191 45 372MB
German Pages 1132 [1144] Year 1922
Richard
Schröder
19. 6. 1838 — 2. 1. 1917
Lehrbuch der
deutschen Rechtsgeschichie von
Richard Schröder
weil. Prof. der Rechte an der Universität Heidelberg
Sechste,
verbesserte
Auflage
fortgeführt von
Eberhard Frh. v. Künaberg Prof. der Rechte an der Universität Heidelberg
Mit einer Abbildung im Text, vier Tafeln und einem Bildnis
B e r l i n und L e i p z i g
1922
Vereinigung wissenschaftlicher
Verleger
Walter de Gruyter & C o . vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung :: J . Gtittentae, Verlagabuchhandlung - Georg Reimer :: Karl J . Trübner : Veit & Comp.
Vorwort zur seehsten Auflage. Der Druck dieser Auflage hat vor dem Kriege begonnen. Als Richard Schröder starb (3. Januar 1917), reichte der Reindruck bis S. 592; fünf weitere Bogen waren gesetzt, bedurften aber sehr der Ergänzung. Für den Rest gab es Andeutungen und Notizen verschiedener Art. Als eine Pflicht der Dankbarkeit ging die Fertigstellung des Buches auf mich über. Ich durfte nur in des ersten Verfassers Sinn ergänzen oder erneuern; Vorsicht und Enthaltsamkeit waren das Hauptgebot; eigene Wünsche waren auch da zurückzustellen, wo der Jüngere im eigenen Namen andere Wege einschlagen würde. Das gilt vor allem für die Darstellung der Neuzeit, die Schröder, der für Pfingsten 1917 die Druckvollendung erhoffte, gewiß fast ungeändert gelassen hätte. Denn es fanden sich für diesen Teil nur etwa ein halbes Dutzend Literaturangaben eingetragen und fünf kleine Textänderungen. Einen ausführlicheren Einschub aus seiner Feder habe ich S. 886 durch eckige Klammer gekennzeichnet. Ebenso wie ich auf eine Umarbeitung der Neuzeit verzichtete — denn ein neues Buch zu schreiben lag nicht im Plan —, ebenso hielt ich an der zeitlichen Grenze fest, die Schröder S. 2 dieser Auflage als Schlußpunkt der Darstellung gewählt. Den Text habe ich in der Hauptsache beibehalten. In den Literaturangaben und in den Fußnoten habe ich versucht, den Fortschritt der Untersuchungen einzufügen, wobei freilich die gebotene Kürze eine mathematische Vollständigkeit ausschloß. Die lange Zeitspanne zwischen dem Druckbeginn (1914) und dem Druckende (1921) machte es wünschenswert, inzwischen erschienene Literatur in einem Nachtrage zu verzeichnen, als eine Art Vorbereitung der nächsten Auflage; dieser Nachtrag fiel demnach reichlicher aus als sonst üblich. Er ist jedoch im Register mitberücksichtigt. Die Reihenfolge und die Nummern der Paragraphen sind unverändert. Von §61 an sind auch die Nummern der Anmerkungen beibehalten; die eingeschobenen Fußnoten sind durch Unterteilung gekennzeichnet. Die Tafel 5 der früheren Auflage (Karte der Gerichtsorganisation des Deutschen Reiches) schien diesmal entbehrlich. Die § § 1 - 6 0 erschienen 1919 als erste Lieferung des Buches.
IV
Vorwort zur sechsten Auflage.
Alle Fachgenossen und Freunde, denen ich namens des Verstorbenen und im eigenen Namen für Zusendung von Arbeiten, für guten Rat, für Hilfe beim Lesen der Korrekturen und bei der Herstellung des Registers herzlichen Dank schulde, zu nennen verbietet mir ihr großer Kreis. Daß sich der Dank nicht nur in alle Länder des Deutschen Reiches wenden muß, sondern auch nach Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und den Sudetcnländern, ist mir eine besondere Freude. H e i d e l b e r g , Frühlingsanfang 1922.
v. Künliberg.
Inhalt. Seit«
Einleitung § 1. Die Aufgabe und die Perioden § 2. Literatur und Hilfsmittel
1 1 3
Erste Periode. Die germanische Urzeit. § § § § § § § § S § §
3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
Die Zustände der Germanen im allgemeinen Die staatliche Gliederung der Völkerschaften Die Landesgemeinde und das Königtum Das Beamtentum und das Gefolge Die Heeresverfassung Die Gerichtsverfassung Die Stände Das Grundeigentum Das Privatrecht Das Strafrecht Das Gerichtsverfahren
14 19 26 32 40 44 49 36 63 78 90
Zweite Periode. Die f r ä n k i s c h e Zeit. Erstes Kapitel. Die B i l d u n g d e r S t a m m e s r e i c h e . § 14. Die Bildung germanischer Reiche 97 § 15. Die Gründung und Ausbreitung des fränkischen Reiches . . . 102 § 16. Die Stellung der Römer in den germanischen Reichen . . . . 107 Zweites Kapitel. D i e V e r f a s s u n g des f r ä n k i s c h e n R e i c h e s 111 § 17. Das Königtum 112 § 18. Die staatliche Gliederung des fränkischen Reiches 127 § 19. Die öffentlichen Beamten 133 § 20. Der königliche Hof 145 § 21. Die Kirche 150 § 22. Der Reichstag 158 § 23. Das Heerwesen 163 § 24. Die Entstehung des Lehnwesens 167 1. Die Vasallität 168. — 2. Das Benefizialwesen 172. — 3. Die Verbindung der Vasallität mit dem Benefizialwesen 174. § 25. Die Gerichtsverfassung 175 1. Die ordentlichen Gerichte 176. — 2. Das Königsgericht 184. — 3. Herrschaftliche und Immunitätsgerichte 188. — 4. Die kirchliche Gerichtsbarkeit 192. § 26. Das Finanzwesen 195 § 27. Die Immunitäten 213 § 28. Das Grundeigentum 217 § 29. Die Stände 230
Inhalt.
VI
Seile
Drittes Kapitel. Wie R e c h t s q u e l l e n . § 30. Die Rechtsbildung im allgemeinen 24(5 § 31. Die Volksrechte und die Leges Romanae 252 1. Die Gesetze der Westgoten 252. — 2. Die ostgotischen Gesetze 255. — 3. Die burgundischen Gesetze 256. — 4. Die Lex salica 257. — 5. Die Lex Ribuaria 264. — 6. Die langobardischen Gesetze 265. — 7. Die Lex Alamannorum 268. 8. Die Lex Baiuwariorum 269. - 9. Die Lex Saxonum 272. — 10. Die Lex Angliorum et Werinorum 274. — 11. Die Lex Frisionum 275. — 12. Die Lex Francorum Chamavorum 277. — 13. Die Capitula Remedii und die Lex Romana Curiensis 278. — 14. Die angelsächsischen Gesetze 279. § 32. Die fränkischen Reichsgesetze 280 287 § 33. Die Urkunden § 34. Die Formelsammlungen und die übrige juristische Literatur . 291 Viertes Kapitel P r i v a t r e c h t , S t r a f r e c h t u n d G e r i c h t s v e r f a h r e n . § 35. Das Privatrecht 296 1. Rechts- und Handlungsfähigkeit 296. — 2. Sachenrecht 300. — 3. Schuldverhältnisse 315. — 4. Familienrecht 328. 5. Erbrecht 356. 369 § 36. Das Strafrecht ]. Das Strafsystem 369. — 2. Zurechnung und Zumessung 377. — 3. Einzelne Verbrechen 383. § 37. Das Gerichtsverfahren 388 1. Übersicht 390. — 2. Das ordentliche Verfahren 392. — 3. Ungehorsamsverfahren 404. — 4. Verfahren bei handhafter Tat 406. — 5. Verfahren mit Anfang (Dritthandverfahren) 406. — 6. Betreibungsverfahren 411. — 7. Immobiliarprozeß 412. — 8. Rügeverfahren 413. — 9. Verfahren im Königsgericht 415.
Dritte Periode.
Das Mittelalter. Erstes Kapitel. D a s D e u t s c h e R e i c h u n d L a n d und seine B e w o h n e r . § 38. Das Deutsche Reich . . § 39. Die staatliche Gliederung des Reiches § 40. Das Lehnwesen Allgemeiner Charakter des Lehuwesens 429. — Lehnsfähigkeit, Heerschild 430. - Gegenstand der Verleihung 433. Belehnung 433. — Lehnserneuerung 435. — Belehnung zur r gesamten Hand 437. - Lehn mit Gedinge 437. - Leihe auf Treue 438. - Pfandlehen 439. - Leihe auf Lebenszeit 440, — Pflichten und Rechte des Mannes 440. - Vererbung 443 — Regalienrecht 449. - Spolienrecht 450. - HeimfaU 451 § 41. Das Grundeigentum • • | 42. Die Stände 1. Der Herrenstand und die Ministerialen 469. — 2. Die be meinfreien 483. — 3. Die Grund- und Schutzhörigen 492. 4. Die Leibeigenen 495. - 5. Die Ebenbürtigkeit 500. 6. Die Juden 505. — 7. Die Fremden 508. Die V e r f a s s u n g des D e u t s c h e n R e i c h e s u n d s e i n e r Teile. § 4 3 . Der König s 44. Der königliche Hof § 45. Die Fürsten und Reichsbeamten
419 423 429
453 467
Zweites Kapitel.
510 528
Inhalt.
VII Seite
§ 46. § 47. § 48.
Der Reichstag Das Heerwesen Das Finanzwesen Reichs- und Hausgut 566. — Reichskirchengut 567. — Münzwesen 571. — Zölle 574. — Märkte 575. — Geleite 576. — Heimfallsrecht 577. — Gerichtsgefälle 578. — Vermögenseinziehung, Bannbußen, Krongüter 578. — Bodenregal, Landrecht 579. — Strandregal, Stromregal 580. — Straßen 582. — Jagd 582. — Fischerei, Bannrechte 584. — Bergregal, Salzregal 585. — Schätze, Tribute, Jahrgeschenke 588. — Investiturabgaben, Judenschatz 589. — Reichssteuern 589. — Verwendung der Reichseinnahmen 591. § 49. Die Gerichtsverfassung 1. Reichshofgericbt 593. — Austräge 600. — Kammergericht 601. — 2. Die Landfriedensgerichte 602. — 3. Die Landgerichte 605. Friesische Gerichtsverfassung 610. — 4. Reichsvogteien und andere hohe Vogteien 613. —- 5. Die Gerichtsorganisation in den Marken 616. — 6. Die Bannleihe 618. — 7. Kaiserliche Landgerichte 623. — 8. Die Femgerichte 625. — 9. Lehns- und Dienstgerichte 632. — 10. Geistliche Gerichte 633. § 50. Die Territorien 1. Entwicklung der Landeshoheit 639. — 2. Inhalt der Landeshoheit 644. — 3. Organe der Zentralverwaltung 650. — 4. Die Gerichtsverfassung 652. — 5. Die niedere Verwaltungsorganisation 662. — 6. Landessteuern und Landstände 665. § 51. Die Städte Literatur 672. - Begriff der Stadt 678. — Marktrecht 680. Gerichtsbarkeit 685. - Einwohner 689. — Stadtrat 692. — Kriegswesen 697. — Gilden 698. — Sondergemeinden 701. — Reichsstädte, Landesstädte 701. — Städtebündnisse 703. Drittes Kapitel. § 52. Die § 53. Die § 54. Die § 55. Die § 56. Die § 57. Die § 58. Die § 59. Die § 60. Die
Die R e c h t s q u e l l e n . Rechtsbildung im allgemeinen Reichsgesetze Rechtsbücher Landrechte und Landesgesetze Stadtrechte Lehn- und Dienstrechte ländlichen Rechtsquellen Urkunden Formelbücher und die sonstige Rechtsliteratur
552 558 566
592
637
672
707 713 718 733 739 757 760 763 770
Viertes Kapitel. P r i v a t r e c h t , S t r a f r e c h t u n d G e r i c h t s v e r f a h r e n . . § 61. Das Privatrecht 775 1. Rechts- und Handlungsfähigkeit 775. — Juristische Personen 777. — 2. Sachenrecht 777. Fahrnisrecht 777. — Früchte 779. — Pfandrecht an beweglichen Sachen 781. — Gewere 782. — Eigentumsübertragung an Grundstücken 786. — Erbbaurecht 789. — Auflassung 790. — Beispruchsrecht 791. — Miteigentum 792. — Pfandrecht an unbeweglichen Sachen 793. — Reallasten 796. — 2. Schuldverhältnisse 798. — 4. Familienrecht 803. — Eheschließung 803. — Eheliches Güterrecht 805. — Väterliche Gewalt 816. — Uneheliche 818. — Vormundschaft 818. — 5. Erbrecht 820. § 62. Das Strafrecht 828 § 63. Das Gerich tsverfahren 841 Klage um Schuld 845. — Klage um Eigen 847. — Peinliche Klage 849. — Gemischte Klage 850. — Beweisrecht 851. — Urteilschelte 852. — Konkursprozeß 853. — Strafprozeß 854.
Inhalt.
VIII
Vierte Periode. Die Neuzeit. E r s t e r A b s c h n i t t . Bis zur Auflösung des Reiches. Erstes Kapitel. Die a l l g e m e i n e n V e r h ä l t n i s s e . ¡5 64. Das Reichsgebiet § 65. Die Reichsreform § 66. Die Rezeption der fremden Rechte § 67. Das Lehnwesen und das Grundeigentum 1. Das Lehnwesen 877. — 2. Grundeigentum 881. § 68. Die Stände und die Konfessionen Stände 887. - Parität 893. — Juden 894. Zweites Kapitel. Die V e r f a s s u n g des R e i c h s u n d s e i n e r Teile. § 69. Der Kaiser § 70. Die Reichshofbeamten § 71. Die Kurfürsten § 72. Der Reichstag und die Reichsgesetzgebung § 73. Die Reichskreise und das Reichsregiment § 74. Die Reichsgerichte Reichskammergericht 914. — Reichshof rat 917. § 75. Das Reichsheerwesen § 76. Das Reichsfinanzwesen § 77. Das Reichspolizeiwesen § 78. Die Territorien A. Allgemeine Literatur 926. — B. Weltliche Territorien 927. — Anhalt, Baden, Bayern, Brandenburg-Preußen 927. — Elsaß, Hannover, Hessen 928. — Mecklenburg, Österreich, Sachsen, Württemberg 929. — C. Geistliche Territorien 930. — 1. Übersicht 930. — 2. Hausgesetze 932. — 3. Inhalt der landesherrlichen Gewalt 934. — 4. Verhältnis zum Reiche 937. — 5. Landstände 940. — 6. Heerwesen 944. — 7. Gerichtswesen 947. — 8. Finanzwesen und die Verwaltungsorganisation 951. § 79. Die Städte § 80. Die Reichsritterschaft und die Reichsdörfer § 81. Der Niedergang des Reiches Drittes Kapitel. § 82. Die § 83. Die § 84. Die § 86. Die
Die Rechtsquellen. juristische Literatur Reichsgesetze Landesgesetzgebung Stadtrechte
858 862 864 875 886
895 898 902 904 909 913 919 922 924 926
956 960 962 964 968 972 978
Z w e i t e r A b s c h n i t t . 'Das neunzehnte Jahrhundert. Erstes Kapitel. V e r f a s s u n g u n d i n n e r e R e f o r m e n . § 86. Die Auflösung des Reiches und die Zeit des Rheinbundes . . § 87. Die Verfassung des Deutschen Bundes § 88. Reformbestrebungen in den deutschen Bundestaaten bis 1848 . § 89. Der Deutsche Bund von 1848-1866 § 90. Der Norddeutsche Bund und die Errichtung des Deutschen Reiches Zweites Kapitel. Die R e c h t s q u e l l e n . § 91. Die Landesgesetzgebung § 92. Bundes- und Reichsgesetze von 1867 bis 1900 LiteraturnachtrSge Register Drucbfehlerberlclitiguugen
980 987 994 1003 1008 1015 1019 1022 1034 H22
Schlüssel für Abkürzungen. v. Amira.3 Karl v. Amira, Grandriß des germanischen Rechts. 3 1913. BAbh. Abhandlungen der (Berliner) kgl. pr. Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse. Brnnner Grundz.6 Heinrich Brunner, Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte. 6 1913. Branner-Heymann 7. Aufl. 1919. Branner RG. Heinrich Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I 2 1906 I I 1892. BSB. Sitzungsberichte der (Berliner) kgl. pr. Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse. FDG. Forschungen zur deutschen Geschichte. Fehr RG. Hans Pehr, Deutsche Rechtsgeschichte. 1921. Fschr. Festschrift. G. Geschichte. GGA. Göttingische gelehrte Anzeigen. GierkeU. Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, herausgegeben von Otto v. Gierke. GöttAbh. Abhandlungen der kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. GrimmRA.4 Jakob Grimm, deutsche Rechtsaltertümer, 4. Ausgabe, besorgt durch Andreas Heusler und Rudolf Hübner. 1899. Die Seitenzahlen sind von R. Schröder allermeist nach der zweiten Auflage angegeben; dann ist keine Auflagenzahl und keine Bandzahl angegeben. HistVjschr. Historische Vierteljahrsschrift. HistZ. Historische Zeitschrift. HWB. Handwörterbuch. IB. oder Jb. Jahrbuch, Jahresbericht. IF. Erstes Buch der Libri feudorum. — IIF. Zweites Buch der Libri feudorum. JBA. Jüngster Reichsabschied. MA. Mittelalter. — ma. mittelalterlich. HG. Monumenta Germaniae Historica. MJÖG. Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. MSB. Sitzungsberichte der kgl. bayr. (Münchener) Akademie der Wissenschaften. MUnchAbh. Abhandlungen derselben Akademie. NArch. Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde. NRevue. Nouvelle revue de droit français et étranger. OStR. Oberrheinische Stadtrechte. RA. *) Reichsabschied. s) Rechtsaltertümer. REG. Reichskammergericht. RWB. Deutsches Rechtswörterbuch, herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. SB. Sitzungsbericht. (Vgl. BSB. MSB. WSB.) Schmoller Forsch. Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen, herausgegeben von G. Schmoller. v. Schwerin.2 Claudius Frh. v. Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte. ! 1915. Ssp. Sachsenspiegel.
X
Schlüssel für Abkürzungen.
¡Stutz, Abli. Kirchenrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von Ulrich Stutz. VjsehrSozWG. Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. WSB. Sitzungsberichte der kaiserlichen (Wiener) Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse. Z. Zeitschrift. ZDA. Zeitschrift für deutsches Altertum. ZDS. Zeitschrift für deutsches Recht. ZGO. Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins. ZgRW. Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft. ZHR. Zeitschrift für Handelsrecht. ZBG. Zeitschrift für Rechtsgeschichte; vom 14. Band an: Zeitschrift der Savigny. Stiftung für Rechtsgeschichte, germanistische Abteilung. Wenn die romanistische oder kanonistische Abteilung gemeint sind, ist dies aus dem Zusatz Rom. bzw. Kan. ersichtlich.
pg. vor Seitenzahlen deutet auf römische Seitenzahlen von Einleitungen u. dgl.
Im übrigen wird bei Zweifeln auf die „Vorschläge des deutschen Juristeutages für die Art der Anführung von Rechtsquellen, Entscheidungen und wissenschaftlichen Werken" 2. Ausgabe 1910, sowie auf das Quellenheft des „Deutschen Reohtswörterbuches" 1912 verwiesen.
Einleitung. § I.
Die A u f g a b e und die Perioden.
B r u n n e r I. §§ 1, 2, 5. v. Amira3 l f f . ; Zweck u. Mittel d. germ. R G . 1876; GGA. 1888 S. 41. S o h m Fränkisches Recht u. römisches Recht, ZRG. 14. R o t h Die rechtsgeschichtl. Forschungen seit Eichhorn, ebd. 1, 7. E i c h h o r n Das geschichtliche Studium d. deutsch. Rechts, ZGRW. 1, 124. K . L e h m a n n Rezeptionen germanischer Rechte, Rostock. Rektoratsrede 1905. U s e n e r Vorträge u. Aufsätze 1907 (s. S t u t z , ZRG. 41, 587). G ö t z Das russische Recht, 4 Bde 1910—1913. Innerhalb des indogermanischen S p r a c h s t a m m e s bilden die Germanen mit den Letto-Slawen, Kelten, Italikern, Albanern, Griechen, Armeniern und Tocharen (Indoskythen) eine engere Gruppe, die als westarische der ostarischen oder schlechthin arischen Gruppe (Indier und E r a n i e r ) gegenübergestellt wird. Die K u l t u r - und Rechtszustände dieser Nationen in der Zeit vor ihrer Sonderung zu erforschen ist die Aufgabe der vergleichenden Sprachwissenschaft und der vergleichenden Rechtswissenschaft. 1 Die deutsche Rechtsgeschichte beginnt u m die Mitte des ersten 1 Die vergleichende Rechtswissenschaft gehört, soweit sie sich auf das indogermanische Gebiet bezieht, in den Bereich der deutschen Rechtsgeschichte, darüber hinaus in den der ethnologischen Rechtswissenschaft. Hauptorgan die Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft (seit 1878), zum Teil auch die Revue de droit français et étranger. Unter den monographischen Arbeiten dieser rüstig aufstrebenden Wissenschaft sind namentlich die von B e r n h ö f t , D a r g u n , D a r e s t e , B . D e l b r ü c k , J o l l y , K a p r a s , K o h l e r , L a v e l e y e , L e i s t , M a i n e und P o s t auch für die germanische Rechtsgeschichte bedeutsam. Vgl. noch L e i s t Altarisches ius gentium 1889; Altarisches ius civile 1892—1896. J h e r i n g Vorgeschichte der Europäer 1894. Ed. Meyer Die Anfänge des Staats u. sein Verhältnis zu den Geschlechts verbänden u. zum Volkstum, Berl. SB. 1907 S. 508. W i l u t z k y Vorgeschichte des Rechts, 3 Bde 1903. O. S c h r ä d e r Sprachvergleichung u. Urgeschichte 3 2 Bde 1906—1907; Reallexikon der indogerm. Altertumskunde 1901., L a m b e r t La fonction du droit civil comparé I. 1903. H i r t Indogermanen 2 Bde 1905—7. P r z e m y s l a w D a b kowski, Prawo prywatne polskie (Polnisches Privatrecht) 2 Bde 1910—11 (vgl. Bulletin de la société polonaise pour l'avancement des sciences X . 26. X I . 30). G. Cohn Die Gesetze Hammurabis 1903. F e h r Hammurabi u. das salische Recht 1910 (vgl. R i e t s c h e l Hist. Z. 109 S. 326). K o s c h a k e r Babylonisch-assyrisches Bürgschaftsrecht 1911. Neuerdings hat man besonders auf die vielfache Verwandtschaft des germanischen Rechts mit dem griechischen aufmerksam gemacht. Vgl. Arbeiten von B r u c k , E g e r , M i t t e i s , P a r t s c h , R a b e l , W e n g e r u . a . m .
R. S c h r ö d e r , Deutsche Rechtsgeschichte.
6. Aufl.
1
2
Einleitung.
Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung, wo durch Cäsars Eroberung Galliens die antike Kulturwelt bis unmittelbar an die Grenze Germaniens vorgeschoben, ein Teil der Germanen bereits in den Machtbereich Roms hineingezogen wurde. Die e r s t e P e r i o d e umfaßt die Urzeit bis zur Gründung der germanischen Reiche auf römischem Boden. Sie hat es außer mit den Südgermanen auch mit den Skandinaviern oder Nordgermanen zu tun, deren Rechtsaufzeichnungen zwar einer erheblich späteren Zeit und vielfach entwickelteren Kulturstufe angehören, mit entsprechender Vorsicht aber zu den wichtigsten Rückschlüssen für die germanische Urzeit benützt werden können. Die z w e i t e P e r i o d e , von der Gründung bis zur Auflösung des fränkischen Reiches, beschäftigt sich ausschließlich mit den deutschen (westgermanischen) Stämmen und dem Teil der Ostgermanen, der sich infolge seiner geographischen Lage der gleichen Entwickelung angeschlossen hat. Das Recht und der Staat der Franken tritt in den Vordergrund. Die d r i t t e P e r i o d e , von der Auflösung des fränkischen Reiches bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, beschränkt sich auf das deutsche Reich, dessen Rechtseinrichtungen vielfach ein siegreiches Vordringen des fränkischen Rechts erkennen lassen. Die rechtlichen Zustände Frankreichs, Englands (seit der normännischen Eroberung) und wohl auch Spaniens beruhen Vorwiegend auf den Grundlagen des fränkischen Rechts. Französische, englische, spanische und italienische Rechtsgeschichte sind die wichtigsten Hilfsmittel für die deutsche Rechtsgeschichte des Mittelalters. Die v i e r t e P e r i o d e , die Neuzeit, beginnt mit der Einsetzung des Reichskammergerichts, der Beseitigung des Fehderechts durch den ewigen Landfrieden, den mannigfachen Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Reichsverfassung. Die Rezeption des römischen Rechts, wie es aus der italienisch-lombardischen Jurisprudenz und der kanonistischen Doktrin und Praxis hervorgeht, führt auf allen Gebieten des Rechts zu neuen Gestaltungen. Diese Periode zerfällt in zwei Abschnitte (bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1806 und die Neuzeit seit 1806) und schließt mit der Errichtung des Deutschen Reiches und den auf die Herstellung der Rechtseinheit gerichteten Gesetzen. Im Gegensatz zu der Methode der alten Staats- und Rechtsgeschichte ist die politische Geschichte nur so weit in Betracht zu ziehen, als sie zur Erklärung der Rechtsentwickelung unentbehrlich ist. Dagegen haben die in der Rechtsgeschichte oft zu sehr vernachlässigten wirtschaftlichen Verhältnisse eine größere Berücksichtigung zu beanspruchen. Die Darstellung jeder einzelnen Periode beginnt mit den allgemeinen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen, dann folgen Verfassung und Rechtsquellen. In den drei ersten Perioden schließt sich an diese die besondere Darstellung des Privat- und Strafrechts sowie des Gerichtsverfahrens an, dagegen fällt das Privatrecht in der vierten Periode weg, weil nur die Umbildung der rezipierten fremden Rechte, aber nicht diese selbst in ein Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte gehören.
§ 2. Literatur und Hilfsmittel. § 2.
3
Literatur und Hilfsmittel.
Die besonderen Quellen nebst der einschlägigen Literatur sind je an ihrer Stelle anzuführen, hier nur, was eine allgemeine Bedeutung hat. Eine vortreffliche Übersicht bei D a h l m a n n - W a i t z Quellenkunde der deutschen Geschichte 8 , her. von H e r r e 1912. Vgl. auch C o s t a Bibliographie der deutschen RG. 1858 und für die Literatur seit 1900 v. S c h w e r i n Die Geisteswissenschaften 1913/14 Heft 21. I. Deutsche Rechtsgeschichte (vgl. v. Amira 3 111, B r u n n e r I 2 17ff., über die ältere Literatur unten § 82). H. Conring De origine iuris Germanici 1643 (vgl. S t o b b e Hermann Conring 1870. S t i n t z i n g G. d. deutsch. RW. 2, 3ff. 165ff.). K. F. E i c h h o r n Deutsche Staats- u. Rechtsgeschichte5, 4 Bde 1843—44 (1. Aufl. 1808—23; vgl. F r e n s d o r f f , ZRG. 42, 1. S c h u l t e Eichhorn 1884. H ü b n e r , Festschrift Brunner 1910 S. 807). B r u n n e r Deutsche Rechtsgeschichte I 2 1906. II 1892 (vgl. v. Amira GGA. 1888 Nr. 2. 1896 Nr. 3. Caillemer, N. Rev. hist. de droit 1907 S. 545. H e r t z b e r g , Tidskr. f. Retsvidensk. 4, 385. 5, 1. H e y m a n n Beitr. z. Erläuter. d. deutsch. R. 51, 655. A. B. S c h m i d t , Hist. Z. 102, 593. S c h r ö d e r , ebd. 65, 301. 78, 193. 79, 224. v. Schwerin, Allg. Zeitung 1906 Nr. 301 Beilage. S t u t z , Z. f. Schweiz. R. 36, 173)'. v. Daniels HB. d. deutsch. Reichs- u. Staaten-RG., 4 Bde 1859—63. W a l t e r DRG. 2 1857. Zöpfl Deutsche Staats- u. RG. 4 1871—72. — Kürzer: Phillips« 1859. S c h u l t e 6 1892. Siegel 3 1895. v. S c h w e r i n 1912 (in Meisters Grundriß d. GW. II, Abt. 5, nur Privatrecht, Rechtsquellen, Strafrecht, Rechtsgang). — Vorzügliche Grundrisse: v. Amira Grundriß des germanischen Rechts 3 1913. B r u n n e r Grundzüge der deutsch. RG. 6 1913. Sonstige Grundrisse: Stenzel 1832. Gengier 1849—50. F r o m m h o l d 1894. S a r t o r i - M o n t e c r o c e 1908 (her. v. Galante). H. O. L e h m a n n , Birkmeyers Encykl. d. RW. 197ff. Schröder 1912—13 (Sammlung Göschen, 2 Bde). Waitz Deutsche Verfassungsgeschichte I 3 1880 (älteste Zeit). II 3 III 2 IV 2 1882— 1885 (fränkische Zeit). V—VIII 1874—1878 (deutsche Reichsverfassung bis Mitte des 12. Jh.), V 2 1893 (her. v. Zeumer). VI 2 1896 (her. v. Seeliger). Dazu: Waitz Urkunden z. deutsch. VG. im 11. 12. Jh. 2 1886. Waitz Abhandlungen z. deutsch. VG. u. RG. I 1896 (her. v. Zeumer). v. Below Der deutsche Staat des MA. I 1914. — Kürzere Darstellungen der VG.: A. Heusler 1905 (vgl. v. Below, Hist. Z. 97, 574). A. Meister 2 1913 (Grundriß d. GW., II. Abt. 3). L u s c h i n v. E b e n g r e u t h 1911 (Kultur der Gegenwart II. 2). D a h n Könige der Germanen, 12 Bde 1861—1909, I u. I I in Neudrucken 1910— 1911 (vgl. His, ZRG. 31, 185. W e r m i n g h o f f , ebd. 35, 414. W. Sickel, GGA. 1896 S. 269). E. Mayer Deutsche u. franz. VG. vom 9. bis 14. Jh., 2 Bde 1899 (vgl. Korrespondenzbl. d. Westd. Z. 18, 64. P u n t s c h a r t , MJÖG. 24, 472. S t u t z , ZRG. 34, 115). — Gierke Das deutsche Genossenschaftsrecht, 4 Bde 1868—1913. v. B e t h m a n n - H o l l w e g German.-roman. Zivilprozeß im Mittelalter, 3 Bde 1868 bis 1874. J. G r i m m Deutsche Rechtsaltertümer 1828, 4. Aufl. her. v. H e u s l e r u. H ü b n e r , 2 Bde 1899 (vgl. H o m e y e r , Berl. JBB. f. wiss. Kritik 1830 Nr. 65—70. v. A m i r a , GGA. 1900 S. 768. S t u t z , ZRG. 34, 331. S c h r e u e r . K r . VJSchr.f. RW. 3. Folge 7, 174). Noordewier Nederduitsche Regtsoudheden 1853. Zöpfl Altertümer d. deutsch. Reichs u. Rechts, 3 Bde 1860—1861. O s e n b r ü g g e n Deutsche Rechtsaltertümer a. d. Schweiz 1858—1859; Studien z. deutsch, u. Schweiz. RG. 1868; Rechtsaltertümer aus österr. Panteidingen (Wiener SB. 41). G r u p e n Deutsche Altertümer 1746; Observationes rerum et antiquitatum Germ, et Rom. 1763. Siebenkees Beitr. z. teutsch. R., 4 Bde 1786—1789. S p a n g e n b e r g Beitr. z. d. teutsch. Rechten des MA. 1822; Beitr. z. Kunde d. teutsch. Rechtsaltertümer u. Rechtsquellen 1824. 1*
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Einleitung.
S t o b b e Geschichte d. deutsch. Rechtsquellen, 2 Bde 1860—1864. S t i n t z i n g u. L a n d s b e r g Geschichte der deutsch. Rechtswissenschaft, 3 Bde 1880—1910. H e u s l e r Institutionen d. deutsch. Privatrechts, 2 Bde 1885—1886. G i e r k e Deutsches Privatrecht I. I I . 1895—1905. S t o b b e HB. d. deutsch. Privatrechts, 5 Bde 1871—1885, 1 3 —IV 3 her. v. K . S c h u l z u. H . L e h m a n n 1893—1900. H ü b n e r Grundzüge d. deutsch. Pr.-Rechts 2 1913. K r a u t Grundriß z. Vorlesungen über d. deutsche Pr.-Recht 6 , bearb. v. F r e n s d o r f f 1886. L o e r s c h u. S c h r ö d e r Urkunden z. Gesch. d. deutsch. Pr.-Rechts 3 , her. v. S c h r ö d e r u. P e r e i s 1912. T h é v e n i n Textes relatifs aux institutions privées et publiques aux époques Mérovingienne et Carolingienne I. 1887. S c h u p f e r II diritto privato dei populi germanici con speciale riguardo all Italia, 4 Bde 1907—1909. F i c k e r Untersuchungen zur Erbenfolge der ostgermanischen Rechte (a. u. d. T. Untersuchungen zur RG.), 4 Bde u. 2 Halb-Bde 1891—1904 (vgl. v. A m i r a , GGA. 1892 S. 269). G o l d s c h m i d t Universalgeschichte des Handelsrechts (Handbuch des H R . I 3 ) 1891. H u v e l i n L'histoire du droit commercial 1904. R e h m e G. des HR., bei E h r e n b e r g HB. des H R . I 1913. B a r t s c h Die Rechtsstellung der Frau 1903. W e i n h o l d Die deutschen Frauen im Mittelalter 3 , 2 Bde 1897. L a b o u l a y e La condition civile et politique des femmes 1842. B ü c h e r Die Frauenfrage im MA. 2 1909. P e t e r k a Das offene zum Scheine Handeln im deutsch. R. des MA. 1911 ( B e y e r l e Beitr. VII. 1). — J . G r i m m Von der Poesie im Recht (ZGRW. 2, 25). G i e r k e Der Humor im deutsch. Recht 2 1886 (vgl. L i e b r e c h t , ZDPhil. 6, 137). R e y s c h e r Beiträge z. K. d. deutsch. Rechts 1883. F r e n s d o r f f Recht u. Rede (Hist. Aufsätze f. Waitz 1886 S. 433). — B ö h l a u Rechtsgeschichtliches aus Reineke Fuchs (N. Mitt. d. thür.-sächs. Ver. 9, 2 S. 77). D r e y e r Nutzen des Gedichts Reinke de Vos in Erklärung der teutsch. R.-Altertümer (Nebenstunden 1—250). E h r i s m a n n Zum Hildebrandsliede ( B r a u n e Beitr. z. deutsch. Spr. 32, 260). F r a n k l i n Die freien Herren u. Grafen von Zimmern, Beitr. z. R G . n. d. Zimmer. Chronik 1884. G e n g i e r Rechtsaltertümer im Nibelungenlied 1861; Aeneas Sylvius in seiner Bedeutung f. d. deutsch. R G . 1860; Ein Blick auf d. Rechtsleben Baierns unter Herzog Otto I. 1880. H ä b e r l i n System. Bearb. der in Meichelbecks Hist. Fris. enth. Urk.-Sammlung 1842. J a c o b i Rechts- u. Hausaltertümer in Hartmanns Erec, Gött. Diss. 1903. K ö h l e r Germ. Altertümer im Beovulf, Germania 13, 129. B a r t e l s Rechtsaltertümer i. d. angelsächs. Dichtung, Kieler Diss. 1913. L a g e n p u s c h Das german. Recht im Heliand 1894 ( G i e r k e U. 16). L o e r s c h , im Bonner Festgruß an Homeyer 1871. S c h r ö d e r Beitr. z. K . d. deutsch. R . aus deutsch. Dichtern, ZDA. 13, 139; Corpus iuris Germanici poéticum, ZDPhil. 1, 257. 2, 302); Beitr. z. deutsch. RG. aus Konrad von Würzburg, ZRG. 7, 131. V i l m a r Deutsche Altertümer im Heliand 2 1862. B r u n n e r Das rechtliche Fortleben des Toten bei den Germanen 1907 (Deutsche Monatsschr. f. d. gesamte Leben d. Gegenwart VI, H e f t 7). Vermischte Abhandlungen. B r u n n e r Forschungen zur G. d. deutsch, u. franz. Rechts 1894. D a h n Bausteine, 6 Bde 1879—1884. D r e y e r Sammlung vermischter Abhandlungen z. Erläuter. d. teutschen Rechte u. Altertümer, 3 Bde 1754—1763; Zur Erläuter. d. teutschen Rechte angewandte Nebenstunden 1768; Beiträge z. Lit. u. G. d. teutsch. Rechts 1783. G a u p p Miscellen d. deutsch. R. 1830; Germanist. Abhandlungen 1853. H a g e m a n n Kleine Aufsätze, 2 Bde 1794. K o h l e r Beitr. z. germ. Privat-RG., 3. Teil 1883—1888. P u f e n d o r f Observationes iuris universi 4 , 4 Bde 1757—1770. S t o b b e Beiträge z. G. des deutsch. Rechts 1865. S t r u b e n Nebenstunden, 6 Bde 1789. W e i s k e Abh. a. d. Geb. d. teutsch. Rechts 1830. W i g a n d Wetzlarsche Beiträge, 3 Bde 1840—1851; Denkwürdigkeiten a. d. Gebiete d. Reichskammergerichts 1854; Denkwürdige Beiträge f. Geschichte u. Rechtsaltertümer 1858. — Festschrift f. B r u n n e r 1910 (vgl. A. B. S c h m i d t , ZRG. 45, 434. K o e h n e Mitt. hist. Lit. 42, 107). Festschrift f. G i e r k e 1911 (vgl. W e r m i n g h o f f , ZRG. 45, 449). Hist. Aufsätze f. Z e u m e r 1910 (vgl. H e y m a n n , ebd. 420).
§ 2. Literatur u n d Hilfsmittel.
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Z e i t s c h r i f t e n u n d S a m m e l w e r k e . Zeitschrift f. geschichtl. R W . , 15 Bde 1815—1850; f ü r deutsches Recht, 10 Bde 1839—1861; f ü r Rechtsgeschiohte, seit 1861, seit 1880 (Bd. 14) Neue Folge u. d. T. Zeitschrift der Savignystiftung f ü r R G . , germanistische, romanistische, seit 1911 auch kanonistische Abteilung. K r i t . Überschau d. deutsch. Gesetzgebung u. RW., 6 Bde 1853—1859. K r i t . Vierteljahrsschrift f. Gesetzg. u. R W . , seit 1859. Revue de droit français et étranger, 4 Bde 1844—1847; R e v u e historique de droit franç. et étranger, 15 Bde 1855—1869; Revue de législation ancienne e t moderne franç. et étrangère, 6 Bde 1870—1877 ; Nouvelle Revue hist. de dr. f r a n ç . et étranger, seit 1877. Archiv d. Gesellsch. f. ältere deutsche G.K u n d e , 12 Bde 1820—1874, seit 1876 u. d. T. Neues Archiv. Historische Zeitschr., seit 1859. Forschungen z. deutsch. Geschichte, 26 Bde 1862—1886. Deutsche Zeitschr. f. GW., seit 1889. Hist. Vierteljahrsschrift, seit 1898. Zeitschr. (seit 1903 V i e r t e l j a h r s s c h r i f t ) f. Sozial- u. Wirtschafts-G., seit 1893. Hist. J B . d. Görresgesellschaft, seit 1880. Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins, seit 1850, N F . seit 1886. Westdeutsche Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst, seit 1882. Hansische G.-Blätter, seit 1871. Mitteilungen d. I n s t . f. österr. G.-Forschung, seit 1880. Eranien zum deutschen Recht, her. v . D a l w i g k u. F a l c k , 3 H e f t e 1825—1828. U n t e r s u c h u n g e n z. deutschen Staats- u n d Rechtsgeschichte, her. v, O. G i e r k e , seit 1878. Deutschrechtliche Beiträge, her. v. K . B e y e r l e , seit 1906. Quellen u. Studien z. Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches, her. v. K . Z e u m e r , seit 1905. Tübinger Studien ( T h u d i c h u m ) seit 1906. Reallexikon der germanischen Altertumskunde, her. v. J . H o o p s , I 1911—13. I I im Erscheinen. R e c h t s g e s ; c h i c h t e e i n z e l n e r G e b i e t e . B o r n h a k Preußische Staats- u. R G . 1903 (vgl. S c h r e u e r , ZRG. 38, 375). S e i b e r t z (Westfalen) 4 Bde 1860—75. F a l c k Schlesw.-holst. Privatrecht I — I I I 1825—38. v. M ö l l e r R G . v. Helgoland 1904. G e n g i e r Beiträge z. R G . Baierns, 4 H e f t e 1889—94. M o s e r Osnabr. Geschichte ( S ä m t l . Werke VI—VIII), letzte Ausgabe v. A b e k e n 1843. T h u d i c h u m (Wetterau) 1867, 1874—85. C a r l e b a c h Badische RG. 2 Bde 1906—9. S c h m i d l i n Urspr. u. E n t f a l t u n g der habsburg. Rechte im Oberelsaß 1902. L u s c h i n v. E b e n g r e u t h Österr. Reichsgeschichte 1896; Grundriß 1899. W e r u n s k y Österr. Reichsu. RG., seit 1894. H u b e r Österr. Reichsgeschichte 2 her. v. D o p s c h 1901. C h a b e r t Denkschriften d. Wiener Ak. I I I . IV. 1852. v. S c h w i n d u. D o p s c h Ausgewählte U r k u n d e n z. V G . d. deutsch-österr. Erblande 1895. Forschungen z. inneren G. Österreichs her. v. D o p s c h , seit 1903. Beiträge z. R G . Tirols, Festschr. z. Deutsch. Juristentage 1904 (vgl. S t u t z , ZRG. 39, 387). L i p p e r t Sozial-G. Böhmens in vorhussitischer Zeit, 2 Bde 1896—98. S c h r e u e r VG. der böhm. Sagenzeit 1902, S c h m o l l e r s Forsch. 20, 4 (vgl. ZRG. 36, 334). C e l a k o v s k y Povsechné p r â v n i d ë j i n i ceské (Grundriß der tschechischen Rechtsgeschichte) 2 seit 1899. S c h u l e r v. L i b l o y Siebenbürg. R G . 2 1867—68. Materialien z. siebenb. R G . 1861—62; S t a t u t a iurium municipalium Saxonum in Transsilvania 1853. Vgl. auch A k o s v. T i m o n Ungar. Verf.- u. R G . , übers, v. S c h i l l e r 1904 (vgl. L a b a n d Aich. f. öff. R . 1904 S. 277. S c h r e u e r Z R G . 39, 326). K a i n d l Beitr. z. deutsch. R . in Galizien 1906—1910; Studien z. G. d . deutsch. R . in Ungarn 1908. Über schweizerische Rechtsliteratur vgl. S t u t z ZRG. 37, 415ff. 39, 390ff. 40, 419ff. 41, 566ff. 43, 467ff. 44, 651 ff. 46, 648ff. Sammlung Schweiz. R.-Quellen, seit 1898. A b h . z. Schweiz. R., her. v. G m ü r , seit 1904. Zeitschr. f. Schweiz. R., seit 1852. v. W y ß Abh. z. G. d. Schweiz, öff. R e c h t s 1892. H ü r b i n H B . d. Schweizer Geschichte, 2 Bde 1900—1908. H u b e r Gesch. d . Schweiz. Privatrechts 1893 (System u. Gesch. d . schw. Pr.-R. Bd. IV). B l u m e r Schweizerische Demokratien, 2 Bde 1848—1859. R y f f e l Die Schweiz. Landgemeinden 1903 (vgl. F e h r , Z R G . 39, 316). B l u n t s c h l i (Zürich 2 1856). L e u e n b e r g e r (Bern 1873). P l a n t a (Rätien 1872). S e g e s s e r (Luzern, 4 Bde 1851—1858). S t e t t i e r (Bern 1845). S t u t z Höngger Meiergerichtsurteile des 16. u. 17. J h s . (Bonn 1912). H u g o d e G r o o t Inleiding t o t de hollandsche Rechtsgeleerdheit 1631, m e t aantekeningen v a n F o c k e m a A n d r e a e 2 , 2 Bde 1900. F o c k e m a A n d r e a e H e t
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Einleitung.
oudnederlandsch burgerlijk recht, 2 Bde. 1906; Bijdragen tot de nederlandsche rechtsgeschiedenis, 4 Bde 1888—1900. F r u i n Vcrspreide geschriften 1902. B l o k Geschichte der Niederlande, 2 Bde 1902—1905. W e n z e l b u r g e r G. d. Niederlande, 2 Bde 1879—1886. M a g n i n Geschiedkundig overzieht van de besturen in Drenthe 1838—1850. v. R i c h t h o f e n Untersuchungen über friesische RG., 3 Bde 1880— 1886. J . T e l t i n g Schets van het oud-friesche privaatregt 1867—1882 (Thenns Jahrg. 1868—1869. 1871—1874. 1876—1880. 1882). Oudc vaderlandscho rechtsbronnen, Werken der vereenigung tot uitgave der bronnen van het oude vaderlandsehe recht, govestigd te Utrecht, seit 1880. B o n v a l o t Histoire de droit et des institutions de la Lorraine 1895. P a r i s o t Le royaume de Lorraine sous les C'arolingiens 1899. O. S c h m i d t (Liv., Estli- u. Kurland), her. v. N o t t b e c k 1895. v. G e r n e t (Bistum Dorpat) 1897. II. Literatur und Quellen verwandter Rechte. a) N o r d g e r m a n i s e h e s R e c h t . K. M a u r e r Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, 5 Bde 1907--1910 (vgl. K. L e h m a n n , DLZtg. 1911 S. 114. r a p p e n h e i m , ZRG. 42, 403. 45, 545. v. .Schwerin, (¡(JA. 1909 ,S. 779. T a r a n g e r , Tidsskr. f. Retsvidensk. 25, 324. Lit. ZentrBl. 1911 ,Sp. 1021); Überblick über die (J. der nordgerm. Rechtsquellen 1890 ( H o l t z e n d o r f f Encykl. d. RW. S. 351 ff.); Zur nordgerm. RG., Kr. VJSchr. 31, lOOff. 32, 330ff.; l)ie Schuldknechtschaft n. altnord. Recht, Münch. SB. 1874 S. 1 (vgl. B r i n z , Kr. VJSchr. 16, 588); Das älteste Hofrecht des Nordens, Münch. Festschrift f. Upsala 1877; Abh. d. Münch. Akademie 12, Abt. 1 (1869). 13, Abt. 2. 3 (1874. 1875). 14, Abt. 2 (1877). 15, Abt. 3 (1880); Münch. SB. 1877 S. 235, 1878 S. 21. 1879 S. 49. 1881 S. 225. 1883 S. 3. S. 548. 1886 S. 317. 1887 S. 363. 1889 S. 169. 1892 S. 537. 1894 S. 427. Germanistische Abhandlungen, K. M a u r e r dargebracht 1893. Vgl. E. M a y e r , Konrad Maurer (Nekrolog), ZRG. 24. Vgl. noch ZDPh. 35, 68ff. — v. A m i r a Grundriß (S. 3); Nordgerman. Obligationenrecht, 2 Bde 1882—1895. B o d e n Mutterrecht u. Raubehe n. altnord. R. 1904. F i c k e r Untersuchungen (S. 4). G r i m m Rechtsaltertümer (S. 3); Literatur d. altnord. Cesctze, Z. f. geseh. RW. 3, 73. G u d m u n d s o n u. K ä l u n d Skandinavische Verhältnisse ( P a u l s Grundriß 3 2 , 407). K. L e h m a n n Abhandlungen z. germanischen, insbes. nordischen RG. 1888 (vgl. v. A m i r a GGA. 1889 S. 271. M a u r e r , Kr. VJSchr. 31, 197); Der Königsfriede der Nordgermanen 1886; Verzeichnis d. Literatur der nordgerm. Rechts, ZRG. 20, 205. 21, 165. 175, 23, 246; Altnordische u. hanseatische Handelsgesellschaften, Z. f. Handelsr. 62, 289. M i c h e l s e n , i. d. Eranien (S. 5) 2, 116—183. 3, 68—121. P a p p e n h e i m Altnordische Handelsgesellschaften, Z. f. Handelsr. 36, 85. l l h a m m Die Großhufen der Nordgermanen 1905 (vgl. B o d e n , ZRG. 40, 348). R i v e Die Vormundschaft im Rechte der Germanen 1862 (vgl. M a u r e r , Kr. VJSchr. 2, 75. 4, 412). S v e n T u n b e r g , Studier rörande Skandinaviens äldsta politiska indelning 1911 (vgl. R i e t s c h e l , ZRG. 45, 541). W e i n h o l d Altnordisches Leben 1856. W i l d a Strafrecht der Germanen 1842. — Tidsskrift for Retsvidenskab, seit 1888. Gesamtausgabe der norwegischen Rechtsquellen: Norges gamle love, 5 Bde 1846—1896 (mit Glossar); zweite Reihe, her. v. T a r a n g e r I. 1901. Diplomatarium Norwegicum, 12 Bde 1848—1888. — v. A m i r a Das altnorwegische Vollstreckungsverfahren 1874; i. d. Germania 32, 129. A u b e r t Udsigt Over de norske loves Historie 1875; Kontraktspantets historiske Udvikling i dansk og norsk Ret 1872. B o d e n Das altnorwegische Stammgüterrecht, ZRG. 35, 109; Das Urteil im altnorwegischen Recht, ebd. 37, 1. B r a n d t Forelajsninger over den norske Retshistoire, 2Bde 1880—1883 (vgl. M a u r e r , Kr. VJSchr. 11, 410ff.). H e r t z b e r g Grundtr»kkene i den ¡eldstc norske proces, udg. B r a n d t 1874. K e y s e r Nordmsendenes private Liv i Oldtiden (Efterladte Skrifter II. 1867); Norges Stats- og Retsforfatning i Middelalderen (ebenda II. 1); Norges Retshistorie, 2 Bde 1866—1870. M a u r e r Gulathing u. Gulathingslög, bei E r s c h u. G r u b e r , Encyklopädie I 96 S. 377—418. 97 S. 1—74;
§ 2. Literatur und Hilfsmittel.
7
Frostathingslög, Münch. Abh. 13 (1875), ferner Norsk Historisk Tidsskrift 1887 (2. Reihe, Bd. G); Nogle Bema?rkinger til Norges Kirkehistorie 1893 (ebd. 3. Reihe, Bd. 3); Studien über das sg. Christenrecht König Sverrirs, Festgabe f. Spengel 1877; Das Alter des Gesctzspreeheramtes in Norwegen, Münch. Festgabe f. Arndts 1875. M ü n c h Det norske Folks Historie, 6 Bde 1852—1863 (die ersten Abschnitte u. d. T. Die nordisch-germanischen Völker, übers, v. C l a u s s e n 1853. Pappenheim Hin altnorwcgisches Schutzgildestatut 1888. T a r a n g e r Betydningen of Herad og lierads-kirkja i de icldre Kristenrettcr 1887 (vgl. M a u r e r , Kr. V J S c h r . 31, 223); Udsigt over den norske Rets Historie 1898—1907. v a n V l c u t e n Grunddienstbarkeiten nach altwestnordischem Recht 1902. Diplomatarium Islandicum 1857—1876. Graagaas, Ausg. v. F i n s e n nach dem Codex regius, 2 Bde 1852—1870; nach dem Cod. Arnamagiuoanus 1879; nach den übrigen Handschriften 1883. Vgl. M a u r e r Art. Graagaas, bei E r s c h u. G r u b e r Encykl. 77, l f f . und Germania 15, 1. 25, 232. — B o d e n Die isländische Regierungsgewalt in der frcistaatlichen Zeit 1905 ( G i e r k e U. 78; vgl. v. A m i r a , Hist. V J S c h r . 1906 S. 527. E. M a y e r , ZRG. 40, 370); Die isländ. Häuptlinge, ZRG. 37, 148. Kiusen Om den orsprindelige Ordning af nogle af den islandske Fristats Institutioner, Vidcnsk. Selsk. Skrifter X , 6. Reihe, Bd. 2, 1, 1888 (vgl. M a u r e r , Kr. V J S c h r . 32, 332. A m i r a , GGA. 1889 Nr. 7); Om de islandske Love i Fristatstiden 1873. H e u s l e r jun., Das Strafrecht der Isländersagas 1911 (vgl. G o l d m a n n Östcrr. ZStr.R. з, 371. K o h l e r ZVgl.RW. 26, 463. v. S c h w e r i n ZRG, 46, 491). K . L e h m a n n Die liigs|>ula 1904 (Rostocker Festschrift f. v. Arnsberg); Jurisprudensen i Njäla, Tidsskrift for Retsvidenskab 1905. L e h m a n n u. S c h n o r r v. C a r o l s f e l d Die Njalssage 1883. M a u r e r Entstehung d. isländ. Staates u. seine Verfassung 1852; Uber die isländischen Gesetze u. deren Ausgaben, Kr. Überschau 1, 277; Island bis zum Untergange des Freistaats 1874; Quellenzeugnisse über das erste Landrecht u. die Ordnung der Bezirksverfassung des isländ. Freistaates, Münch. Abh. 12, 3ff.; Rechtsrichtung d. ält. isl. Rechts, Münchencr Festgabe 1887 S. 119; Zwei Rcchtsfälle in der Eigla und der Eyrbyggya, Münch. S B . 1895 S. 65. 1896 S. 3; Die Huldarsaga, Münch. Abh. 20, 225. 1'. M e r k e r Strafrecht der altisländ. Grägäs, Hcidelb. Diss. 1907. S c h ö n f e l d Der isländ. Bauernhof zur Sagazeit 1902 (Straßb. Quellen u. Forsch. 91). Sämling of gamle Danske Love, her. v. K o l d e r u p - R o s e n v i n g e , 5 Bde 1821—1846; Udvalg af gamle Danske Domme, 4 Bde 1842—1848. Sämling af Danmarks Lavsskraaer fra Middelalderen her. v. N y r o p 1895—1897. B j e r g e og S ö e g a a r d Danske Vidcr og Vcdtaegter seit 1904. Sämling af Kongens Retterthings Domme her. v. S e c h e r , 2 Bde 1881—1886. Die vier Provinzialrechte (Skiinske Lov nebst Sunesens Lex Scaniae provincialis, Sajlandske Lov in den Waldemar und Erich zugeschriebenen Rechtsbüchern, Jydske Lov) her. v. T h o r s e n , 4 Bde 1852—1853, das Jydske Lov auch v. P e t e r s e n 1850. T h o r s e n Die dem jütischen Low verwandten Stadtrechte 1855. Regesta diplomatica historiac Danicae 1847, 1880—1889. — K o f o d - A n e h e r Dansk Lov-Historic, 2 Bde 1769—1776; Samlede juridiske Skrifter, 3 Bde 1807—1811. D a h l m a n n Geschichte v. Dänemark, 3 Bde 1840—1843. H a f f Die dänischen Gemeindcrechte, 2 Bde 1908/9 (vgl. v. S c h w e r i n , ZRG. 4 3 , 4 5 1 . S t e e n s t r u p , Hist, Tidsskrift 8. R. 2, 80); Das dänische Hodenregal, ZRG. 43, 290. H a s s e Das Schleswiger Stadtrecht 1880; Dänenrecht и. Freindenrecht in Dänemark 1883. H e g e l Über Erbkauf in den dän. Stadtrechten Berl. S B . 1887 S .237. J ü r g e n s e n Forelsesninger over den danske Retshistorie 11913. K o l d e r u p - R o s e n v i n g e Grundrids af den danske Retshistorie 2 1832 (Neudruck 1880); deutsche Übersetzung von H o m e y e r 1825. L a r s e n Samlede Skrifter, 4 Teile 1857—1861. M a t z e n Forelaesninger over den danske Retshistorie, 6 Bde 1893—1898. P a p p e n h e i m Die altdän. Sehutzgildcn 1885 (vgl. M a u r e r Kr. V J S c h r . 31, 213ff.). S a c h Usprung d. Stadt Hadersleben u. das Stadtrecht Waldemars 1892. S t e m a n n Den danske Retslüstorie 1871; Geschichte d. öff. u. Privatrechts des Herzogtums Schleswig, 2 Bde 1866; Güterrechte der Ehegatten im Gebiete des Jütischen Lovs 1857.
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Einleitung.
Corpus iuris Sueo-Gotorum antiqui, her. v. Collin u. S c h l y t e r , 13 Bde 1827—1877. Diplomatarium Suecanum, 6 Bde 1829—1878. Svensk Diplomatarium, udg. af S i l v e r s t o l p e , 3 Bde 1875—1888. B e a u c h e t Le loi de Vestrogothie, N.' Rev. de dr. 11, 182. 335. 727. E s t l a n d e r Studier i äldre svensk förmynderscaps'rätt 1897; Bidrag tili en undersökning om klander â lösöre enligt äldre svensk rätt 1900; Gründen för bevisvitsordet i landskapslagarnas straffprocess vid förfarandet med ed eller vittnen, o. J. G a d o l i n Pantsättning af jord enligt medeltida svensk landsrätt, Helsingforser akad. Abh. 1909; Bidrag tili en öfversikt af inteckningsinstitutets upkomst och utveckling i den svensk-finska rätten 1912. N a u m a n n Svenska statsförfatningens historiska udveckling 1866—1875; Sveriges statsförfatningsrätt 2 I. 1879. N o r s t r ö m Bidrag tili den svenska samhältsförfatnings historia, 2 Bde 1839 40. O l i v e e r o n a Testamentsrätten 1880; Om makars giftorätt i bo 5 1882. S c h l y t e r Juridiska Afhandlingar 1836—79. S t e e n s t r u p Studier over kong Valdemars Jordebog, 1874. S t j e r n h ö ö k De iure Sveorum et Gothorum vetusto libri duo, 1672. S t r i n n h o l m Svenska folkets historia, 5 Bde 1834—54. b) F r a n z ö s i s c h e s u n d b e l g i s c h e s R e c h t . Monod Bibliographie de l'histoire de la France 1888. B r u n n e r Überblick über die G. der franz.-normänn. und engl. Rechtsquellen ( H o l t z e n d o r f f s Encykl. 5 S. 305). Zum Teil vortreffliche Arbeiten in der Revue hist, de droit (S. 4), der Biblioth. de l'école des chartes (seit 1839), den SBB. des Institut de France und der verschiedenen Akademien und wissenschaftl. Gesellschaften, sowie in den Einleitungen zu den Bänden der Collection de documents inédits sur l'hist. de France. — B e a u c h e t Hist, de l'organisation judic. en France 1886. B e a u n e Introduction à l'étude hist, de droit coutum. français 1880; Droit coutum. français 1882—89; Nouveaux fragments de droit et d'histoire 1899. B e u g n o t Les Olim ou Registre des arrêts rendus par la cour du roi, 4 Bde 1839—48. B o u t a r i c Le régime féodal 1875. B o u t h o r s Les sources du droit rural 1865. B r i s s a u d Cours d'histoire du droit français, 2 Bde 1904; Manuel d'histoire du droit privé 1907. B r u n n e r Wort u. Form im altfranz. Prozeß, WSB. 1868 (Forsch. 260); Das franz. Inhaberpapier des MA., Festschr. Thöl 1879. D o g n o n Institutions polit, et administr. de Languedoc 1895. D u c o u d r a y Origines du parlement de Paris et de la justice au 13. 14. siècles 1902. E s m e i n Cours élément, d'hist. du droit français 1 1 1912; Hist, de la procédure criminelle en France 1882; Études sur les contrats dans le très ancien droit français 1883. E s p i n a s Finances de la commune de Douai 1902; La vie urbaine de Douai au moyen age 4 Bde 1913. F l a c h Origines de l'anc. France, 3 Bde 1886—1904 (vgl. E s m e i n N. Rev. de dr. 10. 18. S t u t z , ZRG. 39, 366); L'origine hist, de l'habitation en France 1899. F u s t e l de C o u l a n g e s Hist, des institutions de l'anc. France, 6 Bde 1900ff.; Recherches sur quelques problèmes d'hist. 1885. G a u t i e r Hist, du droit français 2 1884. G a v e t Sources de l'histoire du droit français 1899. G i n o u l h i a c Hist, générale du droit français 3 1905. G l a s s o n Hist, du droit et des institut, de la France, 8 Bde 1887 bis 1903; Le parlement de Paris, 2 Bde 1901. G i r a u d Hist, du droit français 1846; Précis de l'anc. droit coutumier français 2 1875. G u é t a t Hist, du droit français 1884. G u i l h i e r m o z Essai sur l'origine de la noblesse en France 1902. H a v e t Œuvres, 2 Bde 1896. H o l t z m a n n Franz. Verf.-G. 1910 (vgl. S c h r e u e r ZRG. 44, 615). K i e n e r Verf.-G. der Provence 1900. K o e n i g s w a r t e r Sources et Monuments du dr. français 1853. L a b o u l a y e et D a r e s t c Le grand coutumier de France 2 1868. L a f e r r i è r e Hist, du droit français, 6 Bde 1846—1858. de L a g r è z e Histoire du droit dans les Pyrénées 1867. L a m p r e c h t Zur G. des franz. Wirtsch.-Lebens im 11. Jh. 1878 ( S c h m o l l e r F. I. 3). L u c h è r e Hist, des instit. monarch, de la France sous les Capétiens 2 , 2 Bde 1891; Manuel des instit. franç., Période des Capétiens 1892. d e M a n t e y e r La Provence 1908 (vgl. C a i l l e m e r Ann. du Midi 24). E. M a y e r (S. 3). M i c h e l e t Origines du droit français 2 1900. M i n i e r Précis historique du dr. franç. 1854. P a r d e s s u s Mémoire sur l'origine du dr. coutum. en France (Mém. de l'Institut 1834); Essai hist, sur l'organis. judiciaire depuis Hugues Capet 1851. R i c a r d Les institutions judiciaires et administratives de l'anc. France 1885. R i v i è r e
§ 2. Literatur und Hilfsmittel.
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Hist, du instit. de l'Auvergne, 2 Bde 1874. S c h ä f f e r G. der R.-Verf. Frankreichs, 4 Bde 1845—50. S e i g n o b o s Le régime féod. en Bourgogne 1882. T a r d i f Études sur les instit. de la France 1881; Recueil de textes pour servir à l'enseignem. de l'hist. du droit, 3 Bde 1883—85; La procédure civile et criminelle au 13. et 14. siècles 1885; Hist, des sources du dr. franç. 1890. V i o l l e t Hist, du dr. civil franc. 3 1905; Hist, des institut, de la France, 3 Bde 1890—1903 (vgl. S t u t z ZRG. 37, 424); Les communes franç. au moyen-âge 1900 (Mém. de l'Acad. des inscr. 26); Les établissements de S. Louis, 3 Bde 1881—83. W a r n k ö n i g u. S t e i n Franz. St.- u. RG., 3 Bde 1846—48. B o r c h g r c v e Hist, des rapports de dr. public entre les prov. Belges et l'emp. d'Allemagne 1870. B r i t z Code de l'anc. dr. belg. 1847. D é f a c q e Ancien dr. de la Belgique, 2 Bde 1846—73. P i r e n n e G. Belgiens, übers, v. A r n h e i m , 4 Bde 1899— 1913. P o u i l l e t Hist, polit, nationale 1882. V a n d e r k i n d e r e Introduction à l'hist. des instit. de la Belgique 1890. W a r n k ö n i g Flandrische St.- u. RG., 3 Bde 1835—42. W a r n k ö n i g et G h e l d o l f Hist, de la Flandre et de ses institutions, 5 Bde 1835—64. c) E n g l i s c h e s u n d n o r m a n n i s c h e s R e c h t . Select Essays in anglo-american legal history, seit 1907. A d a m s , L o d g e , Y o u n g , L a u g h l i n Essais in Anglosaxon Law 1876 (vgl. M a u r e r Kr. V.TSchr. 19, 581). A d a m s The Origin of the English Constitution 1912 (vgl. L i e b e r m a n n Hist. Z. 1913 S. 407). v. A m i r a Anfänge des normann. Rechts, Hist. Z. 39, 241. B a t s o n Borough Customs, 2 Bde 1904—6 (Seiden Society). B i g e l o w Placita Anglo-Normannica 1879; History of precedure in England 1880 (vgl. B r u n n e r ZRG. 15, 202). B i r c h Cartularium Saxonicum, 3 Bde 1885—93 (dazu: Index Saxonicus 1899). B r a c t o n De legibus et eonsuetudinibus Angliae libri quinque, her. v. T r a v e r s T w i s s , 6 Bde 1878ff. ; Note Book, her. v. Maitland, 3 Bde 1887 (vgl. B r u n n e r ZRG. 25, 240). B r u n t i e r G. d. engl. Rechtsquellen im Grundriß 1909; Zur RG. der röm. u. germ. Urkunde 149—208 (1880); Entstehung der Schwurgerichte 1872; Das anglonormannische Erbfolgesystem 1869 (vgl. M a u r e r K r . VJSclir. 12, 306); Zulässigkcit der Anwaltschaft im franz.-norm. u. engl. Recht des MA. (Forsch. 389. ZVglRW. 1); Überblick (oben unter b) S. 324—47. C h a d w i c k Studies on anglosaxon institutions 1905. D e l i s l e s Recueil de jugements de l'Echiquier de Normandie 1864. Essays, Select, in Anglo-American Legal History, 3 Bde 1907ff. G l a s s o n Histoire du droit et des institutions de l'Angleterre, 6 Bde 1882—83. G n e i s t Engl. VG. 1882; Englisches Verwaltungsrecht 2 1867; Selfgovernment, Kommunalverfassung u. Verwaltungsgerichte in England 3 1871. G u é r i n Étude sur la procédure criminelle en Angleterre et en Escosse 1890. H a l l A formula book of English official historical documents, 2 Bde 1908—9 (vgl. L i e b e r m a n n Deutsch. Lit. Z. 1910 Sp. 946. 1911 Sp. 3185). H a t s c h e k Engl. Verf.-G. 1913 (vgl. H e y m a n n ZRG. 47, 657). H a z e l t i n e G. d. engl. Pfandrechts 1907, G i e r k e U. 92 (vgl. H e y m a n n ZRG. 43, 493); Zur Geschichte der Eheschließung nach angels. Recht, Festgabe Hübler S. 249. H e y m a n n Überblick über das engl. Privatrecht, bei H o l t z e n d o r f f - K o h l e r Encykl. 1. 795. H o l d s w o r t h History of English Law, 3 Bde 1903ff. K e m b l e The Saxons in England 2 1876, deutsche Übers, v. B r a n d i s 1853—54; Cod. dipl. aevi Saxonici, 6 Bde 1839—46. L a r s o n The kings houshold in England before the Norman conquest 1904, Bullet, of the University of Wisconsin Nr. 100 (vgl. V i n o g r a d o f f ZRG. 40, 373). L i e b e r m a n n Gesetze der Angelsachsen I. 1903 (Text u. Übersetzung). I I . 1. 1906 (Wörterbuch). II. 2. 1912 (Rechts- und Sachglossar, von ausgezeichneter Gründlichkeit und Vollständigkeit) (vgl. v. A m i r a ZRG. 47, 450). L i e b e r m a n n The national assembly in t h e Anglo-Saxon period 1913 (vgl. B r u n n e r ZRG. 47, 454). M a i t l a n d Select Pleas in memorial and other seignorial courts I 1889 (vgl. B r u n n e r ZRG. 28, 184); Domesdaybook and beyond 1897. M a u r e r Angelsäehs. R.-Verhältnisse, Kr. Übersch. 1, 47. 405. 2, 30. 388. 3, 26. P h i l l i p s Gcsch. d. angelsäehs. Rechts 1825; Engl. Reichs- u. RG., 2 Bde 1827—28. P o l l o c k and M a i t l a n d History of English Law 2 , 2 Bde 1895 (vgl. B r u n n e r ZRG. 30, 125); Publications of the Seiden Society, seit 1888 (vgl. B r u n n e r ZRG. 27, 164). R e e v e s History of the English Law, 5 Bde
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Einleitung.
1814—29, bearb. von F i n l a s o n 1869 (vgl. B r u n n e r Kr. VJSchr. 13, 228). R. S c h m i d Gesetze der Angelsachsen 2 1858; Angelsächs. Recht (im Hermes, K r . J B . der Literatur 31. 32). S e e b o h m Die engl. Dorfgemeinde, deutsch von B u n s e n 1885. S t u b b s Constitutional history of England I 6 1897. I I 4 1896. I I I 5 1896; Select charters of english constitutional history 3 1895. T a r d i f Coutumier de Normandie 1881 (vgl. B r u n n e r ZRG. 16, 226. T h o r p e Diplomatarium Anglicum aevi Saxonici 1865. T u r n e r A Calendar of the Feet of fines relating to the county of Huntingdon 1913 (vgl. L i e b e r m a n n D. Lit.Z. 1913 Nr. 40). V i n o g r a d o f f English Society in the 11. Century 1908 (vgl. v. S c h w e r i n ZRG. 42, 454). W i n k e l m a n n Gesch. d. Angelsachsen 1883. d) S p a n i s c h e s R e c h t . P i c k e r Über nähere Verwandtschaft zwischen got. span. u. norweg.-isl. R., MJÖG. Erg. 2, 455 (vgl. M a u r e r KritVjschr. 31, 190. v. A m i r a Litbl. f. germ. rom. Phil. 1888 S. 1). v. B r a u c h i t s c h G. d. span. R. 1852. H i n o j o s a Hist. general dal .derecho español 1887; Estudios sobre la historia del derecho español 1904; El régimen señorial y la cuestión agraria en Cataluña 1905 (vgl. H ü b n e r ZRG. 42, 373); Das german. Element im span. R., ZRG. 44, 282. M o n t e s a y M a n r i q u e Hist. de la legislación del derecho civil de España, 8 Bde 1861—65. Monumenta hist. Portugaliae I. Leges et consuetudines 1856—68. O l i v e r Hist. del derecho en Cataluña, Mallorca y Valencia, 4 Bde 1876—81. P é r e z P u j o l Hist. de las instituciones de la España goda 1896. S e m p e r e y M o r e n o Hist. del derecho español 1822—47. U r e ñ a de S m e n j a u d Observaciones scerea del desenvolvimento de los estudios de historia del derecho español, Universidad Central, Madrid 1906. Wolf Beitrag zur Rechtssymbolik aus spanischen Quellen, WSB. 51. e) I t a l i e n i s c h e s R e c h t . C a l i s s e Storia del diritto italiano 1891. C i e e a g l i o n e Manuale di storia del dir. ital. 1903. E. M a y e r Ital. VG. von der Gotenzeit bis zur Zunftherrschaft, 2 Bde 1909 (vgl. N i e s e ZRG. 45, 365); Bemerkungen zur frühmittelalterl. VG. 1912 (vgl. N i e s e ebd. 47, 475). N a n i Storia del dir. privato italiano 1902. P e r t i l e Storia del dir. ital. 2 , 7 Bde 1892—1903. S a l v i o l i Manale di storia del dir. ital. 2 1899; Le giurisdizioni speciali nella storia del dir. ital. 1884. S c h u p f e r Manuale di storia del dir. ital. 3 1904; Delle istitutioni polit. longobardiche 1863; Il diritto privato dei popoli germanici con speciale riguardo all'Italia, 4 Bde 1907—1909. S o l m i Stor. del dir. ital. 1908. G a u d e n z i Sulla proprietà in Italia, 1884; So svolgimento parallelo del dir. longob. e del dir. romano a Ravenna 1908 (Accad. di Bologna). D e l G i u d i c e Studi di storia e diritto 1889; Nuovi studi 1913; Diritto penale germanico rispetto all'Italia 1905. K ö h l e r Strafrecht der ital. Statuten v. 12.—16. J h . 1895—97 (Studien aus dem Strafrecht II—V); Beiträge z. german. Privat-RG. 1883—85. W a c h Ital. Arrestprozeß 1868. L a M a n t i a Stor. del legislazione ital. 1884; Stor. del legislazione di Sicilia, 2 Bde 1868—74. v. B e t h m a n n - H o l l w e g Ursprung der lomb. Städtefreiheit 1846. H e g e l G. d. Städteverfassung von Italien, 2 Bde 1847. L a t t e s Diritto consuetudinario della sitta lombarde 1899. D a v i d s o h n G. v. Florenz 1896; Forsch, z. alt. G. von Florenz, 3 Bde 1896—1901. v. B r ü n n e c k Siziliens mittelalterl. Stadtrechte 1881. M e r k e l Juris Siculi sive assisarum regum Siciliae fragmenta 1856. — Archivio giuridico, seit 1868. Studi e documenti di storia e diritto 1880—84. — Quellenwerke: Monumenta historiae patriae, seit 1836; Monumenti di storia patria delle provincie Modenese 1864—78. Monumenti istorici pertinenti alle provincie della Romagna, Seria I. Statuti 1869—77. Monumenta histórica ad provincias Parmensem et Placentinam pertinentia, I. Statuta 1855—60. B o n a i n i Statuti inediti della citta di Pisa, 3 Bde 1854—57. M u r a t o r i Antiquitates Italicae medii aevi, 6 Bde 1738—42; Dissertazioni sopra le antichita italiane, 3 Bde 1751. v. B r ü n n e c k Siziliens mittelalterliche Stadtrechte 1881. M e r k e l Commentatio qua iuris Siculi sive assisarum regum Siciliae fragmenta proponuntur 1856. f) R ö m i s c h e s R e c h t i m M i t t e l a l t e r . S a v i g n y G. d. röm. R. im MA. 2 , 7 Bde 1834—51. M. C o n r a d G. d. Quellen u. Liter, d. röm. R. im früheren MA. I. 1889ff.; ZRG. rom. 47, 13ff. F i t t i n g ZRG. 10, 317. 1 1 , 2 2 2 . 3 2 5 . 4 3 2 . H i t z i g ,
§ 2. Literatur und Hilfsmittel.
11
ebd. rom. 27, 187. v. H a l b a n Das röm. R. i. d. germ. Volksstaaten, 3 Bde 1899—1907 ( G i e r k e U. 56. 64. 89). V i n o g r a d o f f Roman Law in mediaevel Europe 1909. O a i l l e m e r Le dr. civil dans les provinces anglonormandes au 12. siècle (vgl. G a s t o n Me.y N. Rev. de dr. 8, 101). g) K i r c h l i c h e R e c h t s g e s c h i c h t e . ZRG., kanonist. Abteilung, seit 1911. Kirchenrechtl. Abhandlungen, her. v. S t u t z , seit 1902. S t u t z Die kirchl. RG. 1905 (vgl. v. W r e t s c h k o MJÖG. 26, 636); Kirchenrecht (v. H o l t z e n d o r f f - K o h l e r Encykl. V. 1914). E. L o e n i n g G. d. deutsch. KR., 2 Bde 1878. W e n n i n g h o f f G. d. K.-Verf. Deutschlands I. 1905; VG. d. deutsch. Kirche im MA. 2 1913 ( M e i s t e r Grundriß d. GW.), v. B r ü n n e c k Zur G. d. K R . i. d. dcutsch. Kolonisationslanden, 2 Hefte 1902—4. H a u c k KG. Deutschlands F 1904. I I 2 1900. I I I 3 1906. IV 1903. V, 1. 1911 (vgl. S t u t z ZRG. kan. 1, 377). R e t t b e r g KG. Deutschlands, 2 Bde 1867—69. H i n s c h i u s Syst. d. katli. KR., 6 Bde 1869—97. E i c h m a n n Quellensanimlung z. kirchl. RG. I. 1912. III. Hauptquellenwerk. Monum. Germanicae historiea, seit 1826, Hauptabteilungen: Scriptores (fol. u. 4°), Legcs (fol. u. 4°), Diplomata (fol. u. 4°), Auetores antiquissimi (4°), Antiquitatex (4°), Epistolae (4°), Necrologia (4°), Deutsche Chroniken (4°), Indices 1890. Auf Grund der Monumenta erscheinen: Scriptores rorum Germanicarum in usum scholarum, und: Geschiehtschreiber der deutschen Vorzeit. Organ der Monumenta seit 1820 Archiv (seit 1876 Neues Archiv) der Gesellschaft f. ältere deutsche G.-Kunde. Z e u i n c r Quellensammlung z. G. der dcutsch. Reichsverfassung in MA. u. Neuzeit 2 1913 (vgl. S t u t z ZRG. 39, 379. S c h r e u e r 47, 714). A l t m a n n u. B e n t h e i m Ausgewählte L T rkunden z. Erläuterung der VG. Deutschlands im MA. 1904; dsgl. zur deutseh. VG. seit 1806. 2 Bde 1898. B r a n d e n b u r g u. S e e l i g e r Qu.-Sammlung z. deutsch. Geschichte, seit 1911. IV. Hilfswissenschaften. Staats- U.' sozialwisscnsch. Forschungen, her. v. S c h m o l l e r , seit 1893. Vierteljahrsschrift f. Sozial- u. Wirtsch.-Geschichte, seit 1903 (vorher Z. f. Soz.- u. WO., 7 Bde 1893—1900). Archiv f. Kulturgeschichte, seit 1903. Handbuch der Staatswissenschaften 3 , seit 1908. S c h m o l l e r Grundriß der allg. Volkswirtsch.-Lehre, 2 Bde 1901—4; Umrisse u. Untersuchungen z. Verf.Verwalt.- u. Wirtsch.-Geschichte 1898. v. I n a m a - S t e r n e g g Deutsche Wirtsch.Geschichte, 3 Bde 1879—1901, I 2 1909; Wirtschaft ( P a u l s Grundr. d. dcutsch. Phil. 3 2 , 1—50); Quellen d. deutsch. WG., Wien. SB. 1877; Untersuchungen über das Hofsystem im Mittelalter 1872; Ausbildung der großen Grundherrschaften in Deutschland während der Karolingerzeit 1878; Staatsw. Abh. 1903. Dopsch Wirtsch.-Entwicklung der Karolingerzeit, 2 Bde 1912—13 (vgl. P h i l i p p i GGA. 1913 S. 227. H a f f ZRG. 46, 524); Landesfiirstl. Urbare Nieder- u. Oberösterreichs 1904, Einl. pg. 81—227. G o t h e i n Wirtsch.-0. des Schwarzwaldes I. 1892. K ö t z s c h k e Deutsche Wirtsch.-G. bis 17. Jh. 3 , 1914 ("Meister (¡rundriß II, Abt. 1). S i e v e k i n g Grundzüge der neueren WG. 2 1913 (ebd. II, Abt. 2). C a r o Beiträge z. deutsch. WG. u. VG. 1905—1911. M e i t z c n Sicdelung u. Agrarwesen der Westu. Ostgermanen, Kelten, Römer, Finnen und Slawen, 3 Bde mit Atlas, 1895 (vgl. S t u t z GGA. 1897 S. 5I5ff. v. l n a m a - S t e r n e g g J B B . Nat.-Ökon. Statist. 67, 751). L a m p r e c h t Deutsch. Wirtsch.-Leben im MA., 3 Bde. 1885—86 (vgl. S c h r ö d e r ZRG. 24, 242); Beiträge zur G. des franz. Wirtschaftslebens im 11. J h . 1878; Wirtschaftsgeschichtliche Studien in Deutschland (JBB. f. Nationalökon. u. Statist. NF. Bd 6. 9. 11). H a n s s e n Agrarhistor. Abhandlungen, 2 Bde 1880. L u s c h i n v. E b c n g r e u t h Münzkunde u. Geldgeschichte des Mittelalters und der neueren Zeit 1904. H a n a u e r Constitutions des campagnes de l'Alsace au moyen-âge 1864; Les paysans de l'Alsace au moyen-âge 1865; Études économiques sur l'Alsace, 2 Bde 1876—78. Wolff Beiträge zur siebcnbürgiseh-deutschen Agrargeschichte 1885. A s h l e y Englische Wirtsch.-C!., übers, v. O p p e n h e i m , 2 Bde 1896. B r c y s i g Kulturgeschichte der Neuzeit II 2, 1901. E. H. M e y e r Deutsche Volkskunde 1898. M. H e y n e Fünf
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Einleitung.
Bücher deutscher Hausaltertümer, 3 Bde 1899—1903. S t e i n l i a u s e n Geschichte d. deutsch. Kultur 1904. S t e p h a n i Der älteste deutsche Wohnbau I. 1902. A. S c h u l t z Häusl. Leben der europ. Kulturvölker 1903. v. d. G o l t z Gesch. der deutsch. Landwirtschaft I 1902. H o o p s Waldbäume und Kulturpflanzen im gcrrn. Altertum 1905. J . W i m m e r Gesch. des deutsch. Bodens mit seinen Pflanzen- u. Tierlcben 1905. W a t t e n b a c h Deutschlands G.-Quellen bis Mitte des 13. J h . ' . 1904. L o r e n z Deutschlands G.-Quellen seit Mitte des 13. Jh. 3 , 2 Bde 1880—87; Lehrbuch der Genealogie 1898. P o t t h a s t Bibliothcca histórica medii aevi, Wegweiser durch die Gcschichtswerkc d. deutsch. Mittelalters 2 , 2 Bde 1902. B r c s s l a u HB. d. Urkundenlehre f. Deutschi. u. Italien ]'- 1912. E r b e n , S c h m i t z - K a l l e n b e r g u. R e d l i c h Urkundenlehre 2 , 2 Bde 1913 ( M e i s t e r s Grundriß I, Abt. 1. 2). S t e i n a c k e r Privaturkunden 2 1913 ( M e i s t e r s Grundriß I, Abt. 1. 2). T h o m m e n Diplomatik 2 (ebd.). R e d l i c h Die Privaturkunden des MA. 1911. O s t e r l c y Wegweiser durch die Literatur der Urkundcnsaminlungcn, 2 Bde 1885—86. W a t t c n b a c h Schriftwesen des Mittelalters 3 1896. G r o t e f c n d Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 2 Bde 1891—98; Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters u. der Neuzeit 1898. G ö d c k e Grundriß zur G. der deutschen Dichtung 2 , 6 Bde 1884—98. S c h e r e r G. der deutsch. Literatur 6 1891. K ö g e l G. der deutschen Literatur 1894—97. Ö s t e r l c y Historisch-geograph. WB. des deutsch. Mittelalters, 1883. F ö r s t e rn a n n Altdeutsches Namenbuch, I. Personennamen 1856, II. Ortsnamen 2 1872. v. S p r u n c r Handatlas f. d. G. d. MA. u. der neueren Zeit 3 , bearb. von M e n k e 1880. D r o y s e n u. A n d r é e Histor. Atlas 188G. Wolff Histor. Atlas 1877. K n ü l l Histor. Geographie Deutschlands im MA. 1903. K r c t s c h m c r Histor. Geographie v. Mitteleuropa 1904. D u C a n g e Glossarium mediae et infimac Latinitatis, cd H e n s c h e l , 7 Bde 1840—50; neueste Ausgabe von F a v r e , ]() Bde 1882—87. D i e f e n b a c h Glossariuni Latino-Gcrmanicum mediae et infimac aetatis 1857 ; Vergleichendes WB. der gotischen Sprache, 2 Bde 1851. U h l c n b c c k Etymol. WB. der got. Sprache 1896. F a l k u. Alf T o r p Norweg. dänisch, etym. WB. 1911. Ordbog öfver Svenska Spraket 1808ff. (Svenska Akad.). M ö b i u s Altnord. Glossar 1866. S t o r m og H e r t z b e r g Norges garnie Love, V 1895. S c h l y t e r Glossarium ad corpus iuris Sueo-Gotorum antiqui (Corp. iur. Sueo-Got, X I I I 1877). K a l k a r Ordbog til det rcldre danske Sprog, 2 Bde 1885—92. G r a f f Althochd. Sprachschatz, 6 Bde 1834—46. S t e i n m e y e r u. S i e v e r s Die ahd. Glossen, 4 Bde 1879—98. B c n e c k e . M ü l l e r u. Z a r n c k e Mhd. WB., 3 Bde 1854—67. L e x c r Mhd. WB., 3 Bde 1869—78; Mhd. Taschen-WB. 2 1904. S c h i n d l e r Baier. WB., 4 Bde 1827—37, 2. Aufl. her. v. F r o m m a n n , 2 Bde 1872—77. S c h i l l e r u. L ü b b e n Mnd. WB., 6 Bde 1875—81. H a l t a u s Glossarium Germanie, medii aevi 1758. B r i n c k m e i e r Glossarium diplom., 2 Bde 1850—55. G r i m m Deutsch. WB., seit 1854. H e y n e Deutsch. WB., 3 Bde 1890—95. W e i g a n d Deutsch. WB. 3 , her. v. H i r t , seit 1907. K l u g e Etymolog. WB. d. deutsch. Sprache 8 1914. v. R i c h t h o f e n Altfriesisch. WB. 1840. D o o r n k a a t - K o o l m a n WB. d. ostfriesisch. Sprache 1879ff. v a n H e l t e n Zur Lexikographie des Altostfriesischen, Amsterd. Verh. NR. IX. 1907. Altwestfrics. 1896. F r a n k Etymol. woordenbuek der nederlandschc t a a l 2 1912. V e r d a m Mittelnederlandsch Handwoordenboek, 2 Bde. Vcrvvijs en V e r d a m Middelnederlandsch Wordenbeck, seit 1882. S t a l l a e r t Glossarium van verouderde rechtstermen 2 Bde 1890—91. B o s w o r t h Anglo-Saxon an English Dictionary 1849. T o l l e r and B o s w o r t h AngloSaxon Dictionary, seit 1882. R. S c h m i d Gesetze der Angelsachsen 2 , Glossar 1858. L i e b e r m a n n Gesetze der Angelsachsen, Wörterbuch 1906. W r i g h t Anglosaxon and old english vocabularies 2 , by W ü l c k e r , 2 Bde 1884. Bruckner Sprache der Langobarden 1895. D i e z Etymol. WB. d. roman.Sprachen 5 , 2 Bde 1887. D u p i n et L a b o u l a y e Glossaire de l'ancien droit français 1846. R a g u e a u et L a u r i è r e Glossaire du droit françois, neue Ausgabe von F a v r e 1882. R a y -
§ 2. Literatur und Hilfsmittel.
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n o u a r d Lexique Roman, 6 Bde 1838ff. L a C u r n e de S a i n t e - P a l a y e Dictionnaire historique de l'anc. langage françois, 10 Bde 1875—82. G o d e f r o y Dictionnaire de l'ancienne langue française, seit 1881. K ö r t i n g Lateinisch-romanisches \VB. 1890. Die Herstellung eines umfassenden Wörterbuches der älteren deutschen Rechtssprache ist seitens der Berliner Akademie der Wissenschaft in Angriff genommen. Proben: Beiträge zum WB. d. deutsch. Rechtssprache, Festschrift .Schröder, Weimar 1908 (vgl. v. A m i r a ZRG. 42, 379; E. S c h r ö d e r ZDA. 50, Anz. S. 228; G r i e n b c r g e r Indogerm. Forsch. 26, Anz. S. 27). Ferner Proben ZRG. 40, 478 (BSB. 1906 S. 110 ff. ). Die Ausgabe eines ersten Heftes des RWB. nebst Quellenheft steht unmittelbar bevor 1. P a u l Grundriß der germ. Philologie 3 , 3 Bde seit 1911. G r ö b e r Grundriß der roman. Philologie I 2 1904—6. I I 1897—1902. Zeitschr. f. deutsches Altertum (begr. v. H a u p t ) , seit 1841. Germania (begr. v. P f e i f f e r ) , seit 1856. Zeitschr. f. deutsehe Philologie, seit 1869. Zeitschr. f. deutsche Wortforschung her. v. K l u g e , seit 1901. Zeitschr. f. Volkskunde, seit 1891. V a n c s a Das erste Auftreten der deutsch. Sprache in den Urkunden 1895. v a n H e l t e n Zu den nialbergischen Glossen und den salfränkischen Formeln und Lehnwörtern in der Lex Salica ( P a u l u. B r a u n e Beiträge 25, 225—542). W i l m a n n s Deutsche Grammatik' 2 . 3 Bde 1897—1906. Eine hervorragende Bedeutung für die Rechtsgeschichte besitzt die Rechtsarchäologie, die sich teils auf alte Abbildungen, teils auf die Erforschung der im Rechtsleben angewendeten Gebrauchsgegenstände zu stützen hat. Vgl. Die Dresdener Bildcrhandschrift des Sachsenspiegels, her. v. K. v. A m i r a , I 1902 (vgl. S t u t z ZRG. 37, 409ff. P u n t s c h a r t MJÖG. 24. 654ff. v. S c h w e r i n Allg. Zeitung Beilage 1906 Nr. 188. v. A m i r a Grundriß» ]()f.). v. A m i r a Die große Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm, Münch. SB. 1903 S. 213ff.; Die Genealogie der Bilderhandschriften des Sachsenspiegels 1902 (Münch. Abh. 22, 327); Die Handgebärden i. d. Bilderhandschriften des Sachsenspiegels 1905, ebd. 23, 161 (vgl. P u n t s c h a r t MJÖG. 28, 360. S t u t z ZRG. 39, 377); Der Stab in der germ. Rechtssymbolik, ebd. 25, 1 (vgl. S c h r ö d e r ZRG. 43, 436. A. S c l i u l t z e Hist, Z. 105 S. 132. G o l d m a n n D. Lit.-Zeitung 1910 Xr. 41. 42). J e w i t t and H o p e The corporation plate and insignia of office of the eities and towns of England and Wales, 2 Bde 1895. 1 Von den zahlreichen Dialektwörterbüchern oder Idiotiken sind namentlich das schweizerische Idiotikon, das Siebenbürgisch-Sächsische und das Schwäbische WB. ( F i s c h e r ) auch rechtsgeschichtlich von hohem Wert.
Erste Periode.
Die germanische Urzeit. C a e s a r Commentarii de bello Gallico (51 v. Chr.). T a c i t u s Germania (98 n. Chr.); Historiae, Annales, beide unter Trajan (98—117 n. Chr.). MG. Auetores antiquissimi (S. 11). W a i t z VG. I 3 1880. S o h m Frank. Reichs- u. Gerichtsverfassung 1—8. v. S y b e l Entsteh, d. deutsch. Königtums 2 1881. E r h a r d t , GGA. 1882 S. 1217—61; Hist. VJSchr. 1905. H e u s l e r VG. 3—23. L u s c h i n v. E b e n g r e u t h (S. 3) 199—206. M e i s t e r VG. 2 2—25. W. S i c k e l Der deutsche Freistaat 1879; Zur germ. VG. (MJÖG., Erg. 1, 7ff.). D a n i e l s HB. 1, 12—41. 313—50. M a j e r Germaniens Urverfassung 1798. T h u d i c l i u m Der altdeutsche Staat 1862. Z a c h e r Germanien und die Germanen ( E r s c h u. G r u b e r Encykl. 61). v. B e t h m a n n - H o l l w e g Die Germanen vor der Völkerwanderung 1850. C r a m e r VG. der Germanen u. Kelten 1906. D a h n Könige der Germanen I 1861; Deutsche Gesch. I 1883; Urgeschichte der germ. u. roman. Völker I 2 1899 (vgl. S i c k e l , MJÖG. 2, 127ff.); Die Germanen vor der Völkerwanderung (Bausteine 1, 396—431); Die Landnot der Germanen (Festschrift Windscheid 1889); Die) Germanen 1905. A r n o l d Gesch. I 3 1881. G. K a u f m a n n Deutsche Gesch. bis auf Karl den Großen I. 1880. L a m p r e c h t Deutsche Gesch. I 3 1894. U s i n g e r Anfänge der deutschen G. 1875. G e n g i e r Germanische Rechtsdenkmäler 1875. B l a n d i n i La moijarchia germanica prima della invasione 1888. L a n d a u Territorien 1854. D e l b r ü c k G. d. Kriegskunst I I . 1.1902 (vgl. L. S c h m i d t H . VJSchr. 7, 66ff.). L. S c h m i d t Gesch. der Wandalen 1901; Gesch. d. deutsch. Stämme, Qu. u. Forsch, z. alten Gesch. u. Geographie 1904—1910; Allgem. G. der germ. Völker bis 6. J h . 1909. H o o p s Waldbäume und Kulturpflanzen (S. 9). B a u m s t a r k Urdeutsche Staatsaltertümer 1873; Erläuterung der Germania des Tacitus, 2 Bde 1875—81. K e m b l e Sachsen in England (S. 7). M a u r e r Angelsächs. Rechtsverhältnisse (S. 7). V a n d e r k i n d e r e Introduction (S. 7). M e i t z e n Siedelung (S. 9) 1, 33ff. 378ff. M ü l l e n h o f f Deutsche Altertumskunde 5 Bde, 1870—1900 (I 2 her. von R ö d i g e r 1890), besonders wichtig Band I V : Die Germania des Tacitus 1900. M o m m s e n Römische Gesch. V 1885; Verzeichnis der römischen Provinzen um 297, mit Anhang von M ü l l e n h o f f , 1863 (Abh. d. Berl. Ak. 1862). J u n g Die romanischen Landschaften des römischen Reiches 1881.
§ 3.
Die Zustände der Germanen im allgemeinen. 2
B r u n n e r l , 33ff. 81ff. 150ff. W a i t z l 3 , 3—52. Z e u s s Die Deutschen und die Nachbarstämme 1837. M ü l l e n h o f f DA. II. IV. J . G r i m m , G. der deutschen Sprache 3 1868; Deutsche Mythologie 4 her. v. E. H . M e y e r , 2 Bde 1880. E. H. M e y e r Germ. Mythologie 1891; Mythologie der Germanen 1903. G o l t h e r HB. d. germ.
§ 3. Die Zustände der Germanen im allgemeinen
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Mythologie 1895. Mogk Germ. Mythologie, in P a u l s Grundriß 3 2 , 230—400. K. L e h m a n n Grabhügel u. Königshügel in nord. Heidenzeit, ZDPhil. 42, 1. Hoops Reallexik. 1, 17ff. 493ff. (Hoops). 1, 402. 543 (Schlüter). 2, 174—190 (Much). S c h r e u e r Altgerm. Sakralrecht, ZRG. 47, 813ff.; Götter u. Tote als Rechtssubjekte bei den alten Germanen, Essays in Legal History 1913 S. 153. B r e m e r Ethnographie der germ. Stämme, ebd. 32, 735ff. F ö r s t e m a n n , G. des deutschen Sprachstammes, 2 Bde 1874—75. S c h r ä d e r Sprachvergleichung und Urgeschichte2 347— 615. Weinhold Altnordisches Leben 1850. K o s s i n n a Vorgeschichtliche Ausbreitung der Germanen (Z. f. Volkskunde 1896). H o o p s Ackerbau und S c h l ü t e r Deutsch. Siedelungsweaen, bei Hoops 1, 17ff. 402ff. Die Nation der Germanen zerfiel wie die der Kelten in eine große Zahl selbständiger Völkerschaften (civitates). Die germanische Bezeichnung für diese war „Land" oder „Volk" (got. fiuda, ahd. thiot, an. piod, jylki). Sic führten, ohne dauernden Zusammenhang untereinander, jede für sich ein staatliches Leben. Die sprachlichen Verschiedenheiten ergeben die S'Oiiderung der Nation in zwei Gruppen, nach ihren ursprünglichen Wohnsitzen als Ost- und Westgermanen unterschieden 1 . Ostgermanen waren die giotisch-vandalischen Völker östlich der Oderniederung und die Skandinavien- oder Nordgermanen (Dänen, Norweger, Schweden, ursprünglich auch di«e Heruler), Westgermanen die Deutschen, mit Einschluß der Franken undl Friesen, sowie die Langobarden und Angelsachsen 2 . Die Westgermanen gliederten sich nach ihrer Abstammung in die Gruppen der Ingväonen, Istwäonen und Herminonen. Eine rechtliche oder politische Bedeutung besaßen diese Einteilungen nicht mehr, doch bestanden immer noch innerhalb der alten Stämme umfassendere Kultverbände, die eine größere oder geringere Zahl verwandter Völkerschaften in Gebet- und Opferdienst zu gemeinsamer Ehrung des Stammesgottes vereinigten 3 . Der bedeutendste war der Bund der herminonischen Sueben, dessen Mittelpunkt das Heiligtum (aldh) des Ziu-Irniin im Lande der Semnonen bildete. Die letzteren nahmen als Ziuwaren (Verteidiger des Ziu) eine führende Stellung 1 Vgl. S c h e r e r Zur G. d. deutsch. Sprache 97ff. 164. Z i m m e r Ostgermanisch und Westgermanisch, ZDA. 19, 393. Müllenhoff 3, 198. 202. 4, 121. B r e m e r a. a. O. 815ff. B r u n n e r l 2 , 35. 2 Die Burgunden waren Ostgermanen, vgl. Kögel ZDA. 37, 221 ff. Much bei H o o p s 1, 357. F i c k e r (Über nähere Verwandtschaft zwischen gotisch-spanisch, und norweg.-isländ. Recht, MJÖG., Erg. 2, 455ff.; Das langobardisehe und die skandinav. Rechte, ebd. 22, lff.; Untersuchungen zur RG.) zählt die Langobarden, Warnen und Priesen zu den Ostgermanen, doch steht ihr westgermanischer Charakter nach Sprache und Recht sowie nach den Zeugnissen der Geschichtschreiber so fest, daß die Gegengründe Pickers in seinen an sich höchst bedeutenden Untersuchungen daran nicht zu rütteln vermögen. Vgl. M a u r e r Kr. VJSchr. 31, 192. v. Amira GGA., 1892 Nr. 7, Lit.-Bl. f. germ. u. rom. Phil. 1888 Sp. lff. B r u n n e r l 2 , 2. 70. 537. L i e b e r m a n n Ags. Gl. 567. Mit F i c k e r übereinstimmend K j e r Edictus Rotari 1898; Dansk og langobardisk arveret 1901 (vgl. P a p p e n h e i m ZRG. 34, 253ff. 35, 366ff. D a r e s t e N. Rev. 24, 143. Tidsskr. f. Retsvidensk. 13, 339). 3 Tacitus Germania c. 9 über die Donausueben, c. 40 über den Nerthusdienst der Ingväonen, c. 43 über den Kultverband der Lugier (Vandalen), Annal. 1, c. 50 f; über den Tanfanadienst istväoniseher Völker im Lande der Marsen. Vgl. Müllenhoff 4, 460. 485. 526ff.
Die germanische Urzeit.
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ein; T a c i t u s bezeichnet sie als „ c a p u t S u e b o r u n i " , und schließlich b l i e b der ursprünglich einem ganzen Völkerkreise eigene Name an ihnen h a f t e n : die Seninonen sind der K e r n der späteren „ S c h w a b e n " oder Ahlmannen 4 . Außer den Jahresfesten des Gottes, bei denen alle Völkerschaften des B u n d e s durch Gesandte vertreten waren, zeichneten sich die Sueben durch gewisse Eigentümlichkeiten in T r a c h t und Sprache aus. B e i ihnen mögen schon K e i m e der Lautverschiebung, die seit dem G. J a h r h u n d e r t den Ü b e r gang zum Althochdeutschen bezeichnet, vorhanden gewesen sein, wenigstens t r i t t das Althochdeutsche zuerst bei ihnen und den ebenfalls suebischen Baiern und Thüringern, alsbald auch bei den Langobarden hervor 5 ; seine weitere Ausbreitling über einen Teil der F r a n k e n h a t , im Anschluß an die geographische Lage, auf reiner Kulturentwickelung beruht, wie dies noch heute bei dem Fortschreiten des Hochdeutschen in den niederdeutschen Gebieten der F a l l ist. Geschlossene Kreise hoch- oder niederdeutsch redender S t a m m e h a t es nie gegeben, für die Bechtsgeschichte ist diese aus sprachlichen Motiven hergenommene Einteilung daher von keiner Bedeutung 6 . Auf dem F e s t l a n d ursprünglich nur in der norddeutschen Tiefebene zwischen E l b e und Oder seßhaft, h a t t e n die Germanen sich schon vor Augustus ostwärts bis zur Weichsel und über diese hinaus bis an den F r e g e l ausgedehnt, Hier berührten sie sich m i t den Eisten (Aestii), d. h. den von den Slawen als „ P r e u ß e n " zusammengefaßten Preußen, L e t t e n und L i t t a u e r n . Ihre Grenze gegen die Slawen (Venedae, V e n e t i ) war die obere Weichsel. Die Ausdehnung der Germanen nach Süden und W e s t e n erfolgte auf K o s t e n der K e l t e n . Cäsar fand die keltischen B o j e r in Gallien, nachdem sie ihre noch heute nach ihnen benannte frühere H e i m a t ( B o i o h a e m u m , B a i a h a i m ) vor den Markomannen h a t t e n räumen müssen, während die auf beiden Ufern des Niederrheins angesiedelten Menapier sich allmählich
4 Vgl. Germania c. 39. B a u m a n n Forsch, z. DG. 16, 216; Forsch, z. schwäb. G. 1899, S. 500 ff. K o s sin na Die Sueben im Zusammenhang der ältesten deutsch. Völkerbewegungen, Westd. Z. 9, 199ff. 10, 104ff. Müllenhoff 4, 456f. 460. Weller Besiedlung des Alamannenlandes 1898. C r a m e r , G. der Alamannen 1899 (Gierke U. 57); Würt. VJHefte NF. 9, 467. D e v r i e n t Die Sueben und ihre Teilstämme, Hist. VJSehr. 6, lff. Much bei H o o p s 1, 57. 6 Die Langobarden zeigen auf dem Gebiete des Rechts und nach B r u c k n e r (S. 12) auch auf dem der Sprache eine so große Verwandtschaft mit den Sachsen und Angelsachsen, also ingväonischen Völkern, daß ihre Einordnung unter die Herminonen die größten Bedenken hat. Daß sie von Strabo 7, 1, Ptolemaeus 2, c. 11, §§ 9, 15 und Tacitus (Ann. 2, 45) den suebischen Völkern zugezählt werden, erklärt sich aus ihrer Beteiligung an dem Suebenbunde des Marobod, da umgekehrt die lierminonischen Chatten und Cherusker (Plinius 4, 99), die dem Bunde fern geblieben waren, in Gegensatz zu den Sueben gestellt werden. Die maßlese Ausdehnung des Suebenbegriffes bei Tacitus beruht wohl auf der ungehörigen Vermischung politischer und ethnographischer Beziehungen. Den frühzeitigen Übergang der Langobarden zum Hochdeutschen hat der lange Einfluß der suebischen Völker, unter dem sie seit dem Abzug aus der norddeutschen Heimat standen, veranlaßt. Über ihre Beziehungen zu den Nordgermanen Anm. 2. B r u n n e r I 2 538. 0
Vgl. ZRG. 15, 20. B r a u n e Beitr. z. G. d. deutsch. Sprache 1, 2f.
§ 3.
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Die Zustände der Germanen im allgemeinen.
zum Rückzug iibcr den Rhein gedrängt sahen. Um den Beginn unserer Zeitrechnung war das ganze linke Rheinufer von Basel bis zur Nordsee schon von einer geschlossenen Reihe germanischer Völker besetzt, nur im Moselgebiet von keltischen Trevirern unterbrochen. Keltischer H e r k u n f t ist wahrscheinlich auch der unserm Volke zuerst von den Galliern u n d Römern beigelegte G e s a m t n a m e Germanen1. E t w a seit 90 n. Chr. wurden die linksrheinischen Gebiete, die bereits seit Augustus einen zu Belgien gehörigen Heeresbezirk „ G e r m a n i a " bildeten, mit den beiden belgischen Provinzen zu den Provinzen Ober- u n d Niedergermanien (Germania I. und II.) zusammengefaßt. Den Römern waren die Einwohner heerfolge-, zum Teil auch tributpflichtig, im übrigen behielten sie größtenteils ihre Verfassung u n d ihre sonstigen nationalen Einrichtungen. Die Grenze der unabhängigen Germanen gegen das römische Reich bildeten im allgemeinen der Rhein u n d die Donau, nur die Provinzen Obergermanien und Rätien gingen darüber hinaus. Der von Domitian bis auf Antoninus Pius schritto O
weise weiter vorgeschobene Limes, der sich zu einem dauernden Grenzschutz gegen die Germanen ausgestaltete, erstreckte sich schließlich in mannigfachen Biegungen v o m Rhein bei Rheinbrohl bis zur Mündung der Altmühl in die Donau 8 . Schon bei ihrem E i n t r i t t in die Geschichte standen die Germanen erheblich über dem rohen Zustande bloßer J a g d - u n d Fischervölker. Ihre vornehmste H a b e bestand in Viehherden, aber sie trieben auch regelmäßigen Ackerbau, der freilich noch durchaus extensiv war u n d sich auf die F r ü h jahrsbestellung beschränkte. Die J a h r e berechneten sie nach Wintern, die Tage n a c h Nächten 9 . Städtisches Leben u n d Gewerbe k a n n t e n sie nicht. Ihr H a n d e l war reiner Tauschhandel, nur im Grenzverkehr mit den Römern bedienten sie sich des Geldes, zumal römischer Silberdenare. I m inneren Germanien wurden vorzugsweise goldene Ringe u n d Spiralen oder Bauge (ahd. ponc, an. baugr), deren W e r t m a n nach einem wohl ge7
Vgl. M ü l I e n h o f f 2 , 189ff. 4, 129ff. W a i t z 1, 125ff. B r e m e r 739f. H i r s c h f e l d Der N a m e Germani bei Tacitus (Kiepert-Festschr. 1898). Für germanische Ableitung M u c h bei H o o p s 2, 182f. Den Germanennamen führten anfangs nur gewisse belgische Völkerschaften, von denen es streitig ist, inwieweit sie keltischer oder germanischer Abstammung gewesen sind. Über den Namen Deutsche vgl. § 38 n. 2. 8 Vgl. S a r w e y , H e t t n e r u. F a b r i c i u s Der obergermanisch-rhätische Limes des Römerreiches, seit 1894, und das Limesblatt (seit 1893). G r a d m a n n Der obergermanisch-rhätische Limes, P e t e r m a n n s Mitteilungen 45, 57ff. Fabricius Besitznahme Badens durch die Römer, Bad. Neujahrsbl. 1905. 9 Ebenso die Gallier (Bell. Gall. 6, 18). Die Worte sie constituunt, sie condicunt (Germ. c. 11) besagen, daß sowohl Vertrags- wie Gerichtsfristen nach Nächten angesetzt wurden ( Z a n g e m e i s t e r ) . Vgl. M ü l l e n h o f f 4, 235f. 641 f. Lieberm a n n Ags. Gloss. 595. D a der neue Zeitabschnitt schon mit Sonnenuntergang begann, berechnete sich eine Woche von sieben Nächten (engl, sennight) zu acht Tagen, woran noch der heutige Sprachgebrauch und frz. huitaine festhält; zwei Wochen von vierzehn Nächten (engl, fortnight) waren gleich 15 Tagen (frz. quinzaine, quinze jours), und die Gerichtsfrist von sechs Wochen (dreimal vierzehn Nächte) gleich sechs Wochen und drei Tagen. II. S c h r ö d e r , Deutsche Iteclitsgeschichtc.
C. Aufl.
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legentlich des Bcrnsteinhandels vom Schwarzen Moor eingewanderten Pfunde von etwa 350 g berechnete 1 0 , bei den Nordgermanen und Friesen aber Tuchstücke ( v a d m ä l ) zu Zahlungen verwendet. Eigentlicher Wertmesser war das Vieh, so daß faihu geradezu Geld oder Lohn bedeutete. Den Gebrauch gewisser Schriftzeichen 1 1 hatten die Germanen wahrscheinlich aus der indogermanischen Urzeit mitgebracht. Sie verwendeten diese Zeichen ausschließlich zu religiösen Zwecken und zum Losen, wobei diese unter dem Raunen heiliger Worte (daher got. ahd. rüna, an. ags. rün) in Holztäfeichen eingeritzt (daher as. ags. mitan, an. rita, engl, mite) und sodann aufgelesen (daher ahd. lesan) wurden. Das regelmäßige Verlosen der Äcker mag dazu geführt haben, daß jeder Hausherr ein eigenes Zeichen als Hausmarke (Handgemal) erhielt, das ihm auch zur Bezeichnung seiner Habe, später vielfach auch zu anderen Verwendungen, insbesondere bei Unterschriften diente 1 2 . Die frühesten, seit dein zweiten Jahrhundert vorkommenden, in zusammenhängender Schrift verwendeten Schreiberunen sind wohl von den Römern übernommen 1 3 . Das Wort „ R e c h t " (got. raihts, an. retlr) bedeutete ursprünglich das gerade gemachte („gerichtete"), also das subjektive Recht, erst erheblich später, davon abgeleitet, die „Richtung", das objektive Recht, die E e c h t s norm 1 4 . Die geläufigste Bezeichnung für die letztere war bei den. Nordgermanen lagh und lcegw, bei den Westgermanen „ E h e " (ahd. ewa, as. eo, 1 0 Daher wohl die Bezeichnung saiga (d. i. Wage) für einen gewissen Münzwert und gewisse Münzstücke. Vgl. E. S c h r ö d e r , Z. f. Numismatik 24, 339ff. 1 1 Vgl. W i m m e r Runenschrift, übers, v. H o l t h a u s e n 1887. S i e v e r s Runen, in P a u l s Grundriß l 2 , 248ff. W. Grimm Altdeutsche Runen 1821. v. L i l i e n c r o n u. Müllenhoff Zur Runenlehre 1852. Müllenhoff 4, 226f. 585f. Die gemeingermanische Bezeichnung für diese Schreibtafeln war b6k, daher „Buchstabe". Ob Zusammenhang mit „Buche", ist bestritten. Dafür Kluge u. d. Wort, sowie Grimm DWB. 2, 466f. 470. Dagegen S i e v e r s a. a. O. Hoops 1, 349f. 1 2 Derartige Marken haben sich zum Teil bis heute im Gebrauch erhalten. Vgl. H o m e y e r Haus- und Hofmarken 1870, und Berl. SB. 1872, S. 611—23; Über das germanische Losen (ebd. 1853 S. 747—774); Die Losstäbchen, Symbolae Bethmanno-Hollwegio oblatae 1868. Held Hans. GBl. 1911 S. 481. H ü b b e , Z. f. hamb. G. IV. S t i e d a Hans.-venet. Handelsbeziehungen, 1891 S. 66ff. S t e b l e r Ob den Heidenreben 1901 (vgl. His ZRG. 37, 403ff.). v. K o s t a n e c k y , Der wirtsch. Wert vom Standpunkt der geschichtl. Forschung 1900, bezeichnet die mit der Marke versehenen Stäbchen als „Kerbhölzer", legt ihnen aber eine zu weit gehende Bedeutung bei. 1 3 „Schreiben" (ahd. scriban) ist Lehnwort von scribere. 14 Entsprechend mlat. directum, drictum (ital. diritto, frz. droit). Uber die verschiedenen Bezeichnungen für „Recht" vgl. B r u n n e r l 2 , 150f. v. A m i r a 3 10f.; Nordg. Obl.R. 1, ööff. D i e f f e n b a c h Got. WB. 2, 161f. Grimm DWB. 2, 13. 26. 28. 3, 39. 8, 364ff. L i e b e r m a n n Ags. Gl. 624; WB. 129. Sehr beliebt war die Formel „Recht und Rede", „recht und redlich", wobei Rede = ratio. Vgl. F r e n s d o r f Hist. Aufsätze f. Waitz 1886 S. 433ff. 16 Auch bei Angelsachsen, Friesen und Franken bezeugt. Vgl. L i e b e r m a n n Gl. 467. F r e n s d o r f f Hans. G.-Bl. 8, 47. 65. Bei den belagines der Goten (Jordanis Getica c. 11) ist vielleicht an dieselbe Wurzel zu denken.
§ 4. Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.
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eu, ags. ä, ce, cew, afrs. ä, e), d. h. Billigkeit (lat. aequum) 16 . Geschriebenes Recht gab es nicht, alles Recht war Gewohnheitsrecht 17 , das teils in Urteilssprüchen von Fall zu Fall, teils in abstrakten Urteilen oder Weistümern und in Rechtssprichwörtern zum Ausdruck kam 18 . § 4.
Die s t a a t l i c h e Gliederung d e r V ö l k e r s c h a f t e n .
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Waitz l , 201—35. B r u n n e r l 2 , 156ff. v. A m i r a 3 114ff.; t . Sybei 35—81. Gierke Genossensch. 1, 39—45. T h u d i c h u m Gau- u.Markverfassung 1—36. Sickel Freistaat 86ff.; MJÖG. 1881 S. 133; ebd. Erg. 1, 18ff. L a n d a u Territorien 186ff. v. Below Der deutsche Staat des MA. 1, 135. Müllenhoff 4, 176ff. 280ff. Gem e i n e r Verfassung der Zentenen 1855. E r h a r d t Älteste germanische Staatenbildung 1879. D a h n Könige 1, 5—16. 40f. B a u m s t a r k Staatsaltertümer 330—54. Arnold Deutsche Urzeit 315—29. L a m p r e c h t Deutsche G. 1, 101 f. 122ff. v. B e t h m a n n Hollweg Zivilprozeß 1, 75ff. 82f. Münch Nordisch-germ. Völker 126ff. D e l b r ü c k Preuß. JBB. 81, 471; G. d. Kriegskunst II, 1 S. 25ff. (vgl. L. S c h m i d t Hist. VJSchr. 7, 66. E r b e n GGA. 165 S. 924). H i l d e b r a n d Recht und Sitte I. 1896. R a c h f a h l JBB. Nat.Ök. 74, 197. J. Grimm Grenzaltertümer, KI. Sehr. 2, 30 (BSB. 1843 S. 109ff.). S c h l ü t e r a. a. O. (S. 15). K. M a u r e r Kr. Übersch. 1, 73; Altn. RG. I. 1, 37ff. 2, 6ff. Sven T u n b e r g (S. 6), dazu E. Mayer Hist. VJSchr. 1913 I S. 54 und R i e t s c h e l ZRG. 45, 511. R i e t s c h e l Unters, z. G. d. germ. Hundertschaft, ZRG. 41, 342 (hier zitiert nach dem Sonderabdruck, 1907); Zur Hundertschaftsfrage, ebd. 43, 193; Die germ. Tausendschaft, ebd. 40, 234. v. Schwerin Die altgerm. Hundertschaft 1907 (Gierke U. 90); Zur Hundertschaftsfrage, ZRG. 42, 261; GGA. 1909 S. 782ff. Vollständige Literaturangaben bei den beiden Letztgenannten. Bei dauernd angesiedelten Völkern pflegt der Boden, den sie bewohnen, die Grundlage ihrer staatlichen und rechtlichen Entwicklung abzugeben; ihre Verfassung erscheint als Landesverfassung, ihr Recht als Landrecht. So weit war die Seßhaftigkeit der Germanen noch nicht gediehen. Der einzelne hatte im allgemeinen noch kein Privateigentum an Grund und Boden, und selbst das Volk betrachtete sich nicht als dauernd mit diesem verbunden, ihm war das Land nur der Schauplatz, auf dem seine rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen den notwendigen Raum fanden, aber sein Recht war Volksrecht, und die staatliche Gliederung schloß sich durchaus an die des Volkes an. Da aber „Volk" und „Heer" gleichbedeutende Begriffe waren, so mußte die staatliche Gliederung der des Heeres entsprechen 1 . 16
Vgl. K l u g e u. d. W. Andere Bezeichnungen got. vitdp (ahd. wizzöd, as. vntod), nach Amira „das zu Beobachtende"; ferner das aus „billig" (mnd. bildelik), „Unbilde" und „Weichbild" zu erschließende ahd. *bilida. Vgl. Schmeller Bayer. WB. 2 1, 230f. K l u g e , s. v. Weichbild, v. A m i r a 3 lOf. W e n g e r Wörter u. Sachen, Kulturhist. Z. 1909 S. 85f. 17 Tacitus Germ. c. 19: plusque ibi boni mores valent quam, alibi bonae leges. 18 Vgl. H i l l e b r a n d Rechtssprichwörter 1856. Graf u. D i e t h e r r Rechtssprichwörter 1864. Schröder ZRG. 5, 28ff. C h a i s e m a r t i n Proverbes et maximes du droit germanique 1891. 1 Althochdeutsche Glossen übersetzen „cuneus" mit folch oder herigenözscaf, kleinere Truppenteile (cunei, turbae minores) mit drupo, thrupo (vgl. Anm. 20). Ahd. Gl. 1, 74f. 2, 439. 758. Graff 5, 252. Urkundlich: in exercilu Baiouuariorum, 2*
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Ein altes, höchstwahrscheinlich auf westgotischer Uberlieferung beruhendes Lied von der Hunnenschlacht von 451, das zum Teil in der ursprünglichen poetischen Gestalt Aufnahme in eine isländische Saga gefunden hat, gibt die Stärke des Hunnenheeres zu sechs Heerhaufen (fylki) an, jedes fylki zu fünf T a u s e n d s c h a f t e n , jede Tausendschaft zu dreizehn Hundertschaften2. Da der Hunnenkönig, dem die Goten selbst einen germanischen Namen (Attila = Väterchen) beigelegt hatten, in der Heldendichtung durchaus die Rolle eines germanischen Heerkönigs (nach Art des Ariovist) spielte, so ist es selbstverständlich, daß dem Dichter bei der Schilderung seines Heeres, das zudem großenteils aus Germanen bestand, nicht etwa eine hunnisch-mongolische, sondern die germanische Heeresordnung vorgeschwebt hat. Die w e s t g o t i s c h e Gesetzgebung kannte einen Tausendschaftsführer, der neben der lateinischen Bezeichnung millenanus den einheimischen Titel piufaps führte und ursprünglich außer seinem militärischen Amt auch eine gewisse richterliche Stellung gegenüber seiner Mannschaft (thiufadia, thiufada, thiufa) bekleidete 3 . Der ihm untergeordnete in exercitu Asterliudi, in orientali exercitu für „in Baiern", „in Ostfalen"; ritus Ostersahson herescaph für Gebrauch „ des ostfälischen Volkes". Vgl. Freis. Trad. 1, 557. ZRG. 18, 33. Waitz 1, 213. v. A m i r a 3 126. Der freie Volksgenosse hieß hariman, arimannus, exercitalis. Vgl. Waitz 1, 213. Grimm RA. 291 ff. v. S a v i g n y G. d. röm. R. 2 1, 192—214. Ahd. Gl. 1, 80. Mommsen u. K o s s i n n a ZDA. 35, 172ff. 264. Du Cange Glossar, s. v. harimanni. 2 Hervarar Saga ed. Bugge, Norröne Skrifter S. 286f. (auch Heusler u. R a n i s c h Eddica minora S. 11): Sex ein eru seggia fylki, i fylki hveriu fimmpusvndir, i pusund hverri prettdn hundruit, i hundraiti hveriu halir fiörtalitir (d. i. „Sechs nur sind der Männer Heerhaufen, in jedem Heerhaufen fünf Tausende, in jedem Tausend dreizehn Hunderte, in jedem Hundert die Krieger vierfach gezählt"). Der Schlußsatz, der offenbar sagen will, daß jeder der Krieger Viermännerstärke besitze, ist in der prosaischen Verarbeitung mißverständlich daliin erweitert: „In jedem Hundert viermal vierzig, und dieser Völker waren dreiunddreißig" (Bugge S. 276). Nur diese Entstellung erklärt es, daß unser Lied bei den Rechtshistorikern lislier nicht die gebührende Berücksichtigung gefunden hat. Vgl. S i c k e l MJÖG. Eig. 1, 19. R i e t s c h e l Tausendschaft 240f. v. Schwerin Hundertschaft 28f. Heusler u. G e n z m e r Edda 1, 30 (Thüle P . 1914). Heinzel WSB. 1887 S. 455ff. Neckel Beitr. z. Eddaforschung (1908) S. 256 ff. 3 Cod. Euric. 322: Si . . . filii porlionem ipsam malrem evertere . .. prospeterint, ad millenarium vel ad comitem civitatis aut iudicem referre non differant. L. Wis. I I , 1 c. 14: Cum ceteris negotiis criminalium etiam causarum thiuphadis iudicandi ancessa licentia. I X , 2 c. 4: si aliquis, qui in thiufa sua fuerat numeratus, sine permusione thiufadi sui vel quingentenarii aut centenarii vel decani sui de hoste ad domum refugierit. c. 3: si centenarius sine cemscientia .. . prepositi hostis aut thiufadi sui de centena sua . .. quemquam ad domum, suarn redire permiserit. Vgl. Zeumer N. Arch. 26, 120; Leges Visig. 23 n. 1. 63 n. 2. Müllenhoff ZDA. 10, 552. H e l f f i r i c h Westgotenrecht 155ff. v. B e t h m a n n - H o l l w e g a . a . O . 1, 191 ff. D a h n Könige 2, 267f. 6, 30. 210ff. 337. 344f. R i e t s c h e l Tausendschaft 241 f. L. Schmidt Westd. Z. 20, 1 ff. Der Titel piufaps ist nach einer freundlichen Mitteilung neines Kollegen B a r t h o l o m a e von got. pius (s. § 9) abzuleiten und mit „Heir der Knechte" zu erklären, was bei der ganz ähnlichen Verwendung der Titel „Senesdialk" und „Marschalk" (s. § 20) nicht verwunderlich erscheinen kann. Die Ableiturg von piuda ist sprachlich unmöglich, und ebenso unbefriedigend ist die von J . Glimm, G. d. deutsch. Sprache3 177, versuchte Erklärung.
Vgl. auch RA. 4 2, 363f.
§ 4. Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.
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centenarius, Führer einer centena, beweist, daß das Westgotenheer in der T a t nach Tausendschaften und Hundertschaften gegliedert war. Dasselbe ist von O s t g o t e n und V a n d a l e n zu vermuten, wenn auch die Nachrichten über diese weniger entscheidend sind 4 . Jedenfalls ist es bei der außerordentlichen Strenge, mit der gerade bei den gotischen Völkern das durch und durch germanisch gestaltete Heerwesen von der mehr oder weniger römisch gebliebenen Zivilverwaltung getrennt gehalten wurde, durchaus unzulässig, wenn man bei ihnen, um die germanische Tausendschaft los zu werden, eine Rezeption römischer Heereseinrichtungen angenommen hat 5 . Für die Heercsverfassung der W e s t g e r m a n e n fallen besonders die Angaben Cäsar« über die hundert Gaue des Suebenbundes ins Gewicht, wonach jeder Gau jeweils tausend Mann ins Feld gestellt habe, während die übrige Mannschaft zu friedlicher Arbeit daheim blieb, um später die zuerst Ausgerückten abzulösen 6 . Die Nachricht von der regelmäßigen Ablösung mag irrig sein, im übrigen ist es nicht erlaubt, einen Cäsar als einen Schriftsteller zu behandeln, der sich kritiklos alles mögliche habe aufbinden lassen 7 . Nach Cäsar und Tacitus steht fest, daß, wie die gallische, so auch jede größere germanische civitas (Völkerschaft) in eine größere oder geringere Zahl von pagi zerfiel, deren jeder seinen eigenen, von der Landesgemeinde (coneilium) erwählten Fürsten (prineeps) hatte und sich bis zu einem gewissen Grade eines eigenen staatlichen Lebens erfreute 8 , ohne daß man darum berechtigt wäre, den Völkerschaften nur einen bundesstaatlichen 4 Vgl. B r u n n e r l 2 , 181 f. W a i t z 1, 231. S i c k c l Freistaat 93. D a h n Könige 3, 62. 77ff. 80. 180f. 4, 173ff. Für römischen Ursprung (im Anschluß an M o m m s c n ) R i e t s c h e l Tausendschaft 243ff. 5 So, auch hier im Anschluß an M o m m s e n , R i e t s c h e l Tausendschaft 243f., S c h w e r i n Hundertschaft 158. Ebenso hinsichtlich der Westgoten L. S c h m i d t , Westd. Z. 20, 4, während er für die übrigen Germanen die Tausendschaften zugibt. Aber gerade bei den Westgoten spricht der Umstand, daß Ulfilas das -/dinqxos seiner Vorlage in wörtlicher Übersetzung mit pusundAfaps wiedergab und das heimische fiufafs vermied, entschieden dafür, daß letzteres ihm etwas anderes bedeutete. 6 Bell. Gall. 4 c. 1: Hic enturn pagos habere dicuntur, ex quibus quotannis singula millia armatorum bellandi causa ex finibus edueunt, reliqui, qui domi manserunt, se atque illos ahmt, hi rursus in vicem anno post in armis sunt, illi domi remanent. Vgl. M ü l l e n h o f f DA. 4, 178. Vielleicht kann auch auf eine, freilich erst dem 9. Jahrhundert angehörige Erzählung von den nach Hundertschaften geordneten Tausenden des schwäbischen Heeres Bezug genommen werden: Alba Suevorum veniunt Irans flumina Rheni millia centenis accumulata viris. Vgl. W a i t z 1, 217. 231. R i e t s c h e l a. a. 0 . 339f. läßt diese Nachricht nur für die Hundertschaft, nicht aber für die Tausendschaft gelten. 7 So R i e t s c h e l a. a. O. 251f. 8 Vgl. B r u n n e r l 2 , 158. v. H o f f m a n n (S. 26) 11 ff. Daß die germanischen Gaue ebensogut wie die gallischen berechtigt waren, auf eigene Hand Kriege zu führen, läßt sich gegenüber dem Fehderecht der Sippschaften nicht bezweifeln. Hatte aber die Völkerschaft einen Krieg beschlossen, so kann den einzelnen Gauen
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Die germanische Urzeit.
Charakter beizulegen. Das dem lat. pagus entsprechende deutsche Wort war „Gau" (got. gawi, as. afrs. go, gä, ahd. gern, gouwi), das aber ohne streng technische Bedeutung für Landbezirke verschiedenster Art und Größe gebraucht werden konnte9. In der Heeresgliederung nahm die Gaumannschaft dieselbe Stellung ein, wie die Tausendschaft, die, der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „Tausend" entsprechend, offenbar kein zahlenmäßig bestimmter Begriff war, sondern als Rundzahl nur die Bedeutung einer Vielhundertschaft hatte10. Man hörte auf, von Tausendschaften zu reden, nachdem durch die dauernde Ansiedlung des Volkes der gentilizische Charakter des Truppenkörpers in den Hintergrund und die Gaumannschaft in die Stelle der Tausendschaft getreten war, während sich bei den Goten, die infolge der Landteilung mit den Provinzialen keine nationalen Gaue haben konnten, für die größeren, nun auch zahlenmäßig festgelegten Truppenkörper die alte Bezeichnung erhielt. Auch die H u n d e r t s c h a f t e n sind wohl keine abgezählten Formationen von 100 oder 120 Kriegern gewesen, vielmehr bezeichnete das hier ebenfalls als Rundzahl gebrauchte Wort „Hundert" von vornherein, gegenüber der Tausendschaft, die auch als „Trupp" erscheinende weitere Unternicht das Recht der Neutralität zugestanden haben, wie D a h n und B r u n n e r annehmen, vielmehr hatten sie ihre gesamte Gaumannschaft und eine aus Reitern und Fußtruppen gemischte auserwählte Truppe (die „Hundert") zu stellen. Verweigerten sie es, so war dies ein revolutionärer Akt, der unter Umständen zu einer völligen Loslösung des widerstrebenden Gaues und seiner Ausgestaltung zu einer eigenen Völkerschaft führen konnte. So hatten die Bataver, Chattorum quondam populus et seditione domestica in suas sedes transgressus, sich von den Chatten losgerissen und als selbständige Völkerschaft am Niederrhein niedergelassen. Tacitus Germ. 29; Hist. 4, 12. Dasselbe darf vielleicht von den Canninefaten angenommen werden 4, 15. Und wie der ganze Gau gegenüber der Völkerschaft heerfolgepflichtig war, so waren auch alle dem Gau angehörigen Fürsten mit ihren Gefolgschaften zur Teilnahme verpflichtet, wenn sie nicht als Landesfeinde behandelt werden wollten, wie Segest und Inguiomer, die Oheime Armins. Vgl. Tacitus Ann. 1, 55. 57. 80. 2, 45. v. S c h w e r i n Hundertschaft 81 f. Ebendarum konnten die Fürsten Beutezüge ins Ausland nur unternehmen, wenn die Landesgemeinde davon wußte. Bell. Gall. 6, 23. 9 Vgl. L o n g n o n Géographie de la Gaule (1878) 24ff. H i r s c h f e l d Gall. Studien, Wiener SB. 103, 303ff. M o m m s e n im Hermes 16, 449f. 454ff. 486f. 19, 316ff. B r a u m a n n Die Principes der Gallier und Germanen (s. S. 32). Eine gewisse Unsicherheit des Ausdrucks zeigt sich noch bei Casars principes regionum atque pagorum (Bell. Gall. 6, 23), ähnlich wie bei den magistratus ac principes (6, 22). Über das Sprachliche vgl. G r i m m DWB. 4, 1 Sp. 1518f. K l u g e u. d. W. W a i t z 1, 206. T h u d i c h u m 3ff. v. A m i r a 3 114. Andere Bezeichnungen, aber nur durch zusammengesetzte Ortsnamen bezeugt, waren bant, ahd. panz, aib, ahd. eiba, und para, bar. Vgl. W a i t z 1, 207f. B r u n n e r 2, 145. G r i m m RA. 496; G. d. deutsch. Spr. 3 412. 477. M ü l l e n h o f f ZDA. 9, 243. D i e f f e n b a o h Got. WB. 1, 299. F ö r s t e m a n n Namenbuch 2 , 204f. 10 Vgl. G r i m m DWB. 11, 215ff. 4b, 1925. K l u g e u. d. W. H e u s l e r a. a. O. (Thüle 1, 30 n.). Dieser Auffassung entsprechen die je 13 Hundertschaften starken Tausendschaften in dem Liede von der Hunncnschlacht, dagegen ist die Berechnung der Hundertschaften zu je 160 Mann erst durch die prosaische Überarbeitung eingefügt worden.
§ 4. Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.
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a b t e i l u n g des Heeres, die, wie das Wort „ H e e r " selbst, einen bald größeren bald geringeren H a u f e n v o n Kriegern u m f a ß t e 1 1 . S p ä t e r als die T a u s e n d sehaft ist a u c h die H u n d e r t s c h a f t zu einer g e o g r a p h i s c h e n B e d e u t u n g g e l a n g t , teils als Geriehtsbezirk (so die fränkische Zent, cenlena, das alam a n n i s c h e hunlari), teils als Ansiedlungs- oder Steuerbezirk m i t einer bes t i m m t e n H u f e n z a h l 1 2 . T a c i t u s k a n n t e die H u n d e r t s c h a f t nur als persönlichen G e r i c h t s v e r b a n d , der w o h l eine feste D i n g s t ä t t e besaß, aber n o c h keinen g e o g r a p h i s c h f e s t g e l e g t e n Bezirk e i n n a h m 1 3 . Als U n t e r a b t e i l u n g der ( ¡ a u t n i p p e n e n n t er die H u n d e r t s c h a f t n i c h t , da aber das Heer sich nach Geschlechtern u n d M a g s e h a f t e n gliederte 1 4 , so m u ß die g e r m a n i s c h e H u n d e r t s c h a f t an die G e s c h l e c h t s verbände a n g e k n ü p f t h a b e n 1 5 . Während 11 Gegenüber der in den bisherigen Auflagen in Übereinstimmung mit B r u n n c r zum Ausgang genommenen Zahlentheorie ist die Mengen- oder Haufentheorie als ein entschiedener F o r t s c h r i t t zu begrüßen, zumal erst durch sie auch das Verständnis für die Tausendschaft aufgeschlossen wird. Vgl. G i e r k e Genossensch. 1, 41, v. A m i r a 3 114 und neuerdings besonders v. S c h w e r i n H u n d e r t s c h a f t 55ff.; Hundertschaftsfrage 262ff.; Z R G . 45, 543, Redaktionsanmerkung; GGA. 1909 S. 785. Derselben Auffassung h a t sich T u n b o r g angeschlossen (vgl. ZRG. 45, 543 f.), während R i e t s c h e l Hundertschaftsfrage 107ff. und E. M a y e r Hist. V J Kehr. 1913 I S. 54ff. sie bekämpfen. 12 Ein Geriehtsbezirk war auch das nordgermanische hutulari oder hera/i (Aura. 15), dagegen bezeichnete das ags. hundreit einen erst im 10. .Jahrhundert eingeführten Steuerbezirk von 100 Hufen. R i e t s c h e l , der diese Verhältnisse eingehend untersucht und auch bei einem Teil der Nordgermanen wahrscheinlich gem a c h t h a t , hält diese Ansiedlungsform für urgermanisch und findet darin, zum Teil im Anschluß an G r i m m RA. 533f., die ursprüngliche Bedeutung der Hundertschaft. Dagegen namentlich L i e b e r m a n n Ags. Gl. 516, v. S c h w e r i n Hundertschaftsfrage 264—303, v. A m i r a 3 114, B r u n n e r l 2 , 160. Als eine ähnliche Neuerung, wie die bei den Angelsachsen, d ü r f t e es anzusehen sein, wenn K a r l d. Gr. die Pfarrsprengel f ü r die neubekehrten Sachsen auf 120 H a u s v ä t e r festsetzte, oder wenn 1106 den niederländischen Kolonisten im Bremischen eine von je 100 H u f e n zu leistende Abgabe an den Erzbischof auferlegt wurde. Vgl. S c h r ö d e r Hist. Z. 65, 305. 13 E r s t durch B r u n n e r (1, 116f. I 2 , 159. 163) festgestellt, dem auch S t u t z (Z. Schweiz. R. N F . 14, 178ff.), V a n d e r k i n d e r e (Introduction 99) und, wenigstens für die vortaciteische Zeit, v. A m i r a 3 114 zustimmen. I n Übereinstimmung mit D e l b r ü c k sucht v. S c h w e r i n wieder die I d e n t i t ä t der H u n d e r t s c h a f t mit dem pagus nachzuweisen (vgl. auch G i e r k e Gen. 1, 40. v. B e l o w Der deutsche S t a a t 7, 135. R i e t s c h e l H u n d e r t s c h a f t 200), was mit der Größe und dem ganzen politischen und militärischen Charakter des pagus unvereinbar ist. Auch kann, wie B r u n n e r m i t R e c h t hervorhebt, ein Bezirk, der neben zahlreichen F u ß t r u p p e n noch die auserlesenen „ H u n d e r t " (Anm. 8) ins Feld zu stellen h a t t e , unmöglich selbst wieder als H u n d e r t s c h a f t bezeichnet worden sein. D a h ä t t e ja dasselbe W o r t einmal eine ungezählte Menge und daneben gleichzeitig einen Zahlbegriff (quod primo numerus fuit, iam nomen et lionor est) zu bezeichnen g e h a b t ! Ebenso unzulässig ist es freilich, m i t B e t h g e (Festgabe W e i n h o l d 1896 S. l f f . ) eben diese „ H u n d e r t " mit der H u n d e r t s c h a f t zusammenzuwerfen. 14 Germ. c. 7: nec casus nec forluila conglobatio turmam aut cuneum facit, sed familiae. et propinquitates. Vgl. W a i t z 1, 80ff. M ü l l e n h o f f DA. 4, 201 f. B r u n n e r l 2 , 118f. v. A m i r a 3 171. v. S y b e l 4 2 f . v. S c h w e r i n H u n d e r t s c h a f t 17—28. 15 Den Zusammenhang der H u n d e r t s c h a f t mit den Geschlechtern betont auch D e l b r ü c k (Der urgerman. S t a a t , Preuß. J B B . 81, 471ff.), der sie dann aber wieder
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größere Verbände dieser Art schon für sich allein einen so großen Kriegerhaufen zu stellen vermochten, daß m a n sie als Hundertschaft gelten ließ, mußten kleinere Sippen mit andern zusammengetan werden, u m einen genügend großen Haufen auszumachen. Daraus ergab sich aber von vornherein die Unmöglichkeit einer dauernden geographischen Abgrenzung, wie sie, unter Abstreifung des gentilizischen Charakters, schon früh bei den Tausendschaften eingetreten war. Wie die Teilnahme am Heere, so erfolgte auch die Niederlassung der Volksgenossen nach Geschlechtern (generationes, genealogiae)16. Die Art der Ansiedlung war nach Gegenden verschieden. Neben der weit überwiegenden Ansiedlung in offenen, höchstens mit Zaun und Gräben befestigten Dörfern 1 7 begegnet man noch heute vielfach dem S y s t e m der Einzelhöfe (mhd. einoede, an. bòi, gardr). In unrichtiger Deutung der Worte des Tacitus hat man diese Art der Ansiedlung früher zum Teil für das eigentlich germanische System gehalten und die Dorfanlage auf eine spätere wirtschaftliche Entwicklungsstufe zurückführen wollen. In den Alpen, dem Schwarzwald, den Vogesen, dem skandinavischen Gcbirgsland sowie in der niederrheinischen Tiefebene überwiegen heute noch die Einzelhöfe, die zweifellos bis in die Urzeit zurückreichen, während die geschlossenen mit dem pagus zusammenwirft. Das nord. herait wird von B r a t e (Ark. for nordiske filologi 9, 133f.), dem v. S c h w e r i n GGA. 1909 S. 783ff. zustimmt, auf Mwa-rait (Heim, Familie) zurückgeführt. 16 Vgl. B r u n n e r l 2 , 117ff. W a i t z 1, 82f. v. S y b e l 44ff. F l a c h Origines de l'anc. France 2, 56f. G i e r k e Gen. 1, 14ff. M ü l l e n h o f f 4, 202. v. I n a m a W G . I 2 , 63. K. M a u r e r Kr. Ü. 1, 61f. 69ff. D e l b r ü c k G. d. Kriegskunst II. 1 S. 25ff. 31ff. Bell. Gall. 6, 22: magislratus ac prineipes . . . gentibus cognationibusque hominwm, qui una coierunt, quantum et quo loco visurn est agri aüribuunt. Alamannische und baicrische Urkunden verwenden genealogia zur Bezeichnung von Ortsgemeinden. Vgl. Form. Patav. 5 (Form. 459): in vico et genealogia. L. Alam. 81: Si quis contenlio orta fuerit inter duas genealogias de termino terrae eorum. Vollfreilassungen erfolgten nach Pact. Alam. 2, 45 in heris generationis, d. h. in den Sippen des Heeres. Das Angelsächsische hat meegit und meegburg für Sippeverband und Sippesiedelung. Vgl. B r u n n e r l 2 , 113 n. 15. M ü l l e n h o f f 4, 202. 282. Besonders beachtenswert ist fara (davon faramanni), das in italienischen und französischen Ortsnamen häufig begegnet. Vgl. Paul. Diac. hist. Lang. 2, 9: König Alboin gestattet dem Herzog Gisulf, die zur Besiedelung von Friaul erforderlichen Sippen selbst auszuwählen, quos ipse eligere voluerit Langobardorum faras, h. e. generationes vel lineas. Weitere Belege bei B r u n n e r l 2 , 117f. Über die sprachliche Bedeutung vgl. noch H e n n i n g ZDA. 36, 316ff. 37, 304ff. K ö g e l ebd. 37, 217ff. v. A m i r a 3 171. M ü l l e n h o f f 4, 202. W a c k e r n a g e l Kl. Schriften 3, 360f. E. M a y e r Ital. VG. 1, 14f. Ob die patronymischen Ortsnamen auf -ingen Sippeansiedlungen bedeuten, ist bestritten. Dafür R i e z l e r MSB. 1909 II. K e m b l e Sachsen in England 1, 371 ff. F ö r s t e m a n n Namenbuch 2, 905ff. M ü l l e n h o f f 4, 202. Dagegen K l u g e VJSchr. Soz. WG. 1908 S. 73. E. S c h r ö d e r Ortsnamenforschung S. 19 (1908). 17 Das Wohnen in ummauerten Städten erschien den Germanen unerträglich. Vgl. Tac. Germ. c. 16. Amm. Marc. 16, 2 § 12. M ü l l e n h o f f 4, 280ff. Über stadtartige Hauptorte unter römischer Oberhoheit, die rechtlich bloße Flecken waren, vgl. M o m m s e n im Hermes 19, 67f. Die Ubier hatten sich schon unter Vespasian an städtisches Leben gewöhnt. Tac. Hist. 4, 63 f.
§ 4. Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.
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O r t s c h a f t o n hier erst s p ä t e r e n t s t a n d e n s i n d ; aber hier g a b teils die gebirgige N a t u r des Landes, teils das Überwiegen großer W e i d e f l ä c h e n gegenüber dein Ackerlande, teils die Ansiedlnngsweise der gallischen Vorbesitzer den Anlaß, von der sonst allgemein üblichen Ansiedlung nach D o r f s c h a f t e n abzugehen 1 ". Wo das Einzelhofsysteni obwaltete, u m f a ß t e das Geschlecht wohl als B a u e r s c h a f t s g e m o i n d e eine gewisse Anzahl solcher Einzelhöfe. Die Ansiedlung nach D o r f g e m e i n d e n a b e r überwog, n u r waren die D ö r f e r nicht Haus au l l a u s u n d , wie die wendischen ringförmigen D ö r f e r oder Rundlinge, nach einem b e s t i m m t e n B e b a u u n g s p l a n , sondern w e i t l ä u f i g längs der- S t r a ß e u n d in freier A n s c h m i e g u n g a n die n a t ü r l i c h e n B o d e n verhältnisse angelegt, so d a ß ein schroffer Gegensatz zwischen Dorf- u n d Einzelhofsysteni ü b e r h a u p t n i c h t b e s t a n d 1 9 . Die, wie lateinisch villa, a u c h f ü r einzelne Gehöfte v e r w e n d e t e Bezeichnung „ D o r f " (purp, prup, porp, prop) ist gemeingermanisch, ihre ursprüngliche B e d e u t u n g aber n i c h t sicher festgestellt 2 0 . Auf die B e f e s t i g u n g m i t Z a u n u n d G r a b e n d e u t e t die besonders bei den Angelsachsen gebräuchliche, oft in O r t s n a m e n wiederkehrende Bezeichnung Hin, engl, loirn21. Ulfilas übersetzt Marc. 6, 56 xoi/xas ;) nólmq áyoov^-, haimos aippuu baurgs aij>pau veihm, es sind die auch in D e u t s c h l a n d a m meisten v e r b r e i t e t e n Bezeichnungen „ h e i m " (got. haims, an. lieimr, ags. Mm, as. Mm)22, „ b ü r g " (got. baurgs, an. borg)23 u n d alid. wih (got. vrihs, ags. wie, mlul. wich, m n d . tcik)2i. 18
Vgl. V a n d e r k i n d e r e bei S c h r ö d e r Franken 50f. L a m p r e c h t , Z. d. Berg. G. Ver. 16, 19—27. M e i t z e n Sicdelung u. Agrarwesen 1, 518ff. 2, 77ff, B r u n n e r l 2 , 85. I n a m a WG. I 2 , 46ff. 54ff. H o o p s 1, 433. Über Einzelhüfe bei den Kelten vgl. E r h a r d t Germ. Staatenbildung 33. M e i t z e n 1, 224f. 442. 19 Vgl. Tac- Germ. c. 16 und die S. 11 angeführte wirtschaftsgeschichtliebe Literatur. L a m p r e c h t Wirtschaftsl. 1, 7f. ] ) a h n Könige 7, 1 S. 97. M e i t z e n Boden und landvv. Verb. d. preuß. Staates 1, 345f. W a i t z 1, 114f. 20 Vgl. G r i m m DWB. 2, 1276f. K l u g e u. d. W. S c h r ä d e r Sprachvergl. u. Ur-G.'- 578. K e r n Glossen der Lex Salica llOff. und bei H e s s e l s Lex Salica 474. Ulfilas gebraucht paurp für Acker (Nchem. 5, 16). Alid. Glossen 1, 312. 2, 132. 148. 332. 598) übersetzen „in oppidis" mit in Irophom, „munieipii" mit dorfes, „predia" mit Ihorj), „oppido" mit thorf, „territoria, loca" mit dorf, ags. Glessen „compitura" mit twwn, firop und fringstoiv ( W r i g h t Anglosaxon vocabularics l 2 , 15), mit Umstellung des r wie in niederdeutschen und dänischen Ortsnamen auf -trup und -drwp. Über Zusammenbang mit „ t u r b a " und „Trupp" (Anm. 2) vgl. K ö g e l ZDA. 37, 222. M ü l l e n h o f f 4, 282. B r a u n e Z. f. rom. Phil. 22, 212ff. 21 Vgl. F ö r s t e m a n n a. a. 0. 2, 1487. L i e b e r m a n n Gl. 352. 22 Grundbedeutung: Haus, Wohnsitz. Vgl. G r i m m DWB. 4, 2 S. 855. K l u g e u. d. W. W a i t z Das alte Recht 37. 53ff. F ö r s t e m a n n a. a. 0. 701 ff. Mit „heim" = „Dorf" hängt „Heimgarten" zusammen. Vgl. DWB. 4, 2 S. 871. Ahd. Glossen 1, 809. 23 Vgl. W a i t z 1, 116. M ü l l e n h o f f 4, 282. S c h r ö d e r Franken 50. G r i m m DWB. 2, 534. K l u g e u. d. W. F ö r s t e m a n n a. a. 0 . 2, 359ff. Das Wort wurde nur von befestigten Orten gebraucht. 24 Ahd. Glossen 2, 513. S c h i n d l e r 2 2, 841. D i e f e n b a c h WB. d. got. Spr. 1, 138. M ü l l e n h o f f 4, 282. S c h r ö d e r Franken 50. F ö r s t e m a n n 2, 1583f.
Die germanische Urzeit.
26 § 5.
Die Landesgemeinde und das Königtum.
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W a i t z l , 338ff. B r u n n e r l 2 175ff. v. A m i r a 3 126. S o h m RGV. 4ff. M ü l l e n h o f f DA. 4, 233ff. 250. D a h n Könige 1, 16f. 82ff. G i e r k e Genossensch. 1, 30ff. S i c k c l Freistaat 32—42. K a u f m a n n Deutsche Geschichte 1, 138ff. B a u m s t a r k Staatsaltertümer 354ff. v. B e l o w Der deutsche .Staat des MA. 1, 159f. F r e n s d o r f f Recht u. Rede (Hist. Aufs. f. W a i t z 443ff.). v. H o f f m a n n Entscheidung über Krieg u. Frieden n. germ. Recht 1907. W a i t z l 3 , 295—337. B r u n n e r l 2 , 164ff. v. A m i r a 3 149ff.; GGA. 1888 S. 49ff. G r i m m RA. 229ff. M a u r e r Altn. RG. I. 1, 214ff. D a h n Könige 1, 24ff. 85ff. G i e r k e Genossensch. 1, 48ff. Siokel Freistaat 43—71; GGA. 1880 8. 178ff. M ü l l e n h o f f 4, 183—98. 249. v. S y b e l Königtum 2 210ff. B l a n d i n i La'monarchia germanica 1888. K a u f m a n n Deutsche G. 1, 144ff. B a u m s t a r k Staatsaltcrtümer 123—203. L a m p r e c h t Deutsche G. 1, 145ff. W i t t m a n n Das altgerm. Königtum 1854. K ö p k e Anfänge des Königtums bei den Goten 1859. G a u p p Ansiedelungen lOOff. K. L e h m a n n Königsfriede der Nordgermanen 1886. E r h a r d t German. Staatenbildung 64ff. L. M e y e r Z. f. d. Phil. 4, 190f. v. Below a. a. O. 1, 161 f. S c h ü c k i n g Regierungsantritt I. 1899. Voß Republik u. Königtum im alt. Germanien 1885. P h i l l i p s über Erb- u. Wahlrecht 1824. H. S c h u l z e ZRG. 7, 323. v. H o f f m a n n Die Entscheidung über Krieg u. Frieden nach german. Recht. Während die Ostgermanen schon bei ihrem Eintritt in die Geschichte unter Königen standen, hatten die Völkerschaften der Westgermanen in Friedenszeiten keine einheitliche Spitze, weder einen erblichen König, noch einen gewählten Landesfürsten. Dieser Gegensatz hatte aber nur eine untergeordnete Bedeutung, da sich auch bei den Westgermanen das Königt u m mehr und mehr einbürgerte, um dann im Laufe der Völkerwanderung zu überwiegender Herrschaft zu gelangen, anderseits aber das germanische K ö n i g t u m mehr Ehren- als Hoheitsrechte umfaßte, so daß auch die Königreiche den Schwerpunkt ihrer Verfassung in der Volksversammlung hatten. 1. Gemeingermanische Bezeichnung der V o l k s v e r s a m m l u n g war Ding (lang, thinx, an. ping)1. Das Völkerschaftsding (an. fylkisßing) war die v o n den Römern als concilium bezeichnete politische Versammlung der Landesgemeinde 2 . Versammlungen mehrerer Völkerschaften kamen als 1
Vgl. B r u n n e r l 2 , 175. G r i m m RA. 600, 747; DWB. 2, 1165. K l u g e u. d. W. v. A m i r a 3 251. Andere Ausdrücke für Volks- und Gerichtsversammlungcn: mahal (mallus), as. hwarf, ags. ndl. gemot, für die Landesgemeinde als solche thiodothing, thiotmalli, liodwarf, liodthing, lotting, liodwarf, folcgemót. Vgl. unten § 8 n. 4. B r u n n e r 12, 176. R i c h t h o f e n Fries. WB. 1126. G r i m m DWB. 6, 1452. W a i t z 1, 340. 2 Tacitus Germ. c. 11: De minoribus rebus prineipes consultant, de maioribus omnes, ita tarnen ut ea quoque, quorum penes plebem arbitrium est, apud prineipes pertractentur. coeunt, nisi quid fortuitum et subitum incidit, certis diebus, cum aut incohatur luna aut impletur: nam agendis rebus hoc auspicatissimum initium credunt. illud ex liberiate vitium, quod non simul nec ut iussi conveniunt, sed et alter et tertius dies cunctatione coèuntium absumitur. ut turba placuit, considunt armati, silentium per sacerdotes, quibus tum et coèrcendi ius est, imperatur. mox rex vel prineeps, prout aetas cuique, prout nobilitas, prout decus bellorum, prout facundia est, audiuntur, auetoritate suadendi magis quam iubendi potestale. si displieuit sententia, fremitu aspernantur; sin placuit, frameas concutiunt. honoratissimum assensus genus est armis laudare.
§ 5.
Die Landesgemeinde und das Königtum.
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dauernde Einrichtungen nur mit dorn Charakter von Opfcrversanimlungen vor; erst später, nachdem aus der Vereinigung verschiedener Völkerschaften die großen Stämme hervorgegangen sind, erscheinen die Stammesversammlungen als lagthing oder bindslking. Innerhalb der einzelnen Gaue gab es wohl auch besondere Gaudingo, die sich insbesondere mit wirtschaftlichen, unter Umständen auch mit politischen Angelegenheiten zu befassen hatten. Die zum Ding versammelte Landesgemeinde war nichts anderes als das Volk in Waffen, das Heer 3 . Bewaffnet wie zum Kriege Irat man zusammen 4 ; jeder Heerpflichtige war zugleich dingpflichtig; die Versammlung stellte sich nach den einzelnen Heeresabteilungen auf 5 . Die Landesgemeinde diente zugleich zur Heer- und Waffenschau; die Musterung der zur Waffenfähigkeit herangereiften Jünglinge galt als eine ihrer regelmäßigen Aufgaben. Aus diesem Grunde, sowie wegen der Geschenke, die den Königen und Fürsten von der Bevölkerung bei Gelegenheit des Dinges dargebracht wurden, ist anzunehmen, daß jährlich zu bestimmter Zeit, wahrscheinlich im Frühjahr, eine ordentliche Volksversammlung (echtes oder ungebotenes Ding) stattfand, während in dringenden Fällen nach Lage der Sache außerordentliche oder gebotene Dinge anberaumt wurden. Als Versammlungsort diente wohl regelmäßig die vornehmste Opferstätte dos Volkes 6 . Die Berufung der Dingpflichtigen erfolgte unter denselben Formen, wie bei dem Aufgebot zum Heere. Sie anzuordnen war Sache des Fürstenrates, da alles, was im Ding verhandelt werden sollte, zuvor in dem engeren Kreise der versammelten Fürsten durchberaton, minder wichtiges gleich hier erledigt wurde. Auch in den Königreichen hat dieser Fürstenrat, in dem der König jedenfalls den Vorsitz führte, nicht gefehlt. Zur Dingzeit wählte man, wenn es anging, die heiligen Tage des Voll- oder Neumondes 7 . Die Dauer des Dinges richtete sich nach den Umständen, doch verstrichen regelmäßig mehrere Tage, bis die Versammlung sich für beschlußfähig erklären konnte. Dann erfolgte die feierliche Hegung 8 , und zwar bei den Südgermanen durch den Priester, bei den Nordgermanen durch den König, 3 Vgl. § 4 n. 1. Damit war die von manchen Schriftstellern in Abrede gestellte Dingpflicht aller Heerpflichtigen von selbst gegeben. 4 Die den Römern unterworfenen Germanen rechneten es sich selbst zur Schmach, daß ihnen nur unbewaffnete Versammlungen gestattet waren. Vgl. Tacitus Hist. 4 c. 64. Die Gallier, bei denen es ursprünglich wie bei den Germanen gehalten wurde (Livius 21, e. 20), hielten später armata concilia nur ab, wenn ein Krieg begonnen werden sollte. Nur in diesem Falle war jeder Waffenfähige dingpflichtig. Bell. Gall. 5 c. 56. 5 Vgl. § 4 n. 16: in heris generaticmis. 6 M a u r e r Bekehrung d. norw. Stammes 2, 218ff. S i c k e l Zur germ. VG. 17. 7 Vgl. B r u n n e r 2, 218. M ü l l e n h o f f DA. 4, 235. 641. Die Westgoten hielten ihre Stammesversammlungen noch im 5. Jahrhundert zur Zeit des Neumondes. Vgl. D a h n Könige 6, 554. Auch für den Aufmarsch des Heeres zum Kampf hielten die Germanen diese Zeit für die geeignetste. Bell. Gall. 1 c. 50. 8 Vgl. B u r e h a r d Hegung der deutsch. Gerichte im Mittelalter l f f . 13. Auf eine der bekannten drei Hegungsfragen lassen die Worte ut lurba placuit (Germ, c. 11) schließen.
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Die germanische Urzeit.
dem die priesterlichcn Verrichtungen oblagen. I)ie Hegeformel l a u t e t e : „ I c h gebiete L u s t u n d verbiete U n l u s t " 0 . Durch die H e g u n g , die in denselben F o r m e n wie bei der (¡eriehtsversaininlung erfolgte, wurde die Vers a m m l u n g g e b a n n t oder geheiligt, d. Ii. u n t e r den S c h u t z u n d Frieden des Gottes Zill (an. Tfjr, ags. Ttw) gestellt, der als Schwert- u n d K r i e g s g o t t zugleich der G o t t des 'Heeres wie des Dinges w a r 1 0 . J e d e S t ö r u n g des Dingfriedens (unlust) w a r eine Beleidigung der G o t t h e i t u n d fiel der Bes t r a f u n g durch den Priester a n h e i m . Die L e i t u n g der V e r h a n d l u n g e n s t a n d d e m König, in V o l k s s t a a t e n wohl dem F ü r s t e n des Gaues, in dem m a n sich v e r s a m m e l t e , zu. D e n G e g e n s t a n d der V e r h a n d l u n g e n bildeten die Wahlen (Königswahl, Herzogswahl, F ü r s t e n w a h l , Priesterwahl), Rechtsangelegenheiten, Beschlüsse ü b e r Krieg u n d F r i e d e n ; wollte ein F ü r s t auf eigene H a n d einen Zug ins Ausland u n t e r n e h m e n , so b e d u r f t e er der G e n e h m i g u n g der V e r s a m m l u n g . "Wie die W e h r h a f t m a c h u n g der j u n g e n L e u t e , so gehörte a u c h die Verleihung des W a f f c n r e c h t s an Freigelassene vor das Landesding, Freilassungen zu vollem H e c h t k o n n t e n n u r hier erfolgen. Ordentliches Gericht w a r die L a n d e s g e m e i n d e wahrscheinlich f ü r alle t o d e s w ü r d i g e n Verbrechen von Freien, ü b e r die n u r sie die Friedlosigkeit v e r h ä n g e n k o n n t e ; a u ß e r d e m k o n n t e sie als Trägerin der G e r i c h t s h o h e i t a u c h alle sonst vor das l l u n d e r t s c h a f t s g e r i c h t gehörigen R e c h t s h ä n d e l , die bei ihr a n h ä n g i g g e m a c h t w u r d e n , zu ihrer E n t s c h e i d u n g ziehen. Von gesetzgeberischer T ä t i g k e i t der L a n d e s g e m e i n d e l ä ß t sich in dieser P e r i o d e füglich noch n i c h t sprechen, h ö c h s t e n s k a n n m a n auf ein W e i n e i n f u h r v e r b o t der Sueben (Bell. Gall. 4, c. 2) verweisen. Die bei den N o r d g e r m a n e n u n d Friesen üblichen R e c h t s v o r t r ä g e der Gcsotzspreeher (lögsaga, uppsaga) sind erst f ü r s p ä t e r e Zeit b e z e u g t . B e r i c h t e r s t a t t e r ü b e r die A n t r ä g e des F ü r s t e n r a t e s w a r der König oder ein d u r c h h e r v o r r a g e n d e E i g e n s c h a f t e n b e r u f e n e r F ü r s t . An etwaigen weiteren V e r h a n d l u n g e n , die wohl n u r a u s n a h m s w e i s e beliebt w u r d e n , n a h m e n a u ß e r d e m K ö n i g u n d den F ü r s t e n auch die Ältesten u n d die Weisesten a u s d e m Volke, ohne d a ß m a n dabei an eine b e s t i m m t e rechtliche A b g r e n z u n g zu d e n k e n h ä t t e , teil 1 1 . Die Menge be9 Vgl. M ü l l e n h o f f 1)A. 4, 237f. 5, 5. 86; ZDA. 0, 127. B r u n n e r 12, 198. B n r c h a r d a. a. O. 155ff. S c h i l l e r u. L ü b b e n Mittelnd. WB. 2, 751. 5, 63. Lust (as. hlust, ags. hlyst, an. hljöp)} bedeutet Gehör und Schweigen. Uber die Art, .wie man sich die Tätigkeit der Priester bei der Hegung wahrscheinlich zu denken hat, vgl. B r u n n e r RG. 12, 197 und unten § 8 n. 11. 10 Über die dem Mars jdneso geweihten Votivsteine tuihantischer Krieger aus dem cuneus Frisiorum vgl. Archaeologia Aeliana 10, 148ff. H ü b n e r Westd. Z. 3, 120. 287. Scherer Berl. SB. 25, 571ff. B r u n n e r 12, 201f.; ZRG. 18, 226ff. Weinhold Z. f. d. Phil. 21, lff. S i e b s ebd. 24, 433f. 450ff. v a n H e l t e n i. d. Beitr. z. G. d. deutsch. Spr. 27, 137 ff. Während der Gottesfriede des Ziu für Bewaffnete bestimmt war, schloß der Friede der übrigen Götter alle Bewaffneten vom Zutritt aus. Vgl. Tacitus Germ. c. 40; Annal. 1, 50, 51; Maurer i. d. Germania von P f e i f f e r u. B a r t s c h 16, 331. W e i n h o l d Fried- und Freistätten (Kieler Progr. v. 1864) S. 4. Die Auffassung des Mars Thingsus als Gott des Dinges wird in Abrede gestellt von S i e b s , dem A m i r a 3 257 beitritt. 11 Vgl. Bell. Gall. 4 c. 11: prineipes ac senatus. c. 13: omnibus prineipibus
§ 5. Die Landesgemeinde und das Königtum.
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teiligte sich n u r in s u m m a r i s c h e r Weise d u r c h A b l e h n u n g oder Z u s t i m m u n g . Die A b l e h n u n g ä u ß e r t e sich d u r c h M u r r e n , die Z u s t i m m u n g {folge, vollbort) d u r c h S c h w i n g e n u n d Z u s a m m e n s c h l a g e n der W a f f e n , z u m a l der Speere oder Schildc ( a n . vdpnatalc, lang, gairethinx)12. U m g e k e h r t scheint es ein A k t feierlichster A b l e h n u n g ü b e r n o m m e n e r V e r p f l i c h t u n g e n , insbesondere der L o s s a g u n g v o n e i n e m K ö n i g oder H e r z o g , gewesen zu sein, w e n n das Volk die W a f f e n auf d e n B o d e n w a r f 1 3 . 2. Zu den v o r n e h m s t e n A u f g a b e n der L a n d e s g e m e i n d e g e h ö r t e die K ö n i g s w a h l , d e n n a u c h die K ö n i g e {reges) w u r d e n gleich den B e a m t e n g e w ä h l t ; a b e r die W a h l w a r a n ein b e s t i m m t e s Geschlecht, das erste oder königliche u n t e r den Adelsgeschlechtern des Volkes, g e b u n d e n 1 4 . Auf diese A b s t a m m u n g a u s e i n e m b e s t i m m t e n Geschlecht d e u t e t d a s g e m e i n g e r m a nische I nning (ags. cyning, a n . konungr), w ä h r e n d g o t . piudans ( a n . piödann, ags. peoden, as. ihiodan) den K ö n i g als das O b e r h a u p t des Volkes (S. 15) bezeichnet 1 5 . D e r n e u e r w ä h l t e K ö n i g w u r d e v o m Volk auf den Schild e r h o b e n u n d auf diesem feierlich u m h e r g e t r a g e n 1 6 ; die Ü b e r t r a g u n g des H e r r s e h e r r e c h t e s g e s c h a h wohl allgemein u n t e r der Ü b e r r e i c h u n g des H e r r s c h e r s t a b e s , der als B o t e n s t a b d e n K ö n i g als den B e a u f t r a g t e n des maioribusquK natu adhibitis. Tacitus, Hist. 4 c. 14: primores geniis et promptissimos vulgi. Vortrefflich S i c k e l Freistaat 39f. Siehe auch S c h ü c k i n g a. a. O. 4ff. Vgl. S. 45. G r i m m RA. 770. S c h r ö d e r Gairethinx, ZRG. 20, 53ff. B r u n n e r 12, 210. v. A m i r a 3 255. M a u r e r Island 167 und i. d. Germania 16, 320ff., sowie die daselbst besprochenen Arbeiten von G r u n d t v i g , H e r t z b e r g und D j u r k l o u . M ö l l e n h o f f 4, 239f. S c h ü c k i n g a. a. O. 14f. Tacitus Hist. 4 c. 15. 5 c. 17. Beifallsäußerung durch Zusammenschlagen der Waffen auch bei den Germanen im römischen Heere (Amm. Marc. 16, 12 § 13) sowie bei den Kelten (Bell. Gall. 7 c. 21). 'Die Annahme eines Vorschlages oder Antrages durch Waffenrührung begründete zugleich die Verpflichtung, das Angenommene zu halten (vgl. Ed. Roth. 386; Leg. Edw. Conf. 30, L i e b e r m a n n 653). Davon verschieden (vgl. S c h ü c k i n g a. a. O. 15n) war die namentlich im internationalen Verkehr beliebte Übernahme einer eidlichen Verpflichtung. Vgl. Bell. Gall. 4 c. 11. Tac. hist. 4, 15. Amm. Marc. 17, 12 § 21. 31, 7 § 10. Beovulf 1097 ff. 13 Vgl. ZRG. 20, 58. 14 Germ. c. 7: Reges ex nobilitale, duces ex virtute sumunt. Vgl. Beovulf v. 1851 f. W a i t z 1, 320. Auch in den Volksstaaten bezeichnete man das vornehmste Adelsgeschlecht als das königliche (S. 32). Nach A m i r a hielt man bei der Königswahl nur darum an bestimmten Geschlechtern fest, weil und solange man in ihrer vermeintlich göttlichen Abstammung eine Bürgschaft zu haben glaubte, daß sie dem Volke Glück bringen würden. Eine auch nur beschränkte Erblichkeit des Königtums stellt er in Abrede. 15 Vgl. G r i m m RA. 229f.; DWB. 5, 1691 f. K l u g e u. d. W. B r u n n e r 12, 105. M ö l l e n h o f f DA. 4, 188f. 5, 283ff. K e r n Glossen i. d. Lex Salica 136. Die Bezeichnung got. reilcs für den Herrscher ist im Deutschen nur in „Reich" (ahd. rihhi, as. riki) erhalten geblieben. 16 Daß die Fürsten das Vorschlagsrecht hatten und die Landesgemeinde wohl nur ihre Vollbort durch Waffenrührung erteilte, wird mit Recht von S c h ü c k i n g 2ff. hervorgehoben. Die Schilderhebung bildete als feierliche Verkündigung des Wahlergebnisses den Abschluß des Wahlverfahrens. Vgl. G e f f c k e n Deutsche Lit.Zeitung 1900 Sp. 499f.
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Die germanische Urzeit.
Volkes bezeichnete, zugleich aber die Eigenschaft eines Zauberstabes besaß". An die Stelle der Stabreichung trat später vereinzelt die Speerreicliung. Stab, Speer, Heerfahne, Schwert und Schild haben sich das ganze Mittelalter hindurch als solche Wahrzeichen erhalten; durch sie wurde der König als der geborene Heerführer seines Volkes gekennzeichnet, während dies Amt in den Volksstaaten einem nur für die Dauer des Krieges erwählten Herzog übertragen wurde 18 . Als Haupt des Heeres war der König auch das Haupt der Landesgemeinde, ohne doch in den vor sie gehörenden Angelegenheiten anders als durch die Kraft der Überredung wirken zu können. Wesentlich gehörte zum nordgermanischen Königtum auch die priesterliche Tätigkeit, zumal bei Opferdienst und Erforschung der Zukunft 1 9 ; hier dürften Heerführertum und Oberpriestertum ursprünglich geradezu den Inbegriff der königlichen Gewalt gebildet haben, während bei den Südgermanen durch das Landespriestertum, dem die Handhabung des Bannes in Ding und Heer anheimfiel, eine wesentliche Schwächung des Königtums herbeigeführt wurde 20 . Uberhaupt aber hatte der altgermanische König ein eigentliches Machtgebot nur gegenüber seinem Gefolge (S. 39), dem Volke gegenüber war seine Gewalt sehr beschränkt 21 . In seiner Eigenschaft als geborener Heerführer und Haupt der Landesgemeinde besaß er zwar gewisse Hoheitsrechte, aber doch wirkte er, wie der Herzog, in allem exemplo potius quam imperio: er hatte die Leitung, aber die Beschlüsse über Krieg und Frieden, über Beamtenwahlen und gerichtliche Entscheidungen lagen in der Hand der Landesgemeinde, der König hatte dabei nur mitzureden und mitzustimmen, wie andere auch. Die ordentliche Rechtspflege war Sache der vom Volk eingesetzten Richter; von einer königlichen Gerichtsbarkeit, die später so mächtig in die ganze Rechtsentwicklung eingegriffen hat, war noch keine Rede, auch einen vom König ausgehenden Frieden gab es noch nicht, der allgemeine wie " Vgl. v. A m i r a Stab l l l f f . 18 Schilderhebung bei der Herzogs wähl Tacitus Hist. 4 c. 15: impositusque scuto more gentis et sustinenlium humeris vibratus dux deligitur. 19 Vgl. Tacitus Germ. c. 10: sacerdos ac rex vel prineeps civitatis comitantur hinnitusque ac fremitus observant. 20 Vgl. v. A m i r a 3 151. Daß infolge dieses Gegensatzes das nordgermanische Königtum erheblich straffer war, deutet die Bemerkung des Tacitus Germ. c. 44 über das Königtum der Suionen an. Bei den Burgunden des 4. Jahrhunderts stand der Oberpriester (sinistus) in größerem Ansehen als der König, vgl. Amm. Marc. 28, 5 § 14: Apud hos generali nomine rex adpellatur hendinos, et ritu veteri potestate deposita removetur, si sub eo fortuna titvbaverit belli vel segetum copiam negaverit terra, ut solent Aegyptii casus eiusmodi adsignare rectoribus, nam, sacerdos apud Burgundios omnium maximus vocatur sinistus, et est perpetuus, obnoxius discriminibus nullis ut reges. Über das vandalische Königshaus vgl. § 6 n. 16. 21 Germ. c. 7: nec regibus injinita aut libera potestas; c. 43: Ootones regnantur, paulo iarn adduetius quam ceterae Germarwrum gentes, nondum tarnen supra libertatem. Von den schwedischen Königen berichtet noch Adam von Bremen 4, 22: reges habent ex antiquo genere, quorum tarnen vis pendet in populi senlentia; quod in commune omnes laudaverint, illum confirmare oportet.
S 4. Die Landesgemeinde und das Königtum.
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der besondere Frieden war Volks-, nicht Königsfrieden; immerhin aber deutet das Recht des Königs auf die Friedensgelder, die in den Volksstaaten an das Volk fielen, bereits die erste Stufe in der Ausbildung des Königsfriedens und der königlichen Gerichtshohcit an. Die Vertretung des Staates nach außen war Sache des Königs, aber doch nicht so, daß das Volk und die Fürsten nicht unter Umständen einen maßgebenden Einfluß auf seine Entschließung, gegebenenfalls selbst gegen seine Entschließung, auszuüben vermocht hätten 2 2 . Der gesamte Grund und Boden galt als Volksland, nicht als Königsland, und selbst bei der Verfügung über die Kriegsbeute hatte nicht der König, sondern die Landcsgemeinde das entscheidende AVort. Anderseits unterliegt es keinem Zweifel, daß der König in hervorragender AVeise mit Grundbesitz ausgestattet war und an der regelmäßigen Ackerverlosimg nicht teilnahm, und daß ihm vom Kriegsgewinn ein erheblicher Teil überwiesen wurde, während die von seinen Gefolgsmannen gewonnene Beute ihm ausschließlich anheimfiel, freilich in der Erwartung, daß er reichlich davon abgeben werde. Bei der allgemeinen Jahresversammlung hatte jeder dem König eine Gabe darzubringen, die nur hinsichtlich des Gegenstandes freiwillig, aber auch hier wohl meistens observanzmäßig festgestellt war 2 3 . Endlich genoß die Person des Königs einen erhöhten Frieden. Der König war aber absetzbar, und wiederholt ist es vorgekommen, daß ein ganzes Volk seinem Könige die Treue aufsagte, weil er seine Macht mißbrauchte, oder weil Unglücksfälle, die ihn und sein Volk trafen, ihn als den Göttern verhaßt erscheinen ließen. Die Entstehung des Königtums der Ostgermanen ist in Dunkel gehüllt. Dagegen vollzieht sich der Übergang bei den Markomannen, Hermunduren, Cheruskern und anderen AVestgermanen fast vor unseren Augen: bald gibt die herzogliche Gewalt einem im Felde und in der Politik bewährten Führer das Heft in die Hand, bald ist es das Verlangen des Volkes, seine staatliche Selbständigkeit oder, wenn eine Vereinigung bisher selbständiger Völker stattgefunden hat, die nunmehrige staatliche Einheit durch die Einsetzung eines dem adeligsten Geschlecht entnommenen Königs zum Ausdruck zu bringen. Zuweilen haben auch bloße Heerkönige und Führer beutelustiger Scharen, wie Ariovist, Radagais und die nordischen Seekönige, oder Söldnerführer, wie Odovaker, es zu staatlichen Gründungen gebracht, aber für die Verfassungsgeschichte, zumal des germanischen Königtums, kommen derartige außerordentliche Erscheinungen nicht in Betracht. Die Könige der germanischen Urzeit waren regelmäßig Völkerschaftskönige 24 ; erst nach der Bildung der größeren Stämme sind diese dem mit ganz anderer Macht ausgestatteten, zum Teil auf neuen Grundlagen erwachsenen Stammeskönigtum erlegen. 22
Vgl. S i c k e l Freistaat 183f. Was Taoitus von Abgaben an die Fürsten berichtet (§ 6 n. 8), muß auch den Königen gegenüber gegolten haben. 24 Das von einem König beherrschte Land wurde wohl in der Urzeit als „Reich" bezeichnet. Vgl. v. A m i r a 3 113. v. B e l o w Der deutsche Staat 1, 129f 23
Die gei-maniache Urzeit.
32
§ 6.
Das Beamtentum und das Gefolge.
W a i t z l 3 , 236—93; FDG. 2,387. B r u n n e r 12 § 17. M ü l l e n h o f f 4, 187. 190ff. 231. 250ff. v. S y b e l 71ff. 80ff. 109ff. 121ff. K. M a u r e r Wesen des ältesten Adels 1846 S. 7ff. R o t h Benefizialwesen 2ff. 21. T h u d i c h u m Altd. Staat lff. 38f. v. B e t h m a n n - H o l l w e g Zivilprozeß 1, 88ff. S i c k e l Freistaat lOOff.; Zur gerni. VG. 23ff.; MJÜG. 1881 S. 128ff.; GGA. 1880 S. 167ff. D a h n Könige 1, 21 ff. 46f. 67ff. E r h a r d t Germ. Staatenbildung 45ff. B r a u m a n n Prineipes der Gallier und Germanen, Progr. d. Berl. Friedr.-Wilh.-Gymn. 1883 S. 39ff. B a u m s t a r k Staatsaltertümer 286—329. 359ff. 400ff. 477ff. K ö p k e Anfänge des Königtums bei den Goten 12ff. L. M e y e r Z. f. deutsch. Phil. 4, 191f. W i e s s n e r Prinzipat u. Gefolgschaft, Z. f. GW. 12, 312ff. S c h u l t z e Prinzipat, Comitat, Nobilität i. d. Germania, ebd. NF. 2, lff. D e l b r ü c k G. der Kriegskunst 2, 28f. 37f. W a i t z l 3 , 371—401. B r u n n e r 12 § 19; Zur G. dos Gefolgswesens (Forsch. 75ff. ZRG. 22, 210ff.). v. A n i i r a 3 105. 188f. M ü l l e n h o f f 4, 258—72. S e e c k Deutsch. Gefolgswesen auf römischem Boden, ZRG. 30, 97ff. v. D a n i e l s HB. 1, 337ff. Loh m a n n u. L a r s o n bei H o o p s 2, 132ff. L i e b e r m a n n Ags. Gl. 423—430. S c h m i d Ags. 599. K e m b l e Sachsen in England 1, 131 ff. C h a d w i c h Studios on AngloSaxon Institutions 318ff. L a r s o n Kings Household in England c. 2. S t u b b s Const. Hist. 1, 17Off. R o t h BW. 1 l f f . v. S y b e l 2 231ff. T h u d i c h u m Altdeutsch. Staat 12 ff. D a h n Könige 1, 74ff. G i e r k e Genossensch. 1, 93ff. D e l o c h e Trustis et l'antrustion royal 1873. F l a c h Origines de l'anc. France 2, 437f. M a u r e r , Kr. Ü. 2, 388ff. G u i l h e r m e z Essai sur l'origine de la noblesse en France 1902. M ü n c h Nordisch-gorm. Völker 168ff. S i c k e l Zur germ. VG. 46. L a n d a u Territorien 244fi. G a u p p Ansiedlungen 140ff. D o u b l i e r Formalakte beim Eintritt in die altnorwegische Gefolgschaft; MJOG. Erg. 6, 254ff.; Entstehung der altnorwegischen Gefolgschaft (Festschr. v. A m i r a , 1908). 1. Die G a u f ü r s t o n . An der Spitze jedes Gaues stand ein von der Landesgemeinde gewählter prineeps (satrapa), ahd. as. furisto, d. h. der Vorderste 1 . Im allgemeinen Sinne zählten zu den Fürsten, ohne Bücksicht auf ein Amt, auch solche Männer, die durch erlauchte Abstammung eine hervorragende Stellung im Volke einnahmen; man wird sie am besten als „Fürstengenossen" bezeichnen. In demselben untechnischen Sinne wurden hervorragende Adelsgeschlechter auch in Volksstaaten wohl als stirps regia bezeichnet 2 . Ob die i m Mittelalter vorkommende Bezeichnung „Häuptling" (an. höfdingi) noch in die Urzeit zurückgeht, ist zweifelhaft, Mehrfach begegnet die Bezeichnung der Fürsten als „Richter" (iudices) 3 . D a ß die Wahl sich tatsächlich auf den Kreis der Fürstengenossen, also auf die Mitglieder der adeligen Geschlechter beschränkte, läßt sich nicht bezweifeln, wenn auch von einem rechtlichen Anspruch, der Nichtadelige
1
conciliis
2
G e r m . c. 2 2 : de asciscendis prineipibus Consultant, c. 12: eliguntur et prineipes, gui iura per pagos vicosque reddunt.
in
iisdem
Vgl. Tacitus Annal. 11 c. 16; Hist. 4 c. 13. Die Gaukönige (regales, subreguli) späterer Quellen sind wohl erblich gewordene Gaufürsten. 3
Ainni. Marc. 17, 12 § 21 v o n d e n Q u a d e n -.iudices variis
populis
jrraesvlcntes.
Der Gote Athanarich hat ebenfalls den Richtertitel geführt. Vgl. D a h n FDG. 21, 225ff. W a i t z ebd. 21, 227 n. 1. M ü l l e n h o f f 4, 190f.
§ 6.
33
Das Beamtentum und das Gefolge.
von der Wahl ausgeschlossen hätte, in den Quellen nichts enthalten ist4. Die Wahl war. im Gegensatz zu der des Herzogs, keine zeitlich beschränkte, sie erfolgte auf Lebenszeit, was jedoch nicht ausschloß, daß ein Fürst unter Umständen sein Amt niederlegte oder durch Beschluß der Landesgemeinde abgestzt wurde. Die Tätigkeit der Fürsten erstreckte sich teils auf den ganzen Staat, teils auf ihren Gau. In ihrer Gesamtheit bildeten sämtliche Fürsten, und zwar wohl nicht bloß die gewählten Gaufürsten 5 , einen Fürstenrat, von dessen Aufgaben in der Landesgemeinde bereits die Rede gewesen ist6. Teils durch den sich ihnen hier eröffnenden Einfluß, teils durch das militärische Gewicht, das sie als Herren eines kriegerischen Gefolges besaßen, gelangten die Fürsten unter Umständen zu großer politischer Bedeutung, so daß sie vom Ausland nicht selten mit Geschenken und Ehrenbezeugungen umworben wurden7. Gegenüber seinem Gau hatte der Fürst eine dreifache Aufgabe: er war der Anführer der Gaumannschaft im Heere, hatte die Leitung der agrarischen Gauangelegenheiten, vor allem aber war er der ordentliche Richter der zu seinem Gau gehörigen Hundertschaften. Von seiner priesterlichen Stellung wird unten zu reden sein. Eine Besoldung empfingen die Gaufürsten nicht, aber die Gaugenossen hatten ihnen bei der ordentlichen Landesversammlung Ehrengeschenke darzubringen 8 . Daß sie als Richter einen Anteil an den Strafgefällen erhielten, läßt sich aus den späteren Zuständen entnehmen. Außerdem waren sie vielleicht mit besonderen Edelgütern ausgestattet; wo solche nicht bestanden, wurden sie nach Maßgabe des höheren Wergeides, das ihnen wie allen Fürstengenossen unzweifelhaft zukam, bei den Ackerverlosungen mit einem mehrfachen Anteil bedacht. Als Auszeichnung trugen die Fürsten bei manchen Völkerschaften einen besonderen Haarschmuck 9 . Die rechtliche Stellung der Gaufürsten kann in den Königreichen keine andere wie in den Volksstaaten gewesen sein, auch in den ersteren waren 4 Während von manchen jeder Zusammenhang zwischen Fürstenamt und Adel geleugnet wird, läßt B r u n n e r den erblichen Charakter des Amtes wohl zu scharf hervortreten und faßt die Gaufürsten geradezu als Kleinkönige auf, die sich im wesentlichen nur durch den geringeren räumlichen U m f a n g ihres Gebietes von den Volkskönigen unterschieden hätten; jenachdem zu verschiedenen Zeiten das Erbrecht oder die Wahl durch die Landesgemeinde von vorwiegender Bedeutung gewesen sei, habe der Charakter des Königtums oder der Amtscharakter das Übergewicht gehabt. Vgl. Hist. Z. 65, 306. 6 Vgl. D e l b r ü c k , Preuß. JB. 81, 495n. M ü l l e n W f 4, 233. 6 Vgl. S. 27. S c h ü c k i n g Regierungsantritt 1, 2n. Über den mit dem Fürstenrat nicht zu verwechselnden „¡Senat" der Ubier und Friesen vgl. B r a u m a n n a. a. O. 17f. D a h n Könige 1, 47. 7 Vgl. Tacitus Germ. c. 5, 13, 15; Ann. 1 c. 55. Bell. Gall. 4 c. 11, 13. Livius 40, c. 57. 8 Tacitus Germ. c. 15: Mos est civitatibus, ullro ac viritim conferre -prineipibus vel armentorum vel frugum, quod pro honore aeeeptum etiam necessitatibus subvenit. ' Vgl. Tacitus Germ. c. 38. Noch die Merowinger zeichneten sich vor den übrigen Franken durch ihre langen Haare aus.
R. S c h r ö d e r , Deutsche Rechtsgeschichte. 6. Aufl.
3
Die germanische Urzeit.
34
sie B e a m t e des Volkes, nicht des Königs. Jlirc Befugnisse im F i i r s t e n r a t wie in der Landesgemeinde waren überall dieselben 1 0 , nur den E h r e n r e c h t e n des Königs und seiner Führerstelle im Heere mußten sie sich unterordnen. I n Friedenszeiten h a t t e n die Volksstaaten keine einheitliche S p i t z e 1 1 ; da m a n eine solche aber in Kriegszeiten nicht entbehren konnte, so w ä h l t e das Landesding, wenn ein K i i e g in Aussicht war, einen für die D a u e r des Krieges m i t der obersten Leitung b e t r a u t e n H e r z o g (dux, ahd. herizogo, ags. heretoga)12. Die W a h l erfolgte nach Maßgabe der kriegerischen T ü c h t i g k e i t 1 3 ; da diese aber auch bei der W a h l der F ü r s t e n jedenfalls stark ins Gewicht fiel lind der F ü r s t e n r a t , wie bei allem was an die V o l k s v e r s a m m lung k a m , das Vorschlagsreeht übte, so ist undenkbar, daß die Wahl zum Herzog j e m a l s auf einen andern als einen Fürsten oder Fürstengenossen gefallen sein sollte 1 4 . Die Stellung des Herzogs endigte mit dein F r i e d e n s schluß. Von seinen Machtbefugnissen wird unten zu reden sein. E i n berufsmäßiges P r i e s t e r t u in besaßen die Germanen, im Gegensatz zu den Galliern, nach Cäsar n i c h t 1 0 . AVas an Opferdiensten und sonstigen religiösen Handlungen v o r k a m , wurde innerhalb des Hauses Vgl. W a i t z 1, 350. Die von W a i t z und früher auch von S i c k e l vertretene Ansicht, daß es über den Gaufürsten einen gewählten Landesfürsten (prineeps civitatis) gegeben habe, wird durch dio Quellen widerlegt. Wo Tacitus von prineeps civitatis spricht, ist einer aus der Reihe der Fürsten gemeint. Die langobardischen Herzöge, angelsächsischen ealdormen und nordischen jylkis konungar oder fylkar beruhen auf späterer Entwicklung und sind ursprünglich wohl aus dem Herzogtum hervorgegangene Völkerschaftskönige gewesen. 1 2 Bell. (lall. 6 c. 23: Cum bellum civitas aut illatum defendit mit in/ert, magistratus, qui ei hello praesint, ut vitae necisqne luxbeant 'potestatem, deliguntvr. in pace nullus est communis magistratus, sed j»-i)icipes regionum alque pagorum inier suos ius dicunt controversiasque minuunt. Vgl. W a i t z 1, 267f. B r u n n e r 1'-, 171. 184. T h u d i c h u i n Altd. Staat 56f. S i c k e l Zur germ. VG. 31. M ö l l e n h o f f 4, 183. 198. D a h n Könige 1, 22. 64f. Bei den Sueben Casars (Bell. (¡all. 1 c. 37) werden einmal zwei Brüder nebeneinander als Herzöge genannt. Uber die Schilderhebung vgl. § 5 n. 16. 1 3 Vgl. § 5 n. 14. Germ. c. 30: praeponere electos. 1 4 Bei der Wahl übergangene Fürsten zogen es unter Umständen vor, das Vaterland zu verlassen. Vgl. Tacitus Ann. 2 c. 45; Hist. 4 c. 18. Später war, wenigstens bei den Sachsen, die Herzogswahl von Rechts wegen auf den Kreis der Fürsten beschränkt. Vgl. B e d a Hist. eccl. 5 c. 10: Non enim habent regem iidem antiqui Saxones, sed satrapas plurimos sitae genti praepositos, qui ingruente belli articulo mittunt aeqvaliter sortes, et (¡uemeumque sors ostenderit, hunc tempore belli ducern omnes secuntur, huic obtemperant; peracto autem bello rursum aequalis potentiae fiunt satrapae. 15 Bell. Gall. 6 c. 21: Germani multurn ab hac consuetudine dijjerunt. nam neque druides habent, qui rebus divinis praesint, neque sacrificiis student. Über das germanische Priestertum vgl. W a i t z 1, 276ff. v. S y b e l 101—8. B r u n n e r l 2 , 171 f. M ü l l e n h o f f 4, 199f. 225. 230. 238. 487. S i c k e l Freistaat 72—85; Zur germ. VG. 43ff. D a h n Könige 1, 80ff. B u r c h a r d Hegung der deutschen Gerichte 2ff. 8. Arnold Urzeit 335ff. S c h e r e r , Anzeiger f. deutsch. Altert. 4, lOOff. M a u r e r Zur Urgeschichte der Godenwürde (Z. f. d. Phil. 4, 125ff.). M ü n c h Nord-germ. Völker 200ff. G r i m m Mythologie4 1, 72ff. 3, 37ff. Mogk Mythologie, in P a u l s Grundriß1 1, 1132. M e y e r Mythologie 192. 10
11
§ ü.
Das Beamtentum und das Gefolge.
35
und der G e m e i n d e v o n d e m H a u s v a t e r oder Geschlechtsältestcn, vom Fürsten, im Staat v o m geblieben;
König besorgt16. es g a b
Gau
unverändert
deren
sieh die K ö n i g e u n d F ü r s t e n bedienten, das P r i e s t e r t u m als solches
siedlung
Islands
ist
des isländischen aus
dem
alten
diese
Gehilfen (goitar),
weltlichen A m t verbunden.
Verbindung
Staates grundlegend Volksadel
priesterliehe
Zu-
stand
aber blieb u n t r e n n b a r m i t d e m
wohl
im
I m N o r d e n ist dieser
auch
bei
der
geblieben, indem
hervorgegangenen
Bei der
ersten
Häuptlinge,
die nur z u m in
Be-
Organisation deren
Teil
Besitz
s i c h d i e E i g e n t e m p e l b e f a n d e n , als G o d e n ( g o i t a r ) P r i e s t e r - u n d H ä u p t l i n g s a m t ( g o i t o r i t ) in i h r e r P e r s o n v e r e i n i g t e n 1 7 . sich die V e r b i n d u n g Kreisen
des
Hauses,
Bei den Südgermanen
erhielt
der geistlichen u n d w e l t l i c h e n A u f g a b e n nur in des
Geschlechts
und
des
Gaues.
Insbesondere
G a u f i i r s t e n w a r e n w o h l n a c h w i e v o r z u g l e i c h P r i e s t e r ( g o t . gudja),
den die
wobei
ihnen Zentenare als Hilfspriester zur Seite g e s t a n d e n h a b e n m ö g e n 1 8 .
Da-
gegen
An-
bekleideten
die weisen F r a u e n ,
w e n n a u c h in n o c h so h o h e m
sehen stehend, keine priesterliche Stellung19.
Anderseits scheint der Mangel sowie das
Be-
dürfnis einer einheitlichen V e r t r e t u n g in den mehrere V ö l k e r s c h a f t e n
um-
einer einheitlichen
staatlichen
S p i t z e in d e n V o l k s s t a a t e n ,
fassenden religiösen V e r b ä n d e n zuerst zur E i n s e t z u n g berufsmäßiger Priester 16
Das vandalischc (nahanarvalische) Königshaus der Hasdingen (Astingen) h a t t e seinen N a m e n w a h r s c h e i n l i c h v o n seiner priesterliehen H a a r t r a c h t (sacerdos muliebri ornatu, G e r m . c. 43) e m p f a n g e n . Vgl. M ü l l e n h o f f 4, 487. 572; Z D A . 12, 347. Ü b e r die N o r d g e r m a n e n L e h m a n n Z R G . 19, 196f. D a ß die inerowingischen K ö n i g e auf r i n d e r b e s p a n n t e n W a g e n z u m Märzfeld f u h r e n , weist w o h l auf e h e m a l i g e P r i e s t e r s t e l l u n g hin. Vgl. G r i m m R A . 2 6 2 f . ; Mythologie 4 75. 554. 17 Vgl. M a u r e r I s l a n d 3 8 — 4 9 ; B e k e h r u n g d. n o r w e g . S t a m m e s 2, 2 0 9 f f . v. A m i r a 3 167; H i s t . V J S c h r . 1906 S. 5 2 7 f f . (gegen B o d e n , Z R G . 37, 148ff.). E i g e n t e m p e l lassen sich a u c h in N o r w e g e n n a c h w e i s e n , w o in christlicher Zeit e b e n s o wie in I s l a n d die E i g e n k i r c h e n a n ihre Stelle t r e t e n . Vgl. M a u r e r A l t n . R G . 2, 6 5 f f . 9 7 f f . ; 4, 8 f f . 18. Bei d e n Angelsachsen h a t t e n a c h einer A n w e i s u n g P a p s t Gregors d. Gr. a n den A b t Mellitus v. J . 601 ( B e d a hist. eccl. 1, 30) die christliche Mission a u s d r ü c k l i c h die A u f g a b e e r h a l t e n , die heidnischen T e m p e l n i c h t zu z e r s t ö r e n , sondern sie n a c h V e r n i c h t u n g d e r d a r i n e n t h a l t e n e n G ö t t e r b i l d e r u n t e r E r r i c h t u n g v o n A l t ä r e n u n d H i n t e r l e g u n g v o n R e l i q u i e n zu christlichen K i r c h e n zu w e i h e n : quia, si fana eadem bene constructa sunt, necesse est, ut a cultu daemonum in obseguio veri dei debeant commutari. D a r a u s ist, d a die Angels a c h s e n n a c h i h r e r B e k e h r u n g e b e n f a l l s d a s E i g e n k i r c h e n s y s t e m a n e r k a n n t e n , zu schließen, d a ß sie in d e r h e i d n i s c h e n Zeit a u c h E i g e n t e m p e l g e h a b t h a b e n . Vgl. M a u r e r a. a. O. 2, 100. L i e b e r m a n n Gloss. 383. Bei a n d e r e n G e r m a n e n sind E i g e n t e m p e l n i c h t n a c h w e i s b a r , d a a b e r in christlicher Zeit a u s n a h m e l o s bei allen g e r m a n i s c h e n S t ä m m e n die E i g e n k i r c h e a n e r k a n n t w a r , so u n t e r l i e g t es k e i n e m Zweifel, d a ß a u c h h i e r die E n t w i c k l u n g v o m E i g e n t e m p e l a u s g e g a n g e n ist. S c h o n T a c i t u s G e r m . 10 k e n n t einen H a u s g o t t e s d i e n s t , d e r , n a c h d e m die G e r m a n e n a n g e f a n g e n h a t t e n , ihren G ö t t e r n T e m p e l zu b a u e n , v o n selbst a u c h z u r E r r i c h t u n g v o n H a u s t e m p e l n f ü h r e n m u ß t e . Vgl. S t u t z G. d. kirchl. B e n e f i z i a l w e s e n s 1, 89 ff. 18 Vgl. S. 46. A h d . Glossen 1, 8 8 f . t r i b u n u s : colinc, ampahtman. Andere Glossen ü b e r s e t z e n d e c a n u s m i t tegangol, t e s t i f i c a r e m i t gölten, G r a f f Ahd. S p r a c h s c h . 4, 151. 153. 19 Vgl. W e i n h o l d D e u t s c h e F r a u e n 2 1, 6 0 f f . M ü l l e n h o f f 4, 2 0 8 f f .
3*
86
Die germanische Urzeit.
geführt zu haben, die dann auch in Königreichen, wo ein Bedürfnis zunächst nicht vorlag, Eingang fanden. Die ostgennanische Benennung des Landespriesters (sacerdos civitatis) ergibt sich aus got. sinisla, burgundisch sinistus, d. h. der Älteste 20 . Uber seine Einsetzung erfahren wir nichts ; wahrscheinlich wurde er von der Landesgemeinde aus dem Kreise der Fürsten, und zwar wohl auf Lebenszeit, gewählt. Wenn er Hilfspriester zu seiner Unterstützung hatte, so können diese ebenso wie die im Norden vorkommenden doch nur einen untergeordneten Charakter, wie Opferdiener, Hüter des heiligen Hains, später auch Tempelhüter, gehabt haben, ohne eine öffentliche Stellung zu bekleiden. Zu den Aufgaben des Landespriesters, teilweise unter Mitwirkung des Königs oder eines der Fürsten, gehörten vor allem die von Staats wegen an die Götter gestellten Fragen, also namentlich Gottesurteile und Weissagung, sowie der staatliche Gebetsund Opferdienst; außerdem fiel die feierliche Hegung der Landesgemeinde und die Wahrung des Friedens in Ding und Heer unter seine Zuständigkeit 2 1 . Insofern war er ein Hüter des Rechts (êicart)22. 2. D a s G e f o l g e . Zu dem altgermanischen Beamtenorganismus, kann indirekt auch das „Gefolge" (die „Gefolgschaft") gerechnet werden, obwohl es auf einem rein persönlichen Verhältnis zu dem Gefolgsherrn beruhte, dem es im Kriege als Leibwache und Stab, im Frieden als ständiges Ehrengeleit diente 23 . Bis in das achte Jahrhundert bildete das Gefolge einen wesentlichen Bestandteil der fränkischen Verfassung, selbst die großenteils aus Germanen zusammengesetzte kaiserliche Leibwache in Rom und Byzanz (die wohl von Caracalla nach germanischem Muster organisierten proieäores) war eine den römischen Verhältnissen angepaßte germanische Gefolgschaft; seit dem 5. Jahrhundert hatten alle höheren Offiziere im römischen Heer ihre eigenen Gefolgsmannen (comités oder, in Ubereinstimmung mit einer westgotischen Bezeichnung, buccellarii)24. Die deutsche wie die französische Dichtung hat die Erinnerung an das Gefolge, nachdem es längst aus dem Leben geschwunden war, noch viele Jahrhunderte bewahrt 2 5 . Während die römischen Schriftsteller das Gefolge und die Ge20 Vgl. § 5 n. 20. W a c k e r n a g e l Kl. Sehr. 3, 380. K ö g e l ZDA. 37, 230. D i e f e n b a c h Got. WB. 2, 212. 21 Tacitus Germ. c. 7 (§ 7 n. 12), c. 10, c. 11 (§ 5 n. 19. n. 2), c. 39, c. 40, c. 43. Über die Entstehungszeit des Landespriesteramts läßt sich nur so viel sagen, daß Cäsar es noch nicht kennt, während Strabo ("f 60 n. Chr.) bereits einen Xùxiav teqtvg erwähnt. 22 Aufzugeben ist die zuerst von R i c h t h o f e n (Unters, frics. RG. 2, 455ff.) aufgestellte Vermutung von dem sakralen Charakter des altgermanischen Rechts und seiner ausschließlichen Überlieferung durch die Priester als Gesetzsprecher. Vgl. H e c k Altfries. GV. 50ff. 62f. v. A m i r a 3 11; GGA. 1883 S. 1064ff. 23 Tacitus Germ. c. 13. 24 Vgl. B r u n n e r Gefolgswesen 84ff. S e e c k a. a. 0 . (S. 32), H e r m a n n Hausmeieramt 57ff. R o s e n s t e i i i Die german. Leibwache der julisch-claudischen Kaiser, FDG. 24, 369ff. D e l b r ü c k G. d. Kriegskunst 2, 416ff. 446. 25 Besonders Beovulf, Heliand, die Nibelungen, die karolingische und britische Heldensage. Vgl. die S. 3f. angeführte Literatur. F l a c h a. a. 0 . 2, 456ff. S t u t z ZRG. 39, 369.
§ 6. Das Beamtentum und das Gefolge.
37
folgsniannen mit comihtlux und comiles (auch dienten) bezeichnen, ergibt sich eine gemeingermanische Benennung aus altsal. druhl, druä (ags. dryht, an. dröll, alul. truht), d. h. Schar, dem got. gadraühts (Krieger), und für den Herrn der Gefolgschaft as. drohlin (ags. dryhlen, an. droltinn, ahd. Imidin), entspricht 28 . Westgermanische Bezeichnungen waren afrk. trudia, eis. gitrost, für den einzelnen Mann antruslio, as. gitrosteo27, ferner „Gesinde", d. h. Reise- oder Kriegsgefährte 28 , vereinzelt ahd. gafolgi29, nordgermanisch hirä (Hausgenossenschaft) und vißerlagh (Gesellschaft), für die Mannen hintmenn und hüskarlar30. Das Gefolge Verhältnis beruhte auf freiwilligem Dielistvertrag zwischen Herrn und Mann, der den Herrn zu Schutz, Unterhalt und kriegerischer Ausrüstung des Mannes und diesen zu völliger persönlicher Hingabe in den Dienst 'des Herrn (ingenuili online, nicht zu knechtischen Diensten) verpflichtete 31 und ein dem Familienbande nachgebildetes gegenseitiges Treueverhältnis begründete 32 . Zum Eintritt in das Gefolge war nur geeignet, wer das Waffenrecht besaß; junge Fürstengenossen wurden schon bei der Wehrhaftmacluing aufgenommen, andere nur aus persönlichen 20
Vgl. E h r i s m a n n , Z. Wortf. 7, 188f. Grimm bei Merkel Lex Salica pg. 9. Möllenhoff 4, 190. K e r n Glossen der Lex Salica 159f. D i e f e n b a c h Got. Wß. 2, 641 ff. 27 Von got. an. traust, ahd. mhd. irost. Vgl. Nibcl. (Lachmann) v. 2266. K l n g e n. d. W. Grimm a. a. O. pg. 6; RA. 943. Möllenhoff bei W a i t z Das alte llecht 294. D i e f e n b a c h 2, 677f. van H e l t e n Zu den malberg. Glossen § 175. 28 Ahd. gesindi, gisind, lang, gasind, ags. gesiit, geslitcund. Ableitung von ahd. sind, ags. slr almmning, thcerce ä kunung jorth olc bonder skogh („ausgenommen, wenn das Allmende ist, woran der König die E r d e und der B a u e r den Wald h a t " ) . Vgl. S. 57. 120. 165. 184. L a m p r e c h t J B . Nat.-Ök. N F . 9, 132. Vgl. E i c h h o r n St.- u. RG. 1, 189. R o t h B W . 74f. 4 8 Vgl. S. 209. Der Zusammenhang des Wildbannes mit dem Bodenregal wird von H e u s l e r a. a. 0 . 1, 370f. und W. S i c k e l Zur G. des Bannes 45ff. bezweifelt. Daß die J a g d in den Allmendewäldern und die Fischerei in den Allmendegewässern a n sich zu den markgenossenschaftlichen Nutzungen gehörte, ist nicht zu bestreiten, aber unbekümmert hierum konnte der König ganze Gaue und Gewässer für sich oder andere einforsten und dadurch J a g d und Fischerei, soweit er sie für sich oder die von ihm Begünstigten vorbehalten wollte, den Markgenossen entziehen. 44
«
4 7 Vgl. B r u n n e r R G . der Urkunde 151—208. L o d g e i. d. Essays in anglosaxon law 91ff. lOOff. S e e b o h m ( B u n s e n ) a. a. O. 109f. L i e b e r m a n n Ags. Gl. 323. 4 0 3 ; W B . 26. 73. V i n o g r a d o f f bei H o o p s 1, 346. 2, 77. S c h m i d Ges. d.
§ 28.
Gruudeigentum.
227
sprach bei den F r a n k e n das durch praeceptum oder testamentum regis ü b e r tragene Briefland 4 8 , das stets auf einer besonderen königlichen L a n d schenkung beruhte, im Gegensatz zu den an ganze Gemeinden zur Ansiedlung eingeräumten Dorffluren, bei denen der einzelne Markgenosse keine Verbriefung erhielt, weil die Niederlassung nach den Grundsätzen der Feldgemeinschaft zu Gesamtrecht erfolgte, der König sich auch regelmäßig das Allmenderegal (S. 225) vorbehielt. E b e n d a r u m bildeten die königlichen Landschenkungen als Verleihungen zu H e r r e n r e c h t einen Gegensatz zu den Ansiedlungen nach Nachbarrecht 4 9 . Zwar k o n n t e königliche E r m ä c h t i gung auch einem einzelnen homo migrans die Niederlassung in einer Gemeinde gewähren (n. 41), in der Regel aber handelte es sich bei L a n d schenkungen des Königs u m die Ü b e r t r a g u n g u n m i t t e l b a r e r Krongiiter oder um herrenloses Wildland, das durch den Begünstigten erst u r b a r gemacht werden sollte, eine Aufgabe, die n a t u r g e m ä ß in größerem U m fang nur von einer Siedlergenossenschaft zu N a c h b a r r e c h t oder von vermögenden, über ausreichende A r b e i t s k r ä f t e verfügenden Personen zu Herrenrecht übernommen werden k o n n t e 5 0 . So standen von vornherein die in den Dörfern auf ihrer H u f e sitzenden Bauern (gibüron) oder Nachbarn (nähgibüron, vicini), mit ihren genossenschaftlichen Einrichtungen, mit Allmende u n d F l u r z w a n g u n d dem Heimfallsrecht der Gemeinde, den von den Gemeinde verbänden mehr oder weniger eximierten Herren geistlichen oder weltlichen Standes gegenüber 5 1 . Der bis dahin nur in den römischen Landesteilen b e k a n n t e Unterschied zwischen Groß- u n d Kleinbesitz gewann auf dem Wege königlicher u n d herzoglicher L a n d schenkungen, innerhalb des Laienstandes aber besonders durch Belehnungen mit Königs- oder K i r c h e n g u t , auch in Austrasien zunehmende Bedeutung. Die G r u n d h e r r e n (potentes, qui per diversa possident) u n t e r schieden sich von den einfachen Hufenbesitzern (minoflidi) der Dörfer Angels. 538. 575ff. K e m b l e ( B r a n d e s ) Sachsen 1, 237ff. K. M a u r e r Kr. Übersch. 1, 107ff. P o l l o c k and M a i t l a n d Hist. of engl, law 1, 38f. V i n o g r a d o f f Folkland, Engl. Hist. Rev. 8, l f f . 48 Vgl. L a m p r e c h t WL. 1, 47. S c h r ö d e r Franken 79. S o h m Frank. R. u. röm. R. 52; Zur G. d. Auflassung (Straßb. Festgabe Thöl 1879) 114f. 116 n. 50. B r u n n e r Landschenkungen 22 n. 1. 49 Vgl. S c h r ö d e r Franken 52f. 78f. G i e r k e Erbrecht u. Vicinenrecht 436ff. Auch L e x Burg. 54, 1 unterscheidet den durch largüas des Königs erworbenen Grundbesitz von dem Landlose (sors), das die Ansiedler auf Grund der hospitalitas erhalten haben. D o p s c h will unter vicini jeweils nur die einzelnen Anrainer, nicht aber die Gemeinde als Gesamtheit verstehen. Aber diese Auffassung ist gegenüber der Bestimmung Ed. Chilp. c. 3 über das Nachbarerbrecht unhaltbar, da ein Erbrecht der Anrainer bei grundherrlichem sowie bei Hintersassenbesitz doch schlechthin ausgeschlossen sein mußte. 50 Seit Karl dem Großen hat die Krone in dieser Richtung auf das umfassendste für den Ausbau des Landes Sorge getragen, während der Ausbau im ldeinen, wie D o p s c h 1, 246ff. nachgewiesen hat, hauptsächlich durch die auf „Besserung" gegebenen Landleihen an Wildland bewirkt worden ist. 61 Vgl. G r i m m D W B . 1, 1176f. 7, 22f. 57.
15*
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Fränkische Zeit.
zu Nachbarrecht 52 auch darin, daß sie nicht wie diese ihr ganzes Besitztum selbst bewirtschafteten, sondern neben dem in Eigenwirtschaft behaltenen Fronhof mehr oder weniger zahlreiche Höfe besaßen, die gegen Zins und Dienste an abhängige Leute verliehen wraren und als mansi vestiti („gewerte Hufen", „Hofweren") je nach dem Stande des Zinsmannes in m. ingenuiles, litiles und serviles unterschieden wurden 53 . Daneben bestanden freiere Leiheformen der im einzelnen sehr verschieden gestalteten Prekarien, zumal die freie Erbleihe, auch Erbpacht- und Teilpachtverhältnisse 54 . Geschlossene Herrengüter, die einen gutsherrlichen Wirtschaftsbetrieb ermöglichten, kamen hier und da vor, zumal bei weltlichen Grundherren, bildeten aber immer eine seltene Ausnahme 55 . In der Regel befand sich der grundherrliche Besitz in größter Streulage, so daß innerhalb eines einzelnen Dorfes die verschiedensten Herren begütert und neben ihrem Besitz noch freie Bauernhöfe in größerer Zahl vorhanden sein konnten 56 . An einer systematischen Verwaltungsorganisation (Villikation), wie man sie früher wohl nach dem mißverstandenen Vorbilde des Capitulare de villis angenommen hatte, fehlte es den Grundherrschaften durchaus. Es gab nur lokale, den örtlichen Bedürfnissen angepaßte Verwaltungen. Den Mittelpunkt einer solchen bildete der Fron- oder Salhof (mansus indominicatus) unter dem Meier (maior, villicüs), der den für den Hausbedarf des Hofes bestimmten Teil der Ländereien, das Salland (terra salicä), bewirtschaftete 57 , die von den Zinsgütern aufzubringenden Zinse ver52 Über minoflidus vgl. S c h r ö d e r Pranken 54 und ZRG. 20, 18. Neuerdings h a t W i t t i c h Freibauern 264—349 (s. § 9 n. 6) seine Theorie von der grundherrlichen Stellung der germanischen Freien auch f ü r die fränkische Periode zu begründen versucht. Aber auch dieser Versuch muß als mißlungen bezeichnet werden, und zwar nicht bloß soweit der Verfasser an die von H e c k aufgestellten Truggebilde (§29 n. 2) anknüpft, sondern ebenso hinsichtlich seiner eigenen Ausführungen. Der in der VJSchr. f. Soz.- u. WG. 4, l f f . gemachte Versuch, die sächsischen Ministerialen des Mittelalters ausnahmslos aus heruntergekommenen altfreien Grundherren zu erklären, verstößt gegen alles, was wir über die Entstehung und das Wesen der Ministerialität aus den Quellen erfahren. 63 „Pflegelose" Hufen (mansi absi), die von ihrem Besitzer verlassen worden waren, wurden in der Regel anderweitig verliehen. Vgl. D o p s c h 1, 258. W a i t z Hufe 44. L a m p r e c h t WL. 1, 750. v. I n a m a - S t e r n e g g l 2 , 172f. 428. B i t t e r a u f a. a. O. Nr. 157. 162. 178. 190. 210. 213. 226. 300. 442. 591. 64 Über Teilbauverhältnisse D o p s c h 1, 252ff. Über die accolae ebd. 249ff. 55 Vgl. D o p s c h 1, 240f. 293f. Auch diese gutswirtschaftlichen Betriebe erstreckten sich meistens nicht auf ganze Dörfer, sondern umfaßten nur eine größere Z a h i i n gedrängterer Besitzlage, übrigens aber in Streulage befindlicher Grundstücke. 56 Es gab nicht wenige Dörfer, in denen sich sechs und mehr Fronhöfe verschiedener Grundherren befanden. Vgl. D o p s c h 1, 240. L a m p r e c h t WL. 1, 753f. 57 Das Salland fiel also, im Gegensatz zu der terra beneficiata, mit der terra indominicata zusammen, doch wurden vielfach auch solche Felder, die später aus der Fronhofswirtschaft ausgeschieden und an Zinsleute verliehen Vörden waren, mit dem alten Namen bezeichnet, ebenso gelegentlich auch solche, die zwar verliehen waren, aber f ü r den Hausbedarf des Fronhofes zu arbeiten hatten. I m weiteren Sinne war terra salica das zu Herrenrecht erworbene und nach Herren-
§ 28. Grundeigentum.
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einnahmte und die von ihnen etwa für den herrschaftlichen Bedarf zu leistenden Arbeiten beaufsichtigte. Überall, wo eine Grundherrschaft so viel Salland und dazugehörige Zinsgüter besaß, daß die Anlage eines Fronhofes wünschenswert und verlohnend erschien, wurde ein solcher errichtet, auch wenn der ihm überwiesene Besitz über eine ganze Reihe von Nachbargemeinden zerstreut lag. Dementsprechend waren die Fronhöfe und das ihrem Eigenbetrieb vorbehaltene Salland von überaus verschiedener Größe. Es gab Fronhöfe mit ausgedehntem, zum Teil geradezu gutsherrschaftlichen Betriebe, und anderseits solche mit ganz minimalem Eigenbetriebe und einem geringen Bestände an Zinsgütern. Die Meier der größeren Fronhöfe gehörten wohl regelmäßig dem Ministerialenstande an und waren mit besonderen Amtslehen ausgestattet 5 8 . Auch die im Mittelalter so verbreitet gewordenen Yermeierungen, d. h. die Verpachtung ganzer Fronhöfe an die Meier, sind schon der Karolingerzeit bekannt gewesen 59 . Die Allmendnutzungen in den gemischten Gemeinden wurden meistens so geregelt, daß den beteiligten Grundherren gewisse Bezirke als Sonderland (S. 209 n. 71) überwiesen wurden. Wo ein einzelner Grundherr die Vorherrschaft hatte, konnte es auch dahin kommen, daß ihm das Eigentum an der Mark zugestanden wurde, die Kleinbesitzer aber nur ein Nutzungsrecht behielten. Das an königlichem Briefland begründete Eigentum war ein beschränktes, aber diese Beschränkungen hatten ihren Grund nicht in dem Bodenregal, sondern in dem Wesen der germanischen Landschenkung überhaupt 60 . Hiernach wurde, wenn nicht ausdrücklich Vererblichkeit und Veräußerlichkeit ausgemacht war, immer nur beschränktes Eigentum übertragen, das der König im Falle schweren Undankes oder, wenn der Beschenkte es nur als Ausstattung eines Amtes erhalten hatte, nach Verlust des Amtes wieder zurücknehmen konnte. Veräußerungen waren dem recht vererbte Land (n. 62). Vgl. Dopsch 1, 232ff. Lamprecht WL. 1, 39. 745ff. v. Inama-Sternegg WG. I 2 , 162. 170; Sallandstudien (S. 217). Brunner l 2 , 309f. Schröder Franken 53; FDG. 19, 149. Waitz 2, 1 S. 284f.; Hufe 48ff. v.Maurer Fronhöfe 1, 256; Einleitung 16f. Gu6rard (S. 217) 483ff. Liebermann Gloss. 103. Das Wort erklärt sich aus „Saal", d. i. eine Halle, ein eine Halle umfassendes Haus, also ein Herrenhaus. Die Ableitung aus dem Volksnamen der Salier ist abzulehnen, ebenso die Gleichstellung mit dem angelsächsischen Volkland und dem nach (salischem) Volksrecht besessenen Lande (Sohm Sächs. Ges. d. W. 1894 S. 164ff.). 58 Vgl. Dopsch 1, 256. 59 Dopsch 1, 254ff. 60 Uber den wahren Charakter der germanischen Landschenkung, namentlich der prinzipiell übereinstimmenden Schenkungen der fränkischen Könige und der bairischen Herzoge, hat erst Brunner BSB. 1885 S. 1173ff. (Forsch, lff.) Licht verbreitet. Meine frühere Ansicht über die Fortdauer des Bodenregals gegenüber dem Briefland ist dadurch berichtigt. Im übrigen vgl. Waitz 2, 1 S. 309—29. 4, 205ff.; Vassallität 71ff. Dahn Könige 8, 2 S. 626ff. Schröder Franken 78ff. Für das nordgermanische Recht Hertzberg (Germ. Abh. f. K. Maurer 1893 S. 283 ff.). K. Lehmann ZDA. 39, Anz. S. 9. Rübel Franken (S. 217) 58. 87. 108. 113.
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Fränkische Zeit.
Inhaber nur mit Genehmigung des Königs oder durch die Hand des Königs gestattet 6 1 . Bei dem Tode des Schenkers oder der Beschenkten bedurfte es einer Erneuerung der Schenkung. E m Erbrecht stand nur den männlichen Abkömmlingen zu; waren solche nicht vorhanden, so trat im Gegensatz zu dem Heimfallsrecht der Gemeinden bei den Hufen zu Nachbarrecht (S. 224), der Heimfall an den König ein 6 2 . Seit der Entstehung des Benefizialwesens wurden diese Landschenkungen der Könige seltener, ohne doch ganz außer Übung zu kommen.
§ 29.
Die Stände.
Vgl. S. 49f. v. A m i r a 3 126ff. F. A n d r e a e Oud-Nederl. bürg, recht 1, 12ff. 35ff. ; Bijdragen I I I (1892). Arnold DG. 2, 2 S. 189ff. v. Below, Vinogradoff u. Lehmann bei Hoops 2, 87f. B i t t e r a u f Trad. v. Freising pag. 74ff. 89f. Boos Liten u. Aldionen 1874. B r i n k m a n n Freiheit u. Staatlichkeit 1912 S. l l f . 14ff. B r u n n e r l 2 , 332—376; Grundz.6 30ff.; Nobiles u. Gemeinfreie, ZRG. 32, 76; Ständerechtl. Probleme, ebd. 36, 193; Freilassung durch Schatzwurf, Hist. Aufsätze f. Waitz 1886 S. 55. C a l m e t t e Rev. hist. de droit 1904 S. 501. Caro Beiträge 1, Nr. 1 u. 3. C h a b e r t Bruchst. einer St.- u. RG. der deutsch-öst. Länder (S. 5). Dahn Könige VII 1 S. 143ff. 243—97. VIII 2 S. 56ff. 204ff. 6 S. 152ff. I X I S. 137ff. 2 S. 108ff. X 88ff. X I 71. X I I 38; DG. 1, 2 S. 441ff.; Gesellsch. u. Staat i. d. germ. Reichen, Hist. Taschenb. 5. Folge 3. v. Daniels Handb. § 140. Dopsch WEntw. (S. 217) 1, 1—91. F u s t e l de Coulanges Monarchie franque 76ff.; L'alleu et le domaine rural 273—360; Recherches 206ff. Gaupp R. u. Verf. d. Sachsen 29ff. 39. 90ff. 218ff.; Gesetz der Thüringer 144—90. 311ff. ; Lex Franc. Cham. 41ff. Gfrörer Zur G. deutscher Volksrechte 2. Gierke Genossensch. 1, 117ff. 121 ff. Glasson Histoire 2, 531ff. Göhrum Ebenbürtigkeit 1, 27—97. Grimm RA. 265—391; Z. gesch. RW. 11, 385ff. Guérard Polyptique de l'abbé Irminon 1, 199—474. Guilhermoz Essai sur l'origine de la noblesse en France 81 Vgl. MG. Cap. 2, 270 c. 12 (auch Regino De synod. causis 1 c. 381). Verordnung Ludwigs des Kindes v. J . 900 (Dronke Cod. dipl. Fuld. Nr. 647): Precipimus et regia nostra auctoritate decernimus, ut omnes Iradiciones seu commutaiiones sub presentibus idoneis testibus fiant et quelibet persona, sive tradens seu accipiens, sibi legitimam faciat confirmationem, regiamque perineal ad noticiam, ne ea quae utrimque tradita fuerint irrita fiant, sed in posterum firma stabilitate permaneant. Die Verordnung bezog sich nur auf Briefland. Zuweilen erteilte der König seine Genehmigung schon vorweg in der Verleihungsurkunde. Veräußerungen vor dem König galten als stillschweigend genehmigt. 62 Vgl. L. Sal. 93 (59): De terra vero salica nvlla in midiere hereditates transiat portio, sed ad virili sexus tota terra proprietatis sui possediat. Siehe auch L. Burg. 1, 3. Die obige Bestimmung der Lex Salica hat später dazu Anlaß gegeben, die auf den Mannsstamm beschränkte Erbfolge als „salisches Gesetz" oder „salische Erbfolge" zu bezeichnen, was man dann auch wohl als altes salisches, durch die Lex Salica bezeugtes Volksrecht aufgefaßt hat. Aber mit dem Volksnamen hat die terra salica (n. 57) überhaupt nichts zu tun. Da der Kleinbesitz zu Nachbarrecht mindestens seit dem Edikt Chilperichs (MG. Cap. 1, 8 c. 3) auch auf die weibliche Verwandtschaft überging, so konnte die auf den Mannsstamm beschränkte Erbfolge nur bei Herrenland platzgreifen, was wieder aus dem Recht der königlichen Landschenkungen hervorging. Vgl. S c h r ö d e r Franken 54f. 79. Gierke Erbr. u. Vicinenrecht 434ff. 441 ff. B r u n n e r a. a. O. (n. 60) S. 1188. 1196f. L a m p r e c h t WL. 1, 44f. Del Giudice N. Studi 70.
§ 29. Die Stände.
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1902. G u t m a n n Soziale Gliederung der Baiern z. Z. des Volksrechts 1906 (Abh. d. Straßb. staatsw. Seminars, vgl. v. S c h w e r i n ZRG. 41, 533). v. H a l b a n Das röm. Recht in d. germ. Volksstaaten 3, 148ff. H e c k Altfries. Ger.-Verf. 223—308; Die Gemeinfreien der Volksrechte 1900 (vgl. v. W r e t s c h k o Deutsche Lit.-Z. 1901 S. 3257. 1902 S. 1402ff. R i e t s c h e l GGA. 1902 S. 92ff.); Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien 642ff. 800ff.; Deutsche Lit.-Z. 1902 S. 687; Ständeproblem, Wergelder u. Münzrechnung, VJSchr. Soz.-WG. 2, 337. 511; ebd. 3, 451. 4, 349. H i l l i g e r (s. § 26 n. 1). J ä c k e l Etheling, Frimon, Friling und Szêremon, ZRG. 40, 275. J a s t r o w Eigentum an u. von Sklaven, FDG. 19, 626. v. I n a m a - S t e r n e g g WG. I 2 , 75ff. 300ff. K e m b l e - B r a n d e s Sachsen 1, 98ff. 131ff. 150ff. K i e n e r VG. der Provence 42ff. 102ff. G. F. K n a p p Grundherrschaft u. Rittergut 79. L a m p r e c h t WL. 1, 51ff. 1146ff. Leo Rectitudines singularum personarum 151ff. L e s e u r Les conséquences du délit de l'esclave, N. Rev. de dr. 1888 S. 576. 657. L i e b e r m a n n Ags. Gl. 662ff. 268. 407ff. 442. 488. 550. 680. 689ff. 707. E. L o e n i n g Kirchenrecht 1, 325. 2, 228ff. K. M a u r e r Wesen d. ältesten Adels 1846; Kr. Übersch. 1, 405ff. 2, 30ff. 423ff. L. v. M a u r e r Fronhöfe 1, 5—112. 265ff. 275ff. 306ff. 318ff. 378ff. E. M a y e r Lex Ribuariorum 131—169; Deutsch, franz. VG. 1, 409ff. 2, 3ff. ; Ital. VG. 1, lff. 48ff. 148ff. 155ff.; Friesische Standesverhältnisse, Festschr. Burkhardt 1910 (vgl. v. S c h w e r i n ZRG. 44, 577ff.); Uradel ZRG. 45, 157ff.; Kr. VJSchr. 31, 164. M ü l l e n h o f f DA. 4, 194ff. 357f. 360f. N a u d e t L'état des personnes en France, Mém. de l'Acad. des inscriptions 1827 S. 401. P a p p e n h e i m Hist. Z. 54, 341. P a r d e s s u s Loi Salique 517ff. P o l l o c k and M a i t l a n d Hist. of engl. law 1, 390-—458. P r o s t Mém. de la soc. des antiq. de France 1873 S. 1—273. R h a m m Großhufe der Germanen 1905 S. 669ff. v. R i c h t h o f e n Zur Lex Saxonum 223ff. 274ff.; Unters, über fries. RG. 2, 1026ff. 3, 53ff. R o t h Feudalität, Abschn. 4. S a u e r l a n d Immunität von Metz 92ff. v. S a v i g n y Beitr. z. RG. des Adels, Berl. Ak. 1836. S c h a u m a n n Z. gesch. RW. 11, 362. S c h m i d Gesetze d. Angelsachsen 527. 543. 566ff. 583. 664ff. 673. S c h r ö d e r Der altsächsische Volksadel u. die grundherrl. Theorie, ZRG. 37, 347. S e e b o h m Tribal custom in anglosaxon law 1902 (vgl. V i n o g r a d o f f VJSchr. Soz.-WG. 1, 128ff. S e e l i g e r Bedeutung der Grundherrschaft (S. 218) 135ff. 177f.; Hist. VJSchr. 1907 S. 321—350. W. S i c k e l Westd. Z. 16, 47ff. S t u t z ZRG. 34, 132ff. 162ff. v. S y b e l Königtum 2 453ff. T a m a s s i a La manomissione ante regem, Nozze PolaccoLuzzatto 1902. T h i b a u l t La question des „Gemeinfreien" pendant la période franque, Mélanges Thévenin 1914. T h o n i s s e n Organisation judiciaire 90ff. V a n d e r k i n d e r e Tributaires ou serfs d'église en Belgique, Bull, de l'Acad. de Belgique 34 Nr. 8 (1897). V i n o g r a d o f f Wergeld u. Stand, ZRG. 36, 123; Zur Wergeldfrage, VJSchr. Soz.-WG. 1905 S. 534; Freilassung i. d. deutsch. Volksrechten, FDG. 16, 599. V i o l l e t Précis historique 213f. 250ff. V o r m o o r Soz. Gliederung im Frankenreich, Leipz. hist. Abh. 1907. W a i t z 2 3 , 1 S. 217—77. 348—83. 3 2 , 148ff. 4 2 , 324—62; Das alte Recht 97 ff. W a l t e r DR G. 2 §§ 384ff. W i l d a Strafrecht 398ff. 652ff. W i t t i c h Freibauern, ZRG. 35, 264ff. 274ff.; Grundherrschaft in Nordwestdeutschl., Anlage S. 108ff. ; Hist. Z. 77, 45. Y a n o w s k i De l'abolition de l'esclavage au moyen âge 1860. Z e u m e r Beerbung der Freigelassenen, FDG. 23, 189. Z ö p f l Alt. 2, 178ff.; Euua Chamavorum 13ff.
Die ständischen Verhältnisse hatten sich unter dem Einfluß der politischen und wirtschaftlichen Wandlungen erheblich verändert. Der alte Geschlechtsadel, der seinen Stammbaum noch von den Göttern ableitete (wie die Merowinger von einem Meergott), vermochte dem fränkischen Königtum gegenüber seine Eigenart nicht zu behaupten, er verschmolz mit der neuen Aristokratie des Dienstadels, den nicht die Geburt, sondern die Ehre des Königsdienstes über die anderen Klassen erhob. Die salischen
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Fränkische Zeit.
Franken haben schon zur Zeit Chlodovechs außer dem königliehen Geschlecht der Merowinger keinen Adel mehr gekannt, und dasselbe war bei den Ribuariern nach dem Aussterben ihres Königshauses der Fall, nur bei den Chamaven hat der germanische Adel vielleicht seine hervorragende Stellung bis in die Karolingerzeit behalten 1 . Zum Teil in großer Zahl begegnen wir den alten Edelingen bei allen außerfränkischen Stämmen, und es kann nur als eine haltlose Hypothese bezeichnet werden, wenn einzelne Forscher die Edelinge des friesischen, sächsischen und anglowarnischen Rechts für Gemeinfreie erklären und in den Frilingen ( i n g e n u i , liberi) nur sippelose Freigelassene und unehelich Geborene erblicken wollen 2 . Die Edelinge waren durchweg, namentlich bei den Sachsen, durch höheres Wergeid lind eine entsprechend höhere Buße vor den Gemeinfreien ausgezeichnet 3 . Bei den Sachsen liegen unverkennbare Spuren einer von den Edelingen über einen Teil der Freien und Liten ausgeübten Schutzherrschaft vor 1 . Man hat in den sächsischen Edelingen wohl Angehörige der alten, im Laufe der Zeit zu erblicher Gewalt gelangten Fürstengeschlechter zu sehen, die durch Karl den Großen zwar ihrer hoheitlichen Stellung entkleidet, aber doch im Besitz gewisser Herrscherrechte belassen 1
Der vielumstrittene Francus oder homo Francas der Lex Chamavorum, der durch bedeutenden Grundbesitz (c. 42), das dreifache Wergeid und die dreioder anderthalbfache Buße der Gemeinfreien (c. 3f. 7. 17—21) hervorragte, ist vielleicht als ein Edeling im Sinne des germanischen Uradels aufzufassen. Vgl. B r u n n e r l 2 , 350f. v. M ö l l e r MJÖG. 23, 217ff. H i l l i g e r Schilling der Volksrechte 483; Schillingswert der Ewa Chamav. 522. Sohra MG. Leg. 5, 271 n. 2. R o t h Feud. 223. D o p s c h 2, 76. 2 Nachdem S c h a u m a n n unter willkürlicher Behandlung der Quellen den Anfang gemacht und von J a c . G r i m m die gebührende Abfertigung erhalten hatte, ist ihm in gleicher Richtung und mit gleichen Auslegungskünsten H e c k auf diesem Gebiete gefolgt. Über die Wertlosigkeit seiner Gründe vgl. die S. 230 f. angeführten Ausführungen von B r u n n e r , H i l l i g e r , S c h r ö d e r , V i n o g r a d o f f , v. W r e t s c h k o u. a. m., ferner D o p s c h 2, 52ff. F. A n d r e a e 1, 12ff. 3 Vgl. n. 1. Nach altalamannischeni und mittelfriesischem Recht hatte der Edeling das anderthalbfache Freienwergeld, das doppelte bei Baiern, Burgunden, Ost- und Westfriesen, Langobarden, das dreifache bei den Anglo-Warnern und in Kent (Hlothar u. Eadric c. 1. c. 3). Die sechsfachen Büß- und Wergeidtaxen des sächsischen Adels beruhten vielleicht auf einer erst unter Karl d. Gr. eingeführten Erhöhung der früheren Sätze, nachdem der Adel seinen Frieden mit Karl gemacht und das Christentum angenommen hatte, dadurch aber des Schutzes gegen die eigenen Volksgenossen bedürftig geworden war. H e c k beruft sich für seine Ansicht, unter lebhafter Zustimmung R i e t s c h e l s , besonders auf Cap. Sax. v. 797 c. 3 (Cap. 1, 71), übersieht aber, daß es sich hier nicht um die ständisch abgestufte Buße des Verletzten, sondern um den nach dem Vermögen der Zahlungspflichtigen abgestuften Grafenbann handelt. Daß das Vermögen der Gemeinfreien nur wenig höher, als das der Liten, eingeschätzt wurde, war nur natürlich. * Der Uber homo qui sub tutela nobilis cuius libet erat in L. Sax. 64 beweist nur, daß es auch bei den Sachsen, ebenso wie bei den Franken, Gemeinfreie gegeben hat, die sich unter eine Schutzherrlichkeit begeben hatten, keineswegs aber, wie H e c k annimmt, daß dies bei allen der Fall gewesen sei. Vgl. B r u n n e r Nobiles u. Gemeinfreie 102. D o p s c h 2, 57.
§ 29. Die Stände.
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und auch sonst vielfach ausgezeichnet wurden. Auch die fünf baierischen „Geschlechter" (genealogiae), die neben dem Herzogshause der Agilolfinger bestanden und zu dem halben Wergeid der letzteren, dem doppelten der Gemeinfreien, angesetzt waren, sind wohl aus alten Herrschergeschlechtern hervorgegangen, die durch die Bildung des baierischen Stammesreiches oder erst durch seine Unterordnung unter das fränkische Reich mejliatisiert sein mochten 5 . Der gallische Geburtsadel war schon in der römischen Zeit in den Dienstadel aufgegangen 6 . Bei den Alamannen ist von dem noch um die Zeit Chlothars I I hervortretenden Geburtsadel etwa zwei Jahrhunderte später keine Spur mehr vorhanden 7 . Da durch den jedem Stande zugänglichen Königsdienst Wergeid und Buße des Geburtstandes verdreifacht wurden 8 , so stand der freie Franke, wenn er in der Trustis oder im Hofdienst angestellt war oder ein höheres Staatsamt bekleidete, mit seinem Wergeid von 400 sol. (nebst 200 sol. als fredus) weit über allen Edelingen der übrigen Stämme, nur das hohe Wergeid des sächsischen Adels (1440 sächsische oder 960 fränkische Schillinge) machte eine Ausnahme. Der Beamtenaristokratie, zu der auch die Bischöfe gehörten, stellte sich die Klasse der Grundherren, mit Einschluß der Kronvassallen, zur Seite. Während die Grundherren in den römischen Provinzen durch ihre Zahl wie ihren Reichtum von vornherein außerordentlich ins Gewicht fielen, standen in den deutschen Gebieten den bäuerlichen Kleinbesitzern zunächst nur die Edelinge mit ihren Stammgütein gegenüber. Aber auch hier zeigte sich alsbald die ausgleichende Kraft des Königtums: zwischen den Kleinbesitz zu Nachbarrecht und das Volkland oder Königsland auf der einen und das Adelsgut auf der anderen Seite schob sich das königliche Briefland; zwischen die bäuerlichen Kleinbesitzer (minoflidi, minores) und den Stammesadel traten die neuen Grundherren als Mittelfreie (mediani, medii, mediocres)9. Kein Wunder, daß der früher ausschließlich auf die Geburt gegründete Gegensatz in Vergessenheit geriet und innerhalb des Kreises der Grundherren zwischen Edeln und Nichtedeln nicht weiter unterschieden wurde. Zwar die durch ein höheres 6
Vgl. Merkel Adelsgeschlechter im baier. Volksrecht, ZRG. 1, 255ff. Waitz 2, 1 S. 371f. Riezler, G. Baierns 1, 122ff. Die in baierischen Urkunden seitdem 9. Jahrh. vorkommenden nobiles scheinen nur durch Amt oder Besitz hervorragende Freie gewesen zu sein. Vgl. Bitterauf a. a. O. 1, pag. 78f. Dopsch 2, 67ff. • Vgl. Waitz 2, 1 S. 368f. 7 Vgl. Waitz 2, 1 S. 370f., der darauf aufmerksam macht, daß sich auch der burgundische Adel schon zur Zeit der Lex Burgundionum im Übergang vom Geburtsadel zur Berufsaristokratie befunden haben muß. Vgl. n. 9f. 8 Vgl. S. 126. 134. 138. 145. 149. 159. 174. » Vgl. S. 227. Schröder ZRG. 15, 54. 20, 18f. Brunner l 2 , 343ff. Nach L. Burg. 2, 2 betrug das Wergeid des optimus nobilis 300 sol., das der mediocres (L. Burg. 101 levdes) 200 sol. und das der minores 150 sol. In derselben Abstufung nennt Pact. Alam. 2, 36—40 den primus Alamannus mit 240 sol., den medianus Alamannus mit 200 sol. und den minoflidus mit 160 sol., während die L. Alam. 60 (68) nur noch den medius mit 200 soL und den liber mit 160 sol. kennt.
Fränkische Zeit.
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Wergeid gegenüber den Gemeinfreien ausgezeichneten Mittelfreien der Burgunden und Alamannen sind wohl noch eine geringere Klasse des alten Volksadels gewesen 10 , aber auch die aus den Gemeinfreien hervorgegangenen Grundherren, die über ihre Hintersassen hoheitliche Hechte in Heer und Gericht ausübten, wurden, wenn auch ohne die Auszeichnung d$s höheren Wergeides, neben den höheren Beamten zur ersten Klasse der Untertanen gerechnet, der nur noch die Erblichkeit fehlte, während sie im übrigen als Aristokratie durchaus an die erste Stelle getreten war, den Adel in sich aufgenommen hatte und selbst alle Keime zur Erblichkeit und somit zu einem neuen Geburtsadel in sich trug. Man bezeichnete die Mitglieder des ersten Standes mit Vorliebe, wenn auch untechnisch, mit dem einfachen Volksnamen, zumal als „Franken" 1 1 , oder als die „Leute" (leudes) 12 , sonst hießen sie auch proceres, primates, primores, principes, optimales, meliores, magnates, maiores natu, seniores, potentes13. Das Wort nobilis hatte bei den Franken seine technische Bedeutung verloren. Wo es ausnahmsweise gebraucht wurde, bezeichnete es bald, wie in baierischen Urkunden (n. 5), den durch Besitz und soziale Stellung Hervorragenden, bald auch den einfachen, in voller Unabhängigkeit gebliebenen Bauern, also gleichbedeutend mit ingenuus, Uber, bonus horno (später Biedermann)1*. Andererseits wurden diese freien Kleinbesitzer doch wieder als minoflidi, minores, pauperes, bargildi, bargildiones den Großen gegenübergestellt 15 . Die Gemeinfreien bildeten auch in der Karolmgerzeit immer noch den Kern und die große Mehrzahl der Bevölkerung. Die früher vorherrschende 10
Vgl. v. A m i r a 3 129. B r u n n e r l 2 , 345. Daher die Wendung „frank" = „frei". Vgl. n. 1. K l u g e u. d. W. W a i t z 2, 1 S. 272f. 4, 325f. 12 Vgl. § 12 n. 45. W a i t z 2, 1 S. 348ff. Müllenhoff DA. 4, 188. Eine ältere Ansicht nahm levdes als technische Bezeichnung der königlichen Getreuen, namentlich der Empfänger von Königsgut. 13 Vgl. W a i t z 2, 1 S. 363f. 4, 326ff. 14 Vgl. ebd. 4, 329ff. H e c k Gemeinfreie 77—107. llOf. D a h n Könige 9, 2 S. l l l f f . 124f. B i t t e r a u f a. a. O. pag. 77f. D o p s c h 2, 61ff. 15 Bargilden (westfäl. bergeldi, bergildi, afries. berielda), die Biergelden des Sachsenspiegels, werden zuerst in einem Kapitular Karls d. Gr. (Cap. 1» 185 c. 4) genannt, sodann in einem solchen Lothars v. 825 für Italien (1, 325 c. 3), wo das Wort demnach ebenfalls bekannt war. Die Wortbedeutung war „Abgabenzahler", da die Bezeichnung aber nur auf freie Leute angewendet wurde, so bedeutete sie, im Gegensatz zu den privilegierten Grundherren, die königszinspflichtigen Freien, also die freien Kleinbesitzer, später insbesondere die Heersteuer- und Grafenschatzpflichtigen gegenüber dem Bitterstande. Erst in abgeleitetem Sinne verwendete das Ed. Pist. v. 864 (2, 324 c. 32) und der friesische Sprachgebrauch das Wort zur Bezeichnung der Dingpflichtigen eines bestimmten Gerichts. Vgl. B r u n n e r l 2 , 354. van H e l t e n Z. f. WF. 7, 276f. v. Amira 3 , 136. D a h n Könige 9, 2 S. 139. Gengier Rechtsdenkm. 687 n. 39. H e c k Biergelden (Festg. Dernburg 1900); Der Sachsenspiegel u. die Stände 418ff. 839ff. H e n n e r Herz. Gewalt d. Bisch, v. Würzburg 84ff. E. Mayer VG. 1, 41. 410; Z. f. GW. 1, 182ff. v. R i e h t h o f e a Altfries. WB. 626. S t u t z ZRG. 34, 127ff. W a i t z 4 2 , 331f. 411 n. 5 2 , 319ff 7, 163. Z ö p f l Altert. 2, 148ff. 11
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und auch von uns vertretene Annahme einer massenhaften Aufsaugung des Freienstandes durch die Grundherrschaften hat gegenüber der neueren wirtschaftsgeschichtlichen Forschung nicht standgehalten16. Neben den freien Bauern, deren Besitz meistens drei Hufen und mehr umfaßte, gab es zahlreiche Freie, die sich in einer losen, ihre Freiheit kaum beeinträchtigenden Abhängigkeit befanden. So vor allem die zum Teil aus Personen der höchsten Kreise hervorgegangenen „Zensualen" der Kirchen und Klöster, die aus religiösen Gründen sich, häufig mit Einschluß ihrer Nachkommen, mit einem geringen Zins an den Altar belastet hatten. Da dieser Zins vielfach in Wachs, zur Herstellung von Altarkerzen, bestand oder dafür bestimmt wurde, so wurden sie auch als „Wachszinsige" (caerocensuales) bezeichnet. Auch die große Mehrzahl der kirchlichen Prekarien beruhte nicht auf hofrechtlicher Zinsleihe (precaria data), sondern auf einem Auftrage zu Zinsrecht (precaria oblata), wobei dem Tradenten meistens nur ein geringer Anerkennungszins, aber keine Dienstpflicht auferlegt wurde. In der Regel erfolgte die Verleihung auf mehrere Leiber, oft schlechthin als freie Erbleihe, auch wohl mit Vorbehalt des Rückkaufs. Nicht selten mußte dem Tradenten mehr verliehen werden, als das von ihm Geschenkte (precaria remuneratoria), während anderseits die Tradenten keineswegs immer ihren gesamten Besitz schenkten, sondern häufig einen Teil als freies Eigen zurückbehielten. Von einer Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit konnte bei allen diesen Traditionen keine Rede sein, da die Immunität des Grundherrn ein öffentliches, nur im Namen des Staates und unter dessen Aufsicht geübtes Recht war, das keine Privatabhängigkeit, insbesondere keine Beschränkung der Freizügigkeit, mit sich brachte. Dies war selbst bei der hofrechtlichen Zinsleihe, der keine Tradition vorangegangen war, der Fall, auch die Inhaber der mansi ingenuiles wurden als Freie und ihre Dienste als Dienste eines freien Mannes behandelt17, wenn es auch in der Natur der Sache lag, daß ihre wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit vom Herrn Freiheitsbeschränkungen mit sich bringen konnte, die eine Annäherung dieser Klasse an die Hörigen anbahnen mußten. Dies war insbesondere bei denen der Fall, die sich in Schutzhörigkeit begeben hatten. Endlich gab es zahlreiche freie Lohnarbeiter (Gäste, hospites, advenae, adventicii) ohne Grundbesitz und ebenso zahlreiche Landsiedler (accolae), denen Wildland zur Rodung übergeben wurde, und die dann die „Besserung" zu Leiherecht auf Widerruf (nach Art des späteren Freistifts) behalten durften18. 1S Vgl. besonders D o p s c h 1, 16—21. 95. 183ff. 2, lff. Auf dem richtigen Wege waren schon v. B e l o w , Caro, B i t t e r a u f , S e e l i g e r , W i t t i c h , ß i e t s c h e l u. a. m. 17 Vgl. B r u n n e r l 2 , 352. W a i t z 4, 336 n. 1. B i t t e r a u f a. a. O. Nr. 366 (816): duas colonias , qvarum una cum servo ad servitium est parata, in alia vero habital Uber homo et liberum, ex ea facit servitium,. Nr. 343 (815): in eadem ipsa colonia habitat homo liber , si iam dictam coloniam habere voluisset, per singulos annos censum inde redderet , alioquin dimittat ipsam coloniam. 18 Vgl. D o p s c h 2, 82ff. 352. 1, 249ff.
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Die U n f r e i e n gehörten rechtlich auch jetzt noch ausschließlich in die Privatrechtssphäre ihres Herrn und nahmen keinen Teil am staatlichen Leben 19 , aber sie genossen bereits einen gewissen strafrechtlichen Schutz, und ihre Tötung wurde fast allgemein nach bestimmten Ansätzen, die sich mehr und mehr dem Begriff eines wirklichen Wergeides näherten, und nicht mehr nach ihrem individuellen Sachwert gebüßt 20 . Das Dreifache an Buße und Wergeid galt für die Königs- und Kirchenknechte (servi regis, s. fiscales, s. ecclesiae), die sich insofern desselben Privilegs wie die königlichen und zum Teil auch die kirchlichen Beamten erfreuten. In der Karolingerzeit wurden sie von den Hörigen nicht mehr unterschieden; die Unfreien und Hörigen auf den Krongütern bildeten seitdem die einheitliche Klasse der Fiskalinen 21 . Die erste Stelle unter den Königsknechten nahmen die im persönlichen Dienst des Königs befindlichen Ministerialen (pueri regis) ein, die selbst zur Aufnahme in die Trustis und zu höheren Ämtern gelangen konnten 22 . Aber auch unter den Unfreien der Großen bildeten die Mitglieder der Hausdienerschaften (vassi, ministeriales, pueri, famuli) eine bevorzugte Klasse 23 . Sie wurden großenteils für den persönlichen Dienst in den dem Königshof nachgebildeten vier Hofämtern (S. 148), unter der Vorsteherschaft eines maior oder seniskalk, ebenso aber auch zu andern höheren Diensten, so zur Beaufsichtigung einzelner Wirtschaftszweige (als Förster, Meier u. dgl.) oder als reisiges Gesinde zu Botschaften, Schutzgeleiten, auch wohl zu Polizeiund Bütteldiensten verwendet 24 . Besonders wertvoll waren diese Reisigen für ihren Herrn bei seinen Fehden, auch auf Heerfahrten des Reiches ließ er sich von solchen begleiten 25 . In der Karolingerzeit konnten sie Vassailen werden und Benefizien empfangen 26 . Eine andere Klasse unter den Unfreien bildeten die geschulten Handwerker (artíf ices), Jäger, Winzer u. a. m. 27 . Die übrigen Unfreien waren, entsprechend der altgermanischen 19
Tötungsrecht des Herrn: Gregor. Tur., Hist. Franc. 3, 15. Vgl. B r u n n e r l 2 , 369. J a s t r o w Zur strafrechtl. Stellung der Sklaven (Gierke U. 2). In den älteren Teilen der L. Fris. (1, 11. 4, 1) ist noch der einzelne Sachwert maßgebend, während 15, 4 bereits das halbe Litenwergeld zugesteht. 21 Vgl. W a i t z 2, 1 S. 227f. 4, 347ff. B r u n n e r l 2 , 375. 22 Am Hof der Baiernherzöge scheinen ihnen die „Adelschalke" entsprochen zu haben. Vgl. B r u n n e r l 2 , 375. Die Lex Rib. 53, 2 kennt noch pueri regis als Grafen. Seit dem Pariser Edikt v. 614 c. 12 waren solche nicht mehr zulässig. 23 Über das Folgende B r u n n e r l 2 , 371ff. 21 Vgl. B i t t e r a u f a. a. O. Nr. 1033 (899): Ipsi — filii sui ex parle matris suae de servili genere erant procreati, et ob hoc — pater Worum ipsam traditionem proprietatis sue peregit, ut ipsi filii sui —• — possiderent easdem res ac honorabili in curte episcoporum obsequio deservirent. Ebd. Nr. 608 (835): et caballum euum habecU ad servitium sanctae Marie. 25 Vgl. § 23 n. 2. B r u n n e r l 2 , 373f. 2, 211. Bewaffnete Reisige Greg. Tur. a. a. O. 7, 46. 26 Cap. miss. v. 786—792 c. 4 (Cap. 1, 67): servi qui honorati bénéficia et ministeria tenent et in bassattatico honorati sunt. 2 ' Vgl. S e e l i g e r Hist. VJSchr. 1907 S. 337ff. 20
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Sitte, die auch in den römischen Landesteilen allgemein Eingang gefunden und die Latifundien mit ihren ausgedehnten Sklavenwirtschaften gesprengt hatte, zum größten Teil als servi casati, s. benefieiales, mancipia in hobis oder mansuarii gegen Zins- und Dienstpflicht auf eigener Scholle (mansi serviles) angesiedelt. Ihre Fronarbeit war eine gemessene und beschränkte sich auf bestimmte Tage in der Woche; die übrige Zeit gehörte ihnen, so daß sie, namentlich wenn sie zugleich ein Handwerk betrieben, auch in der Lage waren, eigenes Vermögen zu erwerben28. Häufig traten unfreie Leute in den geistlichen Stand und wurden dann von ihren Herren zur Bedienung ihrer Eigenkirchen angestellt; seit Ludwig d. Fr. war ihnen zwar die priesterliche Ordination verschlossen, aber soweit es einer solchen nicht bedurfte, konnten unfreie Kleriker auch ferner an den Eigenkirchen verwendet werden (S. 157). Während die mansuarii mehr und mehr, als glebae adscripti, wie unbewegliche Sachen behandelt wurden und nur mit ihrem Hofgut veräußert werden konnten, galten die unangesiedelten Hofknechte (mancipia intra curtem, mancipia salica, proprii, iuniores, ags. ßeoiv) mit ungemessener Dienstpflicht als bewegliche Sachen und konnten als solche frei, nur nicht außerhalb der Provinz oder außer Landes veräußert werden29. Diese unterste Klasse der Knechte kam auch auf den Höfen unfreier Bauern, die selbst wieder solche *Leute in ihrem Vermögen besitzen konnten, vor. Begründet wurde die Unfreiheit nicht mehr durch kriegerische Unterwerfung, wohl aber durch Kriegsgefangenschaft, durch Abstammung von einem unfreien Vater oder einer unfreien Mutter30, durch Verheiratung einer Freien mit einem Unfreien, unter Umständen durch Verknechtung zur Strafe31. In Notfällen konnte der Hausherr auch noch in dieser Periode Frau und Kinder in die Knechtschaft verkaufen82. Von besonderer Bedeutung war die durch Gerichtsurteil oder freiwillige Ergebung des zahlungsunfähigen Schuldners herbeigeführte Schuldknechtschaft33. Dabei hielten die Yolksrechte nur noch zum Teil an der Strenge des alten Rechts, das den völligen Verlust der Freiheit eintreten ließ, fest; zum 28
Vgl. Gu6rard a. a. O. 304ff. K o e h n e VJSchr. Soz.-WG. 1906 S. 186ff. Vgl. Seebohm Englische Dorfgemeinde 108. D o p s c h 2, 49. Die Immobilisierung der servi casati ist zuerst in Westfranken zur Ausbildung gelangt und hat sieh von da aus schrittweise weiter verbreitet. Dem sächsischen und thüringischen Recht war sie noch unbekannt. Vgl. Brunner l 2 , 370f. 30 Bei Mischehen konnte der Herr durch carta concidcatoria die Freiheit der Kinder zusichern. Vgl. Dopsch 2, 40ff. 31 Vgl. Wilda Strafrecht 517f. W a i t z 2, 1 S. 230. Walter RG. 2, 31. Ed. Idutpr. 121. Über verfallene Geiseln als Staatssklaven s. n. 38. 32 Vgl. n. 35. Brunner l 2 , 100. 102. 33 Vgl. Korn De obnoxiatione et wadio antiquissimi iuris Germanici 1863. Kohler Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz 20ff. 53ff. Maurer Schuldknechtschaft nach altnord. Recht, MSB. 1874 (vgl. Brinz Kr. VJSchr. 16, 588ff.), v. Meibom Pfandrecht 33f. Wilda Strafrecht 5J6f. S t o b b e Zur G. d. deutsch. Vertragsrechts 179f. W a i t z 2, 1 S. 246f. 4, 338f. 520. Heusler 1, 103. Brunner 2, 442f. 477ff. W. Sickel Westd. Z. 15, 151.
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Teil nahmen sie schon den besonders von der Kirche betonten, durch die karolingische Gesetzgebung allgemein anerkannten und auch im norwegischen Recht vertretenen Standpunkt ein, daß die Schuidknechtschaft durch Zahlung der Schuld wieder aufgehoben werde, also nicht die Aufhebung, sondern nur eine Verpfändung der Freiheit bedeute 34 . Noch weiter ging das baierische Recht, das die Schuldknechtschaft nur bis zur Abarbeitung der Schuld dauern ließ, das Pfandverhältnis demnach als eine Art Totsatzung auffaßte 3 5 . Die Quellen wissen auch von einer begrenzten Verpfändung der Freiheit, wobei der Schuldner sich nur für bestimmte Wochentage zu Diensten verpflichtete 3 6 . Die Ergebung in Knechtschaft (obnoxiatio), die auch durch andere Notlagen veranlaßt sein konnte, wurde durch einen Ergebungsakt von Seiten des Knechts und einen Besitzergreifungsakt von seiten des Herrn vollzogen 37 . Anders waren die Formen bei Vergeiselungsvertragen, da der Geisel zunächst nicht in die Knechtschaft, sondern nur in die Gewahrsam (custodia, fides) 34 Die Langobarden und Westgoten kannten strenge Sehuldkncchtschaft nur noch bei höheren Kompositionen, bei geringeren gestattete Liutprand die nachträgliche Lösung, während das Westgotenrecht statt der Verknechtung Prügelstrafe anordnete. Vgl. Liutpr. 63. 121. 152. L. Wis. 6, 4 c. 2. Rib. Kapitular von 803 c. 3 (Cap. 1, 117): Homo ingenuus, qui multa qualibet solvere non potuerit et fideiussores non habuerit, liceat ei semetipsum in wadium ei, cui debitor est, mittere, usque dum multa, quam debuit, persolvat. MG. Cap. 1, 51, c. 19. 114, c. 8. 160, c. 3. 166, c. 1. 281, c. 2. Form. Marc. 2, 28 (Zeumer 93). Cartae Senonicae 4 (ebd. 187). 35 L. Baiuw. 2, 1: si vero non habet, ipse se in servitio déprimât et per singulos menses vel annos, quantum lucrare quiverit, persolvat cui deliquit, donec debitum Universum restituât. Ebd. 1, 10: si non habet tantum pecuniam, se ipsum et uxorem et filios tradat ad ecclesiam illam in servitio, usque dum se redimere possit. Siehe auch Ed. Aregisi c. 6. 36 Vgl. Form. Andec. 38 (MG. Form. 17). Form. Marc. 2, 27 (ebd. 93). Cartae Senonicae 3 (ebd. 186). 37 Vgl. Du Cange Glossarium, s. v. obnoxiatio. Form. Wisig. 32 (Form. 569). Andecav. 2. 3. 19. 25 (ebd. 6. 10. 12). Arvern. 5 (ebd. 31). Turon. 10 (ebd. 140). L. Baiuw. 7, 4. L. Alam. 1, 1. Leg. Eurici c. 300. Nach L. Wisig. 5, 4 c. 10 sollte die freiwillig eingegangene Knechtschaft stets lösbar sein. Eine Form der Ergebung bestand darin, daß der Mann seine Freihalsigkeit aufgab, indem er den Nacken unter die Hand, den Arm oder Gürtel des Herrn oder unter das Glockenseil beugte und der Herr ihn bei den Haaren ergriff. Vgl. Form. Bignon. 27 (Form. 237) n. 1. K o r n a. a. O. 15f. Grimm RA. 147. 328. v. Amira Handgebärden 249. Sohm R. u. GV. 550 n. 15. L i n d n e r Verne 389 (Beispiel v. 1353). Daß es sich dabei nicht, wie bei der Adoption, um ein Abschneiden, sondern um ein Ergreifen bei den Haaren handelte, folgt u. a. aus Cod. dipl. Cavensis 1 Nr. 106 (894): per capillis capitis sui se ipso T. conprendre fecimus. Bei den Franken war es später üblich, daß sich der Ergebende vier Denare auf seinen Kopf legte (vgl. B r u n n e r Hist. Aufsätze f. W a i t z S. 65f.), womit sich die indische Sitte, einen Strohhalm auf den Kopf zu legen (vgl. K o h l e r Z.Vgl.RW. 6, 199f.), vergleichen läßt. Zeichen der Verknechtung war die Anlegung von Fesseln. Vgl. L. Rib. 72, 1. Tacitus Germ. c. 24. 39. W a i t z 1, 423. v. Amira Vollstreckungsverf. 341. Über Versuche Karls d. Gr., die Ergebung Freier in Knechtschaft oder Hörigkeit zu beschränken, vgl. W. S i c k e l Westd. Z. 15, 166f. Über Autotraditionen aus religiösen Gründen Dopsch 2, 9ff.
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des Empfängers gegeben wurde. Erst wenn die durch den Vergeiselungsvertrag sichergestellten Verpflichtungen nicht erfüllt wurden, verlor der Geisel seine Freiheit; auch der Geisel war Pfand, wie nach dem neueren Recht der Schuldknecht, aber nicht Nutzpfand, wie dieser, sondern Verfallpfand 3 8 . Die K n e c h t s c h a f t endigte in gewissen Fällen durch die aus dem römischen Recht entlehnte 30jährige Freiheitsersitzung 3 9 , oder zur Strafe für den Herrn, im übrigen nur durch Freilassung, doch erhielt der Freigelassene, von den u n t e n hervorzuhebenden Ausnahmen abgesehen, nur die Rechte eines Hörigen. In der Stellung der Halbfreien oder H ö r i g e n h a t t e sich eine wesentliche Änderung gegenüber der vorigen Periode vollzogen. Die alten Staatshörigen (S. 52ff.) waren verschwunden; zum Teil waren sie durch die Einverleibung in das fränkische Reich zu freien, nur königszinspflichtigen Untertanen geworden; zum Teil mag es auch den Beamten im Laufe der Zeit gelungen sein, die früher dem S t a a t zustehende Gewalt über die Hörigen f ü r sich zu erwerben, wodurch sie, namentlich wenn sie auf andere weiter übertragen wurde, einen privaten Charakter annehmen mußte. Auch die Stellung der in den römischen Landesteilen vorgefundenen Koloncn (tributarii) verlor den öffentlichrechtlichen Charakter, indem sie mit den übrigen Halbfreien verschmolzen 4 0 . Den bedeutendsten Zuwachs erhielt die Klasse der Halbfreien aber durch die Umbildung der privaten Freilassung, die zwar ihren widerruflichen Charakter (S. 52) verlor, aber dem Freigelassenen, wenn sie durch bloße Zustellung eines Freibriefes, unter Vermeidung der volleren Formen, erfolgte, nur die Rechte eines Hörigen gewährte 4 1 . Die Bezeichnung der Hörigen war nach Gegenden verschieden. ,,Aldien" hießen sie bei den Langobarden und Baiern, bei den letzteren wohl auch „Barschalke" (d. i. Freiknechte) und „ B a r l e u t e " 4 2 , ferner „ L i t e n " , „ L e t e n " , „ L a t e n " , „Lassen" bei den Franken, Alamannen, Friesen, Sachsen und Thüringern 4 3 . Alle Hörigen standen unter Volks38 Vgl. S. 68. Greg. Tur., Hist. Franc. 3, 15: Multi tunc filii senatorum in hac obsidione dati sunt, sed orto iterum inter reges scandalum, ad servicium publicum sunt addicti ; et quicumque eos ad costodienduyn accepit, servus sibi ex his fedi. 39 Vgl. D o p s c h 2, 41. 40 W a i t z 2, 1 S. 239ff. B r u n n e r l 2 , 357f. S i c k e l GGA. 1896 S. 274ff. 41 Vgl. D o p s c h 2, 48f. 42 Baierische aldiones bei B i t t e r a u f a. a. O. Nr. 46. 50. 58. 63. Über Aldionen in den slavischen Gebieten zwischen Elbe und Saale W a i t z 5 2 , 220. Ob die liberi homines qui dicuntur barscalci ( B i t t e r a u f Nr. 523, vgl. auch Nr. 193*. 679) Hörige, oder nicht vielmehr freie Vogteileute waren, bedarf noch näherer Untersuchung. Vgl. n. 53. v. A m i r a 3 140. B r u n n e r l 2 , 358. D a h n 9, 2 S. 134ff., Merkel MG. L. 3, 359 n. S c h m e l l e r - F r o m m a n n WB. 1, 253f. W a i t z ' 2 3 , 1 S. 240. 5 2 , 289f. Z ö p f l Altert. 2, 172ff. Über die parlude in einer niedersächsischen Urkunde v. 1447 J a n i c k e Quedl. UB. 1 Nr. 389. 43 Vgl. B r u n n e r l 2 , 355. v. A m i r a 3 140. W a i t z 2, 1 S. 237ff. 4, 341 n. 5, 289f. K r e m e r Orig. Nass. 2, app. pag. 2. P e z , G r a u e r t u. M e y e r h o f e r Drei bayer. Traditionsbücher 164ff. Über ags. lest vgl. L i e b e r m a n n Ags. WB. 129.
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recht u n d h a t t e n in der Regel halbes Wergeid und halbe Buße der Freien. Das Verhältnis zu ihrem H e r r n wurde bei den Langobarden als „ M u n t " bezeichnet u n d war der familienrechtlichen Munt nachgebildet, t r u g aber, seiner E n t s t e h u n g gemäß, mehr den Charakter eines Gewaltverhältnisses. Alle Hörigen waren glebae adscripti, sie besaßen keine Freizügigkeit, konnten also den ihnen überwiesenen Hof nicht einseitig aufgeben, durften anderseits aber auch n i c h t ohne den Hof veräußert werden 4 4 . Wer zu Hörigenrecht freigelassen wurde, was an sich in formloser Weise geschehen konnte 4 5 , m u ß t e von seinem H e r r n mit einem Zinsgut (mansus litilis) ausgestattet werden 4 6 . Geistliche hörigen Standes wurden nicht selten bei Eigenkirchen ihrer Herren angestellt. Die Hörigen konnten Eigentum erwerben, aber n u r in beschränktem Maße darüber verfügen. Sie konnten auch Knechte in ihrem Vermögen haben und selbst Herren von anderen Hörigen sein 47 . Ihre Leistungen an den Herrn waren feststehende und der Willkür des letzteren entzogen; bei Freigelassenen richteten sie sich in erster Linie nach den seitens des Herrn mit der Freilassung verbundenen Bedingungen (leges domini)iS. Regelmäßig hatte der Lite für seine Person, unabhängig von den auf dem Gut ruhenden Verpflichtungen, einen Leibzins (litemonium) an den Herrn zu entrichten und gewisse Frondienste zu leisten. Bei Heiratsbewilligungen, deren die Liten wenigstens zu allen E h e n außerhalb der Hofgenossenschaft bedurften 4 9 , erhob der Herr wohl regelmäßig eine Abgabe; heiratete eine Litin, so m u ß t e der Brautkauf m i t dem Herrn abgeschlossen werden 5 0 . Im übrigen war die Stellung der Hörigen bei den verschiedenen Stämmen eine sehr verschiedene und es würde ein vergeblicher Versuch sein, ihre Verhältnisse auf einen ursprünglich einheitlichen Gedanken zurückzuführen 5 1 . Bei den Sachsen bildeten die Liten einen Teil des Volkes. Sie nahmen an Heerpflicht, Dingpflicht und den übrigen öffentlichen Lasten neben den Edelingen und Freien teil und kamen den letzteren an Vermögen beinahe gleich 5 2 . Die friesischen u n d wohl auch die sächsischen Liten besaßen das Fehderecht 5 3 , 44
Vgl. Waitz 2, 1 S. 237. Vgl. Rofh. 224, 4. Liutpr. 23. 44 Vgl. WElitz 2, 1 S. 236f. 47 Vgl. L. Fris. 11, 1. Roth. 235. 48 Ed. Roth. 226. Grim. 1. 4 > Vgl. L. Sax. 65. 60 Vgl. Liutpr. 126. 139. L. Sax. 65. Die freie Frau eines Liten kam infolge des Brautkaufs in die Munt seines Herrn und konnte daher zur Eingehung einer zweiten Ehe oder zur Rückkehr in die Munt ihrer Familie nur durch einen Muntrückkauf gelangen. Vgl. Roth. 216. Anders war die Lage der mit einem Römer verheirateten freien Langobardin (Liutpr. 126), woraus sich die Unrichtigkeit der Annahme von der Identität der Römer und Aldien im Langobardenreich ergibt. Vgl. Schröder G. d. ehel. Güterrechts 1, 20f. 27f. 51 Darin hauptsächlich beruht der Fehler in den zu sehr auf das langobardische Recht gestützten Ausführungen Heuslers. 62 Vgl. n. 3. Cap. de part. Sax. 15. 17; Cap. Sax. 3, c. 5 (Cap. 1, 69. 71f.). Boos a. a. O. 30f. 63 L. Fris. 2, 5. 8. 45
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h a t t e n also a u c h das R e c h t , i h r e Angelegenheiten persönlich vor Gericht zu v e r t r e t e n ; i h r e U n t a t e n w u r d e n ausschließlich v o n ihnen g e b ü ß t u n d gingen den H e r r n , wofern er sich von d e m V e r d a c h t der M i t s c h u l d reinigte, n i c h t s a n 5 4 . B u ß e n u n d W e r g e l d e r , die f ü r V e r l e t z u n g oder T ö t u n g von L i t e n v e r w i r k t w u r d e n , k a m e n n u r zu einem Teil a n den H e r r n , das ü b r i g e erhielten die L i t e n selbst 5 5 . Dagegen besaßen die l a n g o b a r d i s c h e n Aldien, deren L a g e ü b e r h a u p t eine u n g ü n s t i g e r e w a r , keine Prozeßfähigk e i t , i m G e r i c h t m u ß t e n sie v o m H e r r n v e r t r e t e n w e r d e n ; er war f ü r die v o n ihnen v e r w i r k t e n B u ß e n persönlich v e r a n t w o r t l i c h , u n d was f ü r T ö t u n g e n u n d V e r l e t z u n g e n seiner Aldien a n W e r g e l d e r n u n d B u ß e n einging, gehörte i h m 6 6 . E i n e M i t t e l s t e l l u n g n a h m e n die f r ä n k i s c h e n L i t e n ein. K l a g e n gegen sie gingen z u n ä c h s t gegen den H e r r n , der sich a b e r d u r c h Gestellung des L i t e n g a n z aus der S a c h e ziehen u n d diesem die alleinige V e r a n t w o r t u n g überlassen k o n n t e 5 7 . Anderseits g e h ö r t e n die L i t e n zu den sperantes des H e r r n , d e m es auf G r u n d seiner S c h u t z p f l i c h t oblag, ihre I n t e r e s s e n in F e h d e u n d E e c h t s g a n g w a h r z u n e h m e n u n d gegen sie v e r w i r k t e B u ß e n u n d Wergelder e i n z u t r e i b e n 5 8 . Ob der H e r r bei S t r e i t i g k e i t e n seiner L i t e n u n t e r e i n a n d e r eine eigene G e r i c h t s b a r k e i t ausz u ü b e n h a t t e , l ä ß t sich n i c h t f e s t s t e l l e n ; wo er die I m m u n i t ä t b e s a ß , u n t e r s t a n d e n sie als H i n t e r s a s s e n seiner I m m u n i t ä t s g e r i c h t s b a r k e i t . D e r S t a n d der Liten k o n n t e a u ß e r d u r c h V e r e r b u n g u n d formlose F r e i l a s s u n g a u c h d u r c h V e r h e i r a t u n g einer F r e i e n m i t einem L i t e n u n d d u r c h freiwillige E r g e b u n g b e g r ü n d e t w e r d e n 5 8 . Anderseits k o n n t e der L i t e d u r c h Loskauf oder d u r c h freien E n t s c h l u ß des H e r r n die volle F r e i lassung erlangen60. Das f r ä n k i s c h e R e c h t h a t t e h i e r f ü r die F o r m der F r e i l a s s u n g d u r c h Schatzwurf61. Sie w u r d e , wie alle F r e i l a s s u n g e n zu vollem R e c h t , in 54
Vgl. G. Meyer ZRG. 15, 109. Vgl. L. Fris. 1, 4. 7. 10. 15, 3. 56 Vgl. Roth. 258. Liutpr. 68. G. Meyer a. a. 0. 108f. H e u s l e r Inst. 1, 123ff. Liutprand erwies seinen Knechten und Aldien nur eine persönliche Gunst, indem er den Verwandten eines Getöteten „zum Tröste" einen Teil des Wergeides abtrat. Vgl. Notitia de actoribus regis c. 3. 4. Durch Karl d. Gr. wurde die Gleichstellung der Aldien mit den fränkischen Liten angeordnet. Cap. Ital. v. 801 c. 6 (Cap. 1, 205). 57 Vgl. S. 189. L. Sal. 50. L. Chamav. 44. B r u n n e r Mithio und sperantes (§ 25 n. 84) 12f. G. Meyer a. a. O. 109. 58 Vgl. B r u n n e r a. a. O. 9f. Einklagung des Wergeides eines baierischen Barschalken durch seinen Herrn: B i t t e r a u f Nr. 679 (846). Vgl. B r u n n e r l 2 , 359 n. 27. 59 Vgl. S. 240. L. Fris. 11, 1. 60 L. Fris. 11, 2. Liutpr. 106. 140. Vgl. V i n o g r a d o f f Freilassung (S. 231). F o u r n i e r Essai sur l'affranchissement dans le droit gallo-franc, 1885 (vgl. K o e h n e ZRG. 20, 134ff.). 81 Vgl. B r u n n e r l 2 , 366f. Freilassung durch Schatzwurf (S. 230). v. Amira 3 139. D a h n Könige 7, 1 S. 259ff. T a m a s s i a a. a. O. (S. 231). Form. Marc. 1, 22 (MG. Form. 57). Form, imper. 1 (ebd. 288). Cart. Senon. 12 (ebd. 190). 42 (204). Form. Bign. 1 (228). Über die angelsächsische Verlobung durch Schatzwurf vgl. R ö d e r , Gött. Ges. d. W. Nachr. 1907 S. 373ff. Grimm RA4. 1, 460. 55
R . S c h r ö d e r , Deutsche Bechtsgeschichte.
6. Aufl.
Fränkische Zeit.
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der Regel nicht durch den Herrn selbst, sondern durch eine Zwischenperson vollzogen, die den Liten von dem Herrn zu treuer H a n d empfing, u m die Absonderung des Freizulassenden aus der Hausherrschaft des bisherigen Herrn augenscheinlich zu machen. Die Freilassung selbst vollzog sich, indem der Treuhänder dem Freizulassenden, wahrscheinlich zum Zeichen des Verzichts auf den bisher von diesem gezahlten Leibzins, einen Denar aus den Fingern schnellte. Der Akt mußte in Gegenwart des Königs vorgenommen werden; im Laufe der Zeit wurde es üblich, den Freizulassenden dem König selbst zu übergeben, so daß dieser als Treuhänder die Freilassung persönlich vollzog. Ursprünglich wohl nur bei Liten gebräuchlich, wurde die Freilassung durch Schatzwurf schon f r ü h auch bei angesiedelten Unfreien (servi casati), nicht aber bei den unangesiedelten Hofknechten (mancipia) üblich. Dem fränkischen Volksrecht entsprungen, h a t t e sie doch ihren Schwerpunkt in der Mitwirkung des Königs, also im Amtsrecht, und gelangte infolgedessen allmählich zu landrechtlicher Geltung im ganzen Reiche. Der Freigelassene (homo denarialis, denariatus) erhielt die vollen Rechte eines freien F r a n k e n ; denn daß er, w e n n er ohne in der Freiheit erzeugte Kinder starb, durch den König b e e r b t wurde, war nur eine Folge der durch die Freilassung bewirkten Zerschneidung seiner bisherigen Sippebande. Der die Freilassung bestätigende Bann des Königs, über den eine carta denarialis (praeceptum denariale) ausgestellt wurde, h a t t e ursprünglich sogar die Wirkung, selbst der Freilassung durch einen Unbefugten unbedingte K r a f t zu verleihen; erst ein Gesetz des 7. J a h r h u n d e r t s beschränkte die Folgen der denariatio auf die Fälle rechtmäßiger Freilassung 6 2 . Manches deutet darauf hin, daß der König bei der Freilassung durch Schatzwurf nur an die Stelle der Landesgemeinde getreten war 6 3 . Auch die Alamannen haben eine Freilassung in der Volksversammlung gek a n n t 6 4 . Bei den Angelsachsen wurde diese durch Ubergabe des Freizulassenden an einen Treuhänder und sodann durch feierliche Waffenreichung vor versammeltem Gericht vollzogen 65 . Bei den Langobarden 6 6 m u ß t e der Unfreie zunächst durch zwei Hände gehen, was jedesmal per gairthinx, also durch Waffenrühren der Dingversammlung, zu bestätigen war; erst der dritte Treuhänder (also die vierte Haiid) vollzog die Freilassung, indem er den Mann an einen Kreuzweg f ü h r t e und ihm hier unter feierlichen Formen das Recht der Freizügigkeit einräumte: de quattuor 62
Vgl. L. Sal 36 (26). L. Rib. 57. Vgl. S. 51. S o h m R.- u. GV. 46ff. v. A m i r a 3 127. H e u s l e r Inst, 1, 183. v. B e l o w Deutsch. Staat 1, 145. 64 Pact. Alam. 2, 45 (S. 24 n. 16). 65 Leges Wilhelmi Lond. c. 15 ( L i e b e r m . 49): tradet eum vicecomili per manurn dextram in pleno comitatu, quietum ilium clamare debet a iugo servitutis sue per manumissionem, et ostendat ei liberas vias el portas, et tradat illi libera arma, scilicet lanceam et gladium ; deinde liber homo ejficitur. Vgl. L i e b e r m a n n Gl. 409, 9. 66 Vgl. P a p p e n h e i m ZRG. 24, 254f. (gegen K j e r Ed. Rothari S. 23ff.). 63
243
§ 29. Die Stände.
vias, ubi volueris ambulare, Uberam habeas potestatem67. Die Treuhänder waren notwendig, um dem Freigelassenen für den Fall einer Anfechtung seiner Freiheit als Freilassungsbürgen zu dienen, da ihm die sonst in Freiheitsprozessen übliche Berufung auf das Verwandtenzeugnis wegen Abbruches seiner Familienbeziehungen verschlossen war 6 8 . Als gleichwertig mit der Freilassung im Ding hatte sich, wie bei den Franken, auch bei den Langobarden eine solche durch Königsgebot ausgebildet, die unter Liutprand eine Verbindung mit der römischen Freilassung vor dem Altar einging 69 . Während diese beiden Freilassungsformen die volle Freiheit gewährten, den Freigelassenen volkfrei ( f u l c f r e e ) und selbstmündig (amund) machten, gab es eine weniger vollkommene Freilassung, bei welcher der Freigelassene zwar volkfrei, also über die Stellung eines bloßen Hörigen erhoben wurde, aber doch in einer erblichen Schutzhörigkeit unter dem bisherigen Herrn blieb und daher nicht amund wurde 7 0 . Der Grund für dieses Schutzverhältnis lag darin, daß der Freigelassene, wie im römischen Recht, für sich und seine Nachkommen eines assertor lihertatis bedurfte, der ihn im Fall einer Anfechtung ihrer Freiheit gerichtlich zu vertreten hatte71. Eine auf dem gleichen Grunde beruhende Zwischenstufe zwischen Freigelassenen zu Liten- und zu vollem Freienrecht kannten auch die Franken 7 2 . So die homines regii, d. h. die ohne Schatzwurf durch bloßen 07 Roth. 224. 1. Nach G o l d m a n n (§ 9 n. 7) S. 56ff. 65 bildete die Freizügigkeitserklärung am Kreuzweg (das quatuor viasdare der Form. Merkel. 13b (MG. Form. 479), die auch in Weistümern des deutschen Mittelalters erwähnt wird und dem angelsächsischen und portugiesischen Rechte ebenfalls bekannt war, den eigentlichen Rechtsakt. Die damit verbundene symbolische Handlung (thingit in gaida et gisil, vgl. auch Paul. Diac. Hist. Lang. 1, 13) war keine Wehrhaftmachung, sondern die unter Zauberformeln abgeschnellten Pfeile bedeuteten einen Zauberritus, der dem Abziehenden glückliche Fahrt bringen sollte. Vgl. ebd. 10—35. v. Amira 3 138. S c h r ö d e r ZRG. 20, 54ff. K o p p Bilder u. Schriften 1, 127f. L i e b e r m a n n Gl. 408, 5. 68 Vgl. Roth. 224. L. Fris. 11, 2. ZRG. 20, 54. P a p p e n h e i m Launegild u. Garethinx 37 n. 28. Bei der Freilassung per hantradam (nach L. Cham. 10.11) hatten elf Freilassungsbürgen mitzuwirken. V g l . B r u n n e r 2 1, 367. v.Amira 3 127. 272. Sohm R.- u. GV. 573ff. H a v e t L'affranchissement per hantradam, N. Revue 1, 657. L i e b e r m a n n Gl. 409, 6. 69 Freilassung in pans i. e. per volurn regis, später genügte die Herumführung um den Altar durch einen Priester. Vgl. Roth. 224, 2. Liutpr. 9. 23. 55. 140. T a m a s s i a a. a. O. (n. 56). Die Altarfreilassung auch Pact. Alam. 2, 45. 7 0 Vgl. Roth. 216. 224. 225. Liutpr. 55. Aistulf l l f . L i e b e r m a n n Ags. WB. 72 u. jolcfry. v. A m i r a 3 128. 7 1 Vgl. B r u n n e r l 2 , 144. L o e n i n g G. d. deutsch. Kirchenr. 2, 231ff. S c h r ö d e r ZRG. 20, 23 (wo aber Z. 6 und 7 die Worte „das Edikt Chlothars" und „das austrasische Gesetz" durch einen Druckfehler verwechselt sind). Nach Liutpr. 55 hatte der Freigelassene zur Sicherstellung seiner Freiheit gegenüber seinem Schutzherrn von Zeit zu Zeit gerichtliche Verwahrung einzulegen. 7 2 Vgl. W a i t z 2, 1 S. 232ff. D o p s c h 2, 46f. S c h r ö d e r ZRG. 20, 23f. S o h m ZRG. 5, 432ff. E. Mayer Entsteh, d. Lex Ribuaria 131ff. L o e n i n g a. a O. 2, 228ff. R o t h Feudalität 288ff. G. Meyer ZRG. 15, 109f,
16*
Fränkische Zeit.
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Freibrief freigelassenen Königssklaven und die von ihren früheren Herren bloß durch Freibrief freigelassenen, aber ausdrücklich der Königsmunt überwiesenen Privatsklaven. Neben ihnen standen die in der Kirche vor dem Bischof oder durch seine Hand unter Ausstellung eines Freibriefes (tabula) Freigelassenen (tabularii), nachdem die Kirche schließlich im 7. Jahrhundert allgemein die Munt über sie bewilligt erhalten hatte, die hmnines ecclesiastici. Die Kirchen- und Königsleute waren zu Diensten und Abgaben verpflichtet, Kirchenleute besonders häufig als Wachszinsige. Ihre materielle Stellung war im wesentlichen die der Liten, auch sie wurden auf einem Hofe angesiedelt und entbehrten die Freizügigkeit, als Muntleute des Königs oder der Kirche genossen sie aber einen höheren Rang und waren der Gerichtsbarkeit ihrer Schutzherren unterworfen73. Auch die in formloser Weise durch bloßen Freibrief ihres Herrn Freigelassenen (cartularii) konnten durch diesen Freibrief dem Schutze des Königs oder einer beliebigen Kirche überwiesen und dadurch zu Kirchenleuten erhoben werden74. Ohne eine derartige Überweisung galten die cartularii, da die Freilassung durch Freibrief dem römischen Vulgarrecht angehörte, als freie Römer (homines Romani). Nur die Herren der Schutzhörigen wurden in den Quellen stets als patroni oder defensores bezeichnet, während die Hörigen als Halbfreie ihren dominus hatten, für den nur ausnahmsweise auch die Bezeichnung patronus Anwendung fand 76 . Unter F r e m d e n (Gästen, Elenden) verstand die fränkische Zeit nicht mehr die Stammfremden, sondern nur noch die Reichsfremden76. Alle Reichsangehörigen standen, gleichviel wo sie lebten, unter dem Recht ihres Stammes, die römischen Provinzialen unter dem römischen Recht (S. 108). Von der absoluten Rechtlosigkeit des Fremden, der nicht unter dem Schutz eines Gastfreundes stand, finden sich zwar noch vereinzelte Beispiele, im allgemeinen aber kam schon früh der Satz zur Anerkennung, daß der Fremde ohne einen einheimischen Schutzherrn, der ihn rechtlich zu vertreten und für ihn einzustehen hatte, als waregang (afr. wargenga, ags. wceregenga, an. vceringi) unter dem Schutz des Königs stehe 77 . Der König bezog dafür den Nachlaß der verstorbenen Fremden und sein Wergeld, wenn er getötet wurde; im übrigen stand er unter dem fränkischen 73
Vgl. S. 189. L. Rib. 58, 1. ZRG. 20, 24. B i t t e r a u f a. a. O. 1, 66 muntpurt der bischöflichen Kirche über zwei Freigelassene. 75 L. Fris. 9 c. 9—13 unterscheidet zwischen dem tutor eines Freien und dem dominus eines Liten, ebenso L. Sax. 18. 50. 42. 43. 45. 64. Auch der salische Lite hatte seinen dominus, vgl. L. Sal. 36 (26), während L. Cham. 44 hier von senior spricht. Die volkfreien Muntleute der Langobarden standen unter einem patronus. Vgl. B o o s (S. 230) 49f. 76 Vgl. v. A m i r a 3 146f. B r u n n e r l 2 , 399ff.; ZRG. 36, 208ff. (gegen H e c k Gemeinfreie 25f.) D a h n 8, 2 S. 240ff. D o p s c h 2, 332f. H e u s l e r Inst. 1, 144ff. L i e b e r m a n n Gl. 410. W a i t z 4, 44. 77 Vgl. Roth. 367. L. Cham. 9. L. Baiuw. 4, 30. 74
§ 29. Die Stände.
245
Recht, so daß sich sein Wergeid, wenn er in Königsdienst eingetreten war, auf das Dreifache erhöhte. Die Juden 7 8 nahmen unter den Franken, im Gegensatz zum Westgotenreich, eine leidlich günstige Stellung ein, da sie sich durch ihren Handel und die unter ihnen verbreitete Arzeneiwissenschaft vielfach unentbehrlich machten: Sie waren persönlich frei und konnten Grundbesitz erwerben, durften aber keine christlichen Knechte haben, auch war ihnen der Zutritt zu öffentlichen Ämtern verschlossen. Unter sich lebten sie nach jüdischem Recht, Christen gegenüber hatten sie sich von gerichtlichen Anschuldigungen durch einen nach jüdischem Brauche geschworenen Eid zu reinigen. Ein Yolksrecht besaßen sie nicht, weder das römische, noch das jüdische; der Rechtsschutz, den sie genossen, beruhte ausschließlich auf dem ihnen vom König gewährten Schutz, war also jederzeit widerruflich. Besondere Privilegien erhielten die ausdrücklich in den Königsschutz aufgenommenen Juden, die dafür einen Schutzzins an die königliche Kammer entrichteten79. Ein typisches Judenschutzrecht im Sinne des Mittelalters war dem fränkischen Reiche noch unbekannt80.
D r i t t e s Kapitel.
Die Rechtsquellen. S t o b b e G. der deutsch. Rechtsquellen I. 1860. G e n g i e r Germ. Rechtsdenkmäler 1875. D a v o u d - O g h l o u Histoire de la législation des anc. Germains 2 Bde 1845. B r u n n e r l 2 , 376ff. v. A m i r a 3 18ff. v. D a n i e l s Handbuch 1, 107—313. W a i t z 2 3 , 1 S. 86—135. 3 2 , 599—630. v. S c h w e r i n DRG. 106ff. v. S y b e l Königtum 2 358ff. G f r ö r e r Zur G. deutscher Volksrechte 1, 167ff. 322ff. D a h n Könige 7, 2 S. 31ff. 8, 3 S. lff. 9, 1 S. 283; DG. 1, 2 S. 548ff. G l a s s o n Histoire 2, 134—242. V i o l l e t Histoire du droit civil français 95—134. S a l v i o l i Manuale di storia del dir. ital. 40ff. P e r t i l e Storia del dir. ital. I 2 , 116—64. Ältere Quellenausgaben: S i c h a r d (1530), T i l i u s (1573), H e r o l d (1557), L i n d e n b r o g (1613), B a h u i u s (1687), G e o r g i s c h (1738), B o u q u e t (1738), C a n c i a n i (1781—92), W a l t e r (1824). 78 Vgl. S t o b b e Juden in Deutschland 3ff. 197ff. W a i t z 2, 1 S. 270f. 4, 44. 237. 343f. l o e n i n g G. d. Kirchenr. 2, 51ff. H e u s l e r Inst. 1, 147ff. B r u n n e r 2 l , 402ff. 2, 49. D a h n Könige 7, 1 S. 306ff. 7, 3 S. 20. 207ff. 8, 2 S. 243ff. 9, 1 S. 213. D o p s c h 1, 149. 2, 331f. H ö n i g e r Zur G. d. Juden in Deutschi. 16ff. (Z. f. G. d. Judentums in Deutschi. 1). T a m a s s i a Strameri ed Ebrci (§ 30 n. 14). MG. Cap. 1, 258 Nr. 131. S c h e r e r R.-Verh. der Juden i. d. deutsch-österr. Ländern 1901 S. 19ff. 62ff. L i e b e r m a n n Gl. 527. 79 Vgl. Form, imperiales 30. 31. 52 (MG. Form. 309f. 325). 80 Die dafür bisher angeführten Form, imper. 32 und 37 können nach den Ausführungen Von T a n g l N. Arch. 33, Iff. nicht in Betracht kommen, da der von Z e u m e r MG. Form. 311 und 315 gegebene Text auf einer irrtümlichen Lesart beruht.
§ 29. Die Stände.
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Recht, so daß sich sein Wergeid, wenn er in Königsdienst eingetreten war, auf das Dreifache erhöhte. Die Juden 7 8 nahmen unter den Franken, im Gegensatz zum Westgotenreich, eine leidlich günstige Stellung ein, da sie sich durch ihren Handel und die unter ihnen verbreitete Arzeneiwissenschaft vielfach unentbehrlich machten: Sie waren persönlich frei und konnten Grundbesitz erwerben, durften aber keine christlichen Knechte haben, auch war ihnen der Zutritt zu öffentlichen Ämtern verschlossen. Unter sich lebten sie nach jüdischem Recht, Christen gegenüber hatten sie sich von gerichtlichen Anschuldigungen durch einen nach jüdischem Brauche geschworenen Eid zu reinigen. Ein Yolksrecht besaßen sie nicht, weder das römische, noch das jüdische; der Rechtsschutz, den sie genossen, beruhte ausschließlich auf dem ihnen vom König gewährten Schutz, war also jederzeit widerruflich. Besondere Privilegien erhielten die ausdrücklich in den Königsschutz aufgenommenen Juden, die dafür einen Schutzzins an die königliche Kammer entrichteten79. Ein typisches Judenschutzrecht im Sinne des Mittelalters war dem fränkischen Reiche noch unbekannt80.
D r i t t e s Kapitel.
Die Rechtsquellen. S t o b b e G. der deutsch. Rechtsquellen I. 1860. G e n g i e r Germ. Rechtsdenkmäler 1875. D a v o u d - O g h l o u Histoire de la législation des anc. Germains 2 Bde 1845. B r u n n e r l 2 , 376ff. v. A m i r a 3 18ff. v. D a n i e l s Handbuch 1, 107—313. W a i t z 2 3 , 1 S. 86—135. 3 2 , 599—630. v. S c h w e r i n DRG. 106ff. v. S y b e l Königtum 2 358ff. G f r ö r e r Zur G. deutscher Volksrechte 1, 167ff. 322ff. D a h n Könige 7, 2 S. 31ff. 8, 3 S. lff. 9, 1 S. 283; DG. 1, 2 S. 548ff. G l a s s o n Histoire 2, 134—242. V i o l l e t Histoire du droit civil français 95—134. S a l v i o l i Manuale di storia del dir. ital. 40ff. P e r t i l e Storia del dir. ital. I 2 , 116—64. Ältere Quellenausgaben: S i c h a r d (1530), T i l i u s (1573), H e r o l d (1557), L i n d e n b r o g (1613), B a h u i u s (1687), G e o r g i s c h (1738), B o u q u e t (1738), C a n c i a n i (1781—92), W a l t e r (1824). 78 Vgl. S t o b b e Juden in Deutschland 3ff. 197ff. W a i t z 2, 1 S. 270f. 4, 44. 237. 343f. l o e n i n g G. d. Kirchenr. 2, 51ff. H e u s l e r Inst. 1, 147ff. B r u n n e r 2 l , 402ff. 2, 49. D a h n Könige 7, 1 S. 306ff. 7, 3 S. 20. 207ff. 8, 2 S. 243ff. 9, 1 S. 213. D o p s c h 1, 149. 2, 331f. H ö n i g e r Zur G. d. Juden in Deutschi. 16ff. (Z. f. G. d. Judentums in Deutschi. 1). T a m a s s i a Strameri ed Ebrci (§ 30 n. 14). MG. Cap. 1, 258 Nr. 131. S c h e r e r R.-Verh. der Juden i. d. deutsch-österr. Ländern 1901 S. 19ff. 62ff. L i e b e r m a n n Gl. 527. 79 Vgl. Form, imperiales 30. 31. 52 (MG. Form. 309f. 325). 80 Die dafür bisher angeführten Form, imper. 32 und 37 können nach den Ausführungen Von T a n g l N. Arch. 33, Iff. nicht in Betracht kommen, da der von Z e u m e r MG. Form. 311 und 315 gegebene Text auf einer irrtümlichen Lesart beruht.
Fränkische Zeit.
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§ 30-
Die Rechtsbildung im allgemeinen.
2
B r u n n e r l , 376ff.; Grundz.6 33ff. v. H a l b a n Das röm. R. i. d. germ. Volksstaaten III. 1907. M. Conrat Breviarium Alaricianum, das röm. R. im fränk. Reich in system. Darstellung 1903. M i t t e i s Reichsrecht u. Volksrecht i. d. östl. Provinzen des röm. Kaiserreichs 1891. P i c k e r Unters, z. Erbenfolge der ostgerm. Rechte (S. 4).- v. A m i r a GGA. 1892 S. 269ff. H e u s l e r Inst. 1, 19ff. G a u p p Gesetz der Thüringer 1—200. Sohm Frank. Recht u. röm. Recht, ZRG. 14, lff. S e e l i g e r Volksrecht u. Königsrecht, Hist. VJSchr. 1898; Jurist. Konstruktion u. Geschichtsforschung ebd. 1904. A f f o l t e r Das intertemporale Privatrecht 118ff. N e u m e y e r Entwicklung d. internat. Priv.- u. Strafrechts bis Bartolus, I. Stammesrechte in Italien 1901 (vgl. v. V o l t e l i n i MJÖG. 25, 499ff. S t u t z ZRG. 36, 354).
Die germanische Auffassung des Rechts war mit der Ausbildung einer eigentlichen gesetzgebenden Gewalt unvereinbar. Das Recht wurde nicht gemacht, sondern nur bezeugt. Es fand, wie ehedem, seinen Ausdruck in allgemeinen Rechtssprichwörtern, gerichtlichen Entscheidungen, abstrakten Urteilen (Weistümern) über vorgelegte Rechtsfragen, im Norden auch in geordneten Rechtsvorträgen im echten Ding. Ebendarum war das Recht, auch nachdem die einzelnen Stämme zu dauernder Ansässigkeit gelangt waren, fortdauernd V o l k s r e c h t , nicht Landesrecht, es beruhte in der Stammeszugehörigkeit, trug also einen persönlichen, keinen landrechtlichen Charakter1. Die Einheit der Rechtsbildung lag in den Stämmen, die meisten Volksrechte waren Stammesrechte2, doch fehlte es nicht an partikularrechtlichen Erscheinungen innerhalb der Stämme, wie sie bei den Sachsen, Angelsachsen und Langobarden bezeugt sind 3 . Am deutlichsten treten diese landschaftlichen Eigentümlichkeiten in solchen Fällen hervor, wo die Aufzeichnung eines besonderen Landschaftsrechts für notwendig erachtet wurde. So enthielt die Lex Frisionum ursprünglich mittelfriesisches Recht und wurde erst durch Aufnahme der Abweichungen des ost- und westfriesischen Rechts erweitert. Die Thüringer haben ein eigentliches Stammesrecht überhaupt nicht besessen; die Lex Thuringorum enthielt nur das Recht der thüringischen Angeln und Weriner. Innerhalb des fränkischen Stammes hingen die chattischen Völker so eng mit den Saliern zusammen, daß das salische Recht beiden gemeinsam war, während sich anderseits die Notwendigkeit einer besonderen Rechtsaufzeichnung für die Chamaver herausstellte. Bei den 1 Zuweilen sprechen die Quellen schon von einer lex loci, worunter aber nicht immer ein wirkliches Ortsrecht, sondern unter Umständen vielmehr das angestammte Recht der Orts- oder Landesbewohner verstanden ist. Vgl. Sohm R.u. GV. 75ff. 134. W a i t z 3, 349. B r u n n e r l 2 , 378 n. 3. 2 Vgl. S o h m a. a. O. 573 n. 15. 3 Vgl. v. B e t h m a n n - H o l l w e g Germ.-rom. Zivilpr. 1, 454f. Bei den Angelsachsen standen sich besonders Kent und Westsachsen gegenüber, bei den Sachsen nahmen die Westfalen, bei den Langobarden die Beneventer eine gewisse Sonderstellung ein. Vgl. Lex Sax. 47. 48. Widuk. res gestae Sax. 1 c. 14.
§ 30. Die ßechtsbildung im allgemeinen.
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drei nordischen Stämmen hatte das Volksrecht seinen Sitz überhaupt in den einzelnen Landschaften 4 . Während die nordgermanischen Yolksrechte erst in einer weit über unsere Periode hinausliegenden Zeit zur Aufzeichnung gelangt und daher hier nicht weiter in Betracht zu ziehen sind, haben die auf römischem Boden angesiedelten Stämme sich schon früh zur Niederschrift ihres Hechts veranlaßt gesehen. Zum Teil hat wohl das Vorbild des römischen Eechts den Anstoß dazu gegeben, in erster Reihe sind aber die neuen politischen und sozialen Verhältnisse und die Beziehungen zur Kirche und den römischen Provinzialen, nicht minder das Bedürfnis, den Ausschreitungen des Fehderechts durch Aufstellung fester Büß- und Wergeidt a x e n möglichst vorzubeugen, maßgebend gewesen. Die ersten Aufzeichnungen haben in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts stattgefunden; den Schluß bildete die umfassende Gesetzgebung Karls des Großen und die ergänzende Ludwigs des Frommen. Unter Karl hat besonders der im Oktober 802 zusammengetretene Aachener Reichstag teils zur Ergänrung älterer Volksrechte, teils zur Redaktion neuer Gesetze für die noch nicht mit geschriebenem Recht versehenen Reichsteile gedient 5 . Die Volksrechte, i m Gegensatz zu den leges Romanae auch als leges barbarorum bezeichnet, waren regelmäßig amtlichen Ursprungs. Sie waren meistens königliche Gesetze, wenn auch der Schwerpunkt in der das Recht weisenden Tätigkeit des Volkes lag. Nordische und friesische Landrechte enthalten zum Teil deutliche Spuren ihrer Entstehung aus den Rechts4 Vgl. K. M a u r e r in H o l t z e n d o r f f a Enzyklopädie l 5 , 351ff. v. A m i r a 3 78ff. Die vier n o r w e g i s c h e n Provinzialrechte (Eidsifajings-, Gula|>ings-, Frostu ingsund BorgarJ>ingsbôk) besitzen wir in Redaktionen aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Die i s l ä n d i s c h e n Rechtsquellen gehen zum Teil auf die um 930 entstandene Ulfljötrslög und die im 12. Jahrhundert entstandene Haflidaskrâ zurück. Grâgâs ist ein erst im 17. Jahrhundert durch Verwechselung mit einem verloren gegangenen Gesetzbuch des Königs Magnûs gödi (11. Jh.) aufgekommener Sammelname für mehrere, wesentlich verschiedene Kompilationen, größtenteils erst aus dem 13. Jahrhundert; gedruckt sind der Codex regius (herg. von F i n s e n , Kopenhagen 1852—70, 2 Bde) und der Codex Arnamagnaeanus (her. von F i n s e n 1879, von der arnamagnäanischen Kommission 1883). S c h w e d i s c h e Provinzialrechte sind West- und Ostgötalagh, Uplandslagh und Gotlandslagh oder Gutalagh aus dem 13., Westmannalagli, Smâlands- und Helsingelagh aus dem 13. oder 14. Jahrhundert. Von den d ä n i s c h e n Provinzialrechten ist das jütische Lov (Ausg. P e t e r s e n 1850) ein bereits als Kodifikation zu bezeichnendes Gesetzbuch Waldemars I I von 1241. Alle übrigen sind Rechtsbücher privaten Ursprungs; das Landrecht von Schonen (Skânskelov, her. T h o r s e n 1855) und das zum Teil aus derselben Vorlage des 12. Jahrhunderts hervorgegangene lateinische Rechtsbuch des Andreas Sunesson (Kold. R o s e n v i n g e Sämling af garnie danske Love I. 1840). 5 Vgl. B r u n n e r l 2 , 422f. Einhardi Vita Karoli c. 29 (MG. Scr. 2, 458). Von dem Aachener Reichstag berichten die Lorscher Annalen, daß Karl congregavit drtces, comités et reliquo christiano populo cum legislatoribus, et fecit omnes leges in regno suo legi et tradi unicuique homini legem siiam et emendare, ubicumque necesse fuit, et emendatam lege scriberem, et ut indices per scriptum iudicassent et munera non accepissent, sed omnes homines, pauperes et divites, in regno suo iustitiam habuissent (MG. Scr. 1, 38).
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Fränkische Zeit.
vortragen (uppsaga, lögsaga) der Gesetzsprecher. Die westgermanischen Volksrechte wurden in der Regel von sapientes, legislatores, iudices entworfen, in der Volks- oder Gerichtsversammlung vorgetragen und durch Dingbeschluß zum Weistum (iudicium) erhoben. Man behandelte sie als Urteile oder Weistümer, auch wo es sich tatsächlich um neue Satzungen handelte. Immer aber erfolgte die volksrechtliche Gesetzgebung in gemeinsamer Mitwirkung von König und Volk. Man bezeichnete das in dieser Weise zur Aufzeichnung gelangte Recht als pactum, pactus, gizumpht6, auf romanischem Boden nach römischem Vorbild auch als edictum oder edictusAuch lex oder éwa wurde zur Bezeichnung des geschriebenen Volksrechts verwendet; bei der Gegenüberstellung mit pactus verstand man aber unter lex oder éwa das ungeschriebene, unter pactus das geschriebene Recht 8 . Bei den Angelsachsen und Langobarden setzte sich das Volksrecht aus einer Reihe von Einzelgesetzen, zum Teil großen Umfangs, zusammen, während die übrigen Volksrechte meistens durch einen einheitlichen Gesetzgebungsakt zur Aufzeichnung gelangten, im Laufe der Zeit aber mehr oder weniger durch Zusätze fortgebildet wurden. Wiederholte amtliche Neuredaktionen haben nur bei Westgoten und Alamannen stattgefunden. Die zum Teil tiefgreifenden Textänderungen in den übrigen Volksrechten kommen auf Rechnung der Abschreiber, durch die (vielfach auf amtliche Anweisung) ebensowohl neuere Satzungen wie glossenartige Randbemerkungen als Zusätze in den Text gelangten. Die Volksrechte waren nach Inhalt und Charakter außerordentlich verschieden. Während das westgotische Gesetz wie eine Kodifikation erscheint, sind andere höchst fragmentarisch gehalten. Eine innere Verwandtschaft besteht zwischen den Volksrechten der Friesen, Sachsen, Angelsachsen und Langobarden, anderseits zwischen den fränkischen Volksrechten unter sich und mit dem thüringischen Recht, zwischen dem alamannischen und bairischen Recht. Das ältere Westgotenrecht wurde vielfach auch bei der Aufzeichnung anderer Volksrechte benutzt, ebenso steht das Volksrecht der Baiern in engem Zusammenhang mit dem der Alamannen, während das ribuarische Volksrecht sich zum Teil als eine Bearbeitung der Lex Salica, ein Teil des friesischen als eine solche der Lex Alamannorum herausstellt. Der Einfluß des römischen Rechts ist nur bei den Goten von hervorragender Bedeutung gewesen. Die römischen Provinzialen behielten überall ihr römisches Privatrecht (d. h. römisches, durch germanische Elemente beeinflußtes Vulgar« Vgl. Alth. Glossen I, 286. 636. 645. II, 263. D a h n Könige 9, 1 S. 217f. 220. In einer Handschrift der L e x Chamavorum wird éwa mit gezunfti glossiert. 7 So bei Ost- und Westgoten, Langobarden, zum Teil auch bei den Pranken zur Zeit der Merowinger. 8 Vgl. F D G . 19, 140. S o h m a. a. 0 . 159. Anders M a y e r - H o m b e r g (S. 102) 1, 14ff., dem ich nicht beistimmen kann. Das langobardische cawarfida ist ,,Gerichtsgebrauch". Vgl. B r u n n e r l 2 , 176 n.
§ 30. Die Rechtsbildung im allgemeinen.
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recht) 9 , das für sie in derselben Weise, wie für die Germanen ihr Volksreeht, den Charakter eines persönlichen Rechtes erhielt 1 0 . Mehrfach ließen die germanischen Herrscher für ihre römischen Untertanen besondere Redaktionen des römischen Rechts (leges Romanae) herstellen. D i e gleiche R ü c k s i c h t w i e den römischen Provinzialen ließ m a n wohl allgemein, i m Gegensatz zu den i m Lande weilenden Fremden, a u c h den germanischen Bewohnern einverleibter Gebiete, die dem herrschenden S t a m m e n i c h t angehörten, zuteil werden 1 1 . Jedenfalls kam im Frankenreich, das die verschiedensten S t ä m m e gleichmäßig umfaßte, das volle P r i n z i p d e r p e r s ö n l i c h e n R e c h t e , nach dem jeder Reichsangehörige das R e c h t seines S t a m m e s überall im Reiche m i t sich trug, zur Anerkenn u n g 1 2 . I n Italien führte dies Prinzip, das mit der fränkischen Eroberung hier sofort Eingang fand, zu der später auch in Burgund und Septi9
Vgl. S. 108. v. H a l b a n Rom. Recht 1, 53f. 189f. 272f. 2, 72f. B r u n n e r RG. der Urkunde 113ff. 139ff. Siehe auch M i t t e i s Reichsrecht u. Volksrecht 1, d. östlichen Provinzen des röm. Kaiserreichs 1891. 10 Wegen des römischen Rechts im Langobardenreich vgl. (gegen H e g e l Städteverfassung von Italien 1, 382ff.) Liutpr. 91. 127. S c h r ö d e r Ehel. Güterrecht 1, 20f. B r u n n e r l 2 , 380. 532f. v. H a l b a n a. a. O. 2, 52ff. N c u m o y e r a. a. 0. 134ff. 223ff. v. B e t h m a n n - H o l l w e g a, a. O. 1, 332ff. S c h u p f e r Istituzione politiche langobardiche 156—99. E. M a y e r It. VG. 1, 25ff. M. C o n r a t G. d. Quell, u. Liter, d. röm. Rechts 1, 50ff. Für das fränkische Reich bestimmte die praeeeptio Chlothars I I c. 4 (MG. Cap. 1, 19): Inier Romanos negulia causarum Romanis legebus praeeepemus terminari. Die Kirche als juristische Person h-bte nach römischem Recht, das Recht der einzelnen Kleriker richtete sich nach ihrer Nationalität, die Eigenkirchen folgten dem Recht des Kirchherrn. Vgl. S. 156. L o e n i n g Kirchenr. 2, 284ff. E i c h h o r n 1, 274f. B r u n n e r l 2 , 393f. MG. Cap. 1, 192 c. 6. 212. Lib. Papiens. Pipp. c. 6, Karol. c. 142, beide nebst expositio. Allerdings bestimmte Lib. Pap. Ludov. Pii c. 53: ut omnis ordo aecclesiarum secundum, legem Romanam vivat, aber die urkundlichen Professionen italienischer Kleriker zeigen, daß diese sich zwar zum römischen Recht bekennen konnten, es aber häufig vorzogen, ihr angestammtes Recht zu behalten. Zum Teil anderer Meinung v. S a v i g n y G. d. röm. R. im MA. 2 1, 142f. 146. v. B e t h m a n n - H o l l w e g 2, 77 ff. 11 Vgl. D a h n Könige 7, 1 S. 132ff. 3 S. l f f . Hist. Z. 78, 194. W a i t z 2, 1 S. 108 n. v. B e t h m a n n - H o l l w e g 1, 155f. 184. 331. L. Burg. 47, 1. Rothar. 367. Liutpr. 91. Paul. Diac. Hist. Langobard. 3 c. 6. 12 L. Rib. 31 § 3: Hoc aulem conslituemus, ut infra pago Ribuario tarn Franci, Burgundionis, Alamanni, seu de quacumque natione conmoratus fuerit, in iudicio interpellatus, sicut lex loci contenit, ubi natus fuit, sie respondeat. § 4: Quod si damnatus fuerit, secundum legem propriam, non secundum Ribuariam, damnurn susteneat. Form. Marc. 1, 8 (§ 19 n. 36). Cap. missorum, MG. Cap. 1, 67 c. 5. Vgl. B r u n n e r l 2 , 382ff. v. A m i r a 3 23. v. D a n i e l s Handbuch 1, 109ff. W a i t z 2, 1 S. 108ff. 3, 344ff. 4, 403; Das alte Recht 97ff. D a h n Könige 8, 4 S. l l f f . v. S a v i g n y G. d. röm. Rechts im MA. 2 1, 115ff. E i c h h o r n 1, §46. P a r d e s s u s Loi Salique, diss. 2. v. B e t h m a n n - H o l l w e g 1, 455ff. 2, 72ff. G e n g i e r RDenkm. 51f. S t o b b e JB. d. gem. deutsch. R. 6, 23ff. G a u p p Ansiedlungen 218ff. 241ff. ; ZDR. 19, 161. M o m m s e n Ostg. Stud., NA. 14, 525. v. R i c h t h o f e n Zur Lex Sax. lOff. W i l d a StrR. 678ff. L u p i Cod. dipl. Bergom. diss. 4 pg. 213—32. M u r a t o r i Antiqu. 2, diss. 22. P a d e l l e t t i Arch. stör. ital. 3, 20 S. 431ff. S a l v i o l i Atti e doc. delle
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Fränkische Zeit.
manien begegnenden Einrichtung der professiones iuris, durch die jeder, der vor Gericht oder einem Notar zu t u n hatte, zuvor Auskunft über sein Stammesrecht geben m u ß t e 1 3 . D a das Prinzip der persönlichen Rechte der eigentümlichen Zusammensetzung des fränkischen Reiches seine Entstehung verdankte, so k a m es auch nur gegenüber Reichsangehörigen zur Anwendung. Der Fremde war an sich rechtlös; befand er sich bei einem Gastfreund, so schützte ihn das Volksrecht des letzteren; stellte er sich unter den Königsschutz, so stand er unter dem Schirm des königlichen Amtsrechts, das einen territorialen, keinen persönlichen oder nationalen Charakter h a t t e 1 4 . Besondere Regeln kamen in Anwendung, wenn Personen, die nach verschiedenen Rechten lebten, in Frage standen. D i e Eheschließung erfolgte nach dem Recht des Mannes, das sich auf die Frau und die m i t ihr erzeugten Kinder übertrug 1 5 . Die Witwe konnte
deput. di stor. patria modenesi e parmesi 3, 2 S. 389ff. S o h m R.- u. GV. 173f. H e u s l e r Inst. 1, 144f. S t o u ff Étude sur le principe de la personnalité des lois 1894 (Revue Bourguignonne 4 Nr. 2, vgl. B l o n d e l Rev. hist. 19, 118). N e u m e y e r (S. 246) 5ff. 80ff. 223ff. Streitig, ob die Franken das Prinzip der persönlichen Rechte von Anfang an auch gegenüber Angehörigen des herrschenden Stammes anerkannt haben. Nach B r u n n e r wäre dies, auch in betreff der römischen Provinzialen, erst. in der Zeit nach der Lex Salica geschehen, das Recht der unterworfenen Bevölkerung also ursprünglich nur zwischen Volksgenossen Unter sich zur Geltung gekommen. 13 Vgl. v. S a v i g n y 1, 145ff. 7, 2. G a u p p Ansiedl. 241 ff. v. B e t h m a n n H o l l w e g 2, 74ff. E i c h h o r n 1, 276. B r u n n e r l 2 , 270ff. D a h n Könige 7, 3 S. 17 ff. 14 Vgl. S. 244. B r u n n e r l 2 , 401; ZRG. 36, 208ff. (gegen die unbegründeten Aufstellungen von H e c k Gemeinfreie 25f.). H e u s l e r a. a. O. 1, 146. E i c h h o r n 1, 268. 270. T a m a s s i a Stranieri ed Ebrei nell' Italia méridionale 1904 (Atti del Reale Ist. Veneto di Scienze 63, 2). v. S a v i g n y a. a. 0 . 1, 117f. 120. Der letztere geht zu weit, wenn er annimmt, daß die Langobarden auch nach ihrer Unterwerfung durch Karl im Frankenreich noch als Ausländer behandelt worden seien. Vgl. B r u n n e r l 2 , 384 n. Über die Bedeutung des barbaro qui Saleca lege vivit (L. Salica 68) vgl. S o h m a. a. O. 570ff. B r u n n e r l 2 , 384n. K r a m m e r Entstehung der L. Sal. (n. 20) 25. 35 n. G e f f c k e n Lex Salica S. 161. Über den langobardischen waregang (d. i. Seegänger, vgl. B r u c k n e r Sprache d. Lang. 26) Roth. 367. Auch der waregengus der Lex Chamav. 9 ist ein im Königsdienst befindlicher Ausländer; sein Wergeid ist das fränkische, von seinem heimischen Recht ist keine Rede. Übrigens läßt sich nicht bezweifeln, daß im internationalen Verkehr unter befreundeten Staaten die Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen auf dem Fuße der Gleichberechtigung vorgekommen sein muß. Vgl. G r i m m RA. 397. P r o k o p Bell. Got. 1 c. 13. Über das j ü d i s c h e Recht vgl. S. 245. W a i t z 3, 347. MG. Cap. 1, 259 c. 6. 15 Vgl. S c h r ö d e r Ehel. Güterr. 1, 19ff. Liutpr. 127. Anderseits war das Stammesrecht der Frau maßgebend für die Berechnung des Muntschatzes und bei Verfügungen über ihr Vermögen. Vgl. B r u n n e r l 2 , 390f. Heiratete also ein Römer eine Langobardin, so mußte die Munt nach langobardischem Recht abgelöst werden, auch blieben bei Bodenveräußerungen der Frau die langobardischen Formvorsohriften in Geltung. Vgl. R o s i n Veräußerungsgeschäfte der Frauen 64f. 67f. Mit Rücksicht hierauf wurde eine solche Frau dann auch wohl, ungeachtet ihrer Verheiratung als nach langobardischem Recht lebend bezeichnet, woraus
§ 30. Die RechtsbilduDg im allgemeinen.
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unter die Munt ihrer Familie und damit unter ihr angestammtes Recht zurückkehren 16 . Rechtsgeschäfte wurden im allgemeinen nach dem Recht des Handelnden, Veräußerungen nach dem des Veräußerers beurteilt 17 . Rückforderung und Ersitzung flüchtiger Sklaven richtete sich nach dem Recht des bisherigem Herrn, Ersitzung von Grundstücken nach dem des Besitzers. Für das Erbrecht war das Recht des Erblassers maßgebend, doch waren den Burgunden Testamente und Schenkungen auch nach römischem Recht gestattet. Ebenso hatte der Ribuarier bei Freilassungen die Wahl zwischen den Formen seines und des römischen Rechts. Bußen richteten sich nach dem Recht des Verletzten, Wergelder nach dem des Getöteten. Bei öffentlichen Strafen t r a t später eine gewisse Bevorzugung des Rechtes des Tatortes hervor; ursprünglich war das Recht des Missetäters allein entscheidend, was namentlich auch bei der Strafablösung durch Geldbußen in Betracht kam 1 8 . Im Prozeß hatte der Beklagte nach den Vorschriften seines Rechts zu antworten 1 9 . Im Gegensatz zu den Volksrechten und der mit ihnen zusammenhängenden Gesetzgebung hatten die R e i c h s g e s e t z e eine territoriale Geltung. Ihre Quelle war nicht die Rechtsüberzeugung des Volkes, sondern der Herrscherwille des Königs, ihre Geltung reichte daher nur soweit wie die Amtsgewalt des Königs, sein Nachfolger konnte sie wieder außer K r a f t setzen. Außer den Volksrechten, den Leges Romanae und den Reichsgesetzen gehören, als Erzeugnisse der Notariatswissenschaft, die Formelsammlungen und die allgemeinen Einrichtungen des Urkundenwesens zu den Rechtsquellen unserer Periode. Dazu gesellen sich die Anfänge einer juristischen Literatur. Die angelsächsischen Rechtsquellen und Urkunden sind größtenteils in der Volkssprache verfaßt, alle übrigen südgermanischen Rechtsquellen dagegen in einem außerordentlich verderbten, vielfach mit deutschen Wörtern und Glossen durchsetzten Vulgärlatein 2 0 , das erst in den Textgestaltungen der karolingischen Renaissance einem reineren Latein Platz macht. Man bezeichnet diese reformierten Texte aus der Zeit Karls, die zum Teil zweifellos auf persönliche Anregung des Königs zurückgehen, als leges emendatae. Von einigen Rechtsquellen liegen Bruchstücke althochdeutscher Übersetzungen vor. S a v i g n y mit Unrecht den Schluß zieht', daß sie zwischen ihrem eigenen Recht und dem ihres Mannes habe wählen können. In Ehen, wo der Mann die Munt über seine Frau nicht erworben hatte, behielt diese stets ihr angeborenes Recht und die Kinder folgten dem Recht der Mutter. 14 Mehr sollte wohl auch die Bestimmung Lothars für Italien von 822/23 (MG. Cap. 1, 319 c. 16) nicht besagen. 17 Uber Ausnahmen B r u n n e r l 2 , 389f. 18 Vgl. B r u n n e r l 2 , 386. 18 Über Freiheitsprozesse vgl. B r u n n e r l 2 , 392. 20 Vgl. v. A m i r a 3 22.
Fränkische Zeit.
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§ 31.
Die Volksrechte und die Leges Romanae.
1. D i e G e s e t z e d e r W e s t g o t e n 1 . Das westgotische Volksrecht gelangte schon u m 475 in dem Gesetzbuch des E u r i c h , dessen Vater Theoderich I (f 451) bereits einzelne Gesetze erlassen hatte 2 , zu ausführlicher Aufzeichnung. E s war in fortlaufende Kapitel mit größeren Titelrubriken eingeteilt, ist aber nur fragmentarisch (c. 276—312, 318—325, 327—336) in einer Pariser Palimpsesthandschrift erhalten 3 . Bei der Aufzeichnung des salischen, burgundischen, alamannischen und baierischen Volksrechts sowie bei einem wahrscheinlich Dagobert I zuzuschreibenden fränkischen Reichsgesetz hat es zum Teil als Vorlage gedient 4 . Eurichs Nachfolger Alarich I I erließ für seine römischen Untertanen, die nur bei Streitigkeiten m i t Goten den für diese erlassenen Gesetzen unterlagen, i m Jahre 506 die ausführliche L e x R o m a n a W i s i g o t o r u m 5 , seit dem 10., allgemein seit dem 16. Jahrhundert auch B r e v i a r i u m A l a r i c i a n u m genannt, eine lose Kompilation der im Lande gangbaren römischen Rechts1 Kritische Ausgabe von Z e u m e r , MG. Leg. Sectio 1. tom 1. Leges Viaigothorum 1902. Ergänzungen zu den Extravaganten (ebd. S. 462ff.) bei Ureña (s. unten) 548—80. Das Ediktfragment und die L. Wisig. des Rekkessuinth auch bei Z e u m e r Leges Visigothorum antiquiores 1894. Vgl. Z e u m e r G. der westgot. Gesetzgebung 1.—4., N. Arch. 23, 419. 24, 39. 571. 26,91. R. de U r e ñ a y S m e n j a u d La Legislación Gótico-Hispana, Madrid 1905 (erschöpfende Angaben über Literatur und Ausgaben); Discursos de la Real Academia de la Historia Madrid 1909 (über eine Ausgabe der Leges Gothorum regum von Diego y Antonio de Covarruvias aus dem 16. Jh.). B r u n n e r l 2 , 481ff. v. A m i r a 3 19f. D a h n Westgot. Studien 1874; Könige 5. 6 2 . G a u p p Germanist. Abh. 27ff. v. H a l b a n a. a. O. 1, 195ff. H e l f f e r i c h Entstehung des Westgotenrechts 1858. S t o b b e 1, 71ff. T a r d i f N. Rev. 15, 5. G e n g i e r Rechtsdenkm. 144ff. v. D a n i e l s Handbuch 1 § 66. v. B e t h m a n n - H o l l w e g Zivilprozeß 1 §47. R o t h Entstehung der Lex Baiuwariorum 20ff. d e P é t i g n y Revue hist. 1, 209. B l u h m e Zur Texteskritik des Westgotenrechts 1872. W a i t z Abhandl. 391ff. (Nachr. d. Gött. G. d. W. 1875). S c h m e l t z e r ZRG. 16, 123. A. S c h m i d t ebd. 29, 231 ff. G a r c i a Lex primitive de los Visigodos, Madrid 1861. A f f o l t e r Das intertemporale Privatrecht 126 ff. 2 Vgl. Leg. Eur. 277. Apoll. Sid. epist. 2, 1 (MG. Auct. antiqu. 8, 22). 3 Mit den aus der L. Baiuw. entnommenen Ergänzungen bei Z e u m e r S. 1 bis 32. Frühere Ausgaben B l u h m e 1847. Z e u m e r L. Visig. antiqu. S. 1—19. Als ursprünglichen Titel des Gesetzbuches vermutet U r e ñ a a. a. O. 170f. 232f., Statuta legum. Nach den Fragmenten G a u d e n z i s (n. 7) könnte man Edictum vermuten. Z e u m e r bedient sich der Bezeichnung Codex Euricianus. 4 Vgl. S. 256. 260. 269. 271. 272 n. B r u n n e r l 2 , 423. 438. 453. 458. 505. Z e u m e r Leg. Vis. ant. pg. 13-f. 6 Ausg. H ä n e l 1849. Vgl. B r u n n e r l 2 , 510. de U r e ñ a a. a. O. 296—323. D a h n Westg. Stud. 4ff. P a t e t t a II breviario alariciano in Italia, Arch. giur. 47 (1891). v. S a v i g n y G. d. röm. Rechts im MA. I I 37. C o n r a t G. d. Qu. u. Lit. d. röm. R. 1, 31ff. 38. 41ff. 47f.; ZRG. rom. 47, 17ff.; ZRG. kan. 1, 67ff.; Breviarium Alaricianum 1903; Entsteh, d. westg. Gaius, Amsterd. Verh. 1905; Der westg. Paulus, ebd. 1907. S t o u f f L'interpretatio de la Loi Romaine des Wisigotes, Mélanges Fitting 2, 165ff. (1908). D e g e n k o l b Kr. VJSchr. 14, 504. P. K r ü g e r G. d. Qu.
§ 31. Die Volksrechte und die Leges Romanae.
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quellen, die in wörtlichen Auszügen (nur die Institutionen des Gaius in selbständiger Bearbeitung) rein äußerlich, ohne Verarbeitung und System, aneinandergereiht wurden. Durch die zum Teil auf der römischen Interpretationsliteratur des 5. Jahrhunderts beruhende, den einzelnen Quellenstellen beigefügte Interpretatio gelangte die Lex Romana zu größtem Ansehen in ganz Westeuropa, so daß sie, obwohl seit Rekkessvinth bei den Westgoten außer Kraft gesetzt, in den früher westgotischen Teilen des fränkischen Reiches Geltung behielt, ferner in Burgund und der Provence rezipiert und auch sonst vielfach benutzt wurde und noch auf Jahrhunderte hinaus eine umfangreiche Rechtsliteratur von Auszügen (epitome) und Glossen hervorrief6. Das inzwischen durch Gesetze späterer Könige vermehrte Gesetzbuch des Eurich erhielt unter Leovigild (572—86) eine Neurecjaktion, die dem langobardischen Edikt des Rothari zum Teil als Vorlage gedient hat und vielleicht ebenfalls die Bezeichnung „Edikt" führte, später aber in der Lex Wisigotorum als „Antiqua" bezeichnet wurde7. Eine dritte Redaktion u. Lit. d. röm. R. 309. M o m m s e n Cod. Theodosianus I pg. 65ff. v. W r e t s c h k o ebd. pg. 307ff. F i t t i n g ZRG. 11, 222. 325. H i t z i g ebd. rom. 27, 187. K a r i o w a Römische RG. I 976. Z e u m e r N. Arch. 23, 472ff. Fragmente einer Leoner Palimpsesthandschrift: Legis Romanae Visigotorum fragmenta, Madrid 1896. Ein darin überliefertes Gesetz des Königs Theudis von 546 bei Z e u m e r S. 467. Vgl. N. Arch. 23, 77ff. 475. «Vgl. v. W r e t s c h k o a . a . O . (n. 5). C o n r a t Qu. des röm. R. I 218ff. Z e u m e r N. Arch. 24, 120f. H a l b a n a. a. O. II 323ff. 7 Vgl. n. 53. U r e n a a. a. O. 323ff. Z e u m e r N. Arch. 23, 475ff. Isidor von Sevilla (f 636) berichtet von Eurich (Hist. de reg. Got. c. 35): Sub hoc rege Golhi legum, instituta scriptis habere coe-perunt; narn antea tantum moribus et consuetudine tenebantur, sodann von Leovigild (c. 51): In legibus quoque ea, quae ab Enrico incondite constituta videbantur, correxit, plurimas leges praetermissas adiciens plerasque superfluas auferens. In das Gesetzbuch Leovigilds wurden auch verschiedene Bestimmungen der Lex Romana von 506 aufgenommen. — Ein wertvolles Bruchstück einer Rechtsquelle gotischen Ursprungs sind die nach ihrer Fundstelle bezeichneten Holkhamer Kapitel (nach ihrem Entdecker F r a g m e n t e G a u d e n z i s ) , herausgegeben und kommentiert von G a u d e n z i Un antica compilazione di diritto romano e visigoto con alcuni frammenti delle leggi di Eurico, Bologna 1886, jetzt auch bei Z e u m e r Leges Visig. 469ff. und Leges Visig. antiqu. 317f. (Collectio iuris Romano-Visigothici). Wegen mehrfacher Bezugnahme auf ein edictum regis (c. 7. 10. 11) zum Teil für ein Bruchstück eines Edikts Theoderichs I I (so von U r e n a ) oder Eurichs ( G a u d e n z i ) oder eines in Italien entstandenen ostgotischen Edikts ( P a t e t t a ) erklärt, trägt unsere Quelle doch zu deutlich den Charakter einer das westgotische Gesetzbuch ergänzenden, partikularrechtliche Abweichungen hervorhebenden lokalen Rechtsaufzeichnung privaten Ursprungs. Unter dem edictum regis ist entweder das Gesetzbuch Eurichs oder das des Leovigild zu verstehen, außerdem ist die Interpretatio, das Edikt Theoderichs des Großen, vielleicht auch die burgundische Gesetzgebung berücksichtigt. Entstanden ist die Rechtsaufzeichnung jedenfalls in einer Gegend, wo west- und ostgotische Einflüsse sich berührten, also entweder Mitte des 6. Jahrhunderts in der Provence oder Ende des 6. Jahrhunderts in Septimanien. Vgl. Z e u m e r Leg. Vis. pg. 16; N. Arch. 12, 389. 23, 465. A. B. S c h m i d t ZRG. 22, 223. 24, 213ff. 29, 235ff. C o n r a t G. d. Quellen 1, 270—82. B r u n n e r RG. I 2 , 494f. v. A m i r a 3 21. P a t e t t a Sui
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Fränkische Zeit.
wurde von C h i n d a s v i n t h , dessen zahlreiche Novellen den Dualismus der Goten und Römer nicht mehr berücksichtigten, sondern als territoriale Reichsgesetze für alle Untertanen ohne Unterschied der Nationalität ergingen, in Angriff genommen, aber wohl nicht mehr durchgeführt 8 . Unter seinem Sohn R e k k e s s v i n t h (653—72) wurde das gesamte Material durch zahlreiche weitere Gesetze vermehrt und sodann nach dem Vorbild des Codex Justinianus zu einem systematischen Gesetzbuch in zwölf Büchern ( L i b e r J u d i c i o r u n ) , der ältesten Rezension der Lex W i s i g o t o r u m , verarbeitet. Jedes Buch zerfiel in Titel, die Titel in besonders überschrieben e Kapitel (erae), deren Herübernahme aus der Ediktrezension des Leovigild durch die Uberschrift Antiqua angedeutet wurde, während bei den Novellen der Könige Relckared I., Sisebut, Chindasuinth und Rekkessvinth der Name des jeweiligen Gesetzgebers Erwähnung fand. Die Lex Romana Wisigotorum setzte Rekkessvinth außer Kraft, alle seine Untertanen sollten fortan nach den westgotischen Gesetzen leben 9 . Die Lex Wisigotorum war demnach kein Volksrecht, sondern eine für das ganze Westgotenreich bestimmte, alle bisherigen Gesetze aufhebende Kodifikation. Eine zweite Redaktion veranstaltete König E r w i g (681)10, auf die dann noch zahlreiche, eine Revision des Gesetzbuches bedeutende Novellen des Königs Egika (687—701) folgten, während eine neue Redaktion des Gesetzbuches nicht mehr stattgefunden hat. Auf der Redaktion Erwigs, den seither ergangenen Novellen und willkürlichen Zusätzen der Abschreiber beruhte die sodann in Gebrauch gekommene V u l g a t a der Lex Wisigotorum, die sich auch nach der Eroberung des Westgotenreiches durch die Araber in der nun fränkisch gewordenen Provinz Gotia (Septimanien, Languedoc) sowie bei den unter fränkischen Schutz getretenen Resten der westgotischen Bevölkerung erhielt u , mit der allmählichen Rückeroberung der pyrenäischen Halbinsel aber zum Teil ihr altes Herrschaftsgebiet wiedererlangte, so daß frammenti di diritto germanico della collezione Gaudenziana, Arch. giur. 53. de U r e n a a. a. O. 170—235. S c h u p f e r Manuale 1895 S. 78ff. Ein weiteres Fragment, das von G a u d e n z i (Nuovi frammenti dell' editto di Eurico, Rivista itaL per le scienze giurid. VI 1888) und U r e n a 387ff. mit dem zuerst gefundenen in Verbindung gebracht wird, enthält die sogenannte Lex legum, eine im 9. oder 10. Jahrhundert im Beneventischen entstandene kurze Kompilation von bunt zusammengewürfelten Stücken aus dem Ed. Theodorici, der Lex Wisigot., dem römischen und langobardischen Recht. Vgl. C o n r a t a. a. O. 1, 268ff. ; ZRG. 23, 230fi. A. B. S c h m i d t ebd. 24, 218ff. 8 Vgl. L. Wis. 2, 1 c. 5 (Lex Quoniam). Z e u m e r N. Arch. 23, 482ff. ö l l f f . W a i t z Abh. 391ff. 9 L. Wisig. 2, 1 c. 10, c. 11. Die älteren Ausgaben schrieben diese Bestimmungen fälschlich dem Chindasuinth zu. Vgl. Z e u m e r N. Arch. 23, 484ff. U r e n a a. a. O. 446ff. 10 Vgl. G a u d e n z i Nuovi frammenti 13. Z e u m e r N. Arch. 23, 496ff. U r e n a 487 ff. 11 Vgl. L o e r s c h u. S c h r ö d e r Urkunden3 Nr. 54, 86 (64. 90) In Aquitanien, das schon 507 unter fränkische Herrschaft kam, war das Gesetzbuch Eurichs in Geltung geblieben. Vgl. B r u n n e r l 2 , 456.
§ 31. Die Volksreehte und die Leges Romanae.
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n o c h im 13. J a h r h u n d e r t das Bedürfnis einer amtlichen spanischen Übersetzung (Fuero de Cordova, Fuero juzgo) h e r v o r t r a t 1 2 . Nach I n h a l t u n d F o r m n i m m t die Lex Wisigotorum unter allen germanischen Gesetzbüchern die unterste Stufe ein; sie liefert einen bedauerlichen Beleg f ü r den heruntergekommenen Zustand des Westgotenreiches in dem letzten halben J a h r h u n d e r t seines Bestehens. Dem Gebote, daß f o r t a n n u r noch nach diesem Gesetzbuch gerichtet werden dürfe, h a t sich freilich der germanische Yolksgeist nicht gefügt. In den spanischen Gewohnheitsrechten der „ F u e r o s " h a t sich vielfach, den römischen Auffassungen des Gesetzbuches gegenüber, altgotisches Recht, wenn auch vom fränkischen Recht stark beeinflußt, erhalten 1 3 . 2. D i e o s t g o t i s c h e n G e s e t z e 1 4 . Theoderich der Große, in dessen Reiche die Goten im übrigen nach gotischem, die Römer nach römischem Recht lebten, erließ, wahrscheinlich noch vor der Berufung Cassiodors als quaestor palatii (507), ein 155 kurze Kapitel umfassendes Gesetz, das E d i c t u m T h e o d e r i c i 1 5 , das f ü r die Rechtsfälle des täglichen Lebens (illa quae possunl saepe contingere) eine Rechtseinheit schaffen und daher f ü r Goten u n d Römer gleiche Verbindlichkeit haben sollte (quae barbari Romanique sequi debeant super expressis articulis). Die Bestimmungen des Edikts sind größtenteils römischen Rechtsquellen entlehnt, namentlich auch der bereits erwähnten Interpretationslitcratur, die auch der Lex R o m a n a Burgundionum als Quelle gedient hat. F ü r die durch das E d i k t nicht geregelten Fälle behielten die verschiedenen Nationalitäten ihr besonderes Recht. Einzelne Gesetze Theoderichs und Athalarichs, 12
Vgl. F u e r o J u z g o en latin y Castellano, Madrid 1815. In Katalonien wurde die L. Wis. 1251 außer Kraft gesetzt. Eine wahrscheinlich hier im Anfang des 13. Jahrhunderts entstandene Glosse bei v. B o n i n Eine Glosse zur L. Wisigotorum, N. Areh. 29, 51 ff. 13 Vgl. F i c k e r Veiwandtsch. des got.-span. u. norw.-isl. R. (S. 15 n.2); Untersuchungen (S. 4). Wolf Beitrag zur Rechtssymbolik aus span. Quellen, WSB. 51 (1865). H i n O j o s a Das germ. Element im spanisch. Recht; ZRG. 44, 282. £ e u m e r N. Arch. 23, 426. 511. v. A m i r a 3 21. B r u n n e r l 2 , 494. Über die Beeinflussung seitens des fränkischen Rechts vgl. die S. 15 n. 2 angeführten Ausführungen von M a u r e r und A m i r a . 14 Vgl. D a h n Könige 4 (1866). v. D a n i e l s Handbuch 1, § 68. B r u n n e r l 2 , 525. S t o b b e 1, 94. v. A m i r a 3 20. v. S a v i g n y G. d. rüm. R. 2, 172. H ä n e l Lex Rom. Visig. praef. pg. 91. M o m m s e n Ostg. Studien, N. Arch. 14, 223. 451ff. 517ff. S c h u p f e r L'editto di Teoderico, Accademia dei Lincei, Ser. IVa. 3, 223ff.; Manuale 1895 S. 32ff. D e l G i u d i c e Nuovi Studi (S. 10) 208. 327. K a r l o w a a . a . O . 1, 948ff. v. B e t h m a n n - H o l l w e g Zivilprozeß 1, §54. v. G l ö d e n Das römische Recht im ostgotischen Reiche 1843. G a u d e n z i Entstehungszeit des Edictum Theoderici, ZRG. 20, 29; Gli editti di Theodorico e di Atalarico 1884. P a t e t t a SulF anno della promulgazione dell' editto di Teodorico, Atti della Acad. delle Se. di Torino 28 (1893). H a r t m a n n G. Italiens i. Mittelalter 1, 117ff. v. H a l b a n a. a. O. 1, 124ff. 192. 275. 2, 74. A. S c h m i d t ZRG. 29, 245. A f f o l t e r Das intertemporale Privatrecht 138 f. 15 Ausg. B l u h m e MG. Leg. 5, 145ff. P a d e l e t t i Fontes iur. Ital. 1, 3ff.
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Fränkische Zeit.
darunter das von Cassiodor verfaßte Edictum Athalarici, finden sich in den „Variae" des Cassiodor16. Nach der Vernichtung des Ostgotenreiches durch Justinian wurde für Italien die gesamte ostgotische Gesetzgebung zugunsten der justinianischen aufgehoben, während sie in der Provence auch unter der fränkischen Herrschaft in Geltung geblieben sein muß 17 . 3. D i e b u r g u n d i s c h e n Gesetze 1 8 . Die Lex B u r g u n d i o n u m (Uber constitutionum) ist ein Gesetzbuch des Königs Gundobad aus dem Ende des 5. Jahrhunderts, zum Teil unter Benutzung des westgotischen Gesetzbuches Eurichs, zum Teil auf Grund älterer burgundischer Königsgesetze, sodann durch Novellen Gundobads (von 501—515) und Sigismunds (die letzte von 517), die an den geeigneten Stellen eingefügt wurden, vermehrt, ohne daß eine eigentliche Neuredaktion stattgefunden hat. Außer einem von 31 Grafen unterzeichneten Einführungsgesetz (prima constitutio) zeigen die Handschriften einen festen Kern von 88 Titeln, an den sich eine Gruppe von weiteren 17 Titeln anschließt. Es fehlt nicht an Spuren des römischen Rechts, obwohl das Gesetz im allgemeinen durchaus germanisches Gepräge hat. Auch nach 534 blieb die Lex Gundobada (eine Bezeichnung, die auch das burgundische Gewohnheitsrecht mitumfaßte) als persönliches Recht der Burgunden (Gundobadingi) bis über das 9. Jahrhundert hinaus in Geltung. 18 Ausg. von M o m m s e n MG. Auct. ant. 12, 60. 66. 268. 282. Vgl. D e l G i u d i c e (n. 14) 208. 17 Vgl. n. 7. B l u h m e a. a. O. 170ff. Die Reste des ostgotischen Volkes behielten gleichwohl ihr gotisches Recht bei. Vgl. Urkunde des Goten Stavila, civis Brixianus vivens legem Gothorum, Hist. Patriae Monum. 13 Nr. 38 (a. 769). B r u n n e r l 2 , 396f. Hist. Z. 65, 316. 78, 194. Vielleicht (wenn nicht auf das westgotische Recht zu beziehen) auch die Urkunde des Obezo, filius quondam, Rozoni de vico Godi, et Dominica, iugalibus, qui professi aumus legem vivere Otothorum (a. 1045). T a m a s s i a Una professione di legge gotica in un documento mantovano del 1045, Arch. giur. 68, 401 ff. (1902); Le professioni di legge gotica in Italia, Atti e Memorie della R. Acad. di scienze in Padova 19, 1 (1903). Anderer Auffassung S c h u p f e r Rivista ital. per la scienza giur. 34, 2. 3. 35, 1. 18 Ausgaben: MG. Leg. 3, 497ff. 579ff. ( B l u h m e ) 1862; MG. Leg. sectio 1, tom 2 (v. S a l i s ) 1892; Pontes rerum Bernensium 1, 90ff. ( B i n d i n g ) 1880. Diplomatisch getreue Abdrücke sämtlicher Handschriften der L. Burg, bei V a l e n t i n S m i t h La Loi Gombette, 14 Hefte, Lyon 1889ff. — Literatur: B r u n n e r l 2 , 497, 506. v. A m i r a 3 20. D a h n Könige X I 98. K ü b l e r Zur Sprache der Leges Burgundionum, W ö l f f l i n s Arch. f. lat. Lexikographie 8, 445. v. S a l i s u. B l u h m e in ihren Ausgaben. B l u h m e JB. d. gem. deutsch. R. 1, 48ff. 2, 197ff. 5, 207ff.; Hist. Z. 21, 234. B o r e t i u s ebd. 21, 1. H u b é ' Revue hist, de droit 13, 209. Z e u m e r N. Arch. 25, 257. S t o b b e 1, 100—119. v. D a n i e l s Handbuch 1, 154—78. T a r d i f Hist, des sources d u droit français 1890 S. 124ff. 169ff. v. S a v i g n y (n.5) 2\ I f f . 7, 30ff. G i n o u l h i a c Revue hist, de droit 2, 529. G a u p p Ansiedlungen 296ff. v. H a l b a n a. a. O. 1, 268ff. 284ff. K a r i o w a (n. 5) 1, 983f. A f f o l t e r (n. 1) 140ff. K r ü g e r G. d. Qu. u. Lit. d. röm. R. 1888 S. 317. M o m m s e n N. Arch. 25, 587 ff. — Über eine bisher unbekannte Handschrift der Gundobada P e t o t Nouv. Revue 1913 S. 337ff. H . M i t t e i s ZRG. 47, 407. Z e u m e r N. Arch. 25, 257ff. Über ein angebliches „Caput legis Gundobae" C o n r a t ebd. 37, 275.
§ 31. Die Volksrechte und die Leges Bomanae.
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Seinen römischen Untertanen, denen schon die früheren Könige die Beibehaltung ihres Rechts gestattet hatten, war von König Gundobad im Eingang seines nur zum Teil für sie mitbestimmten Volksrechts (einige Bestimmungen galten als Reichsrecht, auch sollte bei Streitigkeiten zwischen Römern und Burgunden immer die L e x Burgundionum entscheiden) ein eigenes Gesetzbuch versprochen worden. E s ist anzunehmen, daß auch die nach dem Muster der Gundobada verfaßte L e x R o m a n a B u r g u n d i o n u m noch Gundobad ihre Entstehung verdankt. Sie ist aus einigen burgundischen Gesetzen, hauptsächlich aber aus römischen Quellen, jedoch in selbständiger Verarbeitung, geschöpft, insbesondere wurde die römische Interpretationsliteratur hier ebenso wie bei dem westgotischen Breviarium und dem Edikt Theoderichs benutzt. Nach 534 wurde die L e x Romana im praktischen Gebrauch mehr und mehr durch das Breviarium Alaricianum verdrängt 1 0 . 4. D i e L e x S a l i e a 2 0 . Das Volksrecht der salischen Franken beherrschte das ganze Gebiet dieses Stammes in Frankreich, Belgien und 19 Indem man die von Papinian herrührende letzte Stelle des Breviarium für den Anfang der ihm in den Handschriften vielfach angehängten Lex Rom. Burg, hielt, kam für letztere die sinnlose Bezeichnung Papianus auf. 20 Diplomatisch getreue Ausgaben: P a r d e s s u s Loi Salique 1843 (8 Texte); H o l d e r 1879—80 (8 Texte in 6 Einzelausgaben); H e s s e l s 1880 (synoptische Ausgabe von 11 Texten, mit sprachlichen Erläuterungen von K e r n ) ; Hu bé 1867 ( I T e x t ) ; v a n Z i n n i c q B e r g m a n n De salische wet 1877 (1 Text). —Ausgaben: W a i t z Das alte Recht der salischen Pranken 1846 (sprachliche Erläuterungen von M ü l l e n h o f f ) ; M e r k e l 1850 (sprachliche Erläuterungen von J. G r i m m ) ; J. P. B e h r e n d 1874 (die Kapitularien zur L. Sal. bearb. von B o r e t i u s ) , 2. Aufl. von R. B e h r e n d 1897; G e f f c k e n 1898. Eine kritische Ausgabe in den Mon. Germ, von K r a m m e r befindet sich im Druck. Die russische Sammlung von Denkmälern des alten westeuropäischen Rechts, her. v. W i n o g r a d o f f und W l a d i m i r s k a g o - B u d a n o w a (Kiew 1906), enthält eine Ausgabe von J e g o r o f f mit russischem Kommentar. — Literatur: außer den Ausführungen in den Ausgaben: v. A m i r a 3 23f. B e a u d o u i n Particepation (s. S. 175) 24ff. B e h r e n d ZRG. 13, lff. GGA. 1880 Stück 43. v. B e t h m a n n - H o l l w e g Zivilprozeß 1, 445ff. B r u n n e r l 2 , 427ff.; Das Alter der L. Sal. u. der pactus pro tenore paeis, ZRG. 42, 130; Grundzüge 6 38f. C l e m e n t Das R. der sal. Pranken 1876. D a h n 7, 2 S. 50ff. v. D a n i e l s HB. 1, 178ff. D i p p e Der Prolog der Lex Salica, Hist. VJSchr. 2, 153ff. P a h l b e c k La royauté et le droit royal francs 250ff. P u s t e l de C o u l a n g e s X. Revue 11, 764ff. G a u d e n z i Salica Legge 1888 (Estratto dal Digesto italiano); La Legge Salica e gli altri diritti germanici 7ff. G e n g i e r Rechtsdenkm. 39ff. v. H a l b a n 3, 7ff. H a r t m a n n PDG. 16, 614ff. H i l l i g e r Hist. VJSchr. 1911 S. 153ff. K r a m m e r Krit. Untersuch, z. L. Sal., N. Arch. 30, 261 ff.; Fo:sch. z. L. Salica I., ebd. 39, 599; Zur Entstehung der L. Sal. 1910 (Festschr. Brunner S. 405ff.) H. M ü l l e r Der Lex Salica und der Lex Angl, et Werin. Alter und Heimat 1840. P e r t z Arch. 7, 730ff. R i e t s c h e l Der Pactus pro tenore pacis u. die Entstehungszeit der L. Sal., ZRG. 40, 253ff. ; Die Entstehungszeit der L. Sal., ebd. 43, 117ff.; Die Münzrechnung der L. Sal., VJSchr. Soc.-WG. 1911 S. 31ff., besonders S. 78ff. S c h r ö d e r Pranken 36ff.; Unters, z. d. fränk. Volksrechten, Monatsschr. f. G. Westdeutschi. 6, 468ff. ; PDG. 19, 471. v. S c h w e r i n RG. 108. S e e l i g e r Hist. VJSchr. 1898 S. 16ff.
It. S c h r ö d e r , Deutsche Rechtsgcschichte.
6. Aufl.
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Fränkische Zeit.
dem südlichen Teil der Niederlande und gelangte auch bei den stammverwandten chattischen Franken in Hessen, am Mittelrhein und in den Flußgebieten von Mosel, Lahn und Main zur Geltung. Es war das Hausgesetz der Merowinger und hatte in gewisser Beziehung (§ 17 n. 28) grundgesetzliche Bedeutung für das ganze Reich. Über die Aufzeichnung des Gesetzes berichten zwei dem Gesetz in Handschriften beigefügte Prologe. Der längere Prolog führt es auf Weistümer zurück, die noch in der heidnischen Zeit durch einen Ausschuß von vier Männern an drei verschiedenen Malstätten vor dem Ding vorgetragen seien; später sei eine Revision und Ergänzung durch Chlodovech, nachdem er das Christentum angenommen hatte, und sodann durch Childebert und Chlothar erfolgt. Während der längere Prolog bisher allgemein für alt und im wesentlichen glaubwürdig gehalten wurde, hat neuerdings K r a m m e r darauf aufmerksam gemacht, daß seine sagenhaften Mitteilungen einer Erfindung des Liber historiae Francorum von 727 (MG. Scr. rer. Merov. 2, 244) entlehnt, seine positiven Angaben über die Zusammensetzung des Gesetzes aber einem dem Gesetzestext in einigen Handschriften angehängten, durchaus glaubwürdigen Nachwort, dem sog. Epilog, entnommen sind 21 . Nach diesem hatte der ungenannte Gesetzgeber (rex Francorum) seinem ursprünglich in 74 Titeln abgefaßten Werke später mit Zustimmung seines Volkes (postea una cum Francis pertractavit) noch drei Titel (75—77) hinzugefügt. Erheblich später (posi multum tempus) hatte dann König Childebert (T) mit seinem Volke (cum suis Francis) weitere, bis Titel 84 reichende Zusätze beschlossen und diese seinem Bruder Chlothar (I) mitgeteilt, der dann cum regnum suum noch die auf Titel 84 folgenden, bis zum Schluß reichenden Titel (85—99) vereinbarte, worauf beide Könige gemeinsam dieser Vermehrung des Gesetzes ihre Sanktion erteilten 22 . Die genauen Angaben des Epilogs berechtigen zu der von K r a m m e r aufgestellten Vermutung, daß dem Verfasser eine Handschrift vorgelegen hat, in der die vier hier unterschiedenen Abschnitte des Gesetzes bereits den von ihm genannten Gesetzgebern durch besondere Überschriften S t o b b e 1, 28ff. v. S y b e l Königtum 167ff. 308ff. T h o n i s s e n Organisation judiciaire de la Loi Salique 5ff. V i o l l e t Hist, du droit civil 95ff. W a i t z VG. 2 3 , 1 S. 88ff. ; 119ff.; Abh. 413ff. W i a r d a G. u. Auslegung d. sal. Gesetzes 1808. — F e h r Hammurapi u. das sal. R. 1910 (vgl. R i e t s c h e l ffiat. Z. 109 S. 326). S c h r a m m Sprachliches zur L. Sal., Diss. Marburg 1911. 21 K r a m m e r Entsteh, d. L. Sal. (SA.) S. 48ff. 22 ExpliciurU legis Salica libri III. Quem, vero rex Francorum staluit et postea una cum Francis pertractavit, ut très titulis aliquid amplius adherit. Sic a primo usque ad septuagissimo octavo perduxit. Deinde vero Chiddebertus post multum tempus tractavit, ut quid venire potuerit, quod ibi cum suis Francis adhere deberet. A septuagissimo octavo usque LXXXIIII perinvenit, quod ibi digne inposuisse cognoscitur. Iterum cum hoc his titulis Chlotharius a germano suo seniorem suum gradanter suseepit, sie et ipse similiter cum regnum suum perinvenit, ut ab octuagissimo quarto adderit et ita perfectum perduxit, et inde quod ipse invenit fratrem suum rescripta direxit. Sic inter eis convenit, ut ista omnia que constiluerunt starent.
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§ 31. Die Volksrechte und die Leges Komanae.
beziehungsweise Schlußworte zugewiesen waren 23 . Erhalten ist uns der ursprüngliche Text der Lex Salica nicht. Die ältesten Handschriften gehören erst der Zeit Pippins und Karls d. Gr. an und weisen inhaltlich wie in der äußeren Anordnung erhebliche Verschiedenheiten auf, obwohl die materiellen Änderungen nur gering gewesen sind, so daß sich der ursprüngliche Inhalt des Gesetzes, wenn auch nicht der Wortlaut, mit ziemlicher Sicherheit feststellen läßt. Nach der Anordnung unterscheidet man, von einzelnen Abweichungen abgesehen, drei Handschriftenfamilien, eine in 65 ( M e r k e l s Text A), eine andere in 99 oder 100 (Text B) und eine in 70 Titeln (Text C). Die letztere zeigt gegenüber dem überaus barbarischen Latein der beiden andern eine gereinigtere Sprache (daher lex emendata), beseitigt die längst nicht mehr verstandenen Glossen der älteren Handschriften und trägt auch inhaltlich mehr den Charakter einer neueren Zeit. Diese Handschriftenklasse gehört der Zeit Karls des Großen an, der wohl selbst den Anstoß zu ihrer Herstellung gegeben hat 2 4 . Der in ihr enthaltene Text wurde fernerhin allein noch benutzt und als Vulgata zitiert, wie auf ihm auch die nur in einem Bruchstück überlieferte, in Australien entstandene althochdeutsche Übersetzung aus dem 9. Jahrhundert beruht 2 5 . Die bisher von der herrschenden Meinung als dem Grundtext am nächsten stehend angesehene Handschriftenfamilie war eine solche in 65 Titeln, von der sich vier Handschriften durch ihren altertümlicheren, auf eine einfachere Lebenshaltung des Volkes hinweisenden Inhalt sowie durch kürzere Fassung auszeichnen 28 . Während sich aber der Epilog nur in einer dieser Handschriften ( H e s s e l s Cod. 2) findet, haben die Handschriften des 99 Titel-Textes (Cod. 7—9) ihn ohne Ausnahme, wobei besonders in Betracht zu ziehen ist, daß die Angaben über die Entstehung des Gesetzes nur gerade der Titelfolge dieser Handschriftenklasse entsprechen, während sich gegenüber dem 65 Titel-Text Unstimmigkeiten ergeben, die sich auch durch die Hereinziehung verschiedener Zusatzkapitularien zur Lex Salica und des Landfriedensgesetzes Childeberts I und Chlothars I, des sog. Padus pro tenore pacis, nicht ausgleichen lassen 27 . 23 Vgl. K r a m m e r a. a. 0 . 23f. Dasselbe Verfahren wurde bei dem Landfriedensgesetz Childeberts und Chlothars (n. 37) sowie bei der Lex Wisigotorum (S. 254) beobachtet. 24 Vgl. B r u n n e r l \ 429 n. 8. 25 Abgedruckt in M e r k e l s Ausgabe S. 109ff. und bei M ü l l e n h o f f - S c h e r e r Denkmäler deutscher Poesie u. Prosa 3 1892 Nr. 65. B r a u n e Ahd. Lesebuch 1888 Nr. 14. Nach K ö g e l G. d. deutsch. Lit. 1, 2 S. 499ff. kann die Übersetzung nicht, wie man früher annahm, im Moselgebiet, sondern nur in Ostfranken (Gegend von Würzburg oder Fulda) entstanden sein. Vgl. v. A m i r a 3 34. Über die Geltung der L. Salica in Ostfranken S c h r ö d e r Franken 43; FDG. 19, 140ff. 28 Nach H e s s e l s als Cod. 1—4 bezeichnet, nach K r a m m e r Klasse B, nach M e r k e l Text A. 27 Vgl. K r a m m e r a. a. 0 . 9ff., der auch darauf aufmerksam macht, daß der Epilog des Cod. 2 erst aus dem der Cod. 7—9, die ihm offenbar als Vorlage gedient hätten, entstanden sein könne. Den umgekehrten Vorgang vertritt B r u n n e r
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Fränkische Zeit.
Bestätigt werden die Angaben des Epilogs durch den Inhalt der von ihm bezeichneten Abschnitte des 99 Titel-Textes28. Die Titel 1—74, die hiernach als der ursprüngliche Bestand des Gesetzes anzusehen sind, zeigen einen durchaus einheitlichen Charakter, kurze strafrechtliche Bestimmungen, die nur gelegentlich auch das Gerichtsverfahren berühren, das Privatrecht und alle kirchlichen Verhältnisse aber ganz unberührt lassen. Während in diesem Abschnitt alles fehlt, was auf Kirche und Christentum Bezug haben könnte, enthalten die Titel 75—77, die nach dem Epilog von dem ersten Gesetzgeber erst später hinzugefügt worden sind, zwar ebenfalls nur kurze strafrechtliche Bestimmungen, aber gerade solche kirchlichen Inhalts (Schutz der Kirchen gegen Brandstiftung und Kirchenraub, Wergeid der Priester und Diakonen). Noch wesentlicher unterscheiden sich die Titel 78—99 von allem Vorhergehenden durch ihre zum Teil sehr ausführlichen Bestimmungen aus dem Gebiete des Privatrechts und des Gerichtsverfahrens. Eine besondere Bestätigung erhalten die Angaben des Epilogs noch dadurch, daß das Gesetz in den Titeln 1—74, und nur in diesen, eine sehr ausgiebige Benutzung des Codex Euricianus, der dem Gesetzgeber unmittelbar als Vorlage gedient haben muß, aufweist 29 . Wenn der Codex Euricianus dem ältesten Text der Lex Salica als Vorlage gedient hat, so kann der ungenannte erste Gesetzgeber, dessen Werk später durch Childebert I und Chlothar I ergänzt wurde, kein anderer als Chlodovech gewesen sein, der auch von dem allerdings sagenhaften Prolog als solcher namhaft gemacht wird30. Da das Gesetz nicht bloß für Salier, sondern großenteils auch für die mit ihnen zusammenlebenden Börner und für eine weinbautreibende Landschaft bestimmt war, so kann es erst nach der Reichsgründung, d. h. nach der Eroberung des Reiches des Syagrius (486), entstanden sein. Das Fehlen jeder auf ZRG. 42, 166ff., ebenso H i l l g e r (n. 20) S. 169ff. Daß der Verfasser des Epilogs das Zusammenwirken Childeberts und Chlothars in unverkennbarer Anlehnung an den Wortlaut des Pactus pro tenore pacis schildert, beweist doch nicht, wie B r u n n e r a. a. O. 167 annimmt, daß er diesen als einen Bestandteil der Lex Salica im Auge gehabt habe. 28 Vgl. K r a m m e r a. a. 0. 24f. 28. 29 Vgl. K r a m m e r Kr. Unters, (n. 20) 268—318. B r u n n e r l 2 , 430f. R i e t s c h e l Münzrechnung (n. 20) S. 80f. macht darauf aufmerksam, daß die den erweiterten 65 Titel-Text enthaltenden Cod. 5 und 6 noch reicher an euricianischen Stellen sind, als die des 99 Titel-Textes, daß also beide Handschriftsklassen eine gemeinsame, uns nicht erhaltene Vorlage benutzt haben dürften. Dagegen sind die Handschriften des verkürzten 65 Titel-Textes (n. 26), was schon K r a m m e r nachgewiesen hat, in dieser Beziehung erheblich ärmer. 30 Die Abfassung unter Chlodovech (vgl. besonders B r u n n e r Alter der L. Salica, ZRG. 42, 130—172) wird heute, nachdem auch R i e t s c h e l seinen früheren Widersprach aufgegeben und sich den Ausführungen K r a m m e r s angeschlossen hat ( R i e t s c h e l Münzrechnung 78ff.), nur noch von H i l l i g e r bekämpft, der sich auf seine Forschungen über den salischen Denar stützt. Vgl. dagegen oben S. 197 ff. und die daselbst n. 1 angeführte Literatur.
§31. Die Volksrechte und die Leges ßomanae.
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Christentum u n d Kirche bezüglichen Bestimmung 3 1 berechtigt noch nicht zu dem Schluß, daß die Abfassung vor Chlodovechs Taufe (496) erfolgt sei, da anderseits auch alles spezifisch Heidnische fehlt u n d sich im Frankenreiche noch lange nach 496 Spuren des Heidentums nachweisen lassen 3 3 . Man wird daher nicht fehlgehen, wenn man die Entstehung der Titel 1—74 in das letzte Jahrzehnt des fünften, die Titel 75—77 aber in das erste Jahrzehnt des sechsten Jahrhunderts verlegt. Die von Childebert I und Chlothar I erlassenen Titel 78—99 müssen zwischen 511 u n d 558 entstanden sein. D a aber das letzte Lebensjahr Childeberts (f 558) in eine Zeit schwerer Bruderzwiste fiel 3 3 , anderseits das Herrschaftsgebiet der beiden Brüder nach dem vielbesprochenen Titel 82 (De filtorto) auch Gebiete südlich der Loire umfaßte, die bis 524 zu dem Reiche Chlodomirs gehörten, so dürfte die Abfassungszeit in die Jahre 524—557 fallen. Das Gesetz handelt hier von dem Verfahren mit Anfang wegen gestohlenen Gutes. Der Bestohlene ist ein solcher, der lege Salica vivit, also, wie damit stillschweigend vorausgesetzt wird, seinen Wohnsitz innerhalb des Gebietes zwischen dem Kohlenwalde (Silva Carbonaria) im Norden und der Loire im Süden h a t . W o h n t auch der Beklagte, bei dem die entwendete Sache gefunden ist, innerhalb dieser Grenzen, so wird für die Verhandlung ein Termin n a c h 40 Nächten angesetzt. Wohnt er dagegen in den altsalischen Gebieten nördlich des Kohlenwaldes, oder südlich der Loire in Aquitanien, so wird die Frist auf 80 Nächte verdoppelt 3 4 . Die Bestimmung ergibt zugleich, daß auch Childebert I und Chlothar I das ehemalige L a n d des Syagrius, das als das salische Kernland galt und für das Chlodovech sein Gesetz zunächst erlassen hatte, immer noch als das eigentliche Geltungsgebiet der Lex Salica betrachteten- Anderseits ist aber wohl n i c h t mit K r a m m e r anzunehmen, daß die Lex Salica auch weiterhin n u r f ü r dies beschränkte Gebiet gegolten habe und erst von den Karolingern auf alle salischen Franken, insbesondere Austrasiens, ausgedehnt worden sei 35 . 31
Die unverkennbare Abneigung der Lex Salica gegen die Todesstrafe ist nur indirekt auf kirchlichen Einfluß zurückzuführen, da es diesem in Neustrien schon in der römischen Zeit gelungen war, aie Todesstrafe so gut wie zu beseitigen. Chlodovech hat sich dieser Entwicklung offenbar mit Rücksicht auf die Provinzialen in seinem Reiche angeschlossen. Vgl. Brunner l 2 , 250f. 435. Ein eigentümliches Geschick wollte es, daß eine gewisse Durchbrechung dieses Prinzips noch unter Chlodovech durch einen Beschluß des Konzils von Orleans v. 511 c. 2 (MG. Conc. 1, 3) erfolgte, nach welchem Frauenraub mit Strafknechtschaft oder Halslösung bedroht wurde, während L. Sal. 14, 4 nur eine Buße von 62 V2 Sol. verlangte. Vgl. n. 36. 32 Vgl. Brunner l 2 , 436. Loening KR. 2, 58f. Noch Childebert I sah sich genötigt, bei Strafe die Entfernung der simulacra und idola daemoni dedicata, die etwa auf den Feldern oder auch wohl in Eigentempeln errichtet waren, zu befehlen. MG. Cap. 1, 2. 33 Vgl. Brunner ZRG. 42, 175. Dahn Könige VII 2, 36 n. 5. 34 Vgl. Brunner l 2 , 437. Rietschel Entstehungszeit 127. Krammer Entstehung 29—34. 36 Wenn das Gesetz die 80nächtige Frist für die altsalischen Landesteile im Norden und für die neusalischen in Aquitanien festsetzte, so muß es doch auch in diesen Gebieten gegolten haben.
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Fränkische Zeit.
Von Childebert I und Chlothar I besitzen wir auch sonst noch Zeugnisse einer geraeinsam ausgeübten gesetzgeberischen Tätigkeit. In einem Konzil von Tours von 567 (MG. Conc. 1, 130) wird erwähnt, daß Childebertus et Chlotcharius reges constituiionem legum de hac re custodierint et servaverint, quem nunc domnus Charibertus rex succesor eorum praecepto suo roboravit, ut nullus ullam nec puellam nee viduam absque parentum voluntatem trahere aut accipere praesumat36. Vor allem aber ist das berühmte Landfriedensgesetz (Pactus pro tenore pacis) hier zu nennen, das in älterer Zeit mit Unrecht den beiden Vettern Chlothar II und Childebert II zugeschrieben wurde37. Da es in manchen Handschriften (nicht in denen des 99 Titel-Textes) mit anderen Stücken im Anhang zur Lex Salica überliefert ist und mit dem sonst den Volksrechten und insbesondere auch der Lex Salica zukommenden Titel Pactus bezeichnet erscheint, hat man es, wie bereits erwähnt, früher vielfach mit den vom Epilog erwähnten Zusatztiteln Childeberts I und Chlothars I zur Lex Salica verwechselt, obgleich das Landfriedensgesetz, wenn auch zum Teil volksrechtlichen Inhalts, vorwiegend eine landespolizeiliche Maßregel territorialen Charakters war. Die Verweisung auf die Lex Salica in c. 5 (quod lex Salica habet fuisse conpletum)38 läßt erkennen, daß diese, wenigstens in ihrem ältesten Bestände, bereits vorlag und daß das Landfriedensgesetz von den königlichen Brüdern nicht als zum Bestände der Lex Salica gehörig betrachtet wurde. Ein wirkliches Ergänzungsgesetz zur Lex Salica, wenn auch ebenfalls mit territorialer Begrenzung, war das Edikt des Königs Chilperich (561—584) 39 . Außerdem sind handschriftlich noch verschiedene, zum Teil sehr bedeutsame Novellen aus der merowingischen Zeit, bei denen die Gesetzgeber nicht mehr zu ermitteln sind, überliefert40. Das 38 Vgl. B r u n n e r ZRG. 42, 158f., der darauf aufmerksam macht, daß dies Gesetz zum Teil vielleicht in einer der Novellen zur Lex Salica (Be.hrend 2 S. 65. G e f f c k e n S. 132 c. 6. M e r k e l S. 35 c. 70) vorliegt, in welchen die Anstiftung von Hauskindern zur Eheschließung ohne Einwilligung ihrer Eltern mit Todesstrafe und Vermögenseinziehung bedroht wird, während der Frauenraub nach Maßgabe der anterior lex (L. Sal. 14 ?) bestraft werden soll. Vgl. n. 31. 37 MG. Cap. 1, 3ff. B o r e t i u s Beitr. z. Kapit.-Kritik 22f. -Brunner ZRG. 42, 158—172; RG. I 2 , 439. 441. 540. S c h r ö d e r Franken 40; Untersuch. 478ff.; Hist. Z. 79, 225. D i p p e (n. 20) 159ff. R i e t s c h e l ZRG. 40, 253. Der letztere hat seine Ansicht über die Entstehungszeit des Pactus seither aufgegeben. 38 Das Zitat bezieht sich auf L. Sal. 67 (40). 3 » MG. Cap. 1, 8. Durch c. 2 wird L. Sal. 78 und durch c. 3 L. Sal. 92 (sicut et lex Salica habet) abgeändert. Vgl. S c h r ö d e r Untersuch. 481ff. Gierke ZRG. 12, 438 f. 40 Vgl. B r u n n e r l 2 , 441; Mithio u. Sperantes, Festgabe Beseler 22 n.; BSB. 1894 S. 563ff. Novelle 1 c. 1—4 (nach der Ordnung bei B e h r e n d 2 S. 131f., bei H e s s e l s 66—69, M e r k e l 66—68, G e f f o k e n S. 63f.) und Novelle 6 ( B e h r e n d 2 S. 157ff. H e s s e l s 79—95. M e r k e l 78—94. G e f f c k e n S. 68ff.) tragen noch ganz den Charakter der Lex Salica, sie enthalten wie diese auch die malbergischen Glossen und die Umrechnung der Denarbußen in Schillinge. Novelle 6 c. 1 kennt
§ 3 1 . Die Volksrechte und die Leges Romanae.
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jüngste Zusatzgesetz bilden die Capitula legis Salicae Ludwigs d. Fr. von 820". In den meisten, der Emendata voraufgehenden Handschriften sowie in den ältesten Novellen finden sich, zumal bei den Bußsatzungen, stark entstellte altfränkische Glossen, in denen, regelmäßig mit der Einleitung mall, oder malb., Ausdrücke und Formeln überliefert werden, die in der Sprache des Malbergs, d. h. in der technischen Gerichtssprache der Salier, gebräuchlich gewesen sein müssen. Die Wissenschaft bezeichnet sie als „malbergische Glossen" und sieht in ihnen eine Privatarbeit, die keinen ursprünglichen Bestand des Gesetzes gebildet hat, sondern erst nachträglieh, aber schon in frühmerowingischer Zeit, in den Text eingefügt worden ist42. Eine andere Privatarbeit in altfränkischer Sprache ist die unter dem Namen chunnas überlieferte Zusammenstellung der Hunderteinheiten in den Bußansätzen der Lex Salica43, in denen wir eine Bestätigung der Annahme gefunden haben, daß die altsalischen Bußen uraber schon den römischen Heermann und erhöht das Wergeid des tributarius auf 100 Solidi. — Ein neustrisches Gesetz aus der Zeit der Teilreiche, gleich dem etwas jüngeren Edikt Chilperichs Einflüsse des römischen und westgotischen Hechts aufweisend, ist Novelle 1 c. 5—8 ( B e h r e n d 2 S. 132ff. H e s s e l s 70—73. M e r k e l 69—72. G e f f c k e n S. 64—65). — Jeder näheren Feststellung entzieht sich Novelle 1 c. 9—12 ( B e h r e n d 2 S. 135ff. H e s s e l s 74—77. M e r k e l 73—76. G e f f c k e n S. 66ff.), ferner die durch wiederholte Hinweisungen auf die Lex Salica bemerkenswerte Novelle 2 ( B e h r e n d 2 S. 137ff. H e s s e l s 99—107. M e r k e l 95—97. 101—105. G e f f c k e n S. 72ff.) und Novelle 3 ( B e h r e n d 3 S. 143ff. H e s s e l s 96—98. M e r k e l 98—100. G e f f c k e n S. 76f.), mit der bei B e h r e n d erst als Schluß von Novelle 2 aufgenommenen Einleitung Secundum legem Salicam hoc convertit observari. 41 MG. Cap. 1, 292. Über die Datierung (820 statt 819) vgl. S e e l i g e r Kapitularien S. 55. M ü h l b a c h e r Regesten Nr. 710. 42 Vgl. B r u n n e r l 2 , 432f. J. G r i m m , Vorrede zu M e r k e l s Lex Salica (auch Kl. Sehr. 8, 228ff.) und die Anmerkungen von K e r n in H e s s e l s Ausgabe. K e r n Die Glossen in der Lex Salica 1869. v a n H e l t e n Zu den malberg. Glossen u. den salfränk. Formeln u. Lehnwörtern i. d. Lex Salica, Beitr. z. G. d. deutsch. Sprache 25, 225—542. C a l m e t t e Bibl. de l'école des chartes 60, 397. d ' A r b o i s d e J u b a i n v i l l e , N. Rev. 26, 335. Sohm R.- u. GV. 558ff. K ö g e l G. d. deutsch. Literatur 1, 2 S. 418ff. Über die Formstrenge der germanischen Gerichtssprache vgl. auch v. A m i r a GGA. 1885 S. 164ff. Die altniederfränk. Worte der malb. Glosse sind von den Abschreibern entstellt. Eine der wenigen, auf den ersten Blick verständlichen Glossen findet sich in Tit. 4 § 1 (Ausg. B e h r e n d ) : Si qui* agnum lactarUem furaverit et ei fuerit adprobatum, Malb. lammi, hoc est 7 dinarius qui faciunt medio trianti, culpabilis iudicetur. Nach v. A m i r a 3 33f. ist die malb. Glosse als ein Niederschlag der Privatinterpretation des 6. Jahrhunderts und nicht als ursprünglicher Bestandteil des amtlichen Textes anzusehen. 43 Vgl. S. 198. B r u n n e r Forsch. 487. v. A m i r a 3 35. Kleinere Bruchstücke salischen Rechts aus späterer Zeit, wohl ausschließlich Privatarbeiten, sind die Becapitulatio legis Salicae ( B e h r e n d 2 178ff. G e f f c k e n S. 102ff. M e r k e l S. 98. H e s s e l s S. 425) und einige Glossen (Merkel lOlff.). Von den Extravaganten ( B e h r e n d 2 163ff. G e f f c k e n 90ff. M e r k e l 99f. H e s s e l s 420f.) sind die Extrav. B (Handschrift von Jvrea) Mitte des 9. Jahrhunderts in Italien entstanden. Die sog. Remissoria ( B e h r e n d 2 174. G e f f c k e n 98ff. M e r k e l 95f. H e s s e l s 424), zu denen auch die chunnas gerechnet werden, sind noch merowingisch. Vgl. B r u n n e r l 2 , 442.
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sprünglich in Denarhunderten angesetzt gewesen und erst durch die beigefügte Umrechnungsklausel auf Schillingsbeträge reduziert worden sind 44 . Dem ältesten Text am nächsten stehen daher die Handschriften, welche diese Umrechnungsklausel enthalten und demnach von Denarwerten ausgehen, während die Handschriften mit einfachen Schillingsbußen einer späteren Gestaltung zugeschrieben werden müssen. Ob die Umrechnungsklausel selbst schon von Chlodovech oder erst von Pippin eingefügt ist, muß dahingestellt bleiben 45 . Für den letzteren Fall würde man mit K r a m m e r eine amtliche Herstellung des 99 Titel-Textes mit Einschluß des Epilogs unter Pippin anzunehmen haben, während ich anderseits den Prolog nicht mit ihm für ein amtliches Einführungsgesetz ansehen kann. Auch die von K r a m m e r vermutete besondere Publikation für Austrasien erscheint mir sehr problematisch, und nur soviel ist zuzugeben, daß der verkürzte 65 Titel-Text für den Gebrauch der austrasischen Salier, aber wohl noch im 6. Jahrhundert (n. 47), hergestellt sein dürfte, wobei die Schreiber wie bei der Emendata auf amtliche Anweisung gehandelt haben mögen. 5. D i e L e x R i b u a r i a 4 6 . Das Volksrecht der riburarischen Franken trägt den Charakter einer amtlichen Kompilation verschiedener, lose miteinander verbundener Bestandteile. In der handschriftlich vorliegenden Form kann das Gesetz erst unter Karl dem Großen (aber jedenfalls vor 803) zum Abschluß gekommen sein, doch bleibt es zweifelhaft, ob dies bloß durch die amtlich beeinflußte Tätigkeit der Abschreiber geschehen ist. Die ältere handschriftliche Form enthält keine Abschnitte, während die Handschriftenklasse der Lex emendata (S. 251) in 91 Titel eingeteilt 14
Vgl. S. 198ff. Wenn die Klausel nicht schon von Chlodovech herrührt, die älteren Handschriften also nur Bußansätze in Denaren gehabt haben, so hatte dies, nachdem der Wert des Solidus so bedeutend gesunken war, seine großen Bedenken, und es wäre durchaus zeitgemäß gewesen, wenn Pippin durch eine Neuredaktion des Gesetzes feststellte, daß von den in der Lex Salica genannten Denaren je 40 auf einen Solidus kamen, also doch nur 12 Denare nach dem zu seiner Zeit bestehenden Münzfuß. Immerhin blieb auch dann noch eine große Rechtsunsicherheit bestehen, zumal da die Handschriften mehr und mehr anfingen, nur noch Bußansätze in Schillingen aufzunehmen. Die Beschwerden der Rheimser Synode würden sich auf diesem Wege am leichtesten erklären. 46 Kritische Ausgabe von S o h m MG. Leg. (fol.) 5, 185; Schulausgabe 1883. Vgl. S o h m Entstehung der L. Rib., ZRG. 5, 380. E. M a y e r Zur Entstehung der L. Rib. 1886. B r u n n e r l 2 , 442; Kr. VJSchr. 29, 167. S c h r ö d e r ZRG. 20, 22. K. L e h m a n n N. Arch. 1885 S. 414. W a i t z 2 3 , 1 S. 113ff. v. A m i r a 3 24f. S t o b b e 1, 56ff. G e n g i e r Rechtsdenkm. 46ff. v. D a n i e l s Handbuch 1, 245ff. R o g g e Observationes de peculiari Legis Ripuariae cum Salica nexu 1823. H i l l i g e r Hist. VJSchr. 1903 S. 455 (vgl. B r u n n e r l 2 , 441 n. 21). v. H a l b a n Rom. R. i. d. germ. Staaten 3, 54f. Die Annahme von F i c k e r (MJÖG. 5, 52ff.), daß die Lex Ribuaria ihre Heimat in Oberlothringen gehabt habe, ist abzulehnen, da die Oberlothringer nach salischem Recht lebten. Vgl. S c h r ö d e r Franken 44ff.; Hist. Z. 43, 52ff.; Unters. 495f. M a r t e n e et D u r a n d Ampi. Collectio 2, 33 (890). 45
§31. Die Volksrechte und die Leges Romanae.
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ist. Nach dem Vorgange der früheren Herausgeber hat aber auch die Ausgabe der Monumenta Germaniae die übliche Einteilung in 89 Titel beibehalten. Den ältesten Teil bilden Tit. 1—31, ein ursprünglich selbständiges, aber sich vielfach an die Lex Salica anlehnendes ribuarisches Gesetz aus der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts. Wenig jünger, jedenfalls vor der Decretio Childeberti (also vor 595) entstanden, ist die in den Titeln 32—64 enthaltene Umarbeitung der Lex Salica 47 , nur Tit. 36 ist zum Teil durch Einfügungen aus der Karolingerzeit verändert 48 und Tit. 57—60, 1 sowie Tit. 61 und 62 ist ein Königsgesetz eingeschaltet, das wahrscheinlich Dagobert I seinen Ursprung verdankt. Ihm hat man wohl auch ein zweites in Tit. 88 und 89 enthaltenes Königsgesetz sowie die in den Titeln 65—87 enthaltenen Ergänzungen, in denen von Tit. 80 an wieder in merklicher Weise auf die Lex Salica zurückgegriffen wird, zuzuschreiben 49 . Nachdem die Lex Ribuaria zum Abschluß gekommen war, erließ Karl d. Gr. als Zusatzgesetz zu ihr seine nova legis comtitutio quae in lege Ribuaria mittmda est vom Jahre 803 (MG. Cap. 1, 117). 6. D i e l a n g o b a r d i s c h e n G e s e t z e 5 0 . Den ersten Rang unter den Rechtsquellen dieser Periode nehmen die der Langobarden ein. Abgefaßt in barbarischem Vulgärlatein, mit zahlreichen deutschen Wörtern untermischt, lassen sie gleichwohl durch die Vollständigkeit ihres Inhalts, juristische Klarheit und humane Gesinnung eine hohe Kulturstufe des Volkes erkennen und bilden insofern einen erfreulichen Gegensatz zu der 47 L. Rib. 53, 2 kennt noch pueri regis im Grafenamt, was seit Chlothars Ed. v. 614 (S. 137) nicht mehr vorkommen konnte. Die Lex Salica wurde in einer Textform benutzt, die dem verkürzten 65 Titel-Text nahe stand. Der letztere kann also nicht erst unter Pippin für Austrasien amtlich redigiert worden sein. Vgl. S. 264. B r u n n e r l 2 , 444 n. 8. 48 Rib. 36, 12 kann erst nach der Münzreform Pippins (S. 199) eingefügt worden sein. Ebenso war die Festsetzung des friesischen und sächsischen Freienwergeldes in 36, 4 erst nach der Einverleibung dieser Stämme möglich. 49 Der in Rib. 58 § 12f., 60 § 3, 65, 73 und 87 erwähnte Königsbann von 60 Sol. begegnet zuerst 595 in der Decr. Childeb. II c. 9 (Cap. 1, 17). Über die Anlehnung des Tit. 88 an die Lex Burgundionum vgl. B r u n n e r l 2 , 441. 447. 50 Kritische Ausgaben: B a u d i a Vesme Historiae patriae Monumenta, Turin 1855; B l u h m e MG. Leg. (fol.) 4, 1—206. Schulausgaben von N e i g e b a u e r 1856 (Nachdruck nach B a u d i a Vesme), B l u h m e 1869 und P a d e l e t t i Pontes iuris Italici 1887. Vgl. Merkel G. d. Langobardenrechts 1850. S t o b b e 1, 119ff. 594ff. B r u n n e r l 2 , 529. 558. P e r t i l e a. a. O. I 2 , 129ff. S c h u p f e r Manuale 1895. v. B e t h m a n n - H o l l w e g Zivilpr. 1, 321ff. v. A m i r a 3 28f. v. D a n i e l s Handbuch 1, 148ff. Gengier Rechtsdenkm. 158ff. v. S a v i g n y a. a. O. 2, 209ff. B l u h m e Hist. Z. 21, 410ff. Liter. Zentralbl. 1869, Sp. 1423ff. B o r e t i u s Capitularien im Langobardenreich 1864. v. H a l b a n a. a. O. 2, 90ff. Del Giudice Studi di storia e diritto (1889) 362ff. ; Nuovi Studi 304; Sulle aggiunte di Rachis e di Astolfo all'Editto Longobardico, Istituto Lombardo, Rendicotti 1902 S. 582ff. T a m a s s i a Ponti dell' editto di Rotari 1889; Römisches und westgotisches Recht in Grimowalds und Liutprands Gesetzgebung, ZRG. 31, 148ff. D a h n 12, 74ff. B r u c k n e r Sprache der Langobarden 1895. A f f o l t e r (S. 246). 143ff. N e u m e y e r (S. 246) 22ff.
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nicht minder vollständigen, aber von geistiger Versumpfung zeugenden Lex Wisigotorum. Die Aufzeichnung des Volksrechts ist allmählich, im Wege königlicher Gesetzgebung unter Mitwirkung der Stammesversammlung, vor sich gegangen 51 . Im Gegensatz zu den einseitigen, nur auf die einzelne Regierungszeit berechneten königlichen Verordnungen polizeilichen oder administrativen Charakters (notitiae, capitula in brevi, brevia) wurden jene leges in ein eigenes Gesetzbuch (Uber edidus) eingetragen und daher in ihrer Gesamtheit selbst als edictum oder edidus bezeichnet 52 . Die Hauptbestandteile des Edikts bilden die an Umfang und Bedeutung einander gleichkommenden Gesetze der Könige R o t h a r i von 643 und L i u t p r a n d von 713—35 53 . Die kleineren Gesetze des Edikts sind von G r i m o w a l d (668), R a t c h i s (745—46) und A i s t u l f (755). Ein Gesetz des letzteren von 750 war ebenfalls in das Edikt eingetragen, ist aber später wieder daraus entfernt worden. In dem schon unter den Langobardenkönigen fast selbständigen, 774 zu voller Unabhängigkeit gelangten Herzogtum Benevent bediente man sich einer eigenen, mehrfach abweichenden Rezension des Edikts 5 4 , das nach 774 noch durch Gesetze der Herzöge Aregis (774—87) und Adelchis (866) vermehrt wurde 55 . Auch eine nur in Bruchstücken erhaltene grie61 Das Edikt des Rothari wurde in rechtsförmlicher Weise durch Gairethinx angenommen. Vgl. S. 29. 52 Vgl. B l u h m e MG. Leg. 4 praefatio pg. 11. Vgl. VO. des Ratchis (ebd. S. 192): Ista, quae superius scripta tenentur, in edictum, scribantur, et isla capitata dua de subtus in breve previdimus statuere. Liutprands notitia de actoribus von 733 c. 3 (ebd. 181): Hoc autem in diebus nostris et in tempore regni nostri statuimus, quamvis lex nostra non sit; post autem nostrum decessum, qui pro tempore prineeps fuerit, faciat sicut ei Deus inspiraverit aut rectum sieut secundum animam snam previderit. Vgl. ebd. 183 Notitia des Ratchis. Das Edikt zitiert man unter Angabe des betreffenden Königs und der Kapitelzahl seiner Gesetze, z. B. Ed. Rothari c. 119, Ed. Liutpr. c. 112. Die Ausgabe B l u h m e s hat die Verordnungen der einzelnen Könige ihren für das Edikt bestimmten leges hinzugefügt, anstatt Edikt und notitiae getrennt zu halten. Auch bei Westgoten und Burgunden war die eigentliche Gesetzeskraft königlicher Erlasse durch die formelle Aufnahme in das Gesetzbuch bedingt. Vgl. Z e u m e r N. Arch. 24, 71. 63 Das Gesetz des Rothari umfaßte ursprünglich 386 Kapitel nebst einem Vorwort; später sind noch zwei weitere Kapitel und eine Bestimmung über den Gebrauch beglaubigter Abschriften des Edikts hinzugetreten. Über die nicht seltenen Spuren einer Benutzung des westgotischen Gesetzbuches Leovigilds vgl. Z e u m e r N. Arch. 23, 428f.; über die Benutzung römischer Rechtsquellen in der ganzen langobardischen Gesetzgebung C o n r a t ZRG. rom. 47, 18ff. v. S a v i g n y Rom. R. im MA. 2, 219ff. v. H a l b a n 2, 105f. Die Gesetzgebung Liutprands war allmählich auf 15 verschiedenen Märzfeldern zustande gekommen; heute zitiert man nach 153 fortlaufenden Kapiteln. In der Ausgabe von B a u d i a Vesme haben irrtümlich verschiedene notitiae ihren Platz als c. 139 f. 156—164 im Edikt erhalten. M Vgl. R o s i n Formvorschriften für die Veräußerungsgeschäfte der Frauen nach langob. Recht S. 8fi. Erst dieser Rezension verdankt Ed. Liutpr. c. 29 die Entstehung. 65 Ausgabe von B l u h m e , a. a. O. 207—12. Einzelne Verordnungen beneventischer Fürsten ebd. 213—25.
§31. Die Volksrechte und die Leges Bomanae.
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chische Übersetzung des Edikts ist wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts in Benevent entstanden 56 . Eine systematische Bearbeitung des Edikts, die zwischen 829 und 832 auf Anlaß des Grafen Eberhard von Friaul entstandene Cmcordia, hat die beneventische Ediktrezension benutzt 5 7 . Aus der alten Heimat der Langobarden an der Unterelbe hat ihre Gesetzgebung wie ihre Rechtssprache eine starke Verwandtschaft mit dem sächsischen und angelsächsischen Becht bewahrt 58 . Andererseits bestehen vielfache Berührungen mit dem nordgermanischen, zumal dem gotländischen Recht, die nicht auf Stammesverwandtschaft, sondern auf politische Beziehungen der Langobarden zu ostgermanischen Völkern (Goten, Herulern, Gepiden u. a. m.) zurückgehen dürften 59 .
Das langobardische Edikt hat sich bis in das 13. Jahrhundert als Volksrecht der langobardischen Einwohner Italiens erhalten. Auch nach der Ausbildung der einheitlichen italienischen Nationalität und dem Siege des römischen Rechts (13. Jh.) hat das langobardische Recht durch die italienischen Partikularrechte und den Einfluß der scholastischen Jurisprudenz auf die Auslegung des römischen Rechts eine hohe, bis auf die Gegenwart fortwirkende Bedeutung bewahrt. Die Gesetze der fränkischen und deutschen Könige und Kaiser seit dem Jahre 774 wurden, soweit sie eine Bedeutung für Italien hatten 60 , zu Anfang des 11. Jahrhunderts in einer, übrigens wenig zuverlässigen Sammlung, dem sogenannten Capitulare, vereinigt und seitdem in dieser Gestalt in den Abschriften regelmäßig mit dem Edikt verbunden. Zusätze zu letzterem hat diese Gesetzgebung nicht ergeben. Die capitula generalia hatten für Italien überhaupt nur eine theoretische Bedeutung und die capitula Italica waren nicht als Volksrecht der Langobarden, sondern als italienisches Landesrecht, ohne Rücksicht auf die Nationalität der Bewohner erlassen. An der Hand des Edikts und des Capitulare entwickelte sich in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts in verschiedenen italienischen Städten ein lebhaftes Rechtsstudium, dessen Mittelpunkt die R e c h t s s c h u l e zu P a v i a bildete 61 . Hauptsächlich aus den Arbeiten dieser Schule ist der Uber Papiensis hervorgegangen, eine chronologische Sammlung des Edikts und des Capitulare mit 56 Ausgabe: B l u h m e a . a . O . 225—34 (vgl. praefatio pg. 43 sq.); Z a c h a r i a e Fragmenta versionis Graecae legum Rotharis 1835. Vgl. B r u n n e r l 2 , 554. 57 B l u h m e 235—89; vgl. praefatio pg. 41 sq. R o s i n a. a. 0. lOf. 58 Vgl. S. 16 n. 6. B r u n n e r l 2 , 536f. 69 Vgl. die S. 15 n. 2 angeführte Literatur, besonders B r u n n e r l 2 , 538f. 60 Über das Folgende vgl. B o r e t i u s Capitularien im Langobardenreich S. 18ff. und MG. Leg. 4, praefatio pg. 46 sqq. N e u m e y e r a . a . O . 29ff. B r u n n e r I a , 558ff. P e r t i l e Storia 1, 133. 139. 399ff. S c h u p f e r Manuale 1895 S. 126ff. 199ff. N e u m e y e r a. a. O. 29ff.; ZRG. 33, 249ff. P i c k e r Forsch, z. RG. Italiens 3, 44ff. C o n r a t G. d. Qu. d. röm. R. 1, 393ff. v. S a v i g n y G. d. röm. R. im MA. 2, 209. ,l Vgl. M e r k e l a. a. 0. 13ff. 26ff. B o r e t i u s 1. c. praefatio pg. 93 sqq. F i c k e r Forsch, z. Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens 3, 44 ff. 54 ff. 138 ff. Die hervorragendsten dieser Rechtslehrer, wohl meistens zugleich Mitglieder (iudices) des kaiserlichen Pfalzgerichts, waren Walcausus (vgl. B o r e t i u s 1. c. pg. 82 sqq. B r e m e r , GGA. 1891 S. 735ff.), Bonusfilius, Wilihelmus und sein Sohn Ugo, endlich Lanfrancus (seit 1070 Erzbischof von Canterbury).
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Glossen und prozessualischen Formeln, zwischen 1019 und 1037 zu Pavia, Verona und Rom, und zwar ausschließlich zu Schulzwecken, verfaßt 62 . Dagegen war die um 1070 zu Pavia oder in der Markgrafschaft Tuscien entstandene Expositio ein für die Bedürfnisse der Praxis berechneter Gesetzeskommentar, dessen uns unbekannter Verfasser die Mitglieder der Papienser Rechtsschule bereits als antiqui bezeichnete 63 . Im Gegensatz zu den scholastischen Arbeiten der letzteren, die einen sehr ungleichen Wert haben, ist die „Expositio" ein treffliches Werk, das namentlich durch die Berücksichtigung des fränkischen Rechts und verständnisvolles Eingehen auf die justinianische Gesetzgebung hervorragt. Eine wertvolle Arbeit über salisches und langobardisches Recht, zumal das Erbrecht, verglichen mit dem römischen, enthalten die Quaestiones ac monita aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts 64 . Eine wahrscheinlich noch gegen das Ende des 11. Jahrhunderts entstandene systematische Bearbeitung des Liber Papiensis in drei Büchern ist die sogenannte Lornbarda {liber Longobardae, liier Lombardae)65, an die sich im Laufe des 12. Jahrhunderts eine ausgiebige Literatur an Glossen, Summen und Kommentaren knüpfte 86 . An der Universität Bologna wurde nicht nur in anderen Vorlesungen vielfach auf die Lombarda Bezug genommen, sondern es wurden, wie es scheint, auch eigene Vorlesungen über die letztere gehalten 87 .
7. Die Lex Alamannorum 6 8 ist kein Königs-, sondern ein alamannisches Herzogsgesetz, das auf Beschluß der Stammesversammlung (des alamannischen Märzfeldes) wahrscheinlich von Herzog Lantfried I (709—730) erlassen wurde69. Seine 98 (99) Titel verteilen sich auf drei 62 Ausgabe: B o r e t i u s a . a . O . 4, 290—585. Vgl. praefatio pg. 75 sqq. Abdruck: P a d e l e t t i Fontes I. 63 Die „Expositio" ist. von B o r e t i u s an den einschlagenden Stellen seiner Ausgabe des Liber Papiensis mitabgedruckt. Vgl. praefatio pg. 84 sqq. Verwandte Arbeiten sind als „additiones" des Liber Papiensis aufgenommen. 64 B o r e t i u s 4, 590ff., vgl. praef. pg. 91 sq. C o n r a t a. a. O. 1, 274ff. 65 Vgl. B l u h m e a . a . O . 4, 607—40; praefatio pg. 98 sqq. Ebd. 648—64 Glossen und einige kleinere Stücke zum langobardischen Recht. 66 Vgl. A n s c h ü t z Summa legis Langobardorum 1870. Der bekannteste Sammler der Glossen war Carolus de Tocco, zu Anfang des 13. Jahrhunderts. 67 Zwei wahrscheinlich von Bologneser Scholaren angefertigte Kollegienhefte, früher für Kommentare zweier italienischer Rechtsgelehrten gehalten, bei A n s c h ü t z Lombardakommentare des Ariprand und Albertus 1855. Vgl. Siegel Lombardakommentare (WSB. 40). K. L e h m a n n Der sog. Kommentar des Ariprandus im Berliner Codex (Festgaben Jhering 1892). 68 Kritische Ausgabe von K. L e h m a n n MG. Leg. sect. 1., Bd. 5. (1888), an Stelle der unzureichenden früheren Ausgabe von Merkel MG. Leg. (fol.) 3, 1—182. Vgl. B r u n n e r l 2 , 448ff.; Alter der L. Alam., BSB. 1885 S. 149; Über ein verscholl, merow. Königsgesetz, ebd.1901 S. 932. L e h m a n n N. Arch. 10, 469ff. 12, 579ff. S t o b b e 1, 142ff. S c h r ö d e r ZRG. 20, 17ff. de R o z i é r e Revue hist. de droit 1, 69ff. v. A m i r a 3 25. M e r k e l De república Alamannorum 1849. W a i t z Abh. 361ff. 432ff. M i l c z e w s k y Entstehung u. Alter des Pactus u. der Lex Alamannorum, Heidelb. Diss. 1894. D a h n Könige 9, 1 S. 218ff. E s m e i n N. Revue 9, 680. v. S c h w i n d N. Arch. 31, 4 1 6 - 4 4 7 ; 33, 624ff. 647ff. 686ff. H a u c k KG. I 3 , 343ff. B. S c h r ö d e r Romanische Elemente in dem Latein der Leges Alamannorum, Rost. Diss. 1898. 8 » L. Alam. 1, 1: Convenit maioribus nato populo Alamannorum una cum duci eorum Lanfrido vel citerorum populo adúnalo. Vgl. 17, 2. 37. 41, 2.
§31. Die Volksrechte und die Leges Romanae.
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Abschnitte: Tit. 1—22 (23) kirchliche Bestimmungen, Tit. 23—43 (24^-44) De causis qui ad duce pertinent, hauptsächlich über die Stellung des Herzogs, Tit. 44—98 (45—99) De causis qui saepe solent contingere in populo70, Bestimmungen verschiedenen Inhalts. Mehrfache Redaktionen des Gesetzes haben nicht stattgefunden, doch sind zwei Textrezensionen zu unterscheiden, von denen die jüngere (lex emendata) nur aus Änderungen der Abschreiber hervorgegangen ist 7 1 . Der dritte Abschnitt erscheint als die Umarbeitung eines altalamannischen Volksrechts, das uns unter dem Titel P a c t u s A l a m a n n o r u m nur in fünf Fragmenten erhalten ist. Der Pactus, der nach den in ihm enthaltenen deutschen Wörtern der Zeit des Überganges vom Altgermanischen zum Althochdeutschen angehört, muß gegen Ende des 6. oder Anfang des 7. Jahrhunderts entstanden sein. Die zahlreichen, der fränkischen Rechtssprache entlehnten Ausdrücke lassen auf einen fränkischen König als Gesetzgeber schließen, denn daß der Pactus keine Privatarbeit, sondern ein Gesetz gewesen ist, ergibt sich ebensowohl aus der befehlenden Form seiner Bestimmungen, wie aus den Eingangsworten: Incipit pactus lex Alamannorum et sie eonvenit. Neben der ausgiebigen Benutzung des Pactus zeigt die Lex Alamannorum auch Anklänge an die Lex Ribuaria und das westgotische Recht 7 2 , vor allem aber erscheinen die beiden ersten Abschnitte des Gesetzes als die Verarbeitung eines verschollenen, erst von B r u n n e r nachgewiesenen merowingischen Königsgesetzes, das auch den beiden ersten Titeln der Lex Baiuwariorum als Grundlage gedient hat nnd erst im Zusammenhang mit dieser besprochen werden kann. 8. D i e L e x B a i u w a r i o r u m 7 3 . Das baierische Volksrecht in 22 Titeln wurde wegen mancher Verschiedenheiten in dem Charakter und mehrfacher Widersprüche in den Bestimmungen einzelner Teile von der älteren Kritik in der Regel für eine allmählich entstandene Kompilation verschiedenartiger Bestandteile erklärt. Heute wird sie von der Wissenschaft 70
Vielleicht aus Ed. Theoderici (S. 255). L. Alam. emend. 6 ist ein durch Umarbeitung von L. Bai. 1, 3 entstandener Zusatz. Andere Zusätze ebd. 5, 2. 3. ' 2 Vgl. v. Schwind N. Arch. 33, 629. 634. 628. 648. 651. 73 Die unzulängliche Ausgabe von Merkel MG. Leg. (fol.) 3, 183ff. wird demnächst durch eine andere ersetzt werden. Vorarbeiten des Herausgebers v. Schwind Krit. Studien zur Lex Baiuwariorum I—III, N. Arch. 31, 399. 33, 605. 37, 415. Weitere Literatur: Brunner l 2 , 454ff.; Über ein verschollenes merow. Königsgesetz, BSB. 39, 932. v. Amira 3 25f. Dahn 9, 2 S. 182ff. v. Daniels HB. 1, 207ff. Gengier Beitr. z. RG. Bayerns 1, lff. 41ff. Gfrörer Zur G. der deutschen Volksrechte (1865) 1, 322. Merkel Arch. 11, 533ff. und in seiner Ausgabe S. 183ff. v. Muth Das baier. Volksrecht 1870. de P6tigny Rev. hist. de droit 2, 305. 461. Quitzmann RVerfassung der Baiwaren 1866. Riezler G. Baierns 1, 113ff.; FDG. 16, 411ff. Roth Entstehung der L. Baiuwariorum, Münch. Diss. 1848; Zur G. d. baier. Volksrechts, Festschrift Bayer 1869. Sepp Entstehungszeit der L. Baiuwariorum 1901, Altbayer. Monatsschr. 3, 36ff. 70f. Stobbe 1, 71
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als ein einheitliches Gesetz aufgefaßt, bei dessen Redaktion auf der Grundlage sehr verschiedenen Quellenmaterials es aber vielfach an der streng einheitlichen Verarbeitung gefehlt hat, wahrscheinlich weil die einzelnen Gruppen des umfangreichen Gesetzes verschiedenen Redaktoren zur Bearbeitung überwiesen gewesen sind. Die meisten Handschriften enthalten die Eingangsworte: Hoc decretum apud regem et principibus eius et apud cundo populo christiano qui infra regnum Mervungorum consistunt. Diese gehören aber, wie B r u n n e r nachgewiesen h a t , nicht zu dem ganzen Volksrecht, sondern zu dem bereits bei der Lex Alamannorum erwähnten Königsgesetz, das insbesondere die Vorlage f ü r Tit. 1 (Capitula quae ad clerum pertinent seu ad ecclesiastica iura) u n d Tit. 2 (De duce et eius causis quae ad eum pertinent) abgegeben hat 7 4 . Auf dieses Königsgesetz darf man aber auch wohl die in zahlreichen Handschriften der Lex Alamannorum enthaltenen Einleitungsworte beziehen: Incipit lex Alamannorum, quae iemporibus Hlodharii regis una cum principibus suis, id sunt 33 episcopis et 34 ducibus et 72 comitibus vel cetero populo constituta est. N i m m t man dies mit v. A m i r a an, so fällt die Abfassung des Königsgesetzes wahrscheinlich unter Chlothar I I , und zwar in die Zeit seiner Herrschaft über Austrasien (613—23) 75 , während B r u n n e r die den König Chlothar erwähnende Notiz auf die Lex Alamannorum des Herzogs Lantfried bezieht, der sein Gesetz demnach wohl unter König Chlothar IV (717—19) erlassen habe. Dagegen möchte er Dagobert I (623—39) f ü r -den Verfasser des Königsgesetzes halten, da dieser in einem zahlreichen Handschriften der Lex Baiuwariorum beigefügten Prolog als Gesetzgeber der Franken, Alamannen und Baiem gen a n n t wird 7 6 . Wie dem auch sein möge, jedenfalls berechtigt die handschriftliche Verbindung des Prologs mit dem baierischen Volksrecht nicht zu der Annahme, daß das Königsgesetz von vornherein auch f ü r Baiern bestimmt gewesen sei. Die Unmöglichkeit dieser Annahme ergibt sich aus den kirchlichen Bestimmungen des Gesetzes, in denen die in Baiern erst durch Bonifatius eingeführte römische Kirchenorganisation vorausgesetzt wird 7 7 . Das Königsgesetz kann hiernach für Baiern nicht in seiner 153ff. Waitz 2, l 3 S. 116; Abh. 341ff. 361 fl. 428ff. — Über das Sprachliche v. Kralik Die deutschen Bestandteile der L. Baiuvariorum, N. Arch. 38 (1913), hier nach dem Sonderdruck zitiert (vgl. v. Grienberger, MJÖG. 35, 154). Der Titel des Gesetzes (Lex Baiuuariorum) wäre nach dem Verfasser S. 34ff. nur mit Lex Baiwariorum wiederzugeben. 74 Vgl. Brunner l 2 , 453. 457. 461f.; Königsgesetz 941ff. v. Amira 3 25 und bei v. Schwind II S. 608ff. 76 Vgl. v. Schwind II S. 686ff. 76 Über den Prolog, der handschriftlich nur ganz vereinzelt auch in Verbindung mit Lex Salica, Lex Alamannorum und Lex Wisigotorum vorkommt, vgl. Merkel, MG. Leg. III S. 9f. 194ff. 256ff. Brunner l 2 , 420ff.; Königsgesetz 943ff. Krammer Entsteh, der L. Salica 65ff. v. Schwind II S. 670ff. Der Prolog, der im übrigen nur wertlose Fabeleien bietet, scheint in seinen Angaben über Dagoberts gesetzgeberische Tätigkeit einen glaubwürdigen historischen Kern zu enthalten. 77 Vgl. v. Amira bei Schwind II S. 610.
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ursprünglichen Gestalt, sondern erst nach seiner Umarbeitung durch die Redaktoren der Lex Baiuwariorum Geltung gehabt haben78, und man darf annehmen, daß das ursprüngliche Gesetz nur für Alamannien, als ein Zusatzgesetz zum Pactus Alamannorum, bestimmt gewesen ist79. Außer dem Königsgesetz hat den Gesetzesredaktoren die Lex Alamannorum als Hauptgrundlage ihrer Arbeit gedient80, auch den Codex Euricianus, dem bereits einige Bestimmungen des Königsgesetzes und einige darüber hinausgehende Bestimmungen der Lex Alamamiorum entlehnt waren, haben sie in ausgiebiger Weise benutzt, während die mehrfachen Anklänge an die Lex Salica und das langobardische Edikt auf das Westgotenrecht als die gemeinsame Quelle zurückgehen dürften81. Da unser Volksrecht die 739 von Bonifatius eingeführte bischöfliche Organisation der baierischen Kirchen bereits zur Voraussetzung hat, anderseits aber in den Beschlüssen der Aschheimer Synode von 756, c. 4 (MG. Leg. 3, 457) als der noch vor Herzog Tassilo erlassene Pactus bezeichnet wird, so ergibt sich die Abfassung zwischen 739 und 749. Da aber das Gesetz, im Gegensatz zu dem alamannischen des Herzogs Lantfried, von einer strengen Unterordnung des Herzogs unter den Frankenkönig zeugt, so wird man seine Abfassung unter Herzog Odilo (744—48) zu setzen haben82. Fortgebildet wurde das baierische Volksrecht unter Tassilo III durch die sogenannten Decreta Tassilonis, d.h. die Beschlüsse- der Synoden oder Landtage zu Aschheim (wohl 756), Dingolfing (wohl 770) und Neuching im Jahre 772 (MG. Concilia 2, 56. 93. 98)83. Ein Zusatzgesetz 78 Dieselben Gründe, wie gegen die Bestimmung des Königsgesetzes für Baiern, sprechen auch gegen eine von v. A m i r a wenigstens offengelassene baierische Redaktion unter Dagobert I I (656—78). 79 So v. A m i r a gegen B r u n n e r s Annahme, daß das Königsgesetz von vornherein für mehrere, vielleicht sogar für alle Herzogtümer des Frankenreiches bestimmt gewesen sei, und daß der Text in der Lex Baiuwariorum dem ursprünglichen Wortlaut näher komme, als die stark bearbeitete Fassung in der Lex Alamannorum. Die Bestimmung über die Behandlung eines rebellischen Herzogssohnes (L. AI. 35. L. Bai. I I c. 9), die an die auf König Heinrich (VII) gemünzte Bestimmung des Mainzer Landfriedens von 1235 c. 1—7 (15—21) erinnert, scheint an einen konkreten Fall im alamannischen Herzogshause anzuknüpfen. 80 Gegen Z e u m e r , der umgekehrt die L. Baiuwariorum als Quelle der L. Alamannorum betrachtet, vgl. B r u n n e r Königsgesetz 950ff. v. S c h w i n d I 416—22. I I S. 648 ff. 81 Vgl. Z e u m e r Leges Visigothorum S. 28—32; N. Arch. 23, 434. 436. v. S c h w i n d I S. 404ff. I I 613ff. 621. 632. 635ff. 644ff. 650. B r u n n e r l 2 , 438. 453. 456. 458f. 463 n. v. K r a l i k (n. 73) 29ff. 94. C o n r a t ZRG. rom. 47, 15. 82 Vgl. B r u n n e r l 2 , 460ff. Ebd. 460 urkundliche Erwähnungen der Baioariorum lex atque -pactus. 83 Vgl. B r u n n e r l 2 , 463. Während die Decreta Tassilonis als Zusatzgesetze erschienen (MG. Leg. 33, 459ff.), wurde das Aschheimer Gesetz über verbotene Verwandtschaftsgrade (vgl. ebd. 458 c. 13) als Tit. 7, 1—3 (Text III als 6, 1—3) in das Volksrecht selbst eingeschoben. Ein sich unmittelbar daran schließendes Gesetz über die Sonntagsheiligung (Text I als appendix 1, Text I I I als 6, 4,
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Karls d. Gr. waren die Capitula ad legem Baiuwariorum (801—813), während das Cap. Bawaricum (um 810) wohl zu den Capitula missorum gehört 84 . 9. Die L e x S a x o n u m 8 5 ist in der uns vorliegenden Gestalt eine königliche Satzung in 66 Kapiteln, die aber nach Form uiid Inhalt drei verschiedene, auch nach ihrer Entstehungszeit zu unterscheidende Abschnitte aufweist 86 . Der erste Abschnitt (c. 1—20) ist den ersten 16 Titeln der Lex Ribuaria nachgebildet und beschränkt sich inhaltlich durchaus auf die Rechtsbeziehungen des sächsischen Adels; die Freien werden nur einmal (c. 17) beiläufig berührt, während Liten und Knechte offenbar nur deshalb wiederholt berücksichtigt werden, weil sie einen Hauptbestandteil in dem Vermögen der Grundherren zu bilden pflegten 87 . Ganz anders der zweite Abschnitt (c. 21—38), der, unter gleichmäßiger BerückM e r k e l S. 335. 404) ist ebenfalls ein späteres Einschiebsel und wohl auch auf Aschheim zurückzuführen. Beide Gesetze, von denen das erstere den Leges Eurici entnommen ist, das über die Sonntagsheiligung aber auf eine Bestimmung in dem Poenitentiale des Theodor von Canterbury zurückgeht, finden sich in fast wörtlicher Übereinstimmung auch Lex. Alam. c. 39 und 38, wo sie ebenfalls (vielleicht mit c. 37 und 40) erst nachträglich eingeschoben zu sein scheinen. Vgl. v. S c h w i n d I, 410. 420f. 432—38. B r u n n e r Alter der L. AI. (n. 70) S. 164f.; Königsgesetz 954f. Z e u m e r N. Arch. 23, 104ff. 84 MG. Cap. 1, 157f. Über die Lex Bawariorum canonice compta, eine Verarbeitung der L. Baiuw. für die Kapitulariensammlung des Benedictus Levita, vgl. S e c k e l N. Arch. 31, 112ff. Eine die L. Baiuwariorum und Alamanorum vergleichende Privatarbeit sind die in L e h m a n n s Ausgabe des letzteren S. 158 abgedruckten sog. Epitome legis Alamannorum. 86 Ausgabe: v. R i c h t h o f e n MG. Leg. (fol.) 5, 1—102. Eine neue Ausgabe h a t v. S c h w e r i n übernommen und in ZRG. 46, 390ff. einleitend begründet. Vgl. M e r k e l Lex Saxonum 1853. G a u p p R. u. Verfassung der alten Sachsen 1837. v. A m i r a 3 26; GGA. 1888 S. 56; Hist. Z. 40, 306. B o r e t i u s Hist. Z. 22, 148. B r u n n e r l 2 , 464. v. D a n i e l s HB. 1, 263ff. d e G e e r Nieuwe Bijdragen v. Rechtsgeleerdh. 1874 NR. 2, 410ff. G e n g i e r Rechtsdenkm. 107ff. v. R i c h t h o f e n vor seiner Ausgabe; Zur L. Saxonum 1868. S c h ü c k i n g N. Arch. 24, 631ff. S t o b b e 1, 186ff. U s i n g e r Forsch, z. L. Sax. 1867. W a i t z 3, 156f. 207ff.; Abh. 565ff. — Über einige, der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts angehörende Glossen zu der Lex Saxonum in der Spangenbergschen Handschrift vgl. v. R i c h t h o f e n MG. Leg. 5, 8 f . ; Zur L. Saxonum 1—7. 10. 13—18. 356f. B r u n n e r l 2 , 386. 468 n. S c h ü c k i n g a. a. O. 636f. Über einige in der Sammlung des Ansegis enthaltene Fragmente sächsischer Kapitularien B r u n n e r l 2 , 469n. 86 Dies gilt aber nicht notwendig von c. 66, das wir früher wegen seiner referierenden Form, gegenüber der befehlenden Form in den entsprechenden Bestimmungen der L. Ribuar. 36, 11 und des Cap. Sax. von 797 c. 11, f ü r eine später beigefügte Privatnotiz erklärt haben. Vgl. v. S c h w e r i n a. a. O. 426 n. 2. Eine referierende Form zeigt auch c. 47, das mit c. 48 auf einem eingeholten Weistum über Abweichungen des westfälischen Familiengüterrechts von dem der Ostfalen und Engern beruhen mag. 8 ' Vgl. v. S c h w e r i n 433ff. Die Eigentümlichkeiten des ersten Abschnittes haben schon bisher vielfache Beachtung gefunden und ihm die nicht unpassende Charakterisierung als „Adelsstatut" zugezogen.
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§ 31. Die Volksrechte und die Leges Romanae.
sichtigung des nobilis, Uber und litus, eine Reihe todeswürdiger Verbrechen aufzählt und fast jedes Kapitel mit den Worten capite puniatur schließt 88 . Dieser Abschnitt zeigt vielfache Verwandtschaft mit Karls des Großen C a p i t u l a t i o de p a r t i b u s S a x o n i e 8 9 , wenigstens mit ihrem von den todeswürdigen Verbrechen handelnden ersten Abschnitt (de maioribus capitulis). Die Abfassungszeit dieses Gesetzes ist sehr bestritten, aber wegen seiner überaus strengen Bestimmungen zum Schutze der Kirche und des zur allein herrschenden Religion erhobenen Christentums wird man nicht fehlgehen, wenn man das Gesetz als die Reaktion des fränkischen Eroberers gegen den großen Sachsenaufstand der Jahre 782—785 betrachtet und seine Abfassung bald nach 785 ansetzt 90 . Dann darf man aber weiter annehmen, daß die beiden ersten Abschnitte der Lex Saxonum schon in den verhältnismäßig ruhigen Jahren 780—782 zustande gekommen sind, wo die christliche Kirche so scharfer Schutzmaßregeln noch nicht zu bedürfen schien, anderseits aber der König lebhaft bedacht war, den sächsischen Adel, als den vorzugsweise maßgebenden politischen Faktor im Sachsenlande, für sich zu gewinnen 91 . Wenigstens hinsichtlich des zweiten Abschnittes der Lex Saxonum dürfte nach den neuesten Feststellungen v. S c h w e r i n s nicht mehr daran zu zweifeln sein, daß er bei der Abfassung der Capitulatio bereits vorgelegen hat, da diese hinsichtlich der Bestrafung des Meineides ausdrücklich auf die Lex Saxonorum verweist, was sich nicht auf sächsisches Gewohnheitsrecht, sondern nur auf Lex Saxonum c. 21 und 22 beziehen kann 92 . Auch das von Karl auf dem Aachener Reichstage von 797 erlassene C a p i t u l a r e S a x o n i c u m 9 3 , das 88
Vgl. v. S c h w e r i n 439ff. MG. Cap. 1, 68. 90 Vgl. v. S c h w e r i n 444ff. P e r t z MG. Leg. (fol.) 1, 48. Da die Capitulatio bereits Bischöfe im Lande kennt (c. 5), aber erst 787 der erste sächsische Bischof geweiht wurde, so verlegt H a u c k KG. Deutschlands 2 3 , 396 die Abfassung des Gesetzes in dieses Jahr, doch ist diese Annahme nicht zwingend, da schon vorher außersächsische Bischöfe mitMissionssprengeln ijn Sachsenlande betraut worden waren. 91 Vgl. meine Franken 359. Auf dem Reichstage zu Lippspringe (Juli 782) hatte Karl ex nobilissimis Saxonum genere Grafen für das Sachsenland eingesetzt ( M ü h l b a c h e r Regesten unter den Karolingern 2 Nr. 251b). Zwei Monate später setzte der Aufstand ein, der erst im Juni 785 mit dem Paderborner Reichstage seinen Abschluß fand. Die Kapitel 28, 29 und 34 der Capitulatio lassen durchblicken, daß der König mit den einheimischen Grafen zum Teil schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Vgl. B r u n n e r l 2 , 466. 92 Vgl. v. S c h w e r i n 428ff. Während die Capitulatio c. 33 einfach bestimmt: De periuris secundum legem Saxonorum sit, setzt die Lex Saxonum c. 21 f. auf den wissentlichen Meineid in der Kirche die Todesstrafe, auf unwissentlichen die Strafe der Handlösung. Die spätere Entstehung der Capitulatio zeigt sich auch c. 11, wo jede Infidelität gegen den König mit Todesstrafe belegt wird, während dies nach L. Sax. c. 24 nur bei eigentlichem Hochverrat der Fall ist. — Um so auffallender sind die Strafbestimmungen f ü r Brandstiftung, die erst unten (S. 274) besprochen werden können. — Die Verweisung der Capitulatio auf die Lex Saxonum wird von v. S c h w e r i n 452 wohl mit Recht auf die ganze Kapitelreihe 1—38 bezogen. 93 MG. Cap. 1, 71. 89
R . S c h r ö d e r , Deutsche Kechtsgeschichte.
6. Aufl.
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durch die ausdrückliche Zustimmung der beteiligten Bevölkerung (congregatis Saxonibus de diversis pagis, tarn de Westfalahis et Angariis quam et de Ostfalahis) den Charakter eines Volksrechts (lex) erhielt, nachdem die Lage der Dinge sich gefestigt und der Gegensatz zwischen Siegern und Besiegten sich ausgeglichen hatte, verwies wegen der todeswürdigen Verbrechen auf die ewa Saxonum und kann damit wohl in erster Reihe nichts anderes gemeint haben, als eben den zweiten Abschnitt des Volksrechtes 94 . Jünger als die beiden Kapitularien ist der dritte Abschnitt der Lex Saxonum (c. 39—66), die in c. 51—53 eine unverkennbare Verwandtschaft mit Karls ribuarischem Kapitular von 803 (c. 5) aufweist, so daß man berechtigt ist, beide Gesetzgebungsakte auf den Aachener Reichstag von 802 zurückzuführen 95 . Dabei darf man aber nicht stehen bleiben. Schon wiederholt ist darauf hingewiesen worden, daß die Bestimmung der Lex Saxonum c. 38 über die Todesstrafe für jede eigenmächtige Brandstiftung erst einer jüngeren Rechtsentwicklung entspreche, während das ältere Recht, wie es noch in dem Capitulare Saxonicum von 797 c. 8 bezeugt sei, die Brandstiftung, wenigstens die in Ausübung des Fehderechts begangene, nur mit der Strafe des Königsbajines belegt habe 96 . Auch darauf hat man aufmerksam gemacht, daß Lex Saxonum c. 38 eine bewußte Abänderung des angezogenen c. 8 enthalte, indem letzteres die auf Gemeindebeschluß (commune consilio) erfolgte Niederbrennung des Hauses eines Friedlosen für straflos erkläre, die Lex aber den eigenmächtigen Brandstifter (suo tantum cmsilio volens) ins Auge fasse. Daß diese Bestimmung der alten Lex noch gefehlt hat, ergibt sich aus der Capitulatio c. 3, die nur die an Kirchen begangenen Brandstiftungen mit dem Tode bedroht, hier also nicht auf die Lex zurückgreifen konnte. Es ergibt sich, daß die Tätigkeit des Aachener Reichstages sich auf die ganze Lex und nicht bloß auf deren dritten Abschnitt bezogen haben muß 97 . 10. Die L e x A n g l i o r u m et W e r i n o r u m 9 8 in 61 kurzen Kapiteln zeigt unverkennbare Einflüsse der fränkischen Gesetzgebung aus der Zeit Vgl. c. 10 (Cap. 1, 72): De malefactoribus, qui vitae periculum secundum ewa Saxonum, incurrere debent, placuit omnibus, ut — — —. Hier muß in erster Reihe an das geschriebene Sachsenrecht gedacht werden, das die todeswürdigen Verbrechen erschöpfend zusammengestellt hatte, während die Worte secundum, eorurn ewa in c. 8 nur auf das Gewohnheitsrecht, in c. 7 auf Satzungs- und Gewohnheitsrecht gehen. 95 Vgl. Brunner l 2 , 465. 469. Waitz 3, 214. Usinger 59. Schücking a. a. 0. 633ff. v. Schwerin 407ff. 96 Vgl. Brunner l 2 ,467f. Schücking 637ff. Waitz 3,212f. v. Schwerin411ff. 97 Vgl. v. Schwerin 450ff., der unsere im Text gegebene Aufstellung wenigstens als möglich zugibt. 98 Ausgabe v. Richthofen Sohn MG. Leg. (fol.) 5, 103ff. Eine neue Ausgabe ist in Aussicht genommen. Vgl. v. Richthofen Zur Lex Saxonum 394—418. Gaupp Das alte Gesetz der Thüringer 1834. Stobbe 1, 172ff. Brunner l 2 , 469. Schröder ZRG. 20, 19ff. v. Amira 3 26; ffist. Z. 40, 310ff. Kraut Eranien 3, 122ff. Dahn Könige X 96. 94
§31.
Die Volksrechte und die Leges Romanae.
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Karls des Großen, namentlich Anlehnung an die L e x Ribuaria, aber auch an die L e x Frisionum und L e x Saxonum. Inhaltlich steht sie zwischen dem fränkischen und dem sächsischen und langobardischen Recht. D i e Überschrift Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum zeigt, daß das Gesetz kein Volksrecht der Thüringer, sondern für die niederdeutschen Angeln und Weriner oder Warner, die Bewohner der nördlichen Teile des Thüringerlandes, b e s t i m m t w a r " . D i e Abfassung ist wahrscheinlich 802 auf dem Reichstag zu Aachen erfolgt 1 0 0 . 11. D i e L e x F r i s i o n u m 1 0 1 ist uns nur in einem älteren Abdruck erhalten, so daß die Kritik sich fast ausschließlich auf den Inhalt der Quelle angewiesen sieht 1 0 2 . Obwohl das urspründliche Rechtsbuch, die eigentliche L e x Frisionum und die später hinzugefügte, aus Weistümern zweier Rechtskundigen zusammengesetzte Additio sapientum, nur für Mittelfriesland (zwischen F l i und Laubach) bestimmt war, scheint der Verfasser doch, nach dem Dialekt der deutschen Wörter zu schließen, ein Franke gewesen zu sein. Später hat in Westfriesland (zwischen F l i und Sinkfala) eine Bearbeitung stattgefunden, welche die abweichenden Rechtsgrundsätze der Westfriesen wie der zwischen Laubach und Weser sitzenden 98 Die in den Text eingestreuten deutschen Wörter zeigen teils Verwandtschaft mit den benachbarten fränkischen und sächsischen Dialekten, teils das dem Altthüringischen eigentümliche Schwanken zwischen althochdeutschen und niederdeutschen Formen. Der Gau der Angeln (Engilin, Engleheim) umfaßte ursprünglich das ganze Unstrutgebiet, der Name ist später aber nur an einem Teil haften geblieben. Das Gebiet der Warner oder Weriner (Werenojeld) lag östlich von dem der Angeln, zwischen Saale und Elster, und wurde später von Sorben eingenommen; der alte Käme ging verloren, nur Werines (Wernsdorf bei Teuchern, ein zweites Wernsdorf zwischen Gera und Zeitz) hat die Erinnerung bewahrt. Vgl. noch G r ö s s l e r N. Mitt. thür.-sächs. Ver. 16, 409ff. Auf die grundlose Ansicht, daß das Gesetz in Belgien, den Niederlanden oder Schleswig entstanden sei, ist hier nicht weiter einzugehen. Uber einen anderen früher verbreiteten Irrtum vgl. L i e b e r m a n n ZRG. 28, 174. 100 Die Bezeichnung verschiedener Bestimmungen (c. 36. 49. 56) als Urteil oder Weistum entspricht dem auf diesem Reichstage beobachteten Verfahren. 101 Ausgaben: v. R i c h t h o f e n MG. Leg. (fol.) 3, 631—710. G a u p p Lex Frisionum 1832. de H a a n - H e t t e m a Oude Friesche Wetten 2, 345ff. (1851). Vgl. v. R i c h t h o f e n Zur Lex Saxonum 353ff. de G e e r ZRG. 8, 134ff. S t o b b e 1, 179ff. W a i t z 3, 157ff. v. D a n i e l s HB. 1, 256—63. B r u n n e r l 2 , 475. v. A m i r a 3 26. 32. P a t e t t a La Lex Frisionum, studii sulla sua origine e sulla critica de) testo, Memorie della Reale Accademia delle Scienze di Torino, ser 2., tom. 43, 1892 (mit kritischem Textabdruck). G a u p p Germ. Abh. 1; Miszellen lff. de H a a n H e t t e m a a. a. O. 2, 333ff. H e c k Gemeinfreie 235; VJSchr. f. WG. 2, 376. J ä k e l Zum Heroldschen Text der L. Fris., N. Arch. 32, 265ff. R i e t s c h e l Das Volksrecht der Friesen, Festschr. Gierke 1911 S. 223. 102 Der Originaldruck bei H e r o l d Originum ac Germanicarum antiquitatum libri (Basileae 1557), S. 131ff. Die innere Kritik der Quelle ist durch die angeführten Schriften und Ausgaben in hohem Grade, besonders durch B r u n n e r , gefördert worden. R i c h t h o f e n s Ausgabe, in der Textkritik vielfach verfehlt, ist in den sachlichen und sprachlichen Erklärungen um so dankenswerter.
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Ostfriesen teils durch glossenartige Einschiebungen, teils durch, ausführliche Zusätze zum Ausdruck brachte 1 0 3 . E r s t nach Abschluß des Werkes h a t ein heidnischer Ostfriese eine die Bestrafung des Tempelraubes betreffende Glosse (Add. sap. Tit. 11 De honore templorum) angefügt, deren referierende F o r m allein schon die private Herkunft erkennen läßt. Sie bestätigt, wie v. A m i r a bemerkt, daß die L e x Frisionum und die Additio sapientum noch vor der völligen Überwindung des Heidentums, also keinesfalls später als im 9. Jahrhundert zum Abschluß gekommen sind. E i n Volksrecht im Sinne der übrigen Leges haben die Friesen nicht besessen. Man kann sogar zweifeln, ob die rohe, unverarbeitete K o m pilation so verschiedener, einander vielfach widersprechender Bestandteile, die sich L e x Frisionum nennt, überhaupt amtlichen Charakter gehabt h a t oder nicht vielmehr ein bloßes Rechtsbuch rein privater Entstehung gewesen ist (v. A m i r a ) . Die Wahrscheinlichkeit spricht aber dafür, in ihr (mit B r u n n e r ) eine kompilatorische Vorarbeit zu den Zwecken der Gesetzgebung zu erblicken 1 0 4 . Jedenfalls hat sie wohl, trotz ihrem unfertigen Zustande, als Volksrecht gegolten, da Karl der Große sonst für eine anderweitige Aufzeichnung Sorge getragen haben würde. Auch hat der K o m pilator überwiegend aus amtlichen Materialien geschöpft, die den karolingischen Zuständen in der Mitte und zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts entsprechen 1 0 5 , auch in der L e x Saxonum und dem anglo-warnischen R e c h t manche Anklänge finden 1 0 6 . Die Absicht des Kompilators war offenbar auf möglichst vollständige Zusammenstellung der B u ß t a x e n in systematischer Ordnung gerichtet. Nur die Bestimmungen über das Litenrecht (Tit. 6, Tit. 11) und das Losurteil bei Totschlägen gelegentlich eines Aufruhrs (Tit. 14 § § 1 . 2) passen nicht in das System und wurden vielleicht erst später, jedenfalls aber noch vor der gesamtfriesischen Bearbeitung, eingeschaltet. Den Anfang machen die offenbar volksrechtlichen Wergeidtaxen des Tit. 1, denen sich in Tit. 22 als zweite Gruppe die Bußsatzungen 1 0 3 Solche Zusätze sind L. Fris. Tit. 3 §§ 8—9, Tit. 4 § 8, Tit. 9 §§ 14—17, Tit. 14 §§ 3—7 und Tit. 16. Erst nach Abschluß dieser Bearbeitung kann der auf Ostfriesland bezügliche Tit. 15 mit seinem eigentümlichen, nach Pfunden und Unzen rechnenden Münzsystem eingefügt sein. Den äußeren Anlaß für seine Einschiebung hinter Tit. 14 mag die am Schluß des letzteren befindliche Berechnung des Silberschillings (60 sol. zu 3 Pfund, vgl. S. 199) gegeben haben. 104 Die volksrechtliche Anerkennung eines subsidiären Fehderechts in L. Fris. Tit. 2, dessen tatsächliche Geltung durch den Zusatz des Wlemar am Schluß dieses Titels bestätigt wird, kann der Annahme eines halbamtlichen Charakters der Arbeit nicht entgegengesetzt werden, da die karolingische Politik, obwohl auf Beseitigung des Fehderechts gerichtet, doch dem ihr widerstrebenden Volksrecht Rechnung tragen mußte. Eher könnte man sich auf den heidnischen Charakter des Tit. 5 berufen, der jedenfalls die königliche Sanktion nicht erhalten haben würde, einem eifrigen Sammler aber immerhin, auch wenn er amtlichen Auftrag hatte, in die Feder kommen mochte. 105 Über das Münzwesen vgl. S. 199. 202f. 106 Über die auffallende Übereinstimmung der L. Fris. 17, 4 mit L. Angl, et Wer. 57 und L. Rib. 64 vgl. Brunner l 2 , 480.
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Die Volksrechte und die Leges Romanae.
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f ü r Körperverletzungen zur Seite stellen 1 0 7 . Der umfangreiche Tit. 22 erscheint als eine freie Bearbeitung der Lex A l a m a n n o r u m c. 56—58; an dasselbe Völksrecht, zum Teil auch an Lex R i b u a r i a 15 u n d 16, schließen sich die voraufgehenden Titel 17—21 an 1 0 8 . Sie bilden mit Tit. 7 eine einheitliche (dritte) Gruppe, die durch Verneunfachung der Bußen und Friedensgelder charakterisiert wird u n d nach einer Angabe des Tit. 7 (haec constilutio ex edicto regis processit) als Bearbeitung eines Königsgesetzes, u n d zwar aus der Zeit zwischen 743 u n d 751, anzusehen ist 109 . Alle übrigen Bestimmungen der L e x F r i s i o n u m , soweit sie nicht auf jüngeren Zusätzen beruhen, erkennt man als Ergänzungen der drei erwähnten Gruppen, die als Kern der Kompilation anzusehen sind. Die A d d i t i o s a p i e n t u m (so jedenfalls schon in der handschriftlichen Vorlage) e n t h ä l t Weistümer zweier Rechtskundigen, Wlemar (nicht Wulemar) u n d S a x m u n d , die wohl das A m t eines Asega (S. 48) bekleideten. Ihre Arbeiten nehmen sich wie amtliche G u t a c h t e n über eine Revision der Lex Frisionum, n a m e n t l i c h des Tit. 22, aus. Die vielfachen Abweichungen in den Bußsätzen, wie sie in der Additio gegenüber der Lex u n d bei Wlemar gegenüber S a x m u n d vorkommen, mögen sich teils aus der Verschiedenheit der Abfassungszeit, teils aus partikularrechtlichen Abweichungen erklären; zum Teil mochte es sich u m gesetzgeberische Vorschläge handeln. Auch die Additio sapientum zeigt vielfache Benutzung der Lex Alamannorum, u n d zwar in Gestalt der Lex e m e n d a t a (vgl. Add. Tit. 3", 4 u n d 8 mit L. Alam. emend. c. 66. 67. 86). D a ß ein Satz des Wlemar in die Lex F r i s i o n u m selbst geraten ist (hinter Tit. 2), wurde bereits bemerkt. Außerdem besitzen wir ein selbständiges Weistum mit der Überschrift Haec iuditia Wlemarus didavit, das von H e r o l d ( a . a . O . 128) irrtümlich als ein A n h a n g zu der Lex Angliorum et Werinorum abg e d r u c k t wurde u n d erst in den Mon. Germ, seine richtige Stelle erhalten h a t . 12. Die L e x F r a n c o r u m C h a m a v o r u m 1 1 0 enthält- in 48 kurzen Kapiteln Urteile oder Weistümer einer fränkischen Gerichtsversammlung oder eines Ausschusses von Rechtskundigen über bestimmte, zur Bea n t w o r t u n g vorgelegte F r a g e p u n k t e , das Sonderrecht der in dem ducatus 107
Tit. 22 § 79 nimmt auf ein Weistum Bezug: ita de coxa et peile iudicatum est. Vgl. B r u n n e r l 2 , 480. P a t e t t a a. a. O. 38f. 109 Vgl. B r u n n e r l 2 , 479. Als Träger der Staatsgewalt wird ein König und ein dux vorausgesetzt, was nach B r u n n e r nur auf Childerich III und den Hausmeier (dux et prineeps Francorum) Karlmann oder Pippin bezogen werden kann. 110 Ausgabe von S o h m MG. Leg. 5, 269ff. und in der Schulausgabe der L. Rib. und L. Franc. Cham. 1883. G a u p p Lex Francorum Chamavorum 1855. Vgl. Z ö p f l Die euua Chamavorum 1856. P e r t z Über das Xantener Recht, Abh. Beri. Ak. 1847 S. 411. S c h r ö d e r Untersuchungen zu den fränk. Volksrechten 4 9 2 f f . ; Die Franken und ihr Recht 47f. F r o i d e v a u x Études sur la Lex dieta Francorum Chamavorum, Paris 1892. B r u n n e r l 2 , 473. S t o b b e 1, 200ff. v. A m i r a 3 25. 108
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Fränkische Zeit.
Hamaland gesessenen, chamavischen Franken betreffend. Ob die letzteren im weiteren Sinne zu den Ribuariern gehörten und ribuarisches Recht gehabt haben, ist bestritten (S. 103). Jedenfalls war ihr Recht durch die nachbarlichen Einflüsse der Sachsen an ihrer Ost- und der Friesen an ihrer Nord- und Westgrenze sowie der am Rhein mit ihnen grenzenden Salier vielfach verändert. Die Überschrift Notitia seu commemoratio de illa euua quae se ad Amorem habet gibt zu erkennen, daß wir es nicht mit einem fertigen Gesetz, sondern mit dem Bericht über ein zu gesetzgeberischen Zwecken eingeholtes Weistum zu tun haben 1 1 1 . Verfaßt ist der Bericht, der gewisse Einflüsse der Lex Baiuwariorum erkennen läßt ( B r u n n e r ) , entweder von Königsboten oder von eben den Rechtskundigen, die das Weistum erteilt haben, was dem' bei den Gesetzgebungsarbeiten des Aachener Reichstages von 802 beobachteten Verfahren durchaus gemäß wäre. Auch der Inhalt der Quelle spricht für diese Abfassungszeit. 13. Die C a p i t u l a R e m e d i i 1 1 2 und die L e x R o m a n a C u r i e n s i s 1 1 3 . Die Capitula Remedii sind eine im Anfang des 9. Jahrhunderts entstandene Rechtsaufzeichnung der geistlichen und weltlichen Beamten und der Hintersassen des Bischofs Remedius von Chur, aus 12 kurzen, vornehmlich das Strafrecht betreffenden Bestimmungen bestehend. In derselben Gegend stand nachweislich seit der Mitte des 9. Jahrhunderts auch die sogenannte Lex Romana Curiensis in Gebrauch, ein umfangreiches Rechtsbuch privater Entstehung, das auf Grund der Lex Romana Wisigotorum (S. 252) eine Darstellung des römischen Vulgarrechts, und zwar 111 Vielleicht ist die Überschrift nur ein Zusatz des Abschreibers, da Gesetze auch in der laxen Form eines bloßen Berichts abgefaßt werden konnten. Vgl. Seeliger Kapitularien der Karolinger 28. 112 Neueste Ausgabe von Zeumer MG. Leg. (fol.) 5, 441ff. und G. H ä n e l ebd. 5, 180ff. Vgl. S. 155 n. 9. v. Wyß Arch. schweizer. G. 7, 212 (1851). S t u t z Karls d. Gr. divisio von Bistum u. Grafschaft Chur 1909 S. 35ff. P l a n t a Das alte Rätien 309ff. (Textabdruck 449ff.). S t o b b e 1, 206ff. B r u n n e r l 2 , 522ff. C o n r a t a. a. O. 1, 292. W. Sickel Westd. Z. 16, 75f. v. A m i r a 3 28. 113 Kritische Ausgabe von Zeumer MG. Leg. (fol.) 5, 291ff. Vgl. Z e u m e r ZRG. 22, lff.; N. Arch. 25, 844. v. Salis ZRG. 19, 141ff. .Wagner ebd. 17, 54ff. B r u n n e r ebd. 17, 263ff.; RG. I 2 , 516ff. S c h u p f e r La legge Romano Udinese, Atti della R. Accad. dei Lincei, ser. 3", vol. 7, 1881, vol. 10, 1882; ser. 4», vol. 3, 1% 1888; Il testamento di Tello e la legge Romano Udinese, ebd. ser. 4 a , voi. 6, l a , 1889. G. H ä n e l Lex Romana Visigothorum pg. 36 sqq. (mit Ausgabe, S. 17ff., als „Epitome S. Galli"). P l a n t a a. a. O. 327ff. (mit Ausgabe S. 452ff.). S t o b b e 1, 203ff. ; De lege Romana Utinensi 1853. Z a n e t t i La Legge Romana ReticaCoirese o Udinese 1900. v. V o l t e l i n i MJÖG., Erg. 6, 145ff. E. M a y e r ebd. 26, 1—44. v. S a v i g n y a. a. O. 1, 426ff. 7, 23ff. C o n r a t (n. 5) 1, 285ff.; ZRG. 23, 239. v. W r e t s c h k o a. a. O. (n. 5) pg. 327f. P e r t i l e Storia 1, 102f. W a i t z 3, 627. Hegel Städteverfassung von Italien 2, 104ff. v. B e t h m a n n - H o l l w e g Ursprung der lomb. Städtefreiheit 28ff. v. A m i r a 3 28. D a h n Könige 9, 1 S. 224ff. D u r r e r , Festgabe Meyer v. Knonau 1913 (vgl. S t u t z ZRG. 47, 718). B e s t a Per la determinazione dell' età e della patria della Lex Romana Rhaetica Curiensis 1901. L a b o u c h e r e Deutschrechtl. Bestandteile der L. Rom. Cur., Diss. Heidelb. 1908.
§ 31. Die Volksrechte und die Leges Romanae.
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ohne Beschränkung auf ein bestimmtes Gebiet, bezweckte. Einflüsse des deutschen, namentlich des fränkischen Rechts sind unverkennbar. Die Heimat des Rechtsbuches ist bestritten; die meisten Gründe, auch sprachlicher Natur, sprechen für seine Entstehung in Churrätien; daß es handschriftlich auch in Istrien und der Lombardei, wo andere seine Heimat suchen, in Gebrauch gewesen ist, kann bei der hervorragenden Bedeutung dieser Quelle des römischen Vulgarrechts nicht dagegen ins Gewicht fallen. Bestritten ist auch die Entstehungszeit, die von Z e u m e r gegen 750, von anderen erst gegen 850 gesetzt wird. Nimmt man ersteres an, so erscheinen die Capitula Remedii als - eine Novelle zu der Lex Romana, auf die vielleicht c. 9 und 10 verwiesen wird 114 . 14. D i e a n g e l s ä c h s i s c h e n G e s e t z e 1 1 5 . Bei den Angelsachsen ist es ebensowenig wie bei den Langobarden zu einer einheitlichen Redaktion des Volksrechts, sondern nur zu einer Reihe von Einzelgesetzen sehr verschiedenen Umfangs gekommen. Sie zeichnen sich durch volkstümlichen Charakter und ganz besonders durch die Abfassung in der Volkssprache aus. Aus der Zeit der Heptarchie gibt es Gesetze der Königreiche Kent und "Wessex. Dem ersteren gehören die Gesetze von iEthelberht (601 bis 604), Hlödhaere und Eadric (685—86) und Wihtrsed (695—96), dem Reiche Wessex die von Ine (688—95) an 113 . Unter JSlfred dem Großen (871—901), der sich auch um die Sammlung der Gesetze der früheren Könige verdient gemacht hat, beginnt die einheitliche Gesetzgebung für das ganze Reich der Angelsachsen 117 . Auch nach ihm haben nicht bloß Englands Könige aus dem angelsächsischen Geschlecht, Eadward I (921—25), iEthelstan (925—40), Eadmund I ( 9 4 0 ^ 6 ) , Eadgar (959—63), ^Ethelred I I (980 bis 1016), sondern auch K n u t von Dänemark (1020—34) und Wilhelm der Eroberer (1067—77) die Gesetzgebung in demselben Geiste fortgeführt. Die Gesetze Wilhelms sind nur in lateinischer und altfranzösischer Sprache erhalten; der französische Text ist Übersetzung. Neben den volksrechtlichen befinden sich vielfach geist114 Wenn die Schenkungsurkunde des Bischofs Tello von 766, wie nach Z e u m e r (ZRG. 22, 36ff.) doch wohl angenommen werden darf, so muß die Entstehung der Lex in die Mitte des 8. Jahrhunderts gesetzt werden. 116 Ausgabe: L i e b e r m a n n Gesetze der Angelsachsen I. 1903. II. 1 (Wörterbuch) 1906. II. 2 (Rechts- u. Sachglossar) 1912. P r i c e and T h o r p e Ancient laws and institutes of England 1840. R. S c h m i d Gesetze der Angelsachsen 2 1858. Vgl. v. A m i r a 3 30f. 37ff. B r u n n e r G. d. engl. Rqu. im Grundriß 1909; The sources of Engl. Law, Select Essays (S. 9) II. 1908. J a n k s The development of Teutonic Law 1, 34ff. L i e b e r m a n n Glossar 274f. 340. 356f. 622. 736. M a i t l a n d A prologue to a History of Engl. Law, Select Essays 1, 7ff. ; Laws of the AngloSaxons, Quarterly Review 1904, Juli. P o l l o c k Engl. Law before the Norman conquest 1, 88ff. R i e t s c h e l bei H o o p s 1, 95ff. S t o b b e 1, 194ff. S t u b b s Lectures on early Engl. History 37 ff. 116 Vgl. L i e b e r m a n n Über die Gesetze Ines von Wessex (Mélanges d'histoire, off. à M. Ch. Bemont, 1913). Verlorengegangen sind die Gesetze des Königs Offa von Mercia (788—796). 117 Vgl. L i e b e r m a n n King Alfred and Mosaiclaw (The Jewisch historical Society of England 6, 21 ff. 1908).
Fränkische Zeit.
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liehe Gesetze, bei denen nur die Zustimmung der Bischöfe erforderlich war. Außerdem gehört dem Gebiete des angelsächsischen Rechts eine größere Zahl von Privatarbeiten, teils kleinere Rechtsaufzeichnungen, teils umfassendere Kompilationen, an. Wertvoll für die Geschichte der Stände sind die Rectiludines singularum personarum aus dem 10. oder 11. Jahrhundert 1 1 8 . Aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts besitzen wir drei Kompilationen beziehungsweise Bearbeitungen der angelsächsischen Gesetze, sämtlich in lateinischer Sprache, die sogenannten Instituta Cnuti aliorumdenen que regurn Anglorum119, den Quadripartitus120 und die Consiliatio Cnutim, sich aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts eine mehrfach mit Fälschungen durchsetzte Kompilation (Leges Anglorum Londoniis collectae) anschließt 122 . Die sogenannten Leges Edwardi Confessoris, ein auf eigener Bekanntschaft des nordfranzösischen Verfassers mit dem englischen Recht seiner Zeit beruhendes Rechtsbuch (zwischen 1130 und 1154) haben bald nach ihrer Entstehung eine Neubearbeitung von anderer Hand erfahren 123 .
§ 32.
Die fränkischen
Reichsgesetze.
Vgl. S. 121 ff. 162. 251. Kritische Ausgabe: B o r e t i u s u. K r a u s e MG. Capitularía regum Francorum 2 Bde 1883—93, Register von W e r m i n g h o f f 1897. Dazu S e c k e l N. Arch. 31, 138. K r a u s e ebd. 16, 42. S e e l i g e r ebd. 19, 670. Unzureichend die Ausgabe MG. Leg. I. II. ( P e r t z ) . Vgl. B o r e t i u s Capitularien im Langobardenreich 1864; Beiträge zur Kapitularienkritik 1874; GGA. 1882 S. 65ff., 1884 S. 713ff. B e s e l e r Gesetzeskraft der Kapitularien (Festgabe Homeyer 1871). T h é v e n i n Lex et capitula (Mélanges de l'école des hautes études 1878). F u s t e l de C o u l a n g e s De la confection des lois au temps des Carlovingiens, Revue hist. 3, 3ff. S e e l i g e r Kapitularien der Karolinger 1893 (vgl. H ü b n e r GGA. 1894 S. 757ff.); Volksrecht u. Königsrecht?, Hist. VJSchr. 1898 S. l f f . 313ff.; Jurist. Konstruktion und Geschichtsforschung ebd. 1904 S. 161 ff. S t u t z ZRG. 30, 171 ff. B r u n n e r l 2 , 405ff. 539ff. 2, 39; Grundzüge 6 35. 42f. W a i t z 3, 482ff. 598ff.; Abh. 396ff. (ebd. 403ff. ein Zusatz von Z e u m e r ) . v. A m i r a 3 22f. 33; GGA. 1888 S. 57ff., 1896 S. 193ff. D a h n Könige 7, 2 S. 3 1 ^ 5 . 87. 7, 3 S. 417. 529. 579. 8, 3 S. 1—31. 9, 1 S. 215ff.; DG. 1, 2 S. 645f. S o h m R.- u. GV. 102f. 134ff. S c h r ö d e r Hist. Z. 79, 226ff. S t o b b e 1, 209ff. Th. S i c k e l Lehre von den Urkunden der Karolinger 407ff. W. S i c k e l Merow. Volksversammlung MJÖG. Erg. 2, 320ff.; GGA. 1888 S. 436f. 1890 S. 234ff. E. L o e n i n g Kirchen118 L i e b e r m a n n 1, 444ff.; Glossar 628. S c h m i d a . a . O . 371ff. H. L e o Rectitudines 1842. Vgl. v. A m i r a 3 40. 1111 L i e b e r m a n n 1, 612ff.; Transactions of Royal Histor. Society 1893. 120 L i e b e r m a n n 1, 529ff.; Quadripartitus 1891. Vom Verfasser des Quadripartitus rührt wohl auch das älteste systematisch angelegte englische Rechtsbuch (Leges Henrici I) her. Das Werk ist zwischen 1110 und 1132 entstanden. Der Verfasser war Weltgeistlicher und englischer Kronjurist. L i e b e r m a n n 1, 547ff.; Das englische Rechtsbuch Leges Henrici 1901; ZRG. 16, 127ff. 18, 198ff. v. A m i r a 3 41. 121 L i e b e r m a n n 1, 618. 122 Vgl. L i e b e r m a n n Über die Leges Anglorum etc. 1894; Ges. d. Angela. 1, 489f. 524f. 673f. 123 Liebermannl,627ff.;ÜberdieLegesEdwardiConfessorisl896. K . M a u r e r Engl. Studien 1896 S. 74ff. Die Leges Edwardi bildeten neben den Articuli Wilhelmi und einer Genealogia Normannoram den Bestand einer Sammlung, der von ihrem Herausgeber ( L i e b e r m a n n Z. f. rom. Phil. 1895 S. 77ff.) der Name „Tripart i t a " beigelegt worden ist.
§ 32. Die fränkischen Reichsgesetze.
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recht 2, 17ff. v. Daniels 1, 278ff. v. Bethmann-Hollweg Zivilprozeß 1, 462f. 2, 57ff. Gengier Rechtsdenkmäler 53ff. Glasson Histoire 2, 199ff. Viollet Précis 1, 106ff. Platz Kapitularien der fränk. Könige, Pforzh. Progr. 1888. Gaudenzi Capitolari (Digesto italiano VI, 1 a S. 908). P a t e t t a Süll' introduzione in Italia della collezione d'Ansegiso etc., Atti della R. Academia di Torino 25 (1890); Dicta beati Karoli, Bulletino Senese di storia patria 1896. v. Sybel Entstehung d. d. Königtums2 363ff. v. Halban (S. 246) 3, 48ff. Die unter den Merowingern üblichen Bezeichnungen für königliche Satzungen waren edictum, decrelum, decretio, praeceptum, praeceptio, auctoritas, Ausdrücke, die auch unter den Karolingern noch vorkamen, mehr und mehr aber durch die von der Kapiteleinteilung hergenommene Bezeichnung capitula oder eapitularia verdrängt wurden. Den zu territorialer Geltung bestimmten eigentlichen Reichsgesetzen standen schon in der Merowingerzeit die als Zusätze zu den Yolksrechten bestimmten Satzungen, die persönliches Recht der Stammesangehörigen waren, gegenüber. So die S. 262 f. erwähnten Zusatzgesetze der L e x Salica und das Edikt des Chilperich, während das Landfriedensgesetz Childeberts I und Chlothars I teils volkswirtschaftlichen, teils territorialen Charakter aufweist ( B r u n n e r ) , was auch bei der auf den Märzfeldern der Jahre 591—95 beschlossenen Decretio Childeberts II (Cap. 1, 15) der Fall ist 1 . Eine für mehrere Volksrechte des Frankenreichs bestimmte Ergänzung war das von B r u n n e r nachgewiesene Königsgesetz über die Stellung der Stammesherzöge und über kirchliche Verhältnisse, das zum Teil in der L e x Alamannorum und L e x Baiuwariorum Aufnahme gefunden h a t 2 . Seit Karl dem Großen wurden diese volksrechtlichen Satzungen als capitula legibus addenda oder in ähnlicher Weise bezeichnet. So die Nova legis constitutif) Karoli imperatoris qua in lege Ribuaria mitienda est, von 803 (Cap. 1, 117), ferner die Capitula quae ad legem Baiuvariorum domnus Karolus serenissimus imperator addere iussit, von 801—13 (1, 157), und Ludwigs Capitula legis Salicae von 820 (1, 292). Die letzteren trugen zunächst nur den Charakter eines vom König eingeforderten und durch Reichsgesetz bestätigten Weistums 3 , wurden dann aber auf dem Reichstag zu Diedenhofen (821) ausdrücklich für Volksrecht (lex) erklärt: Generaliter omnes admonemus, ut capitula, que praeterito anno legis Salicae per omnium consensum addenda esse censuimus, iam non 1 Die Datierung des Gesetzes bei Boretius (596) ist unrichtig. Richtig Cod. 10: Data sub dis Kai. Marcias anno XX. regni domni nostri, Colonia felicitar. Vgl. K r u s c h MG. Scr. rer. Merov. 2, 577. 2 Vgl. S. 269ff.. Der Schluß des Gesetzes hat sich, wie es scheint, in die Überschrift des Pactus Alamannorum (Lehmann L. Alam. S. 21, S. 152) verirrt: Ubi Juerunt 33 duces et 33 episcopi et 45 comités, um'schließlich in verschiedenen Handschriften der Lex Alamannorum in die Überschrift der letzteren eingeflickt zu werden. 3 Bei jedem Kapitel heißt es: de hoc capitulo iudicatum est [. S c h u l d v e r h ä l t n i s s e 9 7 .
Zur Sicherstellung des Gläubigers (mhd.
1201. L o e n i n g KR. 1, 751ff. Merkel ZRG. 2, 146ff. S t o b b e ebd. 7, 405ff. Es lag in der Natur der Vergabungen von Todes wegen, daß sie durch traditio cartae (S. 305ff.) vollzogen wurden, indem der Schenker seinem maßgebenden Willen nur durch eine Urkunde Ausdruck zu geben vermochte. Die häufigen Erneuerungen derartiger Vergabungen geschahen nur zum Zweck größerer Sicherheit des Erwerbers und entsprachen einem namentlich bei den Baiern auch sonst vielfach beobachteten Gebrauche. Wirksam war die Vergabung ohne Wiederholung für den Schenker wie für seine Erben, wenn sie zugestimmt oder mit Verzicht abgeteilt hatten. 93 Vgl. K o h l e r Pfandrechtl. Forsch. 82ff. v. Meibom Pfandrecht 270ff. B r u n n e r ZHR. 22, 71f. 542ff. (Forsch. 530f. 620ff. 627); ZRG. 30, 132; RG. d. Urk. 1, 195ff. H e u s l e r 2, 134ff. Roth. 174. Liutpr. 58. Form. Andec. 22, Turon. app. 1 (MG. Form. 11. 163). Über eine langobardiscfie Urkunde von 777, in der für den Fall eines Verkaufes dem Gläubiger das Näherrecht eingeräumt wird, vgl. K o h l e r 85. Über entsprechende fränkische Urkunden des 9. Jahrhunderts ebd. 90f., über eine langobardische B r u n n e r Forsch. 623. Das verfallene Pfand wurde in den langobardischen Quellen als transactum oder fegang, in bretonischen als discombitum bezeichnet. Vgl. B r u n n e r Forsch; 33. 623f. K o h l e r 90. B l u h m e MG. Leg. 4, 670. 94 Also bedingte Eigentumsübertragung. Vgl. Liutpr. 67 (Schuldner verliert die Disposition über das Pfand). B r u n n e r Forsch. 561 f. 621 f. H e u s l e r 2, 145. Wach Arrestprozeß 15ff. 95 Vgl. K o h l e r a. a. 0. 85f. 96 Vgl. L o e r s c h u. S c h r ö d e r 3 Nr. 53 (63). v. Schwind Wesen u. Inhalt des Pfandrechts (1899) S. 12. K o h l e r a. a. O. 86 n. 1. 87. 90. Über-Fahrnispfand vgl. n. 147. L. Sal. 67, 4 (40, 4). 97 Vgl.'S. 66ff. und die leider durch mehrere Druckfehler entstellten Literaturangaben S. 63 sowie §11 n. 16 und 18. v. A m i r a 3 211—228; Stab (S. 13) lölff. (dazu S c h r ö d e r ZRG. 43, 448ff. P u n t s c h a r t MJÖG. 35, 356ff. G o l d m a n n Deutsche Lit.-Zeitg. 1910, Sp. 2631f.); Die Wadiation, MSB. 1911, Abh. 2; ZRG. 44, 484ff. Gierke Schuld u. Haftung 1910 (Gierke U. 100). W a h l e Die Wadiation im Spurfolgeverfahren, MJÖG. 33, 79ff. E. Mayer Die Einkleidung im germ. R. (Festschr. Wach 1913). H ü b n e r DErR. 2 405ff. H e u s l e r Inst, 1, 76ff. 2, 225—267. S t o b b e Priv.-R. 3 3 , §§209f. 238; Reurecht u. Vertragsabschluß, ZRG. 13, 209ff.
Fränkische Zeit.
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warunge, werunge, mlat. warandia) bei Schuldverträgen dienten wie in alter Zeit Pfand (wette) und Geiseln 9 8 , ganz besonders aber Bürgen (ahd. purigo)". Der Bürge hatte nicht, wie der fideiussor, eine akzessorische Verpflichtung neben dem Schuldner (mhd. selbschol), sondern er übernahm als Einsteher die ausschließliche Haftung dafür, daß er den von jeder direkten H a f t u n g befreiten Schuldner zur Leistung an den Gläubiger veranlassen werde 1 0 0 . D e m Gläubiger haftete n i c h t der Schuldner, sondern der Bürge, aber diesem haftete der Schuldner für seine Befreiung und gegebenenfalls für den Ersatz. Ganz auf diesem Boden bewegte sich das burgundische R e c h t 1 0 1 . D e m Pfändungsverfahren mußte eine dreimalige Aufforderung des Schuldners zur Erfüllung ( a d m o n i t i o ) vorausgehen, u n d zwar in der Regel durch den Gläubiger, durch den Bürgen wohl nur dann, wenn dieser den GläuP e r t i l e 4, 445ff. F. A n d r e a e Oud-Nederl. Burg. Recht 2, l f f . H u b e r G. d. schw. Pr.-R. 829ff. v. H a l b a n (S. 296) 3, 330ff. S o h m Proz. d. L. Salica 18ff. 164ff. 220ff.; R. d. Eheschließung 24ff. 34ff. B r u n n e r 2, 340. 365ff.; Grvmdz.« 207—218; Forsch. 524ff. 591 ff. 628ff. (ZHR. 22, 65ff. 510ff. 551ff.). F r a n k e n Französ. Pfandrecht im MA. 1879 S. 43ff. 210ff. 261 ff. Val de L i è v r e Launegild u. Wadia 1877 S. 96ff. H o r t e n Personalexekution, 2 Bde., 1893—96, besonders 2, 189ff. (Die langob. Schuldverpflichtung). S c h r ö d e r Gairethinx, ZRG. 20, 53ff. W a c h Ital. Arrestprozeß 1868 S. 4. lOff. Z ö p f l Ewa Chamavorum 37ff. 44ff. 73ff. 92fï. E s m e i n Études sur les contrats dans le très ancien droit français 1883. W o d o n La forme et la garantie dans les contrats français 1893. S t o u ff Étude sur la formation des contrats par l'écriture 1887. T h é v e n i n Contributions à l'hist. du droit germanique (N. Revue 1880) S. 69ff. 447ff. (vgl. E h r e n b e r g ZRG. 16, 229ff.). E s t r e i c h e r Studyer nad historya kontraktu kupna w prawie Niemickiem epoki Frankonskiej 1894. N i s s l Gerichtsstand d. Klerus 191 ff. S i e g e l G. d. deutsch. Gerichtsverfahrens 35ff. 223. R. L o e n i n g Vertragsbruch §§ 2—8. H e y m a n n Verschulden beim Erfüllungsverzug 1913. G l a s s o n (S. 8) 2, 223—52. 0 . S c h r e i b e r Schuld u. Haftung 1, l f f . (1914). B u c h Schuld u. Haftung 1914 S. 8ff. E g g e r Vermögenshaftung u. Hypothek n. fränk. Recht 1903 ( G i e r k e U. 69). R i n t e l e n Schuldhaft u. Einlager 1908. R a b e l H i f t u n g des Verkäufers wegen Mangels im Recht 1, 166ff. 288ff. (1902). L a u g h l i n Essays in Anglosaxon Law (S. 9) 189ff. H a z e l t i n e G. d. engl. Pfandrechts 1907 ( G i e r k e ü . 92) S. 69—113 (vgl. H e y m a n n ZRG. 43, 494). L i e b e r m a n n Ags. Gl. 331. 713. 715. K o r n De obnoxiatione e t wadio, Bresl. Diss. 1863. 98
Vgl. Cap. leg. add. v. 803 c. 8 (MG. Cap. 1, 114): liber qui se loco wadii in atterius potestatem commiserit. v. A m i r a Obl.-R. 1, 691f. 2, 176ff.; Grundriß 3 216f. E g g e r (n. 97) 52. G r i m m RA. 619. K o h l e r Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz 60, Nachwort 9f. Greg. Tur. Hist. Franc. 3, 15. Selbstvergeiselung MG. Cap. 1, 51 c. 19. 160 c. 3. Vgl. S. 319. 99 Über das gemeingermanische „borgen" und „bürgen" vgl. K l u g e u. d. W. G r i m m DWB. 2, 241f. v. A m i r a Obl.-R. 1, 30. 693. 2, 45ff. 100 Liber Papiens. Gloss. zu Liutpr. 38 (MG. Leg. [fol.] 4, 425): debitor fideiussoris est debitor, quod et fideiussor debitorem pignorare potesf et adversus eurn accionem mandati exercere potest. Vgl. v. A m i r a Obl.-R. 1, 193 n. 1. J h e r i n g Geist d. röm. R. 4 3, 1 pg. 11—25. Über sprachlichen Zusammenhang von ms und pra.es mit got. vadi und vidan vgl. D i e f f e n b a c h WB. d. got. Sprache 1, 140ff. F i c k WB. d. indogerman. Sprache 3 1, 767. 101 L. Burg. 19, 5—11. 82. 96. extrav. 21, 8. S o h m Proz. d. Lex Salica 21. 44f. 223.
§ 35.
Privatrecht.
3. Schuldverhältnisse.
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biger schon aus eigenen Mitteln befriedigt hatte. War die admonitio erfolglos, so konnte der Bürge zur Pfändung schreiten. Sie vollzog sich außergerichtlich vor Zeugen und durfte den Betrag der Schuld um ein Drittel' übersteigen Nach der Pfändung hatte der Schuldner eine dreimonatliche Lösungsfrist, nach deren Ablauf das Pfand verfiel. Reichten die Mittel des Schuldners nicht aus, so konnte sich der Bürge durch Auslieferung der Person des Schuldners an den Gläubiger von jede'- weiteren Haftung befreien; tat er dies nicht, so haftete er dem Gläubiger mit seinem eigenen Vermögen für den Ausfall 102 . War der Bürge durch Verzug des Schuldner in Schaden gekommen, so hatte dieser ihm dreifachen Ersatz zu leisten. Dem Gläubiger haftete der Schuldner nicht, die admonitio durch den Gläubiger hatte nur eine formelle, keine materielle Bedeutung. Dem Bürgen haftete der Schuldner für die Befreiung von der Bürgschaftshaftung. Dem Gläubiger haftete der Bürge für die Befriedigung durch den Schuldner, oder aus den gepfändeten Mitteln des Schuldners, oder durch tlberantwortung der Person des Schuldners.Bestätigt wird unsere Auffassung durch altdänische und altschwedische Rechtsquellen, nach denen die Haftimg des Bürgen ebenfalls eine prinzipale und nicht eine akzessorische war 103 , sodann durch das langobardische Recht. Nach letzterem wurde der Schuldner durch Ubergabe der Wadia an den Gläubiger bei Geldbuße verpflichtet, ihm binnen bestimmter Frist einen ausreichenden Bürgen zu stellen 104 ; dei' Bürge hatte das Recht und nötigenfalls die Pflicht, den Schuldner nach dreimaliger Zahlungsaufforderung zu pfänden, während umgekehrt der Gläubiger bei Verzug des Schuldners den Bürgen pfänden konnte 1ÜS . Der Schuldner war durch die Bürgenstellung von jeder Haftung gegenüber dem Gläubiger befreit; der letztere verpflichtete sich durch Weitergabe der von dem Schuldner erhaltenen Wadia an den Bürgen, seine Befriedigung nur bei diesem und durch diesen zu suchen 106 . . 102 Der Erbe des Bürgen haftete nicht. Vgl. L. Burg. 82, 2. Angesichts der Übereinstimmung der späteren Rechtsquellen muß die Nichterblichkeit der Bürgschaft gemeingermanisch gewesen sein. Vgl. E s m e i n 89f. 103 y g i P a u l s e n Beitrag zur Lehre v. d. Bürgschaft aus dorn nordischen Recht, ZDR. 4, 122 f. v. A m i r a Obl.-R. 1, 696ff. 2, 840ff. S a r a u w N. staatsb. Magaz. 7, 552. Während schwedische und norwegische Quellen Gesamthaftung deB Bürgen neben dem Schuldner bezeugen, bestimmt Jüt. Lov 2, 64: Welcher Mann Bürgen setzt, der ist schuldig für die Tat keinem, Mann zu antworten, außer dem allein, der sein Bürge wurde. Dazu 2, 62: Wofür ein Mann Bürge ward, das soll er gelten. 104 Liutpr. 36—40. Lib. Pap. Roth. 360 (MG. Leg. 4, 386, ein dem langobardischen Gewohnheitsrecht entlehnter Zusatz, vgl. n. 138). 105 Pfändungsrecht des Bürgen gegen den Schuldner: Liutpr. 39. 40 (vgl. W a c h Arrestpr-oz. 21 ff. 25); des Gläubigers gegen den Bürgen: Liutpr. 108. 109. 126 (vgl. Roth. 366. Liutpr. 38. Ratcli. 8); dreifache Mahnung: Roth. 245. 246. 106 Die Übernahme der Wadia seitens des Bürgen hieß solvere, reeipere, liberare; die durch Hingabe der Wadia an den Gläubiger begründete Haftung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger wurde durch die Übernahme der Wadia
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Fränkische Zeit.
Das fränkische Recht hatte den gleichen Standpunkt wie das langobardische: der Bürge haftete dem Gläubiger, der Schuldner dem Bürgen, und zwar, wenn er diesen hatte in Schaden kommen lassen, für doppelten E r s a t z 1 0 7 , während das langobardische Hecht in Übereinstimmung mit dem burgundischen dreifachen Ersatz vorschrieb Zwar konnte der Gläubiger auch unmittelbar gegen den Schuldner das Betreibungsverfahren anstrengen, aber nur unter Verzicht auf die Haftung des Bürgen; durch den Zugriff des Gläubigers auf den Schuldner wurde der Bürge befreit 1 0 8 . Daß die übrigen Stammesrechte ähnliche Grundsätze befolgt haben, ist in der Lex Romana Curiensis angedeutet und wird durch verschiedene Partikularrechte des deutschen Mittelalters bestätigt 1 0 9 . Der Bürgschaftsvertrag wurde nach den meisten germanischen Stammesrechten in der Form der Stabreichung vollzogen 1 1 0 Der Stab (festuca, baculus) wurde vielfach als wadium, in Italien regelmäßig als ivadia (vadimonium), der Vertrag selbst als roadiatio (Wette) oder wadiare, rewadicare, got. gawadjön, ags. weddian, ahd. wetten) bezeichnet 1 1 1 . Da die Quellen häufig fidem facere und fides facta dafür verwenden, so ergibt sich, daß der Bürgenstellung regelmäßig ein Schuldgelöbnis voranging 1 1 2 . Den seitens des Bürgen getilgt. Vgl. Val de L i è v r e a. a. 0 . 184f. 216f. Esmein 81. 86n. 2. 87f. B r u n n e r Forsch. 592. Entscheidend sind die in Italien entstandenen ExtravagantenB derLexSalica, c . 6 ( B e h r e n d 2 167): Postquam autem debitor wadium dederit, liber erit, si fideiussor moritur, propter wadium quod emisit in debitore et si vivent ambo, quod spopondit qui wadium dédit det. et si domo non dat, fideiussor quantum spopondit pro neglectu debitoris det. Vgl. n. 136. 107 Vgl. Sohm Proz.d. Lex Salica 21f. 53. 220ff. E s m e i n 82. v. B e t h m a n n Hollweg 1, 558ff. S i c k e l Bestrafung d. Vertragsbr. 10. Doppelten Ersatz (L. Cham. 16) erhielt der Bürge auch nach sächsischem Recht (Cap. de part. Sax. 27), ebenso nach L. Rom. Burg. 14, 8 seitens der Provinzialen. Über das langobardische Recht Liutpr. 108 (doppelte Pfändung unter Fortdauer der Schuld). Debitor ist hier wie Liutpr. 109 der Schuldner in seinem Verhältnis zum Bürgen. 1 0 8 Bened. Lev. 3 c. 334 (MG. Leg. 2, 123): Si quis contempto fideiussore debitorem suum tenere maluerit, fideiussor vel heres eius a fideiussionis vinculo liberatur. Vgl. Esmein 86f. Unmittelbarer Zugriff des Gläubigers auf den Schuldner (als Selbstbürgen?): erstes Kapitular zur L. Salica c. 10 ( B e h r e n d 2 136) und L. Sal. 85 (50). 1 0 9 L. Rom. Cur. 22, 12: Si quis homo pro qualecumque causa fideiussorem acciperit, si se ad ipsum fideiussorem tenere vult, fide, quod fecit, solvat. et quod si illum fideiussorem dimittere vult, ad suum debitorem se tenere debet, vi suum debitum ei reddat. Vgl. S t o b b e Privatrecht 3, 308 n. 8. 1 1 0 Die hier gegebene, von der älteren Lehre und den Ausführungen unserer früheren Auflagen durchaus abweichende Darstellung stützt sich auf die scharfsinnigen Untersuchungen von Amira (n. 97). Den Gegeneinwänden von Gierke (n. 97) kann ich nicht beitreten. 1 1 1 Noch im Cartul. Langob. 16 (MG. Leg. [fol.] 4, 599) wird baculus vadimonii als gleichbedeutend mit wadia behandelt. 1 1 2 Ob ein feierliches Treugelöbnis in dem S. 68 besprochenen Sinne, oder ein einfaches Geloben (vgl. v. Schwerin ZRG. 42, 468) mag zunächst dahingestellt bleiben. Vgl. S. 323f. Bei prozessualischen Wettverträgen, z. B. über Wahrimg eines bestimmten Dingtages, Leistung eines Eides oder Gestellung von Zeugen, nur vereinzelt
§ 35.
Privatrecht.
3. Schuldverhältnisse.
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Formalismus des Bürgschafts Vertrages erkennt man am besten aus Liutprands Edikt c. 36—40. Der Schuldner gibt die wadia (Si quis alteri homini wadia dederit) an den Gläubiger, der sie ihm durch die Hand des Bürgen wieder zurückgibt (Si ille-, qui ipsa wadia acceperit, reddere neglexerit per fideiussores). Unterläßt der Gläubiger diese Rückgabe durch den Bürgen, so fällt er in Strafe, ebenso aber der Schuldner, wenn dieser die ihm vom Bürgen zum Rückempfang präsentierte Wadia ablehnt (Si quis dederit wadia et eam recepere neglexerit). Ist der Schuldner dagegen bereit, die Wadia aus der Hand des Bürgen zurückzunehmen (Si quis alii wadia dederit, et voluerit eam per fideiussores suos recipere), so hat er die Wadia durch den Rückempfang ausgelöst (eam per fideiussorem liberit) und der Gläubiger kann sich nicht mehr an ihn, sondern nurnoch an den Bürgen halten. Wenn der Gläubiger die ihm vom Schuldner bezeichneten Bürgen ohne Grund ablehnte, so war er nach Liutpr. 38 schließlich genötigt, jeden freien Mann anzunehmen, von dem ihm durch einen Mitfreien versichert wurde: quod ego scio, quia ei eredere poles. Es kam vor Liutpr. 128 nicht darauf an, ob der Bürge Vermögen besaß oder nicht. Konnte der Schuldner aber überhaupt keinen Bürgen finden, so blieb ihm unter Umständen nur die Selbstvergeiselung übrig: Qui multa qualibet solvere non potuerit et fideiussores non habuerit, liceat ei semetipsum in wadium ei, cui debitor est, mittere, usque dum multa, quam debuit, persolvat113. Milder war das Edikt Chilperichs (MG. Cap. 1 , 9 c . 7), das dem zu einem fidem facere verpflichteten Angeklagten, wenn er non habuerit qui pro eum fidem facmt, statt der Selbstvergeiselung die Selbstbürgschaft gestattete, und zwar in der F o r m : ut ipse in senextra manu fistucam teneat et dextera manu auferat. Diese Bestimmung hat die verschiedensten Auslegungen gefunden, die richtige Erklärung aber erst durch v. A m i r a : der Angeschuldigte nahm die festuca in die linke Hand, um sie mit dieser seinem Vertragsgegner zu überreichen und sodann mit der rechten Hand von ihm zurückzuempfangen 114 . Durch später auch bei außergerichtlichen Verträgen, verwendete die fränkische Rechtssprache mit Vorhebe das Wort adchramire, das auf ein altfränkisches atchramjan schließen läßt. Eine ahd. Glosse (MG. Cap. 1, 440 note d) übersetzt es mit stabdn. Das Wort bedeutete „festmachen", entsprach also dem firmare cartam (S. 290), den manus firmatas der Form. Merkel. 28 und 29 (Zeumer 252), sowie dem späteren „Handfeste" und „Mundfeste". Außerhalb des salfränkischen Gebietes kommt es nur noch in der Lex Chamav. 16 und 48 vor. Die Aufnahme in die Cap. de part. Sax. c. 32 (Cap. 1, 70) ist auf fränkischen Einfluß zurückzuführen. Die Unbekanntschaft der Ribuarier mit dem Worte ergibt sich aus der falschen Überschrift zu L. Rib. 49. Von der zahlreichen Literatur vgl. v. Amira 3 219. Brunner 2, 366f. 497 n. 16. Geffcken Lex Salica S. 154. Gierke Schuld u. Haftung 158. Grimm RA. 123. 844. Rauch Spurfolge u. Anefang 14. 99ff. Sohm Prozeß d. Lex Salica 78ff. Waitz Das alte Recht d. sal. Franken 276f. (Müllenhoff). Wahle a. a. 0 . (n. 97). Vgl. S. 323. Cap. ad leg. Rib. v. 803 c. 3 (Cap. 1, 117). Vgl. v. Amira Stab 156. Sohm Prozeß d. Lex Salica 81. 220; R. d. Eheschließung 41 f. Gierke Schuld u. Haftung 159. 161. 275. v. Schwerin ZRG. 42, 467. Rintelen Schuldhaft u. Einlager 158. 113
114
320
Fränkische Zeit.
diese Erklärung wird die Form der fränkischen Selbstbürgschaft mit den langobardischen Formen des Wettvertrages in vollen Einklang gebracht. Auch sonst fehlt es nicht an Spuren, daß die langobardisch-fränkischen Formen des Wettvertrages mehr oder weniger germanisches Gemeingut gewesen sind 115 . Auch die von dem Schuldner direkt übernommene Haftung durch Selbstbürgschaft ist allmählich überall zur Anerkennung gelangt 116 . Daß der unmittelbare Wettvertrag, bei welchem der Schuldner sich durch einfache Hingabe der wadia an den Gläubiger, ohne daß jene erst durch mehrere Hände zu gehen hatte, verpflichten konnte, zum Teil erst durch Abspaltung von dem Bürgschaftsvertrage entstanden ist, wird von G i e r k e mit Unrecht bezweifelt 11 '. Wann sich diese Wandlung in den verschiedenen Rechtsgebieten vollzogen hat, läßt sich nicht feststellen. Den Langobarden war sie zur Zeit ihrer Selbständigkeit anscheinend noch unbekannt, da das Edikt den Wettvertrag nur als Bürgschaftsvertrag erwähnt 118 . Ob bei den Franken erst das Edikt Chilperichs den Anstoß gegeben, oder ob dieses bereits an einen älteren Brauch angeknüpft hat, läßt sich nicht sicher feststellen 119 . Jedenfalls aber wurden, nachdem die Entwicklung einmal stattgefunden hatte, die alten Formen vielfach nicht mehr verstanden und durch allerlei Verschiebungen verwischt. Früher hatte man zwischen der hingeworfenen festuca, die einen einseitigen Verzicht, ein sich von etwas Lossagen (so auch bei der Auflassung) bedeutete, und der als Wette hingegebenen scharf unterschieden 120 , aber schon die Lex 115
Vgl. v. A m i r a Stab 154f. S o h m R. d. Eheschi. 37. 39f. Für das baierische Recht vgl. L. Baiuw. app. 4 (MG. Leg. [fol.] 3, 337). Im nordgermanischen Recht entsprach unserm Wettvertrage der Beweisvertrag mit trce oh taki (Holz und Bürge). Vgl. v. A m i r a Obl.-R. 1, 291f.; Stab 155. ne Vgl. v. A m i r a Stab 156. B r u n n e r Forsch. 593ff. G i e r k e Schuld u. Haftung 60. 159. 161. 275. 285. 296. S o h m R. d. Eheschi. 41f. H e u s l e r Inst. 2, 242. S t o b b e D. Pr.-R. 3, 306. H ü b n e r D. Pr.-R. 423. 442. Val de L i é v r e (n. 97) 186. 244ff. E s m e i n (n. 97) 83f. F r a n k e n Pfandrecht 234ff. M ü l l e r ZDR. 1, 341 n. 1. G e f f c k e n Lex Salica 271f. Cap. leg. add. v. 819 c. 6 (MG. Cap. 1, 282): ipse per se fideiussionem faciat eiusdem vestiturae. L o e r s c h u. S c h r ö d e r Urk. a 181 (180) v. 1326: se ipsum constituit principalem et fideiussorem. Ital. Urk. v. 1190 ( G a u d e n z i , Atti e Memorie di Storia Patria di Romagna III. 3, 25): guadiam ipsi B. sorori suae dedit et fideiussorem, et per ipsam guadiam, ipse S. obligavit se. Selbstbürgschaft auch Jüt. Lov 2, 104. 117 Vgl. G i e r k e a. a. O. 275. Anderer Meinung G o l d m a n n , D. Liter.-Zeitung 1910 Sp. 2632. H ü b n e r a. a. O. 423. 443. Iis Vgl. V a l de L i é v r e a. a. 0 . 165—183. 226f. 258ff. 119 v. A m i r a ist geneigt, die erste Spur schon L. Salica 85 (50) zu finden, denn die dem Grafen von dem betreibenden Gläubiger präsentierte festuca bezieht sich offenbar nicht auf seine Forderung gegen den Schuldner, sondern auf die von ihm selbst gegenüber dem Grafen zu übernehmende Gewährschaft: ego super me et super fortuna mea pono, quod securus mitto [1. mitte] super fortunam suam manum. 120 Vgl. S. 304. v. A m i r a Stab 145ff. G i e r k e Schuld u. Haftung 154ff. Syn. Francof. v. 794 c. 3 (MG. Cap. 1, 74): Herzog Tassilo omnem, iustitiam et res proprietatis, quantum illi in ducato Baioariorum legitime perlinere debuerunt,
§ 35.
Privatrecht.
321
3. Schuldverhältnisse.
Salica kannte einen Fall, wo das Auflassungssymbol nicht mehr weggeworfen, sondern dem Vertragsgegner zugeworfen wurde 1 2 1 , und in unigekehrter Richtung begegnete nun auch zuweilen der Brauch, die wadia nicht mehr zu übergeben, sondern zuzuwerfen 1 2 2 . Die Folge davon war, daß die festuea als Verzichtsymbol und die festuca als Wette überhaupt nicht mehr unterschieden wurde, und daß sich auch für die erstere die Bezeichnung als waclium einbürgerte, wobei man den Stock auch nicht mehr ausschließlich als Verzichtsymbol, sondern unter Umständen zugleich als das Wahrzeichen der Gewährleistungspflicht auffaßte 1 2 3 . Eine andere Folge der eingetretenen Unsicherheit in der Rechtsauffassung bestand darin, daß die Stabreichung auch wohl durch bloßes Versprechen unter Berührung des vorgehaltenen Gerichtsstabes, oder selbst durch bloße Handreichung, oder durch Übergabe eines Halmes oder Handschuhes oder anderer Leibzeichen des Schuldners ersetzt wurde 124 . Die Abspaltung des unmittelbaren Haftungsgeschäftes von der selbst wieder aus dem Bürgschaftsvertrage abgeleiteten Selbstbürgschaft mit Stabreichung hat nur im fränkischen und wohl auch im langobardischen Recht stattgefunden 1 2 5 . Alle übrigen germanischen Rechte kannten neben der Bürgschaft ein von dieser durchaus unabhängiges Haftungsgeschäft, das zwar gelegentlich als „Selbstbürgschaft" bezeichnet wurde (n. 116), aber keinen genetischer. Zusammenhang mit der Bürgschaft hatte. Der Formalismus desselben war ein ganz anderer 126 , und erst durch seinen gurpicit atque proiecit. Coli. Flaviniae. add. 6 ( Z e u m e r 492): tradidit et vestivit et per durpilum et festucam sibi foras exitum, alienum vel spoliatum in omnibus esse dixit et omnia wirpivit. F o r m . M a r c . 2 Nr. 18 ( Z e u m e r 28): Totschlagsühne, der Totschläger entrichtet die Wergeldschuld durch wadiatio, worauf die Verwandten des Getöteten durch werpitio Urfehde leisten: in presenti per wadio tuo visus es transaolvisse, et nos ipsa causa per fistuca contra te visus sum werpisse. 121
L. Sal. 80 (46). Vgl. v. A m i r a Stab 156. 123 Vgl. G i e r k e a. a. O. 155 n. 40. 300 n. 27. 306f. v. A m i r a Stab 156, n. 9. Z e u m e r Form. 206, 50. 322, 46. 362, 40. 463, 3. 464, 4. B i t t e r a u f Trad. v. Freising 1, 186. 217. 281. In den bei V a l d e L i è v r e Launegild u. Wadia 124 angeführten Urkunden wird noch ganz richtig zwischen der Wadia und dem als Traditionssymbol verwendeten Stock (baculus, fustis, jerulus, lignum) unterschieden, woraus aber nicht folgt, wie G i e r k e 263 n. 6 annimmt, daß die Wadia kein Stab gewesen sei. Vgl. v. A m i r a Wadiation (n. 97) 16f. 122
124 Vgl. v. A m i r a Stab 95. 156. R i n t e l e n Der Gerichtsstab in den österr. Weistümern, Festschrift Brunner 646f. G i e r k e a. a. O. 162. 263. H e u s l e r 1, 79. 86. F r a n k e n Französ. Pfandrecht 214ff. 261ff. M i c h e l s e n Festuca notata 14. 125 Vgl. V a l de L i è v r e a. a. O. 186 n. 6. 244ff. Zweifel hinsichtlich der Langobarden bei v. A m i r a , Wadiation 45. Daß die letzteren auch die Verpflichtung durch Handschlag kannten, zeigt das guadiare in manibus (auch: promittere atque spondere in manu alieuius) in Friauler Urkunden bei V a l d e L i è v r e 264. 126 Uber das Folgende vgl. v. A m i r a Wadiation 44ff. 49f. ; Handgebärden (S. 13) 2 3 9 f f . ; Obl.-R. 1, 290ff. 2, 305—319. G i e r k e a. a. O. 179ff. 196. 299ff. G r i m m E A . 138. 605. P u n t s c h a r t Schuldvertrag und Treugelöbnis des sächs. Rechts im Mittelalter 1896 S. 351 ff. 359. 361 ff. 491 ff.; MJÖG. 28, 370f. S i e g e l
R. S c h r ö d e r , Deutsche Rechtsgeschichte.
6. Aufl.
21
322
Fränkische Zeit.
Einfluß dürfte die spätere Unsicherheit in das fränkische Haftungsgeschäft eingedrungen sein. Er vollzog sich regelmäßig durch Handreichung, oder statt derselben durch Übergabe eines Handschuhes, als Leibzeichen des Schuldners, oder, in demselben Sinne, durch Entgegenstrecken seines Mantel- oder Rockzipfels (des „Geren"), den der Gläubiger ergreifen mußte127-. Erst später kam auch die Übergabe anderer, mehr oder weniger wertloser Sachen auf, die keine Beziehung zu der Person des Schuldners hatten und gelegentlich als „Scheinpfand" bezeichnet wurden. Demgemäß sprachen alemannische und bairische Quellen auch von einem waäium dare128. An einen Stab hat man dabei wohl nur zu denken, wenn es sich um einen solchen als Auflassungssymbol handelte, das zugleich als wadium für die Übernahme der Gewährleistung betrachtet wurde (S. 321). Im übrigen hat man bei dem alamannischen und bairischen wadium in der Regel wohl an einen Handschuh des Schuldners zu denken 129 . Es handelte sich in allen diesen Fällen um die von uns (S. 68) schon für die germanische Zeit angenommene hypothekarische Selbstverpfändung, durch die der Schuldner nicht bloß seine Person der eventuellen Schuldknechtschaft, sondern zugleich sein ganzes Vermögen der eventuellen Pfändung unterwarf 130 . Indem die Quellen diesen Akt mit denselben Worten wie den fränkisch-langobardischen Bürgschaftsvertrag als wettenT Handschlag u. Eid, WSB. 1894, Abh. 6. S o h r a R. d. Eheschi. 48f. Die nur dem fränkischen Recht entsprechende Terminologie in der Cap. de part. Saxoniae c. 32 (MG. Cap. 1, 70) kommt auf Rechnung der fränkischen Kanzleisprache. 127 Vgl. v. A m i r a Wadiation 45ff.; Stab 157; Handgebärden 237f. G i e r k e a. a. 0 . 324 n. P u n t s c h a r t , MJÖG. 28, 369f. Gegen meine früheren Ausführungen (vgl. S. 64 n. 4. 5), die diesen Ritus bis in die römische Zeit zurück zu verfolgen suchen (auch Allg. Österr. Gerichtszeitung 1905 S. 215), vgl. v. A m i r a Wadiation 47f., der darauf aufmerksam macht, daß die von mir herangezogenen Kunstdenkmäler in ihrem beschädigten Zustande nicht als beweiskräftig angesehen werden können. 128 Vgl. L Alam. 3, 1: donet legilimo wadio. 36, 2: wadium suum donet ad misso comitis. L. Baiuw. 2, 14: donet wadium comiti de fredo. 11, 4: det wadium,. Text I I c. 27 (MG. Leg. 3, 350): donet wadium pro se. Zahlreiche urkundliche Belege bei G i e r k e a. a. O. 293ff. 304ff. S o h m R. d. Eheschi. 37, n. 28. 44, n. 42. 129 Vgl. die Schwäbische Trauungsformel (n. 172): Da ein jri Swebenne ewet ein Swal, der muoz im siben hantscuohe han: mitten git er siben wete nach dem swabeschen rehte, unde sprichst zem eresten alsus: wa ich iu erwette den rehten munt , wa ich in wette aller der wette, der ich iu getan han . Diu wete ellin diu niemet diu frouwe unde ir voget. Über Handschlag bei den Baiern vgl. n. 134, über die Ergreifung des Geren v. A m i r a Handgebärden 237f. 130 ygi, v_ A m i r a Wadiation 43; ZRG. 44, 494. P u n t s c h a r t a. a. 0.197ff. Der Grundfehler G i e r k e s liegt in der Übertragung der beschränkten Haftung des Geisels (S. 68) auf die des Schuldners, der sich durch Treugelöbnis haftbar gemacht hat. Der Geisel war Faustpfand, haftete also nur mit seinem Leibe und dem, was er in die Geiselschaft eingebracht hatte. Dagegen war der Schuldner als solcher hypothekarisch verstrickt; sein Vermögen war zwar nicht verpfändet, stand aber doch dem Zugriff des Gläubigers im Nichtleistungsfalle offen, und erst nach erfolgloser Pfändung (cum omnia defecerunt, Tacitus Germ. c. 24) kam es zur Verknechtung des Schuldners.
§ 35. Privatrecht.
3. Schuldverhältnisse.
323
verwetten, erwetten, wadiare, ags. weddian, den dargereichten Gegenstand, selbst die zum Handschlag dargebotene Hand, als Wette (wadium, ags. wedd) bezeichneten (n. 134), geben sie zu verstehen, daß ihre „ W e t t e " o h n e Bürgen dieselbe Schuldnerhaftung herbeiführte, wie die fränkisch-langobardische Wette m i t Bürgen. Die fides facta des fränkischen Rechts war nicht etwa, wie G i e r k e annimmt, ein rechtsförmliches Treugelöbnis, das nur eine beschränkte Haftung des gelobenden Schuldners nach Art der Geiselhaftung begründete und deshalb zur Herbeiführung voller Vermögenshaftung noch der Verbindung mit einem zweiten Haftungsgeschäft bedurfte, das G i e r k e ' e b e n in der Wadiation findet 131 , sondern sie war, ebenso wie das adchramire(S. 319n.), die Wadiation selbst 132 . G i e r k e sieht in der festuca das Wahrzeichen der hausherrlichen Gewalt und des Pfändungsrechtes gegen den Hausherrn, sodann weiter, in Übereinstimmung mit unserer früheren Auffassung, ein Scheinpfand, das der Schuldner auszulösen hatte 1 3 3 . Allein schon die mainnigfache Verwendung der Wörter wadium und wadiare im Sprachgebrauch der Quellen 134 zeigt deutlich, daß sie vielfach nicht im technischen Sinne für „Pfand" und „verpfänden", sondern bloß bildlich für etwas, was man hingab und lösen mußte, verwendet wurden 135 . Dazu kommt, daß der oben dargelegte Formalismus der Wadiation, nach welchem der Gläubiger die ihm übergebene Wette nicht behielt, sondern sie weiter an den Bürgen gab, der sie dem Schuldner alsbald (nicht erst nach der Leistung) wieder zurückstellen mußte, mit dem Begriff eines Pfandes oder eines Legitimationszeichens für die Pfändung unvereinbar wäre. G i e r k e , der diese Rückgabe an den Schuldner in Abrede stellt und nur die Weitergabe vom Gläubiger an den Bürgen zugeben will, 131
Darauf beruht S. 159—165 seine Auslegung des Ed. Chilperici c. 6, wonach der Schuldner die festuca in der linken Hand habe halten müssen, weil er die rechte zur Ablegung des Treugelöbnisses gebrauchte. Vgl. S. 319. 132 Vgl. Sohm R. d. Eheschi. 39, zumal die daselbst n. 33 angeführte Urkunde von 863, die arramita für „Bürgschaft" verwendet. 133 Vgl. Gierke a. a. O. 153ff. 260. 262. 271. 312. Dagegen v. Amira Stab 152f., Wadiation 46. Daß das spätere Mittelalter die Wette vielfach als Scheinpfand auffaßte (vgl. Weistum v. 1484 bei Gierke 303), beweist nur, daß der damaligen Zeit das Verständnis für die Sache abhanden gekommen war. 134 Vgl. n. 125, ferner Puntschart Schuldvertrag 492 und seinen Verweis auf eine ahd. Glosse uuetti gapun, dederunt manus suas (Graff Ahd. Sprachschatz 1, 740), sowie auf Annal. Lauriss. z. J. 776 (MG. Ser. 1, 156) von der Unterwerfung der Sachsen: reddiderunt patriam per wadium omnes manibus eorum. Ähnlich eine bairische Urkunde v. 804 (Bitterauf Trad. v. Freising 1, 188): per wadium illorum utrique manibus suis in manu episcopi A. dederunt . Sed nihil profecit in his omnibus, unde wadium dederunt. Über das Sprachliche v. Amira Wadiation 48 ff. Im Mittelalter verstand man unter wetten besonders das Geloben (dann auch das Zahlen) einer Geldstrafe (daher gewette). Auch noch heute handelt es sich bei unserm „Wetten" um das durch Handschlag vereinbarte Strafgeld, mit dem die als unrichtig befundene Behauptung bestraft werden soll. 135 Vgl. v. Amira Srab 152. Über die entsprechende bildliche Verwendung des Wortes „Pfand" (wie bei unsern Pfänderspielen) vgl. Grimm DWB. 7, 1603. 1605f. Lexer Mhd. WB. 2, 226f. 21*
Fränkische Zeit.
324
sieht sich zu einer unmöglichen Interpretation des Edikts Liutprands genötigt 1 3 6 . Die einzig mögliche Erklärung hat v. A m i r a gefunden: die festuca war ein Botschaftsstab, durch dessen Übergabe an den Gläubiger dieser vom Schuldner beauftragt wurde, seine Befriedigung durch die Hand des Bürgen und nur auf diesem Wege zu suchen; der Gläubiger, nachdem er sich durch die Annahme des Stabes mit diesem Modus einverstanden erklärt hatte, richtete (wie in unserm heutigen Wechselverkehr der Remittent gegenüber dem Bezogenen) durch Präsentation zur Annahme bei dem Bürgen seinen Auftrag aus. Durch die Annahme des Stabes wurde der letztere zum Einsteher für den Schuldner, dem er durch Rückgabe des Stabes Kenntnis von der Übernahme der Bürgschaft und der damit begründeten Haftpflicht des Schuldners ihm gegenüber zu geben hatte 1 3 7 . Die Wadiation war, wie alle Formalgeschäfte, zeugenbedürftig und verlangte von den Beteiligten eine Willenserklärung mit Hand und Mund; Stabreichung wie Annahme und Zurücknahme ' des Stabes mußten also von einer mündlichen Erklärung begleitet sein, durch die der symbolische Akt der Stabreichung erst seinen Inhalt erhielt 138 . 136 Vgl. Gierke a. a. O. 273f. 286ff. Die Verpflichtung des Schuldners zum recipere per fideiussorem soll nicht bedeuten „durch den Bürgen zurückempfangen'', sondern „zu Händen seines Bürgen zurückempfangen", während doch von einem Rückempfang keine Rede sein könnte, wenn die Wadia in den Händen des Bürgen bliebe. Noch unmöglicher ist a. a. 0 . 274, n. 55 und 296, n. 13 seine Auslegung des c. 6 der Extravagante B der Lex Salica (n. 106. B e h r e n d 2 167. Geffcken 92. Hessels 421): Postquam debitor wadium dederit, liber erit, si jideiussor moritur', propter wadium quod emisit in debitore. Das soll nach Gierke heißen: „Kachdem der Schuldner die Wadia gegeben hat, soll er, wenn der Bürge stirbt, hinsichtlich der Wadia, die er dem Gläubiger gegeben hat, befreit sein." Daß debitor in der älteren Rechtssprache ebensowohl den Gläubiger wie den Schuldner bezeichnen konnte, ist richtig, unmöglich aber ist es, daß es in demselben Satze einmal den Schuldner und dann den Gläubiger bedeuten sollte. Die einzig mögliche Auslegung ist die, daß der Schuldner die Wadia (durch die Hand des Gläubigers) an den Bürgen gegeben hat; darauf ist der Bürge gestorben, der Schuldner aber soll hinsichtlich der Wadia, das dieser ihm zurückgestellt hat (emisit in debitore), unbehelligt bleiben, da er nach Liutpr. 37 wadia per fideiussorem liberit.
Vgl. v. Amira Stab 33ff. 154. Vgl. Ed. Roth. 366. Liutpr. 8. 15. Ratchis 5. Gierke a . a . O . 262. Heusler Inst. 2, 243f. Wenn der Gläubiger die Wadia behielt und nicht an den Bürgen weitergab, oder wenn der Schuldner ihren Zurückempfang aus der Hand des Bürgen verweigerte, so war dafür eine Geldbuße zu entrichten. Die von Liutprand 36 angezogene Bestimmung des Königs Rothari scheint ein Nachtragsgesetz zum Edikt gewesen zu sein, da es in diesem fehlt, während es uns in Lib.Pap.Roth. 360 (MG. Leg. [fol.] 4, 386) überliefert ist. Daß der Gläubiger, wenn er die Weitergabe an den Bürgen verweigerte, aus der zurückbehaltenen Wadia kein Recht gegen den Schuldner geltend machen konnte, ist selbstverständlich, dagegen ist es zweifelhaft, ob der Schuldner, auch wenn er die Zurücknahme der Wadia aus der Hand des Bürgen ablehnte, dem letzteren gleichwohl haftete, oder ob es mit der von ihm zu zahlenden Buße abgetan war. Eine vertragsmäßige Aufhebung des durch die Wadiation begründeten Rechtsverhältnisses (des wadiare) bei Val de Lièvre 187. 137
138
§ 35.
Privatrecht.
3. Schuldverhältnisse.
325
Die Formalverträge waren die einzigen Haftungsgeschäfte der fränkischen Zeit. Die zuerst von S o h m entwickelte Auffassung, daß es auch Realverträge gegeben habe, bei denen schlechthin durch den Empfang der gegnerischen Leistung für . den Empfänger eine Haftung für die Gegenleistung entstanden sei, ist erst aus mittelalterlichen Quellen zu begründen 1 3 9 . In der fränkischen Zeit hatte die vorleistende Partei immer nur eine Klage auf Rückgewähr ihrer eigenen Leistung, falls die Gegenleistung ausblieb; für die Gegenleistung haftete der Empfänger nur, wenn er sie verwettet hatte 1 4 0 . So war bei der prekaristischen Zinsleihe der Herr zwar zur Zurücknahme des Gutes berechtigt, wenn der Zins ausblieb und auch nicht durch Wettvertrag sichergestellt wurde, eine Klage auf Zinsleistung stand ihm dagegen nicht zu 1 4 1 . Ebenso konnte der Schenker seine ohne Lohngeld gebliebene Gabe zurückfordern (launegild requirere), eine Klage auf das Lohngeld hatte er aber nicht 1 4 2 . Wie die Schenkung („Gabe"), so war auch der Kaufvertrag, wenn er nicht verwettet wurde, ursprünglich ein Barvertrag, bei dem die vorleistende Partei bei Ausbleiben der Gegenleistung das Rücktrittsrecht hatte 1 4 3 . 1 3 9 Mit Sohm R. d. Eheschi. 24ff. übereinstimmend Esmein (n. 97) 9ff. T h é v e n i n (n. 97) 64ff. S t o b b e , ZRG. 13, 240f. Im wesentlichen auch Gierke Schuld u, Haftung 81ff. 337ff. Anderer Meinung v. Amira Grundriß3 226; ZRG. 44, 499f., Obl.-R. 1, 332ff. 338ff. 507. 2, 344f. 582. 617. 937. Heusler 2, 253ff. Hübner DPrR. 2 444ff. N i s s l Gerichtsstand des Klerus 1886, S. 189ff. B e h r e n d ZHR. 21, 590f. 140 Vgl. n. 143. Selbst Cod. Euric. 296 (L. Wis. 5, 4 c. 5) bildet keine Ausnahme: Si pars praetii data est, pars promissa, non propter hoc venditio facta rumpatur, sedj si emtor ad placitum tempus non exhibuerit praetii reliquam porlionem, pro parte quam débet solvat usuras, nisi hoc forte convenerit, ut res vendita reformetur. Da reformare in der westgotischen Gesetzessprache gleichbedeutend mit roddare ist (MG. Leg. nat. Germ. 1, 553), so ergibt sich aus den Schlußworten die Voraussetzung des Gesetzgebers, daß der erst teilweise bezahlte Kaufgegenstand bereits auf den Käufer übergegangen sei. Nach dem strengen Recht des Barvertrages könnte er vom Verkäufer zurückgefordert werden, da der Käufer das Restkaufgeld nicht bezahlt hat. Die Neuerung des Gesetzes besteht nun darin, daß diese Rückforderung, wenn sie nicht besonders vorbehalten ist, wegfallen soll, wenn der Käufer sich durch promissio, also doch wohl durch Wettvertrag, zur Zahlung an einem bestimmten Ziel verpflichtet hat. Er hat dann bei Zahlungssäumnis außer dem Restkaufpreis noch Verzugszinsen zu zahlen, darf aber den Kaufgegenstand behalten. Ob die Lex Salica 87 (52) bei der Rückforderung einer res praestita schon eine privatrechtliche Empfangshaftung gekannt hat, oder ob- hier ebenfalls ein Verwetten vorausgesetzt wurde (si tunc noluerit reddere nec fidem facere super debitum quem ei prestiterit), muß bei der Unklarheit der Bestimmung dahingestellt bleiben.
Vgl. S. 314. Gierke 167f. R o t h Feudalität 173. Vgl. S.311. Ed. Roth. 175. 184 (vgl. n. 171). Liutpr. 73. Pappenheim Launegild und Garethinx (Gierke U. 14) 8ff. Anderer Meinung. Val de Lièvre Launegild u. Wadia 48. Zweifelhaft Gierke 342 n. 24. Eine Gewährschaft hinsichtlich des Geschenkten hatte der Schenker nur zu leisten, wenn er das Lohngeld empfangen hatte. Liutpr. 43. 1 4 3 Vgl. n. 52, 140. L. Rib. 59, 1: Si quis alteri aliquid vinderit, et emptor testamentum vindicionis accipere voluerit, precium in praesente tradat et rem accipiat, et testa mentum publici conscribatur. Vgl. ebd. 60, 1. Daß selbst eine Abschlags141 142
Fränkische Zeit.
326
I n allen diesen F ä l l e n handelte es sich nicht u m Realverträge, bei denen die Vorleistung die Erfüllung einer Vertragsschuld gewesen wäre und als solche einen A n s p r u c h auf die Gegenleistung begründet h ä t t e , sondern u m eine Gabe m i t A u f l a g e ; die Gabe wurde hinfällig u n d k o n n t e zurückgefordert werden, w e n n die Auflage unerfüllt blieb, da das germanische R e c h t Freigebigkeiten ohne Gegenleistung nicht als verbindlich betrachtete 1 4 4 . E i n Unterschied b e s t a n d nur darin, daß bei lästigen Verträgen der Inhalt der A u f l a g e vorher vereinbart wurde, während es bei der S c h e n k u n g in die H a n d des B e s c h e n k t e n gelegt war, die Art des Lohngeldes zu bestimmen 1 4 5 . Aber auch beim Kauf m u ß es schon früh möglich gewesen sein, daß der Verkäufer gegen ein Lohngeld bis zum Erlüllungst a g e auf sein Rückforderungsrecht, w e n n er bereits geliefert, oder auf sein anderweitiges Verfügungsrecht, w e n n er noch n i c h t geliefert hatte, in verbindlicher Weise verzichtete Auf diesem Wege hat die arrha ( H a f t g e l d , H a f t p f e n n i g , Festigungspfennig), die, w e n n sie zu f r o m m e n Zwecken verw e n d e t wurde, auch als „ G o t t e s p f e n n i g " , oder, w e n n mit den Zeugen (Weinkaufsleuten) g e m e i n s a m vertrunken, als „ W e i n - " oder „ L e i t k a u f " bezeichnet wurde, E i n g a n g in die Rechtsordnung gefunden 1 4 6 . Schon der Zahlung des Käufers den Verkäufer nur unter der Bedingung rechtzeitiger Zahlung des Restkaufgeldes band und er, wenn diese ausblieb, zurücktreten und den bereits übergebenen Kaufgegenstand zurücknehmen konnte, ergibt sich aus dem von So h m a. a. O. 26 n. 9 zum Beweise des RealVertrages angeführten Testament des Grimo v. J . 636 ( B e y e r Mittelrh. UB. 1 Nr. 6). Der Kaufgegenstand (qvarta porlio de villa F.) ist dem Käufer bereits übergeben; vom Kaufpreis aber sind noch 600 Sol. rückständig, daher ist erst ein Anfang mit dem Verkauf gemacht (vendere ceperam); Verkäufer bestimmt, wenn er vor der Vollzahlung sterben würde, solle St. Martin zu Tours entweder die rückständige Kaufsumme empfangen oder das Kaufobjekt zurücknehmen: ipsos 600 solólos actores basilice d. Martini Turonis recipiat, aut certe de ipsa villa, hoc est quarta portio, omnia et ex ómnibus in eorum recipiant potestatem. Man h a t sich noch auf Cod. Eur. 286 (L. Wis. 5, 4 c. 3) und L. Bai. 16, 2 berufen, beide Stellen jedoch ergeben nur, daß die Zahlung des Kaufpreises f ü r den Abschluß des Kaufvertrages notwendig, aber nicht, daß sie allein schon dafür genügend war. Die Gültigkeit eines Tauschvertrages über Grundstücke wurde in einem Hofgerichtsurteil v. 697, L o e r s c h u. S c h r ö d e r 3 Nr. 18 (22) von der gegenseitigen traditio cartae (vgl. S. 305) abhängig gemacht (se talis epistulas conmutaciones exinde inter se ficissent); der Tausch war also ein Barvertrag, ohne beiderseitige Erfüllung gab es nur eine f ü r keinen Teil verbindliche Vorabrede (quasi conlocutioné et convenencia). 144 Ygi v A m i r a 3 226. Die verschiedensten Anwendungsfälle bei V a l d e L i é v r e Launegild u. Wadia 16—43. 145
Das Lohngeld konnte auch in Diensten bestehen. Vgl. V a l d e L i é v r e 8f. Vgl. H e u s l e r 1, 80ff. 2, 253ff. Z e u m e r , N. Arch. 24, 581. Vgl. übrigens auch V a l d e L i é v r e 54ff. und G i e r k e 353ff. v. A m i r a hält an seiner, der unserigen sehr nahe kommenden Auffassung (Gabe mit Auflage) fest, indem der Empfänger des Handgeldes durch dessen Annahme zur Erfüllung der Auflage verpflichtet worden sei. Aber f ü r den urkundlich sehr häufigen Fall, daß er seine Willenserklärung schon vor Empfang des Handgeldes abgegeben hätte, würde man doch kaum von einer Auflage sprechen können, während die Auffassung des Handgeldes als Lohngeld auch diesen Fall decken würde. Nach S o h m R. d. Eheschi. 28ff., S t o b b e ZRG. 13, 243 und G i e r k e Sch. u. Haft. 337ff. war die arrha ganz 148
§ 35. Privatrecht.
3. Schuldverhältnisse.
327
Cod. Euricianus bestimmte, daß der Verkäufer nach Annahme eines Handgeldes dem Käufer für pünktliche Erfüllung hafte, während der letztere zurücktreten und sein Handgeld ohne Schaden zurückfordern konnte 147 . Eine solche einseitige Bindung müßte mit dem Wesen eines Realvertrages unvereinbar erscheinen, da hier zwar für den Vorleistenden keine Leistungspflicht mehr besteht, wohl aber die Verpflichtung, die in vertragsmäßiger Weise erfolgende Gegenleistung anzunehmen und seine Vorleistung nicht vorher zurückzuziehen. Erst Chindasuinth führte hier für einen einzelnen Fall eine Neuerung ein, indem er L. Wis. 3, 1 c. 3 bestimmte, daß bei dem Abschluß einer Verlobung das Geben und Nehmen des Verlobungsringes beide Teile binden solle: ut, cum inter eos, qui disponsandi sunt, anulus arrarum nomine ilatus fuerit vel acceptus, quamvis seripture non intereurrant, nullatenus promissio violetur148. Zu einem reinen Formalvertrage hat sich der Arrhalvertrag erst gestaltet, nachdem das Verständnis für das Wesen des Wettvertrages und die Bedeutung der Wadia verloren gegangen war, so daß eine bloße Vorabrede (convenientia) zunächst für den Empfänger, bald aber auch für den Geber des Handgeldes bindend gemacht werden konnte 149 . oder doch in erster Reihe ein Mittel, um dem formlos abgeschlossenen Vertrage durch die symbolische Vorleistung der einen Partei den Charakter eines den Empfänger bindenden Realvertrages zu geben. Diese Auffassung steht und fällt mit der Frage, ob die fränkische Zeit überhaupt Realverträge mit bindender Wirkung gekannt hat. Eine vermittelnde, aber zu unbestimmte Stellung nimmt H ü b n e r DPrR. 2 446 f. ein. 147 Cod. Eur. 247: Qui arras pro quacumque acceperit re, praetium cogatur implere quod placuit (deutlicher L. Wis. 5, 4 c. 4: id cogatur inplere, quod placuit). Emptor vero, si non occurrerit ad diern constitutum, arras tantummodo recipiat quas dedit, et res definita non valeat. Wesentlich verändert erscheint Eurichs Bestimmung in L. Baiuw. 16, 10: Qui arras dederit pro quacumque re, pretium cogatur implere quod placuit emptori. Et si non occurrerit ad diern constitutum, vel antea non rogaverit placitum ampliorem, hoc neglexerit facere: tunc perdat arras, et pretium, quod debuit, inpleat. Hier bezeichnet pretium nicht den Kaufgegenstand, sondern den Kaufpreis, und nicht der Verkäufer, der die arrha empfangen, sondern der Käufer, der sie gegeben hat, ist der Gebundene. Die arrha ist hier also kein Handgeld, sondern ein Pfand, und zwar ein solches, das bei Nichtleistung zur Strafe verfällt, ganz entsprechend dem Sprachgebrauche in L. Baiuw. 17, 3: Si autem testis per aurem tractus fuerit de conpositione finienda vel propter arras, qui donat quasi pro pignus qualecumque re, usque dum solvat debitum et pignus recipiat. Zum Beweise, daß die arrha in dem von ihnen angenommenen Sinne auch dem altbairischen Recht bekannt gewesen sei, berufen Sohm 30 n. und Gierke 350 n. sich auf den Bachen (baco) in einer Freisinger Urkunde v. 808 ( B i t t e r a u f 1, 242), aber schon Grimm RA. 4 2, 552 hat gefunden, daß es sich hier nicht um ein Lohngeld, sondern um einen Votiveber nach Art des maialis sacrivus oder votivus der L. Salica 2 handelte, auf den die ausgesöhnten Parteien zum Sühnegelübde ihre Hände legten. 148 Auch Gierke 346f. 361 sieht in der Bestimmung Chindasuinths eine bewußte Neuerung und nimmt bei Cod. Eur. 247 (n. 147) nur eine einseitige Empfangshaftung an. 149 Vgl. n. 143 am Schluß. H e u s l e r 2, 254ff. v. A m i r a 3 226. H ü b n e r a. a. O. 447f. Gierke 350f.
Fränkische Zeit.
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Der bedeutende Einfluß, den das römische Urkundenwesen auf das germanische Sachenrecht ausgeübt h a t (S 305), trat a u c h bei den Schuldverträgen hervor. Die Langobarden verwendeten n e b e n der Wadiation a u c h die v o n den Römern ü b e r n o m m e n e cauiio und die im Anschluß a n diese ausgebildete dispositive Urkunde (carta), durch deren B e g e b u n g der Aussteller d e m E m p f ä n g e r zur Einlösung verpflichtet wurde 1 5 0 . Die Franken, Baiern u n d A l a m a n n e n h a b e n diesen Gebrauch der Càrta im Laufe der Zeit ebenfalls übernommen, wobei die Urkunde entweder unmittelbar als W a d i a diente, oder m i t a n g e h e f t e t e m H a l m , der den S t a b ersetzte, übergeben wurde 1 5 1 . Die bei der römischen cauiio als E r s a t z für die Verbalstipulation üblich gewordene Klausel siipulafÀone interposita, die durch V e r m i t t l u n g rätischer Urkunden in den fränkischen Urkundenstil eingedrungen war, wurde jetzt vielfach durch die Klausel stipulatione subnixa verdrängt, die sich ursprünglich vielleicht auf den a n g e h e f t e t e n H a l m bezogen h a t t e , d a n n aber auf die Unterschrift der Urkunde gedeutet wurde 1 5 2 . 4. F a m i l i e n r e c h t . 150
Die E h e s c h l i e ß u n g 1 5 3 vollzog sich bei den Thü-
Vgl. B r u n n e r RG. d. Urk. 16. 62ff. 96ff. 147f.; Forsch. 629f. F r a n k e n Pfandrecht 241 ff. E s m e i n a. a. O. 16ff. S t o u f f Formation des contrats par l'écriture, 1887, S. 36ff. Ed. Liutpr. 116. Die im Ed. Ratchis 5 erwähnte stantia scheint sich auf die durch carta eingegangenen Verbindlichkeiten zu beziehen. Vgl. dagegen H e u s l e r 2, 239f. 151 Vgl. Form. Andec. 22. 25. 38. 60. Marc. 2, 25ff. ( Z e u m e r l l f . 17. 25. 92f.). L o e r s c h u. S c h r ö d e r 3 Nr. 13f. 21 (17f. 25). B r u n n e r RG. d. Urk. 211. 229. 244ff. 260ff. K o h l e r Beitr. 1, 15 n. 1. Die Leistung erfolgte nur gegen Rückgabe der Urkunde oder Ausstellung eines Quitt- oder Todbriefes (epistola evacuatoria) an Stelle der verlorenen Urkunde (vgl. BGB. 371). Vgl. B r u n n e r Grundz. 6 208f. ; Forsch. 524ff. 538ff. 628f. R. B e h r e n d Beitr. z . L e h r e v. d. Quittung, Berl. Diss. 1896. MG. Form. 10. 96. 195. Siehe auch ebd. 93 Nr. 27. 152 Vgl. B r u n n e r RG. d. Urk. 221ff. 229. S e u f f e r t ZRG. 15, 115ff. S c h r ö d e r , ebd. 17, 104; Hist. Z. 48, 507. K o h l e r Beiträge 1, 23 n. 2. S t o u f f , N. Rev. 11, 272 f. 285. Ed. Liutpr. 15 wird die Wadiation selbst als stipulatio bezeichnet. Ebenso wird L. Rom. Raet. Chur. 24, 2 stipula für die festuca als Auflassungssymbol und stipulatio f ü r die Auflassung verwendet. 153 Vgl. S. 74ff. und die Literaturangaben daselbst n. 59. K r a u t Vormundschaft 1, 298ff. 414. G a u p p R. u. Verf. d. alten Sachsen 137ff. 191f. G r i m m RA. 417ff. F i c k e r Erbenf. 3, 393ff. 5, 36ff. 53ff. 228ff. R i v e Vormundsch. 1, 92ff. 117ff. 238ff. H a b i c h t Altdeutsche Verlobung 1879. B r u n n e r Grundz.« 222f. ; Jen. Lit.-Zeit. 1876 S. 498ff. W a l t e r RG. §§ 481—84. W i l d a Strafrecht 799ff. L o e n i n g K R . 2, 577ff. K o e n i g s w a r t e r , Rev. de législ. 17, 394ff. S c h u p f e r , Arch. giur. 1, 114ff.; Diritto privato 1, 260ff. 269. R i e t s c h e l b. Hoops 1, 508ff. v. S c h w e r i n DRG. 83f. K ö s t l i n Muntgewalt u. Ehebewilligung nach lang. u. fränk. Recht, ZRG. 42, 78. O p e t Zum Brautkauf nach altalamann. R. 1907 (Festgabe Hänel). G i e r k e Schuld u. Haftung 277. 359ff. Z e u m e r , N. Arch. 24, 576 bis 584. P e t e r k a Das offene zum Schein Handeln im deutsch. R. des MA. ( B e y e r l e Beitr. 7, 1) S. 9. T h é v e n i n , N. Rev. de droit 1880 S. 459f. F. A n d r e a e Oudnede:1. Burg. R. 2, 132ff.; Bijdragen 1, 65ff. L i e b e r m a r i n Ags. Glossar 362. 368. H a z e l t i n e Zur G. der Eheschließung nach ags. R., 1905 (Festgabe Hübler 249ff.). S c h m i d Gesetze der Angelsachsen 561f. O s e n b r ü g g e n Strafrecht d. Langob. 84ff. P e r t i l e Storia 3, 253f. 258. D a h n Westgot. Studien 114ff. L o n d o n Quaestiones de hist. iur. familiae in lege Visigothorum (1875) 13ff. L e h m a n n
§ 35.
Privatrecht.
4. Familienrecht.
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ringern, Sachsen, Angelsachsen, Friesen, Burgunden und Langobarden (unter Rothari) noch in der altgermanischen Form des Brautkaufes, vielfach muß aber die Sitte bestanden haben, daß der Vormund den erhaltenen Preis der Braut ganz oder teilweise in die Ehe mitgab, wodurch sich, je mehr die Geschlechtsvormundschaft an Gewicht verlor, die Auffassung bahnbrach, daß der Vormund das Wittum überhaupt nicht für sich, sondern für die Braut bedinge, daß es dieser zukomme, weil sie den Willen des Bräutigams zu dem ihrigen machte154. So wurde der Kaufpreis, ohne zunächst seine juristische Natur zu ändern und seine Notwendigkeit für jede vollgültige Ehe zu verlieren, zu einer vom Vormund ausbedungenen dos des Bräutigams an die Braut155. Den Übergang erkennt man in den kasuistischen Bestimmungen der Lex Burgundionum156, während die Rechte der Westgoten, Salier, Ribuarier, Alamannen, Baiern und seit Liutprand auch der Langobarden schon dem jüngeren Entwicklungsstand Verlobung und Hochzeit n. nordgerm. Rechten 1882 (vgl. ZRG. 19, 227ff.), v. A m i r a 3 178ff.; Obl.-R. 1, 533ff.; 2, 659ff.; GGA. 1882 Nr. 51. G o t h e i n Beiträge z. G. d. Familie im alam. u. frank. Recht 1897. V a n d e r k i n d e r e Condition de la femme et le mariage à l'époque mérov., Publ. de l'Ac. roy. de Belgique 1885, 3, 15 S. 851 ff. M a y n i a l Le mariage après les invasions, N. Revue 1898 S. 165ff. B r a n d i l e o n e II contratto di matrimonio 1898; Note al cap. 30. dell' editto di Xiutprando, 1900. B a r t s c h Rechtsstellung der Frau als Gattin u. Mutter 1903. G i d e - E s m e i n Étude sur la condition privée de la femme. W o l f f Zur G. d. Witwenehe, MJÖG. 17, 369 154 Vgl. G. d. ehel. Güterr. 1, 53. 71. S o h m Eheschl. 33. 155 Über die Notwendigkeit dieser dos f ü r jede vollkommene Ehe vgl. n. 230f. G. d. ehel. Güterr. 1, 53. 64f. 72. 80f. Daß die Umwandlung nicht schon durch die Beseitigung des Heiratszwanges herbeigeführt worden ist, zeigt Roth. 195. Liutpr. 12. 120. L. Burg. 100. Dagegen dürfte die donatio ante nuptias der Römer, die im spätrömischen Recht regelmäßig als dos bezeichnet wurde (n. 229) und eine wesentliche Voraussetzung jeder echten Ehe bildete, auf die Umwandlung nicht ohne Einfluß gewesen sein. Vgl. B r u n n e r Frank.-rom. dos (BSB. 1894 S. 552ff.) M. C o n r a t , ZRG. rom. Abt. 23, 140. F i c k e r stellt die Umbildung des Kaufpreises zum Wittum überhaupt in Abrede und nimmt an, daß es von vornherein auch Stämme gegeben habe, die keinen Brautkauf kannten, vielmehr die Eheschließung als einen Selbstverkauf der Braut gegen Entrichtung des Wittums auffaßten. In diesem Sinne versteht er die taciteische, die fränkische und die westgotische dos. 156 Vater oder Brüder der Braut erhielten den ganzen Wittemon und ihnen blieb überlassen, ob sie der Braut etwas abgeben wollten; jeder entferntere Verwandte mußte an die Braut und die Sippe je ein Drittel abtreten (vgl. zu n. 201). Witwen, die sich wieder verheirateten, bezogen, da sie unter keiner Geschlechtsvormundschaft standen, den zweiten Wittemon selbst (52, 3), mußten ihn aber an die E r b e n ihres ersten Mannes abtreten (42, 2. 69, 1). Vgl. zu S. 333. Im Fall einer dritten Ehe hatten die Erben des zweiten Mannes nichts zu beanspruchen (69, 2). Bei kinderlosem Tode seiner Ehefrau h a t t e der Mann (oder sein Erbe) nach älterem Brauch anscheinend das Recht gehabt, den von ihm gezahlten Wittemon zurückzufordern, was erst durch Gundobad aufgehoben wurde (14, 3) und von B r u n n e r Geburt eines leb. Kindes 104 auf geschlechterrechtliche Auffassung der Ehe gedeutet wird. Vgl. n. 160. Unrichtig G. d. eh. Güterrechts 1, 44f. 191. L.Burg. 44, 2 handelt nicht vom Wittemon, sondern von der gesetzl. Unzuchtbuße.
330
Fränkische Zeit.
angehören. Über das nordgermanische Recht läßt sich nichts Bestimmtes behaupten, da in den Quellen jede sichere Spur des alten Brautkaufes verwischt erscheint. Der Kaufpreis hieß Wittum (widern), langobardisch meta oder Muntgeld (mundium), friesisch Muntschatz (mundsket), lateinische Bezeichnungen waren pretüim nuptiale, pretium emptionis, dos157. Die Höhe des Betrages stand zum Teil gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich fest, beruhte aber ursprünglich wohl allgemein auf freier Vereinbarung158. Bei Wiederverheiratung einer Witwe oder deren Rückkauf zum Zweck der Rückkehr unter ihre angeborene Munt berechneten die Sachsen und Burgunden den vollen, die Langobarden nur den halben Betrag des vom ersten Mann Entrichteten 159 . Das Amt des Verlobers stand dem Vater, Bruder oder nächsten männlichen Schwertmagen der Braut, also dem Geschlechts Vormund, aber unter einer gewissen Beteiligung der beiderseitigen Sippen, zu. Denn der eigentliche Zweck der germanischen Ehe war nicht die Lebensgemeinschaft der Ehegatten, sondern die Erzeugung von Kindern zur Förderung der Sippe160. Bei der Wiederverheiratung einer Witwe war, wenn sie noch unter Geschlechtsvormundschaft stand, der nächste Schwertmage des ersten Mannes, unter Mitwirkung ihrer Blutsfreunde, der Verlober; weigerte er sich, so traten die Verwandten der Frau an seine Stelle 161 . Solange der unter dem Einfluß der Kirche mehr und mehr abgeschaffte Heiratszwang bestand, war die Vermählung ein Kaufvertrag zwischen Verlober und Bräutigam, dessen Gegenstand die Braut oder vielmehr die Fülle der eheherrlichen Rechte bildete. Wo die ausdrückliche Zustimmung der Braut 157 Uber ahd. widemo, widern, ags. weotuma, afrs. witma, wetma, bürg, wittimon, wittemon vgl. W a c k e r n a g e l bei B i n d i n g Burg.-roman. Königreich 349. — Meta von miete, Lohn. Muntschatz zahlen hieß mundium facere. Vgl. G. d. eh. Güterr. 1, 26f. 41. S o h m R.- u. GV. 90. J58 Vgl. Roth. 182. 191. 214. Liutpr. 89. L. Wisig. 2, 1 c. 5. Das gesetzliche Wittum betrug bei den Alamannen 40, den Burgunden 15 und 50 (diese für den Adel), den Angelsachsen 50 und 60, den Ribuariern 50, den Saliern 6 2 I / 2 (für Liten 30), den Sachsen (wohl für die Edelinge) 300 sol. Für den absoluten Charakter dieser Ansätze, da es sich ebenso wie beim Wergeid um unschätzbare Werte gehandelt habe, S o h m , ZRG. 5, 420f.; R. der Ehschl. 23. Wahrscheinlich hatten sie nur eine dispositive Bedeutung, so daß jene Beträge nur mangels anderweitiger Feststellung eintraten; die Muntbrüche richtete sich immer nach dem gesetzlichen Wittum! 159 Vgl. Roth. 182. 183. L. Sax. 40. 43. Betreffs der Burgunden vgl. n. 156. 160 Vgl. B r u n n e r l 2 , 126; Geb. eines leb. Kindes 102ff. Daher traten die vollen vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe vielfach erst mit der Geburt eines Kindes (oder nach Ablauf des ersten Ehejahres) ein; daher vielfach die Beschränkung des gewillkürten Rechts auf die kinderlose Ehe, während die bekindete E h e schlechthin dem Gesetz unterlag („Kinderzeugen bricht Ehe Stiftung"). Im übrigen vgl. n. 156. 194. 197. 223ff. 235. 244. 161 L. Sax. 43. Roth. 182. Über das salische Recht vgl. S. 333. Über die Begünstigung der zweiten Ehe einer Witwe, im Gegegsatz zu dem Recht der Urzeit, vgl. B r u n n e r , B S B . 1894 S. 1292f. W o l f f Zur G. d. Witwenehe im altd. Recht, MJÖG. 17, 369ff.
§ 35.
Privatrecht.
4. Familienrecht.
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verlangt wurde, trat diese bis zu einem gewissen Grade als dritte Vertragspartei hinzu. Die ursprüngliche Verbindung der Verlobung und Trauung zu einem einheitlichen Rechtsakt, nach dem Vorbild des Barkaufes, bestand nicht mehr. Schon das Edikt des Rothari. das noch den vollen Brautkauf festhielt 162 , unterschied die sponsalia oder fabula firmata von den nuptiae (dies traditionis nuptiarum, traditio). Die zuverlässigste Auskunft über die Spaltung des einheitlichen Eheschließungsaktes in die Akte der Verlobung (Vermählung) und Trauung gewähren die langobardischen Rechtsquellen, zumal da sie sich gleichmäßig auf die beiden Entwicklungsstadien der Meta (als pretium puellae und als dos) beziehen163. Zur Verlobung gehörte zunächst die Vereinbarung über die Meta und die Einwilligung der Braut, wofern sie nicht Tochter oder Schwester des Verlobers war164. Die Hauptverhandlung bezog sich auf die Zahlung der Meta und die Trauung. Solange die Meta noch Kaufpreis war, wurde sie sofort bei der Verlobung ganz oder abschlagsweise von dem Bräutigam an den Verlober bezahlt 165 : später wurde sie bei der Verlobung nur verwettet 166 . Nach der Zahlung oder Verwettung der Meta hatte der Verlober die Braut mit Waffen oder Stab, Mantel und Handschuh dem Bräutigam zu übergeben, empfing sie aber sofort in derselben Weise wieder von ihm zurück, also Scheintrauung und Rücktrauung 167 . Darauf ein wechselseitiger Wettvertrag, indem der Verlober für die Trauung, der Bräutigam für die Annahme der Braut 182
Vgl. G. d. eh. Güterr. 1, 28ff. Außer den Bestimmungen des Edikts ist namentlich zu verweisen auf eine von B r u n n e r herangezogene Urkunde von 966, L o e r s c h u. S c h r ö d e r 3 Nr. 73 (78), auf Formel und Expositio zu Lib. Pap. Rothari 182, Formel zu Lib. Pap. Roth. 195 (MG. Leg. 4, 341) und eine Verlobungs- und Trauungsformel des Cartul. Lang. 16 (ebd. 599), die sich zwar auf die Wiederverheiratung einer salischen Witwe bezieht (vgl. n. 167), aber in Italien entstanden ist und in ihrem hier in Betracht kommenden Inhalt italienischen Gebräuchen entspricht. Der Einfluß des langobardischen Rechts auf die Angehörigen anderer Nationen zeigte sich auch bei den Ehen mit Römerinnen. Vgl. MG. Leg. 4, 650. 1,4 Vgl. Roth. 178. 190—92. 195. Liutpr. 12. 120. 165 Daß der Bräutigam v o r der Trauung Zahlung leistete, das mundium facere also die Vorleistung war, folgt aus Roth. 179. 180. 182. 183. 215; daß mindestens eine Abschlagzahlung und Verwettung des Restes schon bei der Verlobung erfolgte, aus Roth. 178 (potestatem habeat pater aut fraler , distringere fideiussorem, quatinus adinpleat metarn illam, quae in diae sponsaliorum promisit). Vgl. S o h m Eheschi.27. 168 Liutpr. 117. Mit der Meta zugleich wurde die Morgengabe versprochen. 147 Vgl. L o e r s c h u. S c h r ö d e r 3 Nr. 73 (78) v. J. 966: presens per baculum ipse P. ipsa filia sua mihi legitimam uxorem tradidit et per ipsurn eadem baculum ipsius P. recommandavi ipsa filia sua usque in dictum constitutum. Lib. Pap. Roth. 182 Formel: Per istam spatum et istum wantonem sponso tibi M. meam filiam. Et accipe tu eam sponsario nomine, et commenda eam ei usque ad terminum talem. Cart. Lang. 16: Tunc gladius cum clamide et cirotheca tenebitur a Seriem, et orator dicat: „per illum gladium et clamidem sponsa.Fabio Semproniam tuam repariam, que est ex genere Francorum." Quod cum Seneca firmaverit, tunc orator ad Fabium accipientem eundum gladium cum clamide dicat et: „o Fabio, tu per eumdem gladium et clamidem conmenda eam sibi, donec fuit inter te et illum conventio". 163
Fränkische Zeit.
332
Bürgen setzte 1 6 8 Die Verlobung enthielt demnach alles, was zum E h e schließungsakt gehörte, n u r daß die Barleistung hinsichtlich der Trauung und später auch hinsichtlich der Meta g e s t u n d e t und einstweilen durch den F o r m a l v e r t r a g ersetzt wurde. Die T r a u u n g bestand aus der Übergabe der B r a u t (traditio per manum dexteram) durch den Verlober und ihrer Annahme (tollere, accipere) durch den Bräutigam 1 8 9 . W a r die Meta noch nicht voll eingezahlt worden, so m u ß t e dies jetzt, vor der Trauung, geschehen; seit die Meta zur dos geworden war, wurde die Zahlung durch die Übergabe der Verschreibung (traditio cartae) a n die B r a u t ersetzt. F ü r die Trauung erhielt der Verlober, dem Entgeltlichkeitsprinzip entsprechend, ein besonderes Lohngeld (arrha, mundium)170, ebenso h a t t e der Bräutigam den bei der T r a u u n g anwesenden F r e u n d e n der B r a u t f ü r Zustimmung der Sippe eine Gabe (exenium) zu reichen 1 ' 1 . Das aus den langobardischen Quellen gewonnene Bild m u ß in seinen H a u p t z ü g e n gemeingermanisch gewesen sein. Dies gilt nicht bloß von dem allen Volksrechten u n d den nordischen Rechten bekannten Dualismus der Verlobung (ags. beweddung, an. fosstning, firmatio, fabula firmata) und Trauung (ags. aschwed. gifta, an. giptarord), sondern auch von Einzelheiten. Die Verwettung der Verlobung ist f ü r die Südgermanen durch das angelsächsische u n d alamannische R e c h t bezeugt 1 7 2 . Dem Lohngeld f ü r die Trauung entsprach die schwedische vingicef (Freundesgabe), viel168
Bürgen des Verlobers: Roth. 190—92, des Bräutigams ebd. 178. Lib. Pap. Roth. 182, expositio § 1 : Andrea, da wadiam Martino, quod filiarn tuam ei trades uxorem et earn sub mundio cum, rebus ad eam pertinentibus mittes; et tu da ivadiam, quod tu eam accipies ; et si quis nostrum se subtraxerit, comportai pars parti fidem servanti penam auri libras 100. Ahnlieh Formel zu Roth. 195. 169 Ygj R 0 th. 178f. 182f. Cart. Lang. 16: et post tradantur cartule donationis et dotis, vel scripte ibi legantur, et post Seneca det coniugem, Semproniam Fabio et Fabius Semproniae cartas. Lib. Pap. Roth. 182, expositio § 1: Antifacti et morgincaph cartule lecte sponse a sponso tradantur. Tunc pater, qui mundoaldus est, per manum dexteram tradet eam marito. 170 L o e r s c h u. S c h r ö d e r 3 Nr. 90 (94): tunc Martinus patri mulieris launechit exolvat. Vgl. G. d. eh. Güterr. 1, 38ff. Val de L i é v r e Launegild 18ff. Solini Eheschi. 28ff. So aueh schon bei der Verlobung für die Scheintrauung, vgl. Urk. v. 966 (n. 167): arre a me recepi[t] pro ipsa filia sua solidum aureum, und die Berichtigung bei Gierke a. a. O. 362 n. 112. 1,1 Vgl. n. 174, Roth. 184. Die der Braut von den Freunden überreichten Gaben erheischten ein besonderes Lohngeld, bei dessen Ausbleiben der Mann zur Rückgabe verpflichtet war (vgl. S. 325). 172 Vgl. G. d. eh. Güterr. 1, 49 ff. ^thelberth 83. Inè 31. Alfred 18, 1—3. Poenitentiale Theodori 2 c. 12. 34 ( W a s s e r s c h i e b e n Bußordnungen 216). Angelsächsische Verlobung ( L i e b e r m a n n 442). Eine schwäbische Trauungsformel aus dem 12. Jh. (Müllenhoff u. S c h e r e r Denkmäler, auch G. d. eh. Güterr. 2, 1 S. 71) knüpft an die sieben „Wetten" der Verlobung die Trauung, bei der (wie bei den Langobarden) mit der Braut auch Mantel, Hut und Schwert übergeben werden. Über die Waffenreichung vgl. S. 75. Sohm Eheschi. 65ff. F r i e d b e r g Eheschi. 26f. G r i m m RA. 431.
§ 35.
Privatrecht.
4. Familienrecht.
333
leicht auch die norwegische festargicef (Verlöbnisgabe) 1 7 3 , ferner die salische Verlobergebühr (arm, arrha) von 1 sol. 1 den 174 . Bei der Wiederverheiratung einer Witwe war nach salischem Kecht eine zwiespältige Gebühr zu entrichten, eine um 2 sol. erhöhte Verlöbnisgabe, der reipus (Ringgeld), und für die Erben des ersten Mannes eine Entschädigung (aehasius) in 1 0 ° / o des Von ihm gegebenen Wittums (dos), das der W i t w e im übrigen ganz oder zum größeren Teil in die zweite Ehe folgte 1 7 5 . D e n aehasius zahlte die W i t w e an die Erben ihres ersten Mannes (subsidiär an den König); dagegen hatte Chlodovech das Verloberrecht und damit auch das Recht auf den reipus auf die männlichen Verwandten beschränkt, die nicht Erben des Mannes waren, also in erster Reihe auf die Verwandten v o n der Spindelseite, weil man ihnen eine größere Unparteilichkeit bei Erteilung der Ehebewilligung für die Witwe zutrauen mochte 1 7 6 . Ergänzend trat auch hier das R e c h t des Königs ein 177 . Das Recht des reipus und aehasius kam früh außer Übung und war im neunten Jahrhundert bereits veraltet 1 7 8 . Über die rechtliche Natur der Verlobung und Trauung 1 7 9 hat sich ein ziemlich unfruchtbarer Streit entsponnen, bei dem bald die Verlobung, bald die Trauung nicht zu ihrem vollen Rechte kommt 1 8 0 . Allerdings 1,3 Vgl. L e h m a n n a. a. O. 67ff. 71ff. v. A m i r a Obl.-R. 1, 509. 522ff. 2, 348; GGA. 1882 S. 1609f. 174 Vgl. G. d. eh. Güterr. 1, 55f. B r u e l Recueil des chartes de Cluny 1, 96 Nr. 86 (um 904). Eine dem langobardischen exenium (S. 332) entsprechende Gabe a n die Freunde bei F i c k e r a. a. 0. 3, 399. 175 Vgl. L. Sal. 78 (44) und 1. sal. Kap. c. 7 ( B e h r e n d 2 133). Über den reipus h a t erst B r u n n e r Zur Lex Salica tit. 44 De reipus, BSB. 1894 S. 1289ff., AufSchluß gebracht, über den aehasius schon R i v e Vormundsch. 1, 279f. Vgl. n. 156. S o h m Eheschi. 64 n. B r u n n e r a. a. O. 1296. Im übrigen vgl. G. d. eh. Güterr. 1, 56ff. und dort angeführte ältere Literatur, v. A m i r a Erbenf. 30ff. D a r g u n Mutterrecht 141ff. W e i n h o l d Deutsche Frauen 2 2, 42; ZDA. 7, 539ff. H e u s l e r 2, 307. S o h m Eheschi. 63f. L a m p r e c h t WL. 1, 32ff. F i c k e r Erbenfolge 1, 511f. 3, 361 f. 467. 525—38. Del V e c c h i o Seconde nozze (1885) 85ff. G l a s s o n 3, 29. G o t h e i n (n. 153 ) 22ff. W o l f f (n. 161) 371. 176 B r u n n e r (n. 175) 1294 macht auf ein Gesetz Valentinians von 371 in der L. Rom. Wis. aufmerksam, das als Vorbild gedient haben könnte. 177 Darauf verzichtete Ed. Chilp. 2. Vgl. B r u n n e r (n. 175) 1290. 178 Vgl. sal. Kap. v. 820 c. 8 (MG. Cap. 1, 293). Die wiederholt angezogene Formel des Cart. Lang. 16 (Qualiter vidua Salicha desponsetur) enthält eine doktrinäre Ausführung zu L. Sal. 78 (44), ohne dem wirklichen Rechtsleben entnommene Grundlage. Vgl. B r u n n e r 1290f. 179 Daß die Trauung erst durch Vollziehung des Beilagers zum vollen Abschuß gelangte, ja daß ursprünglich wohl unmittelbar die Übergabe der Braut in das Ehebett erfolgen mußte, lernen wir erst aus den nordischen Rechten und den deutschen Rechtsquellen des Mittelalters, sowie aus dem kanonischen Recht. Vgl. S. 76. ZRG. 19, 230. M e u r e r , Z. f. Kirehenrecht 21, 232ff. 180 Zu großes Gewicht auf die Verlobung legt S o h m Eheschi. 75ff.; Trauung u. Verlobung l f f . Anderseits wird die Verlobung gegenüber der Trauung unterschätzt von F r i e d b e r g Verlobung u. Trauung 21 und S t o b b e Privatr. 4, 16. Die richtige Auffassung bei B r u n n e r , E. L o e n i n g , H e u s l e r , v. A m i r a , G. M e y e r (Jen. Lit.-Z. 1876 S. 501f.), neuerdings auch S o h m , Straßburg. Festgabe f. Thöl 84. 98 n. S t o b b e 4 3 , 18.
334
Fränkische Zeit.
umfaßte die langobardische Verlobung schon alles Wesentliche des Eheschließungsaktes, aber alles noch unfertig, das Wittum gestundet, die Trauung nur als Scheintrauung, ihre Vollziehung ebenfalls aufgeschoben, beides nur durch Wettbürgen sichergestellt. So konnte die Verlobung zunächst nur obligatorische Wirkung haben, und gegen den Wettschuldner gab es kein unmittelbares Rechtsmittel. Der Vormund war dem Bräutigam zur Vollziehung der Trauung, der Bräutigam dem Vormund zur Heimführung der Braut verpflichtet 181 . Aber wer sich ohne gesetzlichen Grund dieser Pflicht entzog, wurde bloß bußfällig wegen Verlöbnisbruches 182 , der Vertrag war damit aufgehoben, eine Klage auf Erfüllung gab es nicht. Nur die Braut, da sie nicht eigentliche Vertragspartei war (abgesehen von dem Ausnahmefall der sich selbst verlobenden Witwe), konnte sich nicht einseitig zurückziehen, sie war dem Bräutigam Treue schuldig und wurde nach verschiedenen Rechten im Falle geschlechtlichen Umganges mit Dritten gleich einer Ehebrecherin bestraft 183 . Wurde sie mit oder ohne ihren Willen durch einen Dritten entführt oder vorenthalten, so hatte der Bräutigam wie der Vormund eine Klage gegen diesen; war der Vormund aber im Einverständnis, so hatte der Bräutigam nur einen Anspruch gegen ihn wegen Verlöbnisbruches. Die Verlobung hatte demnach nur eine Wirkung unter den Vertragsparteien und gegenüber der Braut, aber nicht gegen Dritte. Gleichwohl bedeutete die Verlobung mehr als einen obligatorischen Akt. Zum Abschluß gelangte die Ehe zwar erst durch die Trauung 184 , die kein bloßer Vollzugsakt (wie das Beilager), sondern ein solennes Rechtsgeschäft war, aber die Trauung wirkte nur unter der Voraussetzung der voraufgegangenen Verlobung. Sollte eine geschlechtliche Verbindung ohne Verlobung zu einer wahren Ehe umgestaltet werden, so war die Verlobung nachzuholen185. Solange dies unterblieb, hatte der Vormund, und, wenn die Entführte anderweitig verlobt war, auch der Bräutigpm das Rückforderungsrecht. Dem Manne stand ein Muntrecht weder über seine Bettgenossin, noch über die mit ihr erzeugten Kinder zu, es verblieb vielmehr ihrem Vormund, dem es durch keine ohne seine Mitwirkung eingegangene Verbindung entzogen werden konnte 186 . Gleichwohl wurden derartige 181
Vgl. Prokop Bell. Gall. 4, 20. Greg. Tur. Hist. Franc. 3, 27. 6, 34. Eine Bestimmung des Cod. Theod. III. 5, 4f., wonach die Eheschließung der Verlobung spätestens binnen zwei Jahren nachfolgen sollte, scheint in den Cod. Euric. und so in die L. Wis. 3, 1 c. 4 und Roth. 178 (vgl. Liutpr. 119) Aufnahme gefunden zu haben. Vgl. Z e u m e r , N. Arch. 24, 583f. Siehe auch c. 2 C. de sponsalibus 5, 1. 182 Vgl. G. d. eh. Güterr. 1, 12ff. R. L o e n i n g Vertragsbruch 142ff. In der Regel bestand die Buße für den Bräutigam im Verlust des Wittums, für den Vormund in der Rückerstattung des Wittums mit poena dupli. 183 Vgl. Roth. 179. L. Burg. 52, 3. L. Wis. 3, I c. 2. 184 ygi R 0 th. 183: aliler sine traditione nulla rerurn dicimus subsistere firmitatem (Uberschrift: De traditione puellae aut mulieris). 185 Vgl. G. d. eh. Güterr. 1, 8f. R o z i e r e Recueil Nr. 130. 241ff. 261. 186 Vgl. Roth. 188. G. d. eh. Güterr. 1, 10.
§ 35.
Privatrecht.
4. Familiem-echt.
335
Verbindungen, wenn sie auf eine dauernde Lebensgemeinschaft gerichtet waren, nach verschiedenen Stammesrechten, die darin wohl einen Rest der in der Urzeit neben der Muntehe anerkannten Raubehe bewahrt hatten, nicht als eine ungeregelte Geschlechtsgemeinschaft, sondern als eine Kebsoder Friedelehe (span. barragania) behandelt, die den Gatten gegen einander die gleichen Pflichten wie eine volle Ehe auferlegte, auch im Verhältnis zu Dritten, mit Ausnahme des Muntwalts der F r a u , denselben Schutz wie eine wahre Ehe genoß und den Kindern gewisse erbrechtliche und verwandtschaftliche Ansprüche auch gegen den Vater und die väterliche Sippe gewährte 1 8 7 . Die Kebs- oder Friedelehe ist als die unmittelbare Vorgängerin der späteren morganatischen Ehe, bei der die F r a u zwar kein W i t t u m , aber doch eine Morgengabe (morganaiica) erhielt, zu betrachten 1 8 8 . Eine Kebsehe war es, wenn ein Freier sich seine Sklavin als Gattin beigesellte, ein Verhältnis, das von seiner Seite jederzeit willkürlich gelöst werden konnte; n a h m eine freie F r a u einen Unfreien zur Ehe, so verfiel sie ihrem Sippegericht, das sie selbst mit dem Tode bestrafen konnte 1 8 9 . Dagegen war es Freien, Männern wie Frauen, gestattet, eine vollwirksame E h e mit fremden Unfreien zu schließen, wenn ihre Sippe und der Herr damit einverstanden waren. Eine solche Ehe h a t t e f ü r den freien Teil den Ubergang in die Unfreiheit zur Folge, wenn ihm nicht, was bei Ehen mit Fiskalinen und Gotteshausleuten die Regel war. durch Vertrag (epistola conculcaioria) die Freiheit zugesichert wurde 1 9 0 . Seit dem 7. J a h r h u n d e r t wurde bei Ehen mit Fiskalinen die Freiheit des andern Teiles nicht mehr beeinträchtigt, dagegen folgten die Kinder der ärgeren H a n d . E h e n zwischen Unfreien waren, wenn der Herr sie genehmigt hatte, wirkliche Ehen, konnten aber durch Veräußerung des einen Ehegatten seitens des Herrn jederzeit gelöst werden. Bei Heiraten zwischen Hörigen und Unfreien galten entsprechende Grundsätze, im wesentlichen auch zwischen Freien und Hörigen. Dagegen bestand ein Ehehindernis der Standesverschiedenheit zwischen Freien und Edelingen nicht, nur die Sachsen, bei denen der Adel überhaupt in einer sonst unbekannten Weise über die Freien emporragte, machten eine Ausnahme 1 9 1 . Das Ehehindernis der Verwandtschaft und das nur sehr allmählich zur Anerkennung gelangte der Schwägerschaft h a t sich so vorwiegend unter 187 Vgl. S. 76f. 350. F i c k e r Erbenf. 3, 409ff. D a r g u n a. a. O. 23ff. R o s i n (n. 195) 48ff. D a h n Bausteine 6, 164f. W e i n h o l d Deutsche Frauen 2 2 , 15ff. 188 Vgl. G. d. eh. Güterr. 1, 112. 2, 1 S. 32. 50. F i c k e r Forsch, z. RG. Italiens 4, 39 Nr. 29 (976). Lang Reg. rer. Boic. 4, 495 (1291). S c h m e l l e r WB. 2 2, 616. 189 Vgl. K o e h n e Geschlechtsverbindungen der Unfreien (Gierke U. 22). Z e u m e r , N. Arch. 24, 592f. 190 Vgl. n. 242. Für einen solchen Fall gewährte L. Alam. 17, 2 der freien Ehefrau eines Gotteshausmannes innerhalb der ersten drei Jahre ihrer Ehe ein einseitiges Scheidungsrecht, um sich der Zumutung unfreier Dienste zu entziehen; die Kinder blieben unfrei. Vgl. G o t h e i n (n. 153) 12f. 191 Vgl. W a i t z l 3 , 194.
Fränkische Zeit.
336
dem Einfluß der Kirche ausgebildet, daß von einer näheren Erörterung hier abgesehen werden kann 1 9 2 . Das Recht der Ehescheidung 1 9 3 hatte einseitig nur der Mann. Erlaubt war die Verstoßung der Frau zwar nur aus bestimmten gesetzlichen Gründen 1 9 4 , aber selbst die unerlaubte Scheidung löste das Eheband, wenn sie auch die Sippe der Frau zur Fehde berechtigte oder m i t Bußpilicht uncl anderen vermögensrechtlichen Nachteilen für den Mann verbunden war. Die Frau erhielt erst allmählich unter dem Einfluß des römischen Rechts die Befugnis, sich unter bestimmten Voraussetzungen v o n dem Manne loszusagen. Der Normalfall der Ehescheidung war die Trennung der E h e g a t t e n durch Übereinkunft. Die Wiederverheiratung Geschiedener wurde anfangs von der Kirche bekämpft ; später hat diese den Widerstand gegen das weltliche R e c h t aufgegeben, in der karolingischen Zeit ihn aber wieder aufgenommen. Das e h e l i c h e G ü t e r r e c h t 1 9 5 beruhte im allgemeinen auf dem Giiter192
Vgl. § 31 n. 83. L o e n i n g KR. 2, 546ff. 549ff. W e i n h o l d Deutsche Frauen 2 1, 3ü9ff. D a r g u n Muttenecht 151f. B r u n n e r , BSB. 1894 S. 1296. 193 Vgl. 11.190. L o e n i n g 2, 612ff. W e i n h o l d 2 2, 43ff. H e u s l e r 2, 291 f. G. d. eh. Giiterr. 174ff. B r u n n e r l 2 , 101; Geburt eines leb. Kindes 105ff. : Grundz. 0 224. F i c k e r Erbenf. 5, ö l f f . Z e u m e r , N. Arch. 24, 619ff. G e f f c k e n Zur G. Vgl. His Die Körperverletzungen im Strafr. des MA., ZRG. 54 (1920) 75ff. A. B. Schmidt (S. 369). Günther Körperverletzung, Diss. 1884. His Fries. StrR. 265ff. K n a p p Nürnb. Kriminalrecht 191 ff. Über efsiune (entstellende Narbe) vgl. v. K ü n ß b e r g ZDA. 1921 Anzeiger Bd. 41.
Mittelalter.
838
friedbrüchigen Wunden besonders hervor, so die pogivunde oder bogenäe wunde (bei der das Blut im Bogen spritzt), die des Nähens bedürftige geheftete (Heftwunde) und die mit Scharpie behandelte (gemeißelte oder wikende) Wunde, ferner die beinsehrötige (mit Knochenverletzung) und die lebensgefährliche Wunde (ferhvmnde, varwunde, mortliche wunde). Eine Straferhöhung trat überall ein, wo die Verwundung durch gewaffnete Hand, insbesondere mit scharfer Waffe, erfolgt war. Die höchste Klasse unter den Körperverletzungen bildeten Lähmungen und Verstümmelungen (lidiscarti). Die Goldene Bulle (c. 24) beschäftigte sich im Anschluß an das crimen laesae maiestatis 28 , unter sichtlichem Einfluß des römischen Rechts, besonders mit den auf das Leben eines Kurfürsten abgesehenen Unternehmungen, die als Majestätsverbrechen behandelt und mit Enthauptung und Vermögenseinziehung (fiseo nostro) bestraft werden sollten. Schon die verbrecherische Gesinnung, auch wenn sie keinen Erfolg gehabt hatte, wurde hier bestraft; Mitwisser und Helfer sollten der gleichen Strafe wie der Täter unterliegen, seine Söhne erbunwürdig und von der infamia paterna mitbetroffen, demnach auch zu Ämtern und Eiden unfähig sein, die Töchter nur den Pflichtteil erhalten. Der vor der Entdeckung verstorbene Übeltäter sollte selbst nach dem Tode noch bestraft werden 286 . Derartige Bestimmungen lieferten ein würdiges Vorbild für die Entartung des Strafrechts in den Land- und Stadtrechten des späteren Mittelalters. Während die Grausamkeit des Strafensystems immer mehr verschärft wurde, dehnte man den Begriff der todeswürdigen Verbrechen ins Ungemessene aus 29 . Verletzungen des vom Richter über ein Grundstück gewirkten Friedens, also bloße Bannbrüche, wurden als Friedbrüche aufgefaßt 3 0 , ebenso geringe Gewalttaten an befriedeten Orten oder gegen befriedete Personen oder Sachen oder zu befriedeten Zeiten, auch verborgenes Messertragen, Grenz- 30 ", Mark- und Jagdfrevel 30 ", selbst Übertretungen 28
Kaiser Heinrich III bestimmte die Todesstrafe für alle contemptores stiae praesentiae. Vgl. MG. Const. 1, 102. Vgl. Kellner (S. 829). Niese (S. 843) 292ff. Vgl. n. 7 a. constit. 5, 6 Cod. ad legem Juliam majestatis 9, 8. Dieser Satz wurde auch in Polen im 16. Jh. angewendet, obwohl dort das röm. R. auch nicht subsidiär galt. KritVjschr. 23, 225. 28b Der Leichnam wurde hingerichtet. Schimpfliche Behandlung der Leiche ist ein wesentliches Stück der Friedlosigkeit. Vgl. Schreuer Recht der Toten 1, 361 ff. 354 n. 390 n. 397. 420. 2, 154ff. His MA. 1, 400ff. Scherer Klage gegen d. toten Mann 1909. Vgl. procès au cadavre Warnkönig u. Stein Franz. RG. 3, 694. 28 Vgl. His MA. 1, 479ff. »» Vgl. Ssp. III 20 § 3. 30 a Eingraben und Hauptabpflügen. Vgl. Günther Wiedervergeltung 1, 248. 2, 49. v. Amira Grundr.3 242. "v. Künßberg Rechtsbrauch u. Kinderspiel 1920 S. 19. 30b Jagdleidenschaft ließ K. Maximilian I Wilddiebe mit dem Tode bestrafen und ihnen mit Blendung drohen. Wopfner Almendregal des Tiroler Landesfürsten 1906 S. 105.
g 62. Strafrecht.
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polizeilicher Gebote wurden zum Teil auf das grausamste an Leib und Leben gestraft. Wer ungeachtet seiner Verweisung am Ort betroffen wurde, verfiel gleich dem eingebrachten Verfesteten dem Tode, ohne Rücksicht auf die Größe seines Vergehens31. Fremde, die sich einer noch so geringen Übeltat schuldig machten, wurden als außer dem Gesetz stehend behandelt 311 . Unter dem Einfluß des mosaischen Rechts kam man vielfach zur Talion 32 . Andererseits verführte die aufdämmernde Erkenntnis, daß der Richter vor allem den verbrecherischen Willen zu berücksichtigen habe 33 , unter Umständen zu argen Ungerechtigkeiten, indem man die Strafe nicht nach der Tat, sondern ausschließlich nach der ihr zugrunde liegenden Gesinnung bemaß 34 . Einen allgemeinen Begriff des strafbaren Versuches 34 " gab es noch nicht, doch wurden einzelne Fälle, wie Schwertzücken, Messerwerfen, Waffentragen, Steinwerfen, Wegelagerung u. dgl. m. als selbständige Versuchsverbrechen aufgefaßt. In den Städten taucht der Versuchsbegriff seit dem 14. Jh. auf. Über die Strafbarkeit der Teilnahme gelangte man trotz einzelnen Ansätzen noch nicht zu festen Begriffen 35 . Ein wesentliches Korrektiv für die Mängel des mittelalterlichen Strafrechts lag in dem allerdings vorwiegend nur den vermögenderen Klassen zugänglichen Strafumwandlungssystem der Sühne oder Gnade 36 . Strafen an Haut und Haar waren stets mit Geld ablösbar. Aber auch jede peinliche Strafe konnte, wenn Kläger und Richter einverstanden waren, durch eine mildere ersetzt werden. Fürbitte durch hochgestellte Personen, durch Frauen oder Verwandte half hierbei oft. In der Regel handelte es sich auch hier um die Umwandlung in eine Vermögensstrafe (Lösung der Hand oder des 31 Vgl. Ssp. III 63 § 3. P l a n c k Gerichtsverfahren 2, 300. Auf handhafter Tat ertappte Friedbrecher konnten in alter Weise als friedlose Leute ungestraft erschlagen werden. Vgl. Ssp. II 69. H i s Fries. Str.-R. 182. 345. S c h e r e r Klage gegen d. toten Mann S. 124 ff. 31 » Über die Behandlung städtischer Gäste vgl. P l a n i t z , ZRG. 52, 258ff. H i s MA. 1, 363f. 32 Vgl. H i s MA. 1, 371 f. 51 Of. O s e n b r ü g g e n Studien 150ff. v. B a r lOOf. H a s e n ö h r l 147. L ö f f l e r Schuldformen 127ff. G ü n t h e r Wiedervergeltung (S. 776). H i s Fries. Str.-R. 173. 33 Vgl. H i s MA. 1, 68ff. L ö f f l e r 133ff. C a s p a r (S. 828) 4f. 42. Der Gegensatz zwischen Sachsen- und Schwabenspiegel machte sich auch in der verschiedenen Behandlung des Bürgen, der sich zur Gestellung des Beklagten verpflichtet hatte und dem nicht nachgekommen war, geltend: Nach Ssp. I I I 9 §§ 1 f. bloße Geldhaftung, und zwar bei peinlichen Klagen in Höhe seines Wergeides, nach Schwsp. L. 265 dagegen völlige Gleichstellung des Bürgen mit dem Täter („Bürgen soll man würgen"). Vgl. L ö f f l e r 130f. 34 34a Vgl. Brünner Schöffenb. e. 539. H i s MA. 1, 167ff. 35 Vgl. H i s Fries. Str.-R. 81 ff.; MA. 1, l l l f f . G ö s c h e n 297. 38 Vgl. K. B e y e r l e (S. 828). Schu6 Gnadebitten in Recht, Sage, Dichtung u. Kunst, ZAachenGV. 40 (1918) 143ff. A m r h e i n Begnadigungsrecht des Würzb. Domkapitels, ArchUFrk. 60 (1918) l l l f f . J o h n 344ff. H ä l s c h n e r 44f. H i s Fries. Str.-R. 209ff.; MA. 1, 349ff. 383ff. K o h l e r Shakespeare 2 165. F r a u e n s t ä d t 105ff. B ö h m e r , ZDA. 6, 21 ff. B e h r e n d Stendaler Urteilsb. 77ff. K u i j k TijdschrRG. 2, 544. J . W a c k e r n a g e l ZSchweizR.2 40, 388. 36a Vgl. Schu6 (n. 36). H i s MA. 1, 396ff.
R. S c h r ö d e r - v . K i i n ß b e r g, Deutsche Bechtsgeschlchte. 6. Aufl.
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Mittelalter.
Halses), bei welcher der Kläger seine Buße und der Richter sein Gewette erhielt. Daneben gingen gewöhnlich noch andere Auflagen, wie feierliche Abbitte 3 6 6 , Pilgerfahrten 360 , Mannschaftleisten 38 d u. dgl. m. Die Sühne wurde von beiden Teilen beschworen (Urfehde) 36 ®. Wo das Gericht von Amts wegen eingeschritten war, übte der Richter das alleinige Recht der Strafumwandlung oder des Straferlasses im Wege der Gnade aus. Heimliche Abmachungen zwischen dem Verletzten und dem Täter waren verboten 36 f . Wo handhafte Tat vorlag, kam es nur in Ausnahmefällen zur Lösung des Halses, dagegen bildete diese die Regel, wenn der Verbrecher erst später ergriffen wurde oder sich freiwillig stellte. Besonders förderlich wirkten in dieser Beziehung die zahlreichen Freistätten, deren Bedeutung nicht darin lag, daß sie dem Verfolgten ein dauerndes Asyl gewährten, sondern daß ihm Gelegenheit gegeben wurde, mit seinen Verfolgern zu verhandeln 37 . Auf dem Gebiet des Ungefährs blieb es im allgemeinen, namentlich in den meisten süddeutschen Rechten, bei der Unvollkommenheit des älteren Rechts 3 8 , nur daß die Zahl der typischen Fälle, welche Berufung auf das 3 «b Vgl. L. P e r e i s im Rechtswörterbuch 1, 12ff. H i s MA. 1, 577ff. 322ff. Vielleicht kirchlichen Ursprungs. F e h r Zweikampf 20. 38c Vgl v_ K ü n ß b e r g Aachenfahrt (Rechtswörterbuch 1, lf.). Schmitz Sühnewallfahrten im MA., Diss. Bonn 1910. H i s MA. 1, 332f. 541 f. K u i j k , TijdschrRG. 2, 526. 36d Vgl. H i s Totschlagsühne u. Mannschaft 1910 (Festg. Güterbock). H i s MA. 1, 326 f. sieht darin einen auch wirtschaftlichen Ersatz für den Toten. Vgl. Frz. B e y e r l e Entw. (S. 828) 157. Gegen H i s : E. M a y e r Altspanisches Obl.-R. 1, 237 (ZVglRW. 38). Abdienen durch Reiterdienst vgl. v. K ü n ß b e r g Acht 34. 38e Vgl. K n o r r Ehrenwort Kriegsgefangener 1916 (v. G i e r k e U. 127) 18ff. 65ff. H i s MA. 1, 325f. Die Sühne ist endgültig und dauernd, im Gegensatz zum Frieden im technischen Sinne (stallung, trostung), der vorläufig ist und einem Waffenstillstand entspricht. Vgl. H i s Gelobter Friede, ZRG. 46, 147ff. Fr. B e y e r l e Entw. (S. 828) 116ff. Zur Urfehde Fr. B e y e r l e ebd. 151 ff. s,f halsune (Hehlsühne) 1212 Stadtrecht von Enns (v. S c h w i n d - D o p s c h Ausgew. Urk. S. 45). holsune, harsun, aelzone S t a l l a e r t (S. 12) 2, 549. V e r w i j s V e r d a m (S. 12) 3, 8. T o m a s c h e k Deutsches R. in österr. 1572. K a i n d l G. d. Deutschen in den Karpathenländern 2, 25. Fr. B e y e r l e Entw. (S. 828) 74; Unters. (§ 56 n. 82) 85. 112f.; ZRG. 52 (1918) 335. H i s MA. 1, 315. dernsone H i s Fries. Str.-R. 211 f. hemlik sun v. K ü n ß b e r g Acht 42f. Vgl. § 62 n. 18. 37 Vgl. W e i n h o l d (S. 830). Schu6 (n. 36) 163ff. H i s MA. 1, 405ff. F r a u e n s t ä d t 51 ff. K n a p p Nürnb. 124ff. G r o l l Elemente des kirchl. Freiungsrechtes 1911 ( S t u t z , Abh. 75f.). B i n d s c h e d l e r Kirchl. Asylrecht u. Freistätten i. d. Schweiz 1906 ( S t u t z , Abh. 32f„ vgl. ZRG. 40, 427). Die Trierer bürgerliche Freiheit 1541 gewährt demjenigen, dem ohne Vorbedacht durch lautern Unfall die hand mißlunge mit schlagen den Schutz des Hausfriedens durch 6 Wochen und 3 Tage. Qu. z. Rechts- u. WG. rhein. Städte, Kurtrier 1, 486 § 3. Vgl. Frz. B e y e r l e Entw. (S. 828) 126ff. F i e s e l Zum Geleiterecht, ZRG. 54 (1920) 33. O s e n b r ü g g e n Hausfrieden 1857. 38 Vgl. S. 377ff. 803. J o h n (S. 829) 5 - 4 1 . 98ff. 124ff. 315ff. H a m m e r Schadenersatz n. d. Ssp. u. den verwandten Rechtsqu. 1885 (v. G i e r k e U. 19). H i s MA. 1, 86ff.; Fries. Str.-R. 41ff. 44ff. G ö s c h e n (S. 828) 296f. 300. 302f. L ö f f l e r Schuldformen 119ff. B e s c h ü t z Die Fahrlässigkeit innerhalb der geschichtl.
§ 63. Gerichts verfahren.
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Ungefähr zuließen, beständig wuchs, nicht selten auch juristische Spitzfindigkeit und reinste Buchstabenjurisprudenz oder der Weg der Gnade dazu dienen mußte, den unschuldigen Täter von der als ungerecht erkannten Ungefährhaftung zu befreien 39 . Nur der Sachsenspiegel und die ihm folgenden norddeutschen Rechte sahen bei Ungerichten bereits auf den verbrecherischen Willen, so daß absichtslose Missetaten keiner peinlichen Strafe mehr unterlagen. Der Schwabenspiegel stellte die Fahrlässigkeit noch dem bösen Vorsatz gleich, schloß aber wenigstens den bloßen Zufall von der strafrechtlichen Zurechnung aus. Eine wichtige Ergänzung erfuhr das weltliche Strafrecht, durch das der Kirche 40 , deren Strafen zum Teil mit denen des weltlichen Rechts kumuliert wurden, zum Teil da eintraten, wo das letztere Straflosigkeit annahm, zumal wo es an einem Kläger fehlte. Das kirchliche Strafrecht hat durch die verständige Berücksichtigung der subjektiven Seite der Vergehen sowie durch geklärtere Auffassung von Versuch und Teilnahme die in der Halsgerichtsordnung Karls V vollzogene Strafrechtsreform vorbereitet.
§ 63. Das Gerichtsverfahren. Vgl. S. 90f. 388f. § 61 n. 122. § 62 Literatur. A l b r e c h t Commentatio iuris Germ, doctrinara de probationibus adumbraría, 2, Königsb. Progr. 1825—27; Gewere 81—99. v. A m i r a 3 163; Endinger Judenspiel 1883. F o c k e m a A n d r e a e (§ 37 n. 96); Het bewijs in strafzaken, Tijdschr. voor Strafrecht 10, 46ff. v. B a r Beweisurteil 1866; Bemerkungen üb. Beweisurteil u. Beweisrecht, ZRG. 10, 92ff.; G. d. deutsch. Strafr. 96ff. B a r t m a n n Ger.Verf. vor u. nach der münsterschen LGO. 1571. 1908. B a u c h o n d (S. 828). B a u m g a r t Entwicklung d. Schuldhaft im italien. MA. 1914. J . B e h r e n d Observationes de actione simplici (schlichte Klage), Berl. Diss. 1861; Anevang u. Erbengewere 1885; Stendaler Urteilsb. 1868. R. B e h r e n d Beiträge z. Lehre v. d. Quittung 1896. B e n n e c k e Zur G. d. deutsch. Strafprozesses 1886 (vgl. R. L o e n i n g , Z. f. d. ges. Straf-RW. 7, 68öf.). B i e n e r Beitr. z. G. d. Inquis.-Proz. 1827. B l u m e r (S. 828) 1, 533ff. B ö h m e BeweisSchuldlehre 1. Bis zur HalsG.O. Karls V 1907 S. 115ff. B i n d i n g Normen 4, 1 (1919), insb. 88ff. Beispiele von Verklarungen, die im MA. im allgemeinen nicht mehr erforderlich waren, bei B r u n n e r Absichtlose Missetat 827f. R. B e h r e n d Das Ungefährwerk in der G. des Seerechts, ZRG. 32, 52ff. Schiffsverklarungen auch bei P a u l i Lüb. Zustände 3, 92ff. 39 Vgl. B r u n n e r (n. 39) 818f. Rechtsb. v. d. Briel (her. v. F r u i n u. P o l s 1880) 211 f. Sehr lehrreich der Meistergesang „Karls Recht" von 1403, ZDA. 14, 525ff. Für Missetaten ihrer Knechte hafteten die Herren nicht mehr strenge. H i s MA. 1, 107 f. Haftung für Missetat des Gehilfen, den man zur Sielarbeit geschickt hat: J . v. G i e r k e Deichr. 2, 668. Bei Tierschäden konnten die Eigentümer sich frei machen, wenn sie das schuldige Tier der Rache des Beschädigten preisgaben oder es ihm zur Entschädigung abtraten. Vgl. § 36 n. 52. Für den Fall, daß jemand einvalteclichen und unwissende eine Buße verwirkt hat, bestimmt Schwsp. L. 359: die biuKze suln wir niut gar nernen, wan nach gnaden. Vgl. B r u n n e r (n. 39) 819. Einen erheblichen Fortschritt beobachtet man seit dem 15. Jh. Vgl. K n a p p Nürnb. 17 f. 40 Vgl. H i n s c h i u s KR. 5, 295ff. 304ff. 360ff. 377ff. H i s MA. 1, 194. 377. 405. 478. 54*
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Mittelalter.
system d. Freiberger Str.-R., Leipz. Diss. 1913. B r u n n e r - H e y m a n n 7 174ff.; B r u n n e r Wort u. Form (S. 388); ZuläBsigk. d. Anwaltschaft (S. 388). B r u n s (§ 37 n. 96). B u d d e (ebd.). v. B u n g e G. d. Ger.-Wesens u. Gier.-Verfahrens in Liv-, Est- u. Kurland 1874. D e l b r ü c k Die dingl. Klage 1857; ZDR. 12, 213ff. 14, 207ff. 19, 98ff. D e u t s c h m a n n Klagengewere 1873. D o n a n d t , Bremer J B . 6. 1870. E s c h e n b u r g De delicto manifesto iure Sax., Berl. Diss. 1866. F e h r RG. 194ff. F r a n k l i n Reichshofgericht 2, 189ff. F r i e s e u. L i e s e g a n g Magd. Schöffenspr. 1 (Sachregister). F r o m m h o l d Klage mit dem toten Mann, ZRG. 49, 458. F r u i n De anfang (S. 407); Over den aanbreng van doodslag bij de vierscharen in Kennemerland en Holland 1898 (Amsterd. Ak. Versl. en Mededeelingen 4, 2 S. 50ff.); Verspreide geschritten 6, 315; Over waarheid, kenning en zeventuig in der rechtspleging van Holland en Zeeland 1888 (Bijdr. voor vaderl. Gesch. 1888, 56ff.). G i l l i s Gewährschaft u. laudatio auctoris 1913 (v. G i e r k e U. 118). G ö s c h e n Gosl. Statuten 366ff. S e e r p G r a t a m a Bijdrage tot de rechtsgeschiedenis van Drenthe, Gron. Diss. 1883 S. 128-255. G r i m m RA. 4 2, 469ff.; Weist. 7, 279ff. G r u n d Beitr. z. G. d. hohen Gerichtsbarkeit in Niederösterr. 1912 (ArchÖG. 99, 397ff.). G ü t e r b o c k Prozeß Heinr. d. Löwen 1909 (vgl. P u n t s c h a r t , ZRG. 43, 339. v. D u n g e r n , MJÖG. 33, 375. S c h a m b a c h , ZNdSachs. 1916, I f f . 1918, 189ff.). ; Geinhäuser Urkunde u. d. Proz. Heinr. d. L. 1920; Studien z. engl. Strafproz. 13. J h . 1914. H a f f Vollstreckungsordnimg für Füssen, ZRG. 47, 435. H a l l e r Sturz Heinr. d. Löwen, ArchUrkForsch. 3 (1911) 241 ff. (vgl. F e h r , ZRG. 46, 560ff.). A. H ä n e l Beweissystem d. Ssp. 1858. H a s e n ö h r l österr. Landesr. 206— 35; Beweisverteilung im österr. R., WienSB. 139. H e d e m a n n Lehre v. d. Vermutung, Bresl. Habil.Schr. 1903 S. 44ff. H e i n z e Sicherheitsstellung (S. 389). H e l l m a n n Konkursrecht d. Reichsstadt Augsburg 1905 (v. G i e r k e U. 76); Konkursr. d. Reichsstadt Ulm 1909. H e r o l d Gogerichte u. Freigerichte in Westf. 1909. H e u s l e r Gewere 219ff. 487ff.; Beschränkung d. Eigent.-Verfolgung bei Fahihabe (S. 407); Zur G. d. Exekutivprozesses, ZRG. 6; Bildung d. Konkursprozesses n. Schweiz. R., Z. f. Schweiz. R. 7; Aus der Basler Rechtspflege durch 5 Jahrhunderte (Fschr. Basel 1910). H i s Gelobter u. gebotener Friede im MA., ZRG. 46, 139ff. H o m e y e r Sachsenspiegel 2, 2 S. 581 ff.; Richtsteig Landr. 430ff. Immerwahr Verschweigung (S. 389). J o l l y Beweisverfahren n. d. R. des Ssp., Heidelb. Diss. 1846. I s a y Zur G. d. Trierer Schöffengerichts, Trier. Arch. 1, 77ff. J a s t r o w Weifenprozesse, ZGW. 1893, 71 ff., 269ff. J u c h l e r Strafverf. im Lande Appenzell bis z. Landesteilung 1597, Diss. Bern 1905. K e l l e r Beweis der Notwehr im Ssp. 1904 ( B e l i n g Strafr. Abh. 57). G u i d o K i s c h Deutscher Arrestprozeß 1914 (vgl. A. S c h u l t z e , ZRG. 50, 591ff.); Pfändungsklaueel, ZRG. 48, 41ff.; Schadennehmen, RhZZivProzR. 5. H. K n a p p Nürnberger Kriminalverfahren, ZStrRW. 12, 200ff. 473ff.; Würzb. Zenten 2, 361 ff. (vgl. R i e t s c h e l , ZRG. 42, 398); Regensb. (S. 829); Beweis im Strafverf. d. Schwabenspiegels u. d. Augsb. Stadtrechts (ArchStrafr. 67 [1919] 25ff.). K o h l e r Zur G. des R. in Allemannien 1888, Beitr. z. germ. Priv.RG. 3; Urkundl. Beitr. z. G. d. bürgerl. Rechtsgangs: 1. Verfahren d. Hofg. Rottweil 1904; Acht u. Anleite d. kgl. Hofgerichts (Fschi. Cohn 1915, Iff.); Totschlagsiiline in deutschen Rechten, ArchStrafr. 65, 161 f.; Vollstreckungsuikunden als Verkehrsmittel, ArchRechtsphilos. 1918; Beweis u. Spruchtermin vor d. kgl. Hofgericht 1434 (Fschr. Brunner 1914, 191 ff.); Lehrb. d. Konkursr. 32ff. K o b l e r K o e h n e Worms (S. 829) 258ff. 321 ff. v. K r i e s Beweis im Strafproz. d. MA. 1878. K ü h n s G. d. Ger.-Verfass. u. d. Proz. i. d. Mark Brandenb. 2, 337ff. K ü h t m a n n Romanisierung d. Ziv.-Proz. in Bremen 1891 (v. G i e r k e U. 36) v a n K u i j k Rechtsingang en verstek in de middeleeuwsch-stedelijke procedure in verband med het recht der Republiek (Themis 1910). L a b a n d Vermögensr. Klagen 1869. L i n d n e r Verne 529ff. R. L o e n i n g Reinigungseid bei Ungerichtsklagen 1880; Vertragsbr. 1876. L o e r s c h Ingelh. Oberh. Einl. 140ff.; Der Prozeß i. d. Mörin des Herrn, v. Sachsenheim 1871 ( B l u m e , S c h r ö d e r , L o e r s c h . , Abhandl. z. G. d. deutsch. R.). L u p p e Kieler Varbuch (S. 829) 24ff. v. L u s c h i n Ampfingers
§ 63. Gerichtsverfahren.
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Bericht über d. gerichtl. Verf. in Kärnten 1544 (Carinthia 1, 103) 1913. E. Mayer Deutsche VG. 1, 215—84. Max Mayer Zivilprozeßrecht der Reichsstadt Schwab."Wörth im 16. Jh., Erlanger Diss. 1914. Meerkamp v. E m b d e n Rechtspraak te Leiden 1392 (Bijdr. v. vaderl. gesch. 4, 10) 1911. v. Meibom Pfandrecht 39ff. Merk Entw. d. Fahrnisverfolgung im frz. R. 1914 (RhZZivilpr.). H . M e y e r Entwerung (S. 389). H. M i t t e i s Beaumanoic u. d. geistl. Gerichtsbarkeit, ZRG. Kan. 4, 263ff. v. Möller Rechtssitte des Stabbrechens, ZRG. 34, 27ff. R. Möller Neuordnung d. ReichsfürstenBtandes u. d. Prozeß Heinr. d. Löwen, ZRG. 52, lff, K. O. Müller Zur G. d. peinl. Proz. in Schwaben im spät. MA. 1910. Niese Zum Proz. Heinr. d. Löwen, ZRG. 47, 195ff. Nietzsche Commentatio iur. Germ, de prolocutoribus, Leipz. Progr. 1831. Noordewier Regtsoudheden 390ff. Ober Rezeption d. kanon. Zivilprozeßformen, ArchKathKR. 40, 1910. Opet Popularklage der Berner Handfeste 1894; Z. f. schw. Strafr. 7. 1894. Örtel Entwickl. u. Bedeut. anteiliger Gläubigerbefriedigung im alt. deutsch. R. 1901. Osenbrüggen Gastgerichte (Studien 19ff.); Prozeß gegen abwesende Totschläger (ebd. 311 ff.), v. d. P f o r d t e n Beweisführ. n. d. oberbair. Landr., ZRG. 12, 346ff. Planck Das deutsche Ger.-Verfahren im MA., 2 Bde. 1879; Lehre v. Beweisurteil 1848; ZDR. 10, 205ff. P l a n i t z Vermögensvollstr. (§61 n. 18) 88ff.; Vollstreckungsverfahren (Fschr. Sohm 489ff.); Handhaft u. Blutrache (Voigtl. Qu.); Zur G. d. Arrestproz., ZRG. 47, 49ff.; 52, 223ff. "Plischke Rechtsverfahren Rudolfs v. Habsb. gegen Ottokar v. Böhm., Diss. Bonn 1885 (vgl. Redlich Rudolf v. Habsb. 232ff.). P r o b s t Entw. d, Gerichtsverf. u. d. Ziv.-Proz. in Kurhessen, Halle Diss. 1911. Rabel Haft. d. Verkäufers wegen Mangels im Recht 1, 166ff. (1902). Rehme Schöffen alg Boten bei gerichtl. Vorgängen (Fschr. Brunner 1910, 79ff.). R i e m s d i j k De hooge bank van het veluwsche landgericht, Utr. Diss. 1874 S. 109—50. R i n t e l e n Gerichtsstab in den österr. Weistümem (Fschr. Brunner 1910, 631 ff.). Rosenberg Stellvertretung im Prozeß 1908. R o s e n t h a l Beitr. z. deutsch. Stadt-RG. 107ff. 277ff. Rudorff Rechtsstellung der Gäste im mittelalterl. städtischen Proz. 1907 (v. Gierke U. 88; vgl. A. Schultze, ZRG. 41, 502). Sachsse Beweisverfahren des MA. 1855. Scherer Klage gegen den toten Mann 1909 (Beyerle Beitr. 4, 2). A. S c h m i d t Echte Not 1888. G. Schmidt Der strafb. Bankbruch 2 3 - 4 9 (1893). R. S c h m i d t Herkunft d. Inquisitionsprozesses 1902; Königsiecht, Kirchenrecht u. Stadtrecht beim Aufbau des Inqu.-Proz. (Fschr. Sohm) 1915. Alfr. Schultze (S. 389). A. S. Schultze Priv.-R. u. Prozeß 1, 1883. v. Schwerin Zur fries. Kampfklage 1908 (Fschr. Amira); RG.S 183ff. Seelmann Rechtszug im älteren d. R. 1911 (v. Gierke U. 107, vgl. A. S c h m i d t , ZRG. 46, 593). v. Segesser Luzern 2, 549ff. 692ff. Siegel RG.3 5 2 5 - 557; Erholung u. Wandelung 1863, WienSB. 42; Gefahr vor Gericht u. im R.-Gang 1865, ebd. 51. Skedl Mahnverfahren 7ff. (1891); Gründl, d. österr. Konkursrechts 1913 (Fschr. Wach 225ff.). Sohm Litiscontestatio vom frühen MA. bis z. Gegenwart 1914. Stobbe Zur G. des Konkursproz. 1888; Zur G. d. deutsch. Vertrags-R. 56—111. Stölzel Geding u. Appellation, Hof, Hofgericht u. Räte, Abschied u. Urteil 1911. S t r n a d t Materialien z. G. d. Entwicklung d. Gerichtsverfassung u. d. Verfahrens in d. alten Vierteln d. Landes ob der Ens 1909 (ArchöG. 97). S t u t z D. Stadtrecht gegen die Formstrenge im Strafverf., ZRG. 51, 367ff. Tomaschek Deutsch. R. in Österreich 144ff. 174ff.. U h l m a n n K. Sigismunds Geleit für Hus u. d. Geleitsrecht d. MA. 1894. Vogel Beitr. z. G. d. Reichshofgerichts, ZRG. 15. W ä c h t e r Beitr. z. deutsch, G. 59ff. 183ff. 220ff. 259ff. Wackernagel Zur Entstehung d. städt. Ratsgerichtsbarkeit im MA., Festg. z. Schweiz. Jur.Tag 1920. Wahle Die Wiener Genannten als Urkundszeugen, MJÖG. 34, 636. Waitz VG. 8, 82ff. Warnkönig Flandr. RG. 3, 1 S. 278—350. Weißler G. d. Rechtsanwaltschaft 1905 (vgl. A. Schultze, ZRG. 40, 446). Werunsky Ordo iudicii Boemie, ZRG. 23, 115ff.; G. Kaiser Karls IV 3, 41ff. Widmer Das Blutgericht n. d. Aargauer Rechtsqu., Bern. Diss. 1901. Wigand Femgericht 356ff. Willmann (S. 830). Wolff Gerichtsverf. u. Prozeß im Hochstift Augsburg in d. Rezeptionszeit 1913 (Arch. Höchst. Augsb. 4).
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Mittelalter.
T. W y s s Schuldbetreibung i. d. Schweiz. Rechten, Z. f. Schweiz. R. 7. 1858; G. d. Konkursproz. in Zürich 1845. v. Z a l l i n g e r Verfahren gegen die landschtdl. Leute 1895. H. Zeller Zeugen u. Eidhelfer im d. R., Diss. Berlin 1898. Zöpfl RG. §§ 126, 131; Das alte Bamberger R. 131 ff. 226ff.
Der mittelalterliche Prozeß hat im großen und ganzen an den schon im fränkischen Gerichtsverfahren entwickelten Normen und Gestaltungen festgehalten, so daß die Darstellung sich auf die Hervorhebung d§r Neuerungen beschränken kann. Die Prozeßleitung lag nunmehr ganz in der Hand des Richters, der aber nichts aus eigener Entschließung verfügen konnte, sondern bei allem an die von ihm zu erfragende Entscheidung der Urteiler gebunden war 1 . Alle einzelnen Stufen des Prozesses vollzogen sich mit Frage und Urteil. Die Anträge der Parteien in Form von Urteilsfragen (daher selbst „Urteile" genannt), wurden an den Richter gestellt und durch Frage des Richters den Urteilern vorgelegt. Die Formstrenge des Rechtsganges war wo möglich gegen früher noch verschärft. Der geringste Verstoß brachte die Gefahr, den Prozeß zu verlieren. Man bezeichnete daher clie Formstrenge selbst als „Gefahr" (vare, verborum insidia). Den niederländischen Kolonisten wurde in der Regel das Privileg erteilt, sine vara schwören oder wohl überhaupt prozessieren zu dürfen1». Das mag den ersten Anstoß gegeben haben, im späteren Mittelalter die Gefahr im Rechtsgang überhaupt zu beseitigen1". Solange die „Gefahr" bestand, fanden die Parteien ein Auskunftsmittel in der Verwendung von Fürsprechern, die sie für sich reden ließen. Beging der Fürsprecher einen Fehler, so konnte die Partei seiner Erklärung die Genehmigung versagen und Restitution (erholung, wandelung) genießen. Im Königsgericht, später allgemein, konnten die Parteien sich außerdem mit Beratern (Horcher, warner, rauner1") umgeben und mit diesen und dem Fürsprecher zeitweise zwecks gespräches abtreten 2 . Die Übernahme des Fürsprecheramtes war eine öffentliche Pflicht, der sich kein vom Richter auf Verlangen einer Partei aufgeforderter Dingpflichtiger entziehen konnte®. 1 Nach geistlichem rechte sprechin die richtet die orteil selber, in unserm richte vraget der richtet eynen andern, unde das ist denne des richters ratgebe . . ., wenne er sal is eynen schepphen fragen; was der vint, daz wirt recht, wenn is von den beiden gevolbort wirt. Glosse z. Sachs. Weichb. (14. Jh.) 16, hg. v. D a n i e l s S. 255. la Privileg für flämische Kaufleute: MG. Const. 1, 335, 8. Vgl. R u d o r f f (S. 843) 25ff. P l a n i t z , ZRG. 52, 243ff. lb Vgl. S c h r ö d e r Eine strafprozessuale Verordnung des Königs Ruprecht für sein Landgericht Sulzbach (Oberpfalz) vom 16. April 1408, ZRG. 47, 433. Über Milderimg der Formstrenge in Remagen 1289 vgl. S t u t z (S. 843). lc Zu 'Rauner' vgl. B u r d a c h Vom MA. zur Ref. 3, 1. 174ff. 2 Vgl. ZRG. 20, 118f. N i e t z s c h e (S. 843) 63ff. Die Beratung hieß auch acht. Vgl. v. K ü n ß b e r g Acht 37. 3 Vgl. Merkel, ZRG. 1, 152ff. Der Fürsprecher konnte von seiner Partei einen Lohn verlangen. Es gab auch gewerbemäßige Fürsprecher. Angestellte Vorsprecher im Gericht: v. A m i r a Stab (S. 13) 81f. R o t h e n b ü c h e r (S. 798 108 ) 21 ff. t . S c h w e r i n , ZRG. 41, 629.
§ 63. Gerichtsverfahren.
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Der Fürsprecher war nur der Mund der anwesenden Partei, die nach jeder von ihm abgegebenen Erklärung um ihre Bestätigung gefragt wurde. Eine prozessualische Vertretung fand einzig bei juristischen Personen, Unfreien und Hörigen (durch den Herrn) und seit der 2. Hälfte des 13. Jh. in zunehmendem Maße auch bei Bevormundeten (durch Vater, Ehemann oder Vormund) statt 4 . Wenn volljährigen Weibern, Greisen und jungen Männern, die zwar zu ihren Jahren gekommen waren, sich aber noch in schutzbedürftigem Alter befanden (S. 776), gestattet wurde, sich für gerichtliche Geschäfte einen Vormund zu wählen, so bleibt noch dahingestellt, ob ein solcher Vormund nur die Stellung eines Beistandes hatte, oder auch die gerichtliche Vertretungsmacht erhielt. Jedenfalls gab es sonst im Mittelalter ebensowenig wie in der vorigen Periode eine Vertretung durch Bevollmächtigte; nur das Königsgericht ließ sie unter Umständen zu und einige Stadtrechte schlössen sich seiner Praxis allmählich an, während sich die Landrechte größtenteils bis über das Mittelalter hinaus ablehnend verhielten5. Wenn in der fränkischen Zeit der bürgerliche Prozeß noch ganz in den Banden des Strafprozesses lag, so unterschied das Mittelalter bereits bürgerliche, peinliche und gemischte Klagen6. Die bürgerlichen Klagen wurden, ohne Berücksichtigung des Kechtsgrundes, lediglich nach der Verschiedenheit des Klagebegehrens und der Exekution, in Klagen um Schuld, um Gut und um Eigen und Erbe eingeteilt. K l a g e um S c h u l d war jede bürgerliche Klage auf eine Geldleistung, gleichviel worauf sich der Anspruch stützte. Die schlichte Klage bestand in dem einfachen Antrag auf Verurteilung des Schuldners zur Zahlung, doch konnte der Beklagte eine summarische Angabe des Schuldgrundes verlangen7. Der Beklagte mußte entweder den klägerischen Anspruch 4
Vgl. S. 819. K r a u t Vormundsch. 1, 366ff. 2, 16f. R i v e Vormundsch. 2, 1 S. 51f. 2 S. 39ff. S t o b b e Priv.-R. 4 3 , 541ff. H u b e r G. d. schw. Priv.-R. 523. B u c h Übertragbarkeit von Forderungen (§ 61 n. 109). Den älteren Standpunkt (S. 364) erkennt man noch ÖBt. Landr. A, Art. 52 ( H a s e n ö h r l 254), Wiener Stadtrechtsb. 15 ( S c h u s t e r S. 54). Den Übergang zeigen die fries. 24 Landrechte c. 16 ( R i c h t h . S. 66f.), ferner Prager Statutarrecht 103, 3 ( R ö s s l e r 1, 64). Die volle prozessualische Vertretungemacht hat der Vormund schon nach dem um 1300 entstandenen Freiberger Stadtrecht c. 15 ( E r m i s c h S. 145). Wenn der Vormund Forderungen seines Mündels einklagte (Augsb. Stadtr. v. 1276 Art. 76 § 6, M e y e r S. 152), so geschah dies wohl kraft eigenen Rechts. Vgl. H e u s l e r 2, 497. 5 Vgl. P l a n c k 1, 185ff. F r a n k l i n 2, 164ff. R o s e n b e r g (S. 843) 434ff. L o e r s c h - S c h r ö d e r - P e r e l s Nr. 216. Die Vollmacht mußte ursprünglich vor Gericht erteilt werden, später waren auch außergerichtliche Vollmachten (Gewaltbrief) unter Brief und Siegel zulässig. Die Bevollmächtigungsformel lautete: „zu Gewinn und Verlust und zu allen Rechten". Ein Mittel, die Vertretung auf Umwegen zu ermöglichen, gewährten die Inhaber- und Orderpapiere und die Rechtsgeschäfte zu treuer Hand, aus denen sich die Verträge zugunsten Dritter entwickelt haben. 6 Einen Rest der alten Auffassung mag man in der gleichmäßigen Verwendung des Wortes vorderunge für alle Arten von Klagen erblicken. Vgl. L a b a n d 55f. ' Vgl. L a b a n d 11 f.
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Mittelalter.
zugestehen oder, falls er sich nicht durch prozeßhindernde Einreden der Antwort erwehrte, schwören, daß er nichts schuldig sei. Durch diesen Unschuldseid wurde die Klage abgewiesen. Wenn der Kläger sich nicht mit der schlichten Klage begnügte, sondern seinen Anspruch durch bestimmte Tatsachen, die er unter Beweis stellte, begründete, so durfte der Gegner sich nicht auf bloße Ableugnung beschränken, sondern hatte positive Tatsachen zur Entkräftung der klägerischen Behauptung oder zur Begründung seiner Einreden vorzubringen und den Beweis dafür anzutreten. Auch die schlichte Klage konnte in dieser Weise umgewandelt werden, indem der Kläger dem Beklagten den Unschuldseid durch eine ausgeführte Widerrede verlegte8. Das Gericht hatte zu prüfen, von welcher der behaupteten Tatsachen die Entscheidung abhing, und diese zum Beweise zu stellen. Standen sich Behauptung und Gegenbehauptung gegenüber, so wurde der Partei, die das bessere Beweismittel hatte, der Vorzug gegeben, sie war „näher zum Beweise"9. Nur bei gewissen privilegierten Ansprüchen bestand von vornherein eine Rechtsvermutung zugunsten des Klägers, der demgemäß seinen Anspruch einfach zu beschwören hatte: so der Wirt, der wegen Garkost klagte und bewiesen hatte, daß der Beklagte überhaupt sein Kostgänger gewesen sei; der Dienstbote, bei der Klage auf seinen Lidlohn, wenn er bewies, daß er sich in dem Dienstverhältnis befunden habe; der Zinsherr oder Vermieter bei der Klage auf rückständigen Zins, wenn er bewies, daß der Beklagte das Zinsgut von ihm besaß10. Gewann der Kläger, so wurde der Beklagte zur Zahlung verurteilt, dagegen wurde dem verurteilten Beklagten keine Buße auferlegt, ebensowenig dem Kläger im Falle seiner Abweisung. Ein Urteilserfüllungsgelöbnis10a war dem mittelalterlichen Rechtsgang im allgemeinen nicht mehr geläufig. Leistete der Verurteilte nicht, so erfolgte die gerichtliche10" Zwangsvollstreckung zunächst in sein bewegliches Vermögen, indem die abgepfändeten Gegenstände, wenn er sie nicht binnen gegebener Frist auslöste, verkauft oder dem Schuldner an Zahlungsstatt übereignet wurden. Reichte das bewegliche Vermögen nicht hin, so erfolgte die Fronung {anleite10", insalz) des Grundbesitzes und nach Jahr und Tag (nach manchen Rechten schon nach 3 x 14 Nächten), wenn keine Lösung erfolgt war, ebenfalls Verkauf oder Übereignung. In letzter Reihe hatte der Gläubiger 8 Vgl. L a b a n d 41f. Zulässig war dies nur, bevor der Unschuldseid angenommen und die Prozeßgewere (n. 15) geleistet worden war. * Nach sächsischem Landrecht war nur das Gerichtszeugnis als Beweismittel zugelassen, während die Stadt- und jüngeren Landrechte auch Urkunden und außergerichtliche Zeugen zuließen, dem Gerichtszeugnis aber den Vorzug gaben. Vgl. Ssp. I 7. MG. Const. 1, 334. L a b a n d 43f. 10 Vgl. L a b a n d 26ff. 10 » Vgl. P l a n i t z (§ 61 n. 18) 109f. 10 •> Die Entwicklung ging von der außerprozessualen Gläubigerpfändung aus; nur nach und nach ging die Pfändungshandlung auf den Richter oder seinen Boten über. Vgl. P l a n i t z (§ 61 n. 18), insb. 464ff. ioc Vgl. v. A m i r a Handgebärden (S. 13) 260.
§ 63. Gerichtsverfahren.
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das Recht, die Person des Schuldners zu pfänden, indem er ihn, unter Vorbehalt der Lösung, in Schuldgefangenschaft oder Zwangsdienst nahm 11 . Bei der Klage um Gut, d. h. auf Herausgabe einer beweglichen Sache, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund, gestaltete sich das Verfahren durchaus entsprechend. Der Kläger konnte sich auch hier ohne jede Begründung seines Anspruches „zu der Sache ziehen". Der Unterschied zwischen der schlichten Klage um Gut und um Schuld bestand nur darin, daß sich der Unschuldseid des Beklagten bei der ersteren auf die Ableugnung des Besitzes, also Ablehnung seiner Passivlegitimation, beschränkte12. Wurde der Besitz zugestanden oder vom Kläger bewiesen, so hatte dieser auf die sein Recht bestreitende Antwort des Beklagten seinen Anspruch zu begründen, worauf sich das weitere Verfahren ganz wie bei der ausgeführten Klage um Schuld gestaltete. Die ihm zuerkannte Sache konnte der Kläger, nötigenfalls mit Hilfe des Gerichts, in seinen Besitz nehmen. Eine Buße wurde auch bei dieser Klage weder über den verurteilten Beklagten, noch über den abgewiesenen Kläger verhängt. Hatte der Beklagte den Besitz der Sache verloren, so verwandelte sich der Anspruch des Klägers ohne weiteres in eine Schadensersatzklage, d. h. eine Klage um Schuld. Die Klage um Eigen und E r b e bezog sich auf alle unbeweglichen Sachen, Eigen wie Lehen. Handelte es sich um eine Klage gegen den Veräußerer auf Vollziehung der Auflassung, so gestaltete sich das Verfahren ähnlich wie bei der Klage um Schuld, nur mußte der Kläger auch bei der schlichten Klage sofort den Rechtsgrund angeben. Während der Beklagte die schlichte Klage mit seinem Unschuldseid zurückweisen konnte, bedurfte es gegenüber einer mit Tatsachen belegten und unter Beweis gestellten Klage einer ebenso begründeten Antwort, worauf das Beweisurteil ganz in der S. 846 geschilderten Weise erfolgte. Gründete sich der Anspruch gegen den Veräußerer nicht bloß auf das Veräußerungsgeschäft, sondern auf die von ihm bereits vollzogene Auflassung, so trug das Verfahren einen rein exekutivischen Charakter, da der Veräußerer nur noch als Stellvertreter des Klägers die Gewere ausübte (S. 785). Bei der Klage auf Rückgabe eines dem Beklagten seitens des Klägers nur zeitweilig eingeräumten Grundstückes mußte sich der Beklagte auch einer schlichten Klage gegenüber sofort positiv verteidigen, widrigenfalls dem Kläger gestattet wurde, seinen Klagegrund mit zwei Zeugen zu beweisen. Entsprechend wurde bei jeder 11 Vgl. S. 498. P l a n c k 2,258ff. S t o b b e Konkursprozeß 55f. 98ff. v. K ü n ß b e r g abdienen, RWB. 1, 30. Ein vorsorgliches Mittel in Notfällen, namentlich Fremden gegenüber, war die „Besetzung" (Besatzung) oder das Aufhalten, d. h. die eigenmächtige Festnahme des Schuldners oder Pfändung seiner Habe. Vgl. P l a n c k 2, 367ff. R u d o r f f (S. 843) 86ff. v. A m i r a 3 281. F r e n s d o r f f , Gött. Nachr. 1906 S. 298ff. K i s c h Arrestprozeß 16ff. P l a n i t z , ZRG. 46, 49ff. 52, 223ff. A. S c h u l t z e Gästerecht (S. 69065) 36ff. 12 Hatte der Beklagte die Sache nur für einen Dritten inne, so konnte er sich von der'Antwort befreien, indem er entweder jenen zur Antwort vorladen ließ oder ihm in Gegenwart des Klägers die Sache zurückgab. Vgl. L a b a n d 58
Mittelalter.
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einfachen Vindikation verfahren, wenn der Besitz des Beklagten feststand. Auch bei der schlichten Klage konnte der Kläger verlangen, daß der Beklagte sein besseres Besitzrecht positiv begründe, worauf letzterer seine Behauptungen mit sechs oder sieben Zeugen zu beweisen hatte. Anders, wenn Kläger durch den Beweis der Entwerung oder älteren Gewere dem Gegner den Besitz abgewann und so das Recht erlangte, seinerseits sein besseres Recht mit Zeugen zu beweisen13. Behaupteten beide Teile gleiche Gewere (S. 784), so kam es im allgemeinen nicht darauf an, wer den besseren Besitztitel für sich anführte, sondern es kam zum Beweise durch Nachbarzeugnis, wobei die Aussage der Zeugenmehrheit entschied. War auf diesem AVcge nichts zu ermitteln, so hatten beide Teile an Ort und Stelle ihr Recht an dem streitigen Grundstück zu beschwören, worauf dieses, wenn nicht eine der Parteien gerichtlichen Zweikampf forderte, von Gerichts wegen unter die Streitenden geteilt wurde. Privationsklagen des Lehns- oder Zinsherrn waren von vornherein durch Angabe des Verschuldens zu begründen. Der Beklagte hatte das Recht des Unschuldseides, falls er ihm nicht durch Erbieten des Klägers zum Beweise verlegt wurde. Enthielt die Antwort des Beklagten positive Gegenbehauptungen, so entschied das Beweisurteil nach den oben dargelegten Normen. Richtete sich die Klage gegen die Veräußerungsbefugnis des Gewährsmannes des Beklagten, so mußte der Kläger, falls der Beklagte seine Aktivlegitimation bestritt, zunächst diese beweisen. Im übrigen hatte sich der Beklagte, wenn er sich nicht durch den Nachweis der rechten Gewere (S. 788) freimachen konnte, auf seinen Gewährsmann zu ziehen und diesen an dem Gericht der belegenen Sache zu stellen. Bekannte sich der Gewährsmann zu der Gewährschaft, so kamen in betreff des nun von ihm übernommenen Prozesses (n. 20) die gewöhnlichen Grundsätze zur Anwendung. Erlitt dagegen der Beklagte Bruch an seinem Gewähren, so gelangte der Kläger zum Beweise, wenn nicht der Beklagte die klägerischen Behauptungen zugestand, so daß er sofort zur Herausgabe verurteilt werden konnte. E r b s c h a f t s k l a g e n auf bewegliche oder unbewegliche Sachen im Besitze des Beklagten wurden vielfach mit Handanlegung (anevanc) eröffnet 14 , ohne dadurch ihren bürgerlichen Charakter zu verlieren. Der Kläger hatte seine Erbenlegitimation, falls sie bestritten wurde, darzulegen und, in der Regel mit Zeugen, zu beschwören. Machte der Beklagte besseres Erbrecht geltend, so nahm der Prozeß einen zweischneidigen Charakter an, indem auch der Beklagte seine Erbenlegitimation auszuführen hatte, worauf das Gericht entschied, wer besserer Erbe sei. Erhob der Beklagte 13
Vgl. Mon. Wittelsb. 1, 331 (1280): ut dominus Heinricus dux per duos testes •probet, quod sibi competat probatio iuris de ponte in Rosenheim, que per sfptem viros idoneos, qui ex 21 electi fuerint et assumpti, fieri debet in termino ad hoc speciaZiter deputalo. W i l m a n s Additamenta zu E r h a r d s Reg. Westf. 2, 66 Nr. 78 (1101): Eid, septima manu, quod eiusdem mansi prior fuit in possessione; deinde tertia manu, quad proprietas iure sue pertineret ecclesie. 11 Vgl. S. 409 n. 106, § 61 n. 218.
8 63. Gerichtsverfahren.
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positive Einwendungen gegen das Recht des Klägers, so wurde je nach Lage der Sache dem einen oder dem anderen die Beweisrolle zugeteilt. Erhob der Beklagte keine Einwendungen, so konnte er doch vor der Herausgabe Sicherstellung gegen die etwaigen Ansprüche des wahren Erben verlangen, und zwar bei unbeweglichen Sachen durch Pfand oder Bürgen, während bei fahrender Habe die eidliche Kaution der gelobten Gewere genügte 15 . Abgewiesen wurde die Erbschaftsklage, wenn der Beklagte sich auf Verjährung (S. 411) berufen konnte; zurzeit abgewiesen, wenn die Klage vor dem Dreißigsten angestellt wurde16. P e i n l i c h e K l a g e n waren im allgemeinen alle Strafklagen, doch konnte Kläger, wo es sich bloß um eine Buße handelte, sich auch der bürgerlichen Klage bedienen16», um im Fall einer Abweisung nicht selbst einer Buße zu verfallen. In der Regel wurde die peinliche Klage mit Gerüft begonnen1615. Bei der Totschlagsklage mußte der Leichnam, später wenigstens eine abgelöste Hand des Toten vor Gericht gebracht werden, da man ihn als den eigentlichen Kläger, der durch den Klageerheber nur vertreten wurde, betrachtete 17 . War ein Verbrecher auf handhafter Tat 1 7 a beschrien und auf der Tat oder der Flucht von der Tat in Gegenwart von Schreimannen ergriffen, so fand das schon für die ältere Zeit geschilderte abgekürzte Verfahren (S. 95. 406) statt. Die Klage mußte mit leiblicher Beweisung, und bevor die Tat übernächtig wurde, angestellt werden. Wurde der Friedbrecher auf handhafter Tat getötet, so mußte die Klage gegen den toten Mann17l> erhoben werden. Diese diente zur Verklarung des Friedbruchs und verhinderte so die Erben des Getöteten an der Totschlagsklage. 15 Eine solche eidliche Kaution {gdovede gewere) konnte der Beklagte in allen Fällen verlangen, wo er besorgen durfte, nach der Befriedigung des Klägers noch von dritten Personen in Anspruch genommen zu werden. Außerdem konnte jeder peinlich Beklagte oder kampflich Gegrüßte von seinem Gegner in gleicher Weise das Gelübde, die Sache durchzuführen, beanspruchen. Wurde die Sache dann nicht durchgeführt oder der Beklagte ungeachtet der Gewere noch von Dritten angesprochen, so hatte sein Gegner für Bruch der Gewere Buße und Wette zu bezahlen. Die Gewerebuße bestand nach dem Sachsenspiegel (I 63 § 2. II 15. 16 § 1. III 14 § 2) im Verlust der Schwurhand oder deren Lösung mit einem halben Wergeid. Nachdem der Kläger die Gewere gelobt hatte, durfte er seine Klage nicht mehr ändern. Hatte Kläger keinen Grundbesitz, so mußte er Sicherheit durch Pfand oder Bürgen leisten, sonst konnte er persönlich in Sicherheitsbaft genommen werden. 16 Vgl. S. 824. Loersch- Sehr ö d e r - P e r e i s Nr. 338. 16a Vgl. H i s MA 1, 344. 1,4 Das konnte auch durch Ziehen an der Glocke ersetzt werden. Vgl. W i l l m a n n S. 830) 26. F. B e y e r l e (S. 752 82 ) 103f. Zum Gerüfte vgl. W. S c h u l z e , Berlinei SB. 1918 S. 484ff. B u r d a c h Vom MA. zur Reformation 3, 1 (1917) 166. 17 Vgl. B r u n n e r Fortleben des Toten (§ 61 n. 203) 22f. S c h r e u e r D. Recht der Toten 1, 380 n. (ZVglRW. 33 ) 2, 154ff. (ebd. 34). Das jüngere Recht ließ sich an eine? Nachbildung der Hand (wächserne Hand) genügen. 171 Über das Handhaftverfahren gegen städtische Gäste vgl. P l a n i t z , ZUG. 291 ff. 17 ' Vgl. S c h e r e r Klage gegen d. toten Mann 1909.
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Mittelalter.
Hatte man den Täter zwar mit Gerüft verfolgt, aber nicht oder doch erst später ergriffen, so konnte der Kläger ihn mit kampflichem Gruß ansprechen. In allen anderen Fällen konnte die Klage zwar ebenfalls mit Erhebung des Gerüfts begonnen werden, der Angeklagte hatte aber das Recht, sich durch Eid mit Eideshelfern zu reinigen. Blieb der Angeklagte auf wiederholte Ladung aus, so wurde er verfestet und auf Antrag des Verfestungsgeriehts durch das Königsgericht in die Reichsacht getan 18 . Wurde der Verfestete ergriffen, so wurde er wie ein auf handhafter Tat ertappter Verbrecher behandelt 19 . Zu den g e m i s c h t e n K l a g e n gehörte namentlich die Klage mit „Anfang", die zur Rückforderung entwendeter beweglicher Sachen diente und durchaus denselben Charakter wie in der vorigen Periode behalten hatte 20 . Ferner zählten dahin die Klagen wegen trockener Schläge oder Hautwunden (S. 837), wegen Bruches eines Treugelöbnisses (S. 800), sodann die Klage gegen den, der sich auf fremdem Acker der Pfändung erwehrte. Ferner nahm die peinliche Klage den Charakter einer gemischten Klage an, wenn sich ergab, daß die Tat unfreiwillig oder von einem Unzurechnungsfähigen begangen war. Das gemeinsame Merkmal aller gemischten Klagen bestand darin, daß sie für den abgewiesenen Kläger ebenso wie für den verurteilten 18 Vgl. S. 832. I n einer von V o g e l , ZRG. 15, 190f., veröffentlichten Ausk u n f t über das Ungehorsamsverfahren im Königsgericht wird unterscftieden zwischen causa personalis und causa realis. Die erstere (die peinliche Klage) führte zur Acht, die zweite (bürgerliche Klage) zur Anleite. Der Grund f ü r diese Unterscheidung lag darin, daß man bei bürgerlichen Klagen den Ungehorsam (überhcere, overhore) des Beklagten nicht mehr als ein Verbrechen, sondern als einen Verzicht auf die Verteidigung auffaßte und darum Sachfälligkeit eintreten ließ. Vgl. v. A m i r a 3 267. P l a n c k 2, 268ff. Über Acht und Anleite vgl. K o h l e r R o t t w . (S. 842 ) 82ff.; Fschr. Cohn l f f . G u t Leutkirch (S. 623) 61 ff. A. S c h u l t z e , ZDZivProz. 40, 340f. Bei der Klage um Eigen und Erbe wurde häufig n u r auf das Gut und alle, die es vertreten würden, geklagt. Vgl. V o g e l , ZRG. 15, 183. 187. 189. L o e r s c h S c h r ö d e r - P e r e l s Nr. 336. Uber overhore (Rechtsfolge prozess. Ungehorsams) vgl. P l a n i t z Zur sächs. Vollstreckungsgesch. 1914 (Fschr. Sohm) 19 Vgl. S. 833. Der Verfestete konnte, soweit die Verfestung reichte, weder Klagen erheben, noch sonst vor Gericht auftreten. 20 Vgl. S. 406ff. und die dort n. 96 Angeführten, S. 777f. A. L. S c h m i d t (S. 779 13 ) 7f. F. B e y e r l e Entw. (S. 828) 96ff. G o l d m a n n Tertia manus, ZRG. 52, 145ff. H e c k „ S c h u b " im Schwab. WB. 5, 1153. Wie nach dem sächsischen und langobardischen, so h a t t e auch nach bairischem Recht der Kläger dem Beklagten zu seinem Vordermann zu folgen, während der letztere nach dem Schwabenspiegel von dem Beklagten gestellt werden mußte. Vgl. S. 409. Ssp. I I 36 § 5. Schwsp. L. 317. Z ö p f l Altert. 2, 315f. L a b a n d 126ff. L o e r s c h - S c h r ö d e r P e r e i s Nr. 234. Wenn der Gewährsmann sich zu der Gewährschaft bekannte, so h a t t e er hier wie bei der Klage um Eigen die Rolle des bisherigen Beklagten zu übernehmen. Vgl. S. 409. 413. 848. Ssp. I I I 83 § 3. T a m a s s i a La defensio nei documenti medievali italiani 1904 (Arch. giur. 72, 3). Der Grund lag in der dem deutschen Recht fehlenden prozessualischen Stellvertretung. Abweisung der Anfangsklage bei Jahrmarktskäufen: vgl. Weist, v. S. Vith (hg. L o e r s c h ) 40. Der Fremde muß bei E r h a l t der eingeklagten Sacne eine Gerichtsabgabe leisten. Vgl. P l a n i t z , ZRG. 52, 257f.
§ 63. Gerichtsverfahren.
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Beklagten die Verfällung in Buße und Wette und für den Ungehorsamen Verfestung oder Acht nach sich zogen. Auf dem Gebiet des B e w e i s r e c h t s hatten das Gerichtszeugnis und der Inquisitionszeugenbeweis (S. 415) allgemein Eingang gefunden. Der letztere kam teils als bloßes Nachbarzeugnis, teils in weiterem Umfang als „Kundschaft" oder „Landfrage", bei streitigen Rechtsfragen auch als Einholung eines Weistums zur Anwendung. Eine außerordentliche Bedeutung hatte das Gerichtszeugnis erlangt, das entweder als amtliches Dingzeugnis des Richters und der Urteiler, oder als bloßes Dingmannenzeugnis vorkam, indem die Partei zur Bekräftigung ihrer Aussage einigp Gerichtspersonen als Zeugen zuzog21. Das friesische Recht kannte eigene Dingzeugen, die als amtliche Zeugen auch bei gewissen außergerichtlichen Akten zugezogen wurden (S. 612). Die Unscheltbarkeit des Gerichtszeugnisses war ein Hauptbeweggrund für die Ausbildung der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zumal seit der Einführung der Stadtbücher, Landtafeln und Gerichtsbücher21» (S. 767). Das sächsische Landrecht verlangte die Gerichtlichkeit zwar nur bei Immobiliarrechtsgeschäften unbedingt, ließ aber auch bei anderen Rechtsgeschäften kein anderes Beweismittel als das Dingzeugnis zu, während die übrigen Land- und die sächsischen Stadtrechte auch den Beweis durch außergerichtliche Zeugen gestatteten. Einen außerordentlichen Fortschritt machte das mittelalterliche Beweisrecht durch die Erweiterung des Urkundenbeweises, nachdem von Süddeutschland aus die Beweiskraft der Privatsiegel zur Anerkennung gelangt war 22 . Der in der vorigen Periode noch die Ausnahme bildende Eineid spielte im mittelalterlichen Verfahren eine bedeutende Rolle. Der Eid mit Eideshelfern 22 » 21 Hauptvertreter des eigentlichen Dingzeugnisses war der Sachsenspiegel, während der Schwabenspiegel nur das dem record des normannischen Rechtes entsprechende Dingmannenzeugnis kannte. Vgl. Brunner Gerichtszeugnis (S. 389) 135 ff. Wie sich der Urkundenbeweis aus dem Zeugenbeweis entwickelte, behandelt F o c k e m a Andreae Getuigen en schriftelijk bewijs (Versl. en meded. Afd. Letterk. 4de reeks deel 9 S. 367ff.). 21a Die Urbare, als einseitige Aufzeichnungen des Grundherrn, hatten bei Besitz- und Zinsstreiten keine Beweiskraft, wenn der Gegner sie anfocht. Da blieb nur Zeugenbeweis über Besitz und Herkommen übrig. Vgl. D o p s c h (S. 453) Einl. pg. 217f. 22 Vgl. S. 763ff. A. S. Schultze, Z. f. Pr.- u. öff. R. 22, 102ff.; ZDZivProz,. 22, 134f. In Österreich war im 15. Jh. ein eigentümliches gerichtliches Aufgebotsverfahren, das „Berufen von Brief und Siegel", gebräuchlich, durch das der Schuldner seine Gläubiger zur Vorlegung der Schulduikunden binnen bestimmter Frist, bei Vermeidung der Kraftloserklärung, auffordern konnte. Anfangs nur als Aufgebot der Nachlaßgläubiger, insbesondere der Juden, aufgekommen, hatte dies Verfahren später einen allgemeinen Charakter angenommen. Seit der Rezeption des römischen Rechts kam es, da es durch die Einführung der Verjährung überflüssig geworden war, außer Gebrauch. Vgl. Luschin, ZRG. 12. 46ff. 22a Dem Fremden (oder sonst Magenlosen), der keine Eidhelfer auftreiben kann, ist mit dem „Elendeneid" die Möglichkeit gegeben, die nötige Zahl von Hilfseiden selbst abzuschwören. Vgl. Rudorff (S. 843) 29ff A. S c h u l t z e , ZRG. 41, 505f. Liebermann Ags. 2, 382f. P l a n i t z , ZRG. 52, 245ff. v. Ktinßberg Sohwurfingerdeutung und Schwurgebärde, ZSchweizR.2 39 (1920) 384ff.
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Mittelalter.
erhielt sieh im allgemeinen nur im Strafprozeß, während sich die Eideshelfer bei bürgerlichen Klagen allmählich ganz zu Zeugen, die aus eigener Wissenschaft aussagten, umgestalteten 22 "; auch die Schreimannen bei handhafter Tat wurden nicht mehr als Eideshelfer (S. 396 36 ), sondern als Zeugen aufgefaßt. Das Beweismittel des gerichtlichen Zweikampfes behauptete sich, trotz allen Angriffen von seiten der Kirche, während des ganzen Mittelalters, nur in den Städten wurde es für Fremde allermeist, für Bürger vielfach beseitigt 220 , auch wurde die „kampfliche Ansprache" 22 " nur bei „kampfwürdigen" Ungerichten zugelassen. Kampfunfähige Personen konnten sich fines Kampfvormundes bedienen 22 e . Gegen Rechtlose kämpfte man nur durch Lohnkämpfer. Die einseitigen Gottesurteile des wallenden Kessels und glühenden Eisens kamen im Mittelalter nur noch in beschränkter Anwendung vor und verschwanden, von der Kirche lebhaft bekämpft, allmählich fast ganz 23 . Die U r t e i l s c h e l t e 24 trug in materieller Beziehung schon den'Charakter einer wahren Berufung, indem sie regelmäßig zu einer materiellen Entscheidung eines höheren Gerichts führte. Formell aber bedeutete sie immer noch einen Vorwurf des Schelters gegen den Urteilfinder und spielte sich daher nicht zwischen den eigentlichen Prozeßparteien, sondern als Zwischenprozeß des Schelters gegen den Gescholtenen ab; der letztere hatte, wenn die Schelte verworfen wurde, von seinem Gegner eine Buße zu beanspruchen. Die Schelte konnte von jedem Anwesenden, auch wenn er nicht Partei war, erhoben werden, nur Rechtlose, auf handhafter Tat Ergriffene, Geächtete und Verfestete waren ausgeschlossen. Die Schelte mußte in der Regel mit der Findung eines Gegenurteils verbunden und sofort nach dem Urteilsvorschlag, jedenfalls noch vor der Ausgabe des Urteils durch den Richter, eingelegt werden25. Erst in dem Rechtszuge an die städtischen Oberhöfe, 22b Vgl. die Entwicklung in Schweden, v. Schwerin Zur altschwedischen Eidhilfe 1919 (HeidelbSB.). Über Eidhilfe in Dithmarschen vgl. K öh le r (S. 804130) 18ff. 220 Vgl. P l a n i t z , ZRG. 52, 237ff. Dem Fremden ist die Kampfklage versagt, weil er kein Gerichtsgenosse ist. Deshalb ist er auch häufig vom Zeugnis ausgeschlossen. Vgl. P l a n i t z ebd. 249ff. 22d Zum kampflichen Gruß vgl. v. Amira Handgebärden 248f. Über das allmähliche Zurücktreten des Kampfes vgl. Pehr Zweikampf 1908 S. 14f. Zweikampf nur bei „ehrlichen" Sachen: F. Beyerle Unters. (S. 75282) 102f. 22e Zweikampf zwischen Mann und Frau ist Ausnahme; vgl. v. Künßberg Steintragen 45f.; ZRG. 46, 572. 23 Vgl. c. 1 - 3 X. de purg. vulg. V. 35; c. 20 C. II. qu. 5. MG. Const. 1, 515 (1195). v. Kries a. a. 0. 80ff. Planck 2, 144ff. G. Schreiber, ZRG. Kan. 5, 460ff. In den Hexenprozessen kamen Gottesurteile zum Teil noch sehr spät zur Anwendung. Ein eigentümliches Gottesurteil war das 'Wasserurteil' des Ssp. III 21 §2. Vgl. auch v a n K u i j k , TijdschrRG. 2, 528ff. 21 S. 400. 594. 632. Planck 1, 268ff. Zur Eidesschelte vgl. v. Amira Handgebärden 249. Bennecke 105ff. Neben der Urteilschelte erhielten sich noch einzelne Spuren des alten Reklamationsrechts als 'Ausheischen vor allem Urteil'. Vgl. n. 26. 25 Vgl. MG. Const. 1, 478 (1191). Planck 1, 274f. Die Einlegung der Urteilschelte vor der Vollbort war nicht unbedingt vorgeschrieben, doch hatte der Schelter
§ 63. Gerichtsverfahren.
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der vielfach auch für andere Gerichte vorbildlich wurde, gestaltete sich die Urteilsschelte zu einer wahren Berufung, nur daß in der zweiten Instanz in der Regel keine Wiederholung des kontradiktorischen Verfahrens stattfand, sondern die Entscheidung auf Grund eines schriftlichen Berichts des Untergerichts gefällt wurde 26 . Das Recht des Sachsenspiegels kannte noch eine altertümliche Berufung an die „vordere (rechte) Hand", die selbst gegenüber dem königlichen Hofgericht zulässig war und die Entscheidung durch einen gerichtlichen Kampf von Sieben gegen Sieben herbeiführte 27 . Das schon dem älteren Recht bekannte Betreibungsverfahren in Schuldsachen (S. 411) wurde in den Stadtrechten des Mittelalters vielfach fortgebildet. Es fand namentlich Anwendung, wenn ein gerichtliches Schuldbekenntnis oder eine Schuldurkunde mit Vollstreckungsklausel vorlag 2 8 . Von großer Bedeutung wurde die allmähliche Ausbildung des K o n k u r s p r o z e s s e s in den Städten 2 8 ". Anfangs kannte man eine Beschlagnahme des ganzen Vermögens nur in dem Falle der ,vorflucM'28h, fluchtsal28c, wenn der Schuldner sich aus dem Staub gemacht hatte, sodann bei überea, nachdem die Vollbort erteilt war, mit so viel mehr Gegnern, denen er im Falle seines Unterliegens Buße zahlen mußte, zu tun. Nach Einlegung der Schelte durfte der Richter keine Vollbort mehr einholen. Über die „Ausgabe" des Urteils, d. h. die rechtsverbindliche Verkündigung durch den Richter, vgl. P l a n c k 1, 301 ff. 28 Vgl. P l a n c k 1, 290ff. Michelsen Oberh. Lübeck 20ff. Tomaschek Oberh. Iglau Nr. 282. 284. MG. Const. 1, 355 § 7 (1173): Si quis mercator senserit se gravari contra iusticiam in loco minori, licentiam habeat appellationem faciendi ad maiorem, locum, a quo minor locus iusticie sue leges acceperat. Auch von sich aus konnte das niedere Gericht, wenn es des Rechtes nicht weise war, eine Entscheidung des Oberhofes einholen, die es dann statt eines eigenen Urteils verkündigte. Ebenso konnte jede Partei, bevor das Urteil gefällt war, auf ihre Kosten die Einholung eines Oberhofurteils verlangen. Im Bereich des Ingelheimer Oberhofes bezeichnete man dies (wohl ein Rest des alten Reklamationsrechts, vgl. S. 187. 613 n. 115) als 'Ausheischen vor allem Urteil'. Die Urteilschelte war hier nur zulässig, wenn dies im Urteil oder von der Partei bei Entgegennahme des Urteils durch eine Klausel (mit underdinge) vorbehalten worden war. Vgl. Loersch Ingelh. Oberhof 160ff. 27 Vgl. Ssp. I 18 § 3. Über den berühmten Austragskampf (vgl. § C2 n. 23) im Hofgericht des Kaisers Otto I (Widukind 2, 10) vgl. Simson, FDG. 25, 369ff. Gaupp Germ. Abh. 127. P l a n c k , Münch. SB. 1886 S. 164ff. Waitz 6 2 , 519. 28 Vgl. Skedl Mahnverfahren 7 ff. Nur in einem Teile des sächs. Rechts bleibt die gerichtl. Zwangsvollstreckung erhalten. Sonst überall wieder mehr oder weniger private Zwangsvollstreckung mit dem Grundgedanken, daß der Gegner friedlos sei. Vgl. P l a n i t z , ZRG. 47,52f. Vermögensvollstreckung 1,285ff. G. K i s c h Pfändungsklausel, ZRG. 48, 41 ff. 28a v_ Wysa G. d. Konkursproz. in Zürich 1845. Hellmann Konkursrecht d. Stadt Augsb. 1905 (v. Gierke U. 76; vgl. P e t e r k a , ZRG. 41, 485); Konkursr. d. Reichsstadt Ulm 1909 (Beyerle Beitr. 4, 1). K i s c h Arrestproz. 61 ff. P l a n i t z , ZRG. 47, 55ff. A. S c h u l t z e Gläubigeranfechtung u. Verfügungsbeschränkungen des Schuldners- in den d. Stadtrechten d. MA., ZRG. 54, 210ff. 2 8 6 Durch die Flucht hat der Bürger das Bürgerrecht verwirkt, sich zum Gaste gemacht, so daß gegen ihn der Fremdenarrest zur Anwendung kommt. G. K i s c h Arrestproz. 31. P l a n i t z , ZRG. 47, 49ff. Vgl. §63 n. 11. 2 8 0 Vgl. A. S c h u l t z e , ZRG. 54, 222f.
Mittelalter.
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schuldetem Nachlaß, für den sich kein Erbe fand. Erst später gelangte man dazu, das gleiche Mittel auch gegenüber dem anwesenden, bloß fluchtverdächtigen Schuldner anzuwenden. Anfangs hatte die Priorität der Beschlagnahme für die Rangordnung der Gläubiger entschieden, allmählich kam man aber dahin, die sämtlichen Gläubiger als eine Genossenschaft zu behandeln, was ihre Befriedigung nach Verhältnis (nach marlczal, nach advenante) zur Folge hatte. Schon Ende des 13. Jahrhunderts kommen hie und da auch Zwangsvergleiche vor, zu denen die Minderheit der Gläubiger durch die Mehrheit (nach Köpfen und Beträgen) genötigt werden konnte 29 . In S t r a f s a c h e n trat im späteren Mittelalter die Verpflichtung des Gerichts, sich von Amts wegen 29 " um die Verfolgung der Verbrecher und die Ermittlung der Wahrheit zu kümmern, mehr in den Vordergrund. War die „leibliche Beweisung" (schtn, blickender schiri) früher nur als gerichtlicher Augenschein vorgekommen 30 , so kam nun auch die Aufnahme des Augenscheins an Ort und Stelle durch Abgesandte des Gerichts und bei unnatürlichen Todesfällen die Veranstaltung einer gerichtlichen Totenschau (Fahrrecht) in Gebrauch 31 . Das Rügeverfahren 32 gelangte in den kirchlichen Sendgerichten wie in den westfälischen Femgerichten zu besonderer Entwicklung, aber auch in den echten Dingen und den Dorfgerichten hatten die Dinggenossen neben ihrer Dingpflicht der Rügepflicht zu ge29
Vgl. Meklenb. UB. 4 Nr. 2646. K o h l e r Konkursrecht 34f. S t o b b e a. a. O. 76 ff. 29 a Subsidiäres Klagerecht der Richter bestand beim 'Elendenmord', d. h. wenn keine Angehörigen da waren. Freiberg. St.-R. c. 30. Ruprecht v. Freis. (Kn.) 28. Vgl. R u d o r f f (S. 843) 33. P l a n i t z , ZRG. 52, 234. Ztschr. d. hist. V. Marienwerder 51, 56f. Beispiele für subsidiäres Klagerecht jedes Volksgenossen bei O p e t Popularklage (S. 843). 30 Dahin wird vielfach auch das Bahrgericht oder die Bahrprobe (tom schine gari) gezählt, das auf dem Glauben beruhte, daß die Wunden eines Erschlagenen beim Herantreten des Totschlägers frisch zu bluten anfingen. Anscheinend war es ursprünglich kein Rechtsinstitut, sondern nur ein allgemeines Mittel, dem Verdacht, der Täterschaft durch das eigene Zeugnis des Getöteten ein bestimmtes Ziel zu geben, und hat sich von da aus zum Teil in der Richtung der leiblichen Beweisung weiter ausgestaltet. Vgl. K. L e h m a n n Das Bahrgericht (Abh. für K. Maurer 1893 S. 23ff.); KritVjschr. 1902 S. 502ff.; ZVolksk. 1896, 208f. Chr. V. C h r i s t e n sen Baarepreven 1900. L u p p e Kieler Varbuch 40f. U n g e r , ZVolksk. 1896, 284ff. F r e n s d o r f f , HansGBl. 1916, 76. P a p p e n h e i m , ZRG. 35, 399ff. R . H a n sen Zum Schein gehen, QSchlesw.-HolstG. 7 (1919) 217ff., ZRG. 54, 504. D i s t e l , ZRG. 19, 188. B r e e n Rbr. d. stad Amsterdam (1902) 624. v a n K u i j k , Tijdschr. v. RG. 2, 536 ff. 31 Vgl. v. K r i e s 128ff. B e n n e c k e 76f. S c h r ö d e r , Neue Heidelb. JB. 1, lOff. P e t e r s e n , FDG. 6, 264ff. L u p p e Kieler Varbuch 38ff. Schiller u. L ü b b e n Mittelnd. WB. 5, 207. H a c h Das alte lübische Recht S. 144. UB. d. Stadt Lübeck 2 Nr. 1099 (1347). Das Fahrrecht ist wohl aus dem Vorverfahren, durch das man zu hindern suchte, daß eine handhafte Tat übernächtig würde, hervorgegangen. Vgl. E c k e r t Fronbot« 43. 93f. 32 Vgl. S. 413. 630. 634. Rieh. S c h m i d t Die Herkunft d. Inqu.-Prozesscs, Freib. Fschr. f. Großherzog Friedrich v. Baden 1902 (vgl. v. V o l t e l i n i , ZRG. 38, 348). H i n s c h i u s KR. 5, 343ff. 481ff. Über den Femprozeß vgl. oben S. 625ff.
§ 63. Gerichtsverfahren.
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nügen 33 . Hie und da kamen bereits Ankläger von Amts wegen vor 34 . Vor allem aber bestand ein Bedürfnis, das Gewohnheitsverbrechertum der Raubritter und der städtischen Gaunerwelt zu bekämpfen. Wenn auch die Ausdrücke ,schädlicher man1, ,homo nocivtisi, Jiomo damnosus' sich nicht auf diese Gruppen beschränkten 35 , sondern den Missetäter als malefactor schlechtweg bezeichneten, so waren doch größtenteils die Gewohnheitsverbrecher damit gemeint, und mit „schädliche Häuser" deren Unterschlupfe, die der Wüstung verfielen3511. In Weiterentwicklung des Verfahrens bei handhafter Tat wurde auch der später festgenommene Verbrecher, dessen Tat nicht handhaft, aber gemeinkundig war, vom Ankläger unter Erhebung des Gerüftes, mit sechs Eidhelfern (an Stelle von Schreimannen) überführt, „übersiebent", ohne sich reinigen zu können. Wurde die Anklage von Amts wegen erhoben, so sprach man von ,des Landes schädlichem Mann', ,des Landes schädlichem Haus'. Noch mehr trat das Offizialverfahren bei der „Landfrage" (seit Einführung des heimlichen Verfahrens auch „stille Frage") hervor. Diese fand seit der zweiten Hälfte des 13. Jh. namentlich in Baiern und Österreich Eingang und bestand darin, daß der Landesherr kraft seines Inquisitionsrechts die Bevölkerung oder bestimmte Kreise zur Anzeige aller als gewohnheitsmäßige Raubritter verrufenen Personen aufforderte, also reines Rügeverfahren von Amts wegen, ohne voraufgegangene Klage. Um die gerügte Person zu „übersagen", genügte die eidliche Erklärung von sieben Anwesenden, daß sie ihnen als schädlicher Mann „kund und gewissen" sei (daher die gewizzen, geivizzende). Das Urteil erfolgte auf die Übersiebenung hin, ohne Anhören des Beschuldigten; war er anwesend, so wurde er als Landfriedensbrecher sofort gerichtet; der Abwesende galt als geächtet. Auch dieses Verfahren konnte auf Raubhäuser angewendet werden. 33
Vgl. Siegel Das pflichtmäßige Rügen auf den Jahrdingen, Wien. SB. 125 (1891). Bennecke 24ff. 35f. Warnkönig Flandr. RG. 3, 1 S. 332ff. F o c k e m » Andreae 81 ff. 31 Vgl. n. 29a. Bennecke 36. Mayer a. a. O. 1, 215ff. Fockema Andreae 71. His MA. 1, 378f. Thomas Oberhof Frankfurt 373 (1411). Fr. Beyerle (S. 75282) 103ff. Willmann Strafg. (S. 830) 38f. 35 Zallinger Verfahren gegen die landschädlichen Leute 1895, nahm ein eigenes Schädlichkündigungsverfahren an. Diese Ansicht ist von R. Schröder, HistZ. 1911 S. 372f. (gegen 5. Aufl. dieses Lehrbuchs S. 796f.) aufgegeben. Vgl. Knapp Würzb. Zenten 2,464ff. Übersiebnen der schädl. Leute 1910. K. O. Müller Zur G. d. peinl. Prozesses in Schwaben 1910 (vgl. F. Beyerle, VjschrSozWG. 1913, 608ff.). P l a n i t z , ZRG. 45 (1911) 529ff. 47, 428f. 52, 300. Knapp, Arch. Strafr. 63, 258ff. 64. 329ff. 66, 237. Coulin Wüstung (S. 828) 488ff. Burdach Vom MA. zur Ref. III 1, 160f. Wolff Augsb. (S. 843) 1299f. E. Mayer, Arcb. Strafr. 64, 312ff. will Zallingers Ansicht wenigstens bis ins 14. Jh. festhalten. 35a Coulin Wüstung 418ff. Inwiefern die mit der Reichsacht verbundene Fronung und Wüstung zur Zerstörung von Ortschaften geführt hat, ist ungewiß. Vgl. Lappe RG. d. wüsten Marken 11. Ein geschichtliches (oder sagenhaftes?) Beispiel für Wüstung eines Hofes wegen Straßenräuberei aus dem 16. Jh. bei Häberle Wüstungen der Rheinpfalz 1921 (Mitt. Pfalz) 79. B. S c h r ö d e r - v . K ü n a b e r g , Dentsche Kechtsgeschichte.
6. Aufl.
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Mittelalter.
Die seit dem 14. J h . aus den romanischen Ländern eingeführte F o l t e r diente bei handhafter T a t wie bei bösem Leumund vielfach als E r s a t z der Übersiebenung, namentlich, seit, entgegen dem älteren Recht, nicht bloß das gerichtliche Geständnis, sondern auch die außergerichtlich (auf peinliche Frage) erfolgte urgiht als ausreichender Beweis f ü r die Verurteilung angesehen wurde. Schließlich kam m a n in den Städten dahin, ü b e r h a u p t von Geständnissen und formellen Beweismitteln abzusehen, wenn die Mehrheit des Rates sich durch einen formlosen inquisitorischen Schädlichkeitsbeweis überzeugt hatte, daß der Angeschuldigte für einen schädlichen Mann zu erachten sei 36 . Der darüber ausgestellte Leumundsbrief bildete eine ausreichende Grundlage zur Verurteilung im Hauptverfahren. So endigte eine von Hause aus gesunde u n d durch die Umstände gebotene Entwicklung mit einer jedem Rechtsgefühl hohnsprechenden E n t a r t u n g . Einen besonders verderblichen Auswuchs des Inquisitionsverfahrens bildeten die Hexenprozesse 3 7 , deren Höhepunkt allerdings erst der Neuzeit angehört, deren führendes Buch, der Hexenhammer (Malleus maleficarum) der päpstlichen Inquisitoren Institoris und Sprenger, aber noch im 15. J h . erschien (1486). 36 Ähnlich die „stillen Wahrheiten" der niederländischen Gerichte. Vgl. Fockema Andreae Het bewijs in strafzaken 8öif. J. v. Gierke Deichrecht 2, 564ff. His MA. 1, 382. 37 Vgl. Hansen (§ 62 n. 24); Quellen u. Untersuchungen zur G. d. Hexenwahns u. d. Hexenverfolgung im MA. 1901. Soldan-Heppe Gesch. d. Hexenprozesse3, hg. Bauer 1912. Knapp, WtirzbZ. 2, 557ff. Byloff Das Verbrechen der Zauberei 1902. Ammann Eine Vorarbeit des Heinr. Institoris f. d. Malleus malef., MJÖG. Erg.-Bd. 8 (1911) 461 ff. J. W. B. Schmidt Der Hexenhammer . . . übertragen und eingeleitet 1906. Über das Wort Hexe, ahd. hagazussa (HegeElbin) vgl. Güntert, Kalypso 1919, 117ff.
Vierte Periode.
Die N e u z e i t . Erster Abschnitt. Bis zur Auflösung des Reiches. Zemmer Quellensammlung (S. 11), 2. Teil. Neue u. vollständige Sammlung der Reichsabschiede, 4 Teile 1747 (häufig angeführt nach dem Verleger K o c h oder den Herausgebern S e n c k e n b e r g u. S c h m a u s s , auch unter dem Namen von Olenschlager). K l u c k h o h n u. W r e d e Deutsche Reichstagsakten, jüngere Reihe, 1893ff. Die R«gisterbüeher Karls V 1. 1913. L ü n i g Teutsches Reichsarchiv, 24 Teile 1 7 1 0 - 2 2 . G e r s t l a c h e r Handb. d. Reichsgesetze, 11 Teile 1786 bis 1793. E i c h h o r n Staats-u.RG. 4. 1844. D a n i e l s Handbuch 2, 2 S.281ff. 3 S. 1 - 2 5 6 . 520. R a n k e Deutsche G. im Zeitalter der Reformation, 6 Bde. 1882; Zur deutschen G. vom Religionsfrieden bis zum 30jährigen Kriege 2 1874. J a n s s e n G. des deutsch. Volkes seit dem Ausgang des MA., 8 Bde. 1879—94; Erläuterungen u. Ergänzungen, 4 Bde. her. v. P a s t o r 1900— 05. L a m p r e c h t Deutsche G. 5. 1894. B a c h m a n n Deutsche Reichs-G. unter Friedrich I I I und M a x i , 2 Bde. 1884—94. v. K r a u s u. K ä s e r Deutsche G. im Ausgang des MA., 2 Bde. 1905—12. U l m a n n Kaiser Maximilian I , 2 Bde. 1884—91. F u e t e r G. d. europ. Staatensystems 1492—1559. 1919. Cornelius Über die deutsch. Einheitsbestrebungen im 16. J h . 1862. G o t h e i n Politische und religiöse Volksbewegungen vor der Reformation 1878. Wolf Quellenkunde der deutschen Reformation, 2 Bde. 1915f. B a u m g a r t e n G. Karls V, 3 Bde. 1 8 8 5 - 9 2 . v. B e z o l d G. der deutsch. Reformation 1890; Staat u. Gesellschaft des Reformationszeitalters 1908. E g e l h a a f Deutsche G. im 16. Jh., 2 Bde. 1889—92. R i t t e r Deutsche G. im Zeitalter der Gegenreformation u. d. 30jähr. Krieges, 3 Bde. 1889—1903. Mentz Deutsche G. 1493—1648. 1913. A. S c h u l t e Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, 2 Bde. 1892. E r d m a n n s d ö r f f e r Deutsche G. von 1648—1740, 2 Bde. 1892— 93. O. Weber Deutsche G. vom westf. Frieden b. z. Untergang d. röm. deutschen Reichs 1913. v. Z w i e d i n e c k - S ü d e n h o r s t Deutsche G. im Zeitraum d. Gründung des preußischen Königtums, 2 Bde. 1890 bis 1894. Guglia Maria Theresia, 2 Bde. 1917. H e i g e l Deutsche G. v. Tode Friedrichs d. Gr. b. z. Auflösung des alten Reiches, 2 Bde. 1899—1911. K o s e r König Friedrich d. Gr. 2 , 2 Bde. 1 9 0 1 - 0 3 . W. Oncken Zeitalter Friedrichs d. Gr., 2 Bde. 1880—82; Zeitalter der Revolution, des Kaiserreichs u. d. Befreiungskriege, 2 Bde. 1884— 87. H ä u s s e r Deutsche G. vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zur Gründung des deutschen Bundes3, 4 Bde. 1861—63. v. G i e r k e Genossenschaftsrecht 1, 638ff. 4 (1913). J a n s e n Stud. z. Fuggergeschichte 1907ff. R. E h r e n b e r g Zeitalter der Fugger, Geldkapital und Kreditverkehr im 16. Jh., 2 Bde. 1896. S o m b a r t Der moderne Kapitalismus2, 2 Bde u. Register 1916/17. 55*
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Neuzeit bis zur Auflösung des Reiches.
H ä r t u n g Deutsche Verfassungsgesch. vom 15. J h . bis zur Gegenwart 1914 ( M e i s t e r s Grundriß). P ü t t e r Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung des Deutschen Reichs 3 , 3 Bde. 1798—99. v. B u c h w a l d Gesellschaftsleben im endenden Mittelalter, 2 Bde. 1886—87. B r e m e r Franz von Sickingens Fehde gegen Trier und ein Gutachten Cantiunculas 1885. F r e i s e n Verfassungsgesch. d. kathol. Kirche in der Neuzeit 1916. B e r g h a u s Deutschi, vor 100 Jahren, 2 Bde 1859—60; Deutschi, vor 50 Jahren, 3 Bde. 1861-62. B ü s c h i n g Erdbeschreibung', Bd. 5—9 (1789—92). P e r t h e s Das deutsche Staatsleben vor der Revolution 1845; Politische Zustände u. Personen in Deutschi. z. Z. der franz. Herrschaft, 2 Bde. 1861—69. S i e v e k i n g Grundz. d. neueren Wirtschaftsgesch. vom 17. Jh. bis zur Gegenwart 2 1915 ( M e i s t e r s Grundriß). S c h m o l l e r Zur G. der nationalökonom. Ansichten in Deutschi, während der Reformationsperiode, Z. f. St.-W. 16, 461 ff. H a n s e r Deutschland nach dem 30jähr. Kriege 1862. I n a m a - S t e r n e g g Volkswirtsctiaftl. Folgen des 30jähr. Krieges, Hist. Taschenb. 1864. G o t h e i n Die oberrhein. Lande vor u. nach d. 30jähr. Kriege, ZGO. 4, 1 ff.; Ein Colloquium von etlichen Reichstagspunkten 1893.
Erstes Kapitel.
Die allgemeinen Verhältnisse. § 64. Das Reichsgebiet. H. C o n r i n g De finibus imperii Germanici 1654. S p r u n e r - M e n k e Handatlas Bl. 43— 47, Vorbemerkungen S. 17. 27. 30ff. L a n c i z o l l e Übers, d. deutsch. Reichsstandsch.- u. Territorialverhältnisse 1830. E r d m a n n s d ö r f f e r D. G. 1, 28ff. 404ff. 654ff. 658ff. A. S c h u l t e (S. 857) 1, 455ff. D a n i e l s Handb. 4, 520ff.; Statist. Mitteilungen über Eis.-Lothringen, 26: Die alten Territorien des Elsaß 1648 (1896); 28, 1: Die alten Territorien des Bezirks Lothringen 1648 (1898). Die Schweizer Eidgenossenschaft 1 , die dem Reichskammergericht die Anerkennung verweigerte und sich seit 1495 tatsächlich nicht mehr als zum Reich 1 » gehörig betrachtete, schied durch den westfälischen Frieden auch rechtlich aus dem Reichsverband aus. Frankreich erwarb durch den westfälischen Frieden die schon 1552 in Besitz genommenen Bistümer Metz, Toul und Verdun nebst der Reichsstadt Metz, sodann den habsburgischen Besitz im Elsaß und die Landvogtei über zehn im Elsaß belegene Reichsstädte 2 . Die auf Grund gewaltsamer Auslegung an diese Abtretungen geknüpften „Reunionen" Ludwigs X I V brachten das ganze 1 JPO. Art. 6. Vgl. U l m a n n (S. 857) 1, 649—803. H e u s l e r Schweizerische Verf.-G. 1920 S. 143, 247ff. S t e h l i n Die Exemtionsformel zugunsten der Schweiz im westf. Frieden, AiizSchweizG. 1917, 35f. Vgl. femer oben S. 428 16 , dazu S t u t z Die Schweiz in der deutschen Rechtsgeschichte (BSB. 1920). K. M e y e r Der Schwurverband als Grundlage der urschweizerischen Eidgenossenschaft, AnzSchweizG. 1919,183ff.; Italienische Einflüsse b. d. Entstehung d. Eidgenossenschaft, JbSchweizG. 45 (1920) l*ff. A. S c h u l t e Fürstentum u. Einheitsstaat 1921 S. 19f. la Über die Formeln „Heiliges römisches Reich deutscher Nation" und „Kaiser und Reich" vgl. §,69. 8 J P . Munster. §§ 73 f. 87.
§ 64. Reichsgebiet.
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Elsaß an Frankreich, das sich 1681 ohne jeden Rechtstitel auch in den Besitz der Reichsstadt Straßburg setzte und durch den Ryswiker Frieden von 1697 die Anerkennung seines Raubes erhielt 3 . Die Herzogtümer Bar und Lothringen wurden 1735 an Frankreich abgetreten und gelangten 1766 endgültig in dessen Besitz4. Der burgundische Kreis kam nach dem Tode Karls V an die spanische Linie des habsburgischen Hauses, wodurch seine Verbindung mit dem Reich wesentlich gelöst wurde. Durch die Losreißung der sieben nördlichen niederländischen Provinzen von Spanien entstand 1581 die Republik der Vereinigten Wiederlande („Generalstaaten"), die sich nicht mehr als Teil des Reiches betrachtete und durch den westfälischen Frieden in ihrer internationalen Selbständigkeit anerkannt wurde, während die spanischen Niederlande nach dem Aussterben der spanischen Linie durch den Rastatter Frieden (1714) an Österreich zurückkehrten, das aber wichtige Teile nebst der Freigrafschaft an Frankreich abtrat. Schweden erhielt durch den westfälischen Frieden Vorpommern und Rügen, Wismar und die Bistümer Bremen und Verden; doch schieden die schwedischen Erwerbungen nicht aus dem Reichsverband aus, da die Krone Schweden sie vom Kaiser als Reichslehen empfing und als Reichsstand Sitz und Stimme im Reichstag erhielt®. Die französischen Erwerbungen waren ausdrücklich unter Vorbehalt der in den abgetretenen Gebieten bestehenden Rechte deutscher Reichsstände erfolgt; doch sahen sich die letzteren, soweit sie von den Reunionen verschont blieben, im Lauf der Zeit sämtlich genötigt, für ihre im Machtbereich Frankreichs belegenen Besitzungen die Oberlehnsherrlichkeit des französischen Königs anzuerkennen, wofür ihnen die ungestörte Ausübung ihrer Herrschaft zugesichert wurde6. Nachdem die französische Revolutionsgesetzgebung (1789—90) gleichwohl die Einverleibung der fraglichen 3
Pax Ryswio. Art. 4 16f. (N. Samml. 4, 165. 167). Die Reichsstadt Mülhausen, seit 1515 im Bund mit der Eidgenossenschaft, wurde erst 1798 von Frankreich einverleibt. * N. Samml. 4, 420. Vgl. F i t t e Das staatsrechtl. Verhältnis des Herzogt. Lothringen z. deutsch. Reich seit 1542 (Beiträge z. Landes- u. Volkeskunde von Els.-Lothr. 14. 1891). Auerbach La France et le Saint Empire Romain Germanique depuis la paix de Westph. jusqu'à la révolution française 1912 (vgl. v. Srbik, MJÖG. 36, 728). 5 JPO. Art. 10. Durch den Stockholmer Frieden von 1720 wurde Vorpommern bis zur Peene (Altvorpommern) an Preußen abgetreten, so daß Schweden hier auf Neuvorpommern und Rügen beschränkt blieb. 6 Württemberg besaß die Grafschaften Mömpelgard und Horburg; PfalzZweibrücken die Grafschaften Rappoltatein und Lützelstein nebst den Ämtern Bischweier und Sulz; Hessen-Darmstadt die Grafschaft Hanau-Lichtenberg und Herrschaft Ochsenstein; Baden das Amt Beinheim und die luxemburgische Herrschaft Rodemachern; Wied die Grafschaft Kriechingen; Nassau einen Teil der Grafschaft Saarwerden und die Vogtei Drülingen. Dazu kamen die Grafschaft Salm mit der Herrschaft Diemeringen, die Abteien Weißenburg und Münster, die Stifter Murbach und Romainmoutier, die Deutschordensballeien Elsaß und Lothringen, endlich Besitzungen und Gerechtsame der Bischöfe von Straßburg, Speier und Basel.
Neuzeit bis zur Auflösung des Reiches.
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Gebiete in Frankreich verfügt hatte, kam es 1792 zu dem Revolutionskriege, dessen kläglichen Ausgang der Luneviller Friede (9. Februar 1801) bildete. Durch diesen wurde das gesamte linke Rheinufer an Frankreich abgetreten, den dadurch benachteiligten Herrscherhäusern aber eine Entschädigung durch die Mediatisierung nichterblicher Territorien und Städte in Aussicht gestellt, zu deren Ausführung der Reichstag eine außerordentliche Deputation einsetzte. Der von dieser verfaßte Entwurf oder ,.Hauptschluß" wurde dem Reichstag am 23. Dezember 1802 seitens des Kaisers zur Beschlußfassung unterbreitet und mit einigen Veränderungen am 24. März 1803 zum Reichsgutachten erhoben. Die kaiserliche Bestätigung erfolgte am 27. April; nur die Beschlüsse über die neue Stimmenverteilung im Reichstag hatten die kaiserliche Ratihabition nicht erhalten. Das Gesetz behielt die Bezeichrtung „Reichsdeputationshauptschluß" (RDHSchl.) 6 a ; es hat die dauernde Grundlage für die weitere Territorialgestaltung innerhalb des Reiches abgegeben. Die wenigen oberhoheitlichen und lehnsherrlichen Rechte, die dem Kaiser bis dahin noch über Italien verblieben waren, wurden durch Art. 11—13 des Luneviller Friedens zugunsten der von Napoleon errichteten italienischen Freistaaten vollends aufgehoben. Den Gebietsverlusten des Reiches im Westen standen gewisse Gebietserweiterungen, wenn auch nicht des Reiches, so doch der beiden bedeutendsten Reichsstände im Osten gegenüber. Der deutsche Orden hatte in den polnischen Friedensverträgen von Thorn (1411) und Nassow (1466) nur seine altpreußischen Eroberungen im Osten der Weichsel, unter Anerkennung der polnischen Lehnshoheit, zu behaupten vermocht, während das ganze übrige Ordensland (Culmer-, Marienburger- und Ermland, das Danziger Gebiet und alle Gebiete links der Weichsel) als Polnisch-Preußen in unmittelbar polnischen Besitz gelangte 7 . Nachdem der Ordensmeister Albrecht von Brandenburg sich der evangelischen Lehre angeschlossen hatte, verwandelte er den bisherigen Ordensstaat mit Zustimmung seines Lehnsherrn und der meisten Ordensritter in ein weltliches, von Polen lehnrühriges Herzogtum Preußen (1525), das nach dem Aussterben desherzoglichen Hauses (1618) kraft einer 1569 erfolgten Mitbelehnung auf 6a
Gedruckt bei Zeumer Quellensammlung2 Nr. 212. Die Aufnahme des Deutschordens in den Reichsverband (Augsburger RA. von 1500, N. Samml. 2, 83, vgl. Ulmann a. a. O. 2, 510ff.) hatte eine praktische Bedeutung nur für die innerhalb der alten Reichsgrenzen belegenen Besitzungen des Ordens. Der Orden der Schwertbrüder in Kur-, Liv- und Estland, seit 1513 unter einem selbstgewählten Heer- oder Herrenmeister, löste sich 1561 auf. Rußland behielt das eroberte Dorpat, Estland kam an Schweden, die Insel ösel an Dänemark, Livland mit Riga an Polen, Kurland mit Samogitien nahm der letzte Heermeister als erbliches Herzogtum von der Krone Polen zu Lehen. Vgl. Ritter a. a. O. 1, 241 ff. Hausmann Über das Verh. des livl. Ordens z. röm. deutschen Reiche im 16. Jh., Balt. Monatsschr. 1907, lff. Seraphim G. Livlands 1 (bis 1582) 1906. 7
§ 64. Reichsgebiet.
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das Kurhaus B r a n d e n b u r g überging8. Durch den Wehlauer Vertrag von 1657, bestätigt durch den Frieden von Oliva (1660), verzichtete der König von Polen auf seine Lehnsherrlichkeit und erkannte den Kurfürsten von Brandenburg als unumschränkten Herrn des souveränen Herzogtums Preußen an. Noch in demselben Jahr erhielt der große Kurfürst die Herrschaften Lauenburg und Bütow von Polen zu Lehen, die Starostei Draheim zu Pfandrecht. Auf Grund seines souveränen preußischen Besitzes setzte sich Kurfürst Friedrich III am 18. Januar 1701 zu Königsberg als „König in Preußen" die Krone aufs Haupt®. Als Teil der oranischen Erbschaft gelangte 1707 die Grafschaft Neuenburg (Neuchätel)9» samt Herrschaft Valengin, im Frieden von Utrecht 1713 Obergeldern in preußischen Besitz. Die schlesischen Herzogtümer, die mit dem Reich bis dahin nur als Lehen der Krone Böhmen verbunden gewesen und später seitens des österreichischen Hauses gegenüber den preußischen Erbansprüchen als heimgefallene Lehen behandelt worden waren, wurden durch den Berliner Frieden (1742) bis auf das Fürstentum Teschen nebst Troppau (Österreichisch-Schlesien) mit Preußen vereinigt. Ebenso die Grafschaft Glatz. Alle lehnsherrlichen Rechte, die der Krone Böhmen von alters her an diesen und einigen anderen preußischen Landesteilen zugestanden hatten, wurden durch denselbenVertrag aufgehoben. Durch die erste Teilung Polens 10 (1772) erwarb Preußen die 1411 und 1466 an Polen verloren gegangenen preußischen Ordenslande (Westpreußen, Ermland, Culmerland, Elbing) und den Netzedistrikt (Teile der Woywodschaften Posen, Gnesen und Inowrazlaw). Danzig und Thorn blieben noch bei Polen. Die Lehnsherrlichkeit der polnischen Krone über Lauenburg und Bütow, ihr Pfandlöserecht an der Herrschaft Draheini und das früher vorbehaltene Heimfallsrecht am Herzogtum Preußen wurde aufgehoben. Der König nahm nach Ratifikation der Abtretungen durch den polnischen Reichstag statt des bisherigen Titels den Titel „König von Preußen" an. Die zweite Teilung Polens (1793) brachte die Städte Thorn und Danzig sowie den größten Teil von Großpolen („Südpreußen") in preußischen Besitz. Die dritte polnische Teilung (1795—97) fügte Warschau und die Gebiete Neu-Ostpreußen und Neu-Schlesien hinzu, doch gingen diese Erwerbungen samt einem Teil von Südpreußen durch den Tilsiter Frieden (1807) wieder verloren. 8 Die Besitzungen des Ordens innerhalb des Reiches wurden den katholisch verbliebenen Ordensrittern unter einem Hoch- und Deutschmeister mit dem Sitz zu Mergentheim vorbehalten. 9 Vgl. E r d m a n n s d ö r f f e r a. a. O. 2, 119ff. J o h n Ehrenrechte d. preuß. Königs, Diss. Greifsw. 1911. S t e t t i n e r Zur G. d. preuß. Königstitels u. der Königsberger Krönung 1900. G i e s e Preuß. RG. 1920 S. 39f. 9a E i e r t Behördenorganisation von Neuchâtel zur Zeit des Übergangs unter preuß. Herrschaft (1707-13) 1914 (ZSchweizR. 56). H e u s l e r Schweiz. VG. 172ff. 347. 361. B o r e l Le conflit entre les Neuchâtelois et Frédéric le Grand sur la question do la ferme des impôts du pays de Neuchâtel 1766—68. 1898. 10 K u t r z e b a - C h r i s t i a n i Grundr. d. poln. Verf.-G. 8 1912.
Neuzeit bis zur Auflösung des Reiches.
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Ö s t e r r e i c h hatte durch die erste polnische Teilung ganz Galizien und Lodomerien erworben, sich aber von der zweiten Teilung ferngehalten. Bei der dritten Teilung nahm es das sog. Neugalizien bis zum Bug, hat davon aber nur das Krakauer Gebiet behalten, während das übrige später an Kußland verloren ging. Das Fürstentum Bukowina gelangte 1775 in österreichischen Besitz.
§ 65. Die Reichsreform. Z e u m e r Qu.-Samml.2 Nr. 173ff. U l m a n n (S. 857) 1, 2 9 2 - 403. 2, l f f . 76ff. 260ff. 561 ff. v. Gierke Genossenschafter. 3, 568ff. v. Below Reichsreform 1912. v. Bezold (S. 857) 55ff. H ö f l e r Über die politische Reformbewegung in Deutschland im 15. Jh. und den Anteil Baierns an derselben 1850. T r e u m a n n Die Monarchomachen, Darstellung der revolutionären Staatslehren des 16. Jh. 1895. H ä r t u n g D. Reichsreform 1485-95, HistVjschr. 1913, 24ff. 181 ff.; Verf.-G. 7ff. v. S c h u b e r t Reich u. Reformation 1910 (Heidelb. Rede). Molitor Die Reichsreformbestrebungen des 15. Jh. bis z. Tode K. Friedr. III 1921. Vgl. §§ 69. 74.
Die wiederholten Versuche einer Reichsreform unter Kaiser Sigmund 1 , vornehmlich auf dem Gebiet des Landfriedens und des Gerichtswesens, waren erfolglos geblieben, auch der kräftige Reformanlauf in dem Nürnberger Landfrieden Albrechts II von 1438, der bereits auf der Kreisverfassung beruhte, eine allseitige Verbesserung der Rechtspflege anstrebte und die Fehde dauernd zu beseitigen suchte, hatte wegen des frühen Todes des vielversprechenden Königs keinen Erfolg2. Von einem schwachen und indolenten Herrscher wie Friedrich III 2 » war nichts zu hoffen. Reformvorschläge kamen von den verschiedensten Seiten, so von dem späteren Kardinal Nicolaus Cusanus (von Kues an der Mosel) in seiner 1433 vollendeten Schrift „De concordantia catholica"3, von Herzog Ludwig3» dem Reichen von Baiern (f 1479) durch die Feder des Dr. Martin Meier4 und, in revolutionärer Weise, 1438/39 in der sogenannten „Reformation des Kaisers Sigmund" von einem Augsburger Leutpriester Friedrich®. 1
Über die Reformbestrebungen auf den Reichstagen von Basel (1433), Regensburg (1434) und Eger (1437) vgl. Q u i d d e Deutsche Reichstagsakten 11 pg. 28f. 45. 12 pg. 42ff. Smend Reichsreformprojekt aus dem Schriftenkreise des Basler Konzils, NArch. 32, 746ff. K r e i ß l e Die Versuche e. deutschen Reichsreform unter Rupr. v. d. Pfalz u. Siegmund, Progr. Teschen 1907. M o l i t o r 77ff. 2 Ausgabe: Z e u m e r Qu.-Samml. 2 Nr. 165. 2 » Vgl. W e r n e r Die sog. Reformation K. Friedr. III, WestdZ. 1909f. L o s e r t h HistZ. f. Steierm. 9. 3 Vgl. Allg. Deutsche Biographie 4, 655ff. (Prantl). Siegel RG. 3 119f. M o l i t o r Nicolaus von Cues und die deutsche Rechtsgeschichte, ZRG. 53,273ff. Wolf Quellenkunde z. Ref.-G. 1, 105f. 276ff. M o l i t o r Reformbestr. 52ff. 31 Wolf Quellenkunde z. Ref.-G. 1, 73. 1 Bei H ö f l e r a. a. O. 37ff. 8 Herausgegeben und erläutert von Böhm (1876) und W e r n e r (1908), die teils den Schwaben Friedrich Reiser, teils den Augsburger Stadtschreiber Val. Eber für den Verfasser halten. Vgl. v. B e z o l d , Münch. SB. 1884 S. 686ff. K o e h n e
§ 65. Reichsreform.
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Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg erklärte die Reform des Friedens, des Gerichts und Münzwesens für eine Lebensfrage des Reiches. Die ersten Reformversuche wurden auf den Reichstagen von 1486 und 1487 gemacht, brennend wurde die Frage aber erst nach dem Regierungswechsel (1493). Die Persönlichkeit und staatsmännische Richtung Maximilians I bot den Ständen keine Gewähr einer Reform von oben herab. Es kam darauf an, kühn mit der von der geschichtlichen Entwicklung beseitigten Idee des monarchischen Einheitsstaates zu brechen und sich auf den Boden eines aristokratischen Bundesstaates zu stellen. Die Seele dieser Bestrebungen, welche die Verhandlungen des Wormser Reichstages vom 26. März bis 7. August 1495 erfüllten, war Berthold von Henneberg5», Kurfürst von Mainz, dem mit Ausnahme der Herzöge von Baiern fast alle Reichsstände zur Seite traten, während der König sich nur widerstrebend um der ihm notwendigen Reichssteuern willen eine Reform nach der andern abdringen ließ. Was auf dem Reichstag zustande kam, war die Einsetzung des Reichskammergerichts und das Verbot jeglicher Fehde und Eigenmacht auf ewige Zeiten. Wer einen Rechtsanspruch zu haben vermeinte, sollte ihn fortan bei Strafe der Reichsacht nur im Wege Rechtens verfolgen6. Der Plan, die gesamte unmittelbare Reichsverwaltung dem König zu entwinden und in die Hände eines ständischen Reichsrates von 17 Mitgliedern, von denen der König nur den Vorsitzenden ernennen sollte, zu legen, mußte wegen Widerspruchs des Königs aufgegeben werden. Statt dieser „Ordnung" beschränkte man sich auf die Festsetzung einer bloßen „Handhabung" des Landfriedens, durch die Bestimmung, daß der Reichstag alljährlich zu Ostern in Frankfurt zusammentreten solle, um in Verbindung mit dem Reichskammergericht die Durchführung des Landfriedens und die Verwendung der bewilligten Reichssteuern zu überwachen und für die Vollstreckung der Kammergerichtsurteile zu sorgen7. Diese periodische Reichsversammlung ist nie ins Leben getreten; statt ihrer begnügte man sich schließlich mit der Einrichtung der Kreisverfassung (§ 73), nachdem sich das Reichsregiment auf die Dauer nicht als durchführbar erwiesen hatte. N. Arch. 23, 689. 27, 251. 28, 739. 31, 214; Z. f. Soz.- u. WG. 6, 369; Mitt. a. d. hist. Lit. 36, 416. Werner, HistVjschr. 5, 467ff. Siehe auch N. Arch. 29, 495ff. Wolf Quellenkunde z. Ref.-G. 1, 104f. Aus dem Anfang des 16. Jh. besitzen wir eine leidenschaftliche Reformschrift eines unbekannten oberrheinischen Verfassers, der, 1438 geboren, juristische Bildung empfangen und bereits dem Kaiser Friedrich III wiederholte Reformvorschläge unterbreitet hatte. Ausgabe und Kommentar von H. H a u p t Ein oberrhein. Revolutionär a. d. Zeitalter Maximilians I (Westd. Z. Erg. 8. 1893). Vgl. Schröder Kaisersage (1893) 26. 33. 5a Weiß Berthold v. Henneberg, Erzb. v. Mainz 1484—1504, Münchn. phil. Diss. 1889. D a h l m a n n - W a i t z 8 Nr. 6381. 6 Wie wenig dieses JPO. Art. 17 § 7 wiederholte Verbot der Fehde tatsächlich, bei der geringen Fürsorge für Recht und Gerechtigkeit, durchzusetzen vermochte, zeigt u. a. Bremer Franz von Sickingens Fehde (S. 858). Vgl. v. Below Landtagsakten von Jülich-Berg 1, 113 ff. 7 Zeumer 11 Nr. 175.
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Neuzeit bis zur Auflösung des Reiche«. § 66. Die Rezeption der fremden Rechte.
A r n o l d Studien z. deutsch. Kultur-G. 301 ff. (1882). A u b i n Einfluß d. Rez. d. röm. R. auf d. Bauernstand 1912 (JBB. Nat.-Ök. S. 721). B a r t m a n n D. Gerichtsverf. vor u. nach d. münsterischen LGO. 1571. 1908 (Beyerle Beitr. 2, 3; vgl. A. S c h u l t z e , ZRG. 43, 399). v. Below Ursachen d. Rezeption d. röm. R. in Deutschi. 1905 (vgl. S c h r ö d e r , ZRG. 40, 462ff. S t ö l z e l , KritVjschr. 47, 1 ff.). B ö h l a u , KritVjschr. 23, 525ff. 26, lff.; Mecklenb. Landr. 1, 80ff. Borchling D. älteren Rechtsquellen Ostfrieslands 1, 1906 pg. 44f. 61. B r i e Stellung d. deutsch. R.-Gelehrten der Rez.-Zeit zum Gewohnheitsrecht (Bresl. Festgabe f. Dahn 1. 1905; vgl. GGA. 1909, 248. R i e t s c h e l , ZRG. 40, 436f.). B r o c k h a u s Einfluß fremder Rechte a. d. Entw. d. deutschen R. 1883. B r u n n e r - H e y m a n n 7 258ff.; B r u n n e r Der Anteil d. deutsch. Rechts a. d. Entw. der Universitäten, Berl. Rekt.-Rede 1896. C a r l e b a c h Badische RG. 1, 43ff. (1906). H. Conring De origine iuris Germanici cap. 33. v. D u h n Deutschrechtl. Arbeiten 57ff. (1877). E i c h h o r n 3 §§ 440—44. S. B r a d s h a w F a y The Roman law and the German peasant, American Hist. Rev. 1911, 234ff. F e h r RG. 201 ff. 263ff. F l e i s c h m a n n Über d. Einfluß d. röm. R. aufs deutsche Staatsrecht 1908 (Mélanges Fitting). F r a n k l i n Beitr. z. G. d. Rez. d. röm. R. 1863. F r e n s d o r f f , ZRG. 39, 237ff. v. G i e r k e GenR. 2,21 ff. 3, 645ff. ; Priv.-R. 1, 8ff. H a s s e n p f lug Die erste Kammergerichts-O. Kurbrandenburgs 1895. P. K o n s t a n t i n v. H o h e n l o h e Die wahren Gründe der sog. Rezeption, Hist. pol. Bll. 1916, 153ff. 234ff. 286ff. H ü b n e r Priv.-R. 3 14ff. K a r i o w a Rez. d. röm. R. mit bes. Rücks. auf Kurpfalz, Heidelb. Rekt.-Rede 1878. K a u f m a n n G. d. deutsch. Universitäten 1, 75ff. 2, 478. K o h l e r u. L i e s e g a n g Beitr. z. G. d. röm. R. in Dtschl., 2 Bde. 1896—98. K r u s c h Eintritt gelehrter Räte i. d. braunschw. Staatsverwalt., Z. d. h. Ver. f. Nieders. 91, 60ff. K ü h t m a n n Romanisierung d. Ziv.-Proz. in Bremen (v. Gierke U. 36); Statuta reformata u. der Codex glossatus 97 ff. v a n K u i j k Levend volksrecht, Tijdschr. Rechtsgesch. 1 (1918) l f f . ; Receptie van het romeinsche recht, ebd.; Germansch en romeinsch recht in de 16e neuw, Rechtshist. opstellen, aangeboden aanFockema Andreae 1914. L a b a n d Bedeut. d. Rez. d. röm. R. f. d. deutsche Staatsrecht, Straßb. Rekt.-Rede 1880. L a s p e y r e s , ZDR. 6, lff. M a i t l a n d English law and the Renaissance, Cambridge 1901. J . Merkel Der Kampf d. Fremdrechts mit d. einheimischen in Braunschw.-Lüneb. 1904 (vgl. v. M ö l l e r , ZRG. 39, 310); Die justinian. Enterbungsgründe 1908 (v. G i e r k e U. 94; vgl. A. B. S c h m i d t , ZRG. 42, 387). M e y n i a l Remarques sur la réaction populaire contre l'invasion du droit romain en France aux 12 e et 13 e siècles (Mélanges Chabaneau; Roman. Forschungen 23, 1907). M o d d e r m a n n u. K. Schulz Rez. d. röm. R. 1875. M u t h e r Zur G. d. röm.-kanon. Proz. i. Deutschl. 1872 (Rostock. Fschr. f. Wächter); Röm. u. kanon. R. i. deutsch. MA. 1871; Zur Quellen-G. d. deutsch. R., ZRG. 4, 380ff. 9, 50ff.; Zur G. d. R.-Wissensch, u. d. Universitäten in Deutschl. (Gesammelte Aufsätze 1876). O t t Beitr. z. Rez.-G. d. röm.-kanon. Proz. i. d. böhm. Ländern 1897; ZRG. Kan. 3, l f f . P a r t s c h Vom Beruf d. röm. R. in der heutigen Universität 1920. I v o Pf äff Kaiser Karl IV u. Bartolus, Mitt. d. Böhm. 56 (1918) 59ff.; Quellen z. G. d. Rez. 1, Leipziger Schöffenspruchsammlung, hgg. Guido K i s c h 1919. R e g e l s b e r g e r Pandekten 1, 3ff. R e y s c h e r , ZDR. 9, 337ff. R o s e n t h a l G. d. Ger.Wesens u. d. Verwalt.-Organisation Baiems 1, 139. 422ff. W. R o t h , ZRG. 35, 359ff. v. S a r t o r i - M o n t e c r o c e Beitr. z. öst. Reichs- u. RG. 1. 1895. v. S a v i g n y G. d. röm. R. im MA. (S. 10). S c h a f f n e r Das röm. R. in Deutschl. während des 12. u. 13. Jhs. 1859. C. A. S c h m i d t Rez. d. röm. R. 1868. S c h u m , ZRG. rom. 24, 304ff. S c h r e u e r PrivR. 4ff. J . C. S c h w a r t z 400 Jahre d. Zivilprozeß-Gesetzg. 1898. v. S c h w e r i n RG. 2 7ff. Seckel Beiträge z. G. beider Rechte im MA. 1. 1898. Siegel RG. 3 103ff. Sohm Frank. R. u. röm. R „ ZRG. 14, 70ff.; Deutsche R.-Entwicklung u. die Kodifikationsfrage, Z. f. Priv.- u. öff. R. 1, 246ff. S t a m m l e r R. des Breidenbacher Grundes (v. G i e r k e U. 12). S t e n g e l Eine deutache Urkunden-
§ 66. Rezeption der fremden lieclite.
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lehr© d. 13. Jh., N. Arch. 30, 647ff. S t i n t z i n g G. d. deutsch. R.-Wissenschaft 1. 1880; G. der populär. Literatur d. röm.-kan. R. in Deutschi. 1867; Ulrich Zasius 1857; Hugo Donellus 1869 (Erlanger Fschr. f. Wächter); Zur G. d. röm R. in Deutschi., HistZ. 29, 408ff.; KritVjschr. 6, 557ff. S t o b b e Rechtsqu. 1, 609if. 2, lff.; KritVjschr. 11, lff.; Priv.-R. 1 § 4. S t ö l z e l Entwickl. d. gelehrt. Richtertums, 2 Bde. 1872 (vgl. F r a n k l i n , Z. f. d. Priv.- u. öff. R. 1, 236ff.); Entwickl. d. gelehrt. R.-Sprechung d. Brandenburg. Schöppenstuhls 1. 1891; Brandenburg-Preußens R.-Verwaltung 1, 30ff.; Billigkeits- u. Rechtspflege in der Rezeptionszeit 1910; Urkundl. Material a. d. Brandenb. Schöppenstuhlsakten, 4 Bde. 1901 (vgl. v. Amira, ZRG. 36, 288ff. 38, 427ff. R i e t s c h e l , HistVjschr. 6, 405ff. Z e u m e r Forsch, z. br. u. pr. G. 16, 255ff.); Forsch, z. br. u. pr. G. 16, 345ff. ; KritVjschr. 47, l f f . v. V o l t e l i n i Zur Rez. d. gem. R. in Wien (Fschr. d. akad. Ver. d. Historiker in Wien 1914) 79ff. W a c h Handb. 169ff. Werunsky Öst.RG. 19f. A. Wolff Ger.-Verf. u. Prozeß im Hochstift Augsb. i. d. Rez.-Zeit 1913, Arch. Höchst. Augsb. 4, 129ff.; vgl. P i s c h e k , ZRG. 47, 661). Y l a n d e r Die Rolle d. röm. R. im Priv.-R. der Ostseeprovinzen, Liv-, Est- u. Kurland, ZVglRW. 35 (1918) 431 ff.
Die Aufnahme der fremden Rechte in den deutschen Gerichten hat sich, ähnlich wie die der Rechtsbücher, im Wege gewohnheitsrechtlicher Entwicklung vollzogen; nur ist nicht wie dort das Volk, sondern ausschließlich der Juristenstand Träger dieser Entwicklung gewesen. Die Wissenschaft unterscheidet die theoretische Rezeption, d. h. die allmähliche Ausbildung der Überzeugung, daß dem römischen Recht subsidiäre Geltung zukomme, und die praktische Rezeption, d. h. die wirkliche Durchführung dieser Überzeugung im praktischen Rechtsleben. Die theoretische Rezeption war vornehmlich staatsrechtlicher Natur. Die später zu einem festen Dogma gewordene Auffassung des mittelalterlichen Kaisertums als einer Fortsetzung des alten römischen Reiches geht in ihren Anfängen bis auf die Zeit Ottos I I I zurück. Die deutschen Könige, auch wenn sie die Kaiserwürde nicht erworben hatten, betrachteten sich als Rechtsnachfolger der römischen Imperatoren 1 und trugen kein Bedenken, sich in ihren italienischen Händeln und hofgerichtlichen Entscheidungen auf das römische Recht zu berufen. Als „Kaiserrecht" oder „der Kaiser geschriebenes Recht" bezeichnete die Terminologie des Mittelalters nicht bloß die deutschen Reichsgesetze und was man, wie die Rechtsbücher, dafür hielt, sondern auch das Corpus iuris Justinians la . Die höchste Gerichtsgewalt der deutschen Fürsten bezeichneten staufische Urkunden mit einem den Digesten entlehnten Ausdruck als merum Imperium1*. Friedrich I bestimmte die Aufnahme zweier seiner Gesetze durch die Universität Bologna als Authenticae in den Codex2, dasselbe geschah unter Friedrich I I 1
Vgl. F l e i s c h m a n n (S. 864) 670ff. Vgl. Reichsurteil Heinrichs VII (MG. Const. 3, 304), das sich auf Justinians Institutionen beruft. lb Vgl. § 50 n. 3. I n der Const. in fav. princ. v. 1231/32 § 19 findet sich der römische Satz actor forum, rei sequetur (MG. Const. 2, 212. 419). 2 Vgl. S. 718. Der Reichslandfriede von 1186 (MG. Const. 1, 452) enthielt § 23 die Bestimmung: Ut autem haec ordinatio omni tempore raia permanent , eam legibus praedecessorum nostrorum imperatorum atque regum iussimus interaeri, doch scheint diese Verfügung keine Folge gehabt zu haben. la
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mit seinem römischen Gesetz von 1220 (§ 48 n. 52, n. 74), unter Heinrich VII mit dem Ketzergesetz von 1312 3 . Es beruhte auf demselben Gedanken, wenn in Italien seit dem 13. Jahrhundert das lombardische Lehnrechtsbuch wegen der darin enthaltenen Reichsgesetze als ein Anhang der justinianischen Novellen (decima collatio Novellarum) angesehen und die dazu verfaßte Glossa ordinaria des Jacobus Columbi von demselben Accursius, der die Glosse des Corpus iuris zum Abschluß brachte, einer Bearbeitung unterzogen wurde 4 . Auch für ihn war das Lehnrechtsbuch ein Teil des Corpus iuris, die Lehnrechtsglosse ein Bestandteil des literarischen Apparates zu den Gesetzbüchern Justinians. Am schärfsten trat die romanisierende Richtung bei Karl IV 4 a hervor: er gründete die Universität Prag, sein Entwurf eines böhmischen Landrechts (Maiestas Carolina) war reich an römischrechtlichen Ausdrücken und Redewendungen, in der Goldenen Bulle übertrug er die römischen Bestimmungen von der Majestätsbeleidigung auf die Kurfürsten (S. 836), das überwiegend für römischrechtliche Verfügungen des Herrschers bestimmte Amt des Hofpfalzgrafen (S. 528 f.) wurde unter ihm von Italien nach Deutschland verpflanzt. Mit der Neigung der deutschen Könige, sich auf das römische Recht zu stützen, hing ihr lebhaftes Interesse für die Universitäten zusammen 5 . War früher die Hofkapelle die eigentliche Pflanzschule für die Diplomatie gewesen (S. 531), so ging diese Aufgabe seit der Gründung Bolognas auf die italienischen, seit dem 14. Jh. in zunehmendem Maße auch auf die deutschen Universitäten über6. Es war selbstverständlich, daß die Rechtsgelehrten, neben der Idee des Kaiserrechts auch von der humanistischen Begeisterung für das klassische Altertum erfüllt, nach Kräften für das römische Recht, das ihnen als Idealrecht erschien, Propaganda zu machen 3 MG. Leg. 2, 355ff. : Et hanc itaque nostre serenüatis constituiionem in corpore iuris sub debita rubrica volumus inseri et mandamus. Auch diese Bestimmung ist ohne Folgen geblieben. 4 Vgl. S. 759. Laspeyres Entsteh, d. Libri feudorum 326ff. 359ff. 396ff. 4a Vgl. Ott u. Pfaff (S. 864). Werunsky Maiestas Carolina, ZRG. 22, 64ff. 6 Vgl. § 44 n. 4. G. Kaufmann G. d. d. Universitäten, 2 Bde. 1888-1896; Univ.-Privil. der Kaiser, ZGW. 1,118ff.; Die d. Univ., ihre Entw. vom 16. —19. Jh., HistVjschr. 20 (1920) 171ff. Paulsen, HistZ. 45. Hüllmann 190ff. 6 Vgl. S. 529 n. 7. Wolf Quellenkunde z. Ref.-G. 1, 295ff. Vgl. Friedländer u. Malagola Acta nationis Germanica« universitatis Bononiensis 1887. Brunner, ZRG. 9, 250f. Von den deutschen Universitäten des 14. Jh. wurde Prag 1347, Wien 1365, Heidelberg 1386, Köln 1389 gegründet. Der Unterricht im römischen Zivilrecht begann in Deutschland erst nach Mitte des 15. Jh. Vgl. Stintzing G. d. RW. 1, 21ff. Kariowa a. a. O. 8f. Stobbe 1, 630f. 2, 9. 16ff. Thorbeke G. d. Univ. Heidelberg 1, 98ff. v. Wretschko G. d. jur. Fak. Innsbruck 1671 — 1904 (Beitr. z. RG. Tirols); Verleihung gelehrter Grade durch den Kaiser seit Karl IV 1910. Pscholka D. Rechtslehrer der steir. Landschaft 1912 (Z. Steierm. 9). Fournier La nation Allemande à l'univ. d'Orléans en 14e siècle 1888. Meijers De Universiteit van Orleans in de 13e eeuw, TijdschrRG. 2, 460ff. L u s c h i n Österreicher an ital. Univ. z. Z. d. Rez. 1882. v. Below Rez. 106ff.
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suchten. I n dieser Richtung bewegte sich, ohne das deutsche Recht materiell anzutasten, die literarische Tätigkeit der Sachsenspiegelglossatoren J o h a n n von Buch, Nikolaus Wurm, Dietrich von Boxdorf und des Brünner Stadtschreibers Johann von Gelnhausen. Die Notare brachten ihre Rechtsgelehrsamkeit in unschuldigen Phrasen und römischrechtlichen Ausdrücken zur Geltung. Größeren Einfluß gewannen die zivilistisch geschulten Kleriker, teils durch ihre Tätigkeit in den geistlichen Gerichten,- die tief in die bürgerliche Rechtssphäre eingriffen und das unter kanonischem Einfluß fortgebildete Recht als die alleinige Rechtsnorm betrachteten 7 ; teils durch ihre Stellung als Vertrauenspersonen der Bevölkerung 7 4 , woraus sich vielfach geradezu eine romanisierende Beichtstuhljurisprudenz und ebenso eine schon im Beginn des 14. J h . einsetzende populäre Literatur des römisch-kanonischen Rechts entwickelte 8 . Alle diese Umstände reichten aber nicht hin, um die praktische Rezeption durchzuführen. Erst gegen Mitte des 15. J h . war die Zeit dazu reif geworden, als die Rechtsgelehrten nicht nur in der Beratung des Königs, sondern auch an den Fürstenhöfen zu maßgebendem Einfluß gelangt waren. Wie die Könige sich der Juristen bedient hatten, um dem Papst und den italienischen Städten, dann auch den deutschen Reichsständen gegenüber ihre Kronrechte zu verteidigen, so wurde die Berufung von Rechtsgelehrten für die Fürsten vielfach ein Mittel, die ständisch geordnete Landesverwaltung durch die Einfügung eines geschulten Beamtentums zu durchbrechen und den modernen Staat vorzubereiten. Auch die Städte, zumal die Reichsstädte, konnten des juristischen Beirats, besonders in publizistischen Fragen, nicht mehr entraten. Die Stadtschreiber wurden mehr und mehr dem Stande der Rechtsgelehrten entnommen, sie wurden zu juristischen Beigeordneten dir Stadträte (syndici). Selbst die Verwaltung der Vogteien und Ämter gelangte in zunehmendem Maße in die Hände von Juristen; wo man den adeligen Amtmann nicht zu verdrängen wagte, setzte man ihm wohl einen rechtskundigen Amtsschreiber oder Kastner zur Seite, der ihm allmählich von selbst die Geschäfte aus der Hand nahm. Wo solche Männer mit der Redaktion von Land- und Stadtrechten oder der Aufzeichnung der Rechtsgebräuche betraut wurden, wie im 15. J h . schon häufig geschah, da wußten sie vielfach ihre römische Überzeugung auf Kosten des nationalen Rechts zur Geltung zu bringen. Den entscheidenden Wendepunkt aber bildete ihr Eintritt in die unmittelbare Rechtspflege. Man hat früher wohl geglaubt, daß dies im Reichshofgericht schon unter Ludwig dem Baiern der Fall gewesen sei, aber der in diesem Sinn gedeutete Erlaß von 1342 sollte das Hofgericht nur unter Ausschließung des ungeschriebenen Rechts auf die Reichsgesetze 7 Vgl. u. a. M. Conrat Die Lex Romana canonice compta, Verhandl. d. Amsterd. Akad. (Letterkunde) 1904. 7 a Lehrreicher Einzelfall: H. Maurer Ein Erbschaftsprozeß 1304 (ZGO.2 21, 199 ff.). » Vgl. S. 772f. K a r i o w a (S. 864) 7. S t i n t z i n g G. d. popul. Lit. 489ff.
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u n d andere geschriebene Rechtsnormen beschränken 9 , eine Vorschrift, die später nicht mehr beachtet wurde. Tatsächlich hat das Reichshofgcricht während seines Bestehens immer nur nach deutschem Recht geurteilt, ebenso die fürstlichen Hofgerichte, solange sie Adelsgerichte waren. Dagegen atmen die schiedsrichterlichen Entscheidungen des Königs oder einzelner Fürsten schon im Lauf des 15. J h . vielfach römischrechtlichen Geist, weil sie von rechtsgelehrten R ä t e n ausgearbeitet wurden 1 0 . Besonders war dies bei den Rechtssprüchen des königlichen Kammergerichts (S. 602) und den Entscheidungen der Fürsten, welche diese persönlich nach Benehmung mit ihren Räten abgaben (S. 658), der Fall. Dabei war es von entscheidender Bedeutung, daß das römische Recht seit dem 13. J h . in Italien wie in Deutschland unter dem Einfluß der Postglossatoren, wie Bartolus und Baldus, wesentlich nach einer anderen Methode als zur Zeit der klassischen Glossatorenschule gelehrt wurde 1 1 . Die letztere stand, wie später die französische Juristenschule unter Cujacius und Donellus und im 19. J h . unsere historische Rechtsschule seit Savigny, auf dem Boden reinster Renaissance. Sie suchte, unbekümmert um die praktische Anwendbarkeit, das römische Recht in seiner antiken Gestalt zu erforschen und zur Darstellung zu bringen. Ebendarum blieb das wiedergeborene römische Recht in dem von römischem Vulgarrecht, langobardischem und kanonischem Recht beherrschten Italien des 12. J h . ein totes Recht, das nur der Wissensehaft, aber nicht dem Leben angehörte. Jener humanistischen Methode gegenüber stellten sich die Postglassatoren auf einen scholastischen S t a n d p u n k t . Ihnen kam es nicht darauf an, das römische Recht in seiner ursprünglichen Reinheit zu erfassen; f ü r sie war es nur in der Umformung vorhanden, die es teils durch die kanonische Gesetzgebung, Doktrin und Praxis, teils durch das Vulgarrecht u n d die Einflüsse des lombardischen Gewohnheitsrechts und der städtischen S t a t u t e n erhalten hatte. Das Corpus iuris canonici11* erschien ihnen als eine verbesserte Auflage des justinianischen Corpus iuris civilis. Das römische Sklaven- und Kolonatrecht wurde als unpraktisch ver• Vgl. Franklin (S. 864) 109-86. Es war derselbe Gedanke, der in Oberbaiern den „nach des Buches Sage" urteilenden Richter (S. 610) einführte. 10 Vgl. Franklin a.a.O. 179ff.; Kammergericht 45ff. Stobbe 1, 623f. Dieck De tempore quo ius feud. Langob. reeeptum sit (Hall. Progr. 1843) 18ff. 27f. Bis zur Mitte des 16. Jh. war die deutsche Rechtsliteratur dem Gewohnheitsrecht günstig. Soweit es gegenüber dem geschriebenen zurückgesetzt wurde, bezieht sich das wesentlich auf das Partikularrecht. Vgl. Brie (S. 861). Über römischrechtliche Ausdrücke und Sätze in Urkunden, mit denen schon im MA. die Verfasser den Laien gegenüber prunkten, vgl. Hasenöhrl Beitr. (S. 760) 275f. 11 Vgl. Sohm Frank. R. u. röm. R. 74f. Stobbe 2, 23ff. Woolf Bartolus of Sassoferrato, Cambridge 1913. I v o Pf äff Kaiser Karl IV u. Bartolus 1916 (MittDBöhm. 56). lla Vgl. Stutz Kirchenrecht2 321 f. 392. Auch die bürgerlichrechtlichen Einschläge des neuen Codex iuris canonici sind in der Hauptsache dem röm. R. entlehnt. Vgl. Stutz Geist des Cod. iur. can. 1918, 176ff.; doch sind im Codex auch germanische Nachwirkungen zu spüren (Patronat, Eidhelfereid).
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\vorfenllb. Auch die vornehmste Vertragsform des römischen Rechts, die Stipulation, war der gemeinrechtlichen Doktrin unverständlich; die germanischen Formen waren ihr zwar geläufig, aber sie ignorierte den Unterschied zwischen Schuld und H a f t u n g und stellte sich auf den von der Kirche bei der Eheschließung von jeher vertretenen Standpunkt, daß die Formen nur um des Beweises willen nötig seien, der Vertrag selbst aber schon durch den formlosen Ausdruck der Willensübereinstimmung verbindlich werde. So gelangte sie in gleichmäßigem Gegensatz gegen römisches und deutsches Recht zu der Theorie von der Formlosigkeit aller Verträge 1 2 . Wo sich die Übereignung von Grundstücken durch Übergabe der Veräußerungsurkunde entwickelt hatte, bewirkte jene Theorie, daß m a n nun den Eigentumsübergang schlechthin durch den Veräußerungsvertrag eintreten ließ 13 . Die dem altdeutschen Recht unbekannte und auch im Mittelalter nur zögernd und vereinzelt zugelassene prozessualische und rechtsgeschäftliche Stellvertretung 1 3 » gelangte zu voller Anerkennung, und zwar nach italienischem Vorbilde mit unmittelbarer Wirkung für den Vertretenen. Mit dem germanischen Rechtssatz, d a ß der E h e m a n n k r a f t eigenen Rechts das gesamte Vermögen der F r a u , soweit es nicht durch Vertrag vorbehalten war, in seine H a n d zu nehmen habe, fand man sich zum Teil in der Weise ab, daß m a n einen das ganze Vermögen der F r a u umfassenden Dotalvertrag präsumierte: was die Frau nicht ausdrücklich vorbehalten hatte, wurde als Dos angesehen. Der Unterschied zwischen römischem Dotalrecht und deutscher Verwaltungsgemeinschaft beschränkte sich dann darauf, daß die F r a u nach jenem zu einseitigen, nach deutschem Recht nur zu vertragsmäßigen Vorbehalten berechtigt war. Die dem deutschen Recht unbekannte Universalsukzession des Erben wurde von der gemeinrechtlichen Doktrin aufrechterhalten, aber sie ließ, unter Verwerfung des Satzes Nemo pro parte testatus pro parte intestatus decedere polest, neben der Erbfolge auf Grund letztwilliger Verfügung die gesetzliche Erbfolge ergänzend eintreten. In Deutschland gelangte die Doktrin, wenn auch erst nach mannigfachen K ä m p f e n , auch zur Anerkennung der Erbverträge. Wie in den angeführten, so k a m auch in anderen Richtungen die Lehre des römischen Rechts den praktischen Rechtsanschauungen des Mittelalters entgegen, so daß, was sie brachte, den fremdartigen Charakter verlor. I n dieser Beziehung war es namentlich von Wichtigkeit, daß die romanistische Doktrin sich in der Hauptsache auf das römische Zivilrecht beschränkte, sich dagegen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 1 3 ", iib Vgl. F a y (S. 864) 241 ff. Vgl. S. 800. L. Seuffert Zur G. der obligatorischen Verträge 1881. 18 Vgl. S. 305. In Deutschland, wo Auflassung und Fertigung im Grundbuch entgegenstanden, fand diese Theorie im allgemeinen keinen Eingang. Vgl. Rosenberg (S. 843) 472ff. 13b Fleischmann Über den Einfluß d. röm. R. aufs deutsche Staatsrecht 1908 (Mélanges Fitting). Ernst v. Meier Fanzös. Einflüsse auf d. Staat«- und 18
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obwohl zunächst gerade durch die staatsrechtlichen Bedürfnisse der Könige und Fürsten zu Ansehen gelangt, eine verständige Zurückhaltung auferlegte. Auf dem Gebiet der Staatsverfassung lagen die Verschiedenheiten zwischen dem antiken Rom und dem mittelalterlichen S t a a t so auf der H a n d , daß von einer Anwendung der römischen Grundsätze ernstlich keine Rede sein konnte; die Publizistik begnügte sich damit, die Gewalt des princeps im allgemeinen aus dem römischen Recht zu begründen. Einen größeren Einfluß übte das letztere auf die Fortbildung des Strafrechts, aber auch hier gelangte es nur zu beschränkter Bedeutung, weil ihm die umfassende Gesetzgebung, die das Reich hier entwickelt h a t t e u n d noch ferner entwickelte, gegenüberstand. Von besonderer Bedeutung f ü r Deutschland mußten die prozessualischen Doktrinen werden, weil bei der zerrütteten Gerichtsverfassung u n d dem heillosen Gerichtsverfahren hier die helfende H a n d a m meisten not tat. Die italienische Doktrin, deren bedeutendster Vertreter das Speculum iudiciale des D u r a n t i s (1271) war, gründete sich ganz auf den kanonischen Prozeß, wie ihn die päpstliche Gesetzgebung und der Gerichtsgebrauch aus dem römischen Verfahren heraus, jedoch nicht ohne merkliche Einwirkungen des germanischen Rechts, f ü r die geistlichen Gerichte ausgebildet hatte. Indem die Doktrin der Legisten die Grundsätze dieses kanonischen Prozesses unter Berücksichtigung der italienischen S t a t u t e n mit den Elementen des justinianischen Prozesses verarbeitete, entstand ein dem kanonischen nahe verwandter, aber doch in manchem von ihm verschiedener romanisch-kanonischer Prozeß, der in den weltlichen Gerichten Italiens schon im 13. J h . überall zur Herrschaft gelangte 1 4 . Die entscheidende Wendung in der Rezeptionsgeschichte vollzog sich f ü r Deutschland mit der Reichskammergerichtsordnung von 1495 15 , nach der Richter u n d Beisitzer schwören mußten, zu richten nach des Reichs gemainen Rechten, auch nach redlichen, erbern und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der Fürstenthumb, Herrschaften und Gericht, die für sie bracht werden16. Im Anschluß an das bereits stark mit Gelehrten Rechtsentwicklung Preußens im 19. Jh., 1. Bd. Prolegomena 1907 S. 3f. Laband, Kultur d. Gegenwart, Syst. Rechtsw.2 1913 S. 329ff.; Bed. d. Rez. (S. 864). 14 Vgl. Bethmann-Hollweg Germ.-roman. Zivilprozeß 3. 1874. Biener Abh. a. d. Geb. der RG. 67ff. Kühtmann, Muther a. a. O. Schwartz 23ff. Ober D. Rez. der kanon. Zivilprozeßformen 1910. Wahrmund Quellen z. G. d. röm. kanon. Prozesses im MA., 3 Bde. 1905—17. Jacobi Prozeß im Decretum Gratiani, ZRG. Kan. Abt. 3, 223ff. Kisch Arrestproz. 1914, 75ff.; der Sicherungsarrest stammt aus dem Gewohnheitsrecht italienischer Städte. Weil die heimischen Rechtssätze über Fremdenarrest (§63 n. 11) und Repressalienarrest mit dem ital. Recht übereinstimmten, war seine Rezeption leichter. Die neue Litiscontestatio war ein Produkt ital. Wissenschaft, keine Wiedergeburt der röm. Litisk. Vgl. R. Sohm (d. Jüngere) Die litis contestatio vom frühen MA. bis zur Gegenwart 1914. 15 N. Samml. 2, 6ff. Zeumer Quellensamml.2 284ff. 18 Hierin wie in den Vorschriften für die Beisitzer stimmte schon der Entwurf von 1487 mit der ersten RK.GO. überein. Vgl. Stobbe 2, 191. Bei den Wormser Verhandlungen (1495) weigerte sich der Kaiser anfangs, altes Herkommen
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durchsetzte kaiserliche Kammergericht sollten die 16 Beisitzer zur einen Hälfte der Recht gelert und geivirdigt, zur anderen auf das geringest aus der Ritterschaft geboren sein, nach der zweiten RKGO. von 1521 sollten aber die letzteren womöglich auch der Recht gelehrt sein, so fern man die gehaben kan, vor andern17. Hinsichtlich des Verfahrens wurde 1495 nur vorgeschrieben, daß es jeder Partei gestattet sein solle, ihre Sachen in Schriften fürzubringen. Die beiden Prozeßordnungen von 1500 und 1507 schlössen sich bereits vollständig an das römisch- kanonische Verfahren an 18 . Mit der Einsetzung des Reichskammergerichts war die Rezeption gemeinrechtlich entschieden. In der Schweiz19 und Schleswig191, wo seine Zuständigkeit ausgeschlossen blieb, hat nur eine sehr beschränkte Rezeption stattgefunden. Die Nachwirkung der RKGO. von 1495 äußerte sich alsbald in den einzelnen Territorien durch allgemeine Reorganisation der Obergerichte auf den gleichen Grundlagen, während in den Städten statt des Rechtszuges an die Oberhöfe, soweit für sie nicht der geordnete landesgesetzliche Instanzenweg vorgeschrieben wurde, die Aktenversendung an die juristischen Fakultäten aufkam 20 . Es war selbstverständlich, daß diese ebenso wie die mit Rechtsgelehrten besetzten oberen Landesgerichte sich, wenigstens in Ermangelung einheitlicher Rechtsnormen, an das gemeine Recht hielten, auch wo dies nicht, wie vielfach geschah, ausdrücklich landesgesetzlich vorgeschrieben war 21 . Langsamer vollzog sich die Umwandlung bei den Untergerichten; aber selbst da, wo sich die Schöffen Verfassung noch erhielt, erschienen die ungelehrten Urteiler gegenüber dem rechtskundigen Richter oder Gerichtsschreiber mehr oder weniger nur noch als gewohnheitsmäßiges Beiwerk ohne selbständige Beund Gewohnheiten als Rechtsnormen zuzulassen, er verlangte also wie der Erlaß Ludwigs des Baiern von 1342 geschriebenes Recht. Vgl. U l m a n n (S. 8~8) 1, 362f. a. M. S m e n d , RKG. 1, 20. 17 N. Samml. 2, 180. Z e u m e r 2 324. Schon der Landfriede Albrechts II von 1438 (Zeumer 2 252, N. Samml. 1, 157) versprach Besetzung des königlichen Obergerichts mit uiisen, verstendigen, fürsichtigen rittern und gelehrten, die nach gemeinen rechten und guter gewohnheit urteilen sollten. Vgl. S m e n d RKG. 1, 296ff. 18 N. Samml. 2, 75ff. 123ff. M Vgl. H u b e r G. d. Schweiz. Priv.-R. 107 ff. S t u t z Die Schweiz in der deutsch. Rechtsgeschichte 1920 (BSB.) S. 105. Nur in einigen Grenzgebieten, in der Herrschaft des Klosters Rheinau und des Bischofs von Sitten, sowie in den Städten Basel und Schaffhausen galt das römische Recht subsidiär. ,ia ' F a l c k Schlesw.-holst. Priv.-R. 1, 130ff. O p e t Deutschrechtliche u. römiächrechtl. Bestandteile der Haubenbandsgerechtigkeit 1919 (Qu. u. Forsch, f. Schlesw.Holst. G. 7, 187ff.). Über Dithmarschen vgl. J. K ö h l e r (S. 804 13 ) 43. 20 Vgl. S t o b b e 2, 63ff. A. S. S c h u l z e Privatrecht u. Prozeß 203ff. R o s e n thal a. a. 0 . 1, 74. Bedeutend war auch die schiedsrichterliche Tätigkeit der Juristenfakultäten. In dem pfälzischen Hofgericht zu Heidelberg und dem Leipziger Schöffenstuhl hatten in der 2. Hälfte des 15. Jh. Mitglieder der Juristenfakultäten Sitz und Stimme. Vgl. K a r i o w a 20. K i s c h (S. 864 ) 638. D i s t e l Leipz. Schöffenstuhl, ZRG. 20, 95ff. Oberrh. Stadtr. 1,202 §20. K e l l n e r Comitia Hallensium Jureconsultorum, Hall. Diss. J908 (vgl. S u c h i e r , Thür.-Sächs. Z. 1911, 125ff.). 21 Vgl. S t o b b e 2, 125ff. R. S c h r ö d e r - v . K ü n ß b e r g , Deutsche Rechtsgeschichte. 6. Aufl.
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deutung. Vielfach wurden, insbesondere um Kosten und AVeitläufigkeiten zu ersparen, die Streitsachen von den Parteien mit Umgehung des Gerichts dem rechtskundigen Beamten zu schiedsrichterlicher Erledigung vorgelegt, ein Verfahren, durch das in vielen Fällen die Verdrängung des Volksgerichts durch einen gelehrten Einzelrichter angebahnt wurde. Den Gegenstand der Rezeption bildete auf dem Gebiet des Zivilrechts das Corpus iuris civilis und das Corpus iuris canonici, letzteres als das neuere Gesetz dem ersteren derogierend, auf dem Gebiet des Lehnrechts das als dccima collatio Novellarum mitrezipierte lombardische Lehnrechtsbuch, auf dem Gebiet des Gerichtsverfahrens der Prozeß des Corpus iuris canonici und der italienischen Doktrin. Da aber die Rezeption erst durch die Vermittlung der Doktrin erfolgt war, so kamen die genannten Rechtsbiicher nur in der Weise, wie diese sie benutzt und ausgelegt hatte, zur Anwendung, also mit den vielfältigen Umdeutungen, die in der gemeinrechtlichen Doktrin stattgefunden hatten oder im Lauf der Entwicklung noch ferner stattfanden, und nur in der von der Doktrin ausschließlich benutzten glossierten Form. Was die Glossa ordinaria, die sich im Gegensatz zu der Glossatorenschule des 12. Jh. schon ganz auf scholastischem Standpunkt bewegte, beiseite gelassen hatte, wurde auch von der Doktrin als nicht vorhanden betrachtet, so daß die von der Glosse übergangenen, zum Teil erst im 16. Jh. aufgefundenen Gesetzesstellen (leges restituiae) nicht als rezipiert galten: Quicquid non agnoscii glossa, non agnoscii curia22. Mit den angegebenen Beschränkungen waren aber die drei Rechtsbücher als Ganzes, als leges scriptae, aufgenommen, sie hatten die volle Geltung wirklicher Reichsgesetze erhalten, bildeten mit den Reichsgesetzen zusammen „des Reiches gemeines Recht". Wie die Reichsgesetze auf dem Gebiet des materiellen Rechts nur da, wo sie dies ausdrücklich in Anspruch nahmen, prinzipale Geltung gegenüber den Partikularrechten besaßen 23 , im übrigen aber sich mit subsidiärer Geltung begnügten, so galt auch für die rezipierten fremden Rechte der Satz: „Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemein Recht" 2 4 . In erster Reihe behaupteten die einheimischen geschriebenen und ungeschriebenen Rechte das Feld, die letzteren aber nur, soweit sie im Gericht nachgewiesen wurden. 22 Vgl. L a n d s b e r g Entstehung der Regel: Qu. n. a. gl., n. a. curia, Bonner Diss. 1880. S a v i g n y Syst. d. röm. Rechts l 2 , 66ff. 23 So in den erbreclit'ichen Bestimmungen (vgl. § 83 ). 24 Vgl. Reichshofratsordnung von 1654 Tit. 1 § 15 (N. Samml. 4, Zugabe S. 50). Lüneburger Statut v. J. 1401 ( K r a u t Stadtr. v. Lüneburg 2): wes me indessen boke edder in den Privilegien nicht en vind, dar willet de rad und borghere in allen saken — — — sik mer richten an mene sassesch lantrecht, unde wes me dar nicht ane vind, dar schal me sik denne — — — holden an dat keiserrecht. Bair. Landr. y. 1756 1 , 2 § 17: so soll man am ersten auj die wohl hergebrachte besondere Freiheiten, sodann auf jedes Orts löbliche Gewohnheiten, Satz- und Ordnungen, hier nächst auf die General-Landes-Statuta und endlich auf das gemeine Recht sehen. Vgl. ebd. §§ 9—10. Württemberg. Hofgerichtsordnung von 1514 ( R e y s c h e r Samml. d. wlirtt. Gesetze 4, 108 Nr. 84).
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Demgemäß hatte das römische Hecht in Norddeutschland, wo das lübische und magdeburgische Stadtrecht und das auf Grundlage des Sachsenspiegels erwachsene gemeine Sachsenrecht 25 einen festen Damm bildeten, von vornherein eine erheblich geringere Bedeutung, als in den staatlich und partikularrechtlich überaus zerklüfteten süddeutschen Gebieten. Materiell aber machte sich bemerklich, daß das deutsche Recht auf dem Gebiet des Immobiliarsachenrechts und Familienrechts am meisten ausgeprägte Normen besaß. Selbst die dürftigsten Rechtsquellen pflegten in diesen Beziehungen einige Bestimmungen zu enthalten. So kam es, daß das römische Recht hier am wenigsten Boden gewann. Das unpraktische Verfangenschafts- und Teilrecht mußte sich mannigfache Umbildungen gefallen lassen; zum Teil faßte man es als eine auf die beerbte Ehe beschränkte allgemeine Gütergemeinschaft auf. Die eheliche Errungenschaftsgemeinschaft wurde teilweise mißverstanden und auf eine bloße Gemeinschaft des Zugewinnstes 25 *, d. h. der Ersparnisse für den Fall der Auflösung dor Ehe, beschränkt, vereinzelt auch die allgemeine Gütergemeinschaft als eine bloße Gütergemeinschaft von Todes wegen aufgefaßt (bei bestehender Ehe Gütertrennung, dagegen bei Auflösung der Ehe Berechtigung des Überlebenden zur Halbteilung des gesamten beiderseitigen Vermögens), die fortgesetzte Gütergemeinschaft als bloße communio incidens, die eheliche Verwaltungsgemeinschaft als ususfruetus maritalis; aber im großen und ganzen hat sich das deutsche Familienrccht beinahe unberührt erhalten. , Schwieriger gestaltete sich die Lage auf dein Gebiet des Immobiliarsachenrechts. Das deutsche Grundbuchsystem vermochte sich nur teilweise zu halten 26 . Mehr und mehr drangen die römischrechtlichen Auffassungen von dem Eigentumsübergang durch Tradition und die unbrauchbaren Grundsätze des römischen Hypothekenrechts vor, bis sich infolge der furchtbaren Geld- und Kreditkrisis nach dem 30jährigen Kriege ein allgemeiner Rückschlag bemerkbar machte, der allmählich im Interesse des Realkredits fast überall zu der Wiederherstellung von Grundbüchern oder doch zur Annahme eines beschränkteren Hypothekenbuchsystems führte. Bahnbrechend haben namentlich die preußische Allgemeine Hypothekenordnung von 1783, das Allgemeine Landrecht von 1794 und die österreichische Gesetzgebung gewirkt. Im Handelsrecht fand eine starke Beeinflussung durch italienisches Recht statt, die aber nicht überschätzt werden darf. Es fand eine Weiterbildung, keine Ablösung deutschrechtlicher Sätze statt 3 0 ". 25
Vgl. n. 24. S t i n t z i n g G. d. RW. 1, 547ff. B e r e n t Zugewinngemeinschaft 1915 (v. Gierke U. 123). 26 Zum Teil kamen ihm, wie in Lübeck und Hamburg, Privilegia de non appellando limitata, welche die Berufung an das Reichskammergericht in Immobiliarsachen ausschlössen, zustatten. Vgl. v. B e l o w a. a. O. 123f. v. D u h n a. a. 0 . 74ff. Über Grundbücher vgl. oben S. 767ff., ferner W o p f n e r Zur G. d. tirol. Verfachbuches 1904 (Beitr. z. RG. Tirols; vgl. S t u t z , ZRG. 39, 388). S t r i p p e l D. Währschafts- u. Hypothekenbücher Kurhessens 1914. 26a Vgl. R e h m e in Ehrenbergs Handb. 1, 202ff. 56* 25 a
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§ 66. Rezeption der fremden Rechte.
Stärker trat das römische Recht auf dem Gebiet des Fahrnisrechts und des Erbrechts 26 ", am stärksten auf dem des Obligationenrechts26 c , das im deutschen Recht die geringste Entwicklung erfahren hatte, hervor; doch wurden auch hier vielfache nationale Eigentümlichkeiten teils durch partikulare Rechtsquellen, teils durch die gemeinrechtliche Doktrin vor dem Untergang bewahrt. Die Rezeption der fremden Rechte hatte zunächst eine segensreiche Wirkung. Sie gab dem deutschen Privatrecht und dem Gerichtsverfahren ungefähr zu derselben Zeit, wo sich über den Dialekten die gemeinsame neuhochdeutsche Schriftsprache erhob 26 ", die fehlende einheitliche Grundlage, die im Wege der Reichsgesetzgebung nie hätte erreicht werden können. Sie brachte die deutsche Rechtsentwicklung in die engste Fühlung mit derjenigen Italiens und Frankreichs. Sie diente auch, trotz der Schwerfälligkeit des gemeinen Prozesses, gegenüber den bisherigen Zuständen zur Förderung der Rechtssicherheit. Durch das geschulte Beamtentum, das sie zu ihrer Voraussetzung hatte, diente sie der Entwicklung des modeinen Rechtsstaates auf Kosten der feudalen Elemente. Aber auch die Kehrseite fehlte nicht. Unter den gelehrten und halbgelehrten Juristen 26 '' waren viele von völliger Mißachtung gegen das heimische Recht erfüllt. Gewohnheitsrechte suchte man nicht selten soviel wie möglich beiseite zu schieben, indem man den Beweis erschwerte oder die Verjährungsgrundsätze auf sie anwendete (n. 26a). Vielfach mit gesetzgeberischen Arbeiten, namentlich mit Neuredaktionen oder Reformationen von Landoder Stadtrechten betraut, wußten sie das vaterländische Recht zugunsten des römischen zu unterdrücken, so daß aus manchen Partikularrechten, z. B. dem württembergischen Landrecht, das deutsche Recht großenteils entfernt wurde. Vielfach freilich lag die Schuld bei derartigen Vorgängen nicht an den Juristen, sondern an den Ständen, die möglichst schnell und möglichst billig zu einem einheitlichen Gesetzbuch zu kommen wünschten. Was man als nationale Opposition der Stände, der Städte, des Adels oder der Bauern gegen das aufgezwungene fremde Recht gedeutet hat, beruhte auf anderen, zum Teil sehr kleinlichen und engherzigen Gründen 27 . Im 26b Vgl. S. 822. In Überlingen wurde 1496 das Eintrittsrecht der Enkel und der Kinder von Geschwistern ausdrücklich eingeführt mit Rücksicht auf die höheren Gerichte, die die alten Gewohnheiten aberkannten. Überlinger Stadtr. 159. Ein lehrreiches Beispiel für Verquickung bei O p e t (n. 19). 28c Vgl. v. G i e r k e Priv.-R. 3, 4 f . 26 d Wie sich die Rezeption auch im Sprachgemengsel der Rechtssprache äußerte, darüber vgl. De Nederlandsche Rechtstaal 1916, 1, 16ff. F i c k e l und R e n n e r Unsere Gesetzessprache 1913 S. 14. G ü n t h e r R. u. Sprache 1908, 19ff. 150ff. 26 e Das Sprichwort Juristen sind böse Christen wurde von Theologen aufgebracht, von anderen Ständen (wohl auch von den Bauern) übernommen. S t i n t z i n g „J. s. b. Chr." 1875. Vgl. die Streitschrift Contra doctores juris vom Ende des 16. Jh., hgg. B r u d e r , ZRG. 14, 245f. B u r d a c h Vom MA. zur Ref. III 1, 371f. 27 Vgl. v. B e l o w Rez. 67ff. K ü c h Qu. z. Rechtsgesch. d. Stadt Marburg 1 (1918) 22. Daß Frankreich und England von der Rezeption verschont blieben,
§ 67. Lehnwesen und Grandeigentum.
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großen und ganzen hat die Nation das weltgeschichtliche Ereignis ohne Widerspruch und ohne Verständnis über sich ergehen lassen, und erst das 18. und 19. Jh. sah sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, den durch die Rezeption herbeigeführten Dualismus des einheimischen und fremden Rechts im Wege einheitlicher Kodifikation zu überwinden und die durch Halbwisserei und Indolenz unterdrückten nationalen Rechtsgüter wieder zu Ehren zu bringen. § 67. Das Lehnwesen und das Grundeigentum. 1. Vgl. S.429. S . A d l e r , Österr. Staats-WB. unter Lehnwesen (1896). F o c k e m a A n d r e a e Oudnederl. Burgerl. R. 1, 281 if. v. B r ü n n e c k Zur G. des sog. Magdeburger Lehnrechts, ZRG. 28, 53 ff.; Die sächs. Leibzucht u. das Gnaden jähr im partikul. deutsch. Lehn- u. Adelsrecht, ebd. 40, 1 ff.; Zur G. des Grundeigentums in Ost- u. Westpreußen 2, 2 (1896). D e r n b u r g Preuß. Priv.-R. 1 §§365-72. F a l c k Schlesw.-holst. Priv.-R. 3, 340ff. G r e f e Hannovers Recht 2, 114ff. H ä b e r l i n HB. des teutsch. Staatsrechts 3, 303ff. (1797). K. P e t e r s e n Über den kurmärk. Adel im 17. Jh. Lehnwesen., Diss. Berlin 1911 (Jb. Kurmärk. V. 38). P ü t t e r Hist. Entw. d. Staatsverfassung des teutsch. Reiches 3 3 , 219ff. R o t h Bayer. Zivilrecht 2 §§ 199ff.; Mecklenb. Lehnrecht 1858. W e r u n s k y österr. RG. 15f. K. S. Z a c h a r i ä HB. d. sächs. Lehnrechts 2 1823. 2. Vgl. S. 453ff. 467. A c k e r m a n n Entw. d. Landwirtschaft d. schönburg. Herrschaften Wechselburg u. Penzig, Diss. Leipzig 1911. S. A d l e r Zur RG.d. adel. Grund, besitzes in österr. 1902. A l b e r t Steinbach bei Mudau 1899. A l l m e r s Unfreiheit der Friesen zw. Weser u. Jahde, Münch, volksw. Schriften 19. 1898. F o c k . And r e a e Oudnederl. Burg. R. 1, 182ff. 319ff. 347ff. A u b i n Zur G. d. gutsh.-bäuerl. Verhältnisses in Ostpr. 1912. v. Below Territorium u. Stadt; Zur Sozial- u. WG. d. Niederrheins im 16. Jh., Münster. Progr. 1896; Probleme der WG. 1920. B e r t h e a u Gesch. Entw. d. ländl. Verh. im Fürstentum Ratzeburg (Jbl. Meekl. G. 79). B e s c h o r n e r Über d. Wiederaufbau der im 30j. Kriege zerstörten Dörfer 1909 (Studium Lipsiense). B ö h m e Gutsh.-bäuerl. Verh. in Ostpreußen während der Reformzeit 1770-1830 ( S c h m o l l e r s Forsch. 20, 3. 1902). B r a n d t Bauer u. bäuerl. Lasten in Sachs.-Altenb. 17. —19. Jh. 1906 ( L a m p r e c h t Unters. 3, 4). B r e n t a n o Anerben-R. u. Grundeigentum 1895; Allg. Ztg. 1896, Beilage 4 — 6. v. B r i e s e n Rechtslage der Eigenbehörigen in Minden-Ravensburg, Diss. Münster 1907 (vgl. H e y m a n n , ZRG. 43, 489). C a r l B r i n k m a n n Wustrau. Wirtsch. u. VG. e. brandenb. Ritterguts 1912 ( S c h m o l l e r Forsch. 155). v. B r ü n n e c k Aufheb. d. Leibeigensch, durch Friedr. d. Gr., ZRG. 23, 24ff.; Wald u. See i. d. Rittergütern d. Mark Brand., JBB. f. Nat.-Ök. 70, 345ff. B r u n n e r Der Leihezwang i. d. deutsch. Agrar-G., Berl. Rekt.-Rede 1897. C i a a s s e n Schweiz. Bauernpolitik i. Zeitalter Zwingiis 1899 (Bauer u. H a r t m a n n Sozialg. Forsch. 4). A. C o h e n Der Kampf um die adel. Güter in Baiern n. d. 30 jähr. Kriege, Z. f. St.-W. 59, 1; Verschuldung d. bäuerl. Grundbesitzes in Baiern (1598—1795) 1906. C z e r w i n s k i Befreiung d. Bauern auf d. ost- u. westpreuß. Domänen, Diss. Königsb. 1910. D a r m S t ä d t e r Befreiung d. Leibeigenen (mainmortables) in Savoyen, Schweiz u. Lothringen 1897 (Abh. d. Straßb. staatsw. Seminars 17). D o m o Der Fläming u. d. war in erster Reihe das Verdienst ihrer gerade in den obersten Instanzen fest geordneten Rechtsprechung und der an diese sich anschließenden wissenschaftlichen Pflege des einheimischen Rechts. In Deutschland fehlte es an beidem. In Frankreich kam dem nationalen Recht außerdem die auf königliche Verordnung von 1454 allgemein durchgeführte amtliche Aufzeichnung der Coutumes zustatten.
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Neuzeit bis zur Auflösung des Reiches.
Herrschaft Wiesenburg 1914 ( S c h m o l l e r Forsch. 178). v. D u l t z i g Das deutsche Grunderbrecht 1899 (v. G i e r k e U. 58). D u r a s e w i c z Beitr. z. G. d. Landwirtscli. Kursachsens 1900. D y h r e n f u r t h Ein schles. Dorf u. Kittergut 1S06 ( S c h m o l l e r Forsch. 25, 2). E h r l e r Agrar-G. d. Johanniterherrsch. Heitersheim 1900 (Volksw. Abh. d. bad. Hochschulen 4, 2). E l l e r i n g Allmenden im Großli. Baden 1902 (ebd. 5, 5). E n g e l b r e c h t Agrarverf. d. Ermlandes 1913 ( S c h m o l l e r Forsch. 169). E r d m a n n s d ö r f f e r Deutsche Gesch. 1, 103ff. L. F i c k Bäuerl. Erbfolge im rechtsrh. Baiern 1895 (Münch, volksw. Stud. 8). F l o e r Stift Borghorst u. Ostendorfer Mark 1910 (Tübinger Abh. 2 5). F u c h s Epochen d. deutsch. Agrar-G. u. Agrarpolitik 1898; Gesch. d. gutsh.-bäuerl. Verh. i. Brandenb., ZRG. 25, 17ff. v. G i e r k e Genossensch.-R. 1, 658ff.; Priv.-R. 2, 368ff. S. G r a t a m a Het beklemrecht in zijne geschiedkundige ontwikkeling 1895. G r e f e Hannovers Recht 1 329ff. 2, 138ff. G r o s s m a n n Gutsh.-bäuerl. Verh. i. d. Mark Brand. 1890 ( S c h m o l lers Forsch. 9, 4). G r ü n b e r g Bauernbefreiung u. Auflös. d. gutsh.-bäuerl. Verh. in Böhmen, Mähren u. Schlesien, 2 Bde. 1893—94; Studien z. öst. Agrar-G. ( S c h m o l lers J B . 20, 1 S. 23ff. 21, 1 S. 135ff.). H ä b e r l e Wälder d. Stiftes Kaiserslautem, MittPfalz 33 (1913). v. H a h n Bäuerl. Verh. in Kurland im 17. u. 18. J b . 1911. J ö r g e n H a n s e n Flurverf. d. Dörfer auf d. Insel Alsen im 17. u. 18. J h . , Diss. Kiel 1913. H a n s s e n Agrarhist. Abh. 1, 388ff. 2, 179ff. 505ff.; Aufheb. d. Leibeigcnsch. u. Umgestalt. d. gutsh.-bäuerl. Verh. in Sclilesw.-Holst. 1861. H a u n Bauer u. Gutsherr in Kursachsen (Abh. d. Straßb. staatsw. Seminars 9). H a u s m a n n Grundentlastung in Baiem 1892 (ebd. 10). H e d e m a n n Fürsorge d. Gutsherrn für sein Gesinde 1905 (Festg. Dahn I , vgl. R i e t s c h e l , ZRG. 40, 436). H e e r w a g e n Lage d. Bauern z. Z. d. Bauernkrieges i. d. Taubergegenden, Heidelb. Diss. 1899. Hesse Entwickl. d. agrarrechtl. Verh. im Stift Verden 1900 (Conrads Sammlung 27). H ö t s c h Besilzverteilung u. wirtsch.-soziale Gliederung d. ländl. Bevölker. i. meißn. erzgebirg. Kreise Kursachsens 1900 (Leipz. Studien 6, 4); Bauernschutz ( S c h m o l lers J B . 26, 3 S. 1137ff.). H ü b n e r Priv.-R. 3 299ff. v. I n a m a - S t e r n e g g , Hand-WB. d. Staats-W., Suppl. 2, 861 ff. J o c k s c l i - P o p p e Die patrim. Verfass. u. Verwalt. d. Standesherrschaft Forst u. -Pforten 1905 (Niederlausitz. Mitteil. 9). v. J o r d a n - R o z w a d o w s k i Die Bauern d. 18. Jh. u. ihre Herren, J B B . f. Nat.-Ük. 75, 337ff. 478ff. (v. K a m p t z ) Zusammenstellung d. i. d. ostrhein. Teilen d. Reg.Bez. Koblenz gelt. Provinzialr. 1837. K i n d l i n g e r Ländl. Verh. d. Grafsch. Erbach u. Herrschaft Breuberg im 18. J h . 1912. G. F. K n a p p Grundherrsch, u. Rittergut 1897; Landarbeiter in Knechtsch. u. Freiheit 1891; Bauernbefreiung u. Urspr. der Landarbeiter i. d. älter. Teilen Preußens, 2 Bde. 1887. G. F. K n a p p u. K e r n Ländl. Verf. Niederschlesiens ( S c h i n d l e r s J B . 19, 1). Th. K n a p p Geammelte Beiträge z. R.- u. WG., vornehmlich des deutsch. Bauernstandes 1S02 (vgl. v. Below, Vjschr. f. Sez.- u. WG. 1); Neue Beiträge z. Rechts- u. Wirtsoh.-G. d. württ. Bauernstandes 1919 . E . K o c h , Lehrbuch d. Abts Georgius Thun zu Saalfeld 1497—1526, 1913 (ZThürG. 2 Erg.-H. 5). K ö n n e c k e Rechtsgescli. d. Gesindes in West- u. Süddeutschl. 1912 (Hevniann Arbeiten z. Handels- usw. Recht 12; vgl. K n a p p , HistVjschr. 17, 106ff.). K o p p Zehntwesen u. Zehntablösung in Baden 1899 (Volksw. Abh. d. bad. Hochschulen 3, 2). K ö t z s c h k e Studien z. Verw.-G. d. Großgrundherrsch. Werden 1S00; Grundz. d. d. WG. bis z. 17. J h . 2 1921. K r a a z Bauerngut u. Frondienste in Anhalt 1898 (Conrads Samml. 18). v. K ü n ß b e r g Der Wald im deutsch. Bergrecht, J B . d. Bergakad. 1904. L e n n h o f f Ländl. Gesindedienst in Brandenb. 16. —19. J h . 1906 (v. G i e r k e U. 79). L e t t e u. R ö n n e Landeskulturgesetzg. d. preuß. Staates 1, Einleitung (1853). Ludwig Der bad. Bauer im 18. J h . 1896 (Abb. d. Straßb. staatsw. Seminars 16). M a h n e r Beitr. z. Wirtsch.-G. d. Klosters Gnissau i. Schles., Diss. Münster 1913. L. v. M a u r e r G. d. Markverfassung 1856. M e i t z e n Boden u. landw. Verh. d. preuß. Staates 1, Kap. 11 — 14. Meli Anfänge der Bauernbefreiung in Steiermark 1901 (Forsch, z. Verf.- u. Verw.-G. der Steierm. 5, 1). Meinminger Zur G. d. Bauernlasten mit bes. Beziehung auf Baiern, Diss. Würzb. 1900. W. Meyer Guts- u. Leileigentum
§ 67. Lehnwesen und Grundeigentum.
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in Lippe seit Ausg. d. MA. 1896. M o s e r Patriot. Phantasien 1, 326ff. 3, 248 — 368. 4, 321 ff. Ö h r Ländl. Verh. in Braunschw. Wolfenb. im 16. J h . 1903 (Qu. u. Darst. z. Cr. Nieders. 12). O t t o Ein fränk. Dorf im Auf. d. 17. J h . , Z. f. Soz.- u. W G . 7, 331 ff. P a d b e r g Ländl. Verh. d. Prov. Pommern 1861. P e u k e r Beitr.'z. G. d. böhm. Freisassen, Mitt. D.-Böhm. 57 (1919) 143ff. R a w i t s c h e r Erb- u. Zeitpächter auf d. adligen Gütern der Ostküste Schlesw.-Holst., ZSchleswHG. 42, 1 ff. R e d l i c h Leibeigensch, u. Bauernbefreiung in Österr., Z. f. Soz.- u. WG. 3, 258ff. R e n n e f a h r t Die Allmend im Berner J u r a (v. G i e r k e U. 74, vgl. S t u t z , Z R G . 39, 393f.). R i e z l e r G. Baierns 6, 209ff. R i h n D. Besitzverhältnisse an den Mooren d. Grafschaft Hoya, Z. Nd.-Sachs. 80 (1915) lOlff. R o t t s t ä d t Besiedlung u. Wirtsch.-Verf. d. Thüringerwaldes 1914 ( S c h m o l l e r Forsch. 179). R u m l e r Bestrebungen z. Befreiung d. Privatbauern i. Preußen 1797 — 1816, Forsch. Brandenb. Pr.-G. 33 (1920) 35ff. 179ff. R ü t t i m a n n Die zugerischen Allmendkorporationen 1904 ( G m ü r Abh. z. Schweiz. R. 2; vgl. S t u t z , ZRG. 39, 392). S c h n a p p e r - A r n d t Fünf Dorfgemeinden a. d. Taunus 1883 ( S c h m o l l e r s Forsch. 4, 2). Schriften d. Ver. f. Sozialpolitik 2 2 - 2 4 (1883). S c h ö n e b a u m Rittergut u. Dorf Kleinopitz Anf. 19. J h . 1917. S c h o t t e Rechtl. u. wirtech. Entw. d. westf. Bauernstandes bis 1815 (in: Beitr. z. G. d. westf. Bauernst. 1912 S. 3ff.). R u d . S c h u l z e D. Kirchspiel Beelen 920—1920. 1920. S c h w e i z e r G. d. Habsb. Vogtsteuern, J b . Schweiz. G. 8, 137ff. S e r i n g Erbrecht u. Agrarverf. in Schlesw.-Holstein auf geschichtl. Gründl. 1908 (Vererbung d. ländl. Grundbesitzes im Kgr. Preußen 7; dieses von S e r i n g herausgegeb. Weik umfaßt 14 Bde., u. zw. Köln [ W y g o d z i n s k i 1897], Frankf. a. M. [ H i r s c h 1897], Hohenzollern [ H i r s c h 1898], Kassel [ H o l z a p f e l 1899], H a m m [Graf S p e e 1898], Hannover [ G r o ß m a n n 1897], Sachsen [ G r a b e i n 1900], Brandenburg [ B e n e k c , P r e y e r , S k a l w e i t 1900], Pommern [ H o u s s e l e , H i l l m a n n 1900], Ostpr. [v. W e n c k s t e r n , B ö h m e 1905], Westpr. [ B u s c h 1898], Posen [ G r o ß m a n n 1898], Schlesien [ D o y 6 1900]). S k a l w e i t Gutsherrschaft u. Landarbeiter 1911, J b . Gesetzg. 35, 1339ff. S o m m e r f e l d t Von masurischen Gütersitzen, Altpreuß. Mschr. 1913. S t a d e l m a n n Preußens Könige in ihrer Tätigkeit f. d. Landeskultur, 4 Bde. 1878—1887. S t a m m l e r R. des Breidenbacher Grundes 14ff. (v. G i e r k e U. 12). S t a m p e Der letzte Regulierungsprozeß auf Rügen (Greifsw. Festg. f. Bekker 1899). R. S t e i n Ländl. Verf. Ostpr. a m Ende d. 18. J h . 1918; Die ländl. Besitzverf. Ostpr. vor d. Reform d. 19. J h . , Königsb. Diss. 1918. S t ö l t i n g u. v. M ü n c h h a u s e n Die Rittergüter des Fürstent u m s Calmberg 1912. S t o l z e Zur Vorgeschichte d. Bauernkriegs 1900 ( S c h m o l l e r Forsch. 18; vgl. B r a n d e n b u r g , HistZ. 91, 277). S t u t z Höngger Meiergerichtsurteile d. 16. u. 17. J h . 1912. S z p e r Nederlandsche nederzettingen in West-Pruisen gedurende den Poolschen tijd, Diss. Amsterdam 1913. T a c k Die Hollandsgänger in Hannover u. Oldenburg 1902. T h u d i c h u m RG. der Wetterau 1867; Zur RG. der Wetterau, 2 Bde. 1874—85; Gau- u. Markverfassung 277ff. U l m a n n Kaiser Maximilian 2, 636ff. U n g e l e n k u. W a l d v o g e l Niederfüllbach 1912. V ö l t e r Grundh.-bäuerl. Verh. im nördl. Baden 1 5 . - 1 8 . J h . , N. Heidelb. J b . 19, l f f . W e g e n e r Bühring u. sein Plan e. Generallandschaftskasse 1918. W i g a n d Prov.-R. d. Fürstent. Minden, 2 Bde. 1834. W i t t i c h , HWB. d. Staats-W. 4, 229ff. W o p f n e r Almendregal d. Tiroler Landesfürsten 1906 ( D o p s c h Forsch 3); Bäuerl. Besitzrecht u. Besitzverteilung in Tirol um 1626 (Forsch. Tirol 4, 178ff.). W u t t k e Gesindeordnungen u. Gosindezwangsdienst 1894 ( S c h m o l l e r Forsch. 12, 4). Zehnter G. d. Ortes Messelhausen 1901. Z i e k u r s c h 100 J a h r e schles. Agrargesch. (1763ff.) 1915.
1. D a s L e h n w e s e n . Durch die Rezeption hatte das lombardische Lehnrecht die Bedeutung eines gemeinen subsidiären Lehnrechts erhalten. Vor den Libri Feudorum behielten die einheimischen Quellen, wie das sächsische Lehnrecht, das bairische Landrecht v. 1346 Tit. 16, verschiedene
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Neuzeit bis zur Auflösung des Reiches.
in dieser Periode zur Aufzeichnung gelangte partikuläre Lehnsgesetze (Lehnsmandate, Lehnsedikte) und die Lehnsgebräuche ihre Geltung1. Der Unterschied zwischen dem lombardischen Lehnrecht und der Entwicklungsstufe, die das deutsche Lehnrecht gegen Ende des Mittelalters erreicht hatte, war nicht bedeutend. Fortgebildet wurde das Lehnrecht vornehmlich durch die Doktrin. Das dingliche Rechtsverhältnis am Lehen wurde von ihr als geteiltes Eigentum (S. 792), dominium directum auf seiten des Herrn, dominium utile auf seiten des Mannes, aufgefaßt. Das Sukzessionsrecht erstreckte sich auf sämtliche lehnsfähige, zum Mannsstamm gehörige Nachkommen des ersten Erwerbers. Die gemeinrechtliche Sukzessionsordnung war bestritten; manche traten für die Gradual-, andere für die Lineal-, wieder andere (seit Hartmann Pistoris) für die dem Geist des lombardischen Lehnrechts sowie den Quellen allein entsprechende LinealGradual-Ordnung ein2. Mit Ausnahme der Fürstentümer waren die meisten Lehen Majorate, so daß unter an sich gleichberechtigten Lehnserben der ältere vorging. Bei Weiberlehen galt die weibliche Linie im Zweifel nur als subsidiär berechtigt; sie trat erst nach dem Aussterben des Mannsstammes ein und hatte diesem zu weichen, sobald das Lehen wieder in männliche Hände gekommen war. Der Streit, ob das Recht der Erbtochter oder der Regredienterbin vorgehe, wurde von Wissenschaft und Praxis gleichmäßig zugunsten der ersteren entschieden3. Bei Veräußerungen hatte der nächste Agnat den im deutschen Lehnrecht unbekannten Lehnsretrakt, während die übrigen Agnaten aüf das Revokationsrecht beschränkt waren, nachdem der Sukzessionsfall für sie eingetreten war4. Die Abkömmlinge des Veräußerers hatten weder Retrakt noch Revokationsrecht, sondern mußten die Handlungen ihrer Vorfahren anerkennen. Gegenüber dem Herrn erhielt sich, im Gegensatz zu der größeren Strenge des lombardischen Lehnrechts, im allgemeinen die Regel, daß er einem lehnsfähigen Erwerber die Belehnung nicht versagen dürfe5. Durch die Doktrin wurde die Lehre von den Lehnsschulden ausgebildet8. Ebenso verdankt die Eventualbelehnung eines adeligen Hauses für den Fall des Aussterbens des besitzenden Hauses und die Lehnsanwartschaft (Versprechen späterer Belehnung für den gleichen Fall) der 1 Vgl. Lünig Corp. iur. feud. Germanici, 3 Bde. 1727. Unter den jüngsten Lehnsgesetzen sind zu nennen: das kursächsische v. 1764, das altenburgische v. 1795, das gothaische v. 1800, das badische v. 1807, das bairische v. 1808 und das preußische ALR. I Tit. 18 §§ 13—679, letzteres ohne Anerkennung der Subsidiarität des lombardischen Rechts. 2 Vgl. Eichhorn 4, 443f. I F. 19 § 1. II F. 11 pr. 37 pr. 50. Über den Gegensatz der Sukzession der Agnaten und Abkömmlinge vgl. S. 442. 446. 3 Vgl. I F. 6 § 1. 8 § 2. II F. 13. 17 pr. 18. 30 pr. 51 § 3. * Vgl. I F. 8 § 1. II F. 9 § 1. 26 § 13, § 17. 31. 39 pr. 52 § 2. Schröder, ZRG. 5, 285ff. 8 Vgl. Eichhorn 4, 440. 6 Vgl. v. Gierke De debitis feudalibus, Berl. Diss. 1860. Weieke Abhandl. 139ff. Stobbe Priv.-R. 2 § 126 (3. Aufl. § 184).
§ 67. Lehnwesen und Grundeigentum.
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Doktrin ihre Ausbildung7. Eine besondere Lehnsvormundschaft war dem gemeinen Lehnrecht unbekannt8. Das Lehnsband zwischen dem Kaiser und den Fürsten hatte erheblich von seiner früheren Bedeutung verloren9. Bis Ende des 16. Jhs. erhielt sich noch die feierliche Belehnung der Fürsten durch Überreichung einer Fahne; da diese seit dem 15. Jh. auch bei den geistlichen Fürstentümern üblich geworden war, so verstand man unter „Fahnlehen" nunmehr alle Fürstentümer ohne Unterschied, außerdem einige Reichsgrafschaften, die von alters her in gleicher Weise verliehen worden waren. Die letzte nachweisliche Fahnenbelehnung erfolgte 1566. Seitdem wurden die Belehnungen nicht mehr im Lehnsgericht, sondern in der kaiserlichen Kammer erteilt; an die Stelle der alten Investitursymbole trat der Lehnsbrief; das Schwert, das der Kaiser bei der Belehnung in der Hand hielt, wurde nicht übergeben, sondern nur zum Kuß auf den Schwertknauf (an Stelle der alten Mannschaft) dargereicht. Nur die Fürstentümer wurden noch vom Kaiser persönlich verliehen, deshalb auch als ,Thronlehen' bezeichnet. Die Verleihung der übrigen Reichslehen erfolgte durch den Reichshofrat, während eines Interregnums durch die Hofgerichte der Reichsvikare. In Fortbildung eines seit Ende des 13. Jhs. vorkommenden Gebrauches erschienen die Fürsten zum Lehnsempfang nicht mehr in Person, sondern schickten Bevollmächtigte, die für sie dem Kaiser den Lehnseid leisteten und die Belehnung, für die erhebliche Lehnstaxen zu entrichten waren, empfingen. Veräußerungen von Landesteilen unter den Reichsständen geschahen nicht mehr durch die Hand des Kaisers; man hielt es für genügend, wenn er um die Belehnung des Erwerbers ersucht wurde, was oft erst nach Jahren geschah. Die Verpflichtung der Fürsten zur Hoffahrt verlor sich von selbst, seit die Kaiser aufgehört hatten, das Land zu bereisen und in den verschiedenen Teilen Hof zu halten. Seit 1663 hörte selbst der persönliche Besuch der Reichstage seitens der Fürsten auf. Innerhalb der Territorien verlor das Lehnwesen seinen öffentlich-rechtlichen Charakter seit der Einführung der Söldnerheere und des öffentlichen Beamtentums. Das Lehnrecht gehörte seitdem überwiegend nur npch dem Privatrecht an. In Kriegsfällen wurde den Vassalien regelmäßig die Wahl gestellt, ob sie persönlich Heerfolge leisten oder die entsprechende Summe von Ritterpferdgeldern (Heersteuer nach Maßgabe der dem Mann obliegenden Ritterpferde) zahlen wollten. Mit der Entwöhnung der Rittergutsbesitzer vom ritterlichen Leben verlor sich die Heerfolge allmählich ganz, nur die Ritterpferdgelder blieben. Dabei wurde gleichwohl noch vielfach daran festgehalten, daß nur Adeligen die volle Lehnsfähigkeit zukomme oder ihnen wenigstens die feuda nobilia (im Gegensatz zu feuda ignobilia) vorbehalten seien10. 7 Vgl. S. 437. Für die deutsche Territorialgeschichte sind Eventualbelehmmg und Lehnsanwartschaft von großer Bedeutung geworden. 8 Vgl. Art. 11 der ständigen Wahlkapitulation ( Z e u m e r 2 482). 9 Über das Folgende vgl. Börger (S. 429) 8 3 - 1 5 2 . F e i n e (S. 887) 349ff 10 Vgl. F r e n s d o r f f Lehnsfähigkeit der Bürger (§ 40 n. 6) 54ff.
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In Preußen erfolgte im Lauf des 18. Jhs. die Allodifikation 10 » sämtlicher Staatslehen gegen Umwandlung der unregelmäßigen Ritterpferdgelder in einen festen, von den Rittergütern übernommenen Kanon; die agnatischen Rcchte wurden aufrechterhalten 11 . Nur Vorpommern entzog sich dieser Reform. In Holstein vollzog sich die Modifikation um dieselbe Zeit im Wege der Verjährung 12 . In dem größten Teile Westpreußens hatte die polnische Gesetzgebung das Lehnwesen schon im 15. Jh. aufgehoben. In den mit Frankreich vereinigten Landesteilen kam der Beschluß der französischen Nationalversammlung vom 4. Aug. 1789 (Aufhebung des régime féodal) zur Geltung; die Gesetzgebung des Königreichs Westfalen und des Großherzogtums Berg schloß sich dem an. In Schwedisch-Pommern erfolgte die Allodifikation 1810—1811 im Wege der Ablösung. In der Rheinbundsakte verzichteten die einzelnen Staaten gegenseitig auf ihre Lehnsherrlichkeit über Besitzungen in den Gebieten der anderen, wodurch innerhalb des Rheinbundes alle Außenlehen (feuda extra curtem) beseitigt wurden. Durch die Auflösung des Reiches wurden von den bisher reichslehnbaren Territorien alle zur Souveränität gelangten ehemaligen Reichsfürstentümer und Reichsgrafschaften allodial, während die mediatisierten den Charakter von lehnbaren Standesherrschaften behielten und zu Landesthronlehen wurden. Im Lauf des 19. Jhs. hat die Landesgesetzgebung der einzelnen deutschen Staaten das Lehnwesen größtenteils beseitigt 12 *, nur in Mecklenburg bestand es noch weiter zu Recht. Aufrechterhalten wurden im allgemeinen die Thronlehen 13 , in einigen Staaten auch gewisse lehnbare Hofämter und landesherrliche Dotations- oder Gnadenlehen. Im übrigen sind die lehnsherrlichen Rechte fast überall aufgehoben oder für ablösbar erklärt worden. Die bisherigen Vasallen sind Eigentümer geworden, die agnatischen Rechte sind größtenteils ebenfalls aufgehoben oder für ablösbar erklärt, nur zum Teil noch aufrechterhalten. In Preußen und verschiedenen anderen Staaten 10 a Sonnenlehen (s. S. 4302) sind eine Verschmelzung von Allod und Lehen, eine ungesunde Abart des alten Rittermannlehens; sie sind erst in neuerer Zeit entstanden, die nicht mehr stark genug war, alte Formen rein zu erhalten. Klinghardt Ein Sonnenlehen, Z. Thür. G.2 21 (1913) 231. 11 Vgl. Löwe Forsch, z. br. u. preuß. G. 11, 341 ff. Altmann Ausgewählte Urkunden 1, 96. 98. 12 Vgl. Falck Schlesw.-holst. Privatrecht 3, 347. 12a Über einen älteren Versuch vgl. Frieß Erstes landesfürstl. Lehnallodifikationsprojekt in d. Erzherzogt. Österr. 1462 (Festschr. d. Akad. Ver. deutscher Historiker in Wien 1914, 111 ff.). 13 In Preußen erhielt 1819 der Fürst von Thum und Taxis als Entschädigung für sein Reichspostregal die Herrschaft Krotoschin als Thronlehen. Später übernahm Preußen die letzten Bestände der fürstlichen Post durch den Vertrag vom 16. Febr. 1867 gegen eine Geldentschädigung. In Baiem wurden durch Ablösungsgesetz vom 4. Juni 1848 auch die lehnbaren Standesherrschaften für ablösbar erklärt, während die Hofämter und Dotationslchen ausgenommen blieben. In Österreich bestand das Lehnrecht nur noch für die Landeserbämter und die lehnbaren Besitzungen des deutschen Ordens.
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ist ihre Ablösung durch Umwandlung der Lehen in Familienfideikommisse oder Stammgüter erfolgt. 2. G r u n d e i g e n t u m . Die Umgestaltung der Heerverfassung hat nicht bloß auf das Lehnwesen, sondern auch auf die Grundeigentuipsverhältnisse einen maßgebenden Einfluß ausgeübt, indem die Vassalien sich mehr und mehr in Landwirte verwandelten. Wesentlich befördert wurde diese Entwicklung durch Entstehung eines gelehrten Beamtentums, das den ungelehrten Adel allmählich ganz aus den früher ihm allein zukommenden amtlichen Stellungen verdrängte. In Böhmen und Mähren, Österreich und den Ländern östlich der Elbe, wo schon das Mittelalter den Grund zur Ausbildung großer Grundherrschaften gelegt hatte (S. 465f.), verwandelte sich der Ritter schon im 16. Jh. allgemein in einen friedlichen Rittergutsbesitzer; an die Stelle der mit spärlichem Eigentrieb verbundenen Grundherrschaften trat die Gutsherrschaft. Allerdings konnte dies, da der ritterliche Grundbesitz im allgemeinen zu gering war, nur durch Ausdehnung auf Kosten der bäuerlichen Bevölkerung geschehen; allein die Landesherren hatten im Interesse der staatlichen Ordnung ein zu lebhaftes Bedürfnis, den fehdelustigen Adel an ein ruhiges Leben zu gewöhnen, waren außerdem zu abhängig von den Ständen, die ihnen die gewünschten Steuern bewilligen sollten, als daß sie jenen Bestrebungen etwas in den Weg hätten legen dürfen. Den zahlreichen Klagen der Bauern über Bedrückungen ihrer Herren mußten die fürstlichen Hofgerichte das Gehör verweigern, indem sie jene mit ihren Beschwerden an die grundherrlichen Gerichte verwiesen. Auch drohte dem Bauern, der einen Prozeß gegen seinen Herrn verlor, die Gefahr, als unnützer Querulant noch besonders bestraft zu werden. So entwickelte sich im östlichen Deutschland ein dem .älteren Recht unbekanntes gutsherrlich-bäuerliches Verhältnis. Als Freibauern behaupteten sich die Lehn- oder Freischulzen, namentlich in Schlesien, Pommern und Westfalen, und die nach kulmischem Recht angesiedelten „ K ö l m e r " in Preußen. Die letzteren waren teils zins- und dienstpflichtige Kleinbauern, teils größere Grundbesitzer, die mit Zins und Diensten oder mit Reiterdienstpflicht und einem bloßen Anerkennungszins belastet waren. Die kleineren kulmischen Güter wurden schon gegen Ende des Mittelalters als Eigentum der Besitzer, die auf ihnen ruhenden Zinse und Dienste als Reallasten aufgefaßt. Bei den großen Gütern vollzog sich die gleiche Entwicklung unter dem Einfluß des preußischen Landrechts von 1620/1721. Überhaupt hatten die Ansiedler in den Kolonisationsländern des nordöstlichen Deutschlands ihren Grundbesitz zu sehr günstigen Bedingungen als Zinseigen (S. 789 f.) empfangen. Zum Teil blieb dieses günstige Verhältnis, das seit der Rezeption des römischen Rechts vielfach, zumal wo der Zins kein bloßer Anerkennungszins war, als römische Erbpacht behandelt wurde, bestehen; nur erwarben die Gutsherren das Retraktrecht, und die Besitzer wurden genötigt, zu dem Zins noch verschiedene Dienste und Leistungen zu übernehmen, die man als eine dem Gut auferlegte Reallast
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behandelte. Auch die Handänderungsgebühren bei Veräußerungen (Ehrschatz, Handlohn, Weinkauf, Lehnware, Gewinngeld, laudemium) fanden nach dem Vorbild anderer Leiheverhältnisse mehr und mehr Eingang. Erheblich schlechter war die Lage der sogenannten Lassiten oder Laßbauern14. Auch sie hatten zwar häufig ein erbliches Recht (das preußische ALE. spricht hier von „erblichem Kulturbau"); aber ihr Nutzungsrecht war nur ein beschränktes, ein Veräußerungsrecht besaßen sie nicht und bei der Wahl des Hof erben hatte der Herr mitzureden, so daß dem Bauern auch keine Verfügung von todeswegen über das Gut zustand. Für die gewährte Nutzung hatte der Laßbauer bedeutende Dienste und Abgaben zu leisten. Oft war das Recht nicht einmal erblich, sondern, wie bei den Schupflehen im Westen, nur lebenslänglich; im Lauf der Zeit wurde das nichterbliche Recht selbst zu widerruflicher Herrengunst herabgedrückt. Das lassitische Recht scheint zuerst bei Neu- oder Ödländereien, die erst in dieser Zeit von der Herrschaft an Bauern ausgetan wurden, aufgekommen zu sein, dann aber ist es zweifellos in vielen Fällen auch durch rechtswidrige Umgestaltung des Zinseigens, durch rohe Gewalt der Gutsherren, gegen die es keinen Rechtsschutz gab, herbeigeführt worden. Die dritte, durch das römische Recht besonders beförderte Art der bäuerlichen Leihe war die Zeitpacht, regelmäßig auf Grund eines schriftlichen Vertrages (während bei den beiden anderen Leiheformen das Herkommen maßgebend war) und so gestaltet, daß die Hauptleistung des Pächters nicht im Pachtzins, sondern in Diensten bestand. Selbständige Gutsbezirke gab es noch nicht. Die herrschaftlichen Äcker lagen, soweit es sich nicht um Dörfer mit Reihenhufen handelte (S. 462), in Gemenglage mit denen der Bauern. Die größeren Güter hatten meistens Vorwerke (abgezweigte Gutshöfe), die entweder auf dem Gemeindeland als geschlossene Güter angelegt waren, oder sich in einer benachbarten Gemeinde in Gewannlage befanden. Auf den adeligen Gütern pflegte in Norddeutschland der Herr selbst seiner Wirtschaft vorzustehen, während Domänen-, Stadt-, Stiftungs-, Kloster-, Universitäts- und andere Korporationsgüter regelmäßig einen Pächter hatten. Bewirtschaftet wurde das Herrengut ausschließlich durch Frondienste (Scharwerke, Robote) der Bauern, teils Hand- und Spanndienste, teils Baufronen, Burgwerk und Forstdienste. Je mehr sich der Großbetrieb der Gutsherren erweiterte, desto mehr waren sie bestrebt, die Zinse der Bauern in Frondienste umzuwandeln und die Dienstpflicht zu steigern. Waren auch die meisten Fronen gemessene Dienste, mit Beschränkung auf ein bestimmtes Feld, bestimmte Wochentage oder bestimmte Zeiten im Jahr, so überwogen doch in manchen Gegenden die ungemessenen Dienste, die mit jeder Vergrößerung des Gutes erhöht wurden. Auf den brandenburgisch-preußischen Domänen wurden 14 Der Sprachgebrauch in betreff der bäuerlichen Verhältnisse ist ein überaus schwankender und untechnischer. Wir schließen uns der Bezeichnungsweise von G. F. K n a p p an.
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die letzteren beseitigt; die Pächter durften nur solche Dienste fordern, die in den Urbarien verzeichnet waren; aber der von der Regierung gemachte Versuch, auch auf den adeligen Gütern feste Urbarien einzuführen, erwies sich als unausführbar. Für den Herrn brachten die Frondienste oft die erwünschte Gelegenheit, einen Bauern wegen Versäumung seiner Dienstpflichten vom Gute zu entfernen. Der Wunsch der Vergrößerung und besseren Abrundung der Güter führte zu dem System der Bauernlegung, d. h. der Einziehung von Bauergütern, die man entweder dem Besitzer wegen wirklicher oder vorgeblicher Verschlechterung oder Versäumung der Dienstpflicht abnahm (sog. Relegation oder Abmeierung), oder durch Kündigung bei widerruflichen Laßgütern und Nichterneuerung der Pacht bei Zeitpachtgütern in die eigene Hand brachte. Dazu kam das Recht des Auskaufes (Zwangsenteignung gegen Entschädigung), sobald der Herr das Gut zu eigenen Zwecken, insbesondere zur Anlage eines neuen Schloßgutes, gebrauchte, und die Einziehung verlassener Stellen. Die letzteren waren nach dem 30jährigen Kriege so zahlreich vorhanden, daß die Gutsherren, um sich die notwendigen Arbeitskräfte zu sichern, vielfach auf die Einziehung verzichteten und die Ödländereien mit bisherigen Büdnern oder sonstigen armen Leuten, denen sie die Bedingungen vorschreiben konnten, besetzten. In Holstein, dem südlichen Schleswig, Mecklenburg und Schwedisch-Pommern wurde das System der Bauernlegung bis zu vollständiger Abrundung der herrschaftlichen Güter durchgeführt, so däß die Bauergüter hier größtenteils verschwanden 15 . Dagegen wurde in Preußen schon unter Friedrich Wilhelm I und wiederholt unter Friedrich d. Gr. für alle heimgefallenen oder verlassenen Bauergüter, mit Einschluß der lassitischen und der bloßen Pachtgüter, der Leihezwang eingeführt und den Herren die Einziehung untersagt. Diese Maßregel des Bauernschutzes, die übrigens in Ostpreußen nicht zur Durchführung gelangt war, hatte nur den politischen Zweck, dem Staat einen lebensfähigen Bauernstand zu erhalten; dagegen lag es nicht in dem Plan, auch den einzelnen Bauern privatrechtlich in seinem Besitz zu erhalten. In Österreich wurde dieselbe Maßregel von Joseph II getroffen. Noch weiter ging die preußische Bauemschutzgesetzgebung gegenüber den Domänenbauern, die unter Friedrich Wilhelm I aus Lassiten in Erblehnbauern verwandelt wurden. Ihre Dienste (Robotten) blieben bestehen. Die bäuerlichen Leistungen wurden seit 1799 für ablösbar erklärt, so daß die Ablösung den vollen Eigentumsübergang an die Bauern nach sich zog. Persönliche Freiheit hatten sie schon früher erlangt. Infolgedessen war das gutsherrlichbäuerliche Verhältnis auf den preußischen Domänen schon vor der allgemeinen Regulierungsgesetzgebung des 19. Jhs. in angemessenerWeise beseitigt. 16 Weniger gewaltsam war das Verfahren in Nordschleswig, wo sich die Herren auf die Einziehung wüster Strecken und vertragsmäßigen Erwerb beschränkten. In der 2. Hälfte des 18. Jh. wurden in Schleswig-Holstein zahlreiche neue Bauerdörfer durch Parzellierung von Domänen und adeligen Gütern geschaffen. Vgl. H a n s s e n Agrarh. Abh. 2, 508.
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Bis zum Siebenjährigen Kriege wurde die Landwirtschaft in Norddeutschland noch sehr unvollkommen betrieben. Nur die zu jedem Hof gehörigen Gärten und Feldgärten (Wurten) und die nach dem System der Dreifelderwirtschaft benutzten Binnenländer in der Nähe des Dorfes erfreuten sich größerer Pflege, während die längs der Flurgrenze gelegenen sogenannten Außenländer wegen mangelnder Düngung nur etwa alle sechs oder neun Jahre zum Roggenbau benutzt werden konnten. Ganz verwahrlost waren die Gemeindeweiden, stellenweise auch die Gemeindewaldungen. Meistens wurde das Gemeindeland als Eigentum der Herren, mit bloßem Nutzungsrecht der Bauern, aufgefaßt. Seit 1763 strebten die Gutsherren, unter dem Einfluß der entwickelteren Landwirtschaftwissenschaft, aus diesen Zuständen herauszukommen. Gemeinheitsteilung (Teilung des Gemeindelandes sowie Aufhebung des Flurzwanges und der mit diesem verbundenen wechselseitigen Brach- und Stoppelweide) und Zusammenlegung der herrschaftlichen Äcker wurde das von allen erstrebte Ziel, das in Preußen im "Wege freiwilligen Austausches, durch Vermittlung der vom Staat für die verschiedenen Landesteile eingesetzten Auseinandersetzungsbehörden (seit 1769), schon im 18. Jh. von den meisten Großgrundbesitzern erreicht wurde, namentlich seit die schlesische Gemeinheitsteilungsordnung von 1771 und das ALR. I Tit. 17 §§ 311 ff. auf begründeten Antrag Auseinandersetzung von Amts wegen angeordnet hatte. Der Umfang des herrschaftlichen Besitzes im Verhältnis zu dem der Bauern war in den verschiedenen Gemarkungen ein sehr verschiedener. Die Auseinandersetzung geschah, da die Bauern für sich durchweg an den herkömmlichen Einrichtungen festhielten, überall in der Weise, daß der Gutsherr in einem der drei Felder einen zusammenhängenden Besitz erhielt und für die dadurch in Anspruch genommenen bäuerlichen Ackerparzellen die seinigen in den anderen Feldern in Tausch gab. Nach dem Ausscheiden des Gutes wurde die bäuerliche Feldmark einer neuen Einteilung in drei Felder unterzogen. Auf diesem Wege sind die meisten großen geschlossenen Güter in Preußen, zum Teil auch in dem übrigen nordöstlichen Deutschland, entstanden 16 . Mit der Zusammenlegung des herrschaftlichen Besitzes ging vielfach eine Teilung des Gemeindelandes Hand in Hand, so daß den Bauern ein Teil als Allmende belassen, das übrige freies Eigentum des Gutsherrn wurde. Auch in Süd- und Westdeutschland war die Lage der Bauern im 16. Jh. erheblich schlechter als in den früheren Jahrhunderten, und der Ausgang des Bauernkrieges konnte nur dazu beitragen, sie noch weiter zu verschlechtern 17 . 18
Über Schleswig-Holstein vgl. Meitzen Siedelung 1, 56f. Sering (S. 877). ^ Vgl. S. 470f. 500. Wolf Quellenkunde zur Reform.-G. 1, 396ff. 453ff. K ö t z s c h k e 2 (S. 876) 187f. S a r t o r i u s , G. des Bauernkrieges 1795. Zimmermann G. des Bauernkrieges2, 2 Bde. 1856. Lorenz F r i e s , G. des Bauernkr. in Ostfranken, her. v. S c h ä f f l e r u. Henner 1883. M. Cronthal Würzburg im Bauernkr., her. v. Wieland 1887. B a u m a n n Akten z. G. des Bauernkr. in Oberschwaben 1877. Friess Aufstand der Bauern in Niederösterreich, Bl. d. Ver. f.
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Die Allmenden, namentlich Waldungen1711, waren kraft des von den Landesherren in Anspruch genommenen Obermärkerrechts, zum Teil auch auf Grund des Forstregals, überwiegend fiskalisch geworden, und die Bauern hatten nur ein als Dienstbarkeit aufgefaßtes Nutzungsrecht behalten. Vielfach war auch die Erblichkeit der Bauerlehen verschwunden; die sogenannten Fall- oder Schupflehen gewährten dem Besitzer nur ein lebenslängliches Nutzungsrecht. Aber es fehlte nicht an Elementen, die der Erhaltung der Bauergiitcr zustatten kamen und eine ungesunde Ausdehnung des Großgrundbesitzes verhinderten. Wo es zur Bildung von Meiergütern gekommen war (S. 463), hatten die Landesherren von vornherein das größte Interesse daran, so wertvolle Steuerobjekte nicht in die Hände der privilegierten Klassen kommen zu lassen. Hier machte sich schon früh der staatliche Leihezwang geltend, den Grundherren wurde eine Erhöhung der auf den Meiergütern ruhenden Lasten untersagt, der Teilung der Güter durch Begünstigung des Anerbenrechts von Staats wegen entgegengetreten. Anderwärts war es die dem Westen Deutschlands eigentümliche zerstreute Lage des grundherrlichen Besitzes, im Gegensatz zu den geschlossenen, einem einzigen Herrn unterstehenden Dorfgemeinden des Ostens, die es den Grundherren nicht gestattete, die Gesamtheit oder auch nur die Mehrzahl ihrer bäuerlichen Hintersassen zu Frondiensten auf dem Herrenland zu verwenden. Der Übergang zum Großbetrieb war den Herren schon dadurch unmöglich gemacht. Dazu kam, daß die Landesherren zum Teil nicht die Rücksicht auf den landständischen Adel zu nehmen hatten, wie es in Norddeutschland der Fall war. In den württembergischen Ständen hielten Städte und Bauern den zu etwaigen Übergriffen geneigten Adel im Zaum und in Baiern wurde die Macht der Stände schon im 16. und 17. Jh. so geschwächt, daß sie dem Landesherrn keine Bedingungen mehr vorzuschreiben vermochten. In Baiern bildeten außerdem, im schärfsten Gegensatz zum östlichen Deutschland, die adeligen Hofmarken gegenüber den landesherrlichen und den weitaus überwiegenden Bauernhöfen geistlicher Grundherren nur einen ganz geringen Prozentsatz. Der Herzog und die Geistlichkeit hatten aber kein Interesse daran, die Bauern zu bedrücken oder ihnen gar Gewalt anzutun. Alle diese Umstände haben in Westdeutschland die für den Osten so verhängnisvoll gewordene Ausbildung der großen Güter auf Kosten eines für das Wohl des Landes unentbehrlichen Kleinbesitzes verhindert; statt der Gutsherrschaft erhielt sich die Grundherrschaft mit mäßigen Eigenbetrieben und zahlreichen abgabenpflichtigen Kleinbetrieben. Landeskunde in Niederösterreich 1897. Stolze Zur Vor-G. des Bauender. 1900 (Schmollers Forsch. 18, 4; vgl. Th. Knapp, HistVjschr. 4, 252); Der deutsche Bauernkrieg 1908. Schiff Forschungen zur Vorgeschichte des Bauernkrieges, HistVjschr. 19 (1919) lff. 189ff. Largiadèr Unters, zur Zürcherischen Landeshoheit 1920 S. 33ff. Wopfner Almendregal (S. 877) 109ff.; Akten z. G. d. bair. Bauernaufstandes 1705/6, hgg. Riezler u. Wallmenich 1912 — 15. 1,a Über das Almendregal und seine Auswirkungen als Forstregal, Mühlenregal, Fischereiregal vgl. Wopfner (S. 877). Über seine Ausnutzung im Interesse des landesfürstl. Bergbaus vgl. Wopfner 105ff. v. Künßberg (S. 876).
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[In W ü r t t e m b e r g 1 8 waren die Bauern z. T. noch Eigentümer, aber mit Grundzinspflicht, die meisten aber h a t t e n ihre Güter als Erblehen oder lebenslängliche Fall-Lehen von einem Grundherrn, dem sie als Grundholden eine ,Giilt' in Geld oder Naturalien oder eine ,Teilgebühr' (meistens ein Ertragsdrittel) und gewisse Küchengefälle in Hühnern, Gänsen, Eiern u. dgl. zu leisten hatten, ferner Lehnware bei Besitzveränderung und bei ihrem Tode den Fall (Sterbfall) als Nachlaßanteil oder das H a u p t r e c h t (beste Haupt), endlich Frondienste. Demgegenüber bestanden z. T. bedeutende Gegenleistungen der Grundherren wie Bau- u n d Brennholz, Weide, Imbiß bei den Fronen, auch wohl Geldgeschenke bei Darbringung der Zinse. Jedes Bauerdorf h a t t e einen oder mehrere Gerichtsherren, deren Dorfgericht außer einer beschränkten niederen Gerichtsbarkeit auch als Gemeinderat fungierte. Der Gerichtsherr erhielt von seinen Gerichtsuntertanen A b gaben und Dienste. In Altvvürttemberg war der Herzog überall der Gerichtsherr, in Neuwürttemberg vielfach Adelige, Stifter oder Städte. Viele Bauern hatten außer dem Gerichts- u n d Grundherrn noch einen Leibherrn, dem sie einen geringen Leibzins, bei ihrem Tode H a u p t r e c h t oder Fall schuldeten, ebenso ein Loskaufgeld (z. T. bis zu Vio des Vermögens), wenn sie frei werden wollten. Ursprünglich waren die Grundholden regelmäßig Leibeigene ihres Grundherrn, daher beruhte das Hauptrecht (Fall) allein auf der Leibeigenschaft. Auch später wurde vielfach, z. B. in Oberschwaben, daran festgehalten, daß, wer ein Bauerlehen haben wollte u n d nicht schon Leibeigener des Grundherrn war, sich diesem zu Eigen ergeben m u ß t e (sog. Realleibeigenschaft). Wo dagegen die Trennung von Grundu n d Leibherrschaft eingetreten war, unterschied m a n den Güterfall des Grundholden und den Leibfall des Leibeigenen. Der Kirchenzehnt war durch die Säkularisationen vielfach Laienzehnt geworden. In Württemberg war der große Zehnt durchweg landesherrlich, der kleine Zehnt meistens dem Pfarrer verblieben.]
§ 68. Die Stände und die Konfessionen. Breysig Wirtschaftl. soziale Gliederung der Stände zu Beginn der neueren Zeit (Schmollers JB. 21, 1 S. lff.). Eichhorn §§544, 545, 563. Walter DRG. §§ 459—65. Eichwede Entwickl. der Stände in Dtschl. u. die Ehe zur linken Hand, Diss. Heidelb. 1907. ßöhrum Ebenbürtigkeit 2. 1846. Hürbin Der deutsche Adel im ersten deutsch. Staatsrecht 1893. Ulmann (S. 857) 2, 577ff. 626ff. v. Luschin Öst. Reichs-G. 492ff. Roth v. Schreckenstein Der Freiherrtitel einst und jetzt 1888. Hauptmann Das Ebenbürtigkeitsprinzip i. d. Familien des deutschen Hochadels, ArchÖffR. 1902, 529ff. Anschütz Der Fall Friesenhausen (1904) (vgl. Fehr, ZRG. 39, 312ff.); Das Reichskammergericht u. die Ebenbürtigkeit des niederen Adels, ZRG. 40, 172. v. Gierke u. Anschütz Wiss. Beiträge zum Lipp. Erbfolgestreit 1905. P i l o t y Recht der Ebenbürtigkeit 1910. P ü t t e r Mißheiraten deutscher Fürsten u. Grafen 1796. Abt Mißheiraten i. deutsch. Fürstenhäusern 1911 (Beyerle Beitr. 7, 2; vgl. Schulte, ZRG. 47,577). v. Dungern 18
Vgl. insb. Th. Knapp Neue Beiträge (S. 876).
§ .68. Stände und Konfessionen.
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Genealogie 11. Rechtswissenschaft 1913 (in: H e y d e n r e i c h Handb. d. Genealogie 1, 335ff.). Feine Besetzung d. Reichsbistümer vcm westf. Frieden bis zur Säkularisation 1921 (Stutz Abh. 97f.)- Rehm Prädikats- u. Titelrecht der deutschen Standesherm 1905; Modernes Fürstenrecht 1905.
1. Der erste unter den Ständen war der hohe Adel, der sich in alter Weise aus den Fürsten und Herren zusammensetzte. Die letzteren hatten jetzt größtenteils den Grafentitel angenommen, während dieser aus dem Kreise der Fürsten verschwunden war 1 . Man sprach deshalb auch von Reichsfürsten und Reichsgrafen. Unter den ersteren kam die Bezeichnung als „Fürst", die früher nur allgemeine Standesbezeichnung gewesen war, jetzt auch als besonderer Titel neben den älteren Fürstentiteln in Gebrauch 2 . Wesentliche Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum hohen Adel war die Reichsstandschaft (§ 72). Sie kam im allgemeinen nur landesherrlichen Häusern, die sich im Besitz der Landeshoheit über ein Territorium befanden, zu. Wer nur eine Unterherrschaft unter fremder Landeshoheit besaß, konnte nicht zum hohen Adel gehören, doch gab es von alters her gewisse Ausnahmen für solche Herrengeschlechter, die sich (wie die Grafen von Stolberg) ungeachtet des Verlustes ihrer reichsunmittelbaren Stellung im Besitz der Reichsstandschaft erhalten hatten. Die Erhebung in den hohen Adel stand zwar dem Kaiser zu, aber seit 1654 nur für Personen, die ein reichsunmittelbares Territorium besaßen oder mit einem solchen beliehen wurden; seit der Verbindung der Reichsstandschaft mit bestimmten Territorien war der Besitz einer nicht mit Reichsstandschaft verbundenen reichsunmittelbaren Herrschaft nicht mehr genügend. Ohne den Besitz des erforderlichen Territoriums, der dem Reichstag nachgewiesen werden mußte, vermochte der Kaiser nicht die Eigenschaften, sondern nur die Titel des hohen Adels zu übertragen 3 . Die Zugehörigkeit zum hohen Adel setzte die Abstammung aus einer ebenbürtigen Ehe voraus. Eine solche bestand im allgemeinen nur zwischen Personen des hohen Adels, doch machte sich seit dem 16. «Jh. vielfach die Ansicht geltend, daß Männer des hohen Adels mit Frauen aus dem niederen Adel eine ebenbürtige Ehe eingehen könnten. Durchgedrungen war diese Auffassung jedenfalls im 18. Jh. bei den gräflichen Häusern, aber auch in einzelnen Fürstenhäusern hat sich eine teilweise entsprechende Observanz ausgebildet4, während sich die meisten fürstlichen Hausgesetze um so entschiedener dagegen verwahrt haben. 1 Über einzelne Herrengeschlechter, die den freiherrlichen Titel beibehielten, 2 vgl. Walter DRG. 2, 98. Vgl. Ficker Reiehsf. 201. 3 Vgl. Augsb. RA. von 1548 § 66 (N. Samml. 2, 539). Der JRA. von 1654 § 197 (ebd. 3, 678) und die Wahlkapitulation von 1637 verlangten die Zustimmung des Reichstages. Vgl. E r d m a n n s d ö r f f e r (S. 857) 1, 161f. Iwand Wahlkapitulationen d. 17. u. 18. Jh. u. ihr Einfl. a. d. Entw. d. Ebenbürtigkeits- u. Prädikatsrecht 1919, 12 ff. 4 Die früher sehr bestrittene Frage, ob in den reichsgräflichen Häusern auch Frauen aus dem untitulierten niederen Adel als ebenbürtig angesehen worden seien, ist nunmehr, auf Grund unzweifelhafter Praxis des Reichakammergerichta im 18. Jh., in bejahendem Sinne entschieden. Vgl. die S. 886 angeführte Literatur
R. S c h r 5 d e r - v . K t i n ß b e r g , Deutsche Rechtsgeschichte. 6. Aufl.
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Innerhalb des niederen Adels vollzog sich durch die Ausbildung der Reichsritterschaft die Scheidung in den Reichs- und Landesadel. Die Mitglieder des ersteren (§ 80) übten eine beschränkte landesherrliche Gewalt auf ihren Besitzungen und h a t t e n als Reichsunmittelbare den persönlichen Gerichtsstand vor den höchsten Reichsgerichten. Sie besaßen das Rechl der Hausgesetzgebung, die jedoch kaiserlicher Bestätigung bedurfte. Als Korporation wurden sie unmittelbar zu gewissen Reichslasten herangezogen und hatten den Anspruch auf direkte Mitteilung aller Reichsgcsetze. D a sie aber keine Reichsstandschaft besaßen, so zählten sie nur zu dem niederen Adel, obwohl sie sich zum Teil durch das Verlangen einer bestimmten reichsritterlichen Alinenzahl bei Kanonikaten, Turnieren und Stammgütern von dem Landesadel abzuschließen suchten. Seit der Mitte des 18. Jhs. führten die Mitglieder der Reichsritterschaft sämtlich, auch ohne besondere Verleihung, den freiherrlichen Titel. Durch die Umgestaltung der Heeresverfassung und die Einführung des Briefadels h a t t e der niedere Adel, zu dem jetzt auch der Stadtadel gerechnet wurde, seinen Charakter als Berufsstand verloren und war zu einem privilegierten Geburtsstande geworden, wenn er auch zum Teil, namentlich in Süd- und Westdeutschland, die ritterliche Lebensweise noch bis zum 17. J h . fortsetzte. Nicht nur unter den berittenen Söldnern, den sog. Reisigen, befanden sich viele vom Adel. In Preußen galt der Offiziersdienst im Heere als eine gesetzliche Pflicht des Landadels. Der persönliche Adel der Doctores iuris 4 a kam allmählich außer Übung, aus ihm entwickelte sich aber vielfach die Gleichstellung des höheren Beamtenstandes mit dem Adel. Beiden wurde der eximierte Gerichtsstand, zum Teil auch die Siegelmäßiglceit, d. h. die Gleichstellung des Privatsiegels mit den öffentlichen Siegeln, zugestanden. Mit dem eximierten Gerichtsstand hing die Exemtion von den bloß lokalen Statutarrechten in Ansehung des Familien- und Erbrechts zusammen; die Eximierten lebten in dieser Beziehung ausschließlich nach Provinzial- oder Landesrecht. Das Recht, den Adel zn verleihen, war ein kaiserliches Reservatrecht, mit dem nur solche Reichsstände, die zugleich europäische Mächte waren, konkurrierten 5 . Durch Strafurteil konnte der Verlust des Adels ausgesprochen werden. Zu den Vorrechten des Adels gehörte das Recht auf ein Familienwappen 6 und die passive Lehnsfähigkeit. über den Lippiscben Erbfolgestreit und den Fall Friesenhausen. Bei reichsfürstlichen Häusern beschränkte sich die observanzmäßige Zulassung von Ehen mit dem niederen Adel auf Frauen aus gräflichen Familien. 4a Vgl. v. Below, HistZ. 100, 327. Hauptmann Wappenrecht 78ff. Feine (S. 887) 21 ff. 6 Vgl. preuß. ALR. II Tit. 9 §§ 9 - 1 3 , Anh. § 118. Durch besonderes kaiserliches Privileg konnten auch andere Reichsstünde das Recht der Adelsverleihung erlangen, insbesondere kam es vor, daß der Kaiser einzelne Reichsstände zu Hofpfalzgrafen mit der großen Comitive ernannte, wodurch sie zur Verleihung des einfachen (untitulierten) Adels berechtigt wurden. Vgl. Pütter Histor. Entwicklung 3, 263. Bei Vakanz des kais. Thrones adelte der Pfalzgraf. 6 Vgl. Hauptmann Wappenrecht 1896. Hupp Wider die Schwarmgeister. Berichtigung irriger Meinungen über das Wappenwesen 1918.
§ 68. Stande nnd Konfessionen.
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Aus der letzteren entsprang der Satz, daß Rittergüter ohne besondere landesherrliche Genehmigung nur voil Adeligen erworben werden durften. Ein anderes, in manchen Partikularrechten hervortretendes Vorrecht des Adels bezog sich auf die Fähigkeit zu Familienfideikommissen. Auch wo dieses Vorrecht nicht anerkannt war, forderten die Stiftungsbriefe nicht selten eine bestimmte Ahnenzahl, die vielfach auch bei Kanonikaten und Turnieren verlangt wurde, so daß sich der Begriff des stifts- oder turniermäßigen Adels von acht oder gar sechzehn Ahnen bildete 6 ». Abgesehen von derartigen Beschränkungen wurden Ehen zwischen Adeligen und Nichtadeligen freien Standes allgemein als ebenbürtige Ehen behandelt, erst im Lauf des 18. Jhs. machte sich in Doktrin und Praxis eine Richtung geltend, welche die Ehe eines adeligen Mannes mit einer „vilis et turpis persona" als ungebührlich bezeichnete und der- Ehefrau wie den aus einer solchen Ehe entsprossenen Kindern die besonderen Standesvorrechte des Vaters versagte; diese Auffassung fand hier und da auch Eingang in die Gesetzgebung, namentlich in ein preußisches Edikt v. J . 1739 und von da in das Allgemeine Landrecht, nach dem ein Mann von Adel mit Frauen aus dem Bauern- oder geringeren Bürgerstand ohne einen auf Bewilligung seiner drei nächsten Verwandten erteilten gerichtlichen Dispens keine Ehe zur rechten Hand eingehen konnte 7 . Abgesehen von der hier hervortretenden Unterscheidung zwischen höheren und niederem Bürgerstand und gewissen den letzteren betreffenden Sonderbestimmungen (wie A L R . I 6 §§ 112ff. I I 2 § 626), hatte der Bürgerstand, der die gesamte freie Einwohnerschaft der Städte umfaßte, nichts Eigentümliches 7 ". Die Lage der bäuerlichen Bevölkerung hatte sich seit den letzten Jahrhunderten des Mittelalters wesentlich verschlechtert 8 . In Westdeutschland S a Vgl. oben S. 48250. R a u c h Stiftsfähigkeit u. Stiftsmäßigkeit 1910 (Fschr. Brunner). Schreuer Stiftsmäßigkeit u. Stiftsfähigkeit (ArchBürgR. 37, 1 ff.). F o r s t Ahnenproben der Mainzer Domherren 1913. (Mit dem Jahre 1637 beginnt die 16-Ahnenprobe.) v. Dungern Zur Frage der Stiftsfähigkeit (Grünhuts Z. 39, 242ff.). v. Below Territ. u. Stadt 204. Feine (S. 887) 13ff., insb. 66ff. über die Standeszugehörigkeit der deutschen Fürstbischöfe. Reichsrechtlich wurde das Indigenat für Reichsstände gefordert und seit der Reformation ist kein Ausländer mehr auf einen deutschen Bischofstühl gelangt. Feine 63ff. ' Vgl. Göhrum Ebenb. 2, 174ff. 198ff. Die Bestimmung des ALR. wurde erst durch Gesetz v. 22. Febr. 1869 ausdrücklich aufgehoben. 7 a Die sozialen Unterschiede zwischen Großkaufmann und Kleinbürger hiben eich allerdings auch vielfach im Recht wiedergespiegelt. So die Vorzugsstellung der großen, mit „Freiheiten und Monopolien" ausgestatteten Handelsgesellschaften der Fugger, Welser, Imhoff, Humpiss u. a., die Oligarchie des Patriziats der ratsfähigen Geschlechter usw. Die Gegensätze führten zu sozialen Bewegungen; schon die Bauernkriege fanden ihr Echo in manchen Städten (vgl. K ü c h Qu. z. RG. d. Stadt Marburg 1, 31 ff. u. Note 9). Vgl. die S. 857 angeführten Werke von Ehrenberg, J a n s e n , S o m b a r t ; v. Below Probleme der WG. 1920, 399ff. B r e n t a n o Anfänge d. modernen Kapitalismus 1916. K ö t z s c h k e WG. 2 162ff. BrunnerHeymann 7 254. K r a g Die Paumgartner 1919. Über die Viatis und Peller vgl. Aubin, ZHR. 84(1921) 423ff. Dahlmann-Waitz 8 Nr. 6802f. 8868. 8876. 8898ff. 8 Vgl. die Literaturangaben S. 453ff. 467f. 875f., insb. Hedemann (S. 876), Könnecke (S. 876), Wuttke (S. 877), Lennhoff (S. 876).
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waren zwar durch die Einführung der Meiergüter viele ehemals hörige Bauern zu persönlicher Freiheit und behaglichem Dasein gelangt, aber ihr Emporsteigen erfolgte auf Kosten der Mehrzahl ihrer früheren Standesgenossen, die ihren Grundbesitz ganz oder größtenteils verloren und zu kleinen Büdnern oder besitzlosen Leibeigenen oder Halseigenen wurden. Im allgemeinen beschränkte sich die Leibeigenschaft auf das offene Land, doch wurden durch die Reaktion gegen den Bauernkrieg, die überhaupt die Lage der Leibeigenen verschlechterte, mehrfach auch ganze Stadtgemeinden, die es mit den Bauern gehalten hatten, der Leibeigenschaft unterworfen9. Hier und da wurden auch Fremde („herkommende Leute"), die ohne „nachfolgenden Herrn" und ohne sich dem Schutz eines inländischen Grundherrn zu unterwerfen, Jahr und Tag im Lande gewohnt hatten, seitens des Landesherrn, in den Ländern fränkischen Rechts aber, auf Grund eines angeblichen Wildfangregals, seitens des Pfalzgrafen als Eigenleute in Anspruch genommen10. Im allgemeinen war die Lage der Leibeigenen in Westdeutschland keine drückende. Zu Frondiensten waren sie regelmäßig nur dem Grundherrn auf Grund ihres Leihegutes, aber nicht dem Leibherrn für ihre Person verpflichtet. Dagegen hatten sie vielfach, zumal in Baiern, dem Leibherrn Gesindedienste zu leisten und bedurften zum Abzüge sowie zu Heiraten außerhalb des Landes der Genehmigung des Herrn. Die Annahme eines vom Herrn ihnen angebotenen Hofes durften sie nicht ablehnen. Sonst beschränkten sich ihre Leistungen meistens auf einen Leibzins, in Geld oder in Gestalt eines Leibhuhns, und auf den Sterbfall (Hauptrecht), der im ] 8. Jh. nur noch als ein verhältnismäßiger Zuschlag zu der auch von Freien zu entrichtenden Erbschaftssteuer erschien11; nur vereinzelt (z. B. in Westfalen) hat sich das strengere Bauteilsrecht, das dem Herrn einen bestimmten Bruchteil des Nachlasses gewährte, länger erhalten12. Die Leibeigenen konnten eigenes Vermögen haben und sich von der Eigenschaft loskaufen, falls eine Vereinbarung mit dem Herrn über das Loskaufgeld erzielt wurde. Später hatten die Loskaufgelder meistens ihre festen Taxen, so daß sie nur als ein besonderer Zuschlag zu der Nachsteuer, die freie Einwohner beim Abzug zu zahlen hatten, empfunden wurden. Da die Leibeigenen nur an • Vgl. Oberrhein. Stadtrechte 1, 170. Vgl. S. 609 u. § 78 n. 4. 11 Beide Abgaben kamen auch als grundherrliche Abgaben vor. Dem von den Leibeigenen entrichteten Hauptrecht („Leibfall") stand dann der von dem Grund- oder Gerichtsherrn erhobene „Güterfall" gegenüber. .Dem Leibzins entsprach die grundherrliche weisat oder Weisung, Ausdrücke, die übrigens auch für die Abgaben der Leibeigenen verwendet wurden. Vgl. Ableih Brunner im RWB. 1, 168. 12 Vielfach galt im 16. Jh., namentlich in Kurpfalz, Westfalen und der Schweiz, das sog. Hagestolzenrecht, kraft dessen unverheiratete oder dcch kinderlos verstorbene Leibeigene von der Herrschaft beerbt wurden. Erst durch kurfürstliches Privileg von 1609 traten gewisse Milderungen ein. Vgl. v. Brünneck, ZRG. 35, lff. K. Brunner, N. Heidelb. JBB. 12, 65ff. S t ö l z e l Ein karolinger Königshof in lOOOjähr. Wandlung. Zugleich ein Beitrag z. G. d. Hagestolzenrechts 1919 (vgl. v. Künßberg, ZRG. 54, 407). 10
§ 68. Stände und Konfessionen.
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die Person des Herrn gebunden waren und nicht zu einem Hof gehörten, so besaßen sie vielfach auch das Recht der Freizügigkeit, wenn sie nur die Rechte des „nachfolgenden Herrn" wahrten und ihre Leibhühner entrichteten. Einer Heiratserlaubnis bedurften sie in der Regel nicht; da aber die Kinder regelmäßig der Mutter nachfolgten (nur zuweilen Teilung nach den Geschlechtern), so hatte der Leibherr bei Ungenossenehen12» seiner Leute eine Ungenossenabgabe (Ungenossame) zu beanspruchen. Durch die Freizügigkeit und die Heiratsfreiheit kam es dahin, daß in den meisten Dörfern Leibeigene der verschiedensten Herren im Gemisch saßen, während alle Dorfbewohner demselben Gerichtsherrn unterworfen waren13. Gerichts- wie Grundherren suchten diesem Übelstand nach Kräften durch wechselseitigen Austausch oder durch gegenseitige Freizügigkeitsverträge und durch die Abwehr aller neuen Ansiedler, die einen „nachfolgenden Herrn" hatten, zu begegnen14. Denn die Veräußerung ihrer Leute war den Leibherren gestattet; da das ganze Verhältnis aber nicht mehr als ein solches persönlicher Unfreiheit aufgefaßt wurde, so erschien auch die Veräußerung nicht als eine Veräußerung der Person, sondern nur als eine Übertragung der besonderen Besteuerungsrechte, die den Herren gegenüber ihren Leibeigenen zustanden. Die besonderen Steuern und Steuerzuschläge, denen die Leibeigenen unterlagen, bildeten schließlich neben dem ehrenrührigen Namen den einzigen Unterschied dieser Klasse gegenüber den Freien; in manchen Gegenden kamen aber auch diese letzten Reste der Leibeigenschaft schon im Lauf des 16. und 17. Jhs. vollständig ab. Den umgekehrten Weg hat die Entwicklung im östlichen Deutschland, und zwar ebensowohl in den früheren Kolonisationsgebieten ostwärts der Elbe, die im Mittelalter nur von freien Leuten bewohnt wurden (S. 498), wie in Österreich, Böhmen, Mähren und Schlesien eingeschlagen. Während sich im Westen mehr und mehr ein Übergang von der Knechtschaft zur Freiheit vollzog, hat im Osten das wirtschaftliche Bedürfnis der zum Großbetrieb übergegangenen Gutsherren die Nachkommen der freien Kolonisten Schritt für Schritt zu einer, der baierischen Leibeigenschaft ähnlichen, diese an Härte vielfach noch übertreffenden Erbuntertänigkeit oder Hofhörigkeit geführt. Die Ansätze finden sich bereits im 16. Jh., aber erst die durch den 30jährigen Krieg herbeigeführte Entvölkerung machte es für den Großgrundbesitz zu einer Lebensfrage, sich mit allen Mitteln die Erhaltung der nötigen Arbeitskräfte zu sichern. Unterstützt wurde diese Entwicklung in Mecklenburg durch die ungehörige Heran12a Vgl. Fehr Frau u. Kinder (§ 61 n. 130) 213ff. 13 Andererseits konnten Leibeigene auch Leihegüter von fremden Grundherren empfangen, so daß sie einer dreifachen Untertänigkeit (gegen Leib-, Grund und Gerichtsherrn) unterlagen. 14 Durch die Freizügigkeitsverträge erhielten die Leibeigenen innerhalb des Vertragsgebietes das Recht freien Abzuges, hatten sich dafür aber der Leibherrschaft sei es des Gerichtsherrn des Niederlassungsortes (lokale Leibeigenschaft) oder des Grundherrn der Hofgenossenschaft, in die sie eintraten (reale Leibeigenschaft) zu unterwerfen.
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ziehung der römischrechtlichen Bestimmungen über die servi, in den an Polen grenzenden Landesteilen durch den Einfluß der polnischen Gesetzgebung, die im 16. Jh. die Leibeigenschaft im schroffsten Sinne eingeführt hatte 15 . Kur vereinzelt vermochten sich die alten Freibauern zu erhalten. Leibzins und Hauptrecht, im Westen das eigentliche Merkzeichen der Leibeigenschaft, spielten im Osten keine Rolle. Hier bestanden die Leistungen der Bauern ausschließlich in Frondiensten, oft ungemessenen, die man an die Stelle des früheren Grundzinses gesetzt hatte. Um dieser Frondienste willen gestattete man dem Bauern den Abzug nur gegen Stellung eines Ersatz- oder Gewährsmannes, zuweilen mußten selbst mehrere zur Auswahl des Herrn gestellt werden. Indem die Frondienste auch auf den Gesindezwangdienst ausgedehnt wurden, ergriff die Beschränkung der Freizügigkeit auch die Kinder der Bauern sowie solche, denen der Herr wegen Unbotmäßigkeit den Hof entzogen hatte. Diese mußten als Gutstagelöhner (Instleute 15 a , Einlieger) auf dem Hofe bleiben, während die Kinder der Bauern in der Regel, solange sie ledig waren, zum Gesindedienst auf dem Hofe verpflichtet waren. Bei den Erbuntertänigen ist die Arbeit, nicht aber ihre Person Zubehör des Gutes. Der Abzug wurde ihnen nur gestattet, wenn sie sich mit dem Herrn über den Loskauf verständigten 16 . Die Übernahme eines vom Herrn angebotenen Hofes durfte nicht verweigert werden. Zur Erlernung eines Handwerks wie zur Verheiratung war die Genehmigung des Herrn erforderlich. Da die Folge nach der Mutter im Osten unbekannt war, so wurde auch den Töchtern der Bauern die Verheiratung nach auswärts nur gegen Loskauf gestattet. Die dem Westen besonders charakteristischen gemischten Gemeinden waren dem Osten, da die Freizügigkeit fehlte, durchaus unbekannt. Seit Ende des Mittelalters gehörten alle Dorfbewohner demselben Gutsherrn, der zugleich ihr Gerichtsherr war. Sie waren Hofhörige und galten als Zubehör des Herrnhofes. Vorübergehend haben die Herren sogar ein Eigentum an der Person und das Recht freier Veräußerung in Anspruch genommen. Die auf die Befreiung des Bauernstandes gerichteten Bestrebungen der preußischen Könige Friedrich Wil15
Vgl. Graf K r a s i n s k i Gesehichtl. Darstellung der Bauernverhältnisse in Polen, 2 Bde. 1898. Das jus teutonicum (S. 742) hat sich in Polen wenigstens in der Erinnerung sehr lange gehalten. Jedenfails zeigt eine Dorfordnung von Mitte 18. Jh. noch große Ähnlichkeit mit den alten Ordnungen. B r a n d e n b u r g e r Goldau b. Posen S. 16. Unter polnischer Herrschaft verfielen die deutschen Kolonien aus der Erbfreiheit in Hörigkeit; sowohl bei der Kolonisation des MA. als auch im 18. Jh. B r a n d e n b u r g e r 29. M. B ä r D. Adel u. adelige Grundbesitz in Polnischpreußen z. Z. der preuß. Besitzergreifung 1911. Zur Kolonisation vgl. B e h a g h e l G. d. deutschen Sprache3 21 ff. B o n w e t s c h G. d. deutschen Kolonien a. d. Wolga 1919. K a i n d l G. d. Deutschen i. d. Karpathen, 3 Bde. 1907—10. L o w Deutsche Bauernstaaten auf russischer Steppe 1916. Über die galizischen Bauern im 15. Jh. vgl. R u n d s t e i n in: Studya nad historya prawa polskiego 2, 2 (1903). Sklaverei in Rußland: G ö t z Das russ. Recht, Bonner Univ.-Progr. 1909 S. 12f. 16a Insten heißen in Preußen die nicht spannfähigen Bauern (1816) und die vor 1765 angesetzten Kleinbauern. 16 Vgl. Z. f. deutsche Kultur-G. 1896 S. 467 ff.
§ 68. Stände und Konfessionen.
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heims I und Friedrichs d. Gr. hatten in Brandenburg und Pommern nur geringen Erfolg; mehr wurde i n , O s t - u n d Westpreußen, wo die Verhältnisse besonders im argen lagen, durchgesetzt. 2. Der bisher ausschließlich katholische 1 6 1 Charakter des Reiches wurde durch den Religionsfrieden von 1555 zugunsten der augsburgischen Konfession im Sinn der P a r i t ä t abgeändert 1 7 ; der Landfriede wurde auf die religiösen Streitigkeiten ausgedehnt. Die volle P a r i t ä t wurde jedoch nur in den Reichsstädten durchgeführt, während sie im übrigen bloß den Herrschenden, d. h. den Reichsständen und der Reichsritterschaft, aber nicht den U n t e r t a n e n zu gut kam. Die Landesherren erhielten das Recht des Religionsbannes (ins reformancli) (vgl. unten § 78, 3), k r a f t dessen sie f ü r ihr Gebiet nach ihrem Ermessen beide Konfessionen zulassen oder die eine verbieten konnten, wenn sie nur den Anhängern des verbotenen Bekenntnisses (auch solchen leibeigenen Standes) freien Abzug mit ihrem ganzen Vermögen gestatteten. Der westfälische Friede dehnte die P a r i t ä t auch auf die Reformierten als augsburgische Konfessionsverwandte aus 1 7 a und beschränkte die fernere Ausübung des Religionsbannes (ausgenommen in den österreichischen Erblanden) durch die Festsetzung des Jahres 1624 als Normaljahr, so daß alle, die in diesem J a h r das Recht der öffentlichen oder privaten Ausübung ihrer Religion (publicum seu privatum suae religionis exercitium) durch ausdrückliches Zugeständnis oder longus usus besessen hatten, dabei erhalten bleiben sollten, während die Landesherren gegenüber den durch das Normaljahr nicht Geschützten, soweit diese nicht den freien Abzug vorzogen, zwischen Duldung und Ausweisung, unbeschadet des Vermögens der Ausgewiesenen, wählen konnten 1 8 . Dissidenten sollten auch ferner im Reiche nicht geduldet werden. Die Reichsstädte wurden durch den westfälischen Frieden (Art. 5 § 29) hinsichtlich des Religionsbannes den übrigen Reichsständen und der Reichsritterschaft gleich16tt
Vgl. Ketzerei (§ 6224), Acht und Bann (§ 62"). " Augsb. Rel.-Fr. §§ 15-17. 20. 24. 26. 27 (Zentner 2 Nr. 189. N. Samml. з, 17ff.). Vgl. Stutz Kirchenrecht (S. 11) 370ff. Wolf Quellenkunde zur Ref.G. 1, 435ff. Brandi Augsb. Rel.-Fr. 1896. v. Bonin Prakt. Bedeutung des ius reformandi 1902 (Stutz Abh. 1). Th. Knapp Das Reformationsrecht in Deutschi, nach dem Westf. Frieden (Ges. Beitr. 449ff.). Fürstenau Pas Grundrecht d. Rel.Freiheit n. seiner gesch. Entw. in Deutschi. 1891. S. Adler Der Augsb. Rel.-Fr. и. d. Protestantismus in Österr. 1910 (Festschr. f. Brunner 251 ff.). Smend RKG. 1, 142ff. 180ff. 225f. Über die Durchführung der Gegenreformation durch Ref.Kommissionen vgl. Schmitt-Dorotic Diktatur 1921, 76ff. Th. Mayr Einrichtung u. Tätigkeit d. tirol. Religionsagenten 1607 - 65, ForschMittTirol 13(1916) 37ff. Über den geistlichen Vorbehalt vgl. § 78 n. 9. § 83 n. 2. 1,1 Keller Die staatsrechtl. Anerkennung d. reform. Kirche auf dem westf. Friedenskongreß 1911 (Festg. f. Krüger 474ff.). 18 JPO. Art. 5 §§ 1. 28. 30-37. 48. Art. 7 § 1. Streitig blieb die Frage, ob der Landesherr ohne landständische Genehmigung berechtigt sei, statt bloßer Duldung auch die öffentliche Religionsübung zu gestatten. Der Glaubensduldung waren die Fürsten besonders in neugewonnenen Gebieten geneigt oder sie mußten sie aus polit. Gründen üben. Bisweilen waren ihnen durch Staatsverträge die Hände gebunden. Vgl. Kaas Geistl. Gerichtsbarkeit d. kath. K. in Preußen 1, 12f.
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gestellt. In betreff der Besetzung des Reichskammergerichts 1 8 " und der höchsten Befehlshaberstellen i m Heer wurde die Parität in kleinlichster Weise durchgeführt. Für A b s t i m m u n g e n des Reichstages über Angelegenheiten, die konfessionelle Fragen berührten, wurde itio in partes angeordnet. D i e Reformation hat weit über die Fragen der Parität hinaus Bedeutung für die Geschichte des Rechts in fast allen seinen Zweigen 1 8 b . In Ansehung der J u d e n 1 9 hielt noch die Reichspolizeiordnung v o n 1577 daran fest, daß nur diejenigen, denen das Reich das Regal übertragen habe, J u d e n aufnehmen dürften. D a s Wucherprivileg der Juden wurde an den reichsgesetzlichen Höchstsatz von 5 % g e b u n d e n ; das Judenprivileg, kraft dessen sie in g u t e m Glauben erworbene Sachen nur gegen Ersatz herauszugeben brauchten, wurde aufgehoben. D e n Reichsständen blieb vorbehalten, andere B e s t i m m u n g e n über die J u d e n zu treffen. 18a
Vgl. S m e n d R K G . 1, 207ff. 214. 288. Vgl. B a d e r Ref. u. ihr Einfluß a. d. zürcherische Recht 1902 (Theol. Ztschr. aus d. Schweiz 19). v. B a r G. d. Strafr. 129ff. v. B e l o w Ursachen d. Ref. 1917; Bedeutung d. Ref. f. d. polit. Entw. 1918. F e h r Widerstandsrecht, MJÖG. 38 (1918) l f f . ; RG. 213ff. 263. H ä n e l Melanchthcn als Jurist, ZRG. 8 (1869) 249ff. H e r m e l i n k , ZKirchG. 29, 267 ff. 479ff.; ZRG. Kan. 9, 334ff. J o r d a n Luthers Staatsauffassung 1917 (vgl. B r i n k m a n n , VjschrSozWG. 15, 125ff.). K a h l Luther u. d. Recht, D J u r Z . 1917, 913ff. K a l k o f f E n t s t . d. Wormser Edikts 1913; Luthers Verhältnis z. Reichsverf. u. d. Rezeption d. Wormser Edikts, Hist.Vjschr. 18 (1916) 265ff.; D. Wormser E. u. d. Erlasse d. Reichsregiments u. einzelner Reichsfürsten 1917; Luther u. d. Entscheidungsjahre d. Ref. 1917; Ulr. von H u t t e n u. d. Ref. 1920. K e r n Luther u. d. Widerstandsrecht, ZRG. Kan. 6, 331 ff. K ö h l e r Luther u. d. Juristen 1873. L e n z Luthers Lehre v. d. Obrigkeit, Preuß. J b b . 75 (1894) 426ff. K . M ü l l e r Luthers Äußerungen über d. R. d. bewaffn. Widerstandes gegen d. Kaiser 1915 (Münch. SB.). N a g l e r Strafe 1 (1918 ) 203ff. R a d e Luther aus seinen Werken 1917. S ä g m ü l l e r D. Idee d. Säkularisation d. Kirchengutes im ausg. MA., Theol. Quartalsschr. 99, 253ff. S c h ä f e r Geltung d. kanon. R . in der evang. Kirche, ZRG. Kan. 5, 165ff. J . S c h l o s s e r D. Lehre vom Widerstandsrecht d. Untertanen geg. d. legitime Fürstengewalt bei d. Katholiken d. 16. Jh., Bonn. Diss. 1914. v. S c h u b e r t Reich u. Reformation, Heidelb. Rektoratsrede 1910; Weltgesch. Bedeutung der Ref. 1917. A. S c h u l t z e Stadtgemeinde u. Ref. 1918 (Recht u. Staat, H e f t 11). S e g a l l (§ 77 n. 1) 67ff. W. S o h m Territorium u. Ref. 1915; D. sozialen Lehren Melanchthons, HistZ. 115, 64ff. S t ö r m a n n D. städt. Gravamina geg d. Klerus zu Ausg. d. MA. u. in der Ref.-Zeit, Diss. Münster 1912. S t u t z Kirchenr. 2 368ff. T r o e l t s c h Soziallehren d. christl. Kirchen 427ff. M a x W e b e r Ges. Aufsätze z. Religionssoziologie 1 (1920). W o l f f Entscheidungsjalire d. Ref., DLitZ. 1917, 1403ff. - Wolf Quellenk. z. RefG. I 286f., I I 1, 241 ff. D a h l m a n n - W a i t z 8 (S. 3) Nr. 7523. 18b
19 Vgl. RPO. von 1577 Tit. 20 §§2. 6. 7. D a h l m a n n - W a i t z 8 Nr. 2312ff. S c h e r e r Übersicht der Judengesetzgebung in Österreich 1895 (Österr. Staatswörterb. s.v.). P r i b r a m Urk. u. Akten z. G. d. Juden in Wien 1, 1526—1847. 1918. P r i e b a t s c h Judenpolitik des fürstl. Absolutismus im 17. u. 18. J h . (Fschr. Schäfer 1915). R o s e n b e r g Beitr. z. G. d. Juden in Steiermark 1914. C. T h . W e i s s , G. u. rechtl. Stellung der Juden im Fürstbist. Straßburg, Heidelb. Diss. 1894. L e w i n G. d. badischen Juden 1738—1909. 1909. S c h w a b a c h e r G. der portugiesischjüdischen u. deutsch-israel. Gemeinde zu Hamburg, Heidelb. Diss. 1914. S o m b a r t D. J u d e n u. d. Wirtschaftsleben 1911.
§ 69. Der Kaiser.
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Zweites Kapitel.
Die Verfassung des Reiches und seiner Teile. G e r s t l a c h e r HB. der teutschen Reichsgesetze in system. Ordnung, 11 Bde. 1786—93. J . J . M o s e r Teutsches Staatsrecht, 50Bde. 1737—54; Erläuterung des Westfälischen Friedens, 2 Bde. 1775—76. H ä b e r l i n HB. d. deutsch. Staatsrechts 2 , 3 Bde. 1797. P f e f f i n g e r Vitriarius illustratus, seu institutiones iuris publici Romano - Germanici, 4 Bde. 1731. H i p p o l i t h u s a L a p i d e Dissertatio de ratione status in imperio nostro Rcmano-Geimanico 1640 (im Auftrage der schwed. Regierung verfaßt von B. Ph. v. C h e m n i t z ; vgl. G o l d s c h l a g Beiträge zur polit. u. publizist. Tätigkeit Heimann Comings, Gött. Diss. 1884 S. 13. 73f.). S e v e r i n u s de M o n z a m b a n o (Sam. P u f e n d o r f ) De statu imperii Germanici 1667 (hg. S a l o m o n 1910 in Z e u m e r Quellen u. Studien I I I 4. Deutsche Übersetzung von B r e s s l a u 1870; vgl. D r o y s e n Zur Kritik Pufendorfs, Abh. zur neueren G. 1876, F r a n k l i n Das Deutsche Reich nach Monzambano 1872; J a s t r o w Pufendorfs Lehre von der Monstrosität der Reichsverfassung 1882). J . S. P ü t t e r Geist des westfäl. Friedens 1795. M e j e r Einleitung in das deutsche Staatsrecht® 1884. R i t t e r (S. 857) 1, 1 - 5 7 . E r d m a n n s d ö r f f e r (S. 857) 1, 48ff. 133ff. G. MeyerA n s c h ü t z Lehrb. d. deutsch. Staatsr.' 61 ff. H e u s l e r VG. 234ff. B r u n n e r H e y m a n n 7 279ff. H ä r t u n g VG. (S. 8 r 8). F e h r RG. 207ff. A. S c h u l t e Fürstentum u. Einheitsstaat i. d. d. Gesch. 1921.
§ 69. Der Kaiser. B i t t n e r Der Titel „Heil. röm. R. d. N.", MJÖG. 34 (1913) 526f. G r i t z n e r Die deutschen Reichsfarben 1920 (Fschr. Seeliger). R a u e r Der Deutsche Kaiser 1913. S a a r b u r g Die Stellung d. Kaisers zur Gesetzgebung im neuen u. alten Deutschen Reich, Würzb. Diss. 1911. S m e n d Zur G. d. Formel 'Kaiser u. Reich' 1910 (Festg. Zeumer 439). Z e u m e r Heiliges römisches Reich deutscher Kation 1910 ( Z e u m e r , Stud. 4, 2). Z w i n g m a n n Der Kaiser in Reich u. Christenheit im Jh. nach d. Westf. Frieden 1913 (vgl. R e d l i c h , MJÖG. 36, 725ff.). Vgl. § 65.
Seit Maximilian I führte der deutsche König als solcher den Titel „erwählter römischer Kaiser" (electus Romanorum
imperator
semper
augustus,
Germaniae rex), wozu noch der von seinen Erbländern entlehnte weitere Titel hinzutrat1. Eine Kaiserkrönung hat nur noch bei Karl V stattgefunden. Die Wahl erfolgte, abgesehen von den Veränderungen im Kurfürstenkollegium, bis zur Auflösung des Reiches nach den Vorschriften der Goldenen 1 Maximilian I hatte 1508 (Zeumer Qu.-S. J Nr. 178, vgl. U l m a n n Maxim. 2, 339) den Titel 'erwählter röm. Kaiser' angenommen. Denselben Titel führte Karl V bis zur Kaiserkrönung in Bologna 1530 (seitdem ohne 'erwählter'), deren er bedurfte, um seinen Bruder Ferdinand 1531 zum 'röm. König' wählen zu lassen. Letzte Krönung in Aachen 1531 ( F r e n s d o r f f , Gött. Nachr. 1897 S. 81). Krönungen in Frankfurt 1562. 1568, 1711, 1742, 1745, 1761, 1790, 1792; Regensburg 1575* 1636, 1653; Augsburg 1690. Subsidiäres Krönungsrecht von Mainz 1562, 1575, 1636, 1658, 1690, 1711, 1745-1792. Die Frankf. Krönungen (bis auf 1742) durch Mainz, da Mainz u. Köln sich geeinigt hatten, daß der Erzbischof des Krönungsortes zu krönen hätte. Vgl. S t u t z Der Erzb. v. Mainz u. d. deutsche Königswahl 1910 S. 43ff.; Rheims u. Mainz 1921 (BSB.) 433. Zu Mehrer des Reichs s. S. 522.
Neuzeit bis zur Auflösung des Reiches.
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Bulle. Die Kurfürsten nahmen an der Wahl vielfach nur noch durch Gesandte teil. Auch die Krönung wurde seit Ferdinand I regelmäßig zu Frankfurt vollzogen. Die früheren Beziehungen des Papstes zu den Wahlvorgängen waren seit Wegfall der römischen Krönung 1 " von selbst beseitigt. Die Wähler hielten seit Albrecht II ohne Unterbrechung an dem habsburgischen Hause bis zu dessen Aussterben mit Karl VI (1740) fest, auch Karl VII (1742—45) verdankte die Wahl nicht seiner Stellung als Kurfürst von Baiern, sondern als habsburgischer Regredienterbe. Nach seinem Tode fiel die Wahl auf Franz I, Herzog von Lothringen (1745—65), als Gemahl der habsburgischen Erbtochter Maria Theresia. An dem lothringisch-habsburgiscjien Hause (Joseph II 1 7 6 5 - 9 0 , Leopold II 1 7 9 0 - 9 2 , Franz II 1 7 9 2 - 1 8 0 6 ) wurde dann bis zur Auflösung des Reiches festgehalten. Die Regierungsmündigkeit trat seit der Wahl Josephs I statt des früher beobachteten ribuarischen Termins mit dem vollendeten 18. Lebensjahr ein 2 . Für eine Tätigkeit der Reichsvikare, zu der auch die Besetzung der obersten Reichsgerichte gehörte, soweit sie dem Kaiser zustand, war (abgesehen von dem Interregnum 20. Okt. 1740 bis 24. Jan. 1742) nur selten Gelegenheit, da die Kaiser regelmäßig schon bei ihren Lebzeiten die Wahl und Krönung ihres Nachfolgers zum „Römischen König" durchsetzten, unmündige Kaiser aber in dieser Periode nicht vorkamen 3 . Auch die seit der Wahlkapitulation von 1711 vorgesehene Vertretung in sonstigen Verhinderungsfällen ist nicht praktisch geworden 4 . Das seit dem Westfälischen Frieden zwischen Pfalz und Baiern streitige pfälzische Vikariatsrecht sollte nach dem Vergleich von .1752 abwechselnd ausgeübt werden 5 . Die Rechte des Kaisers waren durch die neuere Verfassungsentwicklung, zumal durch die Wahlkapitulationen 5 a , auf das äußerste eingeschränkt. Die letzteren legten dem Kaiser die Pflicht der Residenz im Reiche auf; allen Reichsständen und ihren Gesandten sowie den Angehörigen der Reichsritterschaft mußte er auf Ansuchen Audienz gewähren; die Hofsprache sollte entweder deutsch oder lateinisch sein. Die meisten Rechte übte der Kaiser nur noch in Gemeinschaft mit dem Reichstag oder den Kurfürsten aus. Zu den ausschließlich kaiserlichen Rechten gehörte die Vertretung des Reiches nach außen (abgesehen von Kriegserklärungen und Verträgen), die Berufung des Reichstages, solange er periodisch zusammentrat, die Einbringung von Initiativanträgen bei diesem, sowie die Ratifikation und Publikation der Reichsgesetze 5b . Bei dem Reichskammergericht hatte der la
Letzte Kaiserkrönung in Rom 1452 (Friedrich III). Vgl. S. 525. Kraut Vormundschaft 3, 117ff. 3 Vgl. n. 1 und Eichhorn 4, 308 n. 4 Vgl. Kraut a. a. O. 3, 119. 126. 129f. 6 Vgl. Eichhorn 4, 308 Note c. Erdmannsdörffer a. a. O. 1, 310f. Text: Zeumer Qu.-S.2 Nr. 210. 6a Die im Westfälischen Frieden vorgesehene ständige Wahlkapitulation kam erst 1711 zustande. 6b J. Lukas Über die Gesetzespublikation in Österr. u. dem Deutschen Reich 1903 (vgl. Rauch, ZRG. 41, 484). Vgl. §92». 8
§ 69. Der Kaiser.
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Kaiser gewisse Stellen zu besetzen. Privilegia de 11011 appellando gegen die Reichsgerichte konnten nur von ihm erteilt werden 6 . Als oberster Lehnsherr vollzog der Kaiser die Verleihung der Reichslehen; die Wiederverleihung heimgefallener Reiclislehen erforderte die Mitwirkung der Kurfürsten, sobald die Lehen „etwas Merkliches ertrugen". Die Investitur der Reichspröpste war Sache des Kaisers. Bei manchen Kirchenämtern hatte er auch das Recht der ersten Bitte 7 . Während im 16. u. 17. Jh. die Mitwirkung des Kaisers bei den Wahlen in den Reichsbistümern 7 a nur in politischen Formen (Wahlgesandtschaft usw.) erfolgte, bildete sich seit Ende des 17. Jh., vornehmlich aber im 18. Jh. eine Rechtsgrundlage für die Mitwirkung aus, wobei die Theorie das Wormser Konkordat rezipierte. Das Rechtsinstitut des kaiserlichen Wahlkommissars vermochte sich durchzusetzen; aber der Anspruch auf die kaiserliche Exklusive bei Besetzung von Bistümern ist nicht durchgedrungen, obwohl die Exklusive bei der Papstwahl seit dem 18. Jh. mit Erfolg geltend gemacht wurde. Zu den Reservatrechten, die der Kaiser auch innerhalb der Territorien ausübte, gehörte die Verleihung von Zoll-, Stapel- 7 » und Münzgerechtigkeiten, die aber der Mitwirkung des Kurfürstenkollegiunis bedurfte, die Ernennung von Notaren mit öffentlichem Glauben für das ganze Reich (notarii pvblici irnperii), die Verleihung des Promotionsrechtes (ins doctorandi) an Universitäten (§ 44 n. 4), die Erteilung gelehrter Grade 7 '-, von anderen Titeln und von Standeserhöhungen (S. 887f.). Die Erteilung von Moratorien 7 " war an sich ein kaiserliches Regal, das durch den Reichshofrat ausgeübt wurde, aber seit Mitte des 16. Jh. nur dann, wenn Reichsunmittelbare darum nachsuchten; Landsässige hatten sich an ihren Landesherrn bzw. dessen Kanzlei oder Hofgericht zu wenden; der Kaiser verfügte da nur in besonders dringenden Fällen. Eine Konkurrenz zwischen Kaiser und Landesherrn (§ 78, 4), soweit diese dem Reichsfürstenstand angehörten, bestand hinsichtlich des Begnadigungsrechts, dfer Gewährung von Legitimationen und Volljährigkeitserklärungen und der Erteilung von Stadt- und Marktrechten 8 . • Nach dem JRA. von 1654 § 116 sollte der Kaiser neue Privilegien dieser Art nur in den dringendsten Fällen erteilen. 7 Vgl. § 48 n. 17. König Sigmund übte das Recht gegenüber sämtliohen Dom- und Kollegiatstiftern als ein althergebrachtes Kronrecht aus. Vgl. Urkunde Sigmunds v. 1414, N. Arch. 23, 151. C o u l i n Kaiserliche erste Bitte auf Abtei und Hochstift Fulda, VjschrSozWG. 15 (1920) 268ff. 7a Vgl. F e i n e Besetzung der Reichsbistümer vom Westf. Frieden bis zur Säkularisation 1921 ( S t u t z Abh. 97f.) 92ff. "> Vgl. B r u n n e r - H e y m a n n RG.' 280. N o a c k Stapel- u. Schiffahrtsrecht Mindens 1648-1769 (Q.-Darst. N.-Sachs. 16) 1904. Vgl. S. 700 92 . 70 Vgl. v. W r e t s c h k o Verleihung gelehrter Grade durch den Kaiser seit Karl IV 1910; Die akad. Grade an österr. Univ. 1910. M e y h ö f e r Die kaiserl. Stiftungsprivilegien f. Univ. (Arch. Urk. Forsch. 4, 291 ff.). 7d Graf O b e m d o r f f Das vom Landesherrn oder von Staats wegen erteilte Moratorium, Diss. Greifsw. 1905, S. 16. 82. Vgl. § 70 40 . 8 Über letztere P ü t t e r Auserlee. Rechtfälle 2, 807. Über Jahrgebung vgl. § 78».
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Im Anfang unserer Periode wurde noch häufig die kaiserliche Bestätigung landesherrlicher Gesetze nachgesucht, weil sie den Vorteil hatte, den Reichsgerichten gegenüber die NichtVerletzung reichsgesetzlicher Bestimmungen festzustellen9. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jhs. kamen derartige Bestätigungen außer Übung, dagegen wurde an der Notwendigkeit der kaiserlichen Bestätigung für die Hausgesetze der Reichsstände und Reichsritterschaft festgehalten. „Kaiser und Reich" sind nicht zwei verschiedene Faktoren in höherer Einheit, sondern beide bezeichnen dasselbe Subjekt, nur „Kaiser" mehr die individualistische Seite, „Reich" mehr die objektive Seite, es ist kein Zusammenfassen zweier koordinierter Faktoren10. Erst seit dem 15. Jh. erwirbt der Reichstag soviel ständische Rechte, daß man ihn neben dem König als Träger der Reichspersönlichkeit ansehen kann. Die Reichsreform faßt aber nicht das Reich als eine Einung11 auf, deren Haupt der Kaiser, dessen Genossen die einzelnen Reichsstände sind, vielmehr suchen die Stände die Summe der Reichsgewalt an sich zu ziehen und dem König abzunehmen, aber nur für ihre Gesamtheit, ohne Vergrößerung des Gewaltbereichs der Einzelnen. In der Hauptsache sind sie siegreich in der Gründung einer ständischen Zentralgewalt, das Reich bleibt auch für sie ein einheitlicher Verband. Der Titel „Heiliges römisches Reich" ohne den Zusatz ist nach der Zeit der Ottonen allmählich entstanden und bis über die Mitte des 15. Jhs. in Gebrauch gewesen. Erst dann tritt der Zusatz „deutscher Nation" hinzu, wird ein Jahrhundert lang oft gebraucht, aber im Gegensatz zu den außerdeutschen Nebenländern; er sollte aber nie das Reich als ein von der deutschen Nation abhängiges bezeichnen, also nie war es offizielle Bezeichnung des Reichs in dem Sinne, den die gelehrte Umdeutung des 17. Jhs. hineingelegt hat. § 70. Die Reichshofbeamten. Adler Organisation der Zentralverwaltung unter Maximilian I 1886. B o s e n t h a l Behördenorganisation Ferdinands 1887. Ulmann Maximilian 1, 804ff. G. Meier, KritVjschr. 29, 569ff. Lorenz Reichskanzler und Reichskanzlei (Drei Bücher G. und Politik 52ff., auch Preuß. JB. 39, 474ff.). Seeliger Erzkanzler und Reichtkanzleien 1889 S. 62ff. L a s c h i n v. E b e n g r e u t h Öst. Reichs-G. 263ff. K r e t s c h m a y r Das deutsche Reichsvizekanzleramt 1897 (auch ArchöG. 84, 381 ff.). F e l l n e r - K r e t s c h m a y r D. österr. Zentralverwaltung, 3 Bde. 1907. Walther Kanzleiordnungen Maximilians I, Karls V u. Ferdinands I, Arch. Urk.Foxsch. 2 (1908) 335ff.
Durch die Reichsreform wurden ganze Gruppen von reichsständischen Beamten, wie die des Reichskammergerichts, die Schatzmeister, die Reichs9
Vgl. Eichhorn 4, 292ff. Vgl. Smend (S. 895) gegen v. Gierke u. Härtung. Deutsche Staat d. MA. 1, 187 f. 11 So v. Gierke Gen.-R. 1, 509ff. 10
Vgl. v. Below
§ 70. Die Reichshofbeamten.
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generale, neu geschaffen, während es im Reich diensttuende königliche Beamte kaum noch gab. Der persönliche Charakter des früheren Regiments trat nur noch bei den Hofbeamten hervor. Die Erzämter wurden durch den westfälischen Frieden noch um ein Erzschatzmeisteramt vermehrt, das der Pfalzgraf für das auf Baiern übertragene Erztruchseßamt erhielt, während es nach der Vereinigung Baierns und der Pfalz an den Kurfürsten von Hannover (bisher Erzbannerherr) kam. Sie waren im wesentlichen bloße „Dignitäten" ohne eine reale Bedeutung. Dasselbe galt im allgemeinen auch von den Erbämtern, die aber mit gewissen Einnahmen verbunden waren 1 . Eine hervorragende Bedeutung hatte nur das Erzkanzleramt für Deutschland1», das durch den Reiclisdeputations-Hauptschluß von 1803 von Kur-Mainz auf das neugeschaffene Kur-Regensburg übertragen wurde. Im übrigen traten gegenüber den Erbbeamten die persönlich vom Kaiser ernannten Hofbeamten, namentlich der Obersthofmeister, Oberstmarschall und Generalschatzmeister, als besondere Vertrauenspersonen in den Vordergrund 2 . Als Beamter für die Erteilung kaiserlicher Gnadenerweisungen, namentlich Adelsverleihungen, Verleihungen gelehrter Grade und die Ernennung öffentlicher Notare, erhielt sich der von Karl IV eingeführte Hofpfalzgraf, indem der Kaiser entweder für die einzelnen Territorien besondere Hofpfalzgrafen ernannte oder den Landesherren diese Würde erteilte 3 . Hinsichtlich der Hofkanzlei traten unter Friedrich III die alten Ansprüche des Erzkanzlers, insbesondere der auf die Ernennung des Vizekanzlers (S. 533) wieder hervor. In den letzten Regierungsjahren Maximilians I und unter Karl V besorgte die erbländische Hofkanzlei unter dem vom Kaiser ernannten Hofkanzler in einer besonderen für das Reich bestimmten Abteilung unter einem eigenen Sekretär auch die Reichsangelegenheiten4. Dagegen bestand unter Friedrich III und in der ersten Zeit Maximilians I, sodann wieder seit der Thronbesteigung Ferdinands I 1 Das Erbmarschallamt hatten die Grafen von Pappenheim, das Erbschenkenamt (bis 1714) die Schenken von Limburg, seit 1714 die Grafen von Althann, das Erbtruchseßamt die Grafen von Waldburg, das Erbkämmereramt die Pürsten von Hohenzollern, das Erbschatzmeisteramt die Grafen von Sinzendorf. Über die Bedeutung des Marschall- und Schenkenamts vgl. Gerstlacher 5, 784ff. ltt Vgl. Geist Der Kurerzkanzler von Mainz als treibende Kraft in der Zersetzung des alten Deutschen Reichs, Diss. Greifsw. 1913. 2 In den Wahlkapitulationen mußten die Kaiser versprechen, nur Männer von guter Herkunft (womöglich aus dem hohen Adel) und nur Deutsche oder solche Ausländer, die Lehen im Reiche hätten, zu Hofämtern zu berufen. 3 Vgl. S. 528. § 7833. Schwarz Die Hofpfalzgrafenwürde der jur. Fak. Innsbruck (Beitr. z. RG. Tirols 1904 S. 215ff.). H a u p t m a n n Wappenrecht 530ff. Beck Hofpfalzgrafenamt der Fürstbischöfe zu Speyer u. Notarsbestallungen im 16. Jh., Deutscher Herold 1916 Nr. 9. Zur Erteilung von Adelsbriefen ermächtigte nur die eomitiva maior. * Die österreichischen Erblande standen zwar nicht unter Karl V, sondern untor seinem Bruder Ferdinand; da dieser aber als Statthalter des Reiches den Kaiser zu vertreten hatte, so wurden die erbländischen Einrichtungen durch ihn auch für das Reich von Bedeutung.
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strenge Trennung der „römischen Kanzlei" von der erbländischen, die aber nicht von Dauer war. Die ,, Reichsh of kanzlei" 4a stand unter dem vom Erzkanzler ernannten Vizekanzler (seit 1519), dem später noch der Reichsreferendar zur Seite war. Weitere Beamten der Kanzlei waren die Sekretarien, der Registrator, der Taxator, die Schreiber und Diener. Später wurden sämtliche Kanzleibeamten vom Erzkanzler ernannt, die Kaiser mußten in Gemäßheit der Wahlkapitulationen sich dabei jedes Eingriffes enthalten. Alle Kanzleibeamten hatten dem Kaiser und dem Erzkanzler Treue und Gehorsam zu schwören. Besoldet wurden sie vom Erzkanzler, der dafür ein Bauschquantum vom Reich erhielt und die Kanzleitaxen festzusetzen hatte 5 . Die Reichshofkanzlei hatte keinen festen Sitz, sondern befand sich immer am Hof des Kaisers. An sie gingen alle Einlaufe aus dem Reich, die nicht ausdrücklich an die Person des Kaisers gerichtet waren. Der Vizekanzler oder der ihn vertretende Referendar oder Sekretär hatte dem Kaiser oder der von diesem bezeichneten Stelle über die Einlaufe zu beoichten. Alle Verfügungen des Kaisers in Reichsangelegenheiten mußten von der Reichshofkanzlei ausgefertigt, beglaubigt und besiegelt werden, anderenfalls waren sie null und nichtig. Die Kanzlei war demnach die einzige expedierende Behörde und als solche dafür verantwortlich, daß keine ungehörigen Beurkundungen erfolgten. Die Verantwortlichkeit bestand zunächst nur dem Kaiser gegenüber, doch wird man die Stellung des Erzkanzlers zur Kanzlei dahin auffassen müssen, daß sie auch ihm und durch ihn den Reichsständen für die Wahrung der reichsverfassungsmäßigen Vorschriften verantwortlich war. Da zu der expedierenden Tätigkeit noch der mündliche Vortrag des Vizekanzlers über alle Einlaufe hinzukam, so war sein Amt ein sehr einflußreiches, und bis zur Errichtung der österreichischen Hofkanzlei (1620) hat man ihn geradezu als den kaiserlichen Kabinettsminister zu betrachten. Seitdem war er auf die Reichssachen beschränkt und verlor dadurch an Einfluß. In seiner ersten Anlage ein wirkliches Reichsministerium war der 1497/98 von Maximilian I ins Leben gerufene „Hofrat" (auch „Hofregiment") „für alle Händel, Sachen und Geschäfte, die künftig vom Heiligen Reiche deutscher Nation, gemeiner Christenheit oder von unsern erblichen Fürstentümern und Landen herfließen, ferner für Sachen, welche den Hof und dessen Verwandte betreffen". Er war die oberste Justiz- und Regierungsbehörde für das Reich und die kaiserlichen Erblande, entzogen 4a Seit dem 15. Jh. kann man auch von einem Reichsarchiv sprechen. Außerdem entstanden noch drei andere Archive des Reiches: beim Reichskammergericht, bei der Mainzer Reichskanzlei und bei der Kanzlei der Reichserbmarschälle von Pappenheim (beim immerwährenden Reichstag zu Regensburg). Vgl. B r e ß l a u , UrkL. I 2 , 176 ff. 8 Vgl. Hofkanzleiordnung Maximilians II von 1570 nebst den einschlagenden Bestimmungen der Wahlkapitulationen und anderen Ergänzungen bei Gerstlacher 5, 732—84. Wichtige Urkunden über die Rechte des Erzkanzlers bei Seeliger a. a. O. 213ff.
§ 70. Die Reichshofbeamten.
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war ihm nur die Verwaltung der Finanzen, für die Maximilian schon 1491 einen „Generalschatzmeister" eingesetzt hatte, während er 1498 auch hierfür eine kollegiale Zentralbehörde, die „Hofkammer", bestellte. Die letztere vereinigte den gesamten Einnahme- und Ausgabedienst; sie bestand aus fünf Statthaltern, von denen einer als „Reichsschatzmeister" für die Reichsfinanzen bestimmt war. Durch die Hofratsordnung von 1497, die Hofkammerordnung von 1498 und die gleichzeitige Hofkanzleiordnung 6 suchte der Kaiser, indem er die Beamtenverfassung seiner Erblande nach burgundisch-niederländischem Muster®11 organisierte, einen festen Rückhalt für das monarchische Prinzip gegenüber den auf eine aristokratische Republik hinzielenden Reformbestrebungen der Reichsstände zu gewinnen. Durch die Einsetzung des Reichsregiments wurden die Pläne des Kaisers aber vorerst durchkreuzt. Hofrat und Hofkammer gelangten nicht zu der beabsichtigten Entwicklung, und die im Innsbrucker Landtagsabschied von 1518 in Aussicht genommene Umbildung kam wegen des bald darauf erfolgten Todes des Kaisers nicht zur Ausführung. Dagegen nahm Ferdinand die von seinem Großvater begonnenen Reformen mit Erfolg wieder auf, und durch seine Stellung zum Reich als Statthalter seines Bruders kamen sie wenigstens teilweise auch jenem zu gut. Zwar die wiederhergestellte Hofkammer beschränkte sich auf die erbländischen Finanzen, aber der durch die Hofratsordnungen von 1527, 1541 und 1550 reorganisierte Hofrat wurde, entsprechend dem französischen conseil und dem continual council Eduards 1, mehr und mehr zu einer eigentlichen Reichsbehörde7. Infolge des Passauer Vertrages von 1552, der gegenüber den spanischen und sonstigen nichtdeutschen Räten Karls V festsetzte, daß deutsche Sachen nur mit deutschen Räten behandelt werden dürften, •wurden alle erbländischen Sachen vom Hofrat abgezweigt und dieser zu einem Reichshofrat umgestaltet. Wahrscheinlich hat sich diese Umwandlung nach der Thronbesteigung Ferdinands I (1558) vollzogen7". In der RHRO. von 1559 erscheint zum erstenmal der Reichsvizekanzler als Mitglied, während vorher stets der vom Kaiser ernannte Hofkanzler genannt wird. Zusammensetzung und Mitgliederzahl des Hofrats hat häufig gewechselt; die RHRO. von 1654 setzte die Zahl auf 18 fest. An der Spitze stand ein Präsident (vorher der oberste Hofmarschall), der aber, wenn ein Fürst Mitglied war, diesem den Vorsitz abtreten mußte. Über die Einläufe hatte zunächst der Vizekanzler (vorher der Hofkanzler) zu berichten. Die Mitglieder waren teils aus dem Reich, teils aus den deutschen Erblanden, die letzteren überwogen. Sie mußten teils dem Adel, teils dem Doktorenstand angehören, Seit dem Westfälischen Frieden mußte eine bestimmte Zahl der Hofräte evangelisch sein. 6 Seeliger a. a. O. 208. Entwürfe einer Hofordnung von 1498 ebd. 192ff. «» Bestritten. Vgl. § 78 n. 82. 7 Vgl. Winter Der Ordo consilii von 1550, ein Beitrag zur G. des Reichshofrates, Arch. f. österr. G. 79, 101 ff. '» Nach anderer Ansicht erst nach dem Westf. Frieden. Vgl. BrunnerH e y m a n n 7 284. Meyer-Anschütz 7 88.
Neuzeit bis zur Auflösung des Reiches.
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Soweit der Hofrat die persönlich an den Kaiser gebrachten Rechtshändel zu entscheiden hatte, wird erst später (§ 74) von ihm zu reden sein. Ursprünglich war er außerdem das oberste Regierungskollegium, das geringere Sachen durch eigene Mehrheitsbeschlüsse erledigen konnte, in wichtigeren Angelegenheiten aber den Staatsrat des Kaisers bildete. In dieser Beziehung tat ihm der Geheime Rat mehr und mehr Abbruch. Seit 1559 hatte der Reichshofrat außer seinen gerichtlichen Aufgaben nur noch die Begutachtung der Reichslehensachen und kaiserlichen Privilegien8. Zu den ersteren wurde auch die Bestätigung der Hausgesetze gerechnet. Alle Lehnserneuerungen von Reichslehen und die Vollmachten der zu ihrer Entgegennahme erschienenen Gesandten mußten zuvor vom Reichshofrat begutachtet werden, der dafür, unabhängig von den der Reichshofkanzlei zufallenden Kanzleitaxen, hohe Gebühren zur Verteilung unter die Mitglieder erhob. Die Verleihung der nichtfürstlichen Reichslehen geschah im Reichshofrat selbst, während die Fürstentümer vom Thron aus verliehen wurden. Einen engeren Kreis von ,,geheimen Räten" besaßen schon Friedrich III und Maximilian I. Der letztere hatte sich im Innsbrucker Landtagsabschied von 1518 die „eigenen geheimen großen Sachen" ausdrücklich zu besonderer Behandlung vorbehalten. Als ein festes Kollegium erscheint der „Geheime Rat" erst seit 1527. Er nahm die Stellung eines Staatsrates mit begutachtender Stimme ein. Anfangs wohl wesentlich nur mit auswärtigen Angelegenheiten befaßt, zog der Geheime Rat mehr und mehr auch die früher vor den Hofrat gehörigen Regierungsangelegenheiten an sich, bis dieser nur die Lehnssachen und Privilegien behielt. Vorsitzender war der Kaiser oder statt seiner der oberste Hofmeister. Weitere Mitglieder waren der Vizekanzler, dem der erste Bericht über alle Einläufe oblag, der oberste Hofmarschall, der böhmische Kanzler^ die Söhne des Kaisers und wen dieser aus persönlichem Vertrauen berufen hatte. Die geheimen Räte hatten unter allen Hofbeamten den ersten Rang, vor den Hofräten. Bis zur Hofratsordnung von 1654 stand ihnen das Recht zu, auch den Sitzungen des Reichshofrats beizuwohnen. § 71. Die Kurfürsten. Bis zum westfälischen Frieden blieb der Bestand des Kurfürstenkollegiums derselbe, wie ihn die Goldene Bulle von 1356 in bestimmter Reihenfolge festgestellt hatte: Mainz, Trier, Köln, Böhmen, Pfalz, Sachsen und Brandenburg. Die sächsische Kurwürde ging 1547 von der (älteren) ernestinischen auf die albertinische Linie über. Die pfälzische Kurwürde samt dem Erztruchseßamt wurde nach der Ächtung des Pfalzgrafen Friedrich V seitens des Kaisers an den Herzog von Baiern verliehen (1623)1, 8 1
Über Moratorien vgl. S. 897. Z e u m e r Qu.-S. 2 Nr. 196.
§ 7 1 . Die Kurfürsten.
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was der westfälische Friede in der Weise bestätigte, daß dem Pfalzgrafen für sich und seine Nachkommen das eventuelle Nachfolgerecht in die jetzt bairische Kur im Wege der Gesamtbelehnung vorbehalten wurde 1 a . Zugleich wurde für das pfälzische Haus eine achte Kur mit dem neuerrichteten Erzschatzmeisteramt errichtet. Eine neunte Kur l b mit dem Amt eines ReichsErz-Bannerherrn erhielt Braunschweig-Liineburg (Hannover) 1708, während gleichzeitig die Wiedereinführung des seit Jahrhunderten vom Kurfürsten kollegium ferngebliebenen Königreichs Böhmen beschlossen wurde 2 . Die neunte Kurstimme wurde aber schon 1778 wieder beseitigt, indem der Pfalzgraf nach dem Aussterben des bairischen Hauses (1777) und der Vereinigung Baierns mit Kurpfalz wieder die fünfte Kurstimme mit dem Erztruchseßamt übernahm, die achte Stimme mit dem Erzschatzmeisteramt aber nunmehr auf Braunschweig-Lüneburg überging3. Aus ihrem Wahlrecht leiteten die Kurfürsten seit der Wahl Karls V das Recht her, jeden Thronbewerber zuvor eine von ihnen vorgelegte Wahlkapitulation beschwören zu lassen, die den Charakter eines mit ihm abgeschlossenen Vertrages über die Führung der Reichsregierung hatte 4 . Die Verpflichtungen, die der Kaiser darin übernehmen mußte, bezogen sich teils auf das ganze Reich, teils auf die besonderen Rechte der Kurfürsten. Da die letzteren sich durchaus an das Hergebrachte hielten (Zustimmung der Kurfürsten zu Bündnissen und kriegerischen Unternehmungen, Erhebung von Steuern, Erteilung von Münz- und Zollprivilegien, Veräußerung von Reichsgütern und Reichsgefällen, Wiederverleihung heimgefallener Lehen, die etwas Merkliches ertrügen, Ausschreibung von Reichstagen, Zuziehung der Kurfürsten zur Beratung in allen wichtigen Reichsangelegenheiten, Berechtigung der Kurfürstentage, Anerkennung der Reichsvikariatsrechte) und sich im übrigen darauf beschränkten, das Interesse der Reichsstände überhaupt wahrzunehmen, so wurde ihnen die Feststellung der Wahlkapitulation seitens der übrigen Reichsstände nicht bestritten, obwohl diese allmählich tatsächlich zu einem der wichtigsten Reichsgrundgesetze geworden war. Erst durch den westfälischen Frieden, der ohnehin in clen Vgl. JPO. 4 §§ 3. 5. 9. E r d m a n n s d ö r f f e r (S. 877) 1, 56. 59. Über die Absicht, Wallenstein die Kurwürde zu verleihen, vgl. S e h m i t t - D o r o t i c Diktatur 1921, 90f. lb Schwarte Die neunte Kur u. Braunschw.-Wolfenbüttel 1905 (Münstereclie Beitr. z. Gesch.-Forsch.2 7). 2 Vgl. N. Samml. 4, 224ff. A. S c h u l t e a. a. 0 . 1, 161ff. 236ff. Erdmannsd ö r f f e r 2, 51 ff. Die Investitur mit dem Kurhut hatte der Kaiser schon 1692 erteilt. 3 Vorübergehend, wegen der Ächtung des Baiern, hatte dieselbe Verschiebung schon 1708—14 stattgefunden. 4 Vgl. H ä r t u n g Die Wahlkapitulationen, HistZ. 107 , 306ff. Siemsen Kurbrandenburgs Anteil an den kais. Wahlk. 1689—1742 (Zeumer Stud. 3, 3) 1909. Ziegler Wahlcapitulationes 1711. E i c h h o r n 4, l l f f . 282f. 517f. Stobbe Itechtsqu. 2, 188. P ü t t e r Hist. Entwicklung 1, 350f. 2, 2. 32. 118f. 372. P f e f f i n g e r Vitr. illustratus 1, 834ff. F r e n s d o r f f , ZRG. 33, 115ff. Zeumer Samml.2 Nr. 180. Die Entwicklung geht parallel zu der der bischöfl. Wahlkapitulationen. Vgl. F e i n e (S. 887) 330ff. I w a n d (§ 68 n. 3). 58 It. Schiö500. Landsiedelleihe 46339. 49194. Laubach 101. 275. 1 Landsiedler 235. 491. Laubbusch (Markt) 205. 5 1 Landsknechte (vgl. Söldner) 559. 921 . I laudare 514. 944. laudatio 518. laudemium 43624. 882. Landstadt (vgl. Landesstädte) 978. Landstände (vgl. Landtag) 499. 567. Lauenburg 861. 963. 9894. 1001. 1007. Brücke bei L. 60363. 665ff. 670ff. 736. 940f ok taki 320 115 . tal 85.
Wort- und Sachregister. Tal (Marktflecken) 671. talentum 573. Taler 925. 1000 20 . » Talion 831 8 . 839. taüia 589. Talmud 709. Tambach 960». Tanfana 15 3 . tanganare 91«. 92 9 . 393. tanodo 344. Tassilo I I I 271. Tat tötet den Mann 89 52 . 378. Tat s. gähe, handhafte, übernächtige Tat, Missetat. Taufe 296. Taufkirche 1558. 156». 15719. 456. 571. 636 218 . Taufpate 817 184 . Taunus 102. Tausch 17. 67. 300. 326 143 . Frauentausch 470 5 . Tauschhandel 17. Tausendschaften 20ff. 42. taxaca 808. Taxis, Grafen von, Fürsten von Thum u. Taxis 926. Teck 426". Tecklenburg 949. Dienstrecht 7 5 8 " . tegangot 35 18 . Tegernsee 562 17 . teiaingen 48 23 . teil (Abgabe) 206. Teilbau 462. 586. Teilgebühr 886. Teilkönig 116. Teilnahme 384. 839. Teilpacht 228. Teilrecht 811. 873. Teilung (vgl. Erb-, Gemeinschafts-, Reichs-, Totteilung, Unteilbarkeit) 445. : 653. 904f. 931 f. Kurstimme 619 33 . Stimme im Reichsfürstenrat 904. teilzettel 764. 802. tü 220'. teloneum 204 38 . Tempel 35 1 '. 608. Tempelbund 15. 35. Tempelfrieden 80. Tempelgut 60 8 . Tempelhüter 36. Tempelraub 276. Tempelschändung 82 20 . Temporalien 433 14 . Tennenbach 752. Tenngier 965. teoda 18665. terminus 1298. terra 300. 611. aviatica 360 319 . benejiciata 22857. censualis 213. indominieata 228". salica 228. 230 102 . tributaria 213. terragium 206. 462. Territorialherzogtum 424ff. 536. 642. 669.
1109
Territorialkommission 988. Territoriallandfrieden 715. 733. Territorialprinzip 250. 257. 281. 283. 285. 708. 905. Territorialrezeß 988. Territorialstimmen 905. territorium 1298. Territorium, MA. 427. 605. 613. 637ff. 652 ff. NZ. 887. 926ff. Tertia 345. 349. tertiamanus (vgl. Dritthand) Nachtr. 1028 (zu S. 407). Tertiogenitur 643 16 . Tertry, Schlacht 105. Teschen 861. fessle 765 3 . Testament 529. 634. 827. 9696. testamentum 289. regis 2 0 9 " . 227. 310. venditionis 306 51 . Testamentsvollstreckung 368 345 . 827 f. Nachtr. 1033 (zu S. 823). testare 402. 411. festes rogati, per aures tracti 92 11 . 290®. 391 8 . 396. synodales 634. teitijicare 35 18 . testimomiare 147. 185. 288. Teutonen (Hanse) 704. tevionicum regnum 544. texaga 808. Textor 967. paurp 25 20 . iegn, p'en 37 12 . Theodebald 104®. Theodebert I 99. 196. Theodebert II 104. 105«. Jteoden 29. Theoderich I (Westgote) 252. Theoderich I (Franke) 104. Theoderich II 104. Theoderich der Große (vgl. Edictum) 294. Pkwi 50. 237. Theresiana s. Constitutio. Thervingi 98. thesaurarius 148. Theudis, Westgote 2526. Thibaut 1018. Illing 26. 45. thingatio 367. pinglausn 48. pingstmo 2ö 20 . thinx 26. piödann 29. thiodothing 26 1 . thiot 15. thiotmalli 26 l . f> iuda, pioit 15. piudans 29. thiuphadus 42. piuiaps 20. pius 50. Tholomeus Lucensis 774 M . Thomasius 967. 977.
1110
Wort- und Sachregister.
thorf, thorp 25. Thorn 737. 861. 9792. Friede 860. Schöffenstuhl 743. Thrazien 98. pratU 50. Thron 115. 511. 520. Thronerhebung 104. 115. 119. 519. Thronerledigung 596. Thronfolge 116ff. 150. 529. 670. 672. 932f. Nachtr. 1027 (zu § 43). Thronlehen 44575. 879f. 902. thrupo 191. thunchinium 135. 1762. thuncinus, Thunkinus 120. 134ff. 159. 176f. 18665. 402. Thüringen (vgl. Lex) 98ff. 104. 423f. Bistümer 152. Brandstiftung 386. Dienstmannen 478f. Ehegüterrecht 746. 809. fränkischer Einfluß 709 f. Prauenschutz 374. jredus 375. Fronbote 610. Gau 1294. 5 . Graf 536. 549. Herzog 141. Hörige 236. Kolonisation 478. 709. Landabtretung 1082. Landfriede 735. Landfriedensbezirk 604. Landgraf 604. Landgrafscbaft547. 549. 622. Mark 424. Schultheiß 183. Schweinezins 5423. 20754. Sklavendelikt 379. Sprache 16. Stadtrecht 746f. Urkunde 764. wirdira 377. Zollverein 999. Thum und Taxis 88013. 926. 1011®. purp 25. pusundifaps 21 5 . pyfi 808. tie 45«. Tiel 68220. Tier s. Jagd, Vieh, Biene, Hund, Pferd, Bind, Leibhuhn, Schwein, Votiveber. titrage. 206. Tierexkommun'kation 37952. Tierfang 210. 582. Tierprozesse 37952. Tierschaden 89. 378. 380. 782. 803. 84139. Tierstrafen 37952. Tilsiter Friede 861. 983. tins 48879. Tintenfaß 289. tioclütG 413 Tirol 4268. Bergrecht 710 1 '. Enkelaufnahme 82 6234. Feme Nachtr. 1028 (zu S. 625). Halsgerichtsordnung 970. imbrevialurae 766. in der Kreiseinteilung 9101. Landesordnung 975. Landstände 671. professio juris 7073. Stadtrechte 754. Urkunden Nachtr. 1032 (zu §59). Verwaltungsorganisation 953. Tischgenosse 3731. Titel (vgl. Doktor-, Grafentitel, Kaiser, Lex, poeta laureatus), König 117. 128. 510. Hofämter 148. 529. Titelverleihung 897. Tiu, Tiw 28.
Tocco, Carolus de 26866. Tocharen 1. Tochter s. Erbtocbter, Geschlecht, Kind, Regredienterbin. Tochterdorf 6215. 460. Tochterstadt 740. Tod (vgl. Erbe, Leichnam, Tote, Sterbfall, Todesstrafe, Witwe), bürgerlicher 372 l4 . Klostertod 452. Bestrafung nach dem T. 838. T. des Schenkers 230. Todbrief 328151. Todesstrafe (vgl. Halslösung und die einzelnen Strafarten), germ. 81 f. Nachtr. 1023 (zu § 11). - 43. 4930. 502. 95. frk. 369ff. - 121. 125. 136. 139. 145. 177. 26131. 335. 383ff. 392. 414. MA. 831 f. - 611107. 630. 705. Todfall (vgl. Sterbfall) 494. tdft 58. toi, toloneum 20438. Toledo 99. Tollwut 37847. tolva 611. Tondern 744 f. Tongern 152. Tonsur 634. Töpferei 499 1 ". torf unde twig 66. Tortur (vgl. Folter) 976. Toskana 978 22 . Tote(vgl. Bahrprobe, Leichnam,Schlüsselrecht), T. erbt den Lebendigen 364. 823. Klage gegen den T. 95. 849. als Kläger 91. 8302. 849. bestraft 838. Totenfeier 824. Totenschau 854. Totenteil 77. 197. 366. 57762. 54. 824 221 . 82 7 243. Totsatzung 238. 794. Totschlag (vgl. Friedlose, Notwehr, Tötung) 80. 91. 373ff. 384. 414. 837. Totschlagsklage mit der toten Hand 849. Totschleifen 370. Totteilung 791. 811. Tötung (vgl. Mord, Notwehr, Selbstmord, Totschlag), straflose 37112. 634. 830. Frau und Kind 71. 351. 817. Neugeborene 7242. 807. Unfreie 50. 236. 376. 496. vor geistl. Gericht 634. Zweikampf 94. 1 Toul 702. 910 . Stadtrecht 750. 858. Toulouse 98. Tournay 103. Tours, Formeln 292. town 25. Toxandrien 101. 103. 109. Tractatm de. coronatione 77424. Tractatus de origine . . . 77424. tractoria 210. 216. traditio 304. 309. 331 f. 786. Nachtr. 1025 (zu S. 304). cartae 305ff. 315. 332. solemnis 31172.
1111
Wort- und Sachregister. Traditionsbuch 291. 767. tres oh taki 320 1 1 5 . transactum 315 93 . transeúntes 582. transitura 204 3 8 . Transitzölle 204. trauen 75. Traungau 426. Traunstein Naohtr. 1028 (zu S. 585). Trauung 75f. 331ff. 805. Trauungsformel, schwäbische 332 1 7 2 . Trave 4 2 8 " . 5 8 1 " . tremissi 197. Trennung von Rechtspflege und Verwaltung 662 f. 984. Trennung von Richter und Urteiler 914 6 a . tres causas demandare 46 9 . Treue (vgl. Eid, fides, Handtreue, Mannschaft, Schuldversprechen) 37. 43. 149. 440. 554. Treubruch 68. 88. 383. 414. 430. 440. 452. 554. 850. treuga Dei 713. Treuga Heinrici 714. 721. Treugelöbnis 68. 117. 168. 171. 318. 323. 793 ff. 800. 805. 850. Treuhänder (vgl. Salmann) 242. 413. 698. 776. 814. 845 5 . Treupflicht 39. 68 2 1 . 12666. treuwa 799. Tre virer 17. Tribunal 949. tribunus 3 5 " . 139. 1403®. 177. 653 f. Tribur 526. Tribut 17. 53. 208. 588. tributarii 239. 375 29 . triduana possessio 305. 314. 787 52 . Trient 7 5 4 " . 910 1 . trientes 197. Trier 678. Bischofstadt 702. Burggraf 5 5 1 . 6 8 7 " . Erzbischof 514ff. 902. Erzbistum 152 f. 1547. Erzkanzler 532 l 9 . Handwerk Nachtr. 1030 (zu S. 675). Kreiseinteilung 910 1 . Landrecht 976. mediatisiert981. Ministerialen Nachtr. 1026 (zu S. 472). Reichsabschied 912. Römerstadt 679«. Triest 910 1 . trinken s. Bier, Weinkauf, Leitkauf. Tripartita 280 1 2 3 . Tritt- und Trattrecht 220 9 . trockener Streich 661. 837. 850. Troppau 861. tróst 37 27 . trostung 840 3 6 a . Truohseß 39 3 8 . 148. 150. 528. 530. 651. 899. 902. truht 37. 150. truhtscBze 39 3 8 . Trupp 25 2 °. trustis 37. 131. 168. 170. 385. 408. dominica 149. regis 166. R . S c h r ö d e r - v . K U n ß b e r g , Deutsche B,
ist als th eingereiht.
Druckfehlerberichtigungen. S.
6 Z. 11 v. u. Norges gamie Love, 2. Reihe 1904-12. Dipl. Norwegicum, 18Va Bde., 1848 -1910. Z. 6 v. u. Retshistorie. Z. 3 v. u. Keyser . . . 1866. S. 7 Z. 2 Bemserkninger. Z. 7 statt of lies af. Z. 17 statt orsprindelige lies oprindelige. Z. 29 Eyrbyggja. Z. 37 Saellandske. Z. 41 1847-70. - statt 1880-89 lies 1889- 1907. S. 8 Z. 2 Svenskt. Z. 3 La loi. — Z. 4 förmynderskapsrätt. Z. 10 utveckling. Z. 11 Nordström . . . samhällsförfatningens. Z. 12 Olivecrona. Z. 13 steenstrup gehört zu S. 7, Abs. 3. Z. 14 Sveonum. S. 9 Z. 16 den ganzen Titel Select Essays streiche! Z. 2 v. u. Vor Publications ein Punkt statt des Strichpunktes. S. 10 Z. 14 statt dal lies del. Z. 15 lies cuestión. Z. 17 lies legislación. Z. 21 lies Urena y Smenjaud Observaciones acerca. Z. 28 lies Manuale. Z. 33 statt So lies Lo. Z. 16 v. u. lies delle città. 2. 6 v. u. streiche Brünneck, da doppelt. Z. 2 v. u. lies Conrat. S. 11 Z. 2 lies mediaeval. S. 63 Literatur zu § 11. Lies v. Amira 3 160-228. Heusler, Inst, (S. 4). Hübner (S. 4). Nani (S. 10). Pertile (S. 10). S. 81' statt zugeborenen lies neugeborenen. S. 9 3 " Pfalz, Ordalien 1865. S. 97 MG. Auct. antiqu. 15 Bde. Scr. rer. Merov. 7 Bde. — 1914. S. 99 Z. 15 lies Noricum. S. 1001 lies Burgondes. S. 112 Z. 18 lies Forelsesninger. S. 1121 lies Sprachgebrauch. S. 126M lies Huldentziehung 1910 (Stutz Abh. 62). S. 126 Z. 3 statt ich lies sich. S. 12668 statt Aelfred c. 8 lies c. 7. S. 18135 lies Form. Turon. 30. S. 187«8 statt 175 lies 176. S. 18980 statt 184 lies 181. S. 192M statt 190 c. 5 lies 190 c. 6. S. 195107 Z. 3 statt traantur lies tradantur. S. 20439 letzte Zeile statt 274 lies 284. S. 209' 1 statt 70 lies 60.
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Druckfehlerberichtigungen.
S. 555 Z. 22 statt 28 lies 29 § 1. S. 559 Schluß der Literatur: fies Niese. S. 582 Z. 11 statt § 20 lies § 21. S. 586107 lies Stumpf. S. 588118 Z. 7 lies Schatzregal. S. 591 Z. 8 statt 107 lies 137. S. 60780 Z. 4 statt § 6 lies § 2. S. 60885 streiche von 71 bis § 2. S. 614126 vorletzte Zeile lies Vogtgerichtsbarkeit. S. 619 Z. 18 statt 160 lies 151. S. 621182 Z. 2 statt 56 lies 50; ebenso S. 622"«. S. 622165 statt faev. lies fav. S. 623173 Z. 4 statt S. lies L. S. 627188 vor 613 setze S. S. 629192 Z. 12 statt 15 lies 16. S. 64Ö25 Z. 1 lies Z e u m e r 2 Nr. 18. 110. 117. 118. S. 64940 Z. 1 statt I 62 § 2 lies I 28. S. 65356 Z. 4 statt 18 lies 16. S. 65667 Z. 3 statt 2692 lies 26 § 2. S. 65670 Z. 4 statt I lies III. S. 6618« der Schlußsatz gehört zu S. 661 88a . S. 670114 Z. 10 statt § 5 lies § 2. S. 690" Z. 2 lies Staat. S. 69065 Z. 8 ües: 502), A. S c h u l t z e . S. 692" Z. 3 statt Ebd. lies E b e r l e . S. 69679 Z. 8 statt „von" setze einen Doppelpunkt. S. 70910 Z. 4 statt 83 lies 78. S. 7146 Z. 4 vor „Landfrieden" ergänze „ewigen". S. 715 Textzeile 2 v. u. statt 146 lies 166. S. 71517 Z. 8 nach „ebd." ergänze: 3. Aufl. S. 720» Z. 10 statt 9 lies 11. S. 720 11 Z. 4 lies M a s c h e c k ; vor „des" ergänze: im Landreoht. S. 73034 Z. 3 statt 625 lies 623. S. 737 Z. 9 lies Fürstentum. S. 73838 lies dietmars. Landrecht. S. 739« Z. 3 statt 34 lies 35. S. 740« vorletzte Zeile statt 767 lies 768. S. 75089 letzte Zeile ergänze 1878. S. 753M vor „Villingen" setze: »3. S. 756 113 Z. 2 v. u. tilge die Klammer vor „vgl.". S. 75917 Z. 1 lies constitutionum. S. 760 Z. 19 der Literatur: „; 1884 (ebd. 22)" gehört zu Zeile 17 nach „15)". S. 763 Z. 11 v. u. nach „Hofgerichtsurkunden" setze eine Klammer. S. 864 Z. 12 v. u. vor „Quellen" kein Strichpunkt, sondern Punkt. S. 876 bei „ K o c h " lies Lehnbuch. S. 891 Kopfzeile: statt 61 lies 68. S. 983 Z. 26 statt Reichsbund lies Rheinbund.
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