Legitimation der Restschuldbefreiung: Das System der gesetzlichen Entschuldungsbedingungen im Lichte der Reformen [1 ed.] 9783428581597, 9783428181599

Welcher Schuldner »verdient« eine gesetzliche Restschuldbefreiung? Aufschluss darüber, welche Voraussetzungen ein Schuld

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Legitimation der Restschuldbefreiung: Das System der gesetzlichen Entschuldungsbedingungen im Lichte der Reformen [1 ed.]
 9783428581597, 9783428181599

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 529

Legitimation der Restschuldbefreiung Das System der gesetzlichen Entschuldungsbedingungen im Lichte der Reformen

Von

Jana Lind

Duncker & Humblot · Berlin

JANA LIND

Legitimation der Restschuldbefreiung

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 529

Legitimation der Restschuldbefreiung Das System der gesetzlichen Entschuldungsbedingungen im Lichte der Reformen

Von

Jana Lind

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 61 Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18159-9 (Print) ISBN 978-3-428-58159-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2020 von der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis März 2020 berücksichtigt werden. Die Disputation fand im August 2020 statt. Mein herzlichster Dank gilt zunächst meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Nicola Preuß, die nicht nur mein Interesse für das Insolvenzrecht geweckt, sondern auch die Entstehung der Arbeit durchweg begleitet und mit vielen konstruktiven Hinweisen gefördert hat. Die Zeit, welche ich als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftliche Mitarbeiterin an ihrer Professur verbringen durfte, war für mich fachlich wie auch persönlich ungemein wertvoll. Nicht zuletzt auch dank meiner lieben Kollegen werde ich auf diese Zeit stets gerne zurückblicken. Herrn Prof. Dr. Ulrich Noack danke ich herzlich für die ausgesprochen zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Auch in meinem Familien- und Freundeskreis haben viele Menschen zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ganz besonderen Dank schulde ich dabei meiner Schwester Svenja Esser, meinem Schwager Dr. Florian Esser sowie meinen Freunden Julia Richter und Dr. Dominic Weber. Sie haben nicht nur mit größter Mühe die zeitintensive Arbeit des Korrekturlesens übernommen, sondern standen mir während meiner Promotionszeit auch unentwegt zur Seite. Ihre guten Ratschläge und stetige Ermutigung waren unverzichtbar. Mein größter Dank gebührt schließlich meinen Eltern, Mechtilde Lind und Friedel Lind, welche mir in allen Phasen meines Lebens unschätzbaren Rückhalt gegeben und mich in jeder Hinsicht gefördert haben. Ihr immerwährender Zuspruch und ihre bedingungslose Liebe und Unterstützung haben meinen Weg überhaupt erst ermöglicht. Ihnen möchte ich diese Arbeit widmen. Düsseldorf, im Januar 2021

Jana Lind

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Problemaufriss und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Erster Teil Grundlagen

34

A. Das Institut der Restschuldbefreiung im Kontext des privatrechtlichen Schuld- und Haftungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Hintergründe der Einführung der Restschuldbefreiung in Deutschland . . . . . . . . . . . . 37 C. Die gesetzliche Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der involvierten Interessen und die Konsequenzen für ihre Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Zweiter Teil Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner hinsichtlich des „Verdienenmüssens“ der Restschuldbefreiung

65

A. Die Rolle des § 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 B. Finanzielle Anstrengungen des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 C. Redlichkeit des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 D. Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung (§ 302 InsO) . . . . . . . . . . . . 159 E. Ergebnis Zweiter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Dritter Teil Untersuchung der legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen seit Einführung der Insolvenzordnung

166

A. Änderungen der finanziellen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 C. Änderungen der Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung . . . . . . . . . 271 D. Gesamtwirkungen der Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

10

Inhaltsübersicht Vierter Teil Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

283

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 B. Umsetzungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 C. Die Vorgaben der Richtlinie im Kontext des Anforderungssystems der §§ 286 ff. InsO 304 D. Mögliche Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 E. Zusammenfassung Vierter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 A. Thesen zum ersten Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 B. Thesen zum zweiten Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 C. Thesen zum dritten Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 D. Thesen zum vierten Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Problemaufriss und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Erster Teil Grundlagen

34

A. Das Institut der Restschuldbefreiung im Kontext des privatrechtlichen Schuld- und Haftungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Hintergründe der Einführung der Restschuldbefreiung in Deutschland . . . . . . . . . . . . 37 I. Die rechtliche Ausgangslage vor Einführung der Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . 37 II. Bedarf eines gesetzlich gewährten Neuanfangs nach finanziellem Scheitern . . . . 40 III. Der Weg hin zur finalen Gesetzesfassung innerhalb der Insolvenzrechtsreform

45

1. Die Vorschläge der Kommission für Insolvenzrecht und des Bundesjustizministeriums – Restschuldbefreiung auf freiwilliger oder zwingend-gesetzlicher Basis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Das förmliche Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 C. Die gesetzliche Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der involvierten Interessen und die Konsequenzen für ihre Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Interessen der von einer Entschuldung Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Interessen des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Interessen der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Interessen des allgemeinen Wirtschafts- und Geschäftsverkehrs . . . . . . . . . . . 50 4. Interessen des Staates und der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Interessenkonflikt zwischen Gläubiger und Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 III. Gebot eines gesetzlichen Kompromisses in Gestalt des Postulats „Verdienenmüssen der Restschuldbefreiung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Verfassungsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Restschuldbefreiung als Eingriff in das Eigentumsrecht der Gläubiger aus Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Schutz der Gläubigerinteressen als Voraussetzung für einen verhältnismäßigen Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

12

Inhaltsverzeichnis 2. Haftungsrechtliche Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Prinzipielle Anforderungen an den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 a) Zugangsvoraussetzung zur Restschuldbefreiung („Verdienenmüssen“ eines Zugangs zum Restschuldbefreiungsverfahren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Entschuldungsbedingungen auf Tatbestandsseite („Verdienenmüssen“ der Restschuldbefreiung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) Anstrengungen des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Schutzwürdigkeit des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Anforderungen an die Rechtsfolgenseite („Verdienenmüssen“ einer umfassenden Restschuldbefreiung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Zweiter Teil Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner hinsichtlich des „Verdienenmüssens“ der Restschuldbefreiung

65

A. Die Rolle des § 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Einfluss auf die Schuldner-Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Verhältnis der Zielbestimmungen des § 1 S. 1 und 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 B. Finanzielle Anstrengungen des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Verwertung des schuldnerischen Vermögens während eines Insolvenzverfahrens 70 1. Eröffnung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Stellung eines eigenen Insolvenzantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Vorliegen eines Insolvenzgrunds („Bedürftigkeit“ des Schuldners) . . . . . . 71 c) Begleichung der Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Durchlaufen eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Insolvenzbeschlag und Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis 76 b) Verwertung und Verteilung des schuldnerischen Vermögens zwecks Gläubigerbefriedigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Einkommensabtretung in der Wohlverhaltensperiode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Die konkrete Ausgestaltung der Anforderung „Einkommensabtretung“ . . . . . 79 a) Abtretungserklärung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Abtretungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 c) Umfang und Wirkung der Gegenleistung „Abtretung“ . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa) Erfolgsunabhängigkeit der Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 bb) Bedeutung der Dauer der Wohlverhaltensperiode . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 cc) Begrenzende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (1) Der Einfluss des „Motivationsrabatts“ i. S. d. § 292 Abs. 1 S. 3 InsO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Inhaltsverzeichnis

13

(2) Die Rolle des § 114 InsO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Bewertung der gesetzgeberischen Konzeption im Hinblick auf die Legitimation der Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Haftungsrechtliche Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Verfassungsrechtliche Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 C. Redlichkeit des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Das System der Redlichkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Absage an eine Generalklausel und Entscheidung für festgelegte Ausnahmevorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Abschließende Regelung der Versagungs- und Widerrufsgründe . . . . . . . . 95 b) Vermutung der Redlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Gläubigerautonome Überwachung und Geltendmachung der Unredlichkeit 97 3. Das System der Redlichkeitsvoraussetzungen innerhalb der Konzeption der §§ 286 ff. InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Zeitliche Anwendbarkeit der einzelnen Redlichkeitsvoraussetzungen und Folgen der verfahrensrechtlichen Geltendmachung eines Verstoßes . . . . . . 99 b) Abgestuftes Versagungs- und Widerrufssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Beweisrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 d) Pflichten und Obliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II. Übersicht über den Inhalt und Zweck der einzelnen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . 106 1. Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat (§ 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 297 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Unrichtige und unvollständige Angaben über wirtschaftliche Verhältnisse (§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Früherer Antrag auf Restschuldbefreiung (§ 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F.) . . . . 109 4. Gläubigerschädigung durch Begründung unangemessener Verbindlichkeiten, Vermögensverschwendung oder Antragsverzögerung (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5. Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6. Fehlerhafte Verzeichnisse (§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO a. F. bzw. § 290 Abs. 1 Nr. 6 Var. 2 InsO n. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 7. Erwerbs- bzw. Abführungsobliegenheit (§§ 295 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 295 Abs. 2 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 8. Herausgabe des hälftigen Erbanteils (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO) . . . . . . . . . . . . 118 9. Anzeige-, Auskunfts- und Mitteilungsobliegenheiten (§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 10. Gleichbehandlung der Gläubiger (§ 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO) . . . . . . . . . . . . . . 121 11. Verfahrensobliegenheiten (§ 296 Abs. 2 S. 2, 3 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 12. Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders (§ 298 InsO) . . . . . . . . . . . . 123

14

Inhaltsverzeichnis 13. Nachträgliches Herausstellen einer Obliegenheitsverletzung (§ 303 InsO a. F. bzw. § 303 Abs. 1 Nr. 1 InsO n. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 III. Systematisierung der Redlichkeitskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Sachliche Struktur der Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Struktur des § 290 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Struktur der §§ 295, 296 InsO und des § 298 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 c) Struktur des § 297 InsO und § 303 InsO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Facetten der Redlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Missbrauchsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Schädigung bzw. Gefährdung der (Insolvenz-)Gläubiger . . . . . . . . . . . 128 bb) Missbräuchliche Inanspruchnahme des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 130 cc) Nichtbeachtung des Grundsatzes der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Anstrengungsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Förderung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Mitarbeit in Form der Zahlung der Mindestvergütung des Treuhänders 133 cc) Bemühung um die bestmögliche Gläubigerbefriedigung . . . . . . . . . . . 134 3. Gemeinsame Prämissen der Redlichkeitskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Wahrung der Gläubigerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Irrelevanz der Insolvenzursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 c) Der Grundsatz des „Sich-Bewährens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 IV. Untersuchung der gesetzgeberischen Konzeption im Hinblick auf die Legitimation der Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Verfassungsrechtliche Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Anstrengungen des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 c) Effektive Kontrollmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Informationsdefizit der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Formale Hürden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 cc) Beweisschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 d) Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Haftungsrechtliche Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 V. Zusammenfassung Redlichkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

D. Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung (§ 302 InsO) . . . . . . . . . . . . 159 I. Übersicht über den Regelungsinhalt und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 II. Bewertung des § 302 InsO unter Legitimationsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . 161 E. Ergebnis Zweiter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Inhaltsverzeichnis

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Dritter Teil Untersuchung der legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen seit Einführung der Insolvenzordnung

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A. Änderungen der finanziellen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Einführung der Kostenstundungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Überblick über den Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Voraussetzungen der Stundung und ihre Konsequenzen für den Schuldner 168 b) Versagung der Verfahrenskostenstundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Auswirkungen der Kostenstundung auf die Interessen des Schuldners, der Gläubiger und des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Eröffnung eines breiten Zugangs zum gesetzlichen Schuldenschnitt bei gleichzeitiger Verzögerung des Neuanfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Befriedigungsaussichten der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 bb) Während der Wohlverhaltensperiode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Belastung der öffentlichen Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 d) Zunahme des Drehtüreffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4. Änderungen wesentlicher Grundsätze im Anforderungssystem der §§ 286 ff. InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Keine „Entschuldung zum Nulltarif“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Keine Restschuldbefreiung auf Kosten des Staates? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Bestmögliche Gläubigerbefriedigung während der Wohlverhaltensperiode 181 5. Untersuchung der Grundsatzänderungen unter Legitimationsgesichtspunkten 182 6. Reaktionen des Gesetzgebers nach Einführung der Verfahrenskostenstundung: Der RegE 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Änderung des Beginns und der Länge der Laufzeit der Abtretungserklärung (Abtretungsfrist) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Einführung der Möglichkeit einer vorzeitigen Restschuldbefreiung – das Stufenmodell des § 300 Abs. 1 S. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Hintergrund und Überblick über den Regelungsgehalt sowie das Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Untersuchung unter Legitimationsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Die Bedeutung der Verfahrenskosten für die Verkürzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 bb) § 300 InsO im System der finanziellen Anforderungen . . . . . . . . . . . . 198 cc) Die Rolle der Interessen von Schuldner und Gläubiger im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

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Inhaltsverzeichnis dd) Die Auswirkungen des Modells auf die Gläubigerinteressen . . . . . . . . 202 (1) Vor- und Nachteile des Modells aus Gläubigersicht . . . . . . . . . . . . 202 (a) Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (b) Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (aa) Schwächung bereits bestehender Anreizsysteme . . . . . . . . . 204 (bb) Kappung der Rückzahlungsquote im eröffneten Verfahren 207 (cc) Missbrauchsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (2) Praktische Erfahrungen hinsichtlich der Erreichbarkeit der Quote bzw. der Verfahrenskostendeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (a) Prognosen betreffend die Erreichbarkeit der Verkürzungsmöglichkeiten im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (b) Der Evaluationsbericht der Bundesregierung und weitere Erfahrungswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (aa) Verkürzung der Restschuldbefreiung auf drei Jahre . . . . . . 214 (bb) Verkürzung der Restschuldbefreiung auf fünf Jahre . . . . . . 216 (cc) Entwicklung der Gesamtbefriedigungsquote . . . . . . . . . . . . 217 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 ee) Abschließende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (1) Verfahrensverkürzung in Abhängigkeit von der Zahlung einer Mindestbefriedigungsquote (§ 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO) . . . . . . . 219 (2) Verfahrensverkürzung in Abhängigkeit von einer Verfahrenskostendeckung (§ 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 III. Ergebnis Änderungen der finanziellen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 I. Redlichkeit im Kostenstundungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Vorgezogene gerichtsautonome Redlichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Die gesetzliche Regelung des § 4a Abs. 1 S. 4 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Die erweiternde Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Etablierung eigener Stundungsredlichkeitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Die gesetzliche Regelung des § 4c InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Die Ausweitung des § 4c Nr. 5 InsO durch den Bundesgerichtshof . . . . . . 232 II. Einführung von Sperrfristen (§ 287a InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 1. Die Nachwirkungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. § 287a InsO im System der Redlichkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Konzeption des § 287a InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Nichteingreifen von Sperrfristen als Redlichkeitsvoraussetzung . . . . . . . . . 237 aa) Facetten der Redlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Bedeutung der Ausgestaltung als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Systematik der Redlichkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 cc) Das Fristensystem des § 287a Abs. 2 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Inhaltsverzeichnis

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3. Bewertung der gesetzgeberischen Konzeption unter Legitimationsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Notwendigkeit der Einführung weiterer Sperrfristen und der Ausgestaltung als Zulässigkeitsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) Bewertung des Umfangs der Kodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 aa) Weitere Anwendbarkeit der Sperrfristrechtsprechung in Form einer Analogie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (1) Methodische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (2) Grundsätzliche Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 287a Abs. 2 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (3) Einzelfallabhängige Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (4) Versagung der Stundung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Systemkonformität und Schlüssigkeit der getroffenen Abgrenzungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 4. Fortgeltung der Vorwirkungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Anwendbarkeit im Kostenstundungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Begründetheitsprüfung im Rahmen des § 287a Abs. 1 InsO? . . . . . . . . . . . 258 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 III. Sonstige Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Veränderung der in § 290 InsO maßgeblichen Zeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Einführung einer Mindeststrafe in § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 297 InsO

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3. Versagungsmöglichkeit aufgrund fehlerhafter Erklärung nach § 287 Abs. 1 S. 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 4. Vorverlagerung der Erwerbsobliegenheit auf das Insolvenzverfahren und Ausdehnung der Sanktionsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 5. Möglichkeit der Geltendmachung nachträglich bekannt gewordener Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 6. Ausweitung der Widerrufsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 7. Absenkung der Antragsvoraussetzungen für Versagungsgründe i. S. d. § 290 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 C. Änderungen der Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung . . . . . . . . . 271 I. Erweiterung des Katalogs des § 302 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 1. Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen zur Deckung der Verfahrenskosten 271 2. Verbindlichkeiten aus vorsätzlicher Verletzung gesetzlicher Unterhaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3. Verbindlichkeiten aus Steuerstraftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 II. Anmeldeerfordernis nach § 302 Nr. 1 i. V. m. § 174 Abs. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . 276

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Inhaltsverzeichnis III. Abschließende Würdigung der Änderungen der Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

D. Gesamtwirkungen der Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Stärkung der Gläubigerrechte durch ein „Mehr an Redlichkeit“? . . . . . . . . . . . . . 279 II. Systematische Schieflage im Verhältnis Gläubigerbefriedigung, Redlichkeitskontrolle und Gläubigerautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

Vierter Teil Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

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A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 I. Regelungshintergrund und Verfahren zur Richtliniensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 II. Regelungsziel und -konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 III. Überblick über den Regelungsinhalt des Titel III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 B. Umsetzungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 I. Volle, automatische Entschuldung nach drei Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 1. Volle Entschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Nach drei Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 b) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 aa) Verlängerungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (1) Verlängerungsoption bei Nichterreichen einer Mindestbefriedigungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (2) Verlängerungsmöglichkeit nach Art. 23 Abs. 2 lit. e RL . . . . . . . . . 294 bb) Verkürzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 3. Ohne zusätzlichen Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 II. Einschränkungen im Falle von Unredlichkeit oder Bösgläubigkeit gem. Art. 23 RL 299 1. Vereinbarkeit der Versagungs- und Widerrufsgründe mit der Richtlinie . . . . . 300 2. Vereinbarkeit der Sperrfristen i. S. d. § 287a InsO mit der Richtlinie . . . . . . . . 302 III. Ausnahme bestimmter Schuldenkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 C. Die Vorgaben der Richtlinie im Kontext des Anforderungssystems der §§ 286 ff. InsO 304 I. Auswirkungen auf das Anforderungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 II. Konsequenzen in Bezug auf das Befriedigungsinteresse der Gläubiger . . . . . . . . . 306 1. Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 2. Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 III. Würdigung unter Legitimationsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 1. Bewertung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Inhaltsverzeichnis

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2. Bewertung unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 D. Mögliche Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 I. Verbesserung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 1. Längere Laufzeit für Verbraucherschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 2. Mindestbefriedigungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 3. Verschärfung der Obliegenheiten und der Redlichkeitskontrolle . . . . . . . . . . . 322 a) Stärkere Einbeziehung des „gegenleistungslosen Neuerwerbs“ . . . . . . . . . 322 b) Einführung einer Rechenschaftsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 c) Implementierung weiterer amtswegiger Versagungselemente . . . . . . . . . . . 325 4. Senkung der Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 II. Zurückdrängung der Fiskusprivilegien und stärkere Berücksichtigung von unfreiwilligen Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 III. Unterbindung falscher Anreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 IV. Maßnahmen gegen den Drehtüreffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 E. Zusammenfassung Vierter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 A. Thesen zum ersten Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 B. Thesen zum zweiten Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 C. Thesen zum dritten Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 D. Thesen zum vierten Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abl. Abs. AcP a. E. AEUV a. F. AG ÄndG Anm. Anm. d. Verf. Anwbl AO Art. Aufl. BAKinso BB BC BeckRS Begr. Beschl. BFH BGB BGBl. BGH BGHZ BKS BMJV BR-Drucks. bspw. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE bzgl. BZRG bzw. ca. CDU COMI CSU

andere Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Amtsgericht Änderungsgesetz Anmerkung Anmerkung der Verfasserin Anwaltsblatt Abgabenordnung Artikel Auflage Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e. V. Betriebsberater Bankruptcy Code Beck-online Rechtsprechung Begründer Beschluss Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e. V. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Bundesratsdrucksache beispielsweise Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich Bundeszentralregistergesetz beziehungsweise circa Christlich Demokratische Union Deutschlands Centre of Main Interests Christlich Soziale Union Deutschlands

Abkürzungsverzeichnis DB DDR ders. DGVZ d. h. dies. DiskE-InsO DiskE 2006

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Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik derselbe Deutsche Gerichtsvollzieher Zeitung das heißt dieselbe, dieselben Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Insolvenzrechts Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung völlig mittelloser Personen und zur Änderung des Verbraucherinsolvenzverfahrens DRIZ Deutsche Richterzeitung DVBl Deutsches Verwaltungsblatt DZWIR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht ebd. ebenda EGInsO Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung EL Ergänzungslieferung EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EuInsVO Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 5. 2015 über Insolvenzverfahren evtl. eventuell f./ff. folgende FDP Freie Demokratische Partei FLF Finanzierung Leasing Factoring Fn. Fußnote FS Festschrift gem. gemäß GesO Gesamtvollstreckungsordnung GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH & Co. KG Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz i. d. F. in der Fassung i. d. F. v. in der Fassung vom i. d. R. in der Regel i. E. im Ergebnis iff Institut für Finanzdienstleistungen e. V. i. H. v. in Höhe von IK-Verfahren Verbraucherinsolvenz- bzw. Kleinverfahren InsbürO Zeitschrift für die Insolvenzpraxis InsO Insolvenzordnung InsO-E Entwurf einer Insolvenzordnung InsVV Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung IN-Verfahren Regelinsolvenzverfahren InVo Insolvenz und Vollstreckung

22 i. R. d. i. S. d. i. S. v. i. V. m. JA JR jurisPR-InsR JZ Kap. KO KSZW KTS Lfg. LG lit. m. MDR Mio. m. w. N. NJW NJW-RR Nr. NRW NZA NZI NZKart OLG PKH RefE-InsO RefE 2004 RefE 2012 RefE 2020 RegE-InsO RegE 2001 RegE 2007 RegE 2012 resp. RGBl. RL RL-V

Abkürzungsverzeichnis im Rahmen des im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau juris PraxisReport Insolvenzrecht Juristenzeitung Kapitel Konkursordnung Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Konkurs Treuhand Sanierung – Zeitschrift für Insolvenzrecht Lieferung Landgericht littera mit Monatsschrift für Deutsches Recht Million, Millionen mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Neue Zeitschrift für Kartellrecht Oberlandesgericht Prozesskostenhilfe Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Insolvenzrechts Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung, des Kreditwesengesetzes und anderer Gesetze Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens Regierungsentwurf einer Insolvenzordnung (InsO) Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte respektive Reichsgesetzblatt Richtlinie Richtlinienvorschlag

Abkürzungsverzeichnis Rn. RnotZ Rpfleger S. sog. StGB StPO u. u. a. Uabs. u. Ä. US USA u. U. v. Var. VerglO vgl. VIA VID Vor. VuR WiB WM Z ZAP z. B. zfm ZInsO ZIP zit. ZPO ZRP ZSR zugl. ZVI ZZP

Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Satz/Seite sogenannte Strafgesetzbuch Strafprozessordnung und unter anderem Unterabsatz und Ähnliche United States United States of America unter Umständen von/vom Variante Vergleichsordnung vergleiche Verbraucherinsolvenz aktuell Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. Vorbemerkung/Vorbemerkungen Verbraucher und Recht Wirtschaftsrechtliche Beratung Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Ziffer Zeitschrift für die anwaltliche Praxis zum Beispiel Zeitschrift für das Forderungsmanagement Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Sozialreform zugleich Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht Zeitschrift für Zivilprozess

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Einleitung A. Problemaufriss und Gegenstand der Untersuchung Die Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland ist ein seit vielen Jahren bestehendes gesellschaftliches Problem. Hauptauslöser für die finanzielle Krise der Betroffenen sind neben Arbeitslosigkeit, Einkommensarmut, gescheiterter Selbständigkeit und unreflektiertem Konsumverhalten bzw. unwirtschaftlicher Haushaltsführung auch private Schicksalsschläge, insbesondere Krankheit, Scheidung oder Trennung.1 Trotz des seit 2010 anhaltenden Wirtschaftswachstums2 stieg die Zahl der überschuldeten Privatpersonen von 2014 bis 2018 konstant an.3 2018 betrug die Zahl derjenigen natürlichen Personen über 18 Jahren, die sog. Negativmerkmale in den Auskunfteien aufwiesen, bei denen also nachhaltige Zahlungsstörungen festgestellt wurden, 6,93 Millionen. Im Jahr 2015 waren es demgegenüber noch 6,72 Millionen und im Jahr 2013 6,58 Millionen.4 Erstmals seit fünf Jahren war im Jahre 2019 ein Abwärtstrend zu verzeichnen, der allerdings sehr gering ausfiel. Noch immer waren rund 6,92 Millionen natürliche Personen überschuldet – nur knapp 10.000 weniger als im Vorjahr. Ihre prekäre finanzielle Situation zwang 2019 insgesamt 81.563 natürliche Personen ein Insolvenzverfahren zu beantragen.5 Für viele davon ist die im Achten Teil der Insolvenzordnung in den §§ 286 – 303a InsO geregelte Restschuldbefreiung die einzige Aussicht, sich ihrer Schulden zu entledigen. 1 Ausführlich zu den Auslösern von Überschuldung: Piorkowsky, VuR 2012, 383 ff.; T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 74 ff. 2 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Wirtschaftliche Entwicklung und Konjunktur, abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/wirtschaftliche-entwicklung.html (zuletzt geprüft am 15.3.2020). 3 Creditreform (Hrsg), Schuldneratlas 2019 – Überschuldung von Verbrauchern Vorwort. Überschuldung liegt nach der dort verwendeten Definition vor, wenn der Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum nicht begleichen kann und ihm zur Deckung seines Lebensunterhaltes weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen. 4 Creditreform (Hrsg), Schuldneratlas 2019 – Überschuldung von Verbrauchern, S. 72. 5 Statistisches Bundesamt, Insolvenzverfahren (Übrige Schuldner): Deutschland, Jahre, Beantragte Verfahren, Schuldnerarten (Tabelle 52411 – 0009), abrufbar unter: https://wwwgenesis.destatis.de (zuletzt geprüft am 15.3.2020). Die Zahl bezieht sich dabei auf die beantragten Verfahren, d. h. alle eröffneten und mangels Masse abgewiesenen sowie alle Verfahren, bei denen der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan angenommen wurde. Erfasst werden die Anträge von natürlichen Personen als Gesellschafter u. Ä., ehemals selbständig Tätigen (Regelinsolvenzverfahren und vereinfachtes Verfahren) und Verbrauchern.

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Einleitung

Der Schuldner muss dazu zum einen ein Insolvenzverfahren durchlaufen, in dem sein Vermögen zugunsten der Gläubiger verwertet wird, und zum anderen erfolgreich eine mehrjährige Wohlverhaltensperiode überstehen. Verbraucher i. S. d. § 304 InsO sollen dagegen vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern und bei deren Scheitern die Vereinbarung eines gerichtlichen Schuldensanierungsplans anstreben.6 Einzig wenn auch Letztere erfolglos bleibt,7 kommt es (wie bei den sonstigen natürlichen Personen) zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und einer sich daran anschließenden Wohlverhaltensperiode mit der Aussicht auf Restschuldbefreiung. Während der Wohlverhaltensperiode muss der Schuldner den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens an die Gläubiger abtreten und den ihn gem. § 295 InsO treffenden Obliegenheiten nachkommen. Zudem darf er während des Insolvenzverfahrens keinen Versagungsgrund i. S. d. § 290 InsO erfüllen und während der Wohlverhaltensperiode keinen Obliegenheitsverstoß nach § 296 InsO begehen. Andernfalls versagt das Gericht die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers. Nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens wird der Schuldner von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit, wobei einzelne Forderungen nach § 302 InsO von der Wirkung ausgenommen sein können. Schließlich kann die Restschuldbefreiung noch widerrufen werden, wenn dem Schuldner die Verwirklichung eines Widerrufsgrunds i. S. d. § 303 InsO vorzuwerfen ist. Trotz dieser vom Schuldner zu überwindenden Hürden befanden sich im Jahr 2018 maximal 557.915 Personen auf dem Weg zur Restschuldbefreiung.8 Dem Verfahren kommt somit eine hohe praktische Relevanz zu, obschon das deutsche Insolvenzrecht natürlichen Personen erst seit der Einführung der Insolvenzordnung am 1.1.1999 die Möglichkeit einer gläubigerunabhängigen Entschuldung auf gesetzlicher Grundlage bietet.9 Die Restschuldbefreiung stellt hierzulande somit ein – gerade im internationalen Vergleich – junges Rechtsinstitut dar.10 Dessen ungeachtet 6

Siehe zu den Einzelheiten die §§ 305 ff. InsO. Der gerichtliche Schuldensanierungsplan kommt nicht zustande, wenn ein Gläubiger Einwendungen gegen den Plan erhebt und seine Zustimmung nicht gem. § 309 Abs. 1 InsO durch das Gericht ersetzt wird. 8 Institut für Finanzdienstleistungen e. V., iff-Überschuldungsreport 2019, S. 11. 9 Grote, ZInsO 2019, 2152, 2154 geht davon aus, dass die Restschuldbefreiung mittlerweile über 1 Mio. Verbraucher erreicht haben dürfte. 10 Zur rechtshistorischen Betrachtung entfernter gesetzlicher Entschuldungsinstrumente: Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs?, S. 9 ff.; Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung; Bartels, KTS 2013, 349, 351 ff.; Becker, KTS 2008, 3, 16 f.; Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, S. 51 ff., Paulus, ZInsO 2019, 1153 ff., wobei in Bezug auf die Entwicklungsgeschichte in Deutschland vor allem die Art. 101 ff. der Hamburger Fallitenordnung von 1753 und die Entschuldungsgesetzgebung während der Weimarer Zeit sowie des Nationalsozialismus interessant sind. Die entsprechenden Vorschriften können allerdings lediglich als „entfernte historische Vorläuferregelung“ (Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 1 dort Fn. 1) der §§ 286 ff. InsO bezeichnet werden, da sie eine Entschuldung entweder nur 7

A. Problemaufriss und Gegenstand der Untersuchung

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standen die §§ 286 ff. InsO seitdem bereits mehrfach im Zentrum von legislativen Reformen bzw. Reformvorhaben, welche die vom Schuldner auf dem Weg zur Restschuldbefreiung zu erfüllenden Voraussetzungen teils maßgeblich modifizierten.11 Den Anfang machte dabei das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze (InsOÄndG 2001)12, durch das vor allem dem schon kurz nach Einführung der InsO deutlich gewordenen Problem begegnet werden sollte, dass besonders hoch verschuldeten Personen der Zugang zur Restschuldbefreiung versperrt war, weil sie die Verfahrenskosten nicht aufbringen konnten. Aus diesem Grunde wurden die Verfahrenskosten mit Inkrafttreten des InsOÄndG 2001 gem. § 4a InsO solchen Schuldnern bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet, deren Vermögen voraussichtlich nicht zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichen wird. Neben einigen weiteren vornehmlich kleinen Änderungen – insbesondere im Hinblick auf § 302 InsO – sah das InsOÄndG 2001 auch eine Verkürzung der vormals siebenjährigen Wohlverhaltensperiode auf sechs Jahre vor. Zudem wurde der Beginn der Abtretungsfrist dergestalt vorverlegt, dass sie schon mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, statt wie zuvor mit dessen Beendigung, einsetzt. In den Jahren nach der ersten Reform war die weitere Diskussion bestimmt von der durch die Möglichkeit der Kostenstundung nunmehr aufgetretenen Problematik eines sprunghaften Anstiegs der Verfahren, vor allem sog. „Nullverfahren“ oder „masselosen Verfahren“.13 Dies hatte zur Folge, dass neben der Justiz, die die neue Verfahrensflut bewältigen musste, auch die mit den Kosten für die Verfahrenskostenstundung konfrontierten Länderhaushalte belastet wurden. Auf Gläubigerseite wurde darüber hinaus beklagt, dass die Gläubiger in der Mehrzahl der Verfahren weitgehend leer ausgingen, weil, wenn überhaupt, nur eine geringe Masse vorhanden war. Im Mittelpunkt der immer lauter werdenden Rufe nach einer Reform der §§ 286 ff. InsO standen deshalb Forderungen hinsichtlich einer Verfahrensvereinfachung und Kosteneinsparung.14 Einige Stimmen sprachen sich sogar für Alternativmodelle, etwa in Form einer materiell-rechtlichen Verjährungskonzeption, aus.15 Den genannten Kritikpunkten nahmen sich in den Jahren 2003 bis 2007 mehrere Änderungsentwürfe an,16 wobei sie jeweils verschiedene Zielschwerpunkte unter äußerst restriktiven Voraussetzungen zuließen oder eine solche stark einzelfallorientiert war bzw. auf Solidaritätsgesichtspunkten beruhte, Bartels, KTS 2013, 349, 358 ff. 11 Der nachfolgende Überblick soll ausschließlich im Hinblick auf die für die vorliegende Arbeit relevanten Änderungen gegeben werden. 12 InsOÄndG vom 26.10.2001, BGBl. I, 2710. 13 Stephan, in: MüKo-InsO, Vor. §§ 286 bis 303a Rn. 71. 14 Siehe exemplarisch den Aufruf deutscher Insolvenzrichter und -rechtspfleger zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Insolvenzgerichte und der Insolvenzordnung (abgedruckt in ZInsO 2002, 949 f.). 15 Siehe nur Förster, ZInsO 2002, 1105 ff.; Kirchhof, ZInsO 2001, 1, 13. 16 Zu nennen sind der Diskussionsentwurf „eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung, des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze“ vom 17.4.2003, der Referen-

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Einleitung

setzten und entsprechend unterschiedliche Konzepte wählten.17 Sie mündeten schließlich in dem von der Bundesregierung in der 16. Legislaturperiode eingebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen“ vom 5.12.2007.18 Dieser legte sein Hauptaugenmerk auf die Umstrukturierung des Restschuldbefreiungsverfahrens von mittellosen Personen, dessen bisherige Ausgestaltung als zu aufwändig empfunden wurde. Ursächlich dafür war die zwingende Vorschaltung eines Insolvenzverfahrens, das in masselosen bzw. -armen Fällen zumeist ohne nennenswerte Ergebnisse blieb, gleichwohl aber erhebliche Personal- und Sachkosten verursachte.19 Seine Durchführung erschien daher als ein überflüssiger Formalismus, der infolge der Kostenstundung überdies mit öffentlichen Geldern finanziert wurde. Aus diesem Grund wurde ein spezielles Entschuldungsverfahren für mittellose Personen vorgeschlagen, bei dem unter Verzicht auf die Durchführung eines Insolvenzverfahrens sofort eine Überleitung in die Wohlverhaltensperiode stattfinden sollte. Vor allem aber gab der Entwurf die Stundungsmöglichkeit auf und machte die Verfahrensdurchführung stattdessen wieder von einem vom Schuldner zwingend aufzubringenden Verfahrenskostenbeitrag20 abhängig. Eine weitere – für den Schuldner erhebliche – Änderung stellte die im Entwurf vorgesehene Verkürzung der Verfahrensdauer dar, nach der er bereits nach vier bzw. zwei Jahren Restschuldbefreiung erlangt, wenn er seinen Gläubigern eine Befriedigungsquote von 40 bzw. 20 Prozent verschafft. Wesentlichen Modifikationen sollte nicht zuletzt auch das Versagungsverfahren nach den §§ 290 ff. InsO unterliegen. Zum einen war eine Ausweitung der Versagungsgründe geplant, zum anderen sollte das Gericht in die Lage versetzt werden, gewisse Versagungsgründe, sofern sie offenkundig vorliegen, von Amts wegen geltend zu machen. Der Entwurf gelangte vor dem Ende der 16. Legislaturperiode nicht mehr zur parlamentarischen Verabschiedung und fiel damit der Diskontinuität zum Opfer.21 Die neue Regierungskoalition zwischen den Parteien CDU, CSU und FDP brachte den Entwurf zwar nicht in der folgenden Legislaturperiode ein, verfolgte das Ziel einer Restschuldbefreiungsreform hingegen weiter. So nahm sie sich dem Thema bereits in ihrem Koalitionsvertrag an, in dem sie ankündigte, die Zeit der Restschuldbefreiung auf drei Jahre zu halbieren, um Unternehmensgründern nach einem tenentwurf „eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung, des Kreditwesengesetzes und anderer Gesetze“ vom 16.9.2004 und der Referentenentwurf „eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen“ vom 23.1.2007. 17 Zu den Einzelheiten Stephan, in: MüKo-InsO, Vor. §§ 286 bis 303a Rn. 72 ff. 18 BT-Drucks. 16/7416, (im Folgenden: RegE 2007). 19 BT-Drucks. 16/7416, S. 1. 20 Dieser fiel jedoch insgesamt gering aus, sah er lediglich eine zu Beginn des Verfahrens zu leistende Verfahrensgebühr i. H. v. 25 E und einen monatlichen Beitrag i. H. v. 13 E während der Wohlverhaltensperiode vor, mit denen die Vergütung des Treuhänders abgedeckt werden sollte. 21 Stephan, in: MüKo-InsO, Vor. §§ 286 bis 303a Rn. 75; Waltenberger, in: HK-InsO, Vor. §§ 286 – 303 Rn. 28; Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 24.

A. Problemaufriss und Gegenstand der Untersuchung

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Fehlstart eine zweite Chance zu eröffnen.22 Hinsichtlich des Verbraucherinsolvenzverfahrens sollte demgegenüber noch geprüft werden, ob weiterer Regelungsbedarf bestand. Der Grundsatz der zweiten Chance sollte aber auch dort jedenfalls beibehalten werden.23 Schon eingangs zeigte sich, dass der Eckpfeiler der Reformbestrebungen der neuen Bundesregierung nicht länger in der einfacheren Entschuldung in masselosen Fällen, sondern in einer Verfahrensverkürzung bestand. Entsprechend ließ der am 18.1.2012 seitens des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (im Folgenden: Bundesjustizministerium) vorgelegte Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen“24 die seit 2001 geltende Stundungslösung unangetastet und konzentrierte sich stattdessen auf eine Laufzeitenstaffelung. Dem Schuldner wurde die Chance eröffnet, das Verfahren auf drei Jahre zu verkürzen, wenn er eine Mindestbefriedigungsquote von 25 Prozent erfüllt und die Verfahrenskosten begleicht. Sollte es ihm nicht gelingen, die Quote zu erreichen, so konnte er die Laufzeit zumindest auf fünf Jahre verkürzen, sofern er die Verfahrenskosten aufbrachte. Ansonsten sollte es bei einer Verfahrensdauer von sechs Jahren bleiben. Zwar hatte auch der Regierungsentwurf 2007 schon eine ähnliche Verkürzungsmöglichkeit vorgesehen, ihr Zweck lag damals jedoch noch ausschließlich darin, dem Schuldner einen Anreiz zu bieten, erhebliche Anstrengungen zwecks bestmöglicher Gläubigerbefriedigung auf sich zu nehmen.25 Obschon die beabsichtigte Anreizwirkung auch im neuen Referentenentwurf angeführt wurde, rückte nun – insofern die Vorgaben des Koalitionsvertrages umsetzend – mehr die Schuldnerseite in den Vordergrund. Dementsprechend stellte die betreffende Begründung einleitend das Anliegen voran, gescheiterten Unternehmern und sonstigen natürlichen Personen26 einen zügigen Neustart zu gewähren, und führte dafür wirtschafts- und sozialpolitische Gründe ins Feld. Das bereits vom Regierungsentwurf 2007 verfolgte Ziel, die Gläubigerrechte durch eine Verschärfung des Versagungssystems zu stärken, nahm der Referentenentwurf allerdings wieder auf. So wurden die zeitliche und formale Ausweitung der Antragsmöglichkeiten der Gläubiger und einige inhaltliche Änderungen der Versagungsgründe beibehalten. Eine bedeutende Neuerung gegenüber dem Regierungsentwurf 2007 stellte hingegen der neu zu schaffende § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO dar. Danach sollte der Schuldner bei Verstoß gegen die ihn nunmehr nicht nur während der Wohlverhaltensperiode, sondern auch während des Insolvenzverfahrens 22 Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP – 17. Legislaturperiode, S. 26. 23 Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP – 17. Legislaturperiode, S. 18. 24 Abgedruckt in ZVI Beilage 1 zu Heft 2 2012, 1 ff. (Im Folgenden: RefE 2012). 25 BT-Drucks. 16/7416, S. 39. 26 Insoweit ging der Entwurf sogar noch über den Koalitionsvertrag hinaus, der die Regelung nur auf Gründer beschränkt hatte.

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Einleitung

treffende Erwerbsobliegenheit27, die Versagung der Restschuldbefreiung befürchten müssen. Die noch im Regierungsentwurf 2007 vorgesehene amtswegige Versagungsmöglichkeit wurde in systematischer und inhaltlicher Sicht grundlegend modifiziert. Das Gericht sollte künftig bereits in einer sog. Eingangsentscheidung feststellen, ob dem Schuldner die Durchführung eines Restschuldbefreiungsverfahrens zu verweigern ist. Während des weiteren Verfahrens sollte das Versagungsrecht dagegen, anders als im Regierungsentwurf 2007, ausschließlich bei den Gläubigern liegen. Eine gerichtliche Versagung sollte nicht möglich sein. Der nachfolgende Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 31.10.201228 hielt an der Eingangsentscheidung fest, schränkte die vom Gericht darin zu prüfenden Tatbestände allerdings wieder ein. Eine letzte große Änderung erfuhr das Gesetzesvorhaben noch kurz vor seiner Verabschiedung am 16.5.2013, als auf Empfehlung des Rechtsausschusses29 die ehemals für eine Verfahrensverkürzung geplante Mindestbefriedigungsquote von 25 Prozent auf 35 Prozent erhöht wurde. Am 18.7.2013 wurde das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte im Bundesgesetzblatt30 verkündet. Am 1.7.2014 trat es in Kraft. Damit wurde allerdings nur vorläufig ein Schlussstrich unter die über ein Jahrzehnt andauernde Reformdiskussion gezogen. Die Tatsache, dass die Voraussetzungen, unter denen ein Schuldner eine gesetzliche Restschuldbefreiung erlangen kann, in der Vergangenheit maßgeblich modifiziert wurden, hat dazu geführt, dass der Schuldner, der heutzutage Restschuldbefreiung „verdient“, nicht mehr demjenigen entspricht, den der InsO-Gesetzgeber bei Einführung des Instituts vor Augen hatte. Dass jenes durch die §§ 286 ff. InsO bestimmte Schuldnerbild auch in Zukunft weiteren gesetzgeberischen Änderungen unterliegen wird, indizierte schon die seit der letzten Reform nicht abnehmende Kritik, insbesondere bzgl. der Höhe der Mindestbefriedigungsquote. Der seit dem 23.8.2018 vorliegende Evaluationsbericht der Bundesregierung über die Wirkungen des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte31 hat diese – bislang nur vermutete – Schwachstelle der Reform 2014 offiziell bestätigt und folglich legislativen Änderungsbedarf aufgezeigt. Nicht zuletzt stellen auch die Harmonisierungsimpulse von europäischer Seite eine baldige, möglicherweise tiefgreifende Umgestaltung der Entschuldungsbedingungen der §§ 286 ff. InsO in Aussicht. Mit der Richtlinie 27

Danach obliegt es dem Schuldner, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, falls er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen. 28 BT-Drucks. 17/11268. 29 BT-Drucks. 17/13535. 30 BGBl. I, 2379. 31 BT-Drucks. 19/4000.

A. Problemaufriss und Gegenstand der Untersuchung

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2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (im Folgenden nur „Richtlinie“) liegt nunmehr ein verbindlicher EU-Rechtsakt vor, der unter anderem eine Rechtsvereinheitlichung für die nationalen Entschuldungsrechte der EU-Mitgliedstaaten vorsieht. Die Initiative aus Brüssel zu einer Angleichung des materiellen Insolvenzrechts stellt ein Novum dar.32 Sie verändert das bisherige kompetenzrechtliche Gefüge. Fußten Gesetzesänderungen innerhalb der §§ 286 ff. InsO vormals ausschließlich auf rechtspolitischen Erwägungen des deutschen Gesetzgebers, müssen sich seine Entscheidungen von nun an auch am Europarecht messen lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Richtlinien gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV lediglich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind. Die Wahl der Form und Mittel bleibt dagegen den innerstaatlichen Stellen überlassen. Der entschuldungsrechtliche Teil der Richtlinie eröffnet den Mitgliedstaaten erhebliche Spielräume und ist erkennbar durch die Einflussnahme von deutscher Seite geprägt.33 Allem Anschein nach ergeben sich aus den Vorgaben nur wenige Umsetzungserfordernisse. Augenfällig ist jedoch bereits, dass sie substanziell und folgenreich sind. Der Änderungsbedarf betrifft zuvörderst die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens. So müssen Unternehmer künftig die Möglichkeit haben, sich innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Jahren vollständig zu entschulden. Dieser Grundsatz darf zudem nicht – wie bislang im deutschen Recht vorgesehen – von einer Mindestquote abhängig gemacht werden, die sich auf die Schuldsumme bezieht.34 Bindende Leitlinien stellt die Richtlinie zwar nur für die Entschuldung von Unternehmern auf. Allerdings wird in ihrem Erwägungsgrund 21 auch die Erstreckung der Regelungen auf Verbraucher empfohlen. Mit seinem am 13.2.2020 vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens kommt das Bundesjustizministerium dieser Empfehlung bei der Transformation der Richtlinie in das deutsche Recht nach. Gemäß Art. 5 § 287 Abs. 2 RefE 2020-InsO, Art. 6 Art. 103 l RefE 2020-EGInsO soll für ab dem 17.7.2022 beantragte Verfahren die neue Verfahrensdauer von drei Jahren gelten. Für zuvor beantragte Verfahren ist – beginnend ab dem 17.12.2019 – eine Übergangsregelung in Form einer gleitenden, monatsweise abgekürzten Entschuldungsfrist vorgesehen (vgl. Art. 1 § 287 Abs. 2 RefE 2020InsO, Art. 2 Art. 103k RefE 2020-EGInsO).35 Die Übergangsregelung soll einen 32 Eine formelle Harmonisierung erfolgte bereits durch die Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), ABl. L 141/19 vom 5.6.2015. 33 Ahrens, ZInsO 2019, 1449. 34 Grote, InsbürO 2019, 204. 35 Näher zu der geplanten Übergangsregelung Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 10 f. u. 16 ff.; Ahrens, NZI 2020, 137, 140 f.

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Einleitung

geordneten Wechsel vom geltenden Recht zum künftigen Recht sicherstellen und insbesondere verhindern, dass Schuldner mit ihrem Insolvenz- und Restschuldbefreiungsantrags bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts warten.36 Diese geplanten Änderungen sollen unterschiedslos auf alle natürlichen Schuldner anzuwenden sein.37 Somit werden die europäischen Bestimmungen voraussichtlich für das gesamte Privatinsolvenzrecht von Relevanz sein. Mit der Anordnung einer Reduzierung der Verfahrenslaufzeit um die Hälfte durch die Richtlinie ist die Frage der Legitimation der Restschuldbefreiung aktueller denn je. Sie misst sich letztlich an der Ausgestaltung der gesetzlichen Entschuldungsbedingungen. Demnach wirkt sich jede Veränderung in Bezug auf die Entschuldungsbedingungen gleichzeitig auf das Rechtfertigungsgefüge einer gesetzlich verordneten Restschuldbefreiung aus. Die vorliegende Arbeit nimmt diese Ausgangslage zum Anlass, die vergangenen und voraussichtlich zukünftigen Entwicklungen jenes Systems von Vorschriften, die bestimmen, welcher Schuldner Restschuldbefreiung „verdient“, einer kritischen Untersuchung zu unterziehen. Ausgehend von den Grundsätzen aus dem Jahr 1999 soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich durch die Veränderungen das Bild des Schuldners, dem die §§ 286 ff. InsO eine Schuldbefreiung gewähren, gewandelt hat und möglicherweise wandeln wird. Dabei werden die Hintergründe für die Veränderungen und deren Umsetzung analysiert, um schließlich zu bestimmen, ob das Entschuldungssystem unter Berücksichtigung der einstigen Prämissen noch schlüssig oder nicht vielmehr in eine Schieflage geraten ist, die es zu korrigieren gilt.

B. Gang der Untersuchung Zunächst sollen im ersten Teil der Arbeit einige Grundlagen erörtert werden. Dazu gehören mit der Einordnung des Instituts der Restschuldbefreiung in das privatrechtliche Schuld- und Haftungssystem und der Darstellung der Hintergründe für die Einführung der Restschuldbefreiung in Deutschland zwei Themenbereiche, die für das Gesamtverständnis des Untersuchungsgegenstandes wesentlich sind. Darüber hinaus muss in diesem Zusammenhang bereits der einer gesetzlichen Schuldbefreiung zugrundeliegende Interessenkonflikt und die daraus folgenden Konsequenzen für ihre Legitimation aufgezeigt werden. Es wird sich zeigen, dass sich die Restschuldbefreiung nur unter gleichzeitiger Implementierung gewisser an den Schuldner zu stellenden Anforderungen rechtfertigen ließ. Diese lassen sich als Erfordernis des „Verdienenmüssens“ der Restschuldbefreiung zusammenfassen. Es handelt sich dabei um ein Geflecht von Leistungen, die der eine Schuldbefreiung 36

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 10. 37 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 9.

B. Gang der Untersuchung

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Begehrende mindestens erbringen muss, und von Handlungen, die er zu unterlassen hat. Das so zu zeichnende Modell der zwingend notwendigen Anforderungen bildet den Ausgangspunkt für die darauffolgenden Teile der Arbeit. So soll im zweiten Teil der Arbeit auf dieser Grundlage bestimmt werden, inwieweit der InsO-Gesetzgeber durch die von ihm in den §§ 286 ff. InsO ursprünglich gewählten Voraussetzungen der Prämisse des „Verdienenmüssens“ der Restschuldbefreiung Rechnung tragen wollte. Dazu soll die gesetzliche Systematik der Anforderungen nachvollzogen und unter Erörterung ihres Inhalts die Intention des Gesetzgebers für die jeweilige Vorschrift herausgearbeitet werden. Diese Vorgehensweise erlaubt es, die Entschuldungsbedingungen zu gruppieren, so dass im weiteren Verlauf der Arbeit auf die gefundene Einteilung zurückgegriffen werden kann. Nach der Einordnung und Systematisierung der ursprünglichen Entschuldungsbedingungen sind im dritten Teil die Veränderungen durch die Reformen der letzten Jahre in den Blick zu nehmen. In einem ersten Schritt soll beantwortet werden, wie sich das System der Vorschriften, die darüber Auskunft geben, welcher Schuldner Restschuldbefreiung „verdient“, verändert hat und warum die jeweiligen Änderungen getroffen wurden. Im Rahmen der Darstellung der gesetzgeberischen Beweggründe soll dabei näher auf die betreffenden Hintergründe eingegangen werden, wobei vor allem Probleme aufzudecken sind, die sich im Laufe der Zeit bei der Anwendung der Vorschriften durch die Gerichte gestellt haben und diese zu Interpretationsänderungen bewogen haben. In einem zweiten Schritt soll analysiert werden, inwieweit die aufgezeigten Änderungen mit den ursprünglichen Gerechtigkeitserwägungen des Gesetzgebers zusammenpassen und was sie über die Prämissen aussagen, die nun unser System beherrschen. Anhand dieser Ergebnisse wird schließlich zu bestimmen sein, ob das System der §§ 286 ff. InsO in seiner derzeitigen Ausprägung noch ausgewogen und schlüssig ist oder angesichts der Veränderungen einzelne, weiterhin geltende Maximen überdacht werden müssen. Im Anschluss an die Untersuchung der Entwicklungen bis in die Gegenwart widmet sich der vierte Teil der Arbeit der Richtlinie (RL (EU) 2019/1023). Es wird zu erörtern sein, an welchen Stellen die deutschen Entschuldungsbedingungen an die europäischen Vorgaben angepasst werden müssen. Ist der Harmonisierungsbedarf geklärt, soll herausgearbeitet werden, wie sich die Umsetzung der Richtlinie auf die im dritten Teil gefundenen Ergebnisse auswirken wird. Selbst wenn sich die Umsetzungserfordernisse von europäischer Seite durch Einzelkorrekturen im nationalen Recht bewerkstelligen ließen, ist der Gesetzgeber möglicherweise gehalten, die Gelegenheit zu einer weitergehenden Überarbeitung des Restschuldbefreiungssystems zu nutzen. In diesem Fall soll abschließend dazu Stellung genommen werden, welche Korrekturen unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben im Anforderungssystem der §§ 286 ff. InsO vorgenommen werden sollten.

Erster Teil

Grundlagen A. Das Institut der Restschuldbefreiung im Kontext des privatrechtlichen Schuld- und Haftungssystems Das Privatrecht wird maßgeblich vom Prinzip der unbeschränkten vermögensrechtlichen Haftung für eine selbst begründete Schuld beherrscht.1 Als Kehrseite des Grundsatzes, dass der Einzelne seine Rechtsverhältnisse nach eigenem Willen gestalten darf (Grundsatz der Privatautonomie), insbesondere Vertragsfreiheit genießt, hat jeder – schuldrechtlich gesehen – diese Verträge auch einzuhalten (Grundsatz „pacta sunt servanda“) und – haftungsrechtlich – die Verantwortung für die vermögensrechtlichen Folgen seiner Entscheidungen zu tragen.2 Für Letztere muss er mit seinem gesamten, aktuellen und künftigen Vermögen einstehen.3 Aus dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung folgt zugleich, dass der Schuldner im Falle seiner Zahlungsunfähigkeit – selbst wenn diese unverschuldet ist – nicht gem. § 275 BGB von seiner Leistungspflicht befreit wird.4 Der Schuldner bleibt also bis zum Begleichen seiner Schuld verpflichtet und haftet entsprechend mit seinem Vermögen unbegrenzt fort.5 Fraglich ist, ob diese haftungsrechtliche Ausgangslage ausnahmslos gilt. Ist der Schuldner nämlich nicht in der Lage, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, könnte sie möglicherweise zu seinen Gunsten zu durchbrechen sein. Ein finanzielles Unvermögen des Schuldners kann zunächst über die zivilrechtlichen Generalklauseln, insbesondere6 §§ 138 und 242 BGB, Berücksichtigung 1 Ahrens, in: FK-InsO, § 286 Rn. 75; ders., in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch/Lackmann, § 286 Rn. 75; Häsemeyer, in: FS Henckel, S. 353, 355. 2 Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, S. 141 ff.; Wagner, ZVI 2005, 173 f.; Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 4. 3 Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.02.; Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 4. 4 BGHZ 107, 92, 102 = NJW 1989, 1276, 1278; Döbereiner, KTS 1998, 31, 32; Grüneberg, in: Palandt-BGB, § 276 Rn. 28 m. w. N. Näher zu diesem unter dem Stichwort „Geld muss man haben“ bekannten Grundsatz Medicus, AcP (188) 1988, 490 ff.; ders., DZWIR 2007, 221, 222. 5 Wubbe/Pichonnaz, in: FS Seiler, S. 269, 282; vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.02. 6 Ausführlich zu den durch Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln gewährten richterrechtlichen Hilfen: Döbereiner, KTS 1998, 31, 45 ff.; Foltis, in: FK-InsO, Vor. §§ 286 ff.

A. Das Institut der Restschuldbefreiung

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finden. Dies ist der Fall, wenn die aus einem Rechtsgeschäft resultierenden Belastungen nicht mit der Rechtsordnung im Einklang stehen. Allerdings beschränken sich ihre Rechtsfolgen darauf, den Schuldner vor der Wirksamkeit bestimmter Verträge oder Rechtshandlungen und somit im Einzelfall vor der Entstehung einer Überschuldung zu schützen.7 Eine Entlastung von bestehenden Verbindlichkeiten kann mithilfe der zivilrechtlichen Generalklauseln indessen nicht erreicht werden.8 Freilich existiert mit dem durch die materiell-rechtlichen Verjährungsvorschriften für den Schuldner begründeten Leistungsverweigerungsrecht zwar ein gewisser gesetzlicher Schutz vor einer zeitlich unbegrenzten Inanspruchnahme. Eine vielversprechende Aussicht, in absehbarer Zeit dem Zugriff der Gläubiger zu entkommen, gewähren die §§ 194 ff. BGB hingegen nicht. So ist der Gläubiger einer titulierten Forderung dazu berechtigt, bis zur Forderungsverjährung, die gem. § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB nach 30 Jahren eintritt, die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu betreiben. In Kombination mit der Regelung des § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wonach bei Vornahme oder Beantragung einer Vollstreckungsmaßnahme der Lauf der Frist erneut in Gang gesetzt wird, ergibt sich für den Schuldner folglich regelmäßig eine lebenslange Haftung. Im Falle einer hohen Schuldenlast bedeutet dies nicht selten ein dauerhaftes, durch die Pfändungsschutzvorschriften9 (§§ 811 ff., 850 ff. ZPO) garantiertes Leben am Existenzminimum. Die Unpfändbarkeitsregeln dienen dabei der Abwehr von Vollstreckungen und setzen, indem sie die Durchsetzung von Forderungen limitieren, der dem Vollstreckungsrecht zukommenden Funktion der Haftungsrealisierung Grenzen. Sie schützen den Schuldner aber lediglich vor einer sog. „Kahlpfändung“.10 Wegen der übrig bleibenden Verbindlichkeiten darf nach wie vor weiter vollstreckt werden, so dass auch die Vollstreckungsschutzvorschriften keine Befreiung von den verbleibenden Forderungen bewirken können und kein Instrument zum Abbau bestehender Schulden darstellen.11 Selbst das Durchlaufen eines Insolvenzverfahrens, welches die Liquidierung des schuldnerischen Vermögens zur Folge hat, führt nicht unmittelbar zu einer Ent-

InsO Rn. 10 ff.; Kohte/Busch, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch/Lackmann, Vor. §§ 286 ff. Rn. 10 ff.; Medicus, DZWIR 2007, 221, 223; Trendelenburg, Restschuldbefreiung, S. 89 ff. 7 G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2720; vgl. Waltenberger, in: HK-InsO, Vor. §§ 286 – 303 Rn. 13. 8 G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2720 (Dies gelte auch für die sonstigen verbraucherschützenden Regelungen des BGB, wie z. B. die Schriftform- und Belehrungs- und Widerrufsregelungen). 9 Bzw. bei Einkommenslosigkeit durch Sozialhilfe. 10 Medicus, DZWIR 2007, 221, 223; G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2720. 11 Hergenröder, DZWIR 2001, 397; Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 59 f. (Die Vollstreckung werde nur aufgeschoben, aber nicht gänzlich verhindert); G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2720.

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1. Teil: Grundlagen

schuldung. Vielmehr haftet der Schuldner seinen Insolvenzgläubigern12 im Anschluss an das Verfahren grundsätzlich für seine Restverbindlichkeiten unbeschränkt fort. Dieser in § 201 Abs. 1 InsO (früher § 164 Abs. 1 KO) verankerte sog. Grundsatz der freien Nachforderung ist letztlich die Konsequenz des Prinzips unbeschränkter Vermögenshaftung.13 Damit perpetuiert das Insolvenzverfahren die eingangs dargestellte haftungsrechtliche Ausgangslage. Verschärft wird dies sogar noch dadurch, dass die im Insolvenzverfahren erfolgte Forderungsfeststellung den Gläubigern gem. § 201 Abs. 2 InsO einen Titel verschafft, der 30 Jahre lang (§ 197 Abs. 1 Nr. 5 BGB) vollstreckt werden kann, und der Lauf der Verjährungsfrist wiederum in den Fällen des § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB neu in Gang gesetzt wird. Nur ausnahmsweise kann der insolvente Schuldner den Grundsatz der freien Nachforderung durchbrechen und jenem Leben unterhalb der Pfändungsfreigrenze entkommen. Die Insolvenzordnung bietet dazu drei verschiedene Möglichkeiten, denen gemein ist, dass sie ihm jeweils im Wege einer Entschuldung die Chance zu einem schuldenfreien Neustart gewähren. Eine solche Entschuldung kann entweder in einem Insolvenzplan14 (§§ 217 ff., 254 Abs. 1 InsO) bzw. Schuldenbereinigungsplan (§§ 305, 308 InsO) vereinbart werden oder unter den Voraussetzungen der §§ 286 ff. InsO gesetzlich eintreten. Die verschiedenen Möglichkeiten unterscheiden sich dadurch, dass der Schuldenschnitt in einem Insolvenz- bzw. Schuldenbereinigungsplan nur durch Einigung mit den Gläubigern zu erreichen ist, wohingegen die gesetzliche Schuldbefreiung unabhängig von einem evtl. entgegenstehenden Gläubigerwillen eintritt.15 Im Anschluss an ein Verfahren nach den §§ 286 ff. InsO wird der Schuldner gem. §§ 286, 301 Abs. 1 S. 1 InsO von seinen bis dahin nicht getilgten Verbindlichkeiten gegenüber allen Insolvenzgläubigern befreit. Dabei stellt § 301 Abs. 1 S. 2 InsO klar, dass die Wirkungen auch gegenüber solchen Insolvenzgläubigern eintreten, die nicht am Verfahren teilgenommen und die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.16 Die Rechte der Gläubiger aus dinglichen Sicherheiten oder gegenüber Mitverpflichteten 12 Am Verfahren unbeteiligte Gläubiger können nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen vollumfänglich im Wege der Zwangsvollstreckung geltend machen, Jungmann, in: K.Schmidt-InsO, § 201 Rn. 2. 13 Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs?, S. 108; vgl. auch Menzinger, Das freie Nachforderungsrecht der Konkursgläubiger, S. 28 (beide zu § 164 Abs. 1 KO). 14 Seit der Reform 2014 ist ein Insolvenzplan auch im Verbraucherinsolvenzverfahren zulässig. 15 Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist ausschließlich die gesetzliche Restschuldbefreiung nach den §§ 286 – 303 InsO, so dass auf den Insolvenz- bzw. Schuldenbereinigungsplan im Folgenden nur dann eingegangen wird, wenn solche Ausführungen der vorliegenden Untersuchung dienen. Letzteres gilt ebenfalls für die Besonderheiten im Zusammenhang mit den Verfahren selbständiger Schuldner. 16 Verschweigt der Schuldner bewusst einen Gläubiger, kommt allenfalls eine Haftung nach § 826 BGB in Betracht, BGH NZI 2016, 893, 896; BGH ZInsO 2009, 52; Preuß, in: JaegerInsO, § 301 Rn. 11; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 301 Rn. 11; Wenzel, in: KPB-InsO, § 292 Rn. 37.

B. Hintergründe der Einführung der Restschuldbefreiung in Deutschland

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und Bürgen sind dagegen gem. § 301 Abs. 2 S. 1 InsO nicht von der Restschuldbefreiung betroffen. Nach erteilter Restschuldbefreiung erlöschen die Insolvenzforderungen nicht, sondern wandeln sich in unvollkommene Verbindlichkeiten um.17 Sie sind also weiterhin erfüllbar, jedoch nicht erzwingbar, vgl. § 301 Abs. 3 InsO. Das Institut der Restschuldbefreiung schränkt dementsprechend den Umstand ein, dass die Gläubiger zwecks Haftungsrealisierung auf das Schuldnervermögen im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen können. Bestehen bleibt nach ihrer Erteilung nur noch eine Schuld ohne Haftung,18 weshalb sie im Ergebnis – anders als ihr Name vermuten lässt – mehr zu einer Haftungs- als zu einer Schuldbefreiung führt.19 Im Hinblick auf die eingangs aufgezeigten Grundsätze lässt sich konstatieren, dass die Restschuldbefreiung dadurch, dass sie den Schuldner von der Verantwortlichkeit für die vermögensrechtlichen Folgen seiner privatautonom begründeten Verbindlichkeiten entbindet, letztlich die zentralen Prinzipien der unbeschränkten Vermögenshaftung und Vertragstreue relativiert.20 Damit ist sie zwar in der Insolvenzordnung verortet, ihre Auswirkungen beschränken sich aber nicht auf die Insolvenzordnung, sondern betreffen „vielmehr die Grundlagen des Privatrechts“21.

B. Hintergründe der Einführung der Restschuldbefreiung in Deutschland I. Die rechtliche Ausgangslage vor Einführung der Insolvenzordnung Die Implementierung der Restschuldbefreiung für natürliche Personen in die Insolvenzordnung am 1.1.1999 gehörte zu den zentralen Bestandteilen der Insol-

17 BGH NJW-RR 2014, 875, 876; BGH NJW-RR 2014, 565; BGH ZInsO 2011, 244, 245; BGH NJW 2008, 3640, 3641; BT-Drucks. 12/2443, S. 194; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 301 Rn. 1; Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 23; Wenzel, in: KPB-InsO, § 301 Rn. 1. 18 Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 316; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 301 Rn. 3. 19 Madaus, JZ 2016, 548, 549 („Enthaftung“); a. A. Ahrens, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch/ Lackmann, § 286 Rn. 77. 20 Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, S. 141; Lindner, Eigenverwaltung und Restschuldbefreiung, S. 116 (Ausnahme vom Grundsatz, dass jede Person als Folge ihres privatautonomen Handelns für die von ihr getroffenen Entscheidungen vollumfänglich einzustehen hat); Wenzel, ZRP 1993, 161, 163 (Einführung einer Restschuldbefreiung führe zu einer gewissen Entkopplung von privatautonomen Handeln und dem Einstehen für die Folgen dieses Handelns); Wubbe/Pichonnaz, in: FS Seiler, S. 269, 285; Würdinger, KTS 2017, 445, 456; a. A. Ahrens, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch/Lackmann, § 286 Rn. 77. 21 Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.02; siehe auch Würdinger, KTS 2017, 445, 456 („Die Restschuldbefreiung trifft das Herz des Zivilrechts“).

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1. Teil: Grundlagen

venzrechtsreform.22 Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die bis dahin geltende Konkursordnung vom 10.2.187723 kein entsprechendes Institut vorsah, vielmehr von den Prinzipien der Gläubigerautonomie und der freien Nachforderung gem. § 164 Abs. 1 KO24 beherrscht wurde. Aus diesem Grund kannte das frühere Insolvenzrecht nur eine Entschuldung kraft Gläubigerverzichts. Diese Abhängigkeit einer jeden Schuldenregulierung von dem Einvernehmen der Gläubiger schränkte ihre Erfolgsaussicht massiv ein. So konnte der Gemeinschuldner zwar versuchen, sich mittels Zwangsvergleichs nach den §§ 173 ff. KO zu entschulden. Dies gelang jedoch angesichts der auf Gläubigerseite erforderlichen hohen Mehrheitsanforderungen i. S. d. § 182 KO25 nur selten26, weshalb die Verbindlichkeiten in aller Regel auch nach Durchlaufen eines Konkursverfahrens fortbestanden. Oftmals schied sogar schon von vornherein die Möglichkeit eines Zwangsvergleichs aus, weil überwiegend ein dazu erforderliches Konkursverfahren aufgrund von Massearmut gar nicht erst eröffnet wurde.27 Eine ebenso geringe praktische Relevanz28 kam der für den Schuldner bestehenden Alternative zu, einen Konkurs im Wege eines Vergleichsverfahrens nach der Vergleichsordnung vom 26.2.193529 abzuwenden und gleichzeitig durch Vereinbarung mit den Gläubigern einen Schuldenerlass zu erwirken, zumal dies abermals nur bei Erreichen strenger Mehrheitsanforderungen (vgl. § 74 VerglO) in Betracht kam.30 Eine restschuldbefreiungsähnliche Wirkung kann aufgrund ihrer Gläubigerunabhängigkeit allenfalls der Regelung des § 18 Abs. 2 S. 3 der Gesamtvollstre-

22 Insofern spricht die Gesetzesbegründung von einer „wichtige[n] Neuerung“, BT-Drucks. 12/2443, S. 109; siehe auch G. Pape, Rpfleger 1997, 237 („Herzstück der Insolvenzrechtsreform“). 23 RGBl. S. 351 (i. d. F. der Bekanntmachung vom 20.5.1898, RGBl. S. 612). 24 Döbereiner, KTS 1998, 31, 32 („althergebrachter Rechtsgrundsatz des deutschen Insolvenzrechts“). 25 Danach musste eine Mehrheit der im Termin anwesenden Gläubiger dem Vergleichsvorschlag zustimmen, die gleichzeitig wenigstens drei Viertel der Gesamtsumme aller zum Stimmen berechtigenden Forderungen repräsentierten. 26 Laut den Gesetzesmaterialien zur InsO kam es lediglich in etwa 8 % der eröffneten Konkursverfahren zu einem bestätigten Zwangsvergleich, BT-Drucks. 12/2443, S. 72. 27 Eingehend mit statistischem Zahlenmaterial Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 14 ff. 28 Seit 1983 wurde in weniger als 1 % der Insolvenzen ein gerichtlicher Vergleich bestätigt, BT-Drucks. 12/2443, S. 72. 29 RGBl. I S. 321. 30 Daneben resultierte die geringe Bedeutung des Vergleichsverfahrens auch daraus, dass gesicherte und bevorrechtigte Gläubiger nicht in das Verfahren einbezogen waren, sondern vollständige Befriedigung verlangen konnten (§ 26 Abs. 1 VerglO). Gleichermaßen schränkten das strenge Quotenerfordernis des § 7 Abs. 1 S. 2 VerglO, wonach den Vergleichsgläubigern mindestens 35 % ihrer Forderungen gewährt werden mussten, und die Würdigkeitsvoraussetzungen der §§ 17, 18 VerglO die Aussicht des Schuldners auf einen konkursabwendenden Vergleich maßgeblich ein. Siehe zum Ganzen Balz, ZRP 1986, 12, 15.

B. Hintergründe der Einführung der Restschuldbefreiung in Deutschland

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ckungsordnung31 zugesprochen werden.32 Die Gesamtvollstreckungsordnung ging auf ein Gesetz der ehemaligen DDR aus dem Jahr 1975 zurück und galt dort auch nach der Wiedervereinigung anstelle der KO und VerglO – allerdings mit einigen Modifikationen33 – weiter.34 § 18 Abs. 2 S. 3 GesO sah vor, dass ein Insolvenzgläubiger nach einem abgeschlossenen Gesamtvollstreckungsverfahren aus Altforderungen gegen den redlichen Schuldner nur insoweit vollstrecken konnte, als dieser über ein angemessenes Einkommen hinaus zu neuem Vermögen gelangte. Im Gegensatz zu den §§ 286 ff. InsO führte er allerdings lediglich zu einer Vollstreckungsbeschränkung, statt den Schuldner gänzlich von seinen Schulden zu befreien und ihm einen wirklichen wirtschaftlichen Neuanfang zu gewähren.35 Darüber hinaus fehlte auch § 18 Abs. 2 S. 3 GesO die praktische Relevanz.36 Die Vorschrift war in ihrem Geltungsbereich auf die neuen Bundesländer begrenzt und wurde schließlich durch die Insolvenzordnung abgelöst. Nach dem Gesagten schied eine Entschuldung für natürliche Schuldner vor der Einführung der Insolvenzordnung in der Praxis aus.37 Juristische Personen wurden dagegen nach den entsprechenden Vorschriften des Gesellschaftsrechts mit der Eröffnung eines Konkursverfahrens aufgelöst und nach dessen Beendigung im Handelsregister gelöscht. Ein Nachforderungsrecht der Gläubiger ging somit mangels existentem Schuldner ins Leere, weshalb bei ihnen faktisch eine Schuldbefreiung eintrat.38 Diese unbefriedigende gesetzliche Ausgangslage setzte einen langen wissenschaftlichen und politischen Diskussionsprozess über die Reformbedürftigkeit der unbegrenzten und unbegrenzbaren Nachhaftung in Gang. An dessen Ende bestand weitestgehend Einigkeit darüber, natürlichen Schuldnern künftig einen 31

BGBl. 1991 I, 1185. In diesem Sinne wird § 18 Abs. 2 S. 3 GesO auch als „Vorläufer“ der heutigen Restschuldbefreiung bezeichnet, siehe Köhler/Simokat, KTS 2017, 495, 514. 33 Bei § 18 Abs. 2 S. 3 GesO handelte es sich um eine dieser Modifikationen, die unter dem Einfluss der sich in der Reformdiskussion befindenden KO und VerglO geschaffen wurden. Durch die veränderte Fortgeltung der GesO wollte man die Übertragung jener reformbedürftigen Regelungen auf die neuen Bundesländer vermeiden. Gleichzeitig waren noch wichtige Probleme der Reform ungeklärt, so dass der noch nicht abschließend ausgearbeitete Gesetzesentwurf auch nicht vorzeitig auf dem Gebiet der DDR in Kraft gesetzt werden sollte. Um dennoch kurzfristig für die Übergangszeit ein auf marktwirtschaftliche Verhältnisse zugeschnittenes Insolvenzrecht für die neuen Bundesländer zu schaffen, entschied man sich für diesen Mittelweg, BT-Drucks. 12/2443, S. 104. 34 Scholz, FLF 1992, 115, 116 m. w. N. 35 Köhler/Simokat, KTS 2017, 495, 515; eingehend Scholz, FLF 1992, 115, 116; Wenzel, ZIP 1991, 425, 430; vgl. auch Holzer, WiB 1997, 1278 („beschränkte Restschuldbefreiung“). 36 Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 15. Laut G. Pape, Rpfleger 1997, 237, 238 ist kein Fall bekannt geworden, in dem ein Schuldner tatsächlich in den Genuss der Vollstreckungsbeschränkung gekommen ist. 37 Siehe auch Schatzschneider, MDR 1986, 274, 277 („Der Gedanke der ,privaten Sanierung‘ führt ein völliges Schattendasein“). 38 Napoletano, Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung, S. 1; G. Pape, ZRP 1993, 285 u. 290. 32

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1. Teil: Grundlagen

Ausweg aus der Überschuldung zu gewähren. Die im Rahmen dieser Debatte angeführten und nachfolgend darzustellenden wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Argumente bewogen schließlich auch den InsO-Gesetzgeber, sich dieses Problems im Rahmen der Novellierung des Insolvenzrechts anzunehmen.

II. Bedarf eines gesetzlich gewährten Neuanfangs nach finanziellem Scheitern Die kritische Auseinandersetzung mit dem Grundsatz der uneingeschränkten Nachforderung in der Konkursordnung setzte bereits Mitte der siebziger Jahre ein.39 Durch die zunehmende Verschuldung privater Haushalte40 und die angespannte Wirtschaftslage gewann die Überschuldungsthematik seinerzeit mehr und mehr an Relevanz.41 Die Tragweite der Problematik drückte sich auch in den Zahlen der Konkurs- und Vergleichsanträge aus, die sich zwischen 1972 und 1975 verdoppelten.42 Neben der durch die Ölpreiskrise von 1973 ausgelösten Rezession hatte auch die Hochzinspolitik der Bundesregierung und der Bundesbank als Folge der Inflation im In- und Ausland deutsche Unternehmen in oft unerwartete Schwierigkeiten gebracht.43 Derartige überraschende wirtschaftliche Entwicklungen konnten gleichermaßen auch gewerblich tätige, natürliche Schuldner ruinieren, die ihr Unternehmen nicht etwa in Form einer GmbH oder GmbH & Co. KG, sondern unter vollem Einsatz ihres Vermögens betrieben.44 Die Unvorhersehbarkeit und mangelnde Steuerbarkeit solcher Einflüsse verdeutlichten, dass eine finanzielle Notlage nicht zwingend persönlich vorwerfbar sein muss.45 Ebenso wenig konnte Verbrauchern ihre etwa durch Krankheit, Tod, plötzliche Arbeitslosigkeit oder Zinssteigerungen (insbesondere beim Eigenheimbau und -erwerb) ausgelöste Insolvenz vorgehalten 39 Frühzeitige Kritik bei Heilmann, KTS 1975, 18 ff.; Kilger, ZRP 1976, 190, 193. Anfang der achtziger Jahre wurde die Thematik auch zum Gegenstand einiger Dissertationen: Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs?; Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung; Menzinger, Das freie Nachforderungsrecht der Konkursgläubiger. 40 Zur Bedeutung der zunehmenden Verbreitung von Konsumentenkrediten ab den 1960er Jahren, Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 25 ff. Zur Rolle der Vergabepraxis der Kreditinstitute im Zusammenhang mit der Überschuldung natürlicher Personen G. Pape, ZRP 1993, 285, 286 f. 41 T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 61. 42 BT-Drucks. 12/2443, S. 103. 43 Heilmann, KTS 1975, 18, 19; Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 85 mit weiteren für die damalige Insolvenzwelle ursächlichen Faktoren. 44 Lösch, JA 1994, 44, 47. 45 Heilmann, KTS 1975, 18, 19 (Der Schuldner werde von den Ereignissen wie von einer höheren Gewalt betroffen); vgl. auch Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs?, S. 109 (Insolvenzursache könne heutzutage nicht nur Unfähigkeit, sondern auch Unglück eines Unternehmers sein); ders., ZIP 1982, 1266, 1272; Gerhardt, in: FS Michaelis, S. 100, 114; Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 81 ff.

B. Hintergründe der Einführung der Restschuldbefreiung in Deutschland

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werden.46 Dieser Erkenntnis war es geschuldet, dass das Schuldnerinteresse, für unbeherrschbare Geschäftsrisiken nicht unbeschränkt einstehen zu müssen und im Falle einer Insolvenz nicht dauerhaft aus dem Wirtschaftsverkehr ausgeschlossen zu werden, in den Fokus der öffentlichen Diskussion geriet. Jener Prozess des Umdenkens konfligierte allerdings mit den bestehenden Grundsätzen der Konkursordnung, die auf dem Leitbild der Gesamtvollstreckung beruhte und einseitig auf die Befriedigungsinteressen der Gläubiger ausgerichtet war.47 Ihr lag die aus den vorstehenden Gründen überholte Vorstellung zugrunde, dass der insolvente Schuldner angesichts seines wirtschaftlichen Scheiterns offensichtlich nicht in der Lage sei, unternehmerisch tätig zu werden, weshalb er aus dem Kreis selbständiger Unternehmer ausgeschlossen werden müsse.48 Ein solcher Sanktionscharakter, der keine Gnade für den Schuldner zulässt, stand aber nicht nur im Widerspruch zum sich im Wandel befindlichen, nicht länger auf der Lehre vom „Makel des Konkurses“ beruhenden Schuldnerbildes,49 sondern auch zu den veränderten sozialethischen Anschauungen: Es konnte nicht mit den Grundsätzen eines sozialen Rechtsstaats in Einklang gebracht werden, dass die damalige Rechtslage dem Schuldner selbst nach der Verwertung seines gesamten Vermögens in einem Konkursverfahren keine wirkliche Perspektive auf eine wirtschaftliche Rehabilitation und den Aufbau einer neuen Existenz bot.50 Dementsprechend forderten immer mehr Stimmen eine Humanisierung des Vollstreckungsrechts in Form einer Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang nach finanziellem Scheitern.51 Hatte eine solche Humanisierungstendenz schon in den vorangegangenen Jahrzehnten zu einer 46

Knüllig-Dingeldey, a. a. O., S. 86. Vgl. Arnold, DGVZ 1996, 65; eingehend Menzinger, Das freie Nachforderungsrecht der Konkursgläubiger, S. 133 ff.; zu den Grundgedanken der Konkursordnung Berges, KTS 1960, 1 ff. 48 Henckel, ZZP 97 (1984), 105, 107, der auf den Zusammenhang zwischen dieser Vorstellung und der in den Motiven explizit geäußerten Entscheidung des KO-Gesetzgebers gegen eine Schuldbefreiung hinweist. Siehe auch Arnold, DGVZ 1996, 65 („Der finanzielle Zusammenbruch des Bankrotteurs offenbarte dessen Unfähigkeit, ja sogar dessen Unzuverlässigkeit und Unredlichkeit; von derart untüchtigen und unredlichen Elementen mußte die Wirtschaft ,gereinigt‘ werden“); Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 70 u. 93 ff. 49 Siehe hierzu eingehend Knüllig-Dingeldey, a. a. O., S. 74 ff.; vgl. auch Gerhardt, in: FS Michaelis, S. 100 ff.; Paulus, KTS 2000, 239, 240 vermutet den Grund für die „Verflüchtigung“ jenes als Folge des Konkurses angesehenen Makels demgegenüber vor allem in der Entwicklung der Kreditkarte, deren „kaufe jetzt, zahle später“-Devise zu einer Veränderung der Zahlungs- und Geschäftsgepflogenheiten beigetragen habe. 50 Arnold, DGVZ 1996, 65, 66; Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 107; Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 1; vgl. Engelhard, ZIP 1986, 1287, 1291. Diese Situation wurde als „der moderne Schuldturm“ (grundlegend de With/Nack, ZRP 1984, 1 ff.) bzw. „neue Schuldknechtschaft“ (Wochner, BB 1989, 1354 ff.) bezeichnet. 51 Siehe exemplarisch Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs?, S. 109 u. 119; Heilmann, KTS 1975, 18 ff.; Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 107 f. 47

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1. Teil: Grundlagen

zunehmend schuldnerfreundlichen Ausgestaltung der Vollstreckungsschutzvorschriften geführt,52 erreichte sie nun auch das Insolvenzrecht. Teilweise wurde dabei sogar ein Recht des Schuldners auf einen wirtschaftlichen Neustart angenommen, das aus dem Sozialstaatsgebot nach Art. 20 Abs. 1 GG53 oder auch aus den Grundrechten des Schuldners aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG54 abgeleitet wurde. Jener Gedanke eines sog. „fresh starts“55 war allerdings nicht neu, sondern bereits in vielen anderen Rechtsordnungen – vornehmlich der US-amerikanischen56 und der englischen57 – in Gestalt einer gesetzlichen Restschuldbefreiung (sog. discharge) verankert. Die entsprechenden ausländischen Institute lieferten hierzulande wesentliche Denkanstöße und bewogen auch andere europäische Länder zu einem Richtungswandel.58 Neben derlei gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten forcierten auch wirtschafts- bzw. sozialpolitische Argumente die Debatte um die Reform des Grundsatzes der unbegrenzten Nachforderung. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang, dass das Risiko einer lebenslangen Schuldenhaftung die Bereitschaft zur Gründung einer selbständigen Existenz mindere und die von der Wirtschaftsordnung ge52

Wenzel, DGVZ 1993, 81, 84; vgl. Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 357 f.; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, Vor. § 286 Rn. 68. 53 G. Pape/Grote, ZInsO 2009, 601, 605 (außerdem Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) ; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 5; Wochner, BB 1989, 1065, 1067; wohl auch Balz, ZRP 1986, 12, 16; Engelhard, ZIP 1986, 1287, 1291. 54 Art. 1 Abs. 1 GG: Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 289; G. Pape, in: Mohrbutter/ Ringstmeier, Kap. 17 Rn. 6; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 5. Für eine Herleitung aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG jedenfalls in den Fällen, in denen gewöhnliche oder ganz leichte Fahrlässigkeit zu hohen Schulden und Insolvenz führt Stephan, in: MüKo-InsO, Vor. §§ 286 bis 303a Rn. 23; Stürner, in: MüKo-InsO, Einleitung Rn. 93, und in den Fällen, in denen das lebenslängliche Niederhalten des Schuldners auf Sozialhilfeniveau den Gläubigern kaum oder gar keine Vorteile bringt Bruns, KTS 2008, 41, 49. 55 Näher zur US-amerikanischen „fresh start“-Doktrin Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 40 ff. 56 Das amerikanische Recht bietet natürlichen Personen mit der planmäßigen Schuldenregulierung nach Kap. 13 BC und der Liquidation nach Kap. 7 BC zwei Möglichkeiten, sich von ihren Schulden zu befreien: Entweder wird das vorhandene Vermögen verwertet und der Schuldner erhält sofort eine Restschuldbefreiung (Kap. 7) oder das vorhandene Vermögen bleibt erhalten, aber das laufende, verfügbare Einkommen muss mindestens drei Jahre lang zur Gläubigerbefriedigung verwendet werden (Kap. 13), Balz, ZIP 1988, 1438, 1443 f.; Wittig, WM 1998, 209, 210 dort Fn. 116. Eingehend zur bereits im 19. Jahrhundert einsetzenden Geschichte der US-amerikanischen discharge und zu den Einzelheiten der Regelungen, Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 128 ff. 57 Im englischen Recht ist die discharge bereits seit 1705 verankert. Näher dazu Forsblad, a. a. O., S. 90 ff. 58 Bartels, KTS 2013, 349, 362; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 80. So führte beispielsweise Frankreich, das im Konkurs traditionell ein Sanktionsinstrument für unternehmerisches Fehlverhalten gesehen hatte, im Jahre 1985 eine Restschuldbefreiung ein, BT-Drucks. 12/2443, S. 106; Engelhard, ZIP 1986, 1287, 1291.

B. Hintergründe der Einführung der Restschuldbefreiung in Deutschland

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wünschte wirtschaftliche Dynamik verhindere.59 Des Weiteren richtete sich die Kritik gegen die mit der mangelnden Attraktivität des Konkursverfahrens einhergehenden Folgen für die öffentlichen Haushalte. So hatten natürliche Personen aufgrund des fehlenden wirksamen Entschuldungsinstruments60 keinen Anlass, ein Konkursverfahren zu durchlaufen. Viele, insbesondere hoch verschuldete Schuldner, zogen deshalb ein Leben an der Pfändungsfreigrenze vor, dem sie aufgrund des § 164 Abs. 1 KO ohnehin auch nach einem – noch dazu beschwerlichen – Konkursverfahren ausgesetzt gewesen wären.61 Der Umstand, dass der pfändungsfreie Betrag des Einkommens häufig nur unwesentlich vom Sozialhilfesatz abweicht, verleitete dabei regelrecht dazu, die eigene Erwerbstätigkeit (offiziell) ganz aufzugeben und ggf. in die Schattenwirtschaft „abzutauchen“.62 Weil ein dahingehender Trend mit einem Anstieg sozialer Transferleistungen und dem Ausfall von Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen verbunden ist, wurde befürchtet, dass die damalige Rechtslage die öffentlichen Haushalte und damit die Allgemeinheit belastete.63 Jene negativen Folgen des freien Nachforderungsrechts wirkten sich nicht zuletzt auch nachteilig auf die Befriedigungsinteressen der Gläubiger aus, denen die nachkonkursliche Zugriffsmöglichkeit eigentlich zugutekommen sollte. Dies lag zum einen daran, dass die mangelnde Attraktivität des Konkursverfahrens den Schuldner wohl mehr davon abhielt, rechtzeitig einen Konkursantrag zu stellen, als ihn dazu zu bewegen.64 Eine frühzeitige Antragstellung versprach demgegenüber allgemein höhere Konkursquoten und im Vergleich zu einem nachkonkurslichen

59 Engelhard, ZIP 1986, 1287, 1291; Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 91 u. 105; siehe auch BT-Drucks. 12/2443, S. 81. 60 Siehe oben S. 37 ff. 61 Vgl. Wittig, WM 1998, 157 f. Hinzu kam, dass das Nachforderungsrecht u. U. durch das Durchlaufen des Konkursverfahrens erst „zementiert“ wurde, T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 224. Insoweit galten gem. §§ 218 Abs. 1 BGB a. F., 145 Abs. 2 KO, § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a. F. die gleichen haftungsrechtlichen Grundsätze wie heute (vgl. oben S. 34 ff.), jedoch mit dem Unterschied, dass die lebenslange Nachhaftung gerade nicht im Wege einer gesetzlichen Restschuldbefreiung durchbrochen werden konnte. 62 Lotz, Der Weg aus dem „Schuldturm“, S. 2; Stephan, in: MüKo-InsO, Vor. §§ 286 bis 303a Rn. 7. 63 Vgl. Balz, ZIP 1988, 273, 280 („Der Wert des freien Nachforderungsrechts steht außer Verhältnis zu den gesellschaftlichen Kosten der ,lebenslangen‘ Schuldenhaftung“); Häsemeyer, in: FS Henckel, S. 353 f.; siehe dazu auch Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 5; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 73. 64 So Menzinger, Das freie Nachforderungsrecht der Konkursgläubiger, S. 134 f. und S. 142: „Ein Schuldner, der die Chance sieht, bei vorwurfsfreiem Verhalten von dem größten Teil seiner Schulden, den Verpflichtungen aus Kreditschuldverhältnissen, befreit zu werden, wird nämlich eher geneigt sein, den Konkurs rechtzeitig zu eröffnen, als ein Schuldner, der ohne diese Chance unter allen Umständen versucht zu retten, was zu retten ist“; Engelhard, ZIP 1986, 1287, 1291; Heilmann, KTS 1975, 18, 21; Kilger, ZRP 1976, 190, 193; kritisch Ackmann, ZIP 1982, 1266, 1273.

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1. Teil: Grundlagen

Zugriff bei massearmen bzw. -losen Verfahren eine höhere Gläubigerbefriedigung.65 Zum anderen ist von einem Schuldner, der sich nach der Durchführung eines Konkursverfahrens weiterhin der Vollstreckung seiner Gläubiger ausgesetzt sieht und dessen Arbeitseinkommen ihm deshalb nicht zur Verfügung steht, umso weniger Motivation zum Abbau seiner Verbindlichkeiten zu erwarten, je unüberwindbarer der Schuldenberg erscheint.66 Ist die Entschuldung nicht in absehbarer Zeit, möglicherweise nicht einmal bis zum Lebensende erreichbar, wird er wiederum vornehmlich dazu tendieren, seine Arbeitsleistung an der Pfändungsfreigrenze auszurichten, statt einen darüber hinausgehenden Verdienst zu erwirtschaften.67 Im schlimmsten Fall wird er die Arbeitsleistung ganz einstellen und/oder in die Schattenwirtschaft abgleiten. Gerade weil bei natürlichen Personen die Arbeitskraft des Schuldners regelmäßig die einzige Einnahmequelle darstellt,68 konnten die Gläubiger in diesen Fällen gelähmter wirtschaftlicher Initiative keine umfangreichen Erträge vom Schuldner erhoffen. Ihr immerwährendes Nachforderungsrecht erwies sich als wertlos.69 Es erschien daher nicht nur aus sozialen und menschlichen, sondern vor allem auch aus ökonomischen Überlegungen im Interesse der Gläubiger zu liegen, dass der Schuldner nach seiner wirtschaftlichen Sanierung wieder in geordneter Weise am Geschäftsleben teilnehmen kann, anstatt sein ganzes Leben lang in einer wirtschaftlich hoffnungslosen Situation ohne Lebensperspektive verharren zu müssen.70 Als Auslöser für die Reformbestrebungen hinsichtlich einer Beschränkung des freien Nachforderungsrechts kann somit festgehalten werden, dass die Konzeptionen der insgesamt reformbedürftigen71 Konkurs- und Vergleichsordnung auch insoweit überholt waren und ihre Strukturen nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht wurden. Ihre Vorschriften vermochten weder die hohen Überschuldungszahlen einzudämmen noch dienten sie den Interessen der Gläubiger an einer effektiven Haftungsverwirklichung in dem Maße, wie sie es deklarierten. Die Schuldnerinteressen ließen sie sogar weitestgehend unberücksichtigt. Die negativen Auswirkungen, die aus der unbefriedigenden Rechtsstellung des Schuldners resultierten, und schließlich der Vergleich mit ausländischen Rechtsordnungen – von dem freilich 65

Menzinger, Das freie Nachforderungsrecht der Konkursgläubiger, S. 135. Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs?, S. 111 f. (mit Rechenbeispiel); Balz, FLF 1989, 16. 67 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 16 f.; Wenzel, DGVZ 1993, 81, 82; ders., ZRP 1993, 161, 163 f. 68 BT-Drucks. 10/6628, Antrag der Fraktion der SPD, S. 2; Wenzel, DGVZ 1993, 81, 84 f. 69 Balz, ZIP 1988, 273, 280; ders., ZIP 1988, 1438, 1445; Wenzel, ZIP 1991, 425, 426. 70 Scholz, ZIP 1988, 1157, 1160. 71 Die allgemeine Funktionslosigkeit, die mit dem Schlagwort „Konkurs des Konkurses“ (Kilger, KTS 1975, 142) betitelt wurde, ergab sich neben dem hohen Anteil der mangels Masse abgelehnten Konkursanträge und der fast völligen Bedeutungslosigkeit des Vergleichsverfahrens insbesondere auch aus der Durchlöcherung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung und den geringen Quoten für einfache Konkursgläubiger, Balz, ZIP 1988, 273, 279; Schmerbach, in: FK-InsO, Vor. §§ 1 ff. Rn. 6. 66

B. Hintergründe der Einführung der Restschuldbefreiung in Deutschland

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auch ein gewisser Druck zu einer europäischen Rechtsvereinheitlichung ausging –72 machten das auch hierzulande bestehende Bedürfnis nach einem fresh start sichtbar.

III. Der Weg hin zur finalen Gesetzesfassung innerhalb der Insolvenzrechtsreform 1. Die Vorschläge der Kommission für Insolvenzrecht und des Bundesjustizministeriums – Restschuldbefreiung auf freiwilliger oder zwingend-gesetzlicher Basis? Nachdem sich ein allgemeiner Konsens73 über den gesetzgeberischen Handlungsbedarf hinsichtlich einer verbesserten Schuldenregulierungsmöglichkeit angebahnt hatte, verlagerte sich die Frage im Rahmen der Gestalt annehmenden Insolvenzrechtsreform vom „Ob“ hin zum „Wie“ einer gesetzlichen Regelung.74 Bei der Suche nach deren künftiger Konzeption war im Vorfeld des Gesetzgebungsprozesses eines neuen Insolvenzrechts noch offen, ob eine gesetzliche, d. h. vom Gläubigerwillen unabhängige Restschuldbefreiung nach anglo-amerikanischen Vorbild in die geplante Insolvenzordnung eingeführt werden sollte oder eine Lösung auf freiwilliger Basis, etwa unter Verbesserung materiellrechtlicher bzw. (gesamt-) vollstreckungsrechtlicher Institute, zu bevorzugen war.75 Die im Jahre 1978 vom damaligen Bundesminister der Justiz Vogel einberufene Kommission für Insolvenzrecht, der die Aufgabe zugewiesen war, Vorschläge für ein neues Insolvenzrecht zu erarbeiten, lehnte im zweiten ihrer beiden in den Jahren 1985 und 1986 veröffentlichten Berichte eine Restschuldbefreiung im Sinne einer US-amerikanischen discharge für das deutsche Recht ausdrücklich ab.76 Nach der Vorstellung der Kommission ließ sich eine solche nicht mit den Grundprinzipien 72

Näher dazu Smid, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 139, 142. Siehe nur Gerhardt, FLF 1989, 99 ff.; Heilmann, KTS 1975, 18 ff.; G. Pape, ZRP 1993, 285, 288; Schatzschneider, MDR 1986, 274, 276 f.; Scholz, FLF 1987, 127 ff.; Uhlenbruck, FLF 1989, 11 f. u. 15; ders., MDR 1990, 4, 5 u. 8; Wacket, FLF 1989, 65; Wassner, ZIP 1986, 343. 74 Hess/Goetsch, Die Sanierung der Konkursordnung durch die Insolvenzrechtsreform?, S. 52. 75 Scholz, ZIP 1988, 1157, 1159 f. („Grundsatzfrage“). Zu den sonstigen dogmatischen und praktischen Streitpunkten innerhalb der Diskussion über den Regelungsstandort einer Schuldenregulierungsmöglichkeit Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 33 ff.; G. Pape, ZRP 1993, 285, 288 f.; Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 138 ff. 76 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Zweiter Bericht 1986, Leitsatz 6.3 Abs. 1, Begründung S. 163; ablehnend gegenüber einer gesetzlichen, nicht zwischen Gläubiger und Schuldner ausgehandelten Restschuldbefreiung auch Ackmann, KTS 1986, 555, 605 f.; Gerhardt, FLF 1989, 99 f.; Lotz, Der Weg aus dem „Schuldturm“, S. 144; K. Schmidt, KTS 1988, 1, 8; Scholz, FLF 1987, 127, 130 f.; ders., ZIP 1988, 1157, 1160; Uhlenbruck, MDR 1990, 4, 5 f.; ders., DGVZ 1992, 33, 36; Wacket, FLF 1989, 65 f.; kritisch Smid, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 139, 148. 73

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1. Teil: Grundlagen

eines einheitlichen Insolvenzverfahrens in Einklang bringen.77 Das Liquidationsverfahren diene in erster Linie dazu, die Haftung des Schuldners zu verwirklichen. Dagegen sei es seiner Funktion nach kein Entschuldungsverfahren, mit dessen Hilfe sich der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten entledigen könne. Der Grundsatz der Gläubigerautonomie gebiete, dass eine Restschuldbefreiung nur aufgrund einer qualifizierten Zustimmung der Gläubiger, nicht jedoch durch eine gerichtliche Entscheidung erlangt werden könne. Dem gerechtfertigten Anliegen einer Schuldbefreiung solle stattdessen durch eine Erleichterung und Fortentwicklung des konkursbeendenden Zwangsvergleichs und durch ein neu einzuführendes sog. vereinfachtes Schuldenregulierungsverfahren für natürliche Personen Rechnung getragen werden, zumal diese Verfahrenswege auch weniger missbrauchsanfällig als das amerikanische System seien und sie die Insolvenzgerichte weniger belasteten als die englische Regelung.78 Abschließend wies die Kommission zwar darauf hin, dass neben diesen Maßnahmen auch ein erweiterter Vollstreckungsschutz für die Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens oder eine Schuldenbereinigung im Wege eines richterlichen Vertragshilfeverfahrens79 in Betracht käme. Sie enthielt sich aber einer weiteren Stellungnahme unter Verweis auf ihre Unzuständigkeit für Fragen der Einzelzwangsvollstreckung bzw. des Verbraucherschutzes.80 Von dieser ablehnenden Grundhaltung gegenüber einer gesetzlichen Restschuldbefreiung rückte der damalige Bundesjustizminister Engelhard im Oktober 1986 ab und brachte erstmals eine Schuldbefreiung, die weder an die Bedingung eines Vergleichs zwischen Schuldner und Gläubiger noch an eine Zustimmung Letzterer geknüpft ist, in die politische Diskussion ein.81 Der Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Insolvenzrechts82, den das Bundesjustizministerium 77

Auch zum folgenden Text Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Zweiter Bericht 1986, Leitsatz 6.3 Abs. 1, Begründung, S. 163. 78 Für eine Fortentwicklung des Zwangsvergleichs auch Hess/Goetsch, Die Sanierung der Konkursordnung durch die Insolvenzrechtsreform?, S. 60. Daneben befürworteten etwa Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs?, S. 141 ff.; Scholz, FLF 1987, 127, 130; Uhlenbruck, MDR 1990, 4, 10; zusätzlich eine Verkürzung der 30-jährigenVerjährungsfrist des § 218 BGB a. F. 79 Näher zu den auch seitens der SPD-Fraktion im Zusammenhang mit Darlehensverträgen und Abzahlungsgeschäften geäußerten Vorschlägen hinsichtlich eines Systems der Vertragshilfe und der diesbezüglichen Kritik Zeuner, Gesamtvollstreckungsordnung der fünf neuen Bundesländer, S. 64 f. Zum nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland eingeführten, in seinem Anwendungsbereich allerdings zeitlich begrenzten Gesetz über die richterliche Vertragshilfe vom 26.3.1952 (BGBl. I, 198), ders., a. a. O., S. 63. 80 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Zweiter Bericht 1986, 163 f. Zu den Einzelheiten der im Rahmen der Diskussion vorgebrachten Alternativvorschläge T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 226 ff. 81 Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 39. Für eine gesetzliche Restschuldbefreiung ebenfalls Balz, FLF 1989, 16; Döbereiner, KTS 1998, 31, 60; Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 103 ff. 82 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Diskussionsentwurf Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts.

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im August 1988 vorlegte, und der fast deckungsgleiche Referentenentwurf aus dem Jahr 198983 hielten an diesem Konzept fest. Beide sahen ein gerichtliches Verfahren zur Enthaftung natürlicher Personen in Anlehnung an das anglo-amerikanische Recht vor.84 Anders als in den USA sollte der Schuldner allerdings nicht bereits im Anschluss an das Insolvenzverfahren von seinen bis dahin nicht befriedigten Verbindlichkeiten befreit werden. Die Entschuldungswirkung sollte erst nach erfolgreichem Durchlaufen einer siebenjährigen – nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens einsetzenden – Wohlverhaltensperiode eintreten, in der der Schuldner sein pfändbares Einkommen oder vergleichbare Bezüge an einen gerichtlich bestellten Treuhänder abtritt. Der Treuhänder sollte wiederum die entsprechenden Beträge gleichmäßig an die Gläubiger verteilen. Mit diesen beiden Entwürfen wurde zum einen von dem der Konkursordnung zugrundeliegenden Grundsatz, dass eine Beendigung der schuldnerischen Weiterhaftung für die Restverbindlichkeiten zwingend der Legitimation gegenüber den Gläubigern bedurfte, endgültig abgerückt.85 Fortan wurde die Entscheidung des Insolvenzgerichts über diejenige der Gläubigermehrheit gestellt.86 Zum anderen leitete die Tatsache, dass in § 1 RefE-InsO nunmehr neben der Gläubigerbefriedigung auch die Restschuldbefreiung als Ziel des Insolvenzverfahrens ausgewiesen war, einen Wandel in dessen Zweckbestimmung ein: Erstmals sollten auch die Belange des Schuldners Berücksichtigung finden.87 Die vormals ausschließliche Ausrichtung des Konkursverfahrens auf die Haftungsverwirklichung und die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger88 wurde aufgegeben. 2. Das förmliche Gesetzgebungsverfahren Im Jahre 1992 wurde mit dem Regierungsentwurf einer Insolvenzordnung89 und dem Entwurf eines Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung90 das förmliche 83

Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Referentenentwurf Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts – Mit Begründung und Gesamtregister des Verlags zum Referentenentwurf (Artikel 1 bis 3) und zu den „Ergänzungen“ des Referentenentwurfs = Ergänzungen des Diskussionsentwurfs (Artikel 4 bis 25). 84 §§ 225 – 241 DiskE-InsO, §§ 225 – 241 RefE-InsO. 85 Vgl. Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 309; K. Schmidt, KTS 1988, 1, 8. 86 Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 46; Uhlenbruck, DGVZ 1992, 33, 36. 87 BT-Drucks. 12/2443, S. 188. Smid/Nellessen, InVo 1998, 113 sprechen insofern von einem „Paradigmenwechsel“, der das Insolvenzrecht weg von der Entmachtung des Schuldners hin zu seinem Schutz unter der Prämisse eines fresh-start-Denkens bewog. Kritisch zu dieser Besserstellung des Schuldners Grub/Rinn, ZIP 1993, 1583, 1587. 88 Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 30 u. 309 f.; Gerhardt, FLF 1989, 99, 100; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 17; Uhlenbruck, MDR 1990, 4, 9. 89 BT-Drucks. 12/2443. 90 BT-Drucks. 12/3803.

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1. Teil: Grundlagen

Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, dessen Vorschriften über eine Restschuldbefreiung (§§ 235 bis 252 InsO-E) wiederum nahezu identisch mit denjenigen des Referentenentwurfs aus dem Jahr 1989 waren.91 Zwei letzte größere Änderungen im Vergleich zu den vorausgehenden Entwürfen wurden schließlich in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses vom 19.4.199492 vorgenommen. Darin waren die Vorschriften zur Restschuldbefreiung zwecks Unterstreichung ihrer Bedeutung nunmehr in einem eigenen Abschnitt der Insolvenzordnung (Achter Teil) eingestellt worden.93 Darüber hinaus sahen die Modifikationen ein besonderes Verfahren für Verbraucherinsolvenzen vor, das vorrangig zu einer gütlichen Einigung mit den Gläubigern und nur ausnahmsweise zur Eröffnung eines (vereinfachten) Insolvenzverfahrens mit der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung führen sollte.94 Der Rechtsausschuss beabsichtigte mit Hilfe dieser Konzeption, dem Bundesrat entgegenzukommen, der eine erhebliche Belastung der Justiz befürchtete, wenn – wie im Regierungsentwurf vorgesehen – auch Verbraucher das allgemeine Insolvenzverfahren durchlaufen müssten.95 In der vom Rechtausschuss geänderten Fassung wurde der Regierungsentwurf zusammen mit dem Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom Deutschen Bundestag am 21.4.1994 verabschiedet.96 Im Anschluss wurde der Gesetzentwurf zunächst noch dem Vermittlungsausschuss vorgelegt, der die Insolvenzordnung in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung am 15.6.1994 bestätigte.97 Den im Anrufungsbegehren geäußerten Anliegen des Bundesrates98 kam er nur insofern entgegen, als er angesichts der befürchteten Arbeitsbelastung der Gerichte das Inkrafttreten vom ursprünglich geplanten 1.1.1997 auf den 1.1.1999 verschob.99 Am 5.10.1994 wurde das Gesetz ausgefertigt und am 18.10.1994 schließlich im Bundesgesetzblatt100 veröffentlicht. 91

Hofmann, DRiZ 1994, 411, 414; Stephan, in: MüKo-InsO, Vor. §§ 286 bis 303a Rn. 67. Zu den Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf Landfermann, ZIP 1991, 1660 ff. 92 BT-Drucks. 12/7302. 93 BT-Drucks. 12/7302, S. 186 f. 94 (§§ 357a-k InsO-E, heute: §§ 304 – 311 InsO), dazu BT-Drucks. 12/7302, S. 154 u. 189 ff. 95 Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 19, der entgegen BT-Drucks. 12/7302, S. 154 darauf hinweist, dass es weniger das Ziel gewesen sei, den besonderen Bedürfnissen betroffener Verbraucher besser Rechnung zu tragen. Ebenso wenig bezweckte der Rechtsausschuss ein durch seine Änderungen faktisch erreichtes Zugeständnis an die Gläubigerautonomie, Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 90 dort Fn. 40. 96 Stephan, in: MüKo-InsO, Vor. §§ 286 bis 303a Rn. 67. 97 BR-Drucks. 643/94. 98 Die Restschuldbefreiung betreffend war dies zum einen das Begehren, die Verbraucherentschuldung außerhalb der Insolvenzordnung und weitgehend ohne gerichtliches Verfahren zu entwickeln. Zum anderen sollte die Kreditwirtschaft an den Kosten für das an Stellen außerhalb der Justiz zu übertragende Verfahren beteiligt werden, BT-Drucks. 12/7667, S. 1. 99 Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1 Rn. 37; Hofmann, DRiZ 1994, 411, 417; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 129 f.; Schmerbach, in: FK-InsO, Vor. §§ 1 ff. Rn. 9. 100 BGBl. I, 2866.

C. Die gesetzliche Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der Interessen

49

C. Die gesetzliche Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der involvierten Interessen und die Konsequenzen für ihre Legitimation Wie bereits in den vorstehenden Ausführungen angeklungen, treffen zwangsläufig die Interessen verschiedener Parteien aufeinander, wenn eine natürliche Person ein Insolvenzverfahren mit dem Ziel beantragt, schließlich – nach Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen – Restschuldbefreiung zu erlangen. Teilweise nehmen diese Parteien zwar selbst nicht unmittelbar am Verfahren teil; ihre Interessen sind aber durch die Rechtsfolgen bzw. schon durch die bloße Existenz des Verfahrens betroffen. Im Vordergrund stehen freilich die Interessen der beiden „Hauptakteure“ des Verfahrens, d. h. diejenigen des Schuldners und diejenigen der Gläubiger. Daneben sind aber auch die Belange des Wirtschaftsverkehrs und des Staates involviert. Entsprechend ihren jeweiligen Interessen hegen die Betroffenen verschiedene Erwartungen an das Modell des gesetzlichen Entschuldungsverfahrens. Diese sollen im Folgenden herausgearbeitet werden. Mithilfe der so zu zeichnenden Interessensund Erwartungsausgangslage ist im Weiteren zu untersuchen, ob sie die Legitimation der Restschuldbefreiung derart beeinflusst, dass sich allgemeine Prämissen hinsichtlich der Verfahrensausgestaltung bilden lassen, die den Gesetzgeber binden bzw. die er zumindest berücksichtigen sollte, um ein gerechtes und ausgewogenes Verfahren zu schaffen.

I. Interessen der von einer Entschuldung Betroffenen 1. Interessen des Schuldners Das hauptsächliche Interesse des Schuldners ist darauf gerichtet, von seinen bis zur endgültigen Entschuldung nicht befriedigten Verbindlichkeiten vollumfänglich befreit zu werden und auf diese Weise einer lebenslangen Haftung zu entgehen. Die Entschuldung soll aus seiner Sicht in einem unkomplizierten Verfahren ohne erhebliche Eigenanstrengungen, Einschränkungen und Kosten sowie möglichst zeitnah erreichbar sein.101 Dabei wünscht sich der Schuldner insbesondere seine Wiedereingliederung und Teilnahme am Wirtschaftsleben,102 wobei die zügige Wiederherstellung seiner Kreditwürdigkeit von elementarer Bedeutung für ihn ist.103 Ein durchgeführtes Insolvenzverfahren ist nämlich geeignet, die Kreditwürdigkeit jah101

Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 19; Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 98, 103 dort Fn. 444. 102 Jacke, Vortrag von Professor Dr. Heyer zur Reform der Verbraucherinsolvenz, S. 1. 103 Stephan, in: FS Vallender, S. 639, 649; vgl. auch Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 129, 130.

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1. Teil: Grundlagen

relang aufgrund von Eintragungen in Insolvenzdateien negativ zu beeinflussen und dadurch die Reintegration des Schuldners in das Wirtschaftsleben zu verhindern.104 Um auch keine soziale Ausgliederung des Schuldners und seiner Familie zu bewirken,105 darf das Verfahren ferner keine diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkung haben.106 2. Interessen der Gläubiger Die Gläubiger streben demgegenüber in erster Linie eine möglichst vollständige Realisierung ihrer Forderungen an.107 Wenngleich aus einem anderen Beweggrund, verfolgen daher auch sie das Ziel einer wirtschaftlichen, d. h. möglichst einfachen und wenig kostenintensiven Schuldenbereinigung.108 Aufgrund ihres allgemeinen Interesses, wirtschaftlich zu agieren, haben sie nicht den Wunsch, dass der Schuldner dauerhaft insolvent ist,109 sondern dass er ihnen als Vertrags- oder Handelspartner, als Zulieferer oder Abnehmer vom Markt erhalten bleibt und ihre Geschäfts- und Wirtschaftsbeziehungen somit weiterbestehen.110 3. Interessen des allgemeinen Wirtschafts- und Geschäftsverkehrs Für den allgemeinen Wirtschafts- und Geschäftsverkehr ist von Bedeutung, dass die jeweilige Verfahrensausgestaltung die Zahlungsmoral und Verschuldungsbereitschaft seiner Teilnehmer beeinflussen, dem Institut der Restschuldbefreiung mithin eine verhaltenssteuernde Funktion111 zukommen kann.112 Vor diesem Hintergrund besteht ein Interesse daran, dass von einem potentiellen Entschuldungssystem keine Fehlanreize in Bezug auf die verantwortungsvolle Teilnahme der Akteure am Wirtschaftsleben ausgehen.

104

Vgl. Jäger, ZVI 2003, 55, 56; Stephan, in: FS Vallender, S. 639, 649. Jacke, Vortrag von Professor Dr. Heyer zur Reform der Verbraucherinsolvenz, S. 1. 106 Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 19; Zypries, ZVI 2005, 157, 158. 107 Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 129, 130; Vallender, ZAP 2016, 907, 908. 108 Vgl. Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 129, 131; Jäger, ZVI 2003, 55, 56. 109 Hergenröder, KTS 2013, 385, 388 f.; Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 129, 131. 110 Jacke, Vortrag von Professor Dr. Heyer zur Reform der Verbraucherinsolvenz, S. 1; Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 8; vgl. Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 20. 111 Dazu sogleich S. 55 f. 112 Vgl. Zypries, ZVI 2005, 157, 158 f., die insofern auf die „wirtschaftshygienische“ Funktion des Insolvenzverfahrens hinweist; siehe auch Medicus, DZWIR 2007, 221, 226: „Schwer dürfte zudem die Gefahr wiegen, dass schon die bloße Hoffnung auf eine Schuldbefreiung zu leichtfertigem Schuldenmachen und damit abstrakt zu einer Gefährdung von Gläubigern verleitet“. 105

C. Die gesetzliche Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der Interessen

51

Was die Person des Schuldners betrifft, soll dieser in den Wirtschaftskreislauf reintegriert werden, damit er wieder als potenzieller Konsument und Geschäftspartner zur Verfügung steht. 4. Interessen des Staates und der Gesellschaft Das Interesse des Staates ist im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens zunächst durch die Einbindung der Gerichte involviert.113 Ziel ist die Schaffung eines sorgfältig durchgeführten, materiell gerechten Verfahrens, das aber gleichzeitig kostengünstig und nicht aufwändig ist.114 Dadurch lässt sich eine Belastung der Justizhaushalte und somit des Steuerzahlers vermeiden. So wie der allgemeine Wirtschafts- und Geschäftsverkehr und der Schuldner strebt auch der Staat im Wege der Restschuldbefreiung eine wirtschaftliche und soziale Reintegration des Schuldners in die Gesellschaft an.115 Der Schuldner soll in den Arbeitsmarkt wiedereingegliedert werden, um weitere Beitragszahlungen in das Rentensystem zu generieren und auf diese Weise die Sozialhilfesysteme zu entlasten.116 Von Bedeutung ist dabei auch die Nachhaltigkeit der Entschuldung, d. h. der Schuldner soll zukünftig nicht mehr in die Schuldenfalle geraten.117 Im sozialpolitischen Interesse liegen mithin ein verantwortungsbewusster Umgang des Schuldners mit Krediten und eine entsprechende Vergabepraxis der Banken.118

II. Interessenkonflikt zwischen Gläubiger und Schuldner Ergibt sich nach dem Gesagten zwar, dass die von einer Entschuldung Betroffenen in mancherlei Hinsicht – insbesondere was die wirtschaftliche und soziale Reintegration des Schuldners und einen geringstmöglichen Verfahrensaufwand betrifft – die gleichen Ziele verfolgen, so bleibt aber dennoch das einer jeden Entschuldungskonzeption zugrundeliegende Spannungsverhältnis bestehen: Das Interesse des Schuldners an einer Entschuldung steht dem Interesse der Gläubiger an einer vollständigen Befriedigung ihrer Forderungen diametral gegenüber.119 Weil aus grundsätzlichen und finanziellen Gründen eine generelle Entschuldung zulasten des 113

Vgl. Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 129, 130. Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 129, 131; Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 103 dort Fn. 444. 115 Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 129, 131. 116 Jacke, Vortrag von Professor Dr. Heyer zur Reform der Verbraucherinsolvenz, S. 1; vgl. G. Pape/Grote, ZInsO 2009, 601, 606. 117 Vgl. Hergenröder, KTS 2013, 385, 388. 118 Jacke, Vortrag von Professor Dr. Heyer zur Reform der Verbraucherinsolvenz, S. 1 f. 119 Hergenröder, KTS 2013, 385, 387; Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 19. 114

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1. Teil: Grundlagen

Staates nicht in Betracht kommt,120 geht die Ausgangslage bei der Restschuldbefreiung zunächst dahin, dass die gegenüber dem Schuldner gezeigte Milde eine Härte gegenüber dem Gläubiger darstellt.121 Fraglich ist, ob eine derartige Schwächung ihrer Position von den Gläubigern hinzunehmen ist oder der Gesetzgeber bei der konkreten Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen den gegensätzlichen Interessen zum Ausgleich verhelfen musste. Insofern könnten die Optionen einfachrechtlicher Restschuldbefreiung von Verfassungs wegen nicht unbeschränkt sein.122 Über etwaige verfassungsrechtliche Vorgaben hinaus könnten aber noch weitere Gesichtspunkte den Gesetzgeber zur Einbeziehung der dargestellten Interessen anhalten. Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.

III. Gebot eines gesetzlichen Kompromisses in Gestalt des Postulats „Verdienenmüssen der Restschuldbefreiung“ 1. Verfassungsrechtlicher Hintergrund a) Restschuldbefreiung als Eingriff in das Eigentumsrecht der Gläubiger aus Art. 14 GG Die Forderungen der im Insolvenzverfahren unbefriedigt gebliebenen Gläubiger sind Eigentum i. S. d. Art. 14 Abs. 1 GG.123 Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG schützt aber nicht nur das materielle Vermögensrecht, sondern verlangt darüber hinaus eine ihr entsprechende Ausgestaltung des jeweils einschlägigen Verfahrens zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes.124 Für den Gläubiger bedeutet dies, dass die Verfassung ihm die effektive Verwirklichung seines Rechts durch Erkenntnisverfahren und Vollstreckung garantiert.125 Wird die Durchsetzbarkeit einer Forderung beschränkt oder erheblich erschwert, liegt ein Eingriff in das Eigentumsrecht der Gläubiger vor.126

120

Scholz, FLF 1987, 127, 130. Vgl. Medicus, DZWIR 2007, 221, 226, der ergänzend hinzufügt, dass das Zivilrecht nun einmal nichts verschenken könne, das es nicht zuvor einem anderen genommen hätte. 122 Vgl. Bruns, KTS 2008, 41, 49. 123 Christmann, DGVZ 1992, 177, 178; Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 29; Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 277; Trendelenburg, Restschuldbefreiung, S. 219; Wenzel, DGVZ 1993, 81, 82. 124 Vgl. BVerfGE 46, 325, 334; 49, 220, 225; 51, 150, 156; Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 277 f.; Papier/Shirvani, in: Maunz-Dürig, Art. 14 GG Rn. 127 f.; Wenzel, DGVZ 1993, 81, 82. 125 Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 159; Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 278; Wenzel, DGVZ 1993, 81, 82; vgl. Hergenröder, KTS 2013, 385, 389. 126 Wenzel, DGVZ 1993, 81, 82; ders., „Restschuldbefreiung“ in den neuen Bundesländern, S. 148. 121

C. Die gesetzliche Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der Interessen

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Durch die Einführung der Restschuldbefreiung wurde eine Möglichkeit geschaffen, das freie Nachforderungsrecht der Gläubiger ohne ihr Einverständnis zu beenden. Mit Abschluss des Restschuldbefreiungsverfahrens wird den bis dahin nicht getilgten Forderungen endgültig ihre Durchsetzbarkeit genommen.127 In der Folge sind sie faktisch wertlos,128 weshalb ein Eingriff in die Rechte der Gläubiger in Form einer Inhaltsbestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vorliegt.129 b) Schutz der Gläubigerinteressen als Voraussetzung für einen verhältnismäßigen Eingriff Bei der inhaltlichen Ausgestaltung einer Eigentumsposition hat der Gesetzgeber beiden Elementen des im Grundgesetz angelegten Verhältnisses von der geschützten Privatnützigkeit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) und der Sozialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 GG) des Eigentums in gleicher Weise Rechnung zu tragen.130 Er ist insbesondere an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, der ihn verpflichtet, die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.131 Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang.132 Verfolgt der Gesetzgeber bei der Inhaltsbestimmung einer Eigentumsposition legitime wirtschafts- und sozialpolitische Ziele, besitzt er innerhalb der aufgezeigten Grenzen einen weiten Gestaltungsspielraum.133 Für einen verhältnismäßigen Eingriff spräche es zunächst, wenn die Einführung einer gesetzlichen Restschuldbefreiung vor dem Hintergrund der Menschenwürde des Schuldners (Art. 1 Abs. 1 GG) und des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich geboten erschiene. In diesem Fall hätte der Schuldner also ein verfassungsrechtlich gesichertes Recht auf einen wirtschaftlichen Neuanfang und einen subjektiven Rechtsanspruch auf staatliches Tätigwerden.134 Allerdings muss man hier konstatieren, dass der Gesetzgeber insoweit den Rechten des Schuldners durch die Einführung des zivilprozessualen Vollstreckungsschutzes Genüge getan hat,135 zumal das Interesse des Gläubigers an der Durchsetzung seines nach dem 127

Siehe dazu S. 37. Ackmann, ZIP 1982, 1266, 1270; Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 275. 129 Siehe im Einzelnen dazu Forsblad, a. a. O., S. 279 ff.; Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 29 f. m. w. N.; a. A. nur Christmann, DGVZ 1992, 177, 179 (Administrativenteignung). 130 BVerfGE 37, 132, 140; 79, 174, 198; 87, 114, 138. 131 BVerfGE 87, 114, 138; 95, 48, 58; vgl. BVerfGE, 37, 132, 140. 132 BVerfGE 79, 174, 198; 101, 239, 259; Seuffert, ZIP 1986, 1157, 1158. 133 Vgl. BVerfGE, 87, 114, 146. 134 Eingehend zu dieser Frage J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 216 ff. 135 BGHZ 107, 92, 102 = NJW 1989, 1276, 1278; siehe auch Stellungnahme Bundesrat zu RegE 2007, BT-Drucks. 16/7416, S. 65 (zu Nr. 36); Kainz, Das Scheitern der Reform des 128

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1. Teil: Grundlagen

materiellen Recht bestehenden Anspruchs dem Interesse des zur Leistung verpflichteten Schuldners, sein Vermögen vor dem Gläubigerzugriff zu bewahren, grundsätzlich vorgeht.136 Gleichwohl erscheint im Insolvenzfall ein verstärkter Schuldnerschutz aus den bereits dargestellten137, für die Einführung einer Restschuldbefreiung sprechenden Erwägungen angebracht und somit nicht von vornherein verfassungsrechtlich bedenklich.138 Insbesondere ist zu beachten, dass die Forderungen der Gläubiger bei einem unbeschränkbaren Nachforderungsrecht ohnehin oftmals weitgehend wertlos sind.139 Vor diesem Hintergrund rechtfertigt das nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens bestehende Schuldnerinteresse an einem wirtschaftlichen Neuanfang grundsätzlich ein Zurücktreten des Interesses der Gläubiger an einer vollumfänglichen Erfüllung ihrer bis dahin nicht befriedigten Verbindlichkeiten.140 Ungeachtet dieser Schutzbedürftigkeit der schuldnerischen Belange, die im Falle unverschuldeter Insolvenz umso schwerer wiegen, gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Interessen der Gläubiger angemessen Rechnung zu tragen. Es widerspräche mithin den verfassungsrechtlichen Vorgaben, wenn eine gesetzliche Restschuldbefreiung einseitig auf Kosten der Gläubiger im Wege eines bedingungslosen Schuldenschnitts erfolgte. Eine solche Regelung würde nämlich auch Fallkonstellationen erfassen, in denen die Interessen des Schuldners im Verhältnis zu den Interessen seiner Gläubiger gemeinhin keinen Schutz verdienen.141 Demnach ist ein entsprechendes Regelungsmodell nur verfassungsgemäß, wenn es hinreichende Gläubigerschutzvorschriften aufweist142 und auf diese Weise auf solche

Verbraucherinsolvenzverfahrens, S. 45 f.; Ott, in: MüKo-InsO (Aufl. 1), § 304 Rn. 97; Preuß, Restschuldbefreiung (Aufl. 1) Rn. 16; Vuia, in: MüKo-InsO, § 305 Rn. 81; ablehnend gegenüber einem verfassungsrechtlichen Anspruch des Schuldners auf Schaffung eines Restschuldbefreiungsverfahrens auch Bork, ZIP 1998, 1209, 1217; Werres, DVBl 2006, 140, 147 f. 136 Ackmann, ZIP 1982, 1266, 1271. 137 Siehe dazu S. 40 ff. 138 Siehe auch Ackmann, ZIP 1982, 1266, 1271 („im Konkursfall dürfte ein Mehr an Schuldnerschutz jedoch verfassungsrechtlich erlaubt sein“). Insoweit ergibt sich aus der Verfassung (insbesondere dem Sozialstaatsprinzip) für den Gesetzgeber zwar keine Pflicht, eine Restschuldbefreiung zu gewährleisten, jedoch findet das Restschuldbefreiungsverfahren in Art. 20 Abs. 1 GG gegenüber den Gläubigern, die durch das neue Verfahren u. U. einen wirtschaftlich erheblichen Verlust ihrer grundrechtlich geschützten Rechtsposition erleiden, seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung, Schmidt-Räntsch, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 1), S. 1177, 1185 (Rn. 32). 139 Siehe oben S. 44. 140 Eingehend zur Verhältnismäßigkeit des Eingriffs Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 31; Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 284 ff.; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 24 ff.; Wenzel, DGVZ 1993, 81, 83 ff. 141 Vgl. Ackmann, ZIP 1982, 1266, 1271. 142 Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs?, S. 106; ders., ZIP 1982, 1266, 1271; Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 31 f.; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 47; vgl. Wenzel, DGVZ 1993, 81, 83.

C. Die gesetzliche Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der Interessen

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Umstände des Einzelfalls, die eine andere Interessenabwägung gebieten, reagieren kann.143 Inwiefern diese verfassungsrechtlichen Erwägungen konkrete Legitimationserfordernisse in Gestalt bestimmter Voraussetzungen für die Restschuldbefreiung des Schuldners aufstellen, soll im Anschluss erörtert werden. Zuvor muss geklärt werden, ob daneben weitere Gründe eine Einbeziehung der Interessen der Gläubiger, möglicherweise aber auch des allgemeinen Wirtschafts- und Geschäftsverkehrs sowie des Staates, erfordern. Auch daraus könnte sich die Notwendigkeit eines gewissen Anforderungsprofils ergeben, das der Restschuldbefreiung begehrende Schuldner erfüllen muss. 2. Haftungsrechtliche Gesichtspunkte Einfluss auf die Notwendigkeit eines solchen Anforderungsprofils könnte die eingangs dargestellte144 haftungsrechtliche Ausgangslage der Restschuldbefreiung haben. Insofern ist zu vergegenwärtigen, dass ein gesetzlicher Schuldenschnitt den das Privatrecht beherrschenden Grundsatz der unbeschränkten Verantwortlichkeit für privatautonom begründete Verbindlichkeiten einschränkt. In der Konsequenz ist eine bedingungslose oder zu einfache Entschuldung dazu geeignet, das grundsätzliche Haftungssystem in Frage zu stellen. Relativiert man die Prämisse, dass man für seine Entscheidungen einstehen muss, zu umfassend, kann dies die in wirtschaftlichen Angelegenheiten gebotene Vorsicht beeinträchtigen und die Zahlungsmoral nachhaltig tangieren.145 Als Folge eines damit einhergehenden Vertrauensverlusts des Rechtsverkehrs in eine volle Rückzahlung besteht die Gefahr, dass sich rechtliche und außerrechtliche Ersatzmechanismen entwickeln, die den Schuldner möglicherweise nicht geringer belasten als eine unbeschränkte Forthaftung.146 Eine vom Restschuldbefreiungsverfahren ausgehende falsche Signalwirkung könnte überdies zu einer Verteuerung der Kredite führen,147 weil deren Rückzahlung kaum kalkulierbar wäre.148 Personen mit geringem Vermögen würden fortan Kredite evtl. gar nicht erst erhalten.149 143

Vgl. Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 173. S. 34 ff. 145 In diesem Sinne auch Häsemeyer, in: FS Henckel, S. 353, 361: „Entscheidungsfreiheit ohne Verantwortung verkümmert zur Narrenfreiheit zu Lasten Dritter“; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, Vor. § 286 Rn. 4; Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 98; Zypries, ZVI 2005, 157, 159; vgl. Wagner, ZVI 2005, 173, 175. 146 Häsemeyer, in: FS Henckel, S. 353, 362, der als Beispiel für einen derartigen rechtlichen Ersatzmechanismus ein Verwiesensein des Schuldners auf Bargeschäfte anführt; ders., Insolvenzrecht Rn. 26.02 (Außerrechtlich könnten sich wirtschaftliche, gesellschaftliche und auch kriminelle Zwangsmechanismen ausbilden, wenn Schuldner zu großzügig aus ihren Verbindlichkeiten entlassen werden). 147 Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 98; Zypries, ZVI 2005, 157, 159. 148 Uhlenbruck, MDR 1990, 4, 9. 144

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1. Teil: Grundlagen

Für den Gesetzgeber bedeuten diese Erwägungen, dass er jene verhaltenssteuernde Komponente150 der Restschuldbefreiung und somit die Interessen des allgemeinen Wirtschafts- und Geschäftsverkehrs151 bei der Verfahrensausgestaltung dergestalt berücksichtigen sollte, dass er Anforderungen an den Schuldner implementiert, die den Ausnahmecharakter der Entschuldungsmöglichkeit verdeutlichen und mögliche Fehlanreize von vornherein unterbinden.152 Ein Schuldenschnitt darf ausschließlich bei Vorliegen besonderer Umstände und auch dann nur soweit erfolgen, wie dies unbedingt erforderlich ist.153 Gleichzeitig würde der Gesetzgeber mittels dieser Exklusivität des Verfahrens den berechtigten Interessen der Allgemeinheit nachkommen, da sich lediglich auf diesem Wege sicherstellen lässt, dass nicht solche Schuldner benachteiligt werden, die bei auftretenden Schwierigkeiten oft unter erheblichen Eigenanstrengungen ihren Verpflichtungen nachkommen,154 und das Institut der Restschuldbefreiung nicht die Akzeptanz weiter Bevölkerungskreise einbüßt.155 Dies gilt umso mehr, als der redliche Kunde den durch die Restschuldbefreiung entstandenen Mittelausfall am Ende mitbezahlen muss.156 Nicht zuletzt sind es aber die Gläubiger, die durch den Eingriff der Restschuldbefreiung in die Vermögenshaftung einen unmittelbaren Rechtsverlust erleiden. Ihren Interessen muss schon vor diesem Hintergrund in besonderer Weise Rechnung getragen werden,157 was wiederum den Ausschluss einer „Entschuldung über Nacht“158 oder gar einer solchen ohne jegliche Voraussetzungen erforderlich macht. 3. Prinzipielle Anforderungen an den Schuldner Festzuhalten bleibt, dass die besondere Möglichkeit der Restschuldbefreiung mit Blick auf ihren verfassungs- und haftungsrechtlichen Kontext nur gegenüber den am Verfahren teilnehmenden Gläubigern, der Allgemeinheit und dem Wirtschafts- und Geschäftsverkehr gerechtfertigt werden kann, wenn der Schuldner besondere 149

Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.02. Zur Steuerungsfunktion des freien Nachforderungsrechts und des Grundsatzes der unbeschränkten Haftung Ackmann, ZIP 1982, 1266, 1272. 151 Siehe S. 50 f. 152 Zypries, ZVI 2005, 157, 159, geht sogar noch weiter und spricht von einem „Abschreckungseffekt“, der dem Restschuldbefreiungsverfahren zukommen müsse. 153 Wagner, ZVI 2005, 173, 174. 154 Vgl. Scholz, ZIP 1988, 1157, 1160 (Ein solches Verhalten dürfe nicht „bestraft“ werden); siehe auch Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 162: „Bliebe die Schuldbefreiung für den Schuldner folgenlos, bestünde auch für bislang vertragstreue Schuldner bald keinerlei Motivation mehr, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen“. 155 Ähnlich Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 98. 156 Vgl. Uhlenbruck, MDR 1990, 4, 9. 157 Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 16. 158 Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 98. 150

C. Die gesetzliche Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der Interessen

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„Verdienste“ aufweisen kann, die ihn von den sonstigen Schuldnern unterscheiden.159 Einzig auf diese Weise wird ein entsprechender Regelungskomplex dem jeder gesetzlichen Schuldbefreiung immanenten Charakter einer „Rechtswohltat“ gerecht. Im Folgenden soll geklärt werden, wie diese „Verdienste“ ausgestaltet sein müssen, damit eine Entschuldungsregelung bestimmte Mindestrechte der Gläubiger, insbesondere ihren Schutz vor unbilliger Benachteiligung, gewährleistet,160 aber auch im Übrigen die aufgezeigten schützenswerten Interessen hinreichend wahrt. Das so zu zeichnende Anforderungsprofil ist Grundlage dafür, dass ein gerechter Interessenausgleich gelingen kann, und gibt letztlich Aufschluss darüber, welcher Schuldner Restschuldbefreiung „verdient“. a) Zugangsvoraussetzung zur Restschuldbefreiung („Verdienenmüssen“ eines Zugangs zum Restschuldbefreiungsverfahren) Das erste Postulat muss darin bestehen, dass der Schuldner eine gewisse Zugangsschranke zu überwinden hat, die sicherstellt, dass das Verfahren nur solchen Personen offen steht, die auch wirklich einer Schuldbefreiung bedürfen.161 Dies folgt bereits daraus, dass die Legitimationsgrundlage des Eingriffs in die Gläubigerrechte gerade in der Gewährung eines wirtschaftlichen Neuanfangs (ausschließlich) für einen in wirtschaftliche Not geratenen Schuldner besteht.162 Seine in jeder Hinsicht finanziell aussichtslose Lage lässt die Interessen der Gläubiger an einer vollständigen Befriedigung ausnahmsweise hinter denjenigen des Schuldners zurücktreten. Ist der Schuldner dagegen imstande, seine Verbindlichkeiten zu tilgen, besteht kein Grund, weshalb die Gläubiger auf ihre berechtigten Forderungen verzichten sollten. Hinzu kommt, dass eine Verfahrenseröffnung für Personen, deren wirtschaftliche Situation zwar nicht schwierig ist, die das Verfahren aber dazu nutzen, vertragliche Rückzahlungen zu reduzieren oder zeitlich aufzuschieben, ohnehin nicht mit dem bestehenden Haftungssystem in Einklang zu bringen wäre. Soll eine gesetzliche Entschuldungsregelung nicht zu einer bequemen Form der Enthaftung missbraucht werden können und den Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung in Frage stellen,163 muss sie den Kreis der Zugangsberechtigten i. S. d. vorstehenden Erwägungen beschränken.164

159 160 161 162 163 164

Vgl. Holzer, WiB 1997, 1278, 1279. Vgl. Scholz, FLF 1987, 127. So auch Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 102. Vgl. S. 53 f. Siehe zu den Konsequenzen S. 55 f. Vgl. Wenzel, ZRP 1993, 161, 163.

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1. Teil: Grundlagen

Gleichermaßen ist einem gesetzlichen Schuldenschnitt auch dann Grenzen165 zu setzen, wenn der Schuldner die ihm bereits gewährte Chance zum Neuanfang nicht nutzt und stattdessen wiederholt Restschuldbefreiung beantragt.166 Weil er hinsichtlich eines solchen Verlangens nicht schutzbedürftig ist, sind seine Interessen gegenüber denen der Gläubiger nachrangig. Eine – in ihrer Länge freilich variable – Sperrfrist erscheint aber wiederum nicht nur vor dem Hintergrund der Gläubigerrechte, sondern auch der erforderlichen restriktiven Gewährung der Restschuldbefreiung geboten. Verzichtet man auf eine entsprechende Regelung, würde das Verfahren auch insoweit falsche Anreize setzen. b) Entschuldungsbedingungen auf Tatbestandsseite („Verdienenmüssen“ der Restschuldbefreiung) Auf Tatbestandsebene muss das Verfahren ferner Anforderungen an den Schuldner stellen, die gewährleisten, dass die Restschuldbefreiung nur erteilt wird, wenn dies angemessen und billigenswert erscheint.167 aa) Anstrengungen des Schuldners Die Wohltat der Befreiung von Verbindlichkeiten kann insofern nicht ohne Gegenleistung, d. h. vom Schuldner zu fordernde Anstrengungen und Opfer, gewährt werden.168 Ziel dieser Anstrengungen muss es sein, den Gläubigern eine möglichst große Befriedigung ihrer Forderungen zu verschaffen. Dies bedeutet zunächst, dass vom Schuldner zu erwarten ist, sein vorhandenes pfändbares Vermögen zur Gläubigerbefriedigung einzusetzen.169 Es wäre unbillig, könnte der wirtschaftlich in Not geratene Schuldner ohne Zustimmung der Gläubiger von der Haftung mit seinem gegenwärtigen Vermögen freigestellt werden,170 zumal er diesbezüglich ausreichenden Schutz im Wege der Vorschriften über den Vollstreckungsschutz genießt.171 Insbesondere wäre eine solche über den allgemeinen 165 Diese Grenzen müssen nicht zwingend als Zugangsbeschränkung ausgestaltet sein, sollen aber bereits hier aufgeführt werden, da auch sie die Schutzbedürftigkeit des Schuldners betreffen. 166 Holzer, WiB 1997, 1278, 1279. 167 Vgl. Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 19. 168 Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 154 u. 162 (Unausgesprochenes Prinzip des Verfahrens); Lissner, ZVI 2012, 93, 96; Wenzel, in: KPB-InsO, § 287b Rn. 3 (Sonst bestehe die Gefahr, dass das Gleichgewicht von Leistung und Belohnung aufgehoben wird und Vorteile für die eine Seite auf Kosten der anderen festgeschrieben werden); Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 98. 169 G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2721; Wittig, WM 1998, 209, 210. 170 Häsemeyer, in: FS Henckel, S. 353, 364; eingehend Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 17 f. 171 Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 2.38 f.

C. Die gesetzliche Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der Interessen

59

Vollstreckungsschutz hinausgehende Entschuldung nicht mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) zu vereinbaren.172 Daher ist ein Schuldenerlass aus Sicht der Gläubiger nur dann hinzunehmen, wenn sowohl die Verbindlichkeiten als auch die Vermögensgegenstände des Schuldners zuvor vollständig verfahrensmäßig aufgenommen und letztere zugunsten der Gläubiger verwertet werden.173 Das Verfahren muss den Gläubigern insofern eine gewisse Rechtsklarheit und Rechtssicherheit vermitteln, indem es ihnen die nötigen Informationen gibt, um die Werthaltigkeit ihrer Forderungen und die Aussichten für eine künftige Befriedigung einschätzen zu können.174 Die in diesem Zusammenhang ganz wesentliche Transparenz erreicht man dabei nur, wenn die Vermögenssituation von einer mit öffentlicher Gewalt beliehenen Person begutachtet wird.175 Demgegenüber würde es nicht ausreichen, wenn sich die Beurteilung, welches Vermögen aktuell vorhanden ist und zur Verteilung zur Verfügung steht, allein auf Selbstauskünfte des Schuldners stützt.176 Ebenso wenig genügt es den verfassungsrechtlich geschützten Gläubigerrechten, wenn der Schuldner vorschnell aus der Haftung entlassen wird, obwohl er ein so hohes Einkommen hat, dass er in der Lage ist, die Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern weitgehend zu erfüllen.177 In dem Fall ist von ihm zu verlangen, dass er seine Einkünfte über einen gewissen Zeitraum zugunsten seiner Gläubiger einsetzt. Freilich hängt die Frage, inwieweit ein gesetzliches Restschuldbefreiungsverfahren beide Instrumente, d. h. die Vermögensverwertung und die Einsetzung des Einkommens, zur Gläubigerbefriedigung vorsehen muss, von seiner konkreten Ausgestaltung ab. Jedenfalls muss es sich aber zum Anspruch setzen, in allen denkbaren Fallkonstellationen Gerechtigkeit herzustellen. Es muss also gleich sein, ob der Schuldner jeweils nur ein hohes Vermögen besitzt bzw. über ein hohes Einkommen verfügt, er vielleicht sogar beides hat oder aber weder das eine noch das andere aufweist. Denkbar ist es beispielsweise, wie in den USA, zwei verschiedene Verfahrensmöglichkeiten vorzusehen und je nach Einkommens- und Vermögenslage

172 Häsemeyer, a. a. O. Rn. 2.39; vgl. Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 30 f. Gegen eine andere Bewertung spricht im Übrigen auch an dieser Stelle die Wahrung des Grundsatzes der unbeschränkten Vermögenshaftung. 173 Döbereiner, a. a. O., S. 38; Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, S. 177 f.; Heyer, ZInsO 2005, 1009, 1011 f.; ders., Restschuldbefreiung, S. 24; T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 235 f.; G. Pape, ZRP 1993, 285, 289; vgl. ders., ZInsO 2017, 2717, 2721; Schmidt-Räntsch, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 1), S. 1177, 1203 Rn. 109; Wittig, WM 1998, 209, 210. 174 Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 17. 175 Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 159. 176 Heyer, ZInsO 2005, 1009, 1011 f. 177 Bruns, KTS 2008, 41, 50; vgl. auch Henckel, ZZP 97 (1984), 105, 106.

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1. Teil: Grundlagen

des Schuldners seinem zwischen beiden bestehenden Wahlrecht Grenzen178 zu setzen. Führt man alternativ dagegen lediglich ein einziges Verfahren ein, das nicht die finanzielle Situation des Schuldners im Einzelfall berücksichtigt, sondern sozusagen „pauschal“ die verschiedenen Fallkonstellationen erfasst, wird man weder auf die Voraussetzung einer Vermögens- noch auf die einer Einkommensverwertung verzichten können. Nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Gläubiger in jedem Fall zumindest eine Befriedigungschance haben und ihrem Recht aus Art. 14 GG mithin Genüge getan ist. Darüber hinaus wird man aber keine allgemeine Feststellung dergestalt treffen können, wie lange der Schuldner dabei beispielsweise sein Einkommen zur Verfügung stellen muss, ob das Verfahren eine Erwerbsobliegenheit179 vorzusehen hat und ob auch sonstiges, während des Verfahrens erlangtes Neuvermögen abzuführen ist. Gleiches gilt für die Fragen, ob die Erbringung der Verfahrenskosten, möglicherweise sogar gewisser Mindestquoten, verfassungsrechtlich zwingend ist und ob es ein zeitlich begrenztes Nachforderungsrecht geben muss.180 Vielmehr lässt sich ausschließlich im Wege einer Gesamtschau der an den Schuldner zu stellenden Anforderungen und Opfer beurteilen, ob das konkrete Verfahren das verfassungsrechtliche Gebot der Berücksichtigung der Gläubigerinteressen hinreichend wahrt. Ebenso ist nur in der Gesamtheit aller Voraussetzungen zu bestimmen, inwieweit der „Preis“ für die Restschuldbefreiung hoch genug ist, um Fehlanreize des Verfahrens zu unterbinden und die Akzeptanz des Verfahrens zu wahren. Allerdings spricht in diesem Zusammenhang viel dafür, dass das Verfahren eine Art „Bewährungsphase“ über einen angemessenen Zeitraum hinweg für den Schuldner vorsehen sollte. Ist die gesetzliche Schuldbefreiung nämlich mit einer solchen Phase verbunden, werden potentiell Betroffene in Anbetracht der damit verbundenen Mühen eher geneigt sein, gewissenhaft zu wirtschaften als sich in der Aussicht auf eine schnelle Entschuldung leichtfertig zu verschulden.181 Darüber hinaus wird das Institut der Restschuldbefreiung lediglich auf die Akzeptanz der Allgemeinheit, des Wirtschaftsverkehrs sowie der Gläubiger stoßen, wenn der Schuldner sich „be178

Um den Gläubigerrechten hinreichend Rechnung zu tragen, sieht das Verfahren nach Kap. 7 BC in den USA eine Missbrauchskontrolle vor, die das Gericht dazu befugt, in den Fällen, in denen der Schuldner über ein hohes Einkommen verfügt, den Antrag abzuweisen oder das Liquidationsverfahren in ein Verfahren nach Kap. 13 BC bzw. Kap. 11 BC zu überführen. Näher dazu Bruns, KTS 2008, 41, 46 f.; Eckhardt, Restschuldbefreiung, S. 158 u. 176; Mock, KTS 2013, 423, 437 f. 179 A. A. Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, S. 178 f., der die Erwerbsobliegenheit vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschützten Gläubigerrechte als zwingend ansieht. 180 Hinsichtlich der Frage, ob Mindestquoten verfassungsrechtlich zwingend sind, siehe auch Bruns, KTS 2008, 41, 50: „Diese Frage wird man nicht ohne weiteres in die eine oder andere Richtung beantworten können“. 181 Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 162, der es in diesem Zusammenhang als eines der unausgesprochenen Prinzipien des Verfahrens bezeichnet, dass die Restschuldbefreiung für den Schuldner in einem gewissen Maße unangenehm sein müsse. Zum insoweit notwendigen Ausnahmecharakter der Restschuldbefreiung siehe bereits oben S. 56.

C. Die gesetzliche Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der Interessen

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währen“ muss. Dazu muss einerseits von ihm verlangt werden, seinen „Tilgungswillen“182 unter Beweis zu stellen. Andererseits muss seine Bereitschaft ermittelt werden, die ihm gewährte Möglichkeit eines Neuanfangs auch wirklich zu nutzen.183 Im Wege der Anstrengungserfordernisse ist daher von ihm zu fordern, dass er die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen manifestiert, seine Verbindlichkeiten möglichst weitgehend zu tilgen.184 Des Weiteren müssen die entsprechenden Anforderungen dergestalt konzipiert sein, dass sie der Restschuldbefreiung Nachhaltigkeit verleihen und der Schuldner nicht alsbald aufs Neue in die Schuldenfalle gerät.185 Auch hier sind wiederum verschiedene Formen einer solchen Bewährungsphase denkbar. Dies betrifft vor allem ihre Länge und ihren Beginn.186 Die Schwierigkeit für den Gesetzgeber besteht darin, den genannten Punkten ausreichend Rechnung zu tragen, die Anforderungen aber gleichzeitig so moderat zu gestalten, dass sie den Tilgungswillen des Schuldners und dessen Motivation, das Verfahren durchzustehen, aufrechterhalten. Sieht der Schuldner hingegen kein „Licht am Ende des Tunnels“187, ist mit einem gesetzlichen Schuldbefreiungsverfahren nichts gegenüber der Rechtslage vor Einführung der Restschuldbefreiung gewonnen. bb) Schutzwürdigkeit des Schuldners Neben den vom Schuldner zu verlangenden Anstrengungen hinsichtlich einer möglichst großen Gläubigerbefriedigung muss das Verfahren eine Verweigerung oder zumindest einen Aufschub der Restschuldbefreiung für solche Fälle vorsehen, in denen die Interessen des Gemeinschuldners infolge von ihm begangener typischer Verfehlungen gegenüber denen der Gläubiger nicht schützenswert sind.188 182

Häsemeyer, in: FS Henckel, S. 353, 364. Man wird auf diese „moralische Sanierung“ (Scholz, FLF 1987, 127, 128) insbesondere auch vor dem Hintergrund der zu erwarteten wirtschaftlichen Opfer der Gläubiger nicht verzichten können, vgl. ders., FLF 1987, 127, 132. 184 Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.02. 185 Vgl. in diesem Sinne auch Scholz, FLF 1987, 127, 131 f.; vgl. außerdem Pedd/Jäger, INDAT Report 02_2019, 32, 33 (Die Nachhaltigkeit der Entschuldung sei Voraussetzung für die Rechtfertigung eines Entschuldungsverfahrens). 186 Beispielsweise könnte das erfolgreiche Durchlaufen dieser Phase eine Voraussetzung für die Schuldbefreiung sein oder aber erst nach deren Gewährung einsetzen. Dies hängt u. a. davon ab, ob man sie mit einer Erwerbsobliegenheit, Mindestquoten oder einem Nachforderungsrecht kombiniert. Offen ist auch, inwieweit der Schuldner währenddessen eine Betreuung im Sinne einer Lebenshilfe erhält und ob er bei Nichtinanspruchnahme der Unterstützung mit Sanktionen zu rechnen hat. 187 Scholz, FLF 1992, 115, 119 dort Fn. 21. 188 Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs?, S. 106 (Verweigerung); vgl. auch Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 158 u. 162 f. Zur Eigenschaft der „Würdigkeit“ als allgemeines Rechtsprinzip und dessen Einfluss auf die Gewährung bestimmter Rechtswohltaten im Insolvenzrecht, Holzer, WiB 1997, 1278, 1279; eingehend zum rechtsethischen 183

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1. Teil: Grundlagen

Nutzt der Schuldner das Privileg der gesetzlichen Schuldbefreiung rechtsmissbräuchlich aus und hintergeht seine Gläubiger, würde es durchgreifenden verfassungsrechtlichen Zweifeln unterliegen, müssten die Gläubiger dennoch zwangsweise auf ihre Forderungen verzichten.189 Es kann bei der dem Schuldner auf Kosten der Gläubiger gewährten Möglichkeit eines fresh starts nicht mehr von einem freiheitlichem sozialen Anliegen gesprochen werden, wenn der Schuldner etwa strafbare Handlungen im Zusammenhang mit der Insolvenz begangen190 oder seine Insolvenz durch extremes Fehlverhalten verursacht191 hat. Ebenso unbillig wäre ein gesetzlich angeordneter Schuldenschnitt, wenn der Schuldner die verfassungsrechtlich gebotene Gläubigerbefriedigung192 während des Verfahrens durch masseschmälernde Handlungen oder durch fehlende Kooperationsbereitschaft sabotiert.193 Der Eingriff in das Eigentumsrecht der Gläubiger und ihren Vertrauensschutz ist daher nur bei einem in diesem Sinne „würdigen“ Schuldner gerechtfertigt.194 Nichts anderes muss vor dem Interesse des allgemeinen Geschäftsverkehrs und dem Gerechtigkeitsempfinden der Allgemeinheit gelten: Möchte man keinen Akzeptanzverlust riskieren und den allgemeinen Rechtsfrieden gefährden,195 darf weder einem „Berufsschuldner“, der wiederholt leichtfertig oder gar kriminell Betriebe in die Insolvenz führt, noch einem solchen, der sich mittels riskanten, zu seinem wirtschaftlichen Leistungsvermögen außer Verhältnis stehenden Krediten einen luxuriösen Lebensstandard finanziert, eine Sanierungsmöglichkeit auf Kosten der Gläubiger eröffnet werden.196 Auch hier sind wiederum unterschiedliche Ausgestaltungen in inhaltlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht denkbar. Somit steht es dem Gesetzgeber frei, welche Verhaltensweisen er im Einzelnen als nicht schützenswert einstuft und wie bzw. wann (beispielsweise auf Antrag eines Gläubigers oder von Amts wegen) Verstöße Prinzip eines Missbrauchsverbots Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 173 ff. 189 G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2721. Dagegen kann in einem freiwilligen Entschuldungsverfahren auf eine Würdigkeitsprüfung verzichtet werden, weil die Gläubiger es naturgemäß in der Hand haben, ob und inwieweit sie Verfehlungen des Schuldners berücksichtigen wollen, siehe dazu Lotz, Der Weg aus dem „Schuldturm“, S. 140 ff.; Scholz, ZIP 1988, 1157, 1160. 190 Vgl. Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 113; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 286 Rn. 16. 191 Vgl. Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 180; für einen Ausschluss bereits bei grob fahrlässig verursachten Insolvenzen, Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs?, S. 106; Trendelenburg, Restschuldbefreiung, S. 227. 192 Siehe dazu S. 58 f. 193 Eingehend zur Berechtigung dieser beiden Fallgruppen Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 201 ff. u. 204 f. 194 Vgl. Grote, ZInsO 2006, 119, 124. 195 Vgl. Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 102 u. 182. 196 Lösch, JA 1994, 44, 47; in diesem Sinne auch Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 19; Wiedemann, ZVI 2004, 645, 654.

C. Die gesetzliche Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der Interessen

63

überprüft werden sollen. In jedem Fall muss dem Ausschlussverfahren jedoch ein hinreichendes Abschreckungspotential gegenüber gläubigerschädigenden Handlungen zukommen. Insofern ist ein effektives Kontrollinstrumentarium unverzichtbar, das keine verfahrensrechtlichen Hindernisse aufweist, die einen im obigen Sinne „unwürdigen“ Schuldner vor Sanktionen schützen.197 Zugleich dürften aus diesem Grund zureichende Rechtsmittel für den Fall, dass keine (zeitliche) Verweigerung der Restschuldbefreiung gegenüber dem Schuldner ausgesprochen wird, erforderlich sein.198 c) Anforderungen an die Rechtsfolgenseite („Verdienenmüssen“ einer umfassenden Restschuldbefreiung) Schließlich darf eine gesetzliche Restschuldbefreiung ihre Rechtsfolge nicht auf solche Arten von Forderungen erstrecken, bei denen das Interesse der Gläubiger an deren Durchsetzung gegenüber dem Schuldnerinteresse generell Schutz verdient.199 Es stehen in diesem Zusammenhang Umstände oder Verhaltensweisen des Schuldners in Rede, die – anders als die Anforderungen, die die Schutzwürdigkeit betreffen – typischerweise nicht seinen gänzlichen Ausschluss vom Restschuldbefreiungsverfahren, sondern lediglich die Weiterhaftung für einzelne Verbindlichkeiten rechtfertigen. So dürfte die Tatsache, dass ein Gläubiger gegenüber dem eine Restschuldbefreiung begehrenden Schuldner eine Forderung aus vorsätzlicher, unerlaubter Handlung besitzt, zwar keine Versagung erfordern. Eine uneingeschränkte Möglichkeit der Befreiung des Schuldners von der Haftung jener Forderung begegnete jedoch starken verfassungsrechtlichen Zweifeln.200 Dies zum einen deshalb, weil die Verbindlichkeiten auf einem in besonderem Maße schuldhaften, eines der in §§ 823 ff. BGB geschützten Rechtsgüter verletzenden Verhalten des Schuldners gründen und ihr Entstehen von ihm leicht hätte vermieden werden können.201 Zum anderen aber ist der betroffene Gläubiger unfreiwillig in seine Stellung geraten, was ihn maßgeblich von anderen Gläubigern unterscheidet, die sich den (mittlerweile) in finanzielle Bedrängnis geratenen Schuldner bewusst ausgesucht haben.202 Während sich Letztere darüber hinaus überwiegend vor Forderungsausfällen, beispielsweise 197

Vgl. Heyer, ZInsO 2005, 1009, 1010; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 115. Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.07. Eingehend zu der Diskussion, ob dies bereits aus Art. 19 Abs. 4 GG folgt, Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 297 ff. 199 Ackmann, Schuldbefreiung durch Konkurs?, S. 106. 200 Bruns, KTS 2008, 41, 50. 201 Vgl. Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 209; Renger, Wege zur Restschuldbefreiung nach dem Insolvency Act 1986, S. 215. 202 Siehe auch Renger, ebd. Die im Rahmen der Privatautonomie grundsätzlich bestehende Möglichkeit, den Vertragspartner unter Berücksichtigung von dessen Bonität, Kreditwürdigkeit und Insolvenzrisiko frei zu wählen, führt dazu, dass der Insolvenzeintritt als solcher für die Gläubiger keinen Schaden im technischen Sinne, sondern einen in der Regel nicht kompensationsfähigen Ausfall darstellt (sog. caveat creditor Prinzip), Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 71 f.; Poertzgen, ZInsO 2006, 561, 567 dort Fn. 47. 198

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1. Teil: Grundlagen

durch die Einräumung einer Sicherheit oder Zug-um-Zug-Leistung, schützen können, ist eine Absicherung vor den finanziellen Folgen eines Delikts oftmals nicht einmal über den Versicherungsweg möglich.203 Für diese und vergleichbare Fälle einer Zwangsgläubigerschaft müssen daher Ausnahmen von der Restschuldbefreiung vorgesehen werden.

IV. Ergebnis Die vorangegangenen Untersuchungen haben gezeigt, dass auch wenn grundsätzlich ein berechtigtes Anliegen besteht, dem Schuldner die Möglichkeit einer Entschuldung ohne Gläubigereinvernehmen zu gewähren, dies nicht ohne Rücksicht auf die Interessen der insoweit Betroffenen geschehen kann. Insbesondere vor dem Hintergrund der Gläubigerrechte aus Art. 14 GG und den Auswirkungen der Restschuldbefreiung auf das bestehende Haftungssystem kann ein Schuldenschnitt nicht bedingungslos erfolgen, sondern muss dem Schuldner gewisse „Verdienste“ abverlangen. Bedarf der Schuldner keiner Restschuldbefreiung, weil seine finanzielle Lage nicht aussichtslos ist, ist er nicht bereit, sich wenigstens um die Befriedigung der Verbindlichkeiten zu bemühen und die Möglichkeit eines fresh starts auch wirklich zu nutzen, oder ist ihm ein gläubigerschädigendes bzw. illoyales Verhalten vorzuwerfen, so gebührt ihm keine derartige Rechtswohltat. Dies gilt auch, soweit die Weiterhaftung für einzelne Forderungen aufgrund besonderer Umstände zwingend erscheint. Achtung verdient als Schuldner in diesem Sinne nur, wer seinerseits seine Gläubiger und deren wohlbegründete Rechte achtet.204 Hat der Gesetzgeber jene Prämissen bei der Ausgestaltung eines Entschuldungsmodells zu berücksichtigen, so lassen sie ihm dennoch einen ausreichenden Spielraum hinsichtlich der konkreten Umsetzung. Er steht dabei vor der anspruchsvollen Aufgabe, abzuwägen, wie „streng“ bzw. „mild“205 die Voraussetzungen sein müssen, um sowohl die berechtigten Interessen des Schuldners als auch diejenigen des allgemeinen Wirtschafts- und Geschäftsverkehrs, des Staates bzw. der Gesellschaft, vor allem aber diejenigen der Gläubiger, zu wahren und somit ein gerechtes System zu schaffen.

203 204 205

Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 209. Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.02. Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 97.

Zweiter Teil

Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner hinsichtlich des „Verdienenmüssens“ der Restschuldbefreiung Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen des Implementierungsprozesses der Restschuldbefreiung eingehend damit befasst, dass es sich bei einem Entschuldungsrecht a priori um Interessenausgleichsrecht206 handelt. Dies wird bereits in den innerhalb der Materialien zur InsO niedergelegten Reformzielen deutlich. Darin wird es als freiheitliches, soziales Anliegen betrachtet, dem Schuldner einen Ausweg aus der lebenslangen Schuldenhaftung zu gewähren.207 Zugleich wird aber betont, dass eine sachgerechte Neuregelung nicht nur dem Schuldner, sondern auch den Gläubigern dienen sollte.208 Die Absicht des Gesetzgebers, zwischen den beiden widerstreitenden Positionen zu vermitteln, tritt ganz offensichtlich zu Tage, wenn es in den Materialien heißt, dass die verfassungsrechtlichen Zielsetzungen des Schutzes erworbener Rechtspositionen (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) und der staatlichen Hilfe für in Not geratene Personen (Art. 20 Abs. 1 GG, Sozialstaatsgebot) in angemessener Weise zum Ausgleich gebracht werden sollen.209 In diesem Sinne wird in der Gesetzesbegründung weiter ausgeführt, dass die Regelung so angelegt sei, dass die gesetzliche Schuldenbereinigung auch den Gläubigern Vorteile bringe.210 Daher schlage der Entwurf einen Mittelweg zwischen dem geltenden Recht der freien Nachforderung und den verhältnismäßig schuldnerfreundlichen angelsächsischen Rechten ein. Zudem setze er sich auch von der Regelung der Gesamtvollstreckungsordnung ab, die dem Schuldner nach der Durchführung des Gesamtvollstreckungsverfahrens sofort einen erweiterten Vollstreckungsschutz gewähre.211 Hat sich der InsO-Gesetzgeber demnach offensichtlich um einen Interessenausgleich bemüht, ist jedoch weiter offen, durch welche Instrumente er den im Grundlagenteil aufgestellten Prämissen Rechnung tragen wollte. Insbesondere ist

206

Jacke, Vortrag von Professor Dr. Heyer zur Reform der Verbraucherinsolvenz, S. 1. BT-Drucks. 12/2443, S. 81. 208 BT-Drucks. 12/2443, S. 82. 209 So ausdrücklich i. R. d. Ausführungen zu der Missbrauchsabwehr und Verfahrensvereinfachung bei der Restschuldbefreiung, BT-Drucks. 12/2443, S. 153. 210 BT-Drucks. 12/2443, S. 100 u. 188. 211 BT-Drucks. 12/2443, S. 100. 207

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

fraglich, inwiefern er gewährleisten wollte, dass sich die Restschuldbefreiung im Durchschnitt der Fälle nicht zum Nachteil der Gläubiger auswirkt.212 Um dieser Frage nachzugehen, soll im folgenden Teil der Arbeit ein Blick auf das ursprüngliche System von Voraussetzungen, die der Schuldner auf dem Weg zur Restschuldbefreiung erfüllen muss, geworfen werden. Die Untersuchung umfasst auf der einen Seite solche originären Anforderungen, die unverändert fortgelten, und auf der anderen Seite die Besonderheiten der im Zeitraum vom 1.1.1999 bis zum 30.11.2001 geltenden Fassung der InsO. Soweit es sich um Letztere handelt, wird dies kenntlich gemacht.213 Es ist zunächst herauszuarbeiten, welche Vorschriften Anforderungen an den Schuldner stellen, worin diese inhaltlich bestehen, wie sie dogmatisch in das System der §§ 286 ff. InsO eingebettet sind und vor welchem Hintergrund sie implementiert wurden. Ziel ist es, sie auf diesem Wege nach ihrem Zweck und ihrer Systematik zu gruppieren. In der Folge kann ein genaues Bild gezeichnet werden, welcher Schuldner nach der ursprünglichen Gesetzgeberintention Restschuldbefreiung verdient. Dieses wird die Grundlage für die im dritten Teil folgende Untersuchung der Veränderungen jenes Anforderungsprofils sein.

A. Die Rolle des § 1 InsO I. Einfluss auf die Schuldner-Anforderungen Ganz wesentlich für die Untersuchung der an den Schuldner zu stellenden Anforderungen ist zunächst § 1 InsO, in dem die Ziele des Insolvenzverfahrens in Gestalt einer Präambel gesetzlich positiviert wurden. Ein solch einleitender und ausdrücklicher Programmsatz, in dem der Gesetzgeber seine Intention hinsichtlich des von ihm erwarteten neuen Verfahrens zum Ausdruck bringt,214 war der Konkursordnung fremd. Die Funktion eines Konkursverfahrens konnte lediglich § 3 Abs. 1 KO entnommen werden.215 Dieser besagte, dass die Konkursmasse zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger, welche einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch an den Gemeinschuldner haben (Konkursgläubiger), dient. Der InsO-Gesetzgeber übernahm nicht nur jenes Ziel der Haftungsverwirklichung in den ersten Satz der Präambel, sondern 212

Vgl. zu diesem Anliegen BT-Drucks. 12/2443, S. 108. Die im zweiten Teil der Arbeit als „a. F.“ bezeichneten Vorschriften beziehen sich auf die Gesetzesfassung der InsO vom 1.1.1999 bis zum 30.11.2001. Soweit eine Materie dargestellt wird, die unverändert fortgilt, jedoch mittlerweile an anderer Stelle geregelt wird, wird die aktuelle Gesetzesfassung zitiert. Aus Klarstellungsgründen bedarf es zum Teil der Zitierung beider Fassungen. 214 Smid, DZWIR 1997, 309, 310. 215 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 173. 213

A. Die Rolle des § 1 InsO

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fügte ihr im zweiten Satz die Formulierung hinzu, dass dem redlichen Schuldner Gelegenheit gegeben werde, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Dadurch machte er zum einen deutlich, welchen Stellenwert er dem neuen Institut der Restschuldbefreiung beimaß. Zum anderen sprach er sich, indem er klarstellte, dass nicht jedem, sondern ausschließlich dem redlichen Schuldner eine solche Sanierungsperspektive eingeräumt werden soll, bereits an dieser zentralen Stelle gegen eine Restschuldbefreiung ohne jegliche Voraussetzungen aus.216 Die Betonung, dass die Entschuldungschance nur dem Kreis von Schuldnern gewährt wird, die sie auch „verdienen“, erscheint dabei vor allem Ausfluss des Rechtfertigungsdrucks zu sein, unter dem der InsO-Gesetzgeber bei Einführung des Instituts stand.217 Eine darüberhinausgehende Aussage – etwa in Form eines Redlichkeitspostulats, das der Restschuldbefreiung als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung anhaftet – ist § 1 S. 2 InsO nicht zu entnehmen.218 Wer Restschuldbefreiung „verdient“, also redlich i. S. d. Norm ist, ergibt sich vielmehr aus den Voraussetzungen der §§ 286 ff. InsO. Diese beschreiben die Anstrengungen, die der Schuldner auf dem Weg zur Schuldbefreiung aufbringen muss. Weil die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht von einem als umfassende Redlichkeitsprüfung ausgestalteten Vorbehalt abhängig gemacht wird,219 spielt es keine Rolle, ob das Gericht den Schuldner als „anständig“ ansieht oder beabsichtigt, ihm eine Schuldbefreiung zuzugestehen, weil er beispielsweise unverschuldet in Not geraten ist. Auf diesem Wege hat der Gesetzgeber von vornherein die Gefahren gebannt, die von einer subjektiven Interpretation des durchaus offenen Begriffs der Redlichkeit ausgehen. Die Tatsache, dass allein die §§ 286 ff. InsO den Begriff des redlichen Schuldners i. S. d. § 1 S. 2 InsO konkretisieren, dient mithin der Rechtssicherheit.220 Ist nach der hier vertretenen Ansicht der Redlichkeitsbegriff des § 1 S. 2 InsO weit zu verstehen, nämlich als Gesamtheit derjenigen Anforderungen der §§ 286 ff. InsO, die bestimmen, welcher Schuldner Restschuldbefreiung „verdient“,221 wird er gemeinhin auf lediglich einen Teilbereich der Redlichkeit beschränkt. Demnach wird 216

Siehe auch Ahrens, VuR 2000, 8, 12: „Mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Redlichkeit wird vor dem Zugang zu dem gesetzlichen Schuldbefreiungsverfahren eine Schranke errichtet“. 217 Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 19; ähnlich T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 326. 218 Ahrens, in: FK-InsO, § 286 Rn. 11; Keller, Insolvenzrecht Rn. 1837; a. A. Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 286 Rn. 16; Vallender, ZAP 2016, 907, 909. 219 So Ahrens, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 77 Rn. 52, der dies unter Hinweis darauf, die Redlichkeit besitze keinen hinreichend verrechtlichten, für eine einheitliche Rechtsprechung aber notwendigen Begriffskern, befürwortet. 220 Vgl. sinngemäß zur österreichischen Rechtslage Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 5 f. 221 Ebenso Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 15 u. 21 (Begriff des „redlichen Schuldners“ als Oberbegriff des in den §§ 286 ff. InsO ausgestalteten Restschuldbefreiungsrechts, unter den alle rechtlichen Voraussetzungen fallen, die für die Erteilung der Restschuldbefreiung erfüllt sein müssen).

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

ein solcher Schuldner als redlich bezeichnet, der keine Versagungsgründe i. S. d. §§ 290, 297 InsO oder Widerrufsgründe i. S. d. § 303 InsO erfüllt sowie keine Obliegenheiten nach § 295 InsO verletzt.222 Um die Schuldneranforderungen genauer zu systematisieren und einer Verwechslungsgefahr vorzubeugen, werden in den folgenden Ausführungen jedoch ausschließlich die Versagungs- und Widerrufsgründe unter den Terminus „Redlichkeitsvoraussetzungen“ gefasst. Dabei wird im dritten Teil der Arbeit darauf einzugehen sein, ob die im Wege der Reformen hinzugefügten Vorschriften ebenfalls als Redlichkeitsvoraussetzungen einzuordnen sind und sie das ursprüngliche System aus Versagungs- und Widerrufsgründen mithin ergänzen.

II. Verhältnis der Zielbestimmungen des § 1 S. 1 und 2 InsO Neben dem Bezug des § 1 S. 2 InsO zu den §§ 286 ff. InsO ist aber auch sein Verhältnis zum Verfahrensziel aus § 1 S. 1 InsO zu klären. Dieses steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage der Legitimation einer Restschuldbefreiung.223 So verbirgt sich dahinter die grundsätzliche Kontroverse um das zu verlangende Maß an Gläubigerbefriedigung in Relation zu den Anforderungen an den Schuldner für die Gewährung eines gesetzlichen Schuldenschnitts.224 Die Streitfrage, ob es sich bei § 1 S. 1 und 2 InsO nach dem Willen des InsOGesetzgebers um gleichberechtigt nebeneinander stehende Verfahrensziele handelt oder das Ziel der gleichmäßigen und bestmöglichen225 Gläubigerbefriedigung als vorrangig anzusehen ist, gründet wohl vor allem auf dem historischen Kontext der Funktionen eines Gesamtvollstreckungsverfahrens. Die Tatsache, dass der Konkurs traditionell nicht auf die Rehabilitation des Schuldners, sondern auf die Gläubigerbefriedigung ausgerichtet war,226 erschwerte augenscheinlich die Akzeptanz der Schuldbefreiung als eigenständiges und gleichwertiges Ziel. In diesem Sinne wird die Haftungsverwirklichung teilweise auch nach der Insolvenzrechtsreform als Hauptzweck des Insolvenzverfahrens betrachtet.227 Hergeleitet wird eine solche 222 Siehe exemplarisch Ahrens, VuR 2000, 8, 12; Keller, Insolvenzrecht Rn. 1838; Koark/du Carrois/Haarmeyer, ZInsO 2012, 469, 472; Medicus, DZWIR 2007, 221, 225; Waltenberger, in: HK-InsO, § 290 Rn. 1. 223 Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 10. 224 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 173. 225 Das Ziel einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung ist zwar nicht ausdrücklich in § 1 S. 1 InsO aufgeführt, wird ihm aber gemeinhin zusätzlich entnommen, siehe nur Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 1 Rn. 51; Sternal, in: HK-InsO, § 1 Rn. 3. 226 Kohte, in: FS Remmers, S. 479, 483 f. 227 So Bruns, KTS 2008, 41, 42; Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 1 Rn. 98 u. 101; Heyer, ZInsO 2003, 201, 205; ders., Restschuldbefreiung, S. 27 u. 31; Dorndorf, in: FS Merz, S. 31, 38; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 17; B. Schmidt, InVo 2001, 309, 313; Smid, DZWIR 1997, 309, 312; Thomas, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 2), S. 1763, 1765 Rn. 6 f.; Zypries, ZVI 2005, 157, 158; a. A. Ahrens, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch/Lackmann,

A. Die Rolle des § 1 InsO

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Hierarchie der Ziele vor allem aus der vom Gesetzgeber gewählten Abfolge der beiden Sätze, nach der die Möglichkeit der Restschuldbefreiung erst nach der Befriedigung der Gläubiger genannt wird.228 Im Wege einer derartigen systematischen Argumentation lässt sich allerdings kein eindeutiges Ergebnis erzielen, zumal die Reihenfolge ebenso rein temporären Ursprungs sein kann.229 Auch die Gesetzesmaterialien helfen nur bedingt weiter, weil sie keine klare Aussage zu der Streitfrage enthalten. Zwar wird die bestmögliche Gläubigerbefriedigung darin als Hauptzweck bezeichnet,230 wodurch die insolvenzrechtlichen Bestimmungen zunächst und mehrheitlich an einer Gläubigerbefriedigung ausgerichtet werden.231 Daraus können allerdings keine Folgerung hinsichtlich der Frage getroffen werden, in welchem Verhältnis dieses Leitbild im Einzelnen zu den anderen insolvenzrechtlichen Zielen steht.232 Möglicherweise ist jedoch eine Rangordnung schon allein deshalb anzunehmen, weil sich die Ziele eventuell gegenseitig ausschließen.233 Ob der InsO-Gesetzgeber von einem derartigen Gegensatz ausgegangen ist, erscheint zweifelhaft. So findet sich in den Gesetzesmaterialien die klare Feststellung, dass zwischen den Gläubigerund Schuldnerpositionen zu vermitteln ist.234 Der Gesetzgeber ist erkennbar davon ausgegangen, dass die Restschuldbefreiung nicht im Gegensatz zum Grundsatz der Haftungsverwirklichung steht,235 es also keinen Grundsatz dergestalt gibt, dass eine Entschuldung zwangsläufig die Gläubigerbefriedigung konterkariert.236 Ob er die §§ 286 ff. InsO tatsächlich danach ausgerichtet hat, wird sich in den nachfolgenden Ausführungen zeigen.

§ 286 Rn. 27 ff.; Madaus, in: BeckOK-InsO, § 1 Rn. 17; G. Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Kap. 17 Rn. 1; I. Pape, NZI 1999, 89, 91; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 176; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, Vor. § 286 Rn. 24. 228 Bruns, KTS 2008, 41, 42; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 17; Thora, ZInsO 2002, 176, 179; wohl auch Thomas, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 2), S. 1763, 1765 Rn. 6 f. 229 Temporär in dem Sinne, dass mit der Durchsetzung der Vermögenshaftung zuerst eine Gläubigerbefriedigung versucht werden soll, bevor eine Schuldbefreiung erreicht werden kann, Ahrens, VuR 2000, 8, 11. 230 BT-Drucks. 12/2443, S. 108. 231 Ahrens, VuR 2000, 8, 10. 232 Ders., VuR 2000, 8, 10. 233 So etwa Bruns, KTS 2008, 41, 42. 234 Siehe oben S. 65 f. 235 BT-Drucks. 12/2443, S. 101. 236 Vgl. Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 177.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

B. Finanzielle Anstrengungen des Schuldners Mit dem bereits erwähnten – bei der Ausgestaltung der §§ 286 ff. InsO vom InsOGesetzgeber beabsichtigten – Mittelweg entschied sich dieser bewusst gegen die für das amerikanische Recht bisweilen typischen Tendenzen zur Übersteigerung des Schuldnerschutzes.237 Stattdessen beschloss er, den Gedanken eines earned starts in den neuen Regelungen zu verwurzeln.238 Dieser findet zunächst ganz wesentlich in drei Anforderungsgruppen Berücksichtigung, denen gemein ist, dass sie dem Schuldner auf seinem Weg zur Schuldbefreiung finanzielle Anstrengungen abverlangen. Hierunter fallen neben der Begleichung der Verfahrenskosten und der Verwertung des schuldnerischen Vermögens während des Insolvenzverfahrens vor allem auch die Einkommensabtretung in der Wohlverhaltensperiode. Durch die Anknüpfung der ersten beiden Anforderungen an ein Insolvenzverfahren ergeben sich für den Schuldner weitere Voraussetzungen und Einschränkungen, die er zu erfüllen bzw. zu dulden hat. Soweit auch diese das „Verdienenmüssen“ der Restschuldbefreiung betreffen, soll auf sie in den folgenden Ausführungen ebenfalls eingegangen und ihre Relevanz für die Gläubigerseite herausgearbeitet werden.

I. Verwertung des schuldnerischen Vermögens während eines Insolvenzverfahrens Möchte der Schuldner förmlich nach Maßgabe der §§ 286 ff. InsO von seinen Schulden befreit werden, setzt dies zwingend ein vorheriges Insolvenzverfahren über sein Vermögen voraus239 (vgl. insofern den Wortlaut des § 286 InsO, wonach der Schuldner von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit wird)240. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass ein Insolvenzverfahren am ehesten eine geeignete Grundlage für die Restschuldbefreiung bietet. Insoweit kam es ihm darauf an, dass eine Entschuldung nur in Frage kommt, wenn zum einen eine 237 BT-Drucks. 12/2443, S. 105. Die Missbrauchsmöglichkeiten, die sich durch das zwischen den beiden Alternativen einer planmäßigen Schuldenregulierung nach Kap. 13 BC und der Liquidation nach Kap. 7 BC (näher dazu S. 42 Fn. 56) ehemals bestehende Wahlrecht aufgetan hatten, hatten den US-amerikanischen Gesetzgeber im Jahre 1984 dazu veranlasst, dieses wieder abzuschaffen, Ackmann, KTS 1986, 555, 556 ff.; Uhlenbruck, DGVZ 1992, 33, 34; Wacket, FLF 1989, 65. 238 T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 235; vgl. auch Würdinger, KTS 2017, 445, 453. Damit steht die deutsche Lösung im Gegensatz zu der US-amerikanischen „fresh start“ oder „straight liquidation“-Philosophie, Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 244. 239 Vgl. OLG Köln NZI 2000, 217, 218; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 286 Rn. 9; Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 16; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 286 Rn. 9. 240 Stephan, in: MüKo-InsO, § 286 Rn. 20; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 286 Rn. 9; Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 47.

B. Finanzielle Anstrengungen des Schuldners

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vollständige Übersicht über das pfändbare Vermögen sowie die Verbindlichkeiten des Schuldners hergestellt wurde und zum anderen gewährleistet ist, dass das haftende Vermögen zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung eingesetzt wird.241 1. Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Erforderlich ist zunächst, dass überhaupt ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Dies folgt aus der Regelung des § 289 InsO, wonach im Fall der Einstellung des Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung nur erteilt werden kann, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse nach § 209 InsO verteilt worden ist und die Einstellung nach § 211 InsO erfolgt. Bei der Einstellung nach §§ 209 ff. InsO handelt es sich nämlich systematisch um eine Einstellung des eröffneten Verfahrens, so dass ihr ein solches vorausgeht, und damit auch die Restschuldbefreiung ausschließlich darüber zu erreichen ist.242 a) Stellung eines eigenen Insolvenzantrags Vom Schuldner wird in diesem Zusammenhang verlangt, dass er einen eigenen Insolvenzantrag stellt, § 287 Abs. 1 S. 1 InsO. Ein Gläubigerantrag reicht mithin nicht aus. Handelt es sich um einen Schuldner, der unter den persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens fällt (§ 304 InsO), hat er dem Antrag weiterhin einen Schuldenbereinigungsplan sowie die hierfür nach § 305 Abs. 1 InsO erforderlichen Unterlagen beizufügen. Dadurch wird er zu einem aktiven Mitwirken an der Bewältigung seiner Insolvenz angehalten.243 Zusätzlich wird ihm der Versuch abverlangt, sich vorab außergerichtlich mit seinen Gläubigern zu einigen. Er muss also auch insofern aktiv handeln und sich bemühen, statt sich lediglich in ein staatlich geordnetes Verfahren zu begeben, „an dessen Ende – quasi automatisch – die Befreiung von seinen restlichen Schulden steht“244. b) Vorliegen eines Insolvenzgrunds („Bedürftigkeit“245 des Schuldners) Die Verknüpfung des Restschuldbefreiungsverfahrens mit der obligatorischen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bedeutet weiter, dass der Schuldner einen Insolvenzgrund erfüllen muss (§ 16 InsO), dessen Vorliegen von Amts wegen246 geprüft 241 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 222; siehe auch Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 16; T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 236; Stephan, in: MüKo-InsO, § 286 Rn. 20. 242 Heyer, ZVI 2012, 130; ders., ZInsO 2003, 201, 202. 243 Schmidt-Räntsch, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 1), S. 1177, 1191 Rn. 65. 244 Schmidt-Räntsch, ebd. Rn. 64. 245 Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 99. 246 Bremen, in: Graf-Schlicker-InsO, § 16 Rn. 2; Bußhardt, in: Braun-InsO, § 16 Rn. 10.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

wird. Da ausschließlich natürliche Personen eine gesetzliche Restschuldbefreiung erlangen können, muss es sich um einen Insolvenzgrund nach § 17 InsO oder § 18 InsO handeln. Der Schuldner muss also zahlungsunfähig i. S. d. § 17 Abs. 2 InsO sein oder ihm muss zumindest eine Zahlungsunfähigkeit nach § 18 Abs. 2 InsO drohen. Nach der Legaldefinition des § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dabei ist Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Nicht ausreichend ist es hingegen, dass er Verbindlichkeiten begründet hat, deren Tilgung ihm, wenn auch unter erheblichen Anstrengungen, möglich ist.247 Aufgrund der Abhängigkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens vom Insolvenzverfahren begrenzt das Kriterium der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit gleichzeitig auch den Zugang zum Restschuldbefreiungsverfahren. Es bewirkt, dass eine gesetzliche Schuldbefreiung von vornherein nur einem solchen Schuldner zu Teil werden kann, der sich in einer wirtschaftlichen Notsituation befindet, aus der er sich aus eigener Kraft nicht mehr zu befreien vermag.248 Im Hinblick auf das Restschuldbefreiungsverfahren hat der Gesetzgeber mit dem Insolvenzgrunderfordernis den Kreis der Schuldner festgelegt, die einer Schuldbefreiung bedürfen249 und gerade deshalb Zugang zum Verfahren „verdienen“. Auch wenn man wohl konstatieren muss, dass diese Zugangsbeschränkung vor allem dadurch, dass sie keine dauerhafte Zahlungsunfähigkeit voraussetzt, eher gering ausfällt,250 trägt sie bereits dem Ultima-Ratio-Gedanken des Verfahrens Rechnung.251 Folglich stellt sie zumindest einen ersten Schutz der Gläubiger vor einem unberechtigten Verlust ihrer Forderungen dar.252 Freilich ist zu beachten, dass dieser Schutz für die Gläubiger nicht justiziabel ist, da ihnen keine Möglichkeit gegeben wird, sich mit dem Einwand eines fehlenden Eröffnungsgrundes gegen die Insolvenzeröffnung zu wehren, vgl. §§ 6 Abs. 1, 34 Abs. 2 InsO.253 Gerade bei den weiteren Schuldneranforderungen ist dies neben der an sich schon niedrigen Eingangshürde zu berücksichtigen.

247

Wenzel, ZRP 1993, 161, 163; vgl. auch Rüntz/Laroche, in: HK-InsO, § 17 Rn. 16. Wenzel, ZRP 1993, 161, 163; kritisch im Hinblick auf den Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 329 dort Fn. 1371. 249 Vgl. Zurlinden, a. a. O., S. 99. 250 So zutreffend Zurlinden, ebd. 251 Vgl. Wenzel, ZRP 1993, 161, 163. 252 Zur Notwendigkeit dieses Schutzes siehe S. 57. 253 Kritisch insofern Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 100 dort Fn. 427, der zusätzlich anführt, dass selbst § 290 InsO keinen Schutz gewährt, wenn der Schuldner durch Nichtbedienung der Raten eine Gesamtfälligstellung und damit seine Zahlungsunfähigkeit provoziert. 248

B. Finanzielle Anstrengungen des Schuldners

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c) Begleichung der Verfahrenskosten Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt außerdem voraus, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse vorhanden ist, da das Gericht andernfalls den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abweist, § 26 Abs. 1 S. 1 InsO. In der ursprünglichen InsO-Fassung von 1999 enthielt diese Vorschrift – abgesehen von dem Fall, dass ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wurde – keine Ausnahme. Für den Schuldner bedeutete dies, dass er zwingend die Verfahrenskosten aufzubringen hatte. Stellte sich nach Verfahrenseröffnung heraus, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, wurde das Verfahren gem. § 207 Abs. 1 InsO zwangsläufig eingestellt. Bei dem Erfordernis der Verfahrenskostendeckung handelte es sich gewissermaßen um den ersten „Preis“254, den der Schuldner auf seinem Weg zur Entschuldung „bezahlen“ musste. Die Verfasser der Insolvenzordnung machten damit deutlich, dass es keine „Entschuldung zum Nulltarif“,255 vor allem aber keine Restschuldbefreiung auf Kosten des Staates geben sollte.256 So lehnten sie die vom Bundesrat257 geäußerte Bitte, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie sichergestellt werden könne, dass bei natürlichen Personen die Durchführung des Insolvenzverfahrens und des Verfahrens auf Restschuldbefreiung nicht an dem finanziellen Unvermögen des Schuldners zur Aufbringung der Verfahrenskosten scheitert, ab und verwiesen auf die erheblichen Kosten für die öffentlichen Haushalte, die durch eine dazu notwendige Regelung über eine Prozesskostenhilfe entstünden.258 Zwar erfolgte diese Ablehnung noch in der Annahme, dass ein kostengünstiges verwalterloses Kleininsolvenzverfahren (siehe §§ 347 – 357 RegE-InsO) eingeführt würde, weshalb der Gesetzgeber davon ausging, dass auch ein Schuldner mit sehr niedrigem Einkommen regelmäßig die Verfahrenskostenbeträge würde aufbringen können.259 Allerdings war auch im finalen Gesetzesentwurf – trotz der späteren Abschaffung des verwalterlosen Verfahrens und dessen Ersetzung durch das treuhändergeführte Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 ff. InsO) – keine Regelung über eine staatliche Kostenfinanzierung vorgesehen. Daraus lässt sich schließen, dass sich der Gesetzgeber auch im Rahmen der Endfassung von 1994 noch bewusst gegen eine Restschuldbefreiung zulasten der öffentlichen Hand entschied. Aus diesem Grund besteht im Übrigen kein Raum für eine entsprechende Anwendung der §§ 114 ff. ZPO über § 4 InsO,260 wie es 254

So auch Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 162. Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 222 u. 425. 256 Vgl. BGHZ 144, 78, 85 f. = NJW 2000, 1869, 1871; Ganter, in: MüKo-InsO (Aufl. 1), § 4 Rn. 17; Landfermann, in: HK-InsO (Aufl. 5), Vor. §§ 304 ff. Rn. 22; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 217 u. 223 f. 257 Stellungnahme Bundesrat zu RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 255 (zu Nr. 29). 258 Gegenäußerung Bundesregierung zu Nr. 29, BT-Drucks. 12/2443, S. 266. 259 Gegenäußerung Bundesregierung zu Nr. 29, BT-Drucks. 12/2443, S. 266. 260 Ebenso AG Köln NZI 1999, 83, 84; Limpert, Prozeßkostenhilfe im Verbraucherinsolvenzverfahren, S. 141 ff. m. w. N.; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung 255

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

zum Teil bereits vor Inkrafttreten der InsO, aber auch in der Folgezeit diskutiert wurde. Neben dem Erfordernis eines Insolvenzgrunds stellte somit auch die Kostentragungspflicht ihrer Konzeption nach eine frühzeitige Zugangsschranke261 im Verfahrensablauf dar. Ob sich der Gesetzgeber bei ihrer Implementierung darüber bewusst war, welches Ausmaß jene Einschränkung des Adressatenkreises in der Praxis annehmen würde,262 kann nicht mit letzter Gewissheit beantwortet werden. Die Tatsache, dass es in den Gesetzesmaterialien263 heißt, dem Schuldner oder einem Gläubiger könne eine Person bekannt sein, die bereit sei, das Amt des Treuhänders unentgeltlich auszuführen, spricht dafür, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass – ebenso wie das verwalterlose Kleinverfahren – auch das IK-Verfahren nur mit geringen Kosten verbunden sein würde. Somit könnte er angenommen haben, dass die Verfahrenskostentragungspflicht nicht zu einem Ausschluss eines Großteils der Schuldner führen würde. Aber selbst bei dieser Argumentation hätte er die offensichtliche Tatsache außer Acht gelassen, dass bereits die Kosten des gerichtlichen Verfahrens, die auch im Verbraucherinsolvenzverfahren jedenfalls gedeckt sein müssen, den Schuldner überfordern können. Hatte der Gesetzgeber zwar möglicherweise die Hoffnung, dass dem Schuldner die Aufbringung der Verfahrenskosten in der Regel gelingen würde,264 erscheint es schon angesichts der seinerzeit im Hinblick auf die Problematik geäußerten Kritik265 naheliegend, dass er den Ausschluss einer gewissen, wenn nicht sogar großen Schuldnerzahl billigend in Kauf nahm.266 Jedenfalls zog er eine schnelle Umsetzung des Gesetzesvorhabens und vor allem die fehlende staatliche Kostenbelastung einem Schutz der Schuldnerinteressen vor.267 Dies folgt nicht zuletzt aus dem Umstand, dass das Verbraucherinsolvenzverfahren quasi auf den letzten Metern der Reform eingeführt und sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht mehr eingehend mit den dabei aufgrund der Kosvon Verbraucherinsolvenzen, S. 217 mit umfassender Streitdarstellung und Nachweisen (S. 208 ff.). 261 Schallock, a. a. O., S. 343 u. 434 spricht insofern von einer „faktischen Zugangsschranke“ und von einer „,natürliche[n] Schranke‘ für gänzlich Mittellose“; siehe auch Limpert, Prozeßkostenhilfe im Verbraucherinsolvenzverfahren, S. 136 („eindeutige Zugangshürde zum Restschuldbefreiungsverfahren“). 262 Näher dazu unten S. 166 f. 263 BT-Drucks. 12/7302, S. 187 (Nr. 182). 264 So Forsblad, Restschuldbefreiung, S. 238 f.; G. Pape, ZRP 1993, 285, 290. 265 So statt vieler G. Pape, ZRP 1993, 285, 290. 266 Vgl. Eckardt, in: Jaeger-InsO (2004), § 4a Rn. 5; G. Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht Rn. 936; Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 144; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 220 ff. 267 Zum Ergebnis, dass die Abwägung des Gesetzgebers zugunsten eines Verfahrens jedenfalls ohne staatliche Kostenbelastung ausfiel, kommen auch Limpert, Prozeßkostenhilfe im Verbraucherinsolvenzverfahren, S. 143; Maier, Rpfleger 1999, 1, 4; Preuß, Restschuldbefreiung (Aufl. 1) Rn. 16; näher zu den politischen Gründen Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 223 f.

B. Finanzielle Anstrengungen des Schuldners

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tenhürde auf Schuldnerseite zu erwartenden Problemen sowie etwaigen Lösungsmöglichkeiten beschäftigt wurde.268 Lässt sich nach dem Gesagten auf Seiten des Schuldners jedenfalls die Prämisse aufstellen, dass dieser der gesetzgeberischen Intention zufolge wenigstens für die Kosten des Verfahrens selbst aufkommen und diese notfalls aus dem unpfändbaren Einkommen aufbringen sollte, sind weiter die Auswirkungen jener Anforderung auf die Gläubiger zu betrachten. Für sie war insoweit maßgeblich, dass wegen der Verfahrenskostenhürde typischerweise solche Personen in das Verfahren hineingelangten, die noch über finanzielle Reserven verfügten.269 Dies hatte zur Konsequenz, dass die Gläubiger in der Regel im Laufe des Verfahrens Zahlungen zu erwarten hatten und sie somit erheblich von der Einschränkung des Adressatenkreises profitierten.270 Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diesen durch die Verfahrenskostenregelung hergestellten Gläubigerschutz bezweckt hat, gibt es nicht. Vielmehr erscheint er als ein unbeabsichtigter „Nebeneffekt“ der Durchsetzung eigener fiskalischer Interessen, von denen sich der Gesetzgeber hat leiten lassen.271 2. Durchlaufen eines Insolvenzverfahrens Kommt es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, muss der eine Restschuldbefreiung begehrende Schuldner das Verfahren zumindest teilweise durchlaufen. Aus § 289 InsO folgt insoweit, dass die Restschuldbefreiung auch im Falle der vorzeitigen Beendigung des Insolvenzverfahrens erteilt werden kann. Allerdings wird diese Möglichkeit nur bei Masseunzulänglichkeit i. S. d. §§ 209, 211 InsO gewährt. Eine Einstellung des Verfahrens nach § 207 InsO wegen Masselosigkeit reicht dagegen nicht aus. Für den Schuldner bedeutet dies, dass er jedenfalls die Verwertung der aufgrund des Insolvenzbeschlags realisierten Insolvenzmasse (§ 35 InsO) und die Verteilung des Erlöses an die (Masse-272)Gläubiger zu dulden hat. Daneben muss er den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO) hinnehmen.273

268

Vgl. Kohte, ZIP 1994, 184, 187; Maier, Rpfleger 1999, 1, 4. Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 435. 270 Vgl. ders., ebd. 271 Limpert, Prozeßkostenhilfe im Verbraucherinsolvenzverfahren, S. 137 schließt dagegen aus der Kostentragungspflicht die gesetzgeberische Intention, dass der Schuldner nur im Ausnahmefall ohne eine auch nur ansatzweise Gläubigerbefriedigung Restschuldbefreiung erlangen können soll. 272 Bei Masseunzulänglichkeit richtet sich die Verteilung nach dem Verteilungsschlüssel des § 209 InsO, ansonsten nach der allgemeinen Verteilungsordnung. 273 Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 21. 269

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

a) Insolvenzbeschlag und Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das vollstreckungsbefangene Vermögen des Schuldners i. S. d. §§ 35, 36 InsO beschlagnahmt und bildet die Insolvenzmasse, aus der sich die Gläubiger befriedigen.274 Indem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht, verliert der Schuldner jeden Einfluss auf die Insolvenzmasse.275 Das bedeutet, dass all seine privatautonomen Entscheidungen, die die Insolvenzmasse betreffen, wirkungslos sind.276 Damit der Insolvenzverwalter auch tatsächlich von seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis Gebrauch machen und den Insolvenzbeschlag realisieren kann, statuiert § 148 Abs. 1 InsO für ihn das Recht und die Pflicht zur sofortigen Inbesitznahme und Verwaltung des gesamten zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens.277 Dadurch soll das Vermögen vor weiteren Abgängen geschützt und sichergestellt werden, dass der Verfahrenszweck der bestmöglichen und gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger verwirklicht werden kann.278 Für die Befriedigungsaussichten der Gläubiger spielt in diesem Zusammenhang weiter eine Rolle, dass – anders als noch in der KO – auch der Neuerwerb des Schuldners, d. h. das pfändbare Einkommen und Vermögen, das er nach Eröffnung erworben oder erlangt hat, in die Masse fällt.279 Der tatsächliche Ertrag dieser Neuerung wurde zwar durch die flankierende Regelung des § 114 InsO a. F. gemindert, der die für natürliche Personen als Kreditsicherungsmittel ganz bedeutenden Lohnzessionen bzw. -verpfändungen für einen Zeitraum von drei Jahre nach Insolvenzeröffnung entgegen der generellen Regelung des § 91 Abs. 1 InsO für wirksam erklärte.280 Jedoch ging die Grundentscheidung des InsO-Gesetzgebers dahin, dass das Schuldnervermögen im Gegenzug für den Verlust des Nachhaftungsrechts möglichst vollständig in Anspruch genommen werden können sollte. Dass dies auf Kosten der Neugläubiger ging, wurde hingenommen.281 Die Inaussichtstellung der Restschuldbefreiung sollte dem Schuldner Motivation geben, während des Insolvenzverfahrens auch tatsächlich Neuvermögen zu generieren.282 Gleichzeitig bedeutet die Zugehörigkeit des Neuerwerbs zur Insolvenzmasse für ihn aber auch, dass seine wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten während des In274

G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 22 Rn. 1. Reischl, Insolvenzrecht Rn. 185. 276 Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 10.02. 277 Kießling, in: BK-InsO, § 148 Rn. 1; G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 22 Rn. 1. 278 Kießling, in: BK-InsO, § 148 Rn. 2; Sternal, in: K.Schmidt-InsO, § 80 Rn. 1. 279 G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 22 Rn. 4. 280 Vgl. Kießner, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 114 Rn. 11; Moll, in: KPB-InsO, § 114 Rn. 8 u. 12. 281 Kießner, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 114 Rn. 6 u. 11. 282 BT-Drucks. 12/2443, S. 101. 275

B. Finanzielle Anstrengungen des Schuldners

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solvenzverfahrens erheblich eingeschränkt werden, weil er seinen Neugläubigern keine Haftungsmasse zur Verfügung stellen kann.283 Möchte er eine Restschuldbefreiung erlangen, zwingt ihn die Verknüpfung von Restschuldbefreiungs- und Insolvenzverfahren jedoch dazu, die genannten Folgen samt der mit ihnen einhergehenden Einschnitte für seine wirtschaftliche Freiheit zu dulden. b) Verwertung und Verteilung des schuldnerischen Vermögens zwecks Gläubigerbefriedigung Die aufgezeigten Einschnitte stellen unterdessen nur die notwendigen Zwischenschritte zu der eigentlichen finanziellen Anstrengung, die vom Schuldner in der ersten Phase284 des Entschuldungsverfahrens zu erbringen ist, dar. So wird ihm das zentrale wirtschaftliche Opfer erst durch die Verwertung seines Vermögens und die Verteilung der – nach Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens sowie eventuell bestehender Masseverbindlichkeiten verbliebenen – Erlöse an die Insolvenzgläubiger abverlangt. Die vorherigen Einschränkungen seiner Rechte dienen lediglich dazu, jene Haftungsabwicklung erst zu ermöglichen, zu fördern und zu sichern.285 Insoweit werden die Ordnungsleistungen des Insolvenzverfahrens für die Restschuldbefreiung fruchtbar gemacht.286 Die Besonderheit der finanziellen Gegenleistung „Vermögensverwertung und -verteilung“ besteht darin, dass sie unmittelbar den Rechten der Gläubiger aus Art. 14 GG Rechnung trägt. Wie die Untersuchungen im Grundlagenteil ergeben haben, kann287 – und soll288 ihnen auch nach der gesetzgeberischen Konzeption der §§ 286 ff. InsO – ein Forderungsverlust nur zugemutet werden, wenn die gesamten Vermögenswerte des Schuldners bereits verwertet und die entsprechenden Erlöse zur Schuldtilgung eingesetzt wurden. 283

G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 22 Rn. 4 f. Seit dem Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007 (BGBl. I, 509) kann der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit allerdings gem. § 35 Abs. 2 InsO freigeben. Dies hat zur Folge, dass die Einkünfte aus dieser Tätigkeit als Neuerwerb nicht in die Masse fallen und die Neugläubiger darauf zugreifen können. Zu den Einzelheiten Peters, in: MüKo-InsO, § 35 Rn. 49 ff. 284 Es wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass sich das Restschuldbefreiungsverfahren aus zwei Verfahrensetappen zusammensetzt. Die Erste ist mit dem Insolvenzverfahren gleichzusetzen und kann als „Vorverfahren“ bezeichnet werden. Die Zweite schließt sich als sog. Wohlverhaltensperiode daran an und stellt als „Hauptverfahren“ das eigentliche Schuldbefreiungsverfahren dar, so auch Ahrens, in: FK-InsO, § 286 Rn. 57 u. 65 m. w. N. 285 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, S. 693. 286 Ahrens, in: FK-InsO, § 286 Rn. 59; Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 16. 287 Siehe dazu oben S. 58 f. 288 Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 286 Rn. 9; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 116.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

II. Einkommensabtretung in der Wohlverhaltensperiode Mit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens enden die vom Schuldner auf dem Weg zur Entschuldung zu erbringenden wirtschaftlichen Opfer allerdings noch nicht. Vielmehr implementierte der InsO-Gesetzgeber mit der Voraussetzung der Einkommensabtretung in der Wohlverhaltensperiode einen weiteren Eckpfeiler, der – ebenso wie die Vermögensverwertung im Insolvenzverfahren – das in § 1 S. 1 InsO verankerte Ziel der Haftungsverwirklichung umsetzen sollte.289 Nach der ursprünglichen Gesetzesfassung wurde vom Schuldner insofern verlangt, dass er für eine Zeit von sieben Jahren nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens den pfändbaren Teil seiner Einkünfte an einen Treuhänder abtritt, der daraus – nach Abzug seiner eigenen Vergütung – die Insolvenzgläubiger einmal jährlich (§ 292 Abs. 1 S. 2 InsO) anteilig befriedigt.290 Im Unterschied zum Insolvenzverfahren steht den Insolvenzgläubigern während der Wohlverhaltensperiode damit nicht jeglicher Neuerwerb, der dem Schuldner in dieser Zeit zufällt, zur Verfügung. Ihr Zugriff beschränkt sich im Wesentlichen291 auf das laufende Einkommen.292 Im Hinblick auf sein Vermögen ist der Schuldner mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und der Überleitung in die Wohlverhaltensperiode wieder verwaltungs- und verfügungsbefugt.293 Angesichts der Einkommensabtretung ändert dies jedoch nichts daran, dass er in aller Regel auch nach Ende des Insolvenzverfahrens zeitweilig einen bescheidenen Lebensstandard in Kauf nehmen muss. Die Schwere der Einschränkungen variiert dabei von Schuldner zu Schuldner. Während vor allem solche Personen in ihrer Lebenshaltung betroffen sind, deren Einkommen in dieser Phase wesentlich über der Unpfändbarkeitsgrenze liegt, ändert sich für arbeitslose Schuldner ohne Aussicht auf eine Anstellung oder schlecht ausgebildete Schuldner nur wenig.294 Vor Vollstreckungshandlungen einzelner Insolvenzgläubiger in das gesamte Vermögen ist der Schuldner aber geschützt, vgl. § 294 Abs. 1 InsO.295

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So auch Heyer, Restschuldbefreiung, S. 30 f.; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 41. BT-Drucks. 12/2443, S. 188. 291 Bereits hier soll erwähnt werden, dass den Gläubigern zur Hälfte auch Vermögen, das der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zufließt, vgl. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO. 292 Kießner, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 114 Rn. 6; Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 273. Freilich können der Schuldner oder Dritte freiwillig zusätzliche Zahlungen an den Treuhänder leisten, Arnold, DGVZ 1996, 65, 69. 293 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 288 Rn. 5. 294 Medicus, DZWIR 2007, 221, 225. 295 Arnold, DGVZ 1996, 65, 69; Medicus, DZWIR 2007, 221, 225. 290

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1. Hintergrund Während das Insolvenzverfahren mangels verwertbaren Vermögens des Schuldners alleine regelmäßig nicht zu einer Befriedigung der Gläubiger führt, stellt sein künftiges Arbeitseinkommen zumeist den wesentlichen Vermögenswert dar, der zum Zweck der Schuldentilgung herangezogen werden kann.296 Daher geht der Ausgangspunkt des Systems der Restschuldbefreiung dahin, dass möglichst alle von ihr betroffenen Gläubiger während einer längeren Zeit nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens an diesem Vermögenswert partizipieren.297 Gleichzeitig besteht die Besonderheit des „Haftungssubstrats Humankapital“ darin, dass sein zu erwartender Umfang grundsätzlich von der Leistungsmotivation des Schuldners abhängt.298 Die Aussicht auf die sich an die Wohlverhaltensperiode anschließende Entschuldung sollte nach der Intention der Verfasser den entscheidenden Anreiz für den Schuldner setzen, ein Höchstmaß an Gläubigerbefriedigung zu bewirken.299 Der Gesetzgeber ging davon aus, dass durch das besondere Engagement des Schuldners das künftige Einkommen für die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger erst erschlossen werden könne.300 Er versprach sich, auf diese Weise eine Besserstellung der Gläubiger im Vergleich zum freien Nachforderungsrecht der Konkursordnung zu erreichen. 2. Die konkrete Ausgestaltung der Anforderung „Einkommensabtretung“ a) Abtretungserklärung des Schuldners Auch im Rahmen der Anforderung „Einkommensabtretung“ wird der Schuldner zunächst aufgefordert, aktiv zu werden, indem er sich über die Zession erklären muss, vgl. § 287 Abs. 2 InsO. Die dahingehende Erklärung, dass er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufenden Bezüge für die Dauer der Wohlverhaltensperiode an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt, ist dem von ihm gem. § 287 Abs. 1 S. 1 InsO zu stellenden Restschuldbefreiungsantrag beizufügen. Mit Abgabe der Erklärung verliert der Schuldner die Verfügungsbefugnis soweit die Abtretung reicht. Dies bedeutet für ihn, dass er die abgetretenen Forderungen weder einziehen noch eine nachträgliche Vereinbarung mit dem Drittschuldner treffen darf, durch die die Tilgungsmittel geschmälert werden.301

296 Wimmer, BB 1998, 386, 387; siehe auch Balz, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 2), S. 3, 13 Rn. 36. 297 BT-Drucks. 12/2443, S. 150 f. 298 Balz, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 2), S. 3, 13 Rn. 36. 299 BT-Drucks. 12/2443, S. 101. 300 BT-Drucks. 12/2443, S. 101. 301 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 292 Rn. 9 m. w. N.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers soll das Erfordernis der Abtretungserklärung dem Schuldner deutlich machen, „dass er Restschuldbefreiung nur erlangen kann, wenn er sich für eine geraume Zeit mit dem pfändungsfreien Arbeitseinkommen begnügt.“302 Von ihrer Abgabe sollte mithin eine Warnfunktion ausgehen. Diese sollte einen Schuldner, der nicht willens ist, auf sein pfändbares Einkommen zu verzichten, davon abhalten, einen Restschuldbefreiungsantrag zu stellen. Auf diese Weise sollten die Gerichte vor leichtfertigen Anträgen geschützt werden. Die Schuldner im vorgenannten Sinne verwies der Gesetzgeber im gleichen Zuge auf die Möglichkeit eines Schuldenregulierungsplans. Eine solche konsensuale Lösung erlaubt es, mit den Gläubigern einen – im Vergleich zu der gesetzlichen Restschuldbefreiung – weitaus weniger steinigen Weg zu vereinbaren. b) Abtretungsgegenstand Die Abtretung des Schuldners erfasst nicht nur jede Art von Arbeitseinkommen i. S. d. § 850 ZPO, sondern insbesondere auch die Renten und die sonstigen laufenden Geldleistungen der Träger der Sozialversicherung und der Bundesagentur für Arbeit im Falle des Ruhestands, der Erwerbsunfähigkeit oder der Arbeitslosigkeit.303 Die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit unterliegen dagegen nicht der Abtretung i. S. d. § 287 Abs. 2 InsO.304 Zwar hat auch ein selbständiger Schuldner eine Abtretungserklärung für den Fall abzugeben, dass er gegebenenfalls einmal eine abhängige Beschäftigung annimmt. Kommt es jedoch nicht zur Übernahme einer abhängigen Beschäftigung, läuft seine Abtretungserklärung letztlich ins Leere.305 Dies bedeutet allerdings nicht, dass er während der Wohlverhaltensperiode keine Tilgungsmittel zu erbringen hat. Erzielt der Schuldner Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, hat er vielmehr nach § 295 Abs. 2 InsO Zahlungen an den Treuhänder zu leisten.306 Arbeitseinkommen ist gem. § 400 BGB insoweit nicht abtretbar, als dieses kraft Gesetzes unpfändbar ist. Daher bezieht sich die Abtretungspflicht des Schuldners von vornherein nur auf solche Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretenden laufenden Bezüge, die pfändbar sind.307 Ob die abgetretene Forderung aus einem Dienstverhältnis der Pfändung unterliegt, richtet sich grundsätz-

302

BT-Drucks. 12/2443, S. 189 (dort auch zum folgenden Text). Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 136. Ausführlich zu den im Einzelnen erfassten Forderungen Ahrens, in: FK-InsO, § 287 Rn. 148 ff.; Stephan, in: MüKo-InsO, § 287 Rn. 116 ff. 304 BGH NZI 2010, 72. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass eine Vorausabtretung in einem solchen Fall nicht möglich ist, weil der selbständige Schuldner selbst beurteilen muss, welche Mittel er jeweils an den Treuhänder abführen kann, ohne den Fortbestand des Gewerbebetriebes zu gefährden, vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 192. 305 BGH NZI 2010, 72, 74; Stephan, in: MüKo-InsO, § 287 Rn. 119. 306 BGH NZI 2010, 72, 73 m. w. N. Zu der Abführungsobliegenheit des selbständigen Schuldners, S. 117 f. 307 Fuchs/Vallender, ZInsO 2001, 681, 685. 303

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lich nach § 850c ZPO.308 Daneben bestehen zahlreiche Sonderregelungen, durch die die pauschalisierten Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO teilweise erweitert, teilweise eingeschränkt werden.309 Nicht von der Abtretung erfasst ist auch Vermögen, das der Schuldner aufgrund von Schenkungen, Lotteriegewinnen oder von Todes wegen erwirbt.310 Letzteres ist ausschließlich nach Maßgabe des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO herauszugeben. c) Umfang und Wirkung der Gegenleistung „Abtretung“ Es steht somit fest, dass sich der Schuldner zunächst über die Einkommenszession erklären muss, und auf welche Forderungen sie sich erstreckt. Weiter ist zu erörtern, in welchem Umfang die Gegenleistung „Abtretung“ zu erbringen ist. Dabei wird wiederum insbesondere auch auf die Konsequenzen für die Gläubigerseite einzugehen sein. aa) Erfolgsunabhängigkeit der Abtretung Für die Abtretungserklärung ist es nicht zwingend, dass der Schuldner über gegenwärtige Bezüge verfügt.311 Es kann mithin vorkommen, dass zwar eine Abtretung erfolgt, dem Schuldner aber zu keinem Zeitpunkt während der Wohlverhaltensperiode irgendwelche konkreten Ansprüche auf Bezüge zustehen. Die Forderungsabtretung geht dann ins Leere und die Gläubiger werden nicht befriedigt.312 Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die §§ 286 ff. InsO nach dem erklärten gesetzgeberischen Ziel nicht nur dem Schuldner, sondern auch den Gläubigern dienen sollten, stellt sich allerdings die Frage, ob die Restschuldbefreiung dennoch an die Bedingung geknüpft ist, dass die Gläubiger am Ende der Wohlverhaltensperiode einen bestimmten bzw. überhaupt einen Betrag erhalten haben.313 Mögli308 Dies., ZInsO 2001, 681, 685; Stephan, in: MüKo-InsO, § 287 Rn. 124. Der Pfändungsschutz begründet somit grundsätzlich auch einen Abtretungsschutz, Ahrens, in: FK-InsO, § 287 Rn. 179. Weil in der Gesetzesbegründung zur InsO lediglich davon die Rede war, dass sich der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode auf den pfändungsfreien Teil seines Arbeitseinkommens beschränken muss, jedoch nicht ausgeführt wurde, wie dieser pfändungsfreie Betrag zu ermitteln ist, war die Anwendbarkeit der §§ 850 ff. ZPO zunächst umstritten, Stephan, ZInsO 2000, 376, 379. Im Wege der Reform 2001 wurden § 36 InsO und § 292 InsO aber dergestalt geändert, dass seitdem klargestellt ist, dass die §§ 850 ff. ZPO (größtenteils) im Insolvenzverfahren und in der Wohlverhaltensperiode entsprechend anwendbar sind, ders., in: MüKo-InsO, § 287 Rn. 124. 309 Ahrens, in: FK-InsO, § 287 Rn. 179. 310 Pehl, in: Braun-InsO, § 287 Rn. 15. 311 Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 287 Rn. 35. 312 Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO (18. Lfg. Dezember 2009), § 287 Rn. 34; vgl. Heyer, JR 1996, 314, 317. 313 Die Frage der Behandlung masse- und einkommensloser Schuldner stellt sich spiegelbildlich auch im Verbraucher- und Kleininsolvenzverfahren – und zwar in Gestalt der Zu-

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

cherweise muss der Schuldner also zwingend laufendes Einkommen erzielen und an den Treuhänder abtreten. Dafür würde zunächst sprechen, dass derartige Fälle einer „Null-Lösung“, in denen die Gläubiger keinerlei Zahlungen zu erwarten haben, dem in § 1 S. 1 InsO verankerten Ziel der Haftungsverwirklichung entgegenlaufen.314 Darüber hinaus wäre ohne Teilleistungen begrifflich eigentlich nicht von einer „Rest-“, sondern nur von einer Schuldbefreiung zu sprechen.315 Dagegen kann aus dem Fehlen einer im Gesetz explizit verankerten Mindesttilgung hinsichtlich der verbliebenen Insolvenzforderungen – wie sie beispielsweise das mit der deutschen Wohlverhaltensperiode vergleichbare österreichische Abschöpfungsverfahren enthielt –316 gefolgert werden, dass eine Abtretungserklärung ohne konkreten Geldeingang ausreicht.317 In den Gesetzesmaterialien heißt es lediglich, der Schuldner habe nach der Verfahrensaufhebung sieben Jahre lang nach besten Kräften dazu beizutragen, dass der pfändbare Teil seines Einkommens einem Treuhänder der Gläubiger zufließt.318 Dieser Gedanke findet seine gesetzliche Verankerung in der Erwerbs- bzw. Abführungsobliegenheit319 des § 295 Abs. 1 Nr. 1, lässigkeit eines sog. „Nullplanes“. Unter diesen Begriff fallen solche von einem einkommensbzw. vermögenslosen Schuldner vorgelegten (vorgerichtlichen oder gerichtlichen) Schuldenbereinigungspläne, in denen den Gläubigern keine Zahlungen angeboten werden. Insofern existierte bereits vor Einführung der InsO und vor allem in ihren Anfangsjahren eine rege Diskussion darüber, ob derartige Pläne zulässig sind und ob das Insolvenzgericht im gerichtlichen Verfahrensabschnitt über den Schuldenbereinigungsplan in diesen Fällen die Zustimmung der Gläubiger nach § 309 Abs. 1 S. 1 InsO ersetzen darf (vgl. die ausführliche Auseinandersetzung mit der Problematik bei Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 234 ff.). Mittlerweile werden beide Fragen überwiegend (auch seitens des BGH) bejaht. Siehe zum aktuellen Meinungsstand Vuia, in: MüKoInsO, § 305 Rn. 68 ff.; Wenzel, in: KPB-InsO, § 309 Rn. 24. 314 Vgl. Preuß, Restschuldbefreiung (Aufl. 1) Rn. 10; Thomas, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 2), S. 1763, 1765 Rn. 7 (jeweils in Zusammenhang mit der Nullplanproblematik). 315 Heyer, JR 1996, 314; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO (18. Lfg. Dezember 2009), § 287 Rn. 35; vgl. Thomas, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 2), S. 1763, 1765 Rn. 7. 316 Nach dem ehemaligen österreichischen Modell, das auch das deutsche Institut beeinflusst hat, musste der Schuldner sein Einkommen grundsätzlich sieben Jahre lang bis zur Grenze des Existenzminimums zugunsten seiner Gläubiger „abschöpfen“ lassen und dabei mindestens 10 % der Verbindlichkeiten tilgen, Heyer, JR 1996, 314. Zwar hatten die Bundesländer noch vor Inkrafttreten der InsO versucht, im Wege einer „Reform der Reform“ eine Mindestquote von 10 % im deutschen Verbraucherinsolvenzverfahren einzuführen, der entsprechende Änderungsentwurf blieb aber letztlich erfolglos. Näher dazu Schmerbach, in: FK-InsO, Vor. §§ 1 ff. Rn. 10. 317 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 181 u. 226 f. 318 BT-Drucks. 12/7302, S. 153. 319 Die Erwerbsobliegenheit wird ausführlich an späterer Stelle (S. 114 ff.) erörtert, weil sie schwerpunktmäßig als Redlichkeitsvoraussetzung einzuordnen ist. Da sie aufgrund ihrer engen

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Abs. 2 InsO, die den Schuldner in dieser Zeit flankierend trifft. Will er nicht die Versagung der Restschuldbefreiung riskieren, darf er gegen sie nicht schuldhaft (vgl. § 296 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 InsO) verstoßen. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO obliegt es ihm, während der Wohlverhaltensperiode eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Zudem hat er sich, wenn er ohne Beschäftigung ist, um eine solche zu bemühen und darf jedenfalls keine zumutbare Tätigkeit ablehnen. Bezieht der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode, beispielsweise als Unternehmer oder Freiberufler, keine pfändbaren Einkünfte, so muss er nach § 295 Abs. 2 InsO seine Gläubiger insgesamt mindestens genauso stellen, wie wenn er ein ihm zumutbares Arbeitsverhältnis eingegangen wäre und laufende Arbeitseinkünfte erzielt hätte.320 Weil ein Schuldner, der aufgrund bestehender Arbeitslosigkeit keine laufenden Einkünfte erzielt, dementsprechend nur dann eine Versagung zu befürchten hat, wenn er vorwerfbar nicht versucht, eine Beschäftigung zu finden, bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht an ein erfolgreiches Bemühen um Gläubigerbefriedigung geknüpft ist.321 Es steht ihr somit nicht von vornherein entgegen, wenn der Schuldner geringe oder sogar keinerlei Beträge für die Tilgung seiner Verbindlichkeiten erbringt. Mit der Bezeichnung als „Restschuldbefreiung“ wollte der Gesetzgeber lediglich ein Leitbild vorzeichnen, wonach das Durchlaufen der Wohlverhaltensperiode regelmäßig, aber nicht zwingend zu einer zumindest teilweisen Gläubigerbefriedigung führt.322 Nach der gesetzlichen Konzeption besteht die vom Schuldner zu erbringende „Gegenleistung“ in der Wohlverhaltensperiode mithin nicht in einem bestimmten Arbeitseinkommen, sondern darin, dass er seinen Tilgungswillen unter Beweis stellt.323 Dazu genügt es, dass er seine Arbeitskraft nutzt324 und sich abstrakt325 um

Verknüpfung mit der Einkommensabtretung allerdings nicht völlig losgelöst davon betrachtet werden kann, soll ihre diesbezügliche Rolle bereits an dieser Stelle thematisiert werden. 320 BT-Drucks. 12/2443, S. 100. 321 Vgl. Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 228 f.; Schmidt-Räntsch, in: Insolvenzrechts-Handbuch (Aufl. 3), § 78 Rn. 26; siehe auch BT-Drucks. 12/2443, S. 192: „Schuldbefreiung wird also nicht nur dann erteilt, wenn während der Dauer der ,Wohlverhaltensperiode‘ ständig Beträge über den Treuhänder an die Insolvenzgläubiger abgeführt worden sind. Hat der Schuldner seine Obliegenheiten zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit und zur Annahme zumutbarer Arbeiten erfüllt, so ist es unschädlich, wenn er wegen Arbeitslosigkeit zeitweise keine pfändbaren Einkünfte hatte.“ 322 Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO (18. Lfg. Dezember 2009), § 287 Rn. 37; siehe auch Ahrens, VuR 2000, 8, 13, der das Ergebnis auf den Wortlaut des § 286 InsO stützt, welcher gerade nicht voraussetze, dass der Schuldner Leistungen erbringe, sondern lediglich von einer Befreiung von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten spreche. 323 Vgl. Häsemeyer, in: FS Henckel, S. 353, 364. 324 BT-Drucks. 12/2443, S. 100. 325 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 181.

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eine Gläubigerbefriedigung bemüht. Bestimmte Mindestquoten können seitens der Gläubiger nicht verlangt werden. Auf Schuldnerseite gewährleistet die Erfolgsunabhängigkeit der Abtretung eine Gleichbehandlung je nach individuellem Leistungsvermögen.326 Darüber hinaus wird sichergestellt, dass die Restschuldbefreiung für den Schuldner tatsächlich erreichbar ist.327 Da beide Gesichtspunkte bereits durch die Pflicht zur Verfahrenskostenaufbringung eine starke Einschränkung erfahren haben, ist zu vermuten, dass der Gesetzgeber in der Wohlverhaltensperiode einen großzügigeren Maßstab anlegte, um das Verfahren nicht von vornherein zu einer völligen Bedeutungslosigkeit zu verdammen. bb) Bedeutung der Dauer der Wohlverhaltensperiode Neben der Frage nach einer etwaigen Erfolgsabhängigkeit der Einkommensabtretung spielt für den Schuldner vor allem die Dauer des Zeitraums, währenddessen er seine pfändbaren Bezüge abtreten muss, eine Rolle. So wird dadurch bestimmt, wie lange er dieser Verfahrensanstrengung ausgesetzt ist, er also seinen Tilgungswillen manifestieren und sich mit dem unpfändbaren Einkommen auf das Lebensnotwendige beschränken muss. Weil von der Dauer der Wohlverhaltensperiode außerdem die Höhe der Gläubigerbefriedigung bzw. die Höhe der Restschuldbefreiung abhängt, kommt ihr spiegelbildlich auch auf Gläubigerseite entscheidende Bedeutung zu.328 In ihr treffen damit die gegensätzlichen Interessen von Schuldner und Gläubiger in Form von möglichst schneller Erlangung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit einerseits, und möglichst geringem Forderungsausfall andererseits, signifikant aufeinander.329 Dadurch stellt die Dauer der Wohlverhaltensperiode für die Verfahrensbeteiligten im System der §§ 286 ff. InsO gewissermaßen den Dreh- und Wendepunkt im Hinblick auf die Akzeptanz des Instituts der Restschuldbefreiung dar: Eine zu lange Dauer ist dazu geeignet, dass der Schuldner die Motivation zum Durchhalten verliert und die vom Gesetzgeber intendierte Anreizwirkung nicht erreicht wird. Ein zu großzügig bemessener Zeitraum kann hingegen die Sorglosigkeit des Schuldners bei Kreditaufnahme fördern330 und eine „Flucht in die Restschuldbefreiung“331 attraktiv machen. Vor allem aber droht eine zu kurze 326

Schallock, a. a. O., S. 185. Schallock, ebd.; siehe auch Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 49, der den Grund für den Verzicht auf Mindestquoten u. a. darin sieht, dass der Gesetzgeber die Unzulänglichkeiten starrer Vorgaben, wie sie bei dem früheren Zwangsvergleich und gerichtlichen Vergleichsverfahren aufgetreten waren, vermeiden wollte. 328 Scholz, ZIP 1988, 1157, 1162 f.; Wacket, FLF 1989, 65, 66 (Der für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehende Gesamtbetrag entspreche dem Produkt aus der Anzahl der Verfahrensmonate und dem pfändbaren Einkommen des Schuldners). 329 Vgl. Heyer, Restschuldbefreiung, S. 86. 330 Bruchner, WM 1992, 1268. 331 Vgl. Wacket, FLF 1989, 65, 67. 327

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Abtretungsphase in einem Verfahren, in dem die Einkommenszession das zentrale Gläubigerbefriedigungsinstrument darstellt, mit den Rechten der Gläubiger aus Art. 14 GG in Konflikt zu geraten. Es überrascht nach alldem nicht, dass sich das entsprechende Streitpotential, das in der Frage nach der Länge der Wohlverhaltensperiode liegt, bereits im Gesetzgebungsverfahren zur InsO entfaltete und schließlich in einem Antrag der Fraktion der SPD gipfelte. Nach diesem sollte die im Regierungsentwurf vorgesehene Dauer von sieben Jahren auf eine grundsätzliche Dauer von fünf Jahren gekürzt werden.332 Ihre diesbezügliche Kritik am Regierungsentwurf begründete die SPD damit, dass die Praxis der Schuldnerberatungsstellen gezeigt habe, dass Fristen von mehr als vier bis fünf Jahren im Rahmen von Schuldenbereinigungsplänen mangels Schuldnermotivation zum Scheitern verurteilt seien. Neben einer generellen Verkürzung auf fünf Jahre forderte sie zudem die Einführung einer flexiblen Verkürzungs- bzw. Verlängerungsmöglichkeit. Diese sollte von einer Mindestfrist von drei Jahren bis zu einer Höchstfrist von sieben Jahren reichen und an das schuldnerische Vertretenmüssen der Notlage geknüpft werden. Der Rechtsausschuss lehnte in seiner Beschlussempfehlung eine solche variable Frist unter Verweis auf die damit verbundene Justizbelastung ab. An der Siebenjahresfrist hielt er mit der Begründung fest, dass die Schuldnermotivation im Verfahren auf andere Weise333 sichergestellt werde. Welche Beweggründe den Gesetzgeber letztlich zu der konkreten Dauer von sieben Jahren bewogen haben, hat er nicht ausdrücklich offenbart. Auch wenn zum Teil biblische Zusammenhänge dahinter vermutet wurden,334 dürfte seine Entscheidung vielmehr in einem von ihm angestrebten Kompromiss zwischen den im Gesetzgebungsverfahren unterbreiteten Vorschlägen der jeweiligen Interessenvertreter gründen.335 Dafür, dass die Frist – vor allem im europäischen Vergleich – recht lang ausfiel,336 erscheint wiederum der allgemeine Rechtfertigungsdruck, unter dem die Einführung des Instituts der Restschuldbefreiung stand, mitverantwortlich zu sein. cc) Begrenzende Faktoren Haben die vorstehenden Ausführungen ergeben, dass die Dauer der Abtretungsphase eine Schlüsselrolle sowohl auf Schuldner- als auch auf Gläubigerseite einnimmt, ist darüber hinaus einerseits zu klären, ob der Schuldner während der gesamten Wohlverhaltensperiode auf die vollen pfändbaren Beträge verzichten muss 332

Siehe (auch zum folgenden Text) BT-Drucks. 12/7302, S. 187 (Nr. 181). Das entsprechende Instrument hierzu sollte der sog. „Motivationsrabatt“ nach § 292 Abs. 1 S. 3 InsO a. F. sein, siehe hierzu sogleich. 334 So Bruchner, WM 1992, 1268; Werres, DVBl 2006, 140, 146. 335 Ebenso Heyer, Restschuldbefreiung, S. 86. Näher zu den Vorschlägen, die insgesamt bis zu einer zehnjährigen Laufzeit reichten ders., ebd. mit umfassenden Nachweisen. 336 Trendelenburg, Restschuldbefreiung, S. 137. 333

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

und andererseits, ob die Beträge in dieser Höhe der Befriedigung aller Gläubiger zur Verfügung stehen. Insoweit fand bereits Erwähnung, dass der Treuhänder zunächst die Vergütung für seine Tätigkeit in der Wohlverhaltensperiode von den durch die Abtretung erlangten Beträgen abzieht. Entsprechend reduzieren sich also die Beträge, die er an die Gläubiger auskehrt. Eine begrenzende Wirkung könnte darüber hinaus den in der ursprünglichen InsO-Fassung enthaltenen Vorschriften des § 114 InsO a. F. und des § 292 Abs. 1 S. 3 InsO a. F. zukommen. (1) Der Einfluss des „Motivationsrabatts“ i. S. d. § 292 Abs. 1 S. 3 InsO a. F. Wie bereits im Zusammenhang mit der Diskussion über die Länge der Abtretungsphase angeklungen ist, war sich der Gesetzgeber darüber bewusst, dass die siebenjährige Wohlverhaltensperiode für den Schuldner eine lange Zeit der Entbehrung darstellen würde. Um ihn in seinem Durchhaltewillen hinsichtlich eines erfolgreichen Bestehens dieser gesetzlichen Hürde zu stärken, sollte dem Schuldner ein sog. „Motivationsrabatt“ gewährt werden.337 Seinen Niederschlag fand dieser Gedanke in § 292 Abs. 1 S. 3 InsO a. F. Dieser ordnete an, dass der Treuhänder – unabhängig von den bei ihm in den vorangegangenen Jahren eingegangenen Zahlungen –338 vier Jahre nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens 10 Prozent, nach fünf Jahren 15 Prozent und nach sechs Jahren 20 Prozent der pfändbaren Beträge statt an die Gläubiger an den Schuldner abzuführen hatte. Auf die den Schuldner in der Wohlverhaltensperiode treffenden Anforderungen wirkte sich § 292 Abs. 1 S. 3 InsO a. F. insofern aus, als er lediglich in den ersten vier Jahren dieser Phase ausschließlich mit dem pfändungsfreien Teil seines Einkommens auskommen musste.339 Die Gläubiger wiederum hatten nach Ablauf von vier Jahren seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens keinen Anspruch mehr auf Auszahlung des gesamten pfändungsfreien Betrages der Arbeitsbezüge des Schuldners.340 Demnach trat durch die Regelung eine Schmälerung der Verteilungsmasse ein, die während der sieben Jahre den Gläubigern diente.341 (2) Die Rolle des § 114 InsO a. F. In engem Zusammenhang zur Einkommensabtretung in der Wohlverhaltensperiode stand § 114 InsO a. F.342 Durch die Beschränkung der Wirksamkeit einer vor Insolvenzeröffnung erklärten Lohnabtretung und -verpfändung auf drei Jahre nach Insolvenzeröffnung sollte nach der Vorstellung des InsO-Gesetzgebers der für die 337

BT-Drucks. 12/7302, S. 188. Scholz, DB 1996, 765, 769. 339 Vgl. Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 186. 340 Vallender, in: Uhlenbruck-InsO (Aufl. 13), § 292 Rn. 43. 341 Moll, in: KPB-InsO, § 114 Rn. 11; Scholz, DB 1996, 765, 769. 342 Vgl. Moll, in: KPB-InsO, § 114 Rn. 9. Zur Bedeutung des § 114 InsO a. F. i. R. d. Insolvenzverfahrens siehe oben S. 76. 338

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Umsetzung des Ziels der Gläubigerbefriedigung essenzielle Zugriff auf das schuldnerische Einkommen in der Wohlverhaltensperiode überhaupt erst ermöglicht werden.343 Andernfalls hätte die Gesamtheit der Gläubiger angesichts der Popularität der Besicherung von Verbraucherkrediten durch Lohnabtretungen und -verpfändungen nämlich regelmäßig keine Ausschüttungen erwarten können. Eine Übernahme der Gesetzeslage der Konkursordnung, die keine entsprechende Einschränkung vorgesehen hatte, weshalb in der Regel einzelne gesicherte Gläubiger zu Lasten der Insolvenzmasse bevorzugt worden waren, kam deshalb für die neue Insolvenzordnung nicht in Betracht.344 Bezogen auf den Umfang der Einkommensabtretung, den der InsO-Gesetzgeber den ungesicherten Gläubigern durch die §§ 286 ff. InsO originär in Aussicht gestellt hatte, kam § 114 InsO a. F. allerdings eine begrenzende Wirkung zu. So erfasste die neue Abtretungserklärung i. S. d. § 287 Abs. 2 InsO im Falle der Vorausverfügung von Arbeitseinkommen von vornherein lediglich die Bezüge für denjenigen Zeitraum der Wohlverhaltensperiode, der nach Abzug der Differenz von drei Jahren und der Dauer des Insolvenzverfahrens noch verblieb.345 Weil der Schuldner im Regelfall seine künftigen Lohnansprüche als Sicherungsmittel eingesetzt hatte, stand sein Einkommen den Gläubigern in den seltensten Fällen tatsächlich sieben Jahre lang als Tilgungsmittel zur Verfügung.346 Sowohl der Selbstbehalt des Schuldners i. S. d. § 292 Abs. 1 S. 3 InsO a. F. als auch die Regelung des § 114 InsO a. F. bedeuteten für die Gläubiger also letztlich, dass sie zumeist keinesfalls mit den vollen pfändbaren Bezügen rechnen konnten.347 3. Bewertung der gesetzgeberischen Konzeption im Hinblick auf die Legitimation der Restschuldbefreiung Abschließend soll analysiert werden, inwieweit der Gesetzgeber mit der von ihm gewählten Konzeption einer mehrjährigen Einkommensabtretung den im Grundlagenteil aufgestellten Prämissen Rechnung getragen hat.

343

BT-Drucks. 12/2443, S. 150 f. Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 101. Hingegen verzichtete der Gesetzgeber darauf, Vorausabtretungen mit Insolvenzeröffnung ganz hinfällig werden zu lassen, weil er befürchtete, dass Lohnabtretungen als Kreditsicherungsmittel ansonsten entwertet würden, BT-Drucks. 12/ 2443, S. 101. 345 BT-Drucks. 12/2443, S. 189. 346 Preuß, Restschuldbefreiung (Aufl. 1) Rn. 237. 347 Scholz, DB 1996, 765, 769; kritisch im Hinblick auf die Wirksamkeit von Vorausabtretungen Dieckmann, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 127, 135. 344

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

a) Haftungsrechtliche Seite In den vorstehenden Ausführungen ist deutlich geworden, dass das deutsche Restschuldbefreiungsmodell im Wesentlichen auf die Arbeitskraft des Schuldners setzt.348 Die Wohlverhaltensperiode sollte das Alleinstellungsmerkmal gegenüber den als zu schuldnerfreundlich angesehenen ausländischen Regelungen sein.349 Sie verkörpert den seitens der Verfasser mit den §§ 286 ff. InsO intendierten „Mittelweg“,350 der auf der Annahme beruht, dass nur ein solcher der hierzulande existierenden Wirtschaftsmentalität entspreche.351 Insofern sollte dem Schuldner zwar die Möglichkeit eines Neuanfangs in Aussicht gestellt werden; dies jedoch nicht, bevor er sich um ein Höchstmaß an Gläubigerbefriedigung bemüht hat. In den Voraussetzungen der Einkommensabtretung in der Wohlverhaltensperiode und der flankierenden Erwerbsobliegenheit kommt damit der Wille des Gesetzgebers, zwischen den Gläubiger- und Schuldnerinteressen zu vermitteln, sinnbildlich zum Ausdruck. Den besonderen Bemühungen, die der Schuldner zwecks Legitimation der Restschuldbefreiung tätigen muss, ist jedoch nicht nur die Prämisse zu entnehmen, dass er lediglich die Befreiung von solchen Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern erwarten kann, die unter allen zumutbaren Anstrengungen tatsächlich nicht bedient werden können.352 Darüber hinaus ist ihnen vielmehr auch eine Art Exklusivitätsgedanke immanent: Der Gesetzgeber hat den Weg zur Restschuldbefreiung bewusst steinig gestaltet, um dem Schuldner keinen „Freifahrtschein zum Schuldenmachen“ zu erteilen.353 So heißt es in den Materialien zur InsO, dass an die gesetzliche Restschuldbefreiung hohe Anforderungen gestellt würden354 und, dass sie zur Vermeidung von Missbräuchen an scharfe Voraussetzungen geknüpft sei355.

348 Dieckmann, ebd.: „Der – nicht zu unterschätzende – Preis für die Restschuldbefreiung ist die sechsjährige [Anm. d. Verf.: nach der ursprünglichen Gesetzesfassung siebenjährige] Arbeitspflicht“; siehe auch Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 162, der darauf hinweist, dass der Verlust der Kreditwürdigkeit, der das zentrale Opfer in den USA darstellt, im deutschen System keine vergleichbare Bedrohung für den Schuldner darstellen würde, da mit ihm nur in einem weitgehend bargeldlos funktionierenden Zahlungssystem empfindliche Konsequenzen einhergehen. 349 Siehe insoweit BT-Drucks. 12/2443, S. 100: „Anders als in den angelsächsischen Rechtsordnungen, insbesondere im amerikanischen Recht, soll die konkursmäßige Verwertung des Schuldnervermögens allein noch nicht zur Entschuldung führen. Vom Schuldner wird zusätzlich verlangt, daß er für eine überschaubare Zeitspanne - eine Wohlverhaltensperiode von sieben Jahren - seine Arbeitskraft nutzt, insbesondere zumutbare Arbeit annimmt, jeden Arbeitsplatzwechsel meldet und sein pfändbares Arbeitseinkommen den Gläubigern zur Verfügung stellt“. 350 Siehe oben S. 65. 351 Vgl. Balz, ZIP 1988, 273, 291. 352 Vgl. Heyer, Restschuldbefreiung, S. 86. 353 Vgl. Arnold, DGVZ 1996, 65, 67. 354 BT-Drucks. 12/7302, S. 153. 355 BT-Drucks. 12/2443, B. Nr. 11.

B. Finanzielle Anstrengungen des Schuldners

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Auch die Warnfunktion der vom Schuldner zu verlangenden Abtretungserklärung spricht dafür, dass die Wohlverhaltensperiode – sowohl im Hinblick auf die währenddessen zu leistenden Anstrengungen als auch im Hinblick auf ihre Dauer – nicht nur der Gläubigerbefriedigung dient.356 Sie soll von vornherein jeglichen Anreiz, eine planmäßige Kreditrückführung durch die Flucht in das Insolvenzverfahren zu vermeiden, unterbinden.357 Die ursprüngliche Siebenjahresfrist besaß dabei genügend „Abschreckungspotential“, um der Gefahr einer massenhaften, missbräuchlichen Inanspruchnahme der Restschuldbefreiung, wie sie in den USA auftrat, entgegenzuwirken.358 Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Anforderungen, die die InsO an die Bedürftigkeit des Schuldners stellt, aufgrund des Verzichts auf eine dauerhafte Zahlungsunfähigkeit recht niedrig ausfallen,359 und auch die Verfahrenskosten bei einer planmäßigen Insolvenz von vornherein einkalkuliert werden können, bedurfte es eines derartigen Korrektivs auf Tatbestandsseite. Nicht „bedürftige“ Schuldner werden eine Inanspruchnahme des Verfahrens angesichts der Aussicht, mehrere Jahre lang trotz bestmöglicher Arbeitsbemühungen an der Grenze zur Unpfändbarkeit zu leben, scheuen.360 Hier dürfte es auch eine Rolle spielen, dass die Einhaltung dieser Bedingungen – im Gegensatz zum Insolvenzgrunderfordernis – für die Gläubiger justiziabel ist, vgl. §§ 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 296 InsO. Festzuhalten ist somit, dass nach der gesetzlichen Konzeption der §§ 286 ff. InsO vor allem die Wohlverhaltensperiode der Grund dafür ist, weshalb das Institut der Restschuldbefreiung die Wirtschaftsmoral nicht zu erschüttern droht361 und die aufgestellten haftungsrechtlichen Grundsätze gewahrt sind. b) Verfassungsrechtliche Seite Des Weiteren muss der Frage nachgegangen werden, ob die vom Gesetzgeber in der Wohlverhaltensperiode getroffenen finanziellen Anforderungen in ihrer Gesamtschau den oben aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen. Die Untersuchungen im Grundlagenteil haben ergeben, dass gewisse finanzielle Opfer seitens des Schuldners mit Blick auf die Rechte der Gläubiger aus Art. 14 GG notwendig sind. Es wurde gezeigt, dass für die Frage, wie eine genaue Ausgestaltung jener wirtschaftlichen Anstrengungen vor diesem Hintergrund auszusehen hat, entscheidend ist, ob das Verfahren die finanzielle Situation des Schuldners im Einzelfall berücksichtigt oder pauschal ein Verfahrensweg für alle Schuldner vor356

Vgl. auch Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, Vor. § 286 Rn. 4. Vgl. Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 24; Wacket, FLF 1989, 65, 66 f. 358 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 125. 359 Siehe oben S. 72. 360 Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 99 f. 361 Vgl. Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, Vor. § 286 Rn. 4. 357

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

gesehen ist. Der InsO-Gesetzgeber hat sich für ein Modell entschieden, das auf eine Prüfung des Einzelfalls verzichtet. Somit muss es sich daran messen lassen, ob es grundsätzlich dazu geeignet ist, in den verschiedenen denkbaren Fallkonstellationen362 die Gläubigerrechte aus Art. 14 GG hinreichend zu wahren. Die Voraussetzung der Vermögensverwertung im Insolvenzverfahren stellt – indem sie Gewähr leistet, dass vorhandene Werte zur Gläubigerbefriedigung eingesetzt werden – insofern den ersten Eckpfeiler des deutschen Modells dar. Ein Verfahren, das ausschließlich auf Liquidation setzt, kann allerdings im durchaus häufigen Fall, dass keine verwertbaren Vermögenswerte existieren, keine Gerechtigkeit gegenüber den Gläubigern herstellen. Es würde unberücksichtigt lassen, dass mit dem Einkommen des Schuldners im Einzelfall eine Position vorhanden ist, die den Gläubigern eine konkrete Befriedigungsaussicht gibt.363 Statt den Gläubigern abzuhelfen, wäre das Verfahren darauf angelegt, einen gemeinschaftlichen Verlust von in Wirklichkeit nicht völlig wertlosen Forderungen herbeizuführen.364 Das Recht des Gläubigers auf eine effektive Verwirklichung seines Forderungsrechts durch Erkenntnisverfahren und Vollstreckung verlangt es, einer wahrscheinlichen und zeitlich nicht in weite Ferne gerückten Befriedigungschance zur Durchsetzung zu verhelfen.365 Die quotale Befriedigung im Anschluss an ein Insolvenzverfahren reicht deshalb in einem pauschalen System, wie es die §§ 286 ff. InsO darstellen, nicht aus. Als zweiten Eckpfeiler im Hinblick auf die berechtigten Erwartungen der Gläubiger in die Erfüllung ihrer Forderungen bedurfte das deutsche Modell zusätzlich einer Phase der Einkommensverwertung.366 Mit der siebenjährigen Wohlverhaltensperiode wurde eine solche implementiert. Anders als die ursprünglich siebenjährige Abtretungsphase zunächst suggerierte, stand der Gläubigergemeinschaft jedoch in dieser Zeit regelmäßig nicht das volle pfändbare Einkommen des Schuldners zur Verfügung. Die Regelungen des § 292 Abs. 1 S. 3 InsO a. F. und § 114 InsO a. F. begrenzten insoweit die vom Treuhänder vorzunehmenden Ausschüttungen. Darüber hinaus ist durch die fehlenden Mindestquoten nicht gesichert, dass den Gläubigern im Wege der Abtretung überhaupt Einkommen zufließt. Weil der Gesetzgeber aber angesichts der fehlenden Einzelfallprüfung im System der §§ 286 ff. InsO dafür Sorge tragen musste, dass das schuldnerische Einkommen zugunsten der Gläubiger eingesetzt wird, bestand für ihn mit Blick auf die Legitimation der Restschuldbefreiung weiterer Handlungsbedarf. Es bedurfte eines Weges, die Arbeitskraft des Schuldners auch ohne Mindestquoten 362

Siehe oben, S. 59 f. Vgl. J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 263 (Eine Sofortentschuldung am Ende des Insolvenzverfahrens mache die Befriedigungsaussichten der Gläubiger ab initio zunichte). 364 J. N. Berg, ebd. 365 J. N. Berg, a. a. O., S. 263 f.; a. A. Madaus, JZ 2016, 548, 555. 366 So auch J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 265; Mankowski, KTS 2011, 185, 201 f. a. A. Madaus, JZ 2016, 548, 555, der für eine Sofortentschuldung im Anschluss an ein Insolvenzverfahren plädiert. 363

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sicher für die Gläubiger zu erschließen. Andernfalls wäre die Wohlverhaltensperiode reine Makulatur und die Rechte der Gläubiger aus Art. 14 GG wären jedenfalls nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Gesetzgeber beschritt diesen Weg mit einer versagungsbewehrten Erwerbsobliegenheit. Die Regelung des § 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO stellt dem Schuldner eine Restschuldbefreiung nur in Aussicht, wenn er sich zumindest um eine Gläubigerbefriedigung bemüht. Auf diese Weise besteht grundsätzlich367 auch im Rahmen der gesetzlichen Restschuldbefreiung nach der InsO ein Anreiz für den Schuldner zu besonderem Engagement.368 Freilich führt die Erwerbsobliegenheit lediglich dazu, dass Totalausfälle auf Seiten der Gläubiger nicht die Regel sind. Gänzlich verhindern kann sie sie allerdings nicht. Vom Gesetzgeber ist letztere Konsequenz sicherlich weder gewollt noch angestrebt, jedoch – wie oben gezeigt – offensichtlich in Kauf genommen.369 Es stellt sich die Frage, ob die finanziellen Anforderungen der §§ 286 ff. InsO die Gläubigerrechte hinreichend wahren oder es vielmehr den verfassungsrechtlichen Vorgaben widerspricht, dass sie die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung ohne Tilgungsleistungen zulassen. Bedenken könnten derartige Verfahren, in denen die Gläubiger keine Gegenleistung für ihren Verzicht erhalten, insoweit erwecken, als ihr einziger Zweck in der Gewährung eines Schuldenschnitts auf Schuldnerseite liegt. Ein Interessenausgleich zwischen den Parteien, wie er eigentlich von Verfassungs wegen geboten und auch vom Gesetzgeber angestrebt ist, könnte in diesen Fällen möglicherweise nicht zu erreichen sein.370 Dadurch, dass die Entschuldung im Gegenzug für die Haftungsverwirklichung in der Treuhandphase bzw. den dahingehenden Versuch gewährt wird, stellt sich das Verfahren in der Regel als ein „Geben und Nehmen“ dar und folgt letztlich marktwirtschaftlichen Prinzipien.371 Der Anreiz, der durch die Aussicht auf Entschuldung geschaffen wird, führt dazu, dass der Eigennutz des Einzelnen in den Vorteil der Mitmenschen umschlägt.372 Darin besteht nach der Grundidee der §§ 286 ff. InsO für die Gläubiger der größte Gewinn. So können sie in einem Verfahren, in dem sich die zu ihren Gunsten vorgenommene Arbeitsleistung auch für den Schuldner persönlich wieder lohnt, hoffen, mehr zu erlangen als sie im Wege unbegrenzter Nachforderung

367

Bereits an dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass das tatsächliche Erreichen dieser Anreizwirkung jedoch entscheidend davon abhängt, ob das Versagungsverfahren hinreichend effektiv ausgestaltet ist. Verstöße gegen die Erwerbsobliegenheit müssen also wirksam geahndet werden und dürfen für den Schuldner keine Option darstellen. 368 Funke, ZIP 1998, 1708, 1710; (zu § 287b InsO) Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 12. 369 So auch Schmidt-Räntsch, in: Insolvenzrechts-Handbuch (Aufl. 3), § 78 Rn. 26. 370 Vgl. Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO (18. Lfg. Dezember 2009), § 287 Rn. 35. 371 Vgl. Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 161. 372 Wenzel, ZRP 1993, 161, 164.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

jemals erhalten hätten.373 Das Restschuldbefreiungsverfahren dient insoweit auch dem in § 1 S. 1 InsO verankerten Grundsatz der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, so dass man den Zweck des Verfahrens im Allgemeinen nicht allein auf die Schuldbefreiung beschränken kann.374 Zwar lässt das System dadurch, dass es dem Schuldner nur ein abstraktes Bemühen um Gläubigerbefriedigung abverlangt, Totalausfälle zu. Zu beachten ist aber, dass mit der siebenjährigen Abtretungsphase der Ursprungsfassung ein ausreichend langer Erprobungszeitraum gegeben war, in dem sich – auch mit Blick auf die Zukunft – herausstellt, ob der Schuldner überhaupt in der Lage ist, pfändbare Bezüge zu erwirtschaften und generell eine (zumindest teilweise) Gläubigerbefriedigung zu erreichen. Gelingt ihm dies in dieser Phase nicht, etwa weil ihm eine Erwerbsaufnahme unzumutbar ist oder er ausschließlich über ein pfändungsfreies Niedrigeinkommen verfügt,375 ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich daran etwas in naher Zukunft ändern wird, gering. Es wäre den Gläubigern wenig damit geholfen, einen solchen Schuldner dennoch auf Mindestquoten zu verweisen. Der Schuldenschnitt wäre für ihn unerreichbar, so dass er letztlich der gleichen Ausgangslage ausgesetzt wäre wie vor Einführung der Restschuldbefreiung – mit den bereits bekannten Konsequenzen für die Gläubigerseite. Das den Gläubigern in diesen Fällen zustehende Nachforderungsrecht würde nichts daran ändern, dass die Forderungen endgültig verloren sind und abgeschrieben werden müssen; es wäre wertlos.376 Die Gläubiger stehen durch die §§ 286 ff. InsO damit faktisch nicht schlechter als sie mit Mindestquoten stünden. Auch wenn das Verfahren bei einer ertraglosen Wohlverhaltensperiode ausschließlich mit Vorteilen für den Schuldner verbunden ist, führt das Restschuldbefreiungsverfahren nach der InsO somit selbst in diesen Fällen zu dem einzig zweckmäßigen Ausgleich der Interessen.377 Nicht vernachlässigt werden darf auch, dass nach der Fassung der InsO von 1999 üblicherweise nur solche Schuldner die Wohlverhaltensperiode überhaupt erst erreichten, von denen eine Erwirtschaftung pfändbarer Erträge zu erwarten war. Die Verfahrenskostenhürde sorgte insoweit dafür, dass sich Totalausfälle eher als Ausnahme darstellten.378 Festzuhalten ist somit, dass die ursprünglich siebenjährige Einkommensabtretung zusammen mit ihrer Einbettung in ein marktwirtschaftliches Konzept und der 373 Ders., ZIP 1998, 1708, 1710; ders., ZRP 1993, 161, 164; Werres, DVBl 2006, 140, 145; siehe zu den negativen Folgen des freien Nachforderungsrecht für die Gläubiger zur Zeit der KO, S. 43 f. 374 Bork, ZIP 1998, 1209, 1213; Stephan, in: MüKo-InsO, Vor. §§ 286 bis 303a Rn. 8. 375 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 232. 376 Schallock, ebd.; vgl. Scholz, ZIP 1988, 1157, 1164. 377 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 232. 378 Vgl. insofern die Ergebnisse der Untersuchung zur Einkommenslage der Schuldner vor dem InsOÄndG 2001 bei Reifner/Springeneer, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz, S. 45.

B. Finanzielle Anstrengungen des Schuldners

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flankierenden Erwerbsobliegenheit die Gläubigerrechte hinreichend wahrte. Sie war selbst in den Fällen ohne Tilgungsleistungen so angelegt, dass die Gläubiger im Regelfall wirtschaftlich nicht schlechter gestellt wurden als zu Zeiten der Konkursordnung. Damals war ihr freies Nachforderungsrecht zwar im Gesetz vorgesehen, tatsächlich konnte es aber meist nur mit großen Schwierigkeiten und lediglich in geringer Höhe durchgesetzt werden.379 Der InsO-Gesetzgeber hat in den §§ 286 ff. InsO beide Ziele des § 1 InsO einer optimalen Wirksamkeit, d. h. praktischen Konkordanz, zugeführt. Es kann davon ausgegangen werden, dass vernünftig handelnde und gleichberechtigte Gläubiger eine solche Regelung auch in einem frei ausgehandelten Schuldentilgungsplan vereinbart hätten.380 Freilich ist die Länge der Abtretungsphase ein Faktor, der variabel ist und womöglich nach unten korrigiert werden muss, falls die Anreize, auf die das System nicht zuletzt baut, aufgrund einer zu langen Dauer nicht fruchten oder sonstige Gründe für eine Verkürzung sprechen. Darauf wird in den weiteren Teilen dieser Arbeit einzugehen sein. Im Hinblick auf die Legitimation der Restschuldbefreiung gegenüber den Gläubigern kann an dieser Stelle zunächst festgehalten werden, dass die ursprüngliche Fassung der §§ 286 ff. InsO auch ohne Mindestquoten ausreichende finanzielle Schuldneranforderungen vorsah.381

III. Zusammenfassung Die finanziellen Anforderungen verlangen dem Schuldner die Bereitschaft ab, für die mit dem Verfahren verbundenen Vorteile einen angemessenen „Preis“ zu bezahlen. Sie stellen innerhalb der §§ 286 ff. InsO eine erste ausgleichende Komponente für den Umstand dar, dass der Verlust des Nachhaftungsrechts unabhängig von der Zustimmung der Gläubiger eintritt. Die Verfasser der InsO entschieden sich dabei für ein Modell, das unabhängig vom Einzelfall sowohl eine Vermögensverwertung im Insolvenzverfahren als auch eine Einkommensabtretung in der Wohlverhaltensperiode vorsieht. Die Voraussetzung, dass der Schuldner zwingend ein vorheriges Insolvenzverfahren durchlaufen, also bereit sein muss, sich den Zwängen des Systems zu unterwerfen, macht zunächst den Umstand für die gesetzliche Restschuldbefreiung nutzbar, dass das Gesamtvollstreckungsverfahren Gewähr für die Anforderungen einer vollständigen und transparenten Verwertung des schuldnerischen Vermögens bietet.382 Anders als während der Geltung der Konkursordnung erfasst die Haftungsmasse nicht nur das bei Eröffnung vorliegende Vermögen des Schuldners, 379

Vgl. BT-Drucks. 12/7302, S. 153. So Balz, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 2), S. 3, 13 Rn. 36. 381 Vgl. Bork, ZIP 1998, 1209, 1213. 382 Vgl. T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 235. 380

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

sondern auch den während des Insolvenzverfahrens erlangten Neuerwerb. Sie wurde mithin zugunsten der Insolvenzgläubiger erweitert. Die Anknüpfung an das Insolvenzverfahren besitzt für den Schuldner die weitere unmittelbare Folge, dass er überhaupt erst Zugang zum Restschuldbefreiungsverfahren erlangt, wenn er einen Insolvenzgrund vorweisen kann und die Verfahrenskosten aufbringt. Das Insolvenzgrunderfordernis trägt der Prämisse Rechnung, dass Restschuldbefreiung ausschließlich einem wirtschaftlich in Not geratenen, d. h. „bedürftigen“ Schuldner gewährt werden darf, wobei es den Kreis der Zugangsberechtigten allerdings recht großzügig absteckt. Eine wirkliche Zugangsschranke stellte demgegenüber die in der ursprünglichen Fassung der InsO vorgesehene Verfahrenskostentragungspflicht dar. Die Entscheidung des Gesetzgebers ging insoweit dahin, dass es jedenfalls keine Restschuldbefreiung auf Kosten des Staates geben sollte. Die Aufbringung der Verfahrenskosten sollte vielmehr in den Verantwortungsbereich des Schuldners fallen. Zwecks Haftungsverwirklichung setzte der InsO-Gesetzgeber neben der Vermögensliquidation entscheidend auf die siebenjährige Einkommensabtretung während einer Wohlverhaltensperiode und die flankierende Erwerbsobliegenheit. Dahinter steckte die die §§ 286 ff. InsO prägende Grundidee, den Schuldner im Wege eines Anreizsystems dazu anzuhalten, möglichst viel in die Befriedigungsmasse einzuwerfen.383 In der Ursprungsfassung der InsO war es vor allem dem sich aus der Kostenregelung ergebenden Ausschluss mittelloser Schuldner vom Verfahren geschuldet, dass die Gläubiger regelmäßig im Wege der Vermögensliquidation und Einkommensabtretung einen Ausgleich für ihren Rechtsverlust erhielten. Die fehlende Erfolgsabhängigkeit der Wohlverhaltensperiode fiel insofern in der Mehrzahl der Fälle nicht zu ihren Lasten ins Gewicht. Ließ der InsO-Gesetzgeber mit seiner Entscheidung, die Entschuldung natürlicher Personen von dem Durchlaufen eines Insolvenzverfahrens und einer siebenjährigen Einkommensabtretung abhängig zu machen, erkennen, dass er einen Zusammenhang zwischen den besonderen Bemühungen des Schuldners um Restschuldbefreiung und der Rechtfertigung einer staatlich verordneten Entschuldung auf Kosten der Gläubiger gesehen hat,384 soll im Weiteren untersucht werden, welche Bedeutung den Redlichkeitsvoraussetzungen im Zusammenhang mit jenem earned start-Gedanken zukommt.

383 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 182. 384 Vgl. Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 21.

C. Redlichkeit des Schuldners

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C. Redlichkeit des Schuldners Aus § 1 S. 2 InsO ergibt sich, dass allein einem redlichen Schuldner Restschuldbefreiung erteilt werden soll. Lediglich § 1 S. 2 InsO stellt auf den redlichen Schuldner ab. Innerhalb des Achten Teils der InsO wird auf diesen Begriff nicht mehr Bezug genommen.385 Eine gesetzliche Definition fehlt gänzlich. Im natürlichen Sprachgebrauch wird unter einer redlichen Person gemeinhin eine solche gefasst, die rechtschaffen, aufrichtig, ehrlich und verlässlich ist.386 Wie bereits an anderer Stelle dargestellt, liegt der InsO allerdings ein eigener – vom natürlichen Sprachgebrauch losgelöster – Redlichkeitsbegriff zugrunde. Welcher Schuldner als redlich i. S. d. § 1 S. 2 InsO anzusehen ist, ergibt sich aus den Versagungs- und Widerrufsvorschriften der §§ 286 ff. InsO.387 Dies bedeutet allerdings nicht, dass obige, im alltäglichen Sprachgebrauch unter den Begriff gefasste Charaktereigenschaften nicht Einzug in die Redlichkeitsvoraussetzungen der §§ 286 ff. InsO gefunden hätten. So normieren die Versagungs- und Widerrufsvorschriften letztlich typische Verfehlungen, die den oben genannten Charakteristika zuwiderlaufen und die der Schuldner unterlassen muss, möchte er sich die Möglichkeit der Restschuldbefreiung erhalten. Im Folgenden ist das System der Redlichkeitsvoraussetzungen näher zu betrachten. Zunächst soll die gesetzliche Systematik der Versagungs- und Widerrufsgründe nachvollzogen und die einzelnen Tatbestände inhaltlich kurz erläutert werden. Diese Vorgehensweise erlaubt es, ihren legislatorischen Zweck genauer herauszuarbeiten und anhand der Ergebnisse Schwerpunkte („Facetten“) zu bilden. Ziel soll es sein, die Vorschriften – falls möglich – nach jenen Facetten zu gruppieren und ein Bild von dem Schuldner zu zeichnen, der nach der Ausgangsfassung der InsO als redlich galt. Zuletzt ist zu bewerten, ob der InsO-Gesetzgeber mithilfe der Redlichkeitsanforderungen den im Grundlagenteil aufgestellten Prämissen Rechnung getragen hat.

I. Das System der Redlichkeitsvoraussetzungen 1. Absage an eine Generalklausel und Entscheidung für festgelegte Ausnahmevorschriften a) Abschließende Regelung der Versagungs- und Widerrufsgründe Der InsO-Gesetzgeber entschied sich bewusst gegen die Verankerung eines Unredlichkeitskriteriums in einer Generalklausel und sah auch von einer Kodifi385

Ahrens, ZVI 2003, 509, 514; T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 323. 386 Dudenredaktion (o. J.), „redlich“ auf Duden online, abrufbar unter: https://www.duden. de/suchen/dudenonline/redlich (zuletzt geprüft am 15.3.2020). 387 Zum engen und weiten Redlichkeitsbegriff siehe oben S. 67 f.

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kation in Form von Regelbeispielen ab.388 Stattdessen wählte er eine enumerative Aufzählung von Verhaltensweisen, die zu einer Versagung oder einem Widerruf der Restschuldbefreiung führen können. Die Tatbestände sind somit als abschließend anzusehen und können nicht durch „ähnliche“ Verhaltensweisen erfüllt werden, selbst wenn darin ein vergleichbarer oder gar größerer Unrechtsgehalt liegt.389 Nach dem erklärten Willen der Verfasser soll die Umschreibung der verschiedenen Fallgruppen mit ihren Eigentümlichkeiten „der Gerechtigkeit dienen und es zugleich verhindern, die Entscheidung über Schuldbefreiung oder Haftung in ein weites Ermessen des Insolvenzgerichts zu stellen. Schuldner und Insolvenzgläubiger sollen von vornherein wissen, unter welchen Bedingungen das Privileg der Restschuldbefreiung erteilt oder versagt werden kann, damit sie die Folgen bestimmter Verhaltensweisen erkennen und vorausberechnen können.“390 Ebenso wie die Tatsache, dass die Redlichkeit keine ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung der Restschuldbefreiung ist,391 dient auch der Verzicht auf eine Generalklausel und Regelbeispiele somit der Rechtssicherheit. Der InsO-Gesetzgeber grenzte sich mit dieser Konzeption von der vergleichsrechtlichen Würdigkeitsprüfung der § 18 Nr. 1 VerglO, § 187 S. 1 KO392 ab.393 Statt eine durch die unbestimmten Kriterien von Unredlichkeit und Leichtsinn sanktionierte Sozialmoral, wurden in den §§ 290 ff. InsO einzelne funktional gestaltete Ausnahmevorschriften verankert.394 Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Redlichkeitsbegriff der §§ 286 ff. InsO für alle Zeit festgeschrieben ist. Vielmehr unterliegt er insofern einem stetigen Wandel, als jede legislative Ausweitung oder Reduzierung der Versagungs- und Widerrufsgründe gleichzeitig eine neue Vorstellung darüber hervorruft, welcher Schuldner als unredlich anzusehen ist.

388 Ahrens, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 77 Rn. 52; Stephan, in: MüKo-InsO, § 290 Rn. 4 (jeweils zu § 290 InsO); Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 7 (zu § 295 InsO). 389 Vallender/Undritz, in: Vallender/Undritz, § 11 Rn. 158; vgl. auch BGH NZI 2003, 449, 450. 390 BT-Drucks. 12/2443, S. 190. 391 Siehe dazu oben S. 67. 392 Vgl. § 18 Nr. 1 VerglO: „Die Eröffnung ist ferner abzulehnen, wenn sich aus dem Antrag des Schuldners, den ihm beigefügten Urkunden und Erklärungen, den Ermittlungen des Gerichts oder dem Gutachten der amtlichen Berufsvertretung ergibt, daß der Schuldner seinen Vermögensverfall durch Unredlichkeit, Preisschleuderei oder Leichtsinn herbeigeführt hat“ und § 187 S. 1 KO: „Der Vergleich ist zu verwerfen, wenn er den Gläubigern nicht mindestens den fünften Teil ihrer Forderungen gewährt und dieses Ergebnis auf ein unredliches Verhalten des Gemeinschuldners, insbesondere darauf zurückzuführen ist, daß der Gemeinschuldner durch ein solches Verhalten die Eröffnung des Konkursverfahrens verzögert hat“. 393 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 196 f.; T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 324; vgl. Ahrens, ZInsO 2007, 673, 674 f. 394 Vgl. Ahrens, ZVI 2003, 509, 514; ders., in: FK-InsO, § 290 Rn. 6.

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b) Vermutung der Redlichkeit Aus dem Umstand, dass die Versagungs- und Widerrufsgründe festlegen, wann ausnahmsweise ein nicht redlicher Schuldner handelt, ergibt sich weiterhin, dass das Gesetz seiner Struktur nach von einer Redlichkeitsvermutung ausgeht.395 Entsprechend dem Grundsatz, dass im Rechtsverkehr der Regelfall eines rechtmäßigen und damit redlichen Verhaltens der Beteiligten anzunehmen ist,396 gilt auch im Insolvenzverfahren jeder Schuldner als redlich, solange nicht das Gegenteil behauptet und notfalls bewiesen wurde.397 Dieser Ausgangspunkt entspricht dem Prinzip der Unschuldsvermutung.398 2. Gläubigerautonome Überwachung und Geltendmachung der Unredlichkeit Es ist weder Aufgabe des Gerichts noch des Insolvenzverwalters oder Treuhänders, sondern ausschließlich Sache der Gläubiger, die Einhaltung der sich aus den §§ 290, 295, 297 InsO ergebenden Vorgaben durch den Schuldner zu überwachen.399 Allerdings kann die Gläubigerversammlung den Treuhänder für die Zeit der Wohlverhaltensperiode gegen Zahlung einer zusätzlichen Vergütung mit der Überwachung des Schuldners besonders beauftragen, vgl. § 292 Abs. 2 S. 1, 3 InsO. In diesem Fall hat der Treuhänder die Gläubiger unverzüglich zu benachrichtigen, wenn er einen Obliegenheitsverstoß feststellt, § 292 Abs. 2 S. 2 InsO. Weiterhin kann die Unredlichkeit des Schuldners überhaupt nur Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung werden, wenn ein Gläubiger – bzw. im Falle des § 298 InsO der Treuhänder – einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellt (vgl. §§ 290 Abs. 1, 296 Abs. 1 S. 1, 297 Abs. 1, 298 Abs. 1 S. 1, 303 Abs. 1 InsO). Das Versagungsverfahren ist mithin grundsätzlich gläubigerautonom ausgestaltet. Keinesfalls ist das Insolvenzgericht befugt, dem Schuldner von Amts wegen die Restschuldbefreiung zu versagen.400 Selbst wenn es positive Kenntnis vom Vorliegen 395

BGH ZInsO 2005, 926, 927; Ahrens, VuR 2000, 8, 12; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht Rn. 2139; Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 262. 396 Vgl. insofern die ständige Rechtsprechung zu den Obliegenheitsverletzungen im Versicherungsvertragsrecht, die zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führen können, BGHZ 132, 79, 82 = NJW 1996, 1348, 1349; BGH NJW-RR 1997, 598, 599; OLG Karlsruhe NJW 2016, 3792, 3793; siehe auch Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 286 Rn. 16. 397 Ahrens, VuR 2000, 8, 12; ders., ZVI 2003, 509, 513; vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.17. 398 So zum Versicherungsvertragsrecht Römer, NJW 1996, 2329, 2333. 399 Scholz, DB 1996, 765, 768 f.; (in Bezug auf die Wohlverhaltensperiode) Ahrens, in: FKInsO, § 292 Rn. 28 (Weil den Insolvenzgerichten auch keine Befugnis zur Überwachung des Schuldners zustehe, sei deren häufig anzutreffende Praxis, den Treuhänder zur Erstellung von jährlichen Berichten über die Einhaltung der schuldnerischen Obliegenheiten aufzufordern, unzulässig). 400 Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht Rn. 2139; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 12; Stephan, in: MüKo-InsO, § 296 Rn. 5.

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eines Versagungsgrunds hat, muss es dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilen, wenn kein Gläubiger die Versagung beantragt.401 Lediglich im Falle eines Verstoßes gegen die Verfahrensobliegenheiten aus §§ 296 Abs. 2 S. 2, 3 InsO bedarf es keines Versagungsantrags eines Gläubigers, der diesen Tatbestand aufgreift.402 In diesem Fall ist dem Schuldner die Restschuldbefreiung von Amts wegen zu versagen.403 Das Gericht hat allerdings nicht die Kompetenz, das Versagungsverfahren überhaupt von Amts wegen zu initiieren.404 Die Versagung nach § 296 Abs. 2 S. 3 InsO erfordert deshalb zwingend die Einleitung eines Versagungsverfahrens durch einen Gläubiger und einen in diesem Zusammenhang seitens des Schuldners begangenen Verstoß gegen die Verfahrensobliegenheiten. Das Recht, einen Versagungs- und Widerrufsantrag zu stellen, ermöglicht es den Gläubigern, zu verhindern, dass sie ungeachtet der Unredlichkeit des Schuldners die Umwandlung ihrer unbefriedigt gebliebenen Restforderungen in Naturalobligationen hinnehmen müssen.405 Das Antragsrecht stellt somit das Mittel zur Wahrung ihrer Rechte im Restschuldbefreiungsverfahren dar. Daher kommt ihm nach der Grundidee der §§ 286 ff. InsO auf Gläubigerseite besondere Bedeutung zu.406 Ob sie aber von ihrem Recht, einem drohenden Forderungsverlust mit einem Versagungsantrag zu begegnen, Gebrauch machen wollen, überlässt das Gesetz ihrer autonomen Entscheidung.407 Sie müssen abwägen, ob sie weiterhin Inhaber einer im vollen Umfang durchsetzbaren Forderung sein wollen oder eine sichere Befriedigungsaussicht favorisieren, dafür aber einen Teil ihrer Forderungen nicht mehr durchsetzen können.408 Das Antragsrecht ist gewissermaßen ein letztes Relikt der während der Konkursordnung bestehenden vollständigen Entscheidungsfreiheit der Gläubiger über das „Ob“ einer Entschuldung, die mit der Möglichkeit einer gesetzlichen Restschuldbefreiung aufgegeben wurde. Hinter der Entscheidung des Gesetzgebers, die Gläubiger zu den Herren des Versagungsverfahrens zu machen, steht der Gedanke, dass sie es sind, die einen finanziellen Verlust erleiden.409 Daher sind sie als „diejenigen, die es angeht“ auch (exklusiv) zur Kontrolle des Schuldners berufen.410 Das Antragsrecht besteht dabei unabhängig von der eigenen Betroffenheit des antragsstellenden Gläubigers, d. h., er muss durch das unredliche Verhalten des 401

Bartels, KTS 2013, 349, 381; Hoops, jurisPR-InsR 16/2007, Anm. 1. Vgl. BGH ZInsO 2011, 1319, 1320. 403 G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 41 Rn. 53; Preuß, in: JaegerInsO, § 296 Rn. 49; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 296 Rn. 35; Streck, in: HambK-InsO, § 296 Rn. 19; Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 16. 404 BGH ZInsO 2012, 1580 f.; Weinland, in: A/G/R-InsO, § 296 (alt) Rn. 5. 405 Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 321 f. 406 Döbereiner, a. a. O., S. 320; Jacobi, ZVI 2010, 289. 407 Hoops, jurisPR-InsR 16/2007, Anm. 1. 408 Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 46. 409 Siehe BT-Drucks. 12/2443, S. 190: „Allein die Gläubiger sollen darüber entscheiden, ob Versagungsgründe zu überprüfen sind, weil es um den Verlust ihrer Forderungen geht“. 410 Bartels, KTS 2013, 349, 381. 402

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Schuldners nicht selbständig geschädigt sein.411 Als Ausdruck des hinter den Versagungsgründen stehenden Zwecks, unredlichen Schuldnern die Restschuldbefreiung vorzuenthalten, genügt es für die Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses hinsichtlich des Versagungsantrags, wenn sich der Schuldner gegenüber irgendeinem Gläubiger unredlich verhalten hat.412 3. Das System der Redlichkeitsvoraussetzungen innerhalb der Konzeption der §§ 286 ff. InsO a) Zeitliche Anwendbarkeit der einzelnen Redlichkeitsvoraussetzungen und Folgen der verfahrensrechtlichen Geltendmachung eines Verstoßes Wie bereits angeklungen ist, muss bei den Redlichkeitsvoraussetzungen zwischen Versagungsgründen, Obliegenheitsverletzungen und Widerrufsgründen differenziert werden. Maßgeblich ist diese Unterscheidung einerseits für die Frage, in welcher Verfahrensphase den Schuldner welche Redlichkeitsvoraussetzungen treffen, und andererseits für den Zeitpunkt der verfahrensrechtlichen Geltendmachung sowie die Folgen eines Verstoßes. Für jeden Verfahrensabschnitt gelten eigene Ausschlussgründe mit speziellen Voraussetzungen.413 Bis zum Schlusstermin des Insolvenzverfahrens gelten ausschließlich die Versagungsgründe nach § 290 Abs. 1 InsO.414 Gegen diese darf der Schuldner nicht verstoßen, möchte er nicht die Versagung der Restschuldbefreiung befürchten. Im Schlusstermin – und nach der Ursprungsfassung des § 290 InsO ausschließlich darin – wird den Gläubigern die Gelegenheit gegeben, einen entsprechenden Versagungsantrag zu stellen.415 Nach Ende des Schlusstermins sind die Versagungsgründe des § 290 InsO präkludiert.416 Dieser besitzt mithin eine Zäsurwirkung. Der Anwendungsbereich des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO geht allerdings fließend in denjenigen des § 297 InsO über.417 Deshalb kann dem Schuldner die Restschuldbe-

411 BGH ZVI 2017, 41, 42; BGH ZVI 2012, 78, 79; G. Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Kap. 17 Rn. 114; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 17; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 290 Rn. 8. 412 OLG Celle ZInsO 2000, 456, 457; ders., in: Mohrbutter/Ringstmeier, Kap. 17 Rn. 114; Streck, in: HambK-InsO, § 290 Rn. 2; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 290 Rn. 8; Wenzel, in: KPB-InsO, § 290 Rn. 7. 413 Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 4; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 290 Rn. 3. 414 G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 41 Rn. 21; Preuß, in: JaegerInsO, § 295 Rn. 6; Waltenberger, in: HK-InsO, § 290 Rn. 3; Wenzel, in: KPB-InsO, § 290 Rn. 2. 415 Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 260; G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 41 Rn. 21. 416 Ahrens, in: FK-InsO, § 290 Rn. 9; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 290 Rn. 3; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 11. 417 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 2.

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freiung auch im Falle einer nach dem Schlusstermin erfolgten rechtskräftigen Verurteilung wegen einer einschlägigen Insolvenzstraftat versagt werden.418 Ergibt die gerichtliche Prüfung während des Schlusstermins einen Versagungsgrund gem. § 290 InsO, wird die Restschuldbefreiung versagt, bevor der Schuldner in die Wohlverhaltensperiode gelangt.419 In diesem Fall behalten die Gläubiger ihr Nachforderungsrecht. Kommt das Insolvenzgericht dagegen zu dem Ergebnis, dass kein Versagungsgrund vorliegt, kündigte es nach der Ausgangsfassung der InsO noch im gleichen Termin die Restschuldbefreiung durch Beschluss an. Dazu stellte es fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 InsO oder § 298 InsO nicht vorliegen, § 291 Abs. 1 InsO a. F. Gegen den Beschluss stand dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der im Schlusstermin einen Versagungsantrag gestellt hat, die sofortige Beschwerde zu, § 289 Abs. 2 S. 1 InsO a. F. (vgl. § 290 Abs. 3 S. 1 InsO n. F.). Mit Rechtskraft des Beschlusses über die Ankündigung der Restschuldbefreiung wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben (§ 289 Abs. 2 S. 2 InsO a. F.) und die siebenjährige Wohlverhaltensperiode sowie die parallel laufende Laufzeit der Abtretungserklärung420 setzten ein. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens stellt den Übergangspunkt der ersten Phase des Restschuldbefreiungsverfahrens (Vorverfahren) in die zweite Verfahrensetappe (Hauptverfahren) dar. In Bezug auf die Redlichkeitsvoraussetzungen ist dieser Zeitpunkt insofern maßgeblich, als den Schuldner von nun an die Obliegenheiten des § 295 InsO treffen. Darüber hinaus muss er gem. § 298 InsO die Mindestvergütung des Treuhänders decken. Die verfahrensrechtliche Geltendmachung von Verstößen richtet sich während der Wohlverhaltensperiode nach einem eigenständigen Versagungsverfahren, das in § 296 InsO geregelt ist.421 Zwar bezieht sich § 296 InsO unmittelbar auf den Verstoß gegen Obliegenheiten nach § 295 InsO, jedoch gelten seine Verfahrensregelungen aufgrund entsprechender Verweisungen auch teilweise für Versagungsanträge nach § 297 InsO und § 298 InsO. Sowohl ein Antrag wegen einer Obliegenheitsverletzung nach § 296 InsO als auch ein Versagungsantrag nach § 297 InsO kann von den Gläubigern nun jederzeit gestellt werden;422 spätestens jedoch binnen eines Jahres nach Kenntniserlangung von der Obliegenheitsverletzung, § 296 Abs. 1 S. 2 InsO bzw. § 297 Abs. 2 i. V. m. § 296 Abs. 1 S. 2 InsO. Nach Ablauf der Jahresfrist gestellte Anträge sind unzulässig.423 Bei einem Antrag auf Versagung nach § 298 InsO wegen fehlender Deckung der Mindestver418 419 420 421 422

261.

Ahrens, in: FK-InsO, § 297 Rn. 1; Stephan, in: MüKo-InsO, § 297 Rn. 1. Heyer, Restschuldbefreiung, S. 53. Zur Änderung dieser Begrifflichkeit im Wege der Reform 2014, S. 190 Fn. 1003. Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 543; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 296 Rn. 2. Vgl. Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 543; Meller-Hannich, KTS 2011, 258,

423 Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 296 Rn. 25; Streck, in: HambK-InsO, § 296 Rn. 5.

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gütung besteht die Besonderheit, dass er ausschließlich seitens des Treuhänders gestellt werden kann und erst dann, wenn dieser schon ein Jahr lang keine Mindestvergütung erhalten hat.424 Im Hinblick auf andere Versagungsgründe besitzt der Treuhänder kein Antragsrecht.425 Während des Versagungsverfahrens treffen den Schuldner gem. § 296 Abs. 2 S. 2, 3 InsO zusätzlich drei verfahrensbezogene Informations- und Mitwirkungsobliegenheiten.426 Verletzt er eine dieser Verfahrensobliegenheiten, ist ihm die Restschuldbefreiung von Amts wegen zu versagen, § 296 Abs. 2 S. 3 InsO. Die Vorschrift normiert einen eigenständigen Versagungsgrund.427 Eine weitere Besonderheit des Versagungsverfahrens während der Wohlverhaltensperiode besteht darin, dass jederzeit über einen Versagungsantrag entschieden werden kann.428 § 296 InsO schafft insofern die Möglichkeit, die Wohlverhaltensperiode vorzeitig abzubrechen.429 Auch hier ist – je nach Ausgang des Verfahrens – sowohl der Antragsteller als auch der Schuldner berechtigt, mit der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts vorzugehen, § 296 Abs. 3 S. 1 InsO (i. V. m. § 297 Abs. 2 InsO bzw. § 298 Abs. 3 InsO). Die Rechtsfolgen einer vorzeitigen Beendigung wegen einer Versagung nach den §§ 296, 297 oder 298 InsO sind in § 299 InsO geregelt. Danach enden mit der Rechtskraft der Entscheidung die Laufzeit der Abtretungserklärung (Abtretungsfrist), das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Gläubiger. Der Schuldner wird somit wieder Inhaber der gegen seinen Arbeitgeber gerichteten Forderungen.430 Da die Einschränkungen des § 294 InsO nicht mehr gelten, ist auch wieder eine Zwangsvollstreckung seitens der Gläubiger möglich.431 Zudem lebt das unbeschränkte Nachforderungsrecht gem. § 201 InsO mit der Rechtskraft der Versagungsentscheidung wieder auf.432 Ist die Laufzeit der Abtretungserklärung (Abtretungsfrist) ohne eine vorzeitige Beendigung verstrichen, so enden zunächst automatisch die während der Wohlverhaltensperiode bestehenden Bindungen des Schuldners. D. h. zum einen enden die Wirkungen der Abtretungserklärung und zum anderen die Notwendigkeit, den 424 425 426 427 428 429

Rn. 1.

Vgl. Montag, in: PrivatInsRK, § 298 Rn. 4 f.; Wenzel, in: KPB-InsO, § 298 Rn. 1. A. Schmidt, Privatinsolvenz § 6 Rn. 6; Streck, in: HambK-InsO, § 296 Rn. 1. Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 543; ders., in: FK-InsO, § 296 Rn. 2. Streck, in: HambK-InsO, § 296 Rn. 19, Wenzel, in: KPB-InsO, § 296 Rn. 16. Ahrens, in: FK-InsO, § 296 Rn. 5. Ahrens, in: FK-InsO, § 296 Rn. 1; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 296

430 Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 299 Rn. 7; Pehl, in: Braun-InsO, § 299 Rn. 6; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 299 Rn. 9; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 299 Rn. 4. 431 Pehl, in: Braun-InsO, § 299 Rn. 8; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 299 Rn. 6. 432 Pehl, in: Braun-InsO, § 299 Rn. 8; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 299 Rn. 6; Waltenberger, in: HK-InsO, § 299 Rn. 4; Wenzel, in: KPB-InsO, § 299 Rn. 1.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

Obliegenheiten nach § 295 InsO nachzukommen.433 Darüber hinaus entscheidet das Insolvenzgericht nach diesem Zeitpunkt schließlich durch Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung, § 300 Abs. 1 S. 1 InsO. Der Schuldner erlangt die Befreiung von seinen restlichen Verbindlichkeiten demgemäß nicht schon allein durch den Ablauf der Laufzeit der Abtretungserklärung (Abtretungsfrist), sondern erst durch eine konstitutive gerichtliche Entscheidung.434 Zuvor müssen die Insolvenzgläubiger, der Treuhänder und der Schuldner schriftlich oder mündlich angehört werden.435 Während der Anhörung kann jeder Insolvenzgläubiger nach § 296 Abs. 1 InsO bzw. § 297 InsO und der Treuhänder nach § 298 InsO zum letzten Mal eine Versagung der Restschuldbefreiung beantragen.436 Liegt ein entsprechender Antrag vor und sind die Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 oder 2 S. 3 InsO bzw. der §§ 297, 298 InsO zu bejahen, versagt das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung, § 300 Abs. 2 InsO a. F. (vgl. § 300 Abs. 3 n. F.).437 Dagegen ergeht zwingend eine positive Entscheidung über die Restschuldbefreiung, wenn ein Versagungsantrag entweder nicht gestellt wird oder unzulässig bzw. unbegründet ist. Dem Insolvenzgericht steht insofern kein Ermessen zu.438 Gegen die Entscheidung kann im Falle der Versagung der Schuldner bzw. im Falle der Ablehnung eines Versagungsantrags der antragstellende Gläubiger mit der sofortigen Beschwerde vorgehen, vgl. § 300 Abs. 4 S. 2 InsO. Kommt es zur Befreiung des Schuldners von seinen restlichen Verbindlichkeiten durch gerichtlichen Beschluss gem. § 300 Abs. 1 S. 1 InsO, so ist es den Insolvenzgläubigern nur noch möglich, einen Widerruf der Restschuldbefreiung wegen einer ihnen nachträglich bekannt gewordenen Obliegenheitsverletzung gem. § 303 Abs. 1 InsO zu erwirken, wobei der darauf gerichtete Antrag innerhalb eines Jahres nach der Rechtskraft der Entscheidung erfolgen muss, § 303 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 InsO.439 Wird die Restschuldbefreiung widerrufen, steht den Gläubigern ihr freies Nachforderungsrecht zu, das sie im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen können.440

433

Ahrens, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 79 Rn. 4; Wenzel, in: KPB-InsO, § 300 Rn. 10. Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 1; vgl. Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 300 Rn. 1. 435 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 12; Stephan, in: MüKo-InsO, § 300 Rn. 24. 436 Ahrens, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 79 Rn. 7; Stephan, in: MüKo-InsO, § 300 Rn. 24. 437 Auch wenn sich die Rechtsfolgen einer Versagung nicht nach § 299 InsO richten, da dieser ausschließlich die vorzeitige Beendigung der Wohlverhaltensperiode betrifft, ergeben sich letztlich die gleichen Rechtsfolgen, Lang, in: Braun-InsO (Aufl. 5), § 300 Rn. 5. 438 Ahrens, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 79 Rn. 8; Pehl, in: Braun-InsO, § 300 Rn. 14; Stephan, in: MüKo-InsO, § 300 Rn. 24. 439 Bartels, KTS 2013, 349, 382; Wenzel, in: KPB-InsO, § 296 Rn. 4. 440 Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 303 Rn. 13. 434

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b) Abgestuftes Versagungs- und Widerrufssystem Das Versagungs- und Widerrufssystem der §§ 286 ff. InsO ist so ausgestaltet, dass die Anforderungen an die Versagung bzw. den Widerruf der Restschuldbefreiung im Laufe des Verfahrensfortgangs steigen.441 Der Schuldner soll mit jedem Verfahrensschritt, wie etwa einem erfolgreich abgeschlossenen Insolvenzverfahren oder einer durchgestandenen Wohlverhaltensperiode, umso mehr darauf vertrauen dürfen, eine (dauerhafte) Restschuldbefreiung zu erhalten, und keine vorschnelle Versagung bzw. einen leichtfertigen Widerruf befürchten müssen.442 Dementsprechend setzt die Versagung nach § 296 Abs. 1 InsO erschwerend voraus, dass die Verletzung einer der Obliegenheiten des § 295 InsO zu einer Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung geführt hat, wohingegen § 290 InsO eine solche Anforderung grundsätzlich443 nicht aufweist.444 Das Merkmal erfordert eine konkret messbare wirtschaftliche Schlechterstellung der Gläubiger; eine Gefährdung der Befriedigungsinteressen reicht dagegen nicht aus.445 Im Rahmen des Widerrufsverfahrens nach § 303 InsO verlangt das Gesetz sogar eine erhebliche Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung, deren Vorliegen nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen ist.446 Zudem werden im Gegensatz zu den Versagungsregeln während des Insolvenzverfahrens bzw. der Wohlverhaltensperiode, bei denen auch grob fahrlässiges Verhalten (§ 290 Abs. 1 Nr. 2, 4, 5, 6 InsO) oder sogar einfache Fahrlässigkeit (vgl. § 296 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 InsO) maßgeblich sein können, nur vorsätzliche Obliegenheitsverletzungen geahndet. Damit sind die gesetzlichen Hürden im Widerrufsverfahren am höchsten angesetzt. Auf diese Weise soll der bereits erfolgten rechtskräftigen Entscheidung über die Restschuldbefreiung und der ihr vorausgegangenen mehrjährigen Verfahrensdauer Rechnung getragen werden.447 Eine Durchbrechung der Rechtskraft ist lediglich in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Grundsätzlich erfordern es der nach den Rechtskraftgrundsätzen angestrebte Rechtsfrieden, die geschützten Interessen des Schuldners auf der einen und das Vertrauen der Neugläubiger sowie der Gläubiger ausgenommener Forderungen i. S. d. § 302 InsO in eine erteilte Schuldbefreiung auf der anderen Seite, den Fortbestand der Restschuldbefreiung höher als das Korrekturinteresse des Antrag stellenden Gläubigers zu gewichten.448

441 Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 541; ders., in: FK-InsO, § 295 Rn. 4; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 11; Weinland, in: A/G/R-InsO, § 295 (alt) Rn. 9. 442 Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 14; vgl. ders., in: A/G/R-InsO, § 295 (alt) Rn. 9. 443 Eine Ausnahme bildet die Nr. 4 und seit der Reform 2014 auch die Nr. 7 des § 290 InsO. 444 Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, S. 542; ders., in: FK-InsO, § 290 Rn. 17. 445 BGH ZInsO 2011, 2101; BGH ZInsO 2010, 391, 392; Waltenberger, in: HK-InsO, § 296 Rn. 2. 446 Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 308; Waltenberger, in: HK-InsO, § 303 Rn. 2. 447 Ahrens, in: FK-InsO, § 303 Rn. 7. 448 Ahrens, in: FK-InsO, § 303 Rn. 7; Möhring, ZVI 2016, 383, 387.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

c) Beweisrechtliche Grundsätze Das Versagungs- und Widerrufsverfahren ist weitgehend kontradiktorisch ausgestaltet.449 Ein zulässiger Versagungs- bzw. Widerrufsantrag erfordert zunächst einen schlüssig vorgetragenen Versagungs- bzw. Widerrufsgrund.450 Dem Schuldner steht es zu, die vorgetragenen Gründe zu bestreiten.451 Unterlässt er dies, gilt der Vortrag des Gläubigers als zugestanden.452 Hat der Schuldner den Versagungsgrund substantiiert bestritten, ist er seitens des Gläubigers nach den Grundsätzen des § 294 ZPO glaubhaft zu machen.453 Das Erfordernis der Glaubhaftmachung soll verhindern, dass das Gericht aufgrund einer einfachen Behauptung des Gläubigers aufwändige Ermittlungen durchführen muss.454 Die konkreten beweisrechtlichen Anforderungen hängen davon ab, ob ein Versagungsverfahren nach § 290 InsO bzw. § 296 InsO (i. V. m. § 297 InsO) oder ein Widerrufsverfahren in Rede steht. Im Rahmen eines Verfahrens nach § 290 InsO muss der Gläubiger lediglich das Vorliegen eines Versagungsgrunds glaubhaft machen, § 290 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 InsO. Dagegen bedarf es beim Versagungsweg über § 296 InsO neben der Glaubhaftmachung einer Obliegenheitsverletzung auch einer solchen bezüglich der beeinträchtigten Befriedigung der Insolvenzgläubiger455 und der Einhaltung der Antragsfrist mit dem Zeitpunkt der Kenntnis, vgl. § 296 Abs. 1 S. 3 InsO.456 Das Verschulden des Schuldners muss nicht glaubhaft gemacht werden, weil er sich dahingehend exkulpieren muss, vgl. § 296 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 InsO.457 Aufgrund der Verweisung in § 297 Abs. 2 InsO gelten die beweisrechtlichen Anforderungen des § 296 InsO auch für die Geltendmachung eines Versagungsgrunds nach § 297 InsO. Dabei ist glaubhaft zu machen, welches Gericht den Schuldner wann verurteilt hat und wann der Gläubiger Kenntnis von der Verurteilung erlangt hat.458 Beantragt der Gläubiger einen Widerruf der Restschuldbefreiung, muss er gem. § 303 Abs. 2 S. 2 InsO eine 449

Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 296 Rn. 4; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 7; dies., in: Jaeger-InsO, § 303 Rn. 30. 450 Ahrens, in: FK-InsO, § 290 Rn. 209; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 7 (zu § 290 InsO). 451 Ahrens, in: FK-InsO, § 290 Rn. 210 (zu § 290 InsO). 452 Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 296 Rn. 4 (zu § 296 InsO); G. Pape/Uhlenbruck/VoigtSalus, Insolvenzrecht Kap. 41 Rn. 22 (zu § 290 InsO). 453 Ahrens, in: FK-InsO, § 290 Rn. 210 (zu § 290 InsO); Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 251; zu den Mitteln der Glaubhaftmachung Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 290 Rn. 21 f. 454 BGHZ 156, 139, 142 = NJW 2003, 3558; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 290 Rn. 19. 455 Versagungsanträge „ins Blaue hinein“, bei denen die Gläubigerbenachteiligung lediglich pauschal vermutet wird, genügen insoweit nicht, BGH ZInsO 2010, 391, 392. 456 Ahrens, in: FK-InsO, § 296 Rn. 56; Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 296 Rn. 8; G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 41 Rn. 53; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 296 Rn. 18. 457 BGH NJW-Spezial 2010, 53; G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 41 Rn. 53; Streck, in: HambK-InsO, § 296 Rn. 8; Weinland, in: A/G/R-InsO, § 296 (alt) Rn. 13. 458 Ahrens, in: FK-InsO, § 297 Rn. 20; Weinland, in: A/G/R-InsO, § 297 (alt) Rn. 5.

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vorsätzliche Obliegenheitsverletzung und eine dadurch kausal verursachte erhebliche Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung anhand von Tatsachen glaubhaft machen, die sich erst nachträglich herausgestellt haben.459 Zudem ist von ihm glaubhaft zu machen, dass er bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung keine Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung hatte.460 Ist dem Gläubiger die Glaubhaftmachung des Versagungs- oder Widerrufsgrunds gelungen, setzt die Pflicht des Insolvenzgerichts ein, sein Vorliegen von Amts wegen (§ 5 Abs. 1 S. 1 InsO) zu ermitteln.461 Der Amtsermittlungsgrundsatz ändert jedoch nichts daran, dass den Gläubiger die Feststellungslast trifft, weshalb der Antrag des Gläubigers zurückzuweisen ist, falls nach Ausschöpfung der gem. § 5 InsO gebotenen Maßnahmen Zweifel am Vorliegen des geltend gemachten Versagungstatbestandes verbleiben.462 Weil die Gesetzesstruktur vom Regelfall eines redlichen Schuldners ausgeht, darf die Restschuldbefreiung nur versagt werden, wenn das Insolvenzgericht die volle Überzeugung (§ 286 ZPO) gewonnen hat, dass der vom Gläubiger behauptete Versagungsgrund erfüllt ist.463 d) Pflichten und Obliegenheiten Während es sich bei den Versagungsgründen des § 290 InsO um Tatbestände handelt, die die Einhaltung von Pflichten des Schuldners regeln,464 sind die Anforderungen aus § 295 InsO als Obliegenheiten, d. h. als Verhaltensanforderungen, deren Einhaltung nicht klageweise erzwungen werden kann, sondern im eigenen Interesse des dadurch Belasteten liegen, ausgestaltet.465 Kommt der Schuldner ihnen nicht nach, riskiert er, die Möglichkeit der Restschuldbefreiung zu verlieren, und beeinträchtigt auf diese Weise seine eigene Rechtsposition.466 Die Obliegenheiten werden dem Schuldner zu Gunsten der Gläubiger auferlegt.467 Im Wege der §§ 295, 296 InsO hat der Gesetzgeber damit eine Konstruktion gewählt, die den Schuldner als

459 Stephan, in: MüKo-InsO (Aufl. 3), § 303 (alt) Rn. 5; Weinland, in: A/G/R-InsO, § 303 (alt) Rn. 9. 460 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 303 Rn. 31; Weinland, in: A/G/R-InsO, § 303 (alt) Rn. 10. 461 BGHZ 156, 139, 146 = NJW 2003, 3558, 3560; G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 41 Rn. 22 (jeweils zu § 290 InsO); Ahrens, in: FK-InsO, § 296 Rn. 64 (zu § 296 InsO); Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 303 Rn. 19 (zu § 303 InsO). 462 BGHZ 156, 139, 147 = NJW 2003, 3558, 3560; BGH ZInsO 2005, 926, 927. 463 BGHZ 156, 139, 147 = NJW 2003, 3558, 3560; BGH ZInsO 2005, 926, 927. 464 Stephan, in: MüKo-InsO, § 290 Rn. 6; vgl. Ahrens, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch/ Lackmann, § 290 Rn. 15. 465 Zu § 295 Abs. 1 InsO: Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 19; Weinland, in: A/G/RInsO, § 295 (alt) Rn. 4; zu § 295 Abs. 2 InsO: vgl. Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 295 Rn. 15. 466 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 98. 467 Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 16; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 19.

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Regelungsadressaten dazu anhält, fremden Belangen im wohlverstandenen eigenen Interesse nachzukommen.468 Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, stellen sich letztlich auch die während des Insolvenzverfahrens vorgesehenen Pflichten des § 290 InsO gleichzeitig als Obliegenheiten des Schuldners dar.469 So darf er die dort gegenüber seinen Gläubigern bestehenden Verhaltensanforderungen nicht verletzen, möchte er nicht die Versagung der Restschuldbefreiung riskieren. Wie schon der Wortlaut des § 1 S. 2 InsO, der von einer „Gelegenheit“ zur Entschuldung spricht, unterstreicht auch die Systematik der Redlichkeitsvoraussetzungen, dass die Restschuldbefreiung dem Schuldner lediglich ein Angebot eröffnet, das er wahrnehmen kann, aber nicht muss.470

II. Übersicht über den Inhalt und Zweck der einzelnen Vorschriften Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass für die Fragen, wann welcher Ausschlussgrund geltend gemacht werden kann und unter welchen Voraussetzungen eine Versagung der Restschuldbefreiung erfolgreich ist, entscheidend ist, in welchem Abschnitt sich das Verfahren befindet. Im Folgenden werden die Verhaltensanforderungen, die die §§ 290, 295, 296 Abs. 2 S. 2, 3, 297, 303 InsO im Einzelnen aufstellen, genauer betrachtet. Dabei soll sich bereits ihrem legislatorischen Zweck angenähert werden. 1. Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat (§ 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 297 InsO) § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO schafft eine Versagungsmöglichkeit für den Fall, dass der Schuldner bereits wegen Bankrotts (§ 283 StGB), Bankrotts in besonders schwerem Fall (§ 283a StGB), Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b InsO) oder Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) rechtskräftig verurteilt wurde. In den genannten Insolvenzstraftatbeständen sind bestimmte Verhaltensweisen erfasst, durch welche die Gläubigerbefriedigung erheblich beeinträchtigt oder gefährdet wird.471 Hat ein Schuldner einen der Tatbestände verwirklicht, um seine Gläubiger zu benachteiligen oder sich selbst einen Vorteil zu verschaffen, soll er nach dem Willen des Gesetzgebers keine Restschuldbefreiung beanspruchen können.472 Eine Verurteilung wegen einer Straftat außerhalb des Katalogs des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wie etwa wegen 468 469 470 471 472

Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 19; Weinland, in: A/G/R-InsO, § 295 (alt) Rn. 4. Preuß, in: Jaeger-InsO, § 303 Rn. 10. Heyer, Restschuldbefreiung, S. 98. BT-Drucks. 12/2443, S. 190. Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 190.

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Betrugs oder Untreue, kann hingegen aufgrund der fehlenden Analogiefähigkeit der Versagungsgründe keine Grundlage für eine Versagung darstellen.473 Damit das Gericht nicht selbst die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Straftat prüfen muss, umfasst § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur rechtskräftige Verurteilungen,474 für deren Berücksichtigung in der Ursprungsfassung der InsO keine zeitliche Grenze enthalten war. Bei strenger Anwendung des Wortlauts bedeutete dies, dass der Schuldner nie wieder die persönlichen Voraussetzungen für eine Restschuldbefreiung erbringen konnte und somit dauerhaft von ihr ausgeschlossen war, wenn er rechtskräftig verurteilt wurde.475 Weil dabei jedoch der auch im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unberücksichtigt bliebe, setzte die Rechtsprechung dem Versagungstatbestand insofern eine zeitliche Grenze, als sie von einer Versagung nach Ablauf der Tilgungsfristen im Bundeszentralregister absah.476 Die Straftat muss nicht in einem konkreten Bezug zu dem aktuellen Insolvenzverfahren, in dem der Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt wurde, stehen.477 Dies folgt zum einen aus der Absicht des Gesetzgebers, das Insolvenzgericht von einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Strafurteil weitgehend freizuhalten.478 Zum anderen spricht dafür die uneingeschränkte Verweisung des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf die Straftatbestände der §§ 283 bis 283c StGB.479 Diese erfasst nämlich auch das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 283b StGB, dessen Tatbestand keinen Bezug der Pflichtverletzung zu der konkret eingetretenen Insolvenz voraussetzt. Vielmehr führt bereits die abstrakte Gefährdung der Kreditwirtschaft, die neben der Gläubigergemeinschaft Schutzgut der §§ 283 bis 283c StGB und folglich auch des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist, zu einem Ausschluss der Redlichkeit des Schuldners.480 Ergeht die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des Schuldners in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder 473 Hess, in: KK-InsO, § 1 Rn. 30; Heyer, Restschuldbefreiung, S. 65; A. Schmidt, in: HambK-InsO, § 1 Rn. 53; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 46; a. A. unter Berufung auf § 1 S. 2 InsO AG München ZVI 2003, 481 f. Zur fehlenden Analogiefähigkeit der Versagungs- und Widerrufsgründe siehe oben S. 95 f. 474 BT-Drucks. 12/2443, S. 190. Der Regierungsentwurf zur InsO ließ insofern auch die Anhängigkeit der Straftat ausreichen. Der Vorschlag des Bundesrats, den Versagungsgrund auf rechtskräftig festgestellte Straftaten einzuschränken, weil lediglich der Verdacht entsprechender Taten kein abschließendes Unredlichkeitsurteil über den Schuldner rechtfertigt (siehe BT-Drucks. 12/2443, S. 256), wurde in den weiteren Beratungen angenommen (siehe BTDrucks. 12/2443, S. 267). 475 Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 253. 476 Siehe BGH NZI 2011, 424; BGH NZI 2003, 163 f.; OLG Celle NZI 2001, 314 ff.; OLG Celle NZI 2001, 155 f.; LG Düsseldorf NJW-RR 2003, 48 f. 477 BGH NZI 2003, 163 f.; OLG Celle NZI 2001, 314 ff.; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 46. 478 Pehl, in: Braun-InsO, § 290 Rn. 11. 479 BGH NZI 2003, 163, 164; Pehl, in: Braun-InsO, § 290 Rn. 11. 480 BGH NZI 2003, 163, 164; Pehl, in: Braun-InsO, § 290 Rn. 11.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

während der Wohlverhaltensperiode, so kommt eine Versagung nach dem inhaltsgleichen Versagungsgrund des § 297 InsO in Betracht. Dieser soll einen lückenlosen Ausschluss des insolvenzstrafrechtlich in Erscheinung getretenen Schuldners von der Restschuldbefreiung sicherstellen.481 Zumeist wird es sich um Verurteilungen handeln, die in dem aufgehobenen Insolvenzverfahren ihre Ursache haben.482 2. Unrichtige und unvollständige Angaben über wirtschaftliche Verhältnisse (§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO) Als unredlich wird gem. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch ein Schuldner angesehen, der vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige bzw. unvollständige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, um Sozialleistungen oder andere Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder um Steuerzahlungen oder andere Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.483 Dabei werden ausschließlich solche Falschangaben berücksichtigt, die in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag gemacht wurden. Das Erfordernis der zeitlichen Nähe des Fehlverhaltens zu dem Zeitpunkt, in dem über die Restschuldbefreiung zu entscheiden ist, gründet zum einen in der Tatsache, dass vorsätzliche oder grob fahrlässige unrichtige oder unvollständige Angaben über die (damaligen) wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners umso weniger Rückschlüsse über dessen (derzeitige) Redlichkeit erlauben, je länger sie zurückliegen, und zum anderen in der unter diesen Umständen bestehenden Schwierigkeit, ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln festzustellen.484 Weil § 290 InsO abschließend ist, kann die Versagung auch nicht auf eine unterlassene Berichtigung der falschen Angaben innerhalb der Dreijahresfrist gestützt werden, wenn das vorzuwerfende Verhalten außerhalb des maßgeblichen Zeitraums liegt.485 Vor diesem Hintergrund werden von § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO weiterhin nur unzutreffende Erklärungen, die wegen der drei aufgeführten Gründe (Erlangung eines Kredits, Erlangung von öffentlichen Leistungen oder Vermeidung von Leistungen an öffentliche Kassen) abgegeben wurden, erfasst.486 Eine Versagung kann mithin nicht auf andere Gründe – etwa unrichtige oder unvollständige Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse beim Abschluss von Werkverträgen mit

481 482 483 484 485 486

Vgl. Stellungnahme Bundesrat zu RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 257 (zu Nr. 34). Vallender, ZAP 2016, 907, 921. BT-Drucks. 12/2443, S. 190. BGH NZI 2003, 449, 450. BGH NZI 2003, 449, 450. Pehl, in: Braun-InsO, § 290 Rn. 15.

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vorleistungspflichtigen Unternehmern oder von privaten Versicherungsverträgen – gestützt werden.487 Der Schuldner muss sein Handeln auf die in § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO genannten Ziele ausgerichtet haben (vgl. den Wortlaut „um…zu“).488 Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Erfolg des Ziels auch tatsächlich eintritt, der Schuldner also den Kredit oder die Leistung erhalten bzw. letztere vermieden hat.489 Ebenso wenig setzt der Versagungsgrund einen Ursachenzusammenhang zwischen den Angaben und Leistungen voraus.490 Die Unredlichkeit des Schuldners manifestiert sich somit bereits hinreichend in dem zielgerichteten Handeln.491 Deshalb schließt auch eine nachträgliche Korrektur während des Insolvenzverfahrens die Versagung nicht aus.492 3. Früherer Antrag auf Restschuldbefreiung (§ 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F.) Der in der Ursprungsfassung der InsO vorgesehene § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO normierte eine Sperrfrist für einen wiederholten Restschuldbefreiungsantrag. Nach der ersten Variante der Vorschrift kann dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt werden, wenn ihm eine solche in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag bereits erteilt worden ist. Die zweite Variante sieht daneben eine Versagungsmöglichkeit für die Fälle vor, in denen die Restschuldbefreiung in einem vorangegangenen Verfahren abgelehnt wurde, weil der Schuldner seinen Obliegenheiten während der Wohlverhaltensperiode nicht nachgekommen (§ 296 InsO) oder wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt worden ist (§ 297).493 Eine Versagung nach § 290 InsO oder ein Widerruf nach § 303 InsO lösen demgegenüber keine Sperrfrist aus.494

487 Kritisch insofern Heyer, Restschuldbefreiung, S. 69; Schwede, Restschuldbefreiung für Verbraucher, S. 44 f. 488 BGH NZI 2008, 195, 196; Pehl, in: Braun-InsO, § 290 Rn. 16. 489 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 70; Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 261; Pehl, in: Braun-InsO, § 290 Rn. 16; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 290 Rn. 50. 490 BGH NZI 2008, 195, 196; Ahrens, in: FK-InsO, § 290 Rn. 84; Sternal, in: UhlenbruckInsO, § 290 Rn. 61; Wenzel, in: KPB-InsO, § 290 Rn. 46. 491 BGH NZI 2008, 195, 196; Heyer, Restschuldbefreiung, S. 70; Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 261 f.; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 290 Rn. 50. 492 Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 264. 493 Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 255. 494 I. Pape/G. Pape, InsbürO 2010, 162, 165 plädieren dagegen für eine unmittelbare Anwendung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 InsO a. F. im Falle des Widerrufs der Restschuldbefreiung in einem vorangegangenen Verfahren. Sie führen an, dass dem Widerruf eine Erteilung der Restschuldbefreiung vorausgehe, weshalb die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 InsO a. F. erfüllt seien. Für eine Anwendung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 InsO a. F. im Wege eines Erst-Recht-Schlusses, Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 255.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

Nach der Intention des Gesetzgebers soll die Regelung einen Missbrauch des Insolvenzverfahrens als Mittel zur wiederholten Reduzierung der Schuldenlast verhindern.495 Unter Berufung auf den Zweck der Restschuldbefreiung, der darin bestehe, Hilfe für unverschuldet in Not geratene Personen zu bieten, nicht jedoch denjenigen eine Zuflucht zu gewähren, die bewusst finanzielle Risiken auf andere abwälzen wollen, setzte er insofern einem wiederholten Schuldenschnitt Grenzen.496 4. Gläubigerschädigung durch Begründung unangemessener Verbindlichkeiten, Vermögensverschwendung oder Antragsverzögerung (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO) Als weiterer Grund für die Versagung der Restschuldbefreiung kommt gem. § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ein verschwenderischer Lebensstil des Schuldners im letzten Jahr vor oder nach der Insolvenzantragstellung in Betracht.497 Erforderlich ist, dass der Schuldner seinen Gläubigern dadurch einen Schaden zugefügt hat, dass er vorsätzlich oder grob fahrlässig unangemessene Verbindlichkeiten begründet, sein Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat. Die Zielsetzungen dieses Versagungsgrunds bestehen in der Erhaltung des haftenden schuldnerischen Vermögens, dem Schutz der Insolvenzmasse und der Verhinderung der Gefährdung der Gläubigerbefriedigung im Schuldenbereinigungsplan- oder Insolvenzverfahren.498 Unter die ersten beiden Varianten der Vorschrift sollen nach der Gesetzesbegründung insbesondere Ausgaben für Luxusaufwendungen, aber auch die Begründung von Schadensersatzforderungen durch vorsätzliche unerlaubte Handlungen fallen.499 Es handelt sich insgesamt um die Begründung von Verbindlichkeiten oder um Ausgaben, die auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Schuldners wirtschaftlich nicht mehr nachvollziehbar sind.500 Dabei ist § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO so zu verstehen, dass dem Schuldner ein in diesem Sinne besonders unredliches Verhalten angelastet wird.501 Daher rechtfertigen die typischen insolvenzauslösenden Ursachen – wie etwa von den Ausgaben abweichende Einnahmen 495 BT-Drucks. 12/2443, S. 190; vgl. Ahrens, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch (Aufl. 6), § 290 Rn. 33. 496 Siehe BT-Drucks. 12/2443, S. 190. 497 G. Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Kap. 17 Rn. 122; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 114. 498 Ahrens, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 77 Rn. 68; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 290 Rn. 45. 499 BT-Drucks. 12/2443, S. 190. 500 BGH NZI 2009, 325, 326; G. Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Kap. 17 Rn. 122; Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 256. 501 G. Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Kap. 17 Rn. 122.

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oder geschäftliche Fehldispositionen – für sich genommen noch keine Versagung.502 Die Vorschrift erfasst vor allem Schuldner, die ihren finanziellen Zusammenbruch und damit die Forderungsausfälle der Gläubiger durch rücksichtsloses Schuldenmachen verursacht haben oder ihre Verschuldung mutwillig mit dem Ziel herbeiführen, Restschuldbefreiung zu erlangen.503 Im Wege der dritten Variante des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO soll keine Verpflichtung natürlicher Personen zur Insolvenzantragstellung statuiert werden, wie sie für die Vertretungsorgane juristischer Personen besteht.504 Vielmehr bezweckt sie, den Schuldner davon abzuhalten, durch eine Täuschung der Gläubiger über seine Vermögensverhältnisse oder in vergleichbarer Weise zu verhindern, dass ein unvermeidbares Insolvenzverfahren rechtzeitig beantragt und eröffnet wird.505 Der Tatbestand ist daher noch nicht durch eine reine Verzögerung des Antrags erfüllt, sondern setzt voraus, dass der Schuldner durch aktives Tun den Gläubiger von der Stellung eines Insolvenzantrags abhält.506 Alle Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO müssen nicht nur vorsätzlich oder grob fahrlässig erfüllt worden sein, sondern auch kausal zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger, d. h. zu einer Verminderung der Quote, geführt haben.507 Eine bloße Gefährdung reicht dagegen nicht aus.508 Erfolgen die verschwenderischen Ausgaben des Schuldners aus seinem unpfändbaren Vermögen oder verzögert er die Eröffnung eines masseunzulänglichen Verfahrens, ist eine Beeinträchtigung der Befriedigung zu verneinen.509 5. Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO) Der Gesetzgeber erwartet, dass ein Schuldner, der Restschuldbefreiung begehrt, sich kooperativ verhält, indem er seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten während des Insolvenzverfahrens nachkommt.510 Dadurch soll die korrekte Ab502

Ahrens, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 77 Rn. 68. Arnold, DGVZ 1996, 65, 68; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 290 Rn. 66; Vallender, ZAP 2016, 907, 914. 504 BT-Drucks. 12/2443, S. 190. Freilich sollte der Versagungsgrund dem natürlichen Schuldner aber einen Anreiz zur rechtzeitigen Antragstellung geben, vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 101. 505 BT-Drucks. 12/2443, S. 190. 506 AG Göttingen NZI 2015, 40 f.; AG Hamburg ZInsO 2007, 951, 952; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 290 Rn. 48; Vallender, ZAP 2016, 907, 914. 507 Andres, in: Andres/Leithaus-InsO, § 290 Rn. 24; Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 262. 508 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 76; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 88. 509 Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 290 Rn. 49 m. w. N.; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 88. 510 BT-Drucks. 12/2443, S. 190 f.; Arnold, DGVZ 1996, 65, 68; Vallender, ZAP 2016, 907, 915. 503

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

wicklung des Insolvenzverfahrens ermöglicht und letztlich seine Funktionsfähigkeit sichergestellt werden.511 Erfüllt der Schuldner jene Pflichten, die sich vor allem aus den §§ 97, 98 InsO ergeben,512 vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht, kann ihm die Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO versagt werden. Der Versagungsgrund erfasst jedoch nicht nur Verstöße im eröffneten Verfahren, sondern betrifft nach Sinn und Zweck der Norm auch die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Insolvenzeröffnungsverfahren, wie etwa nach § 20 InsO.513 Der Schuldner ist insbesondere gehalten, seine Vermögensverhältnisse vollständig offenzulegen, alle verlangten Auskünfte zu erteilen und sich auf Anordnung des Insolvenzgerichts stets zur Verfügung zu stellen.514 Darüber hinaus darf er sich weder weigern, Auslandsvermögen herbeizuschaffen, hinsichtlich dessen dem Insolvenzverwalter möglicherweise der Zugriff versperrt ist,515 noch darf er Vermögenswerte verschweigen oder verstecken.516 Die Auskunftspflichten erschöpfen sich dabei nicht nur in bloßen Antwortpflichten auf Nachfragen des Gerichts, der Gläubiger oder des Treuhänders.517 Der Schuldner muss vielmehr die betroffenen Umstände von sich aus offenlegen, soweit sie offensichtlich für das Verfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage liegen.518 Eine tatsächliche Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung ist nach dem Wortlaut des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht erforderlich. Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift, den Schuldner zur uneingeschränkten und vorbehaltlosen Erfüllung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu bewegen, genügt es, dass die Pflichtverletzung ihrer Art nach geeignet ist, die Gläubigerbefriedigung zu ge-

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Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 101; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 99. Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 290 Rn. 80. Nach § 97 Abs. 1 S. 1 und 2 InsO ist der Schuldner verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben, wobei er auch Tatsachen zu offenbaren hat, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Weiter hat der Schuldner den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen (§ 97 Abs. 2 InsO) und ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Gerichts jederzeit zur Verfügung zu stellen, um seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen (§ 97 Abs. 3 S. 1 InsO) sowie alle Handlungen zu unterlassen, die der Erfüllung dieser Pflichten zuwiderlaufen (§ 97 Abs. 3 S. 2 InsO). Schließlich muss der Schuldner auf Anordnung des Gerichts zu Protokoll an Eides statt versichern, er habe die von ihm verlangte Auskunft nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig erteilt, § 98 Abs. 1 S. 1 InsO. 513 Ahrens, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 77 Rn. 73; Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 257; Vallender, ZVI 2003, 253, 255. Durch eine Änderung des Gesetzeswortlauts im Wege der Reform 2014 wurde dies mittlerweile klargestellt. 514 BT-Drucks. 12/2443, S. 191. 515 BT-Drucks. 12/2443, S. 191. 516 Vgl. Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 290 Rn. 82; Schwede, Restschuldbefreiung für Verbraucher, S. 52 f. 517 AG Oldenburg ZInsO 2001, 1170, 1171; Heyer, Restschuldbefreiung, S. 78. 518 BGH ZInsO 2010, 477; BGH NZI 2009, 253, 254. 512

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fährden.519 Wenn Auskünfte, nach denen der Schuldner ausdrücklich gefragt wird, sanktionslos zurückgehalten werden dürften, weil ihre Erteilung für die Befriedigung der Gläubiger vermeintlich unerheblich ist, wäre es ihm zunächst überlassen zu prüfen, ob die begehrten Angaben für die Gläubiger von Belang sind; eine solche Beurteilung kann jedoch nicht im Ermessen des Schuldners liegen.520 6. Fehlerhafte Verzeichnisse (§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO a. F. bzw. § 290 Abs. 1 Nr. 6 Var. 2 InsO n. F.) Ebenso wie § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO knüpft auch § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO a. F. (§ 290 Abs. 1 Nr. 6 Var. 2 InsO n. F.) an unrichtige und unvollständige Angaben im Verfahren an, wobei er jedoch speziell für das Verbraucher- bzw. Kleininsolvenzverfahren einen weiteren Versagungsgrund normiert.521 Er bezieht sich auf solche vorsätzlich oder grob fahrlässig gemachten Falschangaben in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vom Schuldner vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen. Der Schuldner soll zu einem reibungslosen Ablauf des Verbraucherinsolvenzverfahrens beitragen, was eine ordnungsgemäße und umfassende Erstellung der genannten Verzeichnisse erfordert.522 Insofern dient der Versagungsgrund der Nr. 6 zum einen der Entlastung der Insolvenzgerichte.523 Zum anderen schützt er das berechtigte Interesse der Gläubiger an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben des Schuldners in die ihnen als Entscheidungsgrundlage für den Schuldenbereinigungsplan dienenden Unterlagen.524 Vermieden werden soll weiterhin, dass der Schuldner durch falsche Angaben einzelne Gläubiger bevorzugt, indem er sie durch Vorlage eines unvollständigen Forderungsverzeichnisses den Wirkungen des nach § 308 InsO festgestellten Schuldenbereinigungsplans entzieht.525

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BGH NZI 2011, 114; BGH NZI 2009, 253, 254 („Ein Schuldner, der seine entsprechenden Pflichten, die ihm nach der InsO auferlegt sind, verletzt, handelt unredlich. Er hat das Privileg der Restschuldbefreiung nicht verdient, denn seine Gläubiger können erwarten, dass er seine Pflichten einschränkungslos erfüllt. Sind auch die subjektiven Voraussetzungen erfüllt, reicht dies aus, um ihm die Restschuldbefreiung zu versagen“); Pehl, in: Braun-InsO, § 290 Rn. 27. Die gleichen Erwägungen gelten im Übrigen auch für § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO, nach dessen Wortlaut ebenfalls keine beeinträchtigte Gläubigerbefriedigung erforderlich ist, siehe dazu BGH NJW-RR 2004, 1639 f. 520 BGH NZI 2009, 253, 254; BGH NJW-RR 2004, 1639, 1640 (zu § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO). 521 Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 262; vgl. Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 117. 522 Vgl. Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 290 Rn. 100; Vallender, ZAP 2016, 907, 915. 523 Ahrens, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 77 Rn. 81; Pehl, in: Braun-InsO, § 290 Rn. 34. 524 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 80; Schwede, Restschuldbefreiung für Verbraucher, S. 57. 525 Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 290 Rn. 100; Vallender, ZAP 2016, 907, 915.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

7. Erwerbs- bzw. Abführungsobliegenheit (§§ 295 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 295 Abs. 2 InsO) Nach der InsO-Ausgangsfassung wies der Übergang vom Insolvenzverfahren zu der Wohlverhaltensperiode eine deutliche Zäsur auf. Diese manifestierte sich nach außen hin in der Ankündigung der Restschuldbefreiung i. S. d. § 291 InsO a. F.526 Vor allem aber folgten die beiden Verfahrensabschnitte jeweils unterschiedlichen Prinzipien. So bestand eine strikte Trennung zwischen den Pflichten im Insolvenzverfahren und den Obliegenheiten während der Wohlverhaltensperiode.527 Demzufolge traf den Schuldner erst mit Einleitung der Wohlverhaltensperiode die in § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO normierte Erwerbsobliegenheit, wohingegen das Gesetz für die Dauer des Insolvenzverfahrens keine entsprechende Obliegenheit vorsah. Damals wie heute verlangt der Gesetzgeber vom Schuldner, dass dieser sich nach Kräften bemüht, seine Gläubiger während der Wohlverhaltensperiode so weit wie möglich zu befriedigen, um anschließend endgültig von seinen restlichen Schulden befreit zu werden.528 Die Gläubigerbefriedigung soll in erster Linie aus den abgetretenen Forderungen erfolgen.529 Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, wenn der Schuldner seine Arbeitskraft einsetzt, um pfändbares Arbeitsentgelt zu generieren.530 In diesem Sinne statuiert § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO zunächst für den nicht selbständig tätigen Schuldner die – insoweit ganz zentrale – Obliegenheit, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen. Um die Einhaltung dieser Anforderung sicherzustellen, gilt (wie für alle Obliegenheiten des § 295 InsO), dass Verstöße gem. § 296 InsO mit der Versagung der Restschuldbefreiung geahndet werden können. Die erste Variante des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO richtet sich an den abhängig beschäftigten Schuldner. Dieser ist gehalten einer angemessenen Arbeit nachzugehen, so dass er seiner Erwerbsobliegenheit nicht mit jeder beliebigen Tätigkeit genügen kann.531 Übt der Schuldner vor Verfahrensbeginn bereits eine Tätigkeit aus, so spricht allerdings eine Vermutung für deren Angemessenheit.532 Die Auslegung des Begriffs der „angemessenen Tätigkeit“ kann in Anlehnung an die unterhaltsrechtliche Vorschrift des § 1574 Abs. 2 Hs. 1 BGB erfolgen.533 Demnach ist eine Erwerbstätigkeit 526

Vgl. Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 554 f. Vgl. Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 5. 528 BT-Drucks. 12/2443, S. 192. 529 Pehl, in: Braun-InsO, § 295 Rn. 4; näher dazu oben S. 79. 530 Pehl, in: Braun-InsO, § 295 Rn. 4; Vallender, ZAP 2016, 907, 919. 531 Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 25; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 43. 532 BGH NZI 2011, 596, 598; Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 30; Henning, in: K.SchmidtInsO, § 295 Rn. 7; Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 288; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 29. 533 Andres, in: Andres/Leithaus-InsO, § 295 Rn. 4; Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 287b Rn. 5; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 19; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 29. 527

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als angemessen anzusehen, wenn sie der Ausbildung des Schuldners, seinen Fähigkeiten, seinem Lebensalter, seinem Gesundheitszustand und seinen Lebensverhältnissen entspricht.534 Im Hinblick auf das Ziel des Insolvenzverfahrens und der Wohlverhaltensperiode, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen, muss zusätzlich auch die Entlohnung angemessen sein.535 Dies ist der Fall, wenn das erzielte Einkommen üblich ist und einer tarifvertraglichen Vergütung entspricht.536 Für den Schuldner bedeuten die genannten Grundsätze, dass er bei Ausübung einer gering bezahlten Tätigkeit zu versuchen hat, eine besser bezahlte zu erhalten. Wenn er lediglich in Teilzeit beschäftigt ist, ist er gehalten, eine volle Stelle zu finden.537 Ist oder wird der Schuldner beschäftigungslos, muss er sich gem. § 295 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 InsO um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen. Dabei reicht es nicht aus, wenn er seine Arbeitskraft lediglich dem Arbeitsamt vorhält.538 Vielmehr wird von ihm verlangt, dass er durch eigene Anstrengungen selbst aktiv wird und ernsthaft versucht – etwa durch stetige Lektüre einschlägiger Stellenanzeigen und durch entsprechende Bewerbungen – eine Arbeitsstelle zu finden.539 Unter Umständen ist der Schuldner des Weiteren gehalten, durch Maßnahmen wie Umschulungen, Fort- oder Ausbildungen, Kuren und Therapien die persönlichen Voraussetzungen für eine Beschäftigung wiederherzustellen.540 Findet der Schuldner trotz seiner Bemühungen keine angemessene Tätigkeit, so darf er gem. § 295 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 InsO auch eine bloß zumutbare Tätigkeit nicht ablehnen. Dabei sind nach dem Willen des Gesetzgebers strenge Anforderungen an die Zumutbarkeit im Sinne dieser Vorschrift zu stellen.541 Im Interesse der Gläubi534 AG Duisburg NZI 2004, 516, 518. Insbesondere müssen familiäre bzw. soziale Begebenheiten Berücksichtigung finden, Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 26. 535 BGH NZI 2012, 87, 88; AG Duisburg NZI 2004, 516, 518; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 22; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 27; Streck, in: HambK-InsO, § 295 Rn. 5. 536 Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 27; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 295 Rn. 10. 537 BGH NZI 2010, 228 f.; Waltenberger, in: HK-InsO, § 295 Rn. 9; zu den Einzelheiten Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 25 f. 538 BT-Drucks. 12/2443, S. 192; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 295 Rn. 8. 539 BGH NZI 2011, 596 ff.; BGH NZI 2012, 721 (Sofern entsprechende Stellen angeboten werden, können als ungefähre Richtgröße zwei bis drei Bewerbungen in der Woche angesehen werden); Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 295 Rn. 16; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 37; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 295 Rn. 8. 540 Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 67; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 39; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 51. 541 BT-Drucks. 12/2443, S. 192. Insofern ist streitig, ob die Unzumutbarkeitsschwelle i. R. d. § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor dem Gedanken der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung höher anzusetzen ist als im Sozial- oder Unterhaltsrecht (so etwa Römermann, in: Nerlich/ Römermann-InsO, § 295 Rn. 9; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 42; Stephan, in: MüKoInsO, § 295 Rn. 59; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 295 Rn. 19; a. A. Henning, in: K.SchmidtInsO, § 295 Rn. 18), das einen Orientierungsmaßstab zur Konkretisierung der zumutbaren Tätigkeit liefert (eingehend hierzu Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 58 f.). Hierfür spricht, dass es nicht um die Abwägung der Interessen eines Erwerbslosen mit denen der Gesamtheit der Beitrags- und Steuerzahler, sondern um die Abwägung der Schuldnerinteressen mit denen einer

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

gerbefriedigung ist daher auch eine berufsfremde Tätigkeit oder eine solche mit geringerer Vergütung als zumutbar anzusehen.542 Insoweit kann dem Schuldner nicht nur räumliche Mobilität, sondern auch die Annahme einer Aushilfs- und Gelegenheitstätigkeit abverlangt werden, wenn sich ausschließlich auf diese Weise Einkünfte zur Gläubigerbefriedigung erzielen lassen.543 Eine unzulässige Einschränkung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 2, Abs. 3 GG) ist hierin nicht zu sehen, denn § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO übt weder einen Arbeitszwang noch eine Verpflichtung zur Übernahme einer zumutbaren Tätigkeit aus. Der Schuldner kann vielmehr frei entscheiden, ob er die Möglichkeit der Restschuldbefreiung samt den mit ihr verbundenen Chancen, aber auch geforderten Gegenleistungen wahrnimmt oder er lediglich ein Insolvenzverfahren durchläuft, welches ihm zwar mehr Freiraum gewährt, jedoch keine Aussicht auf die Befreiung von seinen restlichen Schulden bietet.544 Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG scheidet ebenfalls aus, da die Verpflichtung, unter Umständen eine berufsfremde Tätigkeit annehmen zu müssen, durch die Befriedigungsinteressen der Gläubiger als überragend wichtiges Gemeinwohlinteresse gerechtfertigt wird.545 Die Aufnahme einer vollen oder auch nur teilweisen Erwerbstätigkeit kann aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls gänzlich unzumutbar sein.546 Als solche kommen insbesondere Alter, Krankheit sowie familiäre Belange – wie etwa höchstpersönliche Pflege- und Erziehungsaufgaben – in Betracht.547 Lehnt der Schuldner eine ihm zumutbare Beschäftigung ab, kann ihm die Restschuldbefreiung versagt werden, falls nicht ausnahmsweise eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung ausscheidet, weil auch eine zumutbare Tätigkeit kein pfändbares Einkommen erbracht hätte.548 Findet er aber trotz aller Bemühungen keine Beschäftigung, kommt eine Versagung nicht in Betracht, weil er seine Ob-

vergleichsweise geringen Zahl von privaten Gläubigern, die in ungleich größerem Maß auf die aus der Erwerbstätigkeit fließenden Erträge angewiesen sein können, geht, Wenzel, in: KPBInsO, § 295 Rn. 12; vgl. BGH NZI 2012, 852. 542 BT-Drucks. 12/2443, S. 192; Andres, in: Andres/Leithaus-InsO, § 295 Rn. 5; Pehl, in: Braun-InsO, § 295 Rn. 7. 543 BT-Drucks. 12/2443, S. 192; Pehl, in: Braun-InsO, § 295 Rn. 7; Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 288; dies., in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 41. 544 Vgl. Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 71; Pehl, in: Braun-InsO, § 295 Rn. 7; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 13; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 54. 545 Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 287b Rn. 30 m. w. N. 546 Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 287b Rn. 9; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 35 u. 40. 547 Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 287b Rn. 9; siehe auch BT-Drucks. 12/2443, S. 192: „Allerdings ist auf Pflichten des Schuldners gegenüber seinen Familienangehörigen Rücksicht zu nehmen; z. B. kann es einer Mutter mit Kleinkindern unzumutbar sein, eine Erwerbstätigkeit auszuüben“. 548 BGH NZI 2010, 114, 115; Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 85; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 67.

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liegenheit erfüllt hat.549 Das Risiko der Arbeitslosigkeit tragen insoweit die Insolvenzgläubiger.550 Der Schuldner kann auch dann Restschuldbefreiung erlangen, wenn er während der Wohlverhaltensperiode eine selbständige Tätigkeit ausübt.551 In diesem Fall ergänzt § 295 Abs. 2 InsO die auch den selbständig tätigen Schuldner treffende Erwerbsobliegenheit um die Anforderung, die notwendigen Zahlungen an den Treuhänder zu erbringen.552 Auf diese Weise wird dem Umstand Rechnung getragen, dass seine Einkünfte nicht von der Lohn- und Gehaltsabtretung nach § 287 Abs. 2 InsO erfasst werden.553 Der Umfang der Abführungsobliegenheit richtet sich nach dem Betrag, den der selbständige Schuldner hypothetisch unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und Vortätigkeiten bei einem angemessenen Dienstverhältnis erzielen würde.554 Die Vorschrift löst insofern die zu berücksichtigenden Erträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit und stellt stattdessen auf ein fiktiv zu ermittelndes Einkommen ab.555 Dabei ist es unschädlich, wenn der Schuldner zeitweilig geringere oder gar keine Leistungen erbringt, wenn dies angesichts seiner wirtschaftlichen Lage erforderlich ist.556 Er genügt seiner Obliegenheit aus § 295 Abs. 2 InsO, wenn er bei Ablauf der Wohlverhaltensperiode insgesamt den Betrag an den Treuhänder abgeführt hat, den dieser im Falle eines angemessenen Dienstverhältnisses erhalten hätte.557 Gelingt dem Schuldner dies nicht, droht ihm die Versagung der Restschuldbefreiung, es sei denn, er kann nachweisen, dass er sich gleichzeitig erfolglos um eine angemessene abhängige

549 BT-Drucks. 12/2443, S. 192; Andres, in: Andres/Leithaus-InsO, § 295 Rn. 5. Vgl. auch die obigen Ausführungen zur fehlenden Erfolgsabhängigkeit der Abtretung, S. 81 ff. 550 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 13; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 295 Rn. 6. 551 BT-Drucks. 12/2443, S. 192; kritisch Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 157 f. 552 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 295 Rn. 12 u. § 287b Rn. 30; Wenzel, in: KPB-InsO, § 295 Rn. 2. 553 Siehe oben S. 80. 554 BT-Drucks. 12/2443, S. 192 f.; Streck, in: HambK-InsO, § 295 Rn. 25. 555 BGH NZI 2013, 189 ff.; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 295 Rn. 34. Diese Entscheidung des Gesetzgebers beruht darauf, dass die Feststellung des Umfangs der vom Schuldner zu erbringenden Leistung ansonsten mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre und den Treuhänder sowie die Gerichte zu sehr belasten würde, BT-Drucks. 12/2443, S. 267 (zu Nr. 33). 556 BT-Drucks. 12/2443, S. 193. Bringt seine Tätigkeit jedoch ausreichende Erträge hervor, obliegen ihm grundsätzlich zumindest jährliche Ausschüttungen an die Gläubiger, BGH NZI 2012, 718 ff. 557 BT-Drucks. 12/2443, S. 193. Die Festsetzung des gem. § 295 Abs. 2 InsO abzuführenden Betrags obliegt weder dem Treuhänder noch dem Insolvenzgericht, sondern allein dem selbständigen Schuldner. Er trägt das Risiko, ob er mit der von ihm bestimmten Höhe des Abführungsbetrags seiner Abführungsobliegenheit gerecht wird, Montag, in: PrivatInsRK, § 295 Rn. 52.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

Beschäftigung beworben hat. In diesem Fall hat er seine Obliegenheitsverletzung nicht zu verschulden.558 Die im Folgenden darzustellenden Obliegenheiten des Schuldners aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 InsO gelten grundsätzlich sowohl für den angestellten als auch für den selbständigen Schuldner.559 8. Herausgabe des hälftigen Erbanteils (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO) Anders als während des Insolvenzverfahrens gebühren während der Wohlverhaltensperiode sonstige, neben dem laufenden Einkommen anfallende Vermögenszuwächse grundsätzlich dem Schuldner. Nur im Fall, dass er während der Wohlverhaltensperiode Vermögen von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erlangt, hat der Gesetzgeber es als unbillig angesehen, ihm Restschuldbefreiung zu gewähren, ohne dass er dieses Vermögen zur Gläubigerbefriedigung einsetzen müsste.560 Daher trifft den Schuldner gem. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Obliegenheit, einen derartigen Vermögenszuwachs zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben. Davon erfasst sind neben der Erbschaft als solcher jedenfalls auch Pflichtteils- oder Vermächtnisansprüche sowie eine sonstige Übertragung von Vermögensgegenständen in Vorwegnahme der Erbschaft.561 Dagegen fallen Schenkungen oder Lotteriegewinne aufgrund der abschließenden Aufzählung nicht (sinngemäß) unter den Anwendungsbereich der Vorschrift.562 Die Beschränkung auf die Herausgabe lediglich der Hälfte des Vermögenserwerbes soll den Schuldner dazu bewegen, die Erbschaft nicht auszuschlagen oder in anderer Weise dafür zu sorgen, dass ihm das betreffende Vermögen gar nicht zufällt.563 Der Schuldner hat seine Obliegenheit zur Herausgabe des hälftigen Werts durch Zahlung des entsprechenden Geldbetrags an den Treuhänder zu erfüllen und muss dabei unter Umständen das erworbene Vermögen verwerten, falls er den Betrag nicht anderweitig aufbringen kann.564 Es liegt in seinem eigenen Interesse, nach Anfall des 558

BGH NZI 2012, 718, 720; BGH NZI 2010, 228 f.; BGH NZI 2009, 482 f.; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 295 Rn. 40. Dabei kommt es darauf an, wann der Schuldner bei vernünftiger Vorausschau spätestens annehmen musste, es sei angesichts seiner Obliegenheit, am Ende der Wohlverhaltensperiode die Befriedigungsquote i. S. d. § 295 Abs. 2 InsO zu erreichen, besser, die selbständige Tätigkeit aufzugeben und eine abhängige Beschäftigung anzunehmen, Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 295 Rn. 73. 559 Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 8; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 142; Streck, in: HambK-InsO, § 295 Rn. 2; Wenzel, in: KPB-InsO, § 295 Rn. 2. 560 BT-Drucks. 12/2443, S. 192. 561 Eingehend zu den im Einzelnen von der Vorschrift erfassten erbrechtlichen Vermögenszuwachs Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 91 ff.; Wenzel, in: KPB-InsO, § 295 Rn. 30. 562 Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 295 Rn. 7; Pehl, in: Braun-InsO, § 295 Rn. 11; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 81 f.; vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 267 (zu Nr. 33). 563 BT-Drucks. 12/2443, S. 192; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 295 Rn. 20. 564 BGH NZI 2013, 191 ff.; Wenzel, in: KPB-InsO, § 295 Rn. 30a.

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Erbes unverzüglich Maßnahmen zur Herausgabe zu treffen, da er sonst den Vollstreckungszugriff durch Neugläubiger riskiert.565 9. Anzeige-, Auskunfts- und Mitteilungsobliegenheiten (§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO) Auch während der Wohlverhaltensperiode gibt die InsO dem Schuldner gem. § 295 Abs. 1 Nr. 3 umfassende Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten auf, um auf diese Weise die Kontrolle der Erfüllung der übrigen Verhaltenspflichten für das Gericht und den Treuhänder zu erleichtern und den eigenen Untersuchungsaufwand in Grenzen zu halten.566 Weil der Schuldner während des Verfahrens für Gericht und Treuhänder jederzeit erreichbar sein muss, statuiert § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO zunächst für ihn die Obliegenheit, dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder von sich aus unverzüglich jeden Wechsel des Wohnsitzes anzuzeigen.567 Eine entsprechende Anzeigepflicht trifft den Schuldner hinsichtlich eines etwaigen Wechsels der Beschäftigungsstelle. Diese Vorgabe trägt zum einen dem Umstand Rechnung, dass der Treuhänder zwingend auf die Kenntnis des Arbeitsgebers angewiesen ist, um diesem die Forderungsabtretung nach § 287 Abs. 2 InsO anzuzeigen und die auf ihn übergegangenen Forderungen einzuziehen.568 Zum anderen muss der Treuhänder schon allein deshalb über den Wechsel informiert werden, weil damit häufig eine Änderung der Bezüge einhergeht.569 Nach der gesetzgeberischen Intention soll das pfändbare Einkommen des Schuldners entsprechend der Abtretungserklärung vollständig für die Verteilung unter den Gläubigern zur Verfügung stehen. Deshalb darf der Schuldner nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO die erfassten Bezüge nicht verheimlichen, sondern muss stets dazu beitragen, dass sie in der richtigen Höhe an den Treuhänder abgeführt werden.570 Ein Verheimlichen des Gewinns aus einer selbständigen Tätigkeit fällt dagegen nicht unter den Anwendungsbereich dieser Obliegenheit.571 Beachtet der Arbeitgeber die Abtretungserklärung nicht und zahlt die pfändbaren Beträge an den Schuldner selbst aus, so hat dieser sie unverzüglich an den Treuhänder weiterzuleiten.572 Verheimlicht 565 Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 295 Rn. 25; näher dazu Preuß, NJW 1999, 3450, 3451 f.; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 295 Rn. 30 u. 34 f. 566 BT-Drucks. 12/2443, S. 192; Pehl, in: Braun-InsO, § 295 Rn. 15; Vallender, ZAP 2016, 907, 920. 567 Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 293; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 295 Rn. 41. 568 Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 293; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 295 Rn. 31. 569 Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 295 Rn. 8. 570 Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 295 Rn. 33; vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 192. 571 BGH ZInsO 2006, 547, 548; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 295 Rn. 96. 572 BT-Drucks. 12/2443, S. 192.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

der Schuldner das von § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfasste Vermögen, liegt ebenfalls ein Obliegenheitsverstoß nach Nr. 3 vor. Ein „Verheimlichen“ im Sinne der Vorschrift setzt voraus, dass der Schuldner unrichtige Angaben macht oder an ihn gerichtete Fragen des Treuhänders oder Gerichts nicht oder nicht vollständig beantwortet.573 Nur wenn eine Auskunftspflicht bzw. eine Rechtspflicht zum Handeln besteht, reicht auch das bloße Verschweigen bzw. Unterlassen aus.574 Eine allgemeine Pflicht des Schuldners, den Treuhänder unaufgefordert etwa auf eine Erhöhung seines Nettolohnes hinzuweisen, kann § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO hingegen nicht entnommen werden.575 Gem. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist der Schuldner außerdem auskunftspflichtig hinsichtlich seiner Erwerbstätigkeit bzw. seiner darauf gerichteten Bemühungen. Dies gilt gleichermaßen für den selbständigen Schuldner, weil die Vorschrift nicht nach der Art der Erwerbstätigkeit differenziert.576 Eine entsprechende Auskunftspflicht besteht schließlich über die Bezüge und das Vermögen. Die genannten Auskunftspflichten sind auf ein dahingehendes Verlangen des Gerichts und des Treuhänders beschränkt. Dies bedeutet zum einen, dass der Schuldner auch diese Umstände nicht von sich aus offenbaren muss.577 Zum anderen muss er ausschließlich gegenüber dem Gericht und Treuhänder, nicht jedoch gegenüber seinen Gläubigern, Auskünfte erteilten.578 Da es nicht zu den Pflichten des Treuhänders zählt, derartige Erkundigungen einzuholen (vgl. § 292 InsO), wird die Vorschrift zumeist nur relevant werden, wenn der Treuhänder zusätzlich mit der Überwachung der Obliegenheiten beauftragt wurde.579 Insgesamt unterscheiden sich die Verpflichtungen des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO damit maßgeblich von den Auskunfts- und Mitwirkungspflichten während des Insolvenzverfahrens.580 Im eröffneten Verfahren hat der Schuldner von sich aus alle 573 Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 295 Rn. 27; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 108; Wenzel, in: KPB-InsO, § 295 Rn. 39; für eine Offenbarungspflicht dagegen AG Göttingen ZInsO 2008, 49, 50 f.; Streck, in: HambK-InsO, § 295 Rn. 18; Waltenberger, in: HK-InsO, § 295 Rn. 24 u. 26; eingehend zum diesbezüglichen Streit Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 295 Rn. 44 f. 574 BGH NZI 2010, 26, 27; BGH NZI 2011, 329, 330; Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 138. 575 BGH NZI 2010, 26, 27 f.; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 107; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 295 Rn. 45. 576 Pehl, in: Braun-InsO, § 295 Rn. 15; näher dazu Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 295 Rn. 47. 577 Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 295 Rn. 10; Römermann, in: Nerlich/RömermannInsO, § 295 Rn. 35. 578 Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 123 (Zweck sei es, den Schuldner vor einer Überforderung durch Mitteilungserfordernisse und Auskunftsbegehren zu schützen); Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 295 Rn. 28; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 295 Rn. 46; Wenzel, in: KPBInsO, § 295 Rn. 40. 579 Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 295 Rn. 36. 580 Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 295 Rn. 25; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 295 Rn. 39.

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offensichtlich für das Verfahren bedeutsamen Umstände mitzuteilen. In der Wohlverhaltensperiode muss er hingegen grundsätzlich ausschließlich bei entsprechender Nachfrage tätig werden. Lediglich den Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle muss er von sich aus melden. Nach dem Willen des Gesetzgebers obliegt es den Gläubigern, das mit Beginn der Wohlverhaltensperiode eintretende Gefälle in der Informationsverpflichtung des Schuldners durch eine Beauftragung des Treuhänders mit dessen Überwachung gem. § 292 Abs. 2 InsO auszugleichen.581 10. Gleichbehandlung der Gläubiger (§ 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO) Um dem auch während der Wohlverhaltensperiode geltenden Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung Geltung zu verschaffen, darf der Schuldner gem. § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO zusätzliche Zahlungen zur Gläubigerbefriedigung nur an den Treuhänder leisten (Var. 1) und keinem Gläubiger einen Sondervorteil verschaffen (Var. 2).582 Die Regelung soll vor allem dazu beitragen, dass sämtliche Gläubiger von den Aktivitäten des Schuldners zur Gläubigerbefriedigung profitieren.583 Darüber hinaus wird dadurch, dass Zahlungen an die Gläubiger ausschließlich über den Treuhänder abgewickelt werden, sie mithin für alle Verfahrensbeteiligten nachvollziehbar und „aktenkundig“ sind, eine Verteilungssicherheit hergestellt.584 Die erste Variante der Vorschrift dient dabei als Auffangtatbestand.585 Kann der antragstellende Gläubiger nicht glaubhaft machen (§ 296 Abs. 1 S. 3 InsO), dass einem Gläubiger ein Sondervorteil i. S. d. Var. 2 verschafft wurde, weil der Schuldner sich darauf beruft, alle Gläubiger getreu ihrer Quote berücksichtigt zu haben, fällt sein Verhalten jedenfalls unter die erste Variante.586 Die Verhaltensanforderungen der Nr. 4 betreffen ausschließlich Leistungen auf Insolvenzforderungen, so dass der Schuldner Neugläubiger aus seinem freien Vermögen sanktionslos befriedigen darf.587 Zudem führen Zahlungen aus dem pfändungsfreien Vermögen nicht zur Versagung, da insoweit die Gläubigerbenachteiligung i. S. d. § 296 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 InsO fehlt588 und kein Sondervorteil589 vorliegt. 581

BGH NZI 2010, 26, 27 f.; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 295 Rn. 25. Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 295 Rn. 31; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 295 Rn. 52; vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 192. Insoweit ist die Vorschrift systematisch eng mit § 294 Abs. 2 InsO verknüpft, der die rechtsgeschäftliche Unwirksamkeit von Abkommen über einen Sondervorteil für einzelne Insolvenzgläubiger anordnet, Römermann, in: Nerlich/RömermannInsO, § 295 Rn. 40. 583 Vallender, ZAP 2016, 907, 920. 584 Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 123; Waltenberger, in: HK-InsO, § 295 Rn. 30. 585 Pehl, in: Braun-InsO, § 295 Rn. 17; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 123. 586 Pehl, in: Braun-InsO, § 295 Rn. 17; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 123. 587 Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 295 Rn. 13; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 295 Rn. 53; Wenzel, in: KPB-InsO, § 295 Rn. 41. 588 Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 128; Waltenberger, in: HK-InsO, § 295 Rn. 34. 589 Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 295 Rn. 13. 582

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

11. Verfahrensobliegenheiten (§ 296 Abs. 2 S. 2, 3 InsO) Unter der Voraussetzung eines (zunächst) zulässigen590 Versagungsantrags eines Insolvenzgläubigers nach § 296 Abs. 1 InsO wird dem Schuldner im Anhörungsverfahren gem. § 296 Abs. 2 S. 2 InsO zur Erleichterung der Sachaufklärung aufgegeben, Auskünfte zu erteilen und bei entsprechendem Gläubigerantrag die Richtigkeit dieser Auskünfte eidesstattlich zu versichern.591 Kommt der Schuldner den genannten Vorgaben ohne hinreichende Entschuldigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist nach, ist ihm die Restschuldbefreiung gem. § 296 Abs. 2 S. 3 InsO allein wegen dieses Fehlverhaltens im Anhörungsverfahren zu versagen.592 Um die Durchführung eines Anhörungstermins zu sichern, gilt das Gleiche, wenn er unentschuldigt nicht zu einem Termin, den das Gericht für die Erteilung der Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung anberaumt hat, erscheint.593 Insoweit treten gem. § 296 Abs. 2 S. 2 und 3 InsO drei selbständige (verfahrensbezogene) Obliegenheiten neben die des § 295 InsO.594 Dabei geht die Auskunftspflicht i. S. d. § 296 Abs. 2 S. 2 InsO weiter als die während der Wohlverhaltensperiode gegenüber dem Treuhänder und Insolvenzgericht bestehende Verpflichtung nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO.595 Im Rahmen des § 296 Abs. 2 S. 2 InsO hat der Schuldner über die Erfüllung jeder Obliegenheit Auskunft zu erteilen, auf die der Versagungsantrag gestützt ist. Demgegenüber muss er gem. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO nur Auskünfte über einen Wechsel des Wohnsitzes bzw. der Beschäftigungsstelle, über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen abgeben.596

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Die besonderen Verfahrensobliegenheiten des Schuldners entstehen erst, wenn der Gläubiger in seinem Versagungsantrag den Versagungsgrund und die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht hat. Für ein sich u. U. anschließendes Versagungsverfahren wegen verletzter Verfahrensobliegenheiten ist es jedoch unerheblich, ob nachträglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Gläubigerantrags entfallen sind (siehe dazu Ahrens, in: FK-InsO, § 296 Rn. 72). Es genügt für die Versagung wegen Verletzung einer Verfahrensobliegenheit, wenn dem Versagungsverfahren ein statthafter Antrag zugrunde liegt, BGH ZInsO 2011, 1319 f. mit Nachweisen zu der Gegenansicht, die einen zulässigen Versagungsantrag fordert. 591 BT-Drucks. 12/2443, S. 193; vgl. Ahrens, in: FK-InsO, § 296 Rn. 70. 592 Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 296 Rn. 27; Wenzel, in: KPB-InsO, § 296 Rn. 16. In der Wohlverhaltensperiode werden die Sanktionen aus § 98 InsO damit durch die Spezialregelung aus § 296 Abs. 2 S. 3 InsO ersetzt (Pehl, in: Braun-InsO, § 296 Rn. 9). Im Rahmen des § 296 Abs. 2 S. 3 InsO stehen nur verfahrensrechtliche Obliegenheiten in Rede. Anders als die im Insolvenzverfahren bestehenden verfahrensrechtlichen Pflichten i. S. d. § 97 InsO können sie deshalb nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, Stephan, in: MüKo-InsO, § 296 Rn. 31. 593 Vgl. Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 296 Rn. 12. 594 Ahrens, in: FK-InsO, § 296 Rn. 70; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 296 Rn. 27. 595 Stephan, in: MüKo-InsO, § 296 Rn. 27. 596 Stephan, in: MüKo-InsO, § 296 Rn. 27.

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Es ist nicht erforderlich, dass der Verstoß gegen § 296 Abs. 2 S. 2 oder 3 InsO zu einer Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung geführt hat.597 Hintergrund der Verfahrensobliegenheiten ist das während des Versagungsverfahrens bestehende Informationsdefizit der Gläubiger: Für sie ist es gemeinhin sehr schwierig, Erkenntnisse darüber zu erlangen, ob der Schuldner seinen Obliegenheiten während der Wohlverhaltensperiode genügt. Dies gilt insbesondere, wenn kein Auftrag der Gläubigerversammlung nach § 292 Abs. 2 InsO gestellt wurde und der Treuhänder daher nicht verpflichtet ist, den Schuldner zu überwachen und den Gläubigern etwaige Obliegenheitsverletzungen zu melden.598 In dieser Situation ermöglichen es die Verfahrensobliegenheiten, etwaige Aufklärungsschwierigkeiten in einem eingeleiteten Versagungsverfahren zu beseitigen und damit einen Verstoß gegen § 295 InsO zu überprüfen, weshalb sie insgesamt den Anforderungen des Schuldners aus § 295 InsO zur Durchsetzung verhelfen.599 12. Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders (§ 298 InsO) Genau wie die Verfahrenskosten des Insolvenzverfahrens sollen auch die Kosten, die für die Tätigkeit des Treuhänders in der Wohlverhaltensperiode anfallen, vom Schuldner getragen werden. Dem Treuhänder ist ausweislich der Gesetzesbegründung nicht zuzumuten, über einen längeren Zeitraum hinweg ohne Vergütung zu arbeiten.600 Nach der Vorstellung des InsO-Gesetzgebers kann die Vergütung des Treuhänders im Allgemeinen aus den Beträgen beglichen werden, die auf Grund der Abtretungserklärung des Schuldners beim Treuhänder eingehen. In dem Fall, in dem der Schuldner jedoch längere Zeit hindurch nicht über pfändbare Bezüge verfügt, obwohl er seine Obliegenheiten erfüllt, soll er mit der Sanktionsandrohung der Versagung der Restschuldbefreiung (§ 298 InsO) dazu angehalten werden, jedenfalls eine jährliche, bescheidene Mindestvergütung601 aufzubringen. Notfalls soll er diese aus seinem unpfändbaren Vermögen (etwa aus einer Arbeitslosen- oder Sozialhilfe) leisten.602

597 G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 41 Rn. 53; Preuß, in: JaegerInsO, § 296 Rn. 48; Streck, in: HambK-InsO, § 296 Rn. 19; Weinland, in: A/G/R-InsO, § 296 (alt) Rn. 5. 598 BGH ZInsO 2011, 1319, 1320; Ahrens, in: FK-InsO, § 296 Rn. 70; Stephan, in: MüKoInsO, § 296 Rn. 26. 599 Ahrens, in: FK-InsO, § 296 Rn. 70 f.; Stephan, in: MüKo-InsO, § 296 Rn. 26. 600 (Auch zum folgenden Text) BT-Drucks. 12/2443, S. 193. 601 Die Mindestvergütung betrug gem. § 14 Abs. 3 InsVV ursprünglich 200 Deutsche Mark pro Jahr. Seit dem 1.1.2002 sind es 100 E, wobei der Treuhänder seit dem 7.10.2004 Anspruch auf eine zusätzliche jährliche Vergütung i. H. v. 50 E je fünf Gläubiger hat, wenn er die durch Abtretung eingehenden Beträge an mehr als fünf Gläubiger verteilt. 602 Pehl, in: Braun-InsO, § 298 Rn. 1.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

Stellt der Treuhänder einen Versagungsantrag nach § 298 InsO,603 kann er diesen ausschließlich auf fehlende Beträge für das vorangegangene Jahr seiner Tätigkeit stützen. Fehlte die Mindestvergütung für einen früheren Zeitraum, ist eine diesbezügliche Geltendmachung nach Ablauf des jeweiligen Jahres ausgeschlossen.604 Des Weiteren ist die Sanktion des § 298 InsO an die Voraussetzung geknüpft, dass der Schuldner den fehlenden Betrag nicht einzahlt, obwohl der Treuhänder ihn schriftlich zur Zahlung binnen einer Frist von mindestens zwei Wochen aufgefordert und auf die Versagungsmöglichkeit hingewiesen hat. Gelingt es dem Schuldner, binnen zwei Wochen nach einer weiteren Aufforderung durch das Gericht den fehlenden Betrag zu entrichten, kann er die Versagung allerdings noch abwenden, vgl. § 298 Abs. 2 S. 2 InsO. 13. Nachträgliches Herausstellen einer Obliegenheitsverletzung (§ 303 InsO a. F. bzw. § 303 Abs. 1 Nr. 1 InsO n. F.) Damit der Schuldner seine Obliegenheiten aus § 295 InsO bis zum Ende der Wohlverhaltensperiode konsequent erfüllt und keinen Anreiz erhält, Verstöße bis zur Rechtskraft des Beschlusses über die Restschuldbefreiung zu verschleiern, kann auf eine nachträglich erkannte Obliegenheitsverletzung auch noch nach Erteilung der gesetzlichen Schuldbefreiung reagiert werden.605 In diesem Sinne gibt § 303 InsO a. F. bzw. § 303 Abs. 1 Nr. 1 InsO n. F. den Insolvenzgläubigern die Möglichkeit, mittels eines Antrags auf Widerruf der Restschuldbefreiung ihren Interessen trotz der bereits gewährten Restschuldbefreiung Geltung zu verschaffen.606 Auch wenn der Widerruf der Restschuldbefreiung einen schweren Nachteil des Schuldners darstellt, hat der Gesetzgeber es für besonders gravierende Obliegenheitsverstöße als gerechtfertigt angesehen, die Rechtskraft der Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung ausnahmsweise zu durchbrechen.607 Andere, später bekanntgewordene Versagungsgründe gem. §§ 290, 296, 298 InsO und – nach der Ursprungsfassung der InsO – gem. § 297 InsO können nicht mit einem Widerruf geahndet werden.608 603 Mit dem Antragserfordernis des Treuhänders geht die Möglichkeit einher, dass jener auch auf seine Vergütung verzichten kann, Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 298 Rn. 5. Diesen Fall hat der InsO-Gesetzgeber als realistisch angesehen, vgl. BT-Drucks. 12/7302, S. 187 (zu Nr. 182). Vor Augen hatte er dabei Personen aus dem Bekanntenkreis oder Schuldnerberater einer karitativen Organisation, vgl. Arnold, DGVZ 1996, 65, 69. 604 Pehl, in: Braun-InsO, § 298 Rn. 2; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 298 Rn. 17. 605 Ahrens, in: FK-InsO, § 303 Rn. 2; Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 258 (Vor allem die Auskunfts- und Mitwirkungsobliegenheit i. S. d. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO könne der Schuldner ansonsten leicht unterlaufen, weil dahingehende Verstöße i. d. R. erst lange Zeit später bekannt werden); Vallender, ZAP 2016, 907, 924. 606 Vallender, ZAP 2016, 907, 924. 607 BT-Drucks. 12/2443, S. 194. Näher dazu oben S. 103. 608 Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 308; vgl. Andres, in: Andres/Leithaus-InsO, § 303 Rn. 2; Wenzel, in: KPB-InsO, § 303 Rn. 4.

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III. Systematisierung der Redlichkeitskriterien In den vorherigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass die Redlichkeitskriterien verschiedenartige Verhaltensanforderungen an den Schuldner aufstellen und diese in ein prozessuales Gegenrecht der Gläubiger übersetzen.609 Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, sie zu systematisieren, um zu bestimmen, welcher Schuldner nach der ursprünglichen Fassung der InsO als redlich anzusehen ist und daher Restschuldbefreiung erhalten soll. Diesem Ziel ist sich zunächst durch die Untersuchung der sachlichen Struktur der Tatbestände anzunähern, um dann die Verstöße gegen die Verhaltensanforderungen nach ihrem Vorwurfsschwerpunkt zu gruppieren. Auf diese Weise können in einem letzten Schritt gemeinsame Prämissen der Redlichkeitskriterien herausgearbeitet werden. 1. Sachliche Struktur der Tatbestände a) Struktur des § 290 InsO Die Versagungstatbestände des § 290 InsO sind von einer systematischen Diversität geprägt, die sich auf verschiedene Weise äußert. Zunächst knüpfen die in den § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 InsO in Rede stehenden Verhaltensweisen an unterschiedliche Zeitpunkte und Zeiträume an.610 So beziehen sie sich teilweise auf ein bestimmtes vorinsolvenzliches, i. S. d. InsO unredliches Verhalten (§ 290 Abs. 1 Nr. 2 und 4 InsO), betreffen eine vom Schuldner während des Insolvenzverfahrens begangene Pflichtverletzung (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO) oder knüpfen an ein Fehlverhalten bei der Antragstellung an (§ 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F.611 und § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO).612 Der Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO nimmt dagegen mit der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat mehr einen vor oder nach Insolvenzeröffnung geschehenen Umstand in den Blick. Darüber hinaus sanktionieren einzelne Tatbestände verfahrensrechtliche Verstöße (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO), während andere zumindest auch auf materiell-rechtliche Pflichtverletzungen (so jedenfalls § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und Straftatbestände (§ 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO) abstellen.613 Regelmäßig, jedoch nicht durchgängig, rekurrieren die Tatbestände auf ein dem Schuldner vorwerfbares Verhalten. Dementsprechend verlangen die Fallgruppen der Nr. 2 sowie Nr. 4 bis 6 explizit Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit; für strafrechtliche Verfehlungen i. S. d. Nr. 1 ist gleichermaßen ein Verschulden erforderlich.614 Eine 609

Vgl. Ahrens, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch/Lackmann, § 290 Rn. 14. Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 261. 611 Das unredliche Verhalten ist in der erneuten Antragstellung zu sehen. Dazu sogleich S. 130 f. 612 Vgl. Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 261; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 2. 613 Ahrens, in: FK-InsO, § 290 Rn. 14; vgl. Stephan, in: MüKo-InsO, § 290 Rn. 6. 614 Ahrens, in: FK-InsO, § 290 Rn. 18. 610

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rein objektive Verhaltensanforderung normiert lediglich der ehemalige Tatbestand der Nr. 3.615 Angeknüpft wird außerdem an unterschiedliche Stadien der Verwirklichung der Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger.616 Zum Teil spielt dieses Merkmal gar keine Rolle (so bei § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F.), während den Pflichtverletzungen anderer Tatbestände eine Gefährdung oder eine Erhöhung des Risikos zumindest immanent ist (so beispielsweise bei Nr. 5 und 6).617 Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung als ungeschriebene Voraussetzung in die letztgenannten Tatbestände hineingelesen werden kann.618 Als eigenständiges Merkmal ist es lediglich in der Fallgruppe des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO vorgesehen.619 Unbillige Ergebnisse können vielmehr durch die Anwendung des allen Versagungstatbeständen innewohnenden allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vermieden werden. Danach werden ganz unwesentliche Verstöße von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen.620 Zu berücksichtigen ist beispielsweise, ob die Interessen der Gläubiger nicht beeinträchtigt sind, weil der Schuldner falsche oder unvollständige Angaben im Laufe des Verfahrens berichtigt bzw. ergänzt oder eine zunächst versäumte Mitwirkung nachgeholt hat, bevor sein Verhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt ist.621 b) Struktur der §§ 295, 296 InsO und des § 298 InsO Die Anordnungen nach § 295 InsO mitsamt der Versagungsvoraussetzungen nach § 296 InsO sind weitaus einheitlicher gestaltet. In zeitlicher Hinsicht stellt § 295 InsO ausschließlich Verhaltensanforderungen für die Wohlverhaltensperiode auf, so dass vorinsolvenzliches Verhalten des Schuldners oder ein solches während des Insolvenzverfahrens nie die Grundlage für eine Versagung der Restschuldbefreiung 615

Ahrens, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch (Aufl. 6), § 290 Rn. 8. Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 261. 617 Vgl. Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 261; siehe auch AG Oldenburg ZInsO 2001, 1170, 1171 (zu § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO): „Die Auskunft und Mitwirkung des Schuldners sind so wesentliche Bausteine für die Erreichung der Ziele des Insolvenzverfahrens, dass ihre Verletzung immer bereits die erhebliche Gefährdung der Gläubigeransprüche indiziert“; vgl. sinngemäß zur österreichischen Rechtslage Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 31. 618 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 42 m. w. N. Siehe dazu, dass nur ein solches Verständnis dem Sinn und Zweck der Norm gerecht wird, oben S. 112 f.; a. A. AG Memmingen ZVI 2004, 630 f.; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 290 Rn. 16. 619 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 42. 620 BGH NZI 2009, 253, 254; BGH NZI 2003, 389, 391; vgl. Pehl, in: Braun-InsO, § 290 Rn. 6. 621 BGH NZI 2011, 114 f.; BGH NZI 2003, 389, 391. Eingehend zu der Frage, inwieweit eine solche „Heilung“ bei den einzelnen Tatbeständen des § 290 InsO möglich ist, MellerHannich, KTS 2011, 258 ff. 616

C. Redlichkeit des Schuldners

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nach § 296 InsO bildet.622 Sachlich weiten die Obliegenheiten des § 295 InsO teilweise die während des Insolvenzverfahrens bzw. im Hinblick darauf bestehenden Pflichten des Schuldners auf die Wohlverhaltensperiode aus. Dies betrifft die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO, die dabei jedoch auf die Besonderheiten der Wohlverhaltensperiode zugeschnitten sind.623 Aufgrund des § 296 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 InsO knüpfen alle Tatbestände des § 295 InsO an ein dem Schuldner vorwerfbares Verhalten an; eine rein objektive Obliegenheitsverletzung genügt für keine der Fallgruppen.624 Die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung ist stets Tatbestandsmerkmal, vgl. § 296 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 InsO, wobei auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Daher ist eine Versagung nach § 296 InsO unangemessen, wenn die Schlechterstellung der Insolvenzgläubiger nur ganz unwesentlich ist.625 Ansatz der Verhältnismäßigkeitsprüfung kann jedoch lediglich die Höhe der Befriedigungsbeeinträchtigung sein.626 Ob der Obliegenheitsverstoß schwerwiegend oder weniger schwerwiegend war, darf dagegen schon aus Rechtssicherheitsgründen keine Berücksichtigung finden.627 Der Schuldner ist somit gehalten, die ihm auferlegten Obliegenheiten allesamt uneingeschränkt zu erfüllen.628 Eng verknüpft mit § 295 InsO – aber dennoch selbständig – sind die eigens für das Versagungsverfahren geltenden Mitwirkungspflichten des § 296 Abs. 2 S. 2 und 3 InsO, die ein vorwerfbares verfahrensrechtliches Fehlverhalten des Schuldners zum Gegenstand haben. Der Versagungsgrund des § 298 InsO ist seiner Struktur nach von den Tatbeständen der §§ 295, 296 InsO losgelöst und nimmt in Bezug auf seine Vorausset622

Weil es mit dem Eintritt in die Wohlverhaltensperiode nicht mehr auf frühere Umstände ankommt, hat der Schuldner es mithin selbst in der Hand, ob er Restschuldbefreiung erlangt, Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 3. 623 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 295 Rn. 7. 624 Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 9. 625 Stephan, in: MüKo-InsO, § 296 Rn. 18; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 296 Rn. 32. Macht ein Gläubiger trotz derartiger Umstände einen Obliegenheitsverstoß unter Berufung auf die formale Rechtslage geltend, ist ihm der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 InsO entgegenzuhalten, da ein solch geringfügiger Verstoß mit weitreichenden Konsequenzen für den Schuldner (z. B. dem zehnjährigen Ausschluss eines schuldenfreien Neuanfangs gem. § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F.) verbunden wäre, Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 202; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 296 Rn. 32; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 296 Rn. 9. 626 Stephan, in: MüKo-InsO, § 296 Rn. 18; Waltenberger, in: HK-InsO, § 296 Rn. 7. 627 Ehricke, in: MüKo-InsO (Aufl. 3), § 295 (alt) Rn. 7; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 296 Rn. 32; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 296 Rn. 9; Stephan, in: MüKo-InsO, § 296 Rn. 18; a. A. Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 6, Pehl, in: Braun-InsO, § 295 Rn. 1, die zum Ende der Wohlverhaltensperiode von einem Ausschluss der Versagung wegen geringfügiger Obliegenheitsverletzungen ausgehen. Der InsO-Gesetzgeber hat jedoch eine Differenzierung je nach Schwere des Verstoßes abgelehnt und begründete dies damit, dass die dann notwendige Abwägung der Umstände des Einzelfalles zu einer zu starken Justizbelastung führte, BT-Drucks. 12/7302, S. 188. 628 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 295 Rn. 10; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 15.

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zungen eine Sonderstellung ein. So setzt er – anders als während der Wohlverhaltensperiode üblich – kein Verschulden voraus. Ferner stellt § 298 InsO den einzigen Versagungsgrund dar, nach dem eine Versagung erst dann in Betracht kommt, wenn der Schuldner zuvor auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde, vgl. § 298 Abs. 1 S. 1 InsO. Zusätzlich gibt das Gesetz ihm die Gelegenheit, die geforderte Handlung nachzuholen (§ 298 Abs. 2 S. 1 InsO). Insoweit behandelt es den Schuldner im Rahmen des § 298 InsO „großzügiger“ als bei den anderen Versagungsgründen, wohingegen es ihn in Hinblick auf das fehlende Verschuldenserfordernis strenger behandelt. c) Struktur des § 297 InsO und § 303 InsO a. F. Den Tatbeständen des § 297 InsO und § 303 InsO a. F. ist gemein, dass sie sachlich gesehen keine neuen Redlichkeitskriterien schaffen. § 297 InsO beruht auf dem Tatbestand des § 290 Abs 1 Nr. 1 InsO und weitet seinen Anwendungsbereich lediglich in zeitlicher Hinsicht aus. Dagegen schafft § 303 InsO a. F. eine Möglichkeit, während der Wohlverhaltensperiode begangene Obliegenheitsverstöße nachträglich geltend zu machen. Verhaltensanforderungen für die Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung stellt er nicht auf.629 Da die Vorwurfsschwerpunkte des § 297 InsO und § 303 InsO a. F. somit denen der anderen Tatbestände entsprechen, bleiben sie für die nachfolgende Facettenbildung unberücksichtigt. 2. Facetten der Redlichkeit Betrachtet man die Redlichkeitskriterien nach dem Vorwurfsschwerpunkt des dort in Rede stehenden schuldnerischen Verhaltens, so fällt auf, dass dieser von Tatbestand zu Tatbestand zwar sehr stark differieren kann, sich letztlich jedoch auf zwei sog. „Facetten“ herunterbrechen lässt. Einerseits wird der Schuldner als unredlich angesehen, der sich missbräuchlich verhält. Andererseits wird ihm ein solcher Vorwurf gemacht, wenn er sich nicht genügend anstrengt – sei es hinsichtlich seiner Mitwirkung im Verfahren oder in Bezug auf die Gläubigerbefriedigung. Im Folgenden sollen die Tatbestände genauer danach untersucht werden, inwieweit ihnen derartige Missbrauchs- und/oder Anstrengungsaspekte immanent sind. a) Missbrauchsaspekte aa) Schädigung bzw. Gefährdung der (Insolvenz-)Gläubiger Um zu verhindern, dass der Schuldner das Instrument der Restschuldbefreiung ausnutzt und seine Gläubiger hintergeht,630 sanktioniert ein Teil der Tatbestände 629 630

Zu der Durchbrechung dieses Grundsatzes durch das InsOÄndG2014 siehe unten S. 269. G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2721.

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zunächst bestimmte nachteilige Handlungen zulasten der (Insolvenz-)Gläubiger. Hier steht ein illoyales Verhalten des Schuldners im Vordergrund, das nicht zwangsläufig zu einem Schaden hinsichtlich der Befriedigung der Insolvenzgläubiger geführt haben muss (etwa weil bereits der Versuch geahndet oder kein Zusammenhang zum konkreten Insolvenzverfahren gefordert wird), aber typischerweise gläubigergefährdend631 ist. Dies betrifft die Begehung von Insolvenzstraftaten nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO oder die Täuschung der Gläubiger durch falsche Angaben im Wirtschaftsverkehr nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO legitimiert dabei allein das Täuschungsverhalten des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern in bestimmten Rechtsverhältnissen den Ausschluss von der Restschuldbefreiung. Demgegenüber kann die Grundlage dieses Versagungsgrunds nicht darin gesehen werden, dass derjenige keine gesetzliche Entschuldung verdient, der seine finanzielle Situation durch vorwerfbares Verhalten in Gestalt einer Täuschung eines oder mehrerer Gläubiger selbst verursacht hat.632 Ein solches Verständnis muss schon ausscheiden, weil § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht auf einen Schutz der Insolvenzmasse zielt.633 Neben rein gläubigergefährdenden Handlungen fallen auch schadensstiftende Verhaltensweisen, die mit der Antragsverschleppung oder Führung eines verschwenderischen Lebensstils verbunden sind (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO), unter die Fallgruppe. Schließlich kann der Schuldner bei Verletzung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 InsO bzw. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO missbräuchlich in diesem Sinne handeln.634 Das ist beispielsweise der Fall, wenn er Vermögenswerte versteckt bzw. verheimlicht oder eine Erhöhung seiner Bezüge verschweigt, indem er den Wechsel einer Beschäftigungsstelle nicht anzeigt. Aber auch der „abgetauchte“ Schuldner, der flüchtig ist oder sich verborgen hält und von vornherein jede Zusammenarbeit verweigert, gefährdet den Zugriff in sein haftungsbefangenes Vermögen, weil sein Aufenthaltsort erst aufwendig ermittelt werden muss.635

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Im Rahmen der zweiten und dritten Variante des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO tritt neben den Gesichtspunkt der Gläubigergefährdung (insoweit ist der Staat, d. h. die Allgemeinheit, Gläubiger) zudem derjenige eines sozialschädlichen Verhaltens. Hier wird dem Schuldner auch vorgehalten, die Staatskasse zu belasten, indem er unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse macht, um Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen (etwa Arbeitslosengeld oder Subventionen) oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden (z. B. Steuerzahlungen), vgl. Lechner, VuR 2012, 213, 214. 632 So aber Wenzel, in: KPB-InsO, § 290 Rn. 37. 633 So auch Heyer, Restschuldbefreiung, S. 68 f. 634 Siehe BT-Drucks. 12/2443, S. 188 (durch die Mitwirkungspflichten werde einem Missbrauch der Restschuldbefreiung entgegengewirkt). 635 Vgl. Holzer, WiB 1997, 1278, 1281.

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bb) Missbräuchliche Inanspruchnahme des Verfahrens Ein Missbrauchsvorwurf ist dem Schuldner auch bei einer erneuten Antragstellung zu machen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn ihm in den letzten zehn Jahren bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt oder nach § 296 InsO bzw. § 297 InsO versagt wurde, § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F.636 Der Missbrauchscharakter der ersten Variante des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. lässt sich dabei nicht derart leicht erfassen wie in den obigen Fällen einer Schädigung der Insolvenzgläubiger. Teilweise wird er ihr deshalb mit dem Argument, der bloße Umstand einer erneuten Insolvenz des Schuldners innerhalb von zehn Jahren reiche für einen Missbrauchsvorwurf nicht aus, sogar gänzlich abgesprochen.637 Dabei wird allerdings verkannt, dass der Begriff des „Missbrauchs“ wie auch der „Unredlichkeit“ nicht derart wertungsgeladen zu verstehen ist. § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 InsO a. F. betrifft ein Verhalten, das – weil es zur fortwährenden Gläubigerenttäuschung führt – unerwünscht638 und mithin genauso als „missbräuchlich“ anzusehen ist wie ein unmittelbar gläubigerschädigendes Handeln. Dem Schuldner wird in diesem Zusammenhang nicht der Vorwurf gemacht, dass er erneut insolvent geworden ist, sondern, dass er in einem Zehn-JahresZeitraum einen weiteren Antrag auf Restschuldbefreiung stellt und dadurch wiederholt andere für seine finanziellen Risiken aufkommen müssen.639 Die Erteilung der Restschuldbefreiung ist für die Gesamtheit der Gläubiger unter Umständen mit dem Verlust ihrer gesamten Forderungen verbunden. Auch wenn das Bedürfnis des Schuldners nach Entlastung immer wieder eintreten kann,640 sind diese von der Gläubigergemeinschaft zu tragenden erheblichen finanziellen Einbußen – jedenfalls für eine gewisse Zeit – nur einmal gerechtfertigt. Insoweit ist auch zu bedenken, dass im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO beispielsweise schon die wirtschaftlichen Verluste bloß eines Gläubigers die Versagung der Restschuldbefreiung auslösen können. Auf die Ursachen für die erneute Insolvenz, d. h. ob der Schuldner schuldlos (etwa wegen Krankheit oder Unterhaltspflichten) oder schuldhaft wiederholt in Not gerät, kommt es nach alledem bei § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 InsO a. F. nicht an.641 Aus diesem Grund darf es für das Eingreifen dieses Versagungsgrunds auch keine Rolle 636 Ahrens, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch (Aufl. 6), § 290 Rn. 33 („Mit dem gesetzlichen Tatbestand wird also eine Interessenabwägung darüber vorgenommen, wann die Ausübung eines bestehenden Rechts als nicht angemessen gilt“). 637 Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 1 Rn. 108; in diese Richtung auch Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.21: „Die erste Alternative dieses Versagungsgrundes (…) hat weniger mit der Redlichkeit des Schuldners als mit dem Ausnahmecharakter der Restschuldbefreiung zu tun“. 638 Vgl. Becker, Insolvenzrecht Rn. 137. 639 Den Schuldner i. R. d. § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. als Wiederholungstäter zu bezeichnen (so Maier/Krafft, BB 1997, 2173, 2177) erscheint allerdings zu weitgehend. 640 Vgl. Becker, Insolvenzrecht Rn. 137. 641 Ebenso, jedoch mit anderer Begründung BGH ZVI 2010, 345, 347; BGH ZVI 2016, 166, 167; Fischer, in: A/G/R-InsO, § 290 (alt) Rn. 58.

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spielen, ob der Schuldner die erneute Restschuldbefreiung bei Überschuldung berechnend eingeplant hat. Den Stimmen642, die eine solche einschränkende Auslegung des Tatbestandes verlangen, ist zwar zuzugestehen, dass in den Gesetzesmaterialien im Zusammenhang mit der Zweckbestimmung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F., die darin liegt, einen Missbrauch des Insolvenzverfahrens als Mittel zur wiederholten Reduzierung der Schuldenlast vorzubeugen, von einem bewussten Abwälzen finanzieller Risiken auf andere die Rede ist.643 Allerdings sollte damit keine Beschränkung des Tatbestandes zum Ausdruck gebracht, sondern lediglich die Bedeutung einer Sperrfrist für solche Fälle unterstrichen werden, in denen auch die Erfahrungen aus einem vorherigen Verfahren den Schuldner nicht zu einem vorsichtigen Wirtschaften veranlasst haben.644 Nach dem Willen des Gesetzgebers liegt die besondere Vorwerfbarkeit allein in der Antragswiederholung.645 Im Rahmen der zweiten Variante des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. geht es demgegenüber darum, dass ein Schuldner, der sich bereits einmal durch einen Obliegenheitsverstoß während der Wohlverhaltensperiode als unredlich erwiesen hat, nicht die Möglichkeit einer schnellen neuen Restschuldbefreiung durch Einleitung eines weiteren Insolvenzverfahrens haben soll.646 Der Schwerpunkt dieses Versagungsgrunds liegt damit auf der wirksamen Sanktion festgestellten unredlichen Verhaltens. Es wird als missbräuchlich angesehen, dass der Schuldner erneut einen Antrag stellt, obwohl ihm die Restschuldbefreiung versagt wurde. cc) Nichtbeachtung des Grundsatzes der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger Schließlich ist dem Schuldner ein missbräuchliches Verhalten vorzuhalten, wenn er einzelne Gläubiger bevorzugt befriedigt. Zwar tilgt er in solchen Fällen seine Verbindlichkeiten teilweise und manifestiert seine Leistungsbereitschaft. Jedoch liegt der Vorwurf hier in seiner kollusiven Intention oder einer anderen Absicht, die der Gleichbehandlung der Gläubiger widerspricht.647 Der Verstoß gegen das dem gesamten Insolvenzrecht zugrundeliegende Gebot der gleichmäßigen und gerechten Gläubigerbefriedigung rechtfertigt insoweit gem. § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO oder § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO648 die Versagung der Restschuldbefreiung. 642

Eine subjektive Vorwerfbarkeit fordert etwa Heyer, Restschuldbefreiung, S. 72. BT-Drucks. 12/2443, S. 190. 644 Vgl. Ahrens, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch (Aufl. 6), § 290 Rn. 33. 645 Dafür spricht auch, dass der InsO-Gesetzgeber grundsätzlich die Ursachen der Insolvenz i. R. d. Versagungsgründe unberücksichtigt lassen wollte, siehe dazu unten S. 135 ff. 646 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 72; Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 243. 647 Vgl. Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 156; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 123. 648 Zu dem Ziel des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO, die Bevorzugung einzelner Gläubiger zu verhindern, siehe oben S. 113. 643

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b) Anstrengungsaspekte Der Vorwurfsschwerpunkt der zweiten Redlichkeitsfacette geht im Allgemeinen dahin, dass der Schuldner nicht genügend Anstrengungen unternommen hat. Bereits im Rahmen der Ausführungen zu den finanziellen Anstrengungen, die dem Schuldner auf seinem Weg zur Entschuldung abverlangt werden, wurde festgestellt, dass das Restschuldbefreiungsverfahren von dem Grundsatz geprägt ist, dass der Schuldner selbst aktiv wird. Dieser Gedanke setzt sich in den Redlichkeitskriterien fort. Dabei ist zwischen solchen Anstrengungen, die die Förderung des Verfahrens betreffen, und solchen, die im Hinblick auf die bestmögliche Gläubigerbefriedigung verlangt werden, zu unterscheiden. aa) Förderung des Verfahrens Die Legitimationsgrundlage einiger Versagungsgründe besteht in dem Vorwurf unkooperativen Verhaltens des Schuldners, durch das er den Fortgang bzw. die Funktionsfähigkeit des Verfahrens blockiert. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass lediglich ein Schuldner Restschuldbefreiung verdient, der durch tätige Mitarbeit den Verfahrensablauf fördert.649 Dies gilt sowohl im Insolvenzeröffnungs- und Insolvenzverfahren650 (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO) als auch während der nachfolgenden Wohlverhaltensperiode (§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO) bzw. in einem etwaigen Versagungsverfahren (§ 296 Abs. 2 S. 2, 3 InsO). Ist der Schuldner nicht bereit, Auskünfte abzugeben, prozessuale Lasten – wie etwa die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung – zu tragen oder auf gerichtliche Ladung bzw. im Termin zu erscheinen, erschwert er die Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts zu Lasten aller Gläubiger.651 Beschleunigt und fördert der Schuldner das Insolvenzverfahren dagegen, profitieren die Gläubiger dergestalt, dass die Tätigkeit des Insolvenzverwalters erleichtert wird und dieser das Verfahren schneller abwickeln kann.652 Es wird vom Schuldner daher erwartet, dass er den im Verfahren insgesamt erforderlichen Untersuchungsaufwand des Gerichts, Verwalters und Treuhänders gering hält und einen unnötigen Kostenaufwand vermeidet. Kurz gesagt, er soll sich gläubigerfreundlich vor, während 649

Siehe BT-Drucks. 12/2443, S. 188: „Außerdem wird die Restschuldbefreiung grundsätzlich nur gewährt, wenn der Schuldner (…) im Insolvenzverfahren konstruktiv mitwirkt und auch während der siebenjährigen ,Wohlverhaltensperiode‘ die Interessen seiner Gläubiger achtet, insbesondere indem er jeden Arbeitsplatzwechsel anzeigt (…)“; vgl. auch BT-Drucks. 16/7416, S. 39 (zu Nr. 35). 650 „Die Anknüpfung an die mangelnde Kooperation des Schuldners im Insolvenzverfahren erschließt sich vor dem Hintergrund, dass das Durchlaufen des Insolvenzverfahrens Voraussetzung für das Restschuldbefreiungsverfahren ist“, Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 43. 651 Vgl. Holzer, WiB 1997, 1278, 1281 f. 652 Vgl. Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 122. Eine maßgebliche Rolle spielt dabei die Mitwirkung des Schuldners in Form der Offenlegung seiner Vermögens- und allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse. Primär auf dieser Grundlage ist zu ermitteln und zu prüfen, ob und welche verteilbare Masse für die Gläubiger im Insolvenzverfahren bereit steht, vgl. AG Oldenburg ZInsO 2001, 1170, 1171.

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und nach dem Insolvenzverfahren verhalten, um die Chancen der Insolvenzgläubiger, tatsächlich Befriedigung zu erlangen, zu erhöhen.653 Auch dem Schuldner, der sich unkooperativ verhält, ist also letztlich nicht nur sein Desinteresse am Verfahren, sondern vor allem die unzureichende Förderung von Gläubigerinteressen vorzuwerfen. bb) Mitarbeit in Form der Zahlung der Mindestvergütung des Treuhänders In seiner Legitimationsgrundlage ähnlich schwer zu fassen wie die Antragswiederholung nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 InsO a. F. ist der Tatbestand des § 298 InsO. Dies liegt wohl auch in diesem Zusammenhang daran, dass dem Schuldner, der die Mindestvergütung des Treuhänders nicht deckt, kein klassisch gläubigerfeindliches Verhalten zur Last gelegt werden kann.654 Die Rechtfertigung dafür, den Schuldner nicht in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen zu lassen, erschließt sich aber, wenn man den Blick darauf richtet, dass ihm auch in diesen Fällen eine mangelnde Mitwirkung am Verfahren vorzuhalten ist. Es steht somit erneut die Anstrengungsseite der Redlichkeit im Vordergrund.655 Der Gesetzgeber erwartet vom Schuldner als „Veranlasser“ des Verfahrens,656 dass er die Kosten für die Mindestvergütung des Treuhänders aufbringt, wenn er in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen möchte.657 Hintergrund dessen ist, dass die Funktionsfähigkeit des Verfahrens in der Wohlverhaltensperiode maßgeblich von der Tätigkeit des Treuhänders abhängt. Er stellt sicher, dass die Gläubiger mittels der abgetretenen Bezüge befriedigt werden können. Erhält der Schuldner insbesondere im Gegenzug für seine Befriedigungsbemühungen in der Wohlverhaltensperiode Restschuldbe653

BT-Drucks. 12/2443, S. 188. In diesem Sinne vertreten bspw. Schwede, Restschuldbefreiung für Verbraucher, S. 49 und Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 298 Rn. 1 die Auffassung, § 298 InsO sanktioniere nicht die Unredlichkeit des Schuldners. Auch Grote/Lackmann, in: FK-InsO, § 298 Rn. 3 gehen insoweit von einem Redlichkeitsbegriff im natürlichen Sprachgebrauch aus: „Anders als bei den §§ 295, 297 InsO wird mit der Versagungssanktion nicht ein „unredliches“ Verhalten des Schuldners sanktioniert, das ihn unwürdig erscheinen lässt in den Genuss der Restschuldbefreiung zu kommen. Ebenso wenig soll vom Schuldner ein Sonderopfer verlangt werden, um das Erreichen der Restschuldbefreiung in sog. Nullfällen zu erschweren. Die harte Sanktionsdrohung soll lediglich den Mindestvergütungsanspruch des Treuhänders sicherstellen.“; ebenso Stephan, in: MüKo-InsO, § 298 Rn. 1; zu der dem Versagungstatbestand entgegengebrachten Kritik Pehl, in: Braun-InsO, § 298 Rn. 1. 655 Diese Anstrengungsseite klingt auch in der Stellungnahme des Bundesrates zum RegE 2007 an (BT-Drucks. 16/7416, S. 59): „Derjenige Schuldner, der ernsthaft am Verfahren mitarbeiten will, wird während der Wohlverhaltensperiode monatlich die zur Deckung der Vergütung des vorläufigen Treuhänders erforderlichen Beträge in gleicher Weise zurücklegen wie die Mittel, die er zur Zahlung der Vergütung des Treuhänders im Restschuldverfahren benötigt“. 656 Das Veranlasserprinzip greift in einem Vollstreckungsverfahren zur Durchsetzung von Geldforderungen immer dann, wenn die Vollstreckungskosten nicht im Wege der Vollstreckung selbst gedeckt werden können, näher zum Ganzen Preuß, in: Jaeger-InsO, § 298 Rn. 2. 657 Siehe dazu oben S. 123. 654

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freiung, soll er insoweit auch zu einer ordnungsgemäßen Abwicklung der Gläubigerbefriedigung beitragen. Ihm wird damit ein weiteres658 finanzielles „Opfer“ abverlangt, das seine Berechtigung sowohl im Veranlasserprinzip als auch in der (mittelbaren) Förderung der Gläubigerinteressen und dem Charakter der Restschuldbefreiung als Rechtswohltat findet.659 cc) Bemühung um die bestmögliche Gläubigerbefriedigung Eine letzte Fallgruppe bilden die Versagungsgründe, in deren Vordergrund die optimale Befriedigung der Gläubigerforderungen steht. Diesen ist gemein, dass ihr absoluter Vorwurfsschwerpunkt darin liegt, der Schuldner habe sich nicht nach besten Kräften bemüht, seine Gläubiger während der Wohlverhaltensperiode zu befriedigen. Ein solcher Vorwurf ist ihm zu machen, wenn er seiner Erwerbs- bzw. Abführungsobliegenheit i. S. d. § 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO nicht nachkommt und daher seine Arbeitskraft für die Gläubiger nicht erschlossen werden kann. Das Gleiche gilt, wenn er einen während der Wohlverhaltensperiode erlangten Vermögenserwerb, der von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erfolgt, nicht zur Hälfte des Wertes seinen Gläubigern zur Verfügung stellt, § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Beide Versagungsgründe basieren auf dem Gedanken, dass ein Forderungsverzicht den Gläubigern nur zuzumuten ist, wenn der Schuldner seine bestmöglichen Tilgungsbemühungen unter Beweis gestellt hat.660 Auf die Redlichkeit des Schuldners ist es dagegen ohne Einfluss, wenn er zu keinen Leistungen an die Gläubiger in der Lage ist.661 Kommt der Schuldner den Anforderungen aus § 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO nach, kann ein etwaiges fehlendes Leistungsvermögen nie Grundlage einer Versagung sein.

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Insoweit weist das Erfordernis, die Mindestvergütung des Treuhänders zu bezahlen, in erster Linie eine Nähe zu der Verfahrenskostentragungspflicht im Insolvenzverfahren auf. Zur Verfahrenskostentragungspflicht siehe oben S. 73 ff. 659 In diese Richtung auch Stephan, in: MüKo-InsO, § 298 Rn. 3: „Die Legitimation des § 298 beruht in erster Linie auf dem Gedanken, dass der Gesetzgeber die Verpflichtung hat, das Restschuldbefreiungsverfahren funktionsfähig auszugestalten. (…) Die Vorschrift des § 298 stellt zudem eine weitere Motivation für den Schuldner dar, durch eine angemessene eigene Sonderleistung zu einem funktionsfähigen Verfahren beizutragen“; siehe außerdem Pehl, in: Braun-InsO, § 298 Rn. 1 (Der Schuldner erstrebe mit der Befreiung von seinen Verbindlichkeiten einen rechtlichen Vorteil, für den ihm bestimmte Opfer abverlangt werden könnten; es bestehe kein Grund, sie auf den Treuhänder abzuwälzen). 660 Darauf wurde bereits ausführlich im Zusammenhang mit der Legitimation der Erwerbsobliegenheit eingegangen, so dass auf die entsprechenden Ausführungen (S. 89 ff.) zu verweisen ist. 661 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 199.

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3. Gemeinsame Prämissen der Redlichkeitskriterien a) Wahrung der Gläubigerinteressen Die Herausarbeitung der Redlichkeitsfacetten hat gezeigt, dass (zumindest mittelbar) jeder Versagungsgrund seine Legitimation darin findet, dass der Schuldner ein Verhalten gezeigt hat, das den Interessen der (Insolvenz-)Gläubiger entweder (in Form einer Beeinträchtigung bzw. Gefährdung) zuwiderläuft oder durch das jedenfalls eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Gläubigerbelangen zu Tage tritt, weil er diese nicht genügend fördert und achtet.662 Hinter dem „Interesse“ oder den „Belangen“ der Gläubiger steckt dabei typischerweise ihr Befriedigungsanliegen. Die Redlichkeitskriterien verfolgen mithin allesamt das Ziel, das Interesse der Gläubiger an einer bestmöglichen Tilgung ihrer Verbindlichkeiten zu fördern bzw. zumindest zu schützen. b) Irrelevanz der Insolvenzursachen Gemein ist den Versagungsgründen auch, dass ihr Vorwurf gegen den Schuldner grundsätzlich nicht die Ursachen seines wirtschaftlichen Scheiterns miteinbezieht.663 Für die Redlichkeit des Schuldners und somit für die Frage, ob er Restschuldbefreiung erhalten soll, ist es daher in der Regel unerheblich, ob Geschäfte zu seinem Ruin geführt haben, die man bei Einhaltung der verkehrsüblichen Sorgfalt nicht getätigt hätte, und er seine Insolvenz mithin zu vertreten hat.664 Freilich spielen für die Gläubiger des konkreten Insolvenzverfahrens die Hintergründe der Insolvenz eine weniger wichtige Rolle als das Verhalten des Schuldners im Verfahren.665 Dies ist nur ausnahmsweise anders, wenn der Schuldner sie dadurch geschädigt hat, dass er trotz eines sich anbahnenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs verschwenderische Ausgaben getätigt hat. Lediglich in diesem Fall (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO)666 662 In diesem Sinne heißt es auch in der Gesetzesbegründung zu § 239 InsO-E (daraus wurde später § 290 InsO): „Ihren Ursprung haben alle Versagungsgründe in dem Grundsatz der Regelung, daß nur ein redlicher Schuldner, der sich seinen Gläubigern gegenüber nichts hat zuschulden kommen lassen, die Möglichkeit der Restschuldbefreiung erhalten soll“, BT-Drucks. 12/2443, S. 190; vgl. auch Jacobi, ZVI 2010, 289: „Eine anderweitige – vom Gläubigerinteresse unabhängige – Unredlichkeit gibt es nicht“. 663 Treffend Becker, KTS 2008, 3, 19: „Auch in der gesellschaftlich sensiblen Frage einer Enteignung der Gläubiger zugunsten des sozialpolitischen Anliegens der Reintegration des Gemeinschuldners trennt das Gesetz nicht zwischen Insolvenz aus Unglück oder Insolvenz aus Verschulden“. 664 Becker, KTS 2008, 3, 19; kritisch Wiedemann, ZVI 2004, 645, 653 f. 665 Scholz, FLF 1992, 115, 119; ders., MDR 1992, 817, 819; Wacket, FLF 1989, 65, 66. 666 Zwar finden die Insolvenzursachen auch in dem von § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfassten Tatbestand des § 283 StGB Berücksichtigung, der u. a. die Herbeiführung der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit durch eine der dort genannten Bankrotthandlungen sanktioniert. Allerdings erfordert § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO keinen konkreten Bezug der Straftat zum aktuellen Insolvenzverfahren, in dem der Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt wurde. Anders als bei

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

greift das Gesetz im Rahmen der Versagungsgründe deshalb auch die Vorgeschichte der Insolvenz auf,667 indem es berücksichtigt, dass sich der Schuldner etwa durch hemmungsloses Konsumverhalten oder höchst spekulatives Handeln selbst in eine prekäre finanzielle Situation gebracht hat. Sanktioniert wird dabei allerdings nur vorwerfbares Verhalten innerhalb des letzten Jahres668 vor Stellung des Antrags. Das Verhalten wird somit lediglich relevant, wenn es im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren steht. Diese Beschränkung sowie die Zurückhaltung der Versagungsgründe hinsichtlich einer Ursachenforschung im Allgemeinen gründen wohl insbesondere darin, dass der damit verbundene Prüfungsaufwand des Insolvenzgerichts zu hoch gewesen wäre.669 Würde man die Gründe der Überschuldung zur Prüfung der Rechtfertigung einer Entschuldung stärker berücksichtigen als in den Versagungsgründen der §§ 286 ff. InsO vorgesehen, setzte dies im jeweiligen Einzelfall immer eine umfassende und fundierte Untersuchung über die Insolvenzursachen und den jeweiligen Verantwortungsbereichen, in denen sie ihren Ursprung haben, voraus.670 Dies aber würde das Restschuldbefreiungsverfahren überfrachten.671 So gilt es zu bedenken, dass Insolvenzen im Regelfall nicht ausschließlich durch eine Ursache, sondern durch ein Ursachenbündel bedingt sind.672 Indem der InsO-Gesetzgeber sich weitgehend eines Vorwurfs bezüglich der Entstehungsgründe für die Überschuldungssituation enthielt, rückte er gleichzeitig von der ehemaligen vergleichsrechtlichen Würdigkeitsprüfung i. S. d. §§ 18 Nr. 1 VerglO, 187 S. 1 KO673 und deren strafenden Charakter ab.674 Dies hinderte ihn al§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO spielt die Tatsache, dass der Schuldner die aktuelle Insolvenz durch rücksichtsloses Wirtschaften selbst verursacht hat, also keine Rolle für die Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO. 667 Vgl. Medicus, DZWIR 2007, 221, 225 f.; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 117; vgl. auch Heyer, Restschuldbefreiung, S. 72. 668 Zur Änderung durch die Reform 2014 siehe unten S. 262 f. 669 In diesem Sinne lehnte der Rechtsausschuss des Bundestags den Vorschlag der SPDFraktion, den Verschuldensgrad des Schuldners in Bezug auf seine Insolvenz für die Dauer der Wohlverhaltensperiode zu berücksichtigen, unter Verweis auf eine zu starke Justizbelastung ab, BT-Drucks. 12/7302, S. 187 (zu Nr. 181). Im Übrigen ist es – wie Madaus, JZ 2016, 548, 555 f. zutreffend feststellt – nicht die Aufgabe des Insolvenzrechts, die Motivlage oder Handlungsweisen eines insolventen Schuldners auf Redlichkeit hin zu untersuchen. Eine solche Prüfung ist in einer Gesellschaft überholt, deren Wirtschaftsordnung zwecks Förderung des Konsums und des Unternehmertums darauf abzielt, allen Bevölkerungsschichten eine Kreditfinanzierung zu ermöglichen. 670 Vgl. Ackmann, ZIP 1982, 1266, 1274; Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 179. 671 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 72. 672 Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 179. 673 Im Rahmen dieser Würdigkeitsprüfung spielte der Begriff der Unredlichkeit ebenfalls eine Rolle. Dort stand er jedoch im Zusammenhang mit den Insolvenzursachen, siehe dazu Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 196. Zur insoweit irreführenden Terminologie der Redlichkeit nach der InsO, Ahrens, in: FKInsO, § 290 Rn. 6.

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lerdings nicht daran, in der Gesetzesbegründung auf den „unverschuldet in Not geratenen Schuldner“, zu dessen Hilfe die Restschuldbefreiung diene, zu verweisen.675 Dass der Gesetzgeber dieses Schuldnerbild insoweit zu Rechtfertigungszwecken nutzte, ist wohl der Tatsache geschuldet, dass es für das Gerechtigkeitsempfinden der Allgemeinheit durchaus eine Rolle spielt, aus welchen Gründen das Bedürfnis des Schuldners nach einem gesetzlichen Schuldenschnitt überhaupt erst entstanden ist. c) Der Grundsatz des „Sich-Bewährens“ Neben ihrem Zweck, eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung zu erreichen, ist den Redlichkeitskriterien noch ein weiterer Gedanke immanent, der eng mit der das gesamte Restschuldbefreiungsrecht durchziehenden Prämisse zusammenhängt, dass der Schuldner im Gegenzug für die Entschuldung besondere Bemühungen zeigen soll. Es wird nicht nur von ihm verlangt, die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen unter Beweis zu stellen, seine Verbindlichkeiten in einem angemessenen Zeitraum so weit zu befriedigen, als es ihm möglich und zumutbar ist,676 sondern auch, dass er bereit ist, „einen gewissen Lernprozess durchzustehen, um als kreditwürdiger Akteur in das Wirtschaftsleben zurückzukehren“677. Der Schuldner soll seinen Willen zeigen, den ihm in Aussicht gestellten Neuanfang wirklich zu nutzen. Dies manifestiert er, indem er keine Versagungsgründe erfüllt, sich also vor und während des gesamten Verfahrens durch ein gläubigerfreundliches Verhalten bewährt.678 In diesem Sinne sollen die Redlichkeitserfordernisse der Restschuldbefreiung Nachhaltigkeit verleihen: Am Ende des Verfahrens soll ein Schuldner stehen, der in Zukunft verantwortungsvoll und eigenverantwortlich am Wirtschaftsverkehr teilnimmt.679 Insbe-

674 Siehe auch Ahrens, ZVI 2003, 509, 514 (Das Restschuldbefreiungsverfahren sei unabhängig von materiellen Würdigkeitsanforderungen in Gestalt einer durch die unbestimmten Kriterien von Unredlichkeit und Leichtsinn sanktionierten Sozialmoral); ders., in: Kohte/ Ahrens/Grote/Busch/Lackmann, § 290 Rn. 6. 675 BT-Drucks. 12/2443, S. 190. 676 Vgl. BGH NZI 2005, 274, 275; Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.02. 677 Ehricke, in: MüKo-InsO (Aufl. 3), § 295 (alt) Rn. 2 (Diese Bereitschaft müsse er durch eigenes Verhalten und nicht lediglich durch die Nutzbarmachung fremder Unterstützung nach außen hin verdeutlichen). 678 (Bzgl. der Wohlverhaltensperiode) vgl. Köhler/Simokat, KTS 2017, 495, 515: „Während dieses Zeitraums hat der Schuldner unter Beweis zu stellen, dass er zur Führung eines wirtschaftlich geordneten Lebens fähig ist (kein Verstoß gegen die Versagungsgründe der §§ 296 bis 298 InsO)“. 679 Zur Reintegrationsfunktion (allerdings beschränkt auf die Wohlverhaltensperiode) BGH NZI 2005, 274, 275: Die Wohlverhaltensperiode diene „einmal dazu, die Insolvenzgläubiger so weit zu befriedigen, als es dem Schuldner möglich und zumutbar ist, und zum andern dazu, den Schuldner im Wirtschaftsleben wieder Fuß fassen zu lassen“; Hergenröder, ZVI 2005, 521, 528: „In der Wohlverhaltensperiode geht es nicht mehr nur um eine bloße Haftungsverwirklichung, sondern insbesondere auch um die Reintegration des Schuldners“.

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sondere680 die Wohlverhaltensperiode enthält insoweit einen „Läuterungsgedanken“ und übernimmt in gewisser Weise eine „Erziehungsfunktion“.681 Enttäuscht der Schuldner diese Erwartung, versperrt ihm § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. daher auch den erneuten Weg zur Restschuldbefreiung und unterstreicht auf diese Weise die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der vom Schuldner zur Erlangung der Restschuldbefreiung zu leistenden Anstrengungen.682 Der Tatsache, dass der Schuldner sich bewähren muss, darf dabei allerdings kein Sühnecharakter beigemessen werden. Es geht bei den Anstrengungen des Schuldners nicht darum, dass er für den Forderungsausfall seiner Gläubiger aus Akzeptanzgesichtspunkten eine gewisse „Leidensperiode“ auf sich nehmen muss. Pönale Elemente sind dem Restschuldbefreiungsverfahren – wie oben beschrieben – fremd.683 Der Blick wird vielmehr auf die Zukunft und vor allem das Leben nach der Restschuldbefreiung gerichtet. Dieses soll sowohl im Schuldner- als auch im Gläubigerinteresse schuldenfrei sein. Daher kann der teilweise vertretenen Ansicht684, der Wohlverhaltensperiode komme auch eine Genugtuungsfunktion zugunsten der Gläubiger zu, nicht gefolgt werden.685 Der mehrjährige Zeitraum verfolgt zwar den Zweck einer Lern- nicht aber den einer Leidensperiode.

IV. Untersuchung der gesetzgeberischen Konzeption im Hinblick auf die Legitimation der Restschuldbefreiung Auch in Bezug auf die Redlichkeitsanforderungen der §§ 286 ff. InsO ist zu untersuchen, ob und inwieweit sie die im Grundlagenteil aufgestellten Prämissen wahren.

680 Nichts anderes gilt für den Zeitraum des Insolvenzverfahrens. Insoweit ist zu bedenken, dass auch ein Verstoß gegen die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zeigt, dass nicht zu erwarten ist, dass der Schuldner künftig die Rechte seiner Gläubiger achtet, vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.23. 681 Lissner, ZVI 2012, 93, 96 (Pädagogischer Effekt der Wohlverhaltensperiode. Diese diene der Änderung von Einstellungen); vgl. auch Ahrens, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch/ Lackmann, § 290 Rn. 79 (Die Wohlverhaltensperiode diene u. a. der Erprobung des Schuldners); anders aber ders., in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch/Lackmann, § 295 Rn. 2 (Die Obliegenheiten dienten keinen edukatorischen Zielen). 682 Vgl. Heyer, Restschuldbefreiung, S. 72. 683 Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 3. 684 Ehricke, in: MüKo-InsO (Aufl. 3), § 295 (alt) Rn. 2 f.; Weinland, in: A/G/R-InsO, § 295 (alt) Rn. 5. 685 Wie hier Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 3; Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7 f.

C. Redlichkeit des Schuldners

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1. Verfassungsrechtliche Seite a) Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit Zu den obersten Prinzipien eines gesetzlichen Restschuldbefreiungsverfahrens gehört es, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen hinreichende Gläubigerschutzvorschriften vorsehen muss. Diese haben zu verhindern, dass den Gläubigern von Gesetzes wegen Forderungsverzichte auch gegenüber Schuldnern abverlangt werden, die das Privileg der Restschuldbefreiung rechtsmissbräuchlich ausnutzen und ihre Gläubiger bei der Eingehung oder der Abwicklung ihrer Verbindlichkeiten hintergangen, wenn nicht sogar Straftatbestände verwirklicht haben.686 Jenem Gedanken, dass ein solcher Schuldner nicht schutzwürdig687 im Hinblick auf seine Erwartung, Restschuldbefreiung zu erlangen, ist, hat der InsO-Gesetzgeber durch die zahlreichen Versagungs- und Widerrufsmöglichkeiten der §§ 286 ff. InsO Rechnung getragen. Ihnen kommt eine Filterfunktion für illoyales Schuldnerverhalten zu.688 Die zehnjährige Sperrfrist des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. stellt sicher, dass der Schuldner realistisch betrachtet im Leben allenfalls zweimal – höchstens jedoch dreimal – die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung erhält.689 Dadurch ist gewährleistet, dass die Gläubiger nur begrenzt einen Ausfall ihrer Forderungen im Wege einer gesetzlichen Restschuldbefreiung zu befürchten haben und der Schuldner im Hinblick auf sein Verlangen, Restschuldbefreiung zu erlangen, schutzbedürftig690 sein muss. Freilich nimmt die Konzeption des Versagungs- und Widerrufssystem, die durch einen numerus clausus der Versagungsgründe gekennzeichnet ist, in Kauf, dass das Netz nicht umfassend ist.691 So führt der Verzicht auf eine Generalklausel dazu, dass auch solche Schuldner Restschuldbefreiung erlangen können, die dem gesetzlichen Anforderungsprofil eigentlich nicht entsprechen, weil ihr Verhalten aus anderen als in den Versagungstatbeständen sanktionierten Gründen als unredlich erscheinen mag.692 Insbesondere sind damit einige Unstimmigkeiten693 verbunden. Dies betrifft zunächst § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO, welcher seine Sanktion auf solche Täuschungen beschränkt, die der Schuldner zwecks Leistungsbezugs aus öffentlichen Mitteln 686 G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2720 f.; vgl. Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 116; Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 162 f.; Scholz, ZIP 1988, 1157, 1160. 687 Siehe oben S. 61 ff. 688 Vgl. Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 114; BT-Drucks. 12/2443, S. 100 f. 689 Schmidt-Räntsch, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 1), S. 1177, 1181. 690 Siehe oben S. 58. 691 Bzgl. § 290 InsO: Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 118 f.; Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 151; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 290 Rn. 62. 692 Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 151; vgl. Vallender, ZVI 2003, 253. 693 Freilich wurden einige dieser Unstimmigkeiten mittlerweile durch den Reformgesetzgeber behoben. Diese sind daher Gegenstand des dritten Teils der Arbeit und sollen an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

getätigt hat. Ein unredlicher Leistungsbezug aus privaten Versicherungen fällt dagegen nicht unter den Schutzbereich der Norm.694 Auf diesem Wege entsteht eine Wertstufigkeit unredlichen Verhaltens zugunsten des Fiskus, die sich nicht mit dem durch die InsO erfolgten Abbau der Rangklassen695 für die ehemaligen Konkursvorrechte nach § 61 KO vereinbaren lässt.696 Auch der Gläubiger, der Opfer eines seitens des Schuldners begangenen Betrugs (§ 263 StGB) oder eines anderen Eigentums- oder Vermögensdelikts geworden ist, wird nicht nachvollziehen können, warum der Schuldner in einem solchen Fall dennoch als redlich i. S. d. InsO gilt.697 Zwar kann ein Betrug unter § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallen, jedoch nur, wenn der Schuldner ihn begangen hat, um einen Kredit zu erhalten. In ihrem Unwertgehalt vergleichbare Betrugsfälle, wie etwa Täuschungen des Schuldners gegenüber einem vorleistungspflichtigen Werkunternehmer über seine Liquidität bei Vertragsschluss, können dagegen nicht unter § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO subsumiert werden.698 Nicht ausreichend ist es in diesem Zusammenhang, den durch einen Betrug des Schuldners geschädigten Gläubiger auf § 302 Nr. 1 InsO zu verweisen, welcher Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung von den Wirkungen der Restschuldbefreiung ausnimmt. Insoweit muss es nämlich dem geschädigten Gläubiger überlassen bleiben, ob er aufgrund des erlittenen Unrechts einen Versagungsantrag stellt und den Schuldner nicht in den Genuss eines Schuldenschnitts kommen lässt oder er von der Stellung eines Versagungsantrags absieht und von der Regelung des § 302 Nr. 1 InsO profitiert.699

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Siehe oben S. 108 f. Siehe dazu BT-Drucks. 12/2443, S. 90. 696 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 69. 697 Heyer, a. a. O., S. 65 f.; Wimmer, ZVI 2012, 160, 164; vgl. Napoletano, Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung, S. 299. Diese Fälle werden von § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht erfasst, siehe S. 106 f. Der im nicht umgesetzten Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen“ vom 18.1.2012 enthaltene Vorschlag, eine Versagung der Restschuldbefreiung für den Fall vorzusehen, dass der Schuldner wegen einer zum Nachteil des antragstellenden Insolvenzgläubigers begangenen Straftat rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mindestens neunzig Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt worden ist, sofern der der Verurteilung zugrunde liegende Straftatbestand dem Schutz des Eigentums oder des Vermögens zu dienen bestimmt ist (§ 290 Abs. 1 Nr. 1a InsO-E, abgedruckt in ZVI Beilage 1 zu Heft 2 2012, 1, 14), wurde in den folgenden Gesetzesentwürfen nicht mehr aufgegriffen. 698 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 69. 699 Letzteres hat den Vorteil, dass er nach Erteilung der Restschuldbefreiung seine Forderung behält, ohne weiter mit den anderen einfachen Insolvenzgläubigern zu konkurrieren (Ahrens, ZVI 2011, 273, 277). Um ihm die Option auf diese Sonderstellung nicht zu nehmen und zu vermeiden, dass sich die etwaige Schaffung eines Versagungsgrunds zu seinem Nachteil auswirkt, müsste das Antragsrecht – wie im RefE 2012 vorgesehen – auf den geschädigten Gläubiger beschränkt werden. 695

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Trotz der genannten Wertungsfriktionen muss der Entscheidung des Gesetzgebers für eine abschließende Regelung der Versagungsgründe allerdings zugutegehalten werden, dass dadurch Rechtssicherheit700 für alle Beteiligten geschaffen und insbesondere eine unterschiedliche Praxis der Gerichte vermieden wird.701 Statt eine Generalklausel einzuführen und zu riskieren, dass die Versagungsgründe gleichsam zu einer Beurteilung der allgemeinen Lebensführung des Schuldners ausufern,702 sollte vorzugsweise ein etwaiges Bedürfnis der Praxis nach neuen Versagungsgründen beobachtet und durch den Gesetzgeber überprüft werden.703 Festzuhalten bleibt, dass der Gesetzgeber mit den Versagungsgründen der §§ 286 ff. InsO einen breiten Katalog an Ausnahmevorschriften aufgestellt hat, der geeignet ist, die Schuldnermoral zu fördern und eine hinreichende Abschreckung vor gläubigerschädigenden Handlungen zu bieten. b) Anstrengungen des Schuldners Die Redlichkeitsvoraussetzungen der §§ 286 ff. InsO untermauern mit der Erwerbs- bzw. Abführungsobliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO und dem nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO einzusetzenden Vermögen zudem die verfassungsrechtlich gebotene Haftungsverwirklichung zugunsten der Gläubiger.704 Flankierend wird die Gläubigerbefriedigung durch das den Schuldner im Verfahren treffende Kooperationsgebot gefördert. Eine ordnungsgemäße Abwicklung der Wohlverhaltensperiode im Gläubigerinteresse sichert die Vorschrift des § 298 InsO, wonach der Schuldner die Kosten für die Mindestvergütung des Treuhänders decken muss, möchte er keine Versagung der Restschuldbefreiung riskieren. Wie auch schon die ursprünglich vorgesehene Voraussetzung, dass der Schuldner die Kosten des Insolvenzverfahrens aufbringen musste, führte auch § 298 InsO in seiner Ausgangsfassung dazu, dass mittellose Schuldner keine vielversprechende Aussicht auf eine

700 Gleichwohl leidet die Rechtssicherheit dadurch, dass die Versagungstatbestände teilweise unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten (so § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO) und den Gerichten mithin einen weiten Ermessensspielraum einräumen, Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 290 Rn. 3. 701 Der Versuch des AG München (ZVI 2003, 481 f.), entgegen dem gesetzgeberischen Willen den Begriff der Unredlichkeit eigenständig auszulegen, belegt die Notwendigkeit eines abschließenden Versagungskatalogs. 702 Vgl. Heyer, Restschuldbefreiung, S. 65. 703 Für die Einführung einer Generalklausel unter Verwendung von Regelbeispielen plädieren etwa Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 118 ff.; Napoletano, Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung, S. 302 f.; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 117 f. u. S. 134; für die Schaffung eines Auffangtatbestands in § 290 InsO Trendelenburg, Restschuldbefreiung, S. 230 f. 704 Siehe dazu oben S. 58 ff. und S. 89 ff.

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gesetzliche Entschuldung hatten.705 Vor einem sozialpolitischen Hintergrund mag man die Regelung daher durchaus in Zweifel ziehen.706 Vor dem hier zu betrachtenden verfassungsrechtlich legitimierten Interesse der Gläubiger, im Gegenzug für ihren Forderungsverlust einen Ausgleich in Gestalt der pfändbaren Einkommensanteile des Schuldners zu erhalten, ist sie aber gerechtfertigt. Problematisch im Hinblick auf ihr Befriedigungsinteresse gestaltet sich dagegen die Tatsache, dass die Gläubiger während der Wohlverhaltensperiode gem. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO lediglich hälftig an einem angefallenen Erwerb von Todes wegen partizipieren.707 Seine in der Gesetzesbegründung geäußerte Befürchtung, der Schuldner könnte bei einer vollen Abführungspflicht geneigt sein, die Erbschaft auszuschlagen, hätte der InsO-Gesetzgeber ausräumen können, indem er zusätzlich zur vollumfänglichen Abführung des erbrechtlich Erworbenen eine Annahmeobliegenheit geschaffen hätte.708 Das Ausschlagungsrecht des Schuldners ist vor dem Hintergrund der gesetzgeberisch intendierten Anreizlösung ohnehin nur schwer verständlich. Es ermöglicht ihm nämlich, durch entsprechende Vereinbarungen mit seinen Verwandten dafür zu sorgen, dass er seine Erbschaft erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung erhält oder auf andere Weise bereits während der Wohlverhaltensperiode davon profitiert.709 Im Falle einer solchen – für den Schuldner freilich ohne großen Aufwand umzusetzenden – Umgehung der Obliegenheit des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO haben die Gläubiger nicht einmal Aussicht auf den hälftigen Erbschaftsanteil. Die darin zum Ausdruck kommende Gläubigerbenachteiligungsabsicht bleibt aufgrund der Entscheidung des Gesetzgebers sanktionslos. Der Einführung einer Annahmeobliegenheit kann auch nicht die Höchstpersönlichkeit des Ausschlagungsrechts entgegengehalten werden.710 Da mit einer solchen gerade keine rechtseinschränkende Pflicht verbunden wäre,711 stünde es dem Schuldner weiterhin frei, zu entscheiden, ob er die Erbschaft mit den genannten Konsequenzen annimmt 705 Fälle, in denen – wie vom InsO-Gesetzgeber erhofft – ein vom Schuldner und den Gläubiger unabhängiger Treuhänder bereit ist, ohne Vergütung tätig zu werden, sind die absolute Ausnahme, Leyendecker, in: BK-InsO, § 288 Rn. 5. 706 So Hess, in: KK-InsO, Vor. § 1 Rn. 183. 707 Kritisch auch Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 193; Medicus, DZWIR 2007, 221, 226. 708 Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 68 m. w. N. Bereits aus der geltenden Fassung des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine Annahmeobliegenheit abzuleiten, scheidet einerseits wegen der entgegenstehenden gesetzgeberischen Intention (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 192) und andererseits aufgrund des Wortlauts der Norm, wonach eine Obliegenheitsverletzung erst mit dem Vermögenserwerb in Betracht kommt, aus. Eingehend zur Problematik Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 292. 709 Vgl. Thora, ZInsO 2002, 176, 177. 710 So auch Thora, ZInsO 2002, 176, 178; kritisch unter Verweis darauf, dass auch die Erwerbsfreiheit ein höchstpersönliches Recht sei, der deutsche Gesetzgeber insoweit jedoch nicht differenziert habe, Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 110; a. A. BGH NZI 2009, 563, 564; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 295 Rn. 20; Kexel, in: Graf-SchlickerInsO, § 295 Rn. 6; Stephan, in: MüKo-InsO, § 295 Rn. 68; Wenzel, in: KPB-InsO, § 295 Rn. 32. 711 Thora, ZInsO 2002, 176, 178.

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oder sie ausschlägt und dafür unter Umständen auf die Restschuldbefreiung verzichten muss. Möchte er auf Kosten seiner Gläubiger aber in den Genuss der Restschuldbefreiung gelangen, ist es ihm zuzumuten, Vermögenswerte, die er den Gläubigern eigentlich vorenthalten kann, im Restschuldbefreiungsverfahren zur Schuldentilgung einzusetzen,712 sich also auch insoweit gläubigerfreundlich zu verhalten. Gegenüber den Gläubigern nur schwer rechtfertigen lässt sich auch der Umstand, dass sie auf sonstige Werte, die dem Schuldner während der Wohlverhaltensperiode zugeflossen sind, vollständig verzichten müssen.713 Erhält der Schuldner nach Beendigung des Insolvenzverfahrens etwa eine Schenkung oder einen Lotteriegewinn, führt dies zu dem disparaten Ergebnis, dass er das mühelos Erworbene behalten darf, aber den durch Arbeit über die Pfändungsfreigrenzen hinaus erzielten Betrag abzuführen hat.714 Eine solche Lösung steht im Gegensatz zu den den Redlichkeitskriterien inhärenten, eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung bezweckenden Anstrengungsaspekten. Vor allem aber lässt sie außer Acht, dass der Gläubiger letztlich mit Erteilung der Restschuldbefreiung eine Forderung verliert, die eigentlich realisierbar und damit werthaltig ist.715 Der Rechtssicherheitseinwand, der in der Gesetzesbegründung gegen eine Obliegenheit zu zusätzlichen Zahlungen nach dem Empfang von Geschenken angeführt wird, besitzt nicht genügend Schlagkraft.716 Eine genauere Begründung, weshalb sich der Umfang der vom Schuldner in diesem Rahmen zu erbringenden Leistungen nicht ausreichend feststellen ließe,717 bleiben die Verfasser der InsO im Übrigen schuldig. Als weiteres Argument gegen entsprechende Anregungen zu einer erweiterten Einbeziehung des Neuerwerbs während der Wohlverhaltensperiode wurden abermals etwaige Vermeidungsstrategien ins Feld geführt.718 Diese Gefahr hätte allerdings nach dem Vorbild des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO im Wege einer Anreizlösung, wonach dem Schuldner ein gewisser Anteil am Erworbenen verbleibt, abgemildert werden können.719 Nichtsdestotrotz ist einzuräumen, dass derartiger Neuerwerb aus Schenkungen oder Lotteriegewinnen in der 712

Dieckmann, in: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 127, 132 f.; Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 292; Thora, ZInsO 2002, 176, 178 (Das Interesse eines Schuldners, eine Erbschaft anzunehmen, könne nicht höher bewertet werden als die Befriedigung der Gläubiger); kritisch auch Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.37 (Der Schuldner werde zu großzügig behandelt); für die Einführung eines Umgehungsverbots Napoletano, Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung, S. 302. 713 So auch Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 193; Napoletano, Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung, S. 300. 714 Medicus, DZWIR 2007, 221, 226. 715 Vgl. J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 255. 716 BT-Drucks. 12/2443, S. 267 (zu Nr. 33). Den österreichischen Gesetzgeber hat er jedenfalls nicht daran gehindert, eine entsprechende Obliegenheit zu schaffen, vgl. § 210 Abs. 1 Z 2 IO. 717 BT-Drucks. 12/2443, S. 267 (zu Nr. 33). 718 BT-Drucks. 12/2443, S. 267 (zu Nr. 33). 719 Dafür plädiert etwa Trendelenburg, Restschuldbefreiung, S. 264.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

Praxis die Ausnahme darstellt. Die Gläubiger würden demnach ohnehin in den seltensten Fällen davon profitieren.720 Der vom Gesetzgeber eingeschlagene Weg, im Rahmen der Schuldnerbemühungen nahezu vollständig auf die Erwerbs- bzw. Abführungsobliegenheit während der Wohlverhaltensperiode zu setzen, erscheint daher zwar nicht konsequent und im Hinblick auf das Recht des betroffenen Gläubigers aus Art. 14 GG im Einzelfall zumindest bedenklich, ist angesichts des legislativen Gestaltungsspielraums aber zu respektieren.721 Keinesfalls jedoch erinnern die Obliegenheiten der §§ 286 ff. InsO im hier untersuchten Zusammenhang an „Bewährungsauflagen im Strafrecht“ oder stellen die „Wiedereinführung der altorientalischen Schuldknechtschaft“ dar.722 Vielmehr ist die Erwerbsobliegenheit das zentrale Element, „das den Gläubigern den Verlust der Durchsetzbarkeit ihrer Forderungen überhaupt zumutbar macht“723. Dies setzt als absolute Basis allerdings voraus, dass Verstöße wirksam geahndet werden, das Sanktionssystem der §§ 286 ff. InsO mithin funktioniert. Hat der Schuldner dagegen keinen Anreiz, seiner Erwerbsobliegenheit nachzukommen, weil er ohnehin keine Versagung zu befürchten hat, läuft § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Rechtfertigungselement724 der Restschuldbefreiung letztlich leer. c) Effektive Kontrollmöglichkeiten Es stellt sich damit die Frage, inwieweit die §§ 286 ff. InsO eine wirksame Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung von Pflichten und Obliegenheiten gewährleisten und so den Schuldner zu einem redlichen, gläubigerfreundlichen Verhalten anhalten, das den Rechten der Gläubiger aus Art. 14 GG Rechnung trägt.725 720

Siehe auch die Erfahrungen von Heyer, ZVI 2019, 3, 6. Häufiger ist dagegen der Fall, dass der selbständig tätige Schuldner höhere Gewinne erzielt als er bei abhängiger Tätigkeit verdient hätte. Aufgrund der Regelung des § 295 Abs. 2 InsO partizipieren die Gläubiger nicht an diesem Erfolg, was in der Literatur z. T. kritisiert wird (siehe exemplarisch Uhlenbruck, MDR 1990, 4, 10; Wenzel, in: KPB-InsO, § 295 Rn. 21). Dennoch ist diese Lösung zu befürworten, da sie der Tatsache Rechnung trägt, dass der selbständige Schuldner auch das Risiko eingeht, im Rahmen seiner Tätigkeit nicht die gleichen Einkünfte wie bei einer unselbständigen Beschäftigung zu erzielen, so auch Ahrens, in: FK-InsO, § 295 Rn. 189 f.; Preuß, in: JaegerInsO, § 295 Rn. 28. 721 Zur „Pauschalierung von Gerechtigkeit“ im verfassungsrechtlichen Kontext, J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 255 f. 722 So aber Trinkner, BB 1992, 2441 ff.; kritisch im Hinblick auf Trinkners Ansicht G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2721. 723 Wenzel, in: KPB-InsO, § 295 Rn. 12. Sie stellt gerade den Ersatz für die fehlenden Mindestquoten i. R. d. gesetzlichen Restschuldbefreiung dar, siehe dazu oben S. 90 f. 724 Insofern kann die folgende Aussage des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zu § 287b InsO auf die Erwerbsobliegenheit in der Wohlverhaltensperiode übertragen werden: „Die Akzeptanz des Verfahrens wird wesentlich davon beeinflusst, ob die Gläubiger die Einhaltung dieser Obliegenheit angemessen überwachen können“, BT-Drucks. 17/13535, S. 28 (zu Nr. 21). 725 Zur Notwendigkeit eines wirksamen Kontrollsystems siehe bereits oben S. 62 f.

C. Redlichkeit des Schuldners

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Durch die gläubigerautonome Ausgestaltung des Versagungsverfahrens hat der Gesetzgeber die Insolvenzgläubiger als Wächter über die Redlichkeit des Schuldners eingesetzt. Die Initiativlast zur Überprüfung der Redlichkeit wurde ihnen aufgebürdet,726 weil sie die von der Restschuldbefreiung wirtschaftlich Betroffenen sind. aa) Informationsdefizit der Gläubiger Aufgrund des im Versagungsverfahren bestehenden Antragserfordernisses hängt die Möglichkeit, den unredlichen Schuldner von der Restschuldbefreiung auszuschließen, zunächst davon ab, ob die Gläubiger überhaupt Kenntnis von dem Versagungsgrund erlangen können.727 Eine direkte Informierung über das Vorliegen eines Versagungsgrunds durch das Gericht oder den Insolvenzverwalter ist ausgeschlossen. Beide sind angesichts ihrer Neutralitätspflicht nicht dazu befugt.728 Die Gläubiger müssen sich daher selbst die notwendigen Informationen beschaffen, was in der Praxis mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Für das Insolvenzverfahren lässt sich insofern konstatieren, dass sie in den seltensten Fällen Erkenntnisse außerhalb des Verfahrens erlangen, zumal sich eigene Ermittlungen vor dem Hintergrund der damit verbundenen Kosten zumeist nicht lohnen.729 Möchten die Gläubiger von ihrem Akteneinsichtsrecht Gebrauch machen, um Informationen zu erhalten, müssen sie etwaige Kosten für die Herstellung und Überlassung der Dokumente oder die Fahrt zum Gericht selber tragen.730 Die Einsichtnahme in die Zwischenberichte des Insolvenzverwalters kann ihnen zwar Anhaltspunkte über mögliche Versagungsgründe liefern, ist aber jedenfalls mit zeitlichem Aufwand verbunden, der außerdem häufig vergebens ist.731 Auf weitere Informationen können die Gläubiger lediglich im Rahmen der Auskünfte, die der Schuldner erteilen muss, um seiner Pflicht aus § 97 Abs. 1 InsO gerecht zu werden, hoffen. Allerdings ist der Schuldner nach § 97 Abs. 1 S. 1 InsO gegenüber der Gläubigerversammlung bloß auf Anordnung des Gerichts verpflichtet, Auskünfte über alle das Verfahren betreffenden

726

Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 12; Wiedemann, ZVI 2004, 645, 653. Preuß, Restschuldbefreiung (Aufl. 1) Rn. 215. 728 Sie dürfen die Gläubiger auch nicht dazu anregen, einen Versagungsantrag zu stellen. Näher zum Ganzen Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 13 f. m. w. N. 729 Siehe auch Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 115: „Die Überwachung eines Schuldners wäre nur durch Einschaltung eines Ermittlungsdienstes bzw. einer Detektei möglich. Solche Maßnahmen sind jedoch enorm kostenträchtig“. Eigene Kenntnisse von den Lebensumständen des Schuldners haben die Gläubiger zumeist nicht, AG München NZI 2004, 456, 461. 730 Kritisch B. Schmidt, InVo 2001, 309, 311; siehe auch Schwede, Restschuldbefreiung für Verbraucher, S. 84. Frind, ZInsO 2003, 341, 345 weist im Übrigen darauf hin, dass die Gerichte Insolvenzakten durchweg wegen des Eilcharakters des Verfahrens nicht an Anwaltskanzleien versenden. 731 Bartels, KTS 2013, 349, 380 (Es sei keineswegs ausgemacht, dass die Zwischenberichte des Verwalters oder Treuhänders Informationen über Versagungsgründe liefern). 727

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

Verhältnisse zu geben, was die Aussichten des informationssuchenden (einfachen) Gläubigers erheblich einschränkt.732 Während der Wohlverhaltensperiode sind die Mittel zur Aufklärung obliegenheitsgetreuen Verhaltens noch weniger erfolgversprechend, weil der Schuldner nur sehr begrenzt von sich aus – und überdies lediglich gegenüber dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder, nicht aber gegenüber den Gläubigern – Auskünfte erteilen muss.733 Insbesondere trifft ihn keine versagungsbewehrte regelmäßige Rechenschaftspflicht über seine Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit, wie sie das österreichische Recht734 bei Erwirtschaftung keiner bzw. ausschließlich unpfändbarer Bezüge vorsieht. Die Überwachung des Schuldners durch den Treuhänder, die das Informationsdefizit der Gläubiger während der Wohlverhaltensperiode ausgleichen soll, findet nur statt, wenn dies von der Gläubigerversammlung beantragt und die dafür vorgesehene zusätzliche Vergütung des Treuhänders gezahlt worden ist (§ 292 Abs. 2 InsO). Zudem müssen die durch die Kontrolltätigkeit entstehenden notwendigen Auslagen gedeckt sein.735 Weil sich die Überwachungskosten für die Gläubiger aber in aller Regel nicht lohnen,736 wird der Treuhänder in der Praxis nur in absoluten Ausnahmefällen damit betraut.737 Im Übrigen wird der Einsatz des Treuhänders auch dadurch erschwert, dass die Gläubigerversammlung ihn spätestens im Schlusstermin beauftragen muss, weil sie nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht mehr einberufen wird.738 Freilich kann sich ein Bedürfnis nach einer Kontrolle des Schuldners durch den Treuhänder aber auch zu einem späteren Zeitpunkt ergeben.739 Für einen Gläubiger, der einen Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit angesichts der geringen Zuteilungen des Treuhänders aus abgetretenem Gehalt (§ 292 Abs. 1 S. 2 InsO) vermutet, verbleibt damit zumeist bloß die Option, den Treuhänder oder das Insolvenzgericht anzuregen, Auskünfte nach § 295 Abs. 1 732 Kritisch bzgl. des Erfordernisses der gerichtlichen Anordnung vor dem Hintergrund der Gläubigerrechte Heese, Gläubigerinformation in der Insolvenz, S. 291 ff.; siehe auch Bartels, KTS 2013, 349, 380. 733 Vgl. insofern die Ausführungen zu § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf, S. 119 ff. 734 Gem. § 210 Abs. 1 Z 5a IO obliegt es dem Schuldner, „dem Gericht und dem Treuhänder zu den vom Gericht festgelegten Zeitpunkten, mindestens einmal im Jahr, Auskunft über seine Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit zu erteilen, wenn er keinen, einen unpfändbaren oder keinen den unpfändbaren Freibetrag übersteigenden Bezug hat; unterbleibt die Auskunft, so hat das Gericht dem Schuldner eine Nachfrist von zwei Wochen einzuräumen, um die Auskunft zu erteilen“. 735 Pehl, in: Braun-InsO, § 292 Rn. 11. 736 Dies ist etwa der Fall, weil sie ohnehin – wie in Insolvenzverfahren natürlicher Personen üblich – vergleichsweise geringe Forderungen geltend machen, vgl. Jäger, ZVI 2003, 55, 60. 737 AG München NZI 2004, 456, 460 (Zudem verspreche eine Überwachung kaum Erfolg); Frind, ZInsO 2003, 341, 345; vgl. auch Scholz, BB 1992, 2233, 2234. Davon abgesehen darf der Treuhänder die Gläubiger aber auch ohne Überwachungsauftrag über einen Versagungsgrund unterrichten, BGH NZI 2010, 781, 782. Anders als das Gericht und der Insolvenzverwalter unterliegt er keiner absoluten Neutralität, Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 14. 738 Ahrens, in: FK-InsO, § 292 Rn. 28; Pehl, in: Braun-InsO, § 292 Rn. 10. 739 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 95.

C. Redlichkeit des Schuldners

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Nr. 3 InsO einzuholen.740 Eine Pflicht des Schuldners, Auskünfte gegenüber dem Gläubiger zu erteilen, setzt gem. § 296 Abs. 2 S. 2 InsO erst ein, wenn dieser einen zulässigen Versagungsantrag stellt.741 Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es ihm gelingt, die Voraussetzungen eines Versagungsgrundes gem. § 296 Abs. 1 S. 1 InsO darzulegen und glaubhaft zu machen. Dies stellt eine – wie sogleich zu zeigen ist – erhebliche Hürde dar.742 Bis dahin sind die Initiativmöglichkeiten der Gläubiger zur Informationseinholung jedenfalls sehr beschränkt.743 bb) Formale Hürden Versagungsanträge nach § 290 InsO konnten nach der Ursprungsfassung der InsO lediglich im Schlusstermin gestellt werden.744 Dies bedeutete für den Gläubiger, dass er, auch wenn das Insolvenzverfahren – wie es häufig der Fall ist –745 an einem weit entfernten Gericht stattfindet, entweder persönlich zum Schlusstermin anreisen oder einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung des Termins beauftragen musste.746 Weil aber der damit einhergehende zeitliche und finanzielle Aufwand747 nur aus740

Vgl. Bartels, KTS 2013, 349, 380. „Die Auskunftspflicht des Schuldners dient nicht der Ausforschung von Obliegenheitsverletzungen“, Stephan, in: MüKo-InsO, § 296 Rn. 27. 742 Bartels, KTS 2013, 349, 380. Selbst wenn der Gläubiger diese Hürde überwindet, wird er mangels „Gegenbeweisen“ nur selten die Gelegenheit haben, die eidesstattliche Versicherung des Schuldners zu widerlegen, Frind, ZInsO 2003, 341, 345. 743 Bartels, KTS 2013, 349, 380. 744 Jäger, ZVI 2003, 55, 60; Wenzel, in: KPB-InsO, § 290 Rn. 18 m. w. N. In IK-Verfahren bestand allerdings gem. § 312 Abs. 2 S. 1 InsO die Möglichkeit, das Verfahren oder einzelne seiner Teile schriftlich durchzuführen, wenn die Vermögenverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind. Ordnete das Gericht die Schriftlichkeit des Verfahrens an, konnten Versagungsanträge innerhalb der seitens des Gerichts anstelle des Schlusstermins gesetzten Frist schriftlich gestellt werden, Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, S. 216; Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 606. Seit der Überführung des § 312 Abs. 2 S. 1 InsO in § 5 Abs. 2 S. 1 InsO im Wege des InsOÄndG 2007 ist diese Möglichkeit nicht mehr auf das vereinfachte Insolvenzverfahren begrenzt. 745 Dies ist u. a. auf Umzüge des Schuldner oder darauf zurückzuführen, dass die „klassischen“ Gläubiger (wie z. B. Versandhäuser, Direktbanken, Mobilfunkanbieter) überregional tätig und regelmäßig nicht am Wohnort des Schuldners geschäftsansässig sind, näher dazu Jäger, ZVI 2003, 55, 60. 746 AG München NZI 2002, 676, 678; kritisch B. Schmidt, InVo 2001, 309, 311. 747 Hinzu kommt, dass der antragsstellende Gläubiger gem. § 23 Abs. 2 GKG die Kosten für das Versagungsverfahren tragen muss, Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 296 Rn. 67. Es fallen Gerichtskosten in Höhe einer Gebühr von 35 E (KV Nr. 2350) sowie Auslagen und Veröffentlichungskosten an, Montag, in: PrivatInsRK, § 296 Rn. 29. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung erreichen, dass ein Insolvenzgläubiger nur in aussichtsreichen Fällen einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellt, BT-Drucks. 12/3803, S. 72 f. Zwar hat der Gläubiger bei einem begründeten Antrag einen Kostenersatzanspruch, die Realisierung der Forderung dürfte zumeist aber an der Vermögenslosigkeit des Schuldners scheitern, Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 296 Rn. 67. 741

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

nahmsweise in einem angemessenen Verhältnis zu dem zu erwartenden Ertrag stand, sahen die Gläubiger in aller Regel von einer Teilnahme am Schlusstermin ab.748 Berechtigte Versagungsanträge unterblieben somit schon allein angesichts dieser formalen Hürde.749 cc) Beweisschwierigkeiten Selbst wenn ein Gläubiger von einem Versagungsgrund Kenntnis erlangt und bereit ist, Zeit und Kosten für die Teilnahme am Schlusstermin in Kauf zu nehmen, muss er das Vorliegen der Voraussetzungen des Versagungsgrunds noch schlüssig darlegen und glaubhaft machen.750 Das Zusammenspiel aus Informationsdefizit und Beweisanforderungen der §§ 286 ff. InsO macht es dem Gläubiger bei einzelnen Versagungsgründen überaus schwer, zum Teil sogar nahezu unmöglich, einen zulässigen Versagungsantrag zu stellen.751 So führt das fehlende Recht der Gläubiger und des Verwalters, Verurteilungen beim Bundeszentralregister zu erfragen752 dazu, dass sie in aller Regel schon keine Kenntnis von den in § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO aufgeführten Straftaten erlangen.753 Jedenfalls aber wird die erforderliche Glaubhaftmachung ohne Zentralregisterauszug kaum gelingen.754 Auch der Treuhänder verfügt über kein Recht das Bundeszentralregister abzurufen, so dass selbst dessen Beauftragung mit der Überwachung des Schuldners nicht weiterhilft. Jene Be-

748 Gold, Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, S. 220 f.; Jäger, ZVI 2003, 55, 60; Schwede, Restschuldbefreiung für Verbraucher, S. 81; das AG München (NZI 2004, 456, 460) sieht daneben die nur öffentliche Bekanntmachung des Schlusstermins (vgl. § 197 Abs. 2 InsO) als Ursache für die fehlende Gläubigerbeteiligung an; siehe auch BTDrucks. 17/11268, S. 27. 749 In den von Reill-Ruppe untersuchten Verfahren nahmen in 97,3 % der Fälle keine Gläubiger am Schlusstermin teil, Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 200. 750 Vgl. AG München NZI 2004, 456, 460; siehe dazu oben S. 104 f. 751 Vgl. Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 251. 752 Entsprechende Auskünfte erhält nur der Schuldner selbst gem. § 30 Abs. 1 S. 1 BZRG oder das Gericht nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG. Da die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts bei der Entscheidung über die Versagung der Restschuldbefreiung aber erst einsetzt, wenn der Gläubiger den Versagungsgrund glaubhaft gemacht hat, ist es nicht von sich aus verpflichtet, von seinem Auskunftsrecht Gebrauch zu machen, Preuß, Restschuldbefreiung (Aufl. 1) Rn. 215. 753 Preuß, ebd. Auch eine sonstige Kenntniserlangung über die Einleitung eines Strafverfahrens oder eine rechtskräftige Verurteilung ist nur schwer möglich, insbesondere wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz bzw. Betriebssitz nicht am Wohnort des Schuldners hat oder das Strafverfahren nicht am Wohnort des Schuldners stattfindet, Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 135. 754 AG München NZI 2004, 456, 460. Heyer fordert deshalb eine angepasste Handhabung der Anforderungen an die Glaubhaftmachung, näher dazu Heyer, Restschuldbefreiung, S. 68.

C. Redlichkeit des Schuldners

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weisschwierigkeiten treten deshalb gleichermaßen beim Versagungstatbestand des § 297 InsO auf.755 Kenntnis von den im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sanktionierten Steuerstraftaten wird vor allem das Finanzamt als Gläubiger des Insolvenzverfahrens des Schuldners haben.756 Liegt ein rechtskräftiges Urteil oder ein rechtskräftiger Strafbefehl vor, kann sich das Finanzamt dieser zur Glaubhaftmachung bedienen.757 Weil die Strafverfahren jedoch zumeist sehr lange dauern, steht einer solchen Möglichkeit in der Praxis häufig die Präklusionswirkung des Schlusstermins entgegen.758 Zudem wird ein Großteil der eröffneten Strafverfahren aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, der Wirtschaftlichkeit oder der Beweislage nach § 153a StPO eingestellt. In derartigen – eigentlich offensichtlichen – Fällen gelingt es dem Finanzamt ebenfalls nicht, die Steuerhinterziehung glaubhaft zu machen.759 Verstöße gegen § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. bleiben zumeist von vornherein unentdeckt, weil die Insolvenzgläubiger regelmäßig weder Kenntnis von den bezeichneten Tatsachen haben noch über zureichende Ermittlungsmöglichkeiten verfügen.760 Entsprechende Daten bei Auskunfteien werden oftmals nicht mehr vorliegen und auch ein Zugriff auf das Internetportal www.insolvenzbekanntmachungen.de hilft in der Regel nicht weiter,761 weil die Entscheidungen in Restschuldbefreiungsverfahren spätestens sechs Monate nach der Erteilung oder der Versagung der Restschuldbefreiung gelöscht werden.762 Nur sehr schwer zu führen ist auch der Nachweis bei § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO. Hier dürfte den Gläubigern das Finanzgebaren des Schuldners schon nicht bekannt sein, so dass die schadensstiftenden Verhaltensweisen i. S. d. Nr. 4 kaum zu beweisen sind.763 Außerdem hat der Schuldner es in der Hand, einer Versagung nach Nr. 4 zu entgehen, indem er erst nach Ablauf des Jahres den Insolvenzantrag stellt.764 755

Vgl. Stephan, in: MüKo-InsO (Aufl. 3), § 297 (alt) Rn. 5. Kranenberg weist allerdings darauf hin, dass dies keinesfalls selbstverständlich sei, da Insolvenzverfahren und Fälle der Steuerhinterziehung in den Finanzämtern von unterschiedlichen, voneinander unabhängigen Stellen bearbeitet würden und Informationen schon im Hinblick auf § 30 AO nicht automatisch ausgetauscht werden könnten, Kranenberg, NZI 2011, 664, 666. 757 Kranenberg, NZI 2011, 664, 665. 758 Kranenberg, NZI 2011, 664, 666. 759 Kranenberg, NZI 2011, 664, 666, die zu dem Ergebnis kommt, dass § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO angesichts der Schwierigkeiten, Nachweis zu erbringen, für die Finanzämter de facto ins Leere läuft. 760 Jäger, ZVI 2019, 85; ders., ZVI 2012, 177, 185. 761 Jäger, ZVI 2019, 85; ders., ZVI 2012, 177, 185. 762 Siehe § 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet vom 12.2.2002 (BGBl. I, 677) in der ab dem 1.7.2007 geltenden Fassung (BGBl. I, 509). 763 AG München NZI 2004, 456, 460; Maier/Krafft, BB 1997, 2173, 2177 dort Fn. 41. 764 AG München NZI 2004, 456, 460. 756

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

Im Rahmen der beiden Versagungsgründe wegen Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO besteht die Schwierigkeit vor allem darin, zu beweisen, dass der Verstoß nicht lediglich auf einer reinen Nachlässigkeit, sondern auf einem mindestens grob fahrlässigen Verhalten des Schuldners beruht.765 Während der Wohlverhaltensperiode werden die Erfolgsaussichten der Gläubiger, einen Obliegenheitsverstoß glaubhaft zu machen, weiter dadurch eingeschränkt, dass sie auch Nachweis über die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung erbringen müssen.766 Zwar ist das mit dem Erfordernis verfolgte gesetzgeberische Ziel, Vorsorge dafür zu treffen, dass Bagatellverstöße nicht zu einer vorzeitigen Versagung der Restschuldbefreiung führen,767 zweckmäßig. Jedoch lassen die Anforderungen aus § 296 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 i. V. m. § 296 Abs. 1 S. 3 InsO die Gläubiger in der Praxis vielfach von einer Antragstellung Abstand nehmen.768 Gelingt es dem Gläubiger zum Beispiel, zu beweisen, dass der Schuldner sich nicht um eine angemessene Arbeitsstelle bemüht hat,769 muss er daneben darlegen und nachweisen, dass bei pflichtgemäßem Bemühen der Verdienst oberhalb des pfändungsfreien Betrags gelegen hätte.770 Dies ist in den seltensten Fällen erfolgreich, weil regelmäßig aufgrund des Ausbildungsstands des Schuldners oder bestehender Unterhaltsverpflichtungen ohnehin keine pfändbaren Bezüge angefallen wären.771 Auf diese Weise kann etwa ein Freiberufler oder ein als Angestellter in der Firma der Ehefrau beschäftigter Schuldner, der sein Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze hält, unschwer Restschuldbefreiung erlangen, ohne seine Arbeitskraft zugunsten der Gläubiger einzusetzen und die Versagung befürchten zu müssen.772 Da im Rahmen des § 303 InsO sogar eine erhebliche Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung glaubhaft gemacht werden muss, sind die beweisrechtlichen 765 AG München NZI 2004, 456, 460 („die beiden Versagungsgründe laufen damit faktisch leer“). Diese Hürde, Nachweis über die subjektiven Voraussetzungen zu erbringen, besteht im Übrigen auch bei den Tatbeständen der Nr. 2 und 4, siehe dazu AG München NZI 2002, 676, 678 (Der Nachweis grober Fahrlässigkeit des Schuldners etwa bei unvollständigen oder unrichtigen Angaben oder Vermögensverschwendung sei nur schwer zu führen). 766 Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 542 („erhebliche Schwelle für erfolgreiche Versagungsverfahren“); vgl. Wiedemann, ZVI 2004, 645, 653. 767 Vallender, ZAP 2016, 907, 920. 768 Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 132. 769 Der InsO-Gesetzgeber führte insoweit exemplarisch an, die Glaubhaftmachung könne durch die Vorlage einer schriftlichen Erklärung des Treuhänders erfolgen, nach der der Schuldner nach einer Beendigung seines Arbeitsverhältnisses trotz Aufforderung durch den Treuhänder keine Auskunft über seine Bemühungen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, gegeben hat, BT-Drucks. 12/2443, S. 193. Die Abgabe derartiger Auskünfte oder die Vorlage schriftlicher Bewerbungen wird dem Schuldner jedoch in aller Regel nicht schwerfallen, Trendelenburg, Restschuldbefreiung, S. 268. 770 AG München NZI 2004, 456, 461. 771 Brenner, InsbürO 2015, 269, 272; Recker, InsbürO 2016, 272, 274. 772 Vgl. AG München NZI 2002, 676, 679.

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Hürden im Widerrufsverfahren in der Regel unüberwindbar. Hier wird man auch berücksichtigen müssen, dass es eine objektiven Kriterien kaum zugängliche Auslegungsfrage ist, ob eine Beeinträchtigung erheblich oder unerheblich ist.773 Zusätzlich erschwert wird die erfolgreiche Geltendmachung einer nachträglich bekannt gewordenen Obliegenheitsverletzung weiter durch den erforderlichen Nachweis vorsätzlichen Handelns und fehlender Kenntnis des Gläubigers. d) Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts In dem Fall, dass keine Verweigerung der Restschuldbefreiung gegenüber dem Schuldner ausgesprochen wird, steht dem antragsstellenden Gläubiger die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung zu, vgl. §§ 290 Abs. 3 S. 1, 296 Abs. 3 S. 1 (i. V. m. § 297 Abs. 2), 303 Abs. 3 S. 2 InsO. Der Gläubiger verfügt somit über eine hinreichende Möglichkeit, sich gegen eine gerichtliche Entscheidung zu wehren, die zur Folge hätte, dass er ungeachtet der Unredlichkeit des Schuldners auf seine Forderung verzichten müsste. e) Ergebnis Festzuhalten ist, dass die §§ 286 ff. InsO den durch Art. 14 GG geschützten Interessen der Gläubiger dadurch Rechnung tragen, dass sie vom Schuldner ein gläubigerfreundliches Verhalten verlangen. Auch wenn ein größerer Schutz vor Gläubigerschädigungen und Missbrauch des Instituts möglich wäre und zum Teil auch angebracht erscheint, existiert ein breiter Katalog an Ausnahmevorschriften, die ihrer Idee nach nur einen im Sinne der im Grundlagenteil aufgestellten Prämissen schutzwürdigen und schutzbedürftigen Schuldner in den Genuss einer Entschuldung ohne Zustimmung seiner Gläubiger kommen lassen. Gleichermaßen wird durch verschiedene Instrumente versucht, zu gewährleisten, dass die Gläubiger einen möglichst hohen Ausgleich für ihren Verlust erhalten. Im Hinblick auf die Wohlverhaltensperiode wäre es zwar wünschenswert gewesen, wenn wesentliche Teile des Neuerwerbs des Schuldners nicht schon vor Erteilung der Restschuldbefreiung dem Zugriff der Gläubiger entzogen wären (vgl. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO).774 Insgesamt sorgt jedoch die mehrjährige, versagungsbewehrte Erwerbsobliegenheit – zumindest ihrer Grundidee nach – dafür, dass den Gläubigern ausreichende Tilgungsmittel zufließen. Existiert somit durchaus ein umfassendes, auf eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung abzielendes Anreizsystem, so ist dessen Funktionsfähigkeit gleichwohl erheblich eingeschränkt. Dies liegt daran, dass die Handhabe der Gläubiger zur näheren Aufklärung pflichtgemäßen und obliegenheitstreuen Verhaltens mangels wirksamer resp. zumutbarer Ermittlungsmöglichkeiten und Infor-

773 774

Maier/Krafft, BB 1997, 2173, 2180. Kesseler, RNotZ 2003, 557, 558.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

mationsrechte unzureichend ist.775 Eine Überwachung, ob der Schuldner seinen Obliegenheiten nachkommt – insbesondere einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachgeht oder sich um eine solche bemüht – findet letztlich nicht statt.776 Der dazu notwendige Einsatz zusätzlicher Kosten rentiert sich schlicht nicht für die Gläubiger. Es besteht somit eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Versagungsgründe unentdeckt bleiben.777 Wird ein Verstoß des Schuldners gegen die Redlichkeitsvoraussetzungen trotz alldem bekannt, führt das bestehende Informationsdefizit der Gläubiger zusammen mit den hohen Beweisanforderungen, die die InsO an einen zulässigen Versagungsantrag stellt, dazu, dass viele Gläubiger schon angesichts der geringen Erfolgsaussichten darauf verzichten, einen Versagungsgrund geltend zu machen.778 Ohne einen Gläubigerantrag kann das Gericht jedoch keine Versagung aussprechen.779 Die Dunkelziffer der Verfahren mit ungenutztem Versagungsgrund dürfte somit erheblich sein.780 Schuldner erlangen damit spätestens mit Eintritt in die Wohlverhaltensperiode eine „Anwartschaft“ auf die endgültige Schuldbefreiung, die ihnen auch bei grobem Fehlverhalten lediglich bei Verkettung besonderer Umstände zu nehmen ist.781 775

Bartels, KTS 2013, 349, 383; Wiedemann, ZVI 2004, 645, 653. AG München NZI 2004, 456, 460. 777 Schwede, Restschuldbefreiung für Verbraucher, S. 88; Wittig, WM 1998, 209, 211 dort Fn. 127. 778 „Lediglich in schätzungsweise 3 % der Verfahren kommt es überhaupt zur Antragstellung. Hierbei fällt der größte Teil der Anträge auf § 290 Abs. 1; die Anzahl von Anträgen, die auf §§ 295, 296 gestützt werden, ist deutlich geringer“, A. Schmidt, in: HambK-InsO, § 1 Rn. 54. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts wurde in nur 566 Fällen von den insgesamt 1.422 auf einem Gläubigerantrag beruhenden Versagungen die Restschuldbefreiung wegen eines Obliegenheitsverstoßes nach §§ 295, 296 InsO versagt, Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 151 vom 16. April 2019, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/ Presse/Pressemitteilungen/2019/04/PD19_151_52411.html (zuletzt geprüft am 15.3.2020). Die Bedeutungslosigkeit von Versagungsanträgen bestätigen auch die Ergebnisse von ReillRuppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 200. Ein Versagungsantrag wurde in nur 1,1 % der dort untersuchten Verfahren gestellt. 779 Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 115. 780 Bartels, KTS 2013, 349, 378. 781 Vgl. AG München NZI 2004, 456, 458 u. 461. Dies bestätigen die Zahlen zu den erfolgreichen durch einen Gläubigerantrag eingeleiteten Versagungsverfahren (siehe Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 151 vom 16. April 2019, abrufbar unter: https:// www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/04/PD19_151_52411.html [zuletzt geprüft am 15.3.2020]): Von den 142.086 im Jahr 2010 eröffneten Insolvenzverfahren natürlicher Personen wurde bis zum 31.12.2017 in 6.562 Verfahren die Restschuldbefreiung versagt (4,6 %). Davon beruht allerdings der größte Teil (78,3 % der Versagungen) nicht auf einem Gläubigerantrag, sondern auf einem Antrag des Treuhänders nach § 298 InsO. Der Anteil der nach § 298 InsO versagten Verfahren an den insgesamt eröffneten Insolvenzverfahren natürlicher Personen beträgt 3,6 %. Lediglich in 1 % aller Verfahren kommt es damit zu einer auf einem Gläubigerantrag beruhenden Versagung. Siehe auch die Erfahrungen aus der gerichtlichen Praxis von Stephan, ZVI 2012, 85, 87 (Erfolgreiche Versagungsverfahren seien die Ausnahme). 776

C. Redlichkeit des Schuldners

153

Nach alldem lässt sich konstatieren, dass die Konzeption der §§ 286 ff. InsO schon nach ihrer Ausgangsfassung keinen effektiven Ausschluss unredlicher Schuldner gewährleistete. Die genannten Kritikpunkte gelten – um es an dieser Stelle bereits vorwegzunehmen – auch de lege lata unverändert fort. Die den Gläubigern zugestandenen verfahrensrechtlichen Mittel können eine effektive Durchsetzung ihrer Rechte nicht gewährleisten.782 Angesichts des nur bedingt funktionierenden Sanktionssystems kann in vielen Fällen weder eine wirksame Abschreckung vor befriedigungsfeindlichem Verhalten noch die angestrebte Motivation des Schuldners zu einer bestmöglichen Anstrengung um Gläubigerbefriedigung erreicht werden.783 Insoweit sind jedenfalls die §§ 295 Abs. 1 Nr. 1, 296 InsO nicht dazu geeignet, den Schuldner in besonderem Maße dazu zu bewegen, (offiziell) eine bezahlte Tätigkeit aufzunehmen, um daraus die Forderungen ihrer Gläubiger zu tilgen.784 Unredliche Schuldner können – etwa indem sie nach erfolgter Insolvenz eine neue gewerbliche Tätigkeit unter dem Namen ihrer Ehefrau aufnehmen oder Schwarzarbeit der Arbeit für die Gläubiger vorziehen – im System der §§ 286 ff. InsO Schlupflöcher finden, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.785 Fungiert die Redlichkeitsüberprüfung zwar quasi als Kompensation für den Verzicht der Gläubiger, ihre Forderungen während und nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Vollstreckungswege durchzusetzen,786 kommt den Gläubigern dieser Ausgleich allerdings nicht zugute. 2. Haftungsrechtliche Seite Im Hinblick auf den privatrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung bedurfte das Institut der Restschuldbefreiung Instrumente, die geeignet sind, davon ausgehende Fehlanreize von vornherein zu unterbinden. Die Redlichkeitsvoraussetzungen tragen diesem Gedanken Rechnung, indem sie dazu beitragen, dass sich eine planmäßige Überschuldung für den Schuldner nicht lohnt, weil er in diesem Falle die Versagung der Restschuldbefreiung zu befürchten hat (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Außerdem kann die gesetzliche Restschuldbefreiung wegen § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 InsO a. F. nicht beliebig oft in Anspruch genommen werden, wodurch der Schuldner davon abgehalten wird, eine erneute Entschuldung berechnend einzukalkulieren.787 Nach Verfahrensende sichert die Sperrfrisst also die Einhaltung neuer Rückzahlungsversprechen, die der Schuldner bei Eingehung seiner 782

Wiedemann, ZVI 2004, 645, 653. Vgl. auch Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 115 und Wiedemann, ZVI 2004, 645, 653 (Keine wirksame Kontrolle der Einhaltung von Pflichten und Obliegenheiten). 784 Wittig, WM 1998, 209, 215 f. 785 Wittig, WM 1998, 209, 216 dort Fn. 164. 786 Vgl. BT-Drucks. 16/7416, S. 18. 787 Schmidt-Räntsch, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 1), S. 1177, 1181 Rn. 16. 783

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern abgibt.788 Auf diese Weise kommt sie den Interessen des allgemeinen Wirtschafts- und Geschäftsverkehrs zu Gute. Die Redlichkeitsvoraussetzungen stellen aber auch sicher, dass das Institut der Restschuldbefreiung von Gläubigern und „zahlenden Schuldnern“ akzeptiert wird.789 Dadurch verhindern sie einen Vertrauensverlust des Rechtsverkehrs in die aus Geldschuld resultierende Haftungsverpflichtung, der bei einer zu großzügigen Entlassung des Schuldners aus seinen Verbindlichkeiten droht.790 So ist das Institut der Restschuldbefreiung weiten Bevölkerungskreisen lediglich zu vermitteln, wenn die Interessen des Schuldners nicht in ungerechtfertigter Weise in den Vordergrund gerückt werden. Davon kann nach allgemeinem Gerechtigkeitsempfinden nur ausgegangen werden, wenn der Schuldner während des Verfahrens gewisse Regeln einhalten muss. Dazu gehört zunächst, dass er sich – wie von § 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 InsO und § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorausgesetzt – während des Verfahrens kooperationsbereit zeigt. Zudem darf er sich nicht der Förderung des Verfahrenszwecks der optimalen Gläubigerbefriedigung widersetzen (so von § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO und § 295 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 InsO verlangt).791 Ferner verfolgen die §§ 286 ff. InsO den Ansatz, die Restschuldbefreiung restriktiv zu gewähren, d. h. nicht zu einem allzu leichtfertigen und immer verfügbaren Gegenstück der Verschuldung zu machen (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 InsO a. F.).792 Dies schließt das Erfordernis ein, dass eine einmal festgestellte Unredlichkeit wirksam sanktioniert wird, indem sich die Missbrauchskontrolle für eine gewisse Zeit fortsetzt (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 InsO a. F.). Nur so kann nämlich sichergestellt werden, dass sich der Schuldner entsprechend den Verhaltensmaßstäben der Regelungen zur Restschuldbefreiung verhält.793 Nicht zuletzt besteht die Prämisse, dass ein Entschuldungsinstrument aus Akzeptanzgesichtspunkten eine Art „Bewährungsphase“ enthalten sollte, die der Ermittlung des schuldnerischen Willens hinsichtlich eines Lebens ohne Überschuldung nach Durchlaufen des Verfahrens dient794 und darauf abzielt, der Restschuldbefreiung Nachhaltigkeit zu verleihen.795 Es wurde gezeigt, dass die §§ 286 ff. InsO diesen Gedanken aufnehmen, indem sie vom Schuldner verlangen, dass er während des gesamten Verfahrens keinen Versagungsgrund erfüllt, sich mithin gläubiger-

788

Vgl. Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, Vor. § 286 bis 303 InsO Rn. 5. Vgl. Lösch, JA 1994, 44, 47; Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 101. 790 Näher zu dieser Gefahr oben S. 55 f. 791 Vgl. Knüllig-Dingeldey, Nachforderungsrecht oder Schuldbefreiung, S. 204. 792 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 72. Zum notwendigen Ausnahmecharakter eines Entschuldungsinstruments siehe oben S. 56. 793 Vgl. Schmidt-Räntsch, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 1), S. 1177, 1181. 794 Vgl. Stellungnahme Bundesrat zu RegE 2007, BT-Drucks. 16/7416, S. 65. 795 Vgl. S. 61. 789

C. Redlichkeit des Schuldners

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freundlich verhält.796 Die Wohlverhaltensperiode bezweckt in diesem Sinne eine wirtschaftliche Rehabilitation und Reintegration natürlicher Personen. Sie trägt wohl auch dazu bei, dass der Schuldner nicht wieder unmittelbar in die Schuldenfalle tappt, sondern zu einem vorsichtigem und sorgfältigen Wirtschaften angehalten wird.797 Allerdings ist sie für diesen Zweck vielfach nicht ausreichend, weil (Verbraucher-)Schuldner häufig zusätzlich eine Unterstützung in der Form einer nachsorgenden Betreuung benötigen.798 Zu einer langfristigen wirtschaftlichen Stabilisierung dieser Schuldner ist eine ganzheitliche Unterstützung erforderlich, die nicht nur eine rechtliche Beratung umfasst, sondern auch psychosoziale und lebenspraktische Hilfen (beispielsweise in wirtschaftlicher Haushaltsführung und Einkommensverwertung) bietet.799 Während der Wohlverhaltensperiode ist eine solche Betreuung jedoch nicht vorgesehen.800 Insbesondere lässt sich aus den §§ 286 ff. InsO keine dahingehende Aufgabe des Treuhänders entnehmen.801 Ihm kann allenfalls die Rolle des Anspornenden zukommen, der den Schuldner dazu motiviert, möglichst hohe Erträge zu erwirtschaften.802 Ein darüberhinausgehendes Engagement im vorgenannten Sinne kann er aber schon allein aufgrund seiner fehlenden

796 Siehe oben S. 137 f. Auch in diesem Zusammenhang stellt sich freilich das Problem, dass keine wirksame Überprüfung versagungsbewehrten Verhaltens stattfindet. 797 Vgl. insoweit auch die Ergebnisse zur Inklusionswirkung des Verbraucherinsolvenzverfahrens bei Lechner, Eine zweite Chance für alle gescheiterten Schuldner? Längsschnittstudie zur Evaluation des Verbraucherinsolvenzverfahrens, S. 49 f., der allerdings den maßgeblichen Faktor für die Herstellung geordneter Lebensverhältnisse beim Schuldner weniger in der Wohlverhaltensperiode als in der Verfahrenseröffnung sieht. Eine Inklusionswirkung der Wohlverhaltensperiode stellt Lechner aber in dem von ihm im Laufe dieses Zeitraums verzeichneten Anstieg der Zahl von Schuldnern, die einen bestimmten Betrag an die Gläubiger abführen, fest. Siehe Lechner, S. 44. 798 Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 59; Frind, ZInsO 2003, 341, 343; Hergenröder, ZVI 2005, 521, 531; Lechner, Eine zweite Chance für alle gescheiterten Schuldner? Längsschnittstudie zur Evaluation des Verbraucherinsolvenzverfahrens, S. 4. In diesem Sinne kritisierte auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum RegE-InsO, dass dieser die Entschuldung auf rein finanzielle, wirtschaftliche Aspekte reduziere und ausschließlich auf repressive Maßnahmen (Arbeitspflichten, Wohlverhalten, Abtretung) setze, die individuellen und familiären Schuldenproblematiken aber nicht angehe, BT-Drucks. 12/2443, S. 256 (zu Nr. 32). 799 Näher dazu Kohte, in: FS Remmers, S. 479, 484 u. 488 f.; Winter, ZVI 2005, 346, 347; siehe auch Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 59 f.; Frind, ZInsO 2003, 341, 343 (Auch eine Unterstützung bei der Arbeitssuche sei erforderlich); Scholz, MDR 1992, 817, 819; Wacket, FLF 1989, 65, 66. 800 Nach der Studie von Lechner, Eine zweite Chance für alle gescheiterten Schuldner? Längsschnittstudie zur Evaluation des Verbraucherinsolvenzverfahrens, S. 19, benötigt zwar nicht jeder Betroffene Hilfe in der Wohlverhaltensperiode, aber im Laufe der Zeit jeder zweite. 801 Hergenröder, ZVI 2005, 521, 531; Ley, in: BK-InsO, § 292 Rn. 11; a. A. Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 341. 802 Eine solche Rolle misst Hergenröder dem Treuhänder zu. Dieser könne den Schuldner mit der Inaussichtstellung des nach der Ursprungsfassung vorgesehenen Selbstbehalts i. S. d. § 292 Abs. 1 S. 4 InsO motivieren, Hergenröder, ZVI 2005, 521, 529.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

zeitlichen Kapazitäten nicht leisten.803 In der Praxis hängt das entsprechende Vorgehen des Treuhänders und somit die Frage, ob nicht nur ein Ableisten der Wohlverhaltensperiode, sondern auch eine Wiedereingliederung des Schuldners stattfindet, deshalb von seinem eigenen Selbstverständnis ab.804 Eine zwingende Beiziehung von Schuldnerberatungsstellen oder ähnlichen Einrichtungen zum Restschuldbefreiungsverfahren805 sieht das Gesetz ebenfalls nicht vor.806 Hinzu kommt, dass die anerkannten Stellen, bei denen der Schuldner kostenlose Beratung einholen kann, vielfach überlastet oder nicht in seiner Nähe vorhanden sind.807 Ihre finanziellen und personellen Mittel reichen jedenfalls nicht aus, um den Bedarf einer umfassenden Betreuungshilfe zu decken.808 Dies führt dazu, dass der Schuldner auch nach Verfahrensende auf sich allein gestellt ist. Gleichwohl wäre für viele Schuldner eine zeitweilige fürsorgerische Betreuung nach der Entschuldung sinnvoll, um einen Umgang mit ihrer neuen wirtschaftlichen Freiheit zu erlernen und den sog. „Drehtüreffekt“ zu vermeiden.809 Demnach erfährt der Schuldner sowohl während der Wohlverhaltensperiode als auch nach Verfahrensende keine ausreichende Unterstützung und Hilfe nach den §§ 286 ff. InsO.810 Der fresh start, das eigentliche Ziel der gesetzlichen Schuldbefreiung, kann daher in vielen Fällen nicht erreicht werden. Kritisch zu sehen ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass bereits während des Verfahrens neue Schulden angehäuft werden können, weil keine gesetzlichen Vorkehrungen, die einer nochmaligen Verschuldung

803 Siehe Frind, ZInsO 2003, 341, 343, der außerdem anführt, dass der Treuhänder bzw. der Verwalter zu den eigentlich notwendigen Betreuungsaufgaben i. d. R. weder ausgebildet noch befähigt sei. 804 Hergenröder, ZVI 2005, 521, 528. 805 Lediglich in IK-Verfahren – und auch dort nur i. R. d. zur Verfahrenseröffnung erforderlichen außergerichtlichen Einigungsversuchs – muss eine geeignete Person oder Stelle i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO involviert sein. Seit 2014 muss zwingend eine persönliche Beratung stattgefunden haben. Näher zu den diesbezüglichen Aufgaben der geeigneten Person oder Stelle Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 305 Rn. 72 ff. 806 Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 341. Der Bundesrat hatte im Gesetzgebungsverfahren zwar erfolglos angeregt, eine Vorschrift einzuführen, nach der der Treuhänder darauf hinwirken solle, dass der Schuldner sich im Bedarfsfall an eine Schuldnerberatungsstelle wendet. Die Schaffung einer Obliegenheit zur Inanspruchnahme einer Schuldnerberatungsstelle lehnte aber auch er mit Hinweis auf die Notwendigkeit einer dahingehenden freien Entscheidung des Schuldners ausdrücklich ab, BT-Drucks. 12/2443, S. 256 f. (zu Nr. 32). 807 Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1 Rn. 87 (dies liege an der fehlenden Bereitschaft vieler Bundesländer, die Beratungsstellen ausreichend zu finanzieren). 808 Frind, ZInsO 2003, 341, 343; vgl. Hergenröder, ZVI 2005, 521, 532.; Hergenröder/ Homann, ZVI 2013, 91, 94. 809 Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 60; vgl. Scholz, FLF 1987, 127, 132 dort Fn. 19; ders., FLF 1992, 115, 120; siehe auch Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 161: „Restschuldbefreiung ist nur ein Element einer Rehabilitation für natürliche Schuldner aber kein Ersatz dafür“. 810 So auch Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 61 f.

C. Redlichkeit des Schuldners

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in dieser Zeit vorbeugen, getroffen sind.811 Ein unbelasteter Neuanfang und eine wirtschaftliche Reintegration des Schuldners scheiden daher häufig aus, noch bevor das Verfahren überhaupt abgeschlossen ist.812 Kann eine Neuverschuldung bei unternehmerisch tätigen Schuldnern zwar erforderlich und sinnvoll sein, sind jedoch die Fälle bedenklich, in denen der Schuldner seinen Konsum wiederholt auf einer umfangreichen Kreditaufnahme aufbaut.813 Dass bei ihm ein Umdenken in seinen wirtschaftlichen Gewohnheiten stattfindet, er also aus etwaigen Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, manifestiert er auf diese Weise nicht.814 Auch in Bezug auf die haftungsrechtlichen Grundsätze, die eine Rolle für die Legitimation der §§ 286 ff. InsO spielen, ist die gesetzliche Konzeption nicht frei von Widersprüchen. Wie gezeigt wurde, finden die Belange des allgemeinen Wirtschaftsund Geschäftsverkehrs zwar durchaus – in Form von Versagungsgründen – Berücksichtigung. Allerdings kann das Versagungssystem aufgrund seiner fehlenden Effektivität keinen wirksamen Schutz vor falschen Anreizen und Fehlentwicklungen im Hinblick auf das Haftungssystem bieten.815 Als zentrale Schwachstelle der 811 Kritisch auch AG München NZI 2002, 676, 677; Wagner, ZVI 2005, 173. Anders als beispielsweise die österreichische Regelung (vgl. § 210 Abs. 1 Z 8 IO) statuiert das deutsche Recht etwa keine dahingehende Obliegenheit, solche Verbindlichkeiten nicht einzugehen, die der Schuldner bei Fälligkeit nicht bezahlen kann. Allenfalls der Umstand, dass Informationen über Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren de lege lata für drei Jahre nach Beendigung des Insolvenzverfahrens oder Erteilung der Restschuldbefreiung bei der Schufa gespeichert werden (siehe: https://www.meineschufa.de/aktion/faq-verbraucherinsolvenz [zuletzt geprüft am 15.3.2020]), kann eine neue Kreditaufnahme erschweren. 812 Jäger, ZVI 2014, 223, 226. Nach einer Studie von Lechner aus dem Jahr 2009 lag der Anteil der Schuldner, die sich noch vor Erteilung der Restschuldbefreiung wieder verschulden mussten, bei 24,3 %. Dabei weist Lechner darauf hin, dass diese Zahl den wahren Anteil wahrscheinlich unterschätzt, weil 184 Betroffene angaben, sich neu verschuldet zu haben, aber 221 Personen neue Gläubiger nannten, siehe zum Ganzen Lechner, Eine zweite Chance für alle gescheiterten Schuldner? Längsschnittstudie zur Evaluation des Verbraucherinsolvenzverfahrens, S. 41 ff. Koark/du Carrois/Haarmeyer, ZInsO 2012, 469 gehen davon aus, dass fast 50 % der Schuldner nach Durchlaufen des Insolvenzverfahrens wieder negativ in Erscheinung treten; siehe außerdem BKS, Stellungnahme der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e. V., (BKS) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vom 18.07.2012, S. 2 (Ein hoher Prozentsatz an Schuldnern müsse innerhalb von drei Jahren nach Beendigung ihres Insolvenzverfahrens ein neues Verfahren beantragen). 813 Vgl. Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 60. 814 Hergenröder, KTS 2013, 385, 388 weist darauf hin, dass bei einer solchen Neuverschuldung während des Verfahrens nicht selten die Grenze zum Eingehungsbetrug überschritten sein dürfte, weil das Rechtsgeschäft in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit getätigt werde. 815 Treffend (im Zusammenhang mit den durch das Erfordernis einer gerichtlichen Anordnung beschränkten Vernehmungsmöglichkeiten der Gläubiger nach § 97 Abs. 1 S. 1 InsO) Heese, Gläubigerinformation in der Insolvenz, S. 293: „Wer die gesellschaftliche Akzeptanz des Instituts der Restschuldbefreiung als solches erwartet, darf den Betroffenen nicht den Eindruck vermitteln, dass den letztlich auch verfassungsrechtlich fundierten Versagensgründen [sic] nicht mit der gebotenen Schärfe praktische Wirksamkeit verliehen wird“.

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

§§ 286 ff. InsO erweist sich zudem, dass sie der gesetzlichen Entschuldung keine ausreichende Nachhaltigkeit verleihen können. Dies belastet die Akzeptanz des Instituts der Restschuldbefreiung.

V. Zusammenfassung Redlichkeitsvoraussetzungen Es wurde gezeigt, dass der InsO-Gesetzgeber die Erteilung der Restschuldbefreiung von der Bedingung abhängig machen wollte, dass der Schuldner redlich ist.816 Ob diese Voraussetzung zu bejahen ist, wird nicht am natürlichen Sprachempfinden, sondern ausschließlich an den in den §§ 286 ff. InsO verankerten, abschließenden Ausschlussgründen gemessen. Zwischen der Erteilung der Restschuldbefreiung und ihrer Versagung besteht dabei ein Regel-Ausnahme-Verhältnis; der Schuldner muss seine Redlichkeit somit nicht erweisen.817 Für jeden Verfahrensabschnitt sind eigenständige Ausschlussgründe vorgesehen. Darin werden zwar höchst unterschiedliche Verhaltensweisen des Schuldners sanktioniert, in ihrem Vorwurfsschwerpunkt lassen sie sich aber allesamt auf zwei Facetten der Redlichkeit reduzieren: Entweder findet die Versagung ihre Legitimation in einem missbräuchlichen Verhalten des Schuldners oder darin, dass er sich nicht genügend zugunsten seiner Gläubiger angestrengt hat. Allen Versagungsgründen liegt dabei die gesetzgeberische Intention zugrunde, dass ausschließlich ein Schuldner in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen soll, der das Interesse der Gläubiger an einer bestmöglichen Tilgung ihrer Verbindlichkeiten fördert bzw. zumindest schützt. Die Vorgeschichte der Insolvenz nehmen die Versagungsgründe hingegen grundsätzlich nicht in den Blick. Der InsO-Gesetzgeber hat sich somit eines Vorwurfs hinsichtlich der Ursachen der Überschuldung enthalten. Entscheidend für die Redlichkeit ist vielmehr das aktuelle bzw. unmittelbar im Zusammenhang mit dem Verfahren stehende Verhalten des Schuldners, durch das er nicht nur seine Loyalität, Aufrichtigkeit sowie sein Engagement gegenüber den Gläubigern unter Beweis stellt, sondern letztlich auch das erfolgreiche Durchlaufen eines Lernprozesses als Vorbereitung auf das Leben nach der Restschuldbefreiung dartut. Insoweit sollen die Redlichkeitsanforderungen auch dazu beitragen, dass der Schuldner wieder – und darüber hinaus dauerhaft – im Wirtschaftsleben Fuß fasst. Allerdings reicht das Durchlaufen des Verfahrens unter Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben für viele Schuldner nicht aus, um einen wirklichen Neuanfang zu erreichen. Der Gesetzgeber hat es versäumt, den letzten Baustein für den angestrebten fresh start – die Betreuung des Schuldners – in das Institut der Restschuldbefreiung zu verankern.818 Die vor dem Interesse des allgemeinen Wirtschafts- und Geschäftsverkehrs gebotene Nachhal816

Siehe auch Wolgast, ZVI 2016, 131, 133 (Der Schuldner müsse sich die Restschuldbefreiung mit seinem redlichen Verhalten verdienen). 817 Ahrens, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 77 Rn. 51; Meller-Hannich, KTS 2011, 258, 262 f. 818 Vgl. Frind, ZInsO 2003, 341, 342.

D. Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung (§ 302 InsO)

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tigkeit einer gesetzlichen Restschuldbefreiung können die §§ 286 ff. InsO deshalb nicht ausreichend sicherstellen. Bedenken wirft die gesetzliche Konstruktion auch im Hinblick auf die Interessen der Gläubiger auf. Die Überprüfung, ob in der Person des Schuldners Ausschlussgründe gegeben sind, liegt ebenso wie die verfahrensrechtliche Geltendmachung allein in ihrer Hand. Dabei sind die beweisrechtlichen Hürden, die die InsO an eine erfolgreiche Versagung der Restschuldbefreiung stellt, hoch. Noch dazu steigen sie mit jedem abgeschlossenen Verfahrensabschnitt. Diese Ausgangslage führt in Kombination mit den gleichzeitig nur unzureichenden Möglichkeiten der Gläubiger, sich über die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu informieren und etwaige Verstöße aufzuklären, dazu, dass kein effektiver Ausschluss unredlicher Schuldner vom Verfahren gewährleistet ist. Hat der Gesetzgeber die Redlichkeitsvoraussetzungen zwar gerade mit Rücksicht auf die Gläubigerbelange implementiert und begründen diese – sachlich gesehen – einen hinreichenden Schutz, scheitert eine wirksame Durchsetzung der Rechte der Gläubiger aus Art. 14 GG jedoch oftmals an den verfahrensrechtlichen Hürden. Nicht zuletzt vermögen die §§ 286 ff. InsO angesichts der fehlenden wirksamen Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung von Pflichten und Obliegenheiten Fehlanreize des Instituts der Restschuldbefreiung nur bedingt zu verhindern. Reibungspunkte mit den Interessen des allgemeinen Wirtschafts- und Geschäftsverkehrs sind auch insoweit bereits in der gesetzlichen Ausgangskonstruktion angelegt.

D. Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung (§ 302 InsO) Auf der Rechtsfolgenseite erfahren bestimmte Forderungen gem. § 302 InsO eine besondere Behandlung, indem sie von den Wirkungen der Restschuldbefreiung ausgenommen werden. Dem Gläubiger wird also diesbezüglich ein unbeschränkter Nachforderungsanspruch (§ 201 InsO) zugestanden.819 Der InsO-Gesetzgeber schuf auf diese Weise Wertungsstufen unter den am Verfahren teilnehmenden Verbindlichkeiten, weil er für einzelne unter ihnen eine Weiterhaftung als sachgerecht ansah.820 Für den Schuldner bedeutet die Regelung des § 302 InsO, dass keine der dort genannten Forderungen gegen ihn bestehen darf, möchte er in den Genuss einer vollständigen Restschuldbefreiung kommen. Auf Gläubigerseite ist die Inhaberschaft einer solchen Forderung hingegen besonders vorteilhaft. Der durch sie Begünstigte muss nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr mit den einfachen 819

Geißler, ZInsO 2018, 1701, 1709; G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2721. Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 194 („Der Erfüllung solcher Verbindlichkeiten soll sich der Schuldner auch durch das neu geschaffene Verfahren nicht entziehen können“). 820

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2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

Insolvenzgläubigern konkurrieren.821 Im Gegensatz zu den Versagungsgründen, die alle Gläubiger vor den Folgen der Restschuldbefreiung bewahren, schützt § 302 InsO den Forderungsinhaber davor, die Forderung zu verlieren.822 Gläubiger, die unter die Bereichsausnahme des § 302 InsO fallen, haben aufgrund ihrer Sonderstellung gegenüber den anderen Gläubigern naturgemäß kein Interesse daran, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird, da sie in diesem Fall ihre bevorrechtigte Position verlieren.823

I. Übersicht über den Regelungsinhalt und -zweck Zu den bereits in der Ursprungsfassung der InsO in ihrem Bestand und ihrer Durchsetzbarkeit als schutzwürdig eingestuften Forderungen gehören zum einen solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 302 Nr. 1 Var. 1 InsO) und zum anderen Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners (§ 302 Nr. 2 InsO). Unter die Bereichsausnahme der Nr. 1 fallen dabei neben den vorsätzlich824 verwirklichten Tatbeständen der §§ 823 ff. BGB auch Forderungen, die auf einer vorsätzlichen Verletzung eines Schutzgesetzes i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB beruhen. Als im Insolvenzumfeld häufig zu erwartende Schutzgesetzverletzungen kommen etwa die Verletzung von Unterhaltspflichten (§ 170 StGB), die Nichtabführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 266a StGB oder auch der (Eingehungs-)Betrug gem. § 263 StGB in Betracht.825 Von § 302 Nr. 2 InsO werden demgegenüber Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungs- und Zwangsgelder sowie die Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Gelzahlung verpflichten, erfasst. Hintergrund der Nachhaftung aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen ist dabei der ihnen zugrunde liegende besondere Unrechtsgehalt.826 Der Vorwurfsschwerpunkt liegt darauf, dass die entsprechenden Forderungen unter 821

Ahrens, ZVI 2011, 273, 285 f. Vgl. Ahrens, ZVI 2011, 273, 285; Bartels, KTS 2013, 349, 373 (Abwehrmöglichkeit des Gläubigers, die gewissermaßen in der Forderung begründet liegt). 823 Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 322, der dies zum Anlas nimmt, jener Gläubigergruppe ein Versagungs- und Widerrufsantragsrecht abzusprechen; siehe auch Reck, ZVI 2018, 348. 824 Grobe Fahrlässigkeit reicht in subjektiver Hinsicht dagegen nicht aus, Ahrens, in: FKInsO, § 302 Rn. 29; Stephan, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 13. 825 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 158; Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 302 Rn. 5; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 138; zu den Einzelheiten Ahrens, in: FK-InsO, § 302 Rn. 16 ff. 826 BGH NZI 2007, 532, 533; Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 302 Rn. 2. Es handelt sich letztlich um eine unserer Rechtsordnung immanente Wertung (z. B. § 393 BGB), Schinkel, ZVI 2019, 251, 254. 822

D. Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung (§ 302 InsO)

161

rechtsverstößlichen Umständen entstanden sind.827 So kann etwas von der Restschuldbefreiung nicht erfasst sein, das zivilrechtlich besonders sanktioniert wird und eine strengere Zwangsvollstreckung nach § 850f Abs. 2 ZPO erlaubt.828 § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO beruht somit auf Billigkeitserwägungen,829 die im Zusammenhang mit der Einheitlichkeit der Rechtsordnung stehen. Die Ausgleichsfunktion des Deliktsrechts kann dagegen nicht als Schutzzweck der Nr. 1 betrachtet werden, weil jeder Schadensersatzanspruch – unabhängig davon, ob er auf einer vorsätzlich oder fahrlässig begangenen unerlaubten Handlung beruht oder sogar vertraglich begründet ist – eine solche besitzt.830 Auch der pönale Charakter der Verbindlichkeit ist nicht ausschlaggebend, da die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung keine Straftat sein muss.831 Die Sanktionsfunktion ist vielmehr Grundlage der Ausnahme nach Nr. 2. Diese soll bei Geldstrafen und Verbindlichkeiten i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht durch ein im weiteren Sinne zivilprozessuales Verfahren verloren gehen.832 Um den wirtschaftlichen Neubeginn des Schuldners und die Befriedigungsaussichten der Neugläubiger nicht zu gefährden, ist die Regelung als abschließend anzusehen. Daher werden andere Forderungen selbst dann nicht von der Nachhaftung erfasst, wenn sie in gleichem Maße als besonders schützenswert einzustufen sind.833 Die Sonderstellung der in § 302 InsO genannten Forderungen tritt mit der rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung ein. Erst ab diesem Zeitpunkt können die begünstigten Gläubiger ihre Verbindlichkeiten unbeschränkt geltend machen und in das Vermögen des Schuldners vollstrecken.834 Zuvor werden die ausgenommenen Forderungen als gewöhnliche Insolvenzforderungen behandelt.835

II. Bewertung des § 302 InsO unter Legitimationsgesichtspunkten An anderer Stelle ist bereits festgestellt worden, dass eine Entschuldung kraft Gesetzes ihre Rechtsfolge nicht auf solche Arten von Forderungen erstrecken darf, 827

Geißler, ZInsO 2018, 1701, 1709. Vgl. Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 139. 829 BGH NZI 2007, 532, 533; A. Schmidt, in: HambK-InsO, § 302 Rn. 1. 830 BGH NZI 2007, 532, 533; so aber Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 249; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 302 Rn. 2. 831 BGH NZI 2007, 532, 533; so aber noch Stephan, in: MüKo-InsO (Aufl. 2), § 302 Rn. 2. 832 Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 248; A. Schmidt, in: HambK-InsO, § 302 Rn. 1; Stephan, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 2; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 302 Rn. 4. 833 BGH ZVI 2015, 378, 380; Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625; Stephan, in: MüKoInsO, § 302 Rn. 3; Wenzel, in: KPB-InsO, § 302 Rn. 1. 834 Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 302 Rn. 2; Wenzel, in: KPB-InsO, § 302 Rn. 29; zu den Einzelheiten der Wirkungen des § 302 InsO Stephan, in: MüKo-InsO, § 302 Rn. 78 ff. 835 Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 302 Rn. 2; A. Schmidt, in: HambK-InsO, § 302 Rn. 11. 828

162

2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

bei denen dem Interesse der Gläubiger an deren Durchsetzung gegenüber dem Schuldnerinteresse generell Schutz gebührt.836 Der Gesetzgeber ist dieser verfassungsrechtlich gebotenen Prämisse nachgekommen,837 indem er den Wirkungen der Restschuldbefreiung (vgl. § 301 InsO) durch § 302 Nr. 1 Var. 1 InsO dort Grenzen gesetzt hat, wo der Schuldner bereits bei der Verursachung seiner wirtschaftlichen Notsituation sich derart vorwerfbar verhalten hat, dass er eine Restschuldbefreiung nicht „verdient“.838 § 302 Nr. 2 InsO reagiert gleichermaßen auf das geringere Schutzbedürfnis eines Schuldners, der gegen sich rechtlich besonders missbilligte Verbindlichkeiten – sprich Geldstrafen oder Ordnungsgelder – begründet hat.839 Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass Gläubiger solcher Forderungen ausschließlich der Staat ist. Daher stellt auch840 § 302 Nr. 2 InsO letztlich ein Fiskusprivileg dar.841 Die Bevorzugung des Staates ist aber vor dem Hintergrund, dass das Durchlaufen eines Restschuldbefreiungsverfahrens dem Schuldner nicht die Möglichkeit geben darf, sich strafoder ordnungsrechtlichen Sanktionen zu entziehen, zweckmäßig und daher hinzunehmen. Sind Differenzierungen zwischen dem Staat und den übrigen Gläubigern im Rahmen der §§ 286 ff. InsO grundsätzlich kritisch zu sehen, weil es nur schwer zu rechtfertigen ist, warum Erstgenannter seine Forderungen behalten darf, während die anderen Gläubiger Ausfälle zugunsten des sozialstaatlichen Anliegens einer Entschuldung hinnehmen müssen, muss das Gesetz hingegen dort Unterscheidungen zwischen den Gläubigern treffen, wo die Gläubigerstellung unfreiwillig eingetreten ist. § 302 InsO trägt diesem Gesichtspunkt insoweit Rechnung, als es in Nr. 1 solche Gläubiger begünstigt, die sich den Schuldner nicht bewusst ausgesucht haben, sondern ihre dahingehende Stellung als Opfer einer vorsätzlichen, unerlaubten Handlung erhalten haben. Weitere Differenzierungen trifft das Gesetz nicht, insbesondere auch nicht in Bezug auf Gläubiger, deren endgültiger Forderungsausfall letztlich zum eigenen wirtschaftlichen Ruin führt. Gefährdet sind dabei neben den Privatgläubigern vor allem Handwerksbetriebe, Einzelunternehmer sowie kleine und mittlere Unternehmer. Bei diesen ist die Kapitaldecke häufig eher dünn, weshalb auch geringe Verluste 836

Siehe oben S. 63 f. So auch Bruns, KTS 2008, 41, 50 (Der Ausschluss der Haftung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung von der Entschuldung gemäß § 302 Nr. 1 InsO habe durchaus einen verfassungsrechtlichen Kerngehalt). 838 Vgl. Ley, in: BK-InsO, § 302 Rn. 2a. Insoweit können i. R. d. § 302 InsO also die Entstehungsgründe der Verschuldungssituation für die Restschuldbefreiung relevant werden, Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 117; Wiedemann, ZVI 2004, 645, 654. Siehe dazu bereits oben S. 135 ff. 839 Vgl. Kolbe, Deliktische Forderungen und Restschuldbefreiung, S. 22. 840 Vgl. zum Fiskusprivileg i. R. d. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO bereits oben S. 139 f. 841 Kritisch Scholz, Kreditpraxis (Heft 1) 1989, 33, 38. 837

E. Ergebnis Zweiter Teil

163

eine wirtschaftliche Schieflage dieser Unternehmen zur Folge haben können.842 Der Kritik, dass die § 286 ff. InsO die verschiedene Situation der Gläubiger, denen die Restschuldbefreiung ihre Forderung nimmt, trotz der genannten Umstände fast völlig außer Betracht lässt,843 kann zwar entgegenhalten844 werden, dass die Gläubiger sich Sicherheiten einräumen lassen und so verhindern können, dass sie durch die Verluste selbst in finanzielle Bedrängnis geraten.845 Jedoch lässt dieser Einwand unberücksichtigt, dass zahlreiche Gläubiger diese Möglichkeit – etwa schon aufgrund ihrer geringen Verhandlungsmacht und Marktstellung – nicht haben.846 Er greift daher zu kurz. Gewissermaßen sind solche Gläubiger den Umständen ebenfalls unfreiwillig ausgeliefert. Dies gilt umso mehr, wenn ein Deliktsgläubiger, dessen Haftungsverbindlichkeit auf grober Fahrlässigkeit beruht, durch die Restschuldbefreiung des Schuldners in eine existenzielle Notlage gerät.847 Die Insolvenzordnung bleibt insgesamt einer Erklärung schuldig, wie es zu rechtfertigen ist, dass der Schuldner, der unter Umständen nach der Restschuldbefreiung wieder zu Wohlstand gelangt, seine Altverbindlichkeiten nicht mehr zu erfüllen braucht, wohingegen seine – bis dahin krisenfreien – Gläubiger oft noch jahrelang unter ihren Ausfällen leiden.848 Vielmehr hat sie offenbar stets Gläubiger vor Augen, die die Forderungsentwertung ohne weiteres bewältigen können,849 also insbesondere die Banken.

E. Ergebnis Zweiter Teil Die Untersuchungen des zweiten Teils haben gezeigt, dass die Legitimation des deutschen Restschuldbefreiungsmodells gegenüber den Gläubigern im Wesentlichen auf drei Grundpfeiler setzt. Dazu gehören auf der Tatbestandsseite die finanziellen Anstrengungen des Schuldners sowie die Redlichkeitsvoraussetzungen und auf Rechtsfolgenseite die ausgenommenen Forderungen. Dem Gedanken eines earned starts folgend,850 wird ein gesetzlicher Schuldenschnitt lediglich als gerechtfertigt 842 Jäger, ZVI 2014, 223, 224, der darauf hinweist, dass die häufigste Ursache für die Insolvenz kleinerer und mittlerer Unternehmen das Nichtbegleichen ihrer offenen Rechnungen ist; vgl. auch AG München NZI 2002, 676, 677. 843 Kritisch Medicus, DZWIR 2007, 221, 226 f.; vgl. auch Bartels, KTS 2013, 349, 374. 844 Vgl. insofern den Einwand des BVerfG ZVI 2005, 125, 127. 845 Sicherheiten sind wegen der Regelung des § 301 Abs. 2 S. 1 InsO nicht von der Restschuldbefreiung betroffen. 846 Vgl. G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2722. Auch bei privaten Darlehensgebern aus dem Freundes- und Verwandtenkreis fehlen aufgrund der Unentgeltlichkeit Absicherungen durch breite Kalkulation oder Kreditversicherung, Bartels, KTS 2013, 349, 374. 847 Vgl. Bruns, KTS 2008, 41, 55. 848 Vgl. Henckel, ZZP 97 (1984), 105, 106. 849 Bartels, KTS 2013, 349, 374. 850 T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 249.

164

2. Teil: Die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner

angesehen, wenn der Schuldner sein Vermögen im Insolvenzverfahren zur Gläubigerbefriedigung einsetzt, während der Wohlverhaltensperiode seine pfändbaren Einkommensanteile zugunsten der Gläubiger abtritt und allgemein ein befriedigungsförderndes bzw. -schützendes Verhalten an den Tag legt. Nach der Ursprungsfassung der InsO musste er als zusätzliche Voraussetzung zwingend die Verfahrenskosten aufbringen. Außerdem soll der Schuldner nur insoweit einen Vorteil aus dem Verfahren ziehen, als eine Entlastung von seinen Verbindlichkeiten als billig angesehen wird. Deshalb nimmt das Gesetz Ansprüche des Schuldners aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung und Geldstrafen bzw. diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellte Verbindlichkeiten von den Wirkungen der Restschuldbefreiung aus. Die InsO-Verfasser sahen vor allem in der siebenjährigen Abtretungsfrist und der flankierenden Erwerbsobliegenheit des Schuldners das zentrale Instrument, das den Insolvenzgläubigern ihren Verzicht auf das freie Nachforderungsrecht zumutbar macht. Von Mindestquoten sah der Gesetzgeber dabei ab, da er augenscheinlich vom Regelfall ausging, dass beim Schuldner laufende Bezüge eingehen, die oberhalb der Pfändungsfreigrenze liegen.851 Er nahm somit an, dass die Beträge aufgrund der Abtretung anschließend an die Gläubiger durch den Treuhänder verteilt werden können. Die in der Ursprungsfassung verankerte Verfahrenskostenhürde sorgte insoweit auch dafür, dass diese Erwartung größtenteils zutraf, weil typischerweise Schuldner das Verfahren durchliefen, die noch über finanzielle Mittel verfügten. Auch die Verwertung der Insolvenzmasse versprach deshalb oftmals eine teilweise Befriedigung. Freilich hätte der InsO-Gesetzgeber den Befriedigungsinteressen der Gläubiger noch weitaus mehr Rechnung tragen können. So ist zu bedenken, dass die während der Wohlverhaltensperiode generierte Verteilungsmasse durch den in der Ursprungsfassung vorgesehenen Motivationsrabatt geschmälert wurde. Neuvermögen, das der Schuldner in diesem Zeitraum erlangt, steht den Gläubigern zudem nur in sehr begrenztem Maße zu. Insgesamt wahrte die Kombination aus der Vermögensverwertung im Insolvenzverfahren und der siebenjährigen Abtretungsfrist die Gläubigerrechte aber ausreichend. Zu berücksichtigen ist, dass sich diese Phase für den Schuldner als eine lange Zeit der Entbehrung darstellte, die nicht überspannt werden darf. Was die Redlichkeitsvoraussetzungen als zweiten Pfeiler der §§ 286 ff. InsO betrifft, lässt sich zwar konstatieren, dass das ineffektive Kontrollsystem nicht dazu geeignet war, unredliche Schuldner von der Inanspruchnahme des Restschuldbefreiungsverfahrens abzuhalten. Jedoch war der Weg zur Entschuldung nach der Ursprungsfassung der InsO derart steinig ausgestaltet, dass sich das Verfahren als Betrugsinstrument schlicht zu unattraktiv darstellte.852 Vor allem seine Länge (die 851

Vgl. Maier/Krafft, BB 1997, 2173, 2180. Lösch, JA 1994, 44, 48 (Nicht wegen seiner guten Missbrauchssicherungen, sondern wegen seiner Unattraktivität spreche das Restschuldbefreiungsverfahren allenfalls den „redlichen“ bzw. ehrlich-naiven Schuldner an); vgl. auch Vallender, DGVZ 1997, 97, 103; Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 100. 852

E. Ergebnis Zweiter Teil

165

sich aus der Dauer des Insolvenzverfahrens und der nachfolgenden siebenjährigen Wohlverhaltensperiode zusammensetzte), die Verfahrenskostenvoraussetzung und die erforderliche Vermögensverwertung dürften insoweit ein erhebliches Abschreckungspotential gehabt haben. Dieses wird unredliche Schuldner stattdessen dazu bewogen haben, bestehende Schlupflöcher außerhalb der §§ 286 ff. InsO853 zu nutzen. Auch wenn die unzureichenden Kontrollmöglichkeiten vor allem in Bezug auf die Erwerbsobliegenheit des Schuldners – auf die der Gesetzgeber als Ausgleichsmechanismus maßgeblich gesetzt hatte – vor dem Hintergrund der Gläubigerrechte aus Art. 14 GG kritisch zu sehen sind, dürfte sich jener Systemfehler nach alledem eher selten zulasten der Gläubiger ausgewirkt haben. Dies ändert allerdings nichts an dem Konfliktpotential, das den §§ 286 ff. InsO insoweit von Anfang an innewohnte, und das in der folgenden Untersuchung der Reformen weiter betrachtet werden soll.

853 Näher dazu Lösch, JA 1994, 44, 48. Hierunter fällt insbesondere die Gründung einer GmbH.

Dritter Teil

Untersuchung der legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen seit Einführung der Insolvenzordnung Im dritten Teil dieser Arbeit sollen die Reformen aus den Jahren 2001 und 2014 in den Blick genommen werden. Es ist zu untersuchen, inwieweit sich die Anforderungen, die das gesetzliche Modell der Restschuldbefreiung an den Schuldner stellt, verändert haben. Insbesondere ist der Frage nachzugehen, ob sich die im zweiten Teil festgestellten Grundpfeiler des Systems durch die Modifikationen möglicherweise verschoben haben. Dabei sollen etwaige Änderungen der gesetzgeberischen Legitimationserwägungen herausgearbeitet und auf ihre Auswirkungen auf das System der §§ 286 ff. InsO hin untersucht werden. Die entsprechenden Ergebnisse werden als Ausgangspunkt für die Untersuchungen des vierten Teils dienen. Diese widmen sich der Frage, wie der deutsche Gesetzgeber die europäischen Vorgaben in das nationale Recht umsetzen sollte.

A. Änderungen der finanziellen Anforderungen Zunächst sollen diejenigen Änderungen betrachtet werden, welche die finanziellen Anforderungen betreffen. Modifikationen hat der Gesetzgeber insoweit an der ehemaligen Pflicht des Schuldners, die Verfahrenskosten aufzubringen, sowie an dem Beginn und der Länge der Abtretungsfrist vorgenommen. Des Weiteren hat er eine Möglichkeit geschaffen, das Restschuldbefreiungsverfahren unter Zahlung einer bestimmten Quote und/oder der Begleichung der Verfahrenskosten vorzeitig zu beenden.

I. Einführung der Kostenstundungsmöglichkeit 1. Hintergrund Bereits unmittelbar nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung bewahrheitete sich die schon im Gesetzgebungsprozess vorgebrachte Prognose, dass das neue Entschuldungsverfahren lediglich einem sehr begrenzten Schuldnerkreis zugänglich

A. Änderungen der finanziellen Anforderungen

167

sein würde.854 Aufgrund der vom Schuldner zwingend aufzubringenden Kosten des Insolvenzverfahrens und der Vergütung des Treuhänders für dessen Tätigkeit während der Wohlverhaltensperiode waren völlig mittellose Personen von der Teilnahme am Restschuldbefreiungsverfahren ausgeschlossen.855 Insbesondere Verbraucher856 sahen sich regelmäßig nicht in der Lage, die Kosten in Höhe von mehreren tausend Euro857 aufzubringen. Dies hatte die unbefriedigende Situation zur Folge, dass gerade den ärmsten Schuldnern, für die die Entschuldung die einzige Möglichkeit, wieder eine wirtschaftliche Perspektive aufzubauen, darstellt, eine solche versagt war.858 Durch eine entsprechende Anwendbarkeit der zivilprozessualen Prozesskostenhilfe über § 4 InsO hätte dem Problem zwar begegnet werden können. Diese Lösung schied aber angesichts der klaren Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Restschuldbefreiung auf Kosten des Staates aus.859 Gleichwohl bildete sich in der Rechtsprechung nach Inkrafttreten der InsO eine uneinheitliche Kasuistik860 über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für mittellose Schuldner. Dies hatte zur Folge, dass unter den gleichen Voraussetzungen in einem Gerichtsbezirk Restschuldbefreiung erreicht werden konnte, während in einem benachbarten Bezirk eine dahingehende Möglichkeit ausschied.861 Damit war der Zugang mittelloser Schuldner zur Restschuldbefreiung letztlich von ihrem Wohnsitz abhängig.862 Der Ruf nach dem Gesetzgeber, diese – unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bedenkliche – Rechtszersplitterung zu beenden, wurde immer lauter.863 854

Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 172 f. BT-Drucks. 14/5680, S. 1. 856 Vgl. BGH NJW 2000, 1869, 1870; siehe auch G. Pape, Rpfleger 1997, 237, 240. 857 Nicht nur die hohen Auslagen, die nach der ursprünglichen Konzeption im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren anfielen, sondern auch die übrigen Kosten des Verbraucherinsolvenzverfahrens i. H. v. drei- bis fünftausend Euro überforderten diesen Schuldnerkreis gemeinhin, Eckardt, in: Jaeger-InsO (2004), § 4a Rn. 2. Siehe im Einzelnen zu den nach damaliger Rechtslage anfallenden Kosten Limpert, Prozeßkostenhilfe im Verbraucherinsolvenzverfahren, S. 71 ff. 858 Kritisch etwa Henning, InVo 1996, 288, 289 f.; Kirchhof, ZInsO 2001, 1, 12; Klaas, ZInsO 2004, 577, 578 („unsozial“); Kohte, in: FS Remmers, S. 479, 486; G. Pape, Rpfleger 1997, 237, 240; Wittig, WM 1998, 209, 211; Vallender, DGVZ 1997, 97, 103. 859 Siehe oben S. 73 ff. 860 Vgl. die Rechtsprechungsübersicht bei G. Pape, ZInsO 1999, 602 ff. Parallel bestand auch im Verbraucher- und Kleininsolvenzverfahren eine uneinheitliche gerichtliche Praxis darüber, ob dem Schuldner im Falle eines Nullplanes Prozesskostenhilfe für das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren gewährt werden konnte, vgl. insofern die Rechtsprechungsnachweise bei Ott, in: MüKo-InsO (Aufl. 1), § 304 Rn. 86. Die Frage stellte sich jedoch überhaupt nur, wenn man einen Nullplan als generell zulässig ansah, siehe dazu bereits oben S. 81 Fn. 313. 861 BT-Drucks. 14/5680, S. 12. 862 Eckardt, in: Jaeger-InsO (2004), § 4a Rn. 5; Heyer, ZInsO 2005, 1009, 1010; G. Pape, ZInsO 2001, 587, 588; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 426. 863 Bork/Klaas, ZInsO 1999, 485, 486 halten als Ergebnis ihrer Praxisbefragung fest, dass man sich einig sei, „daß Zulässigkeit und Umfang der PKH dringend vom Gesetzgeber klar855

168

3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Auf der 71. Justizministerkonferenz in Potsdam am 24. und 25.5.2000 nahmen sich schließlich die Justizministerien dieser Frage auf der Grundlage eines Berichts864 der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“ an.865 Zwar wurde eine Anwendung der zivilprozessualen Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) abgelehnt, stattdessen jedoch – im Hinblick auf die fiskalischen Interessen der Länder – die Einführung einer besonderen Insolvenzkostenhilferegelung in Form eines Stundungsmodells befürwortet.866 Danach sollte solchen Schuldnern, die über keine hinreichenden Mittel verfügen, um die Kosten des Verfahrens aufzubringen, bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung eine Kostenstundung gewährt werden. Gelangt der Schuldner hingegen zu pfändbarem Vermögen, sind vorrangig die Verfahrenskosten zu begleichen bzw. vom Treuhänder abzuführen.867 Die Bundesregierung griff die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe insoweit auf und schlug in ihrem Gesetzesentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 5.1.2001868 gleichermaßen einen Mittelweg ein. Danach sollte einerseits allen natürlichen Personen, welche die für eine Verfahrensdurchführung notwendigen Mittel nicht aufbringen oder beschaffen können, Zugang zum (vereinfachten) Insolvenzverfahren mit der Aussicht auf Restschuldbefreiung eröffnet werden.869 Andererseits sollten diese Kosten aus fiskalischen Motiven aber nicht vollständig und endgültig den Landesjustizhaushalten aufgebürdet werden.870 Eine andere Lösung hätte die Justizhaushalte nämlich angesichts der mit ihr verbundenen erheblichen Kosten vor eine kaum lösbare Aufgabe gestellt.871 Im Wege des InsOÄndG 2001 traten die entsprechenden Vorschriften über die Kostenstundung am 1.12.2001 schließlich in Kraft. 2. Überblick über den Regelungsgehalt a) Voraussetzungen der Stundung und ihre Konsequenzen für den Schuldner Die Stundung erfordert zunächst gem. § 4a Abs. 1 S. 1 InsO einen entsprechenden Antrag des Schuldners. Weil sie das Ziel verfolgt, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang (entweder durch gütliche Einigung mit den Gläubigern oder gestellt werden müssen, während die Meinungen über den richtigen Weg – Zulassung oder ausdrücklicher Ausschluß – auseinandergehen“. 864 Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des Berichts ist abgedruckt in NZI 2000, 303 f. 865 Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, Vor. § 286 Rn. 18; Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 21. 866 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 27 f.; Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 15; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, Vor. § 286 Rn. 18; Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 21. 867 Siehe die Zusammenfassung der Ergebnisse des Berichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, abgedruckt in NZI 2000, 303, 304. 868 BT-Drucks. 14/5680. 869 Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 22. 870 Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 22. 871 BT-Drucks. 14/5680, S. 12.

A. Änderungen der finanziellen Anforderungen

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durch Restschuldbefreiung) zu ermöglichen, ist ihre Gewährung darüber hinaus an die Voraussetzung geknüpft, dass der Antragsteller eine natürliche Person ist und einen Restschuldbefreiungsantrag gestellt hat, § 4a Abs. 1 S. 1 InsO.872 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Stundung dabei nur als ultima ratio in Betracht kommen, d. h. ausschließlich wenn und soweit das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken.873 Ergibt die Prüfung des Gerichts, dass das Vermögen des Schuldners unter Berücksichtigung des während des Verfahrens zu erwartenden Neuerwerbs die Verfahrenskosten deckt, verbietet sich nach der gesetzgeberischen Intention dagegen der Einsatz öffentlicher Mittel. Dementsprechend scheidet eine Stundung ebenso aus, wenn ein Verfahrenskostenvorschuss – entweder vom Schuldner selbst, einem Gläubiger oder einem Dritten (etwa einer karitativen Einrichtung) – in Betracht kommt. Nichts anderes gilt schließlich auch dann, wenn schon nicht die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Restschuldbefreiung am Ende des Verfahrens erteilt wird. Aus diesem Grund ist eine Stundung ausgeschlossen, wenn ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 InsO (so noch i. d. F. vom 1.12.2001)874 vorliegt, § 4a Abs. 1 S. 3 und 4 InsO. Die Beschränkung auf diese beiden Versagungsgründe in § 4a Abs. 1 S. 3 InsO begründete der Gesetzgeber damit, dass sie sich leicht in der vom Gericht im Vorfeld der Stundung vorzunehmenden kursorischen Prüfung feststellen lassen.875 Neben den Kosten des Insolvenzverfahrens erfasst die Stundung gem. § 4a Abs. 1 S. 2 InsO auch die Kosten des Verfahrens über den Schuldenbereinigungsplan und des Verfahrens zur Restschuldbefreiung. Falls trotz der gerichtlichen Fürsorgepflicht eine anwaltliche Vertretung des Schuldners notwendig ist, ist ihm auf Antrag außerdem ein Rechtsanwalt beizuordnen, § 4a Abs. 2 S. 1 InsO. Wird dem Schuldner eine Stundung bewilligt, kann die Bundes- bzw. Landeskasse gem. § 4a Abs. 3 InsO die Kosten gegen den Schuldner nur nach den Bestimmungen geltend machen, die das Gericht in der Stundungsentscheidung festgelegt hat. Daher ist von einer Geltendmachung regelmäßig bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung abzusehen.876 Dies hat zur Folge, dass eine Abweisung mangels Masse zu unterbleiben hat, vgl. § 26 Abs. 1 S. 2 InsO. Gleiches gilt für die Ein872

BT-Drucks. 14/5680, S. 20. Weil nach dem ebenfalls geänderten § 287 Abs. 1 InsO der Antrag auf Restschuldbefreiung mit dem Eröffnungsantrag regelmäßig zu verbinden ist, hat der Schuldner regelmäßig gleichzeitig drei Anträge einzureichen. 873 Siehe (auch zum folgenden Text) BT-Drucks. 14/5680, S. 20. 874 § 4a Abs. 1 S. 3 InsO wurde im Wege der Reform 2014 an die gleichzeitige Implementierung des § 287a InsO angepasst. Seitdem ist die Stundung nur bei Vorliegen eines Versagungsgrunds nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen. 875 BT-Drucks. 14/5680, S. 20 f. Zudem sind die Tatsachen, die die Versagungsgründe der Nr. 1 und 3 ausfüllen, auch für den Schuldner offensichtlich. Dieser muss sich nämlich über ihr Vorliegen gem. § 4a Abs. 1 S. 3 InsO erklären, um dem Gericht die Entscheidungsfindung zu erleichtern, BT-Drucks. 14/5680, S. 21. 876 BT-Drucks. 14/5680, S. 21.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

stellung mangels Masse (vgl. § 207 Abs. 1 S. 2 InsO), soweit diese auf fehlender Deckung gerade der Verfahrenskosten beruht, sowie für die Versagung der Restschuldbefreiung wegen fehlender Deckung der Treuhänderkosten während der Wohlverhaltensperiode (vgl. § 298 Abs. 1 S. 2 InsO).877 Letzteres begründete der Reformgesetzgeber mit dem Argument, dass es eine Vergeudung öffentlicher Mittel bedeuten würde, wenn nach der weitgehenden Förderung eines kosten- und arbeitsintensiven Verfahrens dessen Ziel verfehlt würde, nur weil die im Verhältnis zu den Gesamtkosten unbedeutende Mindestvergütung des Treuhänders nicht gedeckt sei.878 Das Stundungsmodell geht dahin, dass der Schuldner nicht gänzlich und auf Dauer von den Kosten des Verfahrens entlastet werden soll, sondern die Staatskasse sie lediglich vorübergehend vorstreckt.879 Zwar muss er die Summe nicht zu Beginn des Verfahrens aus seinem Vermögen aufbringen. Jedoch soll er sie nach Möglichkeit aus den laufenden Vermögenszuflüssen während des Insolvenzverfahrens und der Wohlverhaltensperiode bzw. nach Verfahrensende decken.880 Aus diesem Grund gilt im Insolvenzverfahren weiterhin der Grundsatz, dass die Verfahrenskosten vorab vom Verwalter aus der Masse zu berichtigen sind, falls deren Umfang dies zulässt.881 Gleichermaßen muss der Treuhänder während der Wohlverhaltensperiode die eingehenden Beträge zunächst gem. § 292 Abs. 1 S. 2 InsO zur Befriedigung der Verfahrenskosten (abzüglich der Kosten, die durch die Beiordnung eines Rechtsanwalts entstehen) verwenden, bevor er sie an die Gläubiger ausschüttet. Auch die ehemals zugunsten des Schuldners vorgesehenen Motivationszahlungen standen, soweit sie die nach § 115 Abs. 1 ZPO anrechnungsfreien Beträge übersteigen würden, unter dem Vorbehalt, dass die gestundeten Verfahrenskosten vollständig getilgt sind (§ 292 Abs. 1 S. 5 InsO i. d. F. vom 1.12.2001).882 Nach Erteilung der Restschuldbefreiung endet die Stundung, so dass der Schuldner die noch ausstehenden gestundeten Beträge unter Einsatz seines Einkommens und Vermögens an die Staatskasse zurückzahlen muss.883 Um ihm jedoch den durch die Restschuldbefreiung bezweckten wirtschaftlichen Neuanfang nicht zu nehmen, kann ihm die Stundung verlängert und Ratenzahlungen bewilligt werden 877

Eckardt, in: Jaeger-InsO (2004), § 4a Rn. 8. BT-Drucks. 14/5680, S. 29. 879 Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 136; Mock, in: Uhlenbruck-InsO, § 4b Rn. 1; Vallender, NZI 2001, 561, 562. 880 Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 137. 881 Eckardt, in: Jaeger-InsO (2004), § 4a Rn. 9; Grote, NJW 2001, 3665; Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 19. 882 Eckardt, in: Jaeger-InsO (2004), § 4a Rn. 9. 883 Vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 21. Abweichend von § 4a InsO wird die Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners über die Verweisung des § 4b Abs. 1 S. 2 InsO nach den wirtschaftlichen Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 bis 3 ZPO für die Gewährung von Prozesskostenhilfe beurteilt, Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 4b Rn. 3; Madaus, in: BeckOKInsO, § 4b Rn. 6 f. 878

A. Änderungen der finanziellen Anforderungen

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(vgl. § 4b Abs. 1 S. 1 InsO).884 Dies setzt voraus, dass er nicht in der Lage ist, die offenen Beträge durch Einmalzahlung zu begleichen. Nach Ablauf von vier Jahren seit Beendigung des Verfahrens endet die Rückzahlungsverpflichtung des Schuldners ungeachtet der bis dahin noch nicht getilgten Kosten endgültig, vgl. § 4b Abs. 2 S. 4 InsO.885 Bis zu diesem Zeitpunkt hat er dem Gericht gem. § 4b Abs. 2 S. 2 InsO von sich aus jede Veränderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse anzuzeigen. b) Versagung der Verfahrenskostenstundung Um sicherzustellen, dass der Einsatz öffentlicher Mittel zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens auf solche Fälle beschränkt bleibt, in denen der Schuldner tatsächlich bedürftig war und ist, sowie tatsächlich Aussicht hat, das Verfahrensziel der Restschuldbefreiung zu erreichen, ist das Gericht gem. § 4c InsO dazu befugt, eine Stundungsbewilligung wieder aufzuheben.886 Dabei ist es nicht zum Tätigwerden verpflichtet. Vielmehr steht ihm bei der Entscheidung ein Ermessensspielraum zu.887 Als mögliche Anknüpfungspunkte für die Aufhebung kommen die Verletzungen von Mitwirkungspflichten des Schuldners888 sowie Prognosefehler in Betracht.889 So können nach § 4c Nr. 1 InsO vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschangaben über Umstände, die für die Verfahrenseröffnung oder die Stundung maßgebend sind, zur Aufhebung der Stundung führen. Die gleiche Sanktion knüpft die Nr. 1 an die Nichtabgabe einer vom Gericht verlangten Erklärung über die Verhältnisse des Schuldners.890 Gem. § 4c Nr. 2 InsO kommt eine Aufhebung weiterhin in Betracht, wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Stundung nicht vorgelegen haben. Eine Aufhebung ist allerdings ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind. Nach § 4c Nr. 3 InsO kann die Stundung auch dann aufgehoben werden, wenn der Schuldner länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages (etwa mit der Abführung des pfändbaren Betrages aus abhängiger

884

BT-Drucks. 14/5680, S. 21 f. Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 146; G. Pape/ Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 40 Rn. 23. Aufgrund ihrer Sekundäransprüche gegen die Staatskasse (vgl. § 63 Abs. 2 InsO und § 293 Abs. 2 InsO) trifft weder den Insolvenzverwalter noch den Treuhänder ein Risiko für dessen Vergütung. 886 Eckardt, in: Jaeger-InsO (2004), § 4c Rn. 2; Stephan, in: K.Schmidt-InsO, § 4c Rn. 1. 887 Bausch/Nadenau, InsbürO 2019, 122, 123; Stephan, in: K.Schmidt-InsO, § 4c Rn. 2. Im Rahmen der Ermessenausübung sind der Grad der Pflichtverletzung, die jeweilige Risikosphäre, der Vertrauensschutz des Schuldners sowie die möglichen wirtschaftlichen Folgen der Entscheidung abzuwägen, Kohte, in: FK-InsO, § 4c Rn. 4. 888 Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 21. 889 Kohte, in: FK-InsO, § 4c Rn. 3. 890 Den Schuldner trifft gem. § 4b Abs. 2 S. 3 InsO i. V. m. § 120 Abs. 1 S. 3 ZPO die Pflicht, auf Verlangen des Gerichts jederzeit zu erklären, ob eine Veränderung seiner Verhältnisse eingetreten ist. 885

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Tätigkeit)891 schuldhaft in Rückstand ist. Zu berücksichtigen ist dabei, dass gem. § 4b Abs. 2 S. 1 InsO die Monatsraten anzupassen sind, falls sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners negativ verändern.892 Besondere Bedeutung für den Schuldner kommt dem Aufhebungstatbestand der Nr. 4 zu. Durch diesen wurde erstmals eine Erwerbsobliegenheit nach dem Vorbild des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO893 auch für das eröffnete Verfahren eingeführt. Will der Schuldner nicht die Aufhebung der Stundung befürchten, muss er daher eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben und wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche bemühen bzw. keine zumutbare Tätigkeit ablehnen. Um dem Gericht die Feststellung zu erleichtern, ob der Schuldner dieser Obliegenheit nachkommt, treffen ihn im Rahmen des § 4c Nr. 4 InsO die Verfahrensobliegenheiten aus § 296 Abs. 2 S. 2 und 3 InsO.894 Schließlich kann die Stundung auch dann aufgehoben werden, wenn die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird, § 4c Nr. 5 InsO. Erfolgt die Aufhebung der Stundung im eröffneten Verfahren, so ist es nach § 207 InsO mangels Masse einzustellen.895 Befindet sich das Verfahren dagegen noch im Eröffnungsstadium, hat regelmäßig eine Abweisung mangels Masse gem. § 26 InsO zu erfolgen. Wird die Stundung erst in der Wohlverhaltensperiode versagt, muss der Schuldner ab diesem Zeitpunkt für die Treuhänderkosten selbst aufkommen und unterliegt der Gefahr der Versagung der Restschuldbefreiung nach § 298 InsO. Außerdem ist eine Bewilligung von Ratenzahlungen nach Erteilung der Restschuldbefreiung ausgeschlossen. Eine Aufhebung der Stundungsbewilligung wird demnach regelmäßig zur erneuten Zahlungsunfähigkeit des Schuldners führen. 3. Auswirkungen der Kostenstundung auf die Interessen des Schuldners, der Gläubiger und des Staates Im Folgenden ist zunächst ein Blick auf die direkten Konsequenzen der Kostenstundung für die im Restschuldbefreiungsverfahren involvierten Interessengruppen zu werfen. Anhand der Ergebnisse kann im Anschluss der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich die Einführung der §§ 4a ff. InsO auf das Anforderungssystem der §§ 286 ff. InsO ausgewirkt hat.

891

G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 40 Rn. 21. Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 21. 893 Die Voraussetzungen, dass die Verletzung der Erwerbsobliegenheit zu einer Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger geführt haben muss und den Schuldner ein Verschulden trifft, wurden zwar erst im Wege der Reform 2014 in § 4c Nr. 4 InsO gesetzlich verankert, jedoch bereits zuvor vom BGH in ständiger Rechtsprechung geprüft, BT-Drucks. 17/ 11268, S. 20. 894 BT-Drucks. 14/5680, S. 23. 895 Siehe (auch zum folgenden Text) BT-Drucks. 14/5680, S. 22. 892

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a) Eröffnung eines breiten Zugangs zum gesetzlichen Schuldenschnitt bei gleichzeitiger Verzögerung des Neuanfangs Dass die Kostenfrage für viele Schuldner von existenzieller Bedeutung ist,896 ist bereits deutlich geworden. Die Einführung der Kostenstundung war für den mittellosen Schuldner daher insofern relevant, als sie ihm erst die Perspektive für das Entschuldungsverfahren eröffnet.897 Dies spiegelt sich auch in den Zahlen der eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren898 i. S. v. §§ 304 ff. InsO wieder: Wurden im Jahr 2000, dem Jahr vor Einführung der Kostenstundung, noch 2.449 Verfahren mangels Masse abgewiesen und nur 6.886 eröffnet, stieg die Zahl der eröffneten Verfahren nach der Reform im Jahr 2002 bereits auf 19.857 an.899 Die Zahl der mangels Masse abgewiesenen Verfahren sank hingegen auf 489.900 Dieser durch die Stundungsmöglichkeit ausgelöste Trend901 setzte sich weiter fort. Im Jahr 2004 wurden 47.230 Verfahren eröffnet und lediglich noch 252 mangels Masse abgewiesen.902 Konnte durch die Einführung der §§ 4a ff. InsO mithin erst einer breiten Schuldnergruppe Aussicht auf einen Neuanfang gegeben werden, so ist aus Schuldnerperspektive allerdings nicht zu vernachlässigen, dass die Kostenstundung den fresh start zeitlich bis zu vier Jahre nach hinten verlagert, weil der Schuldner nach Verfahrensende für die bis dahin nicht beglichenen Verfahrenskosten bis zu vier Jahre weiterhaftet.903 b) Befriedigungsaussichten der Gläubiger Auf Gläubigerseite wirkte sich die Kostenstundung vor allem auf deren Aussicht, im Restschuldbefreiungsverfahren eine Tilgung ihrer Forderungen zu erreichen, aus. 896

Vgl. BGH NZI 2008, 47, 48. Ahrens, in: A/G/R-InsO, § 4a Rn. 2; G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht Kap. 41 Rn. 4. 898 Vgl. zu den Zahlen im Regelinsolvenzverfahren, die dies gleichermaßen bestätigen Wiedemann, ZVI 2004, 645, 647. 899 Statistisches Bundesamt, Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren Dezember und Jahr 2004, S. 9. 900 Statistisches Bundesamt, Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren Dezember und Jahr 2004, S. 9. 901 So auch Frind, ZInsO 2003, 341; Lechner, Eine zweite Chance für alle gescheiterten Schuldner? Längsschnittstudie zur Evaluation des Verbraucherinsolvenzverfahrens, S. 7; Uhlenbruck, BB-Special (Nr. 4) 2004, 2, 3; vgl. Mäusezahl, ZVI 2003, 49, 52. 902 Statistisches Bundesamt, Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren Dezember und Jahr 2004, S. 9. 903 Kritisch insofern Grote, Rpfleger 2000, 521, 522 (Zumutbar, jedoch mehr Aufwand als Nutzen); Kohte, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch/Lackmann, Vor. §§ 4a ff. Rn. 9 (Problematische Verlängerung des gesamten Entschuldungsverfahrens); Schmerbach/Stephan, ZInsO 2000, 541, 543 (Unzumutbare Belastung des Schuldners); B. Schmidt, ZInsO 2003, 64, 66; a. A. Vallender, NZI 2001, 561, 562 (Vertretbar vor dem Hintergrund einer Restschuldbefreiung); in diese Richtung auch G. Pape, ZInsO 2001, 587, 589. 897

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Wie nachfolgend zu zeigen ist, beeinflussten die neuen Regelungen sowohl die zu erwartenden Quoten des Insolvenzverfahrens als auch diejenigen der Wohlverhaltensperiode. aa) Im Insolvenzverfahren Die reformierte Kostenregelung verschaffte erst einer breiten Masse vermögensund einkommensloser Schuldner Zugang zum Verfahren. Dass diese Schuldnergruppe von ihrer neuen Möglichkeit, eine Stundung der Verfahrenskosten zu beantragen, rege Gebrauch machte zeigte sich bereits nach kurzer Zeit. Zugleich wurde deutlich, dass sich an der zu Verfahrensbeginn getroffenen Prognose hinsichtlich der finanziellen Situation dieser Schuldner auch im Laufe des Verfahrens in der Regel nichts ändern würde.904 Der Wegfall der ehemaligen Zugangsschranke löste insofern eine erhebliche Zunahme eröffneter masseloser bzw. -armer Verfahren aus.905 Da davon auszugehen ist, dass in mindestens 80 Prozent der mit dem Ziel auf Restschuldbefreiung eröffneten Insolvenzverfahren Kostenstundung gewährt wird,906 stellen die Verfahren, in denen die Gläubiger keine (sog. Nullmasseverfahren) oder nur geringe Zahlungen im Insolvenzverfahren erhalten, seither die Regel dar.907 904

Rüntz/Heßler/Wiedemann/Schwörer, ZVI 2006, 185, 188. Kranzusch, Die Quoten der Insolvenzgläubiger in Regel- und Insolvenzplanverfahren – Ergebnisse von Insolvenzverfahren nach der Insolvenzrechtsreform, S. 3. 906 Schmerbach, in: FK-InsO, Vor. §§ 1 ff. Rn. 57 (90 %); von 90 % geht auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Evaluierung des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Stand: 09.10.2018, S. 1, aus. Rüntz/Heßler/Wiedemann/Schwörer, ZVI 2006, 185, 187 kommen in ihrer Untersuchung für die Länder Baden-Württemberg, Bayern und NRW auf eine Stundungsquote von 90,85 % in Verbraucherinsolvenzverfahren und 66,93 % in Regelinsolvenzverfahren; Heyer gab in der Anhörung am 14.1.2013 vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages an, dass an seinem Gericht im Jahr 2012 97 % der Verbraucherinsolvenzverfahren nur mit Hilfe der Verfahrenskostenstundung eröffnet werden konnten, siehe: https://www.bun destag.de/hib#url=L3ByZXNzZS9oaWIvMjAxM18wMS8wMi0yNTE4NTQ=&mod=mod4 54590 (zuletzt geprüft am 15.3.2020). Vgl. außerdem T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 242 dort Fn. 709. 907 Rüntz/Heßler/Wiedemann/Schwörer, ZVI 2006, 185, 188 kommen in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass in Stundungsfällen in IK-Verfahren in 84,31 % und in IN-Verfahren in 87,32 % der Verfahren keine verteilungsfähige Masse vorhanden ist (Durchschnittswert aus den Jahren 2002 bis 2004). „Selbst wenn die Gläubiger im Einzelfall im Insolvenzverfahren Zahlungen erhalten, sind diese nur marginal. Verfahren, in denen die Befriedigungsquote mehr als 5 % beträgt, ließen sich bei der Erhebung nur äußerst selten [Anm. d. Verf.: IK-Verfahren: 4,97 %, IN-Verfahren: 1,96 %] feststellen“; in den von Lechner, Eine zweite Chance für alle gescheiterten Schuldner? Längsschnittstudie zur Evaluation des Verbraucherinsolvenzverfahrens, S. 10, untersuchten Verbraucherinsolvenzverfahren wurde in 88 % der Fälle keine Masse verteilt; laut Frind, BB 2013, 1674, 1676 sind Verbraucherinsolvenzverfahren zu 98 % bis zum Ende des eröffneten Verfahrens Nullmasseverfahren; VID, Stellungnahme zum Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, Bundestagsdrucksache 17/11268, S. 2 und Zypries, ZVI 2005, 157, 158 (80 % Nullmasseverfahren). Die Zunahme des Anteils von Nullmasseverfahren an den 905

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Verstärkend kommt hinzu, dass die Möglichkeit, eine Stundung der Verfahrenskosten zu beantragen, dem Schuldner jeden Anreiz nimmt, rechtzeitig genug einen Insolvenzantrag zu stellen.908 Ist die Durchführung des Insolvenzverfahrens in jedem Fall gesichert, ist es schließlich unerheblich für ihn, ob er – wie von der InsO eigentlich vorgesehen (vgl. § 18 InsO) – den Antrag stellt, solange noch Vermögenswerte existieren, oder erst dann, wenn diese bereits restlos verbraucht sind.909 Auf Gläubigerseite hat eine solche Verzögerung aber eine Verschlechterung der Quote zur Folge. bb) Während der Wohlverhaltensperiode Während der Wohlverhaltensperiode räumt § 292 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 InsO, der flankierend zu den §§ 4a ff InsO eingeführt wurde, dem Staat ein Vorwegbefriedigungsrecht hinsichtlich der gestundeten Verfahrenskosten ein.910 Zwar war auch nach der Ursprungsfassung der InsO aus den Beträgen, die auf Grund der Abtretungserklärung des Schuldners beim Treuhänder eingehen, die Vergütung des Treuhänders zu decken, so dass sich die an die Gläubiger auszuzahlenden Mittel entsprechend minderten. Allerdings müssen seit Einführung der Kostenstundung die gesamten gestundeten Verfahrenskosten (soweit sie nicht aus der Insolvenzmasse berichtigt worden sind) vorrangig aus den abgetretenen Beträgen beglichen werden. Weil damit die Verfahrenskosten in erster Linie von den ungesicherten Insolvenzgläubigern zu tragen sind, während der Fiskus allenfalls für den Rest eintritt,911 verminderte die Verfahrenskostenstundung auch deren Befriedigungsaussichten während der Wohlverhaltensperiode.912 Angesichts der Höhe der im Verfahren anfallenden Kosten913 können die Insolvenzgläubiger kaum mit Zahlungen rechnen. Insbesongesetzlichen Restschuldbefreiungsverfahren wurde zudem durch die Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen vom 1.1.2002 im Wege des siebten Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen vom 13.12.2001 (BGBl. I, 3638) verstärkt, Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 335. Ausführlich zu den Auswirkungen der Anhebung der Pfändungsfreigrenzen auf die Gläubiger, B. Schmidt, InVo 2001, 309 ff. 908 Vgl. Limpert, Prozeßkostenhilfe im Verbraucherinsolvenzverfahren, S. 138. 909 Vgl. Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 1 Rn. 104. Wenn die Verfahrenskosten letztlich vollständig von der öffentlichen Hand getragen werden, ist es für den Schuldner sogar günstiger, die völlige Zahlungsunfähigkeit abzuwarten, Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 39. 910 Kirchhof, ZInsO 2001, 1, 13; Vallender, NZI 2001, 561, 567. 911 Eckardt, in: Jaeger-InsO (2004), § 4a Rn. 9; Kirchhof, ZInsO 2001, 1, 13. 912 Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 38; Vallender, NZI 2001, 561, 567; Werres, DVBl 2006, 140, 147. Etwas anderes kann nur für die Fälle gelten, in denen der Schuldner ohnehin keine abzutretenden Bezüge erwirtschaftet. In diesen Fällen tangiert die Kostenstundung ausnahmsweise nicht die Interessen der Gläubiger, weil hier die Forderungen ohnehin uneinbringlich wären, vgl. Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 436. 913 Die Bundesregierung ging im RegE 2007 von durchschnittlichen Kosten i. H. v. ca. 2.300 E für das vereinfachte Insolvenzverfahren und die anschließende Wohlverhaltensperiode bzw. i. H. v. ca. 3.890 E für das Regelinsolvenzverfahren mit anschließender Wohl-

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dere im Fall, dass der Schuldner bloß über ein niedriges pfändbares Arbeitseinkommen verfügt, erhalten sie letztlich keine oder nur eine geringfügige Quote auf ihre im Insolvenzverfahren unbefriedigt gebliebenen Forderungen.914 Freilich stellt die InsO für die Gläubiger eines Schuldners, der unter den Anwendungsbereich der §§ 304 ff. InsO fällt, die Alternative bereit, sich außergerichtlich zu einigen. Auf diese Weise kann die Entstehung der Kosten für die Insolvenz- und Entschuldungsabwicklung von vornherein vermieden werden.915 Allerdings haben durch die Kostenhilfe der §§ 4a ff. InsO nunmehr auch Schuldner, die zuvor angesichts der Verfahrenskostenhürde im gesetzlichen Restschuldbefreiungsverfahrens einen Schuldenschnitt lediglich im außergerichtlichen Bereich erreichen konnten, Zugang zu der nicht ausgehandelten Entschuldung i. S. d. §§ 286 ff. InsO. Damit sinken aber gleichzeitig die Bemühungen dieser Schuldner, ihren Gläubigern ein attraktives Angebot im außergerichtlichen Bereich zu unterbreiten.916 Insbesondere entfiel mit der nicht länger bestehenden Notwendigkeit zur Vorlage der Verfahrenskosten auch die Bereitschaft spendabler Dritter (beispielsweise aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis des Schuldners), den Verfahrenskostenvorschuss zu leisten, welcher den Gläubigern zuvor häufig als Einmalzahlung im außergerichtlichen Bereich angeboten worden war.917 Insoweit dürfte die Einführung der Kostenstundung zumindest mitursächlich dafür sein, dass die Zahl der erfolgreichen Versuche, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, nach der Reform 2001 ab-

verhaltensperiode aus, BT-Drucks. 16/7416, S. 25. Für das vereinfachte Verfahren wurden noch die Kosten für den Treuhänder i. S. d. § 313 Abs. 1 S. 1 InsO a. F. zugrunde gelegt. Diese Kosten haben sich erhöht, seitdem auch in diesem Verfahren ein Insolvenzverwalter bestellt wird, vgl. §§ 2 Abs. 2 S. 1 und 2, 13 InsVV. Geht man wie die Bundesregierung von durchschnittlich 12 Gläubigern in Verbraucherinsolvenzverfahren aus, betragen die Kosten nicht länger 750 E, sondern mittlerweile rund 1.150 E bzw. 950 E, falls die Unterlagen nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt werden. 914 Werres, DVBl 2006, 140, 147. Dies galt erst recht bei den nach früherer Rechtslage vorrangigen Lohnabtretungen (§ 114 Abs. 1 InsO a. F.), Vallender, NZI 2001, 561, 567. 915 Die Vertragsfreiheit der außergerichtlichen Einigung bietet aus Gläubiger- wie auch aus Schuldnersicht zudem den Vorteil, dass sie individuelle Lösungsarrangements zulässt. Diese können die „Mittel von dritter Seite erschließen (z. B. Zuschüsse aus kommunalen Stiftungen, Umschuldungsdarlehen von Resozialisierungsfonds für Straffällige, Unterstützung durch Angehörige, vorweggenommener Erbausgleich), mehrere überschuldete Personen in einen Schuldenbereinigungsplan einbinden (z. B. Ehegatten, Partner, Familienangehörige), die PlanLaufzeit bis zur Restschuldbefreiung variieren (z. B. kurze Laufzeit gegen Zahlung aus dem unpfändbaren Einkommen), Anpassungs- oder Besserungsoptionen gewähren (z. B. den Ausgang eines Rechtsstreits über eine strittige Forderung berücksichtigen), spezielle Verwertungsarrangements zulassen (z. B. bei schwer veräußerbaren Immobilien)“, Stephan, in: FS Vallender, S. 639, 649. 916 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 367 ff. 917 Beicht, ZVI 2003, 388 f.; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 371 f.

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nahm.918 Vor dem Hintergrund, dass die Zahl der gütlichen außergerichtlichen Einigungen nach wie vor weit hinter den vom InsO-Gesetzgeber aufgestellten Erwartungen919 zurückbleibt,920 scheint sich das Potential des außergerichtlichen Verfahrens, für die Gläubiger eine lohnenswerte Alternative zum gesetzlichen Restschuldbefreiungsverfahren darzustellen, in Grenzen zu halten. c) Belastung der öffentlichen Kassen Nach der Grundidee der §§ 4a ff. InsO sollten die gestundeten Verfahrenskosten nicht endgültig von der Staatskasse übernommen, sondern vielmehr unter Verlegung ihres Fälligkeitszeitpunktes vom Schuldner vollständig beglichen werden.921 Auch wenn es nach wie vor keine flächendeckende Statistik über die tatsächlichen Rückzahlungsquoten gibt,922 muss davon ausgegangen werden, dass dieser Bereich von einer Kostendeckung, wie sie der Reformgesetzgeber aus dem Jahre 2001 anstrebte, weit entfernt ist.923 Der Mehrheit der Schuldner stehen weder im eröffneten 918 Vgl. insofern die Zusammenstellung von empirischen Ergebnissen aus den Bundesländern bei Hofmeister/Schilz, ZVI 2012, 134, 138; vgl. auch Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 331 ff.; vgl. außerdem die Erfahrungen aus der Praxis von Beicht, ZVI 2003, 388 ff. und Klaas, ZInsO 2004, 577, 578. Die im Vergleich zu den Vorjahren gesunkenen Erfolgsaussichten des außergerichtlichen Einigungsversuchs erklären sich zudem vor dem Hintergrund, dass seit Einführung der §§ 4a ff. InsO vermehrt mittellose Schuldner auch in das außergerichtliche Verfahren, das sie als notwendigen Zwischenschritt zur gesetzlichen Restschuldbefreiung durchlaufen müssen, strömen. Diese Schuldner sind aber von vornherein nicht in der Lage, ihren Gläubigern in diesem Rahmen Zahlungen anzubieten, siehe dazu Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 367. 919 Nach der Intention des InsO-Gesetzgebers sollte die außergerichtliche Einigung vorrangig sein und ein Verbraucherinsolvenzverfahren nur als ultima ratio eröffnet werden, siehe oben S. 48. 920 Das Statistische Bundesamt gibt an, dass von den ca. 260.000 Beratungsfällen, die im Jahr 2017 von Schuldnerberatungsstellen in Deutschland abgeschlossen wurden, in jedem fünften Fall (20 %) eine außergerichtliche Regulierung der Schuldensituation erreicht werden konnte, Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 188 vom 29. Mai 2018, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2018/05/PD18_188_635.html (zuletzt geprüft am 15.3.2020). 921 Heyer, Restschuldbefreiung, S. 27; vgl. Mock, in: Uhlenbruck-InsO, § 4b Rn. 1. 922 Frind, NZI 2019, 361, 363; Heyer, ZVI 2012, 130; Jacobi, InsbürO 2012, 123, 124. 923 So auch Reck, ZVI 2019, 53, 56; ders., ZVI 2018, 348, 350; vgl. auch Eckardt, in: JaegerInsO (2004), § 4a Rn. 10 u. 13 (die Nachhaftung sei seit der Anpassung der Pfändungsfreigrenzen zum 1.1.2002 für den Regelfall illusorisch). In ihrer Untersuchung für die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen kamen Rüntz/Heßler/Wiedemann/ Schwörer, ZVI 2006, 185, 198 zu dem Ergebnis, dass das Ziel der Kostendeckung selbst bei optimistischen Annahmen für die Entwicklung der Rückflüsse bis zum Ende der Wohlverhaltensperiode nicht erreicht werden könne. Sie errechneten dabei bundesweite jährliche Nettostundungskosten i. H. v. 50,8 Mio. E für die Entschuldung in IK-Verfahren bzw. i. H. v. 17,5 Mio. E für die Entschuldung in IN-Verfahren. Nach einer empirisch gestützten Schätzung des Bundeslandes Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2010 werden die Verfahrenskosten in min-

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Verfahren noch in der Wohlverhaltensperiode und aller Voraussicht nach auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung ausreichende Mittel zur Verfügung.924 Damit stellen die Ausgaben für die Stundung der Verfahrenskosten aber eine erhebliche Belastung der öffentlichen Kassen dar.925 d) Zunahme des Drehtüreffekts Die Einführung der Stundungsregelungen hat dazu geführt, dass vielfach Schuldner in das Restschuldbefreiungsverfahren gelangen, die ohne pfändbares Einkommen sind und oftmals auch in Zukunft sein werden.926 Angesichts der unzureichenden Betreuung927 während des Verfahrens und in der Zeit danach werden diese Schuldner häufig nach kurzer Zeit erneut zahlungsunfähig.928 Das mit dem Institut der Restschuldbefreiung verfolgte gesellschaftliche Ziel einer dauerhaften wirtschaftlichen und sozialen Rehabilitation des Schuldners kann deshalb vermehrt nicht mehr erreicht werden.929 4. Änderungen wesentlicher Grundsätze im Anforderungssystem der §§ 286 ff. InsO Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Einführung der Kostenstundung auf Schuldnerseite vor allem mit dem Abbau der anfänglichen Zugangsschranke verbunden war. Auf Gläubigerseite führte sie zu Befriedigungseinbußen. Der Fiskus wird seither mit beträchtlichen Kosten belastet. Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse ist nunmehr zu untersuchen, ob sich die Einführung der §§ 4a ff. InsO auf die nachfolgenden, den §§ 286 ff. InsO ursprünglich zugrundeliegenden, Prämissen ausgewirkt hat. a) Keine „Entschuldung zum Nulltarif“ Die Ausgangsfassung der InsO verlangte vom Schuldner als ersten „Preis“ für die Restschuldbefreiung, dass er die Verfahrenskosten für das Insolvenzverfahren aufdestens 60 % der Fälle bis zum Abschluss der „§4b InsO-Phase“ gedeckt, vgl. Frind, Stellungnahme zur Erhebung der Verfahrenskostenstundungswirkung. 924 Heyer, ZInsO 2005, 1009, 1010. 925 Frind, NZI 2019, 361, 363; Reck, ZVI 2018, 348, 350; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 37. 926 Frind, ZInsO 2003, 341, 342. 927 Siehe dazu oben S. 154 ff. 928 Frind, ZInsO 2003, 341, 342 f.; vgl. auch Mock, in: Uhlenbruck-InsO, § 4a Rn. 6; ders., KTS 2014, 435, 438. 929 Frind, ZInsO 2003, 341, 342; vgl. ders., NZI 2019, 361, 363 (in der Praxis sei eine steigende Zahl von „Wiederkehrern“ zu beobachten).

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bringt.930 Darüber hinaus hatte er für die Mindestvergütung des Treuhänders für dessen Tätigkeit während der Wohlverhaltensperiode – notfalls sogar mit seinem unpfändbaren Vermögen – aufzukommen.931 Anders als die Erbringung etwaiger Tilgungsmittel zur Gläubigerbefriedigung mussten diese Kosten in jedem Fall erbracht werden. Eine „Entschuldung zum Nulltarif“ war demnach ausgeschlossen.932 Die Einführung der Stundung sollte diese ursprüngliche Maxime, nämlich dass der Schuldner für die Kosten des Verfahrens selbst, im Wege eigener Bemühungen, aufkommen muss, unangetastet lassen. So versprach sich der Gesetzgeber von der Stundungslösung eine eindeutige Signalwirkung, die den am Verfahren interessierten Schuldnern deutlich mache, dass eine Restschuldbefreiung nur durch erhebliche eigene Anstrengungen zu erlangen sei.933 Weiter erklärte er, dass es eine „Entschuldung zum Nulltarif“ demgegenüber regelmäßig nicht geben werde. Schuldner, die ohne nennenswerte eigene Anstrengungen eine solche Rechtswohltat erreichen wollten, würden auf diese Weise vom Eintritt in das Verfahren abgehalten. Dem ist freilich zuzugestehen, dass die Konzeption der §§ 4a ff. InsO dem Schuldner ihrem Grundsatz nach die Kostenhaftung belässt.934 Während des Verfahrens muss er insoweit sein Vermögen und Einkommen einsetzen.935 Zudem wurden die vom Schuldner zu leistenden Tilgungsanstrengungen im Wege des § 4b InsO auf die Zeit nach Verfahrensende zu Gunsten des Staates verlängert. Allerdings schließt es das gesetzgeberische Modell nicht aus, dass es zu keinerlei Rückzahlungen auf die Verfahrenskosten kommt. Spätestens nach vier Jahren nach Beendigung des Verfahrens endet die Rückzahlungsverpflichtung des Schuldners endgültig. Dies gilt unabhängig davon, ob bis dahin Zahlungen eingegangen sind. Somit ist eine „Entschuldung zum Nulltarif“ durchaus möglich.936 Aufgrund dessen kann zwar gesagt werden, dass die ehemals bestehende Prämisse grundsätzlich weiterbesteht; allerdings ist sie nicht mehr zwingend. Die Erfahrungen aus der Praxis937 und die – wenn auch nur vereinzelt gebliebenen – Untersuchungen legen dabei den Schluss nahe, dass die Fälle, in denen lediglich geringe oder sogar keine Rück930

S. 73 ff. S. 123 f. 932 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 425. 933 Siehe (auch zum folgenden Text) BT-Drucks. 14/5680, S. 13. 934 Vgl. Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 18. 935 Daher kann nicht pauschal gesagt werden, dass der weitere Preis für die Restschuldbefreiung, die Aufbringung der Verfahrenskosten, mit der Einführung des Stundungsmodells weggefallen ist, so aber Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 162. 936 Siehe auch Lissner, ZVI 2012, 93, 94: „Betrachtet man die derzeitige Situation realistisch, kann nahezu jeder Schuldner ohne einen eigenen Beitrag in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen“; Wimmer, ZVI 2012, 160, 161. 937 Jacobi, InsbürO 2012, 123, 124, der anmerkt, dass es zwar keine Statistiken über die Rückzahlungsquoten gebe, nach dem Bauchgefühl aber eine einheitliche Auffassung darüber bestehe, dass die Rückzahlungsquoten äußerst gering seien. 931

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zahlungen erfolgen, keineswegs selten sind. Die vom Gesetzgeber angenommene Signalwirkung der Stundungslösung muss bereits vor diesem Hintergrund relativiert werden.938 Hat der frühere § 298 InsO außerdem den Schuldner tatsächlich dazu anhalten können, durch erhebliche eigene Anstrengungen die Verfahrenskosten in Gestalt der Mindestvergütung des Treuhänders aufzubringen und damit zu einem funktionsfähigen Verfahren beizutragen, ist dieser Anreizcharakter der Regelung durch ihre Änderung (vgl. § 298 Abs. 1 S. 2 InsO) in Stundungsfällen verloren gegangen.939 Nach alledem scheint das von der Kostenstundung ausgehende Signal vielmehr dahin zu gehen, dass eine Entschuldung ohne eigene Kostenbeteiligung nunmehr möglich ist.940 Der ehemalige Grundsatz, dass eine „Entschuldung zum Nulltarif“ nicht in Betracht kommt, hat jedenfalls erheblich an Bedeutung eingebüßt. b) Keine Restschuldbefreiung auf Kosten des Staates? Nach der Intention des InsO-Gesetzgebers sollte eine Finanzierung des Restschuldbefreiungsverfahrens als ein vorrangig im Privatinteresse liegendes Verfahren durch den Staat nicht in Betracht kommen.941 Zwar hat sich der Reformgesetzgeber von 2001 gegen eine PKH-Lösung entschieden, jedoch können die Verfahrenskosten dem Schuldner auch nach der Stundungskonzeption vollständig erlassen werden, wenn sein Vermögen und sein Einkommen über die gesamte Zeit des Verfahrens und die Nachhaftungszeit von vier Jahren nach Erteilung der Restschuldbefreiung so gering sind, dass er die Kosten trotz aller Bemühungen nicht zurückzahlen kann.942 In diesen Fällen ist der Staat der alleinige Träger der Kosten.943 Aber selbst wenn der Schuldner nur einen Teil der Verfahrenskosten zurückzahlt, muss der Staat immerhin für den Rest einstehen. Außerdem fallen ihm auch die gegebenenfalls entstandenen Kosten einer Anwaltsbeiordnung endgültig zur Last.944 Der ehemalige Grundsatz, dass es keine Restschuldbefreiung auf Kosten des Staates gibt, wurde folglich aufgegeben. Dies hat dazu geführt, dass in den Stundungsfällen regelmäßig die Belange des Steuerzahlers betroffen sind. Damit sind im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens die Interessen der Allgemeinheit durch die Reform 2001 maßgeblich

938 Kritisch auch Mock, in: Uhlenbruck-InsO, § 4a Rn. 6 (die Signalwirkung komme bei den meisten Schuldnern nicht an). 939 Bausch/Nadenau, InsbürO 2019, 122 bezeichnen § 298 InsO insoweit zu Recht als eine entwertete Vorschrift. 940 So auch Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 469. 941 Kirchhof, ZInsO 2001, 1, 12. 942 Vgl. Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 137. 943 Siehe auch Lissner, ZVI 2012, 93, 94 (Die Restschuldbefreiung des Schuldners werde auf diese Weise dauerhaft staatlich subventioniert). 944 Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 37; Wiedemann, ZVI 2004, 645, 648.

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in den Vordergrund gerückt. Seither müssen die §§ 286 ff. InsO mithin einen schonenden und sinnvollen Umgang mit diesen Fremdgeldern gewährleisten.945 c) Bestmögliche Gläubigerbefriedigung während der Wohlverhaltensperiode Eine weitere wesentliche Prämisse der InsO-Ausgangsfassung ging dahin, den Insolvenzgläubigern einen Ausgleich für ihren Verzicht auf das freie Nachforderungsrecht am Ende des Restschuldbefreiungsverfahrens in Form der Aussicht auf eine bestmögliche Befriedigung durch die Auskehrung der pfändbaren Einkommensanteile des Schuldners während der siebenjährigen Wohlverhaltensperiode einzuräumen.946 Seit Einführung der Kostenstundung werden jene Tilgungsmittel hingegen erst dann zugunsten der Gläubigerschaft eingesetzt, wenn die gestundeten Kosten vollständig beglichen sind.947 Damit modifizierte das InsOÄndG 2001 die Funktion der Wohlverhaltensperiode: Diente sie zuvor dem Zweck, die Chancen der Insolvenzgläubiger, vom Schuldner tatsächlich Befriedigung zu erlangen, zu erhöhen,948 soll sie seither in erster Linie helfen, die Kostenforderung der Staatskasse zu erfüllen.949 Diese Kehrtwende untermauern im Übrigen auch die Ausführungen zum Motivationsrabatt in der Gesetzesbegründung zum InsOÄndG 2001. Betont wird dort die Bedeutung des Selbstbehalts insbesondere für die Stundungsfälle, in denen Schuldner sich häufig bereits seit Jahren mit dem pfändungsfreien Teil ihres Einkommens begnügen mussten oder auf öffentliche Unterstützungsleistungen angewiesen waren.950 Von dem Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung eines wachsenden Teils der beim Treuhänder eingegangenen Beträge versprach sich der Gesetzgeber eine Motivation gerade dieser Schuldner, ihren Obliegenheiten nachzukommen und das Restschuldbefreiungsverfahren nicht vorzeitig zu beenden. Wenn es in den Materialien heißt, dass dies im Interesse der Staatskasse liege, kommt die Prioritätenverlagerung des Gesetzgebers klar zum Vorschein. Demgegenüber wirkt der gleichzeitige Hinweis auf die Gläubigerseite, die nach Auffassung des Gesetzgebers von einem obliegenheitstreuen Schuldner gleichermaßen profitiere, vor dem Hintergrund der Änderungen des § 292 Abs. 1 S. 2 InsO mehr als halbherzig. Die Fälle, in denen der Schuldner durch Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit pfändbares Einkommen erwirtschaftete und dieses nach Begleichung der gestundeten Verfahrenskosten sowie nach Abzug der an den Schuldner auszukehrenden Motivationszahlungen noch zugunsten der Gläubiger eingesetzt werden konnte, dürften die Ausnahme gewesen sein. 945

Vgl. Frind, ZInsO 2003, 341, 342; Lissner, ZVI 2012, 93, 94. Siehe dazu oben S. 89 ff. 947 Mock, in: Uhlenbruck-InsO, § 4a Rn. 7; Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 19; Wiedemann, ZVI 2004, 645, 648. 948 BT-Drucks. 12/2443, S. 188. 949 Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 1 Rn. 105; Kirchhof, ZInsO 2001, 1, 13; Werres, DVBl 2006, 140, 147; vgl. Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 19. 950 Siehe (auch zum folgenden Text) BT-Drucks. 14/5680, S. 29. 946

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Aufgrund der Tatsache, dass in der großen Mehrzahl der Stundungsfälle die Schuldner kein oder lediglich ein geringes pfändbares Einkommen erwirtschaften, lässt sich sogar konstatieren, dass die ursprüngliche gesetzgeberische Grundidee, dass die Wohlverhaltensperiode eine Gläubigerbefriedigung bewirken soll, in Verfahren mit Kostenstundung nur noch ausnahmsweise umgesetzt wird.951 5. Untersuchung der Grundsatzänderungen unter Legitimationsgesichtspunkten Die Einführung der Kostenstundung im Jahre 2001 wird zurecht als „Meilenstein“ bezeichnet.952 Durch sie wurden die Anlaufschwierigkeiten der InsO beseitigt, die auf der sich als unzutreffend herausgestellten Annahme953 beruhten, dass auch ein Schuldner mit sehr niedrigem Einkommen in der Lage sei, die bei Vermögenslosigkeit nur geringen Gerichtskosten und die Mindestverwaltervergütung aufzubringen. Seine Funktion, überschuldeten natürlichen Personen eine Perspektive auf einen finanziellen Neustart zu eröffnen, konnte das Restschuldbefreiungsverfahren mithin erst seit dem InsOÄndG 2001 wirklich entfalten. Sein Ziel, die Zahlen der in das Verfahren gelangenden Schuldner zu erhöhen, realisierte der Reformgesetzgeber allerdings zulasten der Insolvenzgläubiger954 und nahm billigend in Kauf, dass diese deutlich seltener Zahlungen auf ihre Forderungen erwarten konnten.955 Dadurch modifizierte er den Charakter des Verfahrens maßgeblich. Bleibt eine Befriedigung der Gläubiger aus, tritt das Insolvenzverfahren samt der nachfolgenden Wohlverhaltensperiode entgegen der Vorgabe aus § 1 InsO nicht länger auch in den Dienst der Haftungsverwirklichung, sondern wird zu einem reinen Entschuldungsverfahren.956 War es angesichts der fehlenden Mindestbefriedigungsquoten zwar auch nach der Ursprungsfassung der InsO möglich, dass das Verfahren ausschließlich der Befreiung des Schuldners von seinen Verbindlichkeiten dient, konnte in den meisten Fällen aber ein ausgewogener Kompromiss zwischen dem Entschuldungsziel i. S. d. § 1 S. 2 InsO und dem Ziel einer bestmöglichen

951 Vgl. T. Schröder, Überschuldung privater Haushalte und die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, S. 249. 952 So G. Pape, in: FS Vallender, S. 363, 367. 953 Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 143. 954 Kritisch Mock, in: Uhlenbruck-InsO, § 4a Rn. 7; Uhlenbruck, BB-Special (Nr. 4) 2004, 2, 8. 955 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 435, der darauf hinweist, dass dem Gesetzgeber diese Konsequenz seiner Entscheidung angesichts der Nullplansituation bewusst war. 956 Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 32; Rüntz/Heßler/Wiedemann/Schwörer, ZVI 2006, 185, 198; Wiedemann, ZVI 2004, 645, 647 f.; vgl. (in Bezug auf das Insolvenzverfahren) Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 1 Rn. 105; Kampf, ZVI 2019, 171, 172; Vallender, ZAP 2016, 907, 909.

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Gläubigerbefriedigung i. S. d. § 1 S. 1 InsO hergestellt werden.957 Erst die Einführung der Kostenstundung drehte dieses ehemalige Regel-Ausnahmeverhältnis um. Die Prioritätenverschiebung des Gesetzgebers von einem Interessenausgleich der Beteiligten zu einer sozialpolitisch gewollten Entschuldung möglichst vieler Betroffener958 führte dazu, dass das zuvor lediglich als theoretische „Gefahr“ für Vermögensverluste begriffene Institut der Restschuldbefreiung für einen Großteil der Gläubiger zu einem wirklichen Konfrontationspunkt wurde.959 Der Aufwand960 des Verfahrens für die häufigen Fälle, in denen das Ziel der gleichmäßigen und bestmöglichen Gläubigerbefriedigung keine Rolle mehr spielt, ist dabei enorm.961 Vor allem aber entsteht der größte Teil der Kosten durch die Einsetzung eines Verwalters und Treuhänders, deren eigentlicher Zweck, die Masse anzureichern bzw. während der Wohlverhaltensperiode die Gelder zur Befriedigung der Gläubiger zu vereinnahmen, gar nicht erreicht werden kann.962 Diese Verfahren werden damit nur um ihrer selbst willen, d. h. zur eigenen Kostendeckung, eröffnet.963 Eine Erklärung für die Frage, weshalb die Gläubiger für die Kosten eines Verfahrens aufkommen sollen, aus dem sie (entgegen der ursprünglichen Konzeption) keinerlei Vorteil ziehen, sondern das ausschließlich zum Verlust ihrer Forderungen führt,964 bleibt der Reformgesetzgeber schuldig.965 Es verwundert, dass er demgegenüber hinsichtlich der Kosten für die Beiordnung eines Rechtsanwalts, welche gem. § 292 Abs. 1 S. 2 InsO von der Vorrangstellung der Staatskasse ausgenommen sind, derlei 957 Siehe dazu oben S. 90 ff.; vgl. auch Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 436 ff.; Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 3d. 958 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 437. 959 Vgl. Frind, ZInsO 2003, 341. 960 Zu nennen sind nur die im Insolvenzverfahren erforderlichen zahlreichen öffentlichen Bekanntmachungen, Zustellungen und Termine, BT-Drucks. 16/7416, S. 18. 961 Förster, ZInsO 2002, 1105; Rüntz/Heßler/Wiedemann/Schwörer, ZVI 2006, 185, 198; Wiedemann, ZVI 2004, 645 ff. Kritisch bzgl. der Durchführung eines Insolvenzverfahrens, dessen eigentliches Ziel von vornherein nicht erreicht werden kann, auch Brinkmann/Frevel, in: FS Klamaris, S. 109, 110; Heyer, Restschuldbefreiung, S. 27 u. 29 ff.; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 35 f. u. 39 ff.; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 437 ff.; Wagner, ZVI 2005, 173, 176 f. 962 Rüntz/Heßler/Wiedemann/Schwörer, ZVI 2006, 185, 198. 963 Kirchhof, ZInsO 2001, 1, 13; Rüntz/Heßler/Wiedemann/Schwörer, ZVI 2006, 185, 198; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 437; siehe auch Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 35 f., der zu dem Ergebnis kommt, dass die §§ 4a ff. InsO eine systemwidrige Regelung darstellen. Als Begründung zieht er den sich vor Einführung der Stundungsregelung aus dem Regelungsgefüge der §§ 13 ff. InsO und der §§ 26, 27, 207 InsO ergebenden Verfahrensgrundsatz, dass die Eröffnung und Durchführung eines Insolvenzverfahrens keinen Selbstzweck verfolgt, heran. Diesen würden die §§ 4a ff. InsO verkehren. 964 Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 1 Rn. 105; Wiedemann, ZVI 2004, 645, 648. 965 Kritisch im Hinblick auf die alleinige Finanzierung des schuldnerischen fresh starts durch die Gläubiger auch Bartels, KTS 2013, 349, 384; Werres, DVBl 2006, 140, 147 f.

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Rechtfertigungserwägungen angestellt hat. So konstatiert er, dass die Kosten für die Beiordnung nicht auf die Gläubiger abgewälzt werden können, weil die Beiordnung nicht zwingend durch die Abwicklung eines Insolvenzverfahrens veranlasst, sondern Ausdruck einer besonderen Fürsorge gegenüber einem rechtsunkundigen und im Verfahren unbeholfenen Schuldner sei.966 Entstehen die Kosten für das Insolvenzverfahren aber allein zur Verwirklichung des sozialpolitischen Ziels, sämtlichen bedürftigen Schuldnern Restschuldbefreiung zu gewähren, so sind sie in gleicher Weise Ausdruck einer besonderen Fürsorge. Im privaten Interesse der Gläubiger finden sie ihre Berechtigung dagegen nicht.967 Streng genommen müssten sie daher – ebenso wie die Kosten für die Beiordnung eines Rechtsanwalts – vom Staat getragen werden, falls der Schuldner sie nicht aufbringen kann.968 Eine sozialstaatliche Fürsorge auf Kosten der Gläubiger darf es hingegen nicht geben.969 Der Reformgesetzgeber hätte bei der Finanzierung des Verfahrenszugangs für Armutsschuldner insoweit die Interessen der Gläubiger stärker berücksichtigen müssen.970 In den masselosen Fällen würde indessen auch eine (teilweise) Kostentragung seitens des Staates nichts an dem Problem ändern, dass in den betreffenden Verfahren ein erheblicher Aufwand betrieben wird, der weder im Hinblick auf das Entschuldungsziel noch auf das Ziel der Gläubigerbefriedigung notwendig erscheint. Auch aus Sicht des Steuerzahlers, dessen Interessen durch die Kostenstundung ebenfalls in den Fokus des Restschuldbefreiungsverfahrens gelangt sind, ist ein aufwändiges und

966 BT-Drucks. 14/5680, S. 28 f. Der Bundesrat plädierte in seiner Stellungnahme zum RegE 2001 sogar dafür, auch die Rechtsanwaltskosten der vorrangigen Befriedigung zu unterwerfen, siehe BT-Drucks. 14/5680, S. 37 (zu Nr. 4) und die ablehnende Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drucks. 14/5680, S. 40. 967 So aber die Argumentation des Reformgesetzgebers, vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 40 („Gemäß den allgemeinen insolvenzrechtlichen Grundsätzen hat die Insolvenzmasse für die Verfahrenskosten aufzukommen. Die Kosten sind somit insbesondere von den ungesicherten Gläubigern zu tragen. Dies ist auch gerechtfertigt, da das Insolvenzverfahren vornehmlich ihren Interessen zu dienen bestimmt ist“). 968 Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass mit einer solchen Lösung eine erhebliche Belastung der Allgemeinheit verbunden wäre. Auf fiskalische Belange der Allgemeinheit braucht der Gläubiger keine Rücksicht zu nehmen, da das fiskalische Interesse der Verwaltungsträger dem Schutzbedürfnis des Eigentümers nach Art. 14 GG niemals überlegen ist, vgl. (zum zivilprozessualen Vollstreckungsschutz) Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 359. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Staat wegen Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG dem Schuldner eine Restschuldbefreiungsmöglichkeit geben muss, wäre die entschädigungslose Überwälzung der dem Staat um der Menschenwürde willen gestellten Aufgabe auf den Privatmann angesichts der unterschiedlichen Wirkung der Grundrechte im öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Bereich zum einen nicht durch die Grundrechte geboten. Zum anderen wäre sie sogar verfassungswidrig, vgl. ders., ebd. 969 Vgl. Häsemeyer, in: FS Henckel, S. 353, 356; B. Schmidt, ZInsO 2003, 64, 65; Wagner, ZVI 2005, 173, 180; Werres, DVBl 2006, 140, 147. 970 Vgl. auch Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 18.

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zugleich unnötiges Insolvenzverfahren fragwürdig.971 Der erhebliche Einsatz öffentlicher Gelder lässt sich in diesem Zusammenhang kaum rechtfertigen, wenn man bedenkt, dass das Verfahren oftmals keine Nachhaltigkeit besitzt. Das Restschuldbefreiungssystem krankt insofern an der zwingenden Vorschaltung eines Insolvenzverfahrens.972 So richtig der gesetzgeberische Ausgangspunkt für das obligatorische Stufenverhältnis – nämlich, dass nur in einem eröffneten Insolvenzverfahren ein vollständiger Überblick über das Vermögen bzw. die Verschuldenslage des Schuldners gewonnen werden könne –973 in den meisten Verfahren war, so hat aber seine zwingende Geltung jedenfalls seit der Reform 2001 seine Berechtigung verloren. Ist der Schuldner völlig mittellos, bedarf es zur Wahrung der Gläubigerinteressen keines Insolvenzverfahrens, sondern lediglich einer sorgfältigen Ermittlung der Vermögensverhältnisse des Schuldners. Die Gläubiger müssen in die Lage versetzt werden, die Werthaltigkeit ihrer Forderungen und die Aussichten auf eine künftige Befriedigung abschätzen zu können.974 Dies kann jedoch bereits im Antragsverfahren erfolgen.975 Lässt sich nach alledem festhalten, dass die Einführung der Kostenstundung erhebliche Friktionen im Legitimationsprofil der Restschuldbefreiung hervorgerufen hat, stellt sich weiterhin die Frage, ob eine Entschuldung ohne eigene Kostenbeteiligung (sozusagen zum „Nulltarif“) im System der §§ 286 ff. InsO gerechtfertigt erscheint. Unabhängig von seiner Pflicht, die gestundeten Kosten zurückzuzahlen, könnte ihm möglicherweise vor dem Hintergrund der beschriebenen Unstimmigkeiten ein zu Verfahrensbeginn und während der Wohlverhaltensperiode zu erbringender Kostenbeitrag zuzumuten sein. Das Problem der geringen bzw. fehlenden Befriedigungsquoten von Armutsschuldnern könnte eine solche Lösung freilich nur geringfügig abmildern. Dies gilt jedenfalls, wenn man im Übrigen an einem obli971

Kritisch hinsichtlich der Belastung von Fiskus und Justiz Heyer, Restschuldbefreiung, S. 33; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 36 f.; Wiedemann, ZVI 2004, 645, 648; siehe auch BT-Drucks. 16/7416, S. 18 f. 972 Siehe exemplarisch Heyer, Restschuldbefreiung, S. 25; ders., ZVI 2012, 130 (Dogmatischer Fehlansatz des geltenden Restschuldbefreiungssystems); Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 142 f. Auch der Bundesrat hatte bereits innerhalb der Insolvenzrechtsreform angemerkt, dass ein Insolvenzverfahren, in dem mangels Masse eine Verteilung an die Gläubiger nicht stattfindet, das vielmehr nur wegen der Aussicht auf Restschuldbefreiung betrieben wird, als Gesamtvollstreckungsverfahren nicht zu rechtfertigen ist, siehe Stellungnahme Bundesrat zu RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 255 (zu Nr. 28). 973 Siehe BT-Drucks. 12/2443, S. 222. 974 BT-Drucks. 16/7416, S. 18 f. 975 Eingehend Heyer, ZInsO 2005, 1009, 1013; ders., Restschuldbefreiung, S. 29 f.; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 40 f. Zwar könnte ein nicht eröffnetes Verfahren keine Forderungsprüfungen und -feststellungen leisten, jedoch ist die obligatorische Forderungsprüfung ohnehin in der weit überwiegenden Zahl praktisch masseloser Verfahren ein unnötiger Aufwand für die beteiligten Gläubiger und die Gerichte, Heyer, ZVI 2012, 130. Siehe zu einer entsprechenden Alternativlösung ders., ZInsO 2005, 1009, 1014 ff. Vgl. außerdem die im RegE 2007 vorgesehene Lösung, BT-Drucks. 16/7416, S. 36 ff.

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gatorischen Insolvenzverfahren mit Stundungsmodell und der Konzeption, dass die während des Insolvenzverfahrens nicht getilgten Verfahrenskosten vorrangig aus den pfändbaren Einkommensanteilen beglichen werden, festhält. Soll das gesetzliche Entschuldungsinstrument seine Funktionsfähigkeit nicht wieder einbüßen, dürfte ohnehin lediglich ein eher symbolischer Betrag in Betracht kommen. Gleichwohl ist nicht zu vernachlässigen, dass der Symbolcharakter, der dem Kostenbeitrag anhaftet, bereits auf die Zeit vor Verfahrensbeginn ausstrahlt.976 Es wurde festgestellt, dass die ursprüngliche Kostentragungspflicht der InsO-Ausgangsfassung dem Schuldner einen Anreiz gab, Eigeninitiative im Gläubigerinteresse zu ergreifen. Dies konnte durch eine frühe Stellung eines Insolvenzantrags oder durch Einigungsbemühungen im außergerichtlichen Bereich geschehen. Die Notwendigkeit eigener Anstrengungen im Zusammenhang mit der Kostenregelung hat zwar auch der Reformgesetzgeber von 2001 gesehen. Dabei hat er aber die Signalwirkung von dem Rückzahlungsgebot, das grundsätzlich hinsichtlich der gestundeten Verfahrenskosten besteht, überschätzt.977 Der Anreizcharakter kann lediglich durch einen obligatorischen, als Zugangsvoraussetzung ausgestalteten, Kostenbeitrag aufrechterhalten werden. Aus dem gleichen Grund müsste das Ausbleiben eines Beitrags zur Begleichung der Kosten für die Mindestvergütung des Treuhänders sanktioniert werden,978 wenn man einen solchen verlangte. Dies würde im Übrigen dem Umstand Rechnung tragen, dass die Treuhändervergütung aus dem Vermögen beglichen wird, das den Gläubigern zugewiesen ist, und diese somit von ihnen finanziert wird, obwohl der Treuhänder seine Verwaltungstätigkeit nicht nur im Interesse der Gläubiger, sondern auch in dem des Schuldners979 ausübt (doppelte Treuhand).980 Die Schwierigkeit besteht allerdings in der Festsetzung der zu leistenden Beträge.981 Diese müssten so angesetzt sein, dass weiterhin ein barrierefreier Zugang zum Entschuldungsverfahren gewährleistet ist und insbesondere die ärmsten Schuldner nicht vom Verfahren ausgeschlossen sind. Die Kostenbeteiligung müsste also aus dem unpfändbaren Vermögen des Schuldners erbracht werden können und

976 Treffend Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 162: „Nur dann, wenn das Beschreiten des Verfahrens dem Schuldner einerseits eindeutig offen steht, andererseits aber auch ein Stückweit unangenehm ist, wird er stärker motiviert sein, die außergerichtliche Einigung mit seinen Gläubigern zu suchen und auch zu Stande zu bringen. Der Mindestbeitrag zu den Verfahrenskosten könnte dann außergerichtlich den Gläubigern angeboten werden“. 977 Siehe dazu oben S. 178 ff. 978 Ob dies im Wege einer strengen Versagungsregelung nach dem „Alles-oder-nichtsPrinzip“ erfolgen sollte, bleibt an dieser Stelle dahingestellt. Alternativ könnte die Restschuldbefreiung erst dann erteilt werden, wenn die Gebühr vollständig entrichtet ist, Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 162. 979 Näher dazu oben S. 133 f. 980 Ehricke, in: MüKo-InsO (Aufl. 3), § 298 (alt) Rn. 3 u. 6. 981 Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 162 schlägt etwa einen monatlichen Beitrag i. H. v. 10 E vor.

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dürfte ihn nicht in seinem Existenzminimum gefährden.982 Härtefall- bzw. Sonderregelungen erschienen unumgänglich.983 Würde dieses – zweifelsohne schwierige Unterfangen - gelingen, wäre eine Lösung gefunden, die auf der einen Seite für den Schuldner zumutbar ist sowie die Wirksamkeit des Instituts der Restschuldbefreiung unangetastet lässt und auf der anderen Seite die Stellung der Gläubiger verbessert. Verfassungsrechtlich ist ein Kostenbeitrag unbedenklich. Genauso wenig wie ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Restschuldbefreiung984 besteht ein solcher auf eine verfahrenskostenfreie Entschuldung.985 Vielmehr erscheint es aus den oben genannten Gründen sachgerecht, eine kostenbezogene Eigenleistung vom Schuldner als Zeichen für sein ernsthaftes Bemühen um Restschuldbefreiung einzufordern.986 Die jetzige Ausgangslage dagegen kann unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten nicht überzeugen. Vermeidet der Schuldner die Insolvenz gerade nur, werden ihm trotz seiner Entbehrungen und Anstrengungen keine Erleichterungen zugestanden. Ein Schuldner, der unter Niederlegung seiner Bemühungen auf die Insolvenz zusteuert, wird hingegen mit der Restschuldbefreiung belohnt.987 6. Reaktionen des Gesetzgebers nach Einführung der Verfahrenskostenstundung: Der RegE 2007 Die durch die Reform 2001 herbeigeführten Grundsatzänderungen schienen allerdings keineswegs festgeschrieben. Die Unzulänglichkeiten, die im Wege der Reform im System der Restschuldbefreiung entstanden waren und sich mehr und mehr in der Praxis abzeichneten, führten zu einer Rückbesinnung auf die ursprünglichen Prämissen. Repräsentativ für diesen Trend ist der RegE 2007. Dieser war entscheidend von dem gesetzgeberischen Bemühen geprägt, eine Alternativlösung für die masselosen Verfahren zu finden und auf diese Weise wieder einen angemessenen Kompromiss der beteiligten Interessen von Gläubigern und Schuldner herzustellen.988 Um dieses Ziel zu erreichen, sollte auf die in den masselosen Fällen 982

Vgl. auch BT-Drucks. 16/7416, S. 20; Stellungnahme Bundesrat zu RegE 2007, BTDrucks. 16/7416, S. 65. 983 Nähere Überlegungen bei Kainz, Das Scheitern der Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens, S. 49 ff. 984 Siehe oben S. 53 f. 985 Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 1 Rn. 104; Schmidt-Räntsch, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 1), S. 1177, 1203 Rn. 108 f.; Stellungnahme Bundesrat zu RegE 2007, BT-Drucks. 16/7416, S. 65; Werres, DVBl 2006, 140, 147 f.; vgl. Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 456. 986 Vgl. auch BT-Drucks. 16/7416, S. 20; Stellungnahme Bundesrat zu RegE 2007, BTDrucks. 16/7416, S. 65. 987 Becker, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 1 Rn. 31; Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 1 Rn. 104. 988 BT-Drucks. 16/7416, S. 18 f.; siehe auch Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 446 u. 460 f.

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überflüssige Eröffnung und Durchführung eines Insolvenzverfahrens verzichtet werden.989 Das Insolvenzverfahren sollte bloß noch dann zwingende Zulassungsvoraussetzung zur Restschuldbefreiung sein, wenn pfändbares Vermögen zur Verwertung und Verteilung vorhanden ist. Reicht das Vermögen des Schuldners dagegen schon nicht aus, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, sollte das Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt bzw. eingestellt und direkt in die Wohlverhaltensperiode übergeleitet werden.990 Die Gläubiger hätten von einer solchen Lösung insoweit profitiert, als die Kosten eines aufwändigen Titulierungs- und Verteilungsverfahrens nicht länger einen erheblichen Teil dessen aufgezehrt hätten, was es zu verteilen gibt.991 Darüber hinaus sah der RegE 2007 eine Rückführung der Stundungsvorschriften auf ein Beteiligungsmodell vor.992 Um den Schuldner wieder stärker zu einer ernsthaften Mitarbeit am Verfahren anzuhalten, sollte auch der vermögenslose Schuldner einen Verfahrenskostenbeitrag leisten.993 Eine „Entschuldung zum Nulltarif“ sollte dagegen – ausweislich der Gesetzesbegründung – nicht mehr möglich sein.994 Das Gesetzgebungsverfahren orientierte sich an der Leitlinie, dem Schuldner wieder verstärkt eigene Anstrengungen im Gläubigerinteresse abzuverlangen.995 Daneben rückten aber auch die Interessen des Wirtschaftsverkehrs vermehrt in den Vordergrund.996 Zu deren Wahrung wurde es unter anderem als erforderlich angesehen, dass der Schuldner sein ernsthaftes Bemühen unter Beweis stellt, nach Durchlaufen des Verfahrens ein Leben ohne Überschuldung zu führen.997 Der Schuldner zeige dieses Bemühen durch seine Bereitschaft, für die mit dem Verfahren verbundenen Vorteile einen angemessenen Preis zu bezahlen. Augenscheinlich geriet die „Drehtür-Problematik“ damit zumindest ins gesetzgeberische 989

BT-Drucks. 16/7416, S. 20. Zu den Einzelheiten siehe BT-Drucks. 16/7416, S. 20 f. u. 31 ff. 991 Vgl. Wagner, ZVI 2005, 173, 177. 992 G. Pape, in: FS Vallender, S. 363, 370. 993 BT-Drucks. 16/7416, S. 20. 994 BT-Drucks. 16/7416, S. 20 u. 33. 995 Charakteristisch dazu ist die Stellungnahme des Bundesrats zu RegE 2007, BT-Drucks. 16/7416, S. 65: „Könnte der Schuldner, der kein pfändbares Vermögen angibt, nicht nur in gleicher Weise die Restschuldbefreiung erlangen wie derjenige, der die Verfahrenskosten aufbringt, sondern zudem auch noch zum Nulltarif, würde jegliche Motivation fehlen, zur Befriedigung der Gläubiger oder auch nur zur Deckung der Verfahrenskosten beizutragen.“; siehe außerdem BT-Drucks. 16/7416, S. 20: „Über diesen Verfahrensbeitrag wird dem Schuldner deutlich gemacht, dass auch von ihm zur Erlangung der Restschuldbefreiung gewisse Anstrengungen erwartet werden.“; siehe zum Ganzen auch Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 458 f. 996 BT-Drucks. 16/7416, S. 19: „Das Verfahren hat aber nicht nur einen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners und seiner Gläubiger zu finden, sondern muss auch dem allgemeinen Interesse des Wirtschaftsverkehrs genügen, um etwa den Grundsatz pacta sunt servanda nicht vollständig zu entwerten“. 997 Stellungnahme Bundesrat zu RegE 2007, BT-Drucks. 16/7416, S. 65. 990

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Bewusstsein, wenn auch bezweifelt werden mag, dass der Kostenbeitrag allein zu deren Lösung ausgereicht hätte. Als finanzielle Mitwirkung sah der Entwurf einerseits eine zu Beginn des Verfahrens vom Schuldner zu leistende Verfahrensgebühr in Höhe von 25 Euro und andererseits die während der Wohlverhaltensperiode zu erbringende Zahlung der Mindestvergütung des Treuhänders vor.998 Hinsichtlich des letztgenannten Beitrags kehrte der Gesetzesentwurf somit zu der Rechtslage zurück, wie sie vor der Reform 2001 bestand. Eine Stundungsmöglichkeit für die Verfahrenskosten erübrigte sich nach dem Modell des RegE 2007, weil die darin vorgesehenen überschaubaren Verfahrenskostenbeiträge auch von mittellosen Personen hätten erbracht werden können. Die §§ 4a bis 4d InsO sollten deshalb aufgehoben werden.999 Für den Schuldner wäre damit der unmittelbare Vorteil verbunden gewesen, dass die vierjährige Nachhaftung für die gestundeten Verfahrenskosten entfallen wäre. Nach Erteilung der Restschuldbefreiung hätte er folglich einen wirklichen Neuanfang beginnen können.1000 Der Gesetzesentwurf wurde letztlich nicht umgesetzt, weil er der Diskontinuität anheimfiel.1001 Damit aber blieben nicht nur solche positiven Effekte für die Gläubiger aus, die mit einer effizienteren und kostengünstigeren Verfahrensabwicklung einhergegangen wären, sondern auch diejenigen, die durch eine verstärkte Mitwirkungsbereitschaft des Schuldners entstanden wären. Insbesondere die Chance auf eine Anreizwirkung, die von einem Verfahrenskostenbeitrag ausgegangen wäre und sich sowohl auf die Zeit vor als auch während des Restschuldbefreiungsverfahrens erstreckt hätte,1002 wurde vertan.

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Diesen Verfahrenskostenbeitrag erachtete der Gesetzgeber als „so gering, dass er auch von einem Schuldner, dem lediglich die unpfändbare Habe verbleibt, ohne größere Mühe aufgebracht werden kann“, vgl. BT-Drucks. 16/7416, S. 20. Während der Wohlverhaltensperiode werde ihm ein nur mit monatlich maximal 13 E maßvoller Beitrag abverlangt. 999 BT-Drucks. 16/7416, S. 21 u. 26. 1000 BT-Drucks. 16/7416, S. 20. 1001 Heyer, ZVI 2012, 130. 1002 Zum Anreizcharakter in Bezug auf den außergerichtlichen Einigungsversuch siehe auch Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 455.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

II. Verfahrensdauer 1. Änderung des Beginns und der Länge der Laufzeit der Abtretungserklärung (Abtretungsfrist)1003 Auch wenn es vor allem das Kostenstundungsmodell war, das maßgeblich auf die finanziellen Anforderungen, die die InsO ursprünglich an den Schuldner gestellt hatte, einwirkte, sah das InsOÄndG 2001 daneben noch weitere Neuerungen mit einer diesbezüglichen Relevanz vor. Dies betraf neben der Vorverlegung des Beginns der Abtretungsperiode auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch die Verkürzung dieses Zeitraums von sieben auf sechs Jahre. Beide Maßnahmen erhielten erst in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses1004 – „quasi in letzter Minute“1005 – Einzug in das Gesetzgebungsverfahren. Sie sollten dazu dienen, der oftmals vorgebrachten Problematik zu begegnen, dass der durchschnittliche Schuldner nicht in der Lage sei, über einen so erheblichen Zeitraum sein Leben an den Pfändungsfreigrenzen auszurichten.1006 Zwar wurde sich bereits im RegE 2001 der – insbesondere von Seiten der Schuldnerberatung in Bezug auf die Abtretungsdauer geäußerten – Kritik angenommen. Jedoch wollte man zunächst eine rechtstatsächliche Untersuchung abwarten. Diese sollte überprüfen, wie sich eine Reduzierung der Abtretungsperiode und eine dann erforderliche1007 An1003 Nach der InsO-Ausgangsfassung bezeichnete der Begriff „Laufzeit der Abtretungserklärung“ die ehemals siebenjährige Wohlverhaltensperiode. Wie sogleich zu zeigen ist, wurde der Beginn der Laufzeit der Abtretungserklärung im Wege des InsOÄndG 2001 vorverlegt, so dass sich die Wohlverhaltensperiode und die Frist der Abtretung nicht länger entsprachen. Folglich musste zwischen der Dauer und den Wirkungen der Abtretung unterschieden werden, Ahrens, in: FK-InsO, § 287 Rn. 265. Die praktischen Probleme, die sich daraus ergaben, dass der Gesetzgeber diese Änderung nicht gleichzeitig in den §§ 294 bis 300 InsO nachvollzogen hatte, sind durch die Einführung einer Legaldefinition und entsprechende Folgeänderungen im Wege der Reform 2014 ausgeräumt worden. Der Begriff „Abtretungsfrist“ meint seitdem den gesamten Zeitraum der in § 287 Abs. 2 InsO genannten Frist, wohingegen der Begriff „in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist“ auf den Zeitraum nach der Aufhebung oder – im Falle des § 211 InsO – der Einstellung des Insolvenzverfahrens abstellt, mit dem zuvor überwiegend auf die Wirkungen der Abtretung rekurriert wurde. Siehe zum Ganzen BT-Drucks. 17/11268, S. 24. Bereits in den folgenden Ausführungen soll diese neuere gesetzliche Klarstellung nachvollzogen und einheitlich der Begriff „Abtretungsfrist“ oder seine Synonyme „Abtretungsperiode“ bzw. „Abtretungsphase“ verwendet werden. 1004 BT-Drucks. 14/6468, 1005 Vallender, NZI 2001, 561, 566. 1006 BT-Drucks. 14/6468, S. 18. Zu der bereits im Gesetzgebungsverfahren zur InsO geführten Diskussion um die Verfahrenslänge siehe oben S. 85. 1007 Eine gleichzeitige Anpassung des § 114 InsO i. d. F. v. 1.1.1999 war notwendig, damit der pfändbare Teil des Einkommens des Schuldners auch noch zur Begleichung der Stundungskosten sowie der Befriedigung der ungesicherten Gläubiger eingesetzt werden konnte. Andernfalls wären die Zahlungen des Schuldners nur dem aufgrund der Lohnvorausabtretung privilegierten Gläubiger zugutegekommen, Grote, NJW 2001, 3665, 3666; siehe auch BTDrucks. 14/5680, S. 17.

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passung der Wirksamkeit von Gehaltsabtretungen nach § 114 Abs. 1 InsO i. d. F. v. 1.1.1999 auf die Verteilungsgerechtigkeit im Insolvenzverfahren sowie auf die Kreditversorgung von Verbrauchern auswirkt.1008 Dem Rechtsausschuss lag sodann ein entsprechendes Gutachten des Instituts für Finanzdienstleistungen vor. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die ökonomischen Folgekosten, die mit einer Kürzung der Wohlverhaltensperiode und des Lohnabtretungsvorranges verbunden sind, marginal ausfielen.1009 Insbesondere seien sie im Vergleich zu den Vorteilen, die eine solche Verkürzung bringen würde (etwa die sinnvolle Reorganisation überschuldeter Familienhaushalte, die Anreicherung der Insolvenzmasse und die Verteilungsgerechtigkeit unter den Insolvenzgläubigern) vernachlässigbar. Die Ergebnisse des Gutachtens veranlassten den Rechtsausschuss, „eine maßvolle Verkürzung der Wohlverhaltensperiode vorzuschlagen, ohne befürchten zu müssen, dass damit unverhältnismäßig in die Rechtsposition der Gläubiger eingegriffen würde oder die Kreditversorgung von Verbrauchern, die außer ihrem Gehalt kein Kreditsicherungsmittel anbieten können, messbar eingeschränkt würde“1010. Die beabsichtigte Vorverlegung des Beginns der Abtretungsperiode von der Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf dessen Eröffnung begründete der Rechtsausschuss mit Gleichheits- und Gerechtigkeitsargumenten. Die Änderung sollte bewirken, dass der Zeitraum, den das Insolvenzverfahren in Anspruch nimmt, auf die Länge der Wohlverhaltensperiode angerechnet wird und sich nicht länger auf die Gesamtdauer des Verfahrens auswirken konnte.1011 Insbesondere sollten nicht mehr Umstände die Verfahrenslänge beeinflussen, die sich außerhalb des Wirkungskreises des Schuldners befinden. Dies war zuvor beispielsweise dann der Fall, wenn sich das Insolvenzverfahren aufgrund der Belastung des zuständigen Insolvenzgerichts erheblich verzögerte. Der Deutsche Bundestag kam den Empfehlungen des Rechtsausschusses nach. Wurden daraufhin zwar lediglich zwei Wörter in § 287 Abs. 2 S. 1 InsO i. d. F. v. 1.1.1999 ausgetauscht („sieben“ in „sechs“ und „Aufhebung“ in „Eröffnung“), waren diese Änderungen dennoch für den Schuldner von erheblicher Bedeutung.1012 So hatten sie eine beträchtliche Verfahrensverkürzung zur Folge. Geht man etwa von einer Dauer des Insolvenzverfahrens von einem Jahr aus, dauert das gesamte Restschuldbefreiungsverfahren nur noch sechs statt acht Jahre. Erstreckt sich das Insolvenzverfahren über zwei Jahre, beträgt die Verkürzung sogar drei Jahre.

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BT-Drucks. 14/5680, S. 17. BT-Drucks. 14/6468, S. 18. 1010 BT-Drucks. 14/6468, S. 18. 1011 Vgl. Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 362. 1012 Stephan, in: MüKo-InsO, § 287 Rn. 13. 1009

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Der Position des Rechtsauschusses ist beizupflichten, dass die Länge des Verfahrens den entscheidenden Belastungsfaktor für den Schuldner darstellt.1013 Ist ein wirtschaftlicher Neuanfang für den Schuldner in so weite Ferne gerückt, dass seine Motivation regelmäßig vor Ablauf dieses Zeitraums erschöpft ist,1014 kann das Institut der Restschuldbefreiung weder seine Anreizwirkung entfalten und den Gläubigern dienen1015 noch zu einer wirtschaftlichen und sozialen Reintegration des Schuldners führen. Insbesondere gilt es zu berücksichtigen, dass sich die dargestellten Erleichterungen in Verfahren mit Kostenstundung für den Schuldner aufgrund der vierjährigen Nachhaftungszeit relativieren.1016 Ohne eine entsprechende Anpassung der Abtretungsfrist wäre die Verfahrensdauer in diesen Fällen unverhältnismäßig lange ausgefallen. Nichtsdestotrotz muss man sich darüber bewusst sein, dass jede Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens die Chance der Gläubiger, zumindest eine teilweise Befriedigung zu erlangen, reduziert.1017 Die verkürzte Wohlverhaltensperiode bedeutet insofern auch, dass der Zeitraum, in dem den Gläubigern die pfändbaren Einkommensanteile zufließen oder zu ihren Gunsten eine Erbschaft des Schuldners anfallen kann (vgl. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO), maßgeblich eingeschränkt wird. Außerdem muss sich der Schuldner im Allgemeinen seit der Änderung nicht mehr durch Einhaltung seiner Obliegenheiten aus § 295 InsO sieben Jahre lang bewähren und dabei insbesondere die Ernsthaftigkeit seines Tilgungswillens unter Beweis stellen, sondern – wenn man von einem einjährigen Insolvenzverfahren ausgeht – lediglich fünf Jahre. Die Vorverlegung des Beginns der Abtretungsperiode auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkte dabei, dass sich der obliegenheitsrelevante Zeitraum umso mehr verkürzt, je länger das Insolvenzverfahren andauert. Im Hinblick auf die Erwerbsobliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO, zu der es nach alter Rechtslage kein Äquivalent im Insolvenzverfahren gab,1018 verursachte das InsOÄndG 2001 daher eine neue Ungleichbehandlung. Diese hätte der Reformgesetzgeber ohne weiteres ausräumen können, indem er die Erwerbsobliegenheit an den veränderten Beginn der Abtretungsphase angepasst hätte. Auf diese Weise wäre 1013 Vgl. Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 185. 1014 BT-Drucks. 14/5680, S. 17. 1015 Siehe auch Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 8: „Richtig betrachtet läuft eine übermäßige Länge des Restschuldbefreiungsverfahrens den Interessen der Gläubiger regelmäßig entgegen“. 1016 Die verlängerte Nachhaftungszeit steht daher genau genommen in Widerspruch zu der Intention des Gesetzgebers, dem Schuldner mit einer Verkürzung der Wohlverhaltensperiode zu helfen, siehe auch Hergenröder, DZWIR 2001, 397, 411; Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 360 ff. 1017 Baczako, ZVI 2013, 209, 212; Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 8; Lissner, ZVI 2012, 93, 96; so auch BT-Drucks. 17/11268, S. 13 u. 30. 1018 Etwas anderes galt nur in den Stundungsfällen (vgl. § 4c Nr. 4 InsO). Zur Einführung des § 287b InsO im Wege der Reform 2014 siehe unten S. 264 f.

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dem Umstand Rechnung getragen worden, dass die Haftungsverwirklichung der Gläubiger entscheidend von der Bereitschaft des Schuldners zu geregelter Erwerbsarbeit abhängt.1019 Durch das dahingehende gesetzgeberische Versäumnis fehlte den Gläubigern während des Insolvenzverfahrens – obschon die Abtretungsfrist bereits zu laufen begann – ein entsprechendes Druckmittel gegen den Schuldner. Die Gläubiger erlitten durch die Vorverlegung des Beginns und die Abkürzung der Abtretungsfrist somit weitere Einbußen.1020 In den Fällen, in denen sie vom Schuldner Zahlungen aus den pfändbaren Einkommensanteilen erwarten können, verkürzt sich ihre Quote unmittelbar. Ist der Schuldner arbeitslos oder bewegt sich sein Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze, schmälert sich zumindest ihre Aussicht doch noch Befriedigung zu erlangen. So wird ihnen die Chance genommen, dass der Schuldner zum Ende der Wohlverhaltensperiode einen (höher bezahlten) Job findet oder er unmittelbar nach Verfahrensende in den Genuss einer Erbschaft kommt, welche nach alter Rechtslage noch in den zeitlichen Anwendungsbereich von § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO gefallen wäre. Ausführungen zu den auf Gläubigerseite zu erwartenden Verlusten oder generell zu den genannten Konsequenzen sucht man in der Gesetzesbegründung vergeblich. 2. Einführung der Möglichkeit einer vorzeitigen Restschuldbefreiung – das Stufenmodell des § 300 Abs. 1 S. 2 InsO a) Hintergrund und Überblick über den Regelungsgehalt sowie das Regelungsziel Die Diskussion um die im europäischen Vergleich lange Dauer des deutschen Restschuldbefreiungsverfahrens ebbte auch in den Jahren nach der Reform 2001 nicht ab. Neu war allerdings, dass nicht mehr eine Verkürzung der generellen Abtretungsfrist in Rede stand,1021 sondern die Einführung eines Stufenmodells. Nach diesem sollte es grundsätzlich bei der sechsjährigen Verfahrensdauer bleiben, dem Schuldner aber unter der Voraussetzung, dass er eine gewisse Mindestbefriedigungsquote aufbringt, die Möglichkeit einer vorzeitigen Restschuldbefreiung eingeräumt werden. Die entsprechenden Vorschläge auf legislativer Ebene gipfelten schließlich in dem „Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“ aus dem Jahr 2013. Der Reformgesetzgeber nahm insoweit die 1019

Vgl. zu dieser Abhängigkeit Wenzel, ZIP 1991, 425, 431. Diese dürften für die Gläubiger nicht unerheblich ausgefallen sein, da die kostengünstige Wohlverhaltensperiode diejenige Verfahrensphase ist, in der „für die Gläubiger in den Verfahren nicht selbstständiger oder ehemals selbstständiger Schuldner die meiste Masse generiert wird“, Frind, NZI 2019, 361, 363 f. m. w. N. 1021 So zumindest auf legislativer Ebene. Zum Meinungsstand hinsichtlich alternativer Forderungen aus der Praxis und der Literatur vgl. den Überblick bei Jäger, ZVI 2012, 177, 183. 1020

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schuldnerfreundlichen Entwicklungen im europäischen Rechtsraum1022 zum Anlass, den Gedanken der „second chance“ verstärkt im deutschen Restschuldbefreiungssystem zu integrieren und die Verfahrensverkürzung zum zentralen Reformziel zu erklären.1023 Ein dahingehendes Bedürfnis begründete er mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und dem modernen Arbeitsmarkt, die den Schuldner vor erhebliche Risiken stellten. Ein wirtschaftliches Scheitern dürfe daher kein Stigma mehr sein.1024 Insbesondere Unternehmensgründern, aber auch Verbrauchern, müsse dementsprechend zügig ein wirtschaftlicher Neustart eröffnet werden.1025 Die neue Verkürzungsmöglichkeit sollte allerdings nicht nur dem Schuldner, sondern auch den Gläubigern dienen.1026 Der Reformgesetzgeber versprach sich von der Laufzeitenstaffelung eine erhöhte Befriedigungsbereitschaft des Schuldners im Gläubigerinteresse. Nach seiner Auffassung hatte die ehemalige Konstruktion der §§ 286 ff. InsO dem Schuldner keine positiven Anreize geboten, überobligatorische Anstrengungen zwecks Schuldentilgung zu leisten.1027 Durch die geplanten Änderungen sollte es dagegen für den Schuldner attraktiver werden, Teile seines – über dem Existenzminimum liegenden – unpfändbaren Einkommens bzw. Vermögens zugunsten seiner

1022 Siehe dazu Bruns, KTS 2008, 41, 47, der rechtsvergleichend feststellt, dass in Frankreich und England ein Trend zur Erleichterung der Entschuldung sichtbar werde, gleichzeitig aber darauf hinweist, dass in den USA eine gegenläufige Entwicklung stattfinde; eingehend außerdem Mock, KTS 2013, 423 ff. (Trotz erheblicher Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsordnungen gebe es insgesamt eine generelle Tendenz zu einer zunehmenden Erleichterung der Erlangung der Restschuldbefreiung). Insbesondere der österreichische Gesetzgeber stellte parallel zur deutschen Diskussion ebenfalls Verkürzungsüberlegungen an, Jacobi, InsbürO 2012, 123, 126. 1023 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 30. Auch der RegE 2007 hatte bereits eine quotenabhängige Verkürzungsmöglichkeit vorgesehen. Allerdings wurde diese von dem damaligen primären Reformziel – der Umgestaltung des Verfahrens in den masselosen Fällen – in den Hintergrund gedrängt. 1024 BT-Drucks. 17/11268, S. 13. 1025 BT-Drucks. 17/11268, S. 1 u. 13 f. Näher zu dem von wirtschaftspolitischer Seite geforderten Mentalitätswechsel innerhalb der Kultur des Scheiterns, der zu einem besseren Gründungsklima hierzulande beitragen sollte, Beck, ZVI 2012, 223 f.; Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2173 f. Zu den entsprechenden Impulsen des europäischen Gesetzgebers, die die nationale Debatte beeinflusst haben, unten S. 284 ff. 1026 Insoweit unterschied ihr Zweck sich von der Verfahrensverkürzung i. R. d. InsOÄndG 2001, die noch ausschließlich unter der Prämisse gestanden hatte, den Schuldner in seinem Durchhaltevermögen zu stärken. 1027 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 1, 13 f. u. 30. Ganz i. S. d. vergleichsweise gläubigerfreundlichen Linie des RegE 2007 hatte jenes Anreizziel in diesem Gesetzesentwurf noch absolut im Vordergrund gestanden. Die Bedeutung der Verfahrensverkürzung für den Schuldner klingt darin allenfalls an, wenn es heißt, dass künftig zahlreiche Schuldner von der dort vorgesehenen Option, das Verfahren gegen Zahlung einer zwanzigprozentigen Quote nach vier Jahren zu beenden, profitieren würden. Die Erreichbarkeit der daneben vorgeschlagenen Verkürzungsmöglichkeit auf zwei Jahre bei einer Schuldentilgung i. H. v. 40 % relativierte dagegen selbst der damalige Gesetzgeber, vgl. zum Ganzen BT-Drucks. 16/7416, S. 39.

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Gläubiger einzusetzen, durch Annahme eines Nebenjobs sein pfändbares Einkommen zu erhöhen oder ein Verwandtendarlehen in Anspruch zu nehmen.1028 Große Uneinigkeit im Gesetzgebungsprozess herrschte hinsichtlich der Höhe der Quote. Der Gesetzgeber hatte die Erfahrungen aus Österreich1029, dessen ehemaliges1030 Quotenmodell als Vorbild für das deutsche Reformvorhaben diente, herangezogen. Unter Vergleich mit den hierzulande geschätzten durchschnittlichen Befriedigungsquoten1031 setzte er im Regierungsentwurf eine Mindestbefriedigungsquote von 25 Prozent fest. Obwohl bereits diese Quote von den bei der abschließenden Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 14.1.2013 anwesenden Sachverständigen mehrheitlich als zu hoch kritisiert wurde,1032 empfahl der Rechtsausschuss – angesichts der von Gläubigerseite geäußerten Bedenken1033 – eine Erhöhung auf 35 Prozent.1034 Das Anreizsystem betrachtete er allerdings ausschließlich dann als effektiv, wenn mindestens 15 Prozent der Schuldner die vorzeitige Restschuldbefreiung nach drei Jahren erlangen. Deshalb sollte die Bundesregierung verpflichtet werden, die Auswirkungen des Gesetzes zu evaluieren und dem Deutschen Bundestag vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes Bericht über die Ergebnisse zu erstatten.1035 Im Falle, dass es lediglich in einer deutlich geringeren Zahl von Verfahren zu einer Verkürzung gem. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO käme, sollten zudem Verbesserungsvorschläge hinsichtlich der Höhe der Mindestbefriedigungsquote unterbreitet werden. Im Bedarfsfall sollten die Vor1028

BT-Drucks. 17/11268, S. 14. In österreichischen Abschöpfungsverfahren, die 2003/2004 eingeleitet wurden, konnte in 7,8 % der Verfahren die dort für eine vorzeitige Restschuldbefreiung nach drei Jahren notwendige 50 % Quote erreicht werden, BT-Drucks. 17/11268, S. 14. 1030 Im Jahre 2017 wurde das österreichische Abschöpfungsverfahren reformiert. Die Laufzeit wurde von 7 auf 5 Jahre verkürzt und ist – weil zu wenige Schuldner in der Lage waren, sie zu erreichen – nicht länger von einer Mindestbefriedigungsquote i. H. v. 10 % abhängig. Die quotenabhängige Verkürzungsmöglichkeit auf 3 Jahre ist ganz weggefallen. Eingehend zu der österreichischen Reform Nunner-Krautgasser, ZInsO 2017, 2525 ff. 1031 Valide Aussagen über die Höhe der tatsächlich erzielten Befriedigungsquoten nach Erteilung der Restschuldbefreiung lagen dem Gesetzgeber nicht vor. Heranziehen konnte er lediglich einzelne, aber nicht flächendeckende Untersuchungen, die überwiegend von einem Mittelwert von ca. 10 % ausgingen. Diese waren allerdings für das Gesetzesvorhaben nicht aussagekräftig, weil sie sich nur auf das Insolvenzverfahren (noch dazu handelte es sich um Werte von Unternehmensinsolvenzen, Frind, BB 2013, 1674, 1676) bezogen. Die Zahlungen während der anschließenden Wohlverhaltensperiode berücksichtigten sie dagegen nicht. Vor diesem Hintergrund konstatierte er, dass eine effiziente Mindestbefriedigungsquote deutlich höher als 10 % aber auch niedriger als die in Österreich vorgesehenen 50 % sein müsse, siehe zum Ganzen BT-Drucks. 17/11268, S. 14. 1032 Siehe Protokoll Nr. 110 des Rechtsauschusses der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages. 1033 Siehe exemplarisch Köchling, ZInsO 2013, 316, 317 ff.; Nocke, FLF 2012, 157, 160. Zumeist wird von den Kritikern eine 50-%-Quote gefordert, so etwa Bruns, KTS 2008, 41, 55. 1034 BT-Drucks. 17/13535, S. 28. 1035 BT-Drucks. 17/13535, S. 30. 1029

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schläge gewährleisten, dass einerseits in einer namhaften Zahl von Fällen eine Verkürzung in Betracht kommt, andererseits aber auch die Belange der Gläubiger angemessen im Blick gehalten werden. Die letztlich Gesetz gewordene Fassung sieht – entsprechend der Empfehlung des Rechtsausschusses – vor, dass der Schuldner vorzeitig Restschuldbefreiung erlangen kann, wenn drei Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sowie die Verfahrenskosten beglichen sind und dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder innerhalb dieses Zeitraums ein Betrag zugeflossen ist, der eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von mindestens 35 Prozent ermöglicht (vgl. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO). Gelingt es ihm nicht, die Quote zu erreichen, kann er unter der Bedingung, dass er die Verfahrenskosten berichtigt, das Verfahren dennoch auf fünf Jahre verkürzen (vgl. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO). Weiterhin sieht § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO die sofortige Restschuldbefreiung vor, wenn im Verfahren kein Insolvenzgläubiger eine Forderung angemeldet hat oder wenn die Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt sind und der Schuldner die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt hat. Insoweit hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgegriffen.1036 Mit Art. 107 EGInsO ist außerdem der Evaluierungsauftrag gesetzlich verankert worden. b) Untersuchung unter Legitimationsgesichtspunkten Im Folgenden soll untersucht werden, inwiefern das Stufenmodell auf das Geflecht aus Schuldner- und Gläubigerinteressen im Restschuldbefreiungssystem eingewirkt hat. Dazu wird zunächst ein Blick darauf geworfen, wie sich das neue Modell in das bestehende System der finanziellen Anforderungen unter Berücksichtigung von dessen wesentlichen Prämissen einfügt und welche Bedeutung der Verfahrenskostenberichtigung dabei zukommt. Im Anschluss ist zu klären, welche Legitimationsfragen sich der Gesetzgeber selbst gestellt hat und wie seine Einschätzung ausgefallen ist. Nachdem sodann die tatsächlichen Auswirkungen des § 300 InsO auf die Gläubigerseite ermittelt wurden, erfolgt eine abschließende Bewertung der Vorschrift unter Legitimationsaspekten. aa) Die Bedeutung der Verfahrenskosten für die Verkürzungsmöglichkeiten Grundvoraussetzung aller Verkürzungstatbestände ist, dass die Kosten des Verfahrens vollständig berichtigt sind, § 300 Abs. 1 S. 2 InsO. Die Tatbestände der Nr. 1 und 2 erfordern zudem eine Begleichung der sonstigen Masseverbindlichkeiten. Zwar ist dies in § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO nicht ausdrücklich geregelt. Es ergibt sich aber aus dem Umstand, dass eine Befriedigung von Insolvenzforderungen erst nach Ausgleich der sonstigen Masseverbindlichkeiten erfolgen darf.1037 Der Ver1036 1037

Siehe BT-Drucks. 17/11268, S. 30 mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen. Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1434 dort Fn. 12; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 69.

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kürzungstatbestand der Nr. 3 verlangt hingegen keinen dahingehenden vorherigen Ausgleich.1038 Fraglich ist, ob eine Berichtigung der Verfahrenskosten, wie sie § 300 Abs. 1 S. 2 InsO verlangt, auch gegeben ist, wenn die Verfahrenskosten nur gestundet sind. Trotz des insoweit uneindeutigen Wortlauts1039 ist für die Nr. 2 und 3 (35-Prozent-Quote; Fünfjahresfrist) anerkannt, dass eine Stundung für die vorzeitige Restschuldbefreiung nicht ausreicht.1040 Anders ist dies im Anwendungsbereich der Nr. 1, der auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruht.1041 Hier hatten einzelne Gerichte,1042 unter anderem das AG Göttingen, entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs1043 bereits vor der Reform eine vorzeitige Restschuldbefreiung auch dann gewährt, wenn die gestundeten Verfahrenskosten noch offen waren.1044 Das AG Göttingen1045 hält an seiner Rechtsprechung auch nach neuer Rechtslage fest. Gleiches gilt für den Bundesgerichtshof. Dieser macht auch in Stundungsfällen die vorzeitige Restschuldbefreiung, wenn kein Insolvenzgläubiger eine Forderung angemeldet hat oder wenn die Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt sind und der Schuldner die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt hat, weiterhin von der vollständigen Berichtigung der Verfahrenskosten abhängig.1046 Zugegebenermaßen streiten für die Ansicht, wonach die Stundung zugleich die Deckung der Verfahrenskosten vermittelt, bedeutende verfahrensökonomische Argumente. Eine Fortführung des Verfahrens und die Einleitung der Wohlverhaltensperiode würden nämlich oftmals lediglich bedeuten, dass vor dem Hintergrund der Erwartung von Einnahmen auf entstandene Kosten weitere Kosten hervorgerufen werden, die ebenfalls nicht gedeckt sind.1047 Dessen ungeachtet lässt die Lösung unberücksichtigt, dass der Gesetzgeber ausdrücklich an die obige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anknüpft1048 und somit auch die Gewährung von Verfahrenskostenstundung nicht der Begleichung der Verfahrenskosten gleichstellen 1038

Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 603; Vallender/Undritz, in: Vallender/Undritz, § 11 Rn. 285; Weinland, in: A/G/R-InsO, § 300 Rn. 9; Zerhusen, ZVI 2019, 91. 1039 Blankenburg/Godzierz, ZInsO 2014, 1360, 1362. 1040 Laroche, ZInsO 2016, 144; vgl. Möhlen, ZInsO 2015, 1603; Sternal, NZI 2018, 241, 247 f.; Wenzel, in: KPB-InsO, § 300 Rn. 21a. Ausführlich zum Merkmal der „Berichtigung der Verfahrenskosten“ Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 28 ff. 1041 Näher dazu sogleich S. 201. 1042 So etwa AG Essen VuR 2012, 196; AG Göttingen ZVI 2008, 358. 1043 BGH NZI 2011, 947 f. 1044 Reck/Köster/Wathling, ZVI 2016, 1, 7. 1045 ZInsO 2015, 1357. Gleichermaßen verfährt das AG Aurich ZInsO 2017, 788; ZInsO 2016, 124. 1046 BGH NJW 2017, 75. 1047 AG Aurich ZInsO 2016, 124; Reck/Köster/Wathling, ZVI 2016, 1, 7; Riedel, in: BeckOK-InsO, § 300 Rn. 1b; Schmerbach, NZI 2016, 1007, 1008 f.; Weiland, VIA 2016, 41, 42. 1048 BT-Drucks. 17/11268, S. 30.

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wollte.1049 Sieht man das anders, würde der Verkürzungstatbestand des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO zudem seine eigenständige Bedeutung verlieren, weil in allen Stundungsverfahren bereits nach fünf Jahren vorzeitige Restschuldbefreiung zu erteilen wäre.1050 Damit wäre letztlich – entgegen der gesetzgeberischen Intention – die sechsjährige Regelfrist zur Erteilung der Restschuldbefreiung abgeschafft.1051 Im Übrigen können unnötige Kosten dadurch vermieden werden, dass trotz einer Fortsetzung des Verfahrens auf die Bestellung eines Treuhänders verzichtet wird. Erreicht werden kann dies durch eine teleologische Reduktion des § 288 InsO.1052 Somit kommen sämtliche Verkürzungstatbestände des § 300 Abs. 1 S. 2 InsO erst dann in Betracht, wenn der Schuldner die gestundeten Verfahrenskosten beglichen hat.1053 Dies ist quasi der „eigene Beitrag“, den der Schuldner jedenfalls erbringen muss, um das Verfahren zu verkürzen. Gleichzeitig stellt die Vorschrift sicher, dass eine vorzeitige Restschuldbefreiung nicht zulasten des Staates als Kostengläubiger geht. bb) § 300 InsO im System der finanziellen Anforderungen Die Untersuchungen im zweiten Teil dieser Arbeit haben gezeigt, dass es für die Frage, ob der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, unerheblich ist, ob der Schuldner in seinem Bemühen um Gläubigerbefriedigung erfolgreich ist. Es zählt ausschließlich, dass er seine Bezüge in der korrekten Höhe abführt und den Vorgaben, die die Erwerbsobliegenheit an ihn stellt, nachkommt. Seit der Einführung der Stundungsvorschriften muss er auch die Verfahrenskosten nicht zwingend aufbringen. Diese Grundsätze hat die Einführung des § 300 InsO unangetastet gelassen. Allerdings stellt sie insoweit eine Innovation dar, als der Gesetzgeber mit ihr ein „Belohnungssystem“ eingeführt und damit erstmals den Leistungsaspekt in den Vordergrund gerückt hat. Der Schuldner hat nunmehr die Möglichkeit, durch die Erbringung einer nicht obligatorischen Gegenleistung auf den Verfahrensablauf zu 1049 Laroche, ZInsO 2016, 144; Wenzel, in: KPB-InsO, § 300 21a; vgl. auch BGH NJW 2017, 75, 76. 1050 Blankenburg/Godzierz, ZInsO 2014, 1360, 1362; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 75; Reck/Köster/Wathling, ZVI 2016, 1, 7; Schlamann, InsbürO 2016, 268, 270; Weiland, VIA 2016, 41, 42; Wenzel, in: KPB-InsO, § 300 Rn. 21a. 1051 Blankenburg/Godzierz, ZInsO 2014, 1360, 1362; Laroche, ZInsO 2016, 144; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 75. 1052 Laroche, ZInsO 2016, 144, 145; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 50 m. w. N.; a. A. Weiland, VIA 2016, 41, 43; kritisch Streck, InsbürO 2020, 27, 28. 1053 Wie hier LG Essen ZVI 2016, 207 f.; AG Norderstedt ZInsO 2015, 2345; Blankenburg/ Godzierz, ZInsO 2014, 1360, 1362; Laroche, ZInsO 2016, 144; Lissner, ZInsO 2020, 132, 134; Montag, in: PrivatInsRK, § 300 Rn. 7; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 28 u. 49; Schlamann, InsbürO 2016, 268, 270; Schmittmann, VIA 2016, 53, 54; Streck, InsbürO 2020, 27, 28; ders., in: HambK-InsO, § 300 Rn. 6; Wenzel, in: KPB-InsO, § 300 Rn. 21a; a. A. Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 300 Rn. 11; Riedel, in: BeckOK-InsO, § 300 Rn. 1b; Schmerbach, NZI 2016, 1007, 1008 f.; Weiland, VIA 2016, 41 ff.; kritisch auch Ahrens, NJW 2017, 21 ff.

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seinen Gunsten Einfluss zu nehmen, nämlich eine Privilegierung in Form einer Verfahrensverkürzung zu erhalten.1054 Begleicht er die Verfahrenskosten, beträgt die Verfahrenslaufzeit nur fünf statt sechs Jahre. Kann er darüber hinaus innerhalb von drei Jahren 35 Prozent der Forderungen tilgen, halbiert sich die Verfahrensdauer sogar. Ein „Mehr“ an Gegenleistung in dieser Hinsicht bewirkt letztlich, dass er den regulären Anstrengungen (d. h. den Obliegenheiten, der Bezügeabtretung etc.) weniger lange unterliegt. In Bezug auf § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO trat damit insofern ein Systemwandel ein, als die finanziellen Anforderungen an den Schuldner erstmalig in eine Abhängigkeit von der Höhe der Gläubigerbefriedigung gesetzt wurden. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO zeichnet sich demgegenüber dadurch aus, dass die Erbringung einer gläubigerunabhängigen Gegenleistung neuerdings die Einschränkung einer gläubigerbegünstigenden Schuldneranforderung rechtfertigt. cc) Die Rolle der Interessen von Schuldner und Gläubiger im Gesetzgebungsverfahren Wie bereits angeklungen ist, bestand der Ausgangspunkt der Reform 2014 in dem gesetzgeberischen Anliegen, wirtschaftlich gescheiterten natürlichen Personen einen raschen finanziellen Neuanfang zu gewähren. Als rechtfertigende Grundlage für die geplante Verfahrensverkürzung wurden die Ergebnisse einer Studie1055 herangezogen. Diese hatte aufgezeigt, dass rund die Hälfte der von einer Insolvenz Betroffenen „Opfer moderner biographischer Risiken“ sind, also lediglich durch alltägliche Risiken wie Arbeitslosigkeit, gescheiterte Selbständigkeit, Krankheit oder Scheidung bzw. Trennung in die Überschuldung geraten. Die Studie hatte sich auch für die Möglichkeit eines schnelleren finanziellen Neustarts ausgesprochen.1056 Der Reformgesetzgeber zog aus den Ergebnissen den Schluss, dass Unternehmer sowie jene „Opfer moderner biographischer Risiken“ vielfach kein jahrelanges Bewähren benötigen, sondern eine schnelle zweite Chance.1057 Zeigte er damit zwar schuldnerfreundliche Beweggründe, so war er dennoch - wie sich augenscheinlich aus den Gesetzesmaterialien ergibt – bei Einführung des § 300 InsO darum bemüht, einen angemessenen Kompromiss zwischen den Interessen der

1054 Siehe auch die Stellungnahme des Bundesrates zu RegE 2012, BT-Drucks. 17/11268, S. 41 (Es werde sowohl die Möglichkeit als auch das jeweilige Ausmaß einer Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auf der Grundlage eines entsprechenden Anreizsystems in Abhängigkeit vom jeweiligen Engagement des Schuldners geregelt. Hierzu zähle insbesondere die Anknüpfung an etwaige überdurchschnittliche oder zumindest erkennbar über einen vollständigen Forderungsverzicht hinausgehende Bemühungen). 1055 Lechner, Eine zweite Chance für alle gescheiterten Schuldner? Längsschnittstudie zur Evaluation des Verbraucherinsolvenzverfahrens. 1056 BT-Drucks. 17/11268, S. 13. 1057 BT-Drucks. 17/11268, S. 1.

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Beteiligten herzustellen.1058 Allen voran § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO war von diesem Ausgleichsgedanken geprägt. Um den Gläubigerbelangen hinreichend Rechnung zu tragen, sollte eine dreijährige Entschuldungsdauer – und damit eine fühlbare Abkürzung der Verfahrenslänge – nicht ohne Preis, sondern ausschließlich im Gegenzug für einen beträchtlichen Beitrag im Gläubigerinteresse in Betracht kommen.1059 Eine Halbierung der Sechsjahresfrist ohne Ausgleich oder Bedingungen wurde dagegen ausdrücklich als problematisch angesehen, zumal jede Abkürzung der Restschuldbefreiungsphase allgemein die Aussichten der Gläubiger, zu einer Befriedigung der Forderungen zu gelangen, verschlechtere.1060 Der Gesetzgeber sah in der Mindestbefriedigungsquote jedoch nicht nur eine Entschädigung, sondern erhoffte sich von ihr sogar eine Besserstellung der Gläubiger. So nahm er an, dass von der Aussicht auf eine vorzeitige Restschuldbefreiung ein starker Anreiz für den Schuldner ausgehen würde. Dieser sollte ihn zu besonderen, überobligatorischen Anstrengungen und damit zur Erzielung eines Einkommens motivieren, welches ein Erreichen der Mindestbefriedigungsquote erst ermöglicht.1061 Von der Vorschrift des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO, der einen weiteren Anreiz dazu setzen sollte, das Verfahren durchzustehen und durch eigene Bemühungen1062 zu einem vorzeitigen Ende zu bringen, versprach sich der Gesetzgeber höhere Rückflüsse in Stundungsverfahren und somit eine Entlastung der Länderhaushalte.1063 Wiederum bezog er die Gläubigerinteressen in seine Abwägung mit den Schuldnerinteressen ein. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die einjährige Ver1058 BT-Drucks. 17/11268, S. 13: „Mit diesem gestuften Konzept stellt der Gesetzentwurf einen differenzierten Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners an einem baldigen wirtschaftlichen Neuanfang („fresh start“) und den Interessen der Gläubiger an einer möglichst umfassenden Befriedigung ihrer Forderungen her“ und : „Mit dem Konzept der Mindestbefriedigungsquote für alle natürlichen Personen wird ein angemessener Ausgleich geschaffen zwischen den Interessen des Schuldners an einem schnellen finanziellen Neustart und dem Interesse der Gläubiger an einer möglichst umfassenden Befriedigung ihrer Forderungen“. BTDrucks. 17/11268, S. 14: „Die Höhe der Mindestbefriedigungsquote von 25 Prozent ist das Ergebnis einer angemessenen Abwägung zwischen den Interessen von Schuldner und Gläubigern. (…) Neben der Erleichterung für den Schuldner müssen auch die Rechte der Gläubiger im Blick behalten werden.“ BT-Drucks. 17/11268, S. 30: „Die Regelung ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Interessen des Schuldners und den Interessen der Gläubiger an der Befriedigung ihrer Forderungen“. Siehe auch die Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 17/11268, S. 41: „Der Bundesrat verkennt nicht, dass das grundsätzlich hohe Interesse der Schuldner an einer frühzeitigen schuldenfreien Rückkehr in das Wirtschaftsleben den nicht minder berechtigten Interessen und ebenso gewichtigen Grundrechten der Gläubigerschaft an einer möglichst umfassenden Regulierung ihrer Forderungen gegenübersteht“. 1059 BT-Drucks. 17/11268, S. 30. 1060 BT-Drucks. 17/11268, S. 13 u. 30. 1061 Bornemann, jurisPR-InsR 19/2018, Anm. 1; näher dazu oben S. 194 f. 1062 In einfach gelagerten Fällen, ohne Verteilungsmasse und geringer Anzahl an Gläubigern, wird der Schuldner regelmäßige Verfahrenskosten zwischen 1.500 bis 2.000 E begleichen müssen, um die Verkürzungsoption nach Nr. 3 nutzen zu können, Waltenberger, in: HK-InsO, § 300 Rn. 26. 1063 BT-Drucks. 17/11268, S. 30.

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fahrensverkürzung auch dann gerechtfertigt sei, wenn der Anreiz auf die Tilgung der Verfahrenskosten beschränkt werde. Insgesamt sei zu berücksichtigen, dass bereits § 53 InsO eine Vorwegbefriedigung der Verfahrenskosten regle. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO trage dem Umstand Rechnung, dass die Staatskasse mit der Stundung für den Schuldner in Vorleistung trete und während der Stundung auf eine Geltendmachung ihrer Forderungen insoweit verzichte, „um einerseits dem Schuldner den Zugang zum Verfahren überhaupt erst zu ermöglichen, andererseits aber auch um der Gläubigergesamtheit zumindest eine teilweise Befriedigung ihrer Forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen“1064. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Gläubiger auch im sechsten Jahr des Restschuldbefreiungsverfahrens keine nennenswerte Quote erhalten dürften, wenn es dem Schuldner – möglicherweise unter Einsatz von Drittmitteln – lediglich gelinge, innerhalb der fünf Jahre die Verfahrenskosten zu berichtigen. Im Gegensatz zu § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO, der ein wirkliches Novum der Reform 2014 darstellt, wollte der Reformgesetzgeber mit dem Verkürzungstatbestand der Nr. 1 nur die schon bestehende Rechtsprechung zu den Fällen, in denen die Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens als unverhältnismäßig gilt, nachzeichnen.1065 Sind im Insolvenzverfahren entweder keine Forderungen angemeldet oder wurden die Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt, erübrigt sich die Wohlverhaltensperiode nämlich, weil die Interessen der Gläubiger nicht tangiert werden können. Weder ist es notwendig, dass der Treuhänder über Jahre hinweg die Abtretungsbeträge des Schuldners für nicht vorhandene Insolvenzgläubiger sammelt, um sie dann am Ende an den Schuldner zurückzugeben. Noch bedarf es der Wohlverhaltensperiode, um eine etwaige Möglichkeit zur Geltendmachung einer Obliegenheitsverletzung aufrechtzuerhalten, da schon kein antragsberechtigter Gläubiger existiert.1066 In dem hier in Rede stehenden Zusammenhang muss schließlich auch die flankierend erfolgte Abschaffung des § 114 InsO a. F. Erwähnung finden. Diese wurde vor dem Hintergrund der Einführung der Verfahrensverkürzungsmöglichkeit veranlasst und ist eng mit den Legitimationserwägungen des Stufenmodells i. S. d. § 300 InsO verknüpft. Hatte die Vorschrift des § 114 InsO a. F. unter anderem eine im Vorfeld vereinbarte Lohnabtretung für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für wirksam erklärt, hätte ihr Fortbestehen bei einer Halbierung der Verfahrensdauer zur Konsequenz gehabt, dass die anderen Gläubiger lediglich ein Jahr Vorteile aus einer Abtretung an den Treuhänder nach § 287 Abs. 2 InsO erzielen würden.1067 Im Falle einer Erteilung der Restschuldbefreiung nach drei Jahren sah der Gesetzgeber es jedoch als notwendig an, dass das Arbeitseinkommen als regelmäßig einzige Einnahmequelle der Gläubigergesamtheit möglichst unge1064 1065 1066 1067

BT-Drucks. 17/11268, S. 31. Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 30 mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen. BGH ZVI 2005, 322, 323 f. Wimmer, ZVI 2012, 160, 164.

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schmälert zur Verfügung steht.1068 Die Streichung des Lohnabtretungsprivilegs sollte deshalb dafür sorgen, dass die Insolvenzmasse im Interesse der Gläubigergesamtheit verbreitert und mehr Verteilungsgerechtigkeit hergestellt wird. Einen weiteren Vorteil sah der Gesetzgeber darin, dass es dem Schuldner künftig leichter gelingen würde, die gestundeten Verfahrenskosten zurückzuzahlen, da die Bezüge unmittelbar zu deren Tilgung eingesetzt würden. Nach alledem lässt sich konstatieren, dass der Reformgesetzgeber den Anspruch hatte, mit der geplanten Konzeption sowohl auf Schuldner- als auch auf Gläubigerseite einen größtmöglichen Nutzen zu erzielen. Dass er die Schwerpunkte im Gläubiger-Schuldner-Verhältnis einseitig verschieben wollte, kann nicht festgestellt werden. dd) Die Auswirkungen des Modells auf die Gläubigerinteressen Sind damit die Legitimationserwägungen des Gesetzgebers geklärt, ist nun zu überprüfen, inwieweit Anspruch und Wirklichkeit übereinstimmen. Dazu wird zunächst das Für und Wider der Regelung aus der Perspektive der Gläubiger untersucht. Im Anschluss sollen die bisherigen praktischen Erfahrungen mit der Vorschrift des § 300 InsO dargestellt und schließlich ein abschließendes Urteil darüber getroffen werden, ob § 300 InsO den Gläubigerbelangen tatsächlich derart Rechnung trägt, wie es der Gesetzgeber erwartete. (1) Vor- und Nachteile des Modells aus Gläubigersicht (a) Vorteile Aus Gläubigersicht hat das Modell des § 300 InsO, das auf eine Kombination aus einer Mindestquote und einer frühzeitigen Entschuldung setzt, zunächst den Vorteil, dass es schnell einsetzende (Abschlags-)Zahlungen verspricht. Zuvor hatten die Gläubiger Rückzahlungen oftmals erst nach sechs Jahren erhalten, weil der Treuhänder im Falle, dass nur geringe Beträge auszuzahlen sind, auf eine Ausschüttung aus Kostengründen in der Praxis verzichtete.1069 Darüber hinaus ist mit einer Abkürzung der Verfahrensdauer auch eine Senkung der Verfahrenskosten1070 und Verwaltungsaufwendungen1071 verbunden, was ebenfalls den Gläubigern zugutekommt. Der größte Vorteil für sie dürfte jedoch in dem Anreizgedanken des § 300 InsO zu erblicken sein. Dabei ist der Weg des Gesetzgebers, über die „Belohnung“ 1068

BT-Drucks. 17/11268, S. 23 (auch zum folgenden Text). Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2175. Die Möglichkeit, auf jährliche Ausschüttungen bei nur geringen Beträgen zu verzichten, ist seit der Reform 2014 gesetzlich verankert (vgl. § 292 Abs. 1 S. 4 InsO). 1070 Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2175. 1071 Gläubiger haben den Schuldnervorgang während der Wohlverhaltensperiode weiter zu verwalten und die vom Treuhänder jährlich ausgekehrten Quoten zu buchen, Reifner/Springeneer, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz, S. 49 f. m. w. N. 1069

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einer vorzeitigen Restschuldbefreiung auf den Schuldner einzuwirken, grundsätzlich dazu geeignet, diesen zu motivieren, zusätzliche finanzielle Mittel zu aktivieren, die bislang für die Gläubiger nicht erschlossen waren.1072 Es besteht insofern die berechtigte Hoffnung, dass Schuldner Teile ihres unpfändbaren Einkommens oder Vermögens einsetzen. Selbständige Schuldner, die einen im Vergleich zum hypothetisch ermittelten Einkommen aus abhängiger Beschäftigung höheren Gewinn erzielen (vgl. § 295 Abs. 2 InsO), werden unter Umständen dazu angehalten, Tilgungsmittel über dem obligatorischen Maß bereitzustellen.1073 Zudem kann es für den Schuldner nunmehr attraktiv sein, auch die zweite Hälfte einer Erbschaft zur Rückzahlung der Verbindlichkeiten einzusetzen. Der Schuldner wird außerdem bei einer kürzeren Verfahrensdauer womöglich weniger geneigt sein, seine Tätigkeit in den Bereich der Schattenwirtschaft zu verlagern und seinen Gläubigern den Zugriff auf seine Einkünfte zu entziehen.1074 Nicht zuletzt vermag die Aussicht auf eine schnelle Entschuldung den Schuldner dazu veranlassen, frühzeitig, d. h. wenn seine Überschuldungssituation noch ein Erreichen der Mindestbefriedigungsquote verspricht, einen Insolvenzantrag zu stellen.1075 In einem solchen Fall ist der Forderungsausfall der Gläubiger geringer, weil die Masse des Schuldners noch nicht vollständig aufgezehrt ist. Das Anreizmodell hält mithin durchaus positive Effekte für die Gläubiger bereit und führt bestenfalls tatsächlich zu einer „Win-Win-Si-

1072

Wimmer, ZVI 2012, 160, 161 f.; siehe auch Jäger, ZVI 2012, 177, 182 f. (per se ein durchaus richtiger und nachvollziehbarer Ansatz); ders., ZVI 2012, 142, 144; relativierend im Hinblick auf den Motivationsanreiz Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2177, der davon ausgeht, dass positive Effekte auf den Schuldner dadurch abgeschwächt werden, dass die Mindestquote im Vorfeld noch nicht genau berechnet werden kann, weil das Insolvenzverfahren noch andauert. Damit aber stehe die Schlussverteilung noch an. Zudem sei auch die Höhe der Verfahrenskosten unsicher. 1073 So auch Wimmer, ZVI 2012, 160, 162; siehe außerdem BT-Drucks. 17/11268, S. 14: „Insbesondere bei einer vom Insolvenzverwalter freigegebenen Tätigkeit können Überschüsse anfallen, die den Gläubigern zugeführt werden können. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es vor allem Gründern gelingen dürfte, die Mindestbefriedigungsquote zu erreichen, weil diese Gruppe nach einem Fehlstart häufig schnell wieder wirtschaftlich Fuß fasst“. 1074 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 13; Renger, Wege zur Restschuldbefreiung nach dem Insolvency Act 1986, S. 168 f.; Beck, ZVI 2012, 223, 226 vertritt demgegenüber die Auffassung, dass von einer Entschuldung nach drei Jahren schon keine derartige Anreizwirkung ausgehe, da der Neustart aufgrund des SCHUFA-Eintrags um vier weitere Jahre nach hinten verlegt werde. Der Unternehmer werde daher entweder eine schnellere Entschuldung im Ausland suchen oder sich bereits in eine Schattenkonstruktion begeben haben. Wer seine wirtschaftlichen Verhältnisse darauf eingerichtet habe, sieben Jahre auf den Neustart zu warten, könne das auch zehn Jahre lang tun. Er werde das Geld dann ertragreicher investieren, als es für die Rückzahlung alter Schulden zu verwenden. Auch sei die stigmatisierende Wirkung eines siebenjährigen Ausschlusses vom Wirtschaftsleben nicht signifikant geringer als bei einer zehnjährigen Dauer. 1075 Jäger, ZVI 2012, 142, 144. Dies versprach sich auch der Gesetzgeber von der Anreizlösung, siehe BT-Drucks. 17/11268, S. 14 f.

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tuation“.1076 Allerdings stehen diese Vorteile immer unter der Prämisse, dass die Mindestbefriedigungsquote in Höhe von 35 Prozent für den Schuldner erreichbar erscheint. Ist sie dagegen derart hoch, dass der Schuldner darin keine Alternative für sich erblickt, kann die Verkürzungsaussicht ihre Motivationswirkung nicht entfalten. (b) Nachteile Trotz dieser grundsätzlich positiven Auswirkungen, die das Modell des § 300 InsO verspricht, sollten nicht von vornherein die Augen vor etwaigen nachteiligen Folgen für die Gläubiger verschlossen werden. Daher ist im Folgenden zu untersuchen, ob und inwieweit auch negative Effekte auf die Befriedigungsaussichten drohen. (aa) Schwächung bereits bestehender Anreizsysteme Zunächst soll der Wirkungsbereich des § 300 InsO innerhalb des Systems des §§ 286 ff. InsO näher betrachtet werden. Dabei interessieren vor allem etwaige Wechselwirkungen mit anderen Instituten, die eine Entschuldung ermöglichen. Dem Reformgesetzgeber ist zuzugestehen, dass das gesetzliche Entschuldungskonzept der §§ 286 ff. InsO zuvor keine wirksamen Instrumente enthielt, die den Schuldner spürbar dazu motivieren konnten, sich mit ganzem Einsatz für die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger zu engagieren.1077 Der erhöhte Selbstbehalt vier und fünf Jahre nach Abschluss des Insolvenzverfahrens (sog. Motivationsrabatt, § 292 Abs. 1 S. 4 InsO a. F.) hatte seit dem InsOÄndG 2001 erheblich an Bedeutung eingebüßt, weil er überhaupt nur noch für einen sehr kurzen Zeitraum1078 in Frage kam. Auch war der Motivationsrabatt durch den Schuldner nicht beeinflussbar1079 und konnte in den häufigen Fällen, in denen der Masse keine Mittel zufließen, schon nicht zur Anwendung kommen.1080 Anreize zu erheblichen Anstrengungen im Gläubigerinteresse gingen von ihm im Übrigen nicht aus.1081 Daher wurde er im

1076 So die in ihrer Rede auf dem Neunten Deutschen Insolvenzrechtstag in Berlin geäußerte Hoffnung der damaligen Bundesministerin der Justiz, vgl. Leutheusser-Schnarrenberger, ZInsO 2012, 637, 639; vgl. auch Jäger, ZVI 2012, 177, 183. 1077 BT-Drucks. 17/11268, S. 14 u. 30; siehe auch Jäger, ZVI 2012, 177, 183. 1078 Dauerte das Insolvenzverfahren ein Jahr, konnte der Schuldner nur ein Jahr lang von den Wirkungen des § 292 Abs. 1 S. 4 InsO profitieren. Bei einer Verfahrensdauer von zwei Jahren kam die Vorschrift gar nicht mehr zur Anwendung. Kritisch im Hinblick auf die dadurch ausgelöste Ungleichbehandlung, Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 362. 1079 BT-Drucks. 17/11268, S. 14. 1080 Vgl. Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 243. 1081 BT-Drucks. 17/11268, S. 30.

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Wege der Reform 2014 abgeschafft.1082 Auch die Erwerbsobliegenheit i. S. d. § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO setzt keine Impulse zu überobligatorischen Leistungen.1083 Zwar soll sie den Schuldner dazu anhalten, sich um die Befriedigung der Gläubiger zu bemühen. Da sie Zusatzleistungen aber nicht honoriert, ist ihre Motivationswirkung von vornherein stark eingeschränkt. Außerordentliche Bemühungen konnten sich für den Schuldner nach der ehemaligen Rechtslage bloß dann lohnen, wenn sie ihm die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs1084 anerkannte Möglichkeit eröffneten, nach einer Einigung mit den Gläubigern eine vorzeitige Restschuldbefreiung zu erlangen.1085 Allerdings kommt ein solcher Vergleich lediglich nach Einigung mit sämtlichen Insolvenzgläubigern, die Forderungen zur Tabelle angemeldet haben, in Betracht. Dies gestaltet sich prinzipiell schwierig, weil eine Verfahrensverkürzung bereits dann ausscheidet, wenn sich nur ein Gläubiger widersetzt. Vor diesem Hintergrund bestand durchaus ein Bedürfnis für die Verkürzungsmöglichkeit des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO, dessen Anwendungsbereich trotz fehlenden Einverständnisses der Gläubiger eröffnet ist.1086 Gleichwohl ist zu beachten, dass nach der Konzeption der §§ 286 ff. InsO ein Verbraucherinsolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung ausschließlich als ultima ratio durchgeführt werden soll. Zuvor ist zwingend ein außergerichtlicher Einigungsversuch vorzunehmen. Dessen zentrale Grundidee ist es, den Schuldner zu erheblichen Anstrengungen zu motivieren, indem ihm bei einem erfolgreichen Kompromiss mit seinen Gläubigern eine Schuldenregulierung ohne Insolvenzverfahren in Aussicht gestellt wird. Verbraucherschuldner1087 hatten im außergerichtlichen Bereich somit bereits zuvor Veranlassung dazu, auf Teile ihres unpfändbaren Einkommens bzw. Vermögens zu verzichten, durch die Aufnahme eines Nebenjobs ihr pfändbares Einkommen zu erhöhen oder ein Verwandtendarlehen in Anspruch zu nehmen, und machten davon auch Gebrauch.1088 Weil die 1082 § 300 InsO sollte nach Ansicht des Reformgesetzgebers von 2013 einen weit höheren Anreiz dazu geben, das Verfahren durchzustehen, siehe zum Ganzen BT-Drucks. 17/11268, S. 28. 1083 BT-Drucks. 17/11268, S. 14. 1084 BGH ZVI 2011, 465. 1085 Wimmer, ZVI 2012, 160, 161; näher zu dieser Möglichkeit mit anschaulichem Praxisbeispiel du Carrois, InsbürO 2012, 15, 17 ff. 1086 So auch Wimmer, ZVI 2012, 160, 161; a. A. Frind, ZInsO 2012, 668, 674. 1087 Ein Anreiz, möglichst schnell zur Restschuldbefreiung zu kommen, bestand auch für Schuldner in IN-Verfahren. Im Gegensatz zu Verbrauchern hatten diese bereits vor der Novelle 2014 die Möglichkeit, mittels eines Insolvenzplans vorzeitig in den Genuss einer Entschuldung zu kommen. Seit Einführung der InsO werden somit auch dann Anstrengungen des Schuldners honoriert, wenn dieser im Rahmen eines Insolvenzplans die Kosten des Verfahrens beibringt und seine Gläubiger mit Gruppenmehrheit dem Plan zustimmen, siehe zum Ganzen Hingerl, ZInsO 2013, 21 ff. 1088 Siehe nur die Ergebnisse der sog. Inkasso-Studie, Heuer/Hils/Richter/Schröder/Sackmann, Der außergerichtliche Einigungsversuch im Verbraucherinsolvenzverfahren – InkassoUnternehmen als Datenquelle für Verschuldungsuntersuchungen, S. 22 ff.; Reill-Ruppe, An-

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Insolvenzordnung zwar nicht im gesetzlichen Entschuldungsverfahren, wohl aber im außergerichtlichen Bereich Anreize zu besonderen Tilgungsleistungen setzte, ist die Annahme des Gesetzgebers, der Insolvenzordnung fehle bislang ein solcher Ansatz,1089 nicht zutreffend.1090 Auf den ersten Blick erscheint diese Fehleinschätzung vernachlässigbar. Bei dem gesetzlichen Entschuldungsverfahren und der außergerichtlichen Schuldenbereinigung handelt es sich um zwei selbständige Institute, die daher auch jeweils Impulse zu einer schnellen Schuldbefreiung setzen können. Eine solche Sichtweise lässt allerdings unberücksichtigt, dass beide Institute eng verknüpft sind. Die Vorschriften des Insolvenzrechts sind in der Praxis Vorbild für den außergerichtlichen Einigungsversuch. Die Änderungen des § 300 InsO besitzen mithin eine Ausstrahlungswirkung auf das Anreizsystem im außergerichtlichen Bereich.1091 Die Mindestbefriedigungsquote und Verfahrensverkürzung haben zur Folge, dass den Gläubigern nur noch Pläne angeboten werden, die über eine Quote von 35 Prozent über einen Zeitraum von insgesamt drei Jahren nicht hinausgehen.1092 Die Quotenvorgabe entfaltet damit eine Vorwirkung auf den Wert einer Forderung vor bzw. außerhalb eines Insolvenzverfahrens.1093 Bei leistungsfähigen Schuldnern kann dies im Einzelfall zu hohen Verlusten auf Gläubigerseite führen. Dürften Quoten über 35 Prozent im Rahmen des außergerichtlichen Einigungsversuchs zwar nicht die Regel darstellen, zeigen die Berichte aus der Praxis und die – wenn auch vereinzelten – empirischen Befunde, dass solche Fälle durchaus vorkommen.1094 spruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 182 kommt in ihrer Untersuchung zu einem deckungsgleichen Befund. 1089 BT-Drucks. 17/11268, S. 14. 1090 So auch Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 242; Stephan, in: FS Vallender, S. 639, 654. 1091 Nocke, FLF 2012, 157, 159 (nach der Verkürzung der Wohlverhaltensperiode von sieben auf sechs Jahre im Wege des InsOÄndG 2001 seien etwa nur noch Vergleiche mit einer Laufzeit von sechs Jahren abgeschlossen worden); dies, Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 14.1.2013, Protokoll Nr. 110 S. 10 f.; Jäger, ZVI 2014, 223, 225; eingehend zur Ausstrahlungswirkung der Wohlverhaltensperiode auf die außergerichtliche Schuldenbereinigung Reifner/Springeneer, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz, S. 12 u. 29 ff. 1092 BKS, Stellungnahme der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e. V., (BKS) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vom 18.07.2012, S. 2; Hirte, ZInsO 2013, 171, 172; Jäger, ZVI 2014, 223, 225; Nocke, FLF 2012, 157, 160; siehe außerdem die praktischen Erfahrungen von Köchling, ZInsO 2013, 316, 318 f. Die beschriebenen Wirkungen gelten im Übrigen auch im Rahmen von Insolvenzplänen, siehe nur Würdinger, KTS 2017, 445, 454: „Kein Schuldner wird sich auf eine höhere Quote im Planverfahren einlassen“. 1093 Hirte, ZInsO 2013, 171, 172. 1094 Nach den Schätzungen von Jäger, ZVI 2014, 223, 225 liegt der Anteil im unteren zweistelligen Bereich. Diese Annahme deckt sich auch mit den empirischen Ergebnissen von Heuer/Hils/Richter/Schröder/Sackmann, Der außergerichtliche Einigungsversuch im Verbraucherinsolvenzverfahren – Inkasso-Unternehmen als Datenquelle für Verschuldungsuntersuchungen, S. 24, nach denen in 11,7 % von 990 untersuchten außergerichtlichen Eini-

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(bb) Kappung der Rückzahlungsquote im eröffneten Verfahren Im eröffneten Verfahren besitzt die Regelung des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO eine ähnliche Wirkungsweise. Sie deckelt1095 gewissermaßen die zu erwartenden Befriedigungsquoten. Das muss nicht zwingend bedeuten, dass die Quote von vornherein auf 35 Prozent gekappt ist.1096 So kommen auch höhere Werte in Betracht, weil die Restschuldbefreiung ausweislich des klaren Wortlauts der Vorschrift nicht bereits bei Erreichen der 35-Prozent-Hürde erteilt wird, sondern erst, wenn drei Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind.1097 Die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger sind auch dann nicht von vornherein auf 35 Prozent begrenzt, wenn es dem Schuldner erst nach Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelingt, die Quote zu erreichen. Dies folgt aus dem Umstand, dass eine vorzeitige Restschuldbefreiung i. S. d. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO ausscheidet, wenn die Mindestbefriedigungsquote nicht innerhalb der Dreijahresfrist gezahlt wird.1098 Dem Schuldner wird in diesen Fällen mithin nicht sofort Restschuldbefreiung erteilt. Vielmehr wird das Verfahren trotz Erzielung der Quote (zumindest bis zu der weiteren Verkürzungsmöglichkeit nach § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO) fortgesetzt, so dass die pfändbaren Einkommensanteile des Schuldners weiter den Insolvenzgläubigern zufließen. Für ein solches Verständnis spricht nicht nur der Wortlaut der Norm („innerhalb dieses Zeitraums“),1099 sondern auch der Sinn und Zweck der Verkürzungsmöglichkeit. Der Gesetzgeber wollte die vorzeitige Restschuldbefreiung von der Bedingung abhängig machen, dass die Mindestbefriedigungsquote innerhalb eines bestimmten Zeitraums erbracht wird. Damit bezweckte er, die gegenläufigen gungsversuche eine Regulierungsquote von über 30 % erreicht wird. Die Erfahrungen von Nocke, FLF 2012, 157, 160, wonach in fast allen Fällen Regulierungen weit über 50 % zu erreichen sind, werden durch die Ergebnisse von Heuer/Hils/Richter/Schröder/Sackmann zwar nicht bestätigt. Interessant ist aber dennoch, dass in 2,9 % der untersuchten Einigungsversuche sogar eine Quote von 90 bis 100 % erzielt werden konnte. Dieses Intervall, in dem die Vorwirkung der Mindestbefriedigungsquote des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO auf den außergerichtlichen Bereich zu den größten Verlusten der Gläubiger führt, kann somit nicht als absolute Ausnahme betrachtet werden. 1095 Köchling, ZInsO 2013, 316, 318; Jäger, ZVI 2014, 223, 225 spricht von einem „gläubigerschädigenden Mitnahmeeffekt“. 1096 Davon scheinen aber Hingerl, ZInsO 2013, 21, 23 und Köchling, ZInsO 2013, 316, 318 auszugehen. 1097 Vgl. auch J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 258; Montag, in: PrivatInsRK, § 300 Rn. 13; Wenzel, in: KPB-InsO, § 300 Rn. 22. 1098 So auch (Höchstfrist) BGH ZInsO 2019, 2382 ff.; J. N. Berg, a. a. O., S. 259 f.; Fröhlisch, ZVI 2018, 464, 471; Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1435; Hain, VIA 2018, 89; Henning, ZVI 2014, 219, 221; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 561; Montag, in: PrivatInsRK, § 300 Rn. 13; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 56; A. Schmidt, Privatinsolvenz § 5 Rn. 70; Wenzel, in: KPB-InsO, § 300 Rn. 22; a. A. (Mindestfrist) Ahrens, NJW 2014, 1841, 1844; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht Rn. 2202; Harder, NZI 2012, 113, 116; Kluth, NZI 2014, 801. 1099 BGH ZInsO 2019, 2382, 2384; J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 260.

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Interessen von Gläubigern und Schuldner zum Ausgleich zu bringen.1100 Der Schuldner soll die Verringerung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger, die aus der Abkürzung des Entschuldungszeitraums folgt, kompensieren.1101 Dieser Ausgleich liegt nach der Intention des Gesetzgebers darin, dass der Schuldner sich innerhalb des vorgegebenen zeitlichen Rahmens überobligationsmäßig bemüht und es ihm dabei gelingt, den Schuldenabbau erheblich voranzutreiben.1102 In den Fällen, in denen aufgrund der Einkommenssituation des Schuldners ohne eine Verkürzungsmöglichkeit i. S. d. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO eigentlich eine höhere Endquote zu erzielen wäre, kann der Ausgleich hingegen lediglich darin gesehen werden, dass die Gläubiger zeitnah befriedigt werden.1103 Dem Willen des Gesetzgebers wird die Vorschrift somit nur gerecht, wenn die Dreijahresfrist als Höchstfrist ausgelegt wird. Nach alledem tritt die eingangs angesprochene Kappung der Befriedigungsquoten also ausschließlich dann ein, wenn der Schuldner die 35-Prozent-Marke innerhalb des vorgegebenen Dreijahreszeitraums reißt. Die Deckelung ist dabei so zu verstehen, dass den Gläubigern nunmehr lediglich diejenige Quote zusteht, die nach einer Verfahrensdauer von drei Jahren erzielt wurde. Selbst dann, wenn der Schuldner die 35 Prozent frühzeitig (z. B. nach zwei Jahren) erreicht, dürfte die Endquote gewöhnlich nicht sonderlich höher ausfallen, da die Mindestbefriedigungsquote in einem solchen Fall mehr Motivationshemmer als Motivator sein wird.1104 Der „Anreiz“ für den Schuldner ist somit von vornherein auf 35 Prozent beschränkt und der als positiv zu bewertende legislative Versuch, den Schuldner zu außerordentlichen Leistungen anzuspornen, wird in den gehaltvollen Verfahren konterkariert.1105 Die schnelle Entschuldungsmöglichkeit kann also zulässigerweise von einkommensstarken Schuldnern genutzt werden, die bei einer Verfahrenslaufzeit von sechs Jahren womöglich einen Großteil ihrer Verbindlichkeiten allein durch Einsatz ihres pfändbaren Einkommens hätten abtragen können.1106 Sofern die dargestellte De1100 BGH ZInsO 2019, 2382, 2384, der in diesem Zusammenhang zutreffend betont, dass es dem Gesetzgeber nicht allein darum ging, dem Schuldner einen schnelleren Weg in die Restschuldbefreiung zu ermöglichen; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 56; A. Schmidt, Privatinsolvenz § 5 Rn. 70; Wenzel, in: KPB-InsO, § 300 Rn. 22. 1101 BGH ZInsO 2019, 2382, 2384 f.; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 56. 1102 BT-Drucks. 17/11268, S. 30; siehe auch BGH ZInsO 2019, 2382, 2384; Wenzel, in: KPB-InsO, § 300 Rn. 22. 1103 BGH ZInsO 2019, 2382, 2384 f. 1104 Ebenso (zur 25 %-Quote) Hingerl, ZInsO 2013, 21, 22; Hirte, ZInsO 2013, 171, 172; Nocke, FLF 2012, 157, 159 („Kann die Quote vor Ablauf der drei Jahre erreicht werden, wie etwa durch ein Verwandtendarlehen, kann der intendierte Anreiz sogar demotivierend wirken, weil der Schuldner keinen Anlass hat, einen weiteren Mehrwert für die Insolvenzmasse zu erwirtschaften. Hat er laufende pfändbare Einkünfte muss er gar zusehen, wie er die Mindestquote übererfüllt, während andere Insolvenzschuldner für denselben Erfolg nur 25 Prozent ihrer Schulden abtragen müssen“). 1105 Siehe auch Hingerl, ZInsO 2013, 21, 22; Jäger, ZVI 2012, 177, 183; ders., ZVI 2014, 223, 225. 1106 Bruns, KTS 2008, 41, 54 f.; Hingerl, ZInsO 2013, 21, 22; Jäger, ZVI 2014, 223, 225; ders., ZVI 2012, 177, 183; ders., ZVI 2012, 142, 144; Stephan, ZVI 2012, 85, 86; Würdinger,

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ckelung in jenen Verfahren nicht durch überobligatorische Leistungen anderer Schuldner ausgeglichen wird, werden sich auch die insgesamt erzielten Durchschnittsquoten nicht erhöhen, sondern verringern.1107 Ähnliche Einflüsse auf die Gläubigerinteressen könnten möglicherweise daneben von der Vorschrift des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO ausgehen. Der Gesetzgeber selbst gelangte in seiner Abwägung mit den Schuldnerinteressen zu dem Ergebnis, dass sich die einjährige Verkürzungsmöglichkeit bei Verfahrenskostendeckung nicht nennenswert auf die Gläubiger auswirkt.1108 Diese Annahme wird in Stundungsfällen häufig zutreffen. Gelingt es etwa einem Schuldner, der eine Beschäftigung im Niedriglohnsektor ausübt, gerade so die gestundeten Verfahrenskosten innerhalb der fünf Jahre zurückzuzahlen, dürften die Gläubiger tatsächlich mit keiner wesentlichen Quote zu rechnen haben. Hier werden die Erträge, die der Schuldner im sechsten Jahr erwirtschaftet, die laufenden Verfahrenskosten sowie Verwaltungsaufwendungen nicht spürbar übersteigen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass ein einmal masseloses Verfahren nicht zwangsläufig während der gesamten Verfahrensdauer masselos bleiben muss.1109 Häufig erholt sich der Schuldner in der zweiten Hälfte der sechsjährigen Wohlverhaltensperiode wirtschaftlich, zum Beispiel, weil er einen Job findet und seine Arbeitslosigkeit beendet oder Entgeltsteigerungen durch Tarifrunden eintreten.1110 Daher sind in der Praxis gerade in diesem Zeitraum Quotenzahlungen an die Gläubiger zu verzeichnen.1111 Diese für die Gläubiger gewinnbringende Phase wirtschaftlicher Regeneration wird durch die Änderung verkürzt. Außerdem können nicht nur Schuldner mit Kostenstundung von der Regelung des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO profitieren, sondern auch diejenigen, bei denen der Insolvenzbeschlag und die von der Abtretung erfassten Beträge ohnehin schon eine KTS 2017, 445, 458 f.; so bereits zum DiskE 2006 Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 185. 1107 So auch Jäger, ZVI 2012, 177, 183 (Die den Gläubiger mit dem Anreizsystem in Aussicht gestellte Kompensation beruhe auf dem Prinzip Hoffnung, wohingegen sicher sei, dass in den Verfahren, in denen derzeit pfändbare Masse für die gesamte Verfahrenszeit generiert wird, geringere Erlöse zu erwarten sind). Ein Sinken der Durchschnittsquoten prognostiziert Köchling, ZInsO 2013, 316, 318. 1108 Näher dazu oben S. 200 f. 1109 Jäger, ZVI 2014, 223, 224. 1110 Jäger, ZVI 2012, 142, 145; Nocke, FLF 2012, 157, 158; so auch Kayser auf dem 10. Deutschen Privatinsolvenztag am 20.9.2019 (siehe I. Pape/G. Pape, ZInsO 2019, 2358, 2359). 1111 So leisten in der Studie von Lechner, Eine zweite Chance für alle gescheiterten Schuldner? Längsschnittstudie zur Evaluation des Verbraucherinsolvenzverfahrens, S. 44, zum Zeitpunkt der ersten Befragung 22,5 % der befragten Schuldner Zahlungen an die Gläubiger und drei Jahre später 28,3 %. Nach einer Befragung aller in seinem Verband befindlichen konsumfinanzierenden Banken des Bankenfachverbands fällt der größte Teil der Erlöse (57 %) in den Jahren vier bis sechs der Wohlverhaltensperiode an, so Nocke, Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 14.1.2013, Protokoll Nr. 110 S. 27 f.; zustimmend Hingerl/Rätzke, ZVI 2019, 298; Jäger, ZVI 2018, 217, 218; ders., ZVI 2014, 223, 224 u. 227; Köchling, ZInsO 2013, 316, 317; vgl. Pedd/Jäger, INDAT Report 02_2019, 32, 33; anders hingegen Ritter, ZVI 2013, 135.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Kostendeckung gewährleisten.1112 Haben diese mitunter leistungsfähigen Schuldner etwa die 35-Prozent-Quote bloß ganz knapp verpasst, bedeutet eine Verfahrensverkürzung um ein Jahr für die Gläubiger wiederum, dass ihre Befriedigungsaussichten zum Teil erheblich eingeschränkt werden können. Dies gilt ebenso in Fällen, in denen ein einkommensstarker Schuldner so hoch verschuldet ist, dass die 35Prozent für ihn von vornherein nicht zu erreichen sind. Die Annahme des Gesetzgebers, Gläubigerbelange würden durch den § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO nicht tangiert, muss nach alledem relativiert werden.1113 (cc) Missbrauchsförderung Nicht zuletzt könnten sich durch die dreijährige Verkürzungsoption des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO neue Missbrauchsmöglichkeiten für den Schuldner auftun und sich die Vorschrift auch in dieser Hinsicht als nachteilig für die Gläubiger erweisen. So gilt es zu bedenken, dass die Einführung einer vorzeitigen Restschuldbefreiung durch Leistung einer Mindestquote die Erteilung der Restschuldbefreiung gewissermaßen berechenbar macht.1114 Im Geschäftsverkehr könnte der Schuldner dadurch in Versuchung geraten, hochriskante bzw. spekulative Geschäftshandlungen oder Investitionen für sich dergestalt abzusichern, dass er das mit einer möglichen Insolvenz einhergehende Risiko durch entsprechende „Rücklagen“ absichert.1115 Angesichts der Kalkulierbarkeit der Mindestquote hätte der unredliche Schuldner die Möglichkeit der vorsätzlichen Überschuldung und anschließenden Option einer kurzfristigen Entschuldung. Zu erreichen wäre dies etwa, wenn er Vermögenspositionen im Vorfeld der Insolvenz auf Verwandte oder Freunde verschiebt, um sie dann plötzlich zur Erbringung der Quote einzusetzen.1116 Die Vorschrift könnte aber nicht nur unsolide Geschäftspraktiken forcieren. Falsche Anreize zum Schuldenmachen könnten von ihr darüber hinaus auch für die Personengruppe der Verbraucher ausgehen.1117 1112

Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 603; Jäger, ZVI 2014, 223, 227. Kritisch auch Hingerl, ZInsO 2013, 21, 22; Hingerl/Rätzke, ZVI 2019, 298; Grote/ Pape, ZInsO 2012, 409, 420 nehmen zwar ebenfalls einen Eingriff in die Rechte der ungesicherten Gläubiger an, vermuten aber dass die Verluste durch die Abschaffung des Motivationsrabatts und Abtretungsprivilegs voraussichtlich mehr als kompensiert würden. 1114 So etwa Jäger, ZVI 2014, 223, 224 u. 225 f. 1115 Dies befürchten etwa Nocke, FLF 2012, 157, 160; Stephan, ZVI 2012, 85, 87; Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 186 (zum DiskE 2006); siehe auch Jäger, ZVI 2012, 142, 144 („Gerade im Hinblick auf die im Koalitionsvertrag als erste Zielgruppe genannten Gründer kann dies zu einem Verhalten führen, das Risiken und Risikoeinschätzungen weit außerhalb des für einen ordentlichen Kaufmann Üblichen zulässt bzw. motiviert“); ders., ZVI 2014, 223, 224 u. 226. 1116 Hirte, ZInsO 2013, 171, 173; Köchling, ZInsO 2013, 316, 318. 1117 So die Befürchtung von Jäger, ZVI 2012, 142, 143; vgl. auch BKS, Stellungnahme der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e. V., (BKS) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vom 18. 07. 2012, S. 2; Köchling, ZInsO 2013, 316, 318. 1113

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Hinsichtlich der genannten Befürchtungen lässt sich Folgendes feststellen: Trotz der Aussicht einer dreijährigen Entschuldung stellt die Vorschrift des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO mit der 35-Prozent-Quote immer noch eine nicht zu unterschätzende Hürde auf. Von dieser dürfte weiterhin die Signalwirkung ausgehen, dass ein schneller und leichter Schuldenschnitt nicht möglich ist. Zu vernachlässigen ist auch nicht, dass das Insolvenzverfahren unverändert mit für den Einzelnen zuweilen stark einschneidenden Wirkungen einhergeht.1118 Dass die Vorschrift generell zu einem Mentalitätswechsel in der Bevölkerung führt und die Sorglosigkeit in finanziellen Angelegenheiten steigen lässt, muss daher bezweifelt werden. Gleichermaßen ist – wie Wimmer1119 treffend ausführt – davon auszugehen, dass ein Schuldner, der von vornherein ins Kalkül zieht, einen Geldbetrag beiseite zu schaffen, der es ihm ermöglicht, 35 Prozent seiner Verbindlichkeiten zu bedienen, auch zuvor bereits eine vergleichbare kriminelle Energie aufgebracht hat, um seine Gläubiger zu schädigen. Außerdem ist der Gesetzgeber einer „planmäßigen“ Insolvenz durch den sog. Herkunftsnachweis gem. § 300 Abs. 2 S. 1 InsO entgegengetreten. Danach setzt ein zulässiger Antrag auf eine vorzeitige Schuldbefreiung nach § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO voraus, dass der Schuldner Angaben über die Herkunft der Mittel macht, die an den Treuhänder geflossen sind und die über die Beträge hinausgehen, die von der Abtretungserklärung erfasst sind.1120 Zudem muss er eine Erklärung abgeben, dass die entsprechenden Angaben richtig und vollständig sind, § 300 Abs. 2 S. 2 InsO. Der Herkunftsnachweis wird es zumindest erschweren, dass der Schuldner die Quote aus Vermögen aufbringt, das an die Gläubigerschaft zu verteilen gewesen wäre, aber stattdessen während des Insolvenzverfahrens verheimlicht oder vor der Insolvenz auf Dritte übertragen wurde. Gänzlich verhindern kann er einen Missbrauch der vorzeitigen Entschuldung freilich nicht. So liegt die Darlegung des Schuldners zur Herkunft der Mittel unterhalb einer Glaubhaftmachung i. S. d. § 294 ZPO, weil der Schuldner weder Dokumente zu der Herkunft der Geldmittel noch eine eidesstattliche Versicherung vorlegen muss.1121 Zudem sieht das Gesetz keine Sanktion für eine unrichtige Versicherung vor. Somit hat er bei einem Verstoß keine negativen Konsequenzen zu befürchten.1122 Aufgrund ihres klaren Wortlauts („Herkunft der Mittel, die an den Treuhänder geflossen sind“) gilt die Vorschrift ferner ausschließlich während der Wohlverhaltensperiode.1123 Wird die vorzeitige Restschuldbefreiung bereits während des Insolvenzverfahrens beantragt, soll nach dem Willen des Gesetzgebers zwar der Insolvenzverwalter die Herkunft für solche Mittel

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Kritisch daher auch Baczako, ZVI 2013, 209, 213. Wimmer, ZVI 2012, 160, 162. 1120 Siehe dazu BT-Drucks. 17/13535, S. 28. 1121 Frind, BB 2013, 1674, 1677; ders., ZInsO 2013, 1448, 1456; Jäger, ZVI 2014, 223, 226. 1122 Frind, BB 2013, 1674, 1677; ders., ZInsO 2013, 1448, 1456; Jäger, ZVI 2014, 223, 226. 1123 Henning, ZVI 2014, 219, 221 (Den Treuhänder gibt es seit der Streichung der §§ 312 bis 314 InsO nicht mehr im eröffneten Verfahren); Waltenberger, in: HK-InsO, § 300 Rn. 23. 1119

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

erfragen, die zur Insolvenzmasse gelangen und deren Herkunft unklar ist.1124 Einen Herkunftsvortrag mit „Richtigkeitsversicherung“,1125 wie er in § 300 Abs. 2 InsO vorgesehen ist, hat der Schuldner hingegen nicht zu erbringen. Gleichwohl darf nicht vergessen werden, dass der Schuldner, der sich vorsätzlich überschuldet, im eröffneten Verfahren1126 immer auch die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO befürchten muss. Verheimlicht er Vermögen oder schafft er solches zur Seite, kommt außerdem eine Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO in Betracht.1127 Aus der Praxis sind derartige Fälle im Übrigen bislang nicht bekannt geworden. Auch wenn man die Missbrauchsbefürchtungen wegen der genannten Schutzlücken nicht gänzlich vernachlässigen sollte,1128 wird man daher letztlich sagen können, dass die ungerechtfertigte Inanspruchnahme der vorzeitigen Restschuldbefreiung nach § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO kein Massenphänomen zu werden droht.1129 (2) Praktische Erfahrungen hinsichtlich der Erreichbarkeit der Quote bzw. der Verfahrenskostendeckung Die konkreten Auswirkungen des Stufenmodells des § 300 InsO auf die Gläubiger hängen aber letztlich davon ab, wie viele Schuldner tatsächlich in den Genuss der Verkürzungsmöglichkeiten kommen. Interessant ist weiter ein Vergleich der insgesamt erzielten Befriedigungsquoten vor und nach der Novelle. Dieser kann Aufschluss darüber geben, ob die erhofften Anreizimpulse fruchten. Nachdem die Regelung des § 300 InsO nun mehrere Jahre Anwendung findet und bereits durch die Bundesregierung evaluiert wurde, sollen im Folgenden die bisherigen Erfahrungen zu diesen Fragen herausgearbeitet werden. Auf Grundlage dieser Ergebnisse soll sodann abschließend Bilanz hinsichtlich der Auswirkungen auf Gläubigerseite gezogen werden.

1124 Siehe insoweit die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/13535, S. 28. Auch der Gesetzgeber wollte die Vorschrift folglich als auf die Wohlverhaltensperiode beschränkt verstanden wissen. 1125 Frind, ZInsO 2013, 1448, 1456. 1126 Wenn der Versagungsgrund erst nach dem Schlusstermin bekannt wird, kann er mittlerweile gem. § 297a InsO auch nachträglich noch geltend gemacht werden, siehe unten S. 265 ff. 1127 Dagegen wird man die falsche Richtigkeitsversicherung als solche nicht als Anknüpfungspunkt für eine Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO nehmen können (so aber Stephan, in: MüKo-InsO, § 300 Rn. 55; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 300 Rn. 23). So lassen sich die Angaben zur Herkunft der Mittel i. S. d. § 300 Abs. 2 S. 1 InsO nicht unter die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten i. S. d. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO subsumieren. Außerdem erfolgen sie nicht zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO verwirklicht werden könnte, so auch Preuß, in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 89 m. w. N. 1128 Kritischer dagegen Jäger, ZVI 2014, 223, 226. 1129 So auch bereits die Prognose von Köchling, ZInsO 2013, 316, 318 (Zumindest aber würden dem Schuldner unnötigerweise neue, ihn bevorzugende Optionen aufgezeigt).

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(a) Prognosen betreffend die Erreichbarkeit der Verkürzungsmöglichkeiten im Schrifttum Wie bereits angeklungen ist, beherrschten die Erwartungen bezüglich der Wirksamkeit des Stufenmodells von Anfang an die Diskussion um das Reformvorhaben. Während die Verkürzungsmöglichkeit des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO häufig als eine für viele Schuldner in Betracht kommende Option eingestuft wurde,1130 lösten die Reformpläne und die schließlich Gesetz gewordene Fassung in Bezug auf die Höhe der Mindestbefriedigungsquote des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO einen regelrechten Kritikhagel in der Fachöffentlichkeit aus. So wurde eine Quote in Höhe von 25 Prozent und erst recht eine solche in Höhe von 35 Prozent als für die meisten Schuldner unerreichbar deklariert.1131 Bemängelt wurde vor allem, dass der Schuldner in Wirklichkeit sogar eine weitaus höhere Quote als die 35 Prozent aufbringen muss, um die Karenzzeit zu reduzieren.1132 Lediglich Gutverdiener (insbesondere selbständig tätige Schuldner1133) und Personen ohne bzw. mit nur geringen Unterhaltsverpflichtungen kämen deshalb in den Genuss der Verkürzung der Verfahrenslaufzeit.1134 Abgesehen von den Fällen einer Erbschaft oder eines Lotteriegewinns sei der Großteil der Schuldner dagegen von dieser Möglichkeit ausge1130

Siehe nur Fröhlisch, ZVI 2018, 464, 472; Reck/Köster/Wathling, ZVI 2016, 1, 8; Recker, InsbürO 2016, 272, 273. Kritisch dagegen Beck, ZVI 2012, 223, 226, der wegen der nur geringen Verkürzung von einem Jahr für den Schuldner keinen ökonomischen Nutzen gegenüber der Zahlung von bis zu mehreren Tausend Euro sieht und der Vorschrift daher ihre Anreizwirkung abspricht; skeptisch gegenüber der Erwartungshaltung des Gesetzgebers auch Jäger, ZVI 2014, 223, 227. 1131 Siehe zur 35 % Quote etwa: Baczako, ZVI 2013, 209, 213; Frind, BB 2013, 1674, 1676; Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 602 f.; Henning, ZVI 2014, 219 ff.; H. Leipold, ZInsO 2013, 2052, 2053; Schmerbach, VIA 2013, 41, 43. Zur 25 % Quote: Beck, ZVI 2012, 223, 224; Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 94 f. (unerreichbar jedenfalls für Verbraucherschuldner); Koark/du Carrois/Haarmeyer, ZInsO 2012, 469 ff. (eingehende Kritik zur Vorgehensweise bei der Ermittlung der Quotenhöhe im Gesetzgebungsverfahren, insbesondere zur Problematik, dass Mittelwerte und nicht der aussagekräftigere Medianwert herangezogen wurden); Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2175 ff.; Ritter, ZVI 2013, 135 f.; Vallender, KSzW 2012, 260, 265. 1132 Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1435; Lissner, ZVI 2018, 473, 477; Zerhusen, ZVI 2019, 91, 93. Dies liegt zum einen daran, dass noch die Verfahrenskosten und sonstige Massekosten hinzugerechnet werden müssen (Hirte, ZInsO 2013, 171, 172; Stephan, in: FS Vallender, S. 639, 653) und zum anderen daran, dass von dem Schuldner aktivierte Drittzahlungen ausweislich der Gesetzesbegründung Massebestandteil werden sollen (BT-Drucks. 17/11268, S. 30). Diese schlagen über die Vergütungsberechnung auf die Verfahrenskosten durch und erhöhen sie zusätzlich, siehe dazu Henning, ZVI 2014, 219, 220 f. Entsprechende Rechenbeispiele bei Grote, InsbürO 2014, 47, 49 f.; H. Leipold, ZInsO 2013, 2052 f.; Möhlen, ZInsO 2015, 1603 ff. 1133 Frind, BB 2013, 1674, 1676 u. 1679 (Realistische Option in der Regel nur für die im Verfahren weiterhin selbständigen Schuldner). Die in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/ 11268, S. 30) geäußerte Hoffnung, der selbständig gewesene Schuldner werde rasch eine neue Tätigkeit finden und daraus die Mindestquote erbringen, stellt Frind angesichts des mit der Insolvenz verbundenen Eintrags in das Schuldnerverzeichnis hingegen in Frage. 1134 Hingerl, ZInsO 2013, 21, 23; Reck/Köster/Wathling, ZVI 2016, 1, 8.

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schlossen, da dieser nicht über pfändbares Einkommen verfüge.1135 Schon die Aussichten der ungesicherten Gläubiger, durch die Schlussverteilung des Insolvenzverfahrens nach der Vorabbefriedigung der gesicherten Forderungen eine Rückzahlung zu erhalten, seien zumeist gering.1136 Auch der Rückgriff auf finanzielle Unterstützung durch Dritte sei ein seltener Ausnahmefall,1137 der zusätzlich durch den nach § 300 Abs. 2 S. 1 InsO erforderlichen Herkunftsnachweis erschwert würde.1138 Vor diesem Hintergrund warnten einige Kritiker vor der Gefahr eines Zwei-Klassen-Verfahrens.1139 (b) Der Evaluationsbericht der Bundesregierung und weitere Erfahrungswerte (aa) Verkürzung der Restschuldbefreiung auf drei Jahre Der Bericht der Bundesregierung über die Wirkungen der Reform vom 23.8.2018 bestätigte letztlich die in Bezug auf die Erreichbarkeit der Verkürzungsmöglichkeit geäußerten Bedenken: Der Anteil der Schuldner, die eine vorzeitige Restschuldbefreiung erlangen konnten, betrug deutlich unter 2 Prozent.1140 Die Evaluierung basiert auf Daten über Insolvenzverfahren von natürlichen Personen, die im Zeitraum vom 1.7.2014 bis zum 31.12.2014 beantragt wurden, und bei denen folglich im 1135 So Beck, ZVI 2012, 223, 225; Koark/du Carrois/Haarmeyer, ZInsO 2012, 469 f. jeweils mit Auswertung entsprechender statistischer Daten; siehe auch Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 94; Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 243; Stephan, in: FS Vallender, S. 639, 654. 1136 Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2175. 1137 Ritter, ZVI 2013, 135 f.; Zerhusen, ZVI 2019, 91, 93; etwas optimistischer hingegen Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 94. Beck, ZVI 2012, 223, 225 f. kritisiert, dass auch die anderen vom Gesetzgeber zwecks Erzielung einer größeren Befriedigungsmasse aufgeführten Möglichkeiten (etwa die Aufnahme eines Nebenjobs) für viele Schuldner nicht in Betracht kämen; Jäger, ZVI 2014, 223, 225 geht ebenfalls davon aus, dass die Erwartung des Gesetzgebers, der Schuldner werde zu überobligatorischen Leistungen motiviert, frustriert wird. Er sieht den Grund aber in der Einstellung vieler Schuldner. Seiner Ansicht nach sehen diese in aller Regel die Wohlverhaltensperiode nicht als angemessene Gegenleistung für die Rechtswohltat der Restschuldbefreiung an, sondern als Last, die sie nicht dadurch noch vergrößern wollen, überobligatorische Leistungen zu Gunsten der Gläubiger (die am Insolvenzverfahren „Schuld“ sind) zu erbringen. 1138 Vgl. Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1435 f. („Dieser sicherlich gut gemeinte Vorschlag dürfte ebenfalls kontraproduktiv im Hinblick auf die vorzeitige Erledigungsquote sein, denn ein Drittmittelgeber wird nicht so schnell zur Darlehensgabe bereit sein, wenn er sich unspezifischen und möglicherweise unangenehmen Nachforschungen und Nachfragen ausgesetzt sieht, auch wenn es sich bei dem Darlehensbetrag nicht um Schwarzgeld handelt“); dies., AnwBl 2013, 601, 603. 1139 So Lissner, ZVI 2012, 93, 96; Reck/Köster/Wathling, ZVI 2016, 1, 8 (Schuldnergruppen werden privilegiert); siehe außerdem die Abgeordnete Steffen (SPD), Plenar-Protokoll 17/240, S. 30471 (Zweiklassengesellschaft von Schuldnern) und die Fraktion DIE LINKE, BT-Drucks. 17/13535, S. 26. Relativierend hinsichtlich einer etwaigen Besserstellung selbständiger Schuldner Ritter, ZVI 2013, 135, 136 (Der durchschnittliche Verschuldensbetrag sei bei diesen auch höher). 1140 BT-Drucks. 19/4000, S. 7.

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Zeitraum vom 1.7.2017 bis zum 31.12.2017 die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung nach dreijähriger Laufzeit bestand.1141 Weil diese Daten weder statistisch erfasst noch aus statistisch erfassten Werten ableitbar waren, wurden die dem Bericht zugrunde liegenden Daten unter Mitwirkung der Landesjustizbehörden und durch die in den jeweiligen Verfahren bestellten Insolvenzverwalter und Treuhänder erhoben.1142 Angesichts dieses begrenzten Datensatzes und des verhältnismäßig kurzen Erhebungszeitraumes von sechs Monaten ist die Repräsentativität der Ergebnisse zwar eingeschränkt,1143 gleichwohl machen letztere hinreichend deutlich, dass die vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages festgelegte Zielquote von 15 Prozent verfehlt wurde.1144 Die parallel angestellten Untersuchungen der Verbraucherzentrale NRW und des instituts für finanzdienstleistungen e. V. (im Folgenden iff) bestätigen diesen Befund.1145 Nur die Erhebung der Wirtschaftsauskunftei CRIF Bürgel GmbH, die immerhin einen Zeitraum von eineinhalb Jahren erfasst, zeichnet ein geringfügig positiveres Bild.1146 Sie kommt zu dem Ergebnis, dass es 7,4 Prozent der Privatpersonen, die vom 1.7.2014 bis zum 31.12.2015 Insolvenz anmelden mussten, gelungen ist, die Restschuldbefreiung auf drei Jahre zu verkürzen.1147 Dabei stellte sie jedoch eine fallende Tendenz fest.1148 Insgesamt lässt sich 1141

BT-Drucks. 19/4000, S. 2. BT-Drucks. 19/4000, S. 2; vgl. Zerhusen, ZVI 2019, 91, 92. 1143 Eingehend zu den Einschränkungen bei den für die Erstellung des Berichts verfügbaren Rohdaten und den Folgen für die Interpretation der Quote Bornemann, jurisPR-InsR 19/2018, Anm. 1. 1144 BT-Drucks. 19/4000, S. 5 f.; vgl. Bornemann, jurisPR-InsR 19/2018, Anm. 1; Jäger/ Stephan, ZVI 2019, 7, 12; Zerhusen, ZVI 2019, 91, 92; kritisch bzgl. der Aussagekraft der Evaluation Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, Rn. 114; Heyer, ZVI 2018, 85, 86; Pedd/ Jäger, INDAT Report 03_2018, 26. 1145 Siehe Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Evaluierung des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Stand: 09.10.2018, S. 2. Die Untersuchung basiert auf Prognosewerten, die von Schuldnerberatern nach Erfassung der Gesamtverschuldung sowie einer Haushalts- und Budgetanalyse für die jeweils beratene Person ermittelt wurden. Siehe außerdem Institut für Finanzdienstleistungen e. V., iff-Überschuldungsreport 2019, S. 34 f. Hier wurden Daten aus einer Beratungssoftware herangezogen, die Rückschlüsse darauf zulassen, wie häufig die Verkürzungsvarianten überhaupt in Erwägung gezogen wurden. Ausgewertet wurden Beratungsfälle teilnehmender Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen aus dem Zeitraum von 2014 bis 2018. 1146 Bornemann, jurisPR-InsR 19/2018, Anm. 1 weist zutreffend darauf hin, dass sich die Zahlen der Erhebung schwer einordnen lassen, weil weder die Datenquellen und -auswahl noch die Methode der Auswertung erläutert wird. 1147 Https://www.crifbuergel.de/de/aktuelles/pressemitteilungen/privatpleiten-immer-weni ger-verbrauchern-gelingt-der-schuldenschnitt (zuletzt geprüft am 15.3.2020). 1148 Von den Anfang Juli bis Ende Dezember 2015 angemeldeten Privatinsolvenzen wurde in 5,8 % der Fälle im gleichen Zeitraum des Jahres 2018 eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren erteilt. In den ersten beiden Halbjahren nach dem Beginn der Reform lag die Quote mit 8,3 % (Restschuldbefreiungen 1.7.2017 – 31.12.2017 aus den Insolvenzverfahren vom 1.7.2014 – 1.12.2014) bzw. 8,1 % (Restschuldbefreiungen 1.1.2018 – 30.6.2018 aus den Insolvenzverfahren vom 1.1.2015 – 30.6.2015) dagegen deutlich höher, https://www.crifbuergel.de/ 1142

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anhand der derzeit vorliegenden Werte jedenfalls feststellen, dass der Großteil der Schuldner nicht von einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO profitiert. Angesichts der deutlichen Verfehlung der Zielgröße von 15 Prozent sah die Bundesregierung zwar einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Sie empfahl jedoch, die sich seinerzeit noch in Planung befindenden Impulse auf europäischer Ebene abzuwarten, weil diese bei der Fortentwicklung des deutschen Rechts zu berücksichtigen wären.1149 (bb) Verkürzung der Restschuldbefreiung auf fünf Jahre In Bezug auf die Erreichbarkeit der weiteren Verkürzungsmöglichkeit nach § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO konnte die Bundesregierung keine Daten ermitteln, da entsprechende Verfahren erst ab dem 1.7.2019 beendet sein können.1150 Insoweit können nur die Prognosewerte der Verbraucherzentrale NRW bzw. des iff herangezogen werden, die allerdings stark voneinander abweichen. Während nach den Ergebnissen der Verbraucherzentale NRW in etwa 10 Prozent der untersuchten Beratungsfälle die Deckung der Verfahrenskosten als sehr wahrscheinlich erschien,1151 belief sich nach dem Befund des iff der maximale Anteil der zu erwartenden Verkürzungen nach § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO auf lediglich 0,9 Prozent (Jahr 2018) bis 2,3 Prozent (Jahr 2016).1152 Die Berichte aus der Praxis vermitteln ein positives Bild. So wird vielfach darauf hingewiesen, dass die Erfolgsaussichten einer Verkürzung durchaus hoch seien, sofern der Schuldner (auch nur über geringe) pfändbare Beträge verfüge.1153 Im Bereich der bei Antragstellung noch tätigen Unternehmer sei die Verde/aktuelles/pressemitteilungen/privatpleiten-immer-weniger-verbrauchern-gelingt-der-schul denschnitt (zuletzt geprüft am 15.3.2020). 1149 BT-Drucks. 19/4000, S. 7. 1150 Vgl. BT-Drucks. 19/4000, S. 6. 1151 Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Evaluierung des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Stand: 09.10.2018, S. 2. 1152 Institut für Finanzdienstleistungen e. V., iff-Überschuldungsreport 2019, S. 35. 1153 Siehe nur Frind, NZI 2019, 361, 365, der die Ursache auch in der sog „Rückstellungsrechtsprechung“ des BGH sieht, wonach der Insolvenzverwalter eine Rückstellung für nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens in der Wohlverhaltensperiode entstehende Verfahrenskosten zu bilden hat, wenn nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners die in diesem Verfahrensabschnitt voraussichtlich entstehenden Verfahrenskosten durch die in diesem Verfahrensabschnitt mutmaßlich zu erwartenden Einkünfte nicht gedeckt sind (BGH ZVI 2015, 61); Fröhlisch, ZVI 2018, 464, 472; Lissner, ZVI 2019, 409, 411; Recker, InsbürO 2016, 272, 273; laut Brenner, InsbürO 2015, 269, 270 sind auch die Schuldner in den meisten Fällen, in denen sich weder pfändbare Beträge ergeben noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, bereit, die Verfahrenskosten aus ihrem oftmals sehr geringen unpfändbaren Einkommen zu bezahlen, um das Verfahren und auch den damit eng verbundenen Teil ihres Lebens, der ihnen unangenehm und peinlich ist, abschließen zu können. Demgegenüber stünden einzelne Schuldner, die ihr Einkommen absichtlich an der Pfändungsfreigrenze ausrichten und keinen Beitrag zum Verfahren leisten wollen. Diese Schuldner entschieden sich – in

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fahrenskostenbeitreibung wegen der in der Regel erklecklichen Massegenerierung ohnehin kein Hindernis.1154 (cc) Entwicklung der Gesamtbefriedigungsquote Gegenstand des Evaluationsberichts waren nicht zuletzt die Auswirkungen des Anreizsystems auf die durchschnittliche Gesamtbefriedigungsquote. Um deren Entwicklung zu ermitteln, wurden einerseits die Gesamtbefriedigungsquoten aus den Verfahren, die mit einer vorzeitigen Restschuldbefreiung abgeschlossen werden konnten, und andererseits die Gesamtbefriedigungsquoten der nach altem Recht geführten Verfahren, die im Zeitraum vom 1.9.2017 bis 30.9.2017 beendet worden waren, eruiert.1155 Für das neue Recht weist der Evaluationsbericht eine durchschnittliche Gesamtbefriedigungsquote in Höhe von 46,40 Prozent und für das alte Recht eine solche in Höhe von 7,87 Prozent aus.1156 Allerdings können aus diesen Werten keine Schlüsse hinsichtlich der Entwicklung der Gesamtbefriedigungsquote gezogen werden. Ob sich die Quote nach Einführung des Anreizsystems erhöht hat, ließe sich nur ermitteln, wenn bei der Berechnung des Durchschnitts der Befriedigungsquoten unter neuem Recht auch diejenigen Verfahren einbezogen würden, in denen es nicht zu einer vorzeitigen Restschuldbefreiung kam. Diese Verfahren liefen jedoch noch bis zum 1.7.2019 (in den Fällen des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO) bzw. laufen bis zum 1.7.2020 (in den Verfahren mit Regellaufzeit). Sie konnten daher in der Untersuchung der Bundesregierung nicht berücksichtigt werden. (3) Fazit Anhand der ermittelten Vor- und Nachteile und der bisherigen praktischen Erfahrungen soll Stellung zu der Frage genommen werden, ob das Stufenmodell aus Gläubigersicht erfolgversprechend ist und insbesondere ihre Befriedigungsaussichten verbessert. Wie bereits festgestellt wurde, hängt die Antwort zunächst davon ab, ob die Verkürzungsmöglichkeiten eine Vielzahl derjenigen Schuldner zu überobligatorischen Anstrengungen motiviert, bei denen nach altem Recht eine Befriedigung unterhalb der 35-Prozent-Marke zu erwarten gewesen wäre. Die Ergebnisse der Evaluation haben allerdings gezeigt, dass sich die ursprüngliche Annahme des Gesetzgebers, die Höhe der Quote liege in einem Rahmen, der zahlreiche Schuldner unter Berücksichtigung ihrer Durchschnittsverschuldung zu Mehrleistungen bewegen dürfte, nicht bewahrheitet hat. Die 35-Prozent-Quote ist für die meisten Schuldner unerreichbar und daher nur sehr begrenzt dazu geeignet, eine derartige Wirkung herbeizuführen. In Verfahren von leistungsstarken Schuldnern bleiben der Hoffnung, dass nach Erteilung der Restschuldbefreiung eine Rückforderung der gestundeten Kosten nicht erfolgen wird – für eine Laufzeit von 6 Jahren. 1154 So Frind, NZI 2019, 361, 365. 1155 BT-Drucks. 19/4000, S. 4. 1156 Siehe (auch zum folgenden Text) BT-Drucks. 19/4000, S. 6.

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Motivationseffekte zwangsläufig aus. Hier tritt durch die Verkürzung der Verfahrensdauer eine Deckelung der Befriedigungsquote ein – zumeist bereits im außergerichtlichen Bereich. Dass sich das Stufenmodell durch neue Missbrauchsmöglichkeiten maßgeblich zulasten der Gläubiger auswirkt, muss demgegenüber bezweifelt werden. Inwieweit diese neuen Realitäten insgesamt geeignet sind, höhere Rückflüsse bzw. zumindest keine Verschlechterung auf Gläubigerseite zu verursachen, kann nicht mit letzter Gewissheit gesagt werden, weil noch keine aussagekräftigen Vergleichswerte zu den durchschnittlichen Befriedigungsquoten vor und nach der Reform vorliegen.1157 Etwaige Nachteile werden zwar durch die Abschaffung des § 114 InsO a. F. abgemildert, der die für die Gläubigergesamtheit erzielte Befriedigungsquote in den Verfahren mit Lohnvorausabtretung erhöht.1158 Angesichts der Ausstrahlungswirkung auf den außergerichtlichen Bereich müssen die Vorteile der neuen Regelungen in einer Gesamtschau aber relativiert werden. Zudem ist das Anreizsystem auch insoweit skeptisch zu betrachten, als die 35-Prozent-Quote mit einem Verwandtendarlehen aufgebracht wird. In diesem Fall drohen eine Neuverschuldung und wiederholte Überforderung des Schuldners.1159 Das Ziel des Verfahrens, ihn wieder als Akteur in das Wirtschaftsleben zurückzuführen, wird dann verfehlt und die Gläubiger können nicht von einem finanziell wiedererstarkten Schuldner profitieren. Alles in allem wird man zwar sagen können, dass der Anreizgedanke grundsätzlich richtig ist und im Interesse der Gläubiger weiterverfolgt werden sollte, dem Gesetzgeber jedoch zu raten ist, dabei die bereits bestehenden Anreizsysteme nicht aus den Augen zu verlieren. Das gilt vor allem in Bezug auf den außergerichtlichen Einigungsversuch. Außerdem ist schon zu fragen, warum der Gesetzgeber zwecks Gläubigerbefriedigung bei den überobligatorischen Leistungen ansetzt, bevor er nicht sichergestellt hat, dass die obligatorischen Leistungen überhaupt erbracht werden. So erkennt er zwar, wenn er die fehlende Anreizwirkung der Erwerbsobliegenheit damit begründet, dass diese wenig überwacht wird, dass die Regelung des 1157

Die Annäherung an den Wert der Gesamtbefriedigungsquote nach neuem Recht, die der Evaluationsbericht durch die Ermittlung eines gewichteten Durchschnitts der Gesamtbefriedigungsquoten aus den vorzeitig beendeten Verfahren und den Quoten aus den Altverfahren vornimmt, kann nicht zurückgegriffen werden (vgl. BT-Drucks. 19/4000, S. 6 f.). Sie läuft auf die Vorwegnahme der eigentlich durch die Evaluation erst zu erweisenden Antworten hinaus, Bornemann, jurisPR-InsR 19/2018, Anm. 1. Erkenntnisse über die tatsächlichen Auswirkungen auf den außergerichtlichen Bereich liegen ebenfalls nicht vor; sie waren ohnehin nicht Gegenstand der Evaluation. 1158 Vgl. insoweit auch die positiven Erfahrungen von Recker, InsbürO 2016, 272, 273 f. 1159 Kritisch auch Henning, ZVI 2014, 219 f., der zudem anführt, dass es aus sozialpädagogischer Sicht von Bedeutung sein dürfte, dass der Schuldner seine Entschuldung aus eigener Kraft und nicht mit neuer finanzieller Abhängigkeit, sei es auch nur gegenüber der Familie oder Freunden, erreicht. Der Schuldner müsse genau prüfen, ob es für ihn sinnvoll ist, gerade mit Hilfe Dritter zusätzliche Mittel aufzuwenden. Siehe auch Koark/du Carrois/Haarmeyer, ZInsO 2012, 469, 470 f.

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§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO tatsächlich ein „stumpfes Instrument“1160 ist und den Schuldner nicht – wie ursprünglich gedacht – zu Bemühungen im Gläubigerinteresse anhält. Allerdings zieht er daraus nicht die eigentlich erforderliche Konsequenz: Nämlich, dass die Einhaltung der Erwerbsobliegenheit effektiviert werden muss. Hier zeigt sich legislativer Nachholbedarf im Gläubigerinteresse. ee) Abschließende Würdigung Im Folgenden soll das Stufenmodell abschließend unter Legitimationsgesichtspunkten bewertet werden. Dabei werden insbesondere die vom Gesetzgeber getroffenen Gerechtigkeitserwägungen einer kritischen Würdigung unterzogen. (1) Verfahrensverkürzung in Abhängigkeit von der Zahlung einer Mindestbefriedigungsquote (§ 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO) Das Anliegen des Gesetzgebers, gescheiterten Existenzgründern eine schnelle zweite Chance zu bieten, ist zweifelsohne wichtig.1161 Ebenso ist es aus sozialer und ökonomischer Perspektive wünschenswert, Verbrauchern, die aufgrund von Schicksalsschlägen in eine prekäre wirtschaftliche Situation geraten sind, rasch aus dieser herauszuhelfen.1162 Trotz allem darf die Verfolgung jener Ziele – wie es allerdings oftmals bei der Diskussion um die Verfahrensverkürzung und Mindestbefriedigungsquote geschieht – nicht ausschließlich unter diesen Gesichtspunkten stattfinden.1163 So ist es schon vor dem Hintergrund, dass die §§ 286 ff. InsO individuelle Gesichtspunkte wie die Ursachen der Überschuldung unberücksichtigt lassen,1164 nicht angezeigt, solche als einziges Rechtfertigungselement für eine gläubigerbelastende Verfahrenserleichterung heranzuziehen.1165 Möchte man derartige Faktoren einbeziehen, müsste man auf der anderen Seite auch im Einzelfall der Tatsache Rechnung tragen, dass der Schuldner seine Situation möglicherweise durch schwerwiegende unternehmerische Fehlentscheidungen oder überzogenen, nicht den finanziellen Verhältnissen angepassten, Konsum herbeigeführt hat. Vor allem 1160

So treffend Jäger, ZVI 2012, 177, 183. So auch Wimmer, ZVI 2012, 160, 161. 1162 Vgl. auch Köchling, ZInsO 2013, 316, 320 f.; Würdinger, KTS 2017, 445, 456. 1163 Köchling, ZInsO 2013, 316, 320 f.; Wimmer, ZVI 2012, 160, 161 f. 1164 Siehe dazu oben S. 135 ff. 1165 Weitergehend Nocke, FLF 2012, 157, 160: „Im Übrigen ist das Anliegen, die Wohlverhaltenszeit früher als bisher zu beenden, auch in sozialpolitischer Hinsicht nicht zu rechtfertigen. Das Restschuldbefreiungsverfahren ist kein staatlich verordneter Zwang, sondern ein Ausweg, den ein Schuldner gehen kann, um sich von den selbst eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien. Es leuchtet nicht ein, dass die Verwirklichung sogenannter ,biografischer Risiken‘ hieran etwas ändern soll. Risiken für die eigene Zahlungsfähigkeit können sich für jedermann jederzeit realisieren. In diesem Bewusstsein trifft der Mensch seine rechtsgeschäftlichen Entscheidungen. Es ist ohnehin nicht selbstverständlich, die Haftung für eigene Schulden abwälzen zu können“. 1161

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aber darf die Debatte generell nicht einseitig aus Schuldnersicht geführt werden. Rechtfertigt man die Abkürzung der Wohlverhaltensperiode lediglich damit, dass Schuldner keine jahrelange Wohlverhaltensperiode benötigen, beschränkt man deren Zweck auf die Reintegration des Schuldners in das Wirtschaftsleben. Sie dient aber – wie deutlich geworden ist – vor allem auch der Gläubigerbefriedigung. Die sachgerechte Neuausrichtung des Rechts der Restschuldbefreiung muss deshalb immer auch die Gläubigerperspektive einbeziehen und die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen wahren.1166 Zu berücksichtigen ist dabei natürlich, dass die Quoten der Gläubiger überwiegend niedrig sind und ihr Ausfall somit bereits hoch ist.1167 Insoweit kann es nicht überzeugen, wenn sich der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags in seiner Beschlussempfehlung1168 die verallgemeinernde Annahme zu eigen macht, dass eine Mindestbefriedigungsquote, die nur eine Schuldentilgung von 25 Prozent vorschreibt, dazu führe, dass die Gläubiger mit 75 Prozent ihrer Forderungen ausfallen und deren Eigentumsrechte daher erheblich schmälert. Gleichermaßen kritisch ist aber auch das häufig gegen die Quote hervorgebrachte Argument zu sehen, die Forderungen der Gläubiger seien ohnehin weitgehend wertlos.1169 Eine solche – wiederum pauschale – Sichtweise verkennt, dass befriedigungsreiche Verfahren zwar selten sind, aber dennoch vorkommen.1170 Vor allem aber blendet sie die Problematik aus, dass es letztere Verfahren sind, die die Verkürzungsmöglichkeiten vor dem Hintergrund der Gläubigerrechte aus Art. 14 GG bedenklich erscheinen lassen. Wie oben ausgeführt, kommen die Möglichkeiten einer vorzeitigen Restschuldbefreiung gerade denjenigen Schuldnern entgegen, die in der Lage wären,

1166

So zutreffend Würdinger, KTS 2017, 445, 456. Insbesondere darf nicht vergessen werden, dass die Gläubiger infolge ihrer Einbußen selbst in die Insolvenz geraten können, siehe dazu bereits oben S. 162 f. Die vorzeitige Entschuldung verschärft dieses Problem, Jäger, ZVI 2012, 142, 143. 1167 Köchling, ZInsO 2013, 316, 317 f. 1168 BT-Drucks. 17/13535, S. 28; so auch die Argumentation von Jäger, ZVI 2012, 177, 184; Köchling, ZInsO 2013, 316, 318. 1169 So etwa Beck, ZVI 2012, 223, 227 (Es werde den Gläubigern durch die Abkürzung der Verfahrensdauer gar nichts genommen, was auszugleichen wäre); Frind, BB 2013, 1674, 1676; Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Evaluierung des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Stand: 09.10.2018, S. 4, die auf die Zahlen des Statistischen Bundesamts verweist, wonach Gläubiger in Verbraucherinsolvenzverfahren nur 1,5 % ihrer Forderungen zurückerhalten (Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 113 vom 28. März 2018, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2018/03/PD18_113_52431.html [zuletzt geprüft am 15.3.2020]). Ihr aus diesen Ergebnissen gefolgerte Schluss, dass also 98,5 % der Forderungen in der Verbraucherinsolvenz bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung nicht realisiert würden, ist allerdings nicht korrekt, weil die Zahlen des Statistischen Bundesamts nicht die während der Wohlverhaltensperiode erwirtschafteten Erträge berücksichtigen. 1170 Kritisch im Hinblick auf jene Argumentation daher auch J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 265, der zudem anmerkt, dass auch geringe Befriedigungsquoten Bedeutung haben können.

A. Änderungen der finanziellen Anforderungen

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auch eine höhere Quote zu leisten.1171 Statt den Gläubigern das schuldnerische Einkommen als Ausgleich für etwaige nach Erteilung der Restschuldbefreiung eintretende Verluste sechs Jahre lang zur Verfügung zu stellen, werden ihre Befriedigungsaussichten auf die nach drei bzw. fünf Jahren erreichte Quote gedeckelt. Das Stufenmodell hat damit letztlich dazu geführt, dass Forderungen gegen durchaus zahlungskräftige- und willige Schuldner faktisch entwertet werden.1172 Insoweit besitzt eine Konstruktion, die den Gläubigern von staatlicher Seite verwehrt, eine bestmögliche Befriedigung und damit einen geringstmöglichen Forderungsausfall zu erzielen, verfassungsrechtliche Sprengkraft.1173 Ungeachtet dieser im Einzelfall möglichen Konflikte mit den Grundrechten der Gläubiger aus Art. 14 GG ist die Quote so hoch angesetzt, dass sie regelmäßig keine Gefahr für die Gläubiger darstellt.1174 Die Ergebnisse der Evaluation haben deutlich gemacht, dass es im Regelfall – wie bislang auch – bei der sechsjährigen Abtretungsfrist bleibt bzw. diese gem. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO lediglich um ein Jahr verkürzt wird. Die 35-Prozent-Quote stellt dabei sicher, dass die Gläubiger eine Verfahrensverkürzung ausschließlich dann hinnehmen müssen, wenn sie dafür eine (so jedenfalls in den meisten Fällen) annehmbare – und vor allem schnell verfügbare –1175 Gegenleistung erhalten. Erbringt der Schuldner diese nach drei Jahren nicht, muss er sich weiterhin um die Befriedigung seiner Gläubiger bemühen. Vor diesem Hintergrund hängt die Intensität, mit der die Verkürzungsmöglichkeit des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO im Einzelfall in die Gläubigerrechte eingreifen kann, letztlich von der Höhe der Mindestbefriedigungsquote ab. Es lässt sich daher mit Jäger1176 konstatieren, dass der Eingriff umso größer ist, je geringer die Mindestquote bemessen wird. Das grundlegende Problem der Mindestbefriedigungsquote besteht 1171

Köchling, ZInsO 2013, 316, 318; relativierend Baczako, ZVI 2013, 209, 212 f., der den Einwand, dass bei einkommensstärkeren Schuldnern durch eine Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase die größten Forderungsausfälle zu verzeichnen seien, zwar als nachvollziehbar deklariert, aber anmerkt, dass gerade in dieser Gruppe von Schuldnern auch am häufigsten viel Kreativität und Energie an den Tag gelegt werde, um etwa durch unklare gesellschaftsrechtliche Verflechtungen und Konstruktionen Einkünfte zu verschleiern oder durch die Inanspruchnahme des teilweise schuldnerfreundlicheren Insolvenzrechts anderer EU-Mitgliedstaaten die Befriedigung der Gläubigerforderungen zu beeinträchtigen. Kalkulierbare Rahmenbedingungen könnten auch diesen Schuldnern die Entscheidung für einen geradlinigen Weg erleichtern und zu einer höheren Gläubigerbefriedigung führen. 1172 Hirte, ZInsO 2013, 171, 172. 1173 Kritisch auch Hingerl, ZInsO 2013, 21, 22 f.; Köchling, ZInsO 2013, 316, 320; vgl. Bruns, KTS 2008, 41, 54 f. 1174 Vgl. auch Henning, ZVI 2014, 219 (Regelungsinstrument für Einzelfälle); Würdinger, KTS 2017, 445, 456 (Keine raschere Entschuldung für den „Standardinsolvenzfall“). 1175 Dieser zeitliche Aspekt stellt ein gewichtiges Argument gegen die Verfassungswidrigkeit der Mindestbefriedigungsquote dar, siehe auch Würdinger, KTS 2017, 445, 458, der in diesem Zusammenhang den sprichwörtlichen Vergleich zwischen einem vorzuziehenden „Spatz in der Hand“ und einer fernliegenden „Taube auf Dach“ heranzieht. Vgl. ferner BGH ZInsO 2019, 2382, 2385. 1176 Jäger, ZVI 2012, 142, 145.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

darin, dass sie pauschal bestimmt ist und daher keine Einzelfallgerechtigkeit herstellen kann.1177 Um dennoch eine gläubigerverträgliche Lösung zu erreichen, musste die Quote mithin hoch angesetzt werden.1178 Damit geht zwar einher, dass ein Großteil der Schuldner von der Verkürzungsmöglichkeit ausgeschlossen wird. Hierin zeigt sich jedoch keine Fehlkonzeption der Reform, sondern der Wille des Gesetzgebers.1179 Dieser wollte die Chance auf eine Laufzeitreduzierung einer möglichst großen Schuldnerzahl nicht um jeden Preis,1180 sondern nur unter Berücksichtigung der Gläubigerbelange einräumen.1181 Die Verkürzungsmöglichkeit muss deshalb richtigerweise als weitere Rechtswohltat verstanden werden, die nach dem Willen des Gesetzgebers als faktische „Prämie“ für einen Beitrag zur besseren Gläubigerbefriedigung dienen sollte.1182 Zu hinterfragen ist, ob diese Zielrichtung zu beanstanden ist und darüber hinaus, ob die Tilgungsquote für sich genommen als Differenzierungskriterium gerechtfertigt ist oder ihr möglicherweise nicht zu legitimierende Ungleichbehandlungsdefizite innewohnen. Neben ihrer Funktion, dem redlichen Schuldner eine Restschuldbefreiung zu ermöglichen, verfolgt die InsO den Zweck, eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung zu gewährleisten. Zeigt sich für den Gesetzgeber eine Maßnahme, durch die die Erreichung des Ziels der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zumindest teilweise effektiviert werden kann, so ist er gehalten, diese zu ergreifen.1183 Ist dabei eine Belohnung der Schuldner vorgesehen, die überobligatorische Leistungen erbringen, müssen nicht zwangsläufig auch diejenigen Schuldner bessergestellt werden, die derartige Mehrleistungen nicht erbringen.1184 Der Schuldner hat somit keinen An1177 So auch Hirte, Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 14.1.2013, Protokoll Nr. 110 S. 5. 1178 Treffend daher die Kritik von Hirte, ZInsO 2013, 171, 172 bzgl. der Bestimmung der damals noch geplanten 25-%-Quote: „Sie ist zweitens hinsichtlich ihrer absoluten Höhe bedenklich: Denn der vorgeschlagene Mindestbefriedigungsprozentsatz von 25 % berücksichtigt nicht, dass es bei den Insolvenzverfahren einen erheblichen Anteil von ,Nullverfahren‘ gibt, bei denen es keinerlei Zahlungen gibt. Diese Fälle, bei denen auch durch Bemühung der Schuldner keine relevante Schuldentilgung zu erwarten ist, mit in die empirische Grundlage für die Festlegung der gesetzlichen Quote einzubeziehen, ist daher nicht gerechtfertigt“. 1179 Baczako, ZVI 2013, 209, 213. 1180 Jäger, ZVI 2012, 177, 183. 1181 Ein Vorwurf kann dem Gesetzgeber jedoch deshalb gemacht werden, weil er explizit eine Erreichbarkeit von 15 % anstrebte, obschon dies angesichts der Realitäten fernlag. Es muss ihm daher bewusst gewesen sein, dass die von ihm beabsichtigte gläubigerverträgliche Lösung ein solches Ziel ausschließt. Die Kritik, der Reformentwurf meine es mit der schnellen Entschuldung natürlicher Personen nicht wirklich ernst (so Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 94; vgl. auch Allemand, InsbürO 2017, 98, 100; G. Pape, ZInsO 2019, 57, 61; Stephan, in: FS Vallender, S. 639, 653 f.) ist insoweit nachvollziehbar. 1182 Jäger, ZVI 2012, 177, 183. 1183 Jäger, ZVI 2012, 177, 183. 1184 Jäger, ZVI 2012, 177, 183; in diesem Sinne auch die Fraktion der FDP, siehe BTDrucks. 17/13535, S. 26.

A. Änderungen der finanziellen Anforderungen

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spruch auf eine verkürzte Restschuldbefreiung,1185 weshalb der Einwand1186 fehlgeht, die Quotenlösung sei ungerecht, weil sie ein Zweiklassensystem schaffe. Dennoch ist dieser Kritik zuzugestehen, dass die Quotenlösung nicht frei von Gerechtigkeitsproblemen ist. Sind die überobligatorischen Anstrengungen als Differenzierungskriterium für die Verkürzung zwar nicht zu beanstanden, stellt sich aber angesichts der oben dargestellten Realitäten die Frage, warum es gerechtfertigt erscheint, dem Schuldner die Privilegierung aufgrund eigentlich obligatorischer Leistungen zuteilwerden zu lassen.1187 Insoweit wird tatsächlich der Gutverdiener gegenüber einem einkommensschwachen Schuldner mit zahlreichen Unterhaltsverpflichtungen unberechtigterweise bevorzugt. Ebenso ist in diesem Zusammenhang zu fragen, weshalb ein Schuldner, dem es gelingt, ein ausreichend großes unbelastetes Bestandsvermögen bis zum Eintritt in das Insolvenzverfahren zu verteidigen, nach drei Jahren schuldenfrei ist, wohingegen ein anderer Schuldner, der sein gleich großes Vermögen schon vor Verfahrensbeginn zur schnellstmöglichen Befriedigung der Gläubiger eingesetzt hat, sechs bzw. fünf Jahre warten muss.1188 Die Quotenlösung des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO ist aber nicht nur deshalb problematisch, weil sie genuin obligatorische Leistungen honoriert, sondern auch, weil sie eigentliche Fremdleistungen belohnt. Gelangt der Schuldner etwa an einen besonders engagierten Insolvenzverwalter, der das vorhandene Vermögen gut verwertet und dadurch eine hohe Befriedigung erzielt, so kann er ohne eigene Anstrengung in den Genuss der Verkürzung kommen.1189 Unverständlich erscheint es in diesem Zusammenhang außerdem, dass der Gesetzgeber ein Verwandtendarlehen als überobligationsmäßige Leistung versteht.1190 Räumen Verwandte dem Schuldner die Möglichkeit ein, seine Schulden unter günstigeren Konditionen zurückzuzahlen, ist darin eine Fremdleistung zu erblicken, die noch dazu das Ergebnis von Glück und Zufall1191 ist. Im Übrigen sollte es nicht der gesetzgeberische Anspruch sein, ein 1185 A. A. wohl Beck, ZVI 2012, 223, 233. Jedoch ist immer zu beachten, dass es um die gesetzliche Restschuldbefreiung geht. Auch den Schuldnern, die nicht in der Lage sind, die Verkürzungsmöglichkeit zu erreichen, steht es frei, einzelfallgerechte Lösungen über die Instrumente der außergerichtlichen Einigung oder des Insolvenzplans herbeizuführen. 1186 Siehe oben S. 213 f. 1187 In diesem Sinne auch Nocke, FLF 2012, 157, 159, die im Zusammenhang mit denjenigen Schuldnern, die die Quote auch ohne Verkürzungsanreiz erreichen, erklärt, dass der Laufzeitreduktion kein Verhalten des Schuldners gegenüber stehe, das eine derartige Privilegierung verdiene; (zur Quotenlösung des DiskE 2006) Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 186. 1188 Stephan, ZVI 2012, 85, 86 f.; zum DiskE 2006 Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 185 f.; in diese Richtung auch Heyer, ZVI 2017, 45, 49. 1189 Heyer, Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 14.1.2013, Protokoll Nr. 110 S. 30; ders., ZVI 2019, 3, 5. 1190 Siehe BT-Drucks. 17/11268, S. 14; kritisch auch Beck, ZVI 2012, 223, 226; Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 94. 1191 So Beck, ZVI 2012, 223, 226 („Der Schuldner, der nicht über entsprechende Verwandtschaftsverhältnisse verfügt, wird bestraft, ohne dass man ihm vorwerfen kann, er habe

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Anreizsystem auf solchen Zuflüssen aufzubauen.1192 Zum einen ist – wie oben bereits dargestellt1193 – die Inklusion des Schuldners gefährdet. Zum anderen kann das Ausüben faktischen Drucks auf Verwandte jedenfalls dann nicht gebilligt werden, wenn diese durch das Vorschießen finanzieller Mittel selbst in eine wirtschaftliche Schieflage geraten.1194 Festzuhalten ist, dass die Ursache für die Ungleichbehandlungsdefizite innerhalb der Grundkonzeption des Anreizsystems darin liegt, dass es auf die Quote der Befriedigung abstellt.1195 Eine gerechte Lösung müsste stattdessen den wirklichen individuellen Verdienst des Schuldners, der oberhalb dessen liegt, was er ohnehin zu leisten hat, honorieren. Die jetzige Regelung ist dagegen der Akzeptanz des Instituts der Restschuldbefreiung abträglich – auf Schuldnerseite wie auch auf Gläubigerseite. (2) Verfahrensverkürzung in Abhängigkeit von einer Verfahrenskostendeckung (§ 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO) Mit § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO hatte der Gesetzgeber zunächst diejenigen Schuldner im Blick, die erhebliche Anstrengungen zwecks Erreichung der Mindestbefriedigungsquote aufgebracht haben, diese jedoch gleichwohl verfehlen.1196 Diesen Schuldnern die Aussicht auf eine weitere Verkürzungsmöglichkeit aufrechtzuerhalten und auf diese Weise zu signalisieren, dass ihre Bemühungen nicht umsonst waren, ist ein legitimes Anliegen. Dieses ist auch aus Gläubigerperspektive zu befürworten, weil es grundsätzlich dazu geeignet ist, die Motivation des Schuldners im Gläubigerinteresse aufrechtzuerhalten. Statt auf ein befriedigungsabhängiges Differenzierungskriterium zu setzen, wurde die zweite Stufe der Verfahrensverkürzung allerdings von der Begleichung der Verfahrenskosten abhängig gemacht, um auf diese Weise höhere Rückflüsse im Rahmen der Kostenstundung herbeizuführen.1197 Ist auch die Entlastung der Staatskasse grundsätzlich ein berechtigter Regelungszweck, so sind allerdings die Legitimationserwägungen, die der Gesetzgeber gegenüber den Gläubigerbelangen angestellt hat, nicht frei von Widersprüchen. keine überobligatorischen Anstrengungen unternommen“); Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2177; Lissner, ZInsO 2020, 132, 134. 1192 So auch Brockfeld, Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 14.1.2013, Protokoll Nr. 110 S. 31. 1193 Siehe S. 218. 1194 Bedenken im Hinblick auf das Ausüben faktischen Drucks äußert auch Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 185; kritisch bzgl. des vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Einsatzes von Drittmitteln Frind, ZInsO 2012, 668, 674; Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2177. 1195 Heyer, Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 14.1.2013, Protokoll Nr. 110 S. 30.; vgl. ders., ZVI 2019, 3. 1196 BT-Drucks. 17/11268, S. 30. 1197 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 30.

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Der Einwand, die Gläubiger könnten im sechsten Jahr ohnehin nicht mit nennenswerten Zahlungen des Schuldners rechnen, ist in dieser Undifferenziertheit nicht haltbar.1198 Zugegebenermaßen trifft es zunächst zu, dass die einjährige Verfahrensverlängerung für die Gläubiger in den Fällen, in denen es einem einkommensschwachen Schuldner gelingt, die gestundeten Verfahrenskosten zurückzuzahlen, keinen unmittelbaren Mehrwehrt hat. Sie verlieren zwar die Aussicht, dass sich die finanzielle Einkommens- und Vermögenssituation des Schuldners in dem Jahr verbessert. Dass sich in einem Jahr insoweit ein grundlegender Wandel einstellt, bleibt aber eine abstrakte Chance. Unter Berücksichtigung der fortlaufenden Verfahrenskosten und Verwaltungsaufwendungen der Gläubiger und dem Interesse des Schuldners an einem schnellen Neuanfang erscheint die einjährige Verkürzung in solchen Fällen gerechtfertigt. Ungeachtet dessen sind aber gerade auch diejenigen Schuldner Zielgruppe der Regelung, die die 35-Prozent-Quote (nur knapp) verpasst haben. Sie verfügen typischerweise über ein pfändbares Einkommen, so dass die Gläubiger auch im sechsten Jahr der Wohlverhaltensperiode mit Zahlungen auf ihre Forderungen rechnen können. Die Argumentation des Gesetzgebers geht außerdem bei einem solchen Schuldner fehl, der im Laufe der Wohlverhaltensperiode eine Arbeitsstelle gefunden hat und am Ende dieses Zeitraums eine Gehaltserhöhung erwartet. Hier hat sich die anfängliche Hoffnung der Gläubiger auf Befriedigung zu einer reellen Chance verdichtet. In diesen Fällen bedeutet die Verkürzung somit erneut einen Einschnitt in das Recht der Gläubiger auf eine bestmögliche Befriedigung. Nicht schlüssig ist es außerdem, wenn es in den Gesetzesmaterialien heißt, dass es gerechtfertigt sei, die Verkürzung lediglich von der Begleichung der Verfahrenskosten abhängig zu machen, weil die Stundung eine Gläubigerbefriedigung erst ermögliche.1199 Dies lässt nämlich unberücksichtigt, dass in dem Fall, in dem eine Verfahrensverkürzung i. S. d. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO auf der Rückzahlung gestundeter Verfahrenskosten beruht, eine Gläubigerbefriedigung in der Regel ausbleibt.1200 Es liegt die Vermutung nahe, dass es dem Gesetzgeber nicht darum ging, dem Interesse der Gläubiger an einer möglichst umfassenden Regulierung ihrer Forderungen zur Durchsetzung zu verhelfen. Vielmehr erschien er an der Einbringung seiner eigenen Forderungen als Massegläubiger interessiert zu sein.1201 Die innere Berechtigung einer Vorschrift, die allein dazu dient, die gestundeten Verfahrenskosten zurückzuzahlen, erscheint jedoch fragwürdig. Eine solche macht die Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens zum bloßen Selbstzweck.1202 1198

Kritisch auch Jäger, ZVI 2014, 223, 227. BT-Drucks. 17/11268, S. 30 f. 1200 So auch Jäger, ZVI 2014, 223, 227. 1201 Jäger, ZVI 2014, 223, 227 (Der Gesetzgeber weiche vom Grundprinzip der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zugunsten eines verkappten Fiskusprivilegs ab); ders., ZVI 2012, 177, 184. 1202 Jäger, ZVI 2012, 177, 184. 1199

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

III. Ergebnis Änderungen der finanziellen Anforderungen Die vorstehenden Untersuchungen haben ergeben, dass die Reformen des Restschuldbefreiungsrechts aus den Jahren 2001 und 2014 die finanziellen Anforderungen, die der Schuldner ursprünglich auf dem Weg zur Restschuldbefreiung erfüllen musste, maßgeblich auf Kosten der Gläubiger reduziert haben. Den ersten Schritt machte dabei das InsOÄndG 2001, durch das für einkommensund vermögenslose Schuldner die Möglichkeit der Verfahrenskostenstundung an die Stelle der generellen Pflicht zur Begleichung der Verfahrenskosten trat. Mit dieser Änderung wurde zum einen von der ursprünglichen Maxime, dass eine „Entschuldung zum Nulltarif“ ausgeschlossen sei, abgerückt. Zum anderen manifestierte der Gesetzgeber die Aufgabe seiner früheren Vorstellung, dass die Restschuldbefreiung nur eine Art „Draufgabe“ auf das Insolvenzverfahren sei und es daher keine Rolle spiele, wenn solchen Schuldnern, die die Verfahrenskosten nicht aufbringen können, das Verfahren auch nicht zur Verfügung stehe.1203 Diese Grundsatzänderung stellte sich auf Schuldnerseite als entscheidende Weichenstellung dar. Die Kostenhürde konnte dem Verfahrenszugang nicht länger entgegenstehen, so dass auch den aller bedürftigsten Schuldnern ein Ausweg aus der lebenslangen Überschuldung aufgezeigt wurde. Für die Gläubiger besaß die Neuausrichtung hingegen vor allem deshalb Relevanz, weil sie es in erster Linie waren, die das sozialpolitisch motivierte Ziel des Gesetzgebers, Chancengleichheit im gesetzlichen Restschuldbefreiungsverfahren herzustellen, finanzierten. So war die Stundungslösung in ein Gesetz aufgenommen worden, das der Berichtigung der Kosten des Insolvenzverfahrens einschließlich der in der Wohlverhaltensperiode anfallenden Verfahrenskosten absolute Priorität – insbesondere noch vor der Befriedigung der Gläubiger – einräumt.1204 Angesichts dieses Ausgangspunkts und der Tatsache, dass seit Einführung der Kostenstundung typischerweise Schuldner ohne verbliebene finanzielle Reserven in das Verfahren gelangen, verlagerte sich insgesamt der Schwerpunkt des Zwecks der Verfahrensdurchführung: Sollte ursprünglich das gesamte Verfahren auch für die Gläubiger einen Vorteil bringen,1205 dient es seither in den meisten Fällen nicht mehr auch der Haftungsrealisierung, sondern ausschließlich der eigenen Kosteneinbringung, um dem Schuldner eine Restschuldbefreiung zu ermöglichen. Der in den Folgejahren nach der Reform 2001 unternommene legislative Versuch, sich durch eine völlige Neugestaltung des Entschuldungsverfahrens wieder zu den Ursprungsprinzipien zurückzubesinnen, scheiterte. Gesetzgeberische Tendenzen zu einer schuldnerfreundlichen Rechtsgestaltung zeigen sich weiterhin im Bereich derjenigen finanziellen Anforderungen, die die Verfahrensdauer betreffen. Bereits das InsOÄndG 2001 sah einen schnelleren Neustart für den Schuldner vor. Indem einerseits der Beginn der Abtretungsfrist auf 1203 1204 1205

G. Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 41 Rn. 4. Wenzel, in: KPB-InsO, § 286 Rn. 3e. BT-Drucks. 12/2443, S. 100 f.

A. Änderungen der finanziellen Anforderungen

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den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorverlagert und andererseits die Abtretungsfrist auf sechs Jahre verkürzt wurde, reduzierte sich die Verfahrenslänge im Vergleich zur Ursprungsfassung der InsO maßgeblich. Seit der Novelle 2014 kann die Abtretungsfrist sogar nur noch drei bzw. fünf Jahre andauern, was allerdings voraussetzt, dass der Schuldner eine Gegenleistung in Form der Zahlung der Mindestbefriedigungsquote in Höhe von 35 Prozent und/oder der Verfahrenskosten erbringt. Die genannten Maßnahmen bedeuten allesamt, dass der Schuldner weniger lange seine gesamten Kräfte im Gläubigerinteresse mobilisieren muss. Mit einem rascheren fresh start ist für die Gläubiger deshalb immer auch die nachteilige Folge verbunden, dass der Zeitraum, in dem der Schuldner pfändbare Bezüge erwirtschaften bzw. Neuerwerb in Gestalt des hälftigen Erbschaftsanteils erlangen kann, geschmälert wird. Zwar sollte mit der quotenabhängigen Verkürzungsmöglichkeit des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO ein Anreizmodell im Gläubigerinteresse etabliert werden. Seine Funktionalität als Instrument zur Erhöhung der Befriedigungschancen der Gläubiger ist indes eingeschränkt, weil es auf eine pauschalierte Quote setzt, statt eine solche im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen. Dies führt auf der einen Seite dazu, dass sie in manchen Fällen deutlich zu hoch ist und ihre Anreizwirkung zugunsten der Gläubiger von vornherein nicht entfalten kann. Umgekehrt ist sie aber in anderen Fällen zu gering und wirkt sich dadurch zu Lasten der Gläubiger aus, weil die Regelung insgesamt unberücksichtigt lässt, dass es leistungsfähige Schuldner gibt, die mehr zahlen können, als die Quote suggeriert.1206 Liegt dem Anreizsystem eigentlich der legitime Gedanke zugrunde, dass sich derjenige, der Mehrleistungen erbringt, weniger lange „bewähren“ muss, bewirkt es letztlich, dass auch eigentliche Fremdbeiträge oder obligatorische Leistungen privilegiert werden. Insoweit haben neue Ungleichbehandlungsdefizite Eingang in die §§ 286 ff. InsO gefunden. Die weitere Verkürzungsmöglichkeit des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO verdeutlicht einmal mehr, dass die Suche des Gesetzgebers nach einem Verfahren, das akzeptable Quoten für die Gläubiger bereithält, insgesamt recht halbherzig geführt wird und ohnehin gegenüber dem Ziel, das Verfahren finanzierbar zu halten, hintansteht. Die Senkung der finanziellen Anforderungen beschränkt sich in seinen Auswirkungen allerdings nicht nur auf das gesetzliche Entschuldungsverfahren, sondern strahlt auch auf den außergerichtlichen Bereich aus. So führte etwa die Einführung der Kostenstundung dazu, dass Dritte keinen Anlass mehr hatten, den Verfahrenskostenvorschuss für den Schuldner zu entrichten. Daher wird dieser Betrag den Gläubigern auch nicht länger als Einmalzahlung im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung angeboten. Zudem folgen Pläne und Vergleichsangebote der Formel „pfändbares Schuldnereinkommen mal Dauer der Wohlverhaltensperiode“,1207 und gehen regelmäßig nicht über das hinaus, was die Gläubiger im gesetzlichen Restschuldbefreiungsverfahren erwarten können. Angesichts der Verkürzung der Ver1206 Vgl. Hirte, Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 14.1.2013, Protokoll Nr. 110 S. 5. 1207 Reifner/Springeneer, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz, S. 12.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

fahrensdauer und der Einführung einer Mindestbefriedigungsquote mussten die Gläubiger deshalb auch Verluste im außergerichtlichen Bereich hinnehmen.

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen Im Weiteren werden die Änderungen in den Blick genommen, die die Redlichkeitsvoraussetzungen im Laufe der Reformen erfahren haben. Dabei soll sich zunächst den Regelungen des Kostenstundungsrechts gewidmet werden. Der zweite Schwerpunkt liegt auf der Einführung der Sperrfristen i. S. d. § 287a Abs. 2 InsO. Schließlich sind die weiteren punktuellen Modifikationen, die durch die Novelle 2014 im Bereich der Redlichkeitsvorschriften getroffen wurden, in den Blick zu nehmen.

I. Redlichkeit im Kostenstundungsrecht 1. Vorgezogene gerichtsautonome Redlichkeitsprüfung a) Die gesetzliche Regelung des § 4a Abs. 1 S. 4 InsO Seit Einführung der Stundungsregeln im Wege des InsOÄndG 2001 ist der Befund von Redlichkeit des Schuldners i. S. d. § 1 S. 2 InsO nicht nur für die Erteilung der Restschuldbefreiung nötig. Vielmehr bedarf es seiner bereits vor Insolvenzeröffnung für die Stundung der Verfahrenskosten nach § 4a InsO.1208 Eine Finanzierung des Verfahrens auf Staatskosten ist gem. § 4a Abs. 1 S. 3 und 4 InsO gesetzlich ausgeschlossen, wenn ein Versagungsgrund i. S. d. § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat) vorliegt. In den Verfahren, die bis zum 30.6.2014 beantragt worden sind, gilt das Gleiche, wenn der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. (frühere Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung) gegeben ist.1209 Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO wurde im Wege der Reform 2014 aufgehoben und durch die Zulassungsentscheidung des § 287a InsO ersetzt. Daher musste auch die Verweisung in § 4a Abs. 1 S. 3 InsO auf § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. gestrichen werden.1210 Die Redlichkeitskontrolle im Stundungsrecht zeichnet sich dadurch aus, dass das Gericht das Vorliegen der in § 4a Abs. 1 S. 3 InsO genannten Versagungsgründe nicht auf einen Gläubigerantrag hin überprüft, sondern von Amts wegen ermittelt.1211 Die 1208 Becker, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 1 Rn. 26; Heyer, ZVI 2012, 130, 131 (Vorgezogene Redlichkeitsprüfung im Hinblick auf die Restschuldbefreiung). 1209 Wenzel, in: KPB-InsO, § 4a Rn. 42. 1210 Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 250. 1211 Vgl. Wenzel, in: KPB-InsO, § 4a Rn. 47.

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

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Prüfungsintensität ist dabei auf eine kursorische Prüfung beschränkt.1212 Maßgeblich ist, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass es zu einer Restschuldbefreiung kommt, was bereits zu verneinen ist, wenn die Voraussetzungen für den jeweiligen Versagungsgrund gegeben sind.1213 Dagegen ist es für die kursorische Prüfung des Gerichts unerheblich, ob schon zu diesem Zeitpunkt ein Gläubiger signalisiert, er wolle einen Antrag nach § 290 InsO stellen und er könne einen Versagungsgrund auch glaubhaft machen.1214 Weil es somit auch nicht darauf ankommt, ob sich die Gläubiger möglicherweise bewusst gegen eine Geltendmachung der Versagungsgründe entscheiden, bedeutet dies letztlich, dass im Stundungsrecht der sonst im Versagungssystem geltende Grundsatz der Gläubigerautonomie durchbrochen wird.1215 Diese unterschiedliche Konzeption gründet daher, dass im Rahmen der Stundung gerade nicht die Rechte der Gläubiger als wirtschaftlich Betroffene in Rede stehen, die nach dem Willen des Gesetzgebers entscheiden können sollen, ob sie auch einem unredlichen Schuldner Restschuldbefreiung gewähren wollen. In diesem Zusammenhang ist die Redlichkeitskontrolle vielmehr aus dem Grund legitimiert, dass sich ein vom Steuerzahler finanziertes Verfahren verbietet, wenn bereits von vornherein feststeht, dass später die Restschuldbefreiung mangels Redlichkeit des Schuldners nicht erlangt werden kann.1216 Es geht somit ausschließlich um den Schutz der Interessen der Staatskasse.1217 Infolgedessen unterliegt der Einsatz staatlicher Ressourcen auch nicht der Gläubigerautonomie, sondern ist in die Zuständigkeit des Gerichts gestellt.1218 Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass bei der typischen Vermögens- und Einkommenssituation eines Schuldners in einem masselosen Verbraucherinsolvenzverfahren die Gläubiger in aller Regel weder vor oder im Insolvenzverfahren noch während der Wohlverhaltensperiode Aussicht auf Befriedigung ihrer Forderungen haben.1219 Das gesamte Verfahren ist für sie damit letztlich ohne Bedeutung und wird ausschließlich im Interesse des Schuldners auf Kosten der Staatskasse durchgeführt.1220 Der Verzicht auf das Erfordernis des Versagungsantrags eines Gläubigers ist mithin auch deshalb gerechtfertigt, weil die Interessen des Schuldners

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BT-Drucks. 14/5680, S. 20; Dawe, ZVI 2014, 433, 435. BT-Drucks. 14/5680, S. 20. Es besteht eine Parallele zu der bei der Prozesskostenhilfe notwendigen „hinreichenden Erfolgsaussicht“ (vgl. § 114 ZPO). 1214 BT-Drucks. 14/5680, S. 20. 1215 So auch Heyer, ZVI 2016, 129. 1216 Vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 20. 1217 Das heißt, es geht um die Interessen aller „Steuerzahler, die über § 4b InsO ,Gesamtgläubiger‘ sind und nur eine eingeschränkte Erwartung auf Rückfluss der aufgewandten Mittel haben“, so treffend Frind, ZInsO 2015, 542, 544. 1218 Frind, ZInsO 2015, 542, 543 f.; Wenzel, in: KPB-InsO, § 4a Rn. 47. 1219 Wenzel, in: KPB-InsO, § 4a Rn. 48. 1220 Wenzel, in: KPB-InsO, § 4a Rn. 48; vgl. Dawe, ZVI 2014, 433, 435. 1213

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andernfalls unangemessen höher gewichtet würden als das Interesse an der Verhinderung eines Missbrauchs des Einsatzes öffentlicher Mittel.1221 b) Die erweiternde Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof1222 ist über die gesetzlich beschriebenen Ausschlussgründe noch deutlich hinausgegangen.1223 Nach seiner sog. Vorwirkungsrechtsprechung ist der Verweis in § 4a Abs. 1 S. 4 InsO a. F. auf die Versagungsgründe der § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO (a. F.) nicht als abschließend zu verstehen. Eine Ablehnung der Stundung solle stattdessen bei allen Versagungsgründen des § 290 Abs. 1 InsO in Betracht kommen, sofern sie bloß zum Zeitpunkt der Stundungsbewilligung zweifelsfrei vorlägen.1224 Zur Begründung führt er aus, dass in den gesetzlich nicht geregelten Fällen die Verwendung öffentlicher Mittel genauso wenig gerechtfertigt sei wie in den Fällen der § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO. Indem sie das Gericht bei der Entscheidung über die Stundungsgewährung dazu anhält, offenkundige Versagungsgründe zu berücksichtigen und inzident von Amts wegen darüber zu entscheiden, lässt die Vorwirkungsrechtsprechung den Grundsatz der Gläubigerautonomie weiter an Bedeutung einbüßen und bewegt sich hin zu einer Versagung der Restschuldbefreiung von Amts wegen.1225 Zwar ist die Nichtgewährung der Stundung nicht mit der Restschuldbefreiungsversagung gleichzusetzen, weshalb streng genommen noch nicht von einer Versagung der Restschuldbefreiung von Amts wegen gesprochen werden kann.1226 De facto hat sie aber das gleiche Ergebnis zur Folge, weil das Insolvenzverfahren lediglich noch eröffnet werden kann, wenn der Schuldner die Kosten selbst aufbringt.1227 Dies kommt in masselosen Fällen aber typischerweise nicht in Betracht, wenn der Schuldner nicht ausnahmsweise auf die Hilfe Dritter zurückgreifen kann. Die Nichtgewährung der Stundung bedeutet damit in aller Regel auch den Ausschluss von der Möglichkeit zur Restschuldbefreiung. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt mithin wieder eine Art Zugangsschranke ein. Sie ist vor dem Hintergrund des Allgemeinziels der sparsamen Mittelverwendung jedoch nur folgerichtig. Die unterschiedliche Interessenlage im Kostenstundungsrecht und in den §§ 286 ff. InsO rechtfertigt auch hier die weitere

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Wenzel, in: KPB-InsO, § 4a Rn. 48. BGH ZVI 2015, 458 ff.; BGH ZVI 2011, 212 f.; BGH NZI 2005, 232 f. 1223 Heyer, ZVI 2012, 130, 131; Wimmer, ZVI 2012, 160, 163; näher dazu mit umfassenden Nachweisen Wenzel, in: KPB-InsO, § 4a Rn. 45 f. 1224 Vgl. zu möglichen Anwendungsfällen Ganter/Bruns, in: MüKo-InsO, § 4a Rn. 17. 1225 Heyer, ZVI 2012, 130, 131. 1226 Heyer, ZVI 2012, 130, 131. 1227 Heyer, ZVI 2012, 130, 131, der das Ergebnis daher als „kleines Versagungsrecht“ bezeichnet. Näher zur Verfahrensweise Frind, ZInsO 2015, 542 f. 1222

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Zurückdrängung der Gläubigerautonomie.1228 Im Übrigen muss eine Kostenübernahme schon allein wegen des Befunds der Unredlichkeit ausscheiden. So wäre es nicht zu erklären, weshalb die Allgemeinheit mit Kosten für ein Verfahrensergebnis belastet werden darf, das den gesetzlichen Zielen der Insolvenzordnung widerspricht.1229 Ein anderes Ergebnis würde die notwendige allseitige Akzeptanz des Instituts der Restschuldbefreiung gefährden.1230 2. Etablierung eigener Stundungsredlichkeitsanforderungen a) Die gesetzliche Regelung des § 4c InsO Mit den Stundungsaufhebungsgründen i. S. d. § 4c InsO wurden zudem neue Redlichkeitsanforderungen geschaffen, die ausschließlich für Verfahren mit Kostenstundung gelten. Dementsprechend sind sie auch inhaltlich auf das Stundungsrecht zugeschnitten. Es handelt sich in erster Linie um spezielle Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten (Nr. 1 bis 4), die im Zusammenhang mit der Stundungsgewährung oder der Rückzahlung der gestundeten Verfahrenskosten stehen und den Schuldner zu ordnungsgemäßer Mitarbeit sowie Förderung des Verfahrens anhalten sollen.1231 Entsprechend der obigen Grundsätze zu § 4a InsO geht es auch im Rahmen des § 4c InsO nicht um den Schutz der Insolvenzgläubiger, sondern um den Schutz der Staatskasse.1232 Den Schuldner trifft etwa eine Erwerbsobliegenheit (§ 4c Nr. 4 InsO), weil der Einsatz öffentlicher Mittel für ein mit dem Ziel der Restschuldbefreiung betriebenes Insolvenzverfahren nur dann gerechtfertigt ist, wenn auch er erhebliche Anstrengungen unternimmt, um für die Verfahrenskosten aufzukommen.1233 Verstöße gegen die stundungsbezogenen Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten werden deshalb aus den gleichen Erwägungen wie bei § 4a InsO auch von Amts wegen geahndet. Eines Gläubigerantrags bedarf es nicht.1234 Eine Besonderheit stellt lediglich § 4c Nr. 5 InsO dar, dem ein Versagungsantrag eines Gläubigers als Tatbestandsmerkmal inhärent ist, weil dieser Aufhebungsgrund sich an der Versagung der Restschuldbefreiung orientiert.1235 Der Gesetzgeber sah

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Dafür auch Frind, ZInsO 2015, 542, 543 f.; a. A. Dawe, ZVI 2014, 433, 437. Vgl. auch Heyer, ZVI 2012, 130, 131; in diesem Sinne auch I. Pape, NZI 2005, 594. Es gilt zu bedenken, dass es sich um einen Schuldner handelt, der ersichtlich nicht die Verfahrensregeln beachten will, Frind, ZInsO 2015, 542, 545. 1230 Vgl. Heyer, ZVI 2012, 130, 133. 1231 Vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 22. 1232 Frind, ZInsO 2015, 542, 544. 1233 BT-Drucks. 14/5680, S. 23. Lediglich ergänzend fügt die Gesetzesbegründung hinzu, dass der Schuldner auch eine möglichst optimale Befriedigung der Gläubiger anzustreben habe. 1234 Vgl. Frind, ZInsO 2015, 542, 544. Zum Aufhebungsverfahren und den Folgen einer Aufhebung der Stundungsbewilligung siehe bereits oben S. 171 f. 1235 Frind, ZInsO 2015, 542, 544. 1229

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ausweislich der Gesetzesbegründung1236 davon ab, die Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 InsO oder einen Verstoß gegen die § 295 Abs. 1 InsO genannten Obliegenheiten als selbständige Aufhebungsgründe auszugestalten. Stattdessen beließ er es dabei, dass jene Redlichkeitsanforderungen des Restschuldbefreiungsverfahrens ausschließlich gläubigerautonom überprüft werden können. Seine Entscheidung begründete er damit, dass es nicht geboten erscheine, die Stundung aufzuheben, wenn die unmittelbar von einer Restschuldbefreiung betroffenen Gläubiger diesen Verstoß des Schuldners als nicht so schwerwiegend einstufen, um die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen. Darüber hinaus sah er keine dahingehende Notwendigkeit, weil sich auch nach der vorgeschlagenen Fassung ein vergleichbares Ergebnis wie bei einer ausdrücklichen Festlegung als Aufhebungsgrund erreichen lasse.1237 b) Die Ausweitung des § 4c Nr. 5 InsO durch den Bundesgerichtshof In Anlehnung an seine Rechtsprechung zu § 4a InsO ging der Bundesgerichtshof1238 allerdings auch über die gesetzlich beschriebenen Aufhebungsgründe des § 4c InsO hinaus und statuierte die Befugnis des Insolvenzgerichts, die bewilligte Stundung der Verfahrenskosten gem. § 4c Nr. 5 InsO ohne vorherige Versagung bzw. ohne vorherigen Widerruf der Restschuldbefreiung aufzuheben, wenn ein Versagungsgrund zweifelsfrei feststeht.1239 Insbesondere sollte die Möglichkeit eines Vorgriffs1240 auf § 4c Nr. 5 InsO unabhängig davon bestehen, ob ein Gläubiger das Verhalten des Schuldners tatsächlich zum Anlass nimmt, einen entsprechenden Antrag auf Versagung oder Widerruf zu stellen.1241 Dieser Rechtsprechung ist zuzugestehen, dass sich ein voraussehbar fruchtloser Einsatz öffentlicher Mittel im eröffneten Verfahren genauso verbietet wie im Eröffnungsverfahren. Käme eine Aufhebung der Kostenstundung gem. § 4c Nr. 5 InsO erst dann in Betracht, wenn die Restschuldbefreiung tatsächlich versagt ist, käme man zu dem paradoxen Ergebnis, dass – obwohl Gründe für die Versagung der Restschuldbefreiung bereits feststehen – immer bis zum Schlusstermin abgewartet werden müsste, bevor die Stundung aufgehoben werden könnte.1242 Eine Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage sind somit auch im Bereich des § 4c 1236

BT-Drucks. 14/5680, S. 23. BT-Drucks. 14/5680, S. 23. 1238 BGH ZVI 2011, 212 f.; BGH ZInsO 2008, 111 f.; BGH ZInsO 2008, 976; vgl. auch BGH NZI 2009, 615. 1239 G. Pape, ZInsO 2008, 143, 144 f.; Wenzel, in: KPB-InsO, § 4c Rn. 41a. Instanzgerichtlich wurde diese Rechtsprechung auch auf die Fälle des § 295 InsO erstreckt, siehe etwa LG Göttingen ZInsO 2007, 1159 f.; ZInsO 2008, 1032 ff. 1240 Becker, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 4c Rn. 43. 1241 BGH ZInsO 2008, 111, 112; G. Pape, ZInsO 2008, 143, 145; Wenzel, in: KPB-InsO, § 4c Rn. 41a. 1242 G. Pape, ZInsO 2008, 143, 144 f. 1237

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InsO gegeben.1243 Fraglich erscheint lediglich, ob die Rechtsprechung nicht im Gegensatz zu dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers steht. Es könnte mithin an der Planwidrigkeit der Regelungslücke fehlen. Dafür könnte sprechen, dass die Rechtsprechung das zweifelsfreie Vorliegen eines Versagungsgrunds zum Anlass nimmt, zu unterstellen, dass ein Gläubiger im Schlusstermin einen Versagungsantrag stellen wird.1244 Der Gesetzgeber aber wollte die Entscheidung gerade den Insolvenzgläubigern überlassen und diese daher abwarten. Zwar wird man genau wie im Rahmen des § 4a InsO sagen müssen, dass die Entscheidung über den Einsatz staatlicher Mittel eigentlich generell in den Zuständigkeitsbereich des Gerichts fällt,1245 jedoch kam es dem Gesetzgeber bei § 4c Nr. 5 InsO augenscheinlich auf die Wahrung der Gläubigerautonomie an. Er ging davon aus, dass sich bei Verstößen i. S. d. § 290 Abs. 1 InsO bzw. gegen die Obliegenheiten des § 295 InsO ein sachgerechtes Ergebnis auch ohne gerichtsautonome Stundungsaufhebung finden lässt, weil andere Aufhebungsgründe i. S. d. § 4c InsO eingreifen oder die Gläubiger einen entsprechenden Versagungsantrag stellen werden.1246 Erst die praktische Erfahrung mit der Vorschrift des § 4c Nr. 5 InsO hat gezeigt, dass sich in den von § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfassten Fällen obstruktiven oder rein passiven Schuldnerverhaltens „vergleichbare Ergebnisse“ im angedachten Sinne gerade nicht erzielen lassen.1247 Gemeint sind dabei die in der Praxis häufig vorkommenden Sachverhalte, in denen der Schuldner beispielsweise nicht zweifelsfrei für den Insolvenzverwalter erreichbar ist,1248 untertaucht1249 oder keine Auskünfte über seine Arbeitgeber oder die Höhe seines Verdienstes erteilt und pfändbares Einkommen einbehält.1250 Der Gesetzgeber hat nicht vorausgesehen, dass es angesichts der gläubigerautonomen Ausgestaltung des § 4c Nr. 5 InsO, die das Gericht zum Abwarten bis zum Schlusstermin zwingt,1251 oftmals zu einer Situation kommt, die dem Grundsatz der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel und damit der ratio legis der Stundungsvorschriften eklatant entgegenläuft. Diese Fehlannahme ändert allerdings nichts daran, dass der Gesetzgeber für § 4c Nr. 5 InsO eindeutig vorgegeben hat, dass Versagungsgründe und Obliegenheitsverletzungen lediglich zur Aufhebung der Stundung führen können, wenn sie gläubigerseits geltend gemacht wurden. Anders 1243

Siehe auch I. Pape, NZI 2005, 594, 596. G. Pape, ZInsO 2008, 143, 145; I. Pape, NZI 2005, 594, 596. 1245 Zutreffend insoweit I. Pape, NZI 2005, 594, 596; Wenzel, in: KPB-InsO, § 4c Rn. 41a. 1246 BT-Drucks. 14/5680, S. 23. 1247 Kritisch dazu, dass Fälle der fehlenden oder unvollständigen Mitwirkung des Schuldners im Verfahren nicht vom Tatbestand des § 4c InsO erfasst werden auch I. Pape, NZI 2005, 594, 595 f. 1248 I. Pape/G. Pape, InsbürO 2010, 162, 169. 1249 So auch in dem vom BGH entschiedenen Fall (ZInsO 2008, 111). 1250 Stephan, in: K.Schmidt-InsO, § 4c Rn. 29; G. Pape, ZInsO 2008, 143, 145; (Zum letztgenannten Beispiel) I. Pape, NZI 2005, 594, 595. 1251 Bezeichnend G. Pape, ZInsO 2008, 143, 145: „Das Gericht hätte ,sehenden Auges‘ trotz vorliegender Versagungsgründe die Stundung weiter aufrecht erhalten müssen“. 1244

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als im Rahmen des § 4a Abs. 1 S. 3 und 4 InsO sollte der Sparsamkeitsgrundsatz kein gerichtliches Tätigwerden auslösen. Auch wenn diese Konzeption im Hinblick auf den eigenständigen Charakter der Stundungsvorschriften inkonsequent ist1252 und zweifelsohne ein Bedürfnis für eine gerichtsautonome Stundungsaufhebung in Fällen eindeutiger und offensichtlicher Verletzung von Mitwirkungspflichten besteht,1253 muss die Entscheidung des Gesetzgebers akzeptiert werden.1254 Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 4c Nr. 5 InsO im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind daher nicht gegeben.1255

II. Einführung von Sperrfristen (§ 287a InsO) Während die vorstehenden Ausführungen sich auf das Kostenstundungsrecht bezogen, sind nunmehr diejenigen Änderungen in den Blick zu nehmen, die das Redlichkeitssystem der §§ 286 ff. InsO betreffen. Als erste Vorschrift ist § 287a InsO auf ihren dahingehenden Einfluss zu überprüfen. Mit § 287a InsO, der durch das InsOÄndG 2014 eingefügt wurde, tritt die in dieser Vorschrift bestimmte Eingangsentscheidung an die Stelle der in Altverfahren in § 291 Abs. 1 InsO a. F. geregelten Ankündigung der Restschuldbefreiung.1256 In der Eingangsentscheidung befindet das Gericht über die Zulässigkeit des Antrags des Schuldners auf Restschuldbefreiung. Gegenstand dieser Zulässigkeitsprüfung ist neben den allgemeinen und sonstigen besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen1257 das Eingreifen sog. Sperrfristen nach einem gescheiterten Erstverfahren. Um bereits frühzeitig Rechtsklarheit über die tatsächliche Erreichbarkeit der Restschuldbefreiung herzu-

1252 Zu der Auswirkung gesetzgeberischer Umsetzungsfehler auf die Auslegung Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 125 f. 1253 Zutreffend G. Pape, ZInsO 2008, 143, 145 f. 1254 Zum Vorrang des gesetzgeberischen gegenüber dem richterlichen Willen bei der Gesetzesauslegung, Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 48 ff. Instruktiv S. 49: „Die Zuerkennung der Auslegungsmaßstabskompetenz an den Gesetzgeber bedeutet vielmehr viel grundsätzlicher, daß sein Wille für die Auslegung auch dort maßgeblich sein muß, wo es durchaus vernünftige Gründe gäbe, den konkreten Streitfall durch eine hiervon abweichende Auslegung der Norm anders zu entscheiden, als es sich bei Zugrundelegung des gesetzgeberischen Willens ergibt“. 1255 Gegen eine planwidrige Regelungslücke auch Dawe, ZVI 2014, 433, 435; vgl. ders., in: HambK-InsO, § 4c Rn. 6; a. A. I. Pape, NZI 2005, 594, 596, die von einer Möglichkeit zur Lückenfüllung ausgeht und daher die seinerseits im RefE 2004 (NZI 2004, 549) vorgesehene Ergänzung des § 4c InsO um einen entsprechenden Stundungsaufhebungsgrund als entbehrlich ansieht. 1256 Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 1. Zur Rolle der früheren Ankündigung der Restschuldbefreiung im Redlichkeitssystem siehe oben S. 100. 1257 Näher dazu Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, Rn. 611 ff.

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stellen, soll das Insolvenzgericht schon mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens1258 darüber entscheiden, ob der Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens eine bereits innerhalb eines relevanten Zeitraums vor der Antragstellung erteilte oder versagte Restschuldbefreiung entgegensteht.1259 Dazu wurde einerseits der früher in § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO niederlegte Versagungsgrund in § 287a InsO transferiert und andererseits die sog. Nachwirkungsrechtsprechung (auch „Sperrfristrechtsprechung“) des Bundesgerichtshofs teilweise gesetzlich verankert. Mit dieser hatte der Bundesgerichtshof weitere Fallgruppen entwickelt, unter denen ein Zweitverfahren nach einem gescheiterten Erstverfahren unzulässig ist. Jene Rechtsprechung hat § 287a InsO nicht nur entscheidend geprägt und ist für das Verständnis der Norm ganz maßgeblich, sondern besitzt auch möglicherweise noch über den Anwendungsbereich des § 287a InsO hinaus weiterhin Gültigkeit. Daher soll zunächst ein kurzer Überblick über sie gegeben werden, bevor im Anschluss § 287a InsO näher im Hinblick auf seine Rolle im Redlichkeitssystem der §§ 286 ff. InsO zu untersuchen ist. 1. Die Nachwirkungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs Ausgangspunkt der Nachwirkungsrechtsprechung waren die in der Praxis häufigen Fallkonstellationen, in denen der Schuldner in einem ersten Verfahren sein eigentliches Ziel, die Erteilung der Restschuldbefreiung, nicht erreicht hat und daher in einem zweiten Insolvenzverfahren einen weiteren Versuch unternahm.1260 Zwar setzte § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. einer Antragswiederholung bereits Grenzen,1261 allerdings beschränkten diese sich auf die Fälle einer bereits erteilten Restschuldbefreiung bzw. der Versagung der Restschuldbefreiung in einem vorherigen Verfahren nach §§ 296, 297 InsO. War dem Schuldner die Restschuldbefreiung dagegen nach § 290 InsO oder § 298 InsO versagt worden, konnte er ohne gesetzliche Schranke unmittelbar einen erneuten Restschuldbefreiungsantrag stellen. Die Nichtbeachtung dieser Verfahrenspflichten blieb somit folgenlos.1262 Um den Schuldner zu einer lückenlosen Einhaltung seiner Verpflichtungen anzuhalten, 1258 Die Eingangsentscheidung ist vor oder zumindest gleichzeitig mit der Eröffnung des Verfahrens zu treffen und kann mit dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden, Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 1. 1259 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 24. Nach alter Rechtslage war dies erst i. R. d. im Schlusstermin vorzunehmenden Ankündigungsentscheidung möglich. Dies bedeutete ggf., dass der Schuldner das gesamte Insolvenzverfahren durchlaufen musste, obwohl von Anfang an feststand, dass das Ziel der Entschuldung nicht zu erreichen war, Kexel, in: Graf-SchlickerInsO, § 287a Rn. 1. 1260 A. Schmidt, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung (Aufl. 3), S. 1417 Rn. 1. 1261 Dies sowohl im Restschuldbefreiungsverfahren (siehe S. 109 f.) als auch im Stundungsverfahren (siehe S. 228). 1262 Vgl. Dawe, ZVI 2014, 433, 436; Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 243 f.

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entwickelte der Bundesgerichtshof in einer Analogie zu § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. daher eine dreijährige Sperrfrist auch für solche Versagungen im Vorverfahren, die sich auf § 290 Abs. 1 Nr. 4,1263 51264 InsO oder § 298 InsO1265 stützten.1266 In einer weiteren Stufe nahm er Sperrgründe nicht nur für die auf einem Antrag des Gläubigers oder Treuhänders hin versagte Restschuldbefreiung an, sondern auch für die in seinem Sinne „vorwirkenden“ Versagungsgründe (in den konkreten Fällen § 290 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 6 InsO), die zu einer Ablehnung des Stundungsantrags nach § 4a Abs. 1 S. 4 InsO und zu einer Abweisung des Eröffnungsantrags nach § 26 InsO geführt hatten.1267 Sperrfristen wurden schließlich auch für die Missachtung formellen Verfahrensrechts,1268 die Nichtbeachtung verfahrensleitender Verfügungen des Insolvenzgerichts1269 oder für taktische Antragsrücknahmen1270 verhängt.1271 In all diesen Fällen erklärte der Bundesgerichtshof einen erneuten Insolvenz-, Restschuldbefreiungs- und Kostenstundungsantrag für einen Zeitraum von drei Jahren wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig.1272

2. § 287a InsO im System der Redlichkeitsvoraussetzungen a) Konzeption des § 287a InsO Der Reformgesetzgeber hat sich mit § 287a InsO dazu entschieden, drei Arten von Sperrfristen (wiederholte Restschuldbefreiung, Versagung nach § 297 InsO wegen einer Insolvenzstraftat und sonstige Versagungen) zu normieren, die in ihrer je1263

BGH ZInsO 2010, 347 f. BGHZ 183, 13 ff. = ZVI 2009, 422 ff. 1265 BGH ZVI 2013, 427 ff. 1266 Dawe, ZVI 2014, 433, 436; Stephan, ZVI 2012, 85, 89. Von der Vorwirkungsrechtsprechung unterscheidet sich diese Judikatur insofern, als Erstere Fehlverhalten des Schuldners in ein und demselben Insolvenzverfahren ahndet, während Letztere Fehlverhalten auch in einem künftigen Insolvenzverfahren sanktioniert, Dawe, ZVI 2014, 433, 436. 1267 BGH ZInsO 2010, 783 f.; BGH ZInsO 2010, 587 f.; BGH ZVI 2010, 100 f.; Dawe, ZVI 2014, 433, 436. 1268 BGH ZInsO 2010, 140 f. (Verwerfung eines Restschuldbefreiungsantrags als unzulässig). 1269 BGH ZVI 2014, 450 f. (Fiktion der Antragsrücknahme nach § 305 Abs. 3 S. 2 InsO); BGH ZVI 2010, 101 f. (Trotz gerichtlichen Hinweises unterlassener Antrag auf Restschuldbefreiung im Erstverfahren). 1270 BGH ZVI 2011, 291 f. (Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags, um einem Versagungsantrag eines Gläubigers zuvorzukommen); BGH ZVI 2014, 181 f. (Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags, um bei Neuverschuldung einen erneuten Restschuldbefreiungsantrag zu stellen); BGH ZInsO 2011, 2198 (Antragsrücknahme nach Versagung der Kostenstundung wegen eines Verstoßes gegen Mitwirkungspflichten i. S. d. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO). 1271 Vgl. Dawe, ZVI 2014, 433, 436; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 26. 1272 Ahrens, in: Kohte/Ahrens/Grote/Busch (Aufl. 6), § 290 Rn. 37; vgl. BGH NZI 2017, 627. 1264

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weiligen Länge abgestuft sind.1273 So erklärt § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 1 InsO den Antrag auf Restschuldbefreiung auf einer ersten Stufe für unzulässig, wenn dem Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt worden ist. § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 2 InsO sieht als zweite Stufe die gleiche Rechtsfolge vor, wenn ihm die Restschuldbefreiung in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag nach § 297 InsO versagt worden ist. Schließlich bestimmt § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO auf dritter Stufe die Unzulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags, wenn dem Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 oder 7 InsO oder nach § 296 InsO versagt worden ist. Gleiches gilt im Falle des § 297a InsO,1274 wenn die nachträgliche Versagung auf Gründe nach § 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 oder 7 InsO gestützt worden ist. b) Nichteingreifen von Sperrfristen als Redlichkeitsvoraussetzung Mit § 287a InsO ist das Nichteingreifen von Sperrfristen nunmehr zwingende Voraussetzung eines zulässigen Restschuldbefreiungsantrags und somit auch einer erfolgreichen Entschuldung. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob die Norm auf diese Weise wirklich eine neue Redlichkeitsanforderung aufstellt oder sie nur auf bereits bestehende Redlichkeitsanforderungen einwirkt. aa) Facetten der Redlichkeit Aufschluss könnten insoweit die § 287a InsO zugrundeliegenden Redlichkeitsfacetten geben. Die Antragssperren stellen sicher, dass eine Restschuldbefreiung nach einem gescheiterten Erstversuch nicht leichtfertig in Angriff genommen werden kann.1275 In § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 1 InsO wird daher die missbräuchliche Verfahrenswiederholung sanktioniert. Diese Redlichkeitsfacette ist nicht neu, sondern lag auch schon § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 InsO a. F. zugrunde,1276 der lediglich in § 287a InsO transferiert wurde. Hier wie dort sieht es der Gesetzgeber als missbräuchlich und daher unredlich an, dass ein Schuldner, der die Rechtswohltat eines

1273

Ahrens, in: FK-InsO, § 287a Rn. 28. Für das Eingreifen einer entsprechenden Sperrfrist ist es somit unerheblich, ob der Versagungsantrag des Gläubigers bis zum Schlusstermin oder bei nachträglich bekannt gewordenen Versagungsgründen erst nach dem Schlusstermin gestellt wurde, Preuß, in: JaegerInsO, § 287a Rn. 17. Zur Einführung des § 297a InsO im Wege des InsOÄndG 2014 siehe unten S. 265 ff. 1275 G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2721. 1276 Siehe oben S. 130 f. 1274

238

3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

gesetzlichen Schuldenschnitts bereits einmal erlangt hat, die Restschuldbefreiung zur wiederholten Verminderung seiner Schuldenlast einsetzt.1277 Auch in § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 2 InsO sowie § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO geht es um die missbräuchliche Inanspruchnahme des Verfahrens. Ein Missbrauchsvorwurf wird dem Schuldner in diesem Zusammenhang deshalb gemacht, weil er trotz einer bereits versagten Restschuldbefreiung erneut das Verfahren durchlaufen möchte. Soweit § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 2 InsO und § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 2 InsO in Rede stehen, sind auch in diesen Tatbeständen keine neuen Redlichkeitsfacetten verankert, da sie wiederum § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. entspringen.1278 Der § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 InsO a. F. zugrundeliegende Aspekt einer wirksamen Sanktion festgestellten unredlichen Verhaltens wurde im Wege der Reform 2014 jedoch ausgeweitet, indem durch § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 1 und Var. 3 InsO auch bei einzelnen Versagungsgründen des § 290 Abs. 1 InsO nunmehr eine Verfahrenswiederholung ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift des § 287a InsO mithin zwar keine neue Redlichkeitsfacette etabliert, den Anwendungsbereich einer schon bestehenden hingegen erweitert. bb) Bedeutung der Ausgestaltung als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Systematik der Redlichkeitsvoraussetzungen Wie bereits deutlich geworden ist, sind Sperrfristen im System der Redlichkeitsvoraussetzungen nicht neu, sondern fanden sich bereits vor der Reform in § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. Mit den Nr. 1, 2 und 4 existieren sogar weiterhin Versagungsgründe in § 290 InsO, die Sperrfristen enthalten.1279 Die Einhaltung der Sperrfristen wurde bislang jedoch ausschließlich durch entsprechende Versagungsgründe gesichert, die ausnahmslos gläubigerseits geltend gemacht werden konnten.1280 Gem. § 287a Abs. 2 InsO hat das Gericht das Vorliegen der bisherigen Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO zur Ermittlung der Zulässigkeit des Antrags nunmehr dagegen von Amts wegen zu prüfen.1281 Freilich musste der Richter bei der Prüfung des Eröffnungsantrags auch zuvor die Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. im Rahmen der Bewilligung der Verfahrenskostenstundung berücksichtigen.1282 Die Prüfungskompetenz des Gerichts war dabei allerdings der besonderen Interessenlage des Kostenstundungsrechts geschuldet.1283 Der Redlichkeitskontrolle der §§ 286 ff. InsO, die auf dem Grundsatz der Gläubigerautonomie 1277

Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 24. Siehe oben S. 131. 1279 Für die Gläubiger besteht im Hinblick auf diese Versagungsgründe die Besonderheit, dass ihre Möglichkeit, einen Versagungsantrag zu stellen, mit Zeitablauf endet, Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 42. 1280 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 7. 1281 Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 287a Rn. 1; Pehl, in: Braun-InsO, § 287a Rn. 1. 1282 Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 287a Rn. 1. 1283 Siehe dazu oben S. 228 ff. 1278

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

239

beruht, sind amtswegige Befugnisse – mit Ausnahme von § 296 Abs. 2 S. 3 InsO1284 – hingegen fremd. Mit § 287a Abs. 2 S. 1 InsO hat der Gesetzgeber daher insoweit einen Paradigmenwechsel vollzogen, als die Norm eine teilweise Abkehr vom Prinzip der Gläubigerzuständigkeit bedeutet.1285 Indem er § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO um eine weitere Variante ergänzte, räumte er den Gläubigern im gleichen Zuge jedoch ein gewisses Korrekturrecht ein.1286 So muss der Schuldner sich gem. § 287 Abs. 1 S. 3 InsO bei der Antragstellung darüber erklären, ob ein Fall des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder 2 InsO vorliegt. Gibt er in diesem Zusammenhang eine Falschauskunft ab, können die Gläubiger diese als Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 Var. 1 InsO bis zum Schlusstermin bzw. nach Maßgabe des § 297a InsO auch noch darüber hinaus geltend machen.1287 Die Eingangsentscheidung nimmt den Gläubigern somit zwar ihr ehemaliges Initiativrecht im Hinblick auf die vormals in § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO geregelten Versagungsgründe, insbesondere die damit verbundene Möglichkeit, eine wiederholte Inanspruchnahme des Verfahrens zu dulden. Im umgekehrten Fall aber, dass sie entsprechende Verstöße des Schuldners ahnden wollen, sind sie auch bei einem in diesem Sinne negativen Beschluss des Gerichts nicht rechtlos gestellt, weil die Eingangsentscheidung spätere Einwendungen nicht präkludiert. cc) Das Fristensystem des § 287a Abs. 2 S. 1 InsO Haben die vorstehenden Ausführungen gezeigt, dass die Vorschrift des § 287a InsO auf das System der Redlichkeitsvoraussetzungen der §§ 286 ff. InsO dadurch eingewirkt hat, dass sie nicht nur die Vorwurfsrichtung bereits bestehender Redlichkeitsanforderungen auf weitere Verhaltensweisen erstreckt, sondern auch das entsprechende Kontrollverfahren verändert hat, sind nun die dort vorgesehenen Fristen näher in den Blick zu nehmen. Bei einem Vergleich mit § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. fällt auf, dass der Gesetzgeber die durchgängig zehnjährige Sperrfrist nicht spiegelbildlich in § 287a Abs. 2 S. 1 InsO übernommen,1288 sondern lediglich den Fall einer bereits erteilten Restschuldbefreiung mit einer solchen versehen hat (vgl. § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 1 InsO). In den Materialien zur Reform 2014 wird dieses Vorgehen mit dem Ziel begründet, die unterschiedlichen Sperrfristen nach dem 1284

Näher dazu oben S. 97 f. Pehl, in: Braun-InsO, § 287a Rn. 1. 1286 Siehe auch Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 7 (das Prinzip der Gläubigerzuständigkeit sei nicht völlig aufgegeben). Aus der Praxis wird berichtet, dass unrichtige oder unvollständige Angaben zu früheren möglichen Restschuldbefreiungsverfahren in der Versicherung des Schuldners nach § 287 Abs. 2 InsO häufig einen Versagungsgrund gem. § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO begründen, siehe Heyn, InsbürO 2019, 336, 337. 1287 BT-Drucks. 17/11268, S. 24. Weil eine Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO wiederum eine Sperrfrist auslöst (vgl. § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO), wird der besondere Unwertgehalt der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Fehlauskunft quasi doppelt sanktioniert, Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 7. 1288 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 8. 1285

240

3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Unwertgehalt der ihnen zugrundeliegenden Pflicht- und Obliegenheitsverletzungen zu harmonisieren.1289 Die Verkürzung der Sperrfrist für eine Versagung nach § 297 InsO von zehn auf fünf Jahre soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der Schuldner bislang noch keine Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang erhalten hat. Zudem wurde sie an den veränderten § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO angepasst, der nunmehr eine eigenständige fünfjährige Sperrfrist enthält.1290 Für die in § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO genannten Pflicht- und Obliegenheitsverletzungen befand der Gesetzgeber eine einheitliche dreijährige Sperrfrist als angemessen. Hintergrund war dabei das Bestreben, einen Gleichlauf mit den Versagungsgründen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 und 4 InsO1291 herzustellen. Deren Tatbeständen sind bereits Sperrfristen immanent. Sie wurden – wie auch § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO – nicht in § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO aufgenommen, weil nach Auffassung des Gesetzgebers ansonsten unverhältnismäßig lange Wartezeiten entstünden. Für Versagungen wegen Obliegenheitsverletzungen nach § 296 InsO, für die in § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. noch eine Karenzzeit von zehn Jahren vorgesehen war, verkürzte sich die Sperrfrist auf diese Weise maßgeblich. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung, dass unter Berücksichtigung des jeweiligen Unwertgehalts eine Obliegenheitsverletzung nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO ebenso wie im Rahmen des § 296 InsO nicht zu einer längeren Sperrfrist als eine Pflichtverletzung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO oder bei Vorliegen eines Versagungsgrunds nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 InsO führen könne.1292 Die getroffene Abstimmung fußt letztlich auf einer Wertungsentscheidung. Gegen die Erwägung des Gesetzgebers, die Halbierung der Sperrfrist nach einer erfolgten Versagung gem. §§ 296, 297 InsO von zehn auf fünf Jahre sei deshalb angemessen, weil der Schuldner bisher keine Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang erhalten habe, lässt sich freilich einwenden, dass dem Schuldner tatsächlich bereits in einem vorherigen Verfahren die Restschuldbefreiung angekündigt wurde. Folglich hatte er schon die Gelegenheit eines fresh starts, er hat sie aber durch gezielten Missbrauch des Verfahrens verloren.1293 Wenn man allerdings die Gewichtung weniger unter dem Gesichtspunkt des Fehlverhaltens des Schuldners als unter dem Forderungsausfall für die Gläubiger betrachtet, erscheint der Entschluss des Gesetzgebers, dass eine erteilte Restschuldbefreiung eine längere Sperrfrist als eine versagte Restschuldbefreiung auslöst, durchaus konsequent. So gilt es zu bedenken, dass etwa eine Insolvenzstraftat die Forderungsdurchsetzung lediglich erschwert, während eine wiederholte Restschuldbefreiung zum vollständigen voll1289

Siehe (auch zum folgenden Text) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. Näher dazu unten S. 261 f. 1291 Zur Verlängerung der Sperrfrist in § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO durch das InsOÄndG 2014 siehe unten S. 262 f. 1292 BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1293 So Jäger, ZVI 2012, 177, 186, der eine einheitliche zehnjährige Sperrfrist fordert, um zu verhindern, dass dem unredlichen Schuldner eine Erleichterung gewährt wird. 1290

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

241

streckungsrechtlichen Forderungsverlust führt.1294 Das Verhalten des Schuldners, das eine Versagung der Restschuldbefreiung ausgelöst hat, erscheint aus Gläubigerperspektive daher nicht so folgenschwer wie ein erneuter Schuldenschnitt. Festgehalten werden kann, dass der Gesetzgeber durch die Einführung des § 287a InsO auch das Fristensystem bestehender Redlichkeitsanforderungen modifiziert hat. Dabei ist ihm eine schlüssige Differenzierung gelungen. 3. Bewertung der gesetzgeberischen Konzeption unter Legitimationsgesichtspunkten Es wurde gezeigt, dass die Vorschrift des § 287a InsO nunmehr gemeinsam mit den §§ 290, 295 bis 298, 303 InsO den Begriff der Redlichkeit konkretisiert. In das System der Redlichkeitsanforderungen fügt sie sich derart ein, dass vormalige Redlichkeitserwägungen jetzt in Gestalt einer Zulässigkeitsentscheidung gerichtsautonom angestellt werden. Bei der Redlichkeitskonkretisierung, die durch die Kodifizierung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stattgefunden hat, hat der Gesetzgeber letztlich Abgrenzungsentscheidungen getroffen. Diese sollen im Folgenden näher auf ihre Systemkonformität hin untersucht werden. Dabei wird zu beleuchten sein, weshalb der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, bestimmte Verhaltensweisen durch eine Zulässigkeitsschranke zu sanktionieren und andere nicht. Zudem ist zu analysieren, welche Konsequenzen seine Entscheidungen für die Frage haben, inwieweit die Vor- und Nachwirkungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs de lege lata noch eine Berechtigung neben § 287a InsO besitzt. Bevor auf diese Punkte eingegangen wird, soll sich zunächst der Frage gewidmet werden, inwieweit es der Einführung der in § 287a Abs. 2 S. 1 InsO vorgesehenen Sperrfristen in dieser Form bedurfte und inwieweit die Regelung vormalige Unzulänglichkeiten behoben hat. a) Notwendigkeit der Einführung weiterer Sperrfristen und der Ausgestaltung als Zulässigkeitsschranke Wie bereits an anderer Stelle angeklungen ist, hatte der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur Unzulässigkeit wiederholter Restschuldbefreiungsanträge auf eine Erweiterung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. gestützt. Die analoge Anwendung der Norm kollidierte mit der aus Rechtssicherheitsgründen getroffenen Entscheidung des InsO-Gesetzgebers gegen eine Generalklausel und für ein abschließendes Versagungssystem.1295 Durch seine Sperrfristjudikatur definierte der Bundesgerichtshof letztlich den Redlichkeitsbegriff neu und bewegte sich damit in einem hochsensiblen

1294 1295

Vgl. Ahrens, ZVI 2011, 273, 276 f. Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 290 Rn. 1.

242

3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Bereich.1296 Schon allein weil die Thematik der Antragswiederholung durch Richterrecht auszuufern drohte, tat es Not, dass der Gesetzgeber mit § 287a Abs. 2 Nr. 2 InsO schließlich dazu ansetzte, diesen Bereich rechtsklar und verbindlich zu regeln.1297 Zugleich zeigte die Tatsache, dass die Anwendungspraxis sich derart weit – im Falle der Sperrfrist für vorwirkende Versagungsgründe bediente sich der Bundesgerichtshof gar einer doppelten Analogie1298 – vom Konzept des Gesetzgebers entfernt hatte, dringenden Änderungsbedarf auf.1299 Zum einen konnte festgestelltes unredliches Verhalten nicht wirksam sanktioniert werden, da Versagungen wegen während des Insolvenzverfahrens begangener Verstöße gegen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten keine Sperrfrist auslösten. Die Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO erschienen in ihrer Funktion als Druckmittel, das den Schuldner zu einem gläubigerfreundlichen Verhalten anhalten sollte, daher stark eingeschränkt. Zum anderen stellte es einen Widerspruch dar, dass Verstöße gegen die Auskunfts- und Mitwirkungsobliegenheiten der Wohlverhaltensperiode sehr wohl Sperrfristen auslösten, obwohl sie nicht minder schwer wiegen als solche, die während des Insolvenzverfahrens begangen werden. Auch die erhebliche Belastung der Gerichte infolge wiederholter Antragstellungen konnte nicht länger hingenommen werden.1300 Nachbesserungsbedarf bestand aber nicht nur hinsichtlich der fehlenden Nachwirkung einzelner Versagungsgründe, sondern auch in Bezug auf die in § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. gesetzlich verankerten Sanktionsmöglichkeiten. Der Versagungsgrund vermochte den Fällen einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Verfahrens aufgrund des Informationsdefizits der Gläubiger nicht effektiv zu begegnen.1301 Die neue Zuständigkeitsverteilung des § 287a InsO verspricht in dieser Hinsicht – zumindest teilweise – Abhilfe zu schaffen: Als Erkenntnisquelle steht dem Insolvenzgericht die Erklärung des Schuldners nach § 287 Abs. 1 S. 3 InsO zur Verfügung.1302 Deren Verlässlichkeit ist zwar trotz der nach § 287 Abs. 1 S. 4 InsO ab1296 Homann, VuR 2011, 169, 175 sieht in der Definition der Redlichkeit eine (rechtspolitische) Aufgabe, die dem Gesetzgeber obliegt; kritisch auch Schmerbach, NZI 2009, 677, 678. 1297 Vgl. Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 287a Rn. 2. 1298 Kritisch Homann, VuR 2011, 169 ff., der die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten sieht. 1299 Treffend Homann, VuR 2011, 169, 173: „Es ist kaum eine Konstellation denkbar, in der die Rechtsprechung klarer dem Gesetzgeber zeigt, mit der bestehenden Rechtslage nicht mehr arbeiten zu können, buchstäblich die weiße Fahne hisst“; vgl. (im Zusammenhang mit der Vorwirkungsrechtsprechung) auch Dawe, ZVI 2014, 433, 439: „Indiz für die Notwendigkeit differenzierender Regelungen ist stets eine sich vom Konzept des Gesetzgebers entfernende Anwendungspraxis“. 1300 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1301 Siehe dazu oben S. 149. Jäger, ZVI 2012, 177, 185 u. 188 f. spricht insofern von einem „Schattendasein“ des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. und von einem „Schutzschirm zu Gunsten des unredlichen Schuldners“. 1302 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 4.

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

243

zugebenden Versicherung eingeschränkt,1303 allerdings kann das Insolvenzgericht zur Überprüfung der Angaben des Schuldners auf das beim zentralen Vollstreckungsgericht geführte Schuldnerverzeichnis zurückgreifen. Dieses gibt in Bezug auf Insolvenzverfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt wurden, Aufschluss über Versagungsentscheidungen (vgl. § 303a InsO i. V. m. Art. 103 h S. 1 EGInsO).1304 Eine Informationslücke besteht jedoch insoweit, als die Eintragung nach drei Jahren gelöscht wird (§ 882e ZPO), obwohl die vom Gericht im Rahmen der Zulässigkeit zu überprüfende Frist fünf Jahre beträgt.1305 Auskünfte bezüglich einer bereits erteilten Restschuldbefreiung stehen dem Gericht im Übrigen weiterhin nicht zur Verfügung, weil kein dahingehender Eintrag in das Schuldnerverzeichnis erfolgt.1306 Insbesondere, wenn der Schuldner – was in der Praxis häufig der Fall ist – seinen Wohnort wechselt, bleibt das neu zuständige Gericht im Unklaren.1307 Folglich hängt es auch de lege lata nach wie vor eher vom Zufall ab, ob Verfahrensmissbräuche i. S. d. § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 1 InsO aufgeklärt werden. Diese Missstände ließen sich durch einige kleinere Änderungen unkompliziert beheben. Ob die Restschuldbefreiung in der Vergangenheit schon einmal erteilt oder versagt wurde, kann dem Portal „insolvenzbekanntmachungen.de“ entnommen werden. Es würde sich daher eine Lösung anbieten, nach der das Gericht von Amts wegen vor jedem Verfahren Einsicht in die dort gespeicherten Daten nimmt.1308 Die derzeitigen Löschungsfristen müssten entsprechend an die Fristen des § 287a Abs. 2 InsO angepasst werden.1309 Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürften ausschließlich die Insolvenzgerichte Zugriff auf die langfristig gespeicherten Daten haben.1310 Auf diese Weise könnte das Gericht unkompliziert an die notwendigen Informationen gelangen, um zu ermitteln, ob der Antrag auf Restschuldbefreiung nach § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO unzulässig ist. b) Bewertung des Umfangs der Kodifikation Nachdem festgestellt worden ist, dass die in § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO erfolgte Erweiterung bestehender Sperrfristen vor dem Hintergrund der Gläubigerrechte angezeigt war und auch die Ausgestaltung als gerichtsautonom ausgestaltete Zulässigkeitsvoraussetzung überzeugt, stellt sich die Frage, ob die Auswahl der Sperrgründe insgesamt gelungen ist. Um dies zu beantworten, muss zunächst die Reichweite der Vorschrift geklärt werden. Vergleicht man die in § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO kodifizierten Fälle mit den Fallgruppen der Nachwirkungsrechtsprechung 1303

Heilmaier, ZInsO 2015, 1838, 1839; Jäger, ZVI 2019, 85, 86. Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 4; Streck, ZVI 2014, 205, 208. 1305 Heilmaier, ZInsO 2015, 1838, 1839. 1306 Heilmaier, ZInsO 2015, 1838, 1839; Streck, ZVI 2014, 205, 208. 1307 Jäger, ZVI 2012, 177, 189. 1308 So der Vorschlag von Jäger, ZVI 2012, 177, 189. 1309 Jäger, ZVI 2019, 85, 86. 1310 Jäger, ZVI 2012, 177, 189; ders., ZVI 2019, 85, 86 (Daneben könne ggf. auch den Strafverfolgungsbehörden ein Einsichtsrecht gegeben werden). 1304

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

des Bundesgerichtshofs, so wurde augenscheinlich nur ein Teil der höchstrichterlichen Vorgaben umgesetzt. Dabei hat der Gesetzgeber auf eine Normierung in Form von Regelbeispielen verzichtet. Weil die Norm keine Öffnungsklausel („insbesondere“) enthält, setzt ihr Wortlaut einer direkten Anwendung auf nicht kodifizierte Sperrfristfälle eine klare Grenze.1311 Nicht beantwortet ist damit allerdings, ob in diesen Fällen eine entsprechende Anwendung des § 287a Abs. 2 S. 1 InsO in Betracht kommt. aa) Weitere Anwendbarkeit der Sperrfristrechtsprechung in Form einer Analogie? (1) Methodische Vorüberlegungen Methodischer Ansatzpunkt für die Frage, ob das Gericht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung weitere, nicht ausdrücklich aufgeführte Unzulässigkeitsgründe im Sinne der Sperrfristjudikatur prüfen darf, ist das Vorliegen einer Analogie. Eine Analogie setzt eine Gesetzeslücke in Form einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus.1312 Die Lücke muss sich aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zu Grunde liegenden Regelungsplan ergeben.1313 Darüber hinaus muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass davon auszugehen ist, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Norm, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen.1314 Der gesetzgeberische Wille ist unter Heranziehung der anerkannten Auslegungsmethoden zu ermitteln.1315 Je nachdem, ob es um die Ermittlung des tatsächlichen oder mutmaßlichen gesetzgeberischen Willens geht, muss dabei eine historische und genetische Interpretation auf der einen Seite bzw. eine teleologische Interpretation auf der anderen Seite vorgenommen werden.1316 Um zu prüfen, ob sich der tatsächliche Wille in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang ausmachen lässt, sind zum einen die Vorläufer sowie die Entwicklungsgeschichte (historische Interpretation) und zum anderen die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte der Norm (genetische Interpretation) zu betrachten.1317

1311 1312 1313

339. 1314 1315 1316 1317

Siehe auch AG Hannover ZInsO 2015, 368. BGH NZI 2017, 627, 628; Grüneberg, in: Palandt-BGB, Einleitung Rn. 48 m. w. N. BGH NJW 2015, 1176; BGH NJW 2010, 1144, 1146 m. Anm. Kaiser; BGH NZI 2010, BGH NJW 2015, 1176 f. m. w. N. Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 153. Looschelders/Roth, ebd. Siehe im Einzelnen dazu Looschelders/Roth, a. a. O., S. 155 ff.

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

245

(2) Grundsätzliche Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 287a Abs. 2 S. 1 InsO Unzweifelhaft lässt sich aus den Materialien erkennen, dass der Gesetzgeber in bewusster Abgrenzung zu den richterrechtlichen Sperrfristen ein differenziertes, in sich geschlossenes Regelungskonzept schaffen wollte.1318 Eine Fortführung oder schlichte Weiterentwicklung der früheren Nachwirkungsrechtsprechung ist daher ausgeschlossen.1319 Soweit die Materialien expressis verbis Stellung zu der Nichtanwendbarkeit der ungeregelten richterrechtlichen Fallgruppen beziehen, verbietet sich eine entsprechende Anwendung des § 287a Abs. 2 S. 1 InsO jedenfalls. Hier fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke und damit der besonderen Legitimation, der eine Gesetzesanwendung über den Wortlaut hinaus bedarf. Hat sich der Gesetzgeber bewusst für die Regelung oder Nichtregelung eines bestimmten Sachverhalts entschieden, ist es den Gerichten nicht gestattet, sich über diese gesetzgeberische Entscheidung durch eine Auslegung der Vorschrift gegen ihren Wortlaut hinwegzusetzen.1320 Explizit ausgeschlossen wurden in dem Sinne die Fälle, in denen die Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 1, 21321 bzw. 4 InsO oder § 298 InsO im vorangegangenen Verfahren versagt wurde.1322 Gleiches gilt für die Versagung der Kostenstundung im Erstverfahren wegen eines Versagungsgrunds nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO und für die Fälle, in denen es der Schuldner im Vorverfahren unterlassen hatte, einen Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen, oder in denen dieser als unzulässig abgewiesen wurde.1323 Keine Erwähnung in den Materialien finden hingegen die vormals von der Rechtsprechung vorgesehenen Sperrfristen bei Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags im Vorverfahren vor Entscheidung über die Restschuldbefreiung oder bei Eingreifen der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO. Ebenso fehlen Angaben zu dem Fall, dass ein neuer Restschuldbefreiungsantrag gestellt wird, nachdem im Vorverfahren die Kostenstundung nach § 4c InsO aufgehoben wurde, weil der Schuldner seinen Auskunftspflichten nicht nachgekommen war, und das Verfahren daraufhin mangels Masse (§ 207 InsO) eingestellt wurde. Fraglich ist daher, ob insoweit eine analoge Anwendung des § 287a Abs. 2 S. 1 InsO in Betracht kommt.

1318

Ahrens, in: FK-InsO, § 287a Rn. 45; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 20; Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 12. 1319 Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 287a Rn. 3; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 20. 1320 BAG NZA 2019, 117, 120; BAG NZA 2010, 1025, 1027; zu den Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung siehe auch BVerfG NJW 2011, 836, 838. 1321 Hinsichtlich § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO hatte schon der BGH eine Sperrfrist mit der Begründung abgelehnt, dass sich durch die Kumulation der tatbestandsimmanenten Frist mit einer zusätzlichen Sperrfrist eine zu lange Wartezeit ergeben würde, siehe BGH ZVI 2013, 23 ff. 1322 BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1323 BT-Drucks. 17/11268, S. 25.

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Zum Teil wird dies pauschal mit dem Einwand verneint, § 287a Abs. 2 S. 1 InsO treffe eine abschließende Regelung über die Geltung von Sperrfristen als Unzulässigkeitsgrund.1324 Zur Untermauerung dieser Ansicht wird sich dabei häufig auf die in den Gesetzesmaterialien zu findende Aussage, wonach Sperrfristen für anderweitige Fälle vorhergehenden Fehlverhaltens nicht vorzusehen seien,1325 berufen.1326 Ob dem zitierten Satz wirklich der Schluss entnommen werden kann, dass weitere Zulassungssperren allgemein ausgeschlossen sein sollen, erscheint indes zweifelhaft. Hätte der Gesetzgeber dies beabsichtigt, hätte jener Hinweis zur Klarstellung genügt. Stattdessen werden in den darauffolgenden Ausführungen einzelne Fälle aufgezählt, für die eine Sperrfrist nicht gelten soll.1327 Zutreffend ist zwar, dass die aufgezählten Einzelfälle nur exemplarischen Charakter haben, der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien keineswegs sämtliche denkbaren Konstellationen ansprechen muss, um Analogien abzulehnen.1328 Allerdings spricht der beispielhafte Charakter nicht zwangsläufig gegen die generelle Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung der Norm.1329 Vielmehr geben die genannten Fallgruppen die Richtlinie vor, nach der der Gesetzgeber Sperrgründe als unanwendbar verstanden wissen möchte. Diese geht dahin, dass nach seinem Willen eine alsbaldige Restschuldbefreiung lediglich für den unredlichen Schuldner ausscheiden sollte. Dem zwar nachlässigen, aber gegenüber seinen Gläubigern redlichen Schuldner wollte er demgegenüber die Chance auf ein sofortiges Zweitverfahren erhalten.1330 Grundlage für den Unredlichkeitsvorwurf können dabei – wie aus § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO folgt – nur eine im vorangegangenen Verfahren stattgefundene Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, die Abgabe unzutreffender Angaben oder die Nichtbeachtung von Obliegenheiten sein, sofern sie zu einer Versagung der Restschuldbefreiung durch das Gericht geführt haben.1331 Um eine Sperre zu legitimieren, muss das Scheitern 1324 Siehe etwa AG Göttingen NZI 2016, 847 f. (Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags im Erstverfahren wegen nach Eröffnung begründeter neuer Verbindlichkeiten); AG Hannover ZInsO 2015, 368 (Zum Fall der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO); AG Göttingen, NZI 2014, 1056 (Unterlassene Antragstellung in einem vorherigen Verfahren); Blankenburg, ZInsO 2015, 130, 132; Heicke, NZI 2014, 416, 417 f.; Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 542; Schädlich, NZI 2013, 846, 849; Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 549; A. Schmidt, ZVI 2016, 45; Voß, VIA 2014, 54, 55; für eine abschließende Regelung auch Stephan, in: MüKo-InsO, § 287a Rn. 70. 1325 BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1326 So etwa AG Hannover ZInsO 2015, 368; Blankenburg, ZInsO 2015, 130, 132; Heicke, NZI 2014, 416, 417 f.; Schädlich, NZI 2013, 846, 849; Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 549; Voß, VIA 2014, 54, 55. 1327 Ablehnend gegenüber einem umfassenden Ausschluss daher auch Wolgast, ZVI 2016, 131, 132 f. 1328 Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 674; Stephan, in: MüKo-InsO, § 287a Rn. 67. 1329 So aber Voß, VIA 2014, 54, 55. 1330 BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1331 Vgl. BGH NZI 2017, 627, 628. Diese beabsichtigte Einschränkung folgt allerdings nicht nur aus der positiven Regelung einzelner Fallgruppen, mit der der Gesetzgeber ent-

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

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des Erstverfahrens zusätzlich gerade durch einen Antrag eines Gläubigers ausgelöst worden sein; ein Versagungsantrag des Treuhänders nach § 298 InsO sollte dagegen nicht ausreichen.1332 Dieser gesetzgeberische Maßstab setzt der Analogiebildung enge Grenzen, schließt sie aber nicht vollständig aus. Unterstellt man dem Gesetzgeber demgegenüber den Willen einer pauschalen Ablehnung, bedeutete dies, dass er für sich in Anspruch nehmen könnte, beim Erlass einer Vorschrift eine planwidrige Regelungslücke auszuschließen und somit der Rechtsprechung a priori die Bildung von Analogien zu untersagen.1333 Ein solches Vorgehen scheidet jedoch aus, da es nicht im Einklang mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG stünde, den die Analogie verwirklicht.1334 Es ist somit für jede einzelne in Betracht kommende Fallgruppe zu entscheiden, ob sie eine Sperrfrist entsprechend § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO auslöst,1335 wobei jeweils zu fragen ist, ob sie dem Willen des Gesetzgebers entspricht oder ihm entgegensteht. (3) Einzelfallabhängige Prüfung Nach der oben dargestellten Leitlinie, wonach allein ein durch das Gericht festgestelltes Missbrauchsverhalten im Vorverfahren und ein darauf beruhender Versagungsantrag eines Gläubigers eine Sperrfrist auslösen können, kommt eine entsprechende Anwendung des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO für den Fall, dass das vorangegangene Verfahren nach Aufhebung der Kostenstundung wegen fehlender Mitwirkung gem. § 207 InsO mangels Masse eingestellt wurde, eindeutig nicht in Betracht.1336 Auch wenn eine Verletzung von Mitwirkungspflichten vorliegt, fehlt es hier bereits an dem geforderten Gläubigerantrag. Für die Konstellationen, in denen der Antrag des Schuldners im Erstverfahren nach § 305 Abs. 3 S. 2 InsO als zurückgenommen gilt bzw. der Schuldner den Antrag auf Restschuldbefreiung nach Begründung neuer Schulden zurückgenommen hat, muss das Gleiche gelten. Eine Sperrfrist scheidet hier nicht nur wegen des fehlenden schieden hat, Lebenssachverhalte nicht zu regeln, die bekannt und vergleichbar sind (vgl. Wolgast, ZVI 2016, 131, 133). Sie lässt sich zudem der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Zweckbestimmung der Sperrfristen entnehmen. Nach dieser soll die Wartezeit dazu dienen, dem Ziel der Versagungsgründe, nur einem redlichen Schuldner die Vergünstigung einer Restschuldbefreiung zuteilwerden zu lassen, zur Durchsetzung zu verhelfen, vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1332 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 25; vgl. BGH NZI 2017, 627, 628. 1333 Vgl. Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 15. 1334 Näher dazu Jacobi, NZI 2017, 254, 256; siehe auch Deyda, VIA 2017, 57, 58; Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 15. 1335 BGH NZI 2014, 416, 417; BGH NZI 2017, 627 ff.; Jacobi, NZI 2017, 254, 256; Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 15. 1336 Eine Analogie ablehnend auch BGH NZI 2017, 627, 628; a. A. Deyda, VIA 2017, 57, 58 f.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Gläubigerantrags aus, sondern auch deshalb, weil sein Verhalten lediglich als nachlässig1337 (im erstgenannten Fall) bzw. sogar als zulässig1338 (im zweitgenannten Fall) einzustufen ist. Insbesondere ist die Begründung neuer Verbindlichkeiten gesetzlich gestattet und begründet keinen Versagungsgrund.1339 Ein Unredlichkeitsvorwurf kann ihm insoweit nicht gemacht werden.1340 Etwas Anderes würde allerdings gelten, wenn man dem Schuldner vorwerfen könnte, einen Missbrauch des Insolvenzverfahrens als Mittel zur reduzierten Schuldenlast einzusetzen.1341 Ein solches Verhalten wird als unredlich angesehen und ist nach § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 1 InsO, der den ehemaligen § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 InsO nachzeichnet, sanktioniert.1342 Der Schuldner, der seinen Restschuldbefreiungsantrag zurücknimmt, umgeht die Wirkung des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 1 InsO, die eingetreten wäre, wenn das Verfahren seinen „normalen“ Verlauf genommen hätte und mit der Erteilung der Restschuldbefreiung beendet worden wäre.1343 Man könnte daher an eine planwidrige Regelungslücke denken, die mit der entsprechenden Anwendung des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 1 InsO zu schließen wäre. Allerdings liegt der besondere Unrechtsgehalt dieses Tatbestands (wie auch des § 290 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 InsO a. F.) darin, dass der Schuldner seinen Gläubigern wiederholt einen Forderungsverzicht zumutet. Zu diesem Forderungsverzicht ist es aber in der vorliegenden Konstellation nicht gekommen, weil dem Schuldner im Erstverfahren keine Restschuldbefreiung erteilt wurde. Ein Unredlichkeitsvorwurf und eine planwidrige Regelungslücke scheiden damit aus. Eine unterschiedliche Bewertung ist möglicherweise in dem ähnlich gelagerten Fall, in dem der Schuldner seinen Antrag zurücknimmt, um einer drohenden1344 Versagung der Restschuldbefreiung zu entgehen, angebracht. Diese Konstellation zeichnet sich dadurch aus, dass ein missbräuchliches Verhalten des Schuldners, das 1337 Es handelt sich nur um die Verletzung formellen Verfahrensrechts. Für diese hat der Gesetzgeber in einem solch frühen Verfahrensstadium außerdem keine Konsequenzen in Form der Möglichkeit eines Versagungsantrags statuiert, Thüning, ZVI 2017, 377, 381. 1338 Laroche, ZInsO 2016, 290, 292 (Ein solcher Schuldner handele ökonomisch rational und nachvollziehbar); Möhring, ZVI 2017, 289, 295. Anders AG Dortmund NZI 2016, 745 f.; AG Fürth ZInsO 2016, 290 ff., die eine Sperrfrist bejahen. Eine analoge Anwendung des § 287a InsO zieht auch Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 250, in Betracht. 1339 Siehe dazu bereits oben S. 156 f. 1340 So auch AG Göttingen NZI 2016, 847, 848; Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 23; a. A. Thüning, ZVI 2017, 377, 381. 1341 So (zum alten Recht noch) BGH NZI 2014, 416, 417; (zum neuen Recht) AG Fürth ZInsO 2016, 290 ff. 1342 Näher dazu oben S. 130 f. und S. 237 f. 1343 Für den Schuldner ist die Rücknahme insofern von praktischer Bedeutung, als er durch die Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags aus dem ersten Verfahren die Wirkungen des Antrags auf Restschuldbefreiung aus dem zweiten Verfahren auf alle bis dahin neu entstandenen Verbindlichkeiten erstrecken kann, Mock, KTS 2014, 435, 439. 1344 Zum Fall der Rücknahme des Antrags nach der bereits entschiedenen, aber noch nicht rechtskräftigen Versagung der Restschuldbefreiung BGH NZI 2017, 75 f.

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

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nach dem Willen des Gesetzgebers notwendig ist, um eine Sperre zu rechtfertigen, gegeben ist. Nimmt der Schuldner einen Versagungsantrag zum Anlass, seinen Restschuldbefreiungsantrag zurückzunehmen, ist darin kein nachlässiges Verhalten, welches auf Unkenntnis, Unbekümmertheit oder Gleichgültigkeit beruht, zu sehen.1345 Vielmehr bringt er damit zum Ausdruck, dass er sich den legitimen gesetzlichen Sanktionen für ein vorheriges Fehlverhalten entziehen will. Eine solche gezielte Reaktion auf den Versagungsantrag des Gläubigers ist als unredlich anzusehen.1346 Zwar fehlt es – sofern der Gläubiger lediglich den Versagungsantrag gestellt, das Gericht aber noch nicht darüber entschieden hat – an der weiterhin geforderten gerichtlichen Feststellung des schuldnerischen Fehlverhaltens. Allerdings hat der Schuldner durch die Rücknahme seines Antrags diese Feststellung gerade verhindert.1347 Ohne die Antragsrücknahme durch den Schuldner wäre es zu einer wirksamen Versagung gekommen. Diese hätte nicht nur zum Verlust der Chance auf einen Schuldenerlass im laufenden Verfahren, sondern auch zum Ausschluss eines weiteren Restschuldbefreiungsantrags in den Fällen des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO für die nachfolgenden drei Jahre geführt. Kann der Schuldner aber seinen Restschuldbefreiungsantrag wirksam zurücknehmen, bevor es zur Entscheidung über die Versagung kommt, so könnte er jene Sanktionen umgehen. Die gesetzlichen Redlichkeitsvoraussetzungen würden weitgehend funktionslos gestellt. Ihr Eingreifen hinge letztlich davon ab, ob der Schuldner anwaltlich beraten ist.1348 Dass der Gesetzgeber eine solche Umgehungsmöglichkeit zulassen wollte, die sämtliche Konsequenzen unredlichen Verhaltens ad absurdum führen würde, kann nicht angenommen werden.1349 In dieser Konstellation besteht mithin Raum für eine entsprechende Anwendung des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO.1350 1345

G. Pape, ZInsO 2017, 565, 568. Dawe, ZVI 2014, 433, 439; G. Pape, ZInsO 2017, 565, 568; Wolgast, ZVI 2016, 131, 134; a. A. AG Göttingen ZInsO 2017, 847; Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, S. 673. 1347 Dawe, ZVI 2014, 433, 439; Möhring, ZVI 2017, 289, 295; Wolgast, ZVI 2016, 131, 133. 1348 Vgl. Möhring, ZVI 2017, 289, 295. 1349 So auch Möhring, ZVI 2017, 289, 295 („Der Gesetzgeber wollte den unredlich handelnden Schuldner nicht schützen“); G. Pape, ZInsO 2017, 565, 566, der kritisch anmerkt, dass die Antragswiederholung in Stundungsfällen noch dazu von der Staatskasse finanziert würde; Streck, ZVI 2014, 205, 208 („Der Gesetzgeber wollte im Rahmen der Eingangsentscheidung die Anwendbarkeit von Sperrfristen zwar augenscheinlich begrenzen. Das heißt aber sicher nicht, dass Umgehungen erleichtert werden sollen“). 1350 AG Dortmund NZI 2016, 745 ff. m. Anm. Hebbinghaus; Deyda, VIA 2017, 57, 59; Römermann, in: Nerlich/Römermann-InsO, § 287a Rn. 3; Streck, in: HambK-InsO, § 287a Rn. 11; ders., ZVI 2014, 205, 208; Thüning, ZVI 2017, 377, 381; Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 23; in diesem Sinne auch Wolgast, ZVI 2016, 131, 133 f., der aber i. E. einer Erweiterung von Sperrfristen dennoch kritisch gegenübersteht, weil der Gesetzgeber seiner Ansicht nach sowohl die Versagungsgründe als auch die Sperrfristen nicht in ein weites Ermessen des Gerichts stellen wollte; a. A. (unter Verweis darauf, dass die Regelung des § 287a Abs. 2 InsO abschließend sei) AG Göttingen NZI 2016, 847; ZInsO 2017, 847; Busching/Klersy, ZInsO 2015, 1601; Heicke, NZI 2014, 416, 417 f.; Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 549; Stephan, in: MüKo-InsO, § 287a Rn. 66. 1346

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Fraglich ist lediglich, ob wirklich eine Regelungslücke besteht oder sich derartige Fälle einer taktischen Antragrücknahme nicht bereits unter Anwendung bestehender Vorschriften sachgerecht lösen lassen. Hier bietet sich insbesondere eine entsprechende Heranziehung des § 269 Abs. 1 ZPO an, der über § 4 InsO anwendbar ist.1351 Die Vorschrift des § 269 Abs. 1 ZPO erlaubt die Einschränkung der Dispositionsbefugnis zum Schutz der verfahrensrechtlichen Gegenposition, indem ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Sachentscheidung erzwungen werden kann.1352 Unter der Voraussetzung, dass ein Versagungsantrag des Gläubigers vorliegt,1353 könnte dem Schuldner danach die Rücknahme verwehrt werden, wenn dem Versagungsantragsteller entsprechend dem Rechtsgedanken des § 269 ZPO ein Anspruch auf eine Sachentscheidung über den Versagungsantrag zustünde.1354 Hier wird man sagen müssen, dass schon allein vor dem Hintergrund, dass das Gesetz für die in § 287a Abs. 2 S. 1 InsO aufgeführten Versagungstatbestände Sperrfristen vorsieht, ein berechtigtes Interesse des antragstellenden Gläubigers besteht, seinen Antrag auch verbeschieden zu bekommen.1355 Da die Rücknahme des Antrags lediglich dem Zweck dient, die negativen Folgen einer Versagung der Restschuldbefreiung nicht eintreten zu lassen, überwiegt das Interesse des Gläubigers dasjenige des Schuldners, frei über seinen Antrag disponieren zu können.1356 Eine Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags ist daher ohne Zustimmung des Versagungsantragstellers entsprechend § 269 ZPO nicht möglich.1357 Der Rückgriff auf eine Sperrfrist erübrigt sich damit.1358 Diese Lösung auf Ebene des Erstverfahrens hat gegenüber einer analogen Anwendung des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO im Übrigen den Vorteil, dass das im Zweitverfahren zuständige Insolvenzgericht von der Rücknahme in der Regel nur Kenntnis erlangen wird, wenn ein Sachverständiger eingesetzt wurde, zumal die 1351

So auch (jeweils zu einem Altfall) BGH NZI 2018, 700 ff.; BGH NZI 2017, 75 f.; Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 675; Laroche, NZI 2014, 576; Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 542; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 27; A. Schmidt, ZVI 2016, 45 plädiert hingegen dafür, den Folgeantrag wegen evidenten Rechtsmissbrauchs als unzulässig zu verwerfen; anders wiederum ders., ZVI 2017, 1 (es biete sich eine Parallele zu § 269 Abs. 1 ZPO an). Eine Übersicht zum Meinungsstand unter Einbezug weiterer Lösungsvorschläge gibt G. Pape, ZInsO 2017, 565, 569. 1352 Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 269 Rn. 1; H. Roth, in: Stein/Jonas-ZPO, § 269 Rn. 1; Wolgast, ZVI 2016, 131, 134. 1353 Weil es nach der Systematik des Restschuldbefreiungsverfahrens den Gläubigern obliegt, eine förmliche Versagungsentscheidung zu veranlassen, ist eine Antragsrücknahme vor Stellung eines Versagungsantrags zulässig, Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 27; a. A. AG Fürth ZInsO 2016, 290, 291. 1354 Laroche, NZI 2014, 576; G. Pape, ZInsO 2017, 565, 571; zu den Einzelheiten Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287 Rn. 22 ff. 1355 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287 Rn. 24; vgl. Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 549. 1356 Vgl. BGH NZI 2018, 700, 701; BGH NZI 2017, 75, 76. 1357 AG Göttingen NZI 2016, 847, 848; Laroche, NZI 2014, 576. 1358 So auch Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 675; vgl. Schmerbach, NZI 2014, 990, 991.

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vorherige Rücknahme nicht unter die Erklärungspflicht des § 287 Abs. 1 S. 3 InsO fällt.1359 Festzuhalten ist, dass trotz der grundsätzlichen Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des § 287a Abs. 2 S. 1 InsO eine solche für diejenigen Fallgruppen der ehemaligen Sperrfristrechtsprechung, die keinen Eingang in die Norm gefunden haben, nicht in Betracht kommt. (4) Versagung der Stundung? Unabhängig von der Unanwendbarkeit der früheren Sperrfristrechtsprechung im Rahmen des § 287a Abs. 2 S. 1 InsO könnte sie jedoch Wirkung hinsichtlich des Stundungsantrags entfalten. Vor der Reform war der Bundesgerichtshof nämlich von einer zulässigen Versagung der Stundung ausgegangen, wenn der Schuldner im Vorverfahren Versagungsgründe verwirkt hatte, die mit einer Sperrfrist verbunden waren.1360 Als Grundsatz gilt, dass soweit ein Antrag auf Restschuldbefreiung wegen § 287a Abs. 2 InsO als unzulässig zurückgewiesen wird, auch keine Stundung der Verfahrenskosten nach § 4a InsO möglich ist.1361 Ist der Antrag nach § 287a Abs. 2 S. 1 InsO jedoch zulässig, muss dies grundsätzlich auch für den Kostenstundungsantrag gelten.1362 Es kann nicht eine Sperre nach § 287a InsO wegen eines tatbestandlich nicht erfassten Grundes verneint, aber trotzdem die Stundung abgelehnt werden.1363 Ansonsten wäre das differenzierte Sperrfristensystem der §§ 286 ff. InsO und das Ziel des Gesetzgebers, dem Schuldner die Möglichkeit zu zeitnahen Zweitanträgen zur Restschuldbefreiung einzuräumen, sofern § 287a Abs. 2 S. 1 InsO keine ausdrückliche Sperrfrist anordnet,1364 letztlich hinfällig. Der Gesetzgeber wollte mit § 287a Abs. 2 S. 1 InsO die von einer Versagungsentscheidung ausgehenden Nachwirkungen einer das gesamte System umfassenden abschließenden gesetzlichen Regelung zuführen. Es muss daher von einem Gleichlauf des Kostenstundungsund Restschuldbefreiungsantrags ausgegangen werden.

1359 Auf diese Problematik hinweisend Streck, ZVI 2014, 205, 208; G. Pape, ZInsO 2017, 565, 569. 1360 Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 607. 1361 BT-Drucks. 17/11268, S. 20; Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 259. 1362 BGH NZI 2017, 627, 629. Zur Frage der weiteren Anwendbarkeit der Vorwirkungsrechtsprechung sogleich S. 256 ff. 1363 Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 259 f. u. 675; vgl. auch Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 607; a. A. AG Ludwigshafen NZI 2016, 782, 783; Deyda, VIA 2017, 57, 59; Thüning, ZVI 2017, 377, 381 f. 1364 BGH NZI 2017, 627, 629.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

bb) Systemkonformität und Schlüssigkeit der getroffenen Abgrenzungsentscheidung Im Vergleich zur Sperrfristrechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die gesetzliche Regelung des § 287a InsO zu einer deutlichen Lockerung der Voraussetzungen für einen Folgeantrag geführt.1365 Während der Bundesgerichtshof auch verfahrensineffizientes Verhalten letztlich als unredlich angesehen hatte,1366 indem er es mit einer Sperrfrist sanktionierte, sah der Reformgesetzgeber von einer solchen Wertung ab. Stattdessen bedachte er lediglich versagungsbewehrtes Verhalten mit einer Sperrfrist. Auf diese Weise setzte er nicht nur eine klare Trennlinie, sondern bannte auch die in dem Bereich bestehende Gefahr einer ausufernden Rechtsprechung. Der Sichtweise des Bundesgerichtshofs ist zwar insoweit zuzugestehen, dass von einem Schuldner, der sich auf dem Weg zur Restschuldbefreiung befindet, ein dem beschleunigten Verfahrensablauf entsprechendes Verhalten erwartet werden kann, und die gesetzlich vorgesehenen gerichtlichen Belehrungsregeln und Auflagen ihre Berechtigung verlieren,1367 wenn er ohne weiteres ein Anschlussverfahren betreiben kann. Jedoch zeigt der ehemalige § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO, der auf Versagungen nach § 296 InsO oder § 297 InsO abstellte, dass die Ablehnung des Zweitverfahrens nach der gesetzlichen Konzeption ein „qualifiziertes“ Fehlverhalten des Schuldners im Vorverfahren voraussetzt und zusätzlich durch den Versagungsantrag eines Gläubigers legitimiert sein muss. Der Reformgesetzgeber hat durch seine im Rahmen des § 287a InsO getroffene Differenzierung zwischen „nachlässigem“ und „unredlichem“ Schuldnerverhalten somit die systemkonformere Lösung gefunden. Dies ändert freilich nichts daran, dass auch Gründe der Verfahrensökonomie und die öffentlichen Haushalte eine Sperrfrist rechtfertigen können.1368 Systematisch korrekt müsste eine entsprechende Zulassungssperre allerdings im Kostenstundungsrecht verortet werden.1369 Hier wird man angesichts der Interessen der Staatskasse 1365 Fischer, in: A/G/R-InsO, § 287a Rn. 6; Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1440. Weitergehend sind dagegen die Sperren nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO und § 297a i. V. m. § 290 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 InsO. Dies gründet jedoch nicht auf einer besonders strengen Konzeption des Gesetzgebers, sondern auf der Tatsache, dass die entsprechenden Versagungsgründe erst im Wege des InsOÄndG 2014 eingeführt wurden. Sie sind in das System der Sperren integriert und erweitern lediglich einige Fallgruppen, nicht aber die konzeptionelle Gestaltung, Ahrens, in: FK-InsO, § 287a Rn. 46. 1366 Dawe, ZVI 2014, 433, 435. 1367 Möhring, ZVI 2017, 289, 296 mit dem überzeugenden Einwand, dass sich bei der jetzigen Lösung die Frage stellt, warum man dem Schuldner überhaupt in einem Erstverfahren Fristen setzt, die bei Nichtbeachtung der Hinweise und Auflagen zu einer Beendigung dieses Verfahren führen. Stattdessen könne man ihm sinnvollerweise die Restschuldbefreiung im Erstverfahren ermöglichen und ihn nicht in ein ihm (nach Abschluss des Erstverfahrens) jederzeit mögliches Zweitverfahren zwingen. 1368 Möhring, ZVI 2017, 289, 296. 1369 Der RefE 2004 (NZI 2004, 549) enthielt eine dahingehende Lösung. Nach diesem sollte § 4a Abs. 1 InsO um den Satz ergänzt werden, dass eine Stundung für die Dauer von drei Jahren nicht gewährt wird, wenn in einem früheren Insolvenzverfahren über das Vermögen des

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

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grundsätzlich sagen können, dass ein Schuldner, der bereits einmal Gelegenheit zur Restschuldbefreiung hatte, diese aber gleichwohl nicht genutzt hat, nicht die sofortige Möglichkeit haben soll, ein neues Verfahren auf Staatskosten zu betreiben. Innerhalb des Redlichkeitssystems der §§ 286 ff. InsO, dem Gläubigerinteressen zugrunde liegen, kann demgegenüber nur ein befriedigungsbeeinträchtigendes bzw. -gefährdendes Verhalten1370 („qualifiziertes“ Fehlverhalten im obigen Sinne) eine Sperrfrist legitimieren. Rechtliche Fehler reichen insoweit nicht aus. Ebenso wie bei verfahrensineffizientem Verhalten mag man auch das Fehlen einer Sperrfrist für den Fall kritisieren, dass der Schuldner den Antrag im Vorverfahren wegen Neuverschuldung zurücknimmt. Kann er nach Belieben Neuanträge stellen, um sich auch solcher Verbindlichkeiten zu entledigen, die nach Verfahrensbeginn entstanden sind, potenziert dies nicht nur den unerwünschten „Drehtüreffekt“, sondern schafft auch ein Einfallstor für missbräuchliche Geschäftspraktiken.1371 Eine Einschränkung dieser Möglichkeit erscheint daher zwar geboten. Systematisch gesehen ist die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Sperrfrist jedoch – wie oben gezeigt – korrekt, weil das Gesetz das erneute Ansetzen zu einer Reduzierung der Schuldenlast lediglich nach einer bereits erteilten Restschuldbefreiung als unredlich einstuft. Trotz der bisherigen Ergebnisse ist die Konzeption des § 287a InsO nicht frei von Widersprüchen. Nicht vollumfänglich überzeugen kann zunächst die fehlende Aufnahme einer Sperrfrist für die Versagung der Restschuldbefreiung wegen Nichtzahlung der Treuhändervergütung nach § 298 InsO.1372 Sein diesbezügliches Vorgehen begründete der Gesetzgeber mit der nicht festgestellten Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger.1373 Hier gilt es jedoch zu beachten, dass auch bei § 298 InsO die Verletzung einer Mitwirkungspflicht in Rede steht,1374 welcher (zumindest mittelbar) Gläubigerschutzgesichtspunkte zugrunde liegen.1375 Dem Schuldner wird zum Vorwurf gemacht, dass er durch seine Zahlungssäumnis dem Befriedigungsinteresse der Gläubiger nicht genügend Rechnung trägt. Zwar trifft es zu, dass es an der Feststellung fehlt, dass die Befriedigung der InsolvenzSchuldners eine Stundung der Kosten nach § 4c Nr. 1, 3, 4, 5 oder 6 InsO aufgehoben worden ist. 1370 Siehe zu dem Merkmal der Befriedigungsbeeinträchtigung und -gefährdung innerhalb der Struktur der Tatbestände der Redlichkeitsvoraussetzungen oben S. 125 ff. Zur Wahrung der Gläubigerinteressen als gemeinsame Prämisse der Redlichkeitskriterien, siehe oben S. 135. 1371 Anschaulich zu dem Fall, in dem ein selbständiger Schuldner so lange neue Insolvenzund Restschuldbefreiungsanträge stellt, bis sein Geschäftsbetrieb schließlich rentabel ist, Mock, KTS 2014, 435, 439. 1372 Kritisch auch BGH NZI 2017, 627, 629; Grote, InsbürO 2019, 204; Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 248 f.; Sternal, in: UhlenbruckInsO, § 287a Rn. 37 f. 1373 BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1374 Vgl. auch BGH ZInsO 2013, 1949, 1950, der eine Parallele zu § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zieht. 1375 Näher dazu oben S. 133 f.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

gläubiger beeinträchtigt wurde. Allerdings wird aus § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. deutlich, dass diese Voraussetzung für das Eingreifen einer Sperrfrist nicht zwingend erforderlich sein sollte. So reichte es nach dessen zweiter Variante aus, dass die Restschuldbefreiung nach § 297 InsO versagt wurde. Für § 297 InsO wird aber genau wie für § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO kein derartiger Schaden der Insolvenzgläubiger vorausgesetzt.1376 An der Feststellung der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger fehlt es im Übrigen auch bei § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO,1377 deren Tatbestand der Reformgesetzgeber aber mit einer Zulassungssperre verknüpft hat. Vor diesem Hintergrund hätte er das Eingreifen von Sperrfristen nicht von einer Befriedigungsbeeinträchtigung, sondern lediglich von der Gefährdung von Gläubigerbelangen abhängig machen dürfen. Unter diese könnte auch § 298 InsO noch subsumiert werden, da die Säumnis des Schuldners die Abwicklung der Gläubigerbefriedigung gefährdet. Nichtdestotrotz lassen sich auch bei der Begründung einer Sperrfrist für § 298 InsO systematische Bedenken nicht völlig ausräumen. So ist der Argumentation des Gesetzgebers zuzustimmen, dass die Versagung nach § 298 InsO nicht auf einem Antrag eines Gläubigers beruht, den § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. jedoch als Legitimation für eine Sperrfrist verlangte. Letztlich ließe sich die Problematik aber ohne systematischen Bruch lösen, wenn – entsprechend dem Vorschlag des RefE 2004 vom 16.9.2004 – die Aufhebung der Stundung im Vorverfahren nach § 4c InsO eine Sperrfrist für einen Stundungsantrag im Folgeverfahren auslöste. Praktische Bedeutung hat der § 298 InsO in der Regel nämlich nur in dem Fall, dass die Stundung in der Wohlverhaltensperiode (etwa wegen Verletzung einer Mitwirkungspflicht) aufgehoben wurde und der Schuldner in der Folge nicht die Vergütung des Treuhänders aufbringen kann.1378 Diese Lösung hätte zum einen den Vorteil, dass die Sanktion des § 298 InsO nicht „weitgehend wirkungslos“1379 bliebe. Zum anderen würde auf diese Weise der Tatsache Rechnung getragen, dass der Schuldner die Verfahrenseinstellung und Restschuldbefreiungsversagung dadurch provoziert hat, dass sein eigenes Fehlverhalten zur Aufhebung der Kostenstundung geführt hat.1380

1376

Näher dazu oben S. 128 f. Siehe S. 126. 1378 Siehe dazu Bausch/Nadenau, InsbürO 2019, 122 ff.; Schädlich, NZI 2013, 846, 849. Zur Bedeutung der „Rückstellungsrechtsprechung“ des BGH, Reck/Köster/Wathling, ZVI 2016, 1, 6. 1379 BGH ZInsO 2013, 1949, 1951; zustimmend Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 287a Rn. 38; siehe auch Bausch/Nadenau, InsbürO 2019, 122, 124, die § 298 InsO als „sinnentleert“ bezeichnen, weil sich die Frage stellt, warum der gut beratene Schuldner nach Aufhebung der Stundung im Restschuldbefreiungsverfahren noch die Mindestvergütung zahlen soll, wenn er ohne Einhaltung einer Sperrfrist ein neues Verfahren mit Kostenstundung einleiten kann, bei dem eventuelle „Neuverbindlichkeiten“ dem angestrebten Schuldenerlass auch noch unterliegen. 1380 Kritisch insoweit BGH NZI 2017, 627, 629. 1377

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

255

Während es aus systematischer Sicht richtig erscheint, dass § 298 InsO nicht in den Sperrfristenkatalog des § 287a InsO aufgenommen wurde, einzig die Argumentation des Gesetzgebers nicht uneingeschränkt plausibel ist, stellt das Fehlen einer Sperrfrist in § 287a Abs. 2 S. 1 InsO bei einem vorherigen Widerruf der Restschuldbefreiung nach § 303 InsO einen wirklichen Wertungswiderspruch dar. Genau genommen bestand dieser auch schon bei § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F., der Vorgängerregelung des § 287a InsO. So erfasste § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. zwar eine Versagung nach § 296 InsO, nicht aber einen Widerruf gem. § 303 InsO a. F. Dies ließ unberücksichtigt, dass dessen tatbestandliche Voraussetzungen für einen Ausschluss identisch mit denen im Rahmen des § 296 InsO waren, nur die Obliegenheitsverletzung erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung durch die Insolvenzgläubiger entdeckt wurde.1381 An diesem Befund hat sich durch die Erweiterung1382 des Widerrufstatbestands im Wege der Reform 2014 nichts geändert. Der Widerrufsgrund des § 303 Abs. 1 Nr. 1 InsO stellt wiederum auf eine Obliegenheitsverletzung i. S. d. § 295 InsO ab,1383 der des § 303 Abs. 1 Nr. 2 InsO entspricht dem Versagungsgrund nach § 297 InsO und der Widerrufsgrund des § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO korrespondiert mit dem Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO.1384 Der Unwertgehalt, der den Widerrufsgründen zugrunde liegt, ist somit identisch mit dem der sperrfristauslösenden Versagungsgründe.1385 Zudem kommt ein Widerruf ausschließlich bei einem dahingehenden Gläubigerantrag in Betracht. Nach dem Maßstab des Reformgesetzgebers hätte demnach für § 303 InsO eine Sperrfrist in § 287a InsO aufgenommen werden müssen. Da er sich ausweislich der Materialien nicht mit dieser Frage auseinandergesetzt hat, muss von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden.1386 Einer solchen kann hier auch nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber die Fälle der ehemaligen Sperrfristrechtsprechung abschließend kodifizieren wollte,1387 zumal die Widerrufskonstellation noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs war.1388 Daher ist der Antrag auf Restschuldbefreiung analog § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO unzulässig, wenn innerhalb von fünf Jahren eine Restschuldbefreiung gem. § 303 Abs. 1 Nr. 2

1381 Siehe etwa Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 130; Heyer, Restschuldbefreiung, S. 73. Zur Struktur des § 303 InsO siehe oben S. 128. 1382 Näher dazu unten S. 268 f. 1383 Die tatbestandlichen Anforderungen sind dabei sogar noch höher als bei §§ 295, 296 InsO, weil Vorsatz und eine erhebliche Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger verlangt wird. 1384 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 23. 1385 Ebenso, jedoch einschränkend in Bezug auf § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO Preuß, in: JaegerInsO, § 287a Rn. 24 f.; vgl. auch Stephan, in: MüKo-InsO, § 287a Rn. 68. 1386 Siehe auch Möhring, ZVI 2017, 289, 296; Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 22. 1387 Dies erkennt wohl auch Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 677, an. 1388 Vgl. Möhring, ZVI 2017, 289, 296.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

InsO widerrufen wurde. Analog § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO gilt dies gleichermaßen, wenn ein Widerruf nach § 303 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 InsO vorliegt.1389 cc) Ergebnis Festzuhalten ist, dass die Kodifizierung der Sperrfristen in § 287a InsO insoweit Rechtssicherheit gebracht hat, als nun ein verhältnismäßig klarer Maßstab dafür besteht,1390 welche Verhaltensweisen Nachwirkungen für ein Folgeverfahren entfalten. Aus systematischer Sicht kann die Lösung des Gesetzgebers weitgehend überzeugen. Unverständlich ist lediglich die Nichtaufnahme des Widerrufs nach § 303 InsO in den Sperrfristkatalog, zumal es sich dabei ersichtlich um eine sachnahe Problematik zu den Fällen des § 287a InsO handelt. Dessen ungeachtet zeigen die Reaktionen der Rechtsprechung, dass ein Bedürfnis nach Zulassungssperren auch jenseits unredlichen Schuldnerverhaltens existiert. Gleichermaßen wird das Erfordernis des Versagungsantrags eines Gläubigers für das Eingreifen von Sperrfristen den praktischen Gegebenheiten nicht gerecht. Insbesondere muss verhindert werden, dass die gesetzlichen Anforderungen, die das Restschuldbefreiungsverfahren an den Schuldner stellt, ihrer Funktion verlustig werden. Weder darf der Eindruck entstehen, dass schuldnerisches Engagement nicht gewürdigt wird und unkooperative Schuldner quasi belohnt werden,1391 noch dürfen Nachlässigkeiten oder der Unwille des Schuldners auf Staatskosten gehen. Sowohl aus Akzeptanzgesichtspunkten als auch vor dem Hintergrund der Interessen des Staates erscheinen weitergehende Maßnahmen geboten.1392 4. Fortgeltung der Vorwirkungsrechtsprechung a) Anwendbarkeit im Kostenstundungsrecht Von der Frage der Ausweitung der Anwendung des § 287a InsO im Sinne der Nachwirkungsrechtsprechung ist das Problem der Versagung der Stundung im Hinblick auf Versagungsgründe abzugrenzen, die bei Entscheidung über die Verfahrenskostenstundung bereits zweifelsfrei vorliegen.1393 Da die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der solche Versagungsgründe schon im Eröffnungsverfahren zu berücksichtigen sind, keiner gesetzlichen Regelung zugeführt wurde, ist offen, ob sie auch noch in den ab dem 1.7.2014 eröffneten Verfahren 1389 Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 287a Rn. 39; Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 22; (beschränkt auf § 303 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 InsO) Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 25; a. A. Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 678; Stephan, in: MüKo-InsO, § 287a Rn. 69. 1390 Kritischer Thüning, ZVI 2017, 377, 382 (Die Regelung habe nur bedingt Klarheit geschaffen). 1391 Vgl. Bausch/Nadenau, InsbürO 2019, 122, 125. 1392 Vgl. auch Thüning, ZVI 2017, 377, 382. 1393 Vallender/Undritz, in: Vallender/Undritz, § 11 Rn. 30.

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

257

angewendet werden kann. Teilweise1394 wird aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Vorwirkungsrechtsprechung die Regelung des § 4a Abs. 1 S. 3 InsO angepasst hat, geschlossen, dass er am restriktiven Wortlaut der Norm festhalten wollte. Für eine teleologische Erweiterung des Ausschlussgrundes fehle es spätestens seit dem 1.7.2014 an einer planwidrigen Regelungslücke. Dem wird entgegengehalten, dass der Änderungsgrund ausschließlich darin bestand, dass § 4 Abs. 1 S. 3 InsO angepasst werden musste, weil der frühere Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO in die Eingangsentscheidung transferiert wurde.1395 Darüber hinaus habe sich der Gesetzgeber im Gegensatz zur weiteren Anwendbarkeit der Sperrfristjudikatur einer ausdrücklichen Äußerung im Hinblick auf die Vorwirkungsrechtsprechung enthalten. Hätte er Letztere zu Fall bringen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er entsprechend seinen Ausführungen zu einzelnen Fallgruppen der Nachwirkungsrechtsprechung auch insoweit explizit Stellung bezogen hätte.1396 Richtig ist, dass aus dem bloßen Schweigen des Gesetzgebers nicht geschlossen werden kann, dass er eine Vorprüfung von Versagungsgründen nicht länger zulassen wollte.1397 Zudem wird in den Materialien zumindest indirekt zur Vorwirkungsrechtsprechung Stellung genommen. So heißt es dort, dass eine Sperrfrist für die Fälle ausscheide, in denen eine Verfahrenskostenstundung im Vorverfahren versagt wird, weil nach Feststellung des Gerichts ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zweifelsfrei gegeben ist.1398 Der Verweis auf einen Anwendungsfall der Vorwirkungsrechtsprechung lässt durchblicken, dass der Gesetzgeber diese Rechtsprechung anerkennt. Der Ansicht, die sich gegen die Fortgeltung der Vorwirkungsrechtsprechung ausspricht, ist insoweit beizupflichten, als diese Rechtsprechung eigentlich im Wi1394

Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 257; Madaus, in: BeckOK-InsO, § 4a Rn. 20; gegen eine weitere Anwendbarkeit auch AG Hamburg NZI 2016, 226 f.; Dawe, ZVI 2014, 433, 438; ders., in: HambK-InsO, § 4a Rn. 21; zweifelnd Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1440. 1395 AG Oldenburg ZVI 2016, 254. 1396 Möhring, ZVI 2017, 289, 294; in diesem Sinne auch G. Pape/I. Pape, ZInsO 2017, 793, 799; Vallender/Undritz, in: Vallender/Undritz, § 11 Rn. 30; für eine weitere Anwendbarkeit außerdem AG Marburg NZI 2018, 277 f.; AG Oldenburg ZVI 2016, 254; AG Göttingen NZI 2015, 946 ff.; AG Göttingen NZI 2014, 1056; Frind, ZInsO 2015, 542, 544 ff.; Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 250; ders., ZVI 2016, 129 f.; Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 287a Rn. 6a; ders., in: HK-InsO, § 4a Rn. 8; Wenzel, in: KPBInsO, § 4a Rn. 45 ff. Der BGH hat bislang nur für den Fall, dass eine Restschuldbefreiung unabhängig vom Vorliegen eines Versagungsgrundes offensichtlich nicht erreicht werden kann, weil die wesentlichen am Verfahren teilnehmenden Forderungen gemäß § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sind, entschieden, an seiner bisherigen Judikatur festzuhalten (siehe BeckRS 2020, 2669). Im Übrigen hat er die Anwendbarkeit der Vorwirkungsrechtsprechung nach neuem Recht offengelassen (siehe NZI 2017, 627, 629; vgl. auch BeckRS 2020, 2669). 1397 Siehe auch AG Göttingen NZI 2015, 946, 947; Frind, ZInsO 2015, 542, 545. 1398 BT-Drucks. 17/11268, S. 25.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

derspruch zu dem erklärten Reformziel steht, die Gläubigerrechte zu stärken.1399 Es wurde bereits an anderer Stelle1400 gezeigt, dass die Vorwirkungsrechtsprechung die Gläubigerautonomie einschränkt, da die Vorprüfung des Gerichts das Versagungsverfahren im Restschuldbefreiungsverfahren vorwegnimmt. Einen dahingehenden Willen des Gesetzgebers, die Vorwirkungsrechtsprechung abzuschaffen, kann dieser Einwand hingegen nicht begründen. Das Redlichkeitssystem des Kostenstundungsrechts ist autonom und von dem gläubigerabhängig ausgestalteten Redlichkeitssystem des Restschuldbefreiungsverfahrens zu trennen,1401 weil ihm andere Interessen zugrunde liegen. Ein Grundsatz, wonach eine Stundung der Verfahrenskosten legitim ist, „solange die Gläubiger ihre Rechte hinsichtlich der Versagung der Restschuldbefreiung nicht ausüben“1402, existiert somit nicht. Einer abschließenden Entscheidung der Streitfrage bedürfte es nicht, wenn die Gerichte nach neuem Recht ohnehin eine materiell-rechtliche Prüfung zu der Frage, ob es tatsächlich zu einer Restschuldbefreiung kommt, vornehmen müssten. Möglicherweise könnte § 287a Abs. 1 InsO eine solche Vorgabe statuieren. b) Begründetheitsprüfung im Rahmen des § 287a Abs. 1 InsO? Ist der Antrag auf Restschuldbefreiung zulässig, so stellt das Gericht im Rahmen der Eingangsentscheidung gem. § 287a Abs. 1 S. 1 InsO durch Beschluss fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297 bis 298 InsO nicht vorliegen. Aus dieser neuen Regelung wird in der Rechtsprechung und Literatur zum Teil gefolgert, dass zweifelsfrei vorliegende Versagungsgründe nach § 290 InsO nunmehr seitens des Gerichts in der Eingangsentscheidung zu berücksichtigen seien.1403 Das Gericht habe gem. § 287a Abs. 1 S. 1 InsO eine Prognose zu treffen, ob der Schuldner Restschuldbefreiung erlangen könne. Diese Prognose könne aber nicht erfolgen, wenn schon zum Zeitpunkt der Entscheidung

1399

So der Vorbehalt des AG Hamburg NZI 2016, 226, 227. S. 230. 1401 Zutreffend Heyer, ZVI 2016, 129: „Das Gesetz hat es in diesen Fällen [Anm. d. Verf.: gemeint ist die Vorwirkung des § 4a Abs. 1 S. 3, 4 InsO] niemals für maßgeblich gehalten, dass zu Beginn des Verfahrens noch nicht absehbar ist, ob es überhaupt Versagungsanträge geben wird“. 1402 So aber das AG Hamburg NZI 2016, 226, 227. 1403 LG Dessau-Roßlau ZInsO 2015, 2233 ff.; AG Fürth ZInsO 2016, 766 ff. (aufgehoben durch LG Nürnberg-Fürth ZInsO 2017, 666 f.); AG Hamburg NZI 2015, 422 f.; Frind, ZInsO 2013, 1448, 1451; Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433, 1439; Heilmaier, ZInsO 2015, 1838 ff.; Hergenröder, KTS 2013, 385, 409; Pehl, in: Braun-InsO, § 287a Rn. 2; Streck, ZVI 2014, 205, 209 f.; ders., in: HambK-InsO, § 287a Rn. 4; a. A. etwa AG Hamburg NZI 2016, 226 f.; Ahrens, VIA 2015, 49 ff.; Dawe, ZVI 2014, 433, 437; Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 250; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 41; Vallender/Undritz, in: Vallender/Undritz, § 11 Rn. 29; Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 3. 1400

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

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gegenteilige Erkenntnisse existierten.1404 Da die Erkenntnisse von Amts wegen zu berücksichtigen seien, würde es einen inhaltlich unwahren Beschluss darstellen, wenn der Richter trotz Vorliegens der Voraussetzungen eines Versagungsgrunds feststellen müsste, dass die Voraussetzungen für eine Versagung nicht vorliegen. Die Prüfung stelle somit keine Vorwegnahme eines Gläubigerantrages dar, sondern verhindere eine ausdrückliche unwahre gerichtliche Feststellung.1405 Liege ein Versagungsgrund zweifelsfrei vor, sei der Restschuldbefreiungsantrag daher als unbegründet zurückzuweisen.1406 Durch diese neuere Rechtsprechung erhält die ehemalige Vorwirkungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs im neuen Gewand einer Begründetheitsprüfung Einzug in die Eingangsentscheidung. Einer gerichtsautonomen Berücksichtigung eines zweifelsfrei vorliegenden Versagungsgrunds nach § 290 InsO muss jedoch entgegengehalten werden, dass weder der Wortlaut der Regelung noch die Gesetzgebungshistorie oder die Systematik bzw. die Zielrichtung der Regelung einen Anhaltspunkt dafür geben.1407 So ergibt sich aus § 287a Abs. 1 S. 1 InsO nur ein Prüfungsauftrag an das Gericht, ob der Antrag auf Restschuldbefreiung zulässig ist.1408 Wann der Antrag unzulässig ist, ergibt sich aus Abs. 2. Ginge man demgegenüber von einer Begründetheitsprüfung aus, dürfte sich diese nach dem Wortlaut des § 287a Abs. 1 S. 1 InsO („die Voraussetzungen für eine Versagung“) zudem nicht auf das Vorliegen eines Versagungsgrunds beschränken, sondern müsste auch die Existenz eines Versagungsantrags in den Prüfungsumfang einbeziehen. Ob ein Versagungsantrag eines Insolvenzgläubigers gegeben ist, kann das Gericht zum Zeitpunkt der Eingangsentscheidung jedoch nicht prüfen, so dass nicht schon feststeht, dass der Schuldner keine Restschuldbefreiung erlangt.1409 Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 290 InsO ist folglich nicht Entscheidungsgegenstand. Dem Einwand, es könne kaum etwas festgestellt werden, obwohl der Insolvenzrichter das Gegenteil bereits definitiv kenne, ist damit der Boden entzogen.1410 Das Gericht stellt in der Eingangsentscheidung lediglich zur Klarstellung fest, unter welchen Voraussetzungen der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt. Schon aufgrund des entgegenstehenden Wortlauts ist eine Begründetheitsprüfung im Wege des § 287a Abs. 1 S. 1 InsO ausgeschlossen.

1404 AG Hamburg NZI 2015, 422, 423; Frind, ZInsO 2015, 542, 546; Heilmaier, ZInsO 2015, 1838, 1839. 1405 AG Fürth ZInsO 2016, 766, 768; Frind, ZInsO 2015, 542, 546; Heilmaier, ZInsO 2015, 1838, 1839. 1406 LG Dessau-Roßlau ZInsO 2015, 2233 ff.; Heilmaier, ZInsO 2015, 1838, 1840. 1407 LG Nürnberg-Fürth ZInsO 2017, 666, 667. 1408 Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 3. 1409 LG Nürnberg-Fürth ZInsO 2017, 666, 667. 1410 AG Hamburg NZI 2016, 226, 227.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Gegen eine solche sprechen aber auch gewichtige systematische Gründe. So wurde bereits festgestellt, dass das Versagungssystem der §§ 286 ff. InsO gläubigerautonom ausgestaltet ist. Zwar hat dieser Grundsatz durch die Integration des bisherigen § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO in § 287a Abs. 2 S. 1 InsO eine Einschränkung erfahren. Dafür, dass der Gesetzgeber ihn noch weiter dadurch durchbrechen wollte, dass sich das Gericht über die Prüfung von Sperrfristen hinaus auch mit Versagungsgründen befassen soll, geben die Gesetzesmaterialien allerdings keinen Hinweis. Vielmehr wurde innerhalb der §§ 286 ff. InsO daran festgehalten, dass der unredliche Schuldner ausschließlich auf Initiative der Gläubiger die Restschuldbefreiung nicht erlangen soll.1411 Diese Entscheidung darf nicht durch das Hineinlesen einer Begründetheitsprüfung in den neuen § 287a Abs. 1 S. 1 InsO ausgehebelt werden.1412 c) Ergebnis Nach alledem ist festzuhalten, dass unter Berücksichtigung der Systematik und des Sinn und Zwecks der §§ 4a ff. InsO einerseits und der §§ 286 ff. InsO andererseits nur das Kostenstundungsrecht Raum für die weitere Anwendbarkeit der Vorwirkungsrechtsprechung bietet.1413 Ihre Berechtigung, die darin besteht, überflüssige Verfahren auf Staatskosten zu unterbinden,1414 hat sie freilich auch nach der Reform 2014 nicht eingebüßt.1415 Dem lässt sich außerdem nicht entgegenhalten, dass sie unredliches Schuldnerverhalten nur in Kombination mit der insoweit1416 nicht länger anwendbaren Sperrfristrechtsprechung wirksam habe sanktionieren können, da der Schuldner ansonsten nach Einstellung des Insolvenzverfahrens sofort einen neuen Insolvenz-, Restschuldbefreiungs- und Stundungsantrag stellen könne.1417 So ist zu

1411

So auch Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 41. Aus dem gleichen Grund kann eine Vorwegprüfung von Versagungsgründen auch nicht unter dem Gesichtspunkt des schuldnerischen Rechtsschutzinteresses erfolgen, näher dazu Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287a Rn. 42. 1413 Vgl. auch Wenzel, in: KPB-InsO, § 287a Rn. 3. 1414 Näher dazu oben S. 230 f. 1415 Vgl. auch BGH BeckRS 2020, 2669. Das AG Hamburg (NZI 2016, 226, 227) bewertet die zeitliche Ausweitung der Antragsfrist in § 290 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 InsO (siehe dazu unten S. 269 f.) als eine Maßnahme des Gesetzesgebers, die verhindern soll, dass die Gläubiger von ihren Versagungsrechten erst Gebrauch machen, wenn bereits öffentliche Mittel eingesetzt sind. Allerdings verkennt es, dass die Entscheidung über den Versagungsgrund nach wie vor erst nach dem Schlusstermin ergeht, so dass die öffentlichen Mittel zu diesem Zeitpunkt weiterhin bereits eingesetzt sind. Daran ändert auch die Möglichkeit, Versagungsanträge vor dem Schlusstermin zu stellen, nichts. 1416 So ist nach der Gesetzesbegründung eine Sperrfrist für den Fall, dass die Verfahrenskostenstundung im Vorverfahren versagt wird, weil ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zweifelsfrei gegeben ist, ausgeschlossen, BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 1417 So aber Dawe, ZVI 2014, 433, 438. 1412

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

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berücksichtigen, dass es keinesfalls ausgemacht ist, dass der Schuldner erneut einen Antrag stellt.1418 Da sich – wie oben gezeigt – außerdem kein entgegenstehender Wille des Reformgesetzgebers feststellen lässt, muss davon ausgegangen werden, dass das Gericht weiterhin zur umfassenden Vorprüfung von Versagungsgründen im Rahmen der Entscheidung über die Stundungsbewilligung berechtigt ist. 5. Zusammenfassung Mit § 287a InsO hat der Gesetzgeber gewichtige Änderungen im Redlichkeitssystem der §§ 286 ff. InsO vorgenommen. Nicht nur hat er im Vergleich zur Vorgängerregelung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. weitere unredliche Verhaltensweisen mit einer Sperrfrist belegt, sondern auch den ehemaligen Grundsatz, dass Sperrgründe ausschließlich auf Initiative der Gläubiger überprüft werden, eingeschränkt. Dabei müssen Sperrfristen jedoch zwingend durch einen Versagungsantrag eines Gläubigers im Vorverfahren legitimiert sein. Am gläubigerautonomen Versagungssystem wollte der Gesetzgeber somit festhalten. Eine gerichtsseitige Begründetheitsprüfung im Rahmen des § 287a Abs. 1 S. 1 InsO scheidet daher aus. Gleichzeitig sind der ehemaligen Sperrfristjudikatur auf diese Weise klare Grenzen gesetzt. So überzeugend der für das Eingreifen von Sperrfristen gewählte Maßstab aus systematischer Sicht ist, so sollte er aus rechtspolitischen und rechtstatsächlichen Gründen gleichwohl überdacht werden.

III. Sonstige Änderungen Die Reform 2014 hat eine Reihe weiterer Veränderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen gebracht, die im Folgenden näher zu betrachten sind. 1. Veränderung der in § 290 InsO maßgeblichen Zeiträume Im Rahmen des § 290 InsO hat der Gesetzgeber insbesondere bei den Geltungszeiträumen einzelner Versagungsgründe angesetzt. Hierunter fällt zunächst die Einführung einer fünfjährigen Höchstfrist in § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Diese hat zur Folge, dass eine Versagung der Restschuldbefreiung nicht mehr auf Verurteilungen wegen einer Katalogtat gestützt werden kann, die länger als fünf Jahre zurückliegt. Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung und Literatur hatte aus Verhältnismäßigkeitsgründen bereits in der Vergangenheit die 1418 Frind, ZInsO 2015, 542, 545 f., der die Frage aufwirft, ob der Schutz der Staatskasse vor sinnlosen Stundungsgewährungen es nicht in jedem Einzelfall ohnehin gebiete, die angemessene Entscheidung ohne Rücksicht darauf, was der Schuldner evtl. als Nächstes unternehme, zu treffen.

262

3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Berücksichtigung der aufgeführten Straftaten entgegen dem Wortlaut des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO zeitlich begrenzt.1419 Dabei hatte sie auf die Tilgungsfristen des § 46 BZRG abgestellt und eine maximal zehnjährige Frist als angemessen angesehen, um Wertungswidersprüche mit § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. zu vermeiden. Demgegenüber orientierte sich der Reformgesetzgeber an den Fristen des § 34 BZRG, die für die Aufnahme einer Verurteilung in das Führungszeugnis gelten. Die Regelung schafft die notwendige Klarheit, dass Verurteilungen wegen Insolvenzstraftaten der Restschuldbefreiung nicht für alle Zeit entgegenstehen, sondern lediglich innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens.1420 Der Gesetzgeber hat auf diese Weise festgelegt, wie lange ein Schuldner, der eine Insolvenzstraftat begangen hat, im Sinne der InsO als unredlich anzusehen ist. Dass die dabei getroffene Abwägung im Vergleich zum bisherigen Meinungsstand schuldnerfreundlicher ausfiel, ist wiederum Ausfluss einer Wertungsentscheidung,1421 die nicht isoliert, sondern nur unter Berücksichtigung der sonstigen Sperrfristen getroffen werden konnte. Insofern ist auf die Ausführungen zum Verhältnis der beiden Sperrfristen des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO zu verweisen.1422 Eine Verschärfung trat jedoch im Hinblick auf die Frist in § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ein. So wurde die Versagung wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Gläubigerbenachteiligung sowie Vermögensverschwendung, die vormals lediglich im letzten Jahr vor Antragstellung geahndet werden konnte, auf drei Jahre ausgedehnt.1423 Der Gesetzgeber begründete die Erhöhung der Frist mit dem Argument, dass der Unwertgehalt der vom Schuldner begangenen Verstöße angeglichen werden solle und das schuldnerische Fehlverhalten mit dem in § 290 Abs. 1 Nr. 2, 5 bis 7 InsO genannten vergleichbar sei.1424 Allerdings stellt sich die Frage, ob diese pauschale Gleichsetzung überzeugen kann. Wie bereits an anderer Stelle festgestellt wurde, spielen die Ursachen des wirtschaftlichen Scheiterns nach der Konzeption der InsO grundsätzlich keine Rolle für die Frage, ob der Schuldner Restschuldbefreiung erlangen soll. Nur ausnahmsweise und unter der engen Voraussetzung, dass das vorwerfbare Verhalten in einem unmittelbaren Zusammenhang zum Insolvenzverfahren steht, wurde dieser Grundsatz in § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO aus Gläubigerschutzgesichtspunkten eingeschränkt.1425 Umso mehr verwundert es, dass nun ein Verhalten des Schuldners eine Versagung der Restschuldbefreiung auslösen kann, das zu einem Zeitpunkt stattfand, als mit einer finanziellen Krise möglicherweise

1419

S. 107. 1420 1421 1422 1423 1424 1425

Siehe (auch zum folgenden Text) BT-Drucks. 17/11268, S. 26. Vgl. außerdem oben Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 609. Vgl. Jäger, ZVI 2012, 177, 186. Siehe dazu oben S. 240 f. Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 545. BT-Drucks. 17/11268, S. 27. Näher dazu oben S. 135 ff.

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

263

noch nicht zu rechnen war.1426 Bloße wirtschaftliche Unvernunft bekommt damit eine Relevanz, die dem Restschuldbefreiungsverfahren bislang fremd war. Quasi „durch die Hintertür“ wird das Vertretenmüssen der Zahlungsunfähigkeit zum Verfahrensgegenstand gemacht.1427 Die Verschärfung des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO stellt daher einen Systembruch dar. Besonders vor dem Hintergrund, dass der durch unbestimmte Rechtsbegriffe gekennzeichnete und weit gefasste Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ohnehin in der Kritik1428 steht, erscheint diese Entwicklung problematisch. Eine letzte Änderung hinsichtlich des tatbestandlichen Geltungszeitraums erfuhr § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Durch die Streichung der Worte „während des Insolvenzverfahrens“ wurde entsprechend der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur klargestellt, dass auch Auskunfts- und Mitwirkungspflichtverletzungen vor Verfahrenseröffnung versagungsbewehrt sind. 2. Einführung einer Mindeststrafe in § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 297 InsO Zusätzlich zu der fünfjährigen Höchstfrist wurden die Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 297 InsO um die Voraussetzung einer Mindeststrafe ergänzt. Insolvenzstraftaten können demnach nur noch dann zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen, wenn der Schuldner zu einer Geldstrafe von mehr als neunzig Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist. Die Schwelle, die den Vorgaben des § 32 Abs. 2 Nr. 5 BZRG entspricht, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers bewirken, dass Bagatellstraftaten einer Restschuldbefreiung nicht mehr im Wege stehen.1429 Weshalb sie gerade bei Insolvenzdelikten die „Redlichkeit“ des Schuldners markieren soll, bleibt offen.1430 Ob bei einer Strafe von „nur“ neunzig Tagessätzen bzw. drei Monaten von einer geringfügigen Pflichtverletzung ausgegangen werden kann, muss bezweifelt werden.1431 Die Strafzumessung ist im Übrigen wenig aussagekräftig im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Tat, weil die Schwere der Pflichtverletzung lediglich ein Umstand

1426

94. 1427

Kritisch auch Hergenröder, KTS 2013, 385, 414; Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91,

Hergenröder, KTS 2013, 385, 415. Siehe nur Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 26.21; Preuß, in: Jaeger-InsO, § 290 Rn. 78 („Fehlen eines klaren ,Unredlichkeitsprofils‘“). 1429 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 26 f. 1430 BAKinso, Stellungnahme Teil II zum Referentenentwurf v. 18.1.2012 eines Gesetzes zur Verkürzung des RSB-Verfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen S. 5. 1431 Siehe auch Weiß, ZInsO 2012, 1058, 1062, der darauf hinweist, dass es wegen geringfügiger Pflichtverletzungen schon nicht zu einer Verurteilung kommen wird, sondern zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach den §§ 153, 153a StPO. 1428

264

3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

von vielen ist, die im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sind.1432 Eine Unterschreitung der Schwelle des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO bzw. des § 297 InsO beseitigt somit nicht zwangsläufig den Unrechtsgehalt der Tat und die Unredlichkeit des Schuldners.1433 3. Versagungsmöglichkeit aufgrund fehlerhafter Erklärung nach § 287 Abs. 1 S. 3 InsO Flankierend zu der neuen Erklärungspflicht des Schuldners nach § 287 Abs. 1 S. 3 InsO über das Vorliegen von Sperrgründen i. S. d. § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder 2 InsO sanktioniert § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO in seiner ersten Variante nunmehr solche vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschangaben, die der Schuldner im Rahmen dieser Erklärung gemacht hat. Der Versagungsgrund erscheint vor dem Hintergrund, dass die Erklärung nach § 287 Abs. 1 S. 3 InsO dem Gericht als Entscheidungsgrundlage für die Zulässigkeitsprüfung nach § 287a Abs. 2 S. 1 InsO dient, geboten. 4. Vorverlagerung der Erwerbsobliegenheit auf das Insolvenzverfahren und Ausdehnung der Sanktionsmöglichkeiten Aufgrund der Neufassung des § 287b InsO trifft den Schuldner bereits während des Insolvenzverfahrens eine Erwerbsobliegenheit.1434 Der Reformgesetzgeber wollte auf diese Weise bekräftigen, dass sich der Schuldner in sämtlichen Verfahrensabschnitten nach seinen Möglichkeiten ernsthaft um die Tilgung seiner Verbindlichkeiten bemühen muss, wenn er in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen möchte.1435 Eine Verletzung dieser Obliegenheit kann gem. § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO auf Antrag eines Gläubigers zur Versagung der Restschuldbefreiung führen.1436 Die Voraussetzungen entsprechen dabei denen der §§ 295 Abs. 1 Nr. 1, 296 InsO. Für das Versagungsverfahren gilt § 296 Abs. 2 S. 2 und 3 InsO 1432 Vgl. Weiß, ZInsO 2012, 1058, 1062 („Umstände, die für die Befriedigungsaussichten der Gläubiger ohne jede Bedeutung sind, können – zugunsten wie zulasten des Schuldners – das Strafmaß bestimmen, z. B. Vorstrafen, laufende Bewährung, längeres Zurückliegen der Tat“). 1433 In diesem Sinne auch Jäger, ZVI 2012, 177, 186. 1434 Dies gilt sowohl für den unselbständigen als auch für den selbständigen Schuldner. Seit Einführung des § 287b InsO besteht für den selbständigen Schuldner auch eine Erwerbsobliegenheit im Falle eines nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO freigegebenen Geschäftsbetriebes, Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, § 287b Rn. 2 m. w. N. Zu den durch die Einführung des § 287b InsO aufgeworfenen Fragestellungen im Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit, Preuß, in: Jaeger-InsO, § 287b Rn. 30 ff. 1435 BT-Drucks. 17/11268, S. 15. 1436 Die Tatsache, dass den Schuldner „nur“ eine Erwerbsobliegenheit und – anders als im Insolvenzverfahren üblich – keine dahingehende Pflicht trifft, gründet daher, dass die Arbeitskraft des Schuldners nicht in die Insolvenzmasse fällt (siehe dazu Wenzel, in: KPB-InsO, § 287b Rn. 3). Systematisch musste daher die vormalige Trennung zwischen dem Pflichtenkatalog nach § 290 InsO und dem Obliegenheitskatalog nach § 295 InsO durchbrochen werden.

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

265

entsprechend. Daher kann die Restschuldbefreiung allein aus dem Grund versagt werden, dass der Schuldner seinen Verfahrensobliegenheiten nicht nachkommt. Die Vorverlagerung der Erwerbsobliegenheit korrigiert die nach vormaliger Rechtslage bestehende Unzulänglichkeit, wonach zwar die Abtretungsfrist mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt, nicht aber die Obliegenheit, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben oder aufzunehmen.1437 Die in asymmetrischen Verfahrenskonstellationen1438 früher auftretenden Fälle, in denen der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, ohne jemals verpflichtet gewesen zu sein, im Interesse seiner Gläubiger einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen, sind somit de lege lata nicht mehr möglich.1439 Die Anpassung erschien umso wichtiger, als aufgrund der Verkürzungsmöglichkeiten des § 300 Abs. 1 S. 2 InsO in den ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren häufiger kein relevanter Zeitraum entsprechenden Schuldnerbemühens mehr bestanden hätte.1440 Zwar traf den Schuldner, dessen Verfahrenskosten gestundet waren, auch nach ehemaliger Rechtslage gem. § 4c Nr. 4 InsO eine Erwerbsobliegenheit im eröffneten Verfahren, so dass die obige Problematik sich lediglich in Ausnahmefällen gestellt haben dürfte. Ein Bedürfnis nach einem lückenlosen Gläubigerschutz bestand gleichwohl. Insbesondere hat der Schuldner nicht länger einen Anreiz, sich um eine Fremdfinanzierung des Verfahrens zu bemühen, um die sonst vorgelagerte und gerichtlich kontrollierte Erwerbspflicht zu umgehen.1441 Da die §§ 287b, 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO zudem nicht nur zur Aufhebung der Stundung, sondern unmittelbar zur Versagung der Restschuldbefreiung führen, existiert im Übrigen – zumindest der Idee nach – ein wirkungsvolleres Druckmittel gegen Schuldner, die ihre Arbeitskraft während des Insolvenzverfahrens absichtlich nicht (voll) ausschöpfen.

5. Möglichkeit der Geltendmachung nachträglich bekannt gewordener Versagungsgründe Vor der Reform 2014 bestand eine strenge Zäsur im Recht der Versagungstatbestände.1442 Nach der früheren Ankündigung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin (vgl. § 291 InsO a. F.) waren die Versagungsgründe des § 290 InsO präkludiert und ausschließlich diejenigen der §§ 295 ff. InsO anwendbar. Blieb ein vom Schuldner verwirklichter Versagungsgrund nach § 290 InsO bis zum Schlusstermin unentdeckt, führte dies zu der unbefriedigenden Situation, dass er nach 1437

BT-Drucks. 17/11268, S. 29. Näher zu dieser Problematik oben S. 192 f. Darunter sind Verfahren zu verstehen, in denen die Wohlverhaltensperiode bereits vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens abläuft. 1439 Vgl. Wimmer, ZVI 2012, 160, 162. 1440 Kexel, in: Graf-Schlicker-InsO, § 287b Rn. 1; Wimmer, ZVI 2012, 160, 162. 1441 Schallock, Gesetzliche Veränderungen bei der Abwicklung von Verbraucherinsolvenzen, S. 354. 1442 Näher dazu oben S. 99 ff. 1438

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

diesem Zeitpunkt keine Sanktion mehr befürchten musste.1443 Obwohl seine Unredlichkeit feststand, konnten letztlich Zufälligkeiten über die Aufrechterhaltung der Möglichkeit zur Restschuldbefreiung entscheiden. In den Fällen, in denen der Schuldner die Aufdeckung seines Verhaltens gar vereitelte, erschien sein Unredlichkeitspotential sogar noch größer. Missbräuchlichem Schuldnerverhalten konnte auf diese Weise nicht effektiv begegnet werden. Daran änderte auch die grundsätzliche Möglichkeit, das verheimