hohen Strafrahmens) selbst unverschuldete Tötungen hierher. Unsicher Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 206 Note 2, der aber wohl der herrschenden Meinung folgen möchte.

342

§ 94-

Die Abtreibung.

V . Ü b e r den Z w e i k a m p f aus dienstlicher Veranlassung n a c h M i l S t G B § 1 1 2 vgl. u n t e n § 205 V I .

IV. § 94.

Die Abtreibung.

Literatur. Radbruch V D Bes. T. 5 159. v. Fabrice (Lit. zu § 84). Lewin Die Fruchtabtreibung durch G i f t e und andere Mittel 2. A u f l . 1904. Schultzenstein Z für vgl. Rechtswissenschaft 17 360. Ehinger und Kimmig Ursprung und Entwicklungsgeschichte der Fruchtabtreibung und gegenwärtiger Stand in der Gesetzgebung der Völker 1910. Schneickert bei Groß 18 105. Horch und Franqui Die Abtreibung der Leibesfrucht vom Standpunkt der lex ferenda (Juristisch-psychiatrische Grenzfragen 7. Bd. H e f t 4) 1910. Ed. V. Liszt Die kriminelle Fruchtabtreibung 1. B d . 1910, 2. B d . 1911. Dazu Hirsch Österreichische Z 2 114. v. Winckel Die kriminelle Fruchtabtreibung 1 9 1 1 . Heinitz Die Straftaten wider das keimende Leben. Rostock er Diss. 1911. Goldschmidt Arztliche Sachverständigenzeitung 1911 Nr. 2. — Meineking Täterschaft und Teilnahme bei dem Verbrechen der Abtreibung. Rostocker Diss. 1913. Ötker Mitteilungen der J K V 21 264 (1913). Adams-Lehmann Z 88 173 und dagegen Hirsch Z 88 494. — Über den Entwurf Von 1918; Mittermaier Z 89 575, Ötker im Recht 22 227, 264, Finger G S 86 105. — Über Abtreibung in Notzuchtfällen: Ötker G S 84 1, Bacharach Z 87 459, Feiseriberger Z 87 590. — Mommsen 636. Kohler Studien 4. Knapp 184. — Vgl. auch Lit. zu § 35 III. I. Geschichte. Das ältere r ö m i s c h e Recht hatte die Ahndung der A b treibung (abactus partus, procuratio abortus) der hausväterlichen G e w a l t und der zensorischen Rüge überlassen. Staatliche Strafdrohungen finden wir erst seit Septimius Severus (1. 4 D . 47, 1 1 ; 1. 8 D. 48, 8). Die Zerrüttung des Familienlebens, welche die Folge der bei den römischen Frauen weitverbreiteten Abneigung gegen die Übernahme der mütterlichen Pflichten war, sollte hintangehalten werden; unwürdig erschien es dem Kaiser, daß der Gatte, der um der Zeugung von Kindern willen die Ehe geschlossen hatte, durch die Frau um seine Hoffnungen betrogen werde. Dem Embryo selbständigen Schute zu verleihen, widersprach der stoizistischen Auffassung der römischen Juristen, welche die Leibesfrucht als mulieris portio vel viscerum betrachteten. Anders das k a n o n i s c h e Recht. Die Tötung der belebten Frucht erscheint als homicidium. Belebt aber ist nach der bei den kirchlichen Schriftstellern vertretenen, auf das zweite Buch Mosis gestützten Ansicht der E m b r y o erst, wenn die anima rationalis in ihn eingegangen ist, also erst sechs bis zehn Wochen nach der Empfängnis. Vor diesem Zeitpunkte wird die Abtreibung nur willkürlich bestraft. Denselben Standpunkt nimmt auch P G O ein, während der Rechtsanschauung des deutschen Mittelalters die Strafbarkeit der Abtreibung widersprach (Knapp). Art. 133 sagt: „ W e r einem Weibsbild durch Bezwang, Essen oder Trinken ein l e b e n d i g e s Kind abtreibt, so solch Übel fürsätzlicher oder boshafter Weise geschieht, soll der Mann mit dem Schwert, a l s e i n T o t s c h l ä g e r , und die Frau, so sie es auch an ihr selbst täte, ertränkt oder sonst zum Tode gestraft werden. So aber ein Kind, das noch n i c h t l e b e n d i g wäre, von einem Weibsbild getrieben würde, soll der R a t Rechtsverständiger eingeholt werden." Obwohl die Überzeugung von der Unrichtigkeit jener Unterscheidung zwischen belebter und nichtbelebter Frucht in medizinischen Kreisen bald

§ 94-

Die Abtreibung.

343

allgemein Eingang fand, hielt doch Gesetzgebung, Rechtsprechung und bis tief ins 18. ahrhundent hinein auch die Wissenschaft des gemeinen Rechts an der Unterscheidung, wenn auch auf veränderter Grundlage, fest. Die Sächsischen Konstitutionen 4 4 (ebenso Österreich 1656) unterschieden zwischen der ersten und der zweiten Hälfte der Schwangerschaft (Anklänge noch A L R 986); die Rechtsprechung betrachtete zumeist das Auftreten der Kindesbewegungen als ausschlaggebend. Von den uristen war Leyser ( 1752) der erste, der die Unterscheidung grundsätzlich verwarf. Aber nur allmählich gelangte seine Ansicht zur Anerkennung. Für die heutige Gesetzgebung handelt es sich darum, einerseits die Leibesfrucht im Interesse der Volksvermehrung, andrerseits aber auch Leben und Gesundheit der Schwangeren selbst gegen gefährdende Eingriffe sicherzustellen. Aus diesen Erwägungen ergibt sich die Doppelstellung der Abtreibung in den Gesetzbüchern: Sie ist einerseits Tötung oder Gefährdung der Frucht, andrerseits Gefährdung der Schwangeren. 1 ) Den Bestimmungen des R S t G B (§§ 2 1 8 bis 220) kann der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß sie durch ihre unklare und fehlerhafte Fassung den Anlaß zu zahlreichen und schwierigen Streitfragen gegeben haben. V E § 217 hat sie vereinfacht, aber nicht wesentlich geändert. G E § 259 hat, im Anschluß an Ö R E und in Übereinstimmung mit S V E Art. 107 (ebenso S R E ) , den Arzt für straflos erklärt, der die Abtreibung in der Absicht vornimmt, eine auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr des Todes oder dauernder schwerer Gesundheitsschädigung von der Schwangeren abzuwenden. K E hat auf eine solche Bestimmung verzichten zu können geglaubt. Der Gedanke ist von dem Entwurf eines Gesetzes gegen Unfruchtbarmachung (oben § 88 Note 5) und Schwangerschaftsunterbrechung vom 4. Juli 1 9 1 8 wieder aufgenommen worden. Außerdem bedroht der am 16. Februar 1918 eingebrachte Entwurf eines Gesetzes gegen die Verhinderung von Geburten den Mißbrauch von Mitteln oder Gegenständen oder Verfahren (zur Verhütung der Empfängnis oder) zur Beseitigung der Schwangerschaft, stellt also gewisse Vorbereitungs- oder Beihilfehandlungen zur Abtreibung unter Strafe. Beide Entwürfe sind nicht mehr zur Verabschiedung gelangt. [ E 1919, der in § 286 die Abtreibung, ebenso wie K E § 283, als Vergehen, und nur in besonders schweren Fällen als Verbrechen behandelt, wiederholt in tatbestandlicher Hinsicht im wesentlichen den V E , hebt aber in Anlehnung an K E hervor, daß auch die Abtreibung T ö t u n g der Frucht sein müsse. In Übereinstimmung mit dem Entwurf von 1918 und mit K E § 284 enthält § 287 das E 1919 eine Strafdrohung gegen das Ankündigen, Anpreisen und Ausstellen von Abtreibungsmitteln. Die (recht bedenkliche) Bestimmung des § 288 (vgl. oben § 35 Note 5a) geht über G E § 259 erheblich hinaus, indem j e d e r , auch der Nichtarzt, mit Einwilligung der Schwangeren eine Abtreibung zur Abwendung gewisser Gefahren straflos vornehmen darf, bleibt aber hinter G E zurück, da auch der Arzt, wenn er gegen den Willen der Schwangeren handelt, zu bestrafen ist. Letzteres ist zu billigen, ersteres aber wohl kaum.]

II. Begriff der Abtreibung. 1. Gegenstand ist die noch nicht geborene, d. h. die noch nicht *) Nach Wachenfeld 327 ist die Abtreibung niemals gegen die Frucht gerichtet, da diese nicht Träger von Rechten sein könne. Das schließt aber nicht aus, daß die Frucht im Interesse der Gesamtheit geschützt und damit zum Angriffsobjekt deliktischer Betätigung gemacht wird.

344

§ 94-

Die Abtreibung.

zu selbständigem Leben außerhalb des Mutterleibes (oben § 80 Note 1) gelangte Leibesfrucht. 2. D i e H a n d l u n g i s t

entweder

a) Abtreibung im engeren Sinne, nämlich das (rechtswidrige) Bewirken einer Frühgeburt, mag auch der Vorsatz des Täters nicht auf Tötung der Leibesfrucht gerichtet gewesen und dieser Erfolg auch nicht eingetreten sein. 2 ) So, wenn die bald nach dem Tode ihres Mannes von einem anderen geschwängerte Witwe im achten Monate eine Frühgeburt bewirkt, um das Kind als ehelich erzeugt erscheinen zu lassen. Oder b) Tötung der Frucht im Mutterleibe. Durch welche Mittel die Abtreibung bewirkt wird, ob durch „Anwendung" äußerlicher, ob durch „Beibringung" innerlicher Mittel (Abortivmittel im engeren Sinne) oder vielleicht durch psychische Einwirkung, ist für den Begriff des Verbrechens gleichgültig. Selbstmordversuch der Schwangeren ist nicht als Abtr .ibung strafbar, wenn nicht der Vorsatz der Täterin gerade auf Tötung der Frucht gerichtet war. Dasselbe gilt von der Tötung oder Körperverletzung der Schwangeren durch einen Dritten. 3 ) I I I . D i e A r t e n der

Abtreibung.

1. Der e i n f a c h e F a l l (StGB § 218) umfaßt sowohl die von der Schwangeren selbst, als auch die von einem Dritten mit Einwilligung der Schwangeren an dieser bewirkte Abtreibung. „Einwilligung" setzt hier wie überall (oben § 85 Note 1) Zurechnungsfähigkeit der Einwilligenden voraus. 4 ) Irrige Annahme der Einwilligung kann deren Fehlen nicht ersetzen. Die Handlung des Dritten muß jedoch, damit sie unter den gleichen Strafrahmen wie die Abtreibung durch die Schwangere selbst fällt, nach allgemeinen Grundsätzen als Täterschaft oder Mittäterschaft erscheinen (das Gesetz verlangt, daß er „die Mittel zur Abtreibung bei der Schwangeren (äußerlich) a n g e w e n d e t oder ihr (innerlich) b e i g e b r a c h t h a t " ) ; bloßes V e r s c h a f f e n der Mittel fällt als Beihilfe unter den herabgesetzten Strafrahmen. Die Schwangere kann in bezug auf die Handlung des Dritten Mittäterin oder Teilnehmerin sein. 5 ) *) Sehr bestritten. Vgl. Radbruch 161. Im Sinne des Textes Merkel 309, v. Wächter 336 und G S 29 10, Wilhelmi (Lit. zu § 56) 7; dagegen die gem. Meinung wie R 4 380 (auch der österr. Kassationshof, Entscheidungen 12 137) und B g r . 645: Danach wäre zur Vollendung stets Tötung der Frucht, zum Versuch versuchte Tötung erforderlich, sei es durch ihre vorzeitige Ausstoßung, sei es durch Einwirkung auf sie im Mutterleibe, so daß die bereits getötete F r u c h t ausgestoßen wird. Gegen die gem. Meinung spricht der Wortlaut der §§ 218 bis 220 S t G B . K E und E 1919 legalisieren die gem. Meinung. Vgl. oben unter I . 3 ) Ebenso R 41 328, Ötker, Wachenfeld 328. Dagegen Allfeld 388, Binding L e h r b . 1 39, Frank § 218 I I I , Meineking 13. *) Ebenso Binding Lehrb. 1 39, Olshausen 5 218 7. sowie R 21 14. ') Ebenso R 28 164, 29 10; Frank § 218 I V . F ü r Möglichkeit der Teil-

§ 94-

Die Abtreibung.

345

S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf J a h r e n ; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten. Aus der Wortfassung des 3. Abs. des § 218: „angewendet oder beigebracht h a t " ergibt sich, daß von selbständiger Strafbarkeit des Dritten keine Rede sein kann, wenn es ihm nicht gelungen ist, die Mittel anzuwenden oder beizubringen (die Schwangere ist z. B . nicht imstande, den übelriechenden Trank zu sich zu nehmen). Dagegen liegt strafbarer Versuch aus § 2 1 8 Abs. 3 vor, wenn die tatsächlich angewandten oder beigebrachten Mittel erfolglos geblieben sind, d. h . gegen Erwarten des Täters die Abtreibung bzw. Tötung, nicht herbeigeführt haben.') Die Vollendung tritt auch hier mit der Abtreibung oder Tötung ein.

2. Die Lohnabtreibung ( S t G B § 219). Sie liegt vor, wenn jemand einer Schwangeren, die ihre Frucht abgetrieben oder getötet hat, gegen E n t g e l t die Mittel hierzu verschafft, bei ihr angewendet oder ihr beigebracht hat. Entgelt ist gleichbedeutend mit Vermögensvorteil (unten § 1 3 9 I I 4), umfaßt also nicht Vorteile anderer Art. 7 ) S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren. — Die Bedeutung dieser dem preußischen S t G B unbekannten Bestimmung liegt in der Erhöhung des Strafrahmens gegenüber der so häufig gewerbsmäßig betriebenen Tätigkeit Dritter. Ebendarum wird nicht nur das Beibringen oder Anwenden von Abtreibungsmitteln, also eine als Täterschaft oder Mittäterschaft erscheinende Mitwirkung, sondern auch das V e r s c h a f f e n der Mittel, also eine B e i h i l f e h a n d l u n g , von dieser Strafdrohung getroffen, während alle a n d e r e n Beihilfehandlungen nur nach dem milderen Strafsatze des § 2 1 8 zu beurteilen sind. Dieser Grundgedanke des Gesetzgebers zwingt aber zu der Folgerung, daß die Mitwirkung der Schwangeren selbst unter gar keinen Umständen nach § 219, sondern nur nach § 2 1 8 Abs. 1 oder 3 gestraft werden kann. 8 ) Teilnahme Dritter an der L o h n a b t r e i b u n g fällt unter § 219. D a ß die Frucht abgetrieben oder getötet w o r d e n , ist Voraussetzung für den E i n t r i t t der Strafe. B e i versuchter Abtreibung bleibt § 2 1 9 unanwendbar (bestritten). Ebenso aber auch (wegen des Wortes „hierzu"), wenn die Anwendung oder Beibringung der Mittel über das Versuchsstadium nicht hinausgelangt, die Abtreibung aber auf anderem Wege erfolgt ist.') Doch kann dann § 2 1 8 anwendbar sein. nähme auch Ebermayer in R G R ä t e K o i m n . § 2 1 8 Note 6. Dagegen nehmen Aufeld 388 und Binding Lehrb. 1 39 stets Mittäterschaft an. Die bloße Duldung der Schwangeren genügt jedoch nicht einmal zur Annahme der Beihilfe (dagegen die Meisten). K E und E 1 9 1 9 nehmen Täterschaft an. — Gegen Mittäterschaft der Schwangeren und des Dritten R 29 419 sowie Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 2 1 8 Note 5 u. 6, da erstere aus § 2 1 8 Abs. 1, letzterer aus § 2 1 8 Abs. 3 strafbar sei. Beide Absätze behandeln jedoch dasselbe Verbrechen. •) So insbes. Olshausen § 218 9. Gegen die Annahme eines Versuches R wiederholt, zuletzt 52 209. Umgekehrt nimmt Frank § 2 1 8 V in beiden Fällen Versuch an.

') So die gem. Meinung.

Note 2.

Dagegen Olshausen

§ 219 1, Schwartz

§ 219

•) Dagegen R 1 350, 16 184; Olshausen § 219 2, Schwartz § 219 Note 3;

übereinstimmend mit dein T e x t Allfeld 390, Binding Lehrb. 1 40, Frank § 2 1 9 I I , ötker 268. Vgl. auch oben § 52 V. •) So die überwiegende Meinung, insbes. im Anschlüsse an OT^ R . Da-

gegen Beling Verbrechen 262, Binding

Lehrb. 1 40, Olshausen

§ 219 3.

346

§ 94-

Die Abtreibung.

3. Abtreibung durch einen Dritten ohne W i s s e n o d e r W i l l e n der Schwangeren ( S t G B § 220). Mangel der E i n w i l l i g u n g b e g r ü n d e t ebenso die S t r a f b a r k e i t des T ä t e r s , d e r m i t Wissen d e r S c h w a n g e r e n ( e t w a g e w a l t s a m ) h a n d e l t , w i e Mangel des Wissens bei erfolgter E i n w i l l i g u n g . S t r a f e : Zuchthaus nicht unter zwei Jahren; ist durch die Handlung der Tod der Schwangeren verursacht worden, Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus.

Zweiter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen unkörperliche Rechtsgüter. I. Strafbare Handlungen gegen die Ehre. § 95.

Geschichte und Begriff der Beleidigung.

Literatur. Liepmatltl, V. Lilienthal VD Bes. T. 4 217, 375. — Hitzig I n j u r i a . Beiträge zur Geschichte der Injuria im griechischen Recht 1899. Mommsetl 784. Landsberg I n j u r i a u n d Beleidigung 1886. Leonhard Der Schutz der Ehre im alten R o m 1902. Thiel Injuria und Beleidigung (v. Lil. H e f t 62) 1905. Mainzer Die ästimatorische Injurienklage in ihrer geschichtlichen Entwicklung 1908. Brunner 2 671. Günthers 1. H ä l f t e 525. Hörster (Lit. zu § 8 II) 164. — Binding (Lit. zu § 93). v. Bülow GS 46 260, 48 1. v. Bar GS 52 81. v. Volkmann Der Begriff der Beleidigung im Sinne des Abschnitts 14 des R S t G B . Hallische Diss. 1896. Kohler GA 47 1 , 9 8 . Friedmann {t 1901) Das Recht der W a h r h e i t u n d der Schutz des guten Namens 1901. Lorsch Angegriffene, Destinatare u n d Gedankenträger bei der Beleidigung. Freiburger Diss. 1904. Askenasy Strafb a r e Beleidigung trotz W a h r n e h m u n g berechtigter Interessen 1905. Beling Wesen, S t r a f b a r k e i t und Beweis der üblen Nachrede 1909. Bickert O b j e k t der Beleidigung. Erlanger Diss. 1908. Bleeck Die Majestätsbeleidigung (Berliner Seminarabhandlgn 6, H e f t 1) 1909. Rogowski Die komische Beleidigung 1911. Eisler Rechtsgut und Erfolg bei Beleidigung und Kreditgefährdung (V. Lil. H e f t 140) 1911. Kern Die systematische Abgrenzung der Verbrechenselemente bei der Beleidigung (v. Lil. H e f t 144) 1912. Derselbe Die Äußerungsdelikte 1919. Hurwicz Z 31 873. Leonhard Z 32 65. Sauer Die E h r e und ihre Verletzung. Berliner Seminarabhandlgn 3. Folge 2 1. H e f t 1915. Givanovitch GA 61 195. Kronecker Reform 2 309; Derselbe D J Z 18 449. Steiner Der E h r begriff im S t r a f r e c h t 1915. Baltin D a s R e c h t s g u t der E h r e und sein Schutz gegen üble Nachrede. Erlanger Diss. 1917. —• Ambach Kollektivinjurien u n d Injurien gegen Kollektivpersonen. Würzburger Diss. 1904. Ellenbggen Die Kollektivbeleidigung. Würzburger Diss. 1907. V. Niesewand Die Beleidigungsfähigkeit juristischer Personen. Leipziger Diss. 1909. Siess bei Groß 38 1. Bless Die Beleidigung von Personengesamtheiten und von Einzelpersonen durch eine Gesamtbezeichnung 1909. Hammeley Die Kollektivbeleidigung (V. Lil. H e f t 121) 1910. — Mieczkowski D a s Delikt des § 189 StGB. Rostocker Diss. 1901. v. Gemmingen-Fürfeld Zur Lehre der Beleidigung Verstorbener (V. Lil. H e f t 66) 1905. Kissler Die Beschimpfung Verstorbener (V. Lil. H e f t 199) 1919. — Passow Die Kreditgefährdung des § 187 S t G B in historischer, dogmatischer und kritischer Darstellung (v. Lil. H e f t 42) 1902. Doehn Z 21 468. — Bartolomäus Z 16 399 (zu S t G B § 193). Hofner Die Ehrverletzungen u n t e r dem Schutze des § 193 S t G B usw. m i t besonderer Berücksichtigung der Presse 1903. Baumeister Der § 193 m i t besonderer Berücksichtigung d e r preßrechtlichen Verhältnisse. Heidelberger Diss. 1905. Gütte Die Rechtmäßigkeit der Ehrverletzung gemäß § 193. Heidelberger Diss. 1906. Ulrich Die W a h r n e h m u n g berechtigter Interessen usw. Göttinger Diss. 1908. Schubart

34«

§ 95-

Geschichte und Begriff der Beleidigung.

Die verleumderische Beleidigung als Verteidigungsmittel des Angeklagten im Strafprozeß 1920. Kronecker G S 88 481. I. Geschichte. K a u m t r i t t auf einem anderen Gebiete des S t r a f r e c h t s der Wechsel der Anschauungen, der nicht nur neue Interessen zu Rechtsgütern stempelt, sondern auch anerkannte Rechtsgüter innerlich u m g e s t a l t e t , so deutlich zutage, wie auf dem Gebiete der gegen die E h r e gerichteten Vergehen. W a s wir heute E h r e nennen, und was der Germane von jeher so g e n a n n t hat, ist dem r ö m i s c h e n R e c h t stets fremd geblieben. Ihm war E h r e der Vollgenuß der römischen Bürgerrechte (dignitatis illaesae s t a t u s legibus ac moribus comprobatus), deren Besitz wie Verlust durch festbestimmte Vorschriften genau geregelt und d a m i t dem verletzenden Angriffe D r i t t e r entzogen war. Wörtliche Schmähung von Mann zu Mann faßte es als klagbare Beleidigung nicht auf (Pernice). Nach dem Zwölftafelgesetze ist injuria nur die handgreifliche Beleidigung (Körperverletzung). Das spätere R e c h t d e h n t den Begriff auf jede beabsichtigte Verletzung der Person aus. Das pulsare, verberare wird in der lex Cornelia de injuriis besonders hervorgehoben; ebenso der gewaltsame Hausfriedensbruch (domum vi introire). Aber jeder Angriff auf die Rechtsstellung kann den Magistrat veranlassen, die Klage zu geben; hervorgehoben wird der Versuch, die freie Frau oder den freien K n a b e n zur Unzucht zu verleiten (adsectari, appellare, comitem abducere). Nach justinianischem Rechte ist in allen Fällen neben der privatrechtlichen die öffentliche Klage zugelassen (§ 10 J . 4, 4; 1. ult. D. 47, 10). Nur in e i n e m P u n k t e war das römische Recht von jeher empfindlich gewesen. Schon die X I I Tafeln (oben § 7 I) bedrohten es mit kapitaler Strafe, si quis occentavisset sive carmen condidisset, quod infamiam faceret flagitiumve alteri. 1 ) Und in der Kaiserzeit waren die l i b e l l i f a m o s i , die meist anonymen Schmähschriften, m i t strenger Strafe bedroht (C 9, 36). Anders das d e u t s c h e R e c h t . F ü r den Germanen wurzelt die E h r e in der Person und m i t dieser in der Anerkennung von Seiten der Genossen. Sie kann durch jedes W o r t verletzt, aber sie kann auch, wie durch das Schwert, so durch den Spruch der Genossen und die Ehrenerklärung des Gegners wiederhergestellt werden. Die Volksrechte zählen uns die Scheit- und Schimpfwörter mit den auf sie gesetzten Bußen, a u f ; sie schildern uns die verschiedenen tätlichen Angriffe und ergehen sich in behaglicher Breite über die Unterschiede in den Strafen, welche die unzüchtigen Berührungen einer F r a u oder eines Mädchens nach sich zogen. Die Quellen des s p ä t e r e n M i t t e l a l t e r s , insbesondere die Stadtrechte, stehen auf dem gleichen S t a n d p u n k t e ; Widerruf, Abbitte und Ehrenerklärung, neben die Zahlung der Geldsumme oder an ihre Stelle tretend, sollen dem Verletzten Genugtuung gewähren. In schweren Fällen werden aber auch (nichtverstümmelnde) Leibesstrafen, Ausstellung am Pranger, gegen Frauen das Lastersteintragen oder ähnliche Übel verhängt. Peinliche Strafe (an Hals und Hand) ist ausgeschlossen. Die P G O , welche die Regelung der niederen Gerichtsbarkeit sich nicht zur Aufgabe gestellt h a t t e , erwähnt im Art. 110 (vgl. aber auch Art. 216) nur die S c h m ä h s c h r i f t (Vorwurf eines Verbrechens) und bedroht diese m i t der Talion, Das g e m e i n e R e c h t entwickelt, gestützt auf die Reichspoíizeiordnungen, die Lehre vom Pasquill (dem das Schandgemälde, die pictura famosa, gleichgestellt wird) weiter, setzt aber an Stelle der Talion willkürliche Strafe, die in schwereren Fällen bis zur Todesstrafe sich steigern kann. Die Landesgesetzgebung des 16. bis 18. J a h r h u n d e r t s überläßt zumeist ') Es handelt sich dabei wohl nicht nur um das Aussprechen von Zauberformeln, sondern auch um das Singen von Schmähliedern.

§ 95'

Geschichte und Begriff der Beleidigung

349

(abweichend Preußen 1620) die Beleidigung dem Privatrechte und betrachtet nur die schwersten Fälle als landesgerichtlich. Die Sächsischen Konstitutionen, auch hier vielfach vorbildlich, heben die Berühmung, mit einer Frau oder Jungfrau geschlafen zu haben, besonders hervor (4 45) und gewähren im übrigen dem Beleidigten das Recht (4 42), auf öffentlichen Widerruf vor Gericht 8 ) und daneben auf willkürliche Strafe bis zur ewigen Landesverweisung zu klagen, wenn er sich nicht bei der bürgerlichen Klage beruhigen will. Vielfach (besonders in den Duellmandaten) wird die peinliche Privatklage durch amtliche Verfolgung verdrängt; wo jene fortbesteht, verjährt sie (in leichteren Fällen) in einem Jahre. Die neuere Gesetzgebung ist in der Behandlung der Beleidigung wenig glücklich gewesen. Sie hat es nicht verstanden, dem Verletzten eine unserem, vielleicht überspannten, Ehrgefühle entsprechende Sühne zu sichern. Dies gilt auch von unserem R S t G B , das den schwierigen Begriff der einfachen Beleidigung unbestimmt läßt, den Beleidigten auf den dornenvollen Weg der Privatklage verweist und den Wahrheitsbeweis uneingeschränkt auch dann zuläßt, wenn Tatsachen des Familienlebens durch die Tagespresse in die Öffentlichkeit gezerrt wurden. In der Unausrottbarkeit des Zweikampfes liegt der unwiderlegliche Beweis für die Unzulänglichkeit unserer Gesetzgebung (abweichend Liepmann). Der Novellen-Entwurf von 1909 wollte aus guten Gründen nicht nur die Beleidigungsstrafen verschärfen, sondern auch den Wahrheitsbeweis einschränken; die Reichstagskominission vermochte sich aber nicht zu einigen lind hat in zweiter Lesung alle Vorschläge abgelehnt. V E §§ 259 bis 266 schlägt neue Bahnen ein. Aus dem einheitlichen Begriff der Beleidigung wird die Behauptung ehrenrühriger Tatsachen als Unterfall herausgehoben. Die Strafdrohungen sind wesentlich verschärft. Der Wahrheitsbeweis befreit nicht, wenn die öffentliche Beleidigung Verhältnisse des Privatlebens betrifft, die das öffentliche Interesse nicht berühren. Die Kreditgefährdung ist, als zum unlauteren Wettbewerb gehörend, ausgeschieden. Die Aufrechnung ist gestrichen. Die Bestimmungen über Verfolgung und Bestrafung werden im wesentlichen beibehalten. G E §§ 282ff., K E §§ 343ff. und E 1919 §§ 343ff- haben sich im wesentlichen angeschlossen. Doch stellen die beiden letzteren die öffentliche Erörterung fremder Privatangelegenheiten als besonderen Tatbestand zu der „Verletzung fremder Geheimnisse" (unten § 120). [Die Befugnis zur Wahrnehmung berechtigter Interessen ist in K E § 345 und E 1919 § 345 gegenüber dem geltenden Recht erheblich erweitert, besonders auch in Richtung auf die ö f f e n t l i c h e n Interessen. Beide Entwürfe verlangen hier, daß der Täter nachweislich (vgl. dazu Denkschrift zum E 1919 S. 286) in entschuldbarem guten Glauben an die Wahrheit der Äußerung gehandelt hat.]

II. D e r Begriff der Ehre. 1. Ehre im. Rechtssinne i s t n i c h t d e r d u r c h Handlungen Dritter nicht verletzbare innere Wert des Menschen, sondern d e s s e n W e r t u n g d u r c h die a n d e r e n ; sie ist d i e G e l t u n g im U r t e i l d e r M i t m e n s c h e n . 3 ) E h r e ist *) Über die Versuche, dieses Rechtsinstitut wieder zu beleben, vgl. die Verhandlungen des 28. D J T 1906 (Gutachten von H elf ritz) und dazu Graf ZU Dohna V D 1 257 sowie Liepmann und v. Lilienthal. *) Bestritten. 1. Für die im T e x t vertretene, heute herrschende Auffassung, besonders Liepmann 227 (Inbegriff derjenigen Eigenschaften eines

350

§ 9 5 . Geschichte und Begriff der Beleidigung.

also zunächst eine Tatsache: die durch die Lebensführung erworbene Achtung, die soziale Stellung. Ehre bedeutet aber weiter das Interesse des einzelnen, seiner Lebensführung gemäß geachtet zu werden. Diesem Interesse entspricht die Rechtsordnung nur negativ; nicht durch Gewährung eines Anspruchs auf Achtung, sondern durch das Doppelverbot, der eigenen Mißachtung eines anderen Ausdruck zu geben oder für die Mißachtung des anderen durch Dritte die tatsächliche Unterlage wahrheitswidrig zu schaffen (unten III). Die Geltung aber beruht auf der Anerkennung a) des s i t t l i c h e n W e r t e s (der „Menschenehre"); b) der Erfüllung der durch die Stellung auferlegten Pflichten (des s o z i a l e n Wertes), sowie des Besitzes derjenigen körperlichen und geistigen Eigenschaften und Fähigkeiten, ohne welche die Erfüllung der übernommenen Pflichten unmöglich ist (der „sozialen Ehre"). Aus dieser für den Begriff der Beleidigung grundlegenden Auffassung folgt die Berechtigung des Begriffs der Standesehre, erklärte sich [vor der Staatsumwälzung] die ausgezeichnete Stellung der Majestätsbeleidigung (unten § 168). Nach ihr kann zur Ehre auch der K r e d i t (die w i r t s c h a f t l i c h e Seite der Ehre) gerechnet werden, d. h. das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Kreditnehmenden. Doch wird der Kredit richtiger zu den vermögensrechtlichen Interessen gestellt.4) 2. Träger des Rechtsgutes der Ehre kann nur der l e b e n d e Mensch sein. Der Verstorbene ist nicht mehr Rechtssubjekt. Die sog. Beleidigung Verstorbener ist mithin in Wahrheit stets Beleidigung der Überlebenden; und zwar nicht der e i n z e l n e n , etwa antragsberechtigten F a m i l i e n g l i e d e r , sondern der F a m i l i e selbst als Gesamtpersönlichkeit.6) Menschen, die zur Erfüllung seiner spezifischen Aufgaben unentbehrlich sind), Allfeld 4 1 9 , Baltin 6, Kern („der hypothetische Ehrenwert"), Kissler 1 5 , 1 6 ; V. Lilienthal 60, Sauer (die „Verkehrsehre" als das Urteil der Gemeinschaft über die Erfüllung der sozialen Pflichten). — 2. Birkmeyer 1 1 6 9 , Kohler 2 9 u. a . erblicken das Wesen der Ehre in dem sittlichen Werte (der Menschenwürde). Dagegen RMilG 8 1 3 2 . — 3. Nach Binding Lehrb. 1 1 3 5 , 1 4 1 ist Beleidigung nicht Ehrverletzung, sondern Verletzung des Willens, der auf Ehre hält; anders 1 7 2 6 . — 4. Ähnlich V. Bar, Wachenfeld 3 5 3 (Verletzung des Ehrgefühls) und (abweichend von seiner früheren Ansicht) Frank 1 4 . Abschnitt X (Verletzung des Ehrbewußtseins und Ehrgefühls). Ebermayer in RGRäteKomm. § 1 8 5 Note 2 stimmt im wesentlichen mit Frank überein. 4 ) Ebenso die herrschende Meinung. Vgl. unten § 9 6 IV. •) Bestritten. 1. Ebenso Kissler 3 5 (§ 1 8 9 schütze das Rechtsgut des „Familiengefühls", der „Familiensolidarität"), Hälie Drohung als Mittel zur Begehung strafbarer Handlungen, Erlanger Diss. 1 9 0 7 . Winkler Der Begriff der Gewalt im Strafrecht (V. Lil. H e f t 85) 1 9 0 8 . Krämer (derselbe Titel) Münstersche Diss. 1 9 0 9 . Müller Gewalt und verwandte Begriffe im R S t G B . Rostocker Diss. 1 9 1 3 .

I. Freiheit im Sinne des Strafrechts ist F r e i h e i t der Willens') Bestritten. Übereinstimmend R 14 3 2 7 , 43 1 7 3 . — Vgl. auch § 23: Wettbewerbg 1 9 0 9 .

362

§ 98.

b e t ä t i g u n g (nicht lungsfreiheit.1)

Begriff der Freiheitsverbrechen.

der Willensentschließung), m i t h i n

Hand-

Verletzung der persönlichen Freiheit ist in ebensovielen selbständigen Gestalten möglich, als es besondere Richtungen der Betätigung gibt. Aber nur dann sprechen wir v.on einem Freiheitsverbrechen i. e. S., wenn die Beschränkung oder Entziehung der persönlichen Freiheit nicht das Mittel zur Verletzung anderer Rechtsgüter darstellt. So erscheint der R a u b (§ 249) wie die Erpressung (§ 2 53) als Vermögensverbrechen; die Erzwingung einer Amtshandlung (§ 114) als Widerstand gegen die Staatsgewalt; die Nötigung zur Unterlassung religiöser Handlungen (§ 167) ist ein Vergehen, das „sich auf die Religion b e z i e h t " ; die Verhinderung an der Ausübung des öffentlichen WahJ- und S t i m m r e c h t s (§ 107) Verbrechen „in Beziehung auf die Ausübung staatsbürgerlicher R e c h t e " . Insoweit kann man von einem „aushilfsweisen", „subsidiären" Charakter der Freiheitsdelikte sprechen.') Dagegen sind die Störung des R e c h t s f r i e d e n s (die Bedrohung,) sowie der H a u s f r i e d e n s b r u c h gegen selbständige Rechtsgüter gerichtet.

II. Die Verletzung der Freiheit kann entweder sein: 1. Verhinderung der Willensbetätigung nach einer bestimmten Richtung hin oder Zwang zur Betätigung in einer bestimmten Richtung: die „ N ö t i g u n g " ; 2. Verhinderung der Willensbetätigung als der freien Bewegung im Räume: die „ F r e i h e i t s b e r a u b u n g " ; 3. die Begründung eigener körperlicher Gewalt über einen anderen, wodurch auch für die Zukunft jede selbständige Willensbetätigung ausgeschlossen wird: der „Menschenraub** f als dessen Unterart der S k l a v e n r a u b erscheint, während der S k l a v e n h a n d e l einen selbständigen Tatbestand enthält. III. Die Mittel der Freiheitsverletzung sind: x. Gewalt, d. h. die u n m i t t e l b a r e oder m i t t e l b a r e (durch ein Werkzeug vermittelte) A n w e n d u n g p h y s i s c h e r K r a f t zur Ü b e r w i n d u n g e i n e s t a t s ä c h l i c h e n (nicht etwa bloß beabsichtigten) W i d e r s t a n d e s , mag dieser durch einen Menschen oder durch einen Gegenstand geleistet werden, mag er sofort (etwa durch einen betäubenden Schlag auf den Kopf) gebrochen oder längere Zeit hindurch fortgesetzt worden sein. Gewalt ist unmittelbar Anwendung eigener Körperkraft oder mittelbar Entfaltung mechanischer oder tierischer Kräfte. Sie ist stets gewalttätige Einwirkung auf die Substanz, stets Gewalttätigkeit, niemals an s i c h Einwirkung auf den Willen oder Zwang. Allerdings muß die Gewalt Mittel ') Weitergehend Allfeld 435, Frank 18 Abschn. I, Rosenfeld 393, d i e auch die Freiheit der Willensentschließung hierher rechnen. Ebenso R 48 346. Dabei ist übersehen, daß das Gesetz Nötigung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung erfordert. Doch kann die Nötigung freilich auch mittelbar (durch Einwirkung auf die Willensentschließung) erfolgen. Richtig Wachenjeld 340. ') Vgl. dazu Rosenfeld 394. Unrichtig wäre es aber, daraus die Unmöglichkeit einer Idealkonkurrenz zwischen Freiheitsdelikten i. e. S . und jenen anderen Freiheitsverletzungen ableiten zu wollen.

§ 98.

Begriff der Freiheitsverbrechen.

363

z u m Z w e c k sein; sie m u ß dazu dienen, die Willensbetätigung des z u Überwältigenden zu beeinflussen. Aber sie hört darum nicht auf, rohe körperliche K r a f t zu sein. 3 ) Ebendarum kann zwar die G e w a l t sich u n m i t t e l b a r gegen den Körper des zu Vergewaltigenden wenden (Gewalt an d e r Person); sie kann aber auch auf m i t t e l b a r e m W e g e ihr Ziel erstreben (Gewalt g e g e n d i e Person). Dieses ist möglich 1. durch Gewalt an d r i t t e n P e r s o n e n , z. B. an dem Führer des Blinden; 2. durch G e w a l t a n S a c h e n , die einen gewissen Widerstand leisten, z. B . Abschließen der Türe, Zerstören eines Steges, Zertrümmerung eines Reisewagens, Antreiben der P f e r d e , Wegnehmen der Ruder (wohl nicht das Wegnehmen der Stiefel), Aushängen von Fenstern und Türen, um das Verlassen einer W o h n u n g zu erzwingen. In beiden Fällen aber m u ß sie darauf gerichtet sein, den Widerstand des zu Vergewaltigenden zu überwinden, daher von diesem als Gewalt empfunden werden. Die G e w a l t ist eine u n w i d e r s t e h l i c h e ( S t G B § 52), wenn die oben § 34 Note 7 angegebenen Voraussetzungen vorliegen. 2. Drohung, d. i. d a s I n a u s s i c h t s t e l l e n e i n e s N a c h teils, dessen Vorstellung die freie Willensbetätigung auszuschließen oder doch einzuengen geeignet ist.4) Hierher kann gehören: Einklagung einer Forderung, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, Mitteilung an Verwandte, Veröffentlichung in der Presse usw. Immer aber m u ß der Nachteil als ein von dem Drohenden selbst (unmittelbar oder mittelbar) zuzufügender in Aussicht gestellt sein (Unterschied der Drohung von der W a r n u n g ) . Die Z u f ü g u n g d e s N a c h t e i l s kann an sich berechtigt oder rechtswidrig sein; die Androhung strafbarer Handlungen bildet, ebenso wie die Bedrohung mit Gewalt, nur eine besondere A r t der Drohungen. Als schwerste A r t erscheint die Bedrohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Die A n d r o h u n g d e r (an sich berechtigten) Z u f ü g u n g des Nachteils kann ebenfalls unberechtigt sein, wenn sie nicht das angemessene Mittel zur Erreichung des angestrebten Zweckes ist. 6 ) Die Drohung braucht nicht ernstlich gemeint, d. h. ihre Ausführung braucht weder beabsichtigt noch möglich zu sein (Drohung mit Verhexung, mit einem ungeladenen Gewehr). Wohl aber muß sie dem Bedrohten als eine ernstliche erscheinen, so daß sie geeignet ist, auf seine Willensentschließung einzuwirken, und der Drohende m u ß das Bewußtsein dieser Eigen•) Viel enger faßt den Begriff Binding Lehrb. 1 83: Er verlangt, daß Willensbildung oder Willensbetätigung u n m ö g l i c h gemacht werden. *) Der Versuch von R 21 114,86 384, die Drohung von dem „Paktieren" abzugrenzen, ist mißglückt. Vgl. Frank § 253 II. •) Vgl. oben § 32 II. Ähnlich Frank § 253 II, der „verkehrsmäßige" Drohungen ausnimmt.

364

§ 99-

Geschichte der Freiheitsverbrechen,

schaft seiner Drohung haben. War sie ernstlich gemeint, von dem Bedrohten aber nicht so empfunden worden, so liegt nur Versuch vor. Auch die Drohung muß stets gegen den in seiner Freiheit zu Verletzenden gerichtet, zur Beeinflussung s e i n e r Willensbetätigung bestimmt und geeignet sein. Aber das Übel, das seine Willensbetätigung beeinflussen soll, braucht nicht unmittelbar ihm selbst, es kann auch gegen andere Personen (mit Ausschluß des Drohenden selbst) sowie gegen Sachen in Aussicht gestellt werden. Die Drohung kann ausdrücklich ausgesprochen oder durch Handlungen (Erheben der Faust, Anlegen des Gewehrs) angedeutet sein. Möglichkeit der Flucht oder des Widerstandes schließt den Begriff der Drohung nicht aus. 6 ) 3. List, d . h . T ä u s c h u n g d e s H a n d e l n d e n ü b e r d i e v e r u r s a c h e n d e B e d e u t u n g s e i n e s T u n s , also die Erregung oder Unterhaltung eines Irrtums durch Vorspiegelung, Entstellung oder Unterdrückung von Tatsachen. Auch die List kann gegen dritte Personen sich richten (z. B. als Irreführen eines Beamten oder des Leiters einer Irrenanstalt).') 4. Bei gewissen Amtsdelikten ( S t G B § 339) ist Mißbrauch der A m t s g e w a l t oder A n d r o h u n g eines bestimmten Mißbrauchs den sonst erforderlichen Mitteln: Gewalt und Drohung gleichgestellt. § 99.

Geschichte der Freiheitsverbrechen.

Literatur des Sklavenhandels: Gareis HV 2 553. V. Mörtitz LA 1 3. H. Seufjert Z 16 554. Scherling Die Bekämpfung von Sklavenraub und Sklavenhandel seit dem Anfange dieses Jahrhunderts (Bennecke Heft 8) 1897. Kaysei Die Gesetzgebung der Kulturstaaten zur Unterdrückung des afrikanischen Sklavenhandels (v. Lil. Heft 64) 1905. V. Liszt Völkerrecht § 37. — Im übrigen vgl. Lit. zu § 9 8 . 1. Die vorgetragene Auffassung der Freiheitsverbrechen, insbesondere die scharfe Betonung der persönlichen Freiheit als eines Rechtsgutes des *) Zu beachten ist, daß Gewalt, soweit ihre Fortdauer in Aussicht steht, stets zugleich als Drohung erscheint. 7 ) Schwierigkeiten bieten Betäubung, Berauschung, Narkotisierung, Hypnotisierung usw. Sie werden stets als ,,List" aufgefaßt von Hälschner 2 243, Olshausen § 234 5; stets als Gewalt von Allfeld 437, Blnding Lehrbuch 1 83, Frank § 52 I, v. Lilienthal Z 7 373. Richtig ist allein, zu unterscheiden, ob der Z u s t a n d der Betäubung, der stets eine Freiheitsberaubung darstellt, d u r c h Gewalt (Schlag auf den Kopf), Drohung (Zwang zum Einatmen von Chloroform) oder List (Täuschung über die Wirkung) herbeigeführt worden ist. Ebenso Lobe in RGRäteKomm. § 249 Note 4a und SchwartZ § 234 Note 2 (§ 240 Note 2 im Widerspruch mit § 52 Note 2). Sicher ist hypnotische Sugg e s t i o n nicht Gewalt; sie kann aber Täuschung sein. VE § 12 Ziff. 4 (ebenso GE § 12 Ziff. 6) löst die Streitfrage durch die Bestimmung, daß unter Gewalt auch „die Versetzung in einen Zustand der Bewußtlosigkeit oder Widerstandsunfähigkeit durch hypnotische oder narkotische oder ähnliche Mittel" zu verstehen sei. K E § 12 Ziff. 5 und E 1919 § 9 Ziff. 6 schließen sich an.

§ gg.

Geschichte der Freiheitsverbrechen.

365

e i n z e l n e n Rechtsgenossen, ist wesentlich neueren Ursprungs. Das römische c r i m e n vis, seit dem Ende des Freistaates durch die inneren Unruhen entw i c k e l t (lex Plotia 76 v. Chr., leges von Pompejus, Cäsar, August), trägt trotz der schwankenden Scheidung von vis publica und privata stets politische E i g e n a r t . Die bandenmäßige Störung des ö f f e n t l i c h e n Friedens, wenn auch durch Angriffe auf Private, macht sein innerstes Wesen aus (Mommsen 655). D a s gleiche gilt von dem deutschrechtlichen L a n d f r i e d e n s b r u c h , der violatio pacis publicae. Der P G O ist der Begriff des Freiheitsverbrechens fremd, und das gemeine R e c h t ist über eine sehr unsichere und unklare Verwertung des crimen vis nicht hinausgekommen. A u c h die E i n s p e r r u n g hat das spätrömische Recht (C. 9, 5 De privatis carceribus inhibendis; Zeno 486) nur als Verletzung staatlicher Hoheitsrechte betrachtet und damit die Auffassung der deutschen Landesrechte bis tief ins 18. Jahrhundert hinein (noch die Theresiana spricht von den Privatkerkern) beherrscht. Selbständige Bedeutung gewinnt im römischen Recht nur der M e n s c h e n r a u h (plagium), nachdem eine nach dem Bundesgenossenkriege erlassene lex F a b i a (D. 48, 15; C. 9, 20) die Versetzung eines Freien in den Zustand der Sklaverei oder die eines Unfreien in Abhängigkeit von dem Verbrecher unter selbständige Strafe gestellt hatte (Mommsen 780). Spätere Kaiserverordnungen verschärften die anfangs milden Strafen, bis Konstantin sogar die Todesstrafe androhte. Das deutsche Mittelalter bestrafte den Menschenraub schon in den Volksrechten (z. B . lex Rib. 16 das Verkaufen über die Grenze) mit dem vollen oder sogar mit mehrfachem Wergeide, später auch mit dem Tode, indem die Quellen das Fangen des Mannes bald (Ssp. I I 13, 5) dem Totschlage gleichstellten, bald (Schsp. 227) unter dem Einflüsse des kanonischen Rechts als schwersten Diebstahl bezeichneten und behandelten. Das gemeine R e c h t m u ß t e aber bei dem Schweigen der P G O auf das römische Recht zurückgreifen, hob aber einerseits den K i n d e r r a u b , andererseits die F a l s c h w e r b u n g (das plagium militare, das „Leuteauffangen") als ausgezeichnete, meist mit der Schwertstrafe bedrohte Fälle hervor. An klarer, grundsätzlicher Auffassung fehlte es aber bis tief ins 18. Jahrhundert; noch JSF. Böhmer (ebenso B a y e r n 1751) behandelt den Menschenraub als Fall des Diebstahls. II. Bahnbrechend wurde die Bestimmung des A L R 1077: „ W e r einen Menschen . . . mit Gewalt f e s t h ä l t , e i n s p e r r t oder wider seinen Willen zu etwas n ö t i g t u s w . " D a m i t war nicht nur, der Auffassung des früheren deutschen Mittelalters entsprechend (das ligare der Volksrechte), das Festhalten und ähnliches als Angriff auf die persönliche Freiheit des e i n z e l n e n erfaßt (13. A b schnitt: „ V o n Beleidigungen der Freiheit"), sondern auch zuerst der Begriff der N ö t i g u n g klar hingestellt. Die wissenschaftliche Bewegung (insbes. Tittmann) folgte dieser Anregung, und damit war für die heutige Gesetzgebung die Abtrennung des Rechtsgutes der „persönlichen Freiheit" von dem des „öffentlichen Friedens" fortan als unverlierbarer Gewinn gegeben. I I I . Das geltende R e c h t rechnet zu den Freiheitsdelikten außer Nötigung (§ 240) und Freiheitsberaubung (§ 239) auch den Menschenraub (§ 234) und den Kinderraub (§ 235), ferner die Entführung (§§ 236 bis 238), die besser zu den Sittlichkeitsdelikten gestellt wird (unten § 104), und endlich die Bedrohung (§ 241), die in Wahrheit gegen den Rechtsfrieden gerichtet ist (unten § 121). Damit sind die Freiheitsdelikte erschöpfend geregelt, so daß die Landesgesetzgebung auf diesem Gebiete ausgeschlossen ist. 1 ) [ V E §§ 234 bis 242 hält grundsätzlich am geltenden Recht fest, vereinfacht aber die Tatbestände durch *) Dagegen R 47 52.

366

§ 95-

Geschichte der Freiheitsverbrechen.

Streichung der im S t G B ausdrücklich hervorgehobenen Begehungsmittei und stellt auch den Hausfriedensbruch (unten § 119) in diesen Zusammenhang. G E §§ 275 bis 281 hat das Sklavenraubgesetz von 1895 (unten IV), den Koalitionszwang (unten § 100 V) und die eigenmächtige Heilbehandlung (oben § 35 Note 5) eingearbeitet, den „Kinderraub" aber zu den Familiendelikten (§ 235 GE) gestellt. K E §§ 304 bis 312 schließt sich im wesentlichen dem V E an, fügt aber den sicher nicht hierher gehörigen „Auswanderungsbetrug" in die Freiheitsdelikte ein (§ 308). Im E 1919 hat der Auswanderungsbetrug einen nicht minder verfehlten Platz (§ 382) im Abschnitt über Betrug und Untreue gefunden ; das Sklavenraubgesetz ist, da praktisch ohne Bedeutung (Denkschrift S. 252), nicht eingearbeitet worden; Ausschreitungen im Lohnkampf (Koalitionszwang usw.) blieben einer Sonderregelung des Arbeitsrechts überlassen. Die eigenmächtige Heilbehandlung aber hat, wie im GE, Aufnahme gefunden (§ 313). Hinsichtlich des Hausfriedensbruchs schließt sich E 1919 dem V E an; der Kinderraub und die Entführung minderjähriger weiblicher Personen sind aus den Freiheitsdelikten ausgeschieden und in die Delikte „gegen E h e und Elternrechte" eingereiht worden (§§ 340, 341 des E 1919). Den Tatbestand des Menschenraubes (§ 234 StGB) haben sowohl der K E wie der E 1919 gestrichen.] IV. Der Kampf gegen den Handel mit Negersklaven auf offener See (la traite des noirs) begann mit dem Ausgange des 18. Jahrhunderts (Wilberforce 1759 bis 1833) und wurde zunächst von England durch Verträge und Gesetze (Aufhebung des Sklavenhandels 1807, der Sklaverei durch G von 1833 mit Wirkung von 1843) eröffnet. Auf den Kongressen zu Wien 1814/15 und Verona 1822 erklärten die Mächte den Sklavenhandel für eine Verletzung des europäischen Völkerrechts. Aber nur einzelne Staaten gaben dieser Erklärung durch Strafbestimmungen den nötigen Nachdruck; so Österreich durch ein Hofdekret von 1826 (§ 95 des S t G B von 1852), Frankreich durch G vom 4. März 1831. Neuen Anstoß gab der zwischen England, Frankreich, Rußland, Österreich, Preußen abgeschlossene, von Frankreich aber nicht ratifizierte Quintupelvertrag vom 20. Dezember 1841, in den das Deutsche Reich an Stelle Preußens durch den mit England geschlossenen Vertrag vom 29. März 1879 eintrat. Nunmehr begann auch die Gesetzgebung der deutschen Einzelstaaten ihre Tätigkeit; die preußische Vdg. vom 8. Juli 1844, Gesetze in Bremen, Hamburg und Lübeck (1837), Mecklenburp-Schwerin (1846), Oldenburg (1876) bedrohen den Sklavenhandel mit teilweise recht strengen Strafen. Durch die Berliner Kongoakte vom 26. Februar 1885, insbesondere aber durch die Brüsseler Generalakte vom 2. Juli 1890 (RGBl. 1892 S. 605) wurde der Kampf von der offenen See auf das Festland ausgedehnt, um den Sklavenhandel in seiner Wurzel, der Sklavenjagd zu treffen. [Vgl. nunmehr auch Art. 22 des Versailler Vertrages.] Das bis zum Jahre 1895 geltende deutsche Recht bot keine genügende Handhabe zur Bekämpfung des Sklavenhandels. Die oben erwähnten Landesgesetze fanden in den deutschen Schutzgebieten keine Anwendung. Die selbständige Strafgewalt, die hier dem Kaiser und dem Reichskanzler zustand, war gänzlich unzureichend. S t G B § 234 trifft gerade den Tatbestand des Sklavenhandels nicht. Vor allem aber wurde die strafrechtliche Verfolgung der im Innern Afrikas sich abspielenden Sklavenjagden dadurch gehemmt, daß diese im Auslande begangen und daher nach gemeinem Recht nur unter bestimmten Voraussetzungen (oben § 22 IV) im Inlande strafbar sind. Mit diesen Erwägungen war nicht nur die Notwendigkeit eines besonderen Reichsgesetzes dargetan, sondern diesem zugleich auch der Inhalt vorgezeichnet. Nach verschiedenen Anläufen ist unter dem 28. Juli 1895 das G betr. die Bestrafung des Sklavenraubes und des Sklavenhandels ergangen (unten § 102

§ ioo.

i. Die Nötigung.

367

IV), das freilich in bedauerlicher Weise die einfachsten Grundsätze gesetzgeberischer Technik außer Augen gelassen hat.

§

100.

I. Die Nötigung.

Literatur. Außer den unten zu § 141 angeführten Schriften: J. GoldDie Strafbarkeit der widerrechtlichen Nötigung nach dem R S t G B 1897. Bollag Die Grenzen der strafbaren Nötigung 1900. Fraenkel Die Delikte der Nötigung, Bedrohung und Erpressung in ihrem Verhältnis zueinander 1901. Schreiner Das Vergehen der Nötigung nach unserem R S t G B . Tubinger Diss. 1901. J. Stern Über das Verhältnis zwischen Nötigung und Erpressung. Berliner Diss. 1901. Schieren Das Vergehen der Nötigung im deutschen Reichsstrafrecht. Heidelberger Diss. 1910. Kronecker Z 3 638. Derselbe GS 32 5 1 . — Zu V : Brütt Das Koalitionsrecht der Arbeiter und seine Reformbedürftigkeit 1903 (Berliner Seminarabhdlgn 2 4. Heft). V. Berlepsch Das Koalitionsrecht der Arbeiter (Soziale Praxis 13) 1904. Heinemann Z 32 192. Roeckner Die strafrechtliche Bedeutung des Streiks (V. Lil. Heft 139) 1911. Maschke Boykott, Sperre und Aussperrung 1911. Brentano Der Schutz der Arbeitswilligen 1912. Schmidt-Ernsthausen Z 34 87. Kollmann Die Entstehungsgeschichte der deutschen Koalitionsgesetze (V. Lil. Heft 196) 1916. Derselbe Z 38 583. Krückmann Der Boykott im Lohnkampf 1918. SChmidt

I. Nötigung ist d i e E r z w i n g u n g e i n z e l n e r Willensb e t ä t i g u n g e n , einzelner H a n d l u n g e n , D u l d u n g e n oder Unterlassungen. 1 ) D i e D u l d u n g ist eine U n t e r a r t des Unterlassens i. w . S . ; sie u n t e r s c h e i d e t sich v o n d e m U n t e r l a s s e n i. e. S. d a durch, d a ß dieses auf einem W o l l e n , d a s D u l d e n a u f einem Müssen b e r u h t , d a ß d a s Unterlassen, n i c h t aber d a s D u l d e n , einen w e n n auch e r z w u n g e n e n E n t s c h l u ß v o r a u s s e t z t ( Z w a n g z u m Anhören unzüchtiger Reden). I I . D i e Mittel der Nötigung sind n a c h d e m G e s e t z e : 1. G e w a l t (oben § 98 I I I 1 ) ; 2. D r o h u n g (oben § 98 I I I 2), und z w a r Bedrohung m i t e i n e m V e r b r e c h e n o d e r V e r g e h e n . 2 ) Neben G e w a l t und D r o h u n g ist die L i s t als M i t t e l der N ö t i g u n g im Gesetze n i c h t e r w ä h n t , m i t h i n auch n i c h t g e n ü g e n d . Der Beugung *) Da dem geltenden Recht eine scharfe, begriffliche Abgrenzung der Nötigung von der Freiheitsberaubung fremd ist, muß die Möglichkeit einer Idealkonkurrenz beider Delikte behauptet werden. Praktisch wichtig, da der Versuch aus § 239 Abs. 1 straflos, der aus § 240 strafbar ist. Vgl. oben § 98 Note 2. Ebenso Ebermayer in RGRäteKomm. § 239 Note 11, Frank § 240 VII, R 31 301. Dagegen wird § 240 (sei es wegen seines „subsidiären Charakters", sei es als die allgemeinere Bestimmung) für ausgeschlossen erachtet von Binding Normen 2 531, R 25 147. Ebenso ist Idealkonkurrenz mit Tötung und Körperverletzung möglich. So auch Frank wie R 33 339. 2) Nach V E § 240 und G E § 277 genügt jede Drohung. Auch K E begnügt sich mit der Androhung eines rechtswidrigen Verhaltens, verlangt aber (abweichend von VE), daß der Genötigte zu der Handlung usw. nicht rechtlich verpflichtet ist. [E 1919 § 312 Abs. 1 kehrt im wesentlichen zum geltenden Recht zurück (Nötigung mit Gewalt oder durch D r o h u n g mit Gewalt oder mit einem V e r b r e c h e n o d e r V e r g e h e n ) ; in Abs. 2 wird ein neuer Tatbestand gebildet (Drohung mit Strafanzeige oder anderen Nachteilen für Ehre oder guten Ruf), in dem der Ton auf dem Nötigungszweck liegt.]

368

§ ioo.

i. Die Nötigung.

des Willens steht die Erschleichung der Einwilligung, der Ü b e r wältigung die Täuschung nicht ohne weiteres gleich. Dagegen stellt § 339 Mißbrauch der Amtsgewalt oder Androhung eines bestimmten Mißbrauchs derselben den Nötigungsmitteln des § 240 gleich. III. Die Nötigung ist nur strafbar, wenn sie widerrechtlich erfolgt; w e n n a l s o e n t w e d e r d e r N ö t i g u n g s z w e c k oder d a s N ö t i g u n g s m i t t e l (oder beides) w i d e r r e c h t l i c h ist. Die Widerrechtlichkeit der Nötigung entfällt also nur dann, wenn der T ä t e r nicht nur 1. berechtigt ist, die fragliche Handlung, Duldung oder Unterlassung zu fordern, sondern wenn er a u ß e r d e m noch 2. zur Anwendung der von ihm angewendeten Nötigungsmittel berechtigt ist; wenn er also berechtigt ist, zur Erzwingung der Willensbetätigung Gewalt anzuwenden, oder aber Handlungen anzudrohen, die, ohne besondere Berechtigung vorgenommen, als Verbrechen oder Vergehen sich darstellen würden. 3 ) Auch die Nötigung zur Unterlassung einer unsittlichen, j a selbst einer strafbaren Handlung kann danach strafbar sein. 4 ) Durch irrtümliche Annahme der Nicht-Widerrechtlichkeit wird die Strafbarkeit ausgeschlossen (oben § 4 1 Note 5). Dagegen ist nicht nötig die Kenntnis des Täters, daß die von ihm angedrohten Handlungen als Verbrechen oder Vergehen strafbar seien. Das Vorliegen dieses Erfordernisses ist daher objektiv, nach den k o n kreten Umständen (vgl. unten § 1 4 7 I I 1), zu prüfen. IV. Die V o l l e n d u n g der Nötigung tritt nach dem R S t G B (die LandesStGBücher schwankten) erst mit der erzwungenen Handlung, Duldung, Unterlassung ein; der (strafbare) V e r s u c h beginnt schon mit der Anwendung von Gewalt oder Drohung, als der Mittel zur Herbeiführung des Erfolges. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu sechshundert Mark. Das Antragserfordernis wurde 1876 gestrichen. V . Die Nötigung zur Arbeitseinstellung. Die A r b e i t s f r e i h e i t , als die Befugnis zur selbständigen Schließung und Lösung des Arbeitsvertrages, begreift die F r e i h e i t d e r V e r a b r e d u n g m i t a n d e r e n zu g e m e i n s a m e m V o r g e h e n in sich. Daher hat die Gesetzgebung seit der Mitte *) So die gem. Meinung. Auch Frank § 240 I (trotz seines Widerspruchs). — Die Sache liegt bei der Nötigung eben wesentlich anders als bei der Erpressung (StGB § 253), bei der j ede Drohung genügt, also auch die Androhung von Nachteilen, zu deren Zufügung der Drohende berechtigt ist. —Abweichend vom Text Ebermayer in RGRäteKomm. § 240 Note 8 und LZ 18 297 (nur auf die Widerrechtlichkeit des Mittels komme es,an; der Zweck bleibe außer Betracht). •) So die Rettung des widerstrebenden Selbstmörders. Richtig Allfeld 440, v. Bar Gesetz 3 37, Binding 1 737, Schwartz § 240 Note 3, ausführlich Bollag 107. Dagegen Kohler GA 49 6, v. Lilienthal Z 20 446, Rosenjeld 515, Wachenjeld 342, Zitelmann (Lit. zu § 35) 118. Zweifelnd Frank § 240 IV.

§ IOI.

2. Die Freiheitsberaubung (oder Einsperrung).

369

d e s 19. J a h r h u n d e r t s ( E n g l a n d schon 1 8 2 4 ; R e i c h s g e w e r b e o r d n u n g v o n 1 8 6 9 § 152) die K o a l i t i o n s f r e i h e i t d e r g e w e r b l i c h e n (nicht d e r l ä n d l i c h e n ) A r b e i t e r a n e r k a n n t und die f r ü h e r a u f solche V e r a b r e d u n g e n gesetzte S t r a f e beseitigt. A n d r e r s e i t s w u r d e der Z w a n g .zur T e i l n a h m e an einer V e r a b r e d u n g , sowie die H i n d e r u n g d e s R ü c k t r i t t s u n t e r besondere S t r a f e gestellt. So bestimmte § 153 Gewerbeordng: „Wer andere durch Anwendung körperlichen Zwanges, durch D r o h u n g e n , durch E h r v e r l e t z u n g oder durch V e r r u f s e r k l ä r u n g bestimmt oder zu b e s t i m m e n v e r s u c h t , an solchen Verabredungen (§ 152) zum Behufe der Erlangung günstiger Lohnund Arbeitsbedingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter, teilzunehmen oder ihnen Folge zu leisten, oder andere durch gleiche Mittel hindert oder zu h i n d e r n v e r s u c h t , von solchen Verabredungen zurückzutreten, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, sofern nach dem allgemeinen Strafgesetze nicht eine härtere Strafe eintritt". D a diese B e s t i m m u n g eine schwere u n d einseitige B e n a c h t e i l i g u n g der A r b e i t n e h m e r enthielt, erfolgte ihre seit J a h r e n verl a n g t e A u f h e b u n g d u r c h G v o m 22. Mai 1918. [Die B e s c h r ä n k u n g e n , d e n e n d a s K o a l i t i o n s r e c h t der L a n d a r b e i t e r landesrechtlich unterlag, s i n d n a c h Ziff. 8 des „ A u f r u f e s des R a t e s der V o l k s b e a u f t r a g t e n " v o m 12. N o v e m b e r 1918 ( R G B l . S. 1303) als beseitigt anzusehen.] D a m i t ist die K o a l i t i o n s f r e i h e i t i m vollen U m f a n g a n e r k a n n t , ihr M i ß b r a u c h ausschließlich d e m gemeinen R e c h t unterstellt.®)

§

101.

Literatur.

2. Die Freiheitsberaubung oder

Einsperrung.

Die zu § 98 angegebenen Schriften.

I. Freiheitsberaubung ist die, w e n n a u c h v o r ü b e r g e h e n d e , E n t z i e h u n g d e r B e w e g u n g s f r e i h e i t (der F r e i h e i t , den A u f e n t h a l t s o r t z u ändern). Sie s e t z t m i t h i n B e w e g u n g s m ö g l i c h k e i t v o r a u s ; w o diese fehlt (Einsperrung eines v o m S t a r r k r a m p f Befallenen) k a n n nur u n t a u g l i c h e r V e r s u c h vorliegen. Sie u n t e i s c h e i d e t s i c h v o n der N ö t i g u n g d a d u r c h , d a ß sie n i c h t Z w a n g zu e i n e r e i n z e l n e n H a n d l u n g , D u l d u n g , U n t e r l a s s u n g ist. 1 ) D e r geschichtlichen E n t w i c k l u n g des V e r g e h e n s sich a n s c h l i e ß e n d , h e b t das G e s e t z (§ 239) als H a u p t f a l l d i e Einsperrung h e r v o r , d. h. die F e s t h a l t u n g i n e i n e m umschlossenen R ä u m e , sei es d u r c h mechanische G e w a l t , sei es d u r c h E r r e g u n g ') Gegen die Aufhebung Finger GS 86 274. [Für Einführung strenger Strafbestimmungen gegen den politischen und wirtschaftlichen Streik Rosertthal DStrafrZ. 6 236. E 1919 hat die dringend notwendige Regelung der strafrechtlichen Behandlung von Ausschreitungen im Lohnkampf einer Sonderregelung auf dem Gebiete des Arbeiterrechts überlassen. Vgl. oben § 99 III jund Denkschrift S. 252, sowie Anm. * zu § 312 des E 1919.] l ) Vgl. aber oben § 100 Note 1. T. L i l i t , Strafrecht.

24. Aufl.

2

4

37°

§ io2.

3' Der Menschenraub.

oder Benutzung von Hemmungsvorstellungen (Furcht, Scham, Irrtum, hypnotische Suggestion). Daß der Raum einen oder mehrere Ausgänge hat, hindert die Anwendung des Begriffes nicht, wenn diese (wie der Täter weiß) dem Eingespen ten unbekannt sind oder vom Täter oder dessen Gehilfen bewacht werden. Neben dem Einsperren wäre das Binden und Fesseln, das Wegnehmen der Leiter, auf der jemand in eine tiefe Grube gestiegen ist, das Versetzen in Starrkrampf, Trunkenheit, hypnotischen Schlaf usw. hervorzuheben. 2 ) Widerrechtlichkeit des Handelns ist auch bei der Freiheitsberaubung Begriffsmerkmal, mithin Bewußtsein derselben erforderlich (oben § 41 Note 5). II. Abweichend von der Begriffsbestimmung der Nötigung zählt das R S t G B in § 239 die Mittel der Freiheitsberaubung nicht auf. Daraus folgt, d a ß nicht bloß Gewalt oder Drohung mit einem Verbrechen oder Vergehen, sondern a l l e Mittel, die überhaupt geeignet sind, die Handlungsfreiheit eines anderen zu beeinflussen, taugliche Mittel der Freiheitsberaubung sind. Dies gilt daher auch von der L i s t (oben § 98 I I I 3). III. Die Vollendung tritt mit der Entziehung der Freiheit ein; länger dauernde Freiheitsentziehung begründet ein fortdauerndes Verbrechen. I V . Strafe: a) Für den einfachen Fall: Gefängnis von einem Tage bis zu fünf Jahren, oder (nach der Novelle von 1912) Geldstrafe bis zu zweitausend Mark. b) Wenn die Freiheitsentziehung über ein e Woche gedauert hat, oder wenn eine schwere Körperverletzung (StGB § 224) des der Freiheit Beraubten durch, die Freiheitsentziehung oder die ihm während dieser widerfahrene Behandlung verursacht worden ist: Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter einem Monat. c) Ist auf die zu b) angegebene Weise der Tod des der Freiheit Beraubten verursacht worden: Zuchthaus nicht unter drei Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten. Versuch ist im Falle a) straflos, in den Fällen b) und c) strafbar (oben § 46 Note 8). V . Über Freiheitsberaubung durch einen Beamten vgl. StGB § 341 (unten § 179 IV).

§ 102.

3. Der Menschenraub.

Literatur. Dobbelmann De crimine plagii 1866. Knitschky GS 44 249. Haars Menschenraub und Kinderraub. Rostocker Diss. 1899. — Lit. des Sklavenhandels oben zu § 99.

I. Menschenraub i. w. S. i s t d i e r e c h t s w i d r i g e B e g r ü n *) Dagegen verlangt Binding Lehrb. 1 99 die „mechanische Herstellung eines Hindernisses für die Fortbewegung". Mit dem Text Ebermayer in RGRäteKomm. § 239 Note 2.

§ io2.

3- Der Menschenraub.

371

d u n g körperlicher H e r r s c h a f t über einen Menschen. Darin liegt der Unterschied des Menschenraubes von der Aassetzung (oben § 90); jener ist Verletzung der Freiheit, diese Gefährdung von Leib und Leben. Der Menschenraub i. w. S. umfaßt drei Fälle: 1. Den Menschenraub i. e. S.; 2. den sog. Kinderraub; 3. den Sklavenraub, an den sich der Sklavenhandel anschließt. II. Menschenraub i. e. S. ( S t G B § 234) liegt vor, w e n n j e m a n d sich eines Menschen d u r c h L i s t , D r o h u n g oder G e w a l t b e m ä c h t i g t , u m i h n in h i l f l o s e r L a g e (oben § 90 I I 2) a u s z u s e t z e n o d e r in S k l a v e r e i , L e i b e i g e n s c h a f t oder in a u s w ä r t i g e K r i e g s - oder Schiffsdienste zu bringen.1) Die im Gesetze bezeichnete A b s i c h t (gleich Beweggrund) 2 ) ist Begriffsmerkmal. Gleichwertige Zwecke, z. B. Auslieferung an eine Zigeunerbande oder Gauklergesellschaft genügen nicht. Die Verwirklichung der Absicht (also etwa die vollendete Aussetzung) begründet kein neues Delikt (oben § 55 II 4). Das Verbrechen ist v o l l e n d e t mit der (positiven) Erlangung der Herrschaft; der V e r s u c h beginnt mit dem (negativen) Eingriff in die persönliche Freiheit. Der Menschenraub ist Dauerverbrechen; erst mit dem Ende der erlangten Herrschaft beginnt die Verjährung. S t r a f e : Zuchthaus von einem bis zu fünfzehn Jahren.

III. Der sogenannte Kinderraub (StGB § 235) wird begangen dadurch, daß e i n e m i n d e r j ä h r i g e P e r s o n i h r e n E l t e r n , 3 ) oder ihrem Vormund oder Pfleger4) durch Gewalt, D r o h u n g , List entzogen wird. Die Entziehung kann auch durch rechtswidrige Unterlassung, also etwa durch verweigerte Auskunft über den Aufenthalt, falls eine Rechtspflicht zur Erteilung der Auskunft besteht, begangen werden. 8 ) Im Sinne des Gesetzes ist das Delikt als Freiheitsdelikt gegen den Minderjährigen, Kürzer sagt V E § 234 (ebenso G E § 275): „ W e r einen Menschen in Sklaverei oder in einen anderen ähnlichen Zustand der Unfreiheit bringt . . .". K E hat die Bestimmung, da sie durch das Sklavenraubg. überflüssig gemacht sei, gestrichen. E 1919 hält sowohl den Tatbestand des Menschenraubes, wie die Tatbestände des Sklavenraubgesetzes für überflüssig (Denkschrift S. 251/2). Richtiger wäre die Einarbeitung dieses Gesetzes gewesen. ') Dagegen Bitlding Normen 2 602 Note 894. Gegen den Text auch Ebermayer in RGRäteKomm. § 234 Note 6. ") Hier auch Stief-, Adoptiv- oder Pflegeeltern (ebenso R 87 1, 48 198), nicht aber Großeltern oder Schwiegereltern. Anders oben § 90 Note 4. Übereinstimmend Allteld 448 und Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 235 Note 4; abweichend Bitlding Lehrb. 1 115 (nicht die Pflegeeltern); Frank § 235 I I I und Schwartz § 235 Note 3 rechnen bloß die leiblichen Eltern hierher. «) Vgl. Art. 34 V I I E G zum B G B . ') Mit dem Text Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 235 Note 3. — R 46 25 hat die Rechtspflicht im allgemeinen verneint, R 87 162 sie unter den besonderen Umständen des Falles angenommen. 24*

372

§ 102.

3- D e r

Menschenraub.

nicht gegen die Familienrechte der Gewalthaber gerichtet; 5 3 ) dennoch schließt die Einwilligung dieser die Rechtswidrigkeit des T u n s aus, während die des Minderjährigen gleichgültig ist. Entläuft d e r Minderjährige selbst (wenn auch auf Anstiften des Täters), so liegt Kinderraub n i c h t vor. T ä t e r können auch die leiblichen E l t e r n oder der V o r m u n d des Kindes sein, wenn ihnen die Aufsicht über dieses entzogen ist oder nicht allein zusteht. V o l l e n d e t ist der Kinderraub, sobald die Gewalt der Machthaber gebrochen und eine fremde Gewalt begründet i s t ; 8 ) d e r V e r s u c h beginnt bereits mit der Anwendung von List, D r o h u n g oder Gewalt. S t r a f e : Regelmäßig Gefängnis, bei mildernden U m s t ä n d e n (Novelle 1912) G e l d s t r a f e b i s d r e i t a u s e n d M a r k ; w e n n d i e H a n d l u n g i n d e r A b s i c h t (gleich B e w e g g r u n d ) g e s c h i e h t , die P e r s o n z u m B e t t e l n o d e r z u g e w i n n s ü c h t i g e n (d. h . a u f E r l a n g u n g e i n e s r e c h t s w i d r i g e n V e r m ö g e n s v o r t e i l s g e r i c h t e t e n ) oder unsittlichen Z w e c k e n oder B e s c h ä f t i g u n g e n zu gebrauchen. Z u c h t h a u s bis zu zehn J a h r e n . D e r M i n d e r j ä h r i g e k a n n n i c h t s e l b s t a l s T e i l n e h m e r g e s t r a f t w e r d e n ( o b e n § 52 V ) ; d a h e r b l e i b t a u c h B e i h i l f e z u r S e l b s t e n t z i e h u n g s t r a f l o s . — E r g ä n z e n d e S t r a f d r o h u n g e n f i n d e n s i c h in d e n m e i s t e n l a n d e s r e c h t l i c h e n F ü r s o r g e e r z i e h u n g s g e s e t z e n (oben § 4 I I 3).')

I V . Sklavenraub und Sklavenhandel sind durch das G vom 28. Juli 1895 unter Strafe gestellt worden. 1. Der Sklavenraub, im Gesetze selbst nicht näher b e s t i m m t , erscheint als ein besonderer F a l l des Menschenraubes (oben II). E r ist, wie dieser, rechtswidrige B e g r ü n d u n g körperlicher Herrschaft über einen Menschen; er hebt sich aber von den übrigen Fällen d e s Menschenraubes dadurch ab, d a ß der Geraubte a l s S a c h e behandelt wird, d a ß die angemaßte Herrschaft E i g e n t u m iin Sinne des Privatrechts, also grundsätzlich, wie dieses, dauernd und ausschließlich ist. G e g e n s t a n d kann auch der bereits im Z u stande der Sklaverei befindliche Mensch sein. Die M i t t e l der Bemächtigung sind die des Menschenraubes: List, Drohung, Gew a l t ; freiwillige Unterwerfung genügt nicht. Die volle Strafe des Gesetzes trifft bereits die „vorsätzliche Mitwirkung an einem auf S k l a v e n r a u b gerichteten U n t e r n e h m e n " . Der Begriff des „ U n t e r «') A b w e i c h e n d Stracke ( L i t . z u § 112) 22, d e s g l . a u c h Ebermayer a. a. O . § 235 N o t e 1 , d e r a b e r b e z ü g l i c h d e r B e d e u t u n g d e r E i n w i l l i g u n g z u d e m gleichen Ergebnis gelangt wie der T e x t . «) D a g e g e n R 1 8 273; Allfeld 448, Ebermayer i n R G R ä t e K o m m . § 235 N o t e 3, Frank § 235 I I , Schivartz § 235 N o t e 2. F ü r j e n e F o r d e r u n g s p r i c h t d i e G l e i c h s t e l l u n g m i t d e r E n t f ü h r u n g ( u n t e n § 104). D a f ü r a u c h d i e ü b e r w i e g e n d e Meinung. 7 ) S i e s i n d a u f g e z ä h l t i n R 5 0 21 N o t e n 1 u n d 2. F ü r ihre Gültigkeit R 47 52. d a d i e h i e r b e d r o h t e H a n d l u n g s i c h n i c h t , w i e i n § 235, g e g e n d i e p e r sönliche Freiheit, sondern gegen die staatliche Zwangsgewalt richte. Ebermayer a . a . O . N o t e 2 s t i m m t z u .

§ io2.

3- Der Menschenraub.

373

n e h m e n s " ist auch hier in seiner allgemeinen Bedeutung zu nehmen (oben § 46 Note 5). A u c h die entfernteren Vorbereitungshandlungen fallen demnach unter die Strafe der Vollendung. Zu ihnen gehört als Unterfall die Veranstaltung eines S t r e i f z u g e s zum Z w e c k e des Sklavenraubes. Täter und Teilnehmer, A n s t i f t e r wie Gehilfen, sind in der Bestrafung gleichgestellt. D i e allgemeinen Grundsätze über Versuch und Teilnahme sind mithin preisgegeben. S t r a f e : Zuchthaus von einem bis zu fünfzehn Jahren (wie bei vollendetem Menschenraub); gegen die Veranstalter und Anführer des Unternehmens Zuchthaus nicht unter drei Jahren (§ 1 A b s . 1 des G). I s t durch einen zum Zweck des Sklavenraubes unternommenen Streifzug der T o d einer der Personen, gegen die der Streifzug gerichtet war, verursacht worden, so ist gegen Veranstalter und Anführer auf Todesstrafe, gegen die übrigen Teilnehmer auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren zu erkennen (§ 1 A b s . 2). Der Begriff des Streifzuges setzt einerseits eine geordnete bewaffnete M a c h t , andrerseits B e w e g u n g von O r t zu O r t voraus, mag es a u c h zu einem Überfall nicht gekommen sein. Verschulden in Beziehung auf den eingetretenen Erfolg ist nicht erforderlich (oben § 36 N o t e 10); Verursachung genügt. Neben der Freiheitsstrafe i s t auf Geldstrafe bis zu x00 000 Mark zu erkennen, k a n n auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht (im Innern Afrikas!) erkannt werden. A u c h k a n n auf die Einziehung aller zur B e g e h u n g des Verbrechens gebrauchten oder bestimmten Gegenstände erkannt werden, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht. Ist die Verfolgung einer bestimmten Person nicht ausführbar (von der Unmöglichkeit der Verurteilung trotz Möglichkeit der Verfolgung spricht das Gesetz im Gegensatz zu § 42 S t G B nicht), so kann auf die Einziehung selbständig erkannt werden (§ 3).

2. Sklavenhandel, im G e s e t z selbst nicht bestimmt, ist V e r kauf von S k l a v e n oder deren A n k a u f zum Z w e c k e des V e r k a u f s . 8 ) Ankauf zur eigenen Ausnützung des E i g e n t u m s gen ü g t n i c h t ; ebensowenig unentgeltliche Überlassung. Dem Kauf steht der Tausch gleich. D a ß der Händler den S k l a v e n selbst geraubt, sich seiner also durch List, Drohung oder G e w a l t b e m ä c h t i g t habe, ist nicht erforderlich. Der Tatbestand ist also ein völlig anderer als der des Menschen-(Skiaven-)raubes. Treibt der Sklavenräuber selbst den Handel mit den von ihm geraubten Sklaven, so ist der Handel nicht selbständig strafbar (oben § 55 Note 5). D a s Verbrechen ist voUendet mit dem Bereitstellen zum Verkauf (dem „ F e i l h a l t e n " ) , bzw. dem Ankauf. 3. Die dem Sklavenhandel dienende Beförderung von Sklaven ist zum selbständigen Vergehen, mit Beseitigung der Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme, erhoben und in der S t r a f b a r k e i t dem Sklavenhandel selbst gleichgestellt. S t r a f e z u 2 u n d 3: W e r Sklavenhandel betreibt oder bei der diesem Handel dienenden Beförderung von Sklaven vorsätzlich m i t w i r k t , wird m i t *) Wesentlich enger Scherling 58. N a c h Kaysei m ä ß i g e Sklavenhandel bestraft.

57 wird nur der gewerbs-

374

§ los.

Straftaten gegen die Sittlichkeit.

Ubersicht.

Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft (§ 2). Versuch, auch der Mitwirkung an der Beförderung, ist strafbar. Mitwirkung am S k l a v e n h a n d e l selbst (nicht an der Beförderung) kann nur als Beihilfe gestraft werden. Geldstrafe, Polizeiaufsicht, Einziehung wie oben zu 1 ( § 3 ) . 4. Z u w i d e r h a n d l u n g e n g e g e n d i e v o m K a i s e r m i t Z u s t i m m u n g d e s B u n d e s r a t e s z u r V e r h ü t u n g des S k l a v e n r a u b e s u n d des S k l a v e n h a n d e l s e r l a s s e n e n V e r o r d n u n g e n . S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechstausend Mark oder Gefängnis (§ 4). 5. D i e B e s t i m m u n g in § 4 A b s . 2 N r . 1 S t G B f i n d e t auf d i e (unter 1 bis 3) v o r b e z e i c h n e t e n H a n d l u n g e n A n w e n d u n g (§ 5 ) ; diese sind a l s o o h n e R ü c k s i c h t auf d e n B e g e h u n g s o r t u n d auf die Staatsangehörigkeit des Täters strafbar.

III. Strafbare Handlungen gegen Sittlichkeit und Schamgefühl. §

103.

Übersicht.

Literatur. Mittermaier VD Bes. T. 4 1. — Mommsen 682. Brunner 2 658. — V. Wächter Abhandlungen 1835. Binding Z 2 450 (Abhandlgn 1 477). O. Müller Die lex Heinze. Freiburger Diss. 1900 (bringt das legislative Material). Schlecht GS 60 1. Bartolomäus Z 25 123. Schlechtriem Die strafrechtliche Bedeutung unzüchtiger Schriften 1907. Burgener Zur Lehre von den Sittlichkeitsdelikten. Insbesondere § 174 RStGB. Heidelberger Diss. 1908. Lazarus Das Unzüchtige und die Kunst 1909. Pfeifer Die Begriffe Sittlichkeit, tinsittlich, Schamgefühl, Unzucht, unzüchtige Handlung, unzüchtig in den §§ 174 ff. RStGB. Erlanger Diss. 1 9 1 5 . Misch (Lit. zu § 117). Glaser Z 31 379 (über den VE). Ötker in „Das Recht" 17 11. Vgl. die Lit. zu § 108. — Über K o n k u b i n a t Harburger Z 4 499, Rosenblatt Z 5 272, Mittermaier 1 7 1 . Löwenstein Die Bekämpfung des Konkubinates in der Rechtsentwickelung (V. Lil. Heft 201) 1919. I. D i e g e s c h l e c h t l i c h e S i t t l i c h k e i t , d . h . die E i n h a l t u n g d e r durch Rechtsordnung und Sitte d e m geschlechtlichen Verkehr gezogenen S c h r a n k e n , i s t kein u m seiner selbst w i l l e n g e s c h ü t z t e s Rechtsgut der Gesamtheit. D e r h e u t i g e S t a a t h a t in d e m R e c h t s i n s t i t u t e d e r E h e d e m Geschlechtsleben seine B a h n e n g e w i e s e n u n d d a m i t d e n m ä c h t i g s t e n a l l e r N a t u r t r i e b e i n den D i e n s t der gesellschaftlichen Zwecke gestellt; dem außerehelichen Ges c h l e c h t s l e b e n w i d m e t er seine A u f m e r k s a m k e i t n u r , s o w e i t es i n den Rechtskreis e i n z e l n e r verletzend eingreift.1) l ) Allerdings ist der Gesetzgeber mehrfach, so gegenüber der widernatürlichen Unzucht, ganz besonders aber in dem G vom 25. Juni 1900, über diesen Standpunkt hinausgegangen. — Ällfeld unterscheidet zwischen der Verletzung der geschlechtlichen Freiheit des e i n z e l n e n und der gegen die G e s a m t h e i t gerichteten Verletzung der Sittlichkeit und des sittlichen Gefühls in geschlecht-

§ 103.

Straftaten gegen die Sittlichkeit.

Übersicht.

375

Nach zwei Richtungen hin kann dies der Fall sein: 1. Zunächst verlangt die geschlechtliche Freiheit, d. h. die freie S e l b s t b e s t i m m u n g über den g e s c h l e c h t l i c h e n Verk e h r , rechtlichen Schutz; ein eigenartiges, mit dem Rechtsgute der Freiheit verwandtes Interesse, das aber wegen der sozialen Bedeutung des Geschlechtslebens auch mit der Ehre, wegen dessen physiologischer Wichtigkeit (insbesondere für das Weib) auch mit der körperlichen Unversehrtheit in Beziehung steht. Den Übergang von den Freiheits- zu den Sittlichkeitsverbrechen bildet die E n t f ü h r u n g . Musterfall für die gewaltsame Verletzung der geschlechtlichen Freiheit ist die N o t z u c h t . Der Gewalt aber steht der M i ß b r a u c h des in besonderen Abhängigkeitsverhältnissen begründeten E i n f l u s s e s , sowie die Benutzung des I r r t u m s oder der U n e r f a h r e n h e i t des zu mißbrauchenden Opfers (die Verführung) gleich. 2. Neben der geschlechtlichen Freiheit schützt der Gesetzgeber auch das sittliche G e f ü h l des einzelnen gegen Verletzung durch Ärgernis erregende Handlungen anderer. Das „sittliche Gefühl" umfaßt die Vorstellungen des einzelnen über die dem Geschlechtsleben gezogenen Schranken; Vorstellungen, die nicht rein intellektueller Natur, sondern durch lebhafte Empfindungswerte ausgezeichnet („gemütlich betont") sind. Ausfluß des Sittlichkeitsgefühls ist das Schamgefühl, das mit dem Anblick oder der Vorstellung des entblößten Körpers geschlechtliche Vorstellungen verknüpft. Erst das G von 1900 hat es für nötig gefunden, das Schamgefühl unter Strafschutz zu stellen. II. Als Verletzung der Sittlichkeit im weitesten Sinn erscheint, der geschlechtlichen Freiheit wie dem Sittlichkeitsgefühl gegenüber, die unsittliche Handlung. Dieser Begriff umfaßt: 1. Den B e i s c h l a f sowie die b e i s c h l a f s ä h n l i c h e Handlung. 2. Die u n z ü c h t i g e H a n d l u n g , das ist jede Handlung, die, auf die Erregung oder Befriedigung des Gechlecbtstriebas gerichtet oder dem erregten Triebe zum Ausdruck dienend, zugleich den sittlichen Anstand in geschlechtlicher Bsziehung, die durch die jeweilige Sitte dem Geschlechtsleben gezogenen Schranken, gröblich verletzt. 2 ) In der Handlung selbst also muß die Beziehung auf das Geschlechtsleben zum objektiven Ausdruck kommen. 3. Die s c h a m l o s e Handlung, d. h. jede Entblößung des Körpers, die, ohne selbst geschlechtliche Beziehung zu haben (Verlicher Hinsicht. Wachenfeld 456 stellt die ganze Gruppe zu den Verbrechen gegen Rechtsgüter der Gesellschaft. •) Ebenso Frank § 174 I. Gegen das Merkmal „gröblich" Ailfeld 453, Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 174 Note 2 und R 32 418. Gegen den Ausdruck „sittlicher Anstand" Pfeifer 17. Vgl. unten § 109 Note 4.

376

§ 103.

S t r a f t a t e n gegen die Sittlichkeit.

Übersicht.

richtung der Notdurft, Baden ohne Schwimmhose), in dem Z u sehenden geschlechtliche Vorstellungen auslöst. Dem Begriff der ursittlichen oder schamlosen Handlungen entspricht der der unsittlichen oder schamlosen Schrift, Abbildung usw. In allen Fällen aber ist die Grenzlinie des Gestatteten nicht nach den (vielleicht besonders strengen oder besonders milden) Anschauungen einzelner Volkskreise oder gar nach der meist mit Lüsternheit gepaarten Prüderie einzelner, vielmehr stets nur nach dem Maßstabe des das Volk vertretenden Richters zu ziehen. 8 ) I I I . Geschichte. Die Anschauungen über die Stellung der s t a a t l i c h e n S t r a f g e w a l t zu den Verletzungen der Sittlichkeit haben in verschiedeilen Zeiten und bei verschiedenen Völkern vielfache Wandlungen d u r c h g e m a c h t . D a s r ö m i s c h e R e c h t hat, von vereinzelten Bestimmungen abgesehen, bis in das 8. Jahrhundert der S t a d t hinein die A h n d u n g der V e r g e h e n gegen die Sittlichkeit der S t r a f g e w a l t des Hausvaters sowie der zensorischen R ü g e überlassen. Erst als die allenthalben im Gefolge von Ehelosigkeit und K i n d e r scheu eingerissene Verwilderung der Sitten die Grundlagen des S t a a t e s zu zerstören drohte, stellte die wesentlich im ö f f e n t l i c h e n Interesse erlassene lex Julia de adulteriis coercendis vom Jahre 17 v . Chr. (D. ^8, 5; C, 9, 9), „ e i n e der einschneidendsten und dauerndsten strafrechtlichen Neuschöpfungen > welche die Geschichte k e n n t " (Mommsen 691), eine Anzahl von Sittlichkeitsvergehen, und zwar adulterium, stuprum, lenocinium, incestus, unter öffentliche Strafe. Als stuprum wurde der nicht gewaltsame Beischlaf des M a n n e s m i t einer virgo vel vidua honeste vivens, nicht aber der K o n k u b i n a t oder der V e r k e h r mit einer meretrix erklärt. D e m früheren d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r ist der öffentliche Gesichtsp u n k t bei Bestrafung der Sittlichkeitsvergehen im wesentlichen fremd. D a s einfache stuprum wird als Eingriff in die Mundschaft m i t einer B u ß e an die Gewalthaber gesühnt; Todesstrafe dagegen t r i f f t die freie F r a u , die bei ihrem K n e c h t e schläft. A u c h die A u f f a s s u n g des k a n o n i s c h e n R e c h t s , d a s die Unsittlichkeit als Sünde betrachtete, und bis zu den Gedanken und W ü n s c h e n herab unter Strafe stellte, w a r nicht imstande, den tatsächlichen V e r h ä l t nissen Rechnung zu tragen und K l a r h e i t über das rechtliche Wesen der Sittlichkeitsvergehen zu verbreiten. So erklären sich die Zustände des s p ä t e r e n M i t t e l a l t e r s mit seinen nicht bloß geduldeten, sondern anerkannten und vielfach m i t besonderen Rechten ausgestatteten städtischen Frauenhäusern. D i e P G O bedroht, der deutschrechtlich-kanonischen Auffassung folgend, unter den Sittlichkeitsverbrechen in den Artikeln 1 1 6 bis 123 Sodomie, B l u t schande, E n t f ü h r u n g , N o t z u c h t , Ehebruch, Doppelehe und Kuppelei. Ergänzend griffen die Reichsgesetze des 16. Jahrhunderts, besonders die Reichspolizeiordnungen v o n 1530, 1548 und 1577 ein. Sie bestrafen stuprum voluntarium, fomicatio (cum meretrice), K o n k u b i n a t („zur Unehe sitzen"), H a l t e n von Bordellen usw. m i t Gefängnis oder Geldstrafe; daneben war bis ins 18. Jahrhundert hinein öffentliche K i r c h e n b u ß e für gefallene Mädchen üblich. A u c h der geschlechtliche V e r k e h r zwischen Christen und Juden wurde, w i e im späteren Mittelalter, noch zur Zeit des geineinen R e c h t s (so von Frölidl) ,,interpretative" als ein Fall der widernatürlichen U n z u c h t behandelt; doch s ) Die praktische Schwierigkeit liegt darin, d a ß ein einheitlicher Maßstab,, ein „Durchschnittsempfinden dei; G e s a m t h e i t " , ein „normales Allgemeing e f ü h l " (R 82 184) gar nicht vorhanden ist.

§ 103.

Straftaten gegen die Sittlichkeit.

Übersicht.

377

geriet nach dem Zeugnisse von Koch, Böhmer u. a. die Kapitalstrafe für dieses Vergehen schon im 17. Jahrhundert in Vergessenheit. Andrerseits verhängt noch Toskana 1786 harte Strafe. Die Landesgesetzgebung des 17. und 18. Jahrhunderts erschöpfte sich in zahlreichen, meist vergeblichen Strafdrohungen gegen Unsittlichkeit, während die Rechtsprechung die strengen Strafen der P G O durch weitgehende Einschränkungen des Tatbestandes zu mildern bestrebt war. So wurde (vgl. oben § 10 III) zur Vollendung bei strafbarem Beischlaf immissio, bei anderen unzüchtigen Handlungen emissio seminis verlangt.. Gegenüber dei maßlosen Erweiterung der staatlichen Strafdrohungen trat ein Rückschlag im Laufe des 18. Jahrhunderts unter dem Einflüsse d e r Aufklärungsliteratur ein, die, hauptsächlich vertreten von Voltaire, Hommet, Cella, Soden, Michaelis, aber unter dem Widerspruche von Gmelin, Filattgieri u. a., für die Sittlichkeitsvergehen möglichst geringe Strafen verlangte, da durch sie niemand beleidigt und auch der Staat nicht in Gefahr gebracht werde; dabei machte sich vielfach die, erfahrungsgemäß allerdings wenig zutreffende Ansicht geltend, daß die durch den außerehelichen Geschlechtsverkehr erzielte Nachkommenschaft an körperlicher und geistiger Tüchtigkeit die im Ehebette erzeugten „blöden und dummen P f l a n z e n " (Homme[) weit übertreffe. Erst allmählich und nur unter fortwährenden Schwankungen gelang es der Wissenschaft und Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts, den richtigen Standpunkt für Auffassung und Behandlung der Sittlichkeitsvergehen zu finden. Doch ist diese Bewegung noch keineswegs abgeschlossen, und insbesondere die Behandlung sowohl der widernatürlichen Unzucht als auch der Kuppelei in dem R S t G B sehr wenig befriedigend. Der leitende Gesichtspunkt muß bleiben: daß nur Verletzungen der g e s c h l e c h t l i c h e n F r e i h e i t oder des s i t t l i c h e n G e f ü h l s Anlaß zu strafrechtlichem Einschreiten geben können. Schon das R S t G B hatte das letztere auf Kosten der ersteren vorzugsweise berücksichtigt. Noch weiter ging auf dieser falschen Bahn das G vom 25. Juni 1900 (lex Heinze, besser wohl lex Hompesch genannt). Hier finden wir neben dem Sittlichkeitsgefühl als neues Rechtsgut das „ S c h a m g e f ü h l " ; hier das Arbeitshaus gegen den „Zuhälter", also die Besserungsanstalt für Unverbesserliche; hier die dem polizeilichen Ermessen anheimgegebene „unbestimmte Verurteilung" der Dirne zur Anhaltung im Magdalenenhaus. V E §§ 243 bis 258 hat nicht den Mut gefunden, diese Bahnen zu verlassen. Nur das Gewähren von Wohnung an Dirnen bleibt nach § 251 Abs. 2 straffrei. Im übrigen werden die Bestimmungen von 1900 festgehalten. G E §§ 236 bis 252 bringt wesentliche Besserungen in den einzelnen Tatbeständen, läßt aber die Anlage des Abschnittes unverändert. Dasselbe gilt von K E §§ 313 bis 332, der, entgegen V E 250, den gleichgeschlechtlichen Verkehr zwischen Frauen unter den Fällen der widernatürlichen Unzucht nicht erwähnt. [E 1919 schließt sich in dieser letzteren Beziehung dem K E an und folgt diesem auch darin, daß er gewisse Vorbereitungshandlungen zur widernatürlichen U n z u c h t unter Strafe stellt (§ 325). Einen neuen Tatbestand enthält § 318, nämlich die Nötigung wirtschaftlich Abhängiger zum Beischlaf. (Vgl. dazu Denkschrift S . 263). Kuppelei, Mädchenhandel und Zuhälterei stellt E 1919 in einen besonderen Abschnitt (§§ 33off.), da es sich hier um eine Ausbeutung des unsittlichen Verhaltens a n d e r e r handele (Denkschrift S. 260). Doppelehe und Ehebruch sind nach dem Vorgang aller übrigen Entwürfe aus den Sittliclikeitsdelikten ausgeschieden, doch kann die Einstellung in den 24. Abschnitt nicht befriedigen. A m Arbeitshaus für den Zuhälter hält auch E 1919 § 336 fest.] Das einfache stuprum, d. h. der nicht erschwerte außereheliche Geschlechtsverkehr, bleibt heute allgemein straflos. Die in § 361 Ziff. 6 R S t G B

37«

§ 104.

x. Die Entführung oder der Frauenraub.

enthaltene Strafdrohung gegen g e w e r b s m ä ß i g e U n z u c h t (Prostitution) verfolgt lediglich sitten- und gesundheitspolizeiliche Zwecke; sie wird daher erst unten § 190IV besprochen. Dagegen ist der K o n k u b i n a t zwar nicht reichsrechtlich, wohl aber nach mehreren Landesrechten 4 ) unter der Voraussetzung strafbar, daß durch fortgesetztes häusliches Zusammenleben zu öffentlichem Ärgernis Anlaß gegeben werde. Doch ist die rechtliche Zulässigkeit landesrechtlicher Strafdrohungen gegenüber der reichsrechtlichen Regelung der „Materie" der Sittlichkeitsverbrechen zu verneinen. 6 )

§ 104.

I. Die Entführung oder der Frauenraub.

Literatur. Mlttermaier V D Bes. T . 4 136. — Brunner 2 666. v. Wächter Abhandlungen 1835. — Villnow G A 24 118. Hälschner 2 241. Gößler Die E n t führung in ihren geschichtlichen Grundlagen. Rostocker Diss. 1903. Heinemann Die Entführung. Heidelberger Diss. 1907. I. Geschichte. Während das r ö m i s c h e R e c h t noch zur Zeit der klassischen Juristen die Entführung lediglich als vis bestrafte, bedrohte K o n stantin unter dem Einflüsse christlicher Anschauungen den raptus virginum, viduarum vel uxorum, denen schon von Constantinus die sanctimoniales gleichgestellt wurden, mit schwerer Todesstrafe (C. 9, 13). Das d e u t s c h e M i t t e l a l t e r unterschied zwei Fälle: 1. Den F r a u e n r a u b , d. h. die E n t f ü h r u n g wider Willen der Entführten, der mit der Notzucht zusammengestellt w u r d e (daher auch das Erfordernis der Unbescholtenheit); und 2. die e i g e n t l i c h e E n t f ü h r u n g zum Zwecke der Ehe, die trotz der Einwilligung der unselbständigen Entführten als Eingriff in die Mundschaft an dem Entführer wie an der Entführten selbst bestraft wurde. Ergänzend treten zu diesem zweiten Fall die Strafdrohungen gegen B e f ö r d e r u n g v o n W i n k e l e h e n hinzu (unten § 108). An der Gleichstellung von Frauenraub und Notzucht hielt trotz des Schweigens der P G O das gemeine Recht zunächst fest; so noch ausdrücklich L ü b e c k 1586 4 7 und Hamburg 1603 4 26. Strafe war allgemein das Schwert. Dagegen schwankten Gesetzgebung und Wissenschaft bezüglich der eigentlichen Entführung. Während Bambergensis 143 ausdrücklich das Schwert angedroht hatte, begnügte sich P G O damit, in A r t . 118: „ W e r einem anderen sein Eheweib oder eine unverleumdete Jungfrau gegen des Ehemannes oder des ehelichen Vaters Willen einer unehrlichen Weise entführt, darum kann der Gatte oder Vater, unangesehen o b die Frau oder Jungfrau ihren Willen dazu gibt, klagen u s w . " — , die Verfolgung von A m t s wegen auszuschließen, und verwies im übrigen auf den R a t der Rechtsverständigen. So fehlte dem gemeinen R e c h t die feste Grundlage. Im allgemeinen hielt man daran fest, daß nur eine persona honesta Gegenstand des Verbrechens sein könne (so Engau, Böhmer u. a.), erklärte aber die Einwilligung der Entführten für gleichgültig und drohte bei ihrer Einwilligung ihr selbst willkürliche Strafe (so schon Kurpfalz 1582 u n d P r e u ß e n 1620 bis A L R 1103) an. D a m i t war der wesentliche Unterschied der beiden Fälle verwischt. *) So in Württemberg, Baden, Hessen, Braunschweig; ebenso in Bayern nach dem G v o m 20. März 1882. Näheres bei LSwensiein 76 bis 89. «) Ebenso Binding Lehrb. 1 196, Frank E G § 2 III, Schwartz Note vor § 171, Seuffert S t G 1 101, Löwenstein 95; dagegen (für die Freiheit der Landesgesetzgebung) Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 171 N o t e 1, Harburger z 4 499, sowie R 88 273 und die bayerische und württembergische Praxis. Vgl. J. GoldSchmidt (oben § 26 Note 6) 1902 S . 466.

§ 104.

i . D i e E n t f ü h r u n g o d e r der F r a u e n r a u b .

379

W e i t e r e V e r w i r r u n g e n b r a c h t e A L R 1095, d a s die E n t f ü h r u n g n i c h t m e h r zu d e n F l e i s c h e s v e r b r e c h e n , w i e das g e s a m t e g e m e i n e R e c h t , sondern zu d e n F r e i h e i t s v e r b r e c h e n rechnete. D e m A L R folgen Kteinschrod, Stübel, Grolman, Tittmann u. a., w i e n e u e r d i n g s a u c h Binding. D a m i t war d i e G e s e t z g e b u n g auf die seither n i c h t m e h r verlassene f a l s c h e B a h n g e d r ä n g t . S t a t t die b e i d e n schon im d e u t s c h e n R e c h t e geschiedenen F ä l l e auseinanderz u h a l t e n u n d d e n einen zu den F a m i l i e n v e r b r e c h e n , den a n d e r e n neben d i e N o t z u c h t zu d e n S i t t l i c h k e i t s v e r g e h e n zu stellen, p f l e g t sie beide F ä l l e zus a m m e n z u f a s s e n u n d sie t r o t z ihrer h e r v o r r a g e n d geschlechtlichen B e d e u t u n g den F r e i h i t s v e r b r e c h e n a n z u r e i h e n . D i e s t u t a u c h (wie Preußen) das R S t G B und d i e s e m f o l g e n d V E in den §§ 236 bis 238. E b e n s o K E §§ 304 bis 307. D a gegen h a t G E § 238 die E n t f ü h r u n g w i d e r W i l l e n (unter E r w e i t e r u n g des T a t b e s t a n d e s ) z u d e n S i t t l i c h k e i t s d e l i k t e n , die E n t z i e h u n g M i n d e r j ä h r i g e r (§ 235) zu d e n F a m i l i e n d e l i k t e n g e s t e l l t . [Über die B e h a n d l u n g des KinderTaubs und der E n t f ü h r u n g m i n d e r j ä h r i g e r w e i b l i c h e r P e r s o n e n i m E 1 9 1 9 v g l . o b e n § 99 I I I . D e n F a l l des § 236 S t G B b e h a n d e l t a u c h E 1 9 1 9 bei den Freiheitsverbrechen.]

II. Entführung (oder Frauenraub) ist die A n m a ß u n g k ö r p e r l i c h e r H e r r s c h a f t über eine weibliche Person (,,Frauensp e r s o n " ) z u m Z w e c k d e r U n z u c h t o d e r d e r E h e . Sie kennzeichnet sich : r. D u r c h den Gegenstand. Nach § 236 kann jede, nach § 237 nur die minderjährige unverehelichte weibliche Person Gegenstand der Entführung sein; Mannbarkeit der entführten Minderjährigen ist nicht erforderlich. 1 ) — D a die Entführung auch im Interesse eines Dritten möglich ist, kann auch eine weibliche Person dieses Verbrechens sich als unmittelbare Täterin schuldig machen. 2. Durch die A b s i c h t (gleich Beweggrund). Diese muß auf Unzucht oder Ehe, sei es mit dem Täter selbst, sei es mit einem Dritten, gerichtet sein, insoweit also geschlechtlichen Inhalt haben.,2) „ U n z u c h t " ist hier, u. z. wegen der Gleichstellung mit der Ehe, als außerehelicher Beischlaf aufzufassen. Entführung zum Zwecke widernatürlicher Unzucht kann daher nicht nach §§ 236 oder 237 gestraft werden (bestritten). Die Absicht m u ß ferner dahin gehen, die Willensentschließung der E n t f ü h r t e n selbst zu bestimmen; Ausübung eines Druckes auf die Eltern, damit diese ihre Einwilligung zur Ehe geben, genügt nicht. 3 ) Verwirklichung der Absicht kann, da diese nicht begrifflich auf eine strafbare Handlung gerichtet zu sein braucht, ein zweites Delikt (in realer Konkurrenz) begründen. 3. Durch die Handlung. Das Gesetz verlangt „ E n t f ü h r u n g " , also Erlangung unmittelbarer körperlicher Herrschaft. D a s wesent*) G e m . M e i n u n g . A n d e r s bei der N o t z u c h t (unten § 105 N o t e 3). *) E s l ä ß t sich d e n k e n , d a ß die H a n d l u n g ausschließlich a u s G e w i n n s u c h t ( G e w i n n u n g der Mitgift) b e g a n g e n w u r d e , u n d j e d e g e s c h l e c h t l i c h e A b s i c h t (des vielleicht i m p o t e n t e n E n t f ü h r e r s ) ausgeschlossen w a r . D i e s y s t e m a t i s c h e S t e l l u n g w i r d a b e r d u r c h solche A u s n a h m e f ä l l e n i c h t b e r ü h r t . *) B e d e n k l i c h (auch n a c h Frank § 237 I I I ) R 1 9 159-

38O

§ 104.

1. Die Entführung oder der Frauenraub.

liehe Merkmal der Entführung ist der B r u c h d e s S c h u t z v e r hältnisses, u n t e r dem die E n t f ü h r t e bisher stand, und die B e g r ü n d u n g eines V e r h ä l t n i s s e s der A b h ä n g i g keit vom Täter. Jenes Schutzverhältnis kann in der Gewalt der Eltern oder des Vormundes, in der Obhut des Pflegers oder des Dienstgebers, aber auch in den Einrichtungen der Staatsgewalt begründet sein. Der Hinweis auf das „Wegnehmen" beim Diebstahl (unten § 127 IV) liegt nahe. Räumliche Entfernung ist nicht notwendig; das Zurückhalten genügt. 4 ) Entführung würde mithin vorliegen, wenn etwa dem Gewalthaber der Eintritt in seine eigenen Räume verwehrt wird, oder wenn der Täter durch Täuschung die Eltern zur Abreise (etwa im Luftschiff) bestimmt und mit dem Mädchen zurückbleibt. Der Bruch des bisherigen Schutzverhältnisses, wie die Begründung des neuen Abhängigkeitsverhältnisses muß durch die Tätigkeit des Entführers erfolgen. Diese wird durch eine Mitwirkung der Entführten nicht ausgeschlossen; dagegen kann von Entführung keine Rede sein, wenn die „Entführte" das Haus ihrer Eltern allein verläßt und sich in die Wohnung des „Entführers" begibt. 8 ) Die V o l l e n d u n g tritt in beiden Fällen mit der Begründung der Herrschaft des Entführers ein. Erreichung des Zweckes ist nicht erforderlich. Erst mit dem Ende dieser Herrschaft oder dem Aufhören des gebrochenen Schutzverhältnisses beginnt die V e r j ä h r u n g s f r i s t 6 ) zu laufen (Dauerverbrechen). III. Der Frauenraub des R S t G B umfaßt zwei Fälle: 1. E n t f ü h r u n g e i n e r w e i b l i c h e n P e r s o n g e g e n i h r e n W i l l e n (StGB § 236) d u r c h L i s t , D r o h u n g o d e r G e w a l t (oben § 98 III). Die List besteht in der Täuschung über die Tatsache des Entführens; Täuschung über den Zweck der Entführung genügt nicht. Die Mittel müssen der Entführten selbst gegenüber zur Anwendung gebracht werden. Einwilligung dei geisteskranken oder nicht vollbewußten Frauensperson ist bedeutungslos; nicht aber die irrtümliche Annahme der Einwilligung. S t r a f e : W e n n die A b s i c h t auf Unzucht gerichtet war, Zuchthaus bis zu zehn Jahren; sonst Gefängnis. Verfolgung nur auf A n t r a g . Antragsberechtigt die E n t f ü h r t e , b z w . der gesetzliche Vertreter ( S t G B § 65).

2. E n t f ü h r u n g e i n e r m i n d e r j ä h r i g e n , u n v e r e h e l i c h t e n weiblichen Person mit ihrem Willen, aber ohne E i n w i l l i g u n g der E l t e r n oder des V o r m u n d e s oder Pflegers7) (StGB § 237). Entführung einer einwilligenden Ehefrau fällt mithin 4)

Frank

D a g e g e n Allfeld 452, Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 236 N o t e 2, § 236 I I , Schwartz § 236 N o t e 1, Wachenfeld 349; auch R 2® 406. ') Ebenso R 89 214 und Ebermayer a. a . O . •) Ebenso die Antragsfrist: R 43 285. ") E G zum B G B A r t . 34 V I I I .

§ 105.

2. Die Nötigung zur Unzucht (insbesondere die Notzucht).

n i c h t unter

§ 237.

D i e M i t t e l sind im Gesetze nicht

381

bezeichnet.

E s i s t d a h e r a u s d r ü c k l i c h e F e s t s t e l l u n g , d a ß die E n t f ü h r u n g d u r c h L i s t , D r o h u n g oder G e w a l t s t a t t g e f u n d e n h a b e , n i c h t e r f o r d e r l i c h ; doch

wird wohl jedes Mittel, durch welches das Herrschafts-

S c h u t z v e r h ä l t n i s d e r E l t e r n oder d e s V o r m u n d e s g e b r o c h e n u n t e r einen dieser B e g r i f f e f a l l e n .

W a r jenes rechtliche

und wird,

Verhältnis

t a t s ä c h l i c h b e r e i t s g e l ö s t , so k a n n v o n E n t f ü h r u n g keine R e d e sein. Die

Entführte

Regel

nicht

selbst k a n n n a c h d e r o b e n

als M i t t ä t e r i n

gestraft werden.

oder T e i l n e h m e r i n

Ebensowenig

§ 52 V an der

.ist T e i l n a h m e a n

aufgestellten Entführung

Selbstentfernung

strafbar. S t r a f e : Gefängnis. Verfolgung nur auf Antrag. Antragsberechtigt hier nur der Gewalthaber; denn nur ihm, nicht der Entführten, steht die Verfügung über das angegriffene Rechtsgut zu. H a t der Entführer die Entführte (vor Rechtskraft des Erkenntnisses) geheiratet, so findet die Verfolgung nur s t a t t ( S t G B § 238), nachdem die Ehe, wenn auch nicht wegen der Entführung, für nichtig 8 ) erklärt worden ist. Diese Erklärung ist Bedingung der Strafbarkeit.*) H a t nicht der Entführer selbst, sondern der Dritte, in dessen Interesse die Entführung erfolgte, die E n t f ü h r t e geheiratet, so bleibt § 238 anwendbar, wenn der Dritte Mittäter oder Teilnehmer, also „ E n t f ü h r e r " im rechtlichen Sinne des Wortes, ist.

§

105.

2. Die Nötigung zur Unzucht (insbesondere die Notzucht).

Literatur.

Mittermaier

V D Bes. T. 4 104, 114.

I. Für die Geschichte dieses Begriffes ist in erster Linie die eigentliche N o t z u c h t von Bedeutung. Diese geht zwar im r ö m i s c h e n R e c h t , wie die meisten Freiheitsvergehen, in dem weiten Begriffe der vis unter, so daß sie, in gleicher Weise wie an der F r a u , auch an dem Manne (etwa als gewaltsame Päderastie) begangen werden kann (1. 3 § 4 D. 48, 6), erscheint aber nach d e u t s c h r e c h t l i c h e r A u f f a s s u n g von jeher als ein durchaus selbständiges, gegen die weibliche Geschlechtsehre gerichtetes Verbrechen ( „ N o t n u n f t " ) . Ebendarum ist zumeist Unbescholtenheit der Frauensperson erforderlich, während fahrende Weiber (und die „ a m i e " , Schsp. 3 1 1 ) sich auch gewaltsame Umarmungen gefallen lassen müssen; die entgegengesetzte Auffassung von Ssp. I I I 46,1, die allerdings teilweise auch in den alamannischen Quellen wiederkehrt, ist im wesentlichen vereinzelt geblieben. Aus demselben Grunde liegt ferner die Klage und wohl auch die Urteilsvollstreckung in dei Hand der Gezwungenen, deren E h r e hier und da ausdrücklich im Urteil als unverletzt bezeichnet wird. Die Strafe der Notzucht ist nach Ssp. und den Landfrieden (hier oppressio virginis genannt) das Schwert, nach den oberdeutschen Quellen a u c h das Lebendigbegraben mit und ohne Pfählen. Schwarzenberg steht auch hier auf deutschem Boden. P G O Art. 1 1 9 droht die Schwertstrafe dem, der „einer unverleumdeten Ehefrau, Witwe oder Jungfrau mit Gewalt und wider ihren Willen ihre jungfräuliche oder frauliche E h r e n e h m e " ; bei versuchter N o t z u c h t tritt willkürliche Strafe ein; Verfolgung von Amts wegen ist aus») Art. 3 4 I X E G zum B G B . *) Vgl. unten § 114 N o t e 3. Gegen den T e x t die überwiegende Meinung.

382

S i°5-

2. Die Nötigung zur Unzucht (insbesondere die Notzucht.

geschlossen. Das g e m e i n e Recht hält trotz des Widerspruches der von Carpzov geführten sächsischen Schriftsteller an der Auffassung fest, daß nur an einer unverleumdeten Person Notzucht (stuprum violentum im Gegensatz zu fornicatio violenta cum meretrice) begangen werden kann; so noch Preußen 1721, Bayern 1751 und Österreich 1768, während A L R 1058 wenigstens mildere Strafe eintreten läßt, wenndiePerson „schon vorher in dem Rufe einer schlechten und liederlichen Lebensart gestanden h a t " . Neben der Notzucht hebt das gemeine Recht, im Anschluß an die Sächsischen Konstitutionen 426 und 31, den Beischlaf mit einer geistesgestörten Person oder einem Mädchen unter 12 Jahren als S c h ä n d u n g (stuprum nec voluntarium nec violentum) besonders hervor. Die A u f k l ä r u n g s z e i t zweifelt vielfach (Voltaire, Reder u. a.) an der Möglichkeit einer Notzucht bei ernstlichem Widerstreben des Weibes und straft daher, wie Österreich 1787 § 130, nur, wenn die Tat mit Fesselung, vorgezeigten mörderischen Waffen oder von mehreren gemeinschaftlich begangen worden ist. Erst die Gesetzgebung seit A L R hat auf diese Beschränkung verzichtet, daher aber häufig die Notzucht nicht als selbständiges Verbrechen, sondern als schwerer bestraften Unterfall der gewaltsamen Unzucht behandelt. So auch R S t G B . V E § 243 hat der Notzucht die selbständige Stellung zurückgegeben und sie von Nötigung zur Unzucht, Schändung und Unzucht mit Kindern (§ 244) scharf abgehoben. Ebenso K E § 313 gegenüber §§ 314, 318, 319 und E 1919 § 314 gegenüber §§ 315, 320, 321. G E § 236 dagegen behandelt die Notzucht wieder als schweren Fall der Nötigung zur Unzucht und trennt die Schändung (§ 237) von der Unzucht mit Kindern (§ 242).

II. Das R S t G B unterscheidet: 1. Nötigung e i n e r w e i b l i c h e n P e r s o n z u r D u l d u n g u n züchtiger Handlungen durch G e w a l t oder durch Drohung mit g e g e n w ä r t i g e r G e f a h r für L e i b oder Leben (StGB § 176 Ziff. 1). Nötigung einer männlichen Person, z. B. gewaltsame Manustupration, Erzwingung widernatürlicher Unzucht, kann nur nach § 240 S t G B bestraft werden. Unbescholtenheit der weiblichen Person ist nicht erforderlich. Nötig\mg der Ehefrau durch den Gatten (z. B. zur Duldung widernatürlich unzüchtiger Handlungen) kann strafbar sein. Anders bei der eigentlichen Notzucht, bei der das Gesetz ausdrücklich außerehelichen Beischlaf verlangt; doch kann auch hier immer noch einfache Nötigung (nach § 240 StGB) vorliegen. „Unzüchtige Handlungen" sind in dem oben § 103 II festgestellten Sinne zu nehmen; Entblößung, um die Frau dem Spotte preiszugeben, genügt nicht, wohl aber Nötigung zu lesbischer Liebe. „ G e w a l t " bedeutet Gewalt an der Person der Überwältigten selbst (oben § 98 III); ebenso muß die angedrohte Gefahr sie selbst betreffen. Gewalt und Drohung müssen das Mittel zur Überwältigung des Widerstandes gewesen sein; vis haud ingrata 1 ) genügt nicht Der Vorsatz des Täters muß das Bewußtsein umfassen, daß ihm Widerstand geleistet und dieser durch die Gewalt, bez. Drohung ge*) Herrschende Meinung. RMilG 22 241.

Frank § 176 I 1 ; Schwariz § 176 Note a d ;

§ 105-

2. Die Nötigung zur Unzucht (insbesondere die Notzucht).

383

b r o c h e n werde. T ä t e r k a n n a u s allgemeinen Gründen, n i c h t nur w e g e n d e r W o r t f a s s u n g des P a r a g r a p h e n , auch eine weibliche Person sein. 8 ) A l s N o t z u c h t h e b t d a s Gesetz (§ 177) die auf die angegebene A r t bewirkte N ö t i g u n g z u r D u l d u n g d e s a u ß e r e h e l i c h e n B e i s c h l a f s hervor. I d e n t i t ä t des N ö t i g e r s und des Beischläfers i s t n i c h t e r f o r d e r l i c h ; d a Beischlaf gefordert w i r d , m u ß M a n n b a r k e i t d e r G e n o t z ü c h t i g t e n vorliegen. 8 ) Die Vollendung tritt mit d e r V e r e i n i g u n g der Geschlechtsteile ein. S t r a f e : a) Für den e i n f a c h e n F a l l : Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten. — b) Für N o t z u c h t : Zuchthaus, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter einem Jahre. — c) Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus tritt (StGB § 178) in den Fällen a wie b ein, wenn durch die Handlung der Tod der verletzten Person verursacht worden ist In betreff des ursächlichen Zusammenhangs gelten die allgemeinen Grundsätze. Versuch ist auch hier möglich (oben § 46 Note 8). 2. Die sog. unfreiwillige Schwächung oder Schändung, d. h . den M i ß b r a u c h e i n e r in w i l l e n l o s e m o d e r b e w u ß t l o s e m Z u s t a n d e b e f i n d l i c h e n (nicht einer gefesselten oder sonst w e h r losen) 4 ) o d e r g e i s t e s k r a n k e n w e i b l i c h e n P e r s o n z u m a u ß e r ehelichen B e i s c h l a f ( S t G B § 1 7 6 Ziff. 2). H i e r f e h l t d a s die N ö t i g u n g kennzeichnende M e r k m a l , d a s B r e c h e n der f r e m d e n W i d e r s t a n d s k r a f t . Aber diesem steht die B e n u t z u n g der W i d e r s t a n d s l o s i g k e i t gleich. D i e E i n w i l l i g u n g der m i ß b r a u c h t e n weiblichen Person ist rechtlich gleichgültig, falls sie n i c h t n o c h im v e r f ü g u n g s f ä h i g e n Z u s t a n d e gegeben w o r d e n ist. D e r E i n f l u ß h y p n o t i s c h e r Suggestion ist n a c h den U m s t ä n d e n des Einzelfalles zu beurteilen. Selbstverständlich m u ß d e r T ä t e r den Z u s t a n d d e r weiblichen Person g e k a n n t h a b e n . S t r a f e : a) Für den e i n f a c h e n Fall: wie oben i a . — b) Wenn der Täter die weibliche Person mißbraucht, nachdem er sie zu d i e s e m Z w e c k e in einen willenlosen oder bewußtlosen Zustand v e r s e t z t h a t , so tritt die Strafe der Notzucht ein (StGB § 177). — c) E r s c h w e r t e r Fall wie oben i c . ») Ebenso Allfeld 454, Ebermayer in RGRäteKomm. § 176 Note 2, Frank §§ 176 1 , 1 7 7 I, Hälschner 2 229, Wachenfeld 458; dagegen v. Bar Gesetz 2 608, Blnding Lehrb. 1 200. Vgl. oben § 50 Note 3* s) Dagegen R 4 23 mit der gem. Meinung. Dafür Hälschner 2 223, 227 sowie das gemeine Recht. — Bei Rücktritt von versuchter Notzucht kann § 1 7 6 Ziff. 1 vorliegen (oben § 48 Note 7). •) Anders V E § 244: „eine zum Widerstand unfähige Frauensperson". Ahnlich G E § 237; [desgl. auch K E § 314 und E 1919 § 315, deren Fassung (wegen Geistesschwäche . . . zum Widerstand u n f ä h i g ) freilich bedenklich ist und nicht das erreichen dürfte, was sich die Denkschrift S. 261 verspricht. Psychologisch richtiger und kriminalpolitisch vorsichtiger ist es, mit G E danach zu fragen, ob die Geistesschwache die Bedeutung des Vorganges zu verstehen vermag].

384

§ i°6.

3. Unzucht unter Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses.

3. Vornahme unzüchtiger Handlungen 5 ) mit Personen unter vierzehn Jahren (an deren Körper) oder deren Verleitung zur VerÜbung oder Duldung 4 ) solcher Handlungen (StGB § 176 Ziff. 3 ) ; wegen des vom Gesetz angenommenen Mangels der Verfügungsfähigkeit dieser Personen den Nötigungsfällen gleichgestellt. Ebendarum aber können Kinder unter vierzehn Jahren nicht selbst als Täter oder Teilnehmer zur Bestrafung gezogen werden. 7 ) Der Täter muß das Alter des Mißbrauchten gekannt haben; doch genügt unbestimmter Vorsatz. Der Täter muß sich ferner des unzüchtigen Charakters seiner Handlung, also der gröblichen Verletzung der Sittlichkeit (oben § 103 II), bewußt gewesen sein.8) D a s Geschlecht des Täters ist ebenso gleichgültig wie das des Verletzten. Täter können auch die leiblichen Eltern sein. Daß das Kind die Handlung als eine unzüchtige erkannt habe, ist nicht erforderlich. S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten; im erschwerten Falle wie oben ic.*)

§ 106.

3. Unzucht unter Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses.

Literatur. Mtttermaier VD Bes. T. 4 128. — Peschke Der Schutz der geschlechtlichen Freiheit in Abhängigkeitsverhältnissen. Würzburger Diss. X912. I. Geschichte. Der Gewalt stellt der Gesetzgeber hier wie sonst (z. B . bei den Amtsverbrechen) den Mißbrauch eines besonderen Vertrauens- oder Gewalt Verhältnisses gleich, das die Freiheit der Willensentschließung beeinträchtigt. An geschichtlichen Vorbildern fehlt es trotz des Schweigens der PGO nicht. Schon das spätrömische Recht hatte den Vormund bestraft (C 9, 10), der seine Mündel verführte; dieselbe Bestimmung findet sich in Schsp. 349, sowie in den italienischen Statuten (Kohler Studien 5 501) und in der deutschen Gesetzgebung aus der Zeit des gemeinen Rechts. Auch die Strafdrohung •) Über die Abgrenzung von Versuch und Vollendung vgl R 53 188. •) Auch „die geduldeten" Handlungen müssen an dem Körper des Kindes vorgenommen sein; ebenso R 26 278. *) Nach der entgegengesetzten Ansicht des R, zuletzt 20 181 (ebenso Blnding Lehrb. 1 198 und Ebermayer in RGRäteKonim. § 176 Note 10), würde gegenseitige Onanie zwischen dreizehnjährigen Knaben strafbar, zwischen fünfzehnjährigen aber straflos sein. [Auch Ebermyaer a. a. O. bezeichnet diese unabweisliche Folgerung als „eigenartig".] Übereinstimmend mit dem Texte die.gem. Meinung; insbes. Allfeld 454, V. Bar Gesetz 2 278, Frank § 176 I I I , Schwartz § 176 Note 4, Wachenfeld 465. — Verleitung durch den Täter liegt auch dann vor, wenn die unzüchtige Handlung durch einen Dritten vorgenommen werden soll; so auch R 20 30. — Der Versuch der Verleitung beginnt mit der Einwirkung auf den Willen; R 81 251. •) Dagegen R 40 326. •) Als „verletzt" kann nicht bloß der verleitete Minderjährige, sondern auch diejenige Person in Frage kommen, mit (oder an) welcher dieser die unzüchtige Handlung verübt hat. — Idealkonkurrenz mit § 185 ist möglich; ebenso R 46 302, dagegen R 45 344.

§ io6.

3. Unzucht nnter Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses.

385

der Sächsischen Konstitutionen 4 25 gegen den Gefängniswärter, der die von ihm zu bewachende Gefangene beschläft, fand vielfache Nachahmung. ALR 1028 hebt daneben noch die Hausbediensteten besonders hervor. GE § 241 hat dem Mißbrauch eines „Autoritätsverhältnisses" (§ 240) den eines „Abhängigkeitsverhältnisses" (auch wirtschaftlicher Art) an die Seite gestellt. [E 1919 § 3i8folgt (im Gegensatz zu KE) dem GE hierin, indem er die Nötigung tum außerehelichen Beischlaf durch Mißbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Genötigten besonders unter Strafe stellt. II. D a s R S t G B (§ 174) rechnet hierher: 1. Unzüchtige Händlungen von Vormündern mit ihren Pflegebefohlenen, von Adoptiv- und Pflegeeltern (nicht leiblichen Eltern!) x ) mit ihren Kindern, 2 ) von Geistlichen, Lehrern, Erziehern8) mit ihren minderjährigen Schülern oder Zöglingen. Zu den Lehrern gehören auch Privatlehrer, unter Umständen auch die Lehrherren gegenüber den Lehrlingen. 4 ) Erzieher ist auch das Haupt der Familie, der ein Zögling zur Zwangserziehung übergeben ist.*) Beichtkinder sind nicht besonders geschützt. Die unzüchtigen Handlungen müssen mit den genannten Personen (nicht bloß in ihrer Gegenwart), mithin a n d e r e n K ö r p e r * ) (wenn auch nicht an ihren Geschlechtsteilen), vorgenommen werden; daher genügen unzüchtige Äußerungen oder Selbstentblößung des Täters nicht. D a s Geschlecht des Täters wie des Mißbrauchten ist gleichgültig. 2. Unzüchtige Handlungen von Beamten mit Personen, gegen die sie eine Untersuchung zu führen haben, oder die ihrer Obhut anvertraut sind. 3. Von Beamten, Ärzten oder anderen Medizinalpersonen, die in Gefängnissen oder in öffentlichen (d. h. aus öffentlichen Geldern unterhaltenen), zur Pflege von Kranken, Armen oder anderen Hilflosen bestimmten Anstalten beschäftigt oder angestellt sind, mit den in das Gefängnis oder die Anstalt aufgenommenen Personen. Der Begriff des Beamten ist im technischen Sinne ( S t G B § 359, unten § 178 III) zu nehmen und umfaßt daher nicht andere in der Anstalt beschäftigte Personen. 7 ) Medizinalpersonen sind die mit Ausübung der Heilkunde betrauten Personen, also auch Heildiener *) Wohl aber nach VE § 247, [GE § 240, KE § 321 Ziff. 1 und E 1919 $ 323 Ziff. 1. *) Minderjährigkeit nicht erforderlich; anders die Entwürfe. *) „Erziehung" setzt Leitung und Überwachung der gesamten Lebensführung, nicht nur des Unterrichts, voraus; so auch R 46 344. Der Geistliche hat in der „Christenlehre" die Stellung des Lehrers: R 52 73. — Vgl. auch R 53 191. «) R 27 130, 35 10. «) R 31 203. •) Ebenso R 49 178. ») VE nennt alle „Angestellten". [GE, KE und E 1919 sprechen (weitergehend) von Personen, die in der Anstalt „angestellt oder beschäftigt" sind. KE und E 1919 verlangen aber, daß der, mit dem unzüchtige Handlungen vorgenommen werden, unter der Aufsicht oder Obhut des Täters steht.] v. L i i x t , Strafrecht. 24. Aufl. 25

386 und

§ 107.

4- Die Verführung zum Beischlaf.

Heilgehilfen, n i c h t

aber

Krankenpfleger.8)

Der

Begriff

des

Gefängnisses wird durch den des G e f a n g e n e n b e s t i m m t : V g l . u n t e n § 1 7 3 IS t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten. Die in dem Abhängigkeitsverhältnis stehenden Personen können nicht als Teilnehmer zur Strafe gezogen werden.

§ 107. Literatur. rung 1907.

4. D i e V e r f ü h r u n g z u m Beischlaf.

Mittermaier V D Bes. T . 4 112, 120.

Grathwohl Die Verfüh-

I . D a s R S t G B h a t in § 1 7 9 einen F a l l d e r E r s c h l e i c h u n g d e s Beischlafes d u r c h T ä u s c h u n g b e s o n d e r s h e r v o r g e h o b e n : d i e V e r l e i t u n g einer F r a u e n s p e r s o n z u r G e s t a t t u n g d e s B e i s c h l a f e s ( d u r c h V o r s p i e g e l u n g einer T r a u u n g oder) d u r c h E r r e g u n g o d e r B e nutzung e i n e s (anderen) I r r t u m s , i n d e m s i e d e n Beischlaf für einen ehelichen hielt. Von den beiden Möglichkeiten ist nur die zweite für den Begriff des Verbrechens wesentlich. Das Schulbeispiel ist der Fremde, der nächtlicherweise, von der Ehefrau für den Gatten gehalten, dessen Stelle vertritt. Der Irrtum braucht nicht von dem beiscblafenden Manne, er kann auch von einer weiblichen Person erregt sein. Vollendet ist das Verbrechen mit dem Beischlafe. Antragsverbrechen. Antragsberechtigt die Verleitete. 1 ) S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten. V E § 246 hält an dem bisherigen Tatbestand fest. Ebenso [ K E § 315 und E 1919 § 316, doch ist der Fall der Vorspiegelung einer Trauung als überflüssig gestrichen.] G E § 239 hat den Tatbestand etwas erweitert. I I . D e m I r r t u m s t e h t die U n e r f a h r e n h e i t z u r S e i t e (vgl. u n t e n § 1 4 2 I). D a r u m b e d r o h t § 1 8 2 R S t G B die V e r f ü h r u n g eines u n bescholtenen, n o c h n i c h t s e c h z e h n j ä h r i g e n 2 ) M ä d c h e n s z u m Beischlafe. Unbescholtenheit ist nicht gleichbedeutend mit Jungfräulichkeit; jene kann vorhanden sein, während diese, etwa infolge einer Notzucht oder ähnlicher Fälle fehlt, und umgekehrt (das Mädchen ließ sich z. B. widernatürlich mißbrauchen).") Der Vorsatz des Täters muß die Unbescholtenheit mitumfassen. Verführung setzt voraus, daß die geschlechtliche'Unerfahrenheit und geringere sittliche Widerstandskraft des Mädchens mißbraucht und dadurch eine Einwilligung in den Beischlaf erreicht wurde.»*) Die Vollendung ») E 81 246. *) Idealkonkurrenz mit § 185 ist auch hier (oben § 105 Note 7) möglich; ebenso R 24 201 gegen 19 250. *) Umfaßt auch Mädchen unter vierzehn Jahren; R 46 139 3) Ebenso R 37 94. Mit der Verführung hört die bisherige Unbescholtenheit und damit die Strafbarkeit des weiteren Beischlafs regelmäßig auf; vgl.. R in JW 45 500 mit Anmerkung von v. Lilienthal. K E § 316 und E 1919 § 317 sehen von dem Erfordernis der Unbescholtenheit ab. 3 *) Übereinstimmend R 58 130.

§ io8.

5. Kuppelei, Zuhälterei und Frauenhandel.

tritt erst mit dem Beischlaf ein; der Versuch bleibt straflos. Der Beischlaf muß mit dem Verführenden selbst (mittelbare Täterschaft genügt auch hier) vollzogen werden; Verführung zum Beischlaf mit einem anderen fällt nicht unter § 182,*) kann aber als Kuppelei erscheinen. Fehlt es an der Verführung, oder war die erste Anregung sogar von der Seite des Mädchens ausgegangen, so kann von Anwendung des § 182 keine Rede sein. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern (des Vaters oder der Mutter) oder des Vormundes der Verführten ein; denn ihnen, und nicht dem unerfahrenen Mädchen, ist die Wahrnehmung des verletzten Interesses anvertraut. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre. Nach V E § 248 entfällt die Strafbarkeit, wenn der Täter mit der Verletzten die Ehe geschlossen hat. Ebenso nach GE § 243, K E § 316 und E 1919 § 317.

§ 108.

5. Kuppelei, Zuhälterei und Frauenhandel.

Literatur. Zu I I und I I I : Mittermaier VD Bes. T. 4 175. — Engels Die Kontroverse über die Vollendung des Delikts bei der Kuppelei 1884. Herr Z 22 193. Bacharach Der Begriff der Kuppelei (v. Lil. Heft 127) 1911. Über den Gesetzentwurf von 1918 vgl. die oben § 80 Note 3 angegebene Literatur. Dazu Haldy Kuppeleiparagraph und Bordellwirt 1914. Ruth DStZ 3 457. — Zu I V : Mittermaier 187. Herr Z 21 805. J a f f a Der Begriff des Zuhälters im R S t G B 1902 (Berliner Seminarabhdln. 1 5). Schmidt-Ernsthausen Z 24 184. Kaufmann Der Begriff des Zuhälters im R S t G B . Heidelberger Diss. 1906. Hamann Die ausbeuterische Zuhälterei. Rostocker Diss. 1914. Härtung GS 72 312, 78 284. — Zu V : Mittermaier 193, Hatzig Z 20 511. Ulimann GS 64 22. Schrank Der Mädchenhandel und seine Bekämpfung 1904. Schidlof Der Mädchenhandel. Seine Geschichte und sein Wesen 1904. V. Liszt Völkerrecht § 36 I I 2. Kitzinger Gesetzgebung und Verwaltung im Kampfe gegen den Mädchenhandel 1908. Derselbe D J Z 12 803. Petters Der Mädchenhandel und seine Bekämpfung nach geltendem und zukünftigem Reichsstrafrecht. Heidelberger Diss. 1911. Leue Der Frauenhandel und seine Bekämpfung nach geltendem und zukünftigem Reichsstfafrecht. Rostocker Diss. 1913. I. Geschichte. Der Begriff der Kuppelei, d. h. der selbständig strafbaren Unterstützung fremder Unzucht, ist erst seit dem 16. Jahrhundert zur Anerkennung, aber auch im heutigen Rechte noch nicht zur völligen Abklärung gelangt. Das r ö m i s c h e R e c h t der späteren Kaiserzeit bedrohte zwar (insbesondere Novelle 14) die gewerbsmäßige Kuppelei, das Halten von Bordellen, als selbständiges Vergehen, behandelte aber das einfache lenocinium lediglich als Beihilfe zu adulterium und stuprum nach den für diese Handlungen geltenden Bestimmungen, wobei der kuppelnde Ehegatte oder Vater mit besonders schwerer Strafe bedroht wurde. Dem d e u t s c h e n R e c h t des Mittelalters ist der Begriff "der Kuppelei im allgemeinen fremd geblieben; wir finden, soweit nicht die Auffassung des späteren römischen Rechts zur Anwendung kommt, lediglich polizeiliche Anordnungen in betreff der im übrigen anerkannten und geregelten Hurenwirtschaft; daneben ist vielfach die B e r e d u n g U n m ü n d i g e r zur Eheschließung gegen den Willen der Gewalthaber, die W i n k e l h e i r a t , die zumeist (so Österreich 1656 Art. 78, 79, 80, Verordnungen im Codex Austriacus von 1550 bis 1703) mit dem zweiten Falle der 4 ) So die gem. Meinung; vgl. Ebermayer in RGRäteKomm. § 182 Note 3 (zustimmend); auch Binding Lehrb. 1 196. Dagegen Frank § 182 IX, der bei einverständlichem Handeln Mittäterschaft annimmt.

25*

388

§ 108.

3. Kuppelei, Zuhälterei und Frauenhandel.

Entführung (oben § 104 III 2) auf eine Stufe gestellt wird, als Eingriff in die Mundschaft, mithin als Familienverbrechen, unter Strafe gestellt Auch finden wir, so in den Eintragungen des Berliner Stadtbuchs (Festausgabe 1883 S. 201 und 204), daß die Verkuppelung der eigenen Tochter als V e r r a t mit der Todesstrafe, und zwar mit dem Feuertode, belegt wurde. Die P G O unterscheidet einen schweren und leichten Fall (das Ienocinium qualificatum und simplex des gemeinen Rechts). Nach Art. 122 trifft denjenigen, der „sein Eheweib oder Kinder um einicherlei Genuß willen, wie der Namen hätte, williglicb zu unkäuschen und schändlichen Werken gebrauchen läßt", Infamie und Bestrafung „vermöge gemeiner Rechten". Und in Art. 123 wird die einfache Kuppelei mit Leibesstrafe bedroht. Das g e m e i n e R e c h t blieb bei dieser Auffassung stehen. Die n e u e r e G e s e t z g e b u n g teilt sich in zwei Lager. Während die romanischen Rechte nur die Verleitung Minderjähriger bedrohen, bieten die deutschen StGBücher ein buntes Gemisch der verschiedenartigsten, meist kasuistisch gefaßten Bestimmungen, von welchen die des preuß. StGB, obwohl nicht gerade durch besondere Klarheit ausgezeichnet, mit geringfügigen Abänderungen in das Reichsrecbt übergegangen sind und Veranlassung zu einer Reihe der schwierigsten Streitfragen gegeben haben. Auch durch das G von 1900 sind diese nur teilweise beseitigt worden. Der F r a u e n h a n d e l wurde erst durch das G über das Auswanderungswesen vom 9. Juni 1897 unter Strafe gestellt. V E § 253 stellt der Kuppelei mit hinterlistigen Kunstgriffen den „Frauenhandel" gleich, während G E §§ 248, 249 beide Tatbestände voneinander trennt. Ihm folgen K E §§ 325, 329 und E 1919 §§ 332, 334I I . Begriff der Kuppelei. N a c h R S t G B § 180 i s t K u p p e l e i d i e V o r s c h u b l e i s t u n g zur U n z u c h t durch Vermittlung oder durch Gewährung oder V e r s c h a f f u n g von Gelegenheit. Dabei haben wir als U n z u c h t n i c h t nur den a u ß e r e h e l i c h e n B e i s c h l a f überh a u p t , sondern a u c h die s t r a f b a r e w i d e r n a t ü r l i c h e U n z u c h t zwischen M ä n n e r n z u v e r s t e h e n . 1 ) Die K u p p e l e i ist m i t h i n n i c h t T e i l n a h m e i m Sinne des S t r a f r e c h t s , sondern s e l b s t ä n d i g e s V e r brechen. Daraus folgt: 1. Sie s e t z t keine s t r a f b a r e H a n d l u n g , zu der H i l f e geleistet wird, v o r a u s ; j a , g e r a d e in d e r w e i t a u s g r ö ß e r e n Mehrheit d e r F ä l l e h a n d e l t es sich n u r u m B e f ö r d e r u n g des s t r a f l o s e n außerehelichen Beischlafs. B e i V o r s c h u b l e i s t u n g z u s t r a f b a r e r U n z u c h t entscheidet daher S t G B § 73 z w i s c h e n T e i l n a h m e an dieser und K u p p e l e i . 2. D i e S t r a f b a r k e i t der K u p p e l e i ist, auch wenn die unters t ü t z t e U n z u c h t s h a n d l u n g selbst v o m Gesetze m i t S t r a f e b e d r o h t *) Dagegen erstreckt die gem. Meinung, so Allfeld 584, Ebermayer in RGRäteKomm. § 180 Note 2, Frank § 181 II, Schwartz § 180 Note 4, Wachenfeld 466 und R 11 4, den Begriff der „Unzucht" auch auf andere, selbst auf nichtstrafbare, unzüchtige Handlungen unter mindestens zwei Personen; doch herrscht vielfache Meinungsverschiedenheit im einzelnen. — V E § 251 hat die Mittel der Vorschubleistung (unten 3) gestrichen, den Begriff mithin erweitert. Ebenso G E § 248. K E § 324 hat die Mittel wieder eingefügt. E 1919 § 330 schließt sich dem K E an.

§ io8.

5. Kuppelei, Zuhälterei und Frauenhandel.

389

ist, unabhängig von dem Vorliegen einer Schuld auf Seiten der Verkuppelten. 3. Die Kuppelei setzt Vorschubleistung zur Unzucht voraus. Vorschubleistung aber ist die tatsächlich erfolgte, nicht bloß beabsichtigte Herstellung günstigerer Bedingungen zur Unzucht (oben § 51 Note 7). An sich würde jede Einwirkung auf Wille und Vorstellung unter den Begriff fallen: insbesondere auch Beeinflussung durch Beispiel, Bücher, alkoholische Getränke, Schaustellungen usw. Im Sinne des Gesetzes erfüllen aber nur zwei Arten der Vorschubleistung den Tatbestand der Kuppelei: a) Die V e r m i t t l u n g , d. h. die Herstellung persönlicher Beziehungen zwischen den zur Unzucht bereiten Personen (Angabe der Wohnung, Zuführen, Bereithalten von Mädchen in Bordellen usw.), sowie b) die G e w ä h r u n g o d e r V e r s c h a f f u n g v o n G e l e g e n h e i t , d. h. der Räumlichkeit zur Ausübung von Unzucht. Diese k a n n mithin liegen in dem Vermieten von Wohnungen 2 ) an Prostituierte sowie in Unterlassung dei Wohnungskündigung, der Hinderung, der Überwachung, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Strafbarkeit der Unterlassung (oben § 30), vor allem also die Rechtspflicht zum Tun (und die Möglichkeit der Abwendung des Erfolgs) gegeben sind; 8 ) sie l i e g t in dem Halten von Bordellen, soweit diese nicht p o l i z e i l i c h g e n e h m i g t sind. 4 ) Die Vollendung ist erst gegeben, wenn durch Vermittlung usw. tatsächlich günstigere Bedingungen für die Unzucht geschaffen sind. Die Verhandlungen des Bordellwirts mit dem Mädchenhändler oder den anzuwerbenden Mädchen erscheinen mithin als Vorbereitungshandlungen zur Vermittlung, der Eintritt der Mädchen in das Bordell dagegen als Vollendung der Kuppelei. Erfolgte Unzucht ist nicht erforderlich. *) n i c h t nach V E , G E und K E , sofern nicht der Täter mit Rücksicht auf die Duldung der Unzucht einen unverhältnismäßigen Gewinn zu erzielen sucht. Ebenso der Entwurf von 1918. [Nach § 331 Abs. 2 des E 1919 ist das Gewähren von Wohnung nur strafbar, wenn damit ein Ausbeuten der Frau oder ein Anwerben oder Anhalten der Frau zur Unzucht verbunden ist. Für die Gewährung von Wohnung an noch nicht 18 Jahre alte Frauen gilt diese Ausnahme nicht. Vgl. dazu auch E 1919 § 9 Ziff. 3.3 Auch die Literatur verlangt einmütig eine dahingehende Einschränkung des Tatbestandes. *) Daher Strafbarkeit des nicht hindernden Ehemannes: R 22 332, 48 196 (auch bei widernatürlicher Unzucht der Frau). Zustimmend Ebermayer in RGRäteKomm. § 180 Note 6. Dagegen Binding Lehrb. 1 205, Frank §§ i8o/i8t III, Schwartz § 180 Note 5, Wachenfeld 467. — Aber Straflosigkeit bei Nichthinderung der großjährigen Tochter: R 40 165. 4) Ebenso, gegen die gemeine Meinung, Frank § 180 III, Mayer 298, Wachenfeld 467. Abweichend frühere Auflagen dieses Buchs, sowie Eoermayer in RGRäteKomm. § 180 Note 9, Schwartz § 180 Note 8. Vgl. oben § 35 III. — Material über diese Frage (insbes. zehn Gutachten deutscher Juristenfakultäten) in: Das deutsche S t G B und die polizeilich konzessionierten Bordelle 1877.

39°

§ io8.

5. Kuppelei, Zuhälterei und Frauenhandel.

4. Der Kuppler muß w i s s e n , d a ß er der Unzucht Vorschub leistet; er muß daher die von ihm beförderte Handlung als eine unzüchtige im Sinne des Gesetzes gekannt haben (oben § 39 III 2). 5. Einmalige gleichzeitige Förderung mehrerer fremder Unzuchtsakte begründet immer nur e i n e Handlung, mithin e i n Verbrechen. In der mehrmaligen Beförderung der Unzucht derselben Personen kann ein fortgesetztes Verbrechen liegen. 6. Diejenigen Personen, deren Unzucht befördert werden soll, können nach der oben § 52 V aufgestellten Regel sich der Anstiftung oder Beihilfe zur Kuppelei n i c h t schuldig machen. 5 ) Anders dritte Personen, z. B. der Geldgeber oder Weinlieferant des Bordellwirts. 6 ) III. Die Arten der Kuppelei. Der Gesetzgeber hat nicht die einfache Beförderung fremder Unzucht, sondern nur gewisse schwere Fälle der Kuppelei mit Strafe bedroht. Diese Fälle sind: 1. Die gewohnheitsmäßig (oben § 55 III 3) oder aus Eigennutz betriebene Kuppelei (StGB § 1S0). Eigennutz ist gleichbedeutend mit gewinnsüchtiger Absicht, d. h. mit der Absicht, sich einen rechtswidrigen, wenn auch nicht außergewöhnlich hohen V e r m ö g e n s v o r t e i l zu verschaffen. E s genügen also nicht (sinnliche oder ideelle) Vorteile anderer Art. 7 ) Die V o l l e n d u n g tritt mit dem Vorschubleisten ein, ohne daß es zur Unzucht gekommen zu sein braucht; der Versuch bleibt straflos. S t r a f e : Gefängnis nicht unter einem Monat; daneben Geldstrafe von hundertundfünfzig bis sechstausend Mark, Ehrverlust und Polizeiaufsicht nach Ermessen; bei mildernden Umständen Gefängnis.

2. Die schwere Kuppelei; und zwar ( S t G B * § 181): а) Die A n w e n d u n g h i n t e r l i s t i g e r 8 ) K u n s t g r i f f e , um der Unzucht Vorschub zu leisten; also die Erregung oder Unterhaltung eines Irrtums durch Vorspiegelung falscher, Unterdrückung oder Entstellung wahrer Tatsachen, z. B . Versetzung in Trunkenб ) Ebenso die gem. Meinung. Dagegen R 23 69, 25 369; von den Schriftstellern Beling Z 18 271, Ebermayer in RGRäteKomm. § 180 N o t e 11. •) Vgl. R 39 44*) Uber den Begriff „Vermögensvorteil" siehe unten § 139 II, über den weiteren Begriff „Vorteil" unten § 175 IV. Vgl. auch Simotison Der Begriff des Vorteils und seine Stellung im deutschen Strafrecht 1889. — Übereinstimmend mit dem Text Bacharach 42, Binding Lehrb. 1 207; dagegen Allfeld 584, Frank § 181 V (eine meßbare Besserung der Verhältnisse), Sctwartz § 180 N o t e 6, Wachenfeld 468 (irgend ein Vorteil unter Hintansetzung der Interessen Anderer), sowie R 16 56, 26 40, 41 225 („das nur auf den eigenen Nutzen gerichtete Bestreben, das den Geboten der Moral zuwider nicht die gebührende Rücksicht auf die Interessen anderer nimmt"). Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 180 Note 7 b folgt dem R. *) Die Kunstgriffe müssen, sei es unmittelbar, sei es mittelbar, der verkuppelten Person gegenübei angewendet werden. Mit ihrer Anwendung liegt bereits strafbarer Versuch vor.

§ io8.

5. Kuppelei, Zuhälterei und Frauenhandel.

heit, Verlockung unter dem Vorwand, dem Mädchen eine Anstellung oder einen Dienstplatz zu verschaffen. Auch hier gilt für die Vollendung das oben II 3 Gesagte. b) Der Fall, wenn der E h e m a n n die Ehefrau, 9 ) oder wenn E l t e r n 1 0 ) ihre"Kinder, V o r m ü n d e r ihre Pflegebefohlenen, G e i s t l i c h e , L e h r e r , E r z i e h e r die von ihnen zu unterrichtenden oder zu erziehenden Personen verkuppeln. Nichtverwandte können als Teilnehmer strafbar sein (vgl. oben § 49 I 1). Die Vollendung tritt auch hier mit der Vorschubleistung ein; der Versuch ist strafbar. Der Vorsatz des Täters muß auch seine Stellung zu der verkuppelten Person umfassen. S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren, neben dem auf Geldstrafe von hundertfünfzig bis zu sechstausend Mark erkannt werden kann; Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte hier ausnahmsweise bindend vorgeschrieben. Polizeiaufsicht nach Ermessen. Bei mildernden Umständen im Falleb) (nicht a) Gefängnis; neben diesem Geldstrafe bis zu dreitausend Mark zulässig.

IV. Die Zuhälterei. Das Wesen des Zuhältertums besteht bei unbefangener Betrachtung in d e r A u s b e u t u n g des Abhängigkeitsverh ä l t n i s s e s , in dem sich die Kontrolldirne infolge ihrer rechtlichen und gesellschaftlichen Stellung ihrem Beschützer gegenüber befindet. 104 ) Diesen Sachverhalt hat das G von 1900 völlig verkannt und dadurch, sowie durch die Nebeneinanderstellung zweier ganz verschiedener Fälle (der ausbeuterischen und der kupplerischen Zuhälterei), der Auslegung kaum überwindliche Schwierigkeiten geschaffen. n ) 1. Zuhälter ist zunächst nach § 181a die m ä n n l i c h e P e r s o n , die v o n einer P r o s t i t u i e r t e n u n t e r Ausbeutung ihres unsittlichen E r w e r b e s ganz oder teilweise den Lebensunterhalt bezieht (ausbeuterische Zuhälterei). a) Täter kann demnach nur ein Mann sein; doch finden die Grundsätze .über mittelbare Täterschaft sowie über Teilnahme auch hier Anwendung. 1 1 3 ) b) Die ausgebeutete weibliche Person muß gewerbsmäßig Un•) Eingefügt durch das G von 1900. 10) Ebenso zu fassen, wie oben § 102 Note 3. Ebenso bez. der Schwiegereltern R 3 6 184 und bez. der Pflegeeltern R 4 6 150. Dagegen rechnen Frank § 181 V und Schwartz § 181 Note 3 nur die leiblichen Eltern hierher. 10a) Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 181a Note 4 übersieht, daß im T e x t vom Abhängigkeitsverhältnis nicht im Sinne eines durch Interpretation zu gewinnenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmals die Rede ist. Der Hinweis auf das von der Anschauung des Lebens geforderte Abhängigkeitsverhältnis erfolgt nur, um den Grund für die Mängel des § 181 a aufzuzeigen. " ) V E § 254, K E § 329 und E 1919 § 335 haben das geltende Recht im wesentlichen übernommen; G E § 247 dagegen hat den zweiten Fall gestrichen. l l a ) Dagegen Hamann 39. Vgl. oben § 50 Anm. 3.

§ 108.

392

5. Kuppelei, Zuhälterei und Frauenhandel.

zucht treiben; ob sie der Polizeiaufsicht unterstellt ist oder nicht, bleibt gleichgültig. Gewerbsmäßige Unzucht liegt vor, wenn die Frauensperson sich jedem beliebigen Manne gegen Entgelt preisgibt; das Mädchen, das aus „festem Verhältnisse" einen größeren oder kleineren Teil der Einnahmen bezieht, treibt nicht gewerbsmäßige Unzucht im Sinne des Gesetzes. c) „Ausbeutung des unsittlichen Erwerbes", d. h. des gegenwärtigen, nicht eines früheren unsittlichen Erwerbs 1 2 ) setzt hier die gewinnsüchtige, also auf Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils (unten § 139 II 2) gerichtete, Absicht voraus. Der Arzt, den die Dirne für eine Untersuchung bezahlt, der Unterhaltsberechtigte, den sie unterstützt, der Hauswirt, der Schneider usw. sind nicht Zuhälter, wenn sie die Lage der Dirne nicht etwa zur Erlangung ungerechtfertigter Bereicherung benutzen. 13 ) d) „ L e b e n s u n t e r h a l t " umfaßt die Mittel nicht nur zu notdürftiger, sondern auch zu behaglicherer Lebensführung. Der unsittliche Erwerb muß eine mehr oder weniger dauernde Einnahmequelle sein; einzelne, wenn auch beträchtliche Zuwendungen genügen nicht. 14 ) 2. Z u h ä l t e r ist aber auch der Mann, d e r e i n e r L o h n d i r n e g e w o h n h e i t s m ä ß i g o d e r a u s E i g e n n u t z in b e z u g a u f d i e A u s ü b u n g des u n z ü c h t i g e n Gewerbes Schutz gewährt o d e r s o n s t f ö r d e r l i c h i s t ( k u p p l e r i s c h e Z u h ä l t e r e i ) . Es ist gleichgültig, ob ihr der Schutz gegenüber der Polizei oder gegenüber ihren Kunden oder gegenüber anderen Dirnen gewährt wird; wohl aber muß er gewährt werden in bezug auf das unzüchtige Gewerbe selbst. Wenn der Zuhälter durch Vermittlung usw. (oben II 3) der Unzucht Vorschub geleistet hat, so tritt § 181 a in ideelle Konkurrenz zu den §§ i8o*und 1 8 1 . " ) S t r a f e : a) Gefängnis nicht unter einem Monat. — b Ist der Zuhälter der Ehemann der Frauensperson, oder hat er sie unter Anwendung von Gewalt oder Drohungen zur Ausübung des unzüchtigen Gewerbes angehalten, Gefängnis nicht unter einem Jahr. — Neben der Gefängnisstrafe kann auf Ehrverlust erkannt werden; Polizeiaufsicht sowieÜberweisung an dieLandespolizei" ) Ebenso R 48 426. Ebenso im wesentlichen die gem. Meinung. Vgl. R 34 74, 85 92. u ) Es genügt, wenn der Lebensunterhalt nur mittelbar aus dem unsittlichen Erwerb gewonnen wird (so durch Betrieb eines Geschäfts); R 45 264. " ) Ebenso Allfeld 586, Härtung wohl auch Hamann 44. Dagegen R 84 74, 35 56 (§ 181a als der engere schließt § 180 aus), 39 29 (§ 181a 2. Satz ist gegenüber § 181 Ziff. 2 der engere §), ebenso Ebermayer in RGRäteKomm. § 181a Note 8f., Frank § 181a V I ; Schmidt-Ernsthausen 230 und Mittermaier 16 nehmen Alternativität zwischen den §§ 180, 181, 181a an; nach Schwartz § 181a Note 4 schließen die §§ 180 und 181a sich aus, während die §§ 181 und 181 a in Idealkonkurrenz stehen. Diese Meinungsverschiedenheit ist ein Beweis für die innere Unklarheit, unter der die gesetzliche Begriffsbestimmung der Zuhälterei leidet. IS)

§ io8.

5. K u p p e l e i , Zuhälterei und Frauenhandel.

393

behörde m i t den in § 362 Abs. 3 und 4 vorgesehenen F o l g e n (Unterbringung in ein A r b e i t s h a u s o d e r Ausweisung oder beides) zulässig.

V. Der Frauenhandel. Die Anwerbung von Frauen für Bordelle, die als Vorbereitung zur Kuppelei (oben II 3) straflos bleiben müßte, erscheint besonders strafwürdig, wenn die Frauen unter Anwendung hinterlistiger Kunstgriffe ins Ausland an Orte verschleppt werden, in denen sie dem Schutze ihrer Angehörigen wie ihres Staates entzogen bleiben. 16 ) Diese Erwägung rechtfertigt die Aufnahme einer Strafdrohung gegen den Frauenhandel in das Auswanderungsg. vom 9. Juni 1897 (§ 48). 1. Infolge dieser Verbindung erscheint als Frauenhandel die V e r l e i t u n g einer w e i b l i c h e n Person zur A u s w a n d e r u n g , wenn sie a) zu dem Zwecke, sie der gewerbsmäßigen Unzucht zuzuführen, und b) mittels arglistiger Verschweigung dieses Zweckes erfolgt. V e r l e i t u n g ist Hervorrufung des Entschlusses zur Auswanderung, also soviel wie Bestimmung. 1 7 ) Die V o l l e n d u n g ist mit dem Augenblicke gegeben, in dem das Mädchen, der Einwirkung Folge leistend, auswandert, d. h. das Vaterland mit dem Entschlüsse verläßt, den dauernden Wohnsitz im Ausland zu nehmen; nicht aber bereits mit der Hervorrufung des Entschlusses. Die nähere Bestimmung jenes Zeitpunktes kann Schwierigkeiten bieten; ergänzend greifen die Strafbestimmungen gegen den Versuch ein, der mit der Einwirkung auf das Mädchen beginnt. Die A b s i c h t des Täters muß darauf gerichtet sein, die Frau der gewerbsmäßigen Unzucht zuzuführen; d. h. zu bewirken, daß sie, sei es aus Not, sei es durch böses Beispiel, sei es aus anderen Gründen, der Prostitution anheimfällt. Dieser Zweck muß von dem Täter a r g l i s t i g (oben § 98 I I I 3) v e r s c h w i e g e n und die Verschweigung das M i t t e l der Verleitung sein. 2. Gleichgestellt ist die v o r s ä t z l i c h e B e f ö r d e r u n g d e r A u s w a n d e r u n g in Kenntnis des vom Täter arglistig verfolgten Zweckes. Befördern bedeutet auch hier (oben II 3) das Schaffen günstigerer Bedingungen. Die Beförderung muß sich auf die Auswanderung selbst, nicht nur auf die Verleitung beziehen. Insoweit ist also die Unterscheidung von Täterschaft und Beihilfe aufgegeben (oben § 49 I 2). Im übrigen finden die Grundsätze über Teilnahme uneingeschränkte Anwendung (Anstiftung des Verleiters durch den Bordellbesitzer). S t r a i e in beiden Fällen: Z u c h t h a u s bis zu fünf Jahren, daneben E h r verlust bindend vorgeschrieben; Geldstrafe v o n hundertundfünfzig bis sechstausend Mark sowie Polizeiaufsicht zulässig. Im zweiten F a l l bei mildernden '•) Weitergehend V E § 253 und G E § 249. Ebenso K E § 327 und E 1919 § 334, unter Einarbeitung des Auswanderungsg. 1897. ^ V i e l weiter R 87 333, Allfeld 587, Leue 47.

394

§ iog.

6. Verletzung des Sittlichkeitsgefühls.

Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten, daneben die genannte Geldstrafe zulässig. — Der Versuch ist strafbar. 18 )

§ 109.

6. Verletzung des Sittlichkeitsgefühls.

Literatur. Mitlermaier VD Bes. T. 4 204, 197. — Binding. Schlechtriem (Lit. zu § 103). Kern (Lit. zu § 175). Hälschner 2 694. Kohler GA 45 175. Nagorski Die Strafbestimmungen gegen die unzüchtigen Schriften in geschichtlicher Darstellung. Heidelberger Diss. 1911. Thomson GS 80 241. Dannenbaum Z 84 811. Derselbe Unzüchtige Schriften, Abbildungen und Gegenstände. Rostocker Diss. 1917. Hellwig Z 86469 (Vorführung von Films). — Zu IV vgl. insbes. die Angaben Z 8 376, 386, 9 563. I. R S t G B § 183 bedroht die öffentliche Erregung eines Ärgernisses durch eine unzüchtige Handlung. Der Begriff der unzüchtigen Handlung ist derselbe wie sonst (oben § 103 II 1, 2); auch die öffentliche Vollziehung des Beischlafes zwischen Ehegatten würde hierher gehöfen, nicht aber die nur schamlose Handlung (oben § 103 II 3), wie die Entblößung zum Zwecke des Wasserabschlagens. 1 ) A u c h m ü n d l i c h e Äußerungen sind ebenso wie Unterlassungen zu den „Handlungen" zu rechnen. 2 ) Ä r g e r n i s ist die Verletzung des sittlichen Gefühls. Der V o r s a t z des Täters muß die Erregung des Ärgernisses mitumfassen. Die Handlung, u. z. diese selbst, nicht etwa nur ihr Bekanntwerden, m u ß Ärgernis g e g e b e n , d. h. es muß tatsächlich irgend jemand Ärgernis genommen haben, mag dies auch ausschließlich derjenige sein, gegen den die unzüchtige Handlung gerichtet w a r ; es genügt mithin nicht (anders V E § 256, K E § 330 und E 1919 § 327; vgl aber G E § 250), wenn die Handlung nur g e e i g n e t war, Ärgernis zu erregen, dies aber nicht getan h a t . ö f f e n t liches Ärgernis ist nicht erforderlich, wohl aber, daß das Ärgernis öffentlich gegeben wurde; die unzüchtige Handlung muß also ö f f e n t lich, d. h . so vorgenommen worden sein, daß sie von unbestimmt vielen Personen, nicht nur von einem geschlossenen Kreis bestimmter Personen wahrgenommen werden konnte. 3 ) S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Geldstraf e bis zu fünfhundert Mark; neben Gefängnis Ehrverlust nach Ermessen. u ) Vgl. das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels vom 4. Mai 1910 und das deutsche Ausführungsgesetz dazu vom 14. August 1912 (RGBl. 1913 S. 31), das (unrichtig) eine Erweiterung der deutschen Strafdrohungen nicht für nötig hält. Vgl. dazu Art. 282 Ziff. 17 des Versailler Friedensvertrages. 1) Ebenso im wesentlichen auch Ebermayer in RGRäteKomm. § 183 Note 2. Frank § 183 I verlangt (im Anschluß an Kohler) nur die „Absicht, etwas Geschlechtliches zum Ausdruck zu bringen". Ähnlich SchwartZ § 183 Note 2, R 28 233, 24 365-, 28 77, 58 139. *) Überwiegende Meinung. Dagegen Allfeld 581, Binding Lehrb. 1 214, Frank § 183 I, Kohler GA 46 210, Schwarte § 183 Note 1. ®) Vgl. unten Note 5.

§ log.

6. Verletzung des Sittlichkeitsgefühls.

395

I I . Der durch das G vom 25. Juni 1900 wesentlich erweiterte § 184 (dem V E § 257, K E §§ 331, 332 und E 1919 §§ 328, 329 im wesentlichen folgen, während G E § 251 ihn einschränkt) bedroht jetzt vier, untereinander ganz verschiedene Tatbestände: 1. Die Verbreitung unzüchtiger Schriften, Abbildungen, Darstellungen. Eine u n z ü c h t i g e S c h r i f t usw. (oben § 103 II) ist diejenige, die, auf Erregung des Geschlechtstriebes gerichtet, den sittlichen Anstand in geschlechtlicher Beziehung gröblich verletzt. 4 ) Das „Verbreiten" setzt (anders das „Mitteilen") Zugänglichmachen für das Publikum voraus, also nicht für einen geschlossenen Kreis bestimmter Personen. 5 ) Verbreitet ist die Schrift, sobald die Kenntnisnahme e r m ö g l i c h t ist; daß sie bereits erfolgt sei, wird nicht gefordert. Und zwar muß die Schrift usw. selbst verbreitet, d. h. das gedruckte Wort, die bildliche Darstellung als solche zugänglich gemacht werden; das Vorlesen, Nacherzählen usw., also die Mitteilung des Inhalts, genügt nicht. A l s Unterfälle des Verbreitens nennt das Gesetz zunächst das F e i l b i e t e n (Bereitstellen zum Verkauf), das V e r k a u f e n (Veräußern) und V e r t e i l e n . Ferner aber auch das „ A u s s t e l l e n o d e r A n s c h l a g e n an O r t e n , w e l c h e d e m P u b l i k u m z u g ä n g l i c h s i n d " . Wer ein Bild an die Straßenmauer malt oder zeichnet, stellt es aus. Jedenfalls aber muß auch der I n h a l t der Schrift usw. der Wahrnehmung des Publikums zugäng') Dannenbaum 3 kommt dem Text sehr nahe. A u c h Frank § 184 I (vgl. oben Note 2) verlangt „objektivierte geschlechtliche A b s i c h t " . R sieht dagegen von ihr a b ; R 21 306, 26 370, 3 1 261 verzichtet (im Gegensatz zu früheren Entscheidungen) auf „gröbliche" Verletzung; R 37 315 hält sogar eine Abbildung schon dann für unzüchtig, wenn sie geeignet (!) ist, das Schamgefühl (1) zu verletzen. Sehr bedenklich Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 184 Note 3 (in Anlehnung an R). Viel zu weit auch Frank § 184 I : „eine Schrift, die in ihrem Zusammenhang die Absicht, einen geschlechtlichen Reiz hervorzurufen oder der Freude am geschlechtlich Obszönen zu genügen, derart z u m Ausdruck bringt, daß sie o b j e k t i v geeignet ist, das geschlechtliche Schamgefühl unbefangener dritter Personen zu verletzen." ') Also soviel wie „Veröffentlichen". Beweis dafür ist, daß § 184 selbst das Ausstellen an „Orten, welche dem P u b l i k u m zugänglich sind", als einen Unterfall der Verbreitung behandelt. Das Nähere bei V. Liszt Preßrecht § 42. Dagegen Schwartz § 110 Note 4. R 21 254, 22 241, 85 159, 49 147 u. a., R M i l G 9 105 verlangen „wechselseitige persönliche, eine gewisse Vertrautheit begründende Beziehungen", „ein. zur Einheit zusammenfassendes B a n d " , um einen „geschlossenen K r e i s " anzunehmen; Allfeld 574, Frank §§ 110 I I , 166 I, 183 I schließen sich dem R an. — Vorführung durch den K i n e m a t o g r a p h e n ist Verbreitung, wie das Vorzeigen eines Lichtbildes: R 39 183. Abweichend HeUwig. Der Filmstreifen kann als Ganzes eine unzüchtige Abbildung sein, a u c h wenn es die einzelnen Bilder nicht sind: R 47 408. §§ 1 und 18 des Lichtspielgesetzes v o m 12. Mai 1920 stellen unter Strafe die Vorführung eines Bildstreifens, die versagt worden ist, weil die Vorführung geeignet ist, die öffentliche Ordnung Zu gefährden. Letzteres aber ist bei der Vorführung unzüchtiger Bildstreifen der Fall. Vgl. dazu Stern Lichtspielgesetz 1920 S. 2 i f f . — G r a m m o p h o n p l a t t e n sind Schriftwerke, so R 47 223, 404 (gegen 46 390); aber das Spielenlassen ist kein Verbreiten, sondern steht dem Vorlesen gleich. So auch R 46 390, 47 223.

396

§ jog.

6. Verletzung des Sittlichkeitsgefühls.

lieh gemacht werden, und es genügt für das Ausstellen z. B. nicht, wenn der Buchhändler in seinen Schaufenstern ein unzüchtiges B u c h zugeklappt aufstellt, so daß nur der Titel gelesen werden kann. Gleichgestellt ist die H e r s t e l l u n g zum Zwecke der Verbreitung das V o r r ä t i g h a l t e n zu demselben Zwecke, das A n k ü n d i g e n und A n p r e i s e n ; also Handlungen, die meist in das Gebiet der Vorbereitung fallen. 2. Die entgeltliche Überlassung oder Anbietung einer unzüchligen Schrift, Abbildung oder Darstellung an eine Person unter 16 Jahren. Im Unterschiede von dem Falle unter i ist also hier ein Zugänglichmachen für das P u b l i k u m nicht erforderlich, unentgeltliche Überlassung aber nicht genügend. 3. Neu eingefügt wurde 1900 der 3. Fall: Die Ausstellung von Gegenständen, die zu unzüchtigem Gebrauche bestimmt sind, an dem Publikum zugänglichen Orten, sowie die Ankündigung oder Anpreisung solcher Gegenstände dem Publikum (im Gegensatz zum geschlossenen Kreis) gegenüber. 9 ) 4. Neu eingefügt ist auch der letzte Fall: Die Erlassung von öffentlichen Ankündigungen, welche (in erkennbarer Weise) 7 ) dazu bestimmt sind, unzüchtigen Verkehr herbeizuführen. S t r a f e : Geiängnis bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis zu tausend Mark oder eine dieser Strafen. Neben Gefängnis Ehrverlust und Polizeiaufsicht zulässig.

III. Der durch das G vom 25. Juni 1900 eingefügte § 184a bedroht die e n t g e l t l i c h e Ü b e r l a s s u n g o d e r A n b i e t u n g v o n S c h r i f t e n , A b b i l d u n g e n o d e r D a r s t e l l u n g e n , die, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl (oben § 103 I 2, II 3) gröblich verletzen, an P e r s o n e n u n t e r 16 J a h r e n . S t r a f e : Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu sechshundert Mark. 8 )

IV. Durch Art. IV des G vom 5. April 1888 wurde dem § 184 •) Schutzmaßregeln gegen Empfängnis und Ansteckung, die auch bei, vor oder nach dem ehelichen Beischlaf verwendet werden, gehören nicht hierher. Ebenso Allfeld 583, Binding Lehrb. 1 217, Frank § 184 I I , Schwartz § 18+ Note 4. Die entgegenstehende, von Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 184 Note 8 wohl gebilligte Rechtsprechung (R 84 285, 365, 36 312, 87 142, 88 202, 40 159; s. auch R 46 6, 117) fördert die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten. Daher hat G E diesen Fall gestrichen; [ K E § 332 Abs. 2 wollte die Ankündigung solcher Präventivmittel straflos lassen, wenn sie Ärzten gegenüber oder in ärztlichen Fachzeitschriften erfolgt. E 1919 § 329 Abs. 2 hat dagegen nach dem Vorgang des Entwurfes 1918 (vgl. oben Lit. zu § 94) und in Übereinstimmung mit S R E Art. 320 die Strafbarkeit der Ankündigung von Präventivmitteln davon abhängig gemacht, ob sie in einer Sitte und Anstand verletzenden Weise erfolgt]. Ebenso R 8 6 388. Bedenklich R 89 313. •) In V E § 257, K E § 331 und E 1919 § 328 aufgenommen, von G E gestrichen.

§ IIO.

7. Die widernatürliche Unzucht.

397

S t G B ein 2. A b s a t z beigefügt, der seit dem G v o m 25. Juni 1900 d e n § i 8 4 b bildet. E r bedroht den, der aus Gerichts7erhandlungen, f ü r die wegen Gefährdung der Sittlichkeit die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, oder aus den diesen Verhandlungen zugrunde liegenden amtlichen Schriftstücken öffentlich Mitteilungen macht, die geeignet sind, Ärgernis zu erregen.') Besonderes Schweigegebot wird nicht vorausgesetzt Die Mitteilung kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Nur vorsätzliche Mitteilung m a c h t s t r a f b a r ; der Vorsatz muß die Öffentlichkeit der Mitteilung sowie ihre Eignung, Ärgernis zu erregen, umfassen Daß Ärgernis tatsächlich erregt worden sei, ist nicht erforderlich. S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten.

§ 110.

7. Die widernatürliche Unzucht.

Literatur. Mittermaier V D B e s . T . 4 147. Hirschfeld D i e Homosexualität d e s Mannes und des W e i b e s 1914. —- Hätschner 2 313. Wachenfeld Homosexual i t ä t und Strafgesetz 1901. Derselbe G A 49 37. Kohan-Bernstein Die widernatürliche U n z u c h t 1909. Hirschfeld bei Groß 38 89. Anderssen Z 3 1 49°-

Müller GA 59 i, 224. Nagler GS 82 27, und gegen ihn Numa Prätorius GS 88 99.

I. Geschichte. Schon in der Zeit des Freistaates beschäftigte sich die r ö m i s c h e Gesetzgebung mit der wohl aus Griechenland herübergedrungenen Monstrosa V e n u s (lex Scatinia von unbekanntem Datum). In der lex Julia wurde sie z u m stuprum gerechnet, und die Kaiser drohten Todesstrafe, ubi sexus perdidit locum, ubi V e n u s mutatur in alteram f o r m a m . A u c h dem d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r ist die widernatürliche U n z u c h t nicht fremd geblieben, wie die corpore i n f a m e s bei Tacitus, Hinweisungen in den Voiksrechten und Bestimmungen der Kapitularien bezeugen; später wird sie vielf a c h der K e t z e r e i gleichgestellt. Seiner übertreibenden Strenge gegen die Fleischesvergehen getreu, erklärte das k a n o n i s c h e R e c h t jede gegen die Regeln der N a t u r erfolgende Befriedigung des Geschlechtstriebes für v e r b o t e n . D i e P G O droht in A r t . 1 1 6 den Feuertod, „ s o ein Mensch m i t einem Viehe, Mann mit Mann, W e i b m i t W e i b Unkäusch t r e i b e n " . D a s g e m e i n e R e c h t beschränkt die Feuerstrafe auf die eigentliche B e s t i a l i t ä t (so Österreich 1756, anders Preußen 1620 und 1721), erweitert aber den T a t b e s t a n d der strafbaren widernatürlichen U n z u c h t auf die sodomia contra o r d i n e m naturae, also auf jeden naturwidrigen Geschlechtsverkehr zwischen Mann und W e i b , die Onanie, die Leichenschändung usw. Die L i t e r a t u r der A u f k l ä rungszeit verlangt, teilweise wenigstens (Montesquieu, Hommel gegen Soden, Gmelin), Einschränkung der Bestrafung. In dem Josephinischen S t G B 1787 i s t Bestialität und Unzucht mit dem eigenen Geschlecht unter die „politischen •) V g l . unten § 166 V I . — V E § 258 und G E § 252 wiederholen das geltende R e c h t . K E § 209 und E 1919 § 203 haben die B e s t i m m u n g sonderbarerweise unter die A n g r i f f e gegen die S t a a t s g e w a l t gestellt, [haben dabei allerdings das Erfordernis des ärgerniserregenden Charakters der Mitteilung fallen lassen, um lediglich den Ungehorsam gegen eine behördliche Anordnung als das die N a t u r des D e l i k t s kennzeichnende Merkmal zu betonen; v g l . D e n k s c h r i f t S. I57-]

§ IIO.

39«

7. Die widernatürliche Unzucht.

Verbrechen" verwiesen. Dagegen erfordert noch A L R 1069 bei „Sodomiterei und anderen dergleichen unnatürlichen Sünden, welche wegen ihrer Abscheulichkeit hier gar nicht genannt werden können, gänzliche Vertilgung des Andenkens"; daher wird Verbannung des Täters, bzw. Vernichtung des Tieres angeordnet. In der n e u e r e n Wissenschaft und Gesetzgebung zeigt sich das zum Teil erfolgreiche Bestreben, die widernatürliche Unzucht ganz aus dem S t G B zu verweisen oder doch den Begriff wesentlich einzuschränken. Die romanischen Staaten und die Niederlande bestrafen sie nicht. Auch das Gutachten der preuß. Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen hatte sich vor der Ausarbeitung des Norddeutschen Entwurfes für die Streichung des Verbrechens ausgesprochen. 1 ) Und gewiß mit Recht. Abnorme, sei es angeborene, sei es erworbene, Richtung des Geschlechtstriebes (Perversion im Gegensatz zur Perversität) liegt in zahlreichen Fällen vor. Anzeige erfolgt in einem verschwindenden Bruchteile der Fälle, während die Strafbarkeit der Tat dem Erpressertum eine oft gebrauchte Waffe verleiht. Die Feststellung b i e t e t kaum überwindliche Schwierigkeiten, und die Auslegung des Gesetzes führt zu Willkürlichkeiten, die das Rechtsgefühl auf das Tiefste verletzen. Andrerseits bleiben die gröbsten Ausschreitungen zwischen Mann und Weib straflos. Die geschlechtliche Freiheit wird im Regelfalle nicht verletzt, und die E r regung von Ärgernis ist ohnehin strafbar. Es ist daher zu bedauern, daß V E § 250 die Strafdrohung nicht nur beibehalten, sondern sogar auf den Verkehr zwischen Weib und Weib ausgedehnt hat. K E § 322 und E 1919 § 325 haben die Ausdehnung wieder gestrichen und verlangen im übrigen ausdrücklich „beischlafähnliche Handlungen". G E § 245 bedroht dagegen nur die widernatürliche Unzucht mit Minderjährigen oder unter Ausbeutung eines Abhängigkeitsverhältnisses sowie die Begehung aus Gewinnsucht; Verwendet aber in diesen Fällen Zuchthaus bis zu fünf Jahren. In den anderen Entwürfen erscheinen diese Fälle als Schärfungstatbestände. Ähnlich S R E Art. 169.

II. Begriff. § 175 S t G B bedroht die widernatürliche Unzucht 1. zwischen Personen männlichen Geschlechts (nicht also die lesbische Liebe oder Tribadie); 2. zwischen Mensch und Tier (Bestialität). Dabei haben wir unter Unzucht im ersten Falle nur die eigentliche Päderastie (den coitus per anum), im zweiten Falle nur die Vereinigung der Geschlechtsteile zu verstehen.2) S t r a f e : Gefängnis; daneben nach Ermessen Verlust der Ehrenrechte. ') Ebenso Allfeld 580, Hälschner 2 239, Sonntag GA 18 15, Stooß Grundzüge 2 265. Zweifelnd Mittermaier 151. Dagegen Wachenfeld. *) Ebenso Binding Lehrb. 1 204. Wesentlich weiter, aber unter sich abweichend Allfeld 581, Frank § 175 I I , Müller, Nagler, Schwartz § 175 Note 2, Wachenfeld 46 (Annäherung der Geschlechtsteile, coitus per os). R 20 225, 23 289,34 245,36 32 sowie RMilG 2 36 verlangen beischlafähnliche Handlungen, ohne zu einer festen Abgrenzung des Begriffs zu gelangen. Ebenso Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 175 Note 2, der aber „eine ziemliche Unsicherheit hinr sichtlich des Begriffs der beischlafsähnlichen Handlung" zugibt. Straflos bleibt auch nach R die wechselseitige Masturbation. Hiergegen anscheinend Eber-

mayer a. a. O.

§III.

§ III.

8. Die Blutschande.

399

8. Die Blutschande.

Literatur. Mittermaier V D Bes. T . 4 143. Marcuse in Jurist.-psychiatrische Grenzfragen 10 H e f t 3 1915. Hafter Schweizer Z 29 126. I. Die B l u t s c h a n d e (Inzest) bildet den Übergang zu den strafbaren Handlungen gegen die Familienrechte. Ihre Strafbarkeit vorn rechtlichen Standpunkte aus ist zweifellos, soweit es sich um den Mißbrauch des dem Aszendenten gegenüber dem Abkömmling zustehenden Einflusses handelt (oben § 103 I). A b e r diesen Standpunkt hat das R S t G B selbst aufgegeben, indem es einerseits nur den Beischlaf bestraft und die schwersten sonstigen Unsittlichkeiten (abgesehen von § 176 Ziff. 3) ungeahndet läßt, andrerseits aber auch den Beischlaf zwischen erwachsenen Geschwistern bedroht und den (achtzehnjährigen) Deszendenten bestraft. Als Zweck des Gesetzes kann mithin nur die Verhinderung der Inzucht bezeichnet werden. Damit ist aber der Grundgedanke der Sittlichkeitsdelikte preisgegeben. 1 ) II. Geschichte. Das r ö m i s c h e R e c h t , das nicht den geschlechtlichen Verkehr zwischen Verwandten als solchen, sondern nur den Abschluß der auf ihn abzielenden Ehe unter Strafe stellte, unterschied zwischen incestus juris gentium und juris civilis und rechnete zu ersterem die Ehe zwischen Verwandten auf- und absteigender Linie. Ähnlich stellte das k a n o n i s c h e R e c h t dem incestus juris divini die Blutschande nach Menschensatzung gegenüber; zugleich erweiterte es den Begriff ins maßlose (erst Innozenz I I I . beschränkte 1215 das Eheverbot wieder auf den vierten Grad kanonischer Berechnung) und f ü g t e überdies noch die cognatio spiritualis zur Blutsverwandtschaft hinzu. Frühzeitig findet die kirchliche Anschauung Eingang in das R e c h t des deutschen Mittelalters. Rib. 69, 2 droht der blutschänderischen E h e Verbannung und Vermögensverlust; zahlreiche Kapitularien schärfen die Eheverbote ein; auf die schwersten Fälle setzen sie die Todesstrafe. D i e Bambergensis hatte in Art. 142 die Strafe des Ehebruchs (das Schwert, unter Umständen mit Schärfung) angedroht. Dagegen bestimmte P G O 1 1 7 : „ I t e m so einer Unkeusch mit seiner Stieftochter, mit seines Sohnes EheweiK oder mit seiner Stiefmutter treibt, i n s o l c h e n u n d n o c h n ä h e r e n S i p p s c h a f t e n " soll die Strafe nach den geschriebenen Rechten bestimmt werden. Diese Fassung gab zu mancher Streitfrage Anlaß. Nicht bloß, o b auch Unzucht unter Geschwistern hierher gehöre, sondern insbesondere auch A r t und Höhe der Strafe war und blieb gemeinrechtlich bestritten. Die Sächsischen Konstitutionen (4 22) bestraften Verwandte auf- und absteigender Linie mit dem Schwerte, Seitenverwandte mit Staupenschlägen und ewiger Landesverweisung. Diese auch v o n Carpzov vertretene Ansicht fand überwiegende Billigung (Hamburg 1603, Preußen 1620, Österreich 1656); doch gingen einzelne Gesetzgebungen (Kurpfalz 1582) bis zur Strafe des Feuertodes. Die Aufklärungszeit zweifelte vielfach an der Strafbarkeit der Blutschande. Die neuere deutsche und die ihr folgende ausländische Gesetzgebung h a t sie beibehalten, während die romanischen Rechte, ebenso wie das niederländische S t G B , die Blutschande als besonderes Verbrechen gestrichen haben. Die deutschen Entwürfe haben sie, im Anschluß an das geltende R e c h t , bei') Für Streichung des Delikts Mittermaier 143. — Bgr. 688 betont die Gefahr für die Nachkommenschaft und für die sittliche Gesundheit des Familienlebens. Ebenso Allfeld 475, der das Delikt daher zu den Verbrechen gegen die Familie stellt.

400

§

Strafbare Handlungen gegen Fatrilienrechte.

Übersicht.

behalten; ebenso S R E Art. i8o, der sie aber richtiger zu den Familiendelikten* steUt. I I I . N a c h S t G B § 1 7 3 i s t Blutschande d e r B e i s c h l a f , d . h. die naturgemäße Vereinigung der Geschlechtsteile von P e r s o n e n v e r s c h i e d e n e n G e s c h l e c h t s (nicht a b e r eine a n d e r e u n s i t t l i c h e , s e l b s t widernatürliche H a n d l u n g ) : 1. z w i s c h e n (ehelichen und absteigender Linie;8)

und

unehelichen)

Verwandten

auf-

2. z w i s c h e n V e r s c h w ä g e r t e n a u f - u n d a b s t e i g e n d e r L i n i e ; 3. z w i s c h e n ( v o l l b ü r t i g e n w i e h a l b b ü r t i g e n ) G e s c h w i s t e r n . * ) S t r a f e : Zu 1: Zuchthaus bis zu fünf Jahren gegen Aszendenten, Gefängnis bis zu zwei Jahren gegen Deszendenten; zu 2 und 3: Gefängnis bis zu zwei Jahren. In allen Fällen Ehrverlust nach Ermessen. Der Versuch ist nur im Falle unter i , und nur den Aszendenten gegenüber, strafbar. Verwandte und Verschwägerte absteigender Linie bleiben (wie im gemeinen Recht) straflos, wenn sie das 18. Lebensjahr nicht vollendet haben,4) während andere Teilnehmer nach allgemeinen Grundsätzen strafbar sind.

IV. Strafbare Handlungen gegen Familienrechte (Personenstand und Ehe). § 112.

Obersicht.

Literatur. Stracke Der Rechtsstatus als Angriffsobjekt von Verbrechen. Münstersche Diss. 1917. I . D e r P e r s o n e n s t a n d ( F a m i l i e n s t a n d ) ist d a s f a m i l i e n r e c h t l i c h e V e r h ä l t n i s e i n e r P e r s o n z u a n d e r e n P e r s o n e n ; als V o r a u s s e t z u n g w i e I n b e g r i f f der F a m i l i e n r e c h t e b e d e u t e t er d i e r e c h t l i c h e S t e l l u n g , die d u r c h die Z u g e h ö r i g k e i t z u einer b e s t i m m t e n F a m i l i e s o w o h l den F a m i l i e n g l i e d e r n w i e allen M e n s c h e n g e g e n ü b e r b e g r ü n d e t wird. D e r P e r s o n e n s t a n d e n t s t e h t d u r c h G e b u r t ; er e n d i g t d u r c h d e n T o d ; er w i r d g e ä n d e r t d u r c h A n n a h m e a n K i n d e s s t a t t , L e g i t i m a t i o n , S c h l i e ß u n g u n d L ö s u n g der E h e . 1 ) s) BGB § 1589: Personen, deren eine von der anderen abstammt, sind in gerader Linie verwandt. Das gilt, trotz § 1589 Abs. 2, auch von dem Vater und dessen Aszendenten einerseits, dem unehelichen Kinde und dessen Abkömmlingen andrerseits (BGB § 1310 Abs. 3). ®) Irrtümliche Annahme des Täters, mit einer der im Gesetz genannten Personen zu verkehren, begründet untauglichen Versuch (oben § 47); so auch R 47 189. Zustimmend Ebermayer in RGRäteKomm. § 173 Note 3. *) Vgl. oben § 44 II. Ebenso Binding Lehrb. 1 230, Ebermayer in RGRäteKomm. § 173 Note 5, Frank § 173 III; abweichend R 19 391 (sie sind nicht Teilnehmer, sondern Objekte der Tat). J) Nach R 84 427, 41 302 begründet auch die uneheliche Vaterschaft einen Personenstand des Kindes.

§113-

i . D i e V e r l e t z u n g des P e r s o n e n s t a n d e s .

1 . D e r P e r s o n e n s t a n d i s t d u r c h § 169 S t G B g e g e n oder Unterdrückung geschützt. des

Personenstandsg.

vom

401 Veränderung

Ergänzend treten die Strafdrohungen

6. F e b r u a r

d e r A n z e i g e p f l i c h t h i n z u ( u n t e n § 113).

1875 g e g e n

die

V o n besonderer

Verletzung Wichtigkeit

können ferner hier die Strafbestimmungen gegen falsche B e u r k u n d u n g werden 2.

(unten Aber

handlungen besondere II.

§ 162).

auch

die

stehen

den

unter

von dem

Unbekannt

Personenstand

strafrechtlichem

begründenden Schatz.

Abschlüsse der E h e

(unten

§§ 114,

ist

Recht

der

dem

Schutz des Namenrechtes

geltenden

(BGB

Rechts-

Dies

gilt

ins-

115).

strafrechtliche

§ 12).

I I I . D a s persönliche Rechtsverhältnis z w i s c h e n E l t e r n und K i n d e r n sowie zwischen den E h e g a t t e n ist ebenfalls i m lichen auf den privatrechtlichen Verletzung

der

elterlichen

Schutz angewiesen.

Erziehungspflicht

bleibt

Die an

sich

straflos wie, von der (oben § 104 e r w ä h n t e n ) E n t f ü h r u n g der

Eingriff

StGB

in die elterliche

§ 3 6 1 Z i f f . 4, 5, 9 u n d

öffentlicher Interessen

Gewalt.

Die

wesent-

schwerste ebenso

abgesehen,

Übertretungsstrafen

10 s i n d i m w e s e n t l i c h e n z u m

in

Schutz

erlassen.2)

W ä h r e n d V E auf d e m S t a n d p u n k t des g e l t e n d e n R e c h t s v e r h a r r t , h a t d e r G E §§ 233, 234 die V e r l e t z u n g der Erziehungs- und U n t e r h a l t u n g s p f l i c h t , w i e d i e P f l i c h t v e r l e t z u n g g e g e n S c h w a n g e r e , d e m S V E ( S R E A r t . 184, 185) u n d Ö R E f o l g e n d , als V e r g e h e n unter S t r a f e g e s t e l l t . [ K E § 339 u n d E 1 9 1 9 § 275 b e h a n d e l n die V e r l e t z u n g der U n t e r h a l t s p f l i c h t n u n m e h r e b e n f a l l s a l s V e r g e h e n , sehen a b e r v o n der A u f s t e l l u n g der w e i t e r e n , d u r c h G E vorges c h l a g e n e n T a t b e s t ä n d e (leider) a b . ]

§

113.

I.

Die Verletzung

des

Personenstandes.

Literatur. Kohlrausch V D B e s . T . 4 465. — Reis D i e U n t e r d r ü c k u n g u n d V e r ä n d e r u n g d e s P e r s o n e n s t a n d e s . T ü b i n g e r D i s s . 1888. Morf Ü b e r d e n reichsrechtlichen B e g r i f f des P e r s o n e n s t a n d e s u n d über d i e P e r s o n e n s t a n d s d e l i k t e . G r e i f s w a l d e r D i s s . 1904. I. Geschichte. D i e V e r l e t z u n g des P e r s o n e n s t a n d e s b i l d e t ein besonderes» in dieser w e i t e n B e d e u t u n g erst durch die n e u e r e G e s e t z g e b u n g a n e r k a n n t e s Vergehen. D a s r ö m i s c h e R e c h t h a t a l l e r d i n g s n i c h t nur d i e K i n d e s u n t e r s c h i e b u n g (suppositio partus) als u n v e r j ä h r b a r e s D e l i k t , sondern a u c h d i e A n m a ß u n g eines f a l s c h e n N a m e n s (adseveratio f a l s i n o m i n i s v e l c o g n o m i n i s : 1. 13 D . 48, 10) a l s q u a s i f a l s a u n t e r S t r a f e g e s t e l l t . D a b e i ü b e r w o g j e d o c h d a s ö f f e n t l i c h e Interesse: P u b l i c e i n t e r e s t , p a r t u s non s u b j i c i , u t o r d i n u m d i g n i t a s f a m i l i a r u m q u e s a l v a sit. D a g e g e n schweigen die Q u e l l e n d e s d e u t s c h e n Mittela l t e r s (anders der K l a g s p i e g e l ) , und dasselbe t u t die P G O . D a s g e m e i n e R e c h t (z. B . P r e u ß e n 1721) h ä l t sich a n die r ö m i s c h e n B e s t i m m u n g e n ; Ö s t e r r e i c h 1707 b e d r o h t d a s „ U n t e r s t o ß e n f r e m d e r K i n d e r " m i t d e m S c h w e r t , u n d noch *) V g l . Duensing V e r l e t z u n g der F ü r s o r g e p f l i c h t g e g e n ü b e r M i n d e r j ä h r i g e n . E i n V e r s u c h z u ihrer s t r a f g e s e t z l i c h e n B e h a n d l u n g 1903. T. L i » i t , Strafrecht. 24. Aufl.

2


402

§ ii3-

i . Die Verletzung des Personenstandes.

A L R 1436 rechnet, wie die Mehrzahl der deutschen Landesstrafgesetzbücher, die Veränderung des Personenstandes zum Betrug. Diese Auffassung ist weniger unrichtig als die Einreihung unter die Fälschungsvergehen. 1 ) Denn das Mittel zur Entziehung der mit dem Personenstande gegebenen Familienrechte ist nicht der Mißbrauch einer Beglaubigungsform, sondern die Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen. Das geltende Recht vertritt die (zutreffende) Auffassung, daß der Personenstand ein selbständiges Rechtsgut ist; und die Entwürfe halten daran fest.

II. Verletzung des Personenstandes ist die E r r e g u n g e i n e s dauernden Irrtums über die Z u g e h ö r i g k e i t einer Person z u e i n e r b e s t i m m t e n F a m i l i e (StGB § 169). Sie ist entweder Veränderung, d. h. die Beilegung eines nicht vorhandenen Personenstandes, oder Unterdrückung, d. h. Verheimlichung des wahren Personenstandes. Die Herbeiführung eines Z u s t a n d e s ist erforderlich, aber auch genügend. 2 ) Es genügt nicht, wenn jemand sich in einem Einzelfalle für einen anderen ausgibt ( S t G B § 360 Ziff. 8) oder den Tod eines anderen oder dessen Verheiratung verheimlicht. Dagegen fällt unter das Gesetz sowohl die Unterdrückung des Personenstandes eines V e r s t o r b e n e n , als auch die Veränderung des e i g e n e n Personenstandes, wenn und soweit 3 ) dadurch der Personenstand anderer lebender Menschen berührt wird. Durch Einwilligung des Betroffenen wird die Strafbarkeit nicht berührt, weil der Personenstand der freien Verfügung seines Trägers nicht untersteht. Als besonders wichtigen Fall hebt der Gesetzgeber, der geschichtlichen Überlieferung folgend, die U n t e r s c h i e b u n g oder v o r s ä t z l i c h e V e r w e c h s l u n g e i n e s K i n d e s h e r v o r , d. h. einer jugendlichen Person, die wegen ihres Alters noch keine klare Kenntnis ihrer eigenen Familienzugehörigkeit hat und daher die Pläne des Täters zu zerstören nicht imstande ist. 4 ) S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Jahren; wenn in gewinnsüchtiger Absicht (vgl. unten § 13g II 4) begangen, Zuchthaus bis zu zehn Jahren. V e r s u c h strafbar. ') So Reis. Bedenklich auch Binding Lehrb. 1 233 (Personenstandsfälschung), Kohlrausch 471 (Angriffsobjekt die Beweisbarkeit). Gegen diese Stracke (Lit. zu § 112) 20. 2) Ebenso R 3 6 137 und Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 169 Note 4. Es handelt sich nicht um ein Dauer-, sondern um ein Zustandsdelikt (oben $ 56 III j e ) . Die Verletzung kann dadurch erfolgen, daß die Mutter einen Dritten als unehelichen Vater bezeichnet: oben § 112 Note 1. — Bedenklich R 39 252 (Unterdrückung eines bereits unterdrückten Personenstandes). a) Das totgeborene Kind hat keinen Personenstand: R 4 3 402. Wenn es aber als lebend in das Register eingetragen wird, kann dadurch der Personenstand eines anderen verändert werden. Das wird von Frank § 169 I wohl übersehen. 4) Vgl. oben § 90 II 1. Ebenso Allfeld 468, Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 1 6 9 Note 5, Frank § 169 II, Schwartz § 169 Note 4, Wachenfeld 450.

§ 114.

2. Strafbare Handlungen bei Schließung der Ehe.

403

D i e V e r j ä h r u n g beginnt mit der Handlung selbst, durch welche die Veränderung oder Unterdrückung des Personenstandes erfolgt.

III. § 68 des Personenstandsg. vom 6. Februar 1875 bedroht als Gefährdung des Personenstandes die Verletzung der in den § § 1 7 bis 20, 22 bis 24, 56 bis 58 dieses Gesetzes begründeten A n z e i g e p f l i c h t e n . Doch tritt die Strafverfolgung nicht ein, wenn die Anzeige, o b w o h l n i c h t v o n d e n z u n ä c h s t V e r p f l i c h t e t e n , doch rechtzeitig gemacht worden ist. S t r a f e : Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark oder-Haft.

§ 114.

2. Strafbare Handlungen bei Schließung der Ehe.

Literatur. Kohlrausch V D Bes. T . 4 473. — Bittner Die Eheerschleichung. Würzburger Diss. 1907. Carnier Der Ehebetrug. Gießener Diss. 1909. Stracke (Lit zv § 11?.).

I. Die Eheerschleichung (der Ehebetrug) umfaßt nach S t G B § 170 zwei Fälle: 1 ) 1. Die a r g l i s t i g e V e r s c h w e i g u n g e i n e s g e s e t z l i c h e n (und zwar trennenden) E h e h i n d e r n i s s e s b e i E i n g e h u n g d e r E h e . „Arglist" ist (wie beim Betrug) Täuschung durch Vorspiegelung, Unterdrückung oder Entstellung von Tatsachen. 2 ) 2. D i e a r g l i s t i g e V e r l e i t u n g d e s a n d e r e n T e i l e s z u r E h e s c h l i e ß u n g mittels einer Täuschung, die diesen berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten. S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten. Auflösung der E h e aus einem dieser Gründe ist B e d i n g u n g d e r S t r a f b a r k e i t (oben § 44 III).*) A n t r a g s v e r g e h e n ; d i e A n t r a g s f r i s t beginnt z u laufen erst mit der Kenntnis des Berechtigten von dein die E h e lösenden rechtskräftigen Erkenntnisse (oben § 44 Note 4). Dagegen l ä u f t die V e r j ä h r u n g s f r i s t schon von dem Tage, an dem die Handlung begangen ist, also von dem Tage der Eheschließung (oben § 44 III).

II. Es gehören weiter hierher drei Amtsverbrechen, von denen das letzte nach geltendem Recht zu den Amtsdelikten im engeren Sinne gehört: ') V E § 178 f a ß t zusammen: „ W e r einen andern durch arglistige Täuschung zur Eingehung einer nichtigen oder anfechtbaren E h e bestimmt." Ebenso G E § 230 und K E § 335. Dagegen kehrt E 1919 im wesentlichen zum geltenden Recht zurück (vgl. Denkschrift S. 281). *) V g l . oben § 98 I I I 3. Ebenso Allfeld 474. Dagegen verlangen Binditlg Normen 2 605, Frank § 170 I die A b s i c h t oder doch das Bewußtsein, den anderen Teil zu schädigen. Ähnlich Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 170 Note 3. N a c h SchwartZ § 170 Note x ist Arglist „die schlechthin verwerfliche L i s t " . ^ Die Streitfrage ist dieselbe wie beim Ehebruch (unten § 116 Note 3). Übereinstimmend Binding Normen 1 130, 2 464; dagegen die meisten, insbes. Alifeld 472, Binding 1 6 o i , Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 170 Note 6, Finger 1 120, Frank § 172 I I I , Rittler Österreich. Z. 8 338, 339, 340, Wachenfeld 452, R wiederholt, zuletzt 5 261, 22 135, die hierin nur eine Bedingung der Strafverfolgung erblicken. 26*

§ ii5.

404 1. des

3- Die mehrfache E h e .

Standesbeamten,

der

unter

(vorsätzlicher)

Außeracht-

lassung der „in diesem Gesetze und i n d e m B ü r g e r l i c h e n buche"

gegebenen

Vorschriften

„eine

Eheschließung

(§ 69 des Personenstandsg. vom 6. Februar 2. des Geistlichen oder Religionsdieners

Gesetz-

vollzieht" 4 )

1875); (Begriff unten

I I I 5), der zur T r a u u n g schreitet, bevor ihm nachgewiesen ist, daß die E h e

vor dem

Standesbeamten

§ 174 worden

geschlossen sei

(§ 67

Personenstandsg.; an Stelle des § 337 S t G B getreten); 5 ) 3.

des

(Religionsdieners

oder)

Personenstandsbeamten,

wissend, d a ß eine Person verheiratet ist, deren neue E h e (StGB

§ 338; unten

der,

schließt"®)

§ 179 III).

In allen Fällen kann überdies Beihilfe zur Doppelehe in F r a g e kommen.

Die Verjährung

beginnt (anders nach S t G B

§ 171) mit

der Vornahme der strafbaren Handlung. S t r a f e : Zu 1: Geldstrale bis zu sechshundert Mark. Zu 2: G e l d s t r a f e bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten. Zu 3. Zuchthaus bis zu fünf Jahren; Versuch strafbar. Die S t r a f b a r k e i t zu 2 entfällt 7 ) im Falle einer lebensgefährlichen, einen A u f s c h u b nicht gestattenden E i krankung eines der Verlobten.

§ 115.

3. Die mehrfache Ehe.

Literatur. Mittermaier V D Bes. T . 4 84. — Hätschner G S 22 424. v. Weickhmann Die V i e l e h e deutscher Reichsangehöriger in mohammedanischen S t a a t e n . Greifswalder Diss. 1895. Seckel Die A u f h e b u n g und die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft nach dem B G B 1900. Thomsert DJZ 14 1433. Hoche D a s Verbrechen der B i g a m i e unter besonderer Berücksichtigung der im Auslande abgeschlossenen bigamischen Ehen. Heidelberger Diss. 1912. Becker D i e strafrechtlichen Konsequenzen einer nichtigen E h e . Münstersche Diss. 1912. Stracke (Lit. zu § 112). I Geschichte. Die m e h r f a c h e E h e , regelmäßig, aber ungenau, Doppelehe oder Bigamie genannt, ist die Verletzung des E h e b a n d e s durch M i ß ' b r a u c h der E h e s c h l i e ß u n g s f o r m . Im römischen R e c h t seit Diokletian mit Infamie belegt (1. 18 C. 9, 9), ist sie der Auffassung des früheren deutschen Mittelalters als besonderes Vergehen fremd und, soweit nicht das kirchliche R e c h t eingreift, nur als Ehebruch oder E n t f ü h r u n g s t r a f b a r (FrauenStädt Z 10 234). Erst die späteren Quellen, z. B . die S t a d t r e c h t e v o n Ripen, Soest, Hamburg, Bremen u. a. aus dem 13. Jahrhundert (Loeriing Z 5 224, Osenbrüggen Alamannisches Strafrecht 282, Knapp 228 und Z 12 236) sowie die Tiroler Malefizordnung 1499, erwähnen die Doppelehe als selbständig strafbare Handlung. Während Bambergensis 146 die Todesstrafe als den kaiserlichen Rechten zuwiderlaufend ausdrücklich ausschloß, bestimmte d i e P G O in Art. 121, *) Die gesperrten W o r t e sind eingefügt durch A r t . 46 I V E G zum B G B . — A b e r auch durch diese erweiterte Fassung werden die F ä l l e nicht getroffen, in denen eine E h e deutscher Staatsangehöriger nach dem G v o m 4. Mai 1870 im Auslande vor dem deutschen K o n s u l usw. geschlossen wird. 6) Eingearbeitet in G E als § 229 [sowie in K E § 334, n i c h t aber in E 1919]. 6) Zu B G B § 1317 v g l . § 75 Personenstandsges. 7) A r t . 46 I I I E G zum B G B . Vgl. oben § 34 N o t e 9.

§ 115.

3-

mehrfache Ehe.

405

«laß die der Doppelehe Schuldigen, „wiewohl die kaiserlichen Hechte auf solche Übeltat keine Strafe am Leben setzen . . . nicht weniger als die Ehebrüchigen peinlich gestraft werden sollen". Das gemeine Recht verhängte demgemäß die Strafe des Schwertes (so Kurpfalz 1582, Hamburg 1603, Bayern 1616, Preußen 1620, Österreich 1056), verlangte aber, eben wegen der Gleichstellung mit dem Ehebruch, zur Vollendung Vollziehung des Beischlafs (so noch Bayern 1751, Österreich 1786). Auch die gemeinrechtliche Literatur (Koch, Kreß, Böhme u. a.) hielt an dieser Auffassung fest und dehnte die Straibarkeit auf das crimen binorum sponsaliorum aus, bis die Aufklärungszeit (von rhomasius bis auf Soden) die Strafbarkeit überhaupt in Frage stellte. Erst mit dem Siege der staatlichen Eheschließung ist die Stellung der mehrfachen Ehe im Systeme gesichert. I I . Doppelehe ist n a c h S t G B § 1 7 1 S c h l i e ß u n g e i n e r E h e von einem oder mit einem E h e g a t t e n , bevor die frühere Elie aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist.1) V o r a u s g e s e t z t ist m i t h i n eine d e n gesetzlichen V o r s c h r i f t e n über die F o r m d e r E h e s c h l i e ß u n g entsprechende E h e , m a g diese auch nichtig sein.®) N i c h t nur der verheiratete, sondern auch der unverheiratete Teil ist n a c h d e m einheitlichen S t r a f r a h m e n des Gesetzes strafbar. 3 ) Ü b e r d e n Beihilfe leistenden Religionsdiener oder Personenstandsb e a m t e n v g l . oben § 1x4 I I . V o r s a t z ist erforderlich; eventueller V o r s a t z g e n ü g t . Der V e r s u c h beginnt m i t d e m A n f a n g e der Eheschließungshandlung, 4 ) so d a ß V e r l o b u n g , A u f g e b o t , F a h r t z u m S t a n d e s b e a m t e n usw. als straflose V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n erscheinen. Die V o l l e n d u n g ist m i t der durch die E r k l ä r u n g e n der V e r l o b t e n ( B G B § 1 3 1 7 ) vollendeten E h e s c h l i e ß u n g g e g e b e n ; Geschlechtsgemeinschaft ist nicht erforderlich. D i e D o p p e l e h e ist m i t h i n kein D a u e r verbrechen, sondern ein Z u s t a n d s v e r b r e c h e r 5 ) S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten. ») Vgl. Art. 34 V E G zum B G B . Auch eine nach B G B gültige zweite Ehe kann mithin strafbare Bigamie sein. — Kürzer V E § 179: „wer wissentlich eine Ehe eingeht, die für ihn oder den andern Ehegatten eine Doppelehe ist." Ebenso GE § 231. K E § 336 und E 1919 § 337 kehren zu dem geltenden Recht zurück, letzterer unter Vereinfachung der Fassung. 2) Ebenso Ebermayer in RGRäteKomm. § 171 Note 3, Frank § 171 I, Sctrwartz § 171 Note 2. Dagegen Wachenfeld 453. 3) Wenn ein Gatte (A), nachdem der andere (B) für tot erklärt worden ist, eine neue Ehe (mit C) eingeht, so ist, falls B noch lebt, die neue Ehe nur dann nichtig, wenn beide Gatten bei der neuen Eheschließung wissen, daß B die Todeserklärung überlebt hat. War daher nur A , nicht aber C in bösem Glauben, so wird m i t d e r S c h l i e ß u n g der n e u e n E h e die frühere aufgelöst (BGB § 1348). A kann aber dennoch nach S t G B § 171 gestraft werden, da bei Schließung der neuen Ehe die alte noch nicht aufgelöst war. 4) Nach SchwartZ § 171 Note 5 beginnt der Versuch für jeden Teil mit dem Beginn seiner Erklärung, nach Ebermayer in RGRäteKomm. §171 Note 6 mit der Frage des Standesbeamten, ob die Verlobten die Ehe eingehen wollen (Abweichung vom Text ?). 5) Ebenso RMilG 19 233.

406

§ 116.

4. Der Ehebruch.

Die V e r j ä h r u n g beginnt, kraft besonderer, aus allgemeinen Grundsätzen (oben § 77 II) nicht abzuleitender, daher auf andere Fälle nicht auszudehnender Vorschrift des Gesetzes, erst mit dem Tage, an dem eine der beiden Ehen aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist.

§ 116. 4. Der Ehebruch. Literatur. Mittermaier V D Bes. T. 4 91. — Hälschner GS 22 401. Rosenthal Die Rechtsfolgen des Ehebruchs nach kanonischem und deutschem Recht 1880. Bennecke Die strafrechtliche Lehre vom Ehebruch 1884. Kahn Die Bestrafung des Ehebruchs in der heutigen Gesetzgebung und de lege ferenda. Tübinger Diss. 1902. Seckel (Lit. zu § 115). Welsch Die Bestrafung des Ehebruchs nach römischem, kanonischem und älterem deutschen Recht. Heidelberger Diss. 1908. Ahrens Das Ehescheidungserfordernis des § 172 StGB. Rostocker Diss. 1908. Wolff Das Rechtsschutzobjekt und das Problem der Bestrafung des Ehebruchs. Heidelberger Diss. 19081 Pfeil Der Ehebruch in seiner geschichtlichen Entwicklung und nach geltendem Recht 1908. Cohn (Manfred) Das Problem der Bestrafung fies Ehebruchs (V. LH. Heft 190) 1916. Goetsch Beiträge zur Frage der Bestrafung des Ehebruchs. Greifswalder Diss. 1918. Mittermaier Der Ehebruch (Abhandlungen aus dem Gebiete der Sexual forschung II 1) 1919. I. Geschichte. Erst durch die lex Julia de adulteriis vom Jahre 17 v. Chr. wurde der Ehebruch dem Kreise der vom r ö m i s c h e n R e c h t e mit öffentlicher Strafe belegten Verbrechen eingefugt (D. 48, 5; C. 9, 9); seit dem 3. Jahrhundert trifft ihn kapitale Strafe. Im übrigen blieb der Gesetzgeber den aus der hausherrlichen Gewalt des Mannes erklärlichen Volksanschauungen treu: Nur der Bruch der ehelichen Treue durch die Frau und die Störung fremder Ehe durch den Mann (temerator alienarum nuptiarum), nicht aber der geschlechtliche Verkehr des verheirateten Mannes mit einer unverheirateten weiblichen Person, erschien als adulterium. Die uralte Tötungsbefugnis blieb, wenn auch nur innerhalb enger Grenzen, dem Vater sowohl als auch dem Gatten. Nach Justinianischem Recht trifft den Ehebrecher das Schwert; die Ehebrecherin kommt ins Kloster, aus dem sie ihr Gatte nach zwei Jahren befreien kann (Novelle 134). Seit Konstantin ist das Anklagerecht auf die nächsten Verwandten beschränkt. Auch nach der Auffassung des d e u t s c h e n Rechts kann der Ehebruch nur von der verheirateten Frau und ihrem Mitschuldigen begangen werden. Von der Strafgewalt des Ehemannes berichtet uns TacitUS Germ. 19. Die Unzucht der Braut mit einem anderen steht dem Ehebruche der Frau gleich. Die Auffassung der K i r c h e , die, von der Bedeutung der Ehe als Sakrament ausgehend, von dem Manne dieselbe Keuschheit forderte wie von der Frau (c. 4 C. 32 qu. 4), vermochte dem weltlichen Rechte gegenüber nicht durchzudringen, obwohl der Ehebruch zumeist zur kirchlichen Gerichtsbarkeit gezogen wurde. Ssp. 2 13, 5 setzt wie Schsp. 174 III auf die „overhure" das Schwert; meist aber begnügte sich die Rechtsprechung mit willkürlicher Strafe. Die Bambergensis 145 hatte die verschiedenen Fälle noch genau zu trennen versucht; der Mann, der mit einer Ehefrau die Ehe brach, sollte mit dem Schwert, dagegen der Ehebruch „mit einem ledigen Weibsbild" nur willkürlich gestraft werden, Verfolgung vom Amts wegen nur bei „öffentlichem, unzweifelhaftem, ärgerlichem Ehebruche" stattfinden. PGO 120 begnügte sich mit der Verweisung auf „die Sage unserer Vorfahren und unsere kaiserlichen Rechte". Damit war der Landesgesetzgebung freier Spielraum gelassen. Vielfach bemühte sich diese, Mann und Weib gleichzustellen, und bedrohte

| n6.

4. Der Ehebruch.

407

auch den Ehemann, der sich mit einem Mädchen verging, mit dem Schwerte (Z 1 0 235); so Sächsische Konstitutionen 4 18 (dazu Distel Z 10 431), Preußen 1620, wiederholte österreichische Verordnungen im 16. und 17. Jahrhundert. Sachsen h a t erst 1783 die Todesstrafe beseitigt. Dennoch war die Rechtsprechung sehr schwankend (praxis incertissima, klagt Böhmer), und die Todesstrafe wurde wohl nur selten verhängt. Öffentliche Verfolgung blieb ausgeschlossen; nur bei öffentlichem Ärgernis (durch Zusammenwohnen mit der Beischläferin) wurde nach den RPolizeiverordnungen von A m t s wegen eingeschritten. Noch milder war die Zeit der Aufklärung; sah sie doch in dem Ehebruch nur die Verletzung des aus dem Ehevertrage entspringenden rein privatrechtlichen Anspruches auf ausschließlichen geschlechtlichen Verkehr. Österreich 1787 verwies den Ehebruch unter die „politischen Verbrechen"; auch A L R 1062 ist nur gegen die ehebrecherische Frau streng. Die neuere Gesetzgebung hat, von wenigen Ausnahmen (auch Hamburg 1869) abgesehen an der Strafbarkeit des Ehebruchs trotz der entgegenstehenden schweren Bedenken festgehalten (indem sie die Ehe als Grundlage der staatlichen Ordnung betrachtet), diese aber mannigfach eingeschränkt. Dabei ist insbesondere auf deutschem Boden zumeist übersehen worden, daß die größere Strafwürdigkeit der Frau, dem Ehemann gegenüber, in der perturbatio sanguinis physiologisch begründet ist. V E § 180 und G E § 232 wiederholen das geltende Recht. Nach K E § 337 Abs. 3 kann von Bestrafung abgesehen werden, wenn zur Zeit der T a t die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben und nach Lage des Falles eine Bestrafung nicht geboten ist. Ebenso E 1919 § 339 Abs. 4. I I . Der geben

Begriff des Ehebruchs

vorausgesetzt.

wird von § 172 R S t G B als ge-

Nach allgemeinem Sprachgebrauche wird der

Ehebruch nur begangen durch B e i s c h l a f

(oben § i n III), während

jeder andersartige, wenn auch sittlich noch so verwerfliche geschlechtliche Verkehr mit Personen des anderen oder desselben Geschlechts nicht als Ehebruch betrachtet wird. 1 )

Auch der verheiratete Mann,

der eine Frauensperson zum Beischlaf verleitet ( S t G B

nötigt

(StGB

§ 177) oder

§ 179), macht sich des Ehebruchs schuldig; nicht

aber der unverheiratete, der sich in dieser Weise gegen eine Ehefrau vergeht, denn in diesem Falle ist die Scheidung

der Ehe

ausge-

schlossen. 2 ) Voraussetzung des Ehebruchs ist das Gegebensein einer materiell bestehenden (also nicht nichtigen), wenn auch anfechtbaren Ehe.*) Bei Aufhebung der

ehelichen Gemeinschaft ( B G B § 1575) entfällt

mit der Treupflicht die Möglichkeit des Ehebruchs.

Die Vollendung

tritt mit der Vereinigung der Geschlechtsteile ein; Samenerguß ist nicht erforderlich. Der Ehebruch ist jedoch nur dann strafbar, wenn w e g e n d i e s e s E h e b r u c h s die E h e geschieden und damit festgestellt *) Anders das A L R , welches „Sodomiterei und andere unnatürliche Laster" ausdrücklich gleichgestellt hatte. a ) Dagegen (völlig willkürlich) Binding Lehrb. 1 233. 3) Nach SctwartZ § 172 Note 2 ist Ehebruch auch bei der materiell nichtigen E h e möglich; das ist aber rein privatrechtlich gedacht. Über das Bestehen der Ehe h a t der Strafrichter zu entscheiden. W i e der T e x t Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 172 Note 3.

§ 117.

408

G e s c h i c h t e u n d Begriff d e r R e l i g i o n s d e l i k t e .

ist, d a ß er d a s eheliche Z u s a m m e n l e b e n unmöglich g e m a c h t h a t . 4 ) Nach B G B auf

§ 1565 Abs. 2

Scheidung

ist d a s R e c h t d e s verletzten

und d a m i t die

Ehegatten

S t r a f b a r k e i t des schuldigen

Teiles

ausgeschlossen, w e n n jener d e m E h e b r u c h e z u g e s t i m m t oder sich der T e i l n a h m e ( A n s t i f t u n g oder Beihilfe) schuldig g e m a c h t h a t . D e r E h e b r u c h ist A n t r a g s v e r g e h e n . D e r Lauf d e r A n t r a g s f r i s t beginnt mit der Kenntnis von der R e c h t s k r a f t des Scheidungsurteils (oben § 44 N o t e 4), w ä h r e n d die V e r j ä h r u n g d e r S t r a f v e r f o l g u n g n a c h a l l g e m e i n e r Regel schon m i t der Begehung des E h e b r u c h s beginnt, allerdings a b e r n a c h § 69 S t G B während der D a u e r des Scheidungsverfahrens r u h t . Die S t r a f e des E h e b r u c h s b e t r ä g t G e f ä n g n i s bis zu sechs M o n a t e n .

V. Strafbare Handlungen gegen die Religionsfreiheit und das religiöse Gefühl. § 117.

Geschichte und Begriff.

L i t e r a t u r . Kahl V D B e s . T 3 1. Derselbe F e s t s c h r i f t f ü r B r u n n e r 1914 S. 231. Kohler S t u d i e n 1 : 6 o , ä 596. Wach D e u t s c h e Z f ü r K i r c h e n r e c h t 2 2, 261. Crusetl D e r s t r a f r e c h t l i c h e S c h u t z des R e c h t s g u t e s d e r P i e t ä t 1890 ( A b h d l g n . des K r i m i n a l i s t . S e m i n a r s (Halle a / S ) 2 1). V. Rohland H i s t o r i s c h e Wandlungen der Religionsverbrechen. Festschrift zum Regierungsjubiläum des G r o ß h e r z o g s F r i e d r i c h 1902. Buch D i e R e l i g i o n s v e r b r e c h e n i m R S t G B . Leipziger Diss. 1903. Beling D i e B e s c h i m p f u n g v o n R e l i g i o n s g e s e l l s c h a f t e n u s w . ( F s t g a b e f ü r D a h n ) 1905. Freymond D i e R e l i g i o n s d e l i k t e d e s d e u t s c h e n RStGB. Leipziger D i s s . 1906. Baur D i e R e l i g i o n s v e r g e h e n i m d e u t s c h e n S t r a f r e c h t , H e i d e l b e r g e r D i s s . 1907. V. Tempski D i e R e l i g i o n s v e r g e h e n . H e i d e l b e r g e r Diss. 1908. Moser Religion u n d S t r a f r e c h t , i n s b e s . d i e G o t t e s l ä s t e r u n g (V. Lil. H e f t 110) 1909. Kohlrausch D i e B e s c h i m p f u n g v o n Religionsgesells c h a f t e n 1908. Wulffen R e f o r m 2 120. Feder D i e R e l i g i o n s v e r g e h e n i m V E ( H ä r i n g s c h e F e s t g a b e f ü r v . L i s z t S. 54) 1911. Glaser Z 3 3 825. Misch D e r s t r a f r e c h t l i c h e S c h u t z d e r G e f ü h l e (V. Lil. H e f t 133) 1911. Pjeifer D i e s t r a f r e c h t l i c h e S t e l l u n g d e r Geistlichen u n d R e l i g i o n s d i e n e r . F r e i b u r g e r Diss. 1911. Rode D i e G o t t e s l ä s t e r u n g . R o s t o c k e r D i s s . 1911. Heppacher § 166 R S t G B u n d d i e R e f o r m . E r i a n g e r Diss. 1912. Wesenberg D e r s t r a f r e c h t l i c h e S c h u t z d e r g e h e i l i g t e n G e g e n s t ä n d e (V. Lil. H e f t 158) 1912. Ahrens D e r s t r a f r e c h t l i c h e S c h u t z d e s religiösen G e f ü h l s i m g e l t e n d e n R e c h t , i m V E u n d i m G E (V. Lil. H e f t 159) 1912. Bode D i e R e l i g i o n s d e l i k t e i m S t G B . L e i p z i g e r Diss. 1914. König D i e R e l i g i o n s d e l i k t e n a c h k a n t o n a l schweizerischem S t r a f r e c h t (V. Lil. H e f t 195) 1917. Ettinger Z u r L e h r e v o n d e n R e l i g i o n s v e r g e h e n (v. LH. H e f t 203) 1919. — E. Merkel D e r L e i c h e n r a u b 1904. Koch L e i c h n a m u n d G r a b i m S t r a f •) S c h e i d u n g w e g e n e i n e s E h e b r u c h s b e d e u t e t d a h e r S t r a f l o s i g k e i t aller a n d e r e n . E b e n s o r e c h t l i c h e U n m ö g l i c h k e i t d e r S c h e i d u n g . — D i e Scheid u n g i s t B e d i n g u n g d e r S t r a f b a r k e i t ; v g l . o b e n § 114 N o t e 3. E b e n s o Cohn. D a g e g e n d i e M e i s t e n ; so a u c h Ebermayer a . a . O . N o t e 7 u n d Schwarte § 172 N o t e 1. — S c h w i e r i g k e i t e n e n t s t e h e n , w e n n D o p p e l e h e b r u c h v o r l i e g t . H i e r k a n n der verheiratete Mitschuldige gestraft werden, a u c h wenn s e i n e E h e n i c h t gelöst ist, und s e i n G a t t e keinen S t r a f a n t r a g stellt. — T ö t e t der E h e b r e c h e r d e n v e r l e t z t e n G a t t e n i m Z w e i k a m p f , so s i c h e r t e r sich u n d d e r F r a u d a m i t die S t r a f l o s i g k e i t w e g e n E h e b r u c h s .

§ 117.

Geschichte und Begriff der Religionsdelikte.

409

recht. Rostocker Diss. 1910. Gareis Das Recht am menschlichen Körper (Festgabe für Schirmer) 1910. Pelrakos Die Toten im Recht 1905. — Mommsen 5 6 7. 595- Hinschius Kirchenrecht 4 790. I. Geschichte. Wenige Vergehen bieten der richtigen grundsätzlichen Auffassung und d e r durch diese bedingten Einreihung in das System größere Schwierigkeiten als die Religionsvergehen; wenige Vergehen h a b e n im L a u f e der J a h r h u n d e r t e öfter und rascher ihre E i g e n a r t verändert, Umfang und I n h a l t gewechselt. 1. Das r ö m i s c h e R e c h t der republikanischen Zeit kennt keine Religionsvcrbrechen (deorum i n j u r i a e diis cura). E r s t den Lehren des J u d e n t u m s e n t s t a m m t die Auffassung, daß die weltliche Rechtsordnung die Aufgabe habe, die rachsüchtige G o t t h e i t selbst zu schützen gegen frevelnde Beleidigung. D a m i t ist G o t t zum Menschen herabgewürdigt; und um die G o t t e s l ä s t e r u n g (Blasphemie) schließen sich eine Anzahl anderer Religionsverbrechen zusammen zum c r i m e n l a e s a e m a j e s t a t i s d i v i n a e , d e m ersten und schwersten aller Verbrechen, in seinem Tatliestande dem bürgerlichen M a j e s t ä t s verbrechen nachgebildet, wie der Begriff des göttlichen Herrschers dem des irdischen Landesherrn. Das ist der S t a n d p u n k t des spätrömischen Rechts, das in Novelle 77 die Gotteslästerung m i t der Todesstrafe belegte, d a m i t das L a n d nicht vom Zorne der unversöhnten Gottheit heimgesucht werde. Auf ihr b e r u h t der Wormser Reichsabschied von 1495, auf dem Art. 106 der P G O f u ß t . Dieser bedroht mit Strafe an Leib, Leben oder Gliedern (Verlust der Zunge: Sächsische Konstitutionen 4 1, Josephina 1707; vgl. Günther 2 62, aber auch Z 9 210) denjenigen, „welcher Gott zumißt, was Gott nicht bequem ist, oder mit seinen Worten Gott, was i h m zusteht, abschneidet, die Allmächtigkeit Gottes, seine heilige Mutter, die J u n g f r a u Maria, schändet". Das gemeine R e c h t weist manche Schwankungen auf. Zumeist unterschied m a n unmittelbare u n d mittelbare Lästerung Gottes u n d b e s t r a f t e die erstere m i t dem Tode. Daneben finden sich auch, insbesondere in den RPolizeiverordnungen von 1530, 1548 und 1577, zahlreiche Bestimmungen gegen das F l u c h e n u n d S c h w ö r e n . Auch die unterlassene Anzeige wurde unter Strafe gestellt. Vergebens t r a t e n die Schriftsteller der Aufklärungszeit (Montesquieu, Quistorp u. a.) für die Straflosigkeit ein. Joseph II. drohte 1787 (nach dem Vorschlage Martinis) m i t Einsperrung ins Tollhaus. Erst im ALR 217 („Wer durch öffentlich ausgestoßene grobe Gotteslästerungen zu einem Ärgernis Anlaß gibt") finden wir als neuen Gesichtspunkt die Betonung des r e l i g i ö s e n G e f ü h l s . 2. Seitdem das Christentum im römischen Reiche zur S t a a t s r e l i g i o n erklärt worden (379), wird diese durch strenge Strafdrohungen geschützt. A p o s t a s i e und H ä r e s i e erscheinen als politische Verbrechen, wie seit dem Jahre 425 (Valentinian ¡11.) das B e k e n n t n i s z u m H e i d e n t u m . Im deutschen Mittelalter zur kirchlichen Gerichtsbarkeit gehörend, wird die K e t z e r e i in den weltlichen Quellen meist mit dem Feuertode bedroht (Ssp. 2 13, 7). Auf alamannischem Boden fand die erste Ketzerverbrennung 1229 statt (Osenbriiggen 90). Auf dem gleichen Standpunkte steht die Bambergensis 130. Das Schweigen der PGO läßt der Landesgesetzgebung freien Spielraum. Brandenburg 1582, die Tiroler Landesordnungen, zahlreiche österreichische Verordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts halten an der Todesstrafe fest. Dagegen will Cafpzov nur Landesverweisung. Thotnosius bekämpft schon 1697 die Strafbarkeit der Häresie. Doch finden sich beide Verbrechen noch in Bayern 1751 und Österreich 1768. Aber auch das Zeitalter der Aufklärung hat, freilich von anderem Standpunkte aus, an dieser

4IO

§ 117-

Geschichte und Begriff der Religionsdelikte.

Auffassung festgehalten. Ihm ist die Religion der „Leitriemen", mit dem der S t a a t seine Untertanen lenkt (Sonnenfels). Verbreitung von Irrlehren, Verleitung zum A b f a l l vom christlichen Glauben werden daher in Österreich 1787, das Sektenstiften in Preußen 1794 unter Strafe gestellt. Portugal schützt noch heute die Staatsreligion; Österreich h a t erst durch das G vom 25. Mai 1868 Wandel geschafft. Und dieselbe Auffassung, wenn auch in veränderter Gestalt, kehrt in unseren Tagen wieder bei den Schriftstellern, welche die Religion an sich als „Grundlage des Staatslebens" oder als „ K u l t u r g u t " unter strafrechtlichen Schutz gestellt und die Gotteslästerung als Vergehen gegen die öffentliche Ordnung bestraft wissen wollen (Wahlberg, Kohler, Kahl). 3. Die richtige Auffassung beruht auf der Erkenntnis, d a ß die Aufgabe des Staates sich darauf zu beschränken h a t , die F r e i h e i t d e r R e l i g i o n s ü b u n g gegen rechtswidrige Verletzung zu schützen. Damit erscheint die schon im Justinianischen R e c h t (Novelle 123 c. 31) mit kapitaler Strafe bedrohte S t ö r u n g d e s G o t t e s d i e n s t e s , die turbatio sacrorum, als der Kernp u n k t der Religionsverbrechen. A L R 214 steht bereits teilweise auf diesem Standpunkte. Mit voller Bestimmtheit vertritt ihn der Code penal. Im 19. Jahrhundert t r i t t d i e F r i e d e n s s t ö r u n g mehr und mehr in den Vordergrund. G E § 173 stellt die Religionsdelikte, der Anregung Kahls folgend, in diese Gruppe, während V E §§ I55ff. und ihm folgend K E §§ 222ff. und E 1919 § § 2 i 5 f f . an dem geltenden R e c h t festhalten. Daneben kann d i e G o t t e s l ä s t e r u n g (mit einigen anderen Tatbeständen) nur als Verletzung des r e l i g i ö s e n G e f ü h l e s in Betracht kommen; die Erregung eines Ärgernisses ist daher unentbehrliches Begriff smerkmal (abweichend dieEntwürfe [bis auf E i 9 1 9 § 215, der mit R e c h t die d a s r e l i g i ö s e E m p f i n d e n v e r l e t z e n d e Gotteslästerung unter Strafe stellt und dasselbe Moment auch bei der Beschimpfung von Roligionsgesellschaften hervorhebt]). II.

Die

Bestimmungen

unseres

StGB

zerfallen

in

zwei

Gruppen.1) 1. D e r s t r a f r e c h t l i c h e S c h u t z g i l t z u n ä c h s t d e r R e l i g i o n s f r e i h e i t (dem Religionsfrieden), d. h. der freien B e t ä t i g u n g der

religiösen

Überzeugung innerhalb der bestehenden R e l i g i o n s g e s e l l s c h a f t e n ; Hinderung

ihres

Gottesdienstes

(StGB

§ 167), B e s c h i m p f u n g

der

G e s e l l s c h a f t ( S t G B § 1 6 6 , 2. S a t z ) , U n f u g i n d e n z u r e l i g i ö s e n V e r s a m m l u n g e n b e s t i m m t e n O r t e n ( S t G B § 1 6 6 , 3. S a t z ) w e r d e n u n t e r Strafe gestellt. D i e Religionsdiener genießen keinen erhöhten Schutz. Die

Wegnahme oder Beschädigung

dienste

gewidmet

sind, die

von

Sachen, die d e m

Beschädigung

von

Gottes-

Gegenständen

der

V e r e h r u n g w e r d e n strenger bestraft, als w e n n andere Sachen in Frage stehen 2.

(StGB Aber

§§ 2 4 3 Z i f f . 1 , 3 0 4 ) . auch

unabhängig

von

jeder

genossenschaftlich-kon-

fessionellen G r u n d l a g e w i r d d a s religiöse Gefühl d e s

einzelnen,

d . h . d i e g e m ü t l i c h b e t o n t e Ü b e r z e u g u n g ( o b e n § 1 0 3 I 2) v o n e i n e r *) Abweichend rechnen die O b j e k t e der „Religionsdelikte" zu den allgemeinen Rechtsgütern namentlich Allfeld, v . Rohland und Kahl (der aber die selbständige Stellung der Gruppe verwirft). — Die Verletzung der Sonntagsruhe, von Bindini zu den Religionsdelikten gestellt, hat heute im wesentlichen sozialpolitische Bedeutung.

§ Ii8.

Die einzelnen Religionsvergehen.

411

über dem Menschen stehenden Weltordnung, geschützt; S t G B § 166, 1 . Satz bedroht die Gotteslästerung, § 168 die Verletzung des Totenund Gräberfriedens, § 304 die Beschädigung von Grabmälern; auch § 189 (Beschimpfung des Andenkens eines Verstorbenen) wird von manchen hierher gerechnet (oben § 95 Note 5). Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die Erörterung der im 11. Abschnitte des R S t G B zusammengefaßten Vergehen. I I I . Die reichsrechtliche Regelung der sog. Religionsvergehen ist abschließend, landesrechtliche Ergänzung rechtsunwirksam. *)

§ 118.

Die einzelnen Religionsvergehen

I. Gotteslästerung ist nach S t G B § 166 E r r e g u n g e i n e s Ä r g e r n i s s e s d u r c h ö f f e n t l i c h u n d in beschimpfenden Ä u ß e r u n g e n erfolgende Lästerung Gottes.1) Der Gottesbegriff ist nicht im Sinne einer philosophischen, über Zeit und Raum sich erhebenden Verallgemeinerung oder im Sinne des allen christlichen Bekenntnissen mit dem Judentume gemeinsamen Monotheismus, sondern so aufzufassen, wie er von den Gottesgläubigen in und außer den anerkannten Religionsgesellschaften tatsächlich gefaßt wird; 2 ) daher fällt auch die Lästerung des Gottessohnes oder des heiligen Geistes wie des jüdischen Jehovah unter den Begriff der Gotteslästerung. Die Lästerung, d. h. (wie bei der Beleidigung) die Kundgebung der Nichtachtung, muß ö f f e n t l i c h (oben § 109 I) und in b e s c h i m p f e n d e n , d. h. in solchen mündlichen oder schriftlichen Äußerungen erfolgen, welche die Roheit des Ausdruckes mit dem lästernden Inhalt verbinden. 3 ) Andere Handlungen (vgl. S t G B § 183), insbesondere bildliche Darstellungen, gehören nicht hierher (bestritten). Die Lästerung an sich genügt aber nicht; es muß durch sie *) Dagegen Binding 1 322. Abweichend V E § 155: „Wer öffentlich und böswillig in beschimpfender Weise Gott lästert." Ebenso GE § 173 und K E § 222. Über E 1919 vgl. oben § 117 I 3. *) Übereinstimmend Misch; ferner (aber mit der aus § 166 Satz 2 herübergenommenen Einschränkung auf die a n e r k a n n t e n Gesellschaften) R 6 77 sowie die überwieg. Meinung, insbes. AUfeld 573, Ebermayer in RGRäteKomm. § 166Note 3, Frank § 1661, Schwariz § 166Note 2, Wach 169; dagegen Binding Lehrb. 1 179, Kahl 86, Merkel 371, nach denen nur der allen monotheistischen Religionen gemeinsame Gottesbegriff geschützt sein soll. Ettinger 61 hält einen sicheren Schluß aus dem geltenden Recht für unmöglich, folgt aber im wesentlichen dem R. Vgl. oben § 95 Note 10. —• Also nicht nur eigentliche Schimpfreden; R 8 0 194. Ebenso auch Ebermayer a. a. O. Note 3, Ettinger 63. — Wissenschaftliche Erörterung der Gottesidee bleibt straflos.

412

§ Ii8.

Die einzelnen Religionsvergchen.

v i e l m e h r Ä r g e r n i s e r r e g t , d. h . d a s religiöse G e f ü h l , wenn auch n u r eines anderen, v e r l e t z t w e r d e n (vgl. oben § 109 I). D e r V o r s a t z m u ß a u c h dieses M e r k m a l u m f a s s e n . S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Jahren. I I . ö f f e n t l i c h e Beschimpfung einer m i t K o r p o r a t i o n s r e c h t e n i n n e r h a l b des Reichsgebietes bestehenden Religionsgesellschaft 4 ) a) als solcher, b) ihrer E i n r i c h t u n g e n oder c) ihrer G e b r ä u c h e ( S t G B § 166). 5 ) V o n den E i n r i c h t u n g e n u n d G e b r ä u c h e n ( S a k r a m e n t e , P a p s t t u m , Zölibat, A b l a ß , M a r i e n k u l t u s , Mönchswesen, Heiligenu n d R e l i q u i e n v e r e h r u n g ) sind die G l a u b e n s s ä t z e ( D r e i f a l t i g k e i t , Menschwerdung Christi, u n b e f l e c k t e E m p f ä n g n i s , päpstliche U n f e h l b a r k e i t ) , die einzelnen t a t s ä c h l i c h e n E r e i g n i s s e ( R e f o r m a t i o n , V a t i k a n i s c h e s K o n z i l , A b s c h l i e ß u n g eines K o n k o r d a t s ) , ferner die G e g e n s t ä n d e der V e r e h r u n g (der „heilige R o c k " z u Trier 6 ), die heiligen S c h r i f t e n , die v e r e h r t e n P e r s o n e n (Religionsstifter usw.) z u unterscheiden. D o c h k a n n deren B e s c h i m p f u n g eine m i t t e l bare B e s c h i m p f u n g der Religionsgesellschaft selbst enthalten. D e n Ä u ß e r u n g e n stehen bildliche Darstellungen hier (anders oben I) g l c i c h . V o r s a t z g e n ü g t , eine besondere A b s i c h t ist n i c h t erforderlich. S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Jahren. III. Die Verübung beschimpfenden U n f u g e s in (Kirchen oder in) einem (anderen) zu religiösen V e r s a m m l u n g e n b e s t i m m t e n Orte ( S t G B § 166). D e r S c h u t z der K u l t u s o r t e erstreckt sich auf alle bestehenden, n i c h t b l o ß auf d i e s t a a t l i c h a n e r k a n n t e n Religionsgesellschaften. D e r O r t m u ß zu religiösen V e r s a m m l u n g e n , n i c h t n o t w e n d i g z u m Gottesdienste, b e s t i m m t sein; tatsächliche Benutzung genügt nicht. F r i e d h ö f e gehören zu d e n v o m Gesetze g e s c h ü t z t e n Orten, wenn u n d soweit sie zu religiösen V e r s a m m l u n g e n b e s t i m m t sind, mögen sie auch im E i g e n t u m politischer Gemeinden stehen. U n t e r dieser *) Auch die christlichen Kirchen werden nur geschützt, soweit sie Korporationsrechte besitzen. Die Altkatholiken sind als Zweig der katholischen Kirche in Preußen anerkannt; die griechisch-katholische Kirche besitzt in München Korporationsrechte (Kahl 41); beide sind daher reichsrechtlich durch § 166 geschützt. Nicht aber die anglikanische Kirche; ebenso Allfetd 574, Binding Lehrb. 1 180, Frank § 166 II. [Zweifelnd Ebermayer in RGRäteKomm. § 166 Note 7a. Nach Ettinger, der im wesentlichen auf dem Standpunkte des Textes steht, hat die anglikanische Kirche seit 1814 in Hamburg Korporationsrechtc (S. 73 Anm. 1). Danach wäre sie ebenso zu behandeln wie die griechisch-katholische Kirche.] 5 ) VE § 156 hat die „Einrichtungen und Gebräuche" gestrichen und verlangt „böswillige" Beschimpfung. Ebenso GE 174 und K E § 233. Über E 1919 vgl. oben § 117 I 3. •) Soweit hier nicht die Reliquienverehrung als solche angegriffen wird; R 24 12. Bedenklich R 22 238.

§ n8.

Die einzelnen Religion;,vergehen.

413

Voraussetzung sind auch zur Feuerbestattung, nicht aber zu konfessionsloser Beerdigung bestimmte Orte hierher zu rechnen. — B e s c h i m p f e n d e r U n f u g ist jedes rohe, der Zweckbestimmung des Ortes widersprechende, das religiöse Gefühl der Versammlung verletzende Betragen. 7 ) E r muß ,,in" einem „Orte", d. h. in einem umgrenzten Räume 8 ) (also nicht auf freiem Felde, auf offener Straße), wenn auch von außen her, verübt sein. Dem Tun steht auch hier das rechtswidrige Unterlassen gleich. S t r a f e : wie zu I I .

IV. Die Störung des Gottesdienstes (StGB § 167). 1. Die durch Tätlichkeit (hier gleich Gewalt 9 )) oder Drohung begangene H i n d e r u n g (Verhinderung oder Störung) e i n e s a n d e r e n an d e r (sei es aktiven, sei es passiven) A u s ü b u n g d e s G o t t e s d i e n s t e s (gemeinsamer Gottesverehrung) einer im Staate tatsächlich bestehenden Religionsgesellschaft u> ). Zwang zur Ausübung des Gottesdienstes kann nur als Nötigung strafbar sein. 2. Die v o r s ä t z l i c h e V e r h i n d e r u n g o d e r S t ö r u n g d e s G o t t e s d i e n s t e s 1 1 ) oder einzelner gottesdienst'icher Verrichtungen (Taufe, Trauung usw.) einer solchen Religionsgesellschaft durch Erregung von Lärm oder Unordnung in (einer Kirche oder in) einem {anderen) zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte (also nicht auf der Straße). F ü r den Ausschluß der Rechtswidrigkeit gelten die allgemeinen Grundsätze. D a h e r ist F.hrennotwehr auch gegenüber beleidigenden Äußerungen des Religionsdieners zulässig (vgl. a b e r oben § 3 3 N o t e 7). S t r a f e : Gefängnis bis zu drei J a h r e n .

Versuch straflos (ander» S t G B

§ 24°) •

V. Die Störung der Totenruhe und des Gräberfriedens. Sie wird gerade in den Jugendjahren der Völker mit besonders strengen S t r a f e n belegt. Das r ö m i s c h e R e c h t hat die sepulchri violatio zum selbständigen Vergehen gemacht. (D. 47, 1 2 ; C. 9, i g ) . Zahlreiche Stellen d e r d e u t s c h e n Volksrechte beschäftigen sich mit der Störung der T o t e n r u h e : das fränkische R e c h t droht dem Leichenschänder die Friedlosigkeit (wargus s i t ; oben § 8 Note 2). Vgl. Schreuer ( L i t . zu § 81) 64. D a s spätere M i t t e l a l t e r •erwähnt die Beraubung des T o t e n (den Beraub) besonders. Das g e m e i n e R e c h t hält, trotz des Schweigens der P G O , an der deutschen Auffassung f e s t ; n e u e r e Gesetzgebung stellt die Störung der T o t e n r u h e " ( R 12 168) zu den Religionsvergehen. Verletzt ist in W a h r h e i t das r e l i g i ö s e G e f ü h l (als dessen *) E b e n s o im wesentlichen R 8 1 410, 43 166, Ebermayer § 166 N o t e 12.

") Dagegen R 29 334 und Ebermayer *) V/eitergehend

Kahl

53

in R G R ä t e K o m m .

a. a. O. Mit dem Text Etlinger 83.

(jede körperliche

Einwirkung),

Ebermayer

m RGRäteKomm. § 167 Note 4, Ettinger 89, Frank § 94,1, Schwartz § 167 Note 4.

Vgl. aber oben § 9 6 N o t e 1. , 0 ) Die Entwürfe haben diesen T a t b e s t a n d gestrichen. " ) V g l . R M i l G 17 41 über den F a l l , daß der Vortrag des Geistlichen I n h a l t und F o r m einer Predigt überschreitet.

414

§ Ii8.

Die einzelnen Religionsvergehen.

Unterart das Pietätsgefühl erscheint), u. z. nicht bloß der Hinterbliebenen. Daher ist religiöse Weihe des Grabes gleichgültig. Die F r i e d h ö f e werden überdies durch S t G B §§ 166,167 geschützt.

Das R S t G B bedroht in § 168: 1. Die unbefugte W e g n a h m e einer L e i c h e aus dem Gewahrsam der dazu berechtigten Person.12) L e i c h e ist die entseelte Hülle eines Menschen, solange der Zusammenhang zwischen den Teilen des Körpers nicht völlig aufgehoben ist; auch die Mumie, nicht die Asche des Verbrannten.18) Die Leiche wird zur S a c h e , an der Diebstahl, Unterschlagung, Sachbeschädigung, aber nicht mehr das Vergehen des § 168 möglich ist, sobald sie durch Überweisung an Anatomien usw. Gegenstand des Verkehrs geworden ist. 14 ) Die Wegnahme 18 ) muß aus dem G e w a h r s a m (hier nicht im technischen Sinne zu nehmen, sondern gleich Obhut) des dazu B e r e c h t i g t e n stattgefunden haben; fehlt es an einem solchen, wie bei Leichen, die im Walde unbeerdigt vermodern, oder die der Fluß mit sich hinweggeschwemmt hat, oder die in Hünengräbern und Totenstätten gefunden werden, so ist Leichenfrevel unmöglich. Wer den Gewahrsam an der Leiche hat (wie der Direktor einer Klinik),, kann wegen Aneignung der Leiche nicht gestraft werden. Wer nur Mitgewahrsam hat (wie nach überwiegender Ansicht der Totengräber), kann alleinigen Gewahrsam sich anmaßen, also „wegnehmen" (unten § 127 III). 2. Unbefugte Z e r s t ö r u n g oder B e s c h ä d i g u n g v o n G r ä b e r n , d. h. von Orten, an welchen in kenntlicher Weise die Leiche zur Ruhe bestattet ist. Zu dem Grabe gehören auch der Grabhügel, die Einfriedung, die Anpflanzung (nicht die auf das Grab gelegten Kränze), der Sarg mit dem Leichnam; an sich auch die mit dem Grabe verl s ) Vgl. § 367 Ziff. 1: Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder H a f t t n f f t den, der ohne Vorwissen der Behörde einen Leichnam beerdigt oder beiseite schafft oder unbefugt einen T e i l e i n e r L e i c h e aus dem Gewahrsame der dazu berechtigten Personen wegnimmt. Dabei ist der im T e x t zu Note 13 gegebene Begriff festzuhalten. Der losgelöste, aller Fleischteile entkleidete Schädel ist kein Leichenteil mehr. V E § 158, G E § 177, K E § 225 und E 1919 § 218 haben auch diesen Fäll als Vergehen behandelt. — „Beiseiteschaffen" heißt (vgl. unten § 137 Note 8) der Verfügung des Berechtigten entziehen. Teilweise abweichend R 28 119. 13) Die Entwürfe erwähnen die Asche ausdrücklich. Bezüglich der Mumie mit dem T e x t : Allfeld 576, Misch 185; dagegen Binding Lehrb. 1 185. " ) Ebenso Kahl 64, Allfeld 576; abweichend Binding Lehrb. 1 184, Schwartz § 242 N o t e 4 (nach ihm ist die Leiche niemals Sache). " ) Nur das Wegnehmen, nicht das Beschimpfen, Verletzen usw. der Leiche (anders die Entwürfe) ist strafbar. Auch nicht die unbefugte Sektion,, soweit nicht S t G B § 367 Ziff. 1 vorliegt.

$119-

i- Der Hausfriedensbruch.

415

bundenen Grabdenkmäler, doch ist deren Beschädigung auch nach StGB § 304 strafbar1«). 3. Verübung beschimpfenden Unfuges (vgl. oben unter III) an (nicht notwendig auf) einem Grabe. Das Grab selbst muß Gegenstand des Angriffes sein.17) S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren; daneben nach Ermessen Ehrverlust.

VI. Hausfriedensbruch und Verletzung fremder Geheimnisse. § 119.

I. Der Hausfriedensbruch.

Literatur. Brunner 2 651. Osenbrüggen Die Lehre vom Hausfrieden 1857. Jäger Der Hausfriedensbruch. Tübinger Diss. 1885. Wttest Der Hausfriedensbruch. Berner Diss. 1894. Hälschner 2 144. Heidemann Die widerrechtliche T a t und der schuldhafte Wille beim einfachen Hausfriedensbruch. Greifswalder Diss. 1896. Zabler Der Hausfriedensbruch nach geltendem Recht. Freiburger Diss. 1900.

I. Hausrecht ist das rechtlich geschützte Interesse an ungestörter Betätigung des eigenen Willens in der eigenen Wohnung und dem umfriedeten Besitze, an dem freien Schalten und Walten in Haus und H o f ; ein der persönlichen Freiheit verwandtes, aber doch eigenartiges Rechtsgut 1 ) Dem r ö m i s c h e n Recht ist der Hausfriedensbruch als selbständiges Vergehen fremd geblieben, obwohl sich mehrfache Ansätze zu seiner Auszeichnung finden. So hatte die angebliche Lex Cornelia (oben § 7 I I a. E.) zu den injuriae atroces neben dem pulsare und verberare auch das d o m u m v i i n t r o i r e gezählt. Und in 1. 18 D. 2, 4 findet sich der bezeichnende Satz: domus tutissimum cuique refugium atque receptaculum. Dagegen erscheint das eigenartige Delikt der derectarii, qui in aliena cenacula se dirigunt furandi animo (1. 7 D. 47, n ) , als besonderer D i e b s t a h l s v e r s u c h . Anders in den Quellen des d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r s . Hier trägt die Störung des Burg- und Hausfriedens (die Heimsuchung) von allem Anfange an die Kennzeichen eines durchaus eigenartigen, gegen ein selbständiges Rechtsgut gerichteten Vergehens. Mag, wie im früheren Recht, der gewaltsame Überfall mit bewaffnetem Gefolge (hariraida), mag, wie im späteren Mittelalter, das Eindringen des einzelnen besonders hervorgehoben werden: immer ist es die Herrschaft in Haus und Hof, die als Angriffsgegenstand des Vergehens erscheint. „Wir wollen, daß einem jeglichen Bürger sein Haus seine Feste sei", ") Idealkonkurrenz; ebenso R 89 155. — VE, GE, K E und E 1919 haben den Tatbestand hier gestrichen und zur Sachbeschädigung gestellt. " ) Ebenso R, zuletzt 48 299. ') Dagegen rechnet Rosenfeld VD Bes. T. 5 392 im Anschluß an eine in der Literatur vielfach vertretene Ansicht den Hausfriedensbruch zu den Freiheitsdelikten. — Verwandt ist der Feldfrieden (StGB § 368 Ziff. 9, preuß. Feldund ForstPolG § 9).

416

§119.

1. Der Hausfriedensbruch.

heißt es in zahlreichen Stadtrechten. Bayern 1616 spricht (wie Schsp.) von der Wahrung der „Hausehre". Der Hausfriedensbruch wird jedoch, wenn keine besondere Erschwerung vorliegt, stets nur bürgerlich gestraft und zu der niederen Gerichtsbarkeit gerechnet. Das Schweigen der P G O hat daher guten Grund. Im g e r n ein en Recht tritt der Hausfriedensbruch in den Hintergrund, ohne jedoch völlig zu verschwinden. Meist faßte man die violatio securitatis als besonders benannten Fall der vis publica auf {Koch, Engau u. a . ; Theresiana). A L R 525 behandelte den Hausfriedensbruch zuerst als selbständiges Vergehen. Preußen 1851 hat ihn zu den Freiheitsdelikten, R S t G B zweifellos unrichtig, zu den Straftaten gegen die öffentliche Ordnung gestellt. Die Entwürfe stellen das Delikt wieder zu den Freiheitsverletzungen (vgl. E . 1919 § 31°)-

II. R S t G B § 123 schützt zunächst das Hausrecht in der Wohnung. Wohnung aber sind jene Räume, die, wenn auch nur teilweise und nur (wie das Hotelzimmer) für kürzere Zeit, Menschen zur ordnungsmäßigen Nachtruhedienen. 2 ) Ein „Gebäude" (StGB §243 Ziff. 2) ist nicht erforderlich; auch Schiffe (von K E und E 1919 ausdrücklich genannt), Künstlerwagen, Schäferkarren usw. gehören hierher. Das Gesetz stellt weiter der Wohnung gleich: a) G e s c h ä f t s r ä u m e , d. h. abgeschlossene Räume, in welchen jemand seine regelmäßige Erwerbstätigkeit ausübt (nicht der Straßenbahnwagen); b) das b e f r i e d e t e , d. h. entweder mit der Wohnung zusammenhängende oder von dieser getrennte, aber eingehegte B e s i t z t u m ; c) a b g e s c h l o s s e n e R ä u m e , d i e z u m ö f f e n t l i c h e n D i e n s t (d. h. der Staatsverwaltung mit Einschluß der Selbstverwaltung) o d e r V e r k e h r 3 ) (z.B. Straßenbahnwagen, Eisenbahnabteile) b e s t i m m t s i n d . Das Hausrecht steht dem verfügungsfähigen I n h a b e r der Wohnung, bzw. seinem Stellvertreter, 4 ) zu; wenn bestimmte Räume einzelnen Personen zugewiesen sind, haben diese (Hauslehrer, Dienstmädchen, Gäste) das Hausrecht; bei Räumen, die, wie Flure, Treppen, Vorräume u. dgl., zur Benutzung der Inhaber mehrerer Wohnungen bestimmt sind, hat jeder von diesen das (durch die anderen beschränkte) Hausrecht; bezüglich der öffentlichen Räume der, welcher das Verfügungsrecht über sie hat. 8 ) 2) Ebenso Frank § 123 I (der aber zusammengehörige Räumlichkeiten für längeren Aufenthalt fordert und daher den Schäferkarren ausschließt, den Künstlerwagen aber hierher rechnet). Mit dem T e x t Wachenfeld 482. Dagegen R 12 132, Allfcld 460, Binding Lehrb. 1 121, Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 123 Note 2a, Schwartz § 123 Note 2. S t G B § 306 Ziff. 3 stellt den „ A u f e n t h a l t " der „ W o h n u n g " in § 306 Ziff. 2 entgegen. 3) Die Worte „oder Verkehre" sind durch die Novelle von 1912 in § 123, nicht aber in § 124 eingefügt worden. Die Entwürfe enthalten denselben Zusatz. 4) Dieser darf aber nicht dem Willen des Vertretenen zuwiderhandeln, v g l . R 28 269. A u c h Geschäftsführung ohne Auftrag ist denkbar. s ) Wird ein R a u m zur Abhaltung von Versammlungen, Vergnügungen usw. überlassen, so haben Einberufer und Leiter das Hausrecht; R 24 195. Vgl. Ebermayer in R G R ä t e Komm. § 123 Note 4b.

§ ttg.

x. Der Hausfriedensbruch.

417

I I I . D i e Fälle des Hausfriedensbruchs. 1. D e r einfache Hausfriedensbruch ( S t G B § 123, 1. A b s . ) , begangen entweder a) d u r c h w i d e r r e c h t l i c h e s E i n d r i n g e n in d i e g e n a n n t e n R ä u m e , d . h . durch ein E i n g e h e n 6 ) m i t Ü b e r w i n d u n g eines e n t g e g e n stehenden Hindernisses, m a g dieses auch nur in d e m ausgesprochenen oder v o m T ä t e r v e r m u t e t e n V e r b o t e , also in d e m e n t g e g e n s t e h e n d e n (von d e m T ä t e r e r k a n n t e n ) W i l l e n des B e r e c h t i g t e n l i e g e n ; oder b) d a d u r c h , d a ß d e r j e n i g e , d e r in solchen R ä u m e n o h n e B e f u g n i s v e r w e i l t , sich trotz A u f f o r d e r u n g des B e r e c h t i g t e n n i c h t e n t f e r n t (gegen d e n V e r w e i l e n d e n ist Selbsthilfe, z. B . d u r c h H i n a u s w e r f e n , zulässig). 7 ) 2. Erschwerter Fall ( S t G B § 123, 2. A b s . ) ; vorliegend, w e n n eine der unter 1 a n g e f ü h r t e n H a n d l u n g e n v o n einer m i t W a f f e n v e r s e h e n e n Person oder v o n m e h r e r e n gemeinschaftlich (oben § 50 N o t e 13) b e g a n g e n w i r d . D a s W o r t „ W a f f e " ist im technischen Sinne (oben § 93 I I 3) z u n e h m e n ; 8 ) die o b j e k t i v e G e f ä h r l i c h keit der T a t e n t s c h e i d e t , G e b r a u c h s a b s i c h t ist m i t h i n n i c h t erforderlich. 9 ). U n d ebensowenig, d a ß d e r V e r l e t z t e d a s V o r h a n d e n s e i n d e r W a f f e g e k a n n t und sich in seiner persönlichen Sicherheit b e d r o h t g e f ü h l t hat. 1 0 ) A n t r a g s v e r g e h e n . Antragsberechtigt ist der Träger des Hausrechts; und zwar auch dann, wenn er in der Person seines Stellvertreters in seinem Hausrechte verletzt worden ist. Rücknahme des Antrags (seit 1912) zulässig. — S t r a f e (seit 1912): Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahr. Vgl. auch S t G B § 342. 3. Schwerster F a l l : die sog. Heimsuchung ( S t G B § 124).. E r liegt vor, wenn eine M e n s c h e n m e n g e ö f f e n t l i c h sich z u s a m m e n r o t t e t und in der A b s i c h t (gleich B e w e g g r u n d ) , G e w a l t t ä t i g k e i t e n g e g e n Personen oder S a c h e n m i t v e r e i n t e n K r ä f t e n z u begehen, in d i e o b e n g e n a n n t e n R ä u m e (mit A u s n a h m e d e r z u m ö f f e n t l i c h e n V e r k e h r bestimmten) widerrechtlich eindringt. 1 0 4 ) — M e n s c h e n m e n g e fordert •) Nach R 89 440 soll schon ein Hineingreifen genügen. ') In öffentlichen Wirtschaften hat der friedliche Gast, dem der Wirt den Zutritt gestattet, jedenfalls das Recht, eine angemessene Zeit zu verweilen. Sachlich übereinstimmend Ebermayer in RGRäte Komm. § 123 Note 4b. 8) Ebenso Binding Lehrb. 1 1 2 4 ; dagegen R 8 45, Allfeld 462, Ebermayer in RGRäte Komm. § 123 Note 6a. •) Ebenso Schwartz § 123 Note 7. Dagegen Binding Lehrb. 1 303, Frank § 243 VI. 10) R 28 269,80 78. Dienstliche Verpflichtung zum Waffentragen schließt die Strafschärfung nicht aus; R 32 402. 10 ') Gegen die I n s a s s e n der Wohnung brauchen Gewalttätigkeiten nicht beabsichtigt zu sein. Es genügt die Absicht, Gegenangriffe, die von außen her zur Verdrängung der Eindringlinge und zur Herstellung der öffentlichen Ordnung unternommen werden, gewaltsam abzuwehren, R 53 64. 27 v. L U i t , Strtfrecbt. 14. Aufl.

418

§ 120.

2. Die Verletzung fremder Privatgeheimnisse.

eine, wenn auch ungeordnete,

Mehrheit, nicht eine

ungemessene

Vielheit von Personen; die Umstände des Einzelfalles müssen entscheiden, und jeder Versuch verfehlt. 1 1 )

einer ziffermäßigen Abgrenzung

ist

Z u s a m m e n r o t t u n g ist die durch gemeinsame rechts-

widrige Absicht (hier der Gewalttätigkeit) zusammengehaltene, nach außen

als

geschlossene

Gruppe

einigung mehrerer Menschen. 12 )

hervortretende,

räumliche

Ver-

ö f f e n t l i c h erfolgt die Zusammen-

rottung, wenn der Anschluß dem Publikum, also nicht einem g e schlossenen Kreise bestimmter Personen, freisteht. 18 ) S t r a f e : Gefängnis von einem Monate bis zu zwei Jahren. Sie t r i f f t jeden, der an den bezeichneten Handlungen „teilnimmt", d. h. der sich der Rotte anschließt und in die Wohnung usw. eindringt; vorausgesetzt, d a ß er entweder selbst die Absicht hat, Gewalttätigkeiten zu verüben oder weiß, daß diese Absicht bei anderen Beteiligten vorhanden ist. 14 ) Teilnehmer ist also hier gleichbedeutend mit Täter.

§ 120. 2. Die Verletzung fremder Privatgeheimnisse. Literatur. Finger V D Bes. T . 8 293. — Gierske D a s R e c h t des Privaten an der eigenen Geheimsphäre 1905. Serixhe Die Verletzung fremder Geheimnisse (Freiburger Abhdlgn. H e f t 7) 1906. Lindemann Z 27 65. Tesar österr. Gerichts-Zeitung 1912 Nr. 11 bis 14 (über die Entwürfe). Stange Der Geheimnisbruch durch Rechtsbeistände. Erlanger Diss. 1912. Humbert Das ärztliche Berufsgeheimnis 1912. — Zu I I : Finger 8 308. Gerhard Der strafrechtliche Schutz des Briefes 1905. Tillmanns D a s Eröffnen fremder Briefe usw. Leipziger Diss. 1905. Wolcke Der Schutz des Brief- und Telegraphengeheimnisses im Post- und Telegraphenverkehr. Rostocker Diss. 1905. Kicllholtes Briefschutz und Briefgeheimnis nach geltendem Reichsrecht. Leipziger Diss. 1908. — Zu I I I : Finger 8 345. Liebmann Die P f l i c h t des Arztes zur Bewahrung anvertrauter Geheimnisse 2. A u f l . 1890. Placzek Das Berufsgeheimnis des Arztes 3. A u f l . 1909. Mittermaier Z 21197. Zschock § 300 S t G B . Rostocker Diss. (auch selbständig erschienen) 1903. Bendix GA 52 1. Jellinek bei Aschaffenburg S 656. Friedersdorff Die unbefugte Offenbarung von Privatgeheimnissen usw. Hallische Diss. 1906. Schmidt D a s ärztliche Berufsgeheimnis. Leipziger Diss. 1907. Flesch D a s Berufsgeheimnis des Arztes. Leipziger Diss. 1908. Kahl Z 29 351. Wolff Der strafrechtliche Schutz des Berufsgeheimnisses (v. Lil. H e f t 86) 1908. Givanovitch G A 57 314. Saater Das Berufsgeheimnis Kronecker Reform u n d sein strafrechtlicher Schutz (V. Lil. H e f t 123) 1910. 2 337- V. Liszt J W 45 155. I. Das Rechtsgut, gegen das sich die Verletzung, fremder Privatgeheimnisse richtet, ist das rechtlich geschützte Interesse an der Wahrung des persönlichen und Familienlebens vor unberufenem Eindringen; also ein eigenartiges, dem Hausrechte verwandtes Rechtsgut. Die freie Betätigung der Persönlichkeit wird gehemmt und gefährdet, wenn jedem Dritten der Einblick " ) Nach Frank § 110 I I soll es darauf ankommen, d a ß die Zahl der Beteiligten nicht sofort festgestellt werden kann. l f ) Vgl. dazu ME. Mayer V D Bes. T . 1 375, 469. Mit der herrschenden A n s i c h t ist zwischen § 124 und 125 Idealkonkurrenz anzunehmen. Ebenso R 27 28. Desgl. Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 124 Note 5. — Die Entwürfe haben den Paragraphen gestrichen. M ) Ebenso R 51 422, Ebermayer in R G R ä t e Komm. § 124 Note 3, Schwartz § 124 N o t e 2. Dagegen Bindirtg L e h r b . 1 125, Frank § 124 I.

§ i2o.

2. Die Verletzung fremder Privatgeheimnisse.

419

oifen steht. 1 ) Dieses Rechtsgut hat auch in der neuesten deutschen Gesetzgebung nur in der Gestalt des sogenannten B r i e f g e h e i m n i s s e s , als das Interesse an ausschließlicher Kenntnisnahme von Schriftstücken, ausreichenden Schutz gefunden. Dagegen ist die Verletzung fremder P r i v a t g e h e i m n i s s e nur gewissen Personen gegenüber mit Strafe bedroht,') während die Verletzung fremder F a b r i k s - und G e s c h ä f t s g e h e i m n i s s e als eine Form des unlauteren Wettbewerbs erscheint (unten § 124).

II. Die Verletzung des Briefgeheimnisses. Die strafbare Verletzung des B r i e f g e h e i m n i s s e s , richtiger P o s t geheimnisses, ist schon dem römischen Recht nicht völlig fremd geblieben (Paulus sent. 5 25 § 1; 1. 38 § 7 D. 48, 19). Über die italienischen Statuten vgl. Köhler Studien 4 396. Gemeinrechtlich wird, trotz des Schweigens der PGO, das Erbrechen von Briefen und Urkunden, die resignatio, zum falsum gerechnet und mit willkürlicher Strafe belegt (Tirol 1532 und 1573, Preußen 1620 und 1721). Auf demselben Standpunkte stehen noch Bayern 1751 und Österreich 1768. Eine neue Auffassung wird durch die Entwicklung des Postweseiis angebahnt. Im 19. Jahrhundert gewinnt der Schutz des Briefgeheimnisses politische Färbung; sorgfältig werden die Fälle gesetzlich bestimmt, in welchen der Staatsgewalt der Eingriff in das durch die Verfassungsurkunden für unverletzlich erklärte Briefgeheimnis offen steht, und Übergriffe der P o s t u n d T e l e g r a p h e n b e a m t e n als Amtsvergehen (StGB §§ 354 und 355) unter besondere Strafe gestellt.')

R S t G B § 299 (der Preußen § 280, mittelbar A L R 1370 entnommen ist) bedroht die vorsätzliche und unbefugte E r ö f f n u n g e i n e s v e r s c h l o s s e n e n , nicht zur Kenntnisnahme durch den Täter bestimmten S c h r i f t s t ü c k s („Brief oder andere Urkunde"; letztere nicht im technischen Sinne des § 267 StGB). V e r s c h l o s s e n ist das Schriftstück, wenn die Einsichtnahme durch eine besondere, zu dem Schriftstück hinzutretende Vorrichtung erschwert ist. Die Art des Verschlusses (Kleben, Siegeln, Nähen, Plombieren) istgleichJ) V E §§ 267, 268 hat die Verletzung fremder Geheimnisse an die Ehrverletzung angeschlossen. Ebenso G E § 282. K E und E 1919 enthalten einen neuen selbständigen Abschnitt „Verletzung fremder Geheimnisse". Dieser beginnt mit dem neugeschaffenen „ I n d i s k r e t i o n s d e l i k t " , der öffentlichen Behauptung oder Mitteilung von Tatsachen des häuslichen oder Familienlebens, die das öffentliche Interesse nicht berühren. Der Wahrheitsbeweis ist hier ausgeschlossen. Vgl. K E § 352 und E 1919 § 353. Dann folgen die im Text behandelten Tatbestände. 2) Ärzten und Hebammen wird schon von der Gesetzgebung des 17. Jahrhunderts (Württemberg. LO von 1621; vgl. Jellirtek, Sauter 20) die Pflicht der Verschwiegenheit vielfach eingeschärft. — Nach Binditlg, dem sich Sauter anschließt, wird hier der Geheimhaltungswille geschützt. *') Gegen diese Bezeichnung Rosenberg in R G R ä t e Komm. §299 N o t e i (geschützt sei nicht der Inhalt der Urkunde, sondern der äußere Zustand, in dem sie sich befindet). 3) Postg. 1871 § 5. Telegrapheng. 1892 § 8. StPO §§ 99 bis iox. KO. § 121. Zu beachten, daß der staatsrechtliche und der strafrechtliche Begriff des Briefgeheimnisses sich nicht decken. Auch die Eröffnung von Paketen fällt unter § 299. — K E § 353 und E 1919 § 354 bedrohen auch die Eröffnung des Verschlusses, unter dem die Schriftstücke aufbewahrt werden; also wohl auch der Kassette, des Schrankes usw. 27*

420

§ 120.

2. Die Verletzung fremder Privatgeheimnisse.

g ü l t i g ; d a g e g e n g e n ü g t b l o ß e s Z u s a m m e n f a l t e n , E i n s c h l a g e n in P a p i e r ( K r e u z b a n d s e n d u n g ) , einfaches U m w i c k e l n m i t B i n d f a d e n nicht. Unverschlossene, a b e r in verschlossenem S c h r a n k e b e f i n d l i c h e S c h r i f t s t ü c k e gehören n i c h t h i e r h e r . D i e H a n d l u n g b e s t e h t in der B e s e i t i g u n g (nicht n o t w e n d i g V e r l e t z u n g ) des V e r s c h l u s s e s ; erfolgte oder auch nur b e a b s i c h t i g t e K e n n t n i s n a h m e ist weder erforderlich noch (etwa bei D u r c h l e u c h t u n g ) g e n ü g e n d . Die Eröffnung muß „ u n b e f u g t e r w e i s e " , d. h. r e c h t s w i d r i g , erfolgen; d a h e r ist B e w u ß t s e i n der W i d e r r e c h t l i c h k e i t erforderlich (oben § 4 1 N o t e 5). Ü b e r d e n W e g f a l l der R e c h t s w i d r i g k e i t gelten die allgemeinen G r u n d s ä t z e (oben §§ 32 ff.). Insbesondere k a n n ein E r z i e h u n g s r e c h t die B e r e c h t i g u n g zur E r ö f f n u n g verleihen. Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Antragsberechtigt ist der E i g e n t u m e r der verschlossenen Urkunde; bei Sendungen der Absender so lange, bis das Eigentum auf den Adressaten übergeht, also bei Postsendungen bis zur erfolgten Bestellung; später der Adressat.*) — S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten. I I I . D i e Offenbarung fremder Privatgeheimnisse. 1. D a s R S t G B b e d r o h t in § 300 die u n b e f u g t e O f f e n b a r u n g anvertrauter Privatgeheimnisse durch bestimmte Personen. D i e zur V e r s c h w i e g e n h e i t v e r p f l i c h t e t e n Personen s i n d : R e c h t s a n w ä l t e , A d v o k a t e n , N o t a r e , V e r t e i d i g e r in S t r a f s a c h e n , Ä r z t e (nicht Tierärzte), W u n d ä r z t e , H e b a m m e n , A p o t h e k e r , sowie die (auch nur v o r ü b e r g e h e n d u n d n i c h t b e r u f s m ä ß i g zugezogenen) Gehilfen dieser Personen (nicht K r a n k e n p f l e g e r , N a t u r ä r z t e ) . 6 ) Die P f l i c h t dauert a u c h n a c h A u f g e b e n des B e r u f e s fort. D r i t t e Personen können T e i l n e h m e r sein. P r i v a t g e h e i m n i s s e sind jene n i c h t ö f f e n t l i c h b e k a n n t e n T a t s a c h e n d e s P r i v a t l e b e n s , an deren G e h e i m h a l t u n g der, den sie b e t r e f f e n , Interesse h a t . Diese T a t s a c h e n m ü s s e n d e n g e n a n n t e n Personen k r a f t ihres A m t e s , S t a n d e s oder G e w e r b e s a n v e r t r a u t ( B e r u f s g e h e i m n i s s e ) sein. Sie sind a n v e r t r a u t : 1 . W e n n sie m i t d e r a u s d r ü c k l i c h e n oder stillschweigenden A u f l a g e der G e h e i m h a l t u n g m i t g e t e i l t s i n d ; 2. w e n n der T ä t e r ihre K e n n t n i s in A u s ü b u n g des A m t e s , B e r u f e s , G e w e r b e s e r l a n g t h a t . Was d e r A r z t , der V e r t e i d i g e r , die H e b a m m e in ihrer B e r u f s t ä t i g k e i t w a h r n e h m e n , i s t ihnen a n v e r t r a u t , b r a u c h t ihnen n i c h t a n v e r t r a u t z u w e r d e n . O f f e n b a r u n g ist M i t t e i l u n g u n b e k a n n t e r T a t s a c h e n a n andere. O f f e n k u n d i g e T a t s a c h e n (anders bei u n b e s t i m m t e n Gerüchten) k ö n n e n e b e n s o w e n i g o f f e n b a r t w e r d e n w i e T a t s a c h e n , 4) Ubereinstimmend jlie gem. Meinung; insbes. Allfeld 464, Frank § 299 IV (der aber neuerdings auf Ausnahmen hinweist), Schwartz § 299 Note 7. Dagegen Binding 1 625, Merkel 349. ') Erweiterte Fassung in V E § 268 G E § 291, K E § 354 und E 1919 § 355,

§ i2i.

Störung des persönlichen Rechtsiriedens durch Bedrohung.

42I

die dem Hörer bekannt sind. Die Offenbarung muß unbefugt, d. h. w i d e r r e c h t l i c h , erfolgen. Die Widerrechtlichkeit wird ausgeschlossen: I. Durch die Erlaubnis des Betroffenen; 2. durch entgegenstehende Rechtspflicht (Anzeigepflicht, Zeugnispflicht); 3. durch ein entgegenstehendes höheres Interesse (oben §§32 bis 35), so wenn der Arzt dem Dienstgeber die syphilitische Erkrankung des Dienstmädchens mitteilt; 4. durch die Wahrung berechtigter Interessen (Einklagung des Honorars). 8 ) Nicht aber durch die Verfolgung rein wissenschaftlicher Interessen (Veröffentlichung von Krankengeschichten, die eine Namensnennung auch nicht erfordern). V o r s a t z ist erforderlich; außerdem Bewußtsein der Widerrechtlichkeit. Die Verfolgung tritt nur auf A n t r a g ein; antragsberechtigt ist der, d e s s e n Geheimnis in Frage steht, dessen Interessen also durch die Offenbarung verletzt werden.') Zu beachten ist aber die Möglichkeit, daß mehrere Personen „interessiert" und daher antragsberechtigt sein können; also etwa der Vater, der den Arzt zur Tochter gerufen hat, und diese selbst. S t r a f e : Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten.

2. Die Schweigepflicht ist durch die R e i c h s v e r s i c h e r u n g s o r d n u n g 1911 § 141 (vgl. § 145) und durch das A n g e s t e l l t e n v e r s i c h e r u n g s g . 1911 § 349 (vgl. § 353) auf die Mitglieder und Angestellten der Versicherungsanstalten ausgedehnt. Sie machen sich strafbar, wenn sie unbefugt offenbaren, was ihnen in amtlicher Eigenschaft über Krankheiten oder andere Gebrechen Versicherter oder ihre Ursachen bekannt geworden ist. A n t r a g des Versicherten oder der Aufsichtsbehörde erforderlich. S t r a f e : wie zu 1.



3. Über u n b e f u g t e O f f e n b a r u n g u n d V e r w e r t u n g v o n G e s c h ä f t s - (oder Betriebs-) G e h e i m n i s s e n vgl. unten § 124 II 4 und III.

VII. § 121. Störung des persönlichen Rechtsfriedens durch Bedrohung. Literatur. Glaser Abhandlungen 1858 1 1. Bayrhammer Das Delikt der Bedrohung. Tübinger Diss. 1896. Goehrs Z 14 479. Derselbe Der Rechtsfrieden als besonderes Rechtsgut im modernen Strafrechtssystem und seine Stellung im Reichsstrafrecht 1900. Lifschtitz Z 86 356. Vgl. auch die Lit. zu § 100. •) Der Arzt, der von seinem Recht der Zeugnisverweigerung keinen Gebrauch macht, fällt nicht unter § 300; R 19 364 mit der gem. Meinung. Dagegen Rosenberg in RGRäteKomm. § 300 Note 7. — K E und E 1919 enthalten für solche Fälle eine ausdrückliche Bestimmung.

422 § i 2 i .

Störung des persönlichen Rechtsfriedens durch Bedrohung.

I. Rechtsfrieden als R e c h t s g u t des einzelnen ist d a s B e w u ß t s e i n d e r R e c h t s s i c h e r h e i t , das Vertrauen auf die schützende Macht der Rechtsordnung.1) D e r R e c h t s f r i e d e n ist v e r l e t z t , sobald dieses V e r t r a u e n , w e n n a u c h n u r v o r ü b e r g e h e n d , d u r c h die B e s o r g n i s v o r rechtswidriger G e w a l t g e s t ö r t w i r d ; er ist g e f ä h r d e t , w e n n die nahe M ö g l i c h k e i t einer S t ö r u n g jenes V e r t r a u e n s g e g e b e n ist. D e m n a c h erscheint die A n d r o h u n g r e c h t s w i d r i g e r Z u f ü g u n g e i n e s N a c h t e i l s als e i n s e l b s t ä n d i g e s , gegen ein eigenartiges R e c h t s g u t gerichtetes V e r b r e c h e n , als V e r l e t z u n g d e s R e c h t s friedens. 2 ) II. Diese selbständige Stellung hat die Bedrohung erst in der Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts erlangt. Im römischen Recht war sie nur als injuria straibar, da das crimen vis stets die Störung des ö f f e n t l i c h e n Friedens verlangte. Im deutschen Mittelalter treten als verwandte Einzelfälle das willkürlich bestrafte F ü r w a r t e n und die mit der Schwertstrafe bedrohte W e g e l a g e r u n g (via lacina im fränkischen Recht, obsessio viarum bei Engau und Böhmer), beide bis ins gemeine Recht erhalten, hervor. P G O 176 kennt gegen Personen, „von denen man sich aus erzeigten Ursachen Übels oder Missetat warten muß", nur Sicherungsmaßregeln („Dräubürgen", Friedensbürgschaft), nicht Strafe. Ähnlich auch noch A L R 44. In der Wissenschaft wird zuerst von Tittmann die richtige Aulfassung siegreich vertreten. I I I . D a s R S t G B v e r l a n g t in § 241 d i e B e d r o h u n g e i n e s anderen mit der Begehung eines Verbrechens.*) Daraus f o l g t , d a ß zur V o l l e n d u n g z w a r K e n n t n i s n a h m e des B e d r o h t e n (und z w a r m i t Willen des Drohenden) v o n der g e g e n i h n g e r i c h t e t e n D r o h u n g (oben § 98 I I I 2), n i c h t aber t a t s ä c h l i c h e r f o l g t e S t ö r u n g in seiner Rechtssicherheit erforderlich ist. D i e angedrohte H a n d l u n g m u ß sich o b j e k t i v (also n a c h S t G B ') Sehr bestritten. 1. Nur den Anvertrauenden halten für berechtigt R 18 60, Binding 1 626, Finger 8 370, Merkel 350, Schwartz § 300 Note 5. — 2. Beide sind berechtigt nach Allfeld 465, Frank § 300 V I , Mlttermaier 205, Wachenfeld 490. — 8. Nach Sauter ist antragsberechtigt der, in dessen Dienst der Schweigepflichtige tätig war. — 4. Rosenberg in RGRäteKomm. § 300 Note 9 hält die Person für antragsberechtigt, welche die Schweigepflicht begründet hat, welche dieselbe jederzeit einschränken oder ganz aufheben kann. *) Der Begriff ist hier (anders beim „öffentlichen Frieden", unten § 174) zweifellos subjektiv zu nehmen. Ebenso Bgr. 674. *) Es ist daher ebenso unrichtig, die Bedrohung in den Freiheitsverbrechen aufgehen zu lassen, wie Binding, V. Birkmeyer dies tun, als sie lediglich, mit Loening 107, v. Holtland (Lit. zu § 28) 7, Rosenfeld V D Bes. T. 5 396, a b Gefährdungsvergehen aufzufassen. Für die richtige Ansicht Allfeld 458. Die Entwürfe halten an der Einreihung unter die Freiheitsdelikte fest. Vgl. Note 3. s) V E § 241: Wer durch gefährliche Drohung (GE § 281: durch Androhung von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen) einen andern in seinem Frieden stört. K E §311 bestraft, „wer einen andern durch Drohung mit Gewalt oder mit einem andern rechtswidrigen Verhalten, in Besorgnis oder Schrecken versetzt". E 1919 § 311 weicht von K E insoweit ab, als er „Drohung mit einem Verbrechen oder einer Gewalttat" ( z . B . Freiheitsberaubung, Sachbeschädigung usw.) verlangt; auf Seiten des Bedrohten erfordert er Versetzung in „Schrecken oder s c h w e r e Sorge". Vgl. Denkschrift S. 256.

$ i2i.

Störung des persönlichen Rechtsfriedens durch Bedrohung.

423

§ 1) als ein Verbrechen darstellen; ein Irrtum des Täters über diese ihre Eigenschaft ist einflußlos. Persönliche Eigenschaften und Verhältnisse des Täters bleiben außer Betracht. Es genügt, wenn das Verbrechen nur mittelbar den Angegriffenen berührt (z. B. Drohung mit der Ermordung eines Angehörigen), vorausgesetzt, daß die Handlung, wenn auch nur vermöge dieser mittelbaren Beziehungen, für den Angegriffenen selbst als eine Störung seines Rechtsfriedens sich darstellt. S t r a f e : Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert Mark. Antragserfordernis 1876 beseitigt.

Dritter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen Urheberrechte und Erfinderrechte. § 122. I. Die Verletzung des schriftstellerischen und künstlerischen Urheberrechts (mit Einschluß des Verlagsrechts). Literatur, van Calker Die Delikte gegen d a s Urheberrecht 1894. E.Müller Das deutsche Urheber- u n d Verlagsrecht. 1 1901. Allfeld K o m m e n t a r zu den beiden Gesetzen (vom 19. J u n i 1901) 1902. Derselbe K o m m e n t a r zu dem Kunstwerkgesetz (von 1907) 1908. Kohler Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht 1907. Derselbe Kunstwerkrecht 1908. Grieshammer Die nach d e m Gesetz über das Urheberrecht usw. s t r a f b a r e n Handlungen. E r langer Diss. 1908 (1909). Bockius Die strafrechtliche Bedeutung der internationalen Verträge über das Urheberrecht usw. Gießener Diss. 1910. V.Hentig Der strafrechtliche Schutz des literarischen E i g e n t u m s 1912. V. Lippmann DJZ 17 882. Stenglein Nebengesetze I 178 (Ebermayer). V. Liszt Völkerrecht § 32 I I 2-

I. Das schriftstellerische Urheberrecht. 1. B e g r i f f und G e s c h i c h t e . Das schriftstellerische Urheberrecht ist das r e c h t l i c h g e s c h ü t z t e I n t e r e s s e d e s V e r f a s s e r s , über s e i n e g e i s t i g e S c h ö p f u n g n a c h a l l e n R i c h t u n g e n h i n m i t A u s s c h l u ß a n d e r e r zu v e r f ü g e n . Der rechtliche Schutz des Urheberrechts ist ebenso neueren Ursprungs wie seine richtige wissenschaftliche Auffassung. Dem römischen und mittelalterlich-deutschen wie auch dem älteren gemeinen Recht unbekannt, entwickelte sich das Urheberrecht allmählich aus den Druckerprivilegien (als gewerblichen Monopolen), die landesrechtlich seit dem 15. J a h r h u n d e r t erteilt wurden, a b e r nur f ü r das betreffende Land Wirksamkeit h a t t e n . Neben ihnen finden sich seit dem 16. J a h r h u n d e r t Privilegien, die für einzelne Bücher verliehen werden. N u r m ü h s a m brach sich, insbesondere im 18. J a h r h u n d e r t , die E r k e n n t n i s Bahn, d a ß der von zahlreicheil Schriftstellern von Luther bis auf Kant gebrandmarkte Nachdruck als Eingriff in den Rechtskreis des Verfassers ein staatlich zu ahndendes Vergehen darstelle. Die gemeinrechtlichen Schriftsteller behandelten das plagium litterarium als einen Fall des Diebstahls (Koch u n t e r Berufung auf Thomasius) oder des Betruges (Leyser und viele andere). Noch A L R 1794 hielt a n der vermögensrechtlichen Auffassung des Büchernachdruckes fest, den es als s t r a f b a r e n Eigennutz zwischen der Überschreitung der Taxen beim Verkauf von Lebensmitteln u n d dem Glücksspiel behandelte, und schützte nur die „Königlichen U n t e r t a n e n " . E r s t die Gesetzgebung des Deutschen Bundes (1837 und später) stellte einheitliche Grundsätze über die Voraussetzungen u n d die B e s t r a f u n g des Nachdruckes a u f .

§ 122.

i . Die Verletzung des schriftstellerischen u. künstl. Urheberrechts. 4 2 5

Die Wissenschaft arbeitete gleichzeitig an der richtigen Auffassung des geschützten Rechtsgutes; sie verwarf den unbrauchbaren Gedanken eines „geistigen E i g e n t u m s " ; sie erkannte allmählich, daß dem Urheberrecht, trotz seiner vermögensrechtlichen Seite, wegen seines Zusammenhanges mit der individuellen Schaffenskraft ein Platz außerhalb der Vermögensvergehen gebührt, freilich ohne daß bisher eine Einigung über die richtige Bestimmung dieses Platzes erzielt werden konnte. Unter dem Einflüsse der Wissenschaft nahm die Gesetzgebung unserer Tage einen kräftigen Aufschwung. Das Reichsg. vom i x . Juni 1870 (nachgebildet dem preußischen G von 1837) stellte die Rechtseinheit auf dem bis dahin landesrechtlichen Gebiete her. A n seine Stelle ist das G vom 19. Juni 1901 betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst getreten (in K r a f t seit 1. Januar 1902). Die Gleichstellung ausländischer Rechtsgüter ist durch die Berner Übereinkunft vom 9. September 1886 ( R G B l 1887 S. 493), betreffend die Bildung eines internationalen Verbandes zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst, angebahnt worden. Zur Ausführung der revidierten Berner Übereinkunft vom 13. November 1908 ist das Gesetz vom 22. Mai 1910 (RGBl S. 793) ergangen, durch das die beiden Gesetze von 1901 (vgl. unten II) sowie das Gesetz von 1907 (vgl. unten III) teilweise abgeändert wurden. G E § 292 hat den Tatbestand eingearbeitet. Das

Gesetz schützt:

solchen Vorträgen

oder

1. Die Urheber von Reden,

der Belehrung oder der Unterhaltung Werken der Tonkunst; wissenschaftlicher

und

Schriftwerken und

die dem Zwecke

der

3. die Urheber von solchen technischer

zwecke nach als Kunstwerke

Art,

die

nicht

zu betrachten sind.

auch plastische Darstellungen ( § 1 ) .

Erbauung,

dienen; 2. die Urheber von Abbildungen

ihrem

Haupt-

Dazu gehören

Der Urheber hat die ausschließ-

liche Befugnis, das Werk zu vervielfältigen und gewerblich zu verbreiten; das Bühnenwerk oder Werk der Tonkunst

öffentlich auf-

zuführen; das Schriftwerk oder den Vortrag, wenn sie noch nicht erschienen sind, öffentlich vorzutragen (§ 11). Der

Schutz

inländischer

des Gese'tzes erstreckt sich:

Urheber, mögen

schienen sein; 2. auf Werke a u s l ä n d i s c h e r im

Inland

erscheinen.

1. Auf

alle

Werke

sie im Inlande oder Auslande er-

Erscheinen

ist

Urheber,

soviel

wie

wenn

sie

ausgegeben

werden. 2. Die s t r a f b a r e n V e r l e t z u n g e n d e s a) Die

vorsätzliche

unbefugte

Urheberrechts.

Vervielfältigung

oder

ge-

werbsmäßige V e r b r e i t u n g eines geschützten Werkes. b) Die vorsätzliche Vorführung

eines

unbefugte öffentliche A u f f ü h r u n g

Bühnenwerkes,

eines

Werkes

der

oder

Tonkunst

oder einer dramatischen Bearbeitung. c) Der vorsätzliche öffentliche V o r t r a g

eines noch nicht er-

schienenen Werkes. Strafe: Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. War die Einwilligung des Berechtigten nur wegen der vorgenommenen Änderung 'erforderlich: Geldstrafe bis dreihundert Mark. Die an Stelle der Geldstrafe tretende Gefängnisstrafe darf sechs Monate, in dem letzt erwähnten Falle einen Monat, nicht

4 2 6 § 122- i. Die Verletzung des schriftstellerischen u. künstl. Urheberrechts. übersteigen. Für die Umwandlung in Haft gelten die allgemeinen Grundsätze (§ 38).

d) Die vorsätzliche unbefugte öffentliche Mitteilung wesentlichen I n h a l t e s eines geschützten Werkes (§ 39).

des

S t r a f e : Geldstrafe bis fünfzehnhundert Mark; die subsidiäre Gefängnisstrafe darf drei Monate nicht übersteigen.

e) Die vorsätzliche oder fahrlässige Unterlassung der Quellenangabe (das Plagiat § 44). S t r a f e : Geldstrafe bis einhunderttünfzig Mark. 3. N e b e n b e s t i m m u n g e n . a) Die Verfolgung tritt in allen fünf Fällen (oben 2) nur auf A n t r a g ein. Zurücknahme zulässig (§ 45). b) Auf Verlangen des Berechtigten kann neben der Strafe auf eine B u ß e bis zu 6000 Mark erkannt werden. Die Verurteilten haften als Gesamtschuldner. Eine zuerkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Anspruches auf Schadenersatz aus (§ 40). c) Die Strafe der V o l l e n d u n g tritt auch dann ein, wenn das Werk nur zu einem Teile vervielfältigt, verbreitet, öffentlich mitgeteilt, aufgeführt oder vorgetragen worden ist (§ 41). Dagegen bleibt der Versuch straflos. d) Die widerrechtlich hergestellten oder verbreiteten Exemplare und die zur widerrechtlichen Vervielfältigung ausschließlich bestimmten Vorrichtungen unterliegen der V e r n i c h t u n g , soweit sie sich im Eigentum der an Herstellung oder Vervielfältigung Beteiligten oder ihrer Erben befinden. Auf die Vernichtung ist auch dann zu erkennen, wenn die Herstellung oder Verbreitung weder vorsätzlich noch fahrlässig erfolgt, oder die Herstellung noch nicht vollendet ist (§ 42). Statt der Vernichtung kann der Berechtigte verlangen, daß ihm das Recht zuerkannt werde, die Exemplare und Vorrichtungen ganz oder teilweise gegen eine angemessene Vergütung zu übernehmen (§ 43). Die Verfolgung des Rechtes auf Vernichtung wie auf Übernahme muß im Wege des bürgerlichen Rechtsstreites oder im Strafverfahren erfolgen. Besonderer Antrag des Berechtigten ist in beiden Fällen erforderlich; Rücknahme zulässig. Der Berechtigte kann seine Rechte auch im objektiven Verfahren als Privatkläger geltend machen (§§ 46 bis 48). e) Die Strafverfolgung der oben 2a bis d angeführten Handlungen v e r j ä h r t in drei Jahren (§§ 50, 51, 53). Die Verjährung des Nachdruckes beginnt mit dem Tage, an dem die Verbreitung zuerst stattgefunden hat; die der Verbreitung, der Aufführung, des Vortrags mit dem Tage, an dem die widerrechtliche Handlung zuletzt stattgefunden hat; in dem oben 2e angeführten Fall (in dem die Verjährungsfrist nach allgemeinen Grundsätzen drei Monate beträgt) beginnt sie mit dem Tage, an dem die erste Veröffentlichung stattgefunden hat (§ 53). Der Antrag auf Vernichtung der Exemplare und Vorrichtungen ist so lange zulässig, als solche vorhanden sind (§ 52).

II. Durch das ebenfalls vom 19. Juni 1901 datierte (1910 ergänzte) G über das Verlagsrecht (an Werken der Literatur oder der Tonkunst) haben die oben unter 2 und 3 angeführten Bestimmungen ein erweitertes Anwendungsgebiet erhalten. Nach § 9 dieses G kann nämlich der Verleger, soweit der Schuta des Verlags-

§ 122. i . Die Verletzung des schriftstellerischen u. künstl. Urheberrechts. 427

rechtes es erfordert, gegen den Verfasser, wie gegen Dritte, die Befugnisse ausüben, die zum Schutz des Urheberrechtes durch das Gesetz vorgesehen sind. Zu diesen Befugnissen gehört auch das Recht, Strafverfolgung, Buße, Vernichtung zu beantragen. III. Das künstlerische Urheberrecht. 1. G e s c h i c h t e u n d B e g r i f f . Die beiden Gesetze vom 9. Januar 1876 über das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und vom 10. Januar 1876 über das Urheberrecht an Photographien sind ersetzt durch das einheitliche Gesetz vom 9. Januar 1907 (1910 ergänzt) betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie.

Der Urheber eines Werkes der bildenden Kunst (dazu werden nach § 2 auch gerechnet die Erzeugnisse des Kunstgewerbes sowie Bauwerke, soweit sie künstlerische Zwecke verfolgen) h a t die ausschließliche Befugnis, das Werk zu vervielfältigen, gewerbsmäßig zu verbreiten und gewerbsmäßig mittels mechanischer oder optischer Einrichtungen vorzuführen. Als Vervielfältigung gilt auch die Nachbildung, bei Bauwerken auch das Nachbauen (§ 15). Den Schutz genießen die Reichsangehörigen für alle ihre Werke, gleichviel ob diese erschienen sind oder nicht; Reichsausländer für jedes im Auslande noch nicht erschienene Werk, das im Inland erscheint (§ 51). 2. D i e s t r a f b a r e n V e r l e t z u n g e n d e s

Urheberrechts.

a) Die vorsätzliche und unbefugte V e r v i e l f ä l t i g u n g , V e r b r e i t u n g oder V o r f ü h r u n g eines geschützten Werkes (§ 32). S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreitausend Mark, im Falle der Uneinbringlichkeit Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten; bei unberechtigter Änderung an dem Werk, seiner Bezeichnung oder der Bezeichnung des Urhebers Geldstrafe bis zu dreihundert Mark, im Falle der Uneinbringlichkeit Gefängnisstrafe bis zu einem Monat.

b) Die vorsätzliche A n b r i n g u n g des Namens oder einer sonstigen Bezeichnung des Urhebers auf der Vervielfältigung in einer Weise, die zu Verwechslungen Anlaß geben kann, sowie die vorsätzliche und unrechtmäßige V e r b r e i t u n g o d e r ö f f e n t l i c h e A u s s t e l l u n g e i n e s B i l d n i s s e s (§ 33). S t r a f e : Geldstrafe bis zu eintausend Mark, bei Gefängnisstrafe bis zu zwei Monaten.

Uneinbringlichkeit

c) Die v o r s ä t z l i c h e B e z e i c h n u n g des Werkes mit dem Namen oder dem Namenszug des Urhebers ( § 3 4 ) . S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark; bei Uneinbringlichkeit Gefängnisstrafe bis zu einem Monat.

d) Die unterlassene Q u e l l e n a n g a b e (§ 40). S t r a f e : Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark. heitsstrafe wohl ausgeschlossen. 3. N e b e n b e s t i m m u n g e n .

Umwandlung in Frei-

428

§ 123-

2

- D'e Verletzung des gewerblichen Urheberrechts.

a) Die Verfolgung tritt in den Fällen unter 2a, b, d nur a u f A n t r a g Zurücknahme zulässig (§ 41). b) Auf Verlangen des Verletzten kann neben der Strafe auf eine B u ß e bis zu 6000 Mark erkannt werden. Die Verurteilten haften als Gesamtschuldner. Die erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Ersatzanspruches aus (§ 35). c) Die Strafbarkeit der oben unter 2a bezeichneten Handlungen tritt auch bei t e i l w e i s e r Vervielfältigung, Verbreitung oder Vorführung ein (§ 36). Der Versuch ist straflos. d) Über die V e r n i c h t u n g der widerrechtlich hergestellten, verbreiteten oder vorgeführten Exemplare und der dazu ausschließlich bestimmten Vorrichtungen enthalten die §§ 37—39, 42—45 Bestimmungen, die inhaltlich den oben zu I 3d angeführten entsprechen. e) Ebenso decken sich die Bestimmungen der §§ 47—50 über die V e r j ä h r u n g mit den oben zu I 3 e angeführten Vorschriften. ein.

§ 123.

2. Die Verletzung des gewerblichen Urheberrechts.

Literatur. Seligsohn Patentgesetz und Gesetz betr. den Schutz von Gebrauchsmustern 3. Aufl. 1906. Kohler Handbuch des Patentrechts in rechtsvergleichender Darstellung 1900. Allfeld Kommentar zu den Reichsgesetzen über das gewerbliche Urheberrecht usw. 1904. Stenglein Nebengesetze I 116 (Ebermayer). Damme Das deutsche Patentrecht 1911.

I. Verletzung des Urheberrechts an Geschmacksmustern und Modellen, d. h. an solchen neuen und eigentümlichen Vorbildern f ü r „kunstgewerbliche" Gebrauchsgegenstände, deren Verwendung eine den Geschmack befriedigende Wirkung zu erzielen bestimmt ist ; nach dem G vom 1 1 . Januar 1876 § 5 beganger, durch unbefugte Nachbildung eines Flachmusters oder Modelles in Verbreitungsabsicht. In England und Frankreich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts anerkannt, war dem deutschen Rechte der M u s t e r s c h u t z , mit Ausnahme der Länder des französischen Rechts, bis in die letzten Jahrzehnte fremd geblieben. Erst seit der Vereinigung von Elsaß-Lothringen mit dem Mutterlande führten die lebhaften Bestrebungen der dortigen Industrie zur Erlassung des Reichsg. von 1876. Dieses steht auf streng nationalem Standpunkte und schützt nur die Muster und Modelle inländischer Urheber. Eine Erweiterung ist durch Staatsverträge mit auswärtigen Staaten, allgemein aber durch den Pariser Vertrag vom 20. März 1883, betreffend den Schutz des gewerblichen Eigentums, geschaffen worden, dem das Deutsche Reich durch Erklärung vom 21. März 1903 beigetreten ist. 1 ) Nur g e w e r b l i c h e Muster und Modelle (Geschmacksmuster) werden geschützt; nicht aber künstlerische oder technische Erfindungen. Über die Person des Berechtigten enthält § 2, über Nachbildungen und Vervielfältigungsvorrichtungen § 14 eigenartige Bestimmungen.

II. Die Verletzung des Patentrechts. Vgl. v. Brüssel am 14. worden (RGBl. 1913 (RGBl S.

Liszt Völkerrecht § 32 I I 1. Das Pariser Abkommen ist in Dezember 1900 und in Washington am 2. Juni 1911 revidiert 1913 S. 209); dazu das deutsche Ausführungsg. vom 31. März 236).

§ 123Der

2. D i e V e r l e t z u n g des gewerblichen

Urheberrechts.

S c h u t z des gewerblichen Erfinderrechts reiht sich an den

d e s schriftstellerischen, künstlerischen und kunstgewerblichen F r ü h e r i m E i n z e l f a l l e durch P r i v i l e g i e n g e w ä h r t , seit d e m

Schutz

Urheberrechts.

18.

Jahrhundert

in den meisten d e u t s c h e n S t a a t e n , wenn auch vielfach nur auf dem W e g e der V e r w a l t u n g s r e c h t s p f l e g e a n e r k a n n t , ist er durch das Reichsg. v o m 25. Mai 1877, e r s e t z t durch G v o m 7. A p r i l 1891, gewährleistet worden, nachdem eine w e i t verbreitete

gegnerische

Strömung

durch

den

Umschwung

der öffentlichen

Meinung seit d e m B e g i n n e der sechziger Jahre in den Hintergrund

gedrängt

worden war.

1. Strafbare Verletzung des Patentrechts ist gegeben, wenn ein Dritter u n b e f u g t (§ 5) und w i s s e n t l i c h (§ 36) d e n G e g e n s t a n d d e r E r f i n d u n g g e w e r b s m ä ß i g h e r s t e l l t , in V e r k e h r b r i n g t , f e i l h ä l t o d e r g e b r a u c h t (§4). Vermögensbeschädigung ist ebensowenig erforderlich wie gewinnsüchtige Absicht. S t r a f e (§ 36): Geldstrafe bis zu f ü n f t a u s e n d Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre. A n t r a g s v e r g e h e n ; R ü c k n a h m e zulässig. Ü b e r die B e s t r a f u n g der im A u s l a n d e begangenen H a n d l u n g e n gelten die allgemeinen Grundsätze. D e m V e r l e t z t e n ist die B e f u g n i s zuzusprechen (§ 36), die Verurteilung a u f K o s t e n des Verurteilten ö f f e n t l i c h b e k a n n t zu m a c h e n (vgl. oben § 58 N o t e 4). S t a t t der E n t s c h ä d i g u n g k a n n (§ 37) auf B u ß e bis zu zehntausend Mark erkannt werden. Weiterer E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r u c h in diesem F a l l e ausgeschlossen. Mehrere Verurteilte h a f t e n als Gesamtschuldner.

2. Die P a t e n t a n m a ß u n g besteht in der Vorspiegelung des Patentschutzes (§ 40). Sie liegt vor, wenn jemand a) Gegenstände oder deren Verpackung mit einer Bezeichnung versieht, die geeignet ist, den Irrtum zu erregen, daß die Gegenstände durch ein Patent geschützt seien; oder b) in öffentlichen Anzeigen, auf Aushängeschildern, auf Empfehlungskarten oder in ähnlichen Kundgebungen eine Bezeichnung anwendet, die geeignet ist, den gleichen Irrtum zu erregen. Strafe:

G e l d s t r a f e bis zu eintausend Mark.

Fahrlässigkeit

genügt.

3. Hier mag auch erwähnt werden die Strafdrohu'ng des P a t e n ta n w a l t g . vom 21. Mai 1900 § 19 gegen den, der, ohne als Patentanwalt eingetragen zu sein, sich als P a t e n t a n w a l t bezeichnet oder sich einen ähnlichen Titel beilegt, durch den der Glaube erweckt wird, der Inhaber sei als Patentanwalt eingetragen. S t r a f e ; Geldstrafe bis zu d r e i h u n d e r t M a r k , bei U n e i n b r i n g l i c h k e i t H a f t .

III. Dem Patentgesetz nachgebildet ist das G betr. den Schutz von Gebrauchsmustern vom 1. Juni 1891. Gebrauchsmuster, im Gegensatze zu den Geschmacksmustern (oben I), sind (§ 1): Modelle (nicht Flachmuster) von Arbeitsgerätschaften oder Gebrauchsgegenständen oder von deren Teilen, insoweit sie dem Arbeits- oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen sollen.

430

§ 124-

Der unlautere Wettbewerb und verwandte Delikte.

Wer wissentlich ein (eingetragenes) Gebrauchsmuster in Benutzung: nimmt (d. h. das Muster gewerbsmäßig nachbildet oder die durch die Nachbildung hervorgebrachten Gerätschaften und Gegenstände in Verkehr bringt, feilhält oder gebraucht), wird mit Geldstrafe bis zu fünftausend Hark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft (§ 10). Verfolgung nur auf Antrag; Zurücknahme zulässig. Neben der Strafe ist dem Verletzten die Befugnis zuzusprechen, die Verurteilung auf Kosten des Verurteilten öffentlich bekannt zu machen. D i e Art der Bekanntmachung sowie die Frist dazu ist im Urteil zu bestimmen. Statt jeder Entschädigung kann auf Verlangen des Beschädigten neben der Strafe auf Buße bis zu zehntausend Mark erkannt werden. Die zu ihr Verurteilten haften als Gesamtschuldner (§ Ii). Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus.

§ 124.

Der unlautere Wettbewerb und verwandte Delikte.

Literatur. Stenglein Nebengesetze I 1024 (Ebermayer). Lobe Die B e kämpfung des unlauteren Wettbewerbs. 5. B d . 1907Ü. Daniel Darstellung des Verbrechens des unlauteren Wettbewerbes 1900. MM. Kohler Das Verbrechen des unlauteren Wettbewerbs (v. Lil. Heft 32/34) 1901. Bauer Der unlautere Wettbewerb 1902. Schlecht Z 21 83. Bielenberg Die Strafbestimmungen des Gesetzes usw. vom 27. Mai 1896. Marburger Diss. 1904. Müller Der Rechtsschutz gegen die Anschwärzung des Wettbewerbers. Freiburger Diss. 1907. Stark Die Bestechung von Angestellten in Handel und Gewerbe 1909. Schmal Zur Lehre von der Anschwärzung usw. Erlanger Diss. 1911. Kommentar von Pinner und Eyck 2. Aufl. 1910. Kahn 2. Aufl. 1910. Finger 4. Aufl. 1911. — Zu I I I insbes.: Finger V D Bes. T. 8 371. Friedlaender Der strafrechtliche Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse 1903 (Berliner Seminarabhdlgn 2 3). Heller Der strafrechtliche Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses. Leipziger Diss. 1905. Veiel Die strafrechtliche B e deutung der Unfallversicherungs-Gesetzgebung 1910. Winter Die strafrechtliche Bedeutung des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. E r langer Diss. 1910. — Zu I V : Seuffert Z 15 823. P. Schmidt Das Warenzeichenrecht 1900. A, Seligsohn 2. Aufl. in Gemeinschaft mit M. Seligsohn 1905. Allfeld (Lit. zu § 123) 430. Lobs Die Widerrechtlichkeit bei dem Gebrauch eines Warenzeichens (Festgabe für Binding) 1911. Derselbe § 8 des G usw. (Festgabe für Wach) 1913.

I. Unlauterer Wettbewerb (concurrence déloyale) ist, abgesehen von positivrechtlicher Einschränkung, d i e m i t u n l a u t e r e n M i t t e l n u n t e r n o m m e n e B e w e r b u n g um A b n e h m e r f ü r selbsterzeugte oder vertriebene Waren. 1. Unlauterer Wettbewerb ist Kundenfang, nicht Betrug. Nicht der Abnehmer, sondern der mitwerbende redliche Verkäufer soll in erster Linie geschützt werden. Und zwar nicht nur in seinem Vermögen. Der Name, den der Gewerbetreibende durch körperliche und geistige Tätigkeit sich erworben, das Vertrauen des Kundenkreises, den er durch geschickte Sorgfalt und Redlichkeit an sein Geschäft geknüpft hat, stellt nicht nur einen vielleicht recht bedeutenden Vermögenswert, sondern als Schöpfung individueller Leistungskraft ein den Urheberrechten gleichwertiges Individual-

§ 124-

Der unlautere Wettbewerb nnd verwandte Delikte.

recht dar. Gegen dieses, nicht bloß gegen das Vermögen, richtet sich der unlautere Wettbewerb. 1 ) 2. Der Tatbestand besteht in der Bewerbung um Abnehmer durch unlautere Mittel. Als solche erscheinen: a) Die Verwertung fremder G e s c h ä f t s g e h e i m n i s s e ; b) die a r g l i s t i g e T ä u s c h u n g (unten § 139 I I 2), über das eigene oder das fremde Geschäft; insbesondere die Verwendung fremder eingetragener W a r e n b e z e i c h n u n g e n . Nur zögernd hat sich die Reichsgesetzgebung zu Strafdrohungen gegen den unlauteren Wettbewerb entschlossen. Bis 1896 war, abgesehen von den Bestimmungen der Versicherungsgesetzgebung (unten III), nur der Mißbrauch fremder Fabrik- und Warenzeichen (unten IV) unter Strafe gestellt. Umfassende Regelung brachte erst das ,,G zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes" vom 27. Mai 1896, das seit 1. Oktober 1909 durch das umfassendere G vom 7. Juni 1909 (unten II) ersetzt ist. Neben diesem bleiben die älteren Gesetze in Kraft. Neue Bestimmungen zum Schutz dtr Geschäftsgeheimnisse enthalten die unter III angeführten Gesetze. GE § 342 hat einen umassenden Tatbestand „Verrat von Geschäftsgeheimnissen" aufgestellt.

II. Das G vom 7. J u n i 1909 gibt keine allgemeine Begriffsbestimmung des unlauteren Wettbewerbs. Es begnügt sich mit der Aufzählung der einzelnen Fälle. Strafbar ist: 1. Die a r g l i s t i g e T ä u s c h u n g ü b e r d a s e i g e n e G e s c h ä f t oder d i e u n l a u t e r e R e k l a m e (§ 4). Das Gesetz verlangt unwahre und zur Irreführung geeignete Angaben (tatsächlicher Art, nicht bloß allgemeine Anpreisungen) über geschäftliche Verhältnisse, insbesondere über die Beschaffenheit, den Ursprung, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waren oder gewerblichen (nicht wissenschaftlichen oder künstlerischen, wohl aber landwirtschaftlichen) Leistungen, über die Art des Bezugs oder die Bezugsquelle von Waren, über den Besitz von Auszeichnungen, über den Anlaß oder den Zweck des Verkaufs oder über die Menge der Vorräte; und zwar in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen (nicht nur für einzelne Kunden) bestimmt sind. Die Angaben müssen wider besseres Wissen und in der Absicht gemacht werden, den Anschein 2 ) eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen. Mit der Bekanntmachung oder Mitteilung ist die Vollendung gegeben; gelungene Täuschung ist nicht erforderlich. Strafe:- Gefängnis bis zu einem Jahr und Geldstrafe bis fünftausend Mark oder eine dieser Strafen. — Neben dem Angestellten oder Beauftragten, der solche Angaben in einem geschäftlichen Betriebe gemacht hat, ist der ') Ebenso AUfeld, v. Birkmeyer, v. Gierke, Kohler, M M . Kohler u. a. Dagegen Blnding Lehrb. 1 506. *) Die Bestimmung findet mithin bei einem wirklich günstigen Angebot keine Anwendung. Dagegen R 47 280.

§ 124-

Der unlautere Wettbewerb und verwandte Delikte.

Inhaber oder Leiter des Betriebes strafbar, wenn die Handlung mit seinem Wissen geschehen ist. —• Die gleiche Strafe trifft (§ 8) das sogenannte V o r s c h i e b e n o d e r N a c h s c h i e b e n v o n W a r e n , d. h. den Fall, daß jemand bei Ankündigung eines Ausverkaufs Waren zum Verkauf stellt, die nur für den Zweck des Ausverkaufs herbeigeschafft worden sind. — Ergänzend treten in den §§ 6 und i o Übertretungsstrafen für verschiedene andere Tatbestände hinzu.

2. D i e B e s t e c h u n g von A n g e s t e l l t e n o d e r B e a u f t r a g t e n eines g e s c h ä f t l i c h e n B e t r i e b e s (§ 12); strafbar, wenn sie im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes durch Anbieten, Versprechen oder Gewähren von Geschenken oder anderen Vorteilen („Schmiergeldern") geschieht, um durch unlauteres Verhalten der Angestellten oder Beauftragten bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen eine Bevorzugung für den Bestechenden oder einen Dritten zu erlangen. S t r a f e : Wie zu 1. — Die gleiche Strafe trifft den Angestellten oder Beauftragten, der Geschenke oder andere Vorfeile fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, damit er durch unlauteres Verhalten einem anderen beim Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb eine Bevorzugung verschaffe. Das Empfangene oder sein Wert verfällt dem Staat.

3. Die a r g l i s t i g e T ä u s c h u n g ü b e r ein f r e m d e s G e s c h ä f t (§ 15), auch Anschwärzung, dénigrement, genannt. Genauer: die Behauptung oder Verbreitung unwahrer Tatsachen über das Erwerbsgeschäft eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Geschäfts, über die Waren oder gewerblichen Leistungen eines anderen, wenn diese Behauptungen geeignet sind, den Betrieb des Geschäfts zu schädigen. Die Behauptung muß wider besseres Wissen erfolgen (oben § 39 Note 8). Gelungene Schädigung ist ebensowenig wie Schädigungsabsicht erforderlich (Gefährdungsdelikt). Nach dem Wortlaute des Gesetzes kann die Handlung nicht nur von einem geschäftlichen Konkurrenten, sondern auch von Dritten begangen werden Sie kann mit der Kreditgefährdung in Idealkonkurrenz treten. S t r a f e : Wie zu 1. Der Inhaber des Betriebs ist neben den Angestellten oder Beauftragtén strafbar, wenn dessen Handlung mit seinem Wissen geschah.

4. Der V e r r a t und d i e u n b e f u g t e V e r w e r t u n g v o n G e s c h ä f t s g e h e i m n i s s e n (§§ 17—19). Strafbar ist: a) Wer als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebes Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut oder sonst zugänglich geworden sind, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an andere zu Zwecken des Wettbewerbes oder in der Absicht, dem 3

) Ebenso R 31 84 gegen R 31 64.

§ 124.

Der unlautere Wettbewerb und verwandte Delikte.

Inhaber des Geschäftsbetriebes Schaden zuzufügen, mitteilt (§ 17 Abs. 1). Die Unterscheidung der Betriebsgeheimnisse von den Geschäftsgeheimnissen ist ebenso undurchführbar wie die zwischen diesen beiden Begriffen einerseits und den geheimgehaltenen Betriebseinrichtungen und Betriebsweisen andererseits (s. unten III). „Nachahmung" einer „geheimgehaltenen Betriebsweise" ist stets „Verwertung" eines „Betriebsgeheimnisses". Am besten wird die einheitliche Bezeichnung „ G e s c h ä f t s g e h e i m n i s " festgehalten; dieses kann dann bestimmt werden als jede auf Herstellung oder Vertrieb der Waren bezügliche, vor Unberufenen mit Erfolg-geheimgehaltene Tatsache, deren Bekanntwerden den Betrieb des Geschäfts schädigen würde. Zu den geschützten Geheimnissen gehören auch die von den Angestellten der Firma selbst überlassenen oder die in deren Dienste gemachten und ihr zukommenden Erfindungen. 4 ) Vorsatz ist erforderlich; außerdem die besondere Absicht des Wettbewerbes oder der Schädigung. b) Wer Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, deren Kenntnis er durch eine der im Absatz 1 bezeichneten Mitteilungen oder durch eine gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßende eigene Handlung 5 ) erlangt hat, zu Zwecken des Wettbewerbes unbefugt verwertet oder an andere mitteilt (§ 17 Abs. 2). c) Wer die ihm im geschäftlichen Verkehr anvertrauten Vorlagen oder Vorschriften technischer Art zu Zwecken des Wettbewerbes unbefugt verwertet oder an andere mitteilt (§ 18). S t r a f e: wie zu 1. d) Wer zu Zwecken des Wettbewerbes, es unternimmt, einen anderen zu einer der oben a oder c erwähnten Handlungen zu bestimmen (§ 20). S t r a f e : Gefängnis bis zu neun Monaten und Geldstrafe bis zu zweitausend Mark oder eine dieser Strafen. 5. N e b e n b e s t i m m u n g e n . a) Strafverfolgung, abgesehen von den Übertretungstatbeständen, nur auï Antrag. In den oben unter 1 und 2 erwähnten Fällen ist jeder der in § 13 bezeichneten Gewerbetreibenden oder Verbände, sonst d«r Verletzte, antragsberechtigt. Zurücknahme zulässig. Antragsvergehen können im Wege der Privatklage verfolgt werden (§ 22). b) In den oben unter 1 und 2 erwähnten Fällen kann angeordnet werden, daß die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu maohen sei; in dem Fall unter 3 ist dem Verletzten die Publikationsbefugnis zuzusprechen. Bei Freisprechung kann das Gericht auf Antrag des Freigesprochenen die öffentliche Bekanntmachung anordnen (§ 23).

*) R 32 217.

5) Hierher würde gehören: Der Besuch einer Fabrik unter fremdem Namen, das Ausmieten (détournement) der Angestellten, die heimliche Durchstöberung der Geschäftspapiere aus Anlaß eines Besuches usw. Vgl. BGB § 826.

v. L i n t , Strafrecht.

»4. AuB.

28

§ 124-

Der unlautere Wettbewerb und verwandte D e l i k t e .

c) Neben der Strafe kann auf B u ß e bis zu zehntausend Mark erkannt werden (§ 26).

III. Die Offenbarung und Verwertung yon Geschäftsgeheimnissen außerhalb des unlauteren Wettbewerbs ist durch die in der modernen Gesetzgebung vielfach angeordnete behördliche Überwachung der Gewerbebetriebe zu einer schweren Gefährdung der Gewerbetreibenden in dem Genuß ihrer individuellen Leistungen wie in ihren vermögensrechtlichen Interessen geworden. Zahlreiche Gesetze haben sich daher veranlaßt gesehen, jene Handlungen unter Strafe zu stellen, soweit sie von den zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen (Beamten, Beauftragten, Sachverständigen) ausgehen. Dazu tritt die Offenbarung der Steuerverhältnisse durch die mit deren Feststellung beauftragten Personen. [Eine einheitliche Erfassung des Tatbestandes ist bisher nur für das Gebiet des Steuerrechts in § 376 der Reichsabgabenordnung vom 13 Dezember 1919 (vgl unten 6) erfolgt; im übrigen ist die Gesetzgebung über vereinzelte Ansätze zur strafrechtlichen Erfassung der unbefugten Offenbarung nicht hinausgelangt. E 1919 § 355 macht'mit Recht den Versuch, in dieser Beziehung Wandel zu schaffen. — De lege lata ist insbesondere auf folgende Bestimmungen hinzuweisen:] 1. Die R e i c h s v e r s i c h e r u n g s o r d n u n g 1911 §§ 142 bis 145 bedroht die Personen der Versicherungsträger und Versicherungsbehörden, die besonderen Sachverständigen (§ 880) und die Mitglieder der Ausschüsse zur Entscheidung über Einsprüche nach § 1000 Abs. 2 und über Widersprüche nach § 1023 Abs. 1, wenn sie a) ihnen in amtlicher Eigenschaft bekannt gewordene Geschäftsoder Betriebsgeheimnisse unbefugt o f f e n b a r e n oder b) sie unbefugt v e r w e r t e n , um den Unternehmer zu schädigen oder sich oder anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen. S t r a f e : zu a: a) Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder Gefängnis. Verfolgung auf Antrag des Unternehmers; ß ) Wenn sie es tun, um den Unternehmer zu schädigen oder sich oder anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, Gefängnis, neben dem auf Ehrverlust und Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann. Bei mildernden Umständen ist auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark zu erkennen. Zu b: Gefängnis, neben dem auf Ehrverlust und auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann; bei mildernden Umständen ist auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark zu erkennen. — Vgl. auch § 145 des G.

Dieselben Tatbestände werden in dem A n g e s t e l l t e n v e r s i c h e r u n g sg. 1911 §§ 350 bis 353 mit denselben Strafen belegt. 2. § 145a der G e w e r b e o r d n g . vom 30. Juni (26. Juli) 1900 schützt die Gewerbetreibenden gegen Verrat durch die Sachverständigen, die vor der Entscheidung über die Konzessionserteilung zugezogen werden. a) L e i c h t e r e r F a l l .

Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark oder Ge-

$ 124.

Der unlautere Wettbewerb und verwandte Delikte.

fängnis bis zu drei Monaten, wenn die Genannten u n b e f u g t B e t r i e b s g e h e i m n i s s e o f f e n b a r e n , die k r a f t ihres Amtes oder Auftrages zu ihrer Kenntnis gelangt sind. Vorsatz erforderlich. Verfolgung nur auf Antrag des Betriebsunternehmers. b) S c h w e r e r F a l l . Gefängnis, neben dem Ehrverlust zulässig ist, wenn die Genannten a b s i c h t l i c h (gleich vorsätzlich) zum N a c h t e i l e d e r B e t r i e b s u n t e r n e h m e r Betriebsgeheimnisse, die k r a f t ihres Amtes oder Auftrages zu ihrer Kenntnis gelangt sind, offenbaren oder g e h e i m g e h a l t e n e B e t r i e b s e i n r i c h t u n g e n o d e r B e t r i e b s w e i s e n unter derselben Voraussetzung n a c h a h m e n , solange diese noch Betriebsgeheimnisse sind. Tun sie dies, um sich oder einem anderen einen (nicht notwendig rechtswidrigen Vermögensvorteil (unten § 1 3 9 I I 4) zu verschaffen, so kann neben der Gefängnisstrafe auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden. 3 . A u c h das M a r g a r i n e g . vom 1 5 . J u n i 1 8 9 7 hat in § 1 5 die durch die polizeiliche Überwachung bedrohten Betriebsgeheimnisse unter besonderen Strafschutz gestellt. Mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten wird bestraft, wer als Beauftragter der Polizeibehörde unbefugt Betriebsgeheimnisse, die kraft eines Auftrages zu seiner Kenntnis gekommen sind, offenbart oder geheimgehaltene Betriebseinrichtungen oder Betriebsweisen, von denen er k r a f t seines Auftrags Kenntnis erlangt hat, nachahmt, solange diese noch Betriebsgeheimnisse sind. Verfolgung nur auf Antrag des Betriebsunternehmers. •— Dritte Personen können als Teilnehmer strafbar sein. 4 . Dasselbe gilt v o n § 2 7 des W e i n g . v o m 7. A p r i l 1909. Die zu 2 angegebene Strafe trifft den Sachverständigen, der die Verschwiegenheitspflicht verletzt oder Betriebsgeheimnisse mitteilt oder nachahmt. 5 . N a c h § 8 2 des B e s i t z s t e u e r g . v o m 3 . J u l i 1 9 1 3 wird die unbefugte O f f e n b a r u n g der Vermögens-, E r w e r b s - oder Einkommensverhältnisse eines Steuerpflichtigen durch B e a m t e , Angestellte und ehrenamtliche Mitglieder v o n Behörden oder durch Sachverständige ( § 8 2 ) bestraft. S t r a f e : Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten. Verfolgung auf Antrag der obersten Landesfinanzbehörde oder des Steuerpflichtigen. Umwandlung der Geldstrafe in Freiheitsstrafe ausgeschlossen (§ 84). Dieselbe B e s t i m m u n g findet auf das 2 1 . J u n i 1 9 1 6 entsprechende A n w e n d u n g .

Kriegssteuerg.

vom

[6. § 3 7 6 der R e i c h s a b g a b e n o r d n u n g v o m 1 3 . Dezember 1 9 1 9 bedroht mit S t r a f e die Beamten (im Sinne des § 1 0 der Reichsabgabenordnung), die (Steuer- oder sonstige) Verhältnisse eines Steuerpilichtigen, die sie dienstlich öder bei W a h r n e h m u n g ihrer Obliegenheiten erfahren, anderen unbefugt mitteilen oder Betriebsoder Gewerbegeheimnisse, die sie in gleicher W e i s e erfahren haben, unbefugt verwerten. D i e bloße Offenbarung solcher Betriebs- oder Gewerbegeheimnisse fällt unter die erste Alternative des § 3 7 6 . 28»

§ 124Strafe

D e r unlautere W e t t b e w e r b und v e r w a n d t e D e l i k t e . a)

G e f ä n g n i s bis zu

einfacher F a l l :

G e l d s t r a f e bis zu

dreitausend

Mark

oder

6 M o n a t e n ; b) qualifizierter F a l l : D e r T ä t e r h a n d e l t a u s

E i g e n n u t z (vgl. oben § 108 I I I i) oder in der A b s i c h t , den S t e u e r p f l i c h t i g e n zu schädigen

(und zwar an irgendeinem R e c h t s g u t ) ;

G e l d s t r a f e bis zu

tausend Mark und G e f ä n g n i s oder G e f ä n g n i s allein.

dreißig-

D a n e b e n k a n n auf

Un-

f ä h i g k e i t zur B e k l e i d u n g öffentlicher A m t e r auf die D a u e r v o n einem bis zu fünf

Jahren e r k a n n t werden. —

D e r F a l l zu a ist

Antragsdelikt.]

7 . E n t s p r e c h e n d e S t r a f d r o h u n g e n f i n d e n sich zahlreich in d e n K r i e g s v e r o r d n u n g e n , die die G e m e i n b e w i r t s c h a f t u n g gewisser E r z e u g n i s s e anordnen. I V . D i e gemeinrechtlichen B e s t i m m u n g e n , w e l c h e § 287 R S t G B z u m S c h u t z e v o n Firmen und Namen g e t r o f f e n h a t t e , erwiesen sich b a l d als u n z u r e i c h e n d . D i e allseitig v e r l a n g t e und v o r 1870 in mehreren E i n z e l s t a a t e n schon v o r h a n d e n g e w e s e n e A u s d e h n u n g auf F a b r i k und W a r e n z e i c h e n ist d u r c h d a s R e i c h s g . v o m 30. N o v e m b e r 1 8 7 4 (Markenschutzg.), in weiterem U m f a n g e d u r c h d a s a n dessen Stelle g e t r e t e n e G z u m S c h u t z der Warenbezeichnungen v o m 12. Mai 1894 g e w ä h r t worden. 6 ) N a c h § 1 dieses Gesetzes k a n n , wer in seinem G e s c h ä f t s b e t r i e b e (wenn auch nicht als V o l l k a u f m a n n ) z u r U n t e r s c h e i d u n g seiner W a r e n v o n d e n W a r e n anderer sich eines W a r e n z e i c h e n s bedienen will, dieses Zeichen zur E i n t r a g u n g in die (bei d e m P a t e n t a m t g e führte) Zeichenrolle anmelden. Die E i n t r a g u n g h a t (§ 12) die W i r k u n g , d a ß dem E i n g e t r a g e n e n ausschließlich d a s R e c h t z u s t e h t , W a r e n der angemeldeten A r t oder d e r e n V e r p a c k u n g oder U m h ü l l u n g m i t dem W a r e n z e i c h e n zu versehen, die so b e z e i c h n e t e n W a r e n in V e r k e h r zu setzen, sowie auf A n k ü n d i g u n g e n , Preislisten, G e s c h ä f t s b r i e f e n , E m p f e h l u n g e n , R e c h n u n g e n oder dergleichen d a s Zeichen anzubringen. W e g e n V e r l e t z u n g dieses R e c h t s m a c h t sich s t r a f b a r : 1. W e r wissentlich W a r e n oder d e r e n V e r p a c k u n g oder U m h ü l l u n g oder w e r A n k ü n d i g u n g e n , Preislisten, G e s c h ä f t s b r i e f e , E m p f e h l u n g e n , R e c h n u n g e n oder dergleichen a) m i t d e m N a m e n oder der F i r m a eines anderen oder m i t einem n a c h diesem G e s e t z e g e s c h ü t z t e n W a r e n z e i c h e n widerrechtlich versieht oder b) dergleichen w i d e r r e c h t l i c h gekennzeichnete W a r e n in V e r k e h r b r i n g t oder feilhält (§ 14). Z u s t i m m u n g des B e r e c h t i g t e n schließt in beiden F ä l l e n die W i d e r r e c h t l i c h k e i t aus. •) D i e Übertretungen dieses Gesetzes werden als Fälschungsdelikte a u f -

gefaßt von Binditig, van Calker, Merkel, auch von Lenz (Lit. zu § 160) 61. Vgl. aber das oben unter I Gesagte. Richtig Allfeld, Janka, Kohler, Loening u. a. — D i e V e r w e n d u n g eingebürgerter Z e i t u n g s t i t e l ist n i c h t M i ß b r a u c h v o n Warenzeichen, k a n n aber nach W e t t b e w e r b g . 1909 privatrechtlich h a f t b a r machen.

§ 124-

Der unlautere Wettbewerb und verwandte Delikte.

S t r a f e : Geldstrafe von hundertfünfzig bis fünftausend Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. Verfolgung nur auf Antrag. Dieser rücknehrabar. 2. W e r zum Z w e c k der Täuschung in Handel und Verkehr a) die unter i genannten Gegenstände mit einer Ausstattung, die innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als Kennzeichen gleichartiger Waren eines anderen gilt, ohne dessen Genehmigung versieht, oder b) wer zu dem gleichen Zweck derartig gekennzeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält (§ 1 5 ) . S t r a f e : Geldstrafe von hundert bis dreitausend Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten. Verfolgung nur auf Antrag. Dieser rücknehmbar. 3. W e r die unter 1 genannten Gegenstände a) mit einem Staatswappen oder mit dem Namen oder W a p p e n eines Ortes, eines Gemeinde- oder weiteren Kommunalverbandes zu dem Zweck versieht, über Beschaffenheit und W e r t der Waren einen Irrtum zu erregen, oder b) wer zu dem gleichen Zweck derartig bezeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält (§ 16). S t r a f e : wie zu 1. Verfolgung von Amts wegen. Statt der Entschädigung kann in allen drei Fällen neben der Strafe auf Verlangen des Beschädigten auf eine an diesen zu erlegende Buße bis zum B e ü a g e von zehntausend Mark erkannt werden. Die zu dieser Verurteilten haften als Gesamtschuldner. Die Zuerkennung schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus (§ 18). In dem verurteilenden Erkenntnisse ist (§ 19) auf Antrag des Verletzten bezüglich der im Besitze des Verurteilten befindlichen Gegenstände auf Beseitigung der widerrechtlichen Kennzeichnung oder, wenn die Beseitigung in anderer Weise nicht möglich ist, auf V e r n i c h t u n g der damit versehenen Gegenstände zu erkennen. — Ferner ist (§ 19) dem Verletzten die Befugnis zuzusprechen, die Verurteilung auf Kosten des Verurteilten ö f f e n t l i c h bek a n n t zu m a c h e n (oben § 58 Note4). Die Art der Bekanntmachung und die Frist dazu ist in dem Urteil zu bestimmen.

Vierter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen Vermögensrechte. § 125.

Obersicht.

Bei strenger Durchführung des Systems müßte die Einteilung der Vermögensverbrechen sich an die privatrechtliche Einteilung der Vermögensrechte anschließen. Diese Durchführung scheitert aber an dem geschichtlich gewordenen Stande der Gesetzgebung 1 ). Eine ganze Reihe von Verbrechen (unten §§ I3gff.) richtet sich g a r nicht gegen einzelne Vermögensrechte, sondern gegen das Vermögen überhaupt, beansprucht also eine besondere Stellung im System. Aber auch der strafrechtliche Schutz der einzelnen Vermögensrechte ist durchaus ungleichmäßig entwickelt. Die Forderungsrechte genießen ihn nur zum Teil. V o n den dinglichen Rechten hat ihn nur das Eigentum (von S t G B § 289 abgesehen), und auch dieses nur gegen Aneignung beweglicher Sachen und Sachbeschädigung, nur in einem Falle ( S t G B § 290) auch gegen rechtswidrigen Sachgebrauch, gefunden. Die wissenschaftliche Darstellung muß dieser Tatsache Rechnung tragen. Dem Eigentum an körperlichen Sachen ist durch das G vom 9. April 1900 das ausschließliche Verfügungsrecht über e l e k t r i s c h e A r b e i t an die Seite gestellt worden. Die Verletzung dieses Rechts wird daher am besten im Anschluß an die Eigentumsdelikte behandelt. I. Die Darstellung des Lehrbuches beginnt mit dem strafrechtlichen Schutz der dinglichen Rechte. 1. D a s E i g e n t u m kann verletzt werden: a) Durch die B e s c h ä d i g u n g oder Z e r s t ö r u n g der Sache (Sachbeschädigung, S t G B § 303). Dabei wird zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen nicht unterschieden. b) Durch A n e i g n u n g der Sache, d. h. dadurch, daß der Nichteigentümer sich die eigentumsgleiche Herrschaft über die Sache anmaßt. Das geltende Strafrecht schützt nur die beweglichen Sachen gegen Aneignung und überläßt den Schutz der unbeweglichen Sachen l) Heglers Einteilung (VD Bes. T. 7 407 und Archiv für K. und W.-Philosophie Bd. 9 und xo) in Vermögensverschiebungs- und Vermögensentziehungsdelikte verläßt grundsätzlich den Einteilungsgrund des verletzten Rechtsgutes.

§ 125-

Strafbare Handluttgen gegen Vermögensrechte.

Übersicht.

439

dem Privatrecht. Die Aneignung kann .erfolgen: a. an einer Sache, die der Täter bereits in s e i n e m G e w a h r s a m hat (Unterschlagung, S t G B § 246); ß. an einer Sache, die er erst aus dem Gewahrsam eines anderen w e g n e h m e n muß. Im Falle unter ß liegt Diebstahl ( S t G B § 242) vor, wenn das Wegnehmen o h n e G e w a l t , dagegen Raub ( S t G B § 249), wenn es mit G e w a l t erfolgte. Ein besonderer Fall des Wegnehmens ist das „Entwenden" in §§ 248a und 370 Ziff. 5. c) Durch G e b r a u c h s a n m a ß u n g , die aber im geltenden Recht nur ausnahmsweise (StGB § 290) strafbar ist. In den drei Fällen unter a bis c ist einerseits der Sachbegriff streng auf die k ö r p e r l i c h e Sache zu beschränken und andrerseits ein T a u s c h w e r t der Sache n i c h t zu fordern. Die hierher gehörenden Verbrechen sind notwendig Sachverbrechen, nicht notwendig Bereicherungsverbrechen (oder Vermögens verbrechen im engeren Sinn). 2. Die Verletzungen des R e c h t s a n e l e k t r i s c h e r A r b e i t schließen sich nach der Auffassung des geltenden Rechts 2 ) einerseits an die S a c h b e s c h ä d i g u n g , andrerseits an die A n e i g n u n g (Diebstahl wie Unterschlagung) an. 3. Von den übrigen dinglichen Rechten ist das N i e ß b r a u c h s und das P f a n d r e c h t (durch S t G B § 289)*) geschützt. II. Besonderen strafrechtlichen Schutz genießen gewisse Zueignungsrechte; so das Jagd- und Fischereirecht. III. Dagegen sind die Forderungsrechte im wesentlichen auf den Schutz des Privatrechts angewiesen. Nur unter eng umschriebenen Voraussetzungen ist d e r V e r t r a g s b r u c h strafbar. Dasselbe gilt von der U n t r e u e ( S t G B § 266) in der Wahrnehmung anvertrauter Vermögensinteressen. Dagegen dienen die Strafdrohungen gegen B a n k b r u c h dem Schutz der gefährdeten Gläubiger. IV. An diese drei, nach der Art der geschützten Vermögensrechte scharf geschiedenen Gruppen von strafbaren Handlungen reiht sich eine vierte: Handlungen, die im Einzelfall gegen jedes beliebige Vermögensrecht sich richten können. Sie treten den durch die R i c h t u n g des Angriffs gekennzeichneten Vermögensverbrechen als „ v a g e " , nur durch das Angriffsmittel individualisierte Verbrechen gegenüber, wie die gemeingefährlichen Verbrechen und die Fälschungsdelikte den übrigen Verbrechen gegen den einzelnen. T ä u s c h u n g und Z w a n g als Angriffsmittel ergeben die typischen Formen des Betruges ( S t G B § 263) und der Erpressung ( S t G B § 253). Dazu kommt als moderne Form die A u s b e u t u n g der Notlage, des LeichtEbenso K E und E 1919 (vgl. dazu Denkschrift S. 301); dagegen haben V E § 12 und G E § 12 die elektrische Arbeit der beweglichen Sache gleichgestellt. *) Der aber die nichtdinglichen Gebrauchs- und Zurückbehaltüngsrechte gleichstellt.

§126.

440

i . Der Diebstahl.

Geschichte.

sinns, der Uneriahrenheit; insbesondere der Wucher ( S t G B § 302a). 4 ) A n die Verletzungsdelikte

reiht sich die

(insbes. das Glücksspiel).

Und die ganze Gruppe wird durch das

Vermögensgefährdung

eigenartige Vermögensdelikt der S a c h h e h l e r e i

(StGB

§ 259) ge-

schlossen. Die in diese

IV.

Gruppe

fallenden

Verbrechen

sind

grund-

sätzlich, d. h. soweit der unzweifelhafte Wille des Gesetzes nicht zu anderer Auffassung zwingt, V e r m ö g e n s verbrechen im engeren Sinn, d. h. sie richten sich gegen das Vermögen als Inbegriff geldwerter Güter.

Sie sind eben darum grundsätzlich B e r e i c h e r u n g s -

v e r b r e c h e n ; d. h. sie verlangen die wenigstens beabsichtigte V e r schiebung der Vermögenslage zugunsten des Täters. V . Neben dem Schutz von Leib und Leben bezwecken die Strafdrohungen gegen g e m e i n g e f ä h r l i c h e V e r b r e c h e n ( S t G B §§ 306 bis 330) auch den Schutz des Vermögens. Und dasselbe gilt von einer ganzen

Reihe

polizeilicher

Strafdrohungen.

Aus

den

bereits

(oben § 80 III) angegebenen Gründen sind diese beiden Gruppen aber an anderer Stelle zu behandeln.

I. Strafbare Handlungen gegen dingliche Rechte. § 126.

I. Der Diebstahl.

Geschichte.

Literatur. Mommsetl 733. Rosenberger Über das furtum nach klassischrömischem Recht. Züricher Diss. 1879. Bachem Unterschied zwischen dem furtum des römischen Rechts und dem deutschen R S t G B 1880. Maschke P a s Eigentum in Zivil- und Strafrecht 1895. — Brunner 2 637. Kohler Studien 4 420. Rukser Der Diebstahl nach der lex Ribuaria 1913. I. Der Diebstahl war im klassischen r ö m i s c h e n R e c h t lediglich Privatdelikt. Zwar hatten die X I I Tafeln das furtum manifestum, wohl anknüpfend an den indogermanischen Unterschied zwischen handhafter und nichthandhafter Tat, mit kapitaler Strafe belegt, während das furtum nec manifestum mit der poena dupli bedroht war. A u c h war das Tötungsrecht des Angegriffenen dem nächtlichen Diebe gegenüber unbedingt, dem Tagesdiebe gegenüber, ,,si telo se defendit", anerkannt. A b e r schon das prätorische R e c h t kannte nur mehr die Geldbuße: das Vierfache bei f. manifestum und prohibitum, das Zweifache bei f. nec manifestum, das Dreifache bei f. conceptum et oblatum. D a s R e c h t der Kaiserzeit (oben § 7 III) hob einzelne Fälle des Diebstahls als crimina extraordinaria hervor und bedrohte sie mit peinlicher Strafe. A b e r im großen und ganzen wurde dadurch nicht viel geändert, wenn nicht die zweifelhafte Überlieferung richtig ist, nach der zu Justinians Zeiten bei jedem Diebstahle (rei ipsius) die Wahl zwischen ziviler K l a g e (actio) und Verfolgung (crimen) o f f e n stand. ') Vgl. dazu Isopescul-Grecul

(Lit. zu § 143) 321.

§ 126.

i . Der Diebstahl.

Geschichte.

441

B e k a n n t ist die B e g r i f f s b e s t i m m u n g , die Paulus in 1. 1 § 3 D 47, 2 gibt: „ F u r t u m est c o n t r e c t a t i o rei fraudulosa lucri faciendi gratia vel ipsius rei v e l etiam usus ejus possessionisve." D a n a c h ist Diebstahl jede widerrechtliche, gewinnsüchtige E n t w e n d u n g einer fremden beweglichen Sache; und der Begriff des f u r t u m u m f a ß t daher nicht bloß den heutigen Diebstahl, sondern auch den R a u b , die Unterschlagung, den sogenannten Funddiebstahl, die Besitzentziehung, die Gebrauchsanmaßung, sowie einzelne Betrugsfälle. D e m Eigentümer steht die condictio f u r t i v a auf R ü c k e r s t a t t u n g der Sache, jedem Verletzten die infamierende actio f u r t i zu. Diese letztere wurde v e r s a g t : 1. Gegen den E h e g a t t e n (in honorem matrimonii); 2. gegen Hauskinder (wegen der unitas personarum); 3. gegen S k l a v e n (wegen der S t r a f g e w a l t des Hausvaters). II. Wesentlich anders b e h a n d e l t das mittelalterlich-deutsche R e c h t den Diebstahl. Dieser erscheint hier als h e i m l i c h e W e g n a h m e aus fremder Gewere und h e b t sich dadurch scharf a b von dem R a u b e als der o f f e n e n W e g n a h m e einerseits und der Unterschlagung als dem dieblichen B e h a l t e n gefundener oder sonst an den T ä t e r gelangter Sachen andrerseits, während die Veruntreuung von zu treuer H a n d gegebenen Sachen meist dem Diebstahl gleichgeachtet wird. Frühzeitig finden wir, insbesondere in den Kapitularien, strenge öffentliche Strafen gegen den Diebstahl angedroht (oben § 8 I unter III). Schon R i b . 79, 1 l ä ß t den auf der T a t ergriffenen D i e b a u f k n ü p f e n . Wichtig ist insbesondere ein K a p i t u l a r von 779, das den dritten Diebstahl m i t dem Strange bedroht. Zahlreich sind die Unterscheidungen innerhalb des Diebstahls und die A b s t u f u n g e n in der B e s t r a f u n g . So ist erschwert der Diebstahl an gewissen, eines höheren Friedens bedürftigen Gegenständen (Pflug auf dem Felde, Vieh, Getreide) oder an befriedeten Orten (Königliche Pfalzen, Kirchen, Mühlen, Schmieden), zu gewissen Zeiten (während des Heer- oder des Dingfriedens, insbesondere aber nächtlicher Diebstahl), der Diebstahl mit Einbrechen usw. Daneben spielt die allgemeine Unterscheidung von handhafter und nicht handhafter T a t gerade hier eine entscheidende Rolle, und auch der wiederholte R ü c k f a l l wird besonders streng bestraft. V o n größter B e d e u t u n g aber ist die das ganze spätere Mittelalter beherrschende Einteilung des Diebstahls nach dem W e r t des Gestohlenen in einen großen an Hals und Hand und einen kleinen an H a u t und H a a r gehenden, wobei die vielfach schwankende Grenze a m häufigsten (so im Schsp. wie in den Reichsgesetzen) fünf Schillinge betrug. Soweit Todesstrafe eintritt, wird sie m i t dem Strang vollzogen. I I I . D i e i t a l i e n i s c h e Rechtswissenschaft des Mittelalters begnügte sich auch hier im allgemeinen damit, für die von dem deutschen (langobardischen) R e c h t e beherrschte R e c h t s p r e c h u n g nach Anknüpfungspunkten im römischen Rechte zu suchen. In der Sache ist es deutsches R e c h t , was sie entwickelt. 1 ) I V . So steht denn auch die P G O in dieser wie in den meisten anderen F r a g e n durchaus auf dem Boden deutschrechtlicher Auffassung. Sie behandelt den Diebstahl und die verwandten V e r g e h u n g e n m i t größter Ausführlichkeit in den A r t i k e l n 157 bis 175. Und zwar in folgender Reihenfolge. A r t . 1 5 7 : D e r allerschlechteste heimliche Diebstahl unter fünf Gulden (Zwiespiel, event. Kerker). A r t . 158: Der erste öffentliche Diebstahl unter fünf Gulden (Landesverweisung, bei Besserungsfähigkeit das Vierfache). A r t . 159: Der erste gejährliche Diebstahl (auch unter fünf Gulden) durch Einsteigen oder Brechen „ o d e r m i t W a f f e n , damit er j e m a n d , der ihm Widerstand tun wollt', verletzen

') Harster (Lit. zu § 8 II) 194.

§ 127-

442

Der Begriff des Diebstahls.

m ö c h t ' " (Todes- oder schwere Leibesstrafe). A r t . 160: Der erste große Diebstahl im Werte von fünf Gulden (von der Rechtsprechung wird der Gulden gleich einem ungarischen Dukaten gerechnet) und darüber (Strafe an Leib oder Leben). A r t . 161: Der zweite einfache Diebstahl (Landesverweisung). A r t . 162: Der dritte Diebstahl (ohne daß zwischen Rückfall und Zusammentreffen unterschieden worden wäre); „das ist ein mehrer verleumdeter Dieb und einem Vergewaltiger gleich geachtet" (Todesstrafe). A r t . 164: Junge Diebe unter 14 Jahren sollen ohne besondere Ursache nicht am Leben bestraft werden. A r t . 165: Diebstahl an Gütern, deren nächster Erbe der Täter ist, oder zwischen Mann und Frau (Ausschluß der amtlichen Verfolgung). A r t . 166: Stehlen in echter Hungersnot. Die folgenden A r t i k e l 167 bis 169 behandeln die Entwendung von Früchten auf dem Felde, an Holz und Fischen, und unterscheiden ihn von dem gemeinen Diebstahl. A r t . 170: Die Veruntreuung. A r t . 171 bestimmt den Kirchendiebstahl (an: res sacrae e loco sacro, res sacrae e loco non sacro, res non sacrae e loco sacro), und A r t i k e l 1 7 2 f r stufen die Strafe für ihn ab, indem sie mit dem Feuertode beginnen. V . Diese Bestimmungen bilden die Grundlage des g e m e i n e n R e c h t s . Dieses läßt im allgemeinen Todesstrafe eintreten 1. bei schwerem Diebstahl; 2. bei großem Diebstahl; 3. bei Diebstahl im zweiten Rückfall. Seit dem 18. Jahrhundert wird die Todesstrafe bekämpft und erst beschränkt, dann beseitigt (Friedrich der Große 1 7 4 3 ) . Auch die n e u e r e G e s e t z g e b u n g hat den gemeinrechtlichen Begriff festgehalten, ohne sich durch die römischen Quellen irreführen zu lassen. Bedenkliches Schwanken herrscht eigentlich nur in bezug auf die Frage, ob zum Begriff des Diebstahls gewinnsüchtige Absicht des Täters gefordert werden soll oder nicht, ob also der Diebstahl als Bereicherungsvergehen oder lediglich als Verletzung des Eigentums aufzufassen ist. K E § 355 und E 1919 § 359 haben, wie V E § 269, mit dem geltenden Recht die Frage verneint (vgl. Denkschrift zum E 1919 S. 302); G E § 297 dagegen (mit der überwiegenden Literatur, Ö R E und S R E Art. 120) verlangt Bereicherungsabsicht und stellt daher die „eigenmächtige Zueignung" (§ 300) neben Diebstahl und Unterschlagung.

§ 127.

Der Begriff des Diebstahls.

Literatur. Außer den zu § 126 angegebenen Schriften: Harburger VD Bes. T . 6 183. — Dickel Tatbestand des Diebstahls nach deutschem Recht. Bonner Diss. 1877. Merkel HH 3 618, 4 405. Ulimann Der dolus beim Diebstahl 1870. Geyer Kl. Schriften 327 (diebische Absicht). — Micelli Der Begriff des Gewahrsams im Strafrecht (V. Lil. Heft 72) 1906. W. V. Hippel Der Wasserdiebstahl 1895 (Abhandlgn. des Kriminalist. Seminars 4 1). Doerr Über das Objekt bei den strafbaren Angriffen auf vermögensrechtliche Interessen 1897. Prtihß Das verletzte Schutzobjekt beim Diebstahl. Freiburger Diss. 1902. V. Pradzynski Sachbeschädigung und Aneignung (V. Lil. Heft 88) 1908. Bender Können juristische Personen strafrechtlichen Besitz (Gewahrsam) haben? (Freiburger Abhandlgn. Heft 14) 1908. Sauer Schließen sich Diebstahl und Sachbeschädigung begrifflich aus ? 1908. Laemmert Der Begriff des Gewahrsams in den §§ 242 und 246 S t G B 1909. Redslob Z 3 0 205. Siemens Der Begriff der „Wegnahme" im deutschen Strafrecht. Greifswalder Diss. 1918. Höpfner Diebstahl und Unterschlagung im V E 1910. v. Lilienthal Z 82 1 (Diebstahl als Bereicherungsdelikt). Eckslein GA 59 414 (Veräußerung fremder Sachen). Derselbe GS 80 283 (Begriff der Zueignung). Sauer G A 88 2 84 (dasselbe). Zimmer Der Zueignungsbegriff 1913.

I.

Diebstahl

ist

Eigentumsverletzung

durch

rechts-

§ 127. Der Begrifi des Diebstahls.

443

widrige Aneignung einer fremden beweglichen Sache, die am diesem Zwecke durch Wegnahme in den Gewahrsam des Täters gebracht wird. Das letzterwähnte Moment unterscheidet Diebstahl und Unterschlagung. Nach dieser Begriffsbestimmung wären Diebstahl wie Unterschlagung erst mit der Aneignung vollendet. D a s geltende Recht l ä ß t aber die Vollendung schon mit der Wegnahme eintreten; Diebstahl ist demnach ( S t G B § 242): W e g n a h m e einer f r e m d e n b e w e g l i c h e n S a c h e in der A b s i c h t rechtswidriger Aneignung. I I . Gegenstand des Diebstahls ist e i n e f r e m d e b e w e g l i c h e Sache. 1. Eine k ö r p e r l i c h e S a c h e : d. i. der raumerfüllende, räumlich beherrschbare Stoff. Sache ist nicht der M e n s c h , auch nicht, wenn, wie früher in den deutschen Schutzgebieten, die Haussklaverei rechtlich anerkannt ist. W o h l aber künstliche Ergänzungen des Körpers (der Stelzfuß, die Perücke), soweit sie nicht (wie die künstliche Nase) d e m Körper untrennbar einverleibt sind; auch abgetrennte natürliche Körperteile (Zähne, Gallensteine usw.). Die Leiche wird zur Sache, sobald sie in den Verkehr gebracht ist (vgl. oben § 118 Note 14). Sachen sind auch tropfbarflüssige oder gasförmige Körper, wie Wasser, 1 ) Gas, warme L u f t , soweit sie in fremdem Gewahrsam sich befinden. Unter den Begriff der Sache fallen dagegen nicht R e c h t e (Forderungen); aber auch nicht K r ä f t e (Energien), wie die Triebk r a f t des Wassers oder Dampfes, die Zugkraft des Ochsen, die elektrische K r a f t , die Arbeit eines Leistungsautomaten.*) O b die Sache einen Tauschwert h a t oder nicht, ist gleichgültig. 8 ) 2. Eine f r e m d e , d'. h. in dem Eigentume eines anderen stehende Sache. A n Sachen, die in niemandes Eigentum stehen, ist Diebstahl unmöglich. So an herrenlosen oder vom Eigentümer aufgegebenen (derelinquierten) usw. Sachen ; 4 ) an wilden Tieren in ihrer natürlichen Freiheit (anders an Tieren in eingehegten Tiergärten, Fischen in geschlossenen Privatgewässern; vgl. unten § 134); an einem ausl ) Ableitung von Bewässerungswasser kann.daher Diebstahl sein. Vgl. oben § 20 Note 6. Ebenso Frank § 242 III. Abweichend W. V. Hippel 43. Über Entwendung von Heizdampf vgl. R 44 335. *) Die vielumstrittene Frage, ob die elektrische Energie eine körperliche Sache sei, ist-für das Straf recht durch das G vom 9. April 1900 im Sinne der herrschenden Ansicht (R 32 165) verneinend entschieden. Vgl. unten § 133. So die gem. Meinung. Sehr bedenklich R 10 120 (bezüglich der Sachbeschädigung). Doch kann in diesem Falle die Absicht rechtswidriger Zueignung fehlen. Brotkarten und andere Bezugsscheine auf rationierte Waren fallen als solche unter den Begriff der Sache; so R in ständiger Rechtsprechung. Vgl. R 51 91. *) So Sachen, die in den im Mietshause aufgestellten Müllbehälter geworfen sind: R 48 121. Von flüchtenden Soldaten weggeworfene Ausrüstungsgegenstände bleiben im Eigentum des Staates: R 49 195.

444

§ 12 7- Der Begriff des Diebstahls.

gezogenen und nicht verfolgten Bienenschwarm. Daher kann auch, wer dem Wilderer das Wild entwendet, nicht wegen Diebstahls (wohl aber wegen Hehlerei) bestraft werden. Weiter ist Diebstahl ausgeschlossen an verscharrten Tierkörpern, regelmäßig auch an den der Leiche ins Grab mitgegebenen Gegenständen (bestritten); möglich dagegen an den auf das Grab niedergelegten Kränzen. E r ist immer unmöglich an res extra commercium, sowie an res communes, soweit nicht etwa eine Ausscheidung und Ergreifung bereits stattgefunden hat Auch die Verletzung eines ausschließlichen Aneignungsrechts ist mithin nicht Diebstahl. Sachen, die im Eigentume des Staates, der politischen oder kirchlichen Gemeinden usw. stehen, können Gegenstand eines Diebstahls sein. An Nachlaßsachen kann der Erbe wegen B G B § 1922 einen Diebstahl nicht begehen. Die Aufgabe des Eigentums durch den Eigentümer oder die Übertragung des Eigentums an den Täter schließt, da sie der Sache die Eigenschaft einer fremden benimmt, den (vollendeten) Diebstahl aus; damit ist jedoch die Einwilligung des Eigentümers in die Wegnahme oder in die Ergreifung der Sache nicht zu verwechseln (unten III). Irrige Annahme der Aufgabe, bzw. Übertragung des Eigentums, schließt den Vorsatz aus. Irrige Nichtannahme würde als untauglicher Diebstahlsversuch erscheinen. Der Eigentümer selbst kann sich des (vollendeten) Diebstahls an der eigenen Sache nicht schuldig machen, wohl aber der Miteigentümer an der ihm nicht ausschließlich gehörenden. 3. Eine (tatsächlich) b e w e g l i c h e Sache. Ihr stehen die vom Täter (vielleicht gerade zum Zwecke des Diebstahls) beweglich gemachten Sachen, z. B. Bäume, Früchte, Gebäudeteile, Schiffe usw., aber auch der abgeschnittene Zopf, durchaus gleich. Entziehung des Besitzes unbeweglicher Sachen ist nicht Diebstahl (vielleicht Grenzverrückung). I I I Die S a c h e darf sich nicht in dem Gewahrsam des Diebes, sie muß sich im G e w a h r s a m eines anderen b e f u n d e n h a b e n . Gewahrsam ist t a t s ä c h l i c h e G e w a l t , d. h. die vom Herrscherwillen getragene tatsächliche Herrschaft über die Sache; also die Möglichkeit, mit Ausschluß anderer auf sie einzuwirken; die Verfügungsgewalt, verbunden mit dem erkennbaren Willen, die eigene Herrschaft unter Ausschluß anderer geltend zu machen. Wille und Gewalt müssen nebeneinander vorhanden sein; diese ist ohne jenen nicht möglich, jener muß in dieser zutage treten. Ein Wissen um die einzelnen Gegenstände, die sich in den vom Herrscherwillen allgemein umfaßten Räumen befinden (die Bücher, die der Buchhändler in meiner Stube hinterläßt, die Fische, die sich in meinem Netze fangen), ist nicht erforderlich. Der einmal begründete Ge-

§ 127-

Der Begriff des Diebstahls.

445

wahrsam dauert fort bis zum Eintritte eines ihn in erkennbarer Weise und nicht nur vorübergehend beseitigenden Ereignisses. Er kann in der verschiedensten Gestalt und in den mannigfachsten Abstufungen sich zeigen; die Uhr in meiner Tasche ist in meinem Gewahrsam, wie der Pflug auf meinem Felde oder das Buch im Schranke, dessen Schlüssel ich während einer Reise zu mir gesteckt habe, oder der Geldtopf, der an einem nur mir bekannten Orte im Walde von mir vergraben wurde 43 ), oder der Familienschmuck, den ich einem Angehörigen in die Familiengruft mitgegeben habe; selbst der Hund, der frei umherläuft, solange er die Gewohnheit der Rückkehr h a t 5 ) . E s genügt mithin ein solches Verhältnis zur Sache, „daß man nach dem gewöhnlichen Verlauf auf die Verfügung über sie rechnen kann" (Dernburg). Auch der Wahnsinnige, auch das Kind kann den Gewahrsam an einer Sache haben; ebenso aber Angehörige oder andere Personen durch jene. 6 ) Diebstahl kann demnach nicht (wohl aber Unterschlagung) begangen werden an Sachen, die in keines Menschen Gewahrsam stehen, wie an vom Hochwasser fortgeschwemmten und in keiner Weise kenntlich gezeichneten Bretterbalken; auch nicht an verlorenen, wohl aber an vergessenen (etwa im Wagen zurückgelassenen) versteckten oder verlegten Sachen. Ob Gegenstände, die auf einem gestrandeten Schiffe sich befinden oder im Seesturm ausgeworfen wurden, noch im Gewahrsam der Schiffsmannschaft stehen, ist Tatfrage. Wegnahme in der irrtümlichen Annahme, daß die Sache sich in niemandes Gewahrsam befindet, begründet vollendete Unterschlagung. 7 ) Durch Einwilligung in die Wegnahme 73 ) (namentlich durch Hin4 *) Vgl. das übereinstimmende Urteil R 53 175. *) Der Begriff des strafrechtlichen Gewahrsams deckt sich mithin mit der Begriffsbestimmung des Besitzes in § 854 BGB. Dagegen kann, je nach Lage der tatsächlichen Umstände, abweichend von B G B §§ 855 und 868, dem Besitzdiener der Gewahrsam zugesprochen, dem mittelbaren Besitzer abgesprochen werden; und der Erbe erlangt, trotz BGB § 857, den Gewahrsam erst mit der tatsächlichen Gewalt. Ebenso R 34 252, 37 198, 47 210, 50 46, 183, 52 143; Lobe in RGRäteKomm. § 242 Note 2. Abweichend J. Goldschmidt GA 47 352, Harburger 201, Redslob (nach ihm ist Gewahrsam ein s o z i a l e s Machtverhältnis; der Begriff deckt sich vollständig mit dem des Besitzes). •) Der Wahnsinnige, das Kind kann den Gewahrsam erlangen und aufgeben, nicht aber auf einen anderen übertragen. Der Empfänger ist daher Dieb. Ebenso im wesentlichen Allfeld 509, Binding 1 714, Harburger 205, Schwartz § 242 Note 5, dagegen R 2 332, 52 197, Frank § 242 VI (Unterschlagung), Köhler 413, Wachenfeld 373 (der zwischen Aufgabe und Übertragung des Gewahrsams keinen Unterschied machen will). — Körperschaften üben den Gewahrsam durch ihre Organe aus. Vgl. dazu Bender. ') Ebenso RMilG 14 205. '•) Vgl. R 53 336: „Wegnahme ist Entziehung einer Sache aus dem Gewahrsam eines anderen o h n e seinen W i l l e n . " Danach müßte das Einverständnis den strafrechtl. Begriff der Wegnahme überhaupt aufheben.' R fährt

446

§ 127-

Der Begriff des Diebstahls.

gäbe der Sache) von Seiten des Gewahrsamsinhabers wird die Möglichkeit des Diebstahls ausgeschlossen; nicht notwendig aber schon durch Einwilligung in die Ergreifung der Sache (oben I I 2) oder durch bloßes Geschehenlassen (etwa aus Furcht). Irrige A n n a h m e der Einwilligung schließt den Vorsatz aus; irrige Nichtannahme begründet untauglichen Versuch. Bei Erschleichung der Einwilligung durch Täuschung ist Betrug anzunehmen. Der Gewahrsamsinhaber selbst kann sich des Diebstahls nicht (wohl aber der Unterschlagung) schuldig machen; der M i t g e w a h r samsinhaber begeht Diebstahl, wenn er sich rechtswidrig' die ausschließliche Verfügungsgewalt verschafft. Der letzte Satz gilt uneingeschränkt, wenn der mehrfache Gewahrsam an derselben S a c h e mehreren gleichgestellten Personen zusteht (A und B haben je einen der beiden zur Eröffnung des Geldschrankes erforderlichen Schlüssel). Er gilt, wenn der Gewahrsam einer über- und einer untergeordneten Person zusteht, nur zuungunsten dieser. Demnach kann nicht nur die Entwendung von Ladenvorräten durch einen im Geschäft angestellten Verkäufer, von Silberzeug durch das Dienstmädchen, der Anstaltskleider durch den Sträfling usw., sondern auch die A n eignung mitvermieteter Sachen durch den Mieter eines (nicht e t w a völlig abgesonderten) möblierten Zimmers als Diebstahl betrachtet werden, wenn der Täter nur Mitgewahrsamsinhaber ist. 8 ) I V . Die Handlung besteht in dem Wegnehmen, d. h. in d e m Brechen des fremden und der B e g r ü n d u n g des eigenen Gewahrsams.') In welcher Weise und durch welche Mittel die W e g n a h m e erfolgt, ist gleichgültig. Wer sich ein Stück Fleisch durch den H u n d aus dem Metzgerladen holen läßt, wer durch ö f f n e n des H a h n e s das fremde Gas aus dem Gasrohr ableitet oder ein K i n d oder einen Geisteskranken bestimmt, ihm eine bewegliche Sache zu überlassen (oben Note 6), hat „weggenommen". Heimlichkeit der W e g n a h m e indessen fort: „Einverständnis des Gewahrsamsinhabers mit der Wegnahme nimmt ihr die Rechtswidrigkeit." ') Gem. Meinung. R 80 88 nimmt beim Ladendiener Gewahrsam an, während R 5 42 ihn beim Vermieter verneint. Gegen den Text Beltng Verbrechen 283, Harburger 201. — Auch der Dieb selbst kann sich durch Wegnahme der gestohlenen Sache aus dem Mitgewahrsam seines Diebesgenossen eines zweiten Diebstahls schuldig machen. Ebenso Harburger 196; abweichend R 11 439. —• Über Gewahrsam an den im Eisenbahnwagen liegengebliebenen Sachen vgl. RMilG 18 232. ») Gem. Meinung, insbes. R 21 110. Dagegen AUfeld 519, Merkel HH 8 643. Wichtig, wenn eine fremde Sache verkauft und unmittelbar aus dem Gewahrsam des Eigentümers in den des Käufers gebracht wird. Hier kann nur Betrug angenommen werden. Ebenso Frank § 242 VI. Dagegen Binding Lehrb. 2 278, Harburger 207, Schwariz § 242 Note 7. Auch nach R 47 147, 48 58 soll es genügen, wenn der Täter einem Dritten die unmittelbare Erlangung des Gewahrsams ermöglicht.

§ 127-

Der Begriff des Diebstahls.

447

ist schon seit der P G O nicht erforderlich; andrerseits ist Mangel von Gewalt und gefährlicher Drohung notwendig, damit der Diebstahl nicht in R a u b übergehe. V . Der V o r s a t z des Täters muß, wie immer, die sämtlichen Tatbestandsmerkmale umfassen. 1 0 ) D a s Gesetz verlangt aber, über den Vorsatz hinausgreifend, außerdem noch die Absicht rechtswidriger Zueignung. Der vielfach noch in der deutschen Landesgesetzgebung geforderte animus lucri faciendi, die „gewinnsüchtige A b s i c h t " , ist vom R S t G B im Enschlusse an das preußische aufgegeben worden. D e r D i e b s t a h l ist im h e u t i g e n R e c h t kein B e r e i c h e r u n g s v e r g e h e n (vgl. oben § 126 a. E.). Daher wird durch Hinterlegung des Wertes der weggenommenen Sache der Begriff des Diebstahls nicht ausgeschlossen. A n e i g n u n g aber ist A u s ü b u n g d e s E i g e n t u r n s i n h a l t e s . u ) Sie ist zugleich als Enteignung die Verdrängung des Eigentümers, dessen Gewalt die Sache dauernd entzogen wird. Wegnahme zum Zweck der Aneignung bedeutet daher Herstellung eines Verhältnisses zur Sache, in dem sie, als wäre sie im Eigentum, mit Ausschluß aller anderen, insbesondere des Eigentümers, den Zwecken des Täters dienstbar gemacht wird. Sie liegt mithin nicht vor, wenn die Sache im Interesse des Eigentümers verbraucht wird (unten § 129 V I I I ) . Aneignung setzt zwar nicht d a u e r n d e Herrschaft, wohl aber die v ö l l i g e eigentumsgleiche Beherrschung der Sache (das „se u t dominum gerere") voraus. Verfügung über die Sache nach einer e i n z e l n e n bestimmten Richtung genügt nicht, soweit sich nicht darin die Absicht völliger Beherrschung kundgibt. Also nicht der vorübergehende G e b r a u c h der Sache (unten § 129 I), mithin auch nicht an sich das Beheben eines Sparkassenguthabens; 1 2 ) wohl aber der bestimmungsgemäße V e r b r a u c h der Sache (so das Verzehren 10 ) Es sind daher die allgemeinen Grundsätze über die Konkretisierung des Vorsatzes (oben § 39 III) und über den Irrtum anzuwenden. Abweichend R 14 313 (Verein. Strafsenate); gegen dieses V. Bar Gesetz 2 350 Note 1 1 4 , J. Goldschmidt GA 47 261, 352, Oborniker (Lit. zu § 128) 3 5 f f . , insbes. 37. n ) Herrschende Ansicht. Abweichend Frank § 246 III (Überführung in das eigene wirtschaftliche Vermögen des Täters), Graf Gleispach (Lit. zu § 131) 1 7 (der den Berechtigten ausschließende Genuß der Sache), Harburger 212, V. Lilienthal 5 4 (Verfügung über den vollen wirtschaftlichen Nutzeffekt der Sache), Sauer (die Verfügung, die objektiv auf künftige Verwertung schließen läßt). Auch RMilG 18 35, 20 197 vertritt die hier abgelehnte Ansicht, die den klaren Begriff der Aneignung durch den der wirtschaftlichen Verwertung ersetzt, und folgerichtig dazu gelangen muß, die Gebrauchsanm^ßung für Diebstahl zu erklären. Vgl. auch § 131 Note 1. — Schwartz § 242 Note 9 hält (zweifellos unrichtig) schon die Begründung des eigenen Gewahrsams für Aneignung, setzt diese also der vollendeten Wegnahme gleich. ") Es kann jedoch, da das Sparkassenbuch Legitimationspapier ist, vollendeter oder versuchter B e t r u g (Täuschung des Beamten) vorliegen. Drei Ansichten stehen sich gegenüber: 1. Im Sinne des Textes die herrschende

448

§ 127.

Der Begriff des Diebstahls.

von Eßwaren, das Verfahren von Benzin). Bei Geld und geldvertretenden Wertzeichen genügt dagegen der bestimmungsgemäße Gebrauch. 13 ) Nicht ist Aneignung die sofortige Vernichtung der Sache, 14 ) wohl aber das (wenn auch sofortige) entgeltliche und unentgeltliche Überlassen der in den eigenen Gewahrsam gebrachten Sache an einen anderen; ebenso (unter Umständen) das Verstecken oder Beiseiteschaffen, die Vermischung fremden Geldes mit dem eigenen, die Teilung einer gemeinsamen Sache. Die V e r p f ä n d u n g ist nur dann nicht Aneignung, wenn mit der A b s i c h t zugleich die begründete A u s s i c h t rechtzeitiger Wiedereinlösung („Ersatzbereitschaft") besteht. 15 ) Wirklich erfolgte Aneignung ist nicht erforderlich, wenn auch für den N a c h w e i s der Aneignungsabsicht von größter Bedeutung. Die Aneignung muß r e c h t s w i d r i g sein. Diebstahl ist also nicht anzunehmen, wenn berechtigte Selbsthilfe vorliegt; wohl aber dann, wenn ein anderer Anspruch, ohne daß die Voraussetzungen der Selbsthilfe vorliegen,18) durch Wegnahme der Sache gesichert werden soll. Irrige Annahme der Rechtmäßigkeit schließt hier als Irrtum über ein Tatbestandsmerkmal den Vorsatz aus. Das Gesetz verlangt A b s i c h t der Zueignung im Sinne eines über den Vorsatz hinausreichenden Beweggrundes, verbunden mit dem Bewußtsein ihrer Rechtswidrigkeit. 17 ) Und zwar muß der Täter Ansicht; so Allfeld 502, Binding Lehrb. 1 265, Doerr GS 52 1, Harburger 190,

Lobe in R G R ä t e Komm. § 242 Note I I B i , Wachenfeld 375. Ferner Schwenger Der sogenannte Diebstahl an Sparkassenbüchern. Freiburger Diss. 1902. Gräfe Widerrechtliche Erhebung von Teilbeträgen fremder Sparkassenguthaben 1904. Gnuse Die rechtswidrige Hebung fremder Sparguthaben. Erlanger Diss. 1904. Ollendorf Die Wegnahme von Sparkassenbüchern zum Zwecke der Erhebung von Teilbeträgen (V. Lil. Heft 185) 1914 (gegen Frank) ; vgl. dazu Baumgarten Schweizer Z. 29 303. Gegen die Annahme eines Betruges Hegler V D Bes. T. 7 441. — 2. Für D i e b s t a h l R in fester Rechtsprechung; so zuletzt

48 17, RMilG 15 244 (anders 15 295); ähnlich Frank § 242 VII, Graf Gleispach 34,

auch Schwartz § 242 Note 2 (unklar). — 3. Für U n t e r s c h l a g u n g der behobenen Summe (mit untereinander abweichender Begründung) Schneider Z 14 36 und Feisenberger Die widerrechtliche Hebung fremder Sparkassenguthaben 1895, der aber (Z 37 735) dem B G B gegenüber diese Ansicht wieder aufgegeben hat. Unverständlich Binding 1 220 Note 6 (,-,Analogie"). 13 ) Bedenklich daher R 24 22 (Biermarken); Binding Lehrb. 1 269; Lobe in R G R ä t e Komm. § 242 Note I I B 1. Richtig R 40 10 und Allfeld 502. 14 ) So die gem. Meinung, auch R 11 239, 85 355. Dagegen v. Lilienthal Z 32 17. 16 ) Schon das gemeine Recht (Engau) verlangte animus und facultas restituendi; so wiederholt auch R, zuletzt 21 364, 26 230. Dagegen genügt die Absicht nach Allfeld 503, Frank § 242 V I I , wohl auch nach Lobe in RGRäteKomm. § 242 Note I I B 1; RMilG 2 172 verlangt außerdem die begründete Annahme der Einwilligung d-es Berechtigten. " ) Maßgebend jetzt B G B §§ 229 bis 231. Dazu V. Liszt Deliktsobligationen 85. 1T) Oben § 39 Note 3. Ebenso R 49 140 und die gemeine Meinung. Dagegen Binding Lehrb. 1 285.

§ 127-

Der Begriff des Diebstahls.

449

die Absicht haben, zunächst wenigstens s i c h , nicht aber unmittelbar e i n e m D r i t t e n , die Sache anzueignen. V I . Der Diebstahl ist vollendet mit der vollendeten Wegnahme, also sobald der eigene Gewahrsam an der Sache durch den Täter begründet ist. 18 ) Der V e r s u c h (strafbar, auch wenn der Diebstahl Vergehen ist) beginnt m i t dem Brechen des fremden Gewahrsams; daher in verschiedenen Zeitpunkten je nach der verschiedenen Gestaltung dieses Gewahrsams: mit dem Einbrechen, Einsteigen, Einschleichen bei Sachen, die sich in umschlossenen Räumen befinden oder dem E r brechen des Behältnisses; 1 9 ) erst mit der Ergreifung von Vieh auf der Weide, geschlagenem Holz im Forste; mit dem Ausstrecken der Hand, wenn damit schon die Herrschaft des Eigentümers beeinträchtigt wird, usw. V I I . Beim Diebstahl bildet die Verletzung des einen Rechtsgutes: des Gewahrsams, das Mittel zur Verletzung des anderen: des Eigentums. Nach dem wissenschaftlichen Begriffe des Diebstahls erscheinen Eigentümer wie Gewahrsamsinhaber als Verletzte im Sinne des gewöhnlichen Sprachgebrauchs. Verletzter im technischen Sinne des Wortes aber ist (oben § 45 III) nur der Träger des u n m i t t e l b a r angegriffenen Rechtsgutes: mithin der G e w a h r s a m s i n h a b e r . Noch sicherer ist dieses Ergebnis von dem Standpunkte des geltenden Rechts aus, das die Verletzung des Gewahrsams so sehr in den Vordergrund stellt, d a ß es sogar die bloß beabsichtigte Eigentumsverletzung zum Begriffe des Diebstahls genügen läßt. Dennoch wird von der überwiegenden Meinung, die dem Begriffe „Verletzter" überhaupt eine ungebührlich weite Ausdehnung g i b t , angenommen, daß s o w o h l der Eigentümer a l s a u c h der Gewahrsamsinhaber als durch den Diebstahl verletzt zu betrachten seien. 80 ) Wichtig wird die Frage besonders bezüglich des Haus- und Gesindediebstahls (unten § 128 V). Vgl. oben Note 9. — E s genügt mithin einerseits nicht, daß der Täter die Sache berührt habe (Kontrektationstheorie), und es ist andrerseits nicht erforderlich, daß er sie von dem bisherigen Aufbewahrungsorte weg oder gar in Sicherheit gebracht habe (Ablations- bzw. Illationstheorie). Am nächsten steht die Auffassung des heutigen Rechts vielmehr der gemeinrechtlichen A p p r e h e n s i o n s t h e o r i e . — Dieselbe Handlung (z. B . das Verstecken oder Zusammenlegen der Sachen in den Räumen des Besitzers) kann daher je nach den Umständen Vorbereitung, Versuch oder Vollendung sein. Ebenso R 52 75. " ) R 38 177, 43 332; RMilG 13 293. Nicht unbedenklich R 53 129, 217. 20) Sehr bestritten. 1. Eigentümer und Besitzer sind verletzt nach R , z u l e t z t 10 210; ferner Allfeld 518, Frank § 247 I, Harburger 221, Lobe in R G R ä t e -

Komm. § 247 Note 2c, Wachenfeld 380. — 2. Nur den Eigentümer betrachten als verletzt V. Bar GA 19 649, Binding Lehrb. 1 294, Finger 1 193- — 3. Im Sinne des Textes Bünger Z 8 690, Rathenau GS 56 153. v . L i s z t , Strafrecht.

24. A u f l .

2

9

450

§ 128.

§ 128.

Die Arten des Diebstahls.

Die Arten des Diebstahls.

Literatur. Harburger V D Bes. T . 6 250. Mittermaier Reform I I 345. — SttV.be Der Transportdiebstahl. Rostocker Diss. 1902. Jacoby Die Straflosigkeit des Diebstahls und der Unterschlagung gegen Angehörige. Freiburger Diss. 1903. Brückner Der ausgezeichnete Diebstahl 1905. V. Schimmelpfennig D e r schwere Diebstahl nach § 243 Ziff. 2. Greifswalder Diss. 1905. Buddee D e r Gesindediebstahl als Antragsvergehen 1906. Oborniker Der schwere Diebstahl nach § 243 Ziff. 2 S t G B (v. Lil. H e f t 147) 1912. Eckstein G A 6 1 79, 273. — Zu § 248a: Girard Die Entwendung des § 272 V E usw. Erlanger Diss. 1 9 1 1 . Hoeltzenbein Derselbe Titel. Erlanger Diss. 1 9 1 1 . Möckel Der Notdiebstahl. GieBener Diss. 1911. Janz Die Entwendung nach § 248a und § 370 Nr. 5 des S t G B . Erlanger Diss. 1914. Seidel bei Aschaffenburg 10 280. — Über Diebstahl an A u t o m a t e n : Schels Der strafrechtliche Schutz der Automaten. Erlanger Diss. 1897. Ertel Der Automatenmißbrauch 1898. Schiller Rechtsverhältnisse des Automaten. Züricher Diss. 1898. Seckel Die Automaten im Strafrecht. Marburger Diss. 1904.

I. Der einfache Diebstahl ( S t G B § 242). S t r a f e : Gefängnis.

Daneben Ehrverlust zulässig ( S t G B § 248).

II. Der schwere Diebstahl ( S t G B § 243). S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten. Neben der Gefängnisstrafe Ehrverlust, neben der Zuchthausstrafe Polizeiaufsicht zulässig ( S t G B § 248). Der V o r s a t z muß hier auch die erschwerenden Umstände umfassen. Das R S t G B hat die altdeutsche, dem W e r t e der gestohlenen Sache entnommene Unterscheidung in einen großen und einen kleinen Diebstahl, die von P G O festgehalten wurde und sich auch in zahlreichen Lahdesgesetzgebungen fand, aufgegeben. Ebenso fehlen dem R S t G B die dem älteren deutschen R e c h t nachgebildeten, in den LandesStGBüchern (auch Preußen) vielfach sich findenden Bestimmungen, nach denen den Diebstahl an ungeschützten und darum eines höheren Friedens bedürftigen Gegenständen erschwerte Strafe trifft. Maßgebend ist heute im wesentlichen die verbrecherische Entschlossenheit des Täters, die auch durch einen verstärkten Besitzschutz sich nicht abschrecken läßt (ähnlich Eckstein). V E § 270 h a t die vielfach verunglückte Kasuistik des S t G B vereinfacht (ebenso G E § 298 und K E § 356), und auch den gewerbs- und gewohnheitsmäßigen Diebstahl ausgezeichnet. [E 1919 lehnt sich in den §§ 360 bis 362 in tatbestandlicher Hinsicht an die früheren Entwürfe an (nicht unbedenklich freilich die Kasuistik des § 361 verglichen mit § 356 Ziff. 4 des K E ) , sucht aber im Hinblick auf die Strafe die einzelnen Fälle des schweren Diebstahls zu differenzieren. So hebt er nur den Einbruchsdiebstahl, den bewaffneten Diebstahl und den gewerbsmäßigen Diebstahl als Verbrechenstatbest&nde hervor und behandelt die übrigen Fälle des schweren Diebstahls als Vergehen. Maßgebend sind dafür die statistischen Erfahrungen gegenüber dem geltenden Recht. (Vgl. Denkschrift S. 304).]

Nach dem R S t G B ist schwerer Diebstahl: 1. Der Kirchendiebstahl (sacrilegium i. e. S.): begangen, wenn aus einem zum Gottesdienste (oben § 118 IV) bestimmten Gebäude (unten unter 2) Gegenstände gestohlen werden, die dem Gottesdienste gewidmet, also dazu bestimmt sind, daß an ihnen oder m i t ihnen

§ 128.

Die Arten des Diebstahls.

451

gottesdienstliche Verrichtungen vorgenommen werden (nicht Sammelstöcke, [wohl aber Altarkerzen 3 )]. Ob die Gegenstände im kirchlichen Sinne geweiht oder gesegnet sind, ist gleichgültig. 2. Der sog, Einbruchsdiebstahl (gewaltsamer Diebstahl). Er liegt vor, wenn aus einem Gebäude oder umschlossenen Räume mittels Einbruchs, Einsteigens oder Erbrechens von Behältnissen gestohlen wird. 1 ) „ G e b ä u d e " ist der durch Wände und Dach 8 ) umgrenzte, mit der Erdoberfläche fest (unbeweglich), wenn auch nur durch die eigne Schwere, verbundene Raum, der Menschen den Eintritt gestattet; also auch Hütten, Ställe, Zelte, Marktbuden von gewisser Schwere, nicht aber Schäfer karren, Schiffe, Künstlerwagen, Schlitten, Luftschiffe. Dem Gebäude ist gleichgestellt der „ u m s c h l o s s e n e R a u m " , d. h. ein Teil der Erdoberfläche, der durch künstliche, nicht ganz unbedeutende Hindernisse gegen das Eindringen Unberufener geschützt ist; 3 ) also auch der eingehegte Wildpark, der Ziehbrunnen, der Bergwerksschacht. „ E i n b r u c h " ist die mit Verletzung der Sachsubstanz 4 ) verbundene Überwältigung der Hindernisse, so daß z. B. d a s Auseinanderbiegen der Torflügel, das Ausziehen eines Nagels nicht hierher gerechnet werden kann. „ E i n s t e i g e n " ist das Umgehen der Hindernisse durch Benutzung eines dazu nicht bestimmten und nur bei erhöhter Anstrengung zugänglichen Weges. Auch das Einkriechen ist mithin hierher zu rechnen. 6 ) Beim Einbrechen wie beim Einsteigen genügt es, wenn durch Beseitigung der Hindernisse dem Täter das Hineingreifen in den umschlossenen Raum möglich geworden ist (bestritten). „ E r b r e c h e n v o n B e h ä l t n i s s e n " ist die gewaltsame, mit Verletzung der Sachsubstanz 6 ) verbundene Eröffnung von verschlossenen, zur Aufbewahrung von Sachen ver•) So zutreffend R 53 144, Lobe in R G R ä t e K o m m . § 243 Note I I I 2 (zu Nr. 1). *) Täter "kann auch der Eigentümer des Gebäudes oder Behältnisses sein; R 80 389*) Ebenso R 49 51: Der Neubau muß Menschen, Tieren oder Sachen Schutz gewähren. Zustimmend auch Lobe in R G R ä t e K o m m . § 243 Note I I I 1 (zu Nr. 2). Dagegen Eckstein. ») Ebenso R 50 73: nicht also Fischbehälter, die in ein Flußbett eingelassen sind. R 53 268 (Baubude auf Rollen). [Nicht unbedenklich^. «) Ebenso Frank § 243, III, Olshausen § 243 17. Dagegen die gem. Meinung; insbes. R 4 353, RMilG 14 245,17 92, Allfeld 515, Lobe in R G R ä t e Komm. § 243 Note I I I 4 (zu Nr. 2), Oborniker 62, Wachenfeld 377. ') Dagegen R 6 187; Oborniker 71. Übereinstimmend R 6 350, 13 257 mit der gem. Meinung. «) Ebenso Frank § 243 III. Dagegen R 44 75, Allfeld 515, Lobe in R G R ä t e Komm. § 243 Note I I I 6 b (zu Nr. 2). Nach R 51 112 genügt das Auseinanderbiegen der Einwurfsöffnung einer Sammelbüchse. Dagegen Schwartz § 243 Note 11 („Biegen ist kein Brechen").

29*

452

§ 128.

Die Arten des Diebstahls.

wendeten Gegenständen (nicht von bloßen Umhüllungen), also von Wandschränken, Warenballen, Kisten, Koffern, Säcken; die Eröffnung der Verlötung einer Gasleitung usw., aber auch die Eröffnung verschlossener Gebäudeteile (Kammern, Stuben). 7 ) Die Eröffnung muß innerhalb des Gebäudes stattfinden. 3. D e r Diebstahl mit falschen S c h l ü s s e l n ; v o r l i e g e n d b e i E r -

öffnung eines Gebäudes oder der Zugänge eines umschlossenen Raumes oder bei Eröffnung der im Innern befindlichen Türen oder Behältnisse durch falsche Schlüssel oder andere zurordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmte Werkzeuge (Haken, Messer; nicht aber Bleistücke, die statt Münzen in die Öffnung eines Warenautomaten 8 ) eingeworfen werden). Es handelt sich dabei, im Gegensatze zu den Brechwerkzeugen, um solche Werkzeuge, durch die der eigentümliche Mechanismus der Verschluß Vorrichtung in Bewegung gesetzt wird. Falscher Schlüssel ist auch der verloren gegangene, entwendete, zurückbehaltene frühere e c h t e Schlüssel, sobald er durch einen anderen ersetzt, also nicht mehr zur ordnungsmäßigen Eröffnung bestimmt ist. Maßgebend ist mithin der dem Täter bekannte Wille des Bestimmungsberechtigten. 9 ) 4. Der Transportdiebstahl („Postdiebstahl") liegt vor, wenn auf einem öffentlichen (d. h. dem Gebrauche des Publikums offenen, wenn auch im Privateigentume stehenden) Wege, einer Straße, einem öffentlichen Platze, einer Wasserstraße (nicht auf offener See) oder einer Eisenbahn oder in einem Postgebäude 10 ) oder dem dazu gehörigen Hofraume oder auf einem Eisenbahnhofe eine zum Reisegepäck oder zu anderen Gegenständen der Beförderung gehörende Sache mittels Abschneidens oder Ablösens der Befestigungs- oder Verwahrungsmittel oder durch Anwendung falscher Schlüssel oder anderer zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmter Werkzeuge gestohlen wird 103 ). „ E i s e n b a h n " umfaßt hier wie sonst nur die mit toten (mechanischen) Naturkräften (Dampf, Elektrizität, Schwerkraft usw.) betriebenen, mit festen Geleisen (auch Drahtseil) versehenen Bahnen, nicht aber Aufzüge, Automobile, Pferdebahnen u ); Privatbahnen (in Fabriken, Bergwerken usw.) können nach dem Zweck der Straf*) Ebenso R 30 207, 37 353 mit der herrschenden Ansicht. Dagegen Frank § 243 III, Höpfner 67, Oborniker 81. 8) Ebenso R 34 45 mit der gemeinen Meinung. B) Ebenso R 52 84 und 53 101. l0 ) Die Bestimmung für den öffentlichen Postdienst ist maßgebend, das Eigentum an dem Gebäude gleichgültig; R 48 279. "*) Vgl. R 52 321, 53 277. " ) Ebenso (für S t G B § 315) R 12 205, 371, 35 12. Vgl. Loock Der strafrechtliche Schutz der Eisenbahnen 1893 (Abhdlgn. des kriminal. Seminars 8 2. Heft) 155. Gegen den Text Wachenfeld 378.

§ 128.

Die Arten des Diebstahls.

453

d r o h u n g n i c h t hierher gerechnet werden, w o h l aber s c h m a l s p u r i g e N e b e n b a h n e n oder städtische D a m p f t r a m b a h n e n . 1 2 ) „ G e g e n s t ä n d e d e r B e f ö r d e r u n g " sind die zur B e f ö r d e r u n g b e s t i m m t e n G e g e n s t ä n d e , s o b a l d s i e an d e n bezeichneten Orten sich b e f i n d e n , m ö g e n sie auch der T r a n s p o r t g e s e l l s c h a f t n o c h n i c h t zur B e f ö r d e r u n g übergeben sein. 5. D e r bewaffnete Diebstahl: W e n n der D i e b oder einer der T e i l n e h m e r bei B e g e h u n g der T a t W a f f e n bei sich f ü h r t . 1 3 ) 6. D e r Bandendiebstahl: W e n n zu d e m D i e b s t a h l e mehrere m i t wirken, die sich zur fortgesetzten B e g e h u n g von R a u b oder Diebstahl 1 3 3 ) v e r b u n d e n h a b e n (oben § 49 I V 1). D i e F o r m der „ M i t w i r k u n g " (Mittäterschaft, Teilnahme) ist gleichgültig. 7. D e r nächtliche Diebstahl, vorliegend, wenn der D i e b s t a h l z u r N a c h t z e i t in einem b e w o h n t e n G e b ä u d e , in d a s sich der T ä t e r in diebischer A b s i c h t (d. h. in der A b s i c h t , eine f r e m d e b e w e g l i c h e S a c h e w e g z u n e h m e n ) e i n g e s c h l i c h e n , oder in d e m er sich in gleicher A b s i c h t verborgen h a t t e , b e g a n g e n wird, a u c h w e n n zur Z e i t des D i e b s t a h l s B e w o h n e r in d e m G e b ä u d e n i c h t a n w e s e n d sind. E i n e m b e w o h n t e n G e b ä u d e w e r d e n der zu einem solchen gehörende umschlossene R a u m und die in einem solchen befindlichen G e b ä u d e jeder A r t , sowie S c h i f f e , die b e w o h n t werden, gleich g e a c h t e t . E i n „ b e w o h n t e s G e b ä u d e " ist d a s j e n i g e G e b ä u d e (oben unter 2), d a s Menschen zur o r d n u n g s m ä ß i g e n N a c h t r u h e dient (oben § 1 1 9 N o t e 2). „ N a c h t z e i t " ist nach d e m Z w e c k e der B e s t i m m u n g n i c h t die Z e i t der D u n k e l h e i t , sondern die ortsübliche Z e i t d e r N a c h t r u h e . 1 4 ) „ E i n s c h l e i c h e n " ist d a s h e i m l i c h e , sich der W a h r n e h m u n g d u r c h andere absichtlich entziehende E i n t r e t e n . Vornächtliches Einschleichen ist n i c h t erforderlich. 1 5 )' I I I . Diebstahl im zweiten R ü c k f a l l e ( S t G B §§ 244 und 245; 12) Private Anschlußbahnen gehören auch dann nicht hierher, wenn sie vom Staate betrieben werden. Zu eng Eckstein 317, der nur den Großverkehr hierher rechnet. 13) Waffe ist hier im technischen Sinne (oben § 93 II 3) zu nehmen. Ebenso Binding Lehrb. 1 304, Schwartz § 243 Note 23. Dagegen Lobe in RGRäteKomm. § 243 zu Nr, 5 Note a. Der Zweck der Bewaffnung ist auch hier gleichgültig; ebenso Schwartz, dagegen Allfeld 517, Frank § 243 V I , Harburger 257. Vgl. im übrigen oben § 119 III 2. [KE § 356 und E 1919 § 361 sprechen (anders als VE) von „Werkzeugen", reihen aber (ebenso wie VE) auch die Betäubungsmittel an. Als Zweck der Mitführung solcher Gegenstände wird die Uberwindung eines persönlichen Widerstandes mit Recht ausdrücklich hervorgehoben.] 13a ) R 52 209 hält Bandendiebstahl auch gegenüber einem und demselben Eigentümer für denkbar. u ) Übereinstimmend Allfeld 516, Schwartz § 243 Note 29, Wachenfeld 378; dagegen Binding Lehrb. 1 301, Frank § 243 V I I I , Harburger 259, Lobe in RGRäteKomm. § 243 zu Nr. 7 Note 1, R 3 209. " ) Dagegen Frank § 243 V I I I , Harburger 259.

454

§ 128.

Die Arten des Diebstahls.

oben § 69). Voraussetzung: zweimalige frühere Bestrafung im In l a n d e 1 8 ) wegen Diebstahls, Raubes, räuberischen Diebstahls, räuberischer Erpressung oder wegen Hehlerei. O b die V o r s t r a f e durch Zivil- oder Militärgerichte ausgesprochen worden, ist gleichgültig, sobald es sich nur um eine eigentlich peinliche Strafe handelt. Auch der Verweis genügt als Vorstrafe, sowie die A b e r k e n n u n g der Ehrenrechte nach S t G B § 37. 17 ) Die technische Bezeichnung der Vorverbrechen bleibt auch bei einem Wechsel der Gesetzgebung außer Betracht, doch muß innere Gleichartigkeit mit den in § 244 S t G B genannten Verbrechen gegeben sein. Daher begründen Vorstrafen wegen Entwendungen, die das geltende Recht vom Diebstahl trennt (wie Mundraub, Entwendungen im Sinne der Forst- und Feldpolizeigesetze, Entwendung nach § 248a usw.), die Rückfallsschärfung nicht 1 8 ) Der Täterschaft, b z w . der Vollendung stehen in bezug auf erste, zweite und dritte Begehung Teilnahme, bzw. Versuch durchaus gleich Ebenso genügt Vorbestrafung aus § 257 Abs. 3 S t G B . D i e Vorstrafen können ganz oder teilweise (auch durch A n rechnung der Untersuchungshaft) 1 8 ) verbüßt oder erlassen sein. E i n zehnjähriger Zeitraum von Verbüßung oder E r l a ß der l e t z t e n S t r a f e bis zur Begehung des neuen Diebstahls schützt vor der Rückfallstrafe (sog R ü c k f a l l s v e r j ä h r u n g ) . Dagegen kommt der zwischen der ersten und der zweiten Verurteilung verstrichene Zeitraum nicht in Betracht. S t r a f e : a) für einfachen Diebstahl (StGB § 242) Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten; b) für schweren Diebstahl (StGB § 243) Zuchthaus nicht unter zwei Jahre«, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter einem Jahre. StGB § 248 gilt auch hier.

I V . Der räuberische (raubähnliche) Diebstahl ( S t G B § 252), vorliegend, wenn der Dieb, auf frischer Tat, also nach Vollendung der Wegnahme, betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben anwendet, um sich im Besitze des gestohlenen Gutes (gleich Sache) zu erhalten, wenn also Gewalt und Drohung (oben § 98 III) nicht Mittel der Wegnahme sind. 20 ) Strafe: die des Raubes; daher finden auch die Strafschärfungen der §§ 250, 251 Anwendung ls ) Vgl. oben § 22 II. Beide Vorstrafen müssen inländische sein. Dagegen ist nicht erforderlich, daß die Vordelikte im Inland begangen sind. 17) Gegen letzteres R 21 35, sowie Lobe in RGRäteKomm. § 244 Note 2 c und Schwartz § 244 Note 2. Richtig Harburger 262. " ) Ebenso R 47 145, V. Campe DJZ 17 1319. Dagegen Frank § 245 IV. " ) Ebenso R 52 191. 20) Durch § 252 werden die §§ 242 bis 248 ausgeschlossen; dagegen gehen § 370 Ziff. 5 und § 248a vor.

§ 128.

Die Arten des Diebstahls.

455

V . Milder behandelte Fälle ( S t G B § 247, der sog. F a m i l i e n and Gesinde- oder Hausdiebstahl): 1. Diebstahl, von Verwandten aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie oder zwischen Ehegatten begangen {§ 247 A b s . 2), bleibt straflos (oben § 44 II). 2. A l s relatives Antrags vergehen (oben § 45 Note 12) behandelt R S t G B zwei Fälle ( S t G B § 247 Abs. r): a) Ohne weitere Bedingung den Diebstahl gegen Angehörige (oben § 34 Note 5), Vormünder oder Erzieher (oben § 106 II 1 ) ; b) wenn es sich um Sachen von unbedeutendem W e r t e " ) handelt, den Diebstahl gegen Personen, zu denen der T ä t e r im Lehrlingsverhältnisse steht oder in deren häuslicher Gemeinschaft er als Gesinde sich befindet, also gegen den Lehr- oder Dienstherrn oder dessen Familie (nicht gegen Mitdienstgenossen). 22 ) Maßgebend ist (vgl. oben § 127 VII) die Beziehung des Täters zum Gewahrsamsinhaber. Daher Antragsvergehen, wenn die vom Sohne bei seinem Vater gestohlenen Gegenstände Eigentum eines Dritten sind; nicht aber, tvenn die bei einem Dritten gestohlene Sache Eigentum des Vaters ist. Der Antrag ist rücknehmbar. —- Irrtum über die Person des Verletzten bleibt gleichgültig (oben § 39 Note 10). Beide Bestimmungen (1 und 2) finden auf Teilnehmer oder Begünstiger, die nicht in einem der bezeichneten Verhältnisse stehen, keine Anwendung ( S t G B § 247 A b s . 3).

V I . Eine Sonderstellung nimmt ein die Notentwendung (eingefügt durch die Novelle von 1912 § 248a): „ W e r a u s N o t g e r i n g w e r t i g e G e g e n s t ä n d e entwendet oder unterschlägt, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft." Verfolgung auf Antrag: Zurücknahme zulässig. Straflos, wenn gegen einen Verwandten absteigender Linie oder gegen den Ehegatten begangen. § 248 a enthält einen-gegenüber den §§ 242 bis 248 (nicht gegenüber § 249 oder § 350) s e l b s t ä n d i g e n Tatbestand. D i e Entwendung ist, dem Diebstahl entsprechend, Wegnahme in Aneignungsabsicht. Die Unterschlagung muß alle Merkmale des § 246 aufweisen. Aber § 248 a ist weder Diebstahl noch Unterschlagung, sondern selbständiges Delikt; die Verurteilung kann also spätere Rückfallsschärfung nicht begründen. Objekt der T a t sind g e r i n g w e r t i g e G e g e n s t ä n d e (also solche „ v o n unbedeutendem W e r t " , vgl. § 247 " ) Über fortgesetzte Begehung vgl. unten § 129 Note 9. " ) Ebenso mit der herrschenden Ansicht R 40 1, 189 (gegen die Ehefrau des Dienstherrn). Abweichend einerseits Frank § 247 II, der auch dea Diebstahl .gegen Mitdienstgenossen hierher rechnet, anderseits Schwarte § 247 Note 2, der auch den gegen Angehörige des Dienstherrn begangenen Diebstahl ausscheidet. Lobe in R G R ä t e K o m m . § 247 Note 2bß stellt die Angehörigen des Dienstherrn diesem nur im Falle der Stellvertretung mit autoritativen Befugnissen gleich.

§ 12g.

456

Dem Diebstahl verwandte Fälle.

S t G B ) ; d i e A r t d e s G e g e n s t a n d e s ist g l e i c h g ü l t i g (anders n a c h d e m enger gefaßten § 370 Ziff. 5 S t G B ; unten § 129 V I I ) . muß aus

(wirtschaftlicher) N o t

erfolgen;

Die Handlung

d. h. wegen der,

wenn

a u c h v o m T ä t e r v e r s c h u l d e t e n U n m ö g l i c h k e i t , sich u n d d e n S e i n e n den nötigen Lebensunterhalt zu verschaffen.83)

§

129.

D e m Diebstahl verwandte

Fälle.

Literatur. Harburger V D Bes. T. 6 291. — Zu I: Ten Hompel Z 19 795. — Zu IX: Lenz Der strafrechtliche Schutz des Pfandrechts 1893. Stein Die Einwirkung des neuen bürgerlichen Rechts auf das Anwendungsgebiet des § 289 R S t G B 1902. — Zu V I : Mettgenberg Z 28 72. — Zu V I I : Friedender Z 11 369. Schlosky Der Mundraub nach § 370 Ziff. 5 S t G B 1897. Süßheim G S 60 340. Sander V o n der rechtlichen Natur des sogenannten Mundraubes. Freiburger Diss. 1903. Student Streitfragen bei der Lehre vom Mundraub. Rostocl er Diss. 1906. Rotering bei Aschaffenburg 7 139. Janz (Lit. zu 3 128). Janzcn Der Mundraub. Greifswalder Diss. 1917. — Zu V I I I : Schwarze Der Futterdiebstahl 1893 (Abhandlungen des Kriminalistischen Seminars 3 3). Aus dem Begriffe des Diebstahls und der Unterschlagung haben sich im Laufe der geschichtlichen Entwicklung eine Reihe von Vergehungen zu selbständiger Bedeutung entwickelt, die hier der besseren Übersicht wegen zusammengestellt und dem Diebstahle angeschlossen werden sollen, wenn sie auch, einzeln betrachtet, eine andere Stellung im Systeme des besonderen Teiles beanspruchen könnten. E s sei betont, daß wir es hier mit s e l b s t ä n d i g e n Verbrechensbegriffen zu tun haben, auf die daher das über den Diebstahl Gesagte n i c h t ohne weiteres Anwendung findet. I. Die

Gebrauchsanmaßung.

Das furtum usus war im r ö m i s c h e n R e c h t e ausdrücklich zum furtum gerechnet worden (oben § 126 I). Das d e u t s c h e M i t t e l a l t e r dagegen behandelte einzelne hierher gehörige Fälle, wie den Raubritt (Rib., Schsp.), die Benutzung eines fremden Kahnes, das Bebauen eines fremden Grundstückes, als besondere Vergehen. Die g e m e i n r e c h t l i c h e Wissenschaft und Rechtspflege griff auf die Auffassung des römischen Rechts vielfach zurück. Je mehr aber der heutige Diebstahlsbegriff sich entwickelte, desto weniger wollte die Gebrauchsanmaßung unter ihn passen, da es ja an der Aneignungsabsicht bei ihr gänzlich mangelt. Daher sahen sich mehrere LandesStGBücher, so z. B . Sachsen, veranlaßt, der Gebrauchsanmaßung eine selbständige, allgemein gehaltene Strafdrohung zu widmen. Die auf öffentliche Pfandleiher beschränkte Bestimmung des § 290 R S t G B ist in den Entwürfen gestrichen. RStGB

§ 290 b e d r o h t nur die ö f f e n t l i c h e n

Pfandleiher,

d i e d i e v o n i h n e n in P f a n d g e n o m m e n e n , w e n n a u c h v i e l l e i c h t d e r e linquierten liche

Gegenstände unbefugt

Pfandleiher

steht.

Andere

fremder

Kleider

sind die, deren

Arten usw.,

der sind,

in G e b r a u c h n e h m e n , Geschäft

dem

Gebrauchsanmaßung, soweit

nicht

Betrug

öffent-

Publikum wie

das

vorliegt,

offen Tragen nicht

strafbar. " ) Zu vergleichen R 4« 265, 62 296, 58 243, 318, RMilG 18 15, 242, 22, 3.

§ 129-

D e m Diebstahl verwandte Fälle.

457

S t r a f e : G e f ä n g n i s b i s zu e i n e m J a h r e , d a n e b e n n a c h E r m e s s e n G e l d strafe bis zu neunhundert Mark.

I I . D i e Besitzentziehung 1 ) (furtum possessionis, P f a n d k e h r u n g ) ist n a c h § 289 S t G B W e g n a h m e 2 ) einer beweglichen S a c h e ; a b e r im U n t e r s c h i e d e v o m D i e b s t a h l , W e g n a h m e d e r e i g e n e n S a c h e durch den E i g e n t ü m e r oder W e g n a h m e einer f r e m d e n Sache z u gunsten ihres E i g e n t ü m e r s d u r c h einen D r i t t e n . Sie wendet sich gegen d e n N u t z n i e ß e r , P f a n d g l ä u b i g e r , G e b r a u c h s - o d e r Z u r ü c k b e h a l t u n g s b e r e c h t i g t e n ; sie g e f ä h r d e t zugleich m e i s t (nicht n o t w e n d i g ) a u c h die B e f r i e d i g u n g des A n s p r u c h s , den d e r G e w a h r s a m zu sichern berufen ist. T ä t e r k a n n auch ein M i t b e r e c h tigter sein. W e g n a h m e durch den N i c h t e i g e n t ü m e r im eigenen Interesse k a n n nur als D i e b s t a h l s t r a f b a r sein. Hierher gehört a u c h die A u s r ä u m u n g der e i n g e b r a c h t e n S a c h e n des Mieters gegen d e n a u s d r ü c k l i c h oder stillschweigend e r k l ä r t e n W i l l e n des V e r m i e t e r s (das „ R ü c k e n " ) ; n i c h t aber deren Zerstörung. 3 ) D i e W e g n a h m e m u ß in „ r e c h t s w i d r i g e r A b s i c h t " , d. h. zu d e m Z w e c k e erfolgen, die A u s ü b u n g d e s R e c h t s des B e r e c h t i g t e n z u verletzen. S t r a f e : G e f ä n g n i s bis zu drei Jahren (daneben nach Ermessen Verlust der b ü r g e r l i c h e n E h r e n r e c h t e ) o d e r G e l d s t r a f e b i s z u n e u n h u n d e r t M a r k . V e r s u c h s t r a f b a r . A n t r a g s v e r g e h e n . S t G B § 247 A b s . 2 u n d 3 (oben § 1 2 8 V ) f i n d e n a u c h h i e r A n w e n d u n g ; n i c h t a b e r die E r s c h w e r u n g e n des § 243 S t G B .

I I I . D e r Forst- und Felddiebstahl, im d e u t s c h e n R e c h t e v o n jeher v o m gemeinen D i e b s t a h l unterschieden, ist d u r c h E G § 2 der L a n d e s g e s e t z g e b u n g überlassen worden, 4 ) m i t h i n nicht „ D i e b s t a h l " i m technischen Sinne des R S t G B . E r u m f a ß t nur die u r s p r ü n g lichen, n i c h t die bereits b e a r b e i t e t e n B o d e n e r z e u g n i s s e (nicht z. B . zerkleinertes H o l z ) . I V . D i e widerrechtliche Zueignung v o n b e i d e n Ü b u n g e n d e r Artillerie verschossener Munition oder v o n B l e i k u g e l n aus d e n K u g e l f ä n g e n der T r u p p e n s c h i e ß s t ä n d e ( S t G B § 291). Die Bes t i m m u n g ist a u s d e r preußischen K a b i n e t t s o r d e r v o m 23. J u l i 1833 in d a s p r e u ß i s c h e S t G B als Ü b e r t r e t u n g ü b e r g e g a n g e n , i m R S t G B *) I n d e n E n t w ü r f e n „ R e c h t s v e r e i t e l u n g " g e n a n n t . V g l . K E § 376, 1 9 1 9 § 386. a) D e r B e g r i f f i s t w e i t e r a l s b e i m D i e b s t a h l , d a G e w a h r s a m d e s B e r e c h t i g t e n n i c h t e r f o r d e r l i c h i s t . V g l . Binding L e h r b . 1 3 1 8 , Harburger 323, Lenz 1 1 3 , Rosenberg in R G R ä t e K o m m . § 289 N o t e 7 ; d a g e g e n R 27 222, Frank § 289 I I I . 3) V g l . o b e n § 1 2 7 N o t e 1 4 . E b e n s o R 1 5 434 u n d die g e m e i n e M e i n u n g . D i e E n t w ü r f e s t e l l e n d i e Z e r s t ö r u n g d e r W e g n a h m e g l e i c h . — N a c h R 85 151, 3 7 1 1 9 f i n d e t b e i v e r t r a g s m ä ß i g e m Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t B G B § 559 k e i n e A n w e n d u n g (sehr b e d e n k l i c h ) . 4) V g l . o b e n § 20 N o t e 6. F o r s t d i e b s t a h l ist die E n t w e n d u n g v o n W a l d e r z e u g n i s s e n (insbes. H o l z ) , s o l a n g e sie n o c h n i c h t g e w o n n e n s i n d ; F e l d d i e b s t a h l ist die E n t w e n d u n g von Feldfrüchten v o m Felde. D i e L a n d e s gesetze enthalten aber meist noch weitere Einschränkungen. E

458

§ 129.

Dem Diebstahl verwandte Fälle.

aber wegen des erhöhten Wertes der Geschosse zum Vergehen erhoben worden. Die hier verbundenen Tatbestände sind zu trennen. Bleikugeln in den Kugelfängen stehen im Gewahrsam des Staates; Wegnahme wäre daher Diebstahl, kann aber nur nach § 291 bestraft werden. Verschossene Munition (etwa Torpedos) ist gewahrsamsfrei; Aneignung wäre daher nicht Diebstahl, ist aber nach § 291 strafbar. 6 ) S t r a f e ; Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu neunhundert Mark. V . Unbefugte Verringerung eines fremden Grundstücks, eines öffentlichen oder Privatweges oder eines Grenzrains durch Abgraben oder Abpflügen (StGB § 370 Ziff. 1). S t r a f e : Geldstrafe bis zu hundertundfünfzig Mark oder Hilft. V I . Unbefugte Wegnahme von Erde, Steinen, Rasen aus öffentlichen oder Privatwegen; Graben von Erde, Lehm, Sand, Grand, Mergel aus fremden Grundstücken; Hauen und Plaggen oder Bülten; Wegnahme von Käsen, Steinen, Mineralien aus fremden Grundstücken, zu deren Gewinnung es einer Verleihung, einer Konzession oder einer Erlaubnis einer Behörde nicht bedarf, oder von ähnlichen Gegenständen (StGB § 370 Ziff. 2). S t r a f e : wie zu V .

V I I . Entziehung von Verbrauchsgegenständen,6) d. i. die Entwendung oder (nach der Novelle von 1912) Unterschlagung von Nahrungs- oder Genußmitteln oder (nach der Novelle von 1912) von anderen Gegenständen des hauswirtschaftlichen Verbrauchs (StGB § 370

Z i f f . 5).

Die Entziehung von Verbrauchsgegenständen ist Sonderdelikt gegenüber Diebstahl wie Unterschlagung, also gegenüber den §§ 242 bis 248, wie gegenüber dem Notdiebstahl des § 248 a ; nicht aber gegenüber den §§ 249 oder 350.7) „Nahrungsmittel" sind die zur Ernährung des' menschlichen Körpers bestimmten Eßwaren und Getränke (auch stärkende Heilmittel); „Genußmittel" andere Stoffe, die, von dem menschlichen Körper aufgenommen, einen Reiz auf das Nervensystem auszuüben geeignet und bestimmt sind (mit Ausschluß der Heilmittel). Zu den Genußmitteln gehören auch Tabak, Zigarren, Parfüms, Morphium usw. „Gegenstände des hauswirtschaftlichen Verbrauchs" 73 ) sind jene, die in der Hauswirtschaft (nicht im Gewerbebetriebe) verbraucht (nicht bloß gebraucht) werden; also Gegenstände für Heizung 75 ) und Beleuchtung, für Rei6) Über diese Unterscheidung vgl. Mettgenberg und Rosenberg i n R G R ä t e Komm. § 291 Note 2. — Idealkonkurrenz mit §§ 242 oder 246 ist daher ausgeschlossen. •) Der früher gebräuchliche Ausdruck „ M u n d r a u b " ist durch die Erweiterung des Tatbestandes (1912) unanwendbar geworden. ') Ebenso bezüglich des § 350: R 46 377. IdealkoDkurrenz mit § 133 ist möglich; so auch R 48 175. Ansichbringen der entwendeten Sachen ist gemeine Hehlerei. " ) Vgl. R 53 229. Lebensmittelkarten lallen nicht unter § 370 Ziff. 5; R 92 296. 7b) R 58 205: Holz, das seiner Zweckbestimmung nach Bauholz ist, fällt nicht unter die „Gegenstände des hauswirtsch. Verbrauchs".

§ 130.

2. Der Raub.

459

nigung und Wäsche.

Auch Futtermittel für die zur Hauswirtschaft

gehörenden Tiere. 8 ).

Nur bei „geringer Menge oder unbedeutendem

W e r t " der entzogenen Gegenstände findet § 370 Ziff. 5 Anwendung; 9 ) andernfalls sind die §§ 242 bis 248 gegeben. Die A b s i c h t m u ß auf alsbaldigen, wenn auch nicht bestimmungsgemäßen 1 0 ) Verbrauch gerichtet sein.

Die Notwendigkeit

vorher-

gehender Zubereitung schließt diesen Begriff ebensowenig aus wie der Mitgenuß anderer Menschen; wohl aber Verkauf, Verschenkung oder Ansammlung der entwendeten

Gegenstände 1 0 a ).

S t r a f e wie zu V . Antragsvergehen; antragsberechtigt der Gewahrsamsinhaber; soweit Unterschlagung vorliegt, der Eigentümer; Rücknahme zulässig. Entwendungen von Verwandten aufsteigender gegen Verwandte absteigender Linie und zwischen Ehegatten bleiben straflos. S t G B § 247 A b s . 3 findet keine A n w e n d u n g : Der Antrag ist mithin unteilbar. V I I I . Der sog. F u t t e r d i e b s t a h l , richtiger F u t t e r e n t w e n d u n g genannt ( S t G B § 370 Ziff. 6) u ) besteht in der W e g n a h m e von V i e h futter wider Willen des Eigentümers, um dessen Vieh damit zu füttern. 12 )

§ 130.

2. Der Raub.

Literatur. Frank V D Bes. T . 6 117. — Villnow R a u b und Erpressung, Begünstigung und Hehlerei. 1875. Bosler Zur Unterscheidung von R a u b und Erpressung. Göttinger Diss. 1896. Oauß Erpressung und R a u b . Breslaues Diss. 1901. Rhonheimer D a s Verhältnis von R a u b und Erpressung usw. nach den E n t w ü r f e n 1912. V g l . auch die L i t . zu § 141. — Zu I I I . V. Liszt Völkerrecht § 26 IV (mit Literatur), v. Bar Gesetz 1 129. I. Geschichte. Der R a u b als selbständiger Verbrechensbegriff ist deutschrechtlichen Ursprungs. Im älteren r ö m i s c h e n R e c h t e lediglich als „schlechter Diebstahl" bezeichnet (Qaius 3 209), durch die v o m P r ä t o r Lucullus 66 v. Chr. für den Fall gewaltsamer Entwendung durch eine b e w a f f n e t e R o t t e eingeführte actio vi bonorum raptorum (D 47, 8) mit der P r i v a t s t r a f e des quadruplum bedroht, wurden später gewisse Fälle des Raubes allerdings bald als •) Ebenso R 46 379, 47 247 (in ausführlicher Begründung), 266; R M i l G 18 113.

*) Bei fortgesetzter Begehung findet eine Zusammenrechnung der Einzelentwendungen nicht s t a t t ; dagegen die gem. Meinung. A u c h R , zuletzt 50 396. *») R 47 80, R M i l G 18 113. 10 *) Der Täter m u ß zur alsbaldigen Befriedigung eines Bedürfnisses handeln; nicht erforderlich ist, daß dieses Bedürfnis nur durch die Entwendung und nicht auch auf andere Weise befriedigt werden kann. R 52 246. l l ) In der deutschen Landesgesetzgebung seit dem 18. Jahrhundert hervorgehoben (Hannover 1710, 1736,1772, Preuß. E n t w ü r f e seit 1827, Mecklenburg 1847, Sachsen 1855). Rechtsprechung und Wissenschaft schwanken. Das geltende R e c h t beruht auf der preuß. Novelle v o m 30. Mai 1859. n ) D a eine Aneignung durch den Täter nicht stattfindet (oben § 127 V ) , kann der Futterdiebstahl nicht als Diebstahl oder Unterschlagung betrachtet werden, müßte also mangels einer besonderen Bestimmung stratlos bleiben. Vgl. R M i l G 8 146.

460

§ 130.

2. Der Raub.

vis (cum axmis, ex incendio, naufragio; 1. 3 D 48, 6), bald als crimen e x t r a ordinarium (latrones, grassatores; 1. 28 § 10 D 48, 19) m i t öffentlicher S t r a f e belegt; aber der allgemeine Begriff des Raubes bleibt dem römischen R e c h t e verschlossen. Dagegen h a t das m i t t e l a l t e r l i c h - d e u t s c h e R e c h t den R a u b a l s die o f f e n e , g e w a l t s a m e W e g n a h m e einer fremden Sache von jeher scharf von der dieblichen W e g n a h m e geschieden; und auch, als mit dem E r s t a r k e n der Rechtsordnung die Anwendung von Gewalt schwerer gewertet w u r d e als die Heimlichkeit, wurden Diebstahl und R a u b immer als wesentlich verschiedene Verbrechen behandelt, jener mit dem Strang, dieser als Friedensbruch mit dem Schwert bestraft. Dagegen t r i f f t den „rechten S t r a ß e n r a u b " an P f a f f e n , Pilgern, K a u f l e u t e n , auf des K ö n i g s Heerstraße begangen, der Galgen. So finden wir auch in der P G O die Strafdrohung gegen den ,,boshaftigen überwundenen R ä u b e r " (Art. 126) nicht unter den zahlreichen den Diebstahl behandelnden Artikeln, sondern w e i t a b von diesen zwischen B r a n d stiftung und A u f r u h r , so daß die R i c h t u n g gegen die allgemeine Sicherheit unzweideutig hervortritt. Im g e m e i n e n R e c h t machen sich zwei Strömungen geltend. Die eine, besonders von CarpZOV vertreten, nimmt R a u b als Straßenraub, latrocinium (so Österreich 1656 und 1768, B a y e r n 1751); die andere, so Böhmer, Meister, Engau sehen das Wesen der robbaria, depraedatio, grassatio in der G e w a l t gegen Personen (ihnen folgen P r e u ß e n 1620 und 1794). A u c h die deutsche L a n d e s g e s e t z g e b u n g des 19. Jahrhunderts schwankt, insbesondere in bezug auf den Z e i t p u n k t der Vollendung, und ist in ihrem Bemühen, den R a u b vom Diebstahl einerseits, von der Erpressung andererseits zu unterscheiden, nur teilweise glücklich gewesen. Das gilt auch von dem R S t G B , das den R a u b scharf vom Diebstahl abhebt, sein Verhältnis zur Erpressung aber nicht klarzustellen vermochte. V E § 274 rechnet (im Anschluß an Frank) zum R a u b auch das Abnötigen einer fremden beweglichen Sache, wenn m i t Gewalt gegen eine Person oder m i t gefährlicher Drohung bewirkt; die übrigbleibenden Fälle gewinnsüchtiger A b n ö t i g u n g eines Vermögensvorteils bezeichnet V E § 275 als Erpressung, die damit einen subsidiären Charakter erhält. Die K a s u i s t i k des R S t G B h a t V E aufgegeben. G E § 304 hat dagegen dem R a u b die bisherige Stellung zurückgegeben und die Erpressung zu den Vennögensdelikten gestellt. [Ebenso verfährt K E §§ 361 und 365; E 1919 bildet, wie das geltende R e c h t , für R a u b und Erpressung einen gemeinsamen Abschnitt, lehnt sich aber in tatbestandlicher Hinsicht eng an K E an (§§ 369, 3 70). Der R a u b ist Eigentumsdelikt (Wegnehmen oder Abnötigen einer fremden beweglichen Sache); die Erpressung ist Vermögensbeschädigung.]

II. Der B e g r i f f . 1. Nach S t G B § 249 unterscheidet sich der R a u b vom D i e b s t a h l , mit dem er im übrigen alle Merkmale gemein hat, 1 ) nur durch die Mittel der Wegnahme: Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben oder Gewalt gegen eine Person. Die letztere ist (oben § 98 III 1) stets Gewalt an der Person, 2 ) d. h. an dem tatsächlichen Inhaber der wegzunehmenden Sache. E s genügt weder Gewalt ') Daher ist R a u b an elektrischer A r b e i t (unten § 133) nicht möglich. 2) E t w a s weiter Frank 123 und § 249 I I : jede Person, die den Gewahrsam schützt oder schützen will. Ahnlich Allfetd 521. — W i l l man die im T e x t e versuchte Lösung nicht billigen, dann gelangt man zu einer „unlösbaren A n t i nomie" zwischen S t G B § 255 einerseits, § 253 andererseits.

§ 130.

2. D e r

Raub.

461

an Sachen (Festhalten der Wagenpferde), noch Gewalt an anderen Personen (um dadurch den Inhaber zur Herausgabe der Sache, zu veranlassen); mag auch in dem einen wie in dem anderen Falle die Gewalt in letzter Linie sich gegen den zu Beraubenden richten. Gewalt an der Person liegt auch dann vor, wenn der Widerstand, etwa durch die Plötzlichkeit des Angriffs (Wegreißen der Tasche) oder durch einen von hinten geführten Schlag auf den Kopf, unmöglich gemacht wird. 2. Von der E r p r e s s u n g (unten § 141) unterscheidet sich der R a u b nicht nur durch seine eigenartigen Mittel, sondern auch durch ein zweites Merkmal. Der Raub ist unmittelbare oder mittelbare (durch Erzwingung der Herausgabe bewirkte) W e g n a h m e einer S a c h e ; die Erpressung ist grundsätzlich N ö t i g u n g zu einer das Vermögen schädigenden D i s p o s i t i o n . 3 ) Die sog. ,,räuberische Erpressung" (StGB § 255) ist daher nicht R a u b , sondern ein eigenartiges Vermögensdelikt, das durch Verbindung der M i t t e l des Raubes mit den G e g e n s t ä n d e n der Erpressung gebildet wird. Vgl. auch das unten § 141 II Ausgeführte. 3. Der Raub ist v o l l e n d e t (wie der Diebstahl) mit der vollendeten Wegnahme der Sache, ohne daß erfolgte Zueignung erforderlich wäre; der strafbare V e r s u c h beginnt bereits mit der Anwendung von Gewalt oder Drohung. I I I . Fälle des Raubes.

1. E i n f a c h e r R a u b (StGB § 249). S t r a f e : Z u c h t h a u s ; bei mildernden U m s t ä n d e n G e f ä n g n i s nicht unter sechs M o n a t e n .

2. S c h w e r e r R a u b (StGB § 250). Die erschwerenden Umstände sind teilweise dieselben wie beim Diebstahl, so daß hier das oben § 128 Gesagte zu vergleichen ist. Schwerer Raub liegt vor: a) Wenn der Räuber oder einer der Teilnehmer am Raube bei Begehung der Tat Waffen bei sich führt. b) Wenn zu dem Raube mehrere mitwirken, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben (Bande). c) Wenn der Raub auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einer Eisenbahn, einem öffentlichen Platze, auf offener See oder einer Wasserstraße begangen wird ( S t r a ß e n r a u b , Seeraub, Piraterie). Der Begriff der „offenen See" bestimmt sich nach völkerrechtlichen Grundsätzen; das oben § 22 über die Begriffe Inland und 3) U n g e n a u Fratlk 3 1 . D e r R ä u b e r n i m m t w e g , der Erpresser l ä ß t sich geben. D e r t y p i s c h e R ä u b e r hält seinem O p f e r den R e v o l v e r m i t den W o r t e n v o r die B r u s t : das G e l d oder das L e b e n 1 W e n n nun der Überfallene die B r i e f t a s c h e selbst aus der T a s c h e zieht und dem Drohenden übergibt — sollte da der R a u b verneint werden ?

462

§ 131.

3. D i e

Unterschlagung.

Ausland Gesagte findet auch hier Anwendung. Die „Wasserstraße" braucht nicht als s o l c h e benutzt zu sein; auch die Beraubung badender oder fischender Personen gehört hierher. d) Wenn der Raub zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude begangen wird, in das der Täter zur Begehung eines Raubes oder Diebstahls sich eingeschlichen oder gewaltsam (Gewalt gegen Personen oder Sachen^ sich Eingang verschafft, öder in dem er sich in gleicher Absicht verborgen hatte. e) Wenn der Räuber bereits einmal als Räuber oder wegen räuberischen Diebstahls (StGB § 252) oder räuberischer Erpressung (StGB § 255) im Inlande bestraft worden ist (Raub im ersten Rückfall). S t G B § 245 findet auch hier Anwendung. S t r a f e : Z u c h t h a u s n i c h t u n t e r fünf J a h r e n ; bei m i l d e r n d e n U m s t ä n d e n G e f ä n g n i s n i c h t u n t e r einem

Jahre.

3. S c h w e r s t e r F a l l (StGB § 251): Raub, bei dem ein Mensch gemartert oder bei dem durch die verübte Gewalt eine schwere Körperverletzung (StGB § 224) oder der Tod eines Menschen verursacht worden ist; gleichgültig, ob die gemarterte, verletzte, getötete Person der Beraubte selbst oder ein Dritter ist. „Marterung" erfordert länger andauernde Zufügung körperlicher Schmerzen von einer bestimmten Heftigkeit. Die schwerere Strafe trifft jeden, der sich an dem Raube in Kenntnis der qualifizierenden Handlung beteiligt hat, mag er auch an dieser Handlung selbst keinen Anteil genommen haben. Versuch ist möglich, wenn etwa trotz der Marterung die Wegnahme nicht gelingt. S t r a f e : Z u c h t h a u s n i c h t u n t e r zehn Jahren oder lebenslängliches Z u c h t haus.

4. Die sog. r ä u b e r i s c h e E r p r e s s u n g (StGB § 255); vgl. oben II 2. 5. Der sog. r ä u b e r i s c h e D i e b s t a h l (StGB § 252) vgl. oben § 128 IV. IV. Neben

der Z u c h t h a u s s t r a f e k a n n in allen F ä l l e n auf

v o n Polizeiaufsicht erkannt werden ( S t G B

§ 131.

Zulässigkeit

§ 256).

3. Die Unterschlagung.

Literatur. Harburger V D B e s . T . 6 333. — Finger Die Veruntreuung v o n B a r k a u t i o n e n 1890. Lindenau Die Unterschlagung an barem Geld nach d e u t s c h e m R e i c h s s t r a f r e c h t . R o s t o c k e r Diss. 1894. Ziethen Die Unterschlagung a n v e r t r e t b a r e n Sachen. F r e i b u r g e r Diss. 1900. Graf Gleispach Die Verunt r e u u n g vertretbarer S a c h e n . 1. B d . 1905. Frenkel D a s D e l i k t der F u n d u n t e r s c h l a g u n g n a c h g e m e i n e m R e c h t 1910; V. Kujawa G A 5 1 x. Btihrer G A 5 9 435. — Z u I V : Dürr D i e U n t e r s c h l a g u n g v o n W e r t p a p i e r e n n a c h d e m (Depot-) G v o m 5. J u l i 1896. W ü r z b u r g e r D i s s . 1902. Fleischer Die strafbaren H a n d l u n g e n des D e p o t g . u s w . H a l l i s c h e Diss. 1906. Masser D e r § 9 des D e p o t g . W ü r z b u r g e r Diss. 1906. Bassermann D i e strafrechtlichen B e s t i m m u n g e n d e s D e p o t g . u s w . H e i d e l b e r g e r Diss: 1908. Klee (Lit. zu § 139).

§ 13»«

3. Die Unterschlagung.

463

I. Geschichte. Während das r ö m i s c h e R e c h t die Unterschlagung ohne weitere Unterscheidung mit dem Diebstahl in dem weiten Begriffe des furtum zusammenfaßte, w u r d e im d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r zumeist zwischen dem dieblichen Behalten von zu treuer Hand übergebenen Sachen einerseits und dem einfachen Behalten von gefundenen oder auf andere Weise zufällig erlangten Sachen andererseits unterschieden, der erste Fall als Veruntreuung dem Diebstahl gleichgestellt, der zweite als Unterschlagung nur willkürlich bestraft. Demgemäß bestimmt P G O 170: „welcher mit eines anderen Gütern, die ihm in gutem Glauben zu behalten und verwahren gegeben sind, willigerund gefähflicherweise dem Gläubiger zu Schaden handelt, solche Missetat ist einem Diebstahl gleich zu strafen" —- und stellt so die Veruntreuung als selbständige Vergehung in der Bestrafung dem Diebstahl gleich. Gemeinr e c h t l i c h war die Stellung sowohl der Veruntreuung als auch besonders der einfachen Unterschlagung sehr bestritten. Carpzov, Kreß, Koch, EngOU u. a. hielten an der deutschrechtlichen Auffassung fest, stellten die Unterschlagung als furtum improprium (contrectatio ficta) n e b e n den Diebstahl und begnügten sich meist mit geringerer Strafe (so Kurpfalz 1582, Frankfurt 1578, Preußen 1620). Die anderen ließen, wie Böhmer (auch Bayern 1751, Österreich 1768 und 1787), die Unterschlagung ganz in dem Diebstahl aufgehen. Erst allmählich gewinnt dieUnterschlagung in der n e u e r e n Gesetzgebungausgeprägtere Gestalt; die vielfach sich findende Beschränkung auf anvertraute Sachen (Veruntreuung) wird aufgegeben, die U n t e r s c h l a g u n g als Sachvergehen von der U n t r e u e als Verletzung von Forderungsrechten und von dem gegen das Vermögen überhaupt gerichteten B e t r u g gesondert, der Begriff seiner kasuistischen Fassung entkleidet. Während noch P r e u ß e n 1851 von „ m i t der Verpflichtung zur Rückgabe, Verwahrung, Verwaltung oder Ablieferung erlangtem G u t e " gesprochen und die durch Finden oder zufällig erlangten Sachen gleichgestellt hatte, bestimmt das R S t G B in § 246 ganz allgemein die Unterschlagung a l s d i e r e c h t s w i d r i g e Z u e i g n u n g e i n e r f r e m d e n b e w e g l i c h e n S a c h e , d i e der T ä t e r b e r e i t s in s e i n e m G e w a h r s a m h a t . Mit dieser allgemeinen Fassung entfiel die Notwendigkeit, die F u n d v e r h e h l u n g , die wohl auch als F u n d d i e b s t a h l bezeichnet und teilweise (so Österreich) als B e t r u g behandelt wurde, besonders auszuzeichnen. VE § 271, K E § 358 und E 1919 § 364 haben den Begriff im wesentlichen unverändert übernommen. G E § 299 verlangt, wie beim Diebstahl, Bereicherungsabsicht und stellt beiden Delikten die eigenmächtige Zueignung (ohne Bereicherungsabsicht gegenüber.)

II. Begriff der Unterschlagung nach § 246 StGB. 1. G e g e n s t a n d der Unterschlagung ist, wie beim Diebstahl, eine fremde bewegliche Sache. Mithin kann an R e c h t e n überhaupt, an F o r d e r u n g s r e c h t e n insbesondere, Unterschlagung ebensowenig wie Diebstahl begangen werden, während die das Recht beweisende oder begründende Urkunde als Sache Gegenstand des einen wie des anderen Verbrechens sein kann. Daher wird weiter darch den Übergang des Eigentums an den Gewahrsamsinhaber die Möglichkeit einer vollendeten Unterschlagung ausgeschlossen, mag auch eine persönliche Verpflichtung zur Rückgabe oder zur Verwendung nach einer ganz bestimmten Richtung hin bestehen. O b der Eigentumsübergang stattgefunden hat oder nicht, ist lediglich nach den Grundsätzen des maßgebenden bürgerlichen Rechts zu

464

§131.

3- Die Unterschlagung.

entscheiden, u n d die, insbesondere in der älteren preußischen R e c h t sprechung, beliebte A u f s t e l l u n g d e s B e g r i f i e s eines „ s t r a f r e c h t l i c h e n E i g e n t u m s " ist h e u t e allgemein a u f g e g e b e n . Diese S ä t z e f i n d e n a u c h auf v e r t r e t b a r e S a c h e n A n w e n d u n g . 2. D i e Sache m u ß sich i m G e w a h r s a m d e s T ä t e r s b e f i n d e n . D a r i n liegt der Unterschied der U n t e r s c h l a g u n g v o m D i e b s t a h l . D e r F a s s u n g des Gesetzes gegenüber ist die d e r A n e i g n u n g v o r a n g e h e n d e G e w a h r s a m s b e g r ü n d u n g i m E i n z e l f a l l e nachzuweisen (anders die E n t w ü r f e : V E § 2 7 1 , G E § 299, K E § 358, E 1 9 1 9 § 364). Z u d e r A u f n a h m e der g e f u n d e n e n S a c h e m u ß d a h e r , a u c h wenn sie bereits in A n e i g n u n g s a b s i c h t g e s c h i e h t , ein n a c h f o l g e n d e r A n e i g n u n g s a k t (Verbergen der S a c h e , A b l e u g n e n des F u n d e s usw.) h i n z u t r e t e n . A u f welche W e i s e der U n t e r s c h l a g e n d e den G e w a h r s a m erlangt h a t , ob durch Zufall, d u r c h I r r t u m , d u r c h ein A n v e r t r a u e n v o n seiten des bisherigen G e w a h r s a m s i n h a b e r s oder endlich d u r c h eine s t r a f b a r e H a n d l u n g , ist g l e i c h g ü l t i g . D o c h wird in dem l e t z t e n dieser F ä l l e die A n e i g n u n g r e g e l m ä ß i g h i n t e r d e m strafbaren W e g n e h m e n z u r ü c k t r e t e n (oben § 55 N o t e 5). 3. D i e H a n d l u n g b e s t e h t in der Z u e i g n u n g der f r e m d e n b e w e g lichen Sache. Ü b e r diesen B e g r i f f v g l . oben § 127 V . D o c h ist hier tatsächliche A u s ü b u n g des E i g e n t u m s i n h a l t s durch irgendeine B e t ä t i g u n g des H e r r s c h a f t s w i l l e n s erforderlich. Mit dieser ist d i e U n t e r s c h l a g u n g v o l l e n d e t ; o b dei Z w e c k der H a n d l u n g , die w i r t schaftliche V e r w e r t u n g der S a c h e , erreicht w i r d , ist g l e i c h g ü l t i g . 1 ) 4. D i e W i d e r r e c h t l i c h k e i t der Z u e i g n u n g ist z u m B e g r i f f s m e r k m a l e r h o b e n ; der I r r t u m über sie m i t h i n b e d e u t s a m . 5. D i e V o l l e n d u n g t r i t t ein m i t der geschehenen A n e i g n u n g (anders beim Diebstahl). D e r (strafbare) V e r s u c h beginnt m i t der beginnenden A n e i g n u n g s h a n d l u n g . 6. V e r l e t z t ist der E i g e n t ü m e r , und nur er, n i c h t e t w a der, der die S a c h e d e m T ä t e r übergeben (anvertraut) h a t t e . I I I . Arten der Unterschlagung. 1. E i n f a c h e U n t e r s c h l a g u n g ( S t G B § 246). S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Jahren; bei mildernden Umständen nach Ermessen Geldstrafe bis zu neunhundert Mark. 2. D i e V e r u n t r e u u n g oder U n t e r s c h l a g u n g a n v e r t r a u t e r , d . h . solcher Sachen, die d e m T ä t e r mit der V e r p f l i c h t u n g z u r R ü c k g a b e oder V e r w e n d u n g in b e s t i m m t e r R i c h t u n g ü b e r g e b e n u n d von i h m ü b e r n o m m e n sind. Verkaufsangebot genügt, erfolgter Verkauf ist nicht erforderlich. Ebenso RMilG 19 6i, das damit aber sich selbst widerspricht. Denn die Rechtfertigung dieser Auffassung liegt darin, daß Aneignung eben etwas anderes ist als wirtschaftliche Verwertung. Vgl. dazu oben § 127 Note 11.

§ 131.

3- Die Unterschlagung.

465

S t r a f e : Gefängnis bis zu fünf Jahren; hei mildernden Umständen Geldstrafe bis zu neunhundert Mark.

3. M i l d e r b e s t r a f t e F ä l l e (StGB § 247); dieselben wie beim Diebstahl (oben § 128 V, V I ) ; entscheidend hier immer die Stellung des verletzten Eigentümers. Neben Gefängnis kann in allen Fällen auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden (StGB § 248).

4. Über die A m t s u n t e r s c h l a g u n g vgl. unten § 179 V I I . IV. Zwei weitere Fälle enthält das Depotgesetz vom 5. Juli 1896 :*) 1. D i e r e c h t s w i d r i g e A n e i g n u n g f r e m d e r W e r t p a p i e r e durch einen Kaufmann, der sie im Betriebe seines Handelsgewerbes als Verwahrer, Pfandgläubiger oder Kommissionär in Gewahrsam genommen hat; vorausgesetzt, a) daß er seine Zahlungen eingestellt hat, oder daß über sein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist; und b) daß er die Aneignung im Bewußtsein seiner Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vornimmt (§ 11). Die Handlung ist mithin nur ein Sonderfall der Unterschlagung, deren Gegenstand die in § 1 des Gesetzes aufgezählten Papiere sind. Der Vorsatz muß sich auf Zahlungsunfähigkeit (oder Überschuldung), braucht sich nicht auf Zahlungseinstellung (oder Konkurseröffnung) zu beziehen. Letztere ist objektive Bedingung der Strafbarkeit, wie beim Bankbruch (unten § 137 II 3), a ) muß aber Wirkung der ersteren sein. S t r a f e : Zuchthaus; bei mildernden Umständen Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten. StGB § 247 findet keine Anwendung. Diese Strafvorschrift findet (nach § 12) auch gegen die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft, die Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sowie gegen die Liquidatoren einer Handelsgesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft Anwendung, wenn sie im Bewußtsein der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft oder Genossenschaft fremde Wertpapiere, die von dieser als Verwahrer, Pfandgläubiger oder Kommissionär in Gewahrsam genommen sind, sich rechtswidrig zugeeignet haben, vorausgesetzt, daß die Gesellschaft oder Genossenschaft ihre Zahlungen eingestellt hat, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist.

2. Die e i g e n n ü t z i g e V e r f ü g u n g ü b e r f r e m d e W e r t p a p i e r e . Nach § 9 ist strafbar der Kaufmann, der über Wertpapiere der im § 1 bezeichneten Art, die ihm zur Verwahrung oder als Pfand übergeben sind, oder die er als Kommissionär für den Kommittenten 1) GE behandelt den 1. Fall in § 299 als qualifizierten Fall der Unterschlagung; der 2. Fall erscheint in § 302 als besonderer Tatbestand „Verfügung über fremde Wertpapiere". Über die Stellung des E 1919 vgl. Denkschrift S. 302. ') Daher bei einer Zahlungseinstellung Realkonkurrenz ausgeschlossen; R 34 238. Dagegen Binding Lehrb. 1 441 (anders wieder daselbst 1 282). v. L i n t , Strafrecht, i-t Aufl. 30

466

§133-

4- M e Sachbeschädigung.

in Besitz genommen hat, außer dem Falle des § 246 S t G B (also ohne Aneignung) zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen eines Dritten rechtswidrig verfügt, oder der Vorschrift des § 8») zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen eines Dritten vorsätzlich zuwiderhandelt. Im Unterschiede von der Untreue (unten § 136), der das Delikt im übrigen verwandt ist, ist ein Handeln „zum Nachteile" eines anderen nicht erforderlich; es genügt die gewinnsüchtige Absicht. Als Verfügung erscheint die Verpfändung, nicht aber die Benutzimg zur Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung. Bewußtsein der Rechtswidrigkeit erforderlich, Vollendung erst mit dem Eintritt des „Nutzens". S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder eine dieser Strafen. Gegen Angehörige (oben § 34 Note 5) des Verletzten tritt die Verfolgung nur auf Antrag ein. Zurücknahme des Antrags zulässig. § 247 Abs. 2 und 3 StGB findet entsprechende Anwendung. — Nacb § 12 findet diese Bestimmung auch gegen die oben (zu 1) genannten Personen Anwendung, wenn sie in Ansehung von Wertpapieren, die sich im Besitz der Gesellschaft oder Genossenschaft befinden oder von diesen einem Dritten ausgeantwortet sind, die bedrohte Handlung begangen haben.

§ 132.

4. Die Sachbeschädigung.

Literatur. Schmoller VD Bes. T. 8 143. — Lueder Die Vermögensbeschädigung 1867. Pernice Die Sachbeschädigung nach röm. Hecht 1867. Knaak Das Delikt der einfachen Sachbeschädigung. Greifswalder Diss. 1902. v. Pradzynski und Sauer (Lit. zu § 127). Lehmann Zur Lehre vom objektiven Tatbestand der Sachbeschädigung (v. Lil. Heft 119) 1910. Löwenstein Reform 2 423. Leutz Die Sachbeschädigung 1914. Rommel Zur einfachen Sachbeschädigung aus § 303 RStGB (v. Lil. Heft 184) 1 9 1 4 . I. Geschichte. Die Sachbeschädigung verdankt erst der neueren Gesetzgebung ihre selbständige Stellung. Das r ö m i s c h e Recht hatte neben dem damnum injuria datum der lex Aquilia nur eine Anzahl von einzelnen Fällen, so die Beschädigung von Bäumen, Saaten und Weinbergen, von Mauern, Toren und Straßen, und zwar wegen ihrer Richtung gegen allgemeine Interessen, extra ordinem bestraft. Auch im m i t t e l a l t e r l i c h - d e u t s c h e n Recht finden wir zwar eine Reihe von einzelnen Strafdrohungen, so gegen Beschädigung von Tieren, von Zäunen und Hecken, von Feldern und Wiesen, von Gärten und Wäldern, vermissen aber den allgemeinen Begriff der Sachbeschädigung. Ebenso bot auch die P-GO (trotz der Art. 167 und 168) der Entwicklung des Vergehensbegriifes keine irgendwie genügende Grundlage. Erst die n e u e s t e G e s e t z g e b u n g war bemüht, die fühlbare Lücke auszufüllen. Es gelang, nachdem die Gruppe der Feld-, Forst- und Flurfrevel der Sondergesetzgebung überwiesen, und nachdem die irreleitende Bezeichnung „Vermögensbeschädigung" aufgegeben worden war, dem RStGB, den Begriff in § 303 mit annähernder Genauigkeit zu bestimmen. VE § 289 übernimmt den Begriff, qualifiziert in § 290 die gemeinschädliche Sachbeschädigung und stellt in § 291 den neuen •) Mitteilung an den Dritten, daß die ihm ausgeantworteten Wertpapiere fremdes Eigentum sind, oder daß die ihm aufgetragene Anschaffung für fremde Rechnung erfolgt.

§ 132.

4- Die Sachbeschädigung.

467

Tatbestand der Vermogensbeschädigung durch arglistige Täuschung auf; dieser wird von GE § 329 und KE § 373 richtiger in die Vermögensdelikte eingereiht, [von E 1919 $ 381 in den 31. Abschnitt mit der unzulänglichen Überschrift „Betrug, Untreue" eingeordnet. Der Tatbestand der Sachbeschädigung wird von K E § 363 und E 1919 § 357 dadurch erweitert, daß dem Beschädigen und Zerstören das Unbrauchbarmachen gleichgestellt wird. Den Tatbestand des $ 305 RStGB scheiden die Entwürfe aus dem Bereiche der Sachbeschädigung aus; vgl. VE § 181, KE §§ 266ff., E 1919 §§ 260ff. II. Sachbeschädigung ist E i g e n t u m s v e r l e t z u n g durch r e c h t s w i d r i g e , die B r a u c h b a r k e i t b e e i n t r ä c h t i g e n d e oder aufhebende Verletzung der Sachsubstanz. i G e g e n s t a n d ist im allgemeinen eine fremde Sache, und zwar hier auch die unbewegliche Sache. Unbefugte Sektion einer Leiche ist daher in der Regel (oben § 118 V) nicht Sachbeschädigung. Tauschwert braucht die Sache nicht zu besitzen (oben § 127 Note 3). Nur fremde, bereits im Eigenturn eines anderen stehende Sachen werden durch S t G B § 303 geschützt: Die Vergiftung noch herrenloser Tiere ist demnach nicht Sachbeschädigung (vgl. aber unten § 134 I 2). Täter kann auch der Miteigentümer sein. 2. Die H a n d l u n g ist „Beschädigung oder Zerstörung" der Sache. Durch die B e s c h ä d i g u n g wird die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit der Sache beeinträchtigt; durch die Z e r s t ö r u n g wird die Sache für ihre Zweckbestimmung ganz oder teilweise unbrauchbar gemacht. Stets ist Verletzung der Sachsubstanz unerläßlich, 1 ) die aber auch bei einer Veränderung des Aggregatzustandes (Schmel. en von Eis) gegeben sein kann. Gebrauchsentziehung, selbst dauernde, gehört nicht hierher (Ausfliegenlassen eines Vogels, Versenken in die See), solange die Sachsubstanz unverletzt bleibt, a ) Verbrauch einer Sache ihrer wirtschaftlichen Bestimmung gemäß (z. B . Abbrennen von Feuerwerkskörpern) ist nicht Sachbeschädigung, sondern Aneignung (oben § 127 V). 3 ) Beschädigung einer zusammengesetzten Sache ist sowohl in ihren Bestandteilen als auch durch Aufhebung des Zusammenhanges oder Störung des Zusammenwirkens *) Ebenso R 38 177, 48 31. Nach R 48 204 genügt das Übermalen einer Marmorbüste. Gegen R vgl. Rosenberg in RGRäteKomm. § 303 Note 4. ') Ebenso die herrschende Meinung, auch Harburger und Schmoller VD Bes. T. 6 215, 162; dagegen Binding Lehrb. 1 249. GE § 305 stellt die Entziehung der Sache ihrer Beschädigung gleich, wenn jene in der Absicht erfolgt, dem Eigentümer einen dauernden rechtswidrigen Nachteil zuzufügen. [KE § 373 und E 1919 § 368 bilden ähnliche Tatbestände, jedoch (richtigerweise) ohne jene Gleichstellung mit der Sachbeschädigung.] —> Nach R 87 412, Ronmiel, Rosenberg in RGRäteKomm. § 303 Note 4, Schwarte § 303 Note 2 soll nachteilige Einwirkung auf die Nerven eines Tieres genügen (sehr bedenklich). ') DieDstahl und Sachbeschädigung schließen sich demnach aus. Ebenso Rommel. Dagegen (für Idealkonkurrenz) V. Pradzynski und Sauer. 3°*

468

§ 132. 4' Die Sachbeschädigung.

möglich.4) Wertverminderung ist nicht erforderlich. Herstellung einer n e u e n S a c h e durch Verarbeiten von Metall, Bemalen von Holz oder Leinwand usw. ist nicht Sachbeschädigung. 5 ) Dem Tun steht das pflichtwidrige Unterlassen gleich (Nichtfütterung eines in Pflege genommenen Tieres). 3. R e c h t s w i d r i g k e i t ist Begriffsmerkmal, Bewußtsein derselben daher zur Strafbarkeit erforderlich. Ihr Wegfall richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen (z. B. Berechtigung von J a g d inhabern zur Tötung frei umherlaufender Hunde). 4. Die V o l l e n d u n g tritt mit der erfolgten Beschädigung oder Zerstörung der Sache ein; der Versuch ist strafbar. 5. V e r l e t z t , mithin antragsberechtigt, ist im Falle des § 303 nur der E i g e n t ü m e r der beschädigten Sache.') III. Arten. 1. Die e i n f a c h e S a c h b e s c h ä d i g u n g (StGB § 303). Gegenstand ist hier nur eine fremde Sache. S t r a f e : Geldstrafe bis zu tausend Mark oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. Antragsvergehen. Antrag rücknehmbar, wenn gegen Angehörige (oben § 34 Note 5) verübt. Der V e r s u c h ist strafbar. Dieselbe Strafe trifft die S a c h b e s c h ä d i g u n g a u f S c h i f f e n . Die Seemannsordng. von 1902 § 109 bedroht den Schiffsmann, der vorsätzlich und widerrechtlich Teile des Schiffskörpers, der Maschine, der Takelung oder Ausrüstungsgegenstände oder Verrichtungen, die zur Rettung von Menschenleben dienen, zerstört oder beschädigt. Versuch strafbar. Verfolgung nur auf Antrag. —• Die Bedeutung der Bestimmung liegt in der Erweiterung des Anwendungsgebietes des inländischen Rechts (oben § 22).

2. B e s c h ä d i g u n g oder Z e r s t ö r u n g v o n res s a c r a e , r e l i g i o s a e , p u b l i c a e (StGB § 304). Das Gesetz nennt: Gegenstände der Verehrung einer im Staate (tatsächlich) bestehenden Religionsgesellschaft; Sachen, die dem Gottesdienste (oben § 1 1 8 IV) gewidmet sind; Grabmäler (vgl. oben § 1 1 8 V), öffentliche Denkmäler (d. h. Zeichen, die zur Erinnerung an Tatsachen oder Personen aufgestellt sind; nicht also Hünengräber, Naturdenkmäler usw.) ;7) Gegen 4 ) Ebenso AUfeld 494, Frank § 303 II, R 20 182 (durch Einfügen eines Fremdkörpers wird eine Maschine zum Stillstand gebracht), R 81 329 (Ausheben und Wegbringen eines Wegweisers oder Wasserstandsmerkmals). Die letzte Entscheidung erklärt Frank § 303 I I mit Recht für bedenklich. ®) Maßgebend für die Abgrenzung ist jetzt B G B § 950. Dagegen Lehmann 72, Rosenberg in RGRäteKomm. § 303 Note 5, Schwartz § 303 Note 2. •) Übereinstimmend Allfeld 495, Binding 1 628, Schwartz § 303 Note 5. Dagegen hält R 1 306, 4 326, 8 399 auch den nur dinglich oder persönlich an der Sache Berechtigten für verletzt; ebenso Frank § 303 V, Rosenberg in RGRäteKomm. § 303 Note 9, Wachenfeld 395. Die Ansicht widerlegt sich durch die Erwägung, daß nach ihr auch der Eigentümer Täter nach StGB § 303 sein könnte. ') R 43 240 rechnet, wesentlich weitergehend, alle Sachen hierher, die, wie alte Türme usw., geschichtlich oder kunstgeschichtlich von Bedeutung sind. Rosenberg in RGRäteKomm. § 304 Note 5 stimmt dem Reichsgericht zu.

§ 133-

5- Die E n t z i e h u n g elektrischer A r b e i t .

469

stände der Kumst, Wissenschaft, des Gewerbes, die in öffentlichen (d. h. dem Publikum offenstehenden) Sammlungen aufbewahrt werden oder öffentlich aufgestellt sind; Gegenstände (auch Bäume und Sträucher), die (wie Straßenlaternen, Verkaufsautomaten) zum öffentlichen Nutzen (d. h. zum Nutzen des Publikums) 8 ) oder zur Verschönerung öffentlicher (wenn auch nicht von Menschenhand angelegter) Wege, Plätze oder Anlagen d i e n e n , wenn sie auch nicht gerade dazu bestimmt sind. Selbstverständlich muß der Vorsatz des Täters auch diese qualifizierenden Merkmale mitumfassen. Täter kann hier auch der Eigentümer sein. S t r a f e : G e f ä n g n i s bis zu drei J a h r e n oder G e l d s t r a f e bis zu f ü n f z e h n h u n d e r t Mark. N e b e n Gefängnis k a n n auf Verlust der bürgerlichen E h r e n rechte e r k a n n t wierden. 9 ) Versuch s t r a f b a r .

3. Gänzliche oder teilweise Z e r s t ö r u n g (nicht Beschädigung) v o n f r e m d e n B a u w e r k e n ; insbesondere von Gebäuden, Schiffen, Brücken, Dämmen, gebauten Straßen, Eisenbahnen (StGB § 305). „Bauwerk" ist jedes von Menschenhand hergestellte, mit dem Grund und Boden (wenn auch nur durch die eigene Schwere) in feste Verbindung gebrachte, selbständige, dauernde Werk. 10 ) „Gebaute Straßen" sind Land- wie Wasserstraßen, wenn diese von Menschenhand angelegt sind. Der Begriff der „Eisenbahn" ist derselbe wie oben § 128 Note 1 1 . S t r a f e : G e f ä n g n i s nicht unter einem Monat. Versuch s t r a f b a r . •— In § 305 ist die E i g e n a r t der einfachen Sachbeschädigung als eines gegen den einzelnen g e r i c h t e t e n Eigentumsvergehens vollständig g e w a h r t ; zugleich a b e r bildet dieser dem Code pfen. A r t . 437 e n t n o m m e n e Fall den Übergang von der Sachbeschädigung zu den gemeingefährlichen Verbrechen (unten §§ x48ff.). 4. In einer g a n z e n Reihe von Fällen t r i t t die B e d e u t u n g der Sachbeschädigung als eines E i g e n t u m s v e r b r e c h e n s so sehr in den H i n t e r g r u n d , d a ß die Einreihung dieser Fälle u n t e r a n d e r e Verbrechensbegriffe oder ihre selbständige Behandlung angezeigt erscheint. Vgl. S t G B §§ 90 Ziff. 2, I33ff., 168, 265, 274, 3o6ff., 3 i 5 f f . ; F o r s t - u n d Feldfrevel usw.

§ 133. 5. Die Entziehung elektrischer Arbeit. Literatur. Harburger V D Bes. T . 6 3 1 2 . — Kohlrausch Z 20 459. Pfleghart Die E l e k t r i z i t ä t als R e c h t s o b j e k t , 2 Teile 190T/2. Hotz Strafrechtlicher •) Mögen d a b e i a u c h Erwerbszwecke verfolgt w e r d e n ; R 34 1. •) I d e a l k o n k u r r e n z m i t S t G B §§ 3 i 7 f f . ist n i c h t ausgeschlossen; dagegen R 34 250, sowie Rosenberg in R G R ä t e K o m m . § 3 1 7 N o t e n . 10 ) Also unbewegliche S a c h e n . Ü b e r e i n s t i m m e n d Allfeld 495, Frank $ 305 I I , R 15 263; weitergehend Olshausen § 306 2 (auch versetzbare M ü h l e n ) . N u r in Beziehung auf die „ S c h i f f e " ist das Gesetz d a r ü b e r hinausgegangen. Diese, wie die „ B r ü c k e n " müssen „von einiger E r h e b l i c h k e i t " sein ( n i c h t K ä h n e , Stege a u s losen B r e t t e r n ) ; R 24 26. Z u s t i m m e n d Rosenberg in R G R ä t e K o m m . § 305 N o t e 4. D a s „ G e b ä u d e " , ausgezeichnet d u r c h W ä n d e und D a c h (oben § 128 I I 2), ist eine A r t des „ B a u w e r k s " .

470

§133-

5- Die Entziehung elektrischer Arbeit.

Schutz der Energie. Leipziger Diss. 1902. Kulenkampff Das Rechtsgut der elektrischen Arbeit im geltenden Straffecht usw. (V. LH. Heft 59) 1905. GUUS Die Elektrizität und ihre Stellung im Straf- und Zivilrecht. Erlanger Diss. 1908. I. Das Recht auf Verwertung elektrischer Energie ist durch das Reichsg. vom 9. April 1900 als ein selbständiges vermögensrechtliches Rechtsgut anerkannt worden. Dieses Rechtsgut unterscheidet sich von dem Eigentum dadurch, daß es sich nicht auf eine körperliche Sache bezieht, sondern auf die Verwendung aufgesammelter Arbeitskraft. Der Rechtsschutz ist auf die elektrische Energie beschränkt; tierische Kraft, Wasserkraft, Wärme (Kohlen) sind nicht geschützt. Die Tatbestände sind dem Diebstahl und der Unterschlagung einerseits, der Sachbeschädigung andererseits nachgebildet. Über die Entwürfe vgl. oben § 125 Note 2. II. § i des Gesetzes bedroht die Entziehung fremder elektrischer Arbeit in der Absicht rechtswidriger Zueignung. Die Ausdrücke „ f r e m d " und „Zueignung" können hier, da Sacheigentum nicht in Frage steht, nur im übertragenen Sinne genommen werden. Die Entziehung muß den Verbrauch elektrischer Arbeit, deren Verwendung einem andern als dem Täter zusteht, zum Nutzen des Täters oder eines Dritten bezwecken. 1 ) Sie muß „einer elektrischen Anlage oder Einrichtung" gegenüber, und zwar „mittels eines Leiters", 2 ) erfolgen, „der zur ordnungsmäßigen Entnahme von Arbeit aus der Anlage oder Einrichtung nicht bestimmt ist" (vgl. oben § 128 I I 3). D a die Anlage usw. unter der tatsächlichen Gewalt des Täters ebensogut wie eines Dritten stehen kann, entspricht das Delikt nicht nur dem Diebstahl, sondern auch der Unterschlagung; für diese ergibt sich zugleich eine Verschiebung des Zeitpunkts der Vollendung. S t r a f e : Gefängnis und Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Hark oder eine dieser beiden Strafen. Neben Gefängnis Ehrverlust nach Ermessen. — Versuch strafbar. III. § 2 des Gesetzes bedroht die Entziehung fremder elektrischer Arbeit in der Absicht, einem anderen rechtswidrigen Schaden zuzufügen. Der Tatbestand ist dem der Sachbeschädigung nachgebildet; doch m u ß die Schädigungsabsicht hinzutreten. Ausschließlich in dieser Absicht liegt der Unterschied von dem im § 1 behandelten F a l l ; im übrigen sind die Voraussetzungen die gleichen. S t r a f e : Geldstrafe bis zu tausend Mark oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. — Verfolgung nur auf Antrag. Versuch straflos (während versuchte Sachbeschädigung strafbar ist). Ebenso R 42 19, 46 230. •) Ebenso R 36 311.

S IJ4-

Verletzung von Zueignungsrechten.

IL Verletzung von Zueignungsrechten. § 134. Literatur. Nagler VD Bes. T. 8 417, 521. — Dazu Eisperger Das Vergehen der einfachen Wilderei usw. Leipziger Dias. 1906. Stdhr Die nach Reichsrecht und mecklenburgischem Landesrecht strafbare Jagdausübung. Rostocker Diss. 1907. V. Chlapowski Die Verletzung des Jagd- und Fischereirechtes nach RStGB. Leipziger Diss. 1907.

I. Verletzung des Jagdrechts. 1. Die Geschichte dieses Vergehens beginnt erst mit dem Ausgange des Mittelalters. Während die gemeinrechtliche Rechtsprechung den Art. 169 der PGO (Fischdiebstahl) analog zur Anwendung brachte, schritt die Landesgesetzgebung seit dem 16. Jahrhundert mit zahlreichen und zum Teil grausamen, aber zumeist vergeblichen Strafdrohungen gegen die „Wilddieberei" ein. Die wissenschaftlichen Zweifel an der wahren Natur des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes hemmten jedoch bis in die neueste Zeit eine allgemeine Übereinstimmung in bezug auf die systematische Stellung und die grundsätzliche Auffassung des Vergehens, das vom R S t G B in dem Sammelabschnitt „Strafbarer Eigennutz" untergebracht ist, während V E §§ 295 bis 298 die Verletzung des Jagd- und Fischereirechts zu Sach- und Vermogensbeschädigung, GE §§ 309 bis 312 zu den Angriffen gegen das Eigentum stellt. K E §§ 383 bis 387 und E 1919 §§ 394 bis 399 haben den Tatbestand verallgemeinert und der Verletzung des im Jagd- oder Fischereirecht enthaltenen Aneignungsrechtes einen besonderen Abschnitt gewidmet.

2. Begriff. Jagdrecht ist das a u s s c h l i e ß l i c h e R e c h t auf Z u e i g n u n g j a g d b a r e r T i e r e i n n e r h a l b des J a g d g e b i e t e s (Vierfüßler und Vögel; nicht Vogeleier). Welche Tiere „jagdbar" sind, ist nach dem am Tatorte geltenden Landesrechte zu beurteilen. Nichtjagdbare Tiere unterliegen (soweit sie nicht „fischbar" sind) dem freien Tierfang. Irrtum über die Jagdbarkeit würde den Vorsatz ausschließen. Verletzung des Jagdrechts ist unmöglich, wenn die Zueignung bereits erfolgt war. Aneignung von Wild in Tiergärten, d. h. umschlossenem, den Austritt des Wildes hinderndem Gehege, von gezähmten jagdbaren Tieren usw. ist Diebstahl, nicht aber das Vergehen des § 292 StGB. 8 ) Die Verletzung des Jagdrechts besteht in der A u s ü b u n g d e r J a g d auf f r e m d e m J a g d g e b i e t , Die Grenzen des Jagdrechtes fallen daher mit denen des Jagdbezirkes zusammen; vertragsmäßige Einschränkung des Abschusses innerhalb des Bezirks ist strafrechtlich l ) Vgl. preußische Jagdordnung vom 13. Juli 1907. Auch der Schutz gegen Wildschaden unterliegt landesrechtlicher Regelung; insoweit ist B G B § 228 ausgeschlossen. l ) Vgl. B G B § 960 und oben § 127 I I 2. — Die Größe des Wildparks ist dagegen gleichgültig; R 42 75. Abweichend Frank § 242 I I I . [Nach Rosenberg in RGRäteKomm. § 292 Note 3 sind Tiere in T i e r g ä r t e n nicht herrenlos; bei eingehegten Jagdrevieren entscheide die Gesamtheit der Verhältnisse darüber, ob die Tiere „rechtlich und tatsächlich" (?) herrenlos sind.]

472

3 134-

Verletzung von Zueignungsrechten.

ohne Bedeutung. 8 ) Maßgebend ist dabei der Standort des Wildes, nicht derjenige des Jägers. Ich jage auf meinem Jagdgebiete, wenn ich das auf diesem sich aufhaltende Wild von dem Gebiete meines Nachbarn aus beschleiche. Dagegen ist die Verfolgung des angeschossenen Wildes auf fremdes Gebiet rechtswidrige und strafbare J a g d f o l g e . 4 ) Bewußtsein der Widerrechtlichkeit ist erforderlich. „Ausübung der Jagd" begreift ein Doppeltes: 6 ) a) Schon das N a c h s t e l l e n , insbesondere das A u f s u c h e n und V e r f o l g e n des Wildes6) in der Absicht der Erlegung oder Aneignung, also das Anschleichen, Treiben, das Schlingenlegen und Fallenstellen, als vollendetes Vergehen. b) Die wirkliche E r l e g u n g oder Z u e i g n u n g jagdbarer Tiere, mag diese auf weidmännische Art erfolgen oder nicht. Erlegung setzt eigene Tätigkeit des Jagenden voraus; Vergiftung des Wildes ohne Aneignung fällt nicht unter das Gesetz.') Wohl aber das Ansichbringen von Fallwild, die Aneignung lebender Tiere, von Hirschstangen (dieser, soweit das Landesrecht sie schützt) usw. V e r l e t z t ist in allen Fällen der Jagdberechtigte. 3. Die Arten. a) E i n f a c h e r F a l l (StGB § 292). S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten. Antragsvergehen, wenn gegen einen Angehörigen (oben § 34 Note 5) begangen. Antrag rücknehm bar,

b) S c h w e r e r F a l l (StGB § 293), wenn dem Wilde nicht mit Schießgewehr oder Hunden, sondern mit Schlingen, Netzen, Fallen oder anderen Vorrichtungen nachgestellt, oder wenn das Vergehen während der gesetzlichen Schonzeit, in Wäldern, 8 ) zur Nachtzeit oder gemeinschaftlich von mehreren (oben § 5° Note 13) begangen wird. „Nachtzeit" bedeutet hier (anders oben § 128 Note 14) die *) Ebenso Schwartz § 292 Note 4 (im wesentlichen), Wachenfeld 463. Dagegen R 48 439, Frank § 292 III. «) Ebenso Binding Lehrb. 1 325, Nagler 438, Wachenfeld 436, Bgr. 820; dagegen Frank § 292 III, Rosenberg in RGRäteKomm. § 292 Note VI, Schwartz § 292 Note 5. ») Ebenso Nagler 454; Rosenberg in RGRäteKomm. § 292 Note IV; viel enger Frank § 292 II: nur jene Tätigkeit, die das Erlegen des Tieres bezweckt. *) Auch bei Überwiegen der sportlichen Interessen (Parforcejagd); R 26 216. Vgl. auch RMilG 22 241. ') Ebenso Binding Lehrb. 1 329, Nagler 459; dagegen R 14 419, Begr. 822, Schwartz § 292 Note 2. — Im einzelnen vielfach abweichend Flank. ») Maßgebend hier (für die Annahme der Erschwerung) der Standort des Jägers; dagegen ist es nach Schwartz § 293 Note 2 und R 25 120 genügend, wenn der Jäger oder das Wild sich im Walde befindet; ebenso auch Rosenberg in RGRäteKomm. § 293 Note 6.

§ 134-

Verletzung von Zueignungsrechten.

473

Zeit der Dunkelheit, als-o von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang mit Einschluß der Dämmerung. S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. Antrag ist hier nicht erforderlich.')

c) W i l d d i e b e r e i ( S t G B § 294): gewerbsmäßiges (oben § 55 I I I 1) Betreiben des unberechtigten Jagens. S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten, daneben Ehrverlust sowie Polizeiaufsicht zulässig. In allen drei Fällen ist ( S t G B § 295) auf Einziehung des Gewehrs, des Jagdgeräts und der Hunde, die der Täter bei sich geführt hat, ingleichen der Schlingen, Netze, Fallen und anderen Vorrichtungen (nicht der Beförderungsmittel) zu erkennen, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht, und ohne Unterschied femer, ob diese Gegenstände zur Jagdausübung bestimmt waren oder nicht. 10 ) d) Hierher gehören endlich noch, wenigstens teilweise, S t G B § 368 Ziff. 1 0 und 11: Geldstrafe bis zu sechzig Mark oder Haft bis zu vierzehn Tagen trifft den, der a) ohne Genehmigung des Jagdberechtigten oder ohne sonstige Befugnis auf einem fremden Jagdgebiete außerhalb des öffentlichen, zum gemeinen Gebrauche bestimmten Weges, wenn auch nicht jagend, doch zur Jagd ausgerüstet, betroffen wird; ß) unbefugt Eier oder Junge von jagdbarem Federwild (oder von Singvögeln) ausnimmt. 11 )

II. Verletzung des Rechts auf Zueignung von Fischen und Krebsen, sowie von Austern, Perlmuscheln und anderen, nach Landesrecht „fischbaren" Wassertieren. 12 ) Auch hier handelt es sich um die Verletzung eines ausschließlichen Zueignungsrechts, während der Eingriff in fremdes Eigentum als Diebstahl erscheint. So hatte schon P G O (Art. 169) im Anschlüsse an die Auffassung des deutschen Mittelalters (Ssp. 2 28, 1) das Wegnehmen von Fischen „aus Weihern oder Behältnissen" als Diebstahl erklärt und davon den Fall unterschieden, wenn jemand „aus einem fließenden, ungefangenen Wasser Fische finge, das einem anderen zustände". Auch nach geltendem Recht muß, abweichend vom preußischen S t G B , das Schwergewicht darauf gelegt werden, ob nicht die Zueignung bereits stattgefunden hat; Fische in geschlossenen Teichen sind Gegenstand des Diebstahls (vgl. B G B § 960).

Das R S t G B unterscheidet: ') Herrschende Ansicht, auch R 4 330; dagegen Frank § 293 I. M ) Auch dann', wenn sie Eigentum des Verletzten sind; ebenso Süwabe GA 60 395- Dagegen R 18 43, Binding Lehrb. 1 332, Frank § 295 I, Schwartz § 295 Note 3. Unklar Nagier 452. [Gegen die Stellungnahme des Reichsgerichts, aber auch gegen die hier vertretene Auffassung Rosenberg in R G R ä t e K o m m . § 295 Note 4', obwohl er zugibt, daß für die letztere Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Gesetzes sprechen. K E und E 1919 schließen die Einziehung aus, wenn die Benutzung ohne Schuld des Eigentümers erfolgt ist. Ein objektives Verfahren (StPO §§ 477ff.) ist nach § 295 nicht zulässig. Ebenso Frank § 295 Note 2 ; R 53 181.3 " ) Die eingeklammerten Worte sind durch das Vogelschutzg. 1888 (jetzt G vom 13. Mai 1908) ersetzt. **) Der Ausdruck „Fischwilderei" ist als sprachwidrig abzulehnen. — Bernstein-,,Fischerei" gehört nicht hierher.

S 134.

|

1. E i n f a c h e s 3 7 0 Z i f f . 4).

Verletzung von Zueignungsrechten. unberechtigtes

Fischen

oder

Krebsen

(StGB

S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft. 2. U n b e r e c h t i g t e s F i s c h e n o d e r K r e b s e n z u r N a c h t z e i t , 1 ® ) bei F a c k e l l i c h t oder unter A n w e n d u n g s c h ä d l i c h e r oder e x p l o d i e r e n d e r S t o f f e ( S t G B § 296). S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. Bewußtsein der Widerrechtlichkeit hier wie im Fall 1 erforderlich. Über den Begriff des Sprengstoffes vgl. unten § 156. 3. A u s l ä n d e r , d i e in d e n d e u t s c h e n Küstengewässern ( „ H o h e i t s g e w ä s s e r n " ) u n b e f u g t f i s c h e n , 1 4 ) t r i f f t d i e u n t e r 2. a n gegebene Strafe, auch wenn keiner der erschwerenden U m s t ä n d e d e s § 296 v o r l i e g t ( S t G B § 2 9 6 a ) . Ü b e r d i e B e t e i l i g u n g v o n I n l ä n d e r n v g l . o b e n § 22 I . D a g e g e n k a n n s i c h der A u s l ä n d e r a n d e r v o n e i n e m I n l ä n d e r b e g a n g e n e n T a t n u r a l s M i t t ä t e r beteiligen. Maßgebend i s t in j e d e m F a l l e d i e S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t d e s U n t e r n e h m e r s : D e r Ausländer im Dienste eines Inländers bleibt straflos. Durch diesen von der Novelle von 1876 eingefügten, von den E n t würfen übernommenen Paragraphen wird, übereinstimmend mit dein Grundsätzen des heutigen Völkerrechts, die Fischerei in den deutschen Küstengewässem, von besonderen Staatsverträgen abgesehen, den Inländern vorbehalten, und zugleich der Strafschutz für das so geschaffene Rechtsgut bestimmt. Neben der Geld- oder Gefängnisstrafe ist auf Einziehung der F a n g g e r ä t e , die der Täter bei dem unbefugten Fischen bei sich geführt hat, ingleichen der in dem Fahrzeuge enthaltenen F i s c h e (i. w. S.) zu erkennen, ohne Unterschied, ob die Fanggeräte und Fische dem Verurteilten gehören oder nicht. I I I . D i e V e r l e t z u n g des B e r g r e c h t s ist f ü r d a s S t a a t s g e b i e t d e s D e u t s c h e n R e i c h s g a r n i c h t , l a n d e s g e s e t z l i c h n u r teilweise b e handelt. u ) Vgl. oben 1 3 b. — Liegt auch dann vor, wenn die bei Tag versenkten Netze usw. während der Nacht im Wasser bleiben; R 87 117. Dagegen Rosenberg in RGRäteKomm. § 296 Note 2 (die Handlung des Täters müsse bei Nacht stattfinden). " ) Auch hier wie oben bestimmt das Landesrecht (des Uferstaates) die „fischbaren" Wassertiere. — K E § 387 und E 1919 § 399 bedrohen auch den Deutschen, der auf einem ausländischen Schiff unbefugt fischt. — Vgl. v. Liszt Völkerrecht § 9 V 2.

§ 135-

475

!• Der Vertragsbruch.

III. Strafbare Handlungen gegen Forderungsrechte. § 135. I. Der Vertragsbruch. Literatur. G e s c h i c h t e : R. Loetling Der Vertragsbruch und seine Rechtsfolgen: I. Der Vertragsbruch im deutschen Recht 1876, Sickel Die Bestrafung des Vertragsbruches und analoger Rechtsverletzungen in Deutschland 1876. — A r b e i t e r v e r t r a g s b r u c h : R. Loening H S t 1 1176. Dietz Vertragsbruch im Arbeits- und Dienstverhältnis 1890. Bötlinger Die Bestrafung des Arbeitsvertragsbruchs der Arbeiter 1891. Elster Z 36 422. Kaskel Das neue Arbeitsrecht, 2. A u f l . 1920. — Byloff Vertragsbruch und Strafrecht. Eine Studie aus dem österreichischen R e c h t 1905. Nagler V D Bes. T . ( 463 (Heuer Vertragsbruch). I. Geschichte. Im r ö m i s c h e n R e c h t e bei den contractus famosi (Mandat, Depositum, Sozietät, Tutel) mit der Infamie belegt, im m i t t e l a l t e r l i c h d e u t s c h e n R e c h t e vielfach mit öffentlicher Strafe bedroht, bleibt der Vertragsbruch sowohl im g e m e i n e n R e c h t als auch in der h e u t i g e n G e s e t z g e b u n g im allgemeinen straflos. Landesrechtlich war der Vertragsbruch der Dienstboten und ländlichen Arbeiter vielfach mit Strafe bedroht; der Aufruf der Volksbeauftragten vom 12. November 1918 ( R G B l . 1303) h a t diese Bestimmungen außer K r a f t gesetzt. II. Die Reichsgesetzgebung bedroht den Vertragsbruch nur in wenigen

vereinzelten

anderen

Gesichtspunkte als dem der Nichterfüllung des geschlos-

Fällen,

senen Vertrages beruht. 1.

Die

schlossenen

deren

aber

auf

einem

E s gehören hierher:

Nichterfüllung

gewisser

Lieferungsverträge

(anders die Entwürfe)

Strafbarkeit

mit

(StGB

einer

§ 329);

als gemeingefährliches

Behörde vom

ge-

Gesetze

Verbrechen

(unten

§ 154) behandelt. 2. Der B r u c h

des

Heuervertrages,

der einzige

Vertragsbruchs, der als solcher mit Strafe bedroht ist.

Fall

des

Das Gesetz

unterscheidet zwei Fälle: a) Der e r s t e F a l l

(StGB

§ 298) 1 ) liegt vor, wenn die Heuer

bereits gegeben war und der Schiffsmann m i t entfernt)

oder mit

i h r entläuft (sich

ihr sich verborgen hält, um

sich dem

nommenen Dienst zu entziehen, und zwar, abweichend

von

über§ 4

S t G B (oben § 22), ohne Unterschied, ob das Vergehen im Inlande oder im Auslande, von Inländern oder von Ausländern begangen ist. b) Die anderen Fälle bedroht § 93 Seemannsordng. vom 2. Juni 1902. ') Inhaltlich, aber mit Zusätzen (mildernde Umstände) wiederholt in § 93 A b s . 3 Seemannsordng.; von den Entwürfen gestrichen. — Für die Fälle der Seemannsordng. muß es sich um ein deutsches Kauffahrteischiff handeln; § 298 dagegen bezieht sich auf alle unter deutschem R e c h t stehenden Personen, also nicht auf den im Auslande von einem nichtdeutschen Schiff entlaufenden Ausländer. Vgl. dazu Nagler 467.

476

§ 136.

2. D i e U n t r e u e .

S t r a f e : Zu a : G e f ä n g n i s bis zu einem J a h r . Zu b : Auf A n t r a g d e s K a p i t ä n s G e l d s t r a f e bis zu d r e i h u n d e r t M a r k (bzw. sechzig Mark) o d e r G e f ä n g n i s bis zu drei M o n a t e n .

3. § 1 2 Ziff. 5 S t e l l e n v e r m i t t l e r g . 1 9 1 0 bedroht den Stellenvermittler, der es unternimmt, einen Arbeitnehmer zum Bruch eines eingegangenen Arbeitsvertrages zu verleiten. S t r a f e : G e l d s t r a f e bis zu s e c h s h u n d e r t M a r k o d e r H a f t .

§ 136. 2. Die Untreue. L i t e r a t u r . Freudenthal V D B e s . T . 8 105. — Draheim U n t r e u e u n d U n t e r s c h l a g u n g (v. Lil. H e f t 39) 1 9 0 1 . Cartier D e r o b j e k t i v e T a t b e s t a n d d e r s t r a f b a r e n U n t r e u e u s w . B e r n e r Diss. 1902. Engelhart D i e U n t r e u e (§ 266 S t G B ) W ü r z b u r g e r Diss. 1902. Leopold Z u m T a t b e s t a n d d e r s t r a f b a r e n U n t r e u e (V. Lil. H e f t 94) 1908. Seidl D i e U n t r e u e n a c h V E u n d G E . E r l a n g e r D i s s . 1 9 1 3 . — Zu V : v. Gordon, Mittelstadt D J Z 7 379, 520. Roesler D i e s t r a f r e c h t liche V e r a n t w o r t l i c h k e i t d e r O r g a n e d e r A k t i e n g e s e l l s c h a f t e n u s w . Heidelb e r g e r Diss. 1908. I . Geschichte. D i e geschichtliche E n t w i c k l u n g d e r U n t r e u e k n ü p f t einerseits a n d e n V e r t r a g s b r u c h , a n d e r e r s e i t s a n d i e U n t e r s c h l a g u n g a n . D e r d i e , . V e r u n t r e u u n g " b e h a n d e l n d e A r t . 1 7 0 d e r P G O e n t h i e l t ungeschieden U n t e r s c h l a g u n g u n d U n t r e u e in sich, w ä h r e n d d i e R P o l i z e i o r d n u n g e n (wie f r ü h e r d e r Schsp.) d e n u n g e t r e u e n o d e r fahrlässigen V o r m u n d m i t S t r a f e b e d r o h t e n . I m 17. u n d 1 8 . J a h r h u n d e r t vielfach als e r s c h w e r t e r F a l l des e r w e i t e r t e n Bet r u g s b e g r i f f e s a u f g e f a ß t (so a u c h i m p r e u ß i s c h e n L a n d r e c h t ) , g e w i n n t d i e U n t r e u e a l l m ä h l i c h i m 19. J a h r h u n d e r t u n t e r d e m E i n f l ü s s e des Code p é n a l ( A r t . 408: a b u s d e confiance) s e l b s t ä n d i g e S t e l l u n g . D a s R S t G B (§ 266) s c h l i e ß t sich z u m Teil a n d a s p r e u ß i s c h e , z u m Teil a b e r a u c h a n d a s sächsische S t G B (Art. 287 A b s . 2) a n , o h n e ü b e r eine v e r w o r r e n e K a s u i s t i k h i n a u s z u k o m m e n . D i e s e e r w e i t e r t sich d u r c h die S t r a f d r o h u n g e n zahlreicher N e b e n g e s e t z e VE § 2 7 7 v e r s u c h t eine a l l g e m e i n e F a s s u n g : „ w e r a b s i c h t l i c h das V e r m ö g e n eines a n d e r e n d a d u r c h b e s c h ä d i g t , d a ß er die i h m d u r c h G e s e t z o d e r R e c h t s g e s c h ä f t e i n g e r ä u m t e B e f u g n i s , ü b e r dieses V e r m ö g e n zu v e r f ü g e n , m i ß b r a u c h t . " Ä h n lich G E § 322, der alle einschlagenden B e s t i m m u n g e n d e r S o n d e r g e s e t z e in sich a u f n i m m t . K E [ § 3 6 7 streicht das Wort] „absichtlich" und verlangt „ w i s s e n t l i c h e n " M i ß b r a u c h . [E 1 9 1 9 § 3 7 7 f o l g t d e m K E , b e s e i t i g t a b e r die von K E f ü r zulässig e r a c h t e t e G e l d s t r a f e (vgl. a b e r a u c h § 1 1 5 A b s . 2). — D i e U n t r e u e d e s S a c h w a l t e r s b e h a n d e l t d a s g e l t e n d e R e c h t bei d e n A m t s delikten (unten § 179 X I ) .

II. U n t r e u e ( S t G B § 266) ist die V e r l e t z u n g d e r a u s G e setz oder R e c h t s g e s c h ä f t e n t s p r i n g e n d e n P f l i c h t zur Wahrnehmung anvertrauter Vermögensinteressen. Die Untreue ist gerichtet gegen die Ansprüche anderer auf Wahrnehmung ihrer Vermögensinteressen. 1 ) Nur solche, nicht aber etwa das Interesse an sittlich ernster Erziehung, an tiefer J ) So d i e g e m . M e i n u n g ; insbes. R 16 77 sowie Alljeld 556, Binding L e h r b . 1 396, Eichelbaum in R G R ä t e K o m m . § 266 N o t e 1 1 , Frank § 266 I , Freudenthal 1 1 4 .

§ 136.

2. D i e

477

Untreue.

B i l d u n g v o n G e i s t u n d G e m ü t , an S t ä h l u n g der G e s u n d h e i t und E n t w i c k l u n g der K ö r p e r k r a f t , sind A n g r i f f s g e g e n s t a n d der U n t r e u e , d i e e b e n d a r u m V e r m ö g e n s v e r b r e c h e n ist. Z u r V o l l e n d u n g ist m i t h i n eingetretene V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g (wie beim B e t r u g ; u n t e n § 139 II) erforderlich. S t G B § 266 b e d r o h t in kasuistischer F a s s u n g : 1. V o r m ü n d e r , 2 ) K u r a t o r e n , G ü t e r p f l e g e r , Sequester, Massenverwalter, Vollstrecker letztwilliger Verfügungen und Verwalter von S t i f t u n g e n , die absichtlich z u m Nachteile der ihrer A u f s i c h t anv e r t r a u t e n Personen oder S a c h e n (hier V e r m ö g e n s g e g e n s t ä n d e aller A r t , auch Forderungen) handeln. 2. B e v o l l m ä c h t i g t e , 3 ) die über F o r d e r a n g e n oder andere V e r m ö g e n s s t ü c k e (bewegliche, u n b e w e g l i c h e S a c h e n ; R e c h t e ) des A u f t r a g g e b e r s absichtlich zu dessen N a c h t e i l e v e r f ü g e n . O b die V e r m ö g e n s s t ü c k e solche des A u f t r a g g e b e r s sind, b e s t i m m t sich n a c h privatrechtlichen Grundsätzen. 3. Feldmesser, Versteigerer (Mäkler), G ü t e r b e s t ä t i g e r S c h a f f n e r , W ä g e r , Messer, B r a c k e r , Schauer, Stauer u n d a n d e r e z u r B e t r e i bung ihres Gewerbes von der Obrigkeit verpflichtete P e r s o n e n , d i e bei d e n ihnen übertragenen G e s c h ä f t e n absichtlich d i e j e n i g e n benachteiligen, deren G e s c h ä f t e sie besorgen. In allen drei Fällen s t e h t dem T u n das pflichtwidrige Lassen gleich (Nichterhebung einer K l a g e ) , ist rechtsgeschäftliches H a n d e l n n i c h t erforderlich (Vernichtung

einer Urkunde), ist

„absichtlich"

als „ v o r s ä t z l i c h "

aufzufassen, 1 )

b r a u c h t E i n t r i t t des N a c h t e i l s mithin nicht B e w e g g r u n d des H a n d e l n s zu sein, ist aber zur Vollendung Strafe:

erforderlich.

G e f ä n g n i s ; E h r v e r l u s t nach Ermessen.

Wenn vom Täter

g a n g e n , u m sich oder einem anderen einen (nicht n o t w e n d i g

be-

rechtswidrigen)

Vermögensvorteil (unten § 139 I I 4) zu verschaffen, neben der Gefängnisstrafe n a c h Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. keine

§ 247 A b s . 2 S t G B f i n d e t

Anwendung.

I I I . D i e Reichsversicherungsordnung v o n 1 9 1 1 d e h n t die S t r a f d r o h u n g z u I I in § 23 (beachte die E r w e i t e r u n g in § 535) a u s auf die Mitglieder der Versicherungsorgane, die v o r s ä t z l i c h z u m N a c h ' teil der V e r s i c h e r u n g s t r ä g e r handeln. I V . N a c h § 36 des Hypothekenbankg. v o m 13. J u l i 1899 werden T r e u h ä n d e r , die a b s i c h t l i c h z u m N a c h t e i l e d e r P f a n d b r i e f g l ä u b i g e r h a n d e l n , w e g e n U n t r e u e nach § ¿266 S t G B b e s t r a f t . V . W e s e n t l i c h strenger ist § 3 1 2 des Handelsgesetzbuchs v o m l)

N i c h t der der M u t t e r nach B G B § 1687 bestellte B e i s t a n d ; R 3 5 338. D e r T ä t e r selbst m u ß zu dem G e s c h ä d i g t e n in einem R e c h t s v e r hältnis s t e h e n ; das ist z. B . bei den Angestellten des Geschäftsinhabers n i c h t der Fall. V g l . König Leipziger Z 1 2 822. *) Herrschende A n s i c h t ; a u c h Allfeld 557, Eichelbaum in R G R ä t e K o m m . § 266 N o t e I 4. Frank § 266 V schließt den dolus e v e n t u a l i s aus. G e g e n ihn 3)

Freudenthal

117.

478

§ 137-

3- Der Bankbrach.

io. Mai 1897 und § 1 1 0 des G über die Privatversicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901 gegen die Mitglieder des Vorstandes oder Aufsichtsrats und die Liquidatoren einer Aktiengesellschaft,5) eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, die absichtlich zum Nachteile der Gesellschaft handeln. S t r a f e : Gefängnis und zugleich Geldstrafe bis zu zwanzigtausend Mark. Ehrverlust nach Ermessen. Bei mildernden Umständen kann ausschließlich auf die Geldstrafe erkannt werden.

VI. Etwas milder ist § 146 des G vom 1 . Mai 1889 (Fassung vom 20. Mai 1898) betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften gegen Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates und gegen Liquidatoren, die' absichtlich zum Nachteile der Genossenschaft handeln. S t r a f e : Gefängnis und zugleich Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. Ehrverlust nach Ermessen.

VII. Endlich hat das Börseng. vom 8. Mai 1908 (Fassung vom 27. Mai 1908) § 95 den Kommissionär bedroht, der um sich oder einem Dritten einen (nicht notwendig rechtswidrigen) Vermögensvorteil zu verschaffen, 1. das Vermögen des Kommittenten dadurch beschädigt, daß er hinsichtlich eines abzuschließenden Geschäfts wider besseres Wissen unrichtigen Rat oder unrichtige Auskunft erteilt, oder 2. bei der Ausführung eines Auftrages oder bei der Abwicklung eines Geschäfts absichtlich zum Nachteile des Kommittenten handelt. S t r a f e : Gefängnis. Daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Mark sowie Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Bei mildernden Umständen kann ausschließlich auf die Geldstrafe erkannt werden. — Der Versuch ist strafbar in den Fällen der Ziff. i.*)

§ 137. 3. Der Bankbruch. Literatur. Wach VD Bes. T. 8 1. Die Kommentare zur Konkursordnung namentlich von Petersen-Kleinjeller und Jäger (5. Aufl. von E. und C. Jäger 1916). Stenglein Nebengesetze I 762 {Lindenberg). Wertvoll Löffler in BartschPollaks Komm, zur österr. KO 1917. — Neumeyer Historische und dogmatische Darstellung des strafbaren Bankrotts. Preisschrift 1891. Schmidt Der strafbare Bankbruch in historisch-dogmatischer Entwicklung 1893. Reichart GS 48 81. Weber GS 62 362, 65 63, V. Babo Der betrügerische Bankrott. Heidelberger Diss. 1908. v. Brunegg Die Konkursverbrechen des Deutschen Rechts. Bemer Habil.-Schrift 1914. Derselbe GS 82 218. Clarus Die Konkursverbrechen nach dem Gegenentwurf. Erlanger Diss. 1914. — Zu IV: Freudenthal ') Nach § 325 Ziff. 9 findet diese Bestimmung auf die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien entsprechende Anwendung. •) Über § 9 Depotg. 1896 vgl. oben § 131 IV; über das Bauforderungeng. von 1909 (§ 5) vgl. unten § 194 VI.

§ 137-

3- D e r Bankbruch.

479

Die Wahlbestechung (V. LH. Heft x) 1896. Jordan Die Strafbarkeit des Stimmenkaufs im Aktienrecht (V. Lil. Heft 5) 1897. I. Geschichte. Die strafrechtliche Haftbarkeit des flüchtigen, zahlungsunfähigen Schuldners tritt erst seit dem Ausgange des Mittelalters zunächst in den italienischen Stadtrechten neben die allmählich gemilderte zivilrechtliche Personalexekution. Die RPolizeiordnungen von 1548 und 1577 bilden die Grundlage für zahlreiche Bankrottdelikte und -mandate in den verschiedenen deutschen Ländern und Städten (wichtig das Mandat der Hansestädte 1620), während der Reichsschluß von 1670/71 nicht Gesetzeskraft erlangte und das gemeine Recht die decoctores, bancoruptores oder falliti nach den Bestimmungen über falsum behandelte. Die neuere Gesetzgebung steht vorzugsweise unter dem Einflüsse des französischen Rechts (Code de comm. Art. 286ff., C. pénal Art. 402ff.). Diesem entstammt auch die in das preuß. S t G B von 1851 und in das R S t G B üoergegangene Beschränkung der Strafbestimmungen auf den kaufmännischen Bankbruch. Aber die RKO vom 10. Februar 1877, deren §§ 209 bis 212 an Stelle der §§ 281 bis 283 des R S t G B getreten sind, kehrte zurück zu der schon im preuß. ALR sich findenden Gleichstellung des Nichtkaufmannes mit dem Kaufmann. Die KO vom 17. Mai 1898 (Fassung vom 20. Mai 1898) §§ 239 bis 244 brachte eine Verschärfung der Strafdrohungen gegen den einfachen Bankbruch. GE §§313 bis 319 hat die sämtlichen Fälle einer „Benachteiligung von Gläubigem" in einen besonderen Abschnitt zusammengefaßt. VE, K E und E 1919 behandeln den Bankbruch nicht. (Vgl. Denkschrift S. 334.) Es bleibt bei der bisherigen, völlig unbefriedigenden Abgrenzung des Bankbruchs von der ihm gleichwertigen Vollstreckungsvereitlung (unten § 138). I I . B e g r i f f des B a n k b r u c h s . 1. B a n k b r u c h ist (wenn wir zunächst vom geltenden R e c h t e absehen) Verletzung oder Gefährdung der Forderungsrechte der Gläubiger von seiten des Schuldners durch vorsätzliche oder f a h r lässige Verminderung des eigenen Vermögens oder durch Verschleierung des Vermögensstandes. D i e Forderungen der Gläubiger sind der eigentliche Angriffsgegenstand des B a n k b r u c h s ; sie werden getroffen in dem schuldnerischen Vermögen selbst, als dem Mittel ihrer Befriedigung. 1 ) Der B a n k b r u c h ist mithin gerichtet gegen d a s V e r m ö g e n , und zwar gegen das R e c h t d e r G l ä u b i g e r auf proportionelle Befriedigung; mag er auch in seinen Folgewirkungen, über die Vermögensinteressen der Nächstbeteiligten hinausgreifend» eine Erschütterung von Treu und Glauben, der Sicherheit des K r e d i t wesens in weiteren, nicht abzugrenzenden Kreisen herbeiführen. J e nachdem die Verminderung des eigenen Vermögens in der Absicht F die Ansprüche der Gläubiger zu schädigen, oder ohne diese Absicht *) Kann jetzt als die herrschende, insbes. auch von R vertretene Ansicht bezeichnet werden; vgl. R 4 41, 6 94. Ebenso im wesentlichen Aüfeld 532, Bindlng Lehrb. 1 421, Frank KO § 239 I, Wach 97; besonders aber LöffUr. Auch nach Byloff (Lit. zu § 135) ist der Bankbruch „Erfüllungsvereitlung — v. Brunegg, C. Jäger, Schmidt 115, Wachenfeld 430 halten den Bankbruch stets für ein Verletzungsdelikt (Verletzung der Forderungen durch Hinderung ihrer Verwirklichung). Richtig die meisten.

480

§137-

3- Der Bankbruch.

erfolgt, haben wir zwei Arten des Bankbruchs, einen erschwerten und einen einfachen Fall, zu unterscheiden. 2. Das g e l t e n d e R e c h t hat den Begriff des Bankbruchs teilweise abweichend gestaltet. Danach liegt strafbarer Bankbruch vor, wenn Schuldner, die ihre Zahlungen eingestellt haben oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, gewisse (im Gesetze genau bezeichnete) Handlungen begangen haben. a) An Stelle unseres allgemeinen Erfordernisses: „Verletzung oder Gefährdung der Forderungsrechte" setzt das geltende Recht eine bestimmt bezeichnete Tatsache: „Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung". Das heißt: Der Gesetzgeber schneidet die Erörterung der Frage, ob im Einzelfalle eine Verletzung oder Gefährdung der Ansprüche der Gläubiger stattgefunden hat, ein- für allemal ab. Er nimmt sie ohne weiteres als gegeben an, wenn jene Tatsache eingetreten ist; er betrachtet sie ohne weiteres als ausgeschlossen, wenn jene Tatsache nicht eingetreten ist. Die vom Gesetzgeber geforderte Tatsache umschließt zwei Fälle: a) Die K o n k u r s e r ö f f n u n g , die nach § 102 K O durch Z a h l u n g s u n f ä h i g k e i t des Schuldners bedingt ist, d. h. durch die (tatsächlich vorhandene) Unfähigkeit, die Mittel zur Bezahlung fälliger Geldschulden herbeizuschaffen; ß) Die Z a h l u n g s e i n s t e l l u n g , das ist die (nicht bloß augenblickliche) Nichterfüllung einer fälligen Verpflichtung auf Grund wirklicher, vermeintlicher oder vorgeschützter Zahlungsunfähigkeit. b) An Stelle unseres allgemeinen Erfordernisses: „durch Verminderung des eigenen Vermögens oder durch Verschleierung des Vermögensstandes" setzt das geltende Recht eine ganze Reihe einzelner, genau bezeichneter Handlungen, die regelmäßig, wenn auch nicht immer, eine Verschlechterung oder doch eine Gefährdung der Vermögenslage herbeiführen. Die Folge dieser kasuistischen Fassung ist der Ausschluß aller anderen, wenn auch durchaus gleichwertigen Handlungen. 3. Aus diesem Begriffe des Bankbruchs folgt: Z a h l u n g s e i n s t e l l u n g , bzw. K o n k u r s e r ö f f n u n g , ist B e d i n g u n g d e r S t r a f b a r k e i t (oben § 44 HI). 2 ) Die Gesamtheit der an derselben l ) 1. Übereinstimmend im Ergebnis Allfeld 553, Beling Verbrechen 59, Binding Lehrb. 1 428, Schwartz K O § 239 N o t e 5, Wach 65, Wachenfeld 430 (außerhalb der Bankrotthandlung gelegene Tatbestandsmerkmiile). — 2. Meist wird die Zahlungseinstellung als Tatbestandsmerkmal aufgefaßt. So v o n Neutoeyer 128,178, v. Brunegg, C. Jäger ; früher auch v o n R , zuletzt 27 316,89 165. Dagegen Rosenberg in R G R ä t e K o m m . KO § 239 N o t e 3. — 3. N a c h Frank KO § 239 I I handelt es sich u m unerläßliche und unwiderlegliche Vermutungen der Gläubigergefährdung. — Für meine Ansicht spricht entscheidend, daß, wie fast allgemein zugegeben, weder vorsätzliche noch fahrlässige Herbei-

$ 137- 3- Der Banlcbruch.

481

Zahlungseinstellung (oder Konkurseröffnung) beteiligten Gläubiger ist Trägerin des angegriffenen Rechtsgutes. Durch diese einheitliche Bedingung der Strafbarkeit werden die sämtlichen etwa vom Gemeinschuldner begangenen Einzelhandlungen zu einer juristischen Handlungseinheit (oben § 55 II 2) zusammengefaßt.8) Und daraus folgt: Wenn ein Schuldner in B e z i e h u n g auf d i e s e l b e Z a h l u n g s e i n s t e l l u n g (Konkurseröffnung) mehrere der vom Gesetze in demselben oder in verschiedenen Paragraphen bezeichneten Handlungen begangen hat. (z. B. Differenzspiel und Vernichtung der Handelsbücher), so liegt nur eine strafbare Handlung, nicht Zusammentreffen mehrerer, vor. a) K a u s a l z u s a m m e n h a n g zwischen den Einzelhandlungen des Schuldners und der Zahlungseinstellung (oder Konkurseröffnung) braucht nicht zu bestehen. b) In bezug auf die Zahlungseinstellung (oder Konkurseröffnung) ist weder V o r s a t z noch F a h r l ä s s i g k e i t erforderlich. c) F ü r V o l l e n d u n g und V e r j ä h r u n g ist der Zeitpunkt der Zahlungseinstellung (Konkurseröffnung) nur dann von Bedeutung, wenn sie den Einzelhandlungen zeitlich nachfolgt. Versuch ist nach allgemeinen Grundsätzen (oben § 46 Note 8) anzunehmen, wenn die Bedingung der Strafbarkeit (Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung) eingetreten ist, die Einzelhandlung aber unvollendet blieb oder fehlschlug.*) 4. T ä t e r ist nach der KO jeder Schuldner (nicht bloß der Kaufmann), der eine der Einzelhandlungen schuldhaft begangen hat; vorausgesetzt, daß es zur Zahlungseinstellung (Konkurseröffnung) gekommen ist. Aber auch Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft, sowie die Liquidatoren einer Handelsgesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft, die ihre Zahlungen eingestellt hat oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, können sich des Bankbruchs schuldig machen, wenn sie in dieser Eigenschaft die mit Strafe bedrohten Handlungen begangen haben (KO § 244). Die Strafvorschriften der K O finden ferner, nach § 83 des G vom 20. Mai 1892 betreffend die G e s e l l s c h a f t e n m i t b e s c h r ä n k t e r H a f t u n g sowie nach § 112 des Versicherungsg. vom 12. Mai 1901 gegen die führung der Zahlungseinstellung gefordert werden darf. Ebenso sehr bestimmt R 45 88. ») Ebenso R 2» 344 und die meisten, vgl. z. B. Rosenberg in RGRAteKomm. K O § 239 Note 25. «) Ebenso Allfeld 536, Binding Lehrb. 1 429, Rosenberg in R G R ä t e K o m m . K O § 239 Note 21. Abweichend R 18 41, Frank § 239 V, Neumeyer 173 (die Versuch auch ohne Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung annehmen). V. Li 52t, Strafrecht. 24. Anfl.

31

482

4 137-

3- Der Bankbruch.

Geschäftsführer der p r i v a t e n V e r s i c h e r u n g s u n t e r n e h m u n g e n entsprechende Anwendung. 5. O r t und Z e i t p u n k t der B e g e h u n g sind nach den allgemeinen Grundsätzen (oben § 44 III 4 b) zu beurteilen. Der Bankbruch ist also dort und dann begangen, wo und wann die einzelnen Handlungen begangen sind; Ort und Zeitpunkt der Zahlungseinstellung sind gleichgültig.5) 6. Für die T e i l n a h m e gelten die allgemeinen Regeln, soweit nicht §§ 241, 242 K O eingreifen. I I I . D i e A r t e n des Bankbruchs.

1. Der e i n f a c h e (oder leichte) B a n k b r u c h (KO § 240).*) Er liegt, die Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung vorausgesetzt, vor, wenn der Schuldner a) durch Aufwand, Spiel, Wette oder Differenzhandel mit Waren oder Börsenpapieren (nicht durch Lieferungsgeschäfte) übermäßige Summen verbraucht hat oder schuldig geworden ist; b) in der Absicht, die Konkurseröffnung hinauszuschieben, Waren oder Wertpapiere auf Kredit entnommen und diese Gegenstände erheblich unter dem Werte in einer den Anforderungen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst weggegeben hat; 7 ) c) Handelsbücher zu führen unterlassen hat, deren Führung ihm gesetzlich oblag, oder diese verheimlicht, vernichtet oder so unordentlich geführt hat, daß sie keine Übersicht des Vermögensstandes gewähren; d) gegen die Bestimmungen des HandelsGB es unterlassen hat, die Bilanz seines Vermögens in der vorgeschriebenen Zeit zu ziehen. S t r a f e : Gefängnis; daneben in den Fällen a und b nach Ermessen Ehrverlust. Bei mildernden Umständen kann auf Geldstrafe bis zu sechstausend Mark erkannt werden. Irreführend ist es, diesen Fall des Bankbruchs als f a h r l ä s s i g e n Bankbruch zu bezeichnen. Die einzelnen Handlungen zwar müssen vorsätzlich oder fahrlässig begangen sein. Fahrlässigkeit aber in bezug auf die Zahlungsein•) Abweichend auch hier R I i 1 8 8 sowie V. Bar Gesetz 1 1 5 6 und Rosenberg in RGRäteKomm. KO § 2 3 9 Note 2 4 . Richtig Allfeld 5 3 5 , Binding Lehrb. 1 428, Frank KO § 2 3 9 VI, Kitzinger VD Allg. T. 1 1 8 8 , Neumeyer 1 5 7 . •) Die neue Fassung des Gesetzes hat, abgesehen von der verschärften Strafdrohung, in Ziff. 1 die Worte „oder Wette" sowie die ganze Ziff. 2 eingefügt. V e r ä u ß e r n (vgl. unten § 1 3 8 ) ist die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung der rechtlichen Verfügungsmacht an einen anderen; W e g g e b e n die Aufgabe der Verfügungsgewalt ohne Übertragung. Daher ist Veräußerung nicht nur das Verkaufen (mit hinzutretender Übergabe) und Verschenken, sondern auch das Vermieten, Verpachten, Verpfänden (hypothekarische Belastung); dagegen fällt die Dereliktion unter das Weggeben, Beschädigung oder Zerstörung unter keinen der beiden Begriffe. Vgl. R 48 2 1 7 und Rosenberg in RGRäteKomm. KO § 240 Note 15. Im einzelnen gehen die Meinungen weit, auseinander.

§ 137-

3- D e r Bankbruch.

483

Stellung (oder Konkurseröffnung) kann aus den oben (§ 44 III 1) angegebenen Gründen nicht gefordert werden.") 2. D e r ( s c h w e r e o d e r ) b e t r ü g e r i s c h e B a n k b r u c h (KO § 239). Z u der T a t s a c h e d e r Z a h l u n g s e i n s t e l l u n g oder K o n k u r s e r ö f f n u n g m u ß (außer den v o m Gesetz b e z e i c h n e t e n H a n d l u n g e n ) d i e A b s i c h t , d i e G l ä u b i g e r z u b e n a c h t e i l i g e n , d. h . i n ihren A n s p r ü c h e n zu s c h ä d i g e n , als B e w e g g r u n d h i n z u t r e t e n . Das G e s e t z b e d r o h t den S c h u l d n e r , der a) V e r m ö g e n s s t ü c k e (bewegliche oder u n b e w e g l i c h e S a c h e n , w i e F o r d e r u n g e n ) v e r h e i m l i c h t oder b e i s e i t e g e s c h a f f t h a t ; 9 ) b) S c h u l d e n oder R e c h t s g e s c h ä f t e a n e r k a n n t oder aufgestellt h a t , d i e g a n z oder teilweise e r d i c h t e t s i n d ; c) H a n d e l s b ü c h e r zu f ü h r e n unterlassen h a t , deren F ü h r u n g i h m gesetzlich o b l a g ; d) seine H a n d e l s b ü c h e r (auch w e n n er zur F ü h r u n g n i c h t verp f l i c h t e t war) vernichtet, v e r h e i m l i c h t oder so g e f ü h r t oder v e r ä n d e r t h a t , d a ß sie keine Ü b e r s i c h t d e s V e r m ö g e n s s t a n d e s g e w ä h r e n . S t r a f e : Zuchthaus, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten. I V . Andere Konkursvergehen. 1. D i e G l ä u b i g e r b e g ü n s t i g u n g ( K O § 241). Sie liegt v o r , w e n n ein S c h u l d n e r (Zahlungseinstellung oder K o n k u r s e r ö f f n u n g vorausgesetzt), o b w o h l er seine Z a h l u n g s u n f ä h i g k e i t k a n n t e , einem G l ä u b i g e r in der A b s i c h t , 1 0 ) ihn v o r d e n ü b r i g e n zu b e g ü n s t i g e n , eine S i c h e r u n g oder B e f r i e d i g u n g g e w ä h r t h a t , die er n i c h t oder n i c h t in der A r t oder n i c h t z u der Z e i t z u b e a n s p r u c h e n h a t t e . P f l i c h t w i d r i g e Unterlassung (z. B . der V e r t e i d i g u n g g e g e n ü b e r d e m k l a g e n d e n Gläubiger) g e n ü g t . •) Sehr bestritten. 1. Richtig Allfed 535, Binding Lehrb. 1 439, Rosenberg in RGRäteKomm. KO § 240 Note 18, Schwartz KO § 240 Note 6. — 2. Neumeyer 144, 148 verlangt Vorsatz oder Fahrlässigkeit in Beziehung auf die Zahlungseinstellung. — 3. Das R hat seine frühere Ansicht, daß von jedem Verschulden abzusehen ist, selbst aufgegeben; vgl. R 13 354. — 4. Ganz unmöglich ist die Annahme einer, dritten, von Vorsatz und Fahrlässigkeit verschiedenen Schuldart, aufgestellt von R 14 80. — 5. Frank KO § 240 I, Wach 83, Wachenfeld 432 verlangen Vorsatz in Beziehung auf die Bankrotthandlung. •) „ V e r h e i m l i c h e n " heißt: der Kenntnis der Gläubiger entziehen; „ B e i s e i t e s c h a f f e n " : ihrer Verfügung entziehen. Ableugnung des Besitzes kann Verheimlichen sein; R 47 241. Zum Beiseiteschaffen ist Fortschaffen von einem Ort zum anderen nicht erforderlich. Ebenso R 22 242. Widersprechend Frank § 133 II und § 288 II. Vorübergehende Entziehung genügt: R 28 100, 39 80, RMilG 14 138; nicht aber Gebrauchsanmaßung. Zerstörung, Aufgabe einer Sache gehört hierher; nicht aber Beschädigung oder Entwertung. Ebenso R 27 123, 42 62; Binding Lehrb. 1 432, Schwartz KO § 239 Note 9, Wach 60; abweichend Frank KO § 239 III. Nicht das Aufstellen erdichteter Forderungen. 10) Gleich Beweggrund (wie beim Betrug); ebenso R 24 7. Dagegen Allfeld 536. Vgl. oben § 39 Note 3. 3i*

484

§ 137-

3- Der Bankbruch.

Auch dieses Vergehen entspricht dem allgemeinen Begriff des Bankbruchs: Verletzung der Ansprüche der Gläubiger durch Verminderung des eigenen Vermögens. Aber es hält die Mitte zwischen den beiden Arten des Bankbruchs. Von dem einfachen wird es geschieden durch das dem Täter innewohnende Bewußtsein, daß seine Handlung eine Verminderung des eigenen Vermögens als des Befriedigungsmittels der Gläubiger bedeute; von dem erschwerten durch den Mangel der Absicht, die Gläubiger zu benachteiligen, an deren Stelle die Absicht tritt, einen der Gläubiger vor den übrigen zu begünstigen. Mit dieser Absicht ist das Bewußtsein (also Vorsatz, nicht Absicht), die übrigen Gläubiger zu benachteiligen, untrennbar verbunden. Irrige Annahme des Schuldners, daß der Gläubiger ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung habe, schließt die Anwendung des Gesetzes aus. S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren. Bei mildernden Umständen kann (nach der neuen Fassung des Gesetzes) auf Geldstrafe bis zu sechstausend Mark erkannt werden. T e i l n a h m e dritter Personen ist nach allgemeinen Grundsätzen möglich. Doch muß der begünstigte Gläubiger selbst straflos bleiben. 11 )

2. Die S c h u l d n e r b e g ü n s t i g u n g . Das Gesetz (KO § 242) bedroht denjenigen, der a) im Interesse des Schuldners (Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung auch hier vorausgesetzt) Vermögensstücke desselben verheimlicht oder beiseiteschafft (oben Note 9); oder b) im Interesse eines solchen Schuldners, oder um sich oder einem anderen einen (nicht notwendig rechtswidrigen) Vermögensvorteil (unten § 139 I I 4) zu verschaffen, in dem Verfahren erdichtete Forderungen im eigenen Namen oder durch vorgeschobene Personen geltend macht. S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis oder Geldstrafe bis zu sechstausend Mark. Versuch und Teilnahme sind der allgemeinen Regel gemäß möglich. Doch bleibt der begünstigte Schuldner selbst straflos (bestritten). Durch Teilnahme an § 239 KO wird § 242 ausgeschlossen.

3. Die F ä l s c h u n g d e s M e h r h e i t s w i l l e n s o d e r der S t i m m e n v e r k a u f (KO § 243); vorliegend, wenn ein Gläubiger sich von dem Gemeinschuldner oder anderen Personen besondere Vorteile dafür hat gewähren oder versprechen lassen, daß er bei den Abstimmungen der Konkursgläubiger in einem gewissen Sinne stimme. Der zivilrechtliche Begriff des Kaufes findet keine Anwendung; wohl aber ist eine, wenn auch nicht ausdrückliche, Vereinbarung über Abgabe der Stimme in einem bestimmten Sinne einerseits, über die Gegenleistung andererseits erforderlich. Mit dieser Vereinbarung ist das Vergehen vollendet, mag es auch gar nicht zur Abgabe der Stimme gekommen oder diese nicht der Ver" ) Vgl. oben § 52 V. Ebenso Allfeld 537, Binding Lehrb. 1 442, Frank KO § 241 V I I , Freudenthal 43, Neumeyer 189. Dagegen Löffler 5 1 7 (der Teilnahme überhaupt für ausgeschlossen hält). Abweichend auch R wiederholt, zuletzt 20 214, 29 305 (für § 243 KO): danach könnte der Gläubiger bestraft werden, sofern er über die Grenzen der in der bloßen Annahme liegenden notwendigen Teilnahme anstiftend oder helfend hinausgeht. So auch Rosenberg in RGRäteKomm. KO § 241 Note 11.

§ 137-

3- Der Bankbruch.

485

abredung gemäß erfolgt sein. Einseitiges Versprechen, sei es der Stimme, sei es des Gegenwertes, bleibt als Versuch straflos. Bestechung zum Zwecke der S t i m m e n t h a l t u n g muß auch hierher gerechnet werden. Nicht aber eine s c h e i n b a r e Vereinbarung, während der Stimmberechtigte sich im Innern die Verfügung über seine Stimme vorbehält. Als Gegenwert für die Wahlstimme genügen Vorteile irgendwelcher A r t ; Vermögensvorteil ist nicht erforderlich. 12 ) Vgl. auch unten § 169 Note 9. Der S t i m m e n k ä u f e r selbst bleibt straflos; Teilnahme dritter Personen dagegen ist möglich (oben Text zu Note 1 1 ) . S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre.

V. Die Unterlassung der Stellung des Antrages auf Konkurseröffnung ist in folgenden Fällen strafbar: 1. An Mitgliedern des Vorstandes und Liquidatoren einer A k t i e n g e s e l l s c h a f t , ferner an den oben § 136 V genannten Personen nach § 315 Ziff. 2 des H a n d e l s G B ; 2. an den Vorstandsmitgliedern und Liquidatoren einer E r w e r b s - und W i r t s c h a f t s g e n o s s e n s c h a f t nach § 148 Ziff. 2 des G. vom 1 Mai 1889 (Text vom 20. Mai 1898); 3. an den Geschäftsführern und Liquidatoren einer G e s e l l s c h a f t mit b e s c h r ä n k t e r H a f t u n g nach § 84 des G vom 20. April 1892 (Text vom 20. Mai 1892); 4. an den Vorstandsmitgliedern und Liquidatoren einer V e r s i c h e r u n g s g e s e l l s c h a f t auf Aktien, einer eingetragenen Genossenschaft oder eines Vereins der in § 102 des Gesetzes bezeichneten Art nach § 109 des Versicherungsg. vom 12. Mai 1901. S t r a f e . Zu 1 und 4: Gefängnis bis zu drei Monaten und zugleich Geldstrafe bis zu fünftausend Mark; bei mildernden Umständen Geldstrafe allein. Zu 2: Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten oder beide Strafen zugleich. Zu 3: Gefängnis bis zu drei Monaten und zugleich Geldstrafe bis zu tausend Mark; bei mildernden Umständen Geldstrafe allein. — Nach allen vier Gesetzen tritt die Strafe gegen denjenigen nicht ein, ,,bezüglich dessen festgestellt ist" (nach dem G von 1889: „welcher nachweist"), daß die Unterlassung ohne sein Verschulden geschehen ist. Die Handlung ist auch als fahrlässig begangene strafbar.

VI. Nach § 1 0 des Depotg. vom 5. Juli 1896 ist die Verletzung der Pflicht des Verwahrers oder Pfandgläubigers zur gesonderten Verwahrung und Buchung des Depots (§ 1 Ziff. 1 und 2), des Kommissionärs zur Übersendung des Stückeverzeichnisses an den Kommittenten ( § § 3 und 5) unter der Voraussetzung unter Strafe gestellt, daß dadurch bei Zahlungseinstellung (Konkurseröffnung) der Aussonderungsanspruch des Berechtigten benachteiligt wird. Gefährdung genügt nicht. 13 ) Über §§ 9 und 1 1 desselben Gesetzes vgl. oben § 1 3 1 IV. ") Dagegen Frank KO § 243 II, Rosenberg in RGRäteKomm. KO § 243 Note 3. 13 Hier kann (abweichend von dem oben II 3 Gesagten) auch bei derselben Zahlungseinstellung reale Konkurrenz mehrfacher Verfügungen vorliegen.

486

§ 138.

4- Die Vollstreckungsvereitelung.

S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren. Die Strafdrohung findet nach § 1 2 auch auf die oben § 131 IV genannten Personer. Anwendung; nicht aber auf die Minderkaufleute (§ 13 des G v o m 5. Juli 1896).")

§ 138.

4. Die Vollstreckungsvereitelung.

Literatur. Wach V D Bes. T . 8 55. — Lenz (Lit. zu § 129); dazu Stein G S 49 372. Behme Der Schuldner und die drohende Zwangsvollstreckung. Göttinger Diss. 1894 (vielfach gegen Lenz). Bintz D a s Vergehen gegen § 288 StGB. Erlanger Diss. 1895. Hentzschel Die Vereitelung der Zwangsvollstreckung. Leipziger Diss. 1896. Umhausen Z 85 208. Wie die Strafdrohungen gegen Bankbruch die G e s a m t h e i t der sich gegenseitig beschränkenden Gläubiger gegen Verminderung des zu ihrer Befriedigung bestimmten, schuldnerischen Vermögens zu schützen bestimmt sind, so wahrt der (dem A r t . 130 des sächsischen S t G B von 1868 nachgebildete) § 288 des R S t G B das Forderungsrecht des e i n z e l n e n Gläubigers, indem er die B e s e i t i g u n g d e r B e f r i e d i g u n g s m i t t e l unter Strafe stellt. 1 ) Übereinstimmend die Entwürfe. K E § 374 und E 1919 § 387 stellen Beschädigung oder Zerstörung der Veräußerung gleich und dehnen die Strafbarkeit auf die mit Einwilligung oder zugunsten des Schuldners begangene Handlung aus.

§ 288 S t G B liegt vor, w e n n j e m a n d b e i e i n e r i h m (ihm selbst, nicht einem Dritten) 2 ) d r o h e n d e n Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g , in der A b s i c h t , die B e f r i e d i g u n g des G l ä u b i g e r s zu v e r e i t e l n , B e s t a n d t e i l e s e i n e s V e r m ö g e n s (Sachen oder Rechte, auch betagte oder bedingte Forderungen) v e r ä u ß e r t o d e r b e i seiteschafft. Die Vereitelung der Befriedigung muß sich auf einen bereits bestehenden A n s p r u c h beziehen. 3 ) Über das V e r ä u ß e r n vgl. oben § 137 Note 7, über das B e i s e i t e s c h a f f e n vgl. oben § 137 Note 9. Die Zwangsvollstreckung ist eine d r o h e n d e , sobald auf Grund der v o m Gläubiger vorgenommenen Handlungen anzunehmen ist, daß er demnächst die Zwangsvollstreckung beginnen oder fortsetzen werde; Beginn des Vollstreckungsverfahrens ist nicht erforderlich; Arrestantrag, Klageerhebung, Wechselprotest mangels Zahlung, aber auch außergerichtliche Mahnung kann genügen. Gläubiger ist hier nicht nur der persönlich, sondern auch der dinglich Berechtigte. Die A b s i c h t (Beweggrund) m u ß auf Vereitelung der Befriedigung des Gläubigers, u. z. durch die gegenwärtig drohende Zwangsvollstreckung, gerichtet sein, nicht auf Vereitelung nur der einzelnen Vollstreckungsmaßregel, andererseits nicht notwendig der Zwangsvollstreckung überhaupt. Zahlung einer fälligen Schuld fällt nicht unter das Gesetz. Erreichung der Absicht, also erfolgte Befriedigungsvereitelung, ist nicht erforderlich; ebensowenig aber tatsächliche Gefährdung des Gläubigeranspruchs. Der Erwerber kann Gehilfe sein. u)

Über den Schutz der B a u f o r d e r u n g e n vgl. unten § 194 V I . *) Dagegen handelt es sich bei dem im übrigen nahe verwandten Vergehen des § 137 S t G B um die Mißachtung der Staatsgewalt (vgl. unten § 176 VII). ') § 288 liegt daher nicht vor, wenn Täter der Vertreter einer juristischen Person bei einer dieser, nicht jenem, drohenden Zwangsvollstreckung ist. Herrschende Ansicht; vgl. Rosenberg in R G R a t e K o m m . § 288 Note 5. Anders nach K E und E 1919; vgl. Denkschrift S. 340. ») Vgl. R 44 251.

§ 139-

i. Der Betrug.

Geschichte und Begriff.

487

S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren oder (nach der Novelle von 1912) Geldstrafe bis zu zweitausend Mark. Verfolgung nur auf Antrag des Gläubigers, dessen Befriedigung vereitelt werden soll.

IV. Strafbare Handlungen gegen das Vermögen überhaupt. § 139.

I. Oer Betrug.

Geschichte und Begriff.

Literatur. Hcgler VD Bes. T. 7 405. Koffka Reform II 383. — Heine-

mann Das crimen falsi in der altitaliemschen Doktrin 190^. Merkel Kriminalistische Abhandlungen 2 1867 und HH 3 750, 4 432. Pfizer GS 41 337 (Betrug beim Spiel). Michel Der strafbare Betrug im Zivilprozeß (V. Lil. Heft 13) 1898. Seifried Vorsatz und Handlung des Betrugs 1906. Jehle Der rechtswidrige Vermögensvorteil bei Erpressung und Betrug. Tübinger Diss. 1905. Reymann Die Handlung des Betruges. Freiburger Diss. 1908. Eckstein GA

68 66, 338; GS 78 137. Pröll GA 66 124, 339 (Vermögensbeschädigung). Der-

selbe GA 67 109. Kyll Schaden und Schadensausgleich beim strafbaren Betrug. Rostocker Diss. o. J . Jacobowitz Vermögen, Vermögensbeschädigung und Vermögensdisposition beim Betrug. Münster'sche Diss. 1918. DiggelmatUl Die Fälschung von Sammlungsobjekten und die strafrechtliche Bekämpfung derselben 1916. Cleric Betrug verübt durch Schweigen 1918. Dazu Stooß Schweizer Z. 82 155. Weinschal Erschleichen von Leistungen. Zürcher Diss. 1916. — Engelhard Kann Betrug begangen werden durch Vorspiegelung einer gesetzwidrigen oder unsittlichen Gegenleistung? Heidelberger Diss. 1905. Zeiler Z 28 471, GA 60 251 (Betrug bei gesetzwidrigen Rechtsgeschäften). GoldScheider Betrug bei unsittlichen oder gesetzwidrigen Rechtsgeschäften i g i o . Schumann Die Anwendbarkeit der §§ 263, 43 R S t G B bei mangelndem Kondiktionsrecht des Getäuschten (v. Lil. Heft 138) 1911. Ecker Der strafrechtliche Schutz des Vermögens gegenüber Betrug bei unsittlichen und rechtswidrigen Rechtsgeschäften. Rostocker Diss. 1915. Kohler GA 60 261. Binding Abhandlgn 1 455. —• Klee in der Häringschen Festgabe für v. Liszt 1911 S. 104 (systematische Insichgeschäfte des Bankiers). Schütze Die Strafbarkeit des bucket-shop-Systems 1911. Werneburg GS 86 299. Nußbaum in „Die B a n k " 1910. — Kronacher Ist die Zechprellerei Betrug ? (V. Lil. Heft 68) 1906. Hafter Die Zechprellerei. Festgabe der Zürcher Fakultät zum schweizerischen Juristentag 1908. Oppenheimer Der Bagatellbetrug. Münstersche Diss.

Pröll GA 63 411 (Bettelbetrug).

1911.

I. Geschichte. Der n a c h h a d r i a n i s c h e n Zeit gehört die Entstehung eines neuen Verbrechensbegriffes, des s t e l l i o n a t u s (D. 47, 20; C. 9, 34), an, der, als crimen extraordinarium neben die zivilrechtliche actio doli tretend, die Grundlage für den heutigen Begriff des Betruges bildet. Das spätrömische Recht selbst hat den Begriff nur wenig entwickelt; sicher ist nur, daQ eingetretene Vermogensbeschädigung*) und „calliditas" des Täters gefordert werden müssen, daß das Verbrechen mithin (im Unterschied von den Fällen des falsum) gegen den Rechtskreis des einzelnen gerichtet ist. Über die venditio fumi vgl. •oben $ 7 I I I 2. In den Quellen des d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r s wird der Betrug (trogene, Tirol 1499: „Laicherey") nur vereinzelt erwähnt, in der Rechtsprechung aber l)

Dagegen Mommsen 667 and ihm folgend

Heinemann.

§ 139-

488

Der B e t r u g .

Geschichte und Begriff.

vielfach m i t schweren Strafen, selbst mit dem Tode, belegt (Z 10 242). P G © kennt ihn nicht. Die spätere Landesgesetzgebung schließt sich teilweise (scÖsterreich 1656) unmittelbar an das römische Recht an. Bei Carpzav und den ihm folgenden Schriftstellern erscheint der stellionatus als ein jeder praktischen Bedeutung entbehrender Aushilfsbegriff. Erst das s p ä t e r e g e m e i n e R e c h t , insbesondere aber die z w e i t e H ä l f t e d e s 18. J a h r h u n d e r t s , erkannte die praktische Verwendbarkeit des Betrugsbegriffes. Aber noch war man sich nicht klar über die Auffassung und Umgrenzung des Verbrechens. Bald verlangte man Eintritt der Vermögensbeschädigung zur Vollendung, bald begnügteman sich mit der geschehenen Täuschung. Insbesondere aber wurde (so Österreich und Preußen im 18. Jahrhundert) der Begriff des Betruges überspannt; er sollte auch die Fälschungsiälle mitumfassen, und selbst Meineid und andere Vergehungen wurden zum Betrüge gerechnet. Dieser Übertreibung gegenüber hat die Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts den Betrug wieder zurückgedrängt auf sein natürliches Gebiet, ihn eingeschränkt zum V e r m ö g e n s v e r b r e c h e n . Dies ist auch der Standpunkt des R S t G B , das sich von dem preußischen nur durch die Beseitigung des „qualifizierten" Betruges unterscheidet. V E § 276 vereinfacht den Tatbestand („durch arglistige Täuschung") und verlangt, daß der Getäuschte zu einer „ V e r f ü g u n g " über das Vermögen bestimmt werde. G E § 324 schließt sich an, ersetzt aber „ V e r f ü g u n g " durch „Rechtsgeschäft", während K E § 366 und E 1919 § 376 (wenig glücklich) von „Handlung, Duldung oder Unterlassung" sprechen. V E § 279, K E § 370 und E 1919 § 380 heben kleinere Betrügereien, wie die Erschleichung freier Fahrt, freien Eintritts usw. besonders hervor, um sie mit einer milderen Strafe zu belegen. G E § 324 gelangt zu dem allgemeinen Begriff der Prellerei, die einerseits ein Handeln aus Not oder „ u m eines Gelüstes willen", andererseits Erlangung „geringwertiger Gegenstände" erfordert. Die Novelle von 1912 hat, ähnliche Wege gehend, den „ N o t b e t r u g " in § 264a zum Sonderdelikt gemacht. Ebenso K E § 369 und E 1919 § 379. [Als neuer Tatbestand erscheint in den Entwürfen die „arglistige Benachteiligung", bestehend in einer mit dem Zweck der Nachteilszufügung (aber ohne Bereicherungsabsicht) durch Täuschung herbeigeführten Vermögensbeschädigung. E 1919 § 381 behandelt diesen Fall an richtiger Stelle a l l e i n ; K E § 373 verquickt ihn m i t der (unter die Eigentumsverletzungen gehörenden) Entziehung von Sachen.] II. B e t r u g

(§ 263), ist V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g

reicherungsabsicht, schung. selbst,

herbeigeführt durch

in

arglistige

BeTäu-

Der zu Beschädigende (vgl. aber unten unter 3) handelt indem

er die ihn

schädigende

Vermögensverfügung

(das

Wort im weiteren Sinne genommen) vornimmt, aber ohne sich der verursachenden Bedeutung seines Tuns oder Unterlassens bewußt zu sein; juristisch betrachtet (oben § 50 I I 3), ist es also nicht der Beschädigte, der sich selbst, sondern der Täuschende, der einem anderen die Beschädigung zufügt.

Durch das Mittel der Beschädi-

gung (Täuschung) unterscheidet sich der Betrug von der im übrigen ihm nahe verwandten Erpressung, deren Mittel Gewalt oder Drohung sind.

Wie die Erpressung ist der Betrug als

Bereicherungs-

v e r b r e c h e n gerichtet gegen das Vermögen als den Inbegriff der

§ 139-

i- Der Betrug.

Geschichte und Begriif.

489

(rechtlich geschützten) geldwerten Güter ü b e r h a u p t 2 ) und dadurch wesentlich unterschieden von den bisher besprochenen, gegen bestimmte Bestandteile des Vermögens gerichteten Vermögensverbrechen. r. Der vollendete Betrug setzt eingetretene Vermogensbeschädigung, also einen in Geld abschätzbaren Nachteil, voraus. Vennögensgefährdung genügt nicht. Vermögensbeschädigung liegt vor, wenn der Geldwert des Vermögens durch die T a t verringert wird. A u f g a b e wie Schmälerung bestehender Ansprüche kann hierher gehören, ebenso die nicht bloß vorübergehende Entziehung de? Besitzes; Vereitelung zu erwartenden Gewinnes dann, wenn dieser m i t Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (vgl. B G B § 252). 3 ) D i e Vermogensbeschädigung kann eine bleibende oder vorübergehende sein; durch die Möglichkeit künftiger Ausgleichung wird der Begriff nur dann ausgeschlossen, wenn ein gesicherter vertragsmäßiger, nicht nur gesetzlich begründeter Anspruch auf sie besteht. 4 ) Wird der Getäuschte durch ein gesetz- oder sittenwidriges Rechtsgeschäft beschädigt (z. B . Hurenlohn, Besoldung des gedungenen Verbrechers, Bestechung des Richters), so ist, da die Rechtsordnung ihm das Kondiktionsrecht versagt, vollendeter wie versuchter Betrug ausgeschlossen. 5 ) Von Vermogensbeschädigung, mithin von Betrug, kann keine Rede sein, sobald der Getäuschte den v o l l e n G e g e n w e r t für seine Veräußerungshandlung erhält. Nicht jede Täuschung ist Betrug. Ich bin nicht betrogen (soweit nicht B G B § 253 eingreift), wenn ich durch Täuschung bestimmt werde, mich bei einer anderen als *) Abweichend Binding Lehrb. 1 356. Gegen ihn Eckstein, Hegler 426, R. Schmidt VD Bes. T. 8 263. a) Ebenso Allfeld 544, Hegler 429, auch Eichelbaum in RGRäteKomm. § 263 Note 6d. Dagegen Binding Lehrb. 1 344, Frank § 263 V, Schwartz § 263 Note 7 (die einen Rechtsanspruch auf den Vorteil verlangen); RMilG 8 191 Wachenfeld 403 Note 6 verlangt ein „reales Fundament für den künftigen Gewinn", Pröll einen mit Sicherheit zu erwartenden Gewinn. *) Ebenso RMilG 20 55, sowie Eichelbaum in RGRäteKomm. § 263 Note 6i. Durch die Berechtigung zur Anfechtung (§§ 123, 124 BGB) wird die Vermögensbeschädigung nicht ausgeschlossen: R 48 187. ») Ebenso R 87 30, 161 ; dagegen R 38 423 (Betrugsversuch) ; Plenarentschdung. R 44 230 (auch R 47 67) wie Goldscheider (vollendeter Betrug). Gegen diese Entscheidung Allfeld 546, Binding DJZ 16 553 und Abhandlgn 1 455, Frank § 263 V, Schumann Z 34 183, Wachenfeld 404, Zeiler (der das Schwergewicht auf das Sich-Einlassen legt); für sie Engelhard Z 88 133 (gegen Binding), Schwartz § 263 Note 7, RMilG 22 106. Eichelbaum in RGRäteKomm. § 263 Note 6m beschränkt den Grundsatz der Plenarentsch. auf den Erfüllungsbetrug und sieht für die Fälle der Eingehung unwirksamer Verträge das Erfordernis des rechtlich geschützten Vermögens nicht als allgemein verworfen an. Engelhard nimmt Betrug an, wenn der Getäuschte aus seinem rechtlich geschützten Vermögen eine Leistung (sei es auch dem Verbrecher gegenüber) macht.

490

§139-

i- Der Betrug.

Geschichte und Begriff.

der von mir ins Auge gefaßten Versicherungsgesellschaft einzukaufen, meine Zigarren bei einem mir fremden Händler zu bestellen, Staatspapiere gegen gleich sichere Industriepapiere einzutauschen, statt Naturwein preiswerten Kunstwein entgegenzunehmen.*) Aber es ist dabei zu beachten, daß die Vermögenslage des G e t ä u s c h t e n in Frage steht; daß f ü r ihn, für sein Vermögen, die Gegenleistung den Wert seiner Leistung enthalten muß. Ist die Gegenleistung eine andere als die gewollte, so liegt Vermögensbeschädigung dann vor, wenn dem Getäuschten die sofortige Versetzung in den früheren Stand (etwa durch Veräußerung des Erhaltenen) ohne E i n b u ß e nicht möglich ist. 2. Der Betrug erfordert zunächst Täuschung, d. h. die B e nutzung eines vom T ä t e r erregten oder u n t e r h a l t e n e n Irrtums. Diese muß eine arglistige sein, d. h. erfolgen durch Vorspiegelung falscher oder Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen (oben § 96 Note 4). Der Irrtum muß mithin durch den Täter h e r v o r g e r u f e n oder befördert worden sein. Von I r r t u m aber kann dort nicht gesprochen werden, wo nicht irrige Vorstellung, sondern vollständiges Nichtwissen von der Tatsache (ignorantia facti) vorliegt.7) Die E r r e g u n g und die U n t e r h a l t u n g des Irrtums stehen einander gleich. Beide können durch Behauptung und Unterdrückung, aber auch durch Verschweigen von Tatsachen begangen werden, wenn eine Rechtspflicht zum Reden bestand, die aber auch durch „Treu und Glauben" im geschäftlichen Verkehr gefordert sein oder aus dem vorhergegangenen Verhalten folgen kann (oben § 30). Nach dem Gesagten ist auch die Strafbarkeit des sog. K r e d i t b e t r u g e s (Zechprellerei usw.) zu beurteilen; d. h. die Bestimmung eines anderen zur Gewährung oder Verlängerung von Kredit unter arglistiger Täuschung über Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Kreditgebers.8) 3. Die Täuschung muß das Mittel der Vermögensbeschädi*) Gem. Meinung; insbes. Verein. Strafsenate 16 1 (dazu GS 48 321). Auch R 28 310, 42 49, RMilG 16 34, 17 3. Dagegen Binding Lehrb. 1 341, 356 (oben Note 2). ') Es ist nicht Betrug, w e n n der Schaffner oder Kutscher keine Ahnung von dem Mitfahren des „blinden" Passagiers hat. Ebenso R 17 217, 42 41; RMilG 5 76 mit der gem. Meinung. Vgl. Allfeld 541, Eichelbaum in RGRäteKomm. § 263 Note 3, Frank § 263 I I I Hegler 439, Schwariz § 263 Note 2. — Benutzung eines Leistungsautomaten ist wegen mangelnder Täuschung nicht Betrug (Lit. zu § 128). GE § 325 hat daher einen besonderen Tatbestand, die ,.Erschleichung von Leistungen" aufgenommen. Ebenso K E § 370 und E 1919 § 380. •) Kronacher leugnet, daß Zechprellerei Betrug sein könne. Gegen ihn Eichelbaum in RGRäteKomm. § 263 Note 2a und 6f, Frank § 263 II, Hafter 24, Hegler 437.

§ 139-

i . Der Betrug.

Geschichte und Begriff.

49t

gung sein; beide müssen im Kausalzusammenhange zueinander stehen. Die Täuschung bestimmt den Getäuschten zu der sein Vermögen mindernden V e r m ö g e n s d i s p o s i t i o n . 9 ) Dies schließt die Möglichkeit weiterer Zwischenglieder nicht aus; wie des B e schädigten selbst, ebenso kann der Betrüger schon nach allgemeinen Grundsätzen auch anderer Personen als Mittel für seine Zwecke sich bedienen. Mit anderen Worten: I d e n t i t ä t d e r g e t ä u s c h t e n und der b e s c h ä d i g t e n Person ist nicht erforderlich. Freilich wird der Getäuschte t a t s ä c h l i c h in der Lage sein müssen, über das Vermögen des zu Beschädigenden zu dessen Nachteil zu verfügen; aber diese Stellung braucht nicht auf einer r e c h t l i c h e n Beziehung zwischen dem Getäuschten und dem Geschädigten zu beruhen. 10 ) Insbesondere kann die Schädigung des Prozeßgegners durch eine Täuschung des Richters herbeigeführt werden; vorausgesetzt, daß es sich nicht um einfache, durch Vernehmung der Gegenpartei, bzw. des zu Beschädigenden, als unwahr erkennbare Parteibehauptungen handelt, sondern um ein Fälschen der Beweisgrundlage selbst (Beweisantretung mit gefälschten oder echten, aber inhaltlich unwahren Urkunden, falschen Zeugen usw.). Dasselbe gilt, wenn durch Täuschung des Gerichtsvollziehers (etwa durch Vorweisen eines gefälschten Vollstreckungstitels, nicht durch Verschweigen der erfolgten Befriedigung) wiederholte Vollstreckung desselben Urteils herbeigeführt wird. 11 ) Das Erschleichen von G e s c h e n k e n (Bettelbetrug) ist nur dann Betrug, wenn sie d u r c h eine wirkliche I r r e f ü h r u n g des Gebers erlangt wurden; nicht aber dann, wenn nicht die Täuschung, sondern •) Scharf betont von R 47 151, desgleichen von Eichelbaum in RGRäteKomm. § 263 Note 1. 10) R 25 244 mit der herrschenden Ansicht. Dagegen Bitlditlg Lehrb. 1 345, Hegler 430. " ) So die herrschende Ansicht: auch AUfetd 543, Eichelbaum in RGRäteKomm. § 263 Note 5d, Schwartz § 263 Noteö. Vgl. R. 36 86, 114, 40 9. Dagegen: 1. Kohler Treu und Glauben im Verkehr 1893 S. 50, der unredliche Prozeßführung dem Richter gegenüber niemals für Betrug hält. —• 2. Binditlg Lehrb. 1 350, Frank § 263 VI, Philipsborn in der Häringschen Festgabe für v. Liszt (1911) S. 188, nach denen auch unwahre Parteibehauptungen genügen; nach Frank freilich nur dann, wenn die Partei durch die Behauptung unmittelbar die Täuschung bewirken will. Ähnlich auch R 50 95 (unwahre Angaben, um als angeblicher Kriegsteilnehmer eine Unterbrechung des Verfahrens zu erreichen). — Jedenfalls kann Betrug auch durch Täuschung des Prozeßgegners selbst begangen werden, wenn durch die mit Beweisantretung verbundene Prozeßlüge der Gegner zu einer ihm nachteiligen Prozeßhandlung bestimmt wird. Zu beachten ist aber, daß die bloße Hoffnung, der Zeuge werde falsch aussagen, den Begriff des Vorsatzes nicht erfüllt (oDen § 39 I I 1). Der falsche Zeuge selbst kann sich, gegebenenfalls in Idealkonkurrenz mit Meineid, des Betruges schuldig machen.

492

§ 139-

I- Der Betrug.

Geschiebte und Begriff.

der Wunsch, den lästigen Bewerber loszuwerden, oder Gutmütigkeit und Bequemlichkeit den Geber zur Schenkung bestimmten. 1 8 ) 4. Bereicherungsabsicht (gewinnsüchtige Absicht) ist die Absicht, s i c h o d e r e i n e m D r i t t e n e i n e n V e r m ö g e n s v o r t e i l zu v e r s c h a f f e n , v e r b u n d e n m i t dem B e w u ß t s e i n , d a ß s e i n e E r l a n g u n g r e c h t s w i d r i g i s t . Sie m u ß als Beweggrund des Handelns zum Vorsatz, als dem Bewußtsein der Beschädigung durch Täuschung, hinzutreten. a) V e r m ö g e n s v o r t e i l ist jeder in Geld abschätzbare Vorteil. E r liegt stets dann, aber auch nur dann, vor, wenn der Geldwert des Vermögens durch die T a t vergrößert wird. 1 3 ) Erwerb neuer und Sicherung vorhandener Ansprüche kann hierher gehören, wie Eigenbesitz der Sache; ebenso die Abwendung drohender Schädigung oder die Befreiung von einer Verpflichtung. b) R e c h t s w i d r i g ist jeder Vorteil, dessen Erlangung mit der Rechtsordnung im Widerspruch steht. 1 4 ) Betrug liegt also n i c h t vor, wenn die Täuschung das Mittel zur Durchsetzung eines bereits erworbenen Anspruchs gegen den Verpflichteten w a r ; Betrug liegt aber auch dann nicht vor, wenn zwar ein erworbener Anspruch auf den angestrebten Vermögensvorteil nicht bestand, die Rechtsordnung aber d L Erlangung des Vermögensvorteils nicht mißbilligt. Irrige Annahme der Nichtrechtswidrigkeit schließt die Strafbarkeit aus; irrige Annahme des Gegenteils begründet (untauglichen) Versuch (oben § 46 I 2 b). 5. Der strafbare Versuch beginnt bereits mit der Vorspiegelung, Entstellung, Unterdrückung der Tatsachen. Ist die angestrebte Vermogensbeschädigung auf dem vom Täter gewählten Wege nicht zu erreichen, so liegt untauglicher Versuch vor (oben § 47). Ebenso, 12 ) Herrschende Ansicht; auch v. Lilienthal J W 45 146. Dagegen hält Frank § 263 V Betrug hier immer für ausgeschlossen, weil der Geber weiß, daß er sein Vermögen vermindert. Gegen ihn Allleid 543, Eichelbaum in RGRäteKomm. § 263 Note 8, Hegler 438, Pröll GA 63 4 1 1 . 13 ) Daher nicht beim Erwerb von rationierten Waren zum Höchstpreis. Dagegen II wiederholt, vgl. K 50 2 7 7 , 51 237, 52 3 1 2 ; auch König LeipzigerZ 11 1 1 5 9 . Vgl. v. Liszt J W 46 7 7 1 . 14 ) 1. Ebenso Allfeld 548, V. Bar Gesetz 3 15, Binding Lehrb. 1 363, Kitzinger GS 55 96. Frank § 253 IV hat seine frühere Fassung (Vorteile, die auf dem Rechtswege zurückgefordert werden können) aufgegeben und verlangt jetzt, wie der Text, „Vorteile, die dem Vermögen im Widerspruch mit den Grundsätzen des Privatrechts entzogen sind", die mithin „vor dem Recht keinen Bestand haben". Vgl. Hegler 435. — 2. Abweichend R in ständiger Rechtsprechung, zuletzt 26 354 (rechtswidrig ist der Vorteil, auf den der Handelnde einen rechtlich begründeten Anspruch nicht hatte); ebenso RMilG 11 75, Eichelbaum in RGRäteKomm. § 263 Note 7 (im Gegensatz zu Lobe in RGRäteKomm. § 253 Note 3, 4), Schwartz § 263 Note 8. Diese Ansicht führt zwar nicht beim Betrug, wohl aber bei der Erpressung (unten § 141), zu unerträglichen Ergebnissen; und sie steht im Widerspruch zu der oben §3 32, 35 vertretenen Auffassung der „Rechtswidrigkeit".

§ 140.

Die Arten des Betruges.

493

wenn der Täter die wahren Tatsachen irrtümlich für unwahr gehalten hat. 1 8 ) 6. Verletzt ist immer der in seinem Vermögen Geschädigte; also nicht notwendig der Getäuschte. 7. Geschichtlich sowie privatrechtlich unterscheidet sich vom Betrüge die Hinterziehung öffentlicher Abgaben oder die Defraude, die, auch soweit ihr Tatbestand sich vollständig mit dem des Betruges deckt, soweit also Täuschung vorliegt (oben Note 7), nach den einschlagenden Sondergesetzen zu beurteilen ist. 1 *)

§ 140. Die Arten des Betruges. Literatur. Zu I I I : Hegler VD Bes. T . 7 443. V. Speßhardt Der Versicherungsbetrug im R S t G B 1885. Thiel Der Versicherungsbetrug im R S t G B Münsterer Diss. 1910. Baumann Der Versicherungsbetrug im Sinne des § 265 R S t G B . Erlanger Diss. 1 9 1 1 . — Zu V : Hegler daselbst 445. Schweizer Ein Beitrag zur Lehre vom Börsengesetz usw. Tubinger Diss. 1900.

I. Einfacher Betrug ( S t G B § 263). S t r a f e : Gefängnis; daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Mark, sowie Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Bei mildernden Umständen kann ausschließlich auf Geldstrafe erkannt werden. Antragsvergehen, wenn und soweit gegen Angehörige (oben § 34 Note 5), Vormünder oder Erzieher begangen; Antrag rücknehmbar.

I I . Betrug im zweiten Rückfall ( S t G B §§ 264 und 245). Voraussetzungen: a) Zwei inländische Vorstrafen wegen Betrugs (wobei inländische Begehung nicht erforderlich ist); 1 ) b) Gänzliche oder teilweise Verbüßung oder Erlassung dieser Strafen; c) Nichteintritt der (zehnjährigen) Rückfallverjährung (vgl. oben §§ 57 I und 6g). S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich Geldstrafe von hundertundfünfzig bis sechstausend Mark, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten, daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. 1 )

I I I . Versicherungsbetrug (StGB § 265); vorliegend, wenn jemand in betrügerischer Absicht eine gegen Feuersgefahr versicherte bewegliche oder unbewegliche Sache in Brand setzt oder ein Schiff, das als solches oder in seiner Ladung oder in seinem Frachtlohn ver» ) Vgl. R 50 35" ) Ebenso die herrschende Ansicht; auch-R 20 306, 28 91, 81 354. Vgl. Binding Lehrb. 1 341. Honemann Defraude und Betrug 1894 (Abhdlgn. des Krimin. Seminars zu Halle 3 4). Kaulla Die rechtliche Natur der Defraudation öffentlicher Abgaben. Tübinger Diss. 1897. Weber GS 58 1. Eckstein GA 59 29. Unten § 199 mit Lit. !) Ebenso RMilG 18 189. s ) Daß hier niemals Antrag erforderlich ist, sollte nicht bestritten werden. Dagegen Eichelbaum in RGRäteKomm. § 264, Frank § 264 I I , Schwartz § 264 Note 2 sowie R 43 363. Daß ein mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bedrohtes Verbrechen Antragsdelikt sein sollte, widerspricht dem System des Gesetzes.

494

§ 140.

Die Arten des Betruges.

sichert ist, sinken oder stranden macht. V o n d e n verschiedenen Arten des Versicherungsbetruges ist also nur der B r a n d - u n d der S e e Versicherungsbetrug hervorgehoben. „ B e t r ü g e r i s c h e A b s i c h t " ist hier die A b s i c h t , durch Vorspiegelung eines vom Versicherten angeblich nicht schuldhaft herbeigeführten Ereignisses zum Nachteil des Versicherers die Versicherungssumme ganz oder teilweise für sich oder einen anderen au gewinnen. A b s i c h t ist dabei als Beweggrund, nicht als V o r s a t . , aufzufassen (oben § 39 II). Andere gewinnsüchtige A b s i c h t , z. B . eine Belohnung für die erste geleistete Hilfe zu erlangen, genügt nicht. Täter kann nur sein, wer die Versicherungssumme für sich oder einen anderen erlangen will; 3 ) er erscheint nicht als Anstifter, sondern als mittelbarer Täter, wenn er einen Dritten, der diese Absicht nicht hat, zur Ausführung der Brandstiftung bestimmt (oben § 50 II 4). Dre Versicherungsbetrug ist selbständiges Delikt, daher nicht Betrug §§ 263, 264 S t G B finden mithin keine Anwendung. Seinem Wesen nach ist er eine dur ;h die betrügerische Absicht erschwerte Brandstiftung (oder Schiffsgefährdung) Die Ausführung der Absicht kann daher (oben § 55 Note 3) nicht als neue, selbständige Handlung erscheinen. 4 ) S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich Geldstrafe von hundertundfünfzig bis zu sechstausend Mark, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten, daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Mark

IV. Der Notbetrug (§ 264a), eingefügt durch die Novelle von 1912, hebt in unglaublich schlechter Fassung aus dem Betrug einen Sondertatbestand hervor, der dem § 248 a (oben § 128 VI) im wesentlichen entspricht. Vermögensbeschädigung (zum Schaden eines anderen), bewirkt durch Täuschungen, ist auch hier erforderlich; doch darf sie nur in dem Sichverschaffen von „ g e r i n g w e r t i g e n G e g e n s t ä n d e n " bestehen (Abtretung einer Forderung fällt unter § 263).®) Die Geringwertigkeit ist nach den Umständen des Einzelfalls (Bedarf des Täters, Bedeutung für den Verletzten), stets aber objektiv zu beurteilen. 8 ) Die Bereicherungsabsicht ist hier spezialisiert als die auf Erlangung der genannten Gegenstände für sich oder 3) Also nicht nur der Versicherte selbst Ebenso die gem. Meinung, insbes. R 23 352, 426, auch Eichelbaum in R G R ä t e K o m m . § 265 Note 3, Thiel 104, Schwartz § 265 Note 3, Wachenfeld 412; dagegen v. Speßhardt 36. *) Sehr bestritten. Einerseits (im Sinne des Textes) Allfeld 549, Frank § 265 1, Thiel 57, Schwartz § 265 Note 5, Wachenfeld 412; andrerseits R 17 62, 44 255, 48 187 (R nimmt reale Konkurrenz an), Eichelbaum in R G R ä t e K o m m . § 265 Note i b , Hegler 544, v Speßhardt 70 — V E und G E haben den Tatbestand gestrichen; K E § 259 und E 191g § 256 haben ihn wieder aufgenommen, aber zu den gemeingefährlichen Delikten gestellt. •) Frank rechnet alle Vermägensobjekte hierher. Richtig die meisten;, auch Wachenfeld 410. •) Irreführend R 48 52.

§ 140.

Die Arten des Betruges.

495

einen anderen gerichtete Absicht. Die Handlung muß aber a u s N o t begangen sein. Sie begründet ein selbständiges Delikt, auch dem Betrug gegenüber; die Verurteilung reicht mithin zur Rückfallsschärfung (oben II) nicht aus. S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten. Versuch strafbar. Antragsdelikt; Zurücknahme zulässig. Straflos, wenn gegen Verwandte absteigender Linie oder gegen den Ehegatten begangen.

V . Das Kurstreiben (der Kursbetrug), schon durch die Aktiengesetznovelle vom 18. Juli 1884 bedroht, fällt jetzt unter das Börseng. vom 8. Mai 1908 (Fassung vom 27. Mai 1908), das an die Stelle des G vom 22. Juni 1896 getreten ist. 1. Strafbar ist nach § 88: a) Die in betrügerischer Absicht (oben § 139 I I 4) erfolgende A n w e n d u n g von auf T ä u s c h u n g b e r e c h n e t e n M i t t e l n , um auf den Börsen- oder Marktpreis von Waren oder Wertpapieren (auch Wechsel und ausländische Geldsorten: § 96) einzuwirken. b) Die in derselben Absicht erfolgende wissentlich u n r i c h t i g e A n g a b e in P r o s p e k t e n (§ 38) o d e r in ö f f e n t l i c h e n K u n d g e b u n g e n , durch welche die Zeichnung oder der Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren (§ 96) herbeigeführt werden soll. Vermogensbeschädigung, gelungene Täuschung nicht erforderlich; nicht einmal objektive Eignung des Täuschungsmittels. S t r a f e : Gefängnis und zugleich Geldstrafe bis zu fünfzehntausend Mark; daneben Ehrverlust, bei mildernden Umständen Geldstrale allein, zulässig.

2. Daran reiht sich (§ 89): Die B e s t e c h u n g d e r P r e s s e . Strafbar ist es, für Mitteilungen in der Presse, durch die auf den Börsenpreis eingewirkt werden soll, Vorteile zu gewähren oder zu versprechen oder für solche Mitteilungen oder für deren Unterlassungen Vorteile sich gewähren oder versprechen zu lassen, die in auffälligem Mißverhältnis zu der Leistung stehen. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre und zugleich Geldstrafe bis zu fünftausend Mark. Versuch strafbar. Bei mildernden Umständen Geldstrafeallem zulässig.

3. Dazu tritt seit 1908 der § 92 des Börseng.: der in gewinnsüchtiger Absicht erfolgte A b s c h l u ß v e r b o t e n e r Terming e s c h ä f t e (oder anderer unter § 68 fallender Geschäfte), um d e n Preis von Getreide oder Erzeugnissen der G e t r e i d e m ü l l e r e i in Widerspruch mit der durch die allgemeine Marktlage gegebenen Entwicklung zu beeinflussen. S t r a f e : Gefängnis und zugleich Geldstrafe bis zu zehntausend Mark.') ') Im Kriegsstrafrecht spielt die Preistreiberei, die aber hier den Charakter des Wuchers annimmt, eine bedeutsame Rolle. Vgl. darüber unten § 143.

§141.

496

§

2. Die Erpressung.

141. 2. Die Erpressung.

Literatur. Vgl. die Angaben zu § ioo. F e r n e r : Frank V D B e s . T . 6 i . — Thurow B e i t r ä g e zur Lehre von der Erpressung 1902. Stämpfli Erpressung und Chantage nach deutschem, französischem und schweizer S t r a f r e c h t 1 9 0 3 . Kühne D e r T a t b e s t a n d der Erpressung. Würzburger D i s s . 1906. Reinhold Die Chantage (Berliner Seminarabhdlgn. 6 2. Heft) 1909. Kollmann Die L e h r e von der Erpressung (daselbst 3. Heft) 1 9 1 0 . Derselbe Z 3 1 5 3 . Obortliker bei Groß 8 1 1 9 . Heine im Archiv für soziale Gesetzgebung und S t a t i s t i k 17 589 (Koalitionsrecht und Erpressung). Eckstein G S 78 169. Boerkel D a s D e l i k t der Erpressung m i t R ü c k s i c h t auf die Reform des R S t G B 1911. Klee D e r Erpressungsbegriff auf vertragsrechtlicher Grundlage 1 9 1 1 . Brauweiler Z 8 8 93. Engelhard D a s Chantageproblem im geltenden und künftigen deutschen S t r a f -

recht (v. Lil. Heft 151) 19x2. Klee Z 84 672, Engelhard Z 85 414. Fechner Der

Begriff der Erpressung in einem neuen Gesetz 1 9 1 2 . Klopfer D i e Erpressung als Vermögensdelikt und der Entwurf einer Novelle zu § 2 5 3 R S t G B . Erlanger Diss. 1 9 1 2 . Dormanns Zur Abgrenzung des T a t b e s t a n d e s der Erpressung. Greifswalder Diss. 1 9 1 8 . Mannheim S G 84 238. Nipperdey Grenzlinien d e r Erpressung durch Drohung unter besonderer Berücksichtigung der modernen Arbeitskämpfe. J e n a e r Diss. 1 9 1 7 . Kriickmann Der B o y k o t t im L o h n k a m p f . Zugleich eine Untersuchung über den Erpressungsbegriff 1 9 1 8 . Derselbe LZ 14 4 1 8 . I. Geschichte. Die Wurzel des Begriffes der Erpressung liegt im s p ä t r ö m i s c h e n R e c h t . Als das crimen repetundarum veraltet war und die actio quod metus causa sich als ungenügend herausstellte, entstand in der Kaiserzeit ein besonderes crimen extraordinarium; die c o n c u s s i o (D. 47, 1 3 ) , die vorlag, wenn entweder (conc. publica) durch Vorspiegelung eines öffentlichen Amtes oder (conc. privata) durch Androhung einer Kriminalklage (crimen minari) ein Vermögensvorteil erzwungen wurde. D a die P G O ebensowenig wie das deutsche Mittelalter den selbständigen Begriff der Erpressung k a n n t e (die nächste Verwandtschaft wies wohl der Landzwang a u f ; unten § 1 7 4 I), war das g e m e i n e R e c h t darauf angewiesen, die römische concussio auszubilden (noch A L R 1 2 5 4 ) . Aber es m a c h t e große Schwierigkeiten, das Verhältnis der Erpressung zu verwandten Verbrechen, insbesondere zur Nötigung einerseits, zum R a u b e andererseits, in brauchbarer Weise festzustellen, und erst die Gesetzgebung des 1 9 . J a h r h u n d e r t s gelangte, die Vermögensbeschädigung betonend, allmählich zu einer wenigstens teilweise befriedigenden Begriffsbestimmung der Erpressung, die freilich im R S t G B durch Nichtaufnahme der Vermögensbeschädigung und durch den vielbesprochenen Zwitterbegriff der räuberischen Erpressung wieder in Zweifel gestellt wurde. V E § 2 7 5 b e t r a c h t e t (im Anschluß an Frank) die Erpressung als ein dem R a u b e subsidiäres D e l i k t und betont die „Abnötigung eines Vermögensvorteils". Dagegen stellt G E § 3 2 0 die Erpressung richtig neben den B e t r u g , verlangt o b j e k t i v Vermögensbeschädigung durch das abgenötigte Rechtsgeschäft, subjektiv die Absicht, einen „dem R e c h t zuwiderlaufenden Vermögensvorteil" zu verschaffen. K E § 365 begnügt sich m i t einem Vorteil, „auf den kein Rechtsanspruch b e s t e h t " und unterscheidet zwischen der stets strafbaren Drohung mit einem rechtswidrigen Verhalten einerseits, und der Drohung mit einem an sich nicht rechtswidrigen Verhalten andererseits; letztere ist nur dann strafbar, wenn das Verhalten „den Gewohnheiten des redlichen Verkehrs widerspricht". [E 1 9 1 9 § 370 stellt die Erpressung wieder zum R a u b e , verlangt aber ebenso wie G E und K E Vermogensbeschädigung; die Gewaltanwendung soll als Erpressungsmittel stets strafbar sein; die als

§141.

2. Die Erpressung.

497

Erpressungsmittel in Frage kommenden Drohungen zählt E 1919 dagegen erschöpfend e i n z e l n auf, und zwar in enger Anlehnung an den Tatbestand der Nötigung (§ 312).] I I . B e g r i f f . D i e E r p r e s s u n g ist ihrer g e s c h i c h t l i c h e n E n t w i c k l u n g u n d i h r e m W e s e n n a c h V e r m o g e n s b e s c h ä d i g u n g in B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t , h e r b e i g e f ü h r t d u r c h widerrechtliche N ö t i g u n g . 1 ) N a c h g e l t e n d e m R e c h t ( S t G B § 2 5 3 ; a n d e r s d e r N o v e l l e n e n t w u r f v o n 1909) ist d a g e g e n der t a t s ä c h l i c h e E i n t r i t t einer V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g n i c h t e r f o r d e r l i c h ; es g e n ü g t B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t des T ä t e r s , deren R e a l i s i e r u n g o h n e S c h ä d i g u n g des V e r m ö g e n s des G e n ö t i g t e n allerdings nur a u s n a h m s w e i s e m ö g l i c h sein d ü r f t e . 1. D i e E r p r e s s u n g ist d e m n a c h N ö t i g u n g i n Bereicherungsabsicht. A l s Mittel der N ö t i g u n g v e r l a n g t d a s G e s e t z G e w a l t (an P e r s o n e n oder Sachen) oder D r o h u n g (mit irgendeinem Übel). A u c h v e r h ü l l t e D r o h u n g g e n ü g t (Revolverpresse). I s t d i e Z u f ü g u n g des Ü b e l s a n sich g e s t a t t e t ( K ü n d i g u n g eines Vertrages, E r h e b u n g einer K l a g e ) , und ist zugleich die A n d r o h u n g d e r Z u f ü g u n g z u r E i n w i r k u n g a u f die E n t s c h l i e ß u n g des anderen d a s richtige Mittel zu r i c h t i g e m Z w e c k (oben § 32 I I 2), so e n t f ä l l t m i t d e r R e c h t s w i d r i g k e i t der B e g r i f f der s t r a f b a r e n N ö t i g u n g (vgl. oben § 98 I I I 2). 2 ) Diesen beiden M i t t e l n stellt S t G B § 339 g l e i c h d e n M i ß b r a u c h d e r A m t s g e w a l t , sowie die A n d r o h u n g eines b e s t i m m t e n M i ß b r a u c h s derselben. D a hiernach die M i t t e l der E r p r e s s u n g weiter u m s c h r i e b e n sind als d i e der N ö t i g u n g , m u ß nach g e l t e n d e m R e c h t zwischen beiden S t r a f t a t e n I d e a l k o n k u r r e n z a n g e n o m m e n w e r d e n . 2 1 ) 2. D a s M i t t e l der V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g s c h e i d e t die E r pressung z u n ä c h s t v o m B e t r u g : H i e r wird der V e r l e t z t e ü b e r die w i r t s c h a f t l i c h e B e d e u t u n g der von ihm v o r g e n o m m e n e n V e r mögensdisposition g e t ä u s c h t ; d o r t , o b w o h l er die T r a g w e i t e seines V e r h a l t e n s k e n n t , zu einem T u n oder Unterlassen g e z w u n g e n . ') Nach Krückmann ist sie Angriff auf das „Persönlichkeitsrecht" (Freiheit der rechtsgeschäftlichen Betätigung). s) Ahnlich früher Frank § 253 II, der aber jetzt, im Anschluß an Kollmann und Klee, Erpressung nicht annimmt, wenn die Drohung zu einem Rechtsgeschäft führen soll, das nach bürgerlichem Recht vollgültig ist (Vertragstheorie). Damit ist die Frage ~.uf das privatrechtliche Gebiet hinübergespielt. Mit dem Text stimmt Frank insofern überein, als nach ihm „verkehrsmäßige Drohungen" (Kündigung des Vertragsverhältnisses) nicht unter das Gesetz fallen. Krückmapn ersetzt die „verkehrsmäßige Drohung" durch die „Formel vom strafrechtlich anerkannten Gegenwert." Engelhardt stellt alles darauf ab, ob es dem Wesen der Drohung entspricht, zur Verschaffung des Vermögensvorteils mitzuwirken (Relationstheorie); das ist der Standpunkt des Textes. Diesen vertritt auch Allfeld 552. — Die Chantage, d. h. die Ausbeutung durch verkappte Drohung mit Bloßstellung, fällt unter den Begriff der Erpressung. Abweichend Reinhold, der Aufstellung eines selbständigen Tatbestandes fordert. Gegen ihn Kollmann. 2a) R 68 281 stimmt damit überein. V. L i s i t , Strafrecht.

24. AuS.

32

§ 142.

3- S t r a f b a r e A u s b e u t u n g ,

a) Ü b e r v o r t e i l u n g

Minderjähriger.

3. Der Unterschied zwischen Raub und Erpressung liegt einerseits in der Beschaffenheit der N ö t i g u n g s m i t t e l , andererseits in der R i c h t u n g d e s A n g r i f f s (§ 130 II 2). Raub liegt nur dann vor, wenn (1.) zur Wegnahme einer fremden beweglichen Sache (2.) die in S t G B § 249 bezeichneten Mittel angewendet wurden. Sind die Mittel des Raubes, Gewalt an der Person oder gefährliche Drohung, nicht angewendet worden, so ist Erpressung auch dann anzunehmen, wenn der Genötigte gezwungen wurde, die Wegnahme einer (dem Täter gegenüber) fremden beweglichen Sache zu dulden; eine Vermögensdisposition des Geschädigten ist in diesem Falle nicht erforderlich. Sind dagegen die Mittel des Raubes (Gewalt an der Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) angewendet worden, so liegt r ä u b e r i s c h e E r p r e s s u n g nur dann vor, wenn es sich nicht um die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache, sondern um die Erlangung eines anderen Vermögensvorteils handelte (oben § 130 II 3). 4. Über die B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t , besonders über den „rechtswidrigen" Vermögensvorteil vgl. oben § 139 II 4.®) 5. Die Vollendung tritt mit der erzwungenen Handlung, Duldung, Unterlassung ein; der V e r s u c h , der mit der Anwendung von Gewalt oder Drohung bereits vorliegt, ist strafbar. 6. V e r l e t z t ist immer der zur Handlung, Duldung, Unterlassung Gezwungene; also nicht notwendig dierjenge, gegen den Gewalt oder Drohung angewendet wurde; auch nicht notwendig der, in dessen Vermögen die Beschädigung eintrat. 33 ) III. D i e Strafe b e t r ä g t : 1. B e i e i n f a c h e r E r p r e s s u n g ( S t G B § 253): G e f ä n g n i s n i c h t u n t e r einem M o n a t . 2. B e i e r s c h w e r t e r E r p r e s s u n g ( S t G B § 254), d. h . wenn d u r c h B e d r o h u n g m i t Mord, B r a n d s t i f t u n g oder Ü b e r s c h w e m m u n g b e g a n g e n : Z u c h t h a u s b i s zu fünf J a h r e n . 3. B e i r ä u b e r i s c h e r E r p r e s s u n g ( S t G B § 255) t r e t e n die S t r a f e n des R a u b e s ein. Neben der G e f ä n g n i s s t r a f e i s t E h r v e r l u s t , neben der Z u c h t h a u s s t r a f e Polizeiaufsicht zulässig ( S t G B § 256).

§ 142. 3. Strafbare Ausbeutung.

Allgemeines,

a) Die Übervorteilung Minderjähriger. Literatur.

R. Schmidt V D B e s . X . 8 161, 281.

I. Grundsätzliche Bedeutung. Als Mittel der Vermögensbeschädigung kennt die Reichsgesetzgebung außer Täuschung und Zwang, von denen erstere das Bewußtsein der verursachenden Bedeutung, letzterer die Freiheit des Handels ausschließt, noch die 3) B e d e n k l i c h R 2 1 114, 3 4 16, 3 6 384. 3 a) V g l . R 68 281.

§ 142.

3- Strafbare Ausbeutung,

a) Übervorteilung Minderjähriger.

49g

A u s b e u t u n g des L e i c h t s i n n s , der U n e r f a h r e n h e i t oder d e r N o t l a g e a n d e r e r . Der Gesetzgeber nimmt somit in durchaus berechtigter Ausdehnung Zusammenhang zwischen dem T u n des T ä t e r s und der erfolgten Vermögensbeschädigung an, wo er bei strengem Festhalten der allgemeinen Grundsätze (oben § 29 IV) eigentlich in Abrede gestellt werden müßte. E r t u t dies aber nur unter besonderen, genau bezeichneten, Voraussetzungen und gelangt so zur Bildung von zwei, eng umschriebenen, Begriffen: Übervorteilung Minderjähriger und Wucher. 1 ) II. D i e Übervorteilung Minderjähriger, d. h. Vermogensbeschädigung in Bereicherungsabsicht durch Benutzung (soviel wie Ausbeutung) des Leichtsinns oder • der Unerfahrenheit Minderjähriger, 2 ) ist in den §§ 301 und 302 unter Strafe gestellt worden. Das Gesetz unterscheidet zwei Fälle: 1. D e r e i n f a c h e F a l l liegt vor (StGB. § 301), wenn jemand in g e w i n n s ü c h t i g « Absicht und unter Benutzung des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines Minderjährigen sich von diesem (also ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters) Schuldscheine, Wechsel, Empfangsbekenntnisse, Bürgschaftsinstrumente oder e i n e a n d e r e , eine V e r p f l i c h t u n g e n t h a l t e n d e U r k u n d e ausstellen oder auch nur m ü n d l i c h ein Z a h l u n g s v e r s p r e c h e n erteilen l ä ß t . „Gewinnsüchtige A b s i c h t " bedeutet auch hier die Bereicherungsabsicht (oben § 139 I I 4). „Leichtsinn" ist das Unbekümmertsein um die weiteren Folgen; „Unerfahrenheit" die allgemeine geschäftliche Unkenntnis (rusticitas). In der „ B e n u t z u n g " dieser Eigenschaft ist die Notwendigkeit einer Vermögensbeschädigung angedeutet. Die „ V e r p f l i c h t u n g " m u ß den in S t G B § 302 verlangten Inhalt (Zahlung einer Geldsumme oder Gewährung geldwerter Sachen, nicht etwa die Leistung von schriftstellerischen oder anderen Arbeiten) 3 ) haben. Dem „mündlichen" Versprechen steht das durch schlüssige Handlungen abgegebene gleich. V o n wem die A n r e g u n g zum Abschlüsse des Geschäfts ausgegangen, ist gleichgültig. Jedenfalls kann der Minderjährige selbst nicht als T e i l n e h m e r zur Verantwortung gezogen werden (oben § 52 V 1). 1) VE §§ 302 bis 304 stellt den Wucher voran und bedroht in einem anschließenden, einheitlich gefaßten Paragraphen die Verleitung Minderjähriger zum Schuldenmachen (Bgr. 842). Ebenso GE §§ 330 bis 332 sowie, mit Umstellung der Tatbestände und einzelnen Verbesserungen, KE §§ 380 bis 382. E 1919 §§ 371 bis 374 behandelt in einem besonderen Abschnitt über „Wucher" auch die Verleitung Minderjähriger zum Schuldenmachen. ! ) RStGB schließt sich an das auf ALR zurückgreifende preußische G vom 2. März 1857 an. — Minderjährig ist nicht der für volljährig Erklärte. Ebenso Binding Lehrb. 1 447, Rosenberg in RGRäteKomm. § 301 Note 2, Schwanz § 301 Note 2. Abweichend Frank § 301 I, R. Schmidt 283. ») Jede Leistung genügt nach Frank § 301 II, Rosenberg in RGRäteKomm. § 301 Note 6, Schwanz § 301 Note 2, Wachenfeld 413.

32*

§ 143-

Fortsetzung,

b) 0 e r Wucher und verwandte Fälle.

S t r a f e : Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark. Antragsvergehen. 2. Der s c h w e r e F a l l liegt vor ( S t G B § 302), wenn j e m a n d in gleicher Absicht und auf gleiche Weise sich von dem Minderjährigen unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder u n t e r ähnlichen V e r s i c h e r u n g e n o d e r B e t e u e r u n g e n die Zahlung einer Geldsumme oder die Erfüllung einer anderen, auf Gewährung geldwerter Sachen gerichteten Verpflichtung aus einem Rechtsgeschäfte versprechen läßt. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. Neben Gefängnis ist Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zulässig. Gleiche Strafe trifft h i e r den, der sich (in gewinnsüchtiger Absicht) eine Forderung abtreten läßt, von der er weiß, daß deren Berichtigung ein Minderjähriger in der vorbezeichneten Weise versprochen hat. Antragsvergehen.

§ 143. Fortsetzung,

b) Der Wucher und verwandte Fälle.

Literatur. R. Schmidt VD Bes. T. 8 161. — Isopescul-Orecul Das Wucherstrafrecht usw. 1 1906. V. Lilienthal in Conrads Jahrbüchern 1880. Seu/fert Z 14 549. L. Kitzinger Das Vergehen des Nachwuchers gemäß § 302 c (V. Lil Heft 61) 1905. Moser Die Wuchergrundgeschäfte im R S t G B . Würzburger Diss. 1908. Pardo Das strafrechtliche Kriterium der Wucherlichkeit eines Darlehns. Rostocker Diss. 1909. Wenninger Der Begriff des Rechtsgeschäftes in § 3 0 2 a und e des StGB. Erlanger Diss. 1 9 1 0 . — Über den K r i e g s w u c h e r : V. Lilienthal Z 38 202, K. Mayer DStZ 5 137; Alsberg Preistreibereistrafrecht 6. Aufl. 1920. H. Lehmann Wucher und Wucherbekämpfung im Krieg und Frieden 1917. HilSch-Falck Der Kettenhandel als Kriegserscheinung, 2. Aufl. 1917. Löffler Österr. Z 5 290 (Österreich. Recht). Hafter Sozialwucher. Empfiehlt es sich, Bestimmungen darüber in das künftige eidgenössische Strafrecht aufzunehmen? (Verhandlungen des Schweizer. Juristenvereins 1920, 3. Heft). — Zu V : Seuffert Z 15 821. — Zu V I : Henggeier Beiträge zur Lehre vom Börsenstrafrecht 1909. I. Geschichte. Von der Zeit der X I I Tafeln an wendet die r ö m i s c h e Gesetzgebung dem G e l d w u c h e r , d. h. der Überschreitung des foenus unciarium, ihre besondere Aufmerksamkeit zu und bedroht ihn, neben der poena quadrupli, auch mit ädilizischer Geldstrafe. In der Kaiserzeit tritt neben dem W a r e n w u c h e r oder Dardanariat der G e t r e i d e w u c h e r (annona fraudata) besonders hervor; schon nach der 1. Julia (von Cäsar oder August) wird er mit zwanzig aurei, später noch strenger bestraft. Einen neuen, ungleich strengeren Standpunkt nimmt die c h r i s t l i c h e K i r c h e ein; sie verbietet das Zinsennehmen überhaupt, jede Übertretung des Verbotes ist strafbarer Wucher. Durch Karl den Größen (Kap. 789) wird dieses Verbot in die weltliche Gesetzgebung eingeführt. Daneben finden wir seit der zweiten Hälfte des Mittelalters zahlreiche Bestimmungen gegen den H a n d e l s w u c h e r in seinen verschiedenen Gestalten (insbesondere als „Fürkauf"); auch die RPolizeiordnungen des 16. Jahrhunderts und die späteren Landesgesetze (noch das preuß. ALR) beschäftigen sich vielfach mit ihm und drohen Geldurd Ehrenstrafen an, wohl auch Geiängnis und Landesverweisung. Während auch die Begründer der Kirchenreformation dem Wuchcr gegenüber an der Auffassung des kanonischen Rechts festhielten, vollzog sich unter dem Einflüsse der großen Juristen des 16. Jahrhunderts eine wesentliche Um-

§ 143-

Fortsetzung,

b) Der Wucher und verwandte Fälle.

501

gestaltung des Wucherbegriffes, die uns alsbald in der deutschen Reichsgesetzgebung entgegentritt und in dem J R A 1654 zum vorläufigen Abschlüsse gel a n g t . D e r W u c h e r erscheint nunmehr, wie früher im römischen Rechte, als die Ü b e r s c h r e i t u n g d e s g e s e t z l i c h e n (fünfprozentigen) Z i n s f u ß e s . Aber die Bewegung griff alsbald weiter und drängte auf gänzliche Beseitigung aller Wuchergesetze. D i e rationalistische Philosophie und die von ihr beeinflußte Wirtschaftstheorie eröffneten um die M i t t e des 18. Jahrhunderts den K a m p f für die Wucherfreiheit. Und zwar mit teilweisem Erfolge. So wurden in Österreich die Wuchergesetze 1787 abgeschafft, um aber 1803 wieder eingeführt zu werden. E r s t um die Mitte des ig. J a h r h u n d e r t s erlangte die auf Beseitigung der Wuchergesetze gerichtete Bewegung den vollen, freilich nur vorübergehenden Sieg gegenüber den untereinander wesentlich abweichenden deutschen Landesgesetzen, die in ihrer Mehrheit nur den schweren Wucher (den verschleierten oder den gewerbsmäßigen Wucher) unter Strafe gestellt hatten. Der Norddeutsche B u n d t r a t , nachdem W ü r t t e m b e r g schon 1839, B a y e r n 1861, L ü b e c k 1863 die Strafbestimmungen gegen den Wucher aufgehoben h a t t e n , durch G vom 14. November 1867, das 1871 auf das ganze R e i c h ausgedehnt wurde, in die R e i h e derjenigen S t a a t e n , die die Wuchergesetze entbehren zu können glaubten. Nur zu bald überzeugte man sich von der Unrichtigkeit dieser Ansicht. S e i t dem G vom 24. Mai 1880 zählt der G e l d w u c h e r wieder zu den nach deutschem R e c h t strafbaren Handlungen. Aber die sich steigernden Klagen über den vom Gesetze n i c h t betroffenen H a n d e l s w u c h e r , insbesondere über den Wucher auf dem L a n d e , führten zu dem Ergänzungsg. vom 19. J u n i 1893. Die wichtigsten Neuerungen dieses Gesetzes betreffen: 1. Die Erweiterung des Kreditwuchers (§ 302 a ) ; 2. die Bedrohung des Geschäftswuchers (§ 302 c ) ; 3. die Verpflichtung des Gläubigers zur jährlichen Abrechnung mit seinem Schuldner (Art. 4). Diesen erweiterten Begriff hat B G B § 138 aufgenommen. V E §§ 302, 303 h a t die Bestimmungen im wesentlichen wiederholt. Ebenso G E §§ 3 3 ° . 3 3 1 ' K E §§ 3 8 i > 3 8 z [ u n d E §§ 3 7 1 b i s 373, doch stellt E 1 9 1 9 § 372 im Gegensatz zu den früheren Entwürfen den unter Ausbeutung der N o t l a g e eines anderen erfolgenden S a c h w u c h e r a u c h dann unter Strafe, wenn er nicht gewerbs- oder gewohnheitsmäßig betrieben wird. Die Straf drohungen sind in den neuen Entwürfen wesentlich verschärft]. — Während des Krieges führte die K n a p p h e i t der Bedarfsartikel und die Gewinnsucht der Erzeuger und Händler zu einem wiederholten Einschreiten der Gesetzgebung. Den Abschluß bildete die Verordnung gegen Preistreiberei vom 8. Mai 1918 [die durch die Wuchergerichtsverordnung vom 27. November 1919 eine erhebliche Verschärfung erfahren h a t * ) ] . Sie bezieht sich auf „Gegenstände des täglichen Bedarfs oder des Kriegsbedarfs" und bedroht die „übermäßige Preissteigerung", den Kettenhandel und die Überschreitung der Höchstpreise. F ü r die Friedensgesetzgebung ergeben sich aus ihr mehrfache Anregungen. Insbesondere dürfte es sich empfehlen, den Begriff des Sachwuchers dadurch zu erweitern, d a ß die W o r t e „unter Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines a n d e r e n " gestrichen werden. Auch wäre zu erwägen, o b der Sachwucher n i c h t auch dann bestraft werden sollte, wenn er weder gewerbs- noch gewohnheitsmäßig begangen wird. [Diese letztere Frage h a t , wie oben erwähnt, E 1919 § 372 nunmehr b e j a h t . Dagegen h a t es E 1 9 1 9 abgelehnt, die T a t b e s t ä n d e des Schleichhandels und der Preistreiberei etwa

a) Sie gehört zu den bedenklichsten Erzeugnissen der jüngsten Gesetzesmacherei. Ihre Rechtsgültigkeit ist bestritten. Vgl. Kohlrausch Z 41 1 7 8 , NübeU J W 4 9 272, Eft. Schmidt j w 4 » 2 7 1 . Vgl. oben § 25 V .

502

§ 143-

Fortsetzung,

b) Der Wucher und verwandte Fälle.

im Anschluß an Hafter als „Sozialwucher" einzuarbeiten und somit nach den hinreichenden Erfahrungen der Kriegszeit für Zeiten wirtschaftlicher Krisen einen geeigneten Straftatbestand in Bereitschaft zu halten (vgl. Denkschrift S. 321).] — Auf dem gleichen legislativen Grundgedanken, wie beim Wucher, ruhen die Strafdrohungen des G vom 16. Mai 1894 betr. die A b z a h l u n g s g e s c h ä f t e und in § 94 des B ö r s e n g . von 1908.

II. Der Kreditwucher. 1. B e g r i f f . Nach S t G B § 302a liegt Kreditwucher vor, wenn jemand unter Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines anderen mit Bezug auf ein Darlehn (Abschluß wie Lösung des Vertrages, Vermittlung 1 ) wie Gewährung) oder auf die Stundung einer Geldforderung oder auf ein anderes zweiseitiges Rechtsgeschäft, das denselben wirtschaftlichen Zwecken dienen soll, sich oder einem Dritten Vermögensvorteile (Begriff oben § 139 II 4 a) versprechen oder gewähren läßt, die den üblichen Zinsfuß dergestalt überschreiten, daß nach den Umständen des Falles die Vermögensvorteile in auffälligem Mißverhältnisse zu der Leistung stehen. Neben Leichtsinn und Unerfahrenheit (oben § 142 II) ist auch die „ N o t l a g e " genannt, d. h. eine dringende, wenn auch nur vorübergehende Geldverlegenheit (ein unabweisliches Kreditbedürfnis, mag der Kredit zu konsumtiven oder zu produktiven Zwecken benötigt werden) 8 ); nur wirtschaftliche Not (nicht z. B. Lebensgefahr) gehört mithin hierher. In der „ A u s b e u t u n g " (soviel wie Benutzung) ist die V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g betont. Diese liegt aber nur dann vor, wenn 1. der übliche Zinsfuß überschritten wird, und 2. ein auffallendes Mißverhältnis zwischen der L e i s t u n g des Gläubigers in ihrer Verwertbarkeit für den Schuldner 3 ) und den V o r t e i l e n , die der Gläubiger sich versprechen oder gewähren läßt, besteht. Dabei sind Geschäftsunkosten, Verlustgefahr (Risikoprämie) usw. mit in Anschlag zu bringen. Schwierigkeiten bieten die 1893 dem Darlehen gleichgestellten K r e d i t g e s c h ä f t e . Festzuhalten ist, daß nicht die Befriedigung eines augenblicklichen Geldbedürfnisses durch Bargeschäft, sondern nur eine Hingabe von Geld oder vertretbaren Sachen hierher gehört, die den Bedrängten zu späterer Rückzahlung verpflichtet. 4 ) Der ') Ebenso Allfeld 558, Binding Lehrb. 1 455, Frank § 302a II, IsopesculGrecul 242, Wachenfeld 416. Dagegen K 28 288, 35 m , 36 226. *) Enger R 28 290. ') Ebenso Allfeld 558, Isopescul-Grecul 262, v. Lilienthal Z 8 208, Pardo 54. Dagegen R 11 389, 20 279; Frank § 302a III, Rosenberg in RGRäteKomm. S 302 a Note 16, Schwartz § 302a Note 6, Wachenfeld 416, die den Standpunkt des Gläubigers entscheiden lassen. Vgl. dazu R. Schmidt 266. 4) Weitergehend, im Anschluß an die Motive, R 25 315, 28 135, 35 111, 39 126; auch Frank § 302a II, Rosenberg in RGRäteKomm. § 302 a Note 10, Schwartz § 302 a Note 5 (nach wclchen jede Hebung der Geldverlegenheit,

§ 143-

Fortsetzung,

b) Der Wucher und verwandte Fälle.

503

sog. Zessionswucher wird daher meist unter § 302c fallen; denn sein „wirtschaftlicher Zweck" ist nicht der des Darlehns. 2. D i e B e s t r a f u n g d e s K r e d i t w u c h e r s . a) E i n f a c h e r F a l l ( S t G B § 302a). Gefängnis bis zu sechs Monaten und Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. Ehrverlust nach Ermessen. b) E r s c h w e r t e r F a l l ( S t G B § 302b); vorliegend, wenn jemand sich oder einem Dritten die wucherlichen Vermögensvorteile verschleiert (die sog. usurae palliatae) oder wechselmäßig oder unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter ähnlichen Versicherungen oder Beteuerungen versprechen (nicht „gewähren") läßt. Die „Versicherung" muß sich auf die Vermögensvorteile selbst, darf sich nicht bloß auf Nebenpunkte (Familienverhältnisse usw ) beziehen. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis zu sechstausend Mark. Aberkennung der Ehrenrechte nach Ermessen. c) Während in bezug auf Täterschaft und Teilnahme im übrigen die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung kommen,*) h a t das S t G B im § 302c eine besondere Art der Beteiligung, das sog. M i t w u c h e r n (oder Nachwuchem), zum selbständigen Vergehen gemacht. Die unter a und b angeführten Strafen treffen nämlich auch denjenigen, der mit Kenntnis des Sachverhaltes eine Forderung der angegebenen A r t (durch Willensakt, nicht durch Erbgang •) erwirbt und entweder a) sie weiter veräußert oder ß) die wucherlichen Vermögensvorteile geltend macht. d) G e w e r b s - o d e r g e w o h n h e i t s m ä ß i g e r Wucher ( S t G B § 302dl auf die Fälle a bis c zu beziehen). Vgl. oben § 55 I I I . S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten und Geldstrafe von einhundertundfünfzig bis zu fünfzehntausend Mark. Aberkennung der Ehrenrechte bindend vorgeschrieben.

III. Der Geschäftswucher oder Sachwucher. 1. B e g r i f f . Geschäftswucher ist nach § 302c (eingefügt 1893) jene Ausbeutung, die unter den Voraussetzungen des § 302a, aber mit Bezug auf ein anderes Rechtsgeschäft als die dort genannten , a ) Kreditgeschäfte stattfindet. Es bildet daher an sich den weiteren, auch den Kreditwucher umfassenden Begriff. Die Strafbarkeit ist jedoch durch gewerbs- oder gewohnheitsmäßige Begehung bedingt, und an die Stelle des üblichen Zinsfußes tritt der „Wert der Leistung". Wucher aller Art gehört hierher: Ausbeutung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer, durch den Vermieter, den Theateragenten und Kunsthändler, bei Güterzertrümmerung und Viehpacht, bei Preissteigerung durch Ringe und Kartelle usw. 2. D i e S t r a f e ist die des § 302d (siehe oben I I 2d). I V . Verwandte Delikte. 1. § 360 Ziff. 12 S t G B (Fassung des G vom 24. Mai 1880): Wer als Pfandleihcr oder Rückkaufshändler bei Ausübung seines Gewerbes den darüber ei>auch durch Bargeschäft genügt). Richtig Binding Lehrb. 1 455, isopesculGrecul 25. R. Schmidt 252 erklärt die Frage für zweifelhaft. ') Der Bewucherte selbst kann nach dem oben § 52 V 1 Gesagten nicht als Teilnehmer bestraft werden. «) Ebenso Kitzinger 24 und Rosenberg in R G R ä t e K o m m . § 302 c Note 4; dagegen R 86 374, Schwartz § 302 c Note 1. •a) Z. B . Mietverträge: R 58 285 (Wohnungswucher).

504

§ >44-

4- Die Gefährdung des Vermögens,

a) Das Glücksspiel.

lassenen Anordnungen zuwiderhandelt, i n s b e s o n d e r e den durch Landesgesetz oder Anordnung der zuständigen Behörde b e s t i m m t e n Z i n s f u ß ü b e r s c h r e i t e t , wird init Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark oder H a f t bestraft. 2. T a x ü b e r s c h r e i t u n g e n des S t e l l e n V e r m i t t l e r s sind in § 1 2 Ziff. 4 des G von 1 9 1 0 mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit H a f t bedroht. 3. Durch das G von 1893 Art. 2 wurde dem § 367 S t G B als Ziff. 1 6 die folgende Bestimmung eingefügt: Wer den über das Abhalten von öffentlichen Versteigerungen und über das Verabfolgen geistiger Getränke vor und bei öffentlichen Versteigerungen erlassenen polizeilichen Anordnungen zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft. 4. Art. 4, neu eingestellt durch das G von 1893, verpflichtet, (von bestimmten Ausnahmen abgesehen) jeden, der aus dem Betriebe von Geld- oder Kreditgeschäften (oben I I 1) ein Gewerbe macht, seinen Schuldnern binnen drei Monaten nach Schluß des Geschäftsjahrs einen schriftlichen Rechnungsauszug mitzuteilen, der außer dem Ergebnis auch erkennen läßt, wie dieses erwachsen ist. Vorsätzliche Unterlassung wird (abgesehen von den privatrechtlichen Folgen) mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark oder mit Haft bestraft.

V. Das G betr. die Abzahlungsgeschäfte vom 16. Mai 1894 bedroht in § 7 den Verkauf oder die sonstigen auf gleiche Zwecke abzielende Veräußerung von Lotterielosen, Inhaberpapieren mit Prämien oder Bezugs- oder Anteilsscheinen auf solche Lose oder Inhaberpapiere gegen Teilzahlungen an nicht in das Handelsregister eingetragene Kaufleute. E s begründet keinen Unterschied, ob die Übergabe des Papiers vor oder nach der Zahlung des Preises erfolgt. — Der Käufer bleibt nach dem oben § 52 V 1 und 3 Gesagten straflos. S t r a f e : Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark.

VI. Nach dem Börseng. vom 8. Mai 1908 {§ 94) ist die gewohnheitsmäßige, in gewinnsüchtiger Absicht, unter Ausbeutung der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns erfolgende Verleitung anderer zu Börsenspekulationsgeschäften, die nicht zu ihrem Gewerbebetriebe gehören, strafbar. Erteilung von Rat genügt nicht. Strafbarkeit tritt auch ein, wenn das Geschäft Gewinn gebracht hat. „Spekulationsgeschäfte" sind nicht bloß Termin-, sondern auch Kassengeschäfte. S t r a f e : Gefängnis und zugleich Geldstrafe bis zu fünfzehntausend Mark. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

§ 144.

4. Die Gefährdung des Vermögens, a) Das Glücksspiel

Literatur. Kriegsmann VD Bes. T . 6 375. — Schönhardt Alea. Über die Bestrafung des Glücksspiels im älteren römischen Recht 1885. Jonas Z 2 5 5 1 . Kayser Die Gewerbsmäßigkeit im Glücksspiel 1900. Majert Spiel und Glücksspiel usw. Heidelberger Diss. 1904. Kröncke § 284 R S t G B . Leipziger Diss.

§ 144-

4- Die Gefährdung des Vermögens,

a) Das Glücksspiel.

505

1905. Sabath Das Glücksspiel usw. 1906. Rönnberg Das usw. Glücksspiels t r a f r e c h t im Gebiete der preußischen Lotteriegemeinschaft 1907. — Uber d i e B u c h m a c h e r : Windthorst im R e c h t 17 328. Über die Novelle von 1919: Weiss in D S t r a f r Z 7 28, Polzin, ebenda 174, Eb. Schmidt Z 41 6ogff. Drucksachen der Yerf.-geb. Nat.-Vers. Nr. 1791/1919.

I. Als eine Vermögensgefährdung reiht sich das Glücksspiel an die übrigen Vermögensverbrechen. Der Gesetzgeber w a c h t über die Vermögensinteressen der Staatsbürger, auch wenn diese selbst die nötige Vorsicht aus den Augen lassen. E s führen also zunächst volkswirtschaftliche Erwägungen zur Verbietung und Bestrafung des Glücksspiels. Daneben sind auch sittenpolizeiliche u n d staatsfinanziellc Bedenken gegen das Glücksspiel in B e t r a c h t zu ziehen. [Dem polizeilichen S t a n d p u n k t e entsprechend, h a t das S t G B in den §§ 284, 285, 360 Ziff. 14 alter Fassung ebensowenig wie die Novelle vom 23. Dezember 1919 (oben § 13 VII) das Merkmal der Vermögensgefährdung in den gesetzlichen Tatbestand des Glücksspiels aufgenommen. Das S t G B bedrohte v o r der Novelle m i t Ubertretungsstrafe das unbefugte Halten von Glücksspielen an öffentlichen Orten (§ 360 Ziff. 14), m i t Vergehensstrafe das gewerbsmäßige Glücksspiel (§ 284 a. F.) und das Dulden oder Verheimlichen von Glücksspielen durch den Inhaber eines öffentlichen Versammlungsortes (§ 285 a. F.), daneben (§ 286) die unbefugte Veranstaltung öffentlicher Lotterien. V E §§ 299 bis 301, G E §§ 334, 335 und K E §§ 377 bis 379 stellten sich grundsätzlich auf den Boden des bisherigen Rechts, bedrohten aber die öffentliche Veranstaltung von Glücksspielen allgemein als Vergehen und behandelten die gewerbsmäßige Förderung des Glücksspiels wie das gewerbsmäßige Glücksspiel selbst. Bereits der Entwurf von 1919 §§ 389 bis 393 ist über diese Verschärfungen seiner Vorgänger ganz erheblich hinausgegangen, indem er nicht nur die Strafen teilweise noch weiter erhöht, sondern namentlich auch das n i c h t gewerbsmäßige Glücksspiel in weitem Umfange unter Strafe gestellt b a t . Das Gesetz gegen das Glücksspiel vom 23. Dezember 1919 (RGBl. S. 2145) ist aber auch hierbei nicht stehen geblieben. E s sucht noch intensiver als der E 1919, dessen T a t b e s t ä n d e es im wesentlichen wiederholt, die Beihilfe- oder Vorbereitungshandlungen zum Glücksspiel zu erfassen und ist nicht nur in seinen Strafdrohungen, sondern auch in der Zulassung von sichernden Maßnahmen und Nebenstrafen erheblich schärfer als der Entwurf 1919 (vgl. Denkschrift zum E 1919 S. 342). Das Verlangen, insbesondere dem Treiben der sog. Spielklubs zu steuern, h a t zu einer beträchtlichen Überspannung der Strafdrohungen g e f ü h r t und das geltende R e c h t auf die Linie der engherzigen §§ I298ff. II 20 A L R zurückgebracht.]

Glücksspiele sind Z u f a l l s s p i e l e , also aleatorische Rechtsgeschäfte, bei d e n e n , w e n i g s t e n s v o r w i e g e n d , d e r Z u f a l l d e n Ausschlag gibt; den Gegensatz bilden die G e s c h i c k l i c h k e i t s s p i e l e , bei denen allgemein und im Einzelfall (mit Rücksicht auf die spielenden Personen) Gewandtheit, Berechnung oder Kraft für den Sieg entscheidend ist. 1 ) Da es sich bei dem Glücksspiel um ein Vermögensvergehen handelt, scheiden weiter die sog. U n t e r h a l t u n g s s p i e l e aus, bei denen der Vermögenswert der Einsätze ') Ebenso bezüglich der Geldspielautomaten R 41 219, 331, 48 155.

506

§ 144-

4- Die Gefährdung des Vermögens,

a) Das Glücksspiel.

für die Spielenden nicht ins Gewicht fällt 2 ). Die bei Pferderennen, sei es bei dem offiziellen „Totalisator", sei es bei den privaten „Buchmachern" (oder „Wettbureaus") geschlossenen „Wetten" sind Glücksspiele, wenn sie nicht von den sachkundigen Mitgliedern der Rennvereine, sondern von dem großen, mit den Eigenschaften der Rennpferde nicht vertrauten Publikum geschlossen werden. Vgl. unten I I 3Das Glücksspiel ist nicht an sich, sondern nur unter gewissen, [seit der Novelle vom 23. Dezember 1919 stark beschnittenen] Voraussetzungen (unten II) strafbar. Das wird auch für die Teilnahme (Gewähren von Gelegenheit) wichtig. Vorsatz ist in allen Fällen erforderlich. Die Vollendung ist mit dem ersten Einsatz gegeben. II. Die Arten des strafbaren Glücksspiels. [1. Die Novelle von 1919 stellt in bedeutend weiterem Umfange als das frühere Recht das S p i e l e n s e l b s t unter Strafe, nämlich a) Die „ B e t e i l i g u n g an einem ö f f e n t l i c h e n G l ü c k s s p i e l " (§ 284a). Der Täter muß selbst „spielen", d. h. sich den vom Zufall abhängenden Gewinn- und Verhistchancen unterwerfen. Ein Glücksspiel ist an sich dann „öffentlich", wenn es einem individuell unbestimmten Personenkreis zugänglich ist. Indessen „gelten" nach § 284 Abs. 2, der auch für § 284a maßgebend ist, als „öffentlich" veranstaltet auch Glücksspiele in Vereinen oder geschlossenen Gesellschaften, in denen Glücksspiele g e w o h n h e i t s m ä ß i g (vgl. oben § 55 I I I 3) veranstaltet werden.3) b) Das g e w e r b s m ä ß i g e G l ü c k s s p i e l (§ 285). Der Täter muß mit Erwerbsabsicht (oben § 55 I I I r) „spielen" (oben a). Gewinnsüchtige Absicht (oben § 139 II 4) genügt nicht. Die gewerbsmäßige Vermittlung fremden Spiels genügt zur Annahme der T ä t e r s c h a f t aus § 285 heute ebensowenig, wie nach bisherigem Recht (§ 284 alter Fassung)4). Durch b e h ö r d l i c h e E r l a u b n i s wird im Falle a), nicht aber im Falle b) die Rechtswidrigkeit und damit die Strafbarkeit ausgeschlossen. 43 ) ') Ebenso Frank § 284 II, Schiffer GS 51 184, Schwartz § 284 Note 3. Dagegen (für absoluten Maßstab) R 19 253, Allfeld 561, Binding Lehrb. 1 40b, Rosenberg in RGRäteKomm. § 284 Note I I I 2. Eine (undurchführbare) Mittelmeinung vertritt Kriegsmann 399. — Ganz verfehlt R 28 283 (Das „Kümmelblätteilen" ist zweifellos Betrug; vgl. R in GA 46 328). *) Diese gesetzestechnisch mißratene Klausel hebt den Grundsatz der Öffentlichkeit fast restlos auf. Vgl. Eb. Schmidt Z 41 612, Weiß DStrafrZ. 7 3°, Rosenberg in RGRäteKomm. § 284 Note V. «) Vgl. R 42 68. Dazu Rosenberg in RGRäteKomm. § 285 Note IV 1. *•) Die Bekanntmachung betr. Ausführungsvorschriften zu dem Gesetze gegen das Glücksspiel, vom 27. Juli 1920 (RGBl. S. 1482) setzt gewisse Mindestanforderungen fest, die an die Erteilung der Erlaubnis zu knüpfen sind.

§ 144-

4-

Gefährdung des Vermögens,

a) Das Glücksspiel.

507

S t r a f e : Im F a l l e a) Gefängnis bis zu sechs Monaten und Geldstrafe bis zu 100 000 M. oder Geldstrafe bis zu dem gleichen Betrage, daneben gemäß § 284 b obligatorische Einziehung der Spieleinrichtungen 5 ) und des auf dem Spieltisch oder in der Bank befindlichen Geldes, sofern sie dem Täter oder einem Teilnehmer gehören; andernfalls ist die Einziehung fakultativ. Im F a l l e b) Gefängnis und Geldstrafe bis zu 200000 M., bei mildernden Umständen Gefängnis bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis zu 100000 M. oder Geldstrafe bis zu dem gleichen Betrage. In b e i d e n Fällen kann gemäß § 285a n e b e n G e f ä n g n i s auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht und auf Überweisung an die Landespolizeibehörde mit den Rechtsfolgen des § 362 Abs. 3, 4 erkannt werden. Urteilsveröffentlichung ist i m m e r zulässig. Ausländer können nach Vollstreckung der Freiheitsstrafe von der Landeszentralbehörde aus dem Reichsgebiet ausgewiesen werden; unerlaubte Rückkehr ist strafbar (§ 361 Ziff. 2). 2. Außer der eigentlichen Spielertätigkeit werden in § 284 d a s „Veranstalten" oder „Halten" eines Glücksspiels, sowie das „Bereitstellen von Einrichtungen hierzu" unter Strafe gestellt. A u c h hier muß es sich um ein „öffentliches" Glücksspiel in der unter i a erörterten Bedeutung handeln. Veranstalten, Halten und Bereitstellen von Spieleinrichtungen sind Beihilfehandlungen zum Spielen (oben i a ) selbst, die ohne scharfen begrifflichen Unterschied 8 ) als delicta sui generis mit Strafe bedroht sind 7 ). Eine nur psychische Beihilfe wird darunter nicht fallen können, ist vielmehr ebenso wie die Anstiftung nach den allgemeinen Regeln zu behandeln. Unter „Einrichtungen" sind nur die Spieleinrichtungen im engeren Sinne (Spielkarten, Spielmarken, Spieltische und sonstiges Spielgerät) zu verstehen; der Wirt, der das Spielen anderer in seinen Räumen lediglich duldet, „stellt" nicht „Einrichtungen bereit" und ist mangels einer dem § 285 alter Fassung entsprechenden Vorschrift nunmehr straflos 8 ). Behördliche Erlaubnis beseitigt auch in den Fällen des § 284 die Rechtswidrigkeit. S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren und Geldstrafe bis zu 100 000 M. oder Geldstrafe bis zu diesem Betrage. Nebenstrafen wie oben im Falle i a . ] 3. Nach dem G vom 4. Juli 1905 ( R G B l . S. 595) kann der Betrieb von Wettunternehmen für öffentlich veranstaltete Pferde') Vgl. unten 2. «) Vgl. Eb. Schmidt Z 41 6 1 1 ; Rosenberg in RGRäteKomm. § 284 Note IV. ') Idealkonkurrenz zwischen § 284 einerseits und §284a oder § 285 andererseits ist möglich; z. B. wenn sich der „Veranstalter" zugleich der Spielerchance unterwirft. Ebenso Rosenberg in RGRäteKomm. § 2 8 4 a Note III. •) Ebenso Polzin DStrafrZ. 7 1 7 4 . Bedenklich war der Erlaß des Preuß. Justizministers vom 23. September 1920 (Preuß. Just.Min.Bl. S, 506), in dem ausgesprochen wird, daß das Gestatten von Glücksspielen durch den W i r t in der Regel eine Förderung verbotener Glücksspiele enthalten und deshalb als Beihilfe zu den Vergehen der §§ 284, 285 StGB strafbar sein wird. Das wird aber nur unter besonderen Umständen angenommen werden können.

Vgl. Eb. Schmidt Z 41 612.

§ 145.

508

b) Die öffentliche Ausspielung (Lotterie).

rennen von der Verwaltung gestatet werden. D a m i t ist die S t r a f barkeit aus S t G B §§ 284, 2 8 4 a , 2 8 5 ausgeschlossen. Das G e setz hat zugleich drei neue Vergehenstatbestände geschaffen (§ 6): a) Den Betrieb eines solchen Wettunternehmens ohne E r l a u b n i s ; b) die geschäftsmäßige Vermittlung von Wetten für öffentlich im In- oder Auslande veranstaltete Pferderennen; 9 ) c) Aufforderungen oder Angebote zum Abschluß oder zur V e r mittlung solcher Wetten, soweit sie öffentlich oder durch V e r b r e i tung von Schriften oder anderen Darstellungen erfolgen. S t r a f e : Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe von fünfhundert bis eintausendfünfhundert Mark, bei mildernden Umständen Gefängnis bis zu einem Monat oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark.

§

145.

b) Die öffentliche Ausspielung

(Lotterie).

Literatur. Kriegsmann VD Bes. T. 6 405, 438. — Rönnberg Die Lotterievergehen nach mecklenburg. Landesstrafrecht 1893. Brückmann Z 19 628. Theisen GA 49 234. Häußner Lotterie und Ausspielung im heutigen Strafrecht. Heidelberger Diss. 1906. Lockmann Z 35 849. — Über das „Hydrasystem" vgl. D J Z 6 193 (Staub, v. Liszt), 277 (Groschu)f), 403, (Finger, v. Liszt), 453 (Spohr). Weißbarth Die strafrechtliche Würdigung des Hydrasystems. Würzburger Diss. 1907. I. Strenggenommen fällt die öffentliche Ausspielung unter den Begriff des Glücksspiels. Dennoch hat das preußische S t G B (im Anschlüsse an das ALR und spätere Verordnungen) und, ihm folgend, das R S I G B die Ausspielung neben dem Glücksspiele besonders hervorgehoben. Diese besondere Auszeichnung erklärt sich aus der Geschichte der Lotterieverbote. Seit dem 16. Jahrhundert sich findend, bewahren sie bis in die neueste Zeit fiskalische Bedeutung; noch ALR 248 bestraft die Lotterie als Eingriff in die fiskalischen Rechte des Königs. Auf dieser Stufe der Entwicklung des Begriffs will der Staat die Gewinnsucht seiner Untertanen für s e i n e Zwecke ausbeuten, und darum schützt er den Bürger gegen Ausbeutung durch ausländische oder private inländische Unternehmungen. Er verbietet nicht das Aufsspielsetzen des Vermögens, nimmt aber den aus diesem zu erwartenden Unternehmergewinn für sich in Anspruch. Als dieser Standpunkt in der neueren Gesetzgebung zurückgedrängt worden war, änderte das Vergehen seine Eigenart: In der G e f ä h r d u n g , in dem Aufsspielsetzen eigenen und fremden Vermögens wird nunmehr der Grund seiner Strafbarkeit erblickt. — G E § 335 faßt die öffentliche Veranstaltung von Glücksspielen, Lotterien oder Ausspielungen zusammen. K E und E 1919 haben die Tatbestände wieder getrennt. I I . Das R S t G B bedroht in § 286 das öffentliche V e r a n s t a l t e n v o n A u s s p i e l u n g e n beweglicher oder unbeweglicher Sachen ohne obrigkeitliche Erlaubnis; insbesondere das Veranstalten von öffentlichen L o t t e r i e n , 1 ) d. i. das Ausspielen von Geldpreisen. ») Vgl. R 47 363. *) Damit ist die „Materie" der Ausspielung geregelt. Die Landesgesetzgebung ist mithin nicht befugt, sie auch ihrerseits* zu regeln. Das sächsische

§145-

t>) Die öffentliche Ausspielung (Lotterie).

509

A u s s p i e l u n g ist der zweiseitige Vertrag, in dem der V e r a n s t a l t e r der Ausspielung sich unter bestimmten, vom Zufall abhängenden, 8 ) Bedingungen zur Zahlung einer Geldsumme oder zur Lieferung einer Sache (des Gewinnes) an die Gruppe der Spieler, diese aber sich unbedingt zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrages (des Einsatzes) verpflichten. Wer fremde Lose vertreibt, ist nicht „Veranstalter", kann aber Gehilfe sein. Der Spielende selbst bleibt nach allgemeinen Grundsätzen straflos (oben § 52 V 3). — Ausspielung ist auch dann anzunehmen, wenn in dem Einsätze z u g l e i c h der Preis für eine wirkliche Gegenleistung mitenthalten ist, 3 ) z. B. bei Verbindung der Ausspielung mit dem Verkauf von Waren oder mit einer Theatervorstellung; bei den Preisrätseln der Familienzeitungen, wenn hier der Preis unter den Einsendern der richtigen Lösung ausgespielt wird. Auch die durch Beteiligung an einer (vielleicht sogar gestatteten) Lotterie erworbene Gewinsthoffnung kann zum Gegenstande weiterer strafbarer Ausspielung gemacht werden ( H e u e r - oder Promessengeschäft). 4 ) Anders liegt die Sache, wenn das Eigentum an dem Lose selbst zu einem bestimmten Teile auf einen anderen übertragen worden ist (sog. K o m p a g n i e geschäft). Die Ausspielung ist eine ö f f e n t l i c h e , wenn die Beteiligung einem nicht geschlossenen Personenkreise zugänglich ist. 6 ) Vors a t z ist erforderlich; 6 ) er muß die sämtlichen Tatbestandsmerkmale G vom 4. Dezember 1837 und Art. 57 des bayrischen PolizeiStGB von 1871 sind demnach ebenso rechtsunwirksam wie das preußische G vom 29. August 1904 betr. das Spiel in außerpreußischen Lotterien, übereinstimmend Allfeld 562, Finger 1 153, Olshausen § 284 6, Rönnberg, Schwartz § 286 Note 10, Theisen GA 49 234, 39 1, Wachenfeld 448. Abweichend die gem. Meinung, insbes. Ii, zuletzt 33 124, 196, 335, 36 260; vgl. aber auch Entschdgn. in Zivilsachen 48 175. Zweifelnd Frank E G § 2 III. Keine Stellung nimm; Kriegsmann 455. —• Die im Text vertretene Ansicht wird unterstützt durch B G B § 763. Vgl. Brückmann, Endemann DJZ 3 51 und dagegen Delius D J Z 4 494, Thielemann D J Z 5 85 und Winkler GS 58 425. a ) Losziehung ist nicht erforderlich. Ebenso R 36 124 (Berufsunfall), 25 256 (Briefeinlauf). — Das sog. Hydrasystem ist, weil die Erfüllung der Bedingungen nicht wesentlich vom Zufall abhängt, nicht Ausspielung, wohl aber meist unlauterer Wettbewerb. Ebenso Groschuff, Kriegsmann 415, Rönnberg 75, Staub; auch Weißbarth, der aber auch den unlauteren Wettbewerb verneint. Dagegen R 34 140, 321, 390, 403; auch Allfeld 562, Binding Lehrb. 1 412, Braun DJZ 6 453, Finger DJZ 6404, Rosenberg in RGRäteKomm. § 286 Note VI, Spohr DJZ 6 454, Wachenfeld 448. 3) Vgl. R 1 54, 2 390, 16 83, 25 180, 34 447. — Ohne Einsatz ist aber Ausspielung nicht möglich. Dagegen R in J W 45 1127 mit Anmerkung von V. Liszt. 4 ) Dagegen Frank § 286 I, Kriegsmann 414. *) Bedenklich in der Begründung R 31 413 (Ausspielung durch den Pförtner einer Fabrik unter den 1800 Fabrikarbeitern). •) Nach Frank § 286 IV genügt Fahrlässigkeit. Richtig Rosenberg in RGRäteKomm. § 286 Note V, Schwartz § 287 Note 6.

5IO

§ 145-

'J) Die öffentliche Ausspielung (Lotterie).

mitumfassen. D e r B e w e g g r u n d des T ä t e r s ist g l e i c h g ü l t i g ; a u c h A u s s p i e l u n g e n z u w o h l t ä t i g e n Z w e c k e n sind s t r a f b a r . Die Ausspielung ist in d e m A u g e n b l i c k e v o l l e n d e t , in w e l c h e m d e m P u b l i k u m die B e t e i l i g u n g m ö g l i c h i s t ; V o r n a h m e d e r Z i e h u n g oder A b s a t z a u c h n u r eines einziges L o s e s ist n i c h t erforderlich. D e r Spielende ist d a h e r n i c h t G e h i l f e . S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. III. A l s eine V e r b i n d u n g des D a r l e h n s v e r t r a g e s m i t einem S p i e l v e r t r a g e erscheint die Ausgabe von Prämienpapieren, bei denen die Zinsen g a n z oder z u m Teil unter d e n G l ä u b i g e r n a u s g e s p i e l t w e r d e n . D i e R e i c h s g e s e t z g e b u n g h a t sich d a h e r v e r a n l a ß t gesehen, einerseits d e n d e u t s c h e n M a r k t gegen die Ü b e r s c h w e m m u n g m i t minderwertigen f r e m d e n P a p i e r e n zu schützen, andrerseits d i e A u s g a b e und "den V e r t r i e b inländischer P r ä m i e n p a p i e r e auf e i n h e i t l i c h e G r u n d l a g e zu stellen. 7 ) Das G vom 8. Juni 1871 betr. die I n h a b e r p a p i e r e m i t P r ä m i e n verbietet in § 6: 1. D a s i n n e r h a l b des D e u t s c h e n R e i c h s erfolgende A u s g e b e n von auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen, in denen allen Gläubigern oder einem Teile von ihnen außer der Zahlung der verschriebenen Geldsumme eine Prämie dergestalt zugesichert wird, daß durch Auslosung oder durch eine andere auf den Zufall gestellte Art der Ermittlung die zu prämiierenden Schuldverschreibungen und die Höhe der ihnen zufallenden Prämie bestimmt werden sollen, wenn das Ausgehen nicht auf Grund eines Reichsgesetzes und zum Zwecke der Anleihe eines Bundesstaates oder des Reiches erfolgt. S t r a f e : Geldstrafe, die dem fünften Teile des Nennwertes der den Gegenstand der Zuwiderhandlung bildenden Papiere gleichkommt, mindestens aber dreihundert Mark betragen soll. 2. Das W e i t e r b e g e b e n (nicht die Annahme) solcher Papiere, die a) im I n l a n d e nach Verkündung des G vom 8. Juni 1871 oder b) im A u s l a n d e nach dem 30. April 1871 ausgegeben worden sind. Gleichgestellt ist der Fall, wenn solche Papiere an den Börsen oder anderen zum Verkehr mit Wertpapieren bestimmten Versammlungsorten (Winkelbörsen) zum Gegenstande eines Geschäfts oder einer Geschäftsvermittlung gemacht werden. S t r a f e : wie zu 1. 3. Das W e i t e r b e g e b e n von solchen Papieren, die im Auslande vor dem 1. Mai 1871 ausgegeben und nicht abgestempelt sind. Die dem Falle unter 2 gleichgestellten Geschäfte werden auch hier ebenso behandelt wie das Weitergeben selbst. S t r a f e : wie zu 1. 4. Die ö f f e n t l i c h e A n k ü n d i g u n g , A u s b i e t u n g , E m p f e h l u n g der unter 2 und 3 angeführten Papiere sowie ihre N o t i e r u n g zum Zwecke der Feststellung eines Kurswertes. S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten. ') Über § 145a S t G B vgl. unten § 195 III. mung eingearbeitet.

G E § 338 hat die Bestim-

§ 146. c) Gcfährd. d. Konterbande. § 147. 5. Die Sachhehlerei (Partiererei),

§ 146.

gn

c) Gefährdung durch Konterbande.

Literatur. Kriegsmann VD Bes. T. 6 453. Pappenheim Über Kriegskonterbande vgl. V. Liszt Völkerrecht § 42 V.

Z 13 842. —

E i n eigentümliches Vergehen enthält § 2 9 7 S t G B , der dem preußischen S t G B § 2 7 8 , mittelbar dem preußischen Seerecht von 1 7 2 7 K a p . 4 A r t . 3 1 , entnommen ist. 1 ) E r bedroht den Reisenden oder Schiffsmann (nicht andere Personen), der ohne Vorwissen des Schiffers, ingleichen den Schiffer, der ohne Vorwissen des Reeders G e g e n s t ä n d e (mit sich) an Bord nimmt, d i e f ü r d a s S c h i f f oder die L a d u n g die G e f a h r der B e s c h l a g n a h m e oder E i n z i e h u n g h e r b e i f ü h r e n k ö n n e n (Zoll- oder Kriegskonterbande). Die Strafdrohung bezieht sich nur auf Seeschiffe und nur auf die im Gesetze genannten Personen (Dritte können als Teilnehmer strafbar sein). Der V o r s a t z muß das Bewußtsein der Gefährdung umfassen. 2 ) Die V o l l e n d u n g tritt mit der Anbordnahme ein. S t r a f e : Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Jahren.

§ 147.

5. Die Sachhehlerei

(Partiererei).

Literatur. Beling VD Bes. T. 7 1. — Heimberger (Lit. 7u § 49). A. Frank Der subjektive Tatbestand der Sachhehlerei (V. Lll. Heft 25) 1899. Wedeil Der Tatbestand der Sachhehlerei, Greifswalder Diss. 1900. Köhler GS 61 44. V. Bar Gesetz 2 797. Arnold. Der Tatbestand der Sachhehlerei. Würzburger Diss. 1907. Jantschejf Die Sachhehlerei. Leipziger Diss. 1908. Guddewill Das Delikt der Partiererei nach geltendem Recht (V. Lil. Heft 109) 1909. Westhoff Die Sachhehlerei (§ 259 RStGB) verglichen mit der sogenannten Personenhehlerei (§ 258 daselbst). Erlanger Diss. 1912. — Vgl. auch Drews und die übrige zu § 183 angegebene Literatur. HlS (Lit. zu § 8 II) § 9. I. Geschichte. Erst das s p ä t r ö m i s c h e Recht hat, wenn wir von der auf das triplum gehenden actio furti concepti absehen, die Sachhehlerei, das crimen receptatorum („pessimum genus hominum, sine quibus nemo latere diu potest"), als selbständiges Vergehen mit Strafe bedroht (D. 47, 16) und darunter sowohl das Hehlen der durch Diebstahl oder Raub erlangten Sachen als auch das Verbergen des Verbrechers verstanden. Das d e u t s c h e M i t t e l a l t e r stellt den Hehler dem Stehler gleich, ohne ein selbständiges Verbrechen d?r Sachhehlerei zu kennen. Infolgedessen .schweigt dann auch die PGO in ihrem strafrechtlichen Teile über die Hehlerei, führt aber in Art. 40 unter den Verdachtsgründen gegen jene, „so Räubern oder Dieben helfen", auch den ') In V E § 187 unter die Straftaten gegen die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs gestellt und hinsichtlich der möglichen Subjekte verallgemeinert. Dagegen von GE § 340 richtig bei den Vermögensgefährdungen eingereiht. [KE § 277 und E 1919 § 267 behandeln den Fall in dem Abschnitt „Gemeingefährliche Handlungen. Störung des öffentlichen Verkehrs".] *) Ebenso R 43 383 und Rosenberg in RGRäteKomm. § 397 Note 6.

512

§ 145-

5- Die Sachhehlerei (Partiererei).

F a l l an, daß „einer wissentlich und gefährlicherweise von geraubtem oder gestohlenem Gute B e u t e oder Teil n i m m t " . I m g e m e i n e n R e c h t und in der auf diesem beruhenden L a n d e s g e s e t z g e b u n g wird zumeist (anders z. B . Preußen 1620, Österreich 1787, die den Ankauf gestohlener Sachen als selbständiges Vergehen behandeln) die Sachhehlerei m i t der Begünstigung zusammen als Fall der Teilnehmung an dem begangenen Vermögensvergeheu aufgefaßt (so auch im A L R ) . D i e S t G B ü c h e r des 19. Jahrhunderts sind bemüht, einerseits die B e günstigung von der Hehlerei zu trennen, andererseits beiden Verbrechen die ihnen zukommende Stellung im Systeme des Besonderen Teiles anzuweisen. 1 ) Dagegen hat das R S t G B in Abweichung von dem preußischen S t G B nicht nur Begünstigung und Sachhehlerei in einunddemselben Abschnitte zusammengefaßt, sondern auch durch Aufstellung des Zwitterbegriffes der einfachen Hehlerei ( S t G B § 258) beide Vergehen in eine unnatürlich nahe innere Verbindung gebracht. V E § 1 7 2 hat zwar die persönliche Begünstigung als Straf vereitelung zu den Straftaten gegen die Rechtspflege gestellt, die sachliche Begünstigung dagegen immer noch mit der Hehlerei zusammen unter den Vermögensdelikten behandelt ( V E §§ 280, 281). Dagegen hat G E § 341 den T a t bestand der sachlichen Begünstigung gestrichen, den Tatbestand der Hehlerei selbst aber subjektiv (Gewinnabsicht nicht erforderlich) und objektiv (Verschaffung oder Sicherung des Besitzes genügt) erweitert. K E §§ 233 (Strafvereitelung), 3 7 1 (sachliche Begünstigung), 372 (Hehlerei) folgt leider, wenn auch mitVerbesserungen im einzelnen, der vom V E gewiesenen falschen B a h n . [ E 1 9 1 9 §§ 234, 235, 383 bis 385 bringt ebenso, wie K E , die sachliche Begünstigung wieder, stellt diese mit der persönlichen Begünstigung (Strafvereitelung) nicht unter die Straftaten gegen die Rechtspflege, sondern in einen besonderen Abschnitt, in dem der jetzige § 49a, ferner Komplott und Bande als selbständige Delikte erscheinen, und bildet für die Hehlerei einen eigenen Abschnitt. Die Tatbestände sind im einzelnen vielfach verbessert.]

II. Nach S t G B § 259 begeht Sachhehlerei, wer seines Vorteils wegen Sachen, von denen er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß sie mittels einer strafbaren Handlung erlangt sind, verheimlicht, ankauft, zum Pfände nimmt oder sonst an sich bringt oder zu deren Absätze bei anderen mitwirkt. Das Absetzen selbst ist nicht genannt, muß aber unter dem „Mitwirken zum Absatz" mitverstanden werden. Demnach erscheint die Sachhehlerei als A u f r e c h t e r h a l t u n g , in den meisten Fällen sogar als Vertiefung und Sicherug einer r e c h t s w i d r i g e n V e r m ö g e n s l a g e ; sie tritt zu einer bereits erfolgten Vermögensbeschädigung hinzu, setzt diese begrifflich voraus, bringt aber den dem Berechtigten entzogenen Vermögensgegenstand in noch weitere Entfernung von dessen Verfügungsgewalt. 1 . Ihr Gegenstand sind S a c h e n , d i e m i t t e l s e i n e r s t r a f b a r e n H a n d l u n g e r l a n g t s i n d . Also S a c h e n (nicht Rechte), gleichgültig, ob bewegliche oder nicht, ob fremde oder nicht; Hehlerei ist auch möglich in bezug auf die Sache, die der Eigentümer dem l ) Beling 225 vertritt nach wie vor die Auffassung, daß die Sachhehlerei a l s Nachtäterschaft eine Erscheinungsform der V o r t a t sei.

§ 147-

5- Die Sachhehlerei (Partiererei).

513

Rückhaltungsberechtigten entzogen hat. Gegenstand der Hehlerei sind ferner nur jene S a c h e n s e l b s t , die, mögen sie auch einer Bearbeitung unterzogen werden, unmittelbar durch die betreffende strafbare Handlung erlangt worden sind; nicht aber andere an deren Stelle getretene Sachen oder der aus ihnen gewonnene Erlös oder die mit dem gestohlenen Gelde angekaufte Sache.*) Die Sachen müssen mittels einer (nach deutschem Recht) s t r a f b a r e n , wenn auch im Ausland begangenen, Handlung, sei diese auch nur eine Übertretung, erlangt sein. Die strafbare Handlung kann Eigentumsverletzung oder irgendein anderes Vermögensvergehen sein. Ist die Sache durch ein A n t r a g s v e r g e h e n erlangt worden, so liegt auch bei mangelndem Antrag (oben § 45) eine strafbare, wenn auch nicht verfolgbare Handlung vor; die durch sie erlangten Sachen können mithin Gegenstand der Sachhehlerei sein. War dagegen die Handlung n i c h t s c h u l d h a f t begangen, so kann, weil sie eine „strafbare" nicht ist, nicht Hehlerei, wohl aber gegebenenfalls Unterschlagung angenommen werden.3) Dasselbe gilt bei S t r a f a u f h e b u n g s g r ü n d e n , z. B. bei Verjährung (bestritten). Dagegen wird der Begriff der Hehlerei durch das Vorliegen eines p e r s ö n l i c h e n S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d e s (z. B. Diebstahl zwischen Ehegatten, oben § 44 II) nicht berührt. 4 ) Die strafbare Handlung muß das M i t t e l gewesen sein, durch das die Sachen erlangt wurden; sie muß daher als vollendete Handlung der Sachhehlerei vorangegangen sein, den Sachen den ihnen anhaftenden Makel bereits aufgeprägt haben. Wird erst durch den Verkauf der Sache Unterschlagung begangen, so ist der Kaufende nicht Hehler, sondern Gehilfe an der Unterschlagung. Die Sachen erscheinen nicht als m i t t e l s einer strafbaren Handlung erlangt, wenn die Vortat fremde Vermögensrechte nicht verletzt hat, mag sie immerhin einen Verstoß gegen öffentlichrechtliche Vorschriften enthalten. Dies gilt vom Betteln, der gewerbsmäßigen Unzucht, der Schmuggelei, von der Jagdausübung durch den Jagdberechtigten während der Schonzeit usw. Hehlerei liegt daher auch nicht in dem Erwerb von Brotmarken usw. durch s ) Vgl. R 25 402. Dabei ist aber § 950 BGB zu beachten. So auch R 68 167. Die Entwürfe stellen den Sachen „ihren Erlös sowie die für sie angeschafften Gegenstände" ausdrücklich gleich. ') Dies gilt von der Begehung durch einen Nichtzurechnungsfähigen, wie bei Ausschluß des Vorsatzes durch Irrtum usw. So bezüglich der Strafunmündigen (vgl. aber oben § 38 Noten 2 und 4) die herrschende Ansicht:

Allfeld 564, v. Bar 801, Beling 67, Binding Lehrb. 1 386, Frank § 259 II, Lobe

in RGRäteKomm. § 259 Note 2d, Schwartz § 259 Note 3. Dagegen R 6 336, 18 298. R 36 73 schließt jedoch in diesem Falle Sachhehlerei aus. K E und E 1919 haben Hehlerei bei Vortat eines Nichtzurechnungsfähigen ausdrücklich anerkannt, bezüglich des Tatirrtums dagegen abgelehnt. *) Ebenso R 60 199; Lobe in RGRäteKomm. § 259 Note 2d. v. L i s i t , Strafreclit.

24. Aufl.

33

514

§ ¡47-

5- D ' e Sachhehlerei (Partiererei).

Übertragung von seiten des Berechtigten. 5 ) Erwerb von unanfechtbarem Eigentum schließt in jedem Falle den Begriff der Hehlerei aus. 2. Die Handlung besteht darin, d a ß d e r H e h l e r d e m B e rechtigten die Wiedererlangung erschwert oder unmögl i c h t m a c h t . D a s Gesetz zählt die unter diesen Begriff fallenden Handlungen ausschließend auf: a) Das „ V e r h e i m l i c h e n " (oben § 137 Note 9), durch das dem Berechtigten die A u f f i n d u n g erschwert oder unmöglich gemacht wird; b) das „Ansichbringen" durch A n k a u f , in Pfand nehmen 53 ) oder auf eine andere A r t , durch die der Hehler die tatsächliche Verfügungsgewalt vom Täter übertragen erhält; 6 b ) c) d a s „Mitwirken zum A b s a t z " bei anderen, 8 ) d. h. zur wirtschaftlichen Veräußerung 7 ) durch Verkauf, Tausch, Verpfändung usw., mag der A b s a t z auch nicht erfolgt sein. Als „Ansichbringen" ist auch d a s s i n n l i c h e G e n i e ß e n (Essen, Trinken) der erlangten Sachen aufzufassen, wenn der Genießende die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache erlangt hatte, nicht aber das bloße Mitgenießen. 8 ) 3. Die Sachhehlerei m u ß um des eigenen (nicht notwendig rechtswidrigen) Vorteils des Hehlers willen (Absicht!) vorgenommen sein. V e r m ö g e n s v o r t e i l wird nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht gefordert (bestritten); j e d e r Vorteil genügt (unten § 175 IV). D i e Absicht kann a u c h auf Begünstigung des Täters gerichtet gewesen sein; dann ist Idealkonkurrenz von Hehlerei und Begünstig u n g anzunehmen. 9 ) 4. Die Sachhehlerei kann vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden: a) Der V o r s a t z m u ß das Bewußtsein umfassen, d a ß die Sache durch eine s t r a f b a r e Handlung erlangt ist. Irrige Annahme dieses Tatbestandsmerkmals begründet untauglichen Versuch. b) Auch die f a h r l ä s s i g e Sachhehlerei ist strafbar. A b e r nicht jede, andrerseits nicht nur die grobe, Fahrlässigkeit fällt, unter das Gesetz, sondern nur ein g a n z bestimmter F a l l des fahrlässigen V e r haltens: „ W e n n der T ä t e r den Umständen nach annehmen m u ß , d a ß die Sache durch eine strafbare Handlung erlangt i s t " . Die 6 ) Ebenso R 37 230 (verbotenes Fangen von Singvögeln) und wiederholt (Brotmarken). R 52 318, 53 30. Vgl. Gentz GA 65 418. *») Vgl. RMilG 22 226. 5 b) Enger R 5 3 104. — R 52 203 verlangt kein persönliches Zugreifen des Hehlers, sondern läßt jedes Verhalten genügen, das die Unterwerfung der Sache unter die eigene Verfügungsgewalt zum Ausdruck bringt. •) Auch bei dem Geschädigten selbst, der z. B. die ihm gestohlene Sache nicht erkennt; R 80 401. ') Also nicht das Verschenken; ebenso R 32 214 und Lobe in RGRäteKomm. § 259 Note 3c gegen Binding Lehrb. 1 390. •) Ebenso Allfeld 565, Frank § 259 IV, Schwartz § 259 Note 4; R 3 9 308, 365, RMilG 17 265. Dagegen v. Bar 812, Beling 73. Zweifelnd Lobe in RGRäteKomm. § 259 N o t e 3b. •) Ebenso R 47 220, 50 308.

§ 147-

5- Die Sachhehlerei (Partiererei),.

515

F a h r l ä s s i g k e i t m u ß sich also gerade auf den Ursprung der verhehlten Sache beziehen. 1 0 ) S c h u l d (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) m u ß im Augenblicke der H a n d l u n g vorhanden sein; mithin, soweit ein „ A n s i c h b r i n g e n " s t a t t g e f u n d e n h a t , in diesem Augenblick. Sollte daher der g u t g l ä u b i g e r E r w e r b e r einer Sache nachträglich erfahren, daß die Sache v o n seinem G e w ä h r s m a n n durch eine strafbare H a n d l u n g erlangt worden ist, so kann er sich durch jetzt eintretende Verhehlung der Sache n i c h t aus S t G B § 259 strafbar m a c h e n . 1 1 ) 5. Die Sachhehlerei ist vollendet, sobald eine der im Gesetze a n g e f ü h r t e n T ä t i g k e i t e n gesetzt ist, sobald die Sache e i n e n weiteren S c h r i t t aus dem Machtbereiche des Berechtigten g e m a c h t hat. W e n n also A eine gestohlene Sache am 1. J a n u a r in Frankreich a n g e k a u f t u n d am 1. Juli in Deutschland weiter v e r k a u f t hat, so k a n n er nur wegen j e n e s A n k a u f e s , n i c h t wegen d i e s e s V e r k a u f e s zur V e r a n t w o r t u n g gezogen werden. 1 2 ) D o c h können a n d e r e Personen hinsichtlich derselben Sache sich weiterer Hehlerei schuldig machen. 6. B e z ü g l i c h der Täterschaft und der Teilnahme gelten die allgemeinen Grundsätze. D a die Hehlerei nicht Teilnahme, sondern selbständig strafbare H a n d l u n g ist, m ü ß t e auch an sich B e t e i l i g u n g des an d e m V o r v e r b r e c h e n Beteiligten an der Sachhehlerei als möglich angesehen, werden. Doch ist die A n e i g n u n g der Sache durch den E r s t t ä t e r selbst und seine Teilnehmer, soweit sie als V e r w i r k lichung der z u m Begriff des Vorverbrechens erforderlichen A b s i c h t erscheint, nach allgemeinen Regeln (oben § 55 I I 4b) straflos. 1 3 ) I I I . Die Strafe. 1. B e i e i n f a c h e r S a c h h t h l e r e i ( S t G B § 259): Gefängnis. 2. B e i g e w e r b s - 1 3 3 ) o d e r g e w o h n h e i t s m ä ß i g e r (oben Sachhehlerei ( S t G B § 2 6 0 ) : Zuchthaus bis zu zehn J a h r e n .

§ 55

III)

, 0 ) Vgl. oben § 42 V . Sehr bestritten. 1. Mit dem T e x t Allfeld 566, Frank § 259 V , V. Lilienthal 53, Seuffert Z 14 593. — 2. Die herrschende A n s i c h t sieht in den fraglichen Worten eine Regel für den Nachweis des Vorsatzes (also eine widerlegliche Schuldvermutung); so R 25 221, 3 8 286, 3 9 6, R M i l G 22 92; v. Bar 822, Beling 92, Binding L e h r b . 1 392, Lobe in R G R ä t e K o m m . § 259 N o t e 5a, Schwartz § 259 Note 6, Wachenfeld 452. — 3 . Grobe F a h r l ä s s i g k e i t ist erforderlich nach Köhler 118 und I i 2 140. — 4. J e d e Fahrlässigkeit soll genügen nach V. Buri G S 29 51, A. Frank 18, Merkel 327. — Die S t r e i t f r a g e dürfte durch das B G B entschieden sein, das unter dem „ K e n n e n m ü s s e n " stets Fahrlässigkeit versteht. Dagegen (ohne Begründung) v. BülOW G S 59 9. J 1 ) E b e n s o v. Bar 818; abweichend R 3 3 120, Binding L e h r b . 1 393. " ) E b e n s o R 50 194. 13 ) Ähnlich Allfeld 566, v. Bar 828, Delaquis J W 47 179, Frank § 259 V I . Dagegen Beling 85, Drews, Schwartz § 259 Note 7, auch R 3 2 394, 3 4 304, die, unter sich vielfach abweichend, bezüglich der Teilnehmer an der V o r t a t ideale oder reale Konkurrenz annehmen. 1 3 a ) Hierzu (in Übereinstimmung m i t dem oben § 55 I I I 1 Gesagten) R 58 i 5 5 .

33*

4. Aufl. 37

578

i 169.

5. S t r a f b a r e Handlungen gegen staatsbürgerliche Rechte.

Telegraphie ohne Erlaubnis der zuständigen Militärbehörde A u f nahmen macht oder veröffentlicht (§ 12). V. Ergänzende Bestimmungen. 1. Ausländer, die wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens gegen dieses Gesetz zu Freiheitsstrafe verurteilt werden, können nach Verbüßung der Strafe von der Landespolizeibehörde aus dem Reichsgebiet ausgewiesen werden (§ 14). 2. Hat der Täter für Begehung eines Verbrechens oder Vergehens gegen dieses Gesetz E n t g e l t empfangen, so ist das Empfangene oder dessen Wert in dem Urteil für dem Staat verfallen zu erklären (§ 15). 3. Auch die von Inländern (nicht aber von Ausländern) im Ausland begangenen Delikte der §§ 1, 3, 5, 6, 8 des Gesetzes sind ohne weitere Voraussetzung (oben § 22 IV 1 a) strafbar (§ 16). § 168.

4. D i e Majestätsbeleidigung.

Literatur, van Calker VD Bes. T. 1 91. Meents (Lit. zu § 164). Doehn Z 21 468. Tuteur Die Majestätsbeleidigung des deutschen R S t G B . Würzburger Diss. 1905, Bleeck (Lit. zu § 95). Griese Die Majestätsbeleidigung usw. Göttinger Diss. 1909. Boelcke Die Majestätsbeleidigung des deutschen R S t G B . Heidelberger Diss. 1911. Hamm Reform 2 16.

[Die strafrechtlichen Bestimmungen über die Majestätsbeleidigung sind, wie oben § 164 II dargelegt ist, seit dem November 1918 gegenstandslos und bedürfen in diesem Lehrbuch keiner Erörterung mehr.]

§

169.

5. Strafbare

Handlungen gegen staatsbürgerliche

Rechte.

Literatur. ME. Mayer V D Bes. T. 1 257. — Freudenthal (Lit. zu § 137). Spira bei Grünhut 35 379 (Wahlfälschung). Sello Der Schutz der öffentlichen Wahlen nach dem R S t G B . Greifswalder Diss. 1908. Gottschalk Der Schutz des Wahlrechts im V E (in Haerings Festgabe für v. Liszt S. 73) 1911. Hesse Die Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte. Erlanger Diss. 1916. Rosenthal Über den reichsrechtlichen Schutz des Wahlgeheimnisses 1918. Frank D J Z 24 140. I. Gegenüber dem geltenden Recht h a t der V E §§ 118 bis 122 Vereinfachungen des Tatbestandes, besonders durch Zusammenfassung der §§ 105, 106, gebracht u n d in der „ W a h l s t ö r u n g " ein neues Delikt geschaffen. G E §§ 129—134 gestaltet die T a t b e s t ä n d e als Erfolgsdelikte, stellt der Hinderung überall die Nötigung gleich, schützt den Wahlberechtigten gegen Bedrohung m i t wirtschaftlichen Nachteilen u n d gegen arglistige Täuschung und bedroht a u c h die „Verletzung des Wahlgeheimnisses". K E 4. und 5. Abschnitt (§§ 151 bis 153, 154 bis 160) stellt die „Angriffe gegen gesetzgebende Versammlungen" einerseits (unter Scheidung der Angriffe auf die Versammlung selbst und der Angriffe auf ihre einzelnen Mitglieder) u n d die „Wahlvergehen" anderseits in getrennte Abschnitte u n d schiebt, ohne das Wahlgeheimnis strafrechtlich zu schützen, als neuen T a t b e s t a n d den „ W ä h l v e r r u f " ein (wirtschaftlicher Verruf

§ 169.

5- Strafbare Handlungen gegen staatsbürgerliche Rechte.

«57g

wegen Ausübung oder Nichtausübung des Wahlrechts). [ E 1919 bildet für die beiden Deliktsgruppen ebenfalls zwei getrennte Abschnitte, stellt in den §§ 150—152 den Parlamenten die Regierungen gleich und scheidet aus den Wahlvergehen den „Wahlverrut" wieder aus. Mit Rücksicht auf die neuen Verfassungen im Reich und in den Ländern werden die Abstimmungen in öffentlichen Angelegenheiten (Volksentscheid, Volksbegehren) den Wahlen koordiniert. Das Wahlgeheimnis als solches zu schützen, hält auch E 1919 nicht für erforderlich.]

I I . Strafbare Handlungen gegen gesetzgebende Versammlungen des D e u t s c h e n R e i c h s oder eines B u n d e s s t a a t e s . 1 ) 1. D a s U n t e r n e h m e n , eine dieser K ö r p e r s c h a f t e n (als G a n z e s o d e r ihre Ausschüsse) 2 ) a) a u s e i n a n d e r z u s p r e n g e n ; b) zur F a s s u n g oder U n t e r l a s s u n g v o n B e s c h l ü s s e n (durch G e w a l t oder D r o h u n g ) z u n ö t i g e n ; c) M i t g l i e d e r aus i h n e n g e w a l t s a m (Drohung g e n ü g t d a h e r n i c h t ) zu e n t f e r n e n ( S t G B § 105). S t r a f e : Zuchthaus nicht unter fünf Jahreil oder Festungshaft von gleicher Dauer; bei mildenden Umständen Festungshalt nicht unter einem J a h r e . Versuch unmöglich (oben § 46 Note 10).

2. D i e d u r c h G e w a l t oder d u r c h B e d r o h u n g m i t einer s t r a f baren H a n d l u n g b e g a n g e n e V e r h i n d e r u n g eines M i t g l i e d e s einer d e r u n t e r 1. b e z e i c h n e t e n V e r s a m m l u n g e n , a) sich an d e n O r t d e r V e r s a m m l u n g zu begeben oder b) zu s t i m m e n ( S t G B § 106). 3 ) Ü b e r die B e g r i f f e G e w a l t u n d D r o h u n g v g l . oben § 98 I I I . Nach S t G B § 339 A b s . 3 s t e h t diesen M i t t e l n d e r M i ß b r a u c h oder d i e A n d r o h u n g eines b e s t i m m t e n M i ß b r a u c h s der A m t s g e w a l t g l e i c h . Über den Begriff der Verhinderung vgl. das unter I I I 1 Gesagte. S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer; bei mildernden Umständen Festungshaft bis zu zwei Jahren.

I I I . Strafbare Handlungen gegen das politische W a h l - und Stimmrecht. 1. D i e W a h l - u n d S t i m m v e r h i n d e r u n g , d. h. die d u r c h G e w a l t o d e r B e d r o h u n g m i t einer s t r a f b a r e n H a n d l u n g b e g a n g e n e V e r h i n d e r u n g eines D e u t s c h e n (nicht des A u s l ä n d e r s ) , in A u s ü b u n g seiner s t a a t s b ü r g e r l i c h e n R e c h t e z u w ä h l e n oder z u s t i m m e n ( S t G B § 107). G e s c h ü t z t ist d a s p o l i t i s c h e W a h l - und S t i m m r e c h t , a l s o die B e t e i l i g u n g an allen ö f f e n t l i c h e n A n g e l e g e n h e i t e n in S t a a t ( P r o v i n z , K r e i s ) und G e m e i n d e d u r c h A b g a b e der S t i m m e ü b e r h a u p t , d u r c h W a h l zu den „ p o l i t i s c h e n K ö r p e r s c h a f t e n " ( S t G B § 197) insbesondere. D i e A u s d r ü c k e „ i n A u s ü b u n g seiner s t a a t s Dies sind: Der Reichstag; die Volksvertretungen (Landesversammlungen) der Länder (Art. 17 Reichsverf.); die Senate und Bürgerschaften der freien Hansestädte. Vgl. Mayer 264. *) Bestritten. Wie der T e x t Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 105 N o t e 2 . Dagegen Frank § 105, Schwartz § 105 Note 1, Wachenfeld 546. s ) Ü b e r die Sitzungsdisziplin vgl. oben § 32 Note 5.

37*

580

§ 169-

5• S t r a f b a r e Handlungen gegen staatsbürgerliche

Rechte.

bürgerlichen Rechte" (StGB § 107) und „in einer öffentlichen Angelegenheit" (§§ 108 und 109) sind gleichbedeutend. 4 ) Kirchliche Wahlen sind ebenso ausgeschlossen wie Handelskammerwahlen, Wahlen auf Grund der Versicherungsgesetze usw. Der „Verhinderung" steht zwar nicht die N ö t i g u n g zur Ausübung des Wahlund Stimmrechts überhaupt (nur nach S t G B § 240 strafbar, so daß Androhung der Boykottierung straflos bleibt), wohl aber die Nötigung zu dessen Ausübung nach einer anderen als der dem Willen des Genötigten entsprechenden Richtung gleich. 5 ) S t G B § 339 Abs. 3 findet auch hier Anwendung. S t r a f e : Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Festungshaft (von einem Tag) bis zu fünf Jahren. Versuch s t r a f b a r .

2. Die W a h l f ä l s c h u n g . Sie umfaßt (StGB § 108) a) die F ä l s c h u n g i. e. S. oder die H e r b e i f ü h r u n g eines unrichtigen Ergebnisses bei Wahlhandlungen (nicht 6 ) anderen Abstimmungen) in öffentlichen Angelegenheiten und b) die V e r f ä l s c h u n g eines solchen Wahlergebnisses. Das Wahlergebnis ist g e f ä l s c h t , wenn die tatsächliche Ausübung des Wahlaktes dem Gesetze nicht entspricht, mithin z. B. ein Unberechtigter zur Wahl oder ein Berechtigter nicht oder zu mehrfacher 7 ) Stimmabgabe zugelassen wurde; es ist v e r f ä l s c h t , wenn seine Feststellung der tatsächlichen Ausübung nicht entspricht, also z. B. die abgegebenen Stimmzettel unrichtig gezählt und eingetragen werden. 8 ) V o r s a t z - i s t in beiden Fällen erforderlich; er muß sich auch auf die Herbeiführung des unrichtigen Ergebnisses erstrecken. Geschützt sind nur i n l ä n d i s c h e Wahlen. S t r a f e : a) Gefängnis bis zu zwei Jahren; b) wenn der Täter mit der S a m m l u n g von W a h l - oder Stimmzetteln oder -zeichen oder m i t der Führung der Beurkundungsverhandlung (auch als Beisitzer) b e a u f t r a g t war, Gefängnis v o n einer W o c h e bis zu drei Jahren, -t— In beiden Fällen Ehrverlust zulässig. 4) V g l . a u c h oben § 9 7 N o t e 4 . — Im wesentlichen übereinstimmend R 7 223, 20 420; Allfeld 636, Binding L e h r b . 2 822, Freudenthal 65, Mayer 274. D a gegen R 41 121 (auch Ortskrankenkassen) und im Anschluß an diese E n t s c h . Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 107 N o t e x . Frank §§ 107 I, 108 I n i m m t den A u s d r u c k dort enger (nicht Gemeindewahlen), hier weiter als der T e x t (auch Angelegenheiten der Kirchen, Universitäten, öffentlichen Krankenhäuser). Ganz unklar Schwartz § 107 N o t e 1. — K F . § 154 stellt die deutschen öffentlichen Körperschaften und deren V e r t r e t u n g sowie die deutschen Behörden ausdrücklich den gesetzgebenden Versammlungen gleich. 6) Übereinstimmend Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 107 Note 2. K E stellt die Nötigung der Hinderung gleich und f ü g t dem W a h l z w a n g die W a h l täuschung hinzu. E b e n s o E 1919. •) Dagegen Binding L e h r b . 2 824, 828, Mayer 275. D o c h spricht § 108 nur von „ W a h l h a n d l u n g e n " . ') R 37 380. •) Ebenso im wesentlichen R 20 420. Die Eintragung eines Unberechtigten in die Wählerlisten gewährt ihm das W a h l r e c h t nicht; so R 37 234, 239, 297 gegen R 21 414.

§ 170. 3. Der der

Kauf

6. Stralbare Handlungen gegen fremde Staaten.

Stimmenkauf

oder Verkauf

(inländischen)

von

Angelegenheit

oder

die

Wahlbestechung,

Wahlstimmen (StGB

§

109).

in einer Der

d.

i.

öffentlichen Vorteil

muß

Gegenwert für die A b s t i m m u n g sein; Freifuhrwerk, Freigabe des Arbeitstages usw. genügt nicht. 9 ) S t r a f e : Gefängnis von einem Monat bis zu zwei Jahren; daneben Ehrverlust zulässig.

§ 170.

6.

Strafbare Handlungen gegen fremde Staaten.

Literatur. Gerland V D Bes. T. 1 1 1 3 . — Lammasch Z 3 3 7 6 . v. Mörtitz ( U t . zu § 2 1 ) 1 6 0 , 7 1 . Rosenblatt L A 8 9 7 . Meents (Lit. zu § 1 6 4 ) 5 4 . Rahn Die völkerrechtliche Verbürgu.ig der Gegenseitigkeit im System des deutschen Strafrechts. Greifswalder Diss. 1 9 0 2 . Pracht Feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten. Leipziger Diss. 1 9 0 7 . Schuler Hochverratsähnliche Handlungen gegen befreundete Staaten 1 9 0 9 . Mettgenberg L A 15 i (Reziprozität) . V. Liszt Völkerrecht § 2 4 . Derselbe in der Festgabe fiir V. Mörtitz 1 9 1 1 S. 4 3 7 . v. Bar Gesetz 1 2 0 5 . Kern D S t Z 6 3 4 1 . I. Das Völkerrecht bindet lind berechtigt nicht den einzelnen Bürger eines einzelnen Staates, sondern stets und ausnahmslos den Staat selbst"). Der Staat allein ist völkerrechtliches Rechtssubjekt; er allein mithin das mögliche Subjekt eines v ö l k e r r e c h t l i c h e n D e l i k t s . Aber die Zugehörigkeit zu der Rechtsgemeinschaft der völkerrechtlich geeinten Kulturstaaten verpflichtet jeden einzelnen Staat, Angriffe auf einen der übrigen Staaten, die durch die seiner Gewalt unterworfenen Personen unternommen werden, zu unterdrücken und zu bestrafen. Übertretungen der zu diesem Zwecke aufgestellten Vorschriften erscheinen daher formell als Verletzung des heimischen, des n a t i o n a l e n Rechts, nicht des Völkerrechts, inhaltlich als Gefährdung der völkerrechtlichen Beziehungen des Deutschen Reichs zu den Auslandsstaaten. 1 ) Ebendarum aber kann die nationale Gesetzgebung den Strafschutz auf die Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft und auf die Zeiten des friedlichen völkerrechtlichen Verkehrs beschränken. Dies ist der Sinn, in dem unser S t G B von „befreundeten" Staaten spricht. Zu ihnen gehört nicht der Bundesgenosse unseres Kriegsgegners, auch nicht der Staat, der, ohne den Krieg zu erklären, die diplomatischen Beziehungen zu uns abgebrochen hat. Nur der Schutz des § 1 0 4 reicht über die völkerrechtlichen Glieder der Völkerrechts•) V g l . das oben § 137 IV 3 Gesagte. — Stimmenkauf ist auch der Kauf der Wahlenthaltung; ebenso R 48 70. — Die Vollendung tritt auch hier mit der Willenseinigung ein; daß die W a h l erfolgt, ist nicht erforderlich. Ebenso Frank § 109 I, Mayer 285, Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 109 Note 4; dagegen Binding Lehrb. 2 833. — Der Vorteil m u ß wenigstens mittelbar dem Stimmverkäufer zugute kommen; R 47 71. •) D u r c h A r t . 4 der Reichsverf. v . 1 1 . A u g . 1919 werden die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts nunmehr ohne weiteres in Bestandteile des deutschen Reichsrechts verwandelt. Vgl. Giese Die Reichsverfassung, 2. A u f l . 1920, Note I I 3 u. 4. *) Ähnlich Gerland. K E überschreibt den Abschnitt „Störung auswärtiger Beziehungen", E 1 9 1 9 spricht von „Störung der Beziehungen zum A u s l a n d " . Zu beachten ist für die ganze Gruppe, daß die Verletzung völkerrechtlicher Normen durch Einzelpersonen durch das nationale R e c h t jederzeit unter Strafe gestellt werden k a n n . V g l . dazu Hafter Schweizer Z 80 132.

§ iyo.

6. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n gegen f r e m d e S t a a t e n .

gemeinschaft (Kennzeichen das uneingeschränkte commercium) hinaus a u c h a u f diejenigen S t a a t e n , die s t ä n d i g e V e r t r e t e r beim D e u t s c h e n R e i c h o d e r dessen G l i e d s t a a t e n b e g l a u b i g t h a b e n . [ D i e Ereignisse v o m N o v e m b e r 1 9 1 8 h a b e n die A n w e n d b a r k e i t der §§ 1 0 2 — 1 0 4 R S t G B u n b e r ü h r t gelassen. Inw i e w e i t insbesondere i m H i n b l i c k auf § 103 ( B e l e i d i g u n g ausländischer L a n d e s herren oder R e g e n t e n ) v o n einer V e r b ü r g u n g der G e g e n s e i t i g k e i t die R e d e sein k a n n , ist T a t f r a g e . ] V E §§ 123 bis 125 w i e d e r h o l t i m wesentlichen d a s g e l t e n d e R e c h t in k ü r z e r e r F a s s u n g . G E §§ 168 bis 172 h a t bei der B e l e i d i g u n g v o n G e s a n d t e n d a s s u b j e k t i v e E r f o r d e r n i s der „ A b s i c h t der E h r v e r l e t z u n g " , der „ B ö s w i l l i g k e i t " u n d des „ V o r b e d a c h t s " b e i g e f ü g t und die B e a m t e n n ö t i g u n g (unten § 1 7 1 N o t e 1) wie den N e u t r a l i t ä t s b r u c h a u f g e n o m m e n . K E § 1 7 9 h a t a u c h den W i d e r s t a n d gegen die S t a a t s g e w a l t eines ausländischen S t a a t e s bei v e r b ü r g t e r G e g e n s e i t i g k e i t als A n t r a g s d e l i k t unter S t r a f e gestellt und so die u n t e n § 171 N o t e 1 b e s p r o c h e n e S t r e i t f r a g e entschieden. [ E 1 9 1 9 w i e d e r h o l t i m wesentlichen d a s g e l t e n d e R e c h t , v e r a l l g e m e i n e r t a b e r d a s E r f o r d e r n i s der V e r b ü r g u n g der G e g e n s e i t i g k e i t . ]

I I . A l s , .feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten" bedroht das R S t G B folgende F ä l l e : 1. Die V o r n a h m e einer Handlung gegen einen a u ß e r d e u t s c h e n S t a a t oder dessen L a n d e s h e r m , die, wenn gegen einen B u n d e s staat oder einen B u n d e s f ü r s t e n begangen, als H o c h v e r r a t unter S t G B §§ 81 bis 86 fiele ( S t G B § i o 2 ) . u ) A l s B e d i n g u n g der Straf b a r k e i t v e r l a n g t § 102 V e r b ü r g u n g d e r G e g e n s e i t i g k e i t , d. h . der entsprechend schweren B e s t r a f u n g dieser H a n d l u n g n a c h d e m a u s l ä n d i s c h e n R e c h t , w e n n sie gegen d a s D e u t s c h e R e i c h oder einen deutschen E i n z e l s t a a t g e r i c h t e t ist. D i e „ V e r b ü r g u n g " m u ß im A u g e n b l i c k der T a t wie in d e m der A b u r t e i l u n g ( S t G B § 2 A b s . 2) b e s t e h e n ; sie b r a u c h t n i c h t d u r c h G e s e t z oder S t a a t s v e r t r a g , sie k a n n a u c h d u r c h einen die G e w ä h r k ü n f tiger F e s t h a l t u n g bietenden G e r i c h t s g e b r a u c h (Gewohnheitsrecht) g e g e b e n sein. 2 ) W ä h r e n d der d e u t s c h e S t a a t s a n g e h ö r i g e sowohl im I n l a n d e w i e i m A u s l a n d e , u n d hier o h n e die B e s c h r ä n k u n g der §§ 4, 5 S t G B (oben § 22 I V 1), f ü r die B e g e h u n g d e r a r t i g e r H a n d l u n g e n v e r a n t w o r t l i c h g e m a c h t wird, h a f t e t der A u s l ä n d e r n u r w ä h r e n d s e i n e s A u f e n t h a l t e s i m I n l a n d e . Auch hier ist der A u f e n t h a l t s o r t , n i c h t der B e g e h u n g s o r t m a ß g e b e n d . 1 a) D i e T a t s a c h e , d a ß d e u t s c h e B u n d e s f ü r s t e n heute s t r a f r e c h t l i c h e n S c h u t z n i c h t m e h r g e n i e ß e n , h i n d e r t die A n w e n d b a r k e i t d e s § 102, a u c h s o w e i t er auf § 81 Z i f f . 1 v e r w e i s t , n i c h t . D i e s e V e r w e i s u n g erfolgt j a nur, u m eine n o c h m a l i g e A u f z ä h l u n g der T a t b e s t ä n d e der §§ 81 bis 86 zu v e r m e i d e n . L ö s t m a n die V e r w e i s u n g a u f , so e r h ä l t m a n a n erster S t e l l e folgenden T a t b e s t a n d : „ E i n D e u t s c h e r w e l c h e r es u n t e r n i m m t , i m I n l a n d e oder A u s l a n d e , oder ein Ausländer, w e l c h e r es u n t e r n i m m t , w ä h r e n d seines A u f e n t h a l t s i m I n l a n d e den L a n d e s h e r r n eines n i c h t z u m D e u t s c h e n R e i c h e gehörenden S t a a t e s z u t ö t e n , g e f a n g e n z u n e h m e n , in F e i n d e s G e w a l t z u liefern o d e r zur R e g i e r u n g u n f ä h i g zu m a c h e n , w i r d . . . b e s t r a f t . " D i e A n w e n d b a r k e i t dieses S t r a f g e s e t z e s ist g a n z u n a b h ä n g i g v o n der T a t s a c h e , d a ß D e u t s c h l a n d h e u t e k e i n e Landesherrn mehr hat. S c h w i e r i g k e i t e n k ö n n e n nur i m H i n b l i c k a u f d i e V e r b ü r g u n g der G e g e n s e i t i g k e i t e n t s t e h e n ; d a r ü b e r v g l . oben I. E b e n s o w o h l a u c h Kern 344. a) V g l . R 88 75. W i e der T e x t a u c h Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 103 N o t e 4. K E u n d E 1919 v e r l a n g e n a u s d r ü c k l i c h v e r b ü r g t e G e g e n s e i t i g k e i t z u r Z e i t der T a t .

§ lyo.

6. Strafbare Handlungen gegen fremde Staaten.

583

Die Verfolgung tritt nur a u f A n t r a g der a u s w ä r t i g e n R e g i e r u n g ein; der Antrag ist rücknehmbar. Die S t r a f e beträgt a) in den Fällen der §§ 81 bis 84 S t G B Festungshaft von einem bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren; b) in den Fällen der §§ 85 und 86 S t G B Festungshaft von einem Monat bis zu drei Jahren. 2. Die (tätliche oder nicht tätliche) B e l e i d i g u n g des L a n d e s h e r r n oder Regenten eines nicht zum Deutschen Reiche gehörenden Staates (StGB § 103). Die nichtbeleidigende Tätlichkeit genügt nicht; anders K E . Gegenseitigkeit muß verbürgt sein. K E verzichtet auf Gegenseitigkeit wie Antrag, wenn die Handlung gegen das fremde Staatsoberhaupt während seines Aufenthalts im Inland begangen wurde. Der Präsident eines fremden Freistaates nird heute noch ebensowenig geschützt wie ein fremdes Volk. Auch nicht der Papst, da dieser zwar einzelne Souveränitätsrechte besitzt, aber nicht Souverän ist. — Diejenigen Hechtssätze über gemeine Beleidigung, die, sei es aus dem Begriffe der Beleidigung, sei es aus den allgemeinen Begriffen des Strafrechts, sich ergeben, müssen uneingeschränkt auch gegenüber der Beleidigung des § 103 angewendet werden, mögen sie auch zufällig in dem 14. Abschnitt des StGB Aufnahme gefunden haben. So ist § 193 S t G B zwar nicht a l s s o l c h e r , wohl aber in seinem aus allgemeinen Grundsätzen sich ergebenden I n h a l t e auch für die Beurteilung der Beleidigung des § 103 maßgebend (oben § 98 I \ ) . Dasselbe gilt vom Wahrheitsbeweise usw. S t r a f e : Gefängnis von einer Woche bis zu zwei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer. Antrag erforderlich; antragsbrechtigt die auswärtige Regierung; Antrag rücknehmbar.') 3. Die (tätliche oder nicht tätliche) B e l e i d i g u n g e i n e s bei dem Reich oder einem Lande beglaubigten G e s a n d t e n (StGB § 104).4) Zu den Gesandten gehören auch die Geschäftsträger, wie die päpstlichen Nuntien. Die Gesandten, die ein deutscher Einzelstaat bei einem anderen unterhält, werden durch § 104 nicht geschützt; die §§ 185ff. finden vielmehr Anwendung. 6 ) S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre oder Festungshaft von gleicher Dauer. Verfolgung nur aut Antrag des Beleidigten; Antrag rücknehmbar. 4. Strafbare Handlungen an A u t o r i t ä t s - o d e r H o h e i t s z e i c h e n eines außerdeutschen Staates (StGB § 103a), Tatbestand und Strafe entsprechen dem § 135 S t G B . Vgl. darüber unten § 176 V. a ) Wird der Antrag gestellt, so ist die öffentliche Klage zu erheben; StPO §§ 4141'f., auch § 416, finden keine Anwendung. So auch Oerland 235, Dagegen Schwarte § 103 Note 3. *) Die §§ 185H. StGB sind anzuwenden, soweit sie strenger sind. Privatklage hier möglich. Dagegen die gem. Meinung; auch Gerland 239. Übereinstimmend Olshausen § 104 6, Rosenfeld (oben § 43 Note 6) 104, Schwarte § 104 Note 2. *) Ebenso Frank § 104 I; dagegen Wdchenfeld 544 (unter Verkennung der bundesstaatlichen Natur des Deutschen Reichs).

Zweiter A b s c h n i t t .

Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt § 171.

I . Gewaltsamer E i n g r i f f in A m t s h a n d l u n g e n .

Literatur. ME. Mayer VD Bes. T. 1 349, 434. V. Bar Gesetz 8 163. — Schultz Widerstand gegen die auswärtige Staatsgewalt. Berliner Diss. 1881. HiUer Die Rechtmäßigkeit der Amtsausiibung im Begriffe des Vergehens der Widersetzlichkeit 1873. Streit Die Widersetzung gegen die Staatsgewalt 1892. Schlesinger Der Aufruhr [§ 1 1 5 R S t G B ] (V. Lil. Heft 52) 1904. Flesch Zur Lehre von der Rechtmäßigkeit der Amtsausübung 1906. V. Valta Der Aufruhr im bürgerlichen und militärischen Strafrecht. Erlanger Diss. 1906. Eisemann Der Aufruhr. Erlanger Diss. 1907. Mersmann Der Begriff der Rechtmäßigkeit der Amtsausübung usw. § 1 1 3 S t G B (V. Lil Heft 96) 1909. GoldSChmtdt Ungerechtfertigter Vollstreckungsbetrieb (Abhandlgn. zum Privatrecht und Zivilprozeß, Band 20 Heft 3) 1910. Derselbe Reform 2 39. Beuthner I/ie Rechtmäßigkeit der Amtsausübung beim Widerstand gegen die Staatsgewalt 1917. I. Mit erhöhtem S t r a f s c h u t z e umkleidet d a s heimische R e c h t die T ä t i g k e i t seiner B e a m t e n als der Vollstrecker des S t a a t s willens. Und zwar n u r s e i n e r B e a m t e n . Sowenig unsere Gesetzgebung den ausländischen S t a a t und seine V e r t r e t e r dem I n l a n d e gleichstellt, selbst wo sie d u r c h ausdrückliche B e s t i m m u n g S t r a f androhungen gegen den Angriff auf d a s Ausland r i c h t e t , ebensowenig oder r i c h t i g e r : noch weniger Veranlassung h a t sie zur Gleichstellung der inländischen und der ausländischen S t a a t s b e a m t e n . U n d d a ausdrückliche B e s t i m m u n g e n fehlen, müssen wir m i t h i n die in diesem P a r a g r a p h e n zu erörternden S t r a f d r o h u n g e n a u f die Gewalt gegen i n l ä n d i s c h e S t a a t s b e a m t e beschränken. 1 ) Im Anschluß an die römischen Bestimmungen über seditio und tumultus bedroht PGO 137 denjenigen, der „gefährliche, fürsetzliche und boshafte A u i *) Die Frage ist gerade hier lebhaft bestritten. Im Sinne des Textes: Binding Lehrb. 2 327, Ebermayet in RGRäteKomm. § 110 Note i a , Frank vor § 1 1 0 , Hegler (Lit. zu § 21) 95, Mayer 439, Schultz 14, 61, Schwatz Note 1 vor § 110, Seuffert Z 15 820, Streit 69. Dagegen: Alljeld 622, auch R 8 53, 15 221. — Das entscheidende Gewicht lege ich auf S t G B §§ 102 bis 104. Nach der gegnerischen Ansicht wären diese Paragraphen unbegreifliche Folgewidrigkeiten. — GE hat durch § 169 die Streitfrage zugunsten der Gleichstellung gelöst. Über K E § 179 vgl. oben § 170 I. [E 1 9 1 9 § 186 Abs. 3 stellt die ausländischen Beamten den inländischen nur insoweit gleich, als sie im Einvernehmen mit der zuständigen deutschen Behörde oder soweit sie im Ausland zum Schutze deutscher Rechtsgüter tätig werden. Die §§ 2ff. sollen dadurch nicht berührt werden. In der Tat erscheint diese Regelung empfehlenswert.]

§171.

i . Gewaltsamer Eingriff in Amtshandlungen.

r ü h r e n des gemeinen Volkes wider die Obrigkeit macht", mit der Schwertstrafe, in milderen Fällen mit körperlicher Züchtigung und Landesverweisung. Daran hielt das gemeine Ree lt fest, soweit es sich um die seditio simplex handelte (Preußen 1620 hebt schon die „Rädleinführer" hesonders hervor), während die schwereren Fälle zum Hochverrat gerechnet wurden. Daneben aber hatten schon die Stadtrechte des deutschen Mittelalters die Vergewaltigung von Stadtdienern, Wachen, Richtern, Beamten mit schweren Strafen belegt, und das gemeine Recht betrachtete die violatio personarum publicarum als besonderen Fall der vis publica. In der neueren Gesetzgebung (Frankrsich 1791, ALR) entwickelten sich daraus, allerdings unter fortwährendem Schwanken, die besonderen Vergehen des Auflaufs und Aufruhrs einerseits, des „Widerstands gegen die Staatsgewalt" (offence ä la loi) mit den verschiedensten Abstufungen andererseits. V E §§ T26 bis 128 hat die beiden ersten Begriffe festgehalten, dagegen die §§ 113, 114, 117, n 8 , 119 in einen § 126 zusammengefaßt und neben den tätlichen Angriff nur die Nötigung zur Vornahme oder Unterlassung von Amtshandlungen gestellt. GE hat sich im wesentlichen angeschlossen, aber in den erweiterten Abschnitt „Angriffe gegen die Staatsgewalt" eine Reihe anderer Tatbestände aufgenommen (§§ 135 bis 152). K E §§ 191, 193 schließt sich mit verschiedenen Abänderungen au V E im allgemeinen an, stellt aber die Hinderung der Nötigung gleich, so daß der „Widerstand" keiner Erwähnung mehr bedarf. E 1919 §§ 184 bis 188 lehnt sich an K E an. I I . Widerstand gegen die Staatsgewalt ( S t G B § 1 1 3 ) l i e g t v o r , w e n n einem B e a m t e n , d e r z u r V o l l s t r e c k u n g d e s S t a a t s w i l l e n s , also v o n G e s e t z e n , B e f e h l e n und A n o r d n u n g e n d e r V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n oder v o n U r t e i l e n u n d V e r f ü g u n g e n d e r G e r i c h t e b e r u f e n ist, 2 ) in d e r r e c h t m ä ß i g e n A u s ü b u n g eines A m t e s d u r c h G e w a l t oder d u r c h B e d r o h u n g m i t G e w a l t W i d e r s t a n d g e l e i s t e t w i r d . 1. D e r B e g r i f f des B e a m t e n ist a u s S t G B § 3 5 9 z u e n t n e h m e n (vgl. u n t e n § 178 I I I ) ; d o c h s t e l l t d a s G e s e t z als „ A m t s t r ä g e r " d e n B e a m t e n g l e i c h : a) J e n e P e r s o n e n , die z u r U n t e r s t ü t z u n g d e s B e a m t e n z u g e z o g e n w a r e n ; b ) M a n n s c h a f t e n der b e w a f f n e t e n M a c h t c) M a n n s c h a f t e n einer G e m e i n d e - , S c h u t z - oder B ü r g e r w e h r . G l e i c h g e s t e l l t sind ferner d u r c h § 3 des G v o m 21. N o v e m b e r 1887 d i e B e f e h l s h a b e r der z u m S c h u t z e der T e l e g r a p h e n k a b e l b e r u f e n e n Schiffe. 2. D i e A m t s a u s ü b u n g m u ß , w i e s c h o n d a s g e m e i n e R e c h t (Leyser, Engau u. a.) f o r d e r t e , eine r e c h t m ä ß i g e s e i n ; sie i s t es, w e n n n i c h t n u r d i e a) in d e n r i c h t i g e n F o r m e n v o r g e n o m m e n e A m t s h a n d l u n g b) i n n e r h a l b d e r G r e n z e n d e r a l l g e m e i n e n Z u s t ä n ') Hierher gehört auch der Gerichtsvollzieher als Zustellungsbeamter; R 41 82. K E hat den Schutz auf a l l e Beamten oder Behörden und die zu ihrer Unterstützung zugezogenen Personen ausgedehnt. [Auch E 1919 hat den vom geltenden Recht gemachten Unterschied zwischen Vollstreckungsbeamten und Beamten anderer Art beseitigt und die Sonderstellung der Jagd- und 1 orstbeamten (vgl. unten § 172) aufgegeben. (Vgl. Denkschrift S. 151.)] **) Dazu rechnet R 58 65 mit Recht auch die von der Reichsregierung aufgestellten Zeitfreiwilligen-Formationen.

586

§i7i.

i . Gewaltsamer Eingriff in A m t s h a n d l u n g e n .

digkeit des Beamten sich bewegt, sondern auch c) im Einzelfalle ihre Vornahme bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der dem Beamten im Augenblicke vorliegenden Umstände als geboten erscheint, mag sie auch nachträglich, bei Klärung der Sachlage, als überflüssig oder sogar ungerechtfertigt sich darstellen. Wenn der ausführende Beamte dem Befehle des Vorgesetzten zu gehorchen unbedingt verpflichtet war, so befindet er sich in rechtmäßiger Amtsausübung (vgl. oben § 35 I). 3 ) Irrige Annahme der Rechtmäßigkeit von Seiten des Beamten kann deren Mangel nicht ersetzen. 4 ) Mit der Überschreitung der Grenzen der Rechtmäßigkeit beginnt auch hier die Berechtigung des Widerstandes. 3. Der Widerstand muß „in der Ausübung des A m t e s " (oder Dienstes) geleistet, mithin g e g e n d i e A m t s h a n d l u n g s e l b s t gerichtet sein. E r muß „durch Gewalt" (an Personen oder Sachen) 5 ) oder durch „Bedrohung mit Gewalt" (oben § 98) geleistet werden. Weigerung, den Namen zu nennen, eine Sache herauszugeben, die Tür zu öffnen, sich verhaften zu lassen. Sichanklammern usw. bleibt als „passiver Widerstand" straflos. 4. V o r s a t z ist erforderlich. E r umfaßt auch hier alle Tatbestandsmerkmale, also auch die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung. Irriger Glaube des Täters, daß die Amtsausübung eine unrechtmäßige sei, schließt mithin die Strafbarkeit des Widerstandes aus.*) 5. S t r a f e : Gefängnis von vierzehn Tagen bis zu zwei J a h r e n ; bei mild e r n d e n U m s t ä n d e n Gefängnis bis zu einem J a h r e oder G e l d s t r a f e bis zu t a u s e n d Mark. 7 )

I I I . T ä t l i c h e r A n g r i f f auf eine der unter I I genannten Per3 ) E b e n s o Ebermayer i n R G R ä t e K o m m . § 113 N o t e n b . Dagegen Allfela 640, Binding L e h r b . 2 773, Frank § 113 IV, Mayer 447, Schwartz § 113 N o t e 3, Wachenfeld 556. — G E § 136 b e s t i m m t , d a ß R e c h t m ä ß i g k e i t vorliege, „wenn der B e a m t e innerhalb seiner Z u s t ä n d i g k e i t und u n t e r B e o b a c h t u n g d e r wesentlichen Formen g e h a n d e l t h a t " . 4 ) Abweichend R 30 348, d a s auch hier (oben § 40 N o t e 2) den T a t i r r t u m , n i c h t a b e r den R e c h t s i r r t u m f ü r r e l e v a n t h ä l t . e ) Frank § 113 V I v e r l a n g t G e w a l t gegen die P e r s o n des B e a m t e n . W i e •der T e x t Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 113 N o t e 7 a . •) L e b h a f t b e s t r i t t e n . F ü r die hier v e r t r e t e n e Ansicht spricht die F a s s u n g d e s Gesetzes wie seine E n t s t e h u n g s g e s c h i c h t e u n d B e d e u t u n g . E b e n s o Allfeld 641, Beuthner, Binding L e h r b . 2 778, Frank § 113 V I I , Mayer 455, Mersmann, Olshausen § 113 28, Rosenberg Z 28 325, Schwartz § 113 N o t e 9, Streit 109, Wachenfeld 557. Dagegen R wiederholt, z u l e t z t 12 6; RMilG 12 169, 14 72. Vgl. a u c h u n t e n § 172 N o t e 2, § 175 N o t e 6. K E § 191 Abs. 3 h a t die R e c h t m ä ß i g k e i t der A m t s a u s ü b u n g ausdrücklich zur o b j e k t i v e n Bedingung der S t r a f b a r k e i t g e m a c h t . E 1919 § 185 d r o h t m i l d e r e S t r a f e f ü r den Fall a n , d a ß der T ä t e r in der irrigen A n n a h m e h a n d e l t , die A m t s - oder D i e n s t h a n d l u n g sei n i c h t r e c h t m ä ß i g , u n d l ä ß t den T ä t e r bei u n v e r s c h u l d e t e m I r r t u m s t r a f f r e i . *) Besondere B e s t i m m u n g e n vielfach in den Nebengesetzen; so in d e n Zoll- u n d Steuergesetzen, N a h r u n g s m i t t e i g , VOD 1879 § 9 usw. H ä u f i g sind insbes. ergänzende O r d n u n g s s t r a f e n a n g e d r o h t . Besonders wichtig sind die Vorschriften der Seemannsordng.; vgl. u n t e n § 198 V I I I .

§ iji.

i . Gewaltsamer Eingriff in Amtshandlungen.

s o n e n , w ä h r e n d sie in d e r r e c h t m ä ß i g e n o d e r D i e n s t e s b e g r i f f e n ist ( S t G B § 1 1 3 ) . g l e i c h b e d e u t e n d m i t „ T ä t l i c h k e i t " (oben n i c h t die V e r e i t e l u n g d e r A m t s h a n d l u n g Strafe wie unter II.

A u s ü b u n g ihres A m t e s „ T ä t l i c h e r A n g r i f f " ist § 96 I). Er braucht zum Zwecke zu haben.

I V . D i e Nötigung zu Amtshandlungen, d . h. d a s U n t e r n e h m e n , d u r c h G e w a l t oder D r o h u n g (nicht n o t w e n d i g D r o h u n g m i t G e w a l t ) 8 ) e i n e B e h ö r d e (oben § 97 N o t e 3) oder e i n e n B e a m t e n zur V o r n a h m e oder U n t e r l a s s u n g einer A m t s h a n d l u n g z u n ö t i g e n ( S t G B § 1 1 4 ) . S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten; bei mildernden Umständen Gefängnis bis zu zwei Jahren oder (nach der Noyelle von 1912) Geldstrafe bis zu zweitausend Mark. Idealkonkurrenz mit § 113 möglich.')

V . A u f r u h r ist die B e t e i l i g u n g a n einer ö f f e n t l i c h e n Z u s a m m e n r o t t u n g (oben § 1 1 9 I I I 3), bei der eine der u n t e r I I b i s I V b e zeichneten Handlungen mit vereinten K r ä f t e n begangen wird ( S t G B § 1 1 5 ) . D e r V o r s a t z des T ä t e r s s c h l i e ß t die K e n n t n i s in sich, d a ß solche Handlungen begangen werden.93) S t r a f e : Gefängnis nicht unter sechs Monaten (Vergehen); gegen die R ä d e l s f ü h r e r (oben § 51 Note 6) sowie die Personen, die eine der unter I I bis IV bezeichneten Handlungen (als Täter) begangen haben, Zuchthaus bis zu zehn Jahren, neben dem Polizeiaufsicht zulässig ist; bei mildernden U m ständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten (Verbrechen). 10 )

V I . A u f l a u f ist die r e c h t s w i d r i g e V e r s a m m l u n g einer M e n s c h e n m e n g e auf ö f f e n t l i c h e n (d. h. a l l g e m e i n z u g ä n g l i c h e n ) W e g e n , S t r a ß e n oder P l ä t z e n (nicht also in a b g e s c h l o s s e n e n R ä u m e n , a u f P r i v a t g r u n d s t ü c k e n ) ; eine polizeilich g e n e h m i g t e V e r s a m m l u n g u n t e r freiem H i m m e l (Vereinsg. v o n 1908 § 7) g e h ö r t m i t h i n n i c h t h i e r h e r . S t r a f b a r ist ( S t G B § 1 1 6 ) j e d e r d e r V e r s a m m e l t e n , d e r , w e n n d i e M e n s c h e n m e n g e v o n dem z u s t ä n d i g e n B e a m t e n o d e r (dem z u s t ä n d i g e n ) B e f e h l s h a b e r der b e w a f f n e t e n M a c h t a u f g e f o r d e r t wurde, s i c h zu e n t f e r n e n , n a c h d e r d r i t t e n A u f f o r d e r u n g sich n i c h t entfernt. V o r s a t z e r f o r d e r l i c h ; dieser ist a u s g e s c h l o s s e n , w e n n d e m T ä t e r die d r e i m a l i g e A u f f o r d e r u n g u n b e k a n n t b l e i b t . A n d e r e r s e i t s b r a u c h t er sie n i c h t selbst g e h ö r t z u h a b e n . •) E s genügt Drohung mit der Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen; mögen diese persönliche oder allgemeine, die amtliche Wirksamkeit betreffende sein, R 46 106. Vgl. auch RMilG 22 35 (Die Androhung, eine Angelegenheit „dem Reichstage zu unterbreiten", ist nicht ohne weiteres eine „Drohung" im Sinne des § 114). •) Die gem. Meinung betrachtet § 113 als den engem gegenüber § 114, gelangt aber damit zu ganz unbefriedigenden Ergebnissen (mildere Strafe im schwereren Fall): So Allfeld 642, Binding I.ehrb. 2 783, Frank § 114 I , Mayer 463, Schwartz § 114 Note 6, Wachenjeld 558; auch R, zuletzt 3 1 3 , 84 113. • •) Beteiligung des Täters an der Gewalttätigkeit selbst ist nicht erforderlich. Vgl. unten § 174 I I I 2. " ) Über militärischen Aufruhr vgl. MilStGB §§ 106 bis 110 (unten § 205).

§ 172.

2. Gewalt gegen Forst- oder Jagdbeamte usw.

S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark. -— Ist bei einem Auflaufe gegen die Beamten oder die bewaffnete Macht mit vereinten Kräften tätlicher Widerstand geleistet oder Gewalt (gegen Personen oder Sachen) verübt worden, so treten gegen diejenigen, die an diesen Handlungen teilgenommen haben, die Strafen des Aufruhrs ein.

§ 172. 2. Gewalt gegen Forst- oder Jagdbeamte und die ihnen gleichgestellten Personen. Literatur. Hofacker Die persönlichen, sachlichen und örtlichen Grenzen des strafrechtlichen Schutzes beim Forstwiderstand unter besond. Berücksichtigung der preuß. Landesgesetzgebung. Greifswalder Diss. 1918. ME. Mayer (Lit. zu § 170). I . Dem preußischen G vom _ 1. März 1837 folgend, hat das R S t G B die Gewalt gegen Forst- oder Jagdbeamte, Waldeigentümer, Forst- oder Jagdberechtigte oder gegen einen von diesen bestellten Aufseher mit strengen Strafen bedroht (§§ 117 bis 119) und sie dem „Widerstande gegen die Staatsgew a l t " angereiht, 1 ) obwohl diese Personen meist Privatpersonen sein werden oder doch Staatsbeamte nicht zu sein brauchen. Die Entwürfe dehnen den Schutz auf die Fischereiberechtigten aus. K E und E 1919 aber beseitigen die b e s o n d e r e n Strafschärfungen, die das geltende R e c h t für den Widerstand gerade gegen diese Personenkategorien vorsieht.

I I . E s gehören hierher zwei Fälle, die den oben § 1 7 1 unter I I und I I I behandelten entsprechen: 1. Der durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt geleistete Widerstand gegen die genannten Personen, wenn sie in der rechtmäßigen Ausübung ihres Amtes oder Rechts begriffen sind; 2. der tätliche Angriff gegen sie während der (rechtmäßigen) Ausübung ihres Amtes oder Rechts. Der Vorsatz muß auch hier (oben § 1 7 1 Note 6) das Bewußtsein umfassen, daß der Gegner in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes oder Rechtes handle. 2 ) Daß die rechtswidrige Handlung i n n e r h a l b oder zwar außerhalb des Revieres, aber in unmittelbarem Zusammenhange mit einer i n n e r h a l b des Revieres vorgenommenen Amtshandlung oder Rechtsausübung stattgefunden habe, ist nicht erforderlich; es genügt die Richtung der Handlung gegen die Ausübung des Amtes oder Rechtes. 2 a ) Ebensowenig läßt sich bei dem klaren Wortlaute des Gesetzes die Ansicht rechtfertigen, daß nicht die Ausübung des Jagdrechts oder anderer Privatrechte, sondern n u r die in Ausübung des Forst- und Jagdschutzes g e g e n F o r s t ') Ebendeshalb beschränkt sich der Schutz auf solche Personen, deren Befugnis auf inländischem R e c h t beruht. Vgl. B i n d i n g l.ehrb. 2 788, Hofacker 22, 23. 2) Ebenso hier die gem. Meinung, insbes. R 20 156, 27 70. '*)'Hofacker 112, Frank § 117 I I I 1 a .

§ 173-

und J a g d f r e v l e r meint seien. 3 )

3- Die Befreiung von Gefangenen.

vorgenommenen

Handlungen

589

in

§ 117

ge-

I I I . Die Strafe ist vielfach abgestuft. 4 ) a) Regelmäßiger Strafrahmen: Gefängnis von vierzehn Tagen bis zu drei Jahren; bei mildernden Umständen Gefängnis bis zu einem Jahre (StGB § 117). b) Bei Anwendung von Drohungen mit Schießgewehr, Äxten oder anderen gefährlichen Werkzeugen6) oder von Gewalt an der Person (des Beamten oder Berechtigten): Gefängnis nicht unter drei Monaten, bei mildernden Umständen nicht unter einem Monate (StGB § 117). c) Wenn durch den Widerstand oder den Angriff eine Körperverletzung dessen, gegen den die Handlung begangen ist, verursacht worden ist: Zuchthaus bis zu zehn Jahren; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten (StGB § 1 1 8 ) . d) Wenn eine der Handlungen von mehreren gemeinschaftlich (oben § 50 Note 13) begangen worden ist, so kann die Strafe (a bis c) bis um die Hälfte des angedrohten Höchstbetrages, die Gefängnisstrafe jedoch nicht über fünf Jahre erhöht werden (StGB § 119). § 173.

3. Die Befreiung von

Gefangenen.

Literatur. ME. Mayer Die Befreiung von Gefangenen 1906. — Hälschnet 2 960. Stenglein Z i 487. Günther 3 475. Ho/mann Die Gefangenenbefreiung usw. 1903. Heß Beiträge von der Lehre zur Gefangenenbefreiung 1904. Roitzsch Die Gefangenenbefreiung usw. Leipziger Diss. 1906. Brügger Die Befreiung von Gefangenen nach dem d. R S t G B und dem schweizer. Vorentwurf. Heidelberger Diss. 1908. Lambach Die Gefangenenbefreiung. Erlanger Diss. 1 9 1 7 .

I. Die Befreiung von Gefangenen ist Eingriff in das s t a a t l i c h e H a f t r e c h t . Danach bestimmt sich ihre Stellung im System des Strafrechts. Dabei haben wir unter „Gefangenen" zu verstehen : Untersuchungs- und Strafgefangene, in zivilprozessualer wie in polizeilicher H a f t Befindliche; auch wer im Arbeitshaus nach S t G B § 362, nicht aber, wer in der Zwangserziehungsanstalt 1 ) oder im Irrenhause 2 ) festgehalten wird, gehört hierher. Gestellung auf Grund eines Vorführungsbefehls genügt; nicht aber Festnahme 3 ) Dagegen die gem. Meinung, insbes. AUfeld 643 (gegen seine frühere Ansicht), Frank § 1 1 7 I I I , Hofacker 49, Mayer 454, Schwartz § 117 Note 1, Wachenfeld 557, sowie R wiederholt, zuletzt 20 156. *) K E § 193 Abs.. 2 kennt als einzigen Schärfungsgrund den Eintritt schwerer Gefahr für Leib oder Leben. Ebenso E 1 9 1 9 § 188 (dazu Denkschrift S- 1 5 3 ) . ') Über das „gefährliche Werkzeug" vgl. oben § 88 I I . Das Schießgewehr muß der Täter dem Bedrohten erkennbar zur Hand gehabt haben; R 28 3 1 4 . >) Ebenso Allfeld 644, Binding Lehrb. 2 585, Mayer 6, Wachenfeld 560; sowie R 39 7, 48 226; dagegen R 15 39 (§ 120 soll anwendbar sein, wenn die Freiheitsbeschränkung über das gewöhnliche Maß der Schulzucht hinausgeht) sowie Frank § 120 II, Schwartz § 120 Note 2, Lambach 15. Die Landesgesetze betr. die Zwangserziehung (auch Preußen 1900) enthalten besondere Strafdiohungen, deien Rechtsgüitigkeit aber zum mindesten zweiielhaft erscheint. *) Selbstverständlich nur, soweit nicht die Anhaltung als Strafverbüßung gilt. Ebenso Allfeld 644, Binding 2 584, Mayer 7, Lambach 14. Weitergehend

R 44 171 und Frank § 120 II.

590

§173-

3- Die Belrciung von G e f a n g e n e n .

durch einen Privaten nach StPO § 127. Der auf Ehrenwort internierte Kriegsgefangene ist durch die Anweisung eines bestimmten Aufenthaltsortes nicht nur moralisch, sondern tatsächlich in der Macht der Obrigkeit, mithin „Gefangener" im Sinne des Gesetzes. 3 ) I I . Geschichte. Die gemeinrechtliche Auffassung der B e f r e i u n g von Gef a n g e n e n (effractio carceris) r u h t auf dem römischen R e c h t e . Dieses b e d r o h t seit der Kaiserzeit nicht nur die (eventuell als laesa m a j e s t a s zu b e s t r a f e n d e Befreiung durch D r i t t e , sondern a u c h die Selbstentweichung des G e f a n g e n e n . Insbesondere aber wird d a s Entweichenlassen d u r c h den G e f a n g e n e n a u f s e h e r , den commentariensis, b e s t r a f t und dabei, wenn auch in ganz u n g e n ü g e n d e r Weise, zwischen Vorsatz, Fahrlässigkeit und Zufall zu unterscheiden v e r s u c h t ; im schwersten Falle t r i f f t den Aufseher die S t r a f e des E n t w i c h e n e n (also eine Art Talion; G ü n t h e r 1 150). E b e n s o b e s t i m m t P G O A r t . 180: „ S o ein H ü t e r der peinlichen Gefängnisse einem . . . aushilft, der h a t dieselbe peinliche S t r a f e a n s t a t t des Ü b e l t a t e r s , den er also ausgelassen, verwirkt. K a m ' a b e r der Gef a n g e n e d u r c h b e m e l d ' t e n H ü t e r s U n f l e i ß aus Gefängnis, solcher Unfleiß ist nach der Gestalt der Sachen zu s t r a f e n . " D a s gemeine R e c h t setzt an die Stelle der Talion (die sich noch K u r p f a l z 1582, H a m b u r g 1603, P r e u ß e n 1685 findet) willkürliche S t r a f e u n d h ä l t im Gegensatze zu den römischen Quellen a n der Überzeugung fest, d a ß die B e s t r a f u n g der Seibstbefreiung dem ebenso n a t ü r lichen wie mächtigen Triebe nach Freiheit zuwiderläuft, mithin u n n ü t z u n d d a r u m verwerflich ist. D a s R S t G B h a t , im Anschluß a n P r e u ß e n 1851, d a s A m t s d e l i k t des § 347 von den übrigen Fällen losgetrennt; die Selbstbefreiung bleibt a u c h hier grundsätzlich straffrei. V E § 12g h a t die §§ 120, 121 u n d 374 als Gelangenenbefreiung z u s a m m e n g e f a ß t und in § 130 d a n e b e n die Meuterei gestellt. G E §§ 139, 140 stellt den „ G e f a n g e n e n " „ a n d e r e auf behördliche A n o r d n u n g v e r w a h r t e P e r s o n e n " (Fürsorgezöglinge, gemeingefährliche Irre, Trinker) ausdrücklich gleich und löst d a m i t verschiedene Streitfragen des geltenden R e c h t s . K E § 201 h a t diesen besonderen T a t b e s t a n d als „ B e f r e i u n g von behördlich V e r w a h r t e n " ü b e r n o m m e n u n d a u ß e r d e m (§§ 197 bis 200) Meuterei u n d Ausbruch, vorsätzliche Befreiung und fahrlässiges E n t w e i c h e n lassen von Gefangenen in g e t r e n n t e n P a r a g r a p h e n b e h a n d e l t . E 1 9 1 9 schließt sich in den §§ 189 bis 193 a n K E a n .

I I I . Das R S t G B unterscheidet drei Fälle. 4 ) 1. Die Selbstbefreiung, regelmäßig straflos, ist nach dem R S t G B § 122 nur strafbar als M e u t e r e i , und zwar a) mit Gewalt g e g e n P e r s o n e n , wenn die Gefangenen sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften a) die Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten a n g r e i f e n oder ß) diesen W i d e r s t a n d l e i s t e n oder y) es unternehmen, 6 ) sie zu Handlungen oder Unterlassungen zu n ö t i g e n , oder 3 ) Ebenso Allfeld 644, Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 120 N o t e i f , Mayer 5, Merkel 395, Schwartz § 120 N o t e 2, Wachenfeld 560; a u c h M i l S t G B § 159. Dagegen Binding L e h r b . 2 386, Lambach 8 u n d 15. *) Hofmann u n d Mayer weisen m i t R e c h t darauf h i n , d a ß § 122 gegenü b e r § 115 ganz überflüssig ist. — Vgl. auch oben § 166 I I 3 ; M i l S t G B §§ 58 Ziff. 11, 79, 80, 144, 159 (unten § 205). Über die „Meuterei a n B o r d " , die G E § 141 hier e i n f u g t , vgl. u n t e n § 198 V I I I 4 und 5. Ü b e r das A m t s d e l i k t des § 347 S t G B vgl. unten § 179 V 5. ') Über das „ U n t e r n e h m e n " vgl. oben § 46 N o t e 5.

§ 174-

4- Die Störung des öffentlichen Friedens.

591

b) mit Gewalt g e g e n S a c h e n , wenn Gefangene sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften einen gewaltsamen Ausbruch unternehmen. 4 ) S t r a f e : Gefängnis nicht unter sechs Monaten; gegen diejenigen Meuterer, die Gewalttätigkeiten gegen die Anstaltsbeamten oder gegen die mit der B e aufsichtigung Beauftragten verüben, Zuchtnaus bis zu zehn Jahren, neben dem Polizeiaufsicht zulässig ist. Im übrigen genügt zur Bestrafung die B e teiligung an der Zusammenrottung mit dem Bewußtsein, daß von den B e teiligte.! eine der genannten Handlungen begangen werde.

2. Die vorsätzliche Befreiung eines Gefangenen aus der Gefangenanstalt oder aus der Gewalt der bewaffneten Macht, des Beamten oder desjenigen, unter dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung er sich (etwa während der Außenarbeit) befindet ( S t G B § 120). 7 ) Gleichgestellt ist die vorsätzliche Beihilfe zu der, wenn auch an sich straflosen S e l b s t b e f r e i u n g , während die Anstiftung dazu straflos bleibt. Teilnahme an der in § 120 bedrohten Befreiung eines a n d e r e n ist nach allgemeinen Grundsätzen strafbar. Doch kann der Gefangene selbst nach dem § 52 V 2 Gesagten nicht wegen Anstiftung oder Beihilfe zu dem Vergehen des § 1 2 0 gestraft werden. 8 ) S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Jahren. Der Versuch (auch der Beihilfe zur Selb;tbefreiung,") oben § 52 Note 6) ist strafbar. B e a m t e werden nach S t G B § 347 (unten § 179 V 5) gestraft.

3. Das vorsätzliche (nicht fahrlässige) 10 ) Entweichenlassen eines Gefangenen sowie die vorsätzliche oder fahrlässige Beförderung der Befreiung des Gefangenen (durch einen Dritten oder Selbstbefreiung) von Seiten einer mit der Beaufsichtigung (Bewachung) oder Begleitung beauftragten Person (StGB) § 1 2 1 . S t r a f e : a) bei vorsätzlichem Handeln Gefängnis bis zu drei J a h r e n ; b) bei fahrlässiger Beförderung der Befreiung Gefängnis bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert Mark.

§ 174.

4. Die Störung des öffentlichen Friedens.

Literatur, v. Hippel V D Bes. T. 2 1. — John Landzwang und widerrechtliche Drohungen 1852. Koenig Das Vergehen des Landzwangs nach § 1 2 6 R S t G B . Erlanger Diss. 1917. Hälschner 2 1 2 9 , 487. Heilborn Z 18 1 , 1 6 1 . Oeiker Beilagen N r . ' 3 7 bis 40 zur (Münchener) Allg. Zeitung von 1895. Goehrs (Lit. *) Kasuistik in R 49 429 (Öffnung der Kleiderkammer), 50 85 (räumliches Zusammensein bei Ausbruch erforderlich); RMilG 20 50 (Aufgraben des Erdbodens), 20 160 (Zurückdrücken des Schloßriegels mit einem Dietrich). ') Vorübergehende Entziehung bei Absicht der Rückkehr genügt; R 41 3578 ) Überemst>mi"epd Finning L " b r u . 2 5 ? : , Frar.k S i - o IV, Mayer i 3 , Lambach 22. Dagegen R 8 140, Olshausen § 120 7. •) Dagegen Binding Lehrb. 2 590, Mayer 26. 10 ) Ebenso Frank § 121 I I ; dagegen Mayer 31.

592

§ 174-

4-

Störung des öffentlichen Friedens.

zu § 121). Weil Die Aufreizung zum Klassenkampf (V. LH. Heft 65) 1905 Elble Der Kanzelparagraph. Heildelberger Diss. 1908. Pfeiffer Die strafrechtliche Stellung der Geistlichkeit 1911. Liffschütz Die strafrechtliche Bekämpfung .geistlicher Übergriffe in weltliches Gebiet (V. Lil. Heft 177) 1913.

I. Der öffentliche Friede als Rechtsgut der Gesamtheit (oben § 1 2 1 ) ist o b j e k t i v die schützende Macht der in der Rechtsordnung verkörperten Staatsgewalt (der „Friedenszustand"), s u b j e k t i v das Vertrauen der Rechtsgenossen in diese Macht, also in den ungestörten Fortbestand der Rechtsordnung (die, .Friedenszuversicht"). 1 ) Der öffentliche Friede wird daher nicht nur durch die gewalttätige Störung der Friedensordnung (Landfriedensbruch), sondern auch durch die Erschütterung des Gefühls der Rechtssicherheit (Landzwang) v e r l e t z t . Er wird g e f ä h r d e t , sobald die nahe Möglichkeit sei .es jener Gewalttat, sei es dieser Erschütterung des Vertrauens, gegeben ist. II. Geschichte. Im römischen Recht trägt das crimen vis, trotz der stets zweifelhaften und schwankenden Unterscheidung von vis publica und privata, in allen seinen Erscheinungsformen die Eigenart einer Stön ng des öffentlichen Friedens. Nur dieser legislative Grundgedanke verbindet die verschiedenartigen Einzelfälle: Das Tragen von Waffen, Aufstand und Aufruhr, Plünderung von Häusern, Einfall in unbewegliches Gut, gewaltsames stuprum, Brandstiftung, Einsperrung, Erpressung, Entführung, Übergriffe der Beamten, Störung der gerichtlichen Tätigkeit. Nur örtliche Bedeutung hat der Skopelismus (1. 9 D. 47, 11), der dem gemeinrechtlichen Landzwange verwandt ist. Nach g e r m a n i s c h e r Anschauung ist die Rechtsordnung F r i e d e n s ordnung, das Verbrechen Friedensbruch, die Strafe Friedloslegung. In abgeschwächter Bedeutung erhält sich diese Auffassung bis tief ins Mittelalter; sie findet ihren schärfsten Ausdruck in der ausgebildeten Strafgesetzgebung der Landfrieden (oben § 8 Note 14). So begegnet sich das römische crimen vis mit dem deutschen Landfriedensbruche; beides weitausspannende und gerade deshalb weiterer Klärung und Abspaltung bedürftige Begriffe. Die PGO hat diese Abklärung nicht gebracht. Sie bedroht in Art. 128 den L a n d z w a n g , das bösliche Austreten, verwandt mit Raub, Erpressung, Brandschatzung, und in Art. 129 die b ö s l i c h e B e f e h d u n g (diffid&tio; noch Österreich 1768) mit dem Schwert. Dagegen beschäftigt sich noch die Reichsgesetzgebung des 16. Jahrhunderts (Landfrieden von 1548, Reichsabschied von 1594) mit dem L a n d f r i e d e n s b r u c h , zu dem auch die Störung des Religionsfriedens gerechnet wird, und bedroht ihn mit der Reichsacht. Der Begriff, im einzelnen vielfach bestritten, erfordert im wesentlichen die Verbindung mehrerer Menschen zur Gewalttat mit bewaffneter Hand. Das gemeine Recht bemüht sich vergebens, den allg meinen Begriff der vis zu bestimmen, und hebt neben ihm, der aushilfsweise Anwendung findet, eine ganze Reihe von „benannten Fällen" der öffentlichen Gewalttätigkeit (wie noch das geltende österreichische Recht) hervor. Insbesondere werden die gegen die S t a a t s gewalt selbst gerichteten Fälle allmählich ausgeschieden. Meist wird dann die Zusammenrottung als Begriffsmerkmal verlangt. ') So Weil. — Der Begriff läßt sich mithin nicht einheitlich fassen. So die herrschende Ansicht. Dagegen nehmen Heilbo fl 214, Oppenheim (Lit. zu § 32 Note 2) 321, den Begriff überall im objektiven Sinn.

§174-

4- Die Störung des öffentlichen Friedens.

593

Auch die h e u t i g e G e s e t z g e b u n g ist zu bestimmten und klaren Begriffen nicht gelangt und sieht sich daher gezwungen, die Lücken des gemeinen Rechts durch Ausnahmebestimmungen von zweifelhaftem Werte zu ergänzen, um diese alsbald wieder zu beseitigen. So die ganze K u l t u r k a m p f g e s e t z gebung, die nur in § 130a StGB einen bleibenden Niederschlag zurückgelassen hat. So auch das Reichsg. vom 21. Oktober 1878 gegen s o z i a l d e m o k r a t i s c h e , sozialistische oder kommunistische Umsturzbestrebungen, das mit dem 1, Oktober 1890 abgelaufen ist, ohne erneuert zu werden. V E hat, wie das geltende Recht, die Friedensstörungen zu den Straftaten „gegen die öffentliche Ordnung" gestellt, während GE e-ner. besonderen Abschnitt „ S t ö r j n g des Rechtsiriedens und der öffentlichen Ordnung", K E einen Abschnitt „Friedensgefährdung" gebildet hat. E 1919 behandelt die Friedensstörungen in einem Abschnitt mit der Überschrift „Störung der öffentlichen Ordnung", umgrenzt aber das Gebiet der hierher gehörenden Delikte wesentlich anders als das geltende Recht. I I I . D i e Friedensstörungen des R S t G B sind, von der S t ö r u n g des R e l i g i o n s f r i e d e n s (oben § 1 1 7 ) abgesehen, d i e f o l g e n d e n : 1 . D e r L a n d z w a n g , d. h. die S t ö r u n g des ö f f e n t l i c h e n F r i e d e n s ( S t G B § 126) durch Androhung eines g e m e i n g e f ä h r l i c h e n V e r brechens. 2 ) D e r B e g r i f f des F r i e d e n s ist hier s u b j e k t i v zu nehmen; 2 *) d a s V e r g e h e n ist m i t h i n vollendet, sobald die B e d r o h u n g zu ö f f e n t licher K e n n t n i s gelangt und die F r i e d e n s z u v e r s i c h t in w e i t e r e n K r e i s e n erschüttert ist. G e m e i n g e f ä h r l i c h e V e r b r e c h e n sind d i e der §§ 306 bis 3 3 0 S t G B zu denen hier die S p r e n g s t o f f d e l i k t e d e s G von 1 8 8 4 gerechnet werden m ü s s e n ; A n d r o h u n g eines V e r g e h e n s g e n ü g t nicht. Der V o r s a t z des T ä t e r s muß die F r i e d e n s s t ö r u n g mitumfassen. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre. 2. D e r L a n d f r i e d e n s b r u c h , d. h. (nach § 1 2 5 S t G B ) die T e i l n a h m e an einer öffentlichen Z u s a m m e n r o t t u n g , wenn von d e r z u s a m m e n g e r o t t e t e n Menschenmenge (oben § 1 1 9 I I I 3) m i t v e r einten K r ä f t e n G e w a l t t ä t i g k e i t e n gegen Personen oder S a c h e n b e gangen werden . 2b ) H i e r ist also d e r B e g r i f f des F r i e d e n s o b j e k t i v zu nehmen. V o r a u s s e t z u n g ist zunächst die B e g e h u n g von G e w a l t t ä t i g k e i t e n d u r c h d i e R o t t e s e l b s t ; dabei g e n ü g t die T ä t i g k e i t eines einzelnen, wenn sie von dem entschlossenen Willen der ü b r i g e n g e t r a g e n i s t . 3 ) T ä t e r ist j e d e r Teilnehmer an der Z u s a m m e n r o t t u n g , l ) Nach VE § 134 „gemeingefährliche Drohung"; nach GE § 184 „Androhung von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen"; nach K E § 221: „wer durch Androhung von Verbrechen oder \ ergehen die Bevölkerung in Besorgnis oder Schrecken versetzt". E 1919 § 213: „Wer durch Androhung von Verbrechen oder gemeingefährlichen Vergehen die Bevölkerung in Schrecken oder schwere Sorge versetzt." '*) Herrschende Ansicht. sb ) Der Tatbestand des § 360 Ziff. n wird durch den des § 125 konsumiert: R 58 25;. ®) R 47 179. Gewalttätigkeit kann schon die Wegnahme einer Sache sein, wenn sie mit der Überwindung eines Hindernisses verbunden ist. Noch weitergehend R 52 34. T. Liszt, Strafrecht, »i. Aull. 38

§ 174-

4- Die Störung des öffentlichen Friedens.

der um die Begehung der Gewalttätigkeit gewußt hat; mag er auch an der Gewalttätigkeit selbst sich nicht beteiligt haben, 3 ®) ja im Augenblick ihrer Begehung gar nicht mehr anwesend gewesen sein. Die V o l l e n d u n g tritt mit der Begehung der Gewalttätigkeiten für alle an der Zusammenrottung beteiligten Personen ein. S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten; die R ä d e l s f ü h r e r (oben § 51 Note 5) sowie diejenigen, die Gewalttätigkeiten gegen Personen4) begangen oder Sachen geplündert (vgl. MilStGB § 129), vernichtet oder zerstört') haben, trifft Zuchthaus bis zu zehn Jahren, nach Ermessen mit Polizeiaufsicht; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten.

3. Die Bandenbildung. Strafbar ist: a) Wer unbefugterweise einen bewaffneten Haufen bildet oder befehligt oder eine Mannschaft, von der er weiß, daß sie ohne gesetzliche Befugnis gesammelt ist, mit Waffen (oben § 93 I I 3) oder Kriegsbedürfnissen versieht (StGJB § 127 Abs. 1). Die „Mannschaft" unterscheidet sich durch die bereits vorhandene Manneszucht von dem „ H a u f e n " . b) Wer sich einem solchen bewaffneten Haufen (oder einer gesammelten Mannschaft) anschließt (StGB § 127 Abs. 2). S t r a f e : zu a) Gelängnis bis zu zwei Jahren, zu b) bis zu einem Jahre. c) Wer außerhalb seines Gewerbebetriebes heimlich oder wider das Verbot der Behörde Vorräte von Waffen oder Schießbedarf (zum Zwecke des Gebrauchs) aufsammelt (StGB § 360 Ziff. 2). S t r a f e : Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark oder Haft. E i n z i e h u n g zulässig, ohne Rücksicht darauf, ob die Gegenstände dem Verurteilten gehören oder nicht. — GE hat den Tatbestand gestrichen.

4. Die Anreizung zum Klassenkampf, d. h. die öffentliche Anreizung verschiedener Klassen der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten gegeneinander in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise (StGB § 130). Die Fassung des aus dem französischen Rechte (G von 1835) in das Preuß. S t G B (§ 100, „Haß- und Verachtungsparagraph") und aus diesem in das R S t G B übergegangenen Paragraphen ergibt, daß erfolgte Gefährdung (nicht Verletzung) des öffentlichen Friedens im objektiven Sinne erforderlich, aber auch zur Vollendung genügend ist. E s muß daher die nahe Möglichkeit gegeben sein, daß es zu Gewalttätigkeiten kommen werde. 4 ) Der Vorsatz muß s") Ebenso R 63 46. *) Mittelbare Einwirkung genügt, wenn sie von dem Betroffenen physisch empfunden wird; R 45 123. •) Beschädigung genügt nicht; R 39 223. •) Vgl. v. Hippel 54. Viel weitergehend R 26 349: Entfernte Möglichkeit genügt. Ebenso Ebermayer in RGRäteKomm. § 130 Note 2 (S. 347). Nicht unbedenklich R 34 269, das die Friedensstörung subjektiv auffaßt. — K E § 216 verlangt Gefährdung der gesetzlichen Ordnung und lehnt damit die

§ 174-

4- Die Störung des öffentlichen Friedens.

595

d i e Gefährdung mitumfassen; daß die Absicht auf diese gerichtet sei, ist nicht erforderlich. „ K l a s s e n der B e v ö l k e r u n g " sind verschiedene, durch gemeinsame Anschauungen und Interessen m i t einander dauernd verbundene und dadurch von anderen abgegrenzte Personer.kreise:') die Bourgeoisie, die Arbeiter, die Fabrikbesitzer, die Industriellen, die Agrarier; Deutsche, Polen, Franzosen; Juden, K a t h o l i k e n , Freimaurer usw. Nicht aber politische Parteien. Über d a s „ A n r e i z e n " vgl. oben § 5 1 Note 5. S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. 5. Gefährdung des öffentlichen Friedens durch Mißbrauch d e r g e i s t l i c h e n S t e l l u n g . S t G B § 130a, der sogenannte Kanzelparagraph, 8 ) bedroht den Geistlichen oder jeden anderen Religionsdiener, der in Ausübung (während dieser) oder in Veranlassung (bei Gelegenheit) der Ausübung seines Berufes a) öffentlich vor einer Menschenmenge oder (in einer K i r c h e oder) an einem (anderen) zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor mehreren Personen Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündung oder Erörterung m a c h t ; oder b) Schriftstücke ausgibt oder verbreitet, in denen Angelegenheiten des Staates iti einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung gemacht sind. „Religionsdiener" ist jede zur Vornahme gottesdienstlicher Handlungen berufene Person. „ G e i s t l i c h e " sind die Religionsdiener der christlichen Bekenntnisse. „Angelegenheiten des S t a a t e s " bedeutet dasselbe wie „öffentliche Angelegenheiten" (oben § 169 Note 4). Daher gehört auch die Wahlbeeinflussung hierher. A u c h hier ist tatsächlich erfolgte G e f ä h r d u n g des öffentlichen Friedens im objektiven Sinne, wenn auch nicht durch Gewalttätigkeiten, im Einzelfalle erforderlich. Der Vorsatz m u ß auch dieses Begriffssubjektive Fassung ab. Ebenso E 1919 § 208, der aber von dem Gegensati der Bevölkerungsklassen absieht. ') Ebenso R 85 96; Allfeld 570. Vgl. Ebermayer in RGRäteKomm. § 130 Note 2. Enger Frank § 130 I (verlangt „Gegensätze der historischen Entwicklung oder der sozialen Interessen") und R 22 293, wo die gesellschaftliche Gliederung einseitig betont wird. Zutreffend R 26 63 (eine „Gliederung, die regelmäßig, aber nicht notwendig, auf gesellschaftlichem Boden beruht"), 8) Der erste Absati wurde aufgenommen durch G vom 10. Dezember 1871. Ahnliche Bestimmungen fanden sich bereits in mehreren LandesStGBüchern, wie im C. pénal 199 bis 208. — Der zweite Absatz wurde eingefügt durch die Novelle vom 26. Februar 1876. — VE hat den Paragraphen gestrichen, GE § 176 ihn wieder aufgenommen und zu den Religionsdelikten gestellt. K E | 217 behält ihn als Fall der Friedensgefährdung bei. Für die Beibehaltung auch Liffschütz. E 1919 teilt den Standpunkt des VE. 38*

59^

§ 175-

5- Die strafbaren Aufforderungen.

merkmal umfassen. Dritte Personen können sich an diesem wie an jedem Sonderdelikt als Teilnehmer beteiligen. S t r a f e : Gefängnis oder Festungshaft bis zu zwei Jahren.

§ 175. 5. Die strafbaren Aufforderungen. Literatur. ME. Mayer VD Bes. T. 1 34g, 364. Hälschner 2 796. — Zu I I : Roßmann Ist die öffentliche Aufforderung zum Streik strafbar? 1892.. Silberberg § III S t G B in seinem Verhältnis zur Lehre von der Teilnahme. Erlanger Diss. 1902. Volkhardt Die strafbaren öffentlichen Aufforderungen. Erlanger Diss. 1908. Hurwicz Die Imperativentheorie und der § 1 1 0 R S t G B . Heidelberger Diss. 1909. Köpke Das Verhältnis des Streiks zur Erpressung und öffentlichen Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze. Kostocker Diss. 1911. Rendtorf) Umfaßt der Begriff „Ungehorsam gegen Gesetze" im § 1 1 0 S t G B , auch die Nichtbeachtung von Sätzen des bürgerlichen Rechts? Kieler Diss. 1914. — Zu I V : Reiffei GS 42 175. Haeger Die Stellung des § 49a im System des R S t G B 1903 (Berliner Seminarabhdlgn. 25). v. Bar Gesetz 2 839. Kassel Die erfolglose Anstiftung. Heidelberger Diss. 1908. Bisoukides in der Häring'schen Festschrift für v. Liszt 1911 5. Oborniker Festgabe für V. Liszt (bei Aschaffenburg 7 648). Kuhlmann Der § 49a des R S t G B (v. LH. Heft X43) 1 9 1 2 ; dazu Köhler K V S 51 186. Behge Die Aufforderung und das Erbieten zu einem Verbrechen. Erlanger Diss. 1914. Kern Die Außerungsdelikte 1 9 1 9 .

I. Begriff. Die Aufforderung1) zur Begehung einer strafbaren oder doch wenigstens rechtswidrigen Handlung erscheint, soweit sie positivrechtlich unter Strafe gestellt ist, als selbständiges Verbrechen. Sie kann als versuchte Anstiftung nicht betrachtet werden, solange in dsr Gesetzgebung die Anstiftung als Teilnahme an dem Tun eines anderen aufgefaßt wird: Denn ein solches braucht nicht vorzuliegen. Ebendarum ist für die grundsätzliche Auffassung wie für die systematische Stellung der strafbaren Aufforderung die Eigenart der Handlung, zu der aufgefordert wurde, durchaus gleichgültig. Die Aufforderung trägt den Grund ihrer Strafbarkeit in s i c h s e l b s t : Sie ist V e r a c h t u n g , demonstrative Verhöhnung der Gesetze des Staates und des in Ihnen ausgesprochenen Willens der Staatsgewalt.3) Am deutlichsten tritt diese Richtung in *) Die einfache Billigung oder Anpreisung einer strafbaren Handlung ist nicht unter Strafe gestellt. Anders im Sprengstoffg. (oben § 156 I I 4). V E § 1 5 1 faßt die beiden §§ 110, i n zu dem einheitlichen Delikt der Aufwiegelung zusammen und bedroht neben der Aufreizung auch die Verherrlichung begangener Verbrechen. GE trennt die Aufwiegelung (§ 142) von der öffentlichen Aufforderung zu strafbaren Handlungen (§178), verweist die beiden Tatbestände in verschiedene Abschnitte und streicht die vom V E vorgenommenen Erweiterungen. K E stellt im Abschnitt „Friedensgefährdung" Aufwiegelung zum Ungehorsam (§ 210) und öffentliche Aufforderung zu einem Verbrechen (§ 211) in zwei aufeinanderfolgende Paragraphen und hält an der Strafdrohung gegen die Gefährdung der gesetzlichen Ordnung durch Verbrechensverherrlichung (§ 212) fest. E 1919 behandelt die beiden ersteren Tatbestände in den §§ 206, 207, läßt aber die Verbrechensverherrlichung fort. ') Dagegen Binding Lehrb. 2 838 (Angriff auf die gesetzestreue Gesinnung der Gesetzesuntertanen), Kuhlmann 11 (im Anschluß an Frank).

§ 175.

5- Die strafbaren Aufforderungen.

597

§ 16 des Preßg. hervor (unten I I I i), der die Aufforderung zu einer nicht einmal immer rechtswidrigen Handlung unter Strafe stellt. Daher ist Teilnahme (Anstiftung wie Beihilfe) an den strafbaren Aufforderungen möglich; auch V e r s u c h ist nicht ausgeschlossen, freilich aber nur dann strafbar, wenn die Aufforderung selbst als Verbrechen erscheint. Aus demselben Grande liegt endlich auf Seiten des Auffordernden immer nur e i n Vergehen vor, auch wenn die Aufforderung mehrere strafbare Handlungen zur Folge gehabt h a t (vgl. auch oben § 52 Note 10). Wenn wir von § 112 S t G B sowie von dem eigentümlichen Falle des § 49 a S t G B , teilweise auch von der unter I I I 2 angeführten Bestimmung des Sprengstoffg. absehen, bedroht unser R e c h t nur die ö f f e n t l i c h e Aufforderung. 3 ) Darin liegt eben das Gemeingefährliche dieser Vergehen, d a ß die Wirkung der Handlung nicht übersehen und beherrscht, d a ß in keiner Weise berechnet werden kann, ob und wie der in die Menge geschleuderte Funke zünden, ob er einen verheerenden Brand entfachen oder aber spurlos und unschädlich verglimmen wird. Durch diese Gemeingefährlichkeit wird der Umstand reichlich aufgewogen, daß die öffentliche A u f forderung in bezug auf die Bestimmtheit des Zieles und der Mittel zu seiner Erreichung hinter der Anstiftung zurückbleibt. Zur V o l l e n d u n g gehört in allen Fällen, d a ß die Aufforderung zur Kenntnis eines anderen gelangt ist.*") II. Die strafbaren Aufforderungen im RStGB. 1. D i e ö f f e n t l i c h e A u f f o r d e r u n g zum (wenn auch passiven) U n g e h o r s a m gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen 4 ) oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit (wenn auch nur für den Einzelfall) getroffenen Anordnungen ( S t G B § 110). Ungehorsam gegen Gesetze setzt eine Gehorsamspflicht dem Gesetze gegenüber voraus. Die Aufforderung zu einem V e r halten, dessen Repression das Privatrecht dem Verletzten überVgl. dazu Köhler (gegen Kuhlmann). Mit dem Text Mayer 365, Schwartz § 49a Note 2. 8 ) Das Gesetz sagt: „Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder anderen Darstellungen" usw. auffordert. Begriff der Menschenmenge oben § 119 III 3; der Verbreitung oben § 109 II 1. In allen diesen Fällen wird der Begriff der Öffentlichkeit durch die Wahrnehmbarkeit für einen nicht geschlossenen Personenkreis erfüllt. — Die Aufforderung muß vor der Menschenmenge erfolgen, braucht aber nicht an die Menge gerichtet zu sein. So R 5 60; dagegen Birtding Lehrb. 2 844. 8 a) Kern 26 verlangt auch Verstehen der Aufforderung durch den Aufforderungsempfänger. Die Ansichten sind bezgl. der einzelnen Aufforderungen vielfach geteilt. ') Die Rechtsgültigkeit ist hier vom Richter auch dann zu prüfen, wenn die Verfassung ihm dieses Recht im allgemeinen versagt; so Allfeld 646, Frank § 110 I; dagegen R 86 417.

598

§ *75-

5-

strafbaren Aufforderungen.

läßt, f ä l l t mithin nicht unter § 1 1 0 . D a s gilt insbesondere v o n d e r A u f f o r d e r u n g z u m V e r t r a g s b r u c h (zur vertragswidrigen A r b e i t s einstellung). 6 ) D e r V o r s a t z muß auch d a s B e w u ß t s e i n u m f a s s e n , d a ß die V e r o r d n u n g rechtsgültig, daß die A n o r d n u n g innerhalbder Z u s t ä n d i g k e i t der Obrigkeit getroffen sei. 8 ) S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. 2. D i e ö f f e n t l i c h e A u f f o r d e r u n g z u e i n e r (nach d e u t s c h e m R e c h t peinlich, wenn auch nur landesrechtlich und n u r als Ü b e r tretung) s t r a f b a r e n k o n k r e t e n H a n d l u n g ( S t G B § i n ) . Der V o r s a t z des A u f f o r d e r n d e n muß auch die S t r a f b a r k e i t der H a n d lung umfassen. D e m n a c h enthalten die beiden P a r a g r a p h e n n o und i n zwei wesentlich voneinander verschiedene T a t b e s t ä n d e ; S t G B § 7 3 f i n d e t mithin A n w e n d u n g . 7 ) S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zo einem Jahre; doch darf die Strafe, der Art und dem Maße nach, keine schwerere sein als die gegen die Handlung selbst, zu der aufgefordert wurde, angedrohte. Wenn die Aufforderung die strafbare Handlung (zu der aufgefordert wurde) oder deren strafbaren Versuch zur Folge gehabt hat, so ist der Auffordernde gleich e i n e m A n s t i f t e r (gemäß § 48) zu bestrafen. Ebenso selbstverständlich, wenn die Merkmale des Anstiftungsbegriffes (Richtung des Vorsatzes auf Herbeiführung einer bestimmten Handlung durch eine bestimmte Person oder durch mehrere solche) gegeben sind. 3 . Die (wenn auch nicht öffentliche) A u f f o r d e r u n g o d e r A n r e i z u n g (oben § 5 1 N o t e 5 ) : e i n e r P e r s o n d e s S o l d a t e n s t a n d e s , sei es des deutschen Heeres, sei es der Marine, z u m U n gehorsam gegen Befehle des Oberen ( S t G B § 1 1 2 ) . 8 ) ») 1. Übereinstimmend Allfeld 647, Frank § 110 I, Hurwicz, Rendtorff, Wachenfeld 549. — 2. Abweichend R , zuletzt 21 355, 22 185, 24 189; danach ist § 110 anwendbar, wenn nicht zum Bruch eines bestimmten, einzelnen Arbeitsvertrages, sondern zur Mißachtung „des Gesetzes schlechthin und überhaupt, seiner Autorität und bindenden K r a f t " aufgefordert wird (damit ist praktisch die Unanwendbarkeit gegeben). Ähnlich Mayer 369: „eine in der Nichterfüllung einer Rechtspflicht sich kundgebende Mißachtung der Staatsgewalt". — 3. Abweichend auch (allgemein für Strafbarkeit) Binding Lehrb. 2 848, Roßmann, Schwartz § 110 Note 4, Volkhardt 69. Vgl. Lit. zu § 135. •) Übereiiistimmend Binding Lehrb. 2 854, Frank § 110 IV, Wachenfeld 550. Dagegen R 12 6, auch Ebermayer in R G R ä t e K o m m . § 1 1 0 Note 7. Vgl. auch oben § 171 Note 6 und § 172 Note 2. ') Abweichend: 1. R 4 106, 21 192 (danach wäre § 1 1 1 der engere Begriff). Ebenso Wachenfdd 551. — 2. Mayer 380, nach dem umgekehrt § 1 1 0 den engeren Begriff enthält. — 8. Im wesentlichen wie im T e x t : R 10 296, sowie Allfeld 648, Frank § 111 I I . •) [Die zweite Alternative des § 112 (Aufforderung oder Anreizung einer Person des Beurlaubtenstandes zum Ungehorsam gegenüber der Einberufung zum Dienste) ist infolge der durch Art. 173 des Versailler Friedensvertrages erzwungenen Veränderung der deutschen Heeresverfassung gegenstandslos geworden.j Vgl. noch Wehrg. von 1867 §§ 6, 7, 15; MilStGB §§ 4 bis 6; Militärg. von 1874 § 56.

§ 175-

5- Die strafbaren Aufforderungen.

599

S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren. 4. Die ö f f e n t l i c h e A u f f o r d e r u n g z u e i n e m h o c h v e r r ä t e r i s c h e n U n t e r n e h m e n : vgl. oben § 165 I I I 2d. III. Die übrigen strafbaren Aufforderungen. 1. Die öffentliche, mittels der P r e s s e erfolgende Aufforderung zur A u f b r i n g u n g d e r wegen einer strafbaren Handlung erkannten G e l d s t r a f e n und Kosten, sowie die öffentliche B e s c h e i n i g u n g mittels der Presse über den E m p f a n g der zu solchen Zwecken gezahlten Beiträge (Preßg. § 16). S t r a f e : Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten (Preßg. § 18 Zilf. 1). Das zufolge solcher Aufforderung Empfangene oder dessen Wert ist der Armenkasse des Orts der Sammlung für verfallen zu erklären 2. Die öffentliche Aufforderung zu einer nach dem S p r e n g s t o f f g . von 1884 strafbaren Handlung. Vgl. oben § 156 II 4. 3. Auch M i l S t G B §§ 99 bis 102, sowie S e e m a n n s o r d n g . § 102 enthalten Fälle strafbarer (wenn auch nicht öffentlicher) Aufforderang. Vgl. unten § 205 und § 198 V I I I . I V . Neben die ö f f e n t l i c h e n Aufforderungen ist seit der Novelle vom 26. Februar 1876 das in S t G B § 49a bedrohte selbständige (nicht als versuchte Anstiftung aufzufassende) Vergehen getreten. Dieser sogen. Duchesne-Paragraph, dem belgischen G vom 7. Juli 1875 9 ) nachgebildet, u m f a ß t : 1. Die A u f f o r d e r u n g eines anderen z u r B e g e h u n g eines Verbrechens 1 0 ) (im engeren Sinne) oder zur Teilnahme an einem Verbrechen, sowie die A n n a h m e einer solchen A u f f o r d e r u n g ; 2. Das S i c h e r b i e t e n z u r B e g e h u n g eines Verbrechens oder zur Teilnahme an einem Verbrechen, sowie die A n n a h m e eines solchen Erbietens. E s wird jedoch das lediglich mündlich ausgedrückte A u f fordern oder Erbieten, sowie die Annahme eines solchen nur dann bestraft, wenn die Aufforderung oder das Erbieten an die Ge*) Veranlaßt dadurch, daß ein Belgier Duchesne sich dem Erzbischof Hippolyte in Paris und dem Jesuitenprovinzial von Belgien zur Ermordung Bismarcks anbot; abgedruckt in Anlage III zu den Motiven der StGNovelle von 1876 (auch HH 4 144). VE § 132 hat die ,,Aufforderung zum Verbrechen" in die Straftaten „gegen die öffentliche Ordnung" eingereiht; GE § 1S0 bedroht nur das Sicherbieten, da er nach § 32 Abs. 2 die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen allgemein mit Strafe belegt. KE § 213 schließt sich an VE an und stellt den Tätbestand zu den „Friedensgefährdungen". E 1919 nähert sich in § 231 wieder sehr dem geltenden Rechte, sieht aber von der in StGB § 49a gemach*er E'ischr?Tik"ng (G^w^hr'ng von vor*eilOTi) ab w ) Stets nach inländischem Recht zu bestimmen: Lobe in RGRäteKomm. § 49a Note 2, Schwartz § 49a Note 5, R 87 45, RMilG 18 274, wohl auch Behge 79, gegen die herrschende Lehre Lindenberg DJZ 9 1053, Obornlker 648.

()00

§ 175.

5. Die strafbaren Aufforderungen.

Währung v o n V o r t e i l e n i r g e n d w e l c h e r A r t 1 1 ) g e k n ü p f t w o r d e n u n d d a d u r c h die E r n s t l i c h k e i t d e s j e n i g e n , v o n d e m d i e A n r e g u n g a u s g e h t , b e w i e s e n ist. Dem „lediglich mündlich ausged r ü c k t e n " A u f f o r d e r n oder E r b i e t e n s t e h t d a s s y m b o l i s c h (z. B . d u r c h K o p f n i c k e n , H a n d b e w e g u n g e n usw.) a u s g e d r ü c k t e d u r c h a u s g l e i c h ; den G e g e n s a t z b i l d e t n i c h t n u r d a s s c h r i f t l i c h e , s o n d e r n j e d e s auf irgendeine W e i s e v e r s t ä r k t e A u f f o r d e r n u n d E r b i e t e n , w e l c h e s die E r n s t l i c h k e i t des E n t s c h l u s s e s u n z w e i f e l h a f t e r k e n n e n läßt. 1 2 ) B e i m a n g e l n d e r E r n s t l i c h k e i t der A u f f o r d e r u n g o d e r d e s E r b i e t e n s b l e i b t a u c h die A n n a h m e s t r a f l o s (bestritten). A u f f o r d e r u n g u n d E r b i e t e n m ü s s e n der A u s d r u c k eines (bedingt g e f a ß t e n ) E n t s c h l u s s e s sein, der d u r c h die A n n a h m e z u einem u n b e d i n g t e n w i r d . D a s V e r b r e c h e n ist v o l l e n d e t , s o b a l d A u f f o r d e r u n g , A n n a h m e oder E r b i e t e n , d e m W i l l e n des T ä t e r s e n t s p r e c h e n d , z u r K e n n t n i s des a n d e r e n T e i l s g e k o m m e n ist. T e i l n a h m e Dritter ist als A n s t i f t u n g w i e a u c h als B e i h i l f e m ö g l i c h . D a ß d e r j e n i g e , v o n d e m A u f f o r d e r u n g , A n n a h m e oder E r b i e t e n a u s g e h t , z u r e c h n u n g s f ä h i g sein m u ß , u m s t r a f b a r z u w e r d e n , bedarf keiner B e m e r k u n g . Es kann aber auch dann v o n s t r a f b a r e m A u f f o r d e r n oder E r b i e t e n keine R e d e sein, w e n n d e m a n d e r e n T e i l e die Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t m a n g e l t . Und dasselbe g i l t v o n d e r A n n a h m e , w e n n A u f f o r d e r n oder E r b i e t e n v o n e i n e m Z u r e c h n u n g s u n f ä h i g e n a u s g e g a n g e n sind. D e r G r u n d l i e g t in d e m gegenseitigen Bedingungsverhältnisse zwischen Auffordern und E r b i e t e n einerseits, A n n a h m e andererseits. 1 3 ) W i r d die s t r a f b a r e H a n d l u n g w i r k l i c h v e r s u c h t oder v o l l e n d e t , so v e r w a n d e l t sich d a s V e r b r e c h e n des § 4 9 a S t G B in T e i l n a h m e , bzw. Täterschaft. Die S t r a f e des § 49a tritt nur ein, „soweit nicht das Gesetz (Reichsoder Landesgesetz, letzteres auf dem ihm überlassenen Gebiete) eine andere, sei es strengere, sei es mildere, Strafe androht". 14 ) Sie beträgt: a) Wenn das " ) Vermögensvorteil nicht erforderlich; es genügen Vorteile jeder Art, deren Gewährung nach Ansicht des Täters die Entschließung des anderen zu bestimmen vermögen: Gewährung des Beischlafs, Unterlassung einer Strafanzeige, Verschaffung eines Ordens, Heiratsversprechen usw. Ebenso Behge 75, Katzenstein Z 23 169, Lobe in RGRäteKomm. § 49a Note 7b, Schwartz § 49a Note 8; enger Binding Lehrb. 2 720, Frank § 49a II, Kuhlmann 57. Vgl. oben § 108 Note 7. 12) Abweichend Kern 19. Aufforderung zur Abtreibung der Leibesfrucht unter gleichzeitiger Ubergabe der Abtreibungsmittel kann hierher gehören. Dagegen R „ als solches nicht berünrt worden, wenn auch das Reich und die Länder die Wehrkraft nicht mehr voll ausnutzen und systematisch stählen dürfen. Infolgedessen haben nicht nur die zahlreichen Bestimmungen des MilStGB, die dem Schutze der Wehrkraft dienen (vgl. unten § 205 unter IV und V) ihre alte Bedeutung behalten, sondern auch das S t G B und verschiedene Nebengesetze haben praktisch bedeutsame Tatbestände dieser Art noch auf zu weisen b ). Dies sind:]

I. Die Falschwerbung ( S t G B § 141), d. h. die Anwerbung eines Deutschen zum Militärdienste einer ausländischen Macht oder die Zuführung an deren Werber. *) § i des Gesetzes über die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und die Regelung der Dauer der Dienstverpflichtung vom 21. August 1920 (RGBl S. 1608) hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Mit der Rechtskraft des Ges. vom 16. Juli 1919 hatte die allgemeine Wehrpflicht bereits aufgehört, Bestandteil des deutschen Rechts zu sein. Art. 79 RVerf. sagt über die allgemeine Wehrpflicht nichts. A . M . KäckellZ 41 697. Vgl. Denkschrift zum E 1919 S. 136. b) E 1919 §§ 165 bis 168 bildet einen besonderen Abschnitt „Angriffe gegen die Wehrmacht" und behandelt hier die Delikte der heutigen §§ 1x2 und 141.

§185.

i . Strafbare Handlungen gegen die Wehrkraft.

639

Die Falschwerbung erscheint als Verletzung der Wehrkraft. Dagegen tritt die Richtung gegen die persönliche Freiheit des Angeworbenen völlig in dfen Hintergrund; darin liegt der Unterschied dieses Vergehens von dem plagium militare des gemeinen Rechts (oben § 99 I), sowie von dem Menschenraube des § 234 StGB. S t r a f e : Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren. V e r s u c h strafbar. II. D i e v o r s ä t z l i c h e Verleitung eines d e u t s c h e n S o l d a t e n zur Fahnenflucht o d e r d e r e n B e f ö r d e r u n g ( S t G B § 1 4 1 ) 1 ) F a h n e n f l u c h t ist n a c h M i l S t G B § 69 die u n e r l a u b t e E n t f e r n u n g in d e r A b s i c h t , sich d e r g e s e t z l i c h e n oder ü b e r n o m m e n e n V e r p f l i c h t u n g z u m D i e n s t e d a u e r n d zu e n t z i e h e n . Die Fahnenflucht ist m i t h i n ein F a l l d e r V e r l e t z u n g d e r D i e n s t p f l i c h t ; sie bes t e h t in d e m S i c h e n t f e r n e n u n d ist m i t diesem v o l l e n d e t . Der E n t f e r n u n g an einen anderen O r t s t e h t d a s S i c h v e r b e r g e n a n d e m selben O r t (z. B . V e r s t e c k e n bei der G e l i e b t e n , in einem S t e i n bruch usw.) v ö l l i g g l e i c h . D i e F a h n e n f l u c h t ist kein D a u e r v e r b r e c h e n . * ) E b e n d a r u m ist B e f ö r d e r u n g der F a h n e n f l u c h t (Beihilfe u n d n i c h t B e g ü n s t i g u n g ) n u r m ö g l i c h , solange diese selbst n i c h t a l s v o l l endetes V e r g e h e n v o r l i e g t , solange also der F l ü c h t l i n g n i c h t d i e v o n ihm b e a b s i c h t i g t e F l u c h t v o n d e m D i e n s t o r t e a n einen a n d e r e n O r t v o l l e n d e t h a t , an d e m er w e n i g s t e n s v o r l ä u f i g g e g e n F e s t n a h m e g e s i c h e r t ist. B e f ö r d e r u n g k a n n in d e r der F a h n e n f l u c h t v o r h e r gehenden B e l e h r u n g ü b e r die n a c h h e r z u u n t e r n e h m e n d e n S c h r i t t e liegen. Sie s e t z t s t r a f b a r e F a h n e n f l u c h t , d a h e r a u c h Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t des F l ü c h t i g e n v o r a u s . 3 ) S t r a f e : wie zu I.

V e r s u c h strafbar. — Vgl. auch oben § 52 Note 6.

I I I . Ü b e r t r e t u n g der auf G r u n d des G v o m 13. J u n i 1873 über die Kriegsleistungen h i n s i c h t l i c h der A n m e l d u n g u n d S t e l l u n g der P f e r d e zur V o r m u s t e r u n g , M u s t e r u n g oder A u s h e b u n g get r o f f e n e n A n o r d n u n g e n (§ 27 d e s G). S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark. I V . Ü b e r t r e t u n g des Festungsrayong. v o m 2 1 . D e z e m b e r 1 8 7 1 betr. die B e s c h r ä n k u n g e n des G r u n d e i g e n t u m s in der U m g e b u n g v o n F e s t u n g e n (§ 32). S t r a f e : Geldstrafe bis zu fünfzehn, bzw. einhundertfünfzig Mark. V . A u c h d a s G b e t r . d i e Reichskriegshäfen v o m 19. J u n i 1883 e n t h ä l t in d e n § § 2 u n d 4 Ü b e r t r e t u n g s s t r a f e n . ») Vgl. MilStGB §§ 6gii. und unten § 205. 2 ) Dagegen mit der überwiegenden Ansicht Allfeld 672, Binding Lehrb. 2 700, R 88 417. Teilweise abweichend R 49 275 (Fahnenflucht k a n n bei weiterem Fernbleiben zum Dauerdelikt werden). Frank § 141 II scheint seine bisher mit dem Text übereinstimmende Ansicht geändert zu haben. Anders MilStGB § 76 (Hecker 135). 3 ) Bei deren Fehlen kann Versuch vorliegen: R 46 200.

§ 186. 2. Strafbare Handlungen gegen die Volkskrait. V I . Nach § 4 des G vom 38. Mai 1894, betr. den Schutz der Brieftauben und den Brieftaubenverkehr im Kriege, kann für den Fall eines Krieges durch Verordnung 4 ) bestimmt werden, d a ß die Verwendung von Tauben zur Beförderung von Nachrichten ohne Genehmigung der Militärbehörde mit Gefängnis bis zu drei Monaten zu bestrafen ist.

§ 186. Literatur.

2. Strafbare Handlungen gegen die Volkskraft. 1 ) Gerland

V D B e s . T . 2 473.

E. Loening

H S t 2 303.

Stenglein

Nebengesetze 1 345 (Galli). V. Lilienthal Z 38 523, 39 255 (Bevölkerungspolitik; Eugenik und Strafrecht). Eb. Schmidt Z 40 396 (über das Gesetz von

1918).

Die staatliche Bevölkerungspolitik, d. h. die Fürsorge für Hebung von Zahl und Tüchtigkeit der Bevölkerung, ist erst durch den Rückgang des Geburtenüberschusses zur Tätigkeit angeregt worden, bisher aber über schüchterne Ansätze nicht hinausgekommen. Die Strafdrohungen gegen die A n k ü n d i g u n g a n t i k o n z e p t i o n e l l e r M i t t e l (oben § 109 II 3) vertreten einen durchaus engherzigen Sittlichkeitsstandpunkt. Auch die Verordnung zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 11. Dezember 1918 (oben § 152) enthält nur Stückwerk in teilweise recht unglücklicher Form. § 2 unterwirft die Geschlechtskranken bei Ansteckungsgefahr einem Zwangsheilverfahren (oben § 152), und § 3 bestraft den Geschlechtsverkehr, wenn der Täter weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß er an einer mit Ansteckungsgefahr verbundenen Geschlechtskrankheit leidet, mit Gefängnis bis zu drei Jahren. Handelt es sich um Ehegatten und Verlobte, so tritt die Verfolgung nur auf Antrag ein. Die Strafverfolgung verjährt in sechs Monaten. 2 ) Während des Krieges h a t die Lebensmittelnot zu einschneidenden Maßregeln geführt, durch welche die V o l k s e r n ä h r u n g sichergestellt werden sollte. Aus dem alten Rüstzeug des Strafrechts sind nur die Bestimmungen gegen die V e r l e i t u n g z u r A u s w a n d e r u n g an dieser Stelle zu erwähnen. Aber auch bei ihnen tritt der entscheidende legislative Gesichtspunkt nicht klar hervor. I. Die Verleitung zur Auswanderung verdankt ihre strafrechtliche Be*) Das Gesetz sagt: durch „Kaiserliche Verordnung". >) Binding Lelirb. 2 909. Allfeld 637: gegen den Volksbestand. VE § 145 bedroht den in gewinnsüchtiger Absicht durch arglistige Täuschung erfolgenden „Auswanderungsbetrug" und hat StGB § 144 gestrichen. Ebenso KE. GE § 188 („Förderung der Auswanderung") hat den § 45 des Auswanderungsg. von 1897 eingearbeitet. s ) Über den Entwurf von 1918 vgl. oben § 80 Note 3 und Lit. zu § 94. Vgl. Marcuse Der eheliche Präventivverkehr. Seine Verbreitung, Verursachung und Methodik 1917.

§ i86. deutung

ihrem

(oben § 99 I).

641

2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n die V o l k s k r a f t .

geschichtlichen Wenn

auch

Zusammenhange

mit

dem

plagium

militare

im 18. Jahrhundert (z. B . im E d i k t Friedrich W i l -

h e l m s I. v o n 1 7 2 1 ) v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e A n s c h a u u n g e n ihre S t r a f b a r k e i t nahelegten, stellen sie doch iloch Österreich 1 7 8 7 und A L R Landesverrats) m i t der F a l s c h w e r b u n g zusammen.

148 (hier als F a l l des

Auch

§ 144 R S t G B ,

der

auf eine preuß. V d g . v o m 20. Januar 1820 z u r ü c k f ü h r t , schließt sie an die V e r l e t z u n g e n der W e h r p f l i c h t an. E r s t allmählich bricht sich i m 19. Jahrhundert nach Anerkennung

der

A u s w a n d e r u n g s f r e i h e i t die Ü b e r z e u g u n g B a h n , d a ß die Beförderung der A u s wanderer gewerbepolizeilicher Ü b e r w a c h u n g im Interesse der Auswanderer u n d die

Richtung

der A u s w a n d e r u n g

L e i t u n g bedarf.

im

Interesse

des M u t t e r l a n d e s der festen

A n die Stelle der landesrechtlichen B e s t i m m u n g e n ist j e t z t

f ü r das g a n z e D e u t s c h e R e i c h das G ü b e r d a s A u s w a n d e r u n g s w e s e n

vom

9. Juni 1897 getreten, das im wesentlichen gewerbepolizeilicher N a t u r ist, aber a u c h eine (nicht hierher gehörige)

S t r a f d r o h u n g gegen den

(oben § 108 V) a u f g e n o m m e n hat.

Frauenhandel

D a n e b e n b l e i b t § 144 R S t G B in K r a f t .

II. S t G B § 144 bedroht die geschäftsmäßige Verleitung Deutscher zur Auswanderung durch auf Täuschung berechnete (wenn auch nicht geeignete) Mittel (insbes. durch Vorspiegelung falscher Tatsachen oder bewußt unbegründete Angaben). Über den Zeitpunkt der Vollendung vgl. oben § 108 V 1. Strafe:

G e f ä n g n i s von einem M o n a t bis zu z w e i

Jahren.

III. Die geschäftsmäßige Anwerbung zur Auswanderung nach außerdeutschen (nicht bloß überseeischen) Ländern, strafbar nach § 45 A b s . 2 des G von 1897; hier ist von dem Erfordernis der auf Täuschung berechneten Mittel abgesehen. „ A n w e r b u n g " bedeutet auch hier (oben § 185 I) die vorsätzliche Bestimmung. Gewerbsmäßigkeit ist nicht erforderlich; Geschäftsmäßigkeit (oben § 55 III 2) genügt. S t r a f e : G e f ä n g n i s s t r a f e bis zu einem Jahre und G e l d s t r a f e bis zu sechstausend M a r k o d e r eine dieser Strafen.

IV. Daran reihen sich die gewerbepoliieilichen Strafdrohungen des G von 1897. 1 . B e t r i e b der B e f ö r d e r u n g v o n Auswanderern (durch Unternehmer oder A g e n t e n ) o h n e die erforderliche Erlaubnis, sowie die g e w e r b s m ä ß i g e M i t w i r k u n g bei einem solchen

Betriebe.

S t r a f e : wie zu

III.

2. Ü b e r t r e t u n g der §§ 8, 22, 23, 25, 32 und 33 A b s . 1)') oder der für die Ausübung

des

Geschäftsbetriebs

V o r s c h r i f t e n d u r c h Unternehmer

von

den

zuständigen

Behörden

erlassenen

(§ 43).

S t r a f e : G e l d s t r a f e v o n einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark oder G e f ä n g n i s bis zu sechs M o n a t e n .

Sind die Z u w i d e r h a n d l u n g e n

von

einem

Stellvertreter (§ 9) b e g a n g e n worden, so t r i f f t die S t r a f e diesen; der Unternehmer ») P f l i c h t des U n t e r n e h m e n s , sich außerhalb seines Niederlassungsbezirkes der zugelassenen A g e n t e n zu bedienen; V e r b o t der Beförderung ohne schriftlichen V e r t r a g oder m i t gesetzwidrigem V e r t r a g ; V e r b o t der B e f ö r derung gewisser P e r s o n e n ; V e r t r ä g e über überseeische A u s w a n d e r u n g ; Sicherheitsleistung v o n seiten des U n t e r n e h m e r s ; A u s r ü s t u n g des S c h i f f s .

T. L i s z t , Strafrecht. 34. Aufl.

41

642

§187.

i . Die Preßpolizeivergehen.

ist neben diesem strafbar, wenn die Zuwiderhandlung mit seinem Vorwissen begangen ist, o d e r wenn er bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Stellvertreters es an der erforderlichen Sorgfalt h a t fehlen lassen. Die gleiche Strafe trifft Schiffsführer, die den ihnen im § 33 Abs. 3 und im § 41 Abs. 3 auferlegten Verpflichtungen oder den auf Grund des § 36 erlassenen Vorschriften zuwiderhandeln,*) ohne Unterschied, ob die Zuwiderhandlung i m I n l a n d o d e r i m A u s l a n d begangen ist. 3. Übertretung der Pflichten, die den Agenten durch die §§ 15, 16, 17, 22 Abs. 2, 23 und 25') oder die für die Ausübung ihres Geschäftsbetriebs von den zuständigen Behörden erlassenen Vorschriften auferlegt sind (§ 44). S t r a f e : Geldstrafe von dreißig bis zu dreitausend Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten. 4. Wer der Vorschrift des § 26 Abs. 1 s) zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit H a f t bestraft (§ 46). 5. Wer den auf Grund des § 42') erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark oder m i t Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft (§ 47).

V . Über den Mädchenhandel vgl. oben § 108 V.

V. Strafbare Handlungen gegen die staatliche Überwachung des Preß- und des Vereinswesens. § 187.

I. Die PreBpolizeivergehen.

Literatur. Oben zu § 43. Dazu Kitzinger Z 27 872 und Oetker 68 321 (beide über den Berichtigungszwang). Friedenthal Beiträge zu einem Preßverwaltungsrecht (v. Lil. H e f t 118) 1910. Born Reichspreßgesetz 2. A u f l . 1 9 1 1 . Regensburger Die preßgesetzliche Berichtigungspflicht 1911. Stenglein Neben«esetze 1 295 (Galli). Kraehling Die preßrechtliche Berichtigungspflicht (v. Lil. H e f t 194) 1917. Q u e l l e : G über die Presse v o m 7. Mai 1874.

I. Verletzung der Verpflichtung zur Nennung von Namen und Wohnort des Druckers und des Verlegers (oder beim Selbstvertriebe : des Verfassers oder Herausgebers) auf jeder Druckschrift; außerdem des verantwortlichen (mit den vom Gesetze geforderten Eigenschaften ausgestatteten) Redakteurs auf jeder periodischen Druckschrift 1 ) (§§ 6 bis 8): *) Ausrüstung des Schiffs; Auskunftspflicht gegenüber den Kommissaren; Schutz der Auswanderer in gesundheitlicher und sittlicher Hinsicht. ') Die § § 1 5 bis 17 regeln den Umfang des Geschäftsbetriebs der Agenten; über die §§ 22, 23, 25 vgl. oben N o t e 3. •) D e r Verkauf von Fahrscheinen an Auswanderer zur Weiterbeförderung von einem überseeischen Platze aus ist verboten. ') Zur Regelung der Beförderung von Auswanderern und Passagieren auf deutschen Schiffen, die von außerdeutschen Häfen ausgehen. *) Es genügt nicht, wenn der Name durch Schlußfolgerungen erkannt werden kann; die Nennung muß vielmehr ausdrücklich erfolgen; R 28 399.

§ i88.

2. S t r a f b a r e Überschreitungen des Vereinsrechts.

1. D u r c h w i s s e n t l i c h falsche A n g a b e n (§ 18 Z i f f . 2), w o b e i der Verleger einer p e r i o d i s c h e n D r u c k s c h r i f t schon d a n n h a f t e t , w e n n er die f ä l s c h l i c h e B e n e n n u n g einer P e r s o n als R e d a k t e u r w i s s e n t l i c h „ g e s c h e h e n l ä ß t " (oben § 1 7 9 X I I ) ; 2. auf andere W e i s e (§ 1 9 Z i f f . 1). S t r a f e : zu 1.: Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder H a f t oder Gefängnis bis zu sechs M o n a t e n ; ?u 2.: Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder H a f t . I I . D i e V e r l e t z u n g der V e r p f l i c h t u n g zur A b l i e f e r u n g der Pflichtexemplare v o n jeder N u m m e r einer periodischen D r u c k s c h r i f t g l e i c h z e i t i g m i t dein B e g i n n e der A u s t e i l u n g oder V e r sendung ( § 9 ) . S t r a f e (§ 19 Ziff. 2): wie oben I 2. I I I . V e r l e t z u n g d e r V e r p f l i c h t u n g zur A u f n a h m e amtlicher B e k a n n t m a c h u n g e n in periodischen D r u c k s c h r i f t e n (§ 10). S t r a f e (§ 19 Ziff. 3): wie oben I 2. A n t r a g s v e r g e h e n . Mit der Verurteilung, bei unberechtigter Verweigerung der A u f n a h m e in gutem Glauben m i t der Freisprechung, ist die A u f n a h m e des Schriftstückes in die nächstfolgende N u m m e r anzuordnen. I V . V e r l e t z u n g der V e r p f l i c h t u n g des v e r a n t w o r t l i c h e n R e d a k t e u r s einer periodischen D r u c k s c h r i f t , Berichtigungen m i t g e t e i l t e r T a t s a c h e n auf V e r l a n g e n eines B e t e i l i g t e n o h n e E i n s c h a l t u n g e n u n d W e g l a s s u n g e n a u f z u n e h m e n (§ 11). S t r a f e (§ 19 Ziff. 3): wie oben I 2. A n t r a g s v e r g e h e f i . der A u f n a h m e wie oben I I I .

Anordnung

V . Verbreitung ausländischer periodischer Druckschriften g e g e n d a s v o m R e i c h s k a n z l e r auf G r u n d des § 1 4 P r e ß g . erlassene Verbot. S t r a f e (§ 18 Ziff. 1): wie oben I 1. V I . V o r s ä t z l i c h e Verbreitung oder vorsätzlicher Wiederabdruck von in Beschlag genommenen Druckschriften (§ 28). S t r a f e : Geldstrafe bis zu f ü n f h u n d e r t Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. E i n e besondere V e r j ä h r u n g s f r i s t f ü r die g e h u n g e n o r d n e t § 22 P r e ß g . a n (oben § 77 I). 2 )

§ 188.

Preßpolizeiver-

2. Strafbare Oberschreitungen des Vereinsrechts.

Literatur. Kleinfeüer VD Bes. T . 2 271. — TA. Mommsen D e collegiis et sodaliciis R o m a n o r u m 1843. Kliwansky Die s t r a f b a r e n Verbindungen nach russischem R e c h t (V. Lil. H e f t 153) 1912. IV. van Calker Zeitschrift für Politik III.R8284. Löw'ngHSt 8152. Stenglein Nebengesetze 11 (Lindenberg). Carstens ») Vgl. die §§ 18, 19 Preßg. 41*

§ 188.

2. Strafbare Überschreitungen des Vereinsrechts.

Unerlaubte Verbindungen im deutschen Strafrechte des 19. Jahrhunderts. Göttinger Diss. 1909. — Textausgaben des RVereinsg. von Romen 3. Aufl. 1912, Delius 4. Aufl. 1908. Über die Rechtsprechung Delius im Recht 1917

S. 297.

Käckell Z 41 695 ff.

I . Geschichte. Nach s p ä t r ö m i s c h e m Recht bedarf es zur Gründung von Vereinen obrigkeitlicher Genehmigung. Die Teilnahme an unerlaubten Verbindungen wird als crimen cxtraordinarium (D 47, 22) bestraft. Die Quellen des d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r s bedrohen schon frühzeitig (Cap. von 779) die verbotenen Einigungen (gildonia). Die Strafbestimmungen mehren sich mit dem Aufblühen der Städte und dem Erstarken der Staatsgewalt. Nach g e m e i n e m Recht (Engau u. a.) wird das collegium illicitum aufgelöst, während die Mitglieder willkürliche Strafe erleiden. ALR 185 bedroht die „heimlichen Verbindungen". Als unter dem Einflüsse dei französischen Revolution einerseits das politische Leben der Regierten sich reger entfaltete, andererseits die Besorgnisse der Regierenden vor den Folgen dieser Bewegung erwachten, wurden die landesrechtlichen Strafdrohungen gegen die Teilnahme an unerlaubten Verbindungen zahlreicher und strenger. So untersagte das preuß. Edikt vom 20. Oktober 1798 alle geheimen Verbindungen. In derselben Bahn bewegte sich die Gesetzgebung des Deutschen Bundes; ein Beschluß vom 20. September 1819 verbot alle Studentenverbindungen; ein Beschluß vom 5. Juli 1832 dehnte das Verbot auf alle politischen Verbindungen überhaupt aus. Seitdem die deutschen Grundrechte von 1848 das Vereinsrecht ausdrücklich und allgemein anerkannt hatten, fand dieses, wenn auch nur 1 nter gewissen Beschränkungen, Aufnahme in die meisten deutschen Verfassungsurkunden, und der Bundesbeschluß vom 13. Juli 1854, der abermals Einschränkungen einzuführen versuchte, wurde in einzelnen Bundesstaaten gar nicht veröffentlicht, in anderen bald wieder beseitigt. Die Reichsverfassung von 1871 unterstellte in Art. 4 Nr. 16 „die Bestimmungen über die Presse und das Vereinswesen" der Beaufsichtigung durch das Reich und dessen Gesetzgebung. Von diesem Recht hat die Reichsgesetzgebung durch das V e r e i n s g e s e t z vom 19. April 1908 Gebrauch gemacht. [Die (unter I I zu erörternden) Bestimmungen der §§ 128, 129 R S t G B sind durch den in § 1 des Reichsvereinsgesetzes ausgesprochenen Grundsatz der Vereinsfreiheit nicht berührt worden, da das Vereinsgesetz den n i c h t p o l i z e i l i c h e n Beschränkungen der Vereinsfreiheit nicht entgegensteht. Das gleiche muß aber auch von Ziff. 2 des Aufrufes des Rates der Volksbeauftragten vom 12. November 1918 (RGBl. S. 1303) gelten und für Art. 124 der RVerf. v. 1919, der in Satz 1 und 2 lautet: „Alle Deutschen haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Dies Recht kann nicht durch Vorbeugungsmaßregeln beschränkt werden." Etwas anderes als in § 1 des Vereinsgesetzes ist damit nicht gesagt. Als Vorbeugungsmaßregeln sind die §§ 128, 129 S t G B nicht aufzufassen, da darunter nur präventivpolizeiliche Bestimmungen zu verstehen sind, die im Einzelfall die Vereinsbildung von polizeilicher Erlaubnis abhängig machen. Die §§ 128, 129 S t G B bestehen also unverändert fort*); dagegen ist in den Bestand der polizeilichen Vorschriften des Reichsvereinsgesetzes (unten I I I ) durch den Novemberaufruf erheblich °) Bestritten. 1. Wie der Text (im Ergebnis) Kiesow D J Z 24 875. Vgl. auch Anschütz Die Verfassung des Deutschen Reichs 1921 Art. 124 Note 1. — 2. A. M. Käckell 695, 696 (§§ 128, 129 S t G B seien Vorbeugungsmaßregeln und durch die RVerf. dahin eingeschränkt, daß Strafbarkeit nur dann eintrete, wenn der Verbindungszweck den Strafgesetzen zuwiderlaufe.

§ i88.

2. Strafbare Uberschreitungen des Vereinsrechts.

645

eingegriffen worden, und die RVerf. von 1919 hält an dem dadurch geschaffenen Zustande in den Artikeln 123, 124 im wesentlichen fest.] I I . D a s R S t G B b e d r o h t d i e Teilnahme an Verbindungen, die e n t w e d e r w e g e n ihrer V e r f a s s u n g oder a b e r w e g e n ihrer Z w e c k e oder B e s c h ä f t i g u n g e n als g e f ä h r l i c h erscheinen. ,,Verbindung" ist jede d a u e r n d e V e r e i n i g u n g m e h r e r e r P e r s o n e n , die auf G r u n d d e r G l i e d e r u n g und U n t e r o r d n u n g ihrer Mitglieder ( „ O r g a n i s a t i o n " ) g e m e i n s a m e Z w e c k e v e r f o l g t . 1 ) E i n e freie T i s c h g e s e l l s c h a f t g e h ö r t ebensowenig h i e r h e r , w i e eine p o l i t i s c h e P a r t e i , deren M i t g l i e d e r nur d u r c h die Ü b e r e i n s t i m m u n g der A n s i c h t e n oder Z a h l u n g v o n Beiträgen zusammengehalten werden. „Teilnahme" bedeutet M i t g l i e d s c h a f t , die n i c h t nur auf G r u n d f ö r m l i c h e r A u f n a h m e (Mitg l i e d s k a r t e , Z a h l u n g d e r V e r e i n s b e i t r ä g e usw.), sondern a u c h auf Grund tatsächlichen Anschlusses angenommen werden kann. Nur die T e i l n a h m e ist im G e s e t z b e d r o h t ; „ S t i f t e r " der V e r b i n d u n g können d a h e r n i c h t g e s t r a f t w e r d e n , w e n n sie n i c h t M i t g l i e d e r der V e r b i n d u n g g e w o r d e n sind. 2 ) S t r a f b a r k e i t des v e r f o l g t e n Z w c c k e s ist n i c h t erforderlich. 3 ) Strafbar ist: 1. D i e Geheimbündelei, d. h. d i e T e i l n a h m e an einer V e r b i n d u n g , deren D a s e i n , V e r f a s s u n g oder Z w e c k v o r der S t a a t s r e g i e r u n g g e h e i m g e h a l t e n w e r d e n soll, oder in der g e g e n u n b e k a n n t e O b e r e G e h o r s a m oder g e g e n b e k a n n t e O b e r e u n b e d i n g t e r G e h o r s a m v e r s p r o c h e n w i r d ( S t G B § 128). D i e V e r f o l g u n g p o l i t i s c h e r Z w e c k e ist n i c h t erforderlich. D i e G e h e i m h a l t u n g b r a u c h t n i c h t a u s d r ü c k l i c h a u f e r l e g t , sie b r a u c h t a u c h n i c h t t a t s ä c h l i c h erreicht z u sein, w e n n sie nur b e a b s i c h t i g t ist. F r e i m a u r e r l o g e n und g e i s t l i c h e O r d e n (Jesuiten) w ü r d e n w i e alle a n d e r e n V e r b i n d u n g e n u n t e r d a s G e s e t z f a l l e n , w e n n dessen V o r a u s s e t z u n g e n (insbesondere u n b e d i n g t e r G e h o r s a m ) gegeben w ä r e n . S t r a f e : Gegen die Mitglieder Gefängnis bis zu sechs Monaten; gegen Stifter und Vorsteher der Verbindung Gefängnis von einem Monate bis zu einem Jahre. Gegen Beamte kann (auch ohne die Voraussetzungen von StGB § 35 Abs. 1) auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. 2. Die Teilnahme an staatsfeindlichen Verbindungen; d. h . a n einer V e r b i n d u n g , z u d e r e n Z w e c k e n o d e r B e s c h ä f t i g u n g e n es ') Ebenso im wesentlichen R 13 273 und (für das preußische Recht) R 28 66. ,,Wahlvereine" sind keine dauernden Vereinigungen, fallen mithin nicht unter das Gesetz. — Der Zweck ist gleichgültig. Unhaltbar Schwartz § 128 Note 1, nach dem eine Einwirkimg auf öffentliche Angelegenheiten bezweckt sein muß. 2 ) Ebenso Allfeld 676, Carstens 87, Frank § 128 II, Kleinfeiler 280; dagegen Binding Lehrb. 2 906, R 6 215. Zugunsten der im Text vertretenen Ansicht spricht § 17 Sozialisteng. 1878, der Mitgliedschaft und Tätigkeit im Interesse des Vereins ausdrücklich voneinander unterschied. 3 ) Ebenso R 35 x77, 195.

646

§ 1^9- i• Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens usw.

gehört, M a ß r e g e l n der V e r w a l t u n g oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche (wenn auch nicht strafbare) Mittel z u v e r h i n d e r n o d e r z u e n t k r ä f t e n ( S t G B § 129). S t r a f e : Gegen die Mitglieder Gefängnis bis zu einem Jahre; gegen die Stifter und Vorsteher der Verbindung Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren. Gegen Beamte kann auf die zu 1 erwähnte Nebenstrafe erkannt werden. I I I . Das Vereinsgesetz von 1908 (abgeändert durch die Gesetze vom 26. Juni 1916 und 19. April 1917, [hinsichtlich der §§ 5, 7, 13, 14 bis 17 und der dazu gehörigen Strafbestimmungen durch den Novemberaufruf (oben I) außer K r a f t gesetzt]) bedroht in § 18 die leichteren Zuwiderhandlungen mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark (bei Uneinbringlichkeit Haft), in § 19 die schwereren mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark (bei Uneinbringlichkeit H a f t ) oder H a f t .

V I . Strafbare Handlungen g e g e n die Sicherheitsund SittlichkeitspolizeL § 189. I . Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens, der Gesundheit, des Vermögens. Literatur. Kitzinger VD Bes. T. 9 145. — Zu I: Kommentare von Eger 1911, Hoepfel 1911, Isaac 1912, Kirchner 3. Aufl. 1915. Becker Die Strafbestimmungen des G usw. Heidelberger Diss. 1911. Stenglein Nebengesetze 1 801 (Galli). — Zu II: Vgl. Lit. zu § 152. Dazu V. Zumbusch Geschlechtskrankheiten-Bekämpfung und Strafrecht 1918 (Münchener medizinische Wochenschrift). Flesch HSt 4 742. Rapmund Das Reichsimpfgesetz 1889. Frankel HSt 5 383. Honemann Z 21 363. Ruth Z 84 406. Stenglein Nebengesetze 1 618 (Galli über das Reichsimpfgesetz). — Zu III: Siebs GA 66 290. Kohler Studien 1 48, 53. Eb. Müller Die strafbare Hilfeverweigerung. Göttinger Diss. 1896. — Über Geheimmittel: Frank Z 8 51. Graak Kurpfuscherei und Kurpfuschereiverbot 1906. Derselbe Z 31 536 (über den Entw. von 1910). Kronecker DJZ 7 188. Olshausen DJZ 15 1445. Lion Die strafrechtliche Behandlung der Kurpfuscherei. Rostocker Diss. 1910. Boettger HSt 2 201. Clement Die strafrechtliche Bekämpfung der Kurpfuscherei. Göttinger Diss. 1913 (über die Entwürfe von 1908 und 1910). Golly Tatbestand des § 367 Ziff. 3 UStGB. Breslauer Diss. 1917. — Zu IV: Lit. zu § 152. Ruth Z 84 406. Esser HSt 8 344. I. Der Verkehr mit Kraftfahrzeugen ist durch das Reichsgesetz vom 3. Mai 1909 geregelt. 1. In diesem Gesetz sind, abgesehen von den Übertretungsstrafen des § 21, die folgenden Tatbestände unter Strafe gestellt: a) Strafbar ist der Führer eines Kraftfahrzeuges, der nach einem Unfall es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeuges und seiner Person durch die Flucht zu entziehen. Er bleibt je-

§ i89-

i . Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens usw.

647

doch straflos, wenn er spätestens am nächstfolgenden Tage nach dem Unfall Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung des Fahrzeuges und seiner Person bewirkt (§ 22 Absatz 1). b) Strafbar ist der Führer, der eine bei einem Unfall verletzte Person vorsätzlich in hilfloser Lage verläßt (§ 22 Abs. 2; oben § 90 Note 5). c) Strafbar ist, wer auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ein Kraftfahrzeug führt, das nicht von der zuständigen Behörde zum Verkehr zugelassen ist. Ebenso der Halter eines nicht zugelassenen Kraftfahrzeuges, der vorsätzlich oder fahrlässig dessen Gebrauch auf öffentlichen Wegen oder Plätzen gestattet (§ 23). d) Strafbar ist, wer ein Kraftfahrzeug führt, ohne einen Führerschein zu besitzen, oder, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen ist, oder wer der Behörde, die ihm die Fahrerlaubnis entzogen hat, den Führerschein auf ihr Verlangen nicht abliefert. Ebenso der Halter des Kraftfahrzeuges, der vorsätzlich oder fahrlässig eine Person zur Führung des Fahrzeuges bestellt oder ermächtigt, die sich nicht durch einen Führerschein ausweisen kann, oder der die Fahrerlaubnis entzogen ist (§ 24). e) Strafbar ist, wer in rechtswidriger Absicht ein Kraftfahrzeug, für das ein behördliches Kennzeichen nicht ausgegeben oder zugelassen ist, mit einem Zeichen versieht, das geeignet ist, den Anschein einer behördlichen Kennzeichnung hervorzurufen; wer es mit einer anderen als der behördlichen Kennzeichnung versieht, oder das an dem Kraftfahrzeug angebrachte behördliche Kennzeichen verändert, beseitigt, verdeckt oder sonst in seiner Erkennbarkeit beeinträchtigt. Ebenso wer auf öffentlichen Wegen oder Plätzen von einem Kraftfahrzeug Gebrauch macht, von dem er weiß, daß die Kennzeichnung gefälscht, verfälscht oder unterdrückt worden ist (§ 25). 2. Die Strafe beträgt: Im Falle a) Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Monaten; im Falle b) Gefängnis bis zu sechs Monaten, bei mildernden Umständen nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreihundert Mark; im Falle c) Gefängnis bis zu zwei Monaten; im Falle d) Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Monaten; im Falle e) Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten.

II. In das Gebiet der Gesundheitspolizei greifen zahlreiche Straftaten über, die des Zusammenhanges wegen an anderer Stelle teils bereits erwähnt, teils noch zu erwähnen sind. So die Verletzung der zur Bekämpfung von V o l k s s e u c h e n getroffenen Anordnungen (oben § 152), verschiedene Fälle der W a r e n f ä l s c h u n g (oben § 157) sowie s i t t e n p o l i z e i l i c h e (unten § 190) und g e w e r b e p o l i z e i l i c h e (unten § 191) Übertretungen. Die in den inter-

648

? i8g.

1. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n gegen die Sicherheit des L e b e n s u s w .

n a t i o n a l e n V e r e i n b a r u n g e n zur B e k ä m p f u n g der Cholera und der Pest enthaltenen Strafdrohungen dagegen führen über die Grenzen des deutschen S t r a f r e c h t s hinaus (oben § 21 I 1). 1. A n erster Stelle ist das Reichsimpfg. vom 8. April 1874 zu erwähnen. Verletzungen des Gesetzes durch E l t e r n , Pflegeeltern, V o r m ü n d e r , A r z l e , Schulvorsteher, sowie d u r c h den, der u n b e f u g t I m p f u n g e n v o r n i m m t , unterliegen Übertretungsstrafen. V e r g e h e n s s t r a f e (Geldstrafe bis zu f ü n f h u n d e r t M a r k o d e r G e f ä n g n i s b i s zu d r e i M o n a t e n ) t r i f f t (§ 17) d e n , d e r b e i A u s f ü h r u n g einer I m p f u n g f a h r l ä s s i g (d. h. u n v o r s i c h t i g ) h a n d e l t .

2. V o n einschneidender B e d e u t u n g ist das Reichsg. betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten vom 30. Juni 1900. Das Gesetz bezieht sich nach § 1 auf A u s s a t z (Lepra), Cholera (asiatische), Fleckfieber (Flecktyphus), gelbes Fieber, Pest (orientalische Beulenpest), Pocken (Blattern). D o c h können durch B e s c h l u ß des Reichsrats die V o r s c h r i f t e n über die Anzeigepflicht noch auf andere übertragbare K r a n k h e i t e n ausgedehnt werden (§ 5). Das ist bezüglich der G e s c h l e c h t s k r a n k h e i t e n t r o t z , i h r e r großen Gemeingefährlichkeit bisher nicht geschehen. V g l . oben § 186. D i e s t r a f b a r e n Ü b e r t r e t u n g e n d e s G e s e t z e s s t u f e n s i c h n a c h ihrer S c h w e r e in drei G r u p p e n a b : a) D i e e r s t e G r u p p e w i r d g e b i l d e t d u r c h die B e n u t z u n g u n d V e r b r e i t u n g g i f t f a n g e n d e r G e g e n s t ä n d e (§ 44). Hierher gehören a) d a s Gebrauchen oder Inverkehrbringen v o n beweglichen Gegenständen, für die eine D e s i n f e k t i o n p o l i z e i l i c h a n g e o r d n e t w a r , v o r e r f o l g t e r D e s i n f e k t i o n ; ß) d a s G e b r a u c h e n o d e r I n v e r k e h r b r i n g e n v o n b e w e g l i c h e n G e g e n s t ä n d e n , die v o n P e r s o n e n , d i e a n einer g e m e i n g e f ä h r l i c h e n K r a n k h e i t l i t t e n , w ä h r e n d der E r k r a n k u n g g e b r a u c h t oder bei deren B e h a n d l u n g u n d P f l e g e b e n u t z t w o r d e n s i n d , v o r e r f o l g t e r D e s i n f e k t i o n ; y) d a s B e n u t z e n v o n F a h r z e u g e n oder sonstigen Gerätschaften, die zur Beförderung v o n K r a n k e n oder V e r s t o r b e n e n d i e n t e n , die a n einer g e m e i n g e f ä h r l i c h e n K r a n k h e i t g e l i t t e n h a b e n , vor erfolgter D e s i n f e k t i o n sowie die Überlassung dieser Gegenstände zur B e n u t z u n g an andere. V o r s a t z („wissentlich") in allen drei Fällen erforderlich. S t r a f e : G e f ä n g n i s bis zu drei J a h r e n ; bei mildernden U m s t ä n d e n k a n n auf Geldstrafe bis eintausendfünfhundert Mark e r k a n n t werden. b) V e r l e t z u n g d e r P f l i c h t z u r A n z e i g e v o n j e d e r E r k r a n k u n g u n d j e d e m T o d e s f a l l a n einer d e r g e n a n n t e n K r a n k h e i t e n ( U n t e r l a s s u n g d e r A n z e i g e o d e r V e r z ö g e r u n g v o n m e h r a l s 24 S t u n d e n ; d i e S t r a f v e r f o l g u n g i s t jedoch ausgeschlossen, w e n n die Anzeige, o b w o h l nicht von dem z u n ä c h s t Verpflichteten, doch rechtzeitig gemacht worden ist); Verweigerung des Z u t r i t t s z u m K r a n k e n oder zur L e i c h e oder V e r w e i g e r u n g der V o r n a h m e der erforderlichen U n t e r s u c h u n g s h a n d l u n g e n d e m b e a m t e t e n A r z t gegenüber; V e r w e i g e r u n g der A u s k u n f t über alle auf die E n t s t e h u n g u n d d e n Verlauf der K r a n k h e i t wichtigen U m s t ä n d e d e m b e a m t e t e n A r z t u n d der zuständigen B e h ö r d e gegenüber, sowie wissentlich unrichtige A n g a b e n über diese U m s t ä n d e ; N i c h t a n m e l d u n g z u r e i s e n d e r P e r s o n e n t r o t z A n o r d n u n g (§ 45). S t r a f e : Geldstrafe v o n zehn bis zu einhundertfünfzig Mark oder H a f t n i c h t u n t e r einer W o c h e . c) Z u w i d e r h a n d l u n g e n g e g e n d i e v o n d e m b e a m t e t e n A r z t o d e r d e m

§ 18g. i . Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens usw.

649

Vorsteher der Ortschaft getroffenen vorläufigen Anordnungen oder gegen die von der zuständigen Behörde erlassene Anordnung, daß jede Leichc vor der Bestattung einer amtlichen Besichtigung ( L e i c h e n s c h a u ) zu unterwerfen sei; Zuwiderhandlungen gegen die übrigen angeordneten S c h u t z m a ß r e g e l n (§ 46). S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft. 3. Hierher g e h ö r t endlich d a s G b e t r . Phosphorzündwaren, v o m 10. Mai 1903 (an Stelle des G v o m 13. Mai 1884 g e t r e t e n ) . Das G verbietet a) die Verwendung von weißem oder gelbem Phosphor zur Herstellung von Zündhölzern oder anderen Zündwaren; b) das Inverkehrbringen von Zündwaren, die unter Verwendung von weißem oder gelbem Phosphor hergestellt sind; c) das Einführen solcher Zündwaren. Das vorsätzliche Zuwiderhandeln wird mit Geldstrafe bis zu zweitausend, das fahrlässige mit Geldstrafe bis zu hundertfünlzig Mark bestraft. Einziehung, auch selbständig, bindend vorgeschrieben. I I I . Z a h l r e i c h sind ferner die S t r a f d r o h u n g e n des l e t z t e n A b s c h n i t t e s unseres R S t G B gegen Übertretungen, die teils g e g e n d i e S i c h e r h e i t v o n L e i b und L e b e n , teils g e g e n die S i c h e r h e i t d e s E i g e n t u m s , teils, w i e die g e m e i n g e f ä h r l i c h e n D e l i k t e (oben §§ 1 4 8 f f . ) , g e g e n beide R e c h t s g ü t e r g e r i c h t e t sind. E s gehören hierher d i e §§ 360 Z i f f . 10, 361 Z i f f . 4 u n d 9 ; 366 Z i f f . 2 bis 1 0 ; 3 6 6 a ; 367 Z i f f . 2 bis 6, 8 bis 15 n e b s t d e m d u r c h G v o m 13. Mai 1 8 9 1 e i n g e s c h a l t e t e n § 367 Z i f f . 5 a ; 368 Z i f f . 1 bis 9 ; 369 Z i f f . 1 u n d 3. V o n e i n g e h e n d e r e r E r ö r t e r u n g dieser Ü b e r t r e t u n g e n , die w e g e n ihrer rein p o l i z e i l i c h e n E i g e n a r t a m b e s t e n der L a n d e s g e s e t z g e b u n g überlassen w o r d e n w ä r e n , k a n n hier a b g e s e h e n w e r d e n . Besondere E r w ä h n u n g v e r d i e n e n nur die f o l g e n d e n F ä l l e : 1. D e r sog. Liebesparagraph (§ 360 Z i f f . 10) b e d r o h t d e n , d e r , bei U n g l ü c k s f ä l l e n oder gemeiner G e f a h r oder N o t , v o n der P o l i z e i b e h ö r d e oder d e r e n S t e l l v e r t r e t e r zur H i l f e a u f g e f o r d e r t , k e i n e F o l g e leistet, o b g l e i c h er der A u f f o r d e r u n g ohne e r h e b l i c h e e i g e n e G e f a h r g e n ü g e n k o n n t e (vgl. oben § 30 N o t e 5). 1 ) Die aus dem Code pénal ins preuß. StGB herübergenommene Bestimmung führt bis auf das französische G von 1791 (sur la police municipale) zurück. —• Den ..Unglücksfällen", die auch i n d i v i d u e l l e r Natur sein können, tritt die g e m e i n e Gefahr oder Not gegenüber. Gefahr für das Vermögen genügt (Raupenfraß). Stets aber muß die Gefahr weiteren Schadens, und zwar gemeine Gefahr im technischen Sinne (oben § 28 II 3), gegeben sein. Der Aufgeforderte wird nur durch eigene Gefahr für Leib und Leben entschuldigt (nicht Gefahr für seine Kleider, den zur Hilfeleistung geforderten Wagen). Gefahr für Angehörige entschuldigt nicht. Besondere Verpflichtungen be*) K E § 415 hat den Fall unterlassener Lebensrettung gleichgestellt., vorausgesetzt, daß die Rettung ohne eigene Gefahr für Leib und Leben möglich war, und daß der Gefährdete in der Gefahr das Leben verloren hat. [E 1919§ 199 behandelt den Fall des § 360 Ziff. 10 R S t G B im Abschnitt „Auflehnung gegen die Staatsgewalt" und die unterlassene Lebensrettung in § 291 unter den Tötungsdelikten. Beide Fälle erscheinen als Vergehen.]

650

§ 189. i . Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens usw.

stimmter Personen (Feuerwehrleute usw.) werden durch § 360 Ziff. 1 0 nicht berührt. Ebenso bleiben Sondervorschriften der Landesgesetzgebung über Hilfepflicht bei Waldbränden, Überschwemmungen usw. bestehen (z. B . § 44 des preuß. Feldpolizeig. 1880). — Wesentlich weiter geht § 21 Postg. 1 8 7 1 : „Wenn den ordentlichen Posten, Extraposten, Kurieren oder Estafetten unterwegs ein Unfall begegnet, so sind die Anwohner der Straße verbunden, denselben die zu ihrem Weiterkommen erforderliche Hilfe gegen vollständige Entschädigung schleunigst zu gewähren." Übertretungen dieser Vorschrift sind aber n r r strafbar, sofern der Tatbestand des § 360 Ziff. 10 gegeben ist. § 9 der Strandungsordnung 1874 dehnt die Strafdrohung des § 360 Ziff. 1 0 auch auf den Ungehorsam gegen die von dem Strandvogt während einer Seenot getroffenen Anordnungen ( S t r a n d h i l f e ) aus. S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder H a f t .

2. Die Vernachlässigung der Beaufsichtigung von Kindern und anderen Gewaltuntergebenen ist im S t G B selbst an zwei Stellen unter Strafe gestellt (§ 361 Ziff. 4 und 9). Dazu tritt § 6 des Vogelschutzg. vom 30. Mai 1908. Genannt sind in allen drei Fällen: Kinder oder andere unter der Gewalt des Schuldigen stehende Personen, die seiner Aufsicht untergeben sind und zu seiner Hausgenossenschaft gehören. a) Wer diese Personen vom Betteln abzuhalten unterläßt, wird mit H a f t bestraft (§ 361 Ziff. 4). b) Wer diese Personen von der Begehung von Diebstählen, sowie von der Begehung strafbarer Verletzungen der Zoll- oder Steuergesetze oder der Gesetze zum Schutze der Forsten, der Feldfrüchte, der Jagd oder der Fischerei abzuhalten unterläßt, wird mit H a f t oder mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark bestraft (§ 361 Ziff. 9). Die Vorschriften dieser Gesetze über die Haftbarkeit für die den Täter treffenden Geldstrafen oder anderen Geldleistungen werden hierdurch nicht berührt. c) Wer diese Personen von Zuwiderhandlungen gegen das Vogelschutzg. oder gegen die vom Bundesrat auf Grund des Gesetzes erlassenen Anordnungen abzuhalten unterläßt, wird mit Ge'dstrafe bis zu hundertfünfzig Mark oder mit H a f t bestraft.

3. Der Verkehr mit Geheimmitteln, d. h. denjenigen angeblichen Heilmitteln, deren Zusammensetzung und Zubereitung weder angegeben noch aus den staatlichen Pharmakopoen bekannt ist. Nach § 367 Ziff. 3 wird mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit H a f t bestraft, wer ohne polizeiliche Erlaubnis Gift oder Arzneien, soweit der Handel mit ihnen nicht freigegeben ist, zubereitet, feilhält, verk a u f t oder sonst an andere überläßt. Danach ist weder der Verkauf, noch die Ankündigung von Geheimmitteln unter Strafe gestellt. Landesrechtlich kann nicht der Verkauf solcher Geheimmittel (wegen der Gewerbeordng. und der Vdg. vom 4. Januar 1875), wohl aber deren Ankündigung mit Strate bedroht werden (oben § 20 I 2). Die Entwürfe eines Reichsgesetzes gegen Mißstände im Heilgewerbe von 1908 und 1 9 1 0 (Kurpfuscherei) sind nicht verabschiedet worden.

4. Das G betr. die Beseitigung von Tierkadavern vom 17. Juni 1 9 1 1 droht in § 5 Übertretungsstrafen an. IV. Dem Schutze des Vermögens dienen die Anordnungen

'§ 189. gegen

i . Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens usw. Einschleppung

und

Verbreitung

von

651

Viehseuchen

und

P f l a n z e n k r a n k h e i t e n [(vgl. alte R V e r f . A r t . 4 N r . 15, neue R V e r f . A r t . 7 N r . 8 in V e r b i n d u n g m i t A r t . 1. D i e w i s s e n t l i c h e

15)].

Verletzung der

von der zuständigen

Be-

h ö r d e a n g e o r d n e t e n A b s p e r r u n g s - oder A u f s i c h t s m a ß r e g e l n oder Einfuhrverbote 2. E i n e n betr.

(StGB

§ 328): oben

besonderen

Zuwiderhandlungen

§ 152

Fall zeichnet das gegen

erlassenen Vieheinfuhrverbote,

die

durch

zur

behandelt. G

erhöhte

teilweise E r w e i t e r u n g e n des T a t b e s t a n d e s aus, ergänzend

anwendbar

vom

Abwehr

21.

der

Mai

1878,

Rinderpest

Strafdrohungen so d a ß

§ 328

und StGB

bleibt.

a) Die v o r s ä t z l i c h e Übertretung der auf Grund des G vom 7. April 1869 erlassenen Beschränkungen oder Verbote der E i n f u h r lebender Wiederkäuer (§ 1). S t r a f e : Gefängnis von einem Monat bis zu zwei Jahren. V e r s u c h strafbar (während er nach S t G B § 328 straflos bleibt). Die H a n d l u n g besteht in der verbotswidrigen Einfuhr. K e n n t n i s des Verbotes ist zur Strafbarkeit erforderlich. Erwerbung zum Zweck der E i n f u h r ist straflose V o r bereitungshandlung. b) S c h w e r e r F a l l (§ 2), wenn in der A b s i c h t (gleich Beweggrund) begangen, sich oder einem anderen einen (nicht notwendig rechtswidrigen) V e r m ö g e n s v o r t e i l (oben § 161 Noten 12 und 13) zu verschaffen oder einem anderen (nicht notwendig an dessen Vermögen) Schaden zuzufugen. S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Geiängnis nicht unter sechs Monaten. c) F a h r l ä s s i g e Übertretung der unter a) genannten Beschränkungen und V e r b o t e ( S t G B § 328 bedroht nur die wissentliche Übertretung). S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten (§ 3). Bei Personen, die nicht weiter als fünfzehn K i l o m e t e r v o n der Grenze ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen A u f e n t h a l l haben, oder die m i t den betroffenen Tieren gewerbsmäßig H a n d e l treiben, i s t d i e U n k e n n t n i s d e r V e r b o t e als d u r c h F a h r l ä s s i g k e i t v e r s c h u l d e t a n z u n e h m e n , w e n n sie n i c h t d e n N a c h w e i s f ü h r e n , d a ß sie ohne ihr Verschulden durch besondere U m stände verhindert waren, v o n ihnen Kenntnis zu erlangen (oben § 36 N o t e 7). d) Ist infolge der Zuwiderhandlung V i e h v o n d e r S e u c h e ergriffen worden, so ist (§ 4) im F a l l e a) auf Gefängnis nicht unter drei Monaten, im F a l l e b) auf Z u c h t h a u s bis zu zehn Jahren oder Gefängnis nicht unter einem Jahre, im F a l l e c) auf Geldstrafe bis zu zweitausend Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre zu erkennen. 3. V e r n a c h l ä s s i g u n g den Verpflichtung

der den Eisenbahnverwaltungen

obliegen-

z u r D e s i n f e k t i o n bei V i e h b e f ö r d e r u n g e n

auf

Eisenbahnen. Sie wird nach § 5 des G v o m 25. Februar 1876 an denjenigen Personen, denen v e r m ö g e ihrer dienstlichen Stellung oder eines ihnen erteilten A u f trages die A n o r d n u n g , A u s f ü h r u n g oder Ü b e r w a c h u n g der Desinfektion obliegt, m i t Geldstrafe bis zu eintausend Mark und, wenn infolge der V e r n a c h lässigung V i e h v o n der Seuche ergriffen worden, m i t Geldstrafe bis zu dreitausend M a r k oder Gefängnis bis zu einem Jahre b e s t r a f t . 4. A n

Stelle

der Gesetze v o m

ist das Viehseuchengesetz

23. J u n i 1 8 8 0 u n d 1 . M a i

v o m 26. J u n i 1909 g e t r e t e n .

1894

§ 190.

2. S t r a f b a r e Handlungen gegen die Sittlichkeitspolizei.

D i e in den §§ 74 bis 77 enthaltenen Strafvorschriften bedrohen d i e leichteren Zuwiderhandlungen mit Übertretungsstrafen, die schwereren in § 74 m i t Gefängnis bis zu zwei Jahren (neben dem auf Gedlstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark erkannt werden kann) oder m i t Geldstrafe v o n fünfzehn bis zu dreitausend M a r k .

5. D a s Reichsg. v o m 6. Juli 1904 betr. die Bekämpfung der Reblaus (an Stelle des G v o m 3. Juli 1883, zur A u s f ü h r u n g der internationalen R e b l a u s k o n v e n t i o n v o m 3. N o v e m b e r 1881 2 ) erlassen), enthält Strafdrohungen von verschiedener Schwere. 1. D i e vorsätzliche Verbreitung der R e b l a u s auf einem Grundstück. S t r a f e : Gefängnis nicht unter einem Monat und Geldstrafe bis zu tausend Mark. Versuch strafbar (§ 9). 2. Die Versendung, Ein- oder A u s f u h r von bewurzelten Reben oder Blindreben; die Verletzung der zum Schutze gegen die R e b l a u s getroffenen Anordnungen; wissentlich unrichtige Eintragungen und A u s k ü n f t e beim Handel mit Reben. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis zu tausend Mark oder eine dieser Strafen (§ 10). 3. Weitere Übertretungen des G sind mit geringeren Strafen bedroht I . i x t , Strafrecht. 24. Aufl.

721

der — mitgegebenen G e g e n s t ä n d e n 444Leichenfrevel 414. Leichenschau 649. Leichtsinn 499. lenocinium 387. Lesbische Liebe 398. Letalitas 130. Leuchtmittelsteuer 559. lex Heinze, lex Hompesch 377, 391, 655Li bell 348. Liebesparagraph 313 N o t e 2, 649. Lieferungsverträge, jN'ichteriüilung derselben 475, 530. List 364. Literatur des R e i c h s s t r a f r e c h t s 72. Lohnabtreibung 345. Lohnbücher 659. Lombrosos Theorie 12. Löschung des Strafverraerks 17, 2S7. 301. Losung ums Leben 338. Lösungssumme 35. Lotsensignalordnung 677. Lotterie, Spielen in auswärtiger — 97; staatlich genehmigte —• 156. M. Mädchenhandel 388, 393. Majestätsbeleidigung 578. Mangel im Tatbestand 208 N o t e 1. Mannschaft, Unterschied von Haufen 594Marburger Programm 21. Margarine 435. Markenschutz 436. Marodieren 702. Martern, Begriff 462. Maß- u n d Gcwichtspolizei 672. Maßeinheiten, elektrische 673. Maßnahmen zum Schutze der Gesells c h a f t 25; — zur Besserung oder Fürsorge 25. Materialien als Auslegungsmittel 91. Materie 92, 96. Materielle Verbrechen 125. Medizin, gerichtl. —, L i t e r a t u r 75. Medizinalpersonen 385, 560. Mehrfache Anstiftung 229. Mehrfache Beteiligung 229. Mehrfache Ehe 404. Mehrheit der Verbrechen 137, 232, 242. Mehrtäterschaft 222. Meineid 622. Mensch, Begriff im Unterschiede von der Leibesfrucht 310 Note 2. 46

722

Sachregister.

Menschenmenge, Begriff 417. Menschenraub 364, 370. Messerzücken 322. Methode der Strafrechtswissenschaft 1. Meuchelmord 315. Meuterei der Gefangenen 590. — der Soldaten 701, 702. — an Bord 678 N o t e 7. Mildernde Umstände 278. Militärbeamte 60g Note 4. Militärischer Aufruhr 702. Militärischer Landesverrat 569. Militärische Unterordnung 701. Militärpersonen 112, 698. Militärstrafgerichtsordnung 294, 573. Militärstrafrecht 696. Minderjährige, Ü b e r v o r t e i l u n g derselben 498. Minderjährigkeit s. jugendliches Alter. Minderwertigkeit, psychopathische 12. Mineralwässer, Besteuerung v o n 695. Minima non curat praetor 14. Mißachtung der Staatsgewalt 607. Mißbrauch der A m t s g e w a l t 364, 497, 612, 613. — der geistlichen Stellung 595. — v o n Sprengstoffen 532. — eines Abhängigkeitsverhältnisses zur U n z u c h t 384. — der Dienstgewalt 702. Mißgeburt 3 1 1 . Mißhandlung 324; Pflegebefohlener 326; militärisch Untergebener 328. Mißlungene Anstiftung 228. Mißlungene Verbrechen 205, 208 N o t e 2. Mitnahme hilfsbedürftiger Seeleute 677. Mittagspause für Arbeiter in offenen Verkaufsstellen 659. Mittäterschaft 130, 216, 220. Mitteilungen a u s nichtöffentlichen Gerichtsverhandlungen 397. Mittelbare Täterschaft 137, 218. Mittelbare Staatsbeamte 609 Note 3. Mitursache 128, 132. Mitwucher 503. Modalitäten der H a n d l u n g 136. Modellschutz 428. moderamen inculpatae tutelae 147. Moderne Richtung im Straf recht 21. monstrum als Gegenstand der T ö t u n g 311 • Motiv 15; s. Beweggrund. Motivier barkeit des menschlichen Willens 22. Motiventheorie 173 Note 2. Mundraub 438 N o t e 6.

Munitionsaneignung 457. Münzbetrug 544 N o t e 4. Münzfälschung 543. Münzformen 545. Münzgesetz 669. Münzverbrechen 541. Münzverringerung 545. Münzwesen, strafbare Handlungen dagegen 669. Müßiggang 653. Musterschutz 428.

N. Nachdruck 424. Nachhaft, korrektioneile 265 Note 6. Nachmachen 536, 550. Nachrede, üble 356. Nachrichten über Truppenoder Schiffsbewegungen oder Verteidigungsmittel 577. Nachschieben von W a r e n 432. Nachstrafen 230. Nachtäterschaft 217 Note 7. Nachverfahren 106. Nachwucher 503. Nächtlicher Diebstahl 453. Nachträgliche Prognose 209. Nachtzeit, Begriff 453 (Diebstahl); 472. Näherer Erfolg 123. Nahrungsmitteldiebstahl 458. Nahrungsmittelfälschung 536. Namenrecht 401, 436. Namenrecht, F ü h r u n g falscher Namen 604. Narkotisierung 364 Note 7. Nationalität der Kauffahrteischiffe 676. Nationalitätsprinzip 100. Natürliche Handlungseinheit 232. Nebengesetze, strafrechtliche 64. Nebenstrafen an der Freiheit 263, an der E h r e 265; überhaupt 250. Nebentäterschaft 130, 222. Negative Tatbestandsmerkmale 119 Note 5, 183 Note 4. Negersklaven 366. Neothomisten 23 Note 1. Neubürger 106. Neutral-Moresnet 102 N o t e 3. Nichtanzeige v o n Verbrechen 534, 577, 636. Nichtbeendeter Versuch 204. Nichterfüllung v o n Lieferungsvert r ä g e n 530, 475, 573. Niederschlagung der Strafverfolgung 288. Nordseefischerei 680.

Sachregister Normenschutz 5, 88. Normentheorie Bindings 5 Note 3. Notbetrug 488. Notentwendung 455. Nothilfe 147. Nötigung als Vergehen 367; als Amtsvergehen 6 1 2 ; als Ausschließungsgrund der Rechtswidrigkeit 152. Nötigung zur Arbeitseinstellung 368. — zur Unzucht 3 8 1 . — zu Amtshandlungen 587. Notlage 502. Notrecht 35, 38, 150. Notsignalordnung (>77. Notstand 145, 148. Notstandslieferant 5 3 1 . Notwehr 143. Notwendige Teilnahme 2 1 7 . Notzucht 381, 383. Novellen zum S t G B . 63. nullum crimen sine lege 89.

o. Objektive Theorie 235 Note 2. Objektives Strafverfahren 246. Objektivierung der Strafe 29. Offenbarung, Begriff 420; — fremder Geheimnisse s. Geheimnisse; — der Steuerverhältnisse 434. Offenbarungseid 622. Offene Verkaufsstellen 659. öffentliche Angelegenheiten 580, 595. öffentliche Aufforderungen 597. öffentliche Urkunde 550. Öffentlicher Friede 422, 591. öffentliches Amt 266 Note 4, 268. Öffentliches Recht 3. Öffentlichkeit, B e g r i f f , s. die betreffenden Verbrechen. Okkupationsrechte 471. Omissivver brechen 1 3 3 . omnimodo facturus 228. Onanie, wechselseitige 384 Note 7, 398. Operation, Ausschluß der Rechtswidrigkeit 154. Orden, geistliche 645. Ordnungsstrafe 163, 249. Ort der begangenen Tat 1 3 7 , 193. — des Erscheinens 139.

P. Päderastie 398. Papier der Reichskassenscheine 546. parricidium 30, 3 1 5 Parteiverrat 618.

723

Partiererei 5 1 1 . Partikulargesetzgebung, deutsche im 19. Jahrh. 56. Pasquill 348. Patentamt 436. Patentanwalt 429. Patentschutz 429. Peculatus 615. Peinliche Gerichtsordnung Karls V. 40. Peinliches Unrecht (Unterschied von bürgerlichem) 190. Penitentiary-System 257. Pennsylvanisches System 257. perduellio 30, 562. Perforation 155. Periodische Druckschriften 188 Note 1. Personenhehlerei 635. Personenstand, Unterdrückung desselben 402, Begriff 402. Persönliche Verhältnisse der Teilnehmer, Einfluß derselben auf die Strafbarkeit, persönliche Strafausschließungsgründe. Persönliches Geltungsgebiet 1 1 0 . Perversion 397. Pfandbruch 603. Pfandkehrung 457. Pfandleiher 456, 503. Pferdebahnen 452. Pferderennen 506. Pflanzenkrankheiten 651. Pfleger 196. Pflichtexemplare 643. Pflichtgemäße Handlung 153. Phosphorzündwaren 649. Photographie, gerichtlichc 18 Note 1 2 . Photographienschutz 427. Physiologie des Verbrechens 9 Note 2. Pietatsgefühl 350 Note 5, 4 1 3 . Piraterie 461. Plagiat 426. plagium 370. Plünderung 592, 702. Politische Körperschaften 158, 360 Note 4, 579. — Verbrechen, Begriff 109. Politisches Wahl- und Stimmrecht 579Polizeiaufsicht 16 Note 8, 263, 391. Polizeidelikt 119. Polizeimaßregeln im Gegensatz zur Strafe 246. Polizeistrafe 1 1 9 , 249. Polizeistrafgesetzgebung 96. Polizeistunde 657. Polizeiunrecht, Unterschied vom kriminellen Unrecht 119. Polludsystem 14 Note 3. Polygamie 404. 46*

724

b a c n

Pönalklage 3 0 , 3 1 . Pönologie 2 , 1 3 . Popularklagen 3 2 . Portodefraudation 6 8 7 . Portofreiheit, N i e ß b r a u c h 6 8 7 . Portogefälle, U m g e h u n g 6 8 7 . Postbeamten verbrechen 6 1 7 . Postdefraudation 6 8 7 . Postdiebstahl 4 5 2 . Postgebühr 6 8 7 . Postgeheimnis 0 1 7 . Postgesetz 6 7 5 . Postglossatoren 40. Postwertzeichen 5^8, 6 8 7 . Prämienpapiere 5 1 0 . Präsumtion der Schuld 163; der T ä t e r s c h a f t des R e d a k t e u r s 189; der P e r f e k t i o n s k r a f t 202 N o t e 3 . Präsumtiver E r f o l g 5 1 7 N o t e 1 . Prävarikation 6 1 8 , 6 2 8 . Prävention 6, 7. Präventivfunktion d e r S t r a f e 1 9 0 . Preistreiberei 5 0 1 . Preßpolizeivergehen 6 4 2 . Preßver brechen, B e g r i f f 188; Verantwortlichkeit f ü r sie 1 3 9 , 1 8 8 , 294, 599Preußisches Strafgesetzbuch von 1 8 5 1 5. Privatdelikte 3 0 , 3 1 , 3 3 . Privatgeheimnisse 4 2 0 . Privatgenugtuung bei B e l e i d i g u n g 3 6 1 . Privatposten, B e s e i t i g u n g derselben O75. Privatrecht 3 . Privatstrafe 2 7 2 N o t e 2 . Privaturkunden 5 5 0 . Privatversicherungsunternehmungen 4 7 8 , Ö67. Professionelle V e r b r e c h e n 1 1 . Progressivsystem 2 5 8 . Promessengeschäft 5 0 9 . Proportionalität z w i s c h e n S t r a f e u n d V e r b r e c h e n 24. propricidium s. S e l b s t m o r d . Prostitution 3 7 8 . Provokation b e i m T o t s c h l a g 3 1 7 . Provokationsgesetze 3 1 . Provokatorische Glorifizierung 5 3 4 . Prozeßbetrug 4 9 1 . Prozeßverbrechen 6 3 5 , 6 3 7 . Prozeßvoraussetzungen 1 9 3 N o t e 4, 1 9 4 . 195Prüfungsbehörden 5 4 8 . Prügelstrafe 1 3 N o t e 1 , 9 8 N o t e Psychiatrie, L i t e r a t u r 7 5 . Psychischer Z w a n g 5 3 , 5 4 . Psychologie, L i t e r a t u r 7 5 . Putativnotwehr 1 8 2 .

7.

:gister. Putativverbrechen 208 Note 1.

182,

201

Note

1,

QQuälen von Tieren 6 5 5 . Qualifizierter Versuch 2 1 3 . Qualifiziertes Schweigen d e s G e s e t z gebers 96. Quästionenprozeß 3 1 . Quellen d e s S t r a f r e c h t s 88. Quellenangabe, u n t e r l a s s e n e 4 2 6 .

R. Rad, T o d d u r c h 3 9 . Rädelsführer 2 2 4 N o t e 5 . Rahmengesetz 9 1 . Rationalismus 5 1 . Raub 459. Räuberische Erpressung 4 9 8 . Raubmord 3 1 5 . Raufhandel 334. R a u m g e h a l t der S c h a n k g e f ä ß e 6 7 2 . Räumliches Geltungsgebiet der S t r a f g e s e t z e 99. Realinjurie 3 5 2 , 3 5 5 . Realkonkurrenz 2 4 2 , 2 8 2 . Reblaus 6 5 2 . receptatores 5 1 1 . Recht, B e g r i f f 3 . Rechtfertigung der staatlichen Strafgewalt 2 1 . Rechtfertigung der S t r a f e 2 1 . Rechtfertigungsgründe 1 4 2 , 1 4 3 N o t e 8. Rechtlosigkeit d e s V e r b r e c h e r s 158 Note 12. Rechtsanschauung d e s V o l k e s 1 9 . Rechtsbeugung 6 1 2 . Rechtsfrieden, B e g r i f f 4 2 2 . Rechtsgut, B e g r i f f 4. — E i n t e i l u n g 306. Rechtshilfe ( i n t e r n a t i o n a l e ) 1 0 7 . Rechtsirrtum s. I r r t u m . Rechtsnachteil 553 Note 14, 627 Note 15. Rechtsnormen 1 4 0 . Rechtspflege, V e r g e h e n g e g e n 6 3 5 . Rechtsvereitelung 4 5 7 N o t e 1 . Rechtsvergleichung 2 7 . R e c h t s v e r w i r k u n g 2 4 9 N o t e 6. Rechtswidrige Unterlassung 1 3 0 , 1 3 4 . Rechtswidrige Z u e i g n u n g 4 4 8 . Rechtswidriger V e r m ö g e n s v o r t e i l , B e griff 1 5 6 , 492. Rechtswidrigkeit a l s B e g r i f f s m e r k m a l 1 1 8 , 1 3 9 ; Bewußtsein derselben 180.

Sachregister. Rechtszwang 6. Redakteur, verantwortlicher 188, 642. Redaktionsversehen 91. Redefreiheit der Volksvertreter 1 1 1 . Reflexwirkung, soziale der Strafe 19. Reform des Strafrechts 26, 75. Reformatory-System 258. Reformbewegung in der Kriminalpolitik 13. Registrierung der Kauffahrteischiffe 676. Reglementierung der Prostitution 655. Rehabilitation 290, 17. réhabilitation gracieuse 298. — judiciaire 298. — de droit 299. — s. auch Straftilgungsgesetz. Reichsbankgesetz 669. Reichsbanknoten 542. Reichsflagge 670. Reichskammergericht 42. Reichskassenscheine, Papier 546. Reichskriegshäfen 639. Reichskriminalstatistik 10. Reichsnotopfer 693. Reichspreßgesetz 104, 1 1 5 , 188. Reichsrecht, sachliches Geltungsgebiet 95Reichsstempelgesetz 69b. Reichsstrafgesetzbuch, Entstehungsgeschichte 60. Reichsversicherungsordnung 434, 477, 661. Reklame s. unlauteren Wettbewerb. Relationstheorie 497 Note 2. Relativ bestimmte Strafdrohungen 274. Relativ untauglicher Versuch 207. Relative Antragsverbrechen 198. Religionsdiener, Begriff 410, 595. Religionsdienerverbrechen 609. Religionsfreiheit 410. Religionsgesellschaften 4 1 2 . Religionsstörung 4 1 3 . Religionsverbrechen 4 1 1 . Religiöses Gefühl 410. Renkontre 338. Rennwetten 506, 508. Retorsion, Begriff 281, bei Beleidigung 361 ; bei Körperverletzungen 3 2 9Reue, tätige, als Strafaufhebungsgrund 286. Rezeption 40. Richterbestechung 6 1 1 . „Richtiges Recht" 2 1 . Rinderpest 651. Robbenschutz 656. Rohrpost 525.

72S

Rottenverbrechen 222 Note 13. Rückfall, Begriff 242; Strafschärfungsgrund 276; Gesetzgebungsfragen 16 Note 8. Rückfallsbetrug 493. Rückfallsdiebstahl 453. Rückfallsverjährung 242, 454. Rücktritt vom Versuch 205 Note 7, 210, 2 1 2 Note 6, 286. Rückwirkende K r a f t der Strafgesetze 93Rufgefährdung 352, 357 Note 8. Rügefrist bei Antragsvergehen 197. Ruhen der Verjährung 294.

s. Sachbeschädigung 466. Sache, Begriff 443. Sachhehlerei 5 1 1 . Sachliches Geltungsgebiet 95. Sachsenspiegel 39. Sachverständigenmeineid 623. Sachwalteruntreue 477, bi8. Sachwucher 503. Sacratio capitis 158 Note 12. sacrilegium 450. Sakraler Charakter des ursprünglichen Strafrechts 28, 30, 34. Salzsteuer 690. Schächten der Tiere, Ausschluß der Rechtswidrigkeit 156. Schaden im Unterschiede vom Vermögensschaden 553 Note 14. Schamgefühl 374, 375, 377, 396. Schamlose Handlung 375. Schändung 383. Schankgefäße, Rauminhalt derselben 672. Schaumweinsteuei 559, 692. Scheiterhaufen, Tod durch 39. Schiffahrt, Gefährdung ders. 526. Schiffahrtsabgabengesetz 688. Schiffahrtsverbrechen 673. Schiffahrtszeichen 527. Schiffsmeldungen 676. Schiffsstrandung 528 Note 5. Schiffsvermessungsordnung 676. Schiffszertifikat 676. Schlachtvieh- und Fleischbeschau 540. Schlafzustände 1 7 1 . Schlägerei 325 Note 1 , 335. Schlägermensur 97, 339. Schleichhandel 685, 688; s. Preistreiberei, s. Kettenhandel. Schlüssel, falsche 452. Schmähschrift 348.

726

Sachregister.

Schmähung von Staatseinrichtungen Sklavenhandel 99, 372, 373. 601. Sklavenraub 372. Skopelismus 592. Schmiergelder 432. Schmuggel 685, 688. societas delinquendi s. Teilnahme. Schriftstellerisches Urheberrecht 424. —• delinquere non potest 124. Schuld, Begriff 158. Sodomie 398. Schuldausschließungsgrund 167. Sonderdelikte 1 9 1 , 2 1 4 . Schuldfähigkeit 160. Sonntagsheiligung 657, 659, 679. Schuldnerbegünstigung 484. Sozialistengesetz 94 Note 6, 593. Schuld Vermutungen 163. Sozialpolitik 12, 1 3 . Schuldverschreibungen 667. I Sozialpolitische Maßregeln, als Mittel Schutz der Gesellschaft 25. zur Bekämpfung des Verbrechens Schutzaufsicht 16 Note 8, 269. 12. Schutzfürsorge 16 Note 8. Soziologische Auffassung des VerSchutzgebiete als Inland 103. brechens 12, 2 1 . Schutzgenossenschaften s. AuskunftsSparkassenbuch 447 Note 1.2. bureaus. Spezialität bei Gesetzeskonkurrenz Schutzprinzip 100. 239Schutzstrafe 2 1 . Spezialprävention 7, 21, 55, 275. Schutzvorrichtungen 146. Spielen in auswärtigen Lotterien 97. Schwächung, unfreiwillige 383. Spielkartensteuer 693. Schwarzenberg 40, 42, 43. Spionage 572 Note 7. Schweigesystem, Auburnsches 257. Sportulieren, übermäßiges616 Note 12. Schwerer Bankbruch, betrügerischer Sprengstoffe, Begriff 522 Note 7; Mißbrauch derselben 532. 483Spruchsammlungen 74. Schwere Begünstigung 635. Staat 4. Schwerer Diebstahl 450. Staatliche Strafe 29. Schwere Körperverletzung 327. Staatsangehörigkeit, Verlust derselben Schwere Kuppelei 390. keine Strafe 695. Schwerer Raub 461. Staatsbürgerliche Rechte 564, 578. Seeleute, Verpflichtung der K a u f Staatseinrichtungen 601. fahrteischiffe zur Mitnahme 677. Staatsgewalt als Träger der StrafSeemannsordnung 678. gewalt 29; Verbrechen gegen — Seemarketenderei 655. 584, 596. Seeraub 461. Seestraßenordnung 677. Staatsoberhaupt, Befreiung von der Selbstbefreiung 590. Herrschaft der Strafgesetze 1 1 1 Selbstbegünstigung 633. Note 2. Selbstbeschädigung 701. Staatsverbrechen 561. Selbsterhaltungstrieb als Wurzel der Staatsverleumdung 601. Staatsverrat 572. Strafe 28. Selbsthilfe 97; als Ausschließungsgrund Staatsverwaltung, Verbrechen gegen der Rechtswidrigkeit 154. dieselbe 606. Selbstmord 1 5 7 Note 1 1 , 3 1 2 . Stadtrechte 39. Selbstverletzung 157. Statistik 8 Note 1, 1 0 Note 2. Selbstverstümmelung 638. Stellenvermittlung s. Schiffsleute 679. Selektion 7. Stellenvermittlungsgesetz 476, 504, Sicherbieten 599. 669. Sicherheitspolizei 646. Stellionat 487. Sichernde Maßnahmen 25, 246, 269. Stellvertretung bei der Antragsstellung Sicherung als Strafzweck 25. 196. Sicherungsverwahrung 270. Stempel verbrechen 695. Siegelbruch 603. Stempelwertzeichen 557. Signalementslehre 16 Note 8. Sterilisierung 16 Note 8. Signalordnung für Schiffe auf See 677. Steuerflucht 695. Silber waren s. Feingehalt. Steuergesetze der Kriegsjahre 694. Sittliches Gefühl 375. Steuerhehlerei 516. Sittlichkeitspolizei 652. Steuervergehen 690. Sittlichkeitsverbrechen 374. Steuerzeichen, Fälschung von 559-

Sachregister. Stifter 224 Note 5. Stimmenkauf im Konkursverfahren 484; bei politischen Wahlen 5 8 1 ; in Aktiengesellschaften 664. Stimmverhinderung 579. Stimmzettel 188 Note 1 . Störung des Gottesdienstes 4 1 3 . — des Gräberfriedens 4 1 3 , 414. — des öffentlichen Friedens 5 9 1 . — des persönlichen Rechtsfriedens 421. Strafänderung 275, 276. Strafanrechnung 275, 280. Strafanspruch 1 Note 1 , 193, 285. Strafaufhebungsgründe 192, 2 1 2 , 2 3 1 , 285, 287. Strafaufrechnung 281. Strafausschließungsgründe I i i , 145, 147, 1 9 1 , 229, 2 3 1 . Strafbare Aufforderungen 596. Strafbarkeitsbedingungen 192. Strafe, Begriff 1 , 6, 245. Strafensystem 98, 249; — des MilS t r G B . 699. Straffreiheit s. Immunität. Straffreiheitsgründe 1 9 1 . Strafgesetz 88. Strafgewalt des Staates 29. Strafgrößen 273. Strafklagevoraussetzungen s. Prozeßvoraussetzungen . Strafmaß 273. Strafmehrungsgründe 275, 276. Strafmilderung 275, 277. Strafminderungsgründe 275. Strafmittel (Strafensystem) 98, 250. Strafpolitik 1 2 f f . Strafrahmen 274; Erweiterung 1 2 1 ; Herabsetzung 169. Strafrecht, Begriff 1 , Zweck 3. Strafrechtsirrtum s. Irrtum. Strafrechtstheorien 19. Strafregister 16 Note 8, 302. Strafschärfung 275, 276. Straftilgungsgesetz 3VJ1. Strafumwandlung 275, 279. Strafunmündigkeit 168. Strafvereitelung 631'. Strafvollzug 7, 17, 18. Strafvollzugsamt 18. Strafzumessung 273, 275. Strafzwang 7, im Unterschied von der Strafe 248. Strafzweck 7, 29. Strandrecht 677. Strandung eines Schiffes 527. Strandungsordnung 677. Strang, Tod durch 39Straßenraub 3 1 5 , 461.

727

Streifzug 373. Streik s. Arbeitseinstellung. Streikposten 97. Strepitus fori 195. Studentenmensuren 339. stuprum s. Unzucht; — nec violentum nec voluntarium (Schändung) 382. Subjekt des Verbrechens 124. Subjektionsprinzip 100. Subjektive Theorie 235 Note 2. subornatio testium 625. Subsidiarität der Strafgesetze 240. Subsidiäre Haftung dritter Personen 248 Note 5. Subsumtion der Tatsachen unter das Gesetz 176, 177. Sühnegeld 28, 30, 35, 38. Sühnevertrag 36. Sühnopfer 30. Sujet mixte 105 Note 10. Sullanische Reform der Strafgesetzgebung 3 1 . Suspension der Preßfreiheit 1 1 5 . Süßstoff 539. Synthetische Methode 46. System Bertillon 16 Note 8.

Tabaksteuer 690. Tagebuch der Handelsmäkler 664. Taidigung 38. Talionsprinzip 23, 28. Tatbestand 1 1 9 . Tatbestandsdiagnostik 18 Note 12. Tatbestandsmäßigkeit 1 1 8 Note 4, 1 9 1 . Tatbestandsmerkmale des Verbrechens 1 1 9 Note 5. Täterschaft 1 3 7 , 2 1 3 , 2 1 7 . Tätige Reue als Strafaufhebungsgrund 286, als Rücktritt vom Versuch 2 1 r. Tätigkeitsdelikte 125. Tätigkeitstheorie 1 3 8 Note 3. Tatirrtum s. Irrtum. Tätlicher Angriff, Begriff 3 5 5 ; auf Beamte 586, 588. Tätlichkeit, Begriff 355. Tatsache, Begriff 356. Taubstummheit 170. Täuschung, Begriff 490. Taxüberschreitung des Stellenvermittlers 504. Teilnahme 2 1 3 , 222. Telegraphenanlagen, Begriff 525; — Errichtung 675. Telegraphenbeamte, Verbrechen derselben 525, 6 1 7 .

Sachregister.

728

Telegraphenbetrieb, Störung desselben 525Telegraphengebühr 687. Telegraphenkabel, unterseeische 99, 526. Telegraphenwertzeichen 5 5 8 , 674. Telephon 5 2 5 . Temporäre Strafgesetze 94. tergiversatio 628. Termingeschäfte, v e r b o t e n e 4 9 5 , 672. Territorialprinzip 100. Textausgaben des S t G B . 72. Theorie der langen Hand 1 3 8 N o t e 3. Tiere als S u b j e k t e des V e r b r e c h e n s 1 2 4 N o t e 2. Tierkadaver 650. Tierquälerei 655. Tierschutz 656. Titel, u n b e f u g t e F ü h r u n g 604. Tod des Schuldigen 285. Todesstrafe, Geschichte 28, 2 5 1 ; Reichsrecht 2 5 3 ; D e b a t t e im Reichst a g über die — 6 2 ; R e f o r m f r a g e n 1 5 . Tödliche W a f f e , B e g r i f f 3 3 9 . Totalisator 506. Totenruhe 4 1 3 . Totschlag 3 1 6 . Tötung 3 1 2 . Tötung auf V e r l a n g e n 3 2 0 . Tötungsrecht des E h e m a n n e s 30, 34. Transportgefährdung 5 2 3 . Transportgegenstände (Diebstahl) 4 5 2 . Treuhänder, U n t r e u e desselben 4 7 7 , 671. Tribadie 398. Trichotomie der s t r a f b a r e n H a n d lungen 1 2 0 . — des S t r a f e n s y s t e m s 24. Trinkerheilanstalt 269. Trucksystem, Verbot desselben 658. Trunkenheit als G r u n d der Zurechn u n g s u n f ä h i g k e i t 1 7 1 N o t e 9, 1 6 9 ; als Übertretung 653. Truppenkörper, f r e m d e 1 1 1 . Tun, Begriff 1 2 7 ; R e c h t s p f l i c h t z u m — 134turbatio sacrorum 4 1 0 . Typizität 1 1 8 N o t e 4, 1 9 1 .

u. Übergewichtstheorie 1 3 2 . Überfall 3 2 5 . Überlegter Vorsatz 3 1 5 . Überlegung 3 1 6 . Überschreitung des Auftrages 2 2 7 ; der Notwehr 1 4 7 .

Überschwemmung 5 2 2 . Übertretung i. e. S . 1 2 1 ; Behandlung de lege ferenda 1 4 ; Verfolgung im Auslande begangener — 104. Übervorteilung Minderjähriger 498. Überweisung an die Landespolizeibehörde 264. Üble Nachrede 336. Umsatzsteuergesetz 693, Umschlossener Raum, B e g r i f f 4 5 1 . Umwandlung der Strafe 279. Unbeeidete falsche Aussage 97. Unbefugt 4 2 1 . Unbescholtenheit 386. Unbestimmte Verurteilung 1 7 . Unbrauchbarmachung 246 N o t e 2. Unechte Unterlassungsdelikte 1 3 4 . Uneinbringlichkeit der Geldstrafe 279. Unerfahrenheit 499. Unerlaubte Entfernung 700. Unfallversicherung öbo. Unfreiwillige Schwächung 3 8 3 . Unfug, beschimpfender 4 1 2 . — grober 656. Unfugabwehr 1 4 7 N o t e 8. Ungerechte Verfolgung 6x4. Ungleichartige ideale Verbrechens•konkurrenz 240 N o t e 5. Universalitätsprinzip 1 o 1. Unkenntnis s. I r r t u m . Unkörperliche Rechtsgüter 307, 346. Unlautere Mittel 4 3 1 . Unlauterer Wettbewerb 308, 430. Unrecht, Unterschied d. kriminellen v o m zivilen 1 , 5 , 190, v o m Polizeivergehen 1 1 9 . Unrichtige Angaben als militärischer Verrat 576. Unschädlichmachung Unverbesserlicher 7, 1 3 , 25, 270. Unsittliche Handlungen 3 7 5 . — Schriften 395. Untauglicher Versuch 207. Untauglichmachung zum Wehrdienst 638. Unterbrechung des Kausalzusammenhanges 1 2 9 . — der Verjährung 294, 295. Unterdrücken, Begriff 556. Unterdrückung des Personenstandes 401. Unterhaltspflichtverletzung 653. Unterlassene Anzeige von Verbrechen 1 3 4 Note 2, 225, 5 3 4 , 577, 636. Unterlassung, Begriff 1 3 3 ; im Verhältnis zur Duldung 367. Unterlassungsverbrechen 1 3 3 , 205, 294. Unternehmen, allgemeiner Begriff 204. — beim Hochverrat 566.

Sachregister. Unternommene Verleitung z u m M e i n e i d 625. Unterscheidungsvermögen 14, 169. Unterschlagung 462, 6 1 5 , 6 1 6 . Unterseeische Telegraphenkabel 99, 526. Untersuchung 6 1 3 , 6 1 4 . Untersuchungshaft, A n r e c h n u n g d e r U n t e r s u c h u n g s h a f t 280. Untreue 476. Untreue d e s S a c h w a l t e r s 476, 6 1 8 ; d e s D i p l o m a t e n 572. Unverbesserliche Verbrecher 11. Unzucht, w i d e r n a t ü r l i c h e 397. Unzüchtige Handlungen 375, 384, 385, 394-

— S c h r i f t e n 395, 396. Urfehdebruch 6 3 7 . Urheberrechte 4 2 4 ; g e w e r b l i c h e Urheberschaft s. T ä t e r s c h a f t . Urkunde, B e g r i f f 548. Urkundenbeseitigung 556, 5 5 7 , Urkundenerschieichung 554. Urkundenfälschung, e i g e n t l i c h e i n t e l l e k t u e l l e 554. Urkundenunterdrückung 556. Urkundenverbrechen 5 4 7 , 6 1 5 . Ursache, B e g r i f f 1 2 7 , 128, 1 3 1 . Ursachen d e r K r i m i n a l i t ä t 8.

428.

615. 550,

V. Vagabondage, s. L a n d s t r e i c h e r e i . Vasektomie 16 N o t e 8. Vagierende Verbrechen 309 N o t e 3. venditio fumi 33. veneficium 3 1 5 . Veranstalten 224 N o t e 5 ; — von Glücksspielen 507; — von Auss p i e l u n g e n 508. Verantwortlicher Redakteur 188, C42. Veräußerung 482 N o t e 7. Verbannung 28. Verbindungen, u n e r l a u b t e 6 4 5 ; l a n d e s v e r r ä t e r i s c h e — 568. Verbrauch f r e m d e r S a c h e n 447. Verbrauchsgegenstände, E n t z i e h u n g 458.

Verbrauchssteuer vergehen 6 8 1 , 690. Verbrechen i. w. S . 1, 5, 1 1 7 ; i. e. S . 1 2 1 ; V e r f o l g u n g i m A u s l a n d begangener Verbrechen 105. Verbrechenseinheit 234, 238. Verbrechensformen 200. Verbrechenskonkurrenz 239, 240. Verbrechensmehrheit 242. Verbrechertypus 11. Verbrecherwahn 182 Note 3 .

729

Verbreiten 188 N o t e 1, 356, 395. — von unwahren Tatsachen über j e m a n d e n 356. — v o n K u r s z e t t e l n 672. — v o n u n z ü c h t i g e n S c h r i f t e n 395. — von gefälschten Geldzeichen 544. Verbreitungsabsicht 544. Verbürgung d e r G e g e n s e i t i g k e i t 5 8 2 . Verdorbene Waren 536. Vereinigungstheorie 55. Vereinsrecht, Ü b e r s c h r e i t u n g e n dess e l b e n 643. Vereitelung der Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g 486. Verfälschung, Begriff 536; — bei Urkunden 551; — eines Wahle r g e b n i s s e s 580; — bei M ü n z e n 544. Verfassung 5 6 5 . Verfestung 39, 3 1 4 . Verfolgungsverjährung 292. Verfügung b e i m B e t r u g 4 9 1 . V e r f ü h r u n g eines unbescholtenen Mädc h e n s 386. Vergehen i. e. S. 1 2 1 ; V e r f o l g u n g im A u s l a n d b e g a n g e n e r — 105. V e r g e l t u n g 20, 2 1 , 23. Vergiftung 3 1 5 , 3 3 2 ; v o n B r u n n e n und G e b r a u c h s m i t t e l n 529. Verheimlichen 483 N o t e 9. V e r j ä h r u n g 290; bei Ä n d e r u n g d e s G e s e t z e s 94. Verkaufsstellen, o f f e n e 659. Verkehr, H e r b e i f ü h r u n g v o n u n z ü c h t i g e m 306. Verlagsrecht 424. Verlassen in h i l f l o s e r L a g e 3 3 1 . V e r l e i t u n g , B e g r i f f 224 N o t e 5 ; z u r A u s w a n d e r u n g 393, 6 4 1 ; z u m A m t s d e l i k t 6 1 1 , z u r F a h n e n f l u c h t 639, zu Börsenspekulationsgeschäften 504, z u r E h e s c h l i e ß u n g 403. Verletzter, B e g r i f f 1 9 6 . Verletzung der Bauregeln 5 3 2 . Verletzung f r e m d e r G e h e i m n i s s e , s. Geheimnisse; des Briefgeheimnisses 4 1 9 ; 6 1 7 , der D i n g p f l i c h t 6 3 6 ; der W e h r p f l i c h t 638; a m t l i c h e r B e k a n n t m a c h u n g e n 603; von Hoh e i t s z e i c h e n 603. Verleumdung 3 5 7 , 358. — V e r s t o r b e n e r 350 N o t e 5, 3 5 8 , — d e s S t a a t s w i l l e n s 601. Verlust d e r b ü r g e r l i c h e n E h r e n r e c h t e 266, 260. Verminderte Zurechnungsfähigkeit 16 N o t e 7, 1 6 6 . Vermittlung bei d e r K u p p e l e i 388, 389. Vermögen, B e g r i f f 489. Vermögensbeschädigung im Verhältnis

730

Sachregister.

zur Sachbeschädigung 467, beim Betrug 489. Vermögensdisposition 4 9 1 . Vermögensgefährdung 504. Vermögensnachteil, Begriff 489. Vermögensrechte 307, 438. Vermögensstrafe als Nebenstrafe in der Reichsstrafgesetzgebung 250; als Hauptstrafe 262. Vermögensvorteil, Begriff 492; nicht rechtswidriger 156, 553 Note 1 3 . Vermögenszuwachs, Steuer auf 694. Vermutung der Schuld 163. — der Täterschaft des Redakteurs 189. Veröffentlichen der Anklageschrift 636. Verordnung als Quelle des Strafrechts 90. Verpfandung fremder Sachen 448. Verrat von Betriebsgeheimnissen 434. — von Geschäftsgeheimnissen 432. Verrat militärischer Geheimnisse 575. Verräterei 562. Verräterische Beziehungen 576. Verringerung eines Grundstücks 458. Verrufenes Geld 543. Versammlungen, gesetzgebende 360 Note 4, 564, 579. Verschärfung der kurzen Freiheitsstrafe 15. Verschleierung des Vermögensstandes 479, 4 « ° , 6 &3Verschlossene Schriftstücke 419. Verschuldung bei Preßverbrechen 187. Verschweigung von Tatsachen 393, 490. Verschwiegenheitspflicht 573. Verschwörung 567. Versicherung an Eidesstatt, falsche624. Versicherungsbetrug 493. Versicherungsgesetze 660. Versicherungsmarken 558. Versicherungsordnung s. Reichsversicherungsordnung . Versicherungsunternehmungen,private 667. Verstorbene, Verleumdung derselben 350 Note 5, 358. Verstrickungsbruch 603. Versuch des Verbrechens, Begriff 200; als Strafmilderungsgrund 277. Verteidigung bei Notwehr 146. Vertragsbruch 475. — des Armeelieferanten 530. Vertragseid 623. Vertragstheorie 497 Note 2. Veruntreuung 464. Verursachung 1 2 3 . — durch Unterlassung 134.

Verwahrung, amtliche 602. Verwahrlosung, sittliche 14. Verwaltungsdelikt 1 1 9 Note 6. Verwaltungsmaßregeln im Gegensatz zur Strafe 246, 288. Verwaltungsstrafrecht 1 1 9 Note 6. Verwandtenmord 32, 3 1 5 , 3 1 7 . Verweigerung von Angaben als' militärischer Verrat 576. Verweis 13 Note i, 265, 266. Verweisung aus dem Bundesgebiet 265. Verwendung gesundheitsschädlicher Farben 538. via lacina 422. Viehbeförderung (Gebot der Desinfektion) 651. Viehseuchen 529, 6 5 1 . vis absoluta, compulsiva, s. Gewalt. Vivisektion 155. Vogelschutz 473, 656. volenti non fit injuria 157 Note 9. Völkerrechtliches Delikt 124 Note 3. Völkerrechtsverbrechen 581. Volkskrankheiten 648. Volksvertreter, Straflosigkeit der — in. Vollendung des Verbrechens 1 9 3 , 200. Vollstreckung der Todesstrafe 254; der Freiheitsstrafen 258, 2 6 1 ; des Verweises 266; der Geldstrafe 262; in den Nachlaß 286. Vollstreckungsvereitelung 486. Vollstreckungsverjährung 291, 295. Vollzug der Strafe, s. Vollstreckung. Vorbereitungshandlungen 1 3 7 , 203, 566. Vorentwurf zum deutschen S t G B . 76. Vorrechte der Posten 673. Vorsatz 1 3 7 , 1 7 1 , 1 8 7 ; direkter und eventueller 174. Vorschubleisten zur Unzucht 389; bei Landesverrat 570, 571 Note 6. Vorschützung von Gebrechen 701. Vorsteher 224 Note 5. Vorstellungstheorie (beim Vorsatz) 162, 172 Note 2. Vorteil im Unterschiede von dem Vermögensvorteil 390 Note 7. Vorzeitige Aktienausgabe 663.

W. Waffe im techn. Sinne 3 3 8 ; im nichttechn. 325; tödliche Waffe 339. Waffensammlung 594. Waffentragen gegen das Deutsche Reich 570. Wahlbestechung 5 8 1 .

Sachregister. Wahlfälschung 580. Wahlgeheimnis, Verletzung desselben 578, 579Wahlstimmenkauf 581. Wahlstörung 579. Wahl w e i n e 645 Note 1. W a h l vergehen 579. Wahlverhinderung 579. Wahlverruf 579 Wahnsinn 170. Wahnverbrechen 182. Wahrheitsbeweis 359. Wahrheitsgetreue Parlamentsberichte 158. Wahrung berechtigter Interessen 1 5 4 , 353Wappen, unbefugter Gebrauch von — 604. Warenbezeichnung, Verwendung fremder 4 3 1 . Warenfälschung 5 3 5 . Warenumsatzstempel 696. Warenzeichenschutz 436. Wasserbauten 526. Wechselseitige Beleidigungen 3 6 1 . — Körperverletzungen 329. Wechselstempelsteuer 696. Wegelagerung 4 2 2 . Weggeben, Begriff 482 Note 7. Weggeworfene Heeresausrüstungsgegenstände 443 Note 4. Wegnehmen, Begriff 446, 457 Note 2; einer Leiche 4 1 4 . Wehrpflichtverletzung 638. Weinfälschung 5 3 8 . Weinsteuergesetz 695. Weistümer 39. Weltkrieg, Einwirkung auf Kriminalit ä t 10. Weltpostvereinsvertrag 5 5 7 Note 6. Weltrechtspflege, Prinzip der — 101. Wergeid 35 Note 7, 39. Werke der bildenden Kunst, Schutz derselben 427. Werkzeug 325. Wertlose Sachen 443. Wesen der Strafe 20 Wettbewerb, unlauterer 430. Wettbureaus 50(1. Widernatürliche Unzucht 397. Widerruf bei Beleidigungen 349. — der falschen Aussage 627. — bei der bedingten Entlassung 2 6 1 . Widerstand gegen die Staatsgewalt 585. — gegen F o r s t - und J a g d b e a m t e 588. Wiederherstellung der deutschen Handelsflotte 080.

731

Wiederholung (mehrerer strafbarer Handlungen) 242. Wilddieberei 473. Willensbetätigung 1 2 3 , 1 3 3 . Willensfreiheit 22. — und Schuld 1 6 1 , 1 6 5 , 2 1 5 . Willenstheorie (beim Vorsatz) 172 Note 2. Willkür, Begriff 1 2 3 . Winkeladvokaten 97. Winkelbörse 5 1 0 . Winkelehen 378. Wipper s. Kipper. Wirkung, Begriff 1 2 7 . Wirtschaftsgenossenschaften 478, 665. Wirtschaftspolizei 658, 664. Wirtshausverbot 1 3 , 269. Wissentlich, wider besseres Wissen 176 Note 8. Wohnung, Begriff 4 1 6 . Wucher 500. Würden 266 Note 4.

z. Zahlungseinstellung, Begriff 480. Zauberei 48, 49. Zechprellerei 490. Zeichenrolle 43(1. Zeitliches Geltungsgebiet der Strafgesetze 92. Zeitpunkt der Begehung 1 3 7 , 138, 193. Zeitschriften, strafrechtliche 73. Zellensystem 256, 2 5 7 . Zerstörung, Begriff 4(17; von Gräbern 4MZessionswucher- 503. Zeugenmeineid 623. Zeugnisverweigerungsrecht des Arztes 421 Note 6. Ziel des Handelns s. Beweggrund. Zigarettensteuer 559, 690. Zinkhaltige Gegenstände 538. Zinsfußüberschreitung 504. Ziviles und kriminelles Unrecht 190. Zolltarif gesetz 689. Zollvereinsgrenze, Sicherung 689. Zollvergehen 688. Zopfabschneiden 324 Note 3. Zuchtgewalt 1 5 4 . Zuchthaus, alte Zuchthäuser 256; lteichsgesetzgebung 259. Züchtigung, körperliche, s. Prügelstrafe. Zuckersteuer 6 9 1 . Zueignung, Begriff 447. Zueignungsabsicht 447. Zufallsurkunde 549.

732

Sach

Zuhälter 3 9 1 . Zulässigkeit der Polizeiaufsicht 263. Zündhölzer 649. Zündwarensteuer 693. Zurechenbarkeit der Tat 160. Zurechnungsfähigkeit, Begriff 160, 164; verminderte 166. Zurechnungsunfähigkeit 16 7, 168. Zurücknahme des Antrags 198. Zusammengesetzte Verbrechen 139, 220, 236. Zusammenrottung, Begriff 418. Zusammenstoß der Schiffe auf See 677. Zusammentreffen strafbarer Handlungen 239, 243; Bemessung der Strafe 282. Zusatzstrafe 243, 283 Note 2. Zustandsverbrechers 1 1 , 234, 294.

Zustandsverbrecher 16, angehender 17. Zuwachssteuer 694. Zwangsarbeit 1 3 . Zwangserziehung s. Erziehungsanstalten. Zwangsvollstreckung, Vereitelung derselben 486. Zweck des Handelns s. Beweggrund. Zweckgedanke 19, 2 1 , 29. Zweckstrafe 6, 8, 1 3 , 2 1 . Zweikampf 336. Zweiter Rückfall beim Diebstahl 453. Zwischenstrafgesetze 93. Zwischenwirkung, Theorie der — 138 Note 3. Zwischenzeitliches Stfafrecht 92 s. intertemporales R .

Drutf oon Ülnton B e r t i n e t t i , Berlin 3 1 5 4

N a c h t r a g I. Das Wehrgesetz vom 23. März 1921 (RGBl. S. 329) greift in das Strafensystem des MilStGB ein, indem es durch seinen § 44 die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes beseitigt und durch Dienstentlassung ersetzt (vgl. oben § 204 V).

N a c h t r a g II. Das Gesetz über die Weltpostvereinsverträge und den strafrechtlichen Schutz von Freistempelabdrücken vom 23. November 1921 stellt den Post- oder Telegraphenfreimarken im Sinne des § 275 sowie den Post- oder Telegraphenwertzeichen im Sinne des § 2 7 6 Abs. 2 und des § 360 Nr. 4 und 5 des StGB (vgl. oben § 163 III) und des § 27 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über das Postwesen des deutschen Reichs vom 28, Oktober 1871 die Stempelabdrücke gleich, die auf Postsendungen zur Freimachung angebracht werden.

N a c h t r a g III. Das Gesetz zur Erweiterung des Anwendungsgebiets der Geldstrafe und zur Einschränkung der kurzen Freiheitsstrafe vom 21. Dezember 1 9 2 1 . Literatur. Klee DStrafrZ 8 326 (zum Entwurf des Gesetzes). Hellwig Geldstrafengesetz 1922. Derselbe JurW 51 994. Söhnel JurW 51 993. Oerland Deutsches Reichsstrafrecht 1922 S. 543 ff.

Das Gesetz stellt die Vorwegnahme eines Teiles der Gesamtreform des Strafrechts dar und bewegt sich in den Bahnen, die oben § 4 II 4 a. E. ganz allgemein empfohlen und bereits in den

2

Nachtrag

Entwürfen, namentlich im E. 1 9 1 9 §§ 54 bis 60, 108, 109, 1 1 5 Abs. 2 (vgl. oben § 16 IV, § 59 III), betreten worden sind. D i e Neuregelung betrifft den allgemeinen Höchstbetrag der Geldstrafe (I), ihr Anwendungsgebiet (II), ihre Bemessung im Einzelfall (III) und ihre Vollstreckung (IV). 1. l. Der Höchstbetrag der Geldstrafe, mag sie reichs- oder landesrechtlich 1 ) angeordnet sein, wird für alle Arten von strafbaren Handlungen (oben § 27 II) auf das Zehnfache erhöht, für Verbrechen oder Vergehen aber auf mindestens einhunderttausend Mark festgesetzt (§ l). Soweit bisher beim Vorliegen mildernder Umstände eine im Vergleich zur normalen Strafdrohung geringere Geldstrafe zugelassen gewesen ist (vgl. z. B. StGB § 265), muß dieser Unterschied nunmehr als beseitigt betrachtet werden. 2 ) Dasselbe gilt für den Fall, daß die für fahrlässige Begehung des Verbrechens oder Vergehens angedrohte Geldstrafe geringer ist als die für vorsätzliche Begehung angeordnete (vgl. StGB § 223 und § 230). Besteht die angedrohte Geldstrafe in dem Mehrfachen eines bestimmten Betrages (vgl. oben § 63 III, § 1 9 9 I I I 3 ) , so hat es bei dieser Regelung sein Bewenden (§ 1 Abs. 2); auch ein in solchem Falle angeordneter Mindestbetrag (vgl. z. B. § 55 Reichsbankg. 1875) erfährt keinerlei Veränderung. 2. Auch die Höchstbeträge der in reichs- oder landesrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Bußen (oben § 67) werden auf das Zehnfache erhöht (§ 1 Abs. 3). 3. Die Erhöhung der Geldstrafenhöchstbeträge zieht gemäß § 2 des Gesetzes eine a n d e r w e i t e R e g e l u n g folgender Punkte nach sich: a) Die G r e n z e z w i s c h e n V e r g e h e n u n d Ü b e r t r e t u n g e n (§ l StGB) wird verschoben. Soweit der Charakter der strafbaren Handlung vom Höchstbetrage einer angedrohten Geldstrafe abhängt, bildet nunmehr die Summe von eintausendfünfhundert Mark die Grenze zwischen Vergehen und Übertretungen (oben § 27 II 2 und 3). ') § 1 Abs. 1 Satz 2 trifft eine entsprechende Regelung auch für die Fälle, wo ein Beamter reichs- oder landesrechtlich ermächtigt ist, Geldstrafen bis zu einem bestimmten Höchstbetrage festzusetzen; auch hier Erhöhung des Höchstbetrages auf das Zehnfache. 2 ) So anscheinend auch Oberlandesg. Dresden in JurW 51 1055.

Nachtrag

3

b) Die S t r a f v o l l s t r e c k u n g s v e r j ä h r u n g (§ 70 Nr. 5 und 6 StGB) vollzieht sich bei Geldstrafen von 1500 (früher 150) bis 6000 Mark in 5 Jahren, bei Geldstrafen bis zu 1500 (früher 150) Mark in 2 Jahren (vgl. oben § 78 I 5 und 6). c) Die U m w a n d l u n g e i n e r V e r g e h e n s - G e l d s t r a f e (§ 28 Abs. 2 StGB; vgl. dazu oben § 7 1 I 2) in H a f t s t r a f e ist zulässig, wenn die erkannte Strafe nicht den Betrag von sechstausend (früher sechshundert) Mark und die Ersatzfreiheitsstrafe nicht die Dauer von sechs Wochen übersteigt. Auch der U m w a n d l u n g s m a ß s t a b (§ 2Q Abs. l StGB; vgl. dazu oben § 71 I) ist verändert worden. Der eintägigen Freiheitsstrafe entspricht bei Verbrechen und Vergehen der Betrag von drei bis zu einhundertfünfzig (früher fünfzehn), bei Übertretungen der Betrag von einer bis zu einhundertfünfzig (früher fünfzehn) Mark. II. Der E i n s c h r ä n k u n g d e r k u r z z e i t i g e n F r e i h e i t s s t r a f e dient § 3 der Novelle. Wenn nach den jeweils 1 ) bestehenden Strafvorschriften für ein Vergehen Geldstrafe überhaupt nicht oder nur neben Freiheitsstrafe zulässig ist 2 ), so muß das Gericht, falls die von ihm in concreto verhängte („verwirkte") Freiheitsstrafe weniger als drei Monate beträgt, an Stelle dieser Freiheitsstrafe auf Geldstrafe bis zu einhundertfünfzigtausend Mark erkennen, wenn der Strafzweck durch eine Geldstrafe erreicht werden kann. Ob letzteres der Fall ist, beurteilt das Gericht nach pflichtmäßigem Ermessen. Die allgemeine Verweisung auf den Strafzweck, über den der Gesetzgeber ausdrücklich freilich nichts erklärt, ist nicht so ungeheuerlich, wie sie auf den ersten Blick erscheinen möchte. Bei der Auswahl der Strafe aus einem gegebenen Strafrahmen hat der Richter seit jeher vor der gleichen Aufgabe, nach Maßgabe des Strafzwecks die Strafe zu bestimmen, gestanden. Die leitenden Gesichtspunkte für die Lösung der Aufgabe sind oben § 68 I und § 2 III entwickelt. 1. Um das richterliche Ermessen möglichst wenig zu beengen, ist der Richter gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 der Novelle bei der Um>) Vgl. Hellwig

JurW 51 99+-

-) Vgl. dazu Entsch. wendbar, wenn auch n u r bisherige Recht Geldstrafe lich aber Oberlandesgericht

des Kammergerichts in Z 4 3 45 7. § 3 ist nicht anb e i m G e g e b e n s e i n m i l d e r n d e r U m s t ä n d e das allein zuließ. So das KG in obiger Entsch., namentDresden JurW 51 1054 mit überzeugender Begründung.

Nachtrag

4

Wandlung der verwirkten Freiheitsstrafe in die Geldstrafe an den Maßstab des § 29 StGB nicht gebunden. W o h l aber gilt für ihn hierbei der unter III zu erörternde § 4 der Novelle. 2. Erweist sich die an Stelle der Freiheitsstrafe gesetzte Geldstrafe nicht als beitreibbar, so hat der Verurteilte die ursprünglich verwirkte Freiheitsstrafe zu verbüßen. III. 1. Nach dem Vorgang der Entwürfe und ausländischer Strafrechte bestimmt § 4, daß bei der Z u m e s s u n g d e r G e l d s t r a f e die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters 1 ) zu berücksichtigen seien. Es ist klar und geht aus § 5 (unten 2) mit besonderer Deutlichkeit hervor, daß die Novelle damit nicht die a u s s c h l i e ß l i c h e Berücksichtigung dieser Verhältnisse verlangt, daß diese vielmehr nur n e b e n den andern Strafbemessungsgründen in Betracht zu ziehen seien. Im übrigen ist die Norm ein Regulator in doppelter Hinsicht: dem Reichen soll die Geldstrafe fühlbar, dem Armen soll sie noch erträglich sein 2 ). 2. AVenn dem Verurteilten nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen die sofortige Zahlung der Geldstrafe nicht zugemutet werden kann, so kann ihm das Gericht eine Frist bewilligen oder Teilzahlungen gestatten (§ 5 Abs. l). Es soll dies in der Regel im Urteil geschehen 3 ), kann aber auch gemäß § 494 StPO später nachgeholt werden; auch kann das Gericht eine getroffene Entscheidung nachträglich ändern, sei es zugunsten, sei es zu Ungunsten des Verurteilten. Ein Widerruf der Vergünstigung aber ist nur zulässig, wenn der Verurteilte die Teilzahlungen nicht rechtzeitig leistet oder wenn sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich bessern. IV. Wird treiben (§ 6).

die Geldstrafe nicht gezahlt,

so ist sie beizu-

1. Die Art der Beitreibung regelt nach wie vor § 495 StPO. W e n n jedoch mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß die Geldstrafe aus dem beweglichen 4 ) Vermögen nicht beigetrieben werden kann, V g l . dazu Denkschrift zum E. 1 9 1 9 S. 97. 2 3

) Vgl. Goldschmidt VD Allg. T. 4 403.

) Denkschrift zum E . 1 9 1 9 S. 6 1 .

4

) Eine Vollstreckung in das unbewegliche V e r m ö g e n ist nicht unzulässig, wird aber vom Gesetz nicht gefordert.

5

Nachtrag

so kann die Vollstreckungsbehörde von vornherein absehen (§ 6).

von

Beitreibungsversuchen

2. A n die Stelle einer nicht beitreibbaren Geldstrafe tritt auch fernerhin die Ersatzfreiheitsstrafe (vgl. oben § 71 I und in diesem Nachtrag unter I 3 c). Aber auch sie soll nach Möglichkeit vermieden werden. Daher gestattet § 7 der Vollstreckungsbehörde, die Tilgung der uneinbringlichen Geldstrafe durch freie Arbeit zuzulassen. D a s Nähere wird jedoch noch einer Regelung im Verordnungswege vorbehalten. Von der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe k a n n das Gericht ganz absehen, wenn der Verurteilte ohne sein Verschulden außerstande ist, die Geldstrafe zu zahlen oder durch freie Arbeit zu tilgen. Mittellosigkeit allein wird niemals ein Grund sein, auf die Ersatzfreiheitsstrafe zu verzichten. Das Gericht wird vielmehr alle in Betracht kommenden Umstände zu prüfen haben. Unterbleibt hiernach die Vollziehung der Ersatzfreiheitsstrafe, so wird dadurch an der Verpflichtung des Verurteilten zur Zahlung der Geldstrafe naturgemäß nichts geändert. V. D i e Novelle ist seit dem 1. Januar 1Q22 in Kraft. Durch Übergangsvorschriften (§ 10) wird es ermöglicht, die Bestimmungen des § 3 auch auf vor dem Inkrafttreten erkannte Freiheitsstrafen zur Anwendung zu bringen. 1 )

N a c h t r a g IV. Das Gesetz über vorübergehende Rechtspflegemaßnahmen im Hinblick auf das Saargebiet vom 10. März 1922 (RGBl. S. 2 4 1 ) erklärt die §§ 4 bis 7 StGB (oben § 22 III, IV) auf die im Saargebiet begangenen strafbaren Handlungen und vollstreckten Strafen für anwendbar. Das Saargebiet wird hiermit (ohne jede W i r k u n g auf völkerrechtlichem Gebiet) für das Gebiet des Strafrechts als Ausland behandelt.

') Vgl. dazu JurW 5 1

1054.

6

Nachtrag

N a c h t r a g V. Das Gesetz zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922.

(RGBl. I S. 585.) Im Dezember 1921 brachte der Reichsjustizminister beim Reichsrat einen Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Strafgesetzbuches an das neue Verfassungsrecht ein. Das Strafgesetzbuch solltevon den infolge der Verfassungsänderungen obsolet gewordenen Strafbestimmungen (vgl. das Vorwort zur 23. Auflage, sowie oben namentlich § 164 II) gereinigt werden; zugleich aber wurden Normen vorgesehen, die die neuen Träger der Staatsgewalt, die gesetzgebenden Körperschaften und die Regierungen im Reich und in den Ländern gegen Angriffe verschiedener Art, die neue Staatsform mit ihren Symbolen vor Beschimpfung schützen sollten. Die tatsächlichen Angriffe, denen die Staatsgewalt inzwischen ausgesetzt war, führten zu dem Gesetze zum Schutze der Republik, welches von den oben bezeichneten Aufgaben nur die zweite löste, diese aber in weit umfassenderem Maße, als jener Entwurf von 1921 es vorgesehen hatte. I. Das Gesetz (§§ 9, 25) ergänzt zunächst das Strafgesetzbuch: 1. Das Mordkomplott1). Nach dem neu eingefügten § 49b wird bestraft, wer mit einem (oder mehreren) anderen ein Verbrechen des Mordes (oben § 83 1) verabredet. Die Verabredung muß sich auf einen bestimmten Mord beziehen, Ob die Verabredung zu irgendwelchen positiven Schritten eines der an ihr Beteiligten führt, ist belanglos; denn das Gesetz läßt die Bestrafung „schon wegen dieser Verabredung" eintreten. Die Verabredung ist eine Vorbereitungshandlung zum Morde, die als delictum sui generis behandelt wird. Erfolgt der Mord (oder auch nur ein Totschlag), so konsumiert die Strafe der Haupttat oder einer Beteiligungsform (Anstiftung oder Beihilfe) die auf die Vorbereitungshandlung gesetzte Strafe. S t r a f e : Gefängnis nicht unter einem Jahre. Daneben ist Geldstrafe bis zu fünf Millionen Mark zulässig. § 3 Geldstrafennovelle ist nicht anwendbar; aber § 4 ist zu beachten. r ) In systematischer Beziehung gehurt der neue Tatbestand zu den Tötungsdelikten, nicht etwa mit § 49a zu den strafbaren Aufforderungen (oben § 175) oder in den Abschnitt über die Teilnahmelehre (vgl. oben § 49 IV).

Nachtrag

7

Soll eine Person aus Gründen ermordet werden, die in ihrer Stellung im öffentlichen Leben liegen, so liegt ein qualifizierter Fall vor. S t r a f e : Zuchthaus. Daneben Geldstrafe bis zu fünf Millionen Mark zulässig.

Welcher Art die Stellung im öffentlichen Leben ist (Staatsoder Kommunaldienst, Schöffen-, Geschworenenamt, Parteidienst, Tätigkeit in gesetzgebenden Körperschaften, Berufs- oder Standesvertretungen usw.) ist belanglos. Abs, 2 des neuen § 49b gewährt dem an der Verabredung Beteiligten einen persönlichen Strafausschließungsgrund, wenn er der bedrohten Person (unmittelbar oder mittelbar) oder der 1 ) Behörde von der Verabredung Kenntnis gibt, bevor der Mord begangen oder versucht worden ist. W e r aus § 49b zu bestrafen ist, kann aus den oben § 184 IV dargelegten Gründen nicht noch wegen unterlassener Verbrechensanzeige (§ 139 StGB) bestraft werden. 2. Einen Zusatz erhält § 1 1 1 Abs. 2 Satz l StGB (erfolglose öffentliche Aufforderung zu einer strafbaren Handlung; vgl. oben § 175II2). War die Aufforderung auf eine Tötung gerichtet, so tritt Gefängnis nicht unter drei Monaten nebst fakultativ zulässiger Geldstrafe bis zu einer Million Mark ein. Wie überhaupt in § 1 1 1 , muß es sich auch in dem neuen Zusatz um eine k o n k r e t e Tötung handeln. Besondere Eigenschaften des Opfers werden nicht verlangt. 3. Gemäß § 9 ist neben jeder Verurteilung wegen Hochverrats eine der Höhe nach unbeschränkte (vgl. aber Geldstrafennovelle 1921 § 4!) Geldstrafe obligatorisch. Daneben ist Aufenthaltsbeschränkung zulässig. Ausländer müssen ausgewiesen werden. II. Von diesen Ergänzungen des Strafgesetzbuches abgesehen, schafft das Gesetz zum Schutze der Republik eine Fülle kasuistisch gehaltener Tatbestände, die in systematischer Beziehung (oben § 79) den verschiedensten Sachgebieten angehören. ') Welcher Behörde? Die Frage ist die gleiche wie bei § 139. Gemeint ist also die Behörde, von der am ehesten die Verhinderung des Verbrechens zu erwarten ist. Auch Behörden unterliegen der Anzeigepflicht des § 139, müssen also, falls ihnen selbst die Vornahme von Sicherungsmaßnahmen nicht obliegt, für das Tätigwerden der zuständigen Behörde Sorge tragen.

8

Nachtrag

Folgende dieser Tatbestände stellen sich dar als l . Angriffe auf die Staatsverfassung und die Träger der Staatsgewalt und gehören somit dem Gebiete des Hochverrats an (vgl. oben § 1 6 5 I): a) Die Teilnahme an einer Vereinigung oder Verabredung, zu deren Bestrebungen es gehört, Mitglieder einer republikanischen Regierung des Reiches oder eines Landes durch den Tod zu beseitigen (§ l Abs. l). S t r a f e : Zuchthaus nicht unter fünf J a h r e n oder lebenslängliches Zuchthaus. Daneben nach § 9 obligatorisch Geldstrafe, deren Höhe unbeschränkt ist ( K o n fiskation?). Ausländer müssen ausgewiesen, Inländer können hinsichtlich ihres Aufenthalts beschränkt werden. Zuwiderhandlungen dagegen ziehen Gefängnisstrafe nach sich. Die mit der Zuchthausstrafe ipso jure eintretenden Rechtsverwirkungen des § 3 1 S t G B werden durch § 1 0 erweitert: Verlust der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte, bei Beamten und Militärpersonen auch des Gehalts und Ruhegehalts. Begehung der Tat im Ausland hindert die Verfolgung nicht (§ 1 1 ) .

Unter einer „Vereinigung" ist jede Personenmehrheit zu verstehen, die sich zusammengefunden hat zur Verfolgung gemeinsamer Zwecke durch im einzelnen noch nicht näher bestimmte Handlungen. Längere Dauer und „Organisation" (oben § 188 I I ) sind nicht erforderlich. Darin besteht der Unterschied von der „Verbindung" (oben § 188 II), während sich die Verabredung von der Vereinigung durch ihre Pachtung auf festbestimmte Handlungen unterscheidet. Die, wenn auch nicht ausschließliche, Zweckrichtung der Vereinigung oder Verabredung ist im Gesetz in oben bezeichneter W e i s e angegeben. Dabei wird die Verabredung die Beseitigung b e s t i m m t e r Persönlichkeiten zum Gegenstande haben, während sich bei der Vereinigung die Beseitigung republikanischer Regierungsmitglieder ü b e r h a u p t als Mittel zur Erreichung ihres Zweckes darstellt. W a s unter Mitgliedern einer republikanischen Regierung des Reiches oder eines Landes zu verstehen ist, sagt das Gesetz in § 24: E s sind dies der Reichspräsident, sowie alle Regierungsmitglieder, die einer aus allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl hervorgegangenen Volksvertretung verantwortlich sind oder waren. An einer solchen Vereinigung oder Verabredung muß der Täter „teilnehmen" (vgl. oben § 188 II). Doch stellt § 4 des G. den Teilnehmern diejenigen gleich, die die Vereinigung oder einen an der Verabredung Beteiligten mit Rat oder Tat, insbesondere mit Geld unterstützen.

Nachtrag

9

Der Vorsatz des Täters erstreckt sich nicht bloß auf die Teilnahme, sondern auch auf die Bestrebungen der Vereinigung oder Verabredung (wichtig für die Frage des Irrtums). Die Beteiligung als solche wird mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bestraft, wenn in Verfolgung der Vereinigungsoiler Verabredungsbestrebungen eine Tötung (der in § 1 Abs. 1 genannten Art) begangen oder versucht worden ist. Diese Strafe trifft jeden, der zur Zeit der Tat an der Vereinigung oder Verabredung beteiligt war und ihre Bestrebungen kannte, gleichgültig, wie er sich zu der das Delikt qualifizierenden konkreten Tötung gestellt oder ob er überhaupt davon gewußt hat. Idealkonkurrenz mit § § 2 l l oder 212 StGB ist möglich. Das Delikt ist mit Vollziehung des Anschlusses an die Vereinigung oder Verabredung vollendet. Straffreimachender Rücktritt vom Versuch kommt demgemäß nicht mehr in Betracht. Dagegen schafft § 3 für diejenigen „Teilnehmer" einen persönlichen Strafausschließungsgrund, die der Behörde oder der bedrohten Person (falls sich die Bestrebungen schon auf Beseitigung einer bestimmten Person verdichtet haben) von dem Bestehen der Vereinigung (einschließlich ihrer Bestrebung?) oder Verabredung, von den ihnen bekannten Mitgliedern und ihrem Verbleibe Kenntnis geben, bevor in Verfolgung der Bestrebungen eine Tötung begangen oder versucht worden ist. Der in § 3 aufgestellte Strafausschließungsgrund wird auch denjenigen Personen zugute kommen müssen, die gemäß § 4 den „Teilnehmern" gleichstehen, sofern sie die Voraussetzungen des § 3 erfüllen. b) Die Teilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheimgehalten werden soll oder in der gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird („Geheimverbindung") ist auf Grund des § 128 StGB (oben § 188 II 1) strafbar. Verfolgt die Geheimverbindung die im § l des G. zum Schutze der Republik genannten Bestrebungen, so wird jeder Teilnehmer, der dies weiß, zugleich nach § l dieses Gesetzes zu bestrafen sein. Kennt jedoch der Teilnehmer an der Geheimverbindung diese bestimmten Bestrebungen nicht, so kann Bestrafung aus § l nicht erfolgen; er unterfällt dann aber der Bestrafung aus

10

Nachtrag

§ 2, wonach mit Zuchthaus bestraft wird, wer an einer Geheimverbindung der im § 1 2 8 S t G B bezeichneten Art teilnimmt, wenn die Verbindung eine im § l Abs. l genannte Bestrebung verfolgt 1 ). Das Verfolgen dieser Bestrebung durch die Verbindung ist eine B e d i n g u n g h ö h e r e r S t r a f b a r k e i t (oben § 44 III), auf die sich der Vorsatz des Täters nicht zu beziehen braucht. D e m Teilnehmer stehen auch in diesem Falle die in § 4 genannten Personen gleich. Auch der in § 3 geschaffene Strafausschließungsgrund greift hier Platz. S t r a f e : Zuchthaus.

Dazu die oben zu a) genannten Strafen, Nebenstrafen

und Rechtsverwirkungen.

Strafverfolgung auch bei Begehung im Ausland ( § 1 1 ) .

c) Weitere Gefährdungen der republikanischen Staatsform werden in den §§ 7, 8 des G. in bunter Fülle und ohne nähere innere Verwandtschaft untereinander unter Strafe gestellt, nämlich: 1) D i e Gewalttätigkeit gegen Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes (§7 ZI. l). Gewalttätigkeit ist Angriff auf Leib oder Leben. Dem Täter muß die Eigenschaft seines Opfers bekannt sein. Dies vorausgesetzt, ist das Motiv des Täters gleichgültig. D e m § 7 Zf. l unterfällt daher auch, wer den Angriff zum Zwecke der Beraubung oder aüs Eifersucht ausführt. Der Versuch ist nicht strafbar, sofern er nicht den Tatbestand einer anderen strafbaren Handlung erfüllt. D a s Gesetz stellt aber zwei Vorbereitungshandlungen besonders als delicta sui generis unter Strafe, nämlich a) die Verabredung einer solchen Gewalttätigkeit mit einem anderen. Ist die Verabredung auf einen Angriff auf das Leben, also auf Tötung gerichtet, so greift § l Abs. l des Gesetzes ausschließlich Platz. ß) das Auffordern zu einer solchen Gewalttätigkeit. (Vgl. dazu oben § 51 Anm. 5.) 2) Die öffentlich oder in einer Versammlung erfolgende Beschimpfung (oben § 95 III l b) oder Verleumdung (oben § 96 III) ' ) Aus diesem § 2 f o l g t die Richtigkeit der oben § 1 8 8 I vertretenen A n sicht, daß § 1 2 8 auch nach der R V e r f . von 1 9 1 9 weiter besteht. Andernfalls hätte der Gesetzgeber nunmehr nicht auf § 1 2 8 Bezug nehmen, sein Bestehen mithin nicht voraussetzen können. A . M. Kofllrausch Strafgesetzbuch, 26. A u f l . (Guttentagsche Sammlung Nr. 2) A n m . 1 zu § 2 des Ges. z. Schutze der Republik, da § 2 der Form nach ein selbständiges Gesetz sei. A b e r auch Kohlrausch gibt zu, daß es sich der Sache nach um eine Qualifizierung des § 1 2 8 handele.

Nachtrag

11

eines anderen, der als Mitglied einer republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes durch eine gegen ihn gerichtete Gewalttätigkeit getötet worden ist (§ 7 Zf. 2). Ein Delikt gegen die Ehre, also eine Beleidigung im strengen Sinne, ist nicht gegeben, da dem Toten keine Ehre eignet; vielmehr richtet sich die Handlung gegen die Staatsgewalt, deren Träger der Getötete gewesen ist. Die Sätze über die Beleidigung können daher nicht Platz greifen, namentlich § 193 nicht als s o l c h e r , sondern nur insofern, als er seinem I n h a l t nach einen allgemeinen Grundsatz enthält (vgl. oben § 95 IV). 3) Nach § 7 Zf. 3 wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung ein Verbrechen gegen § l oder Gewalttätigkeiten, die gegen Mitglieder einer republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes begangen worden sind, v e r h e r r l i c h t oder a u s d r ü c k l i c h b i l l i g t , wer solche Taten b e l o h n t oder den Täter oder Teilnehmer b e g ü n s t i g t (§ 257 StGB). Die Glorifizierung braucht hier im Gegensatz zum § 10 des Sprengstoffg. von 1884 (vgl. oben § 156 II 4) nicht mit einer Anreizung zur Begehung der gepriesenen Handlungen zusammenzutreffen. +) § 7 Zf. 4 stellt gewisse Beziehungen zu g e h e i m e n oder s t a a t s f e i n d l i c h e n V e r b i n d u n g e n im Sinne der §§ 128, 129 StGB 1 ) unter Strafe, sofern diese die Bestrebung verfolgen, die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reichs oder eines Landes zu untergraben, d. h. also dieser Staatsform die Autorität zu entziehen, sei es durch Hetzarbeit oder durch "Werbetätigkeit für die Verbindung oder durch sonstige Mittel. Ein unmittelbarer Angriff auf die Staatsform selbst braucht nicht beabsichtigt zu sein; dies würde vielmehr unter § 8 1 Zf. 2 in Verbindung mit § 86 fallen. Die vom G. unter Strafe gestellte Beziehung ist a) Teilnahme an einer solchen Verbindung; ß) Unterstützung der Verbindung oder (im D i e n s t e i h r e r B e s t r e b u n g e n ) eines Mitgliedes mit Rat oder Tat, insbesondere durch Geld. Unterstützung eines Verbindungsmitgliedes, um diesem das Fortkommen, die Ergreifung eines Berufes oder dergl. zu ermöglichen, würde nicht unter den Tatbestand fallen. f

') V g l . S. 9 Anm. 1. für § 129.

W a s dort für § 1 2 8 gesagt ist,

gilt hiernach

auch

12

Nachtrag

5) § 7 Zf. 5 schafft einen qualifizierten Fall gegenüber den Tatbeständen der §§ 128, 1 2 9 StGB. Der Strafe des § 7 unterliegt, wer sich einer Verbindung dieser Art anschließt, die (wie der Täter weiß) selbst oder deren Mitglieder unbefugt W a f f e n besitzen. E s genügt nicht, daß einzelne, es ist nicht nötig, daß sämtliche Mitglieder W a f f e n besitzen; vielmehr wird der Waffenbesitz für eine im Verhältnis zur Gesamtzahl nicht unerhebliche Mitgliederzahl zu fordern sein. u) Endlich unterliegt der Strafe des § 7, wer ein bis dahin (d. h. bis zum Inkrafttreten des G. zum Schutze der Republik) verheimlichtes Waffenlager in Eigentum oder Gewahrsam hat und es unterläßt, der Behörde von dem Aufbewahrungsort unverzüglich Kenntnis zu geben. Die Zweckbestimmung des Waffenlagers ist belanglos. Verheimlicht ist ein Waffenlager dann, wenn es einer bisher bestehenden öffentlich-rechtlichen Anzeigepflicht zum Trotz nicht angezeigt worden ist. S t r a f e in den Fallen l lys 6: Gefängnis von drei Monaten bis zu fünf Jahren, daneben obligatorisch Geldstrafe bis zu fünf Millionen Mark. In besonders schweren Fällen statt Gefängnis Zuchthaus mit den oben zu a) erwähnten R e c h t s folgen. Neben GeFangnis kann nach § 1 0 A b s . 2 auf Verlust dei bekleideten öffentlichen Amter, bei Militärpersonen auf Dienstentlassung, dauernde oder zeitweilige Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Amter, den ganzlichen oder teilweisen, den dauernden oder zeitweiligen Verlust des Gehalts oder Ruhegehalts erkannt werden. Tatbegehung im Ausland hindert die V e r f o l g u n g nicht (§ l l ) .

") Nach § 8 Zf. 1 wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reichs oder eines Landes beschimpft (oben § 9 5 III l b ) oder (mittelbar) dadurch herabwürdigt, daß er Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes beschimpft oder verleumdet (oben § 96 III). D i e Beschimpfung muß die S t a a t s f o r m betreffen. Richtet sie sich gegen das Reich als solches oder gegen ein Land als solches ohne Beziehung auf die Staatsform, aber vielleicht mit Beziehung auf die Staatsverwaltung, so ist der Tatbestand nicht erfüllt (vgl. aber unten 8, auch § 1 3 8 StGB und dazu oben § 1 7 6 I). Beschimpfung und Verleumdung der Regierungsmitglieder stellen inhaltlich stets zugleich Beleidigungen dar, sind aber durch die Einweisung in den besonderen Tatbestand und infolge ihrer mittelbaren Richtung gegen die Würde des Staates (wie ehedem die Majestätsbeleidigung) Delikte besonderer Art, so daß die für die gewöhnliche Beleidigung

Nachtrag

gegebenen widerung

Bestimmungen,

z. B.

13

Antragserfordernis.

usw., nicht zur A n w e n d u n g

gelangen

Buße,

können.

Er-

§ 193

ist nicht a l s s o l c h e r a n w e n d b a r , w o h l a b e r insofern, als er s e i n e m I n h a l t n a c h e i n e n a l l g e m e i n e n G r u n d s a t z enthält (vgl. o b e n § 9 5 I V ) . s) D i e ö f f e n t l i c h o d e r in e i n e r V e r s a m m l u n g e r f o l g e n d e B e s c h i m p f u n g d e r R e i c h s - o d e r L a n d e s f a r b e n unterliegt e b e n f a l l s d e r B e s t r a f u n g (§ 8 Zf. 2).

I d e a l k o n k u r r e n z mit § 131 S t G B ist m ö g l i c h .

») § 8 Zf. 3 b e d r o h t mit S t r a f e d e n j e n i g e n , d e r v o n d e m V o r h a n d e n s e i n eines bis dahin v e r h e i m l i c h t e n W a f f e n l a g e r s 1 ) K e n n t nis

hat

und

es

unterläßt,

Kenntnis

zu

geben.

Die

Anzeige

für Verwandte

hiervon

der

Anzeigepflicht

Behörde

unverzüglich

entfällt, w e n n

auf- o d e r a b s t e i g e n d e r

Linie

mit

der

oder

Ge-

s c h w i s t e r o d e r d e n E h e g a t t e n (nicht d e n V e r l o b t e n ) des W i s s e n d e n d i e G e f a h r d e r B e s t r a f u n g einträte. S t r a f e : G e f ä n g n i s b i s zu fünf Jahren, n e b e n dem auf G e l d s t r a f e bis zu e i n e r Million Mark erkannt w e r d e n kann. D i e N e b e n s t r a f e n des § 10 A b s . 2 (oben h i n t e r 6) sind auch hier zulässig. B e g e h u n g im A u s l ä n d e hindert die V e r f o l g u n g nicht.

In allen unter a — c Ausländer

genannten Fällen

k a n n T ä t e r a u c h ein

sein.

2. Die Verbrechen gegen die Rechtspflege (oben §§ 182 ff. 1 h a b e n teils d u r c h

Schaffung neuer,

teils d u r c h

h a n d e n e r T a t b e s t ä n d e eine B e r e i c h e r u n g a. Zur Begünstigung

Ergänzung

vor-

erfahren:

gehören

a) der o b e n unter l c 3) g e n a n n t e F a l l (§ 7 Z f . 3 des Gesetzes), ß) § 6 d e s G e s e t z e s z u m S c h u t z e d e r R e p u b l i k :

Wer

einen

a n d e r n b e g ü n s t i g t ( § 2 5 7 S t G B ) , d e r e i n e im § l A b s . l ( o b e n i a ) genannte

Person

vorsätzlich

getötet

oder

z u töten v e r s u c h t

hat

o d e r d e r an einer s o l c h e n T a t t e i l g e n o m m e n hat, w i r d mit Zuchth a u s bestraft. N e b e n der Zuchthausstrafe G e l d s t r a f e v o n unbeschränkter H ö h e , b e i A u s ländern A u s w e i s u n g obligatorisch, b e i I n l ä n d e r n A u f e n t h a l t s b e s c h r ä n k u n g e n fakultativ ( Z u w i d e r h a n d l u n g e n d a g e g e n mit G e f ä n g n i s b e d r o h t ; § 9 ) . V e r s c h ä l f u n g der R e c h t s v e r w i r k u n g e n i n f o l g e der Zuchthausstrafe w i e o b e n zu 1 a. § 11 gilt auch hier.

B e i d e T a t b e s t ä n d e g e h e n als l e g e s s p e c i a l e s d e m § 257 v o r ; im V e r h ä l t n i s z u e i n a n d e r 1)

h a t § 7 Zf. 3 g e g e n ü b e r § 6

stets nur

D e r B e g r i f f des W a f f e n l a g e r s w i r d in § 7 Zf. 6 Halbsatz 2 näher erläutert.

14

subsidiäre Bedeutung. beständen fehlt.

Nachtrag

Eine scharfe Grenze zwischen beiden Tat-

b. Zur Unterlassung der rechtzeitigen Anzeige von dem Bevorstehen gewisser Verbrechen (oben § 184 IV) gehört der Tatbestand des § 5: W e r von dem Dasein einer in den § § 1 , 2 genannten Vereinigung, Verabredung oder Verbindung oder von dem Plane 1 ), eine im § l genannte Person zu töten, Kenntnis hat, wird bestraft, wenn er es unterläßt, von dem Bestehen der Vereinigung, Verabredung oder Verbindung, von den ihm bekannten Mitgliedern, ihrem Verbleib oder von der geplanten Tötung und der Person des Täters der Behörde oder der bedrohten Person unverzüglich Kenntnis zu geben. Begehung des Verbrechens oder eines strafbaren Versuchs ist hier (im Gegensatz zu § 139 StGB) nicht erfordert; auch ist es im Hinblick auf eine Vereinigung oder Verbindung nicht nötig, daß bereits der Entschluß zur Tötung einer bestimmten Person gefaßt ist, da bereits die Kenntnis vom B e s t e h e n einer Vereinigung usw., die ganz allgemein auf Beseitigung republikanischer Regierungsmitglieder gerichtet ist, zur Anzeige verpflichtet. S t r a f e : Zuchthaus, bei Geldstrafe von unbeschränkter oben 1 a bei Zuchthaus, wie Deutschen gleichgestellt. Nach die T a t im Auslande begangen

mildernden U m s t ä n d e n Gefängnis, daneben stets H ö h e : s j n s t i g e Nebenfolgen und Nebenstrafen wie oben 1 c 6 ) bei Gefängnis. Ausländer sind den § 11 kann V e r f o l g u n g auch dann stattfinden, wenn (denkbar?).

Keine Anzeigepflicht trifft den Geistlichen hinsichtlich desjenigen, was ihm bei Ausübung der Seelsorge anvertraut worden ist. Angehörige dagegen sind zur Anzeige verpflichtet, bleiben aber gemäß § 5 Abs. 2 straflos, wenn sie sich nach Kräften bemüht haben, den Täter von der Tat abzuhalten. „Täter" und „Tat" sind im Hinblick auf die §§ 1 und 2 als Teilnehmer und Teilnahme an der Vereinigung, Verabredung oder Verbindung zu verstehen, außerdem aber muß, wie Abs. l zeigt, auch derjenige, der die Tötung beabsichtigt, als „Täter" betrachtet werden. Die Straffreiheit entfällt, wenn eine Tötung oder ein Tötungsversuch r ) Das F a s s e n des Planes selbst ist nicht strafbar, da Plan im Gegensatz zu Vereinigung, V e r a b r e d u n g und Verbindung das lediglich im Innern eines E i n zelnen gereifte V o i h a b e n ist. Irgendeine Objektivierung des P l a n e s verlangt das Gesetz nicht!

Nachtrag

stattgefunden hat und

15

die U n t e r l a s s u n g

der A n z e i g e

(nachweis-

lich) i m K a u s a l z u s a m m e n h a n g e mit diesem E r f o l g e steht. 3. D i e Preßpolizeivergehen (vgl. o b e n § 187) w e r d e n §22

des G. erweitert.

D a n a c h w i r d bestraft,

wer

eine

durch perio-

dische D r u c k s c h r i f t herausgibt, v e r l e g t , d r u c k t oder verbreitet, die verboten w o r d e n ist, w e i l durch ihren Inhalt die Strafbarkeit einer der

in

den §§ 1 bis 8 b e z e i c h n e t e n

H a n d l u n g e n b e g r ü n d e t ist

(§ 21 des G.). S t r a f e : Gefängnis von 3 Monaten bis zu 5 Jahren, daneben Geldstrafe bis zu 500000 M. zulässig.

4.

Zu

den

strafbaren Überschreitungen

des Vereinsrechts

(oben § 188) w e r d e n , außer den d e m H o c h v e r r a t

näherstehenden

Fällen der §§ 1, 2, 7 Zf. 4 und 5, durch § 1 9 w e i t e r e Tatbestände hinzugefügt: a. D a s Veranstalten einer nach § 14 des G. v e r b o t e n e n V e r s a m m l u n g oder eines solchen A u f z u g e s oder einer K u n d g e b u n g . b. D a s Auftreten als R e d n e r bei einer derartigen Gelegenheit. c. D i e T e i l n a h m e

als M i t g l i e d

an e i n e m n a c h § 14 A b s . 2

aufgelösten V e r e i n oder an einer d a n a c h aufgelösten V e r e i n i g u n g . d. D i e Unterstützung eines solchen V e r e i n s o d e r einer soldhen Vereinigung. S t r a f e : Gefängnis von 3 Monaten bis zu 5 Jahren, daneben Geldstrafe bis zu 500000 M. zulässig. — Dem aufgelösten Verein steht ein angeblich neuer Verein gleich, der sich sachlich als der alte darstellt. Das Gleiche gilt für V e r einigungen.

III. In § 27 A b s . 2 b e s c h r ä n k t das a m T a g e seiner V e r k ü n d u n g in K r a f t getretene G e s e t z seine G e l t u n g s d a u e r auf fünf Jahre.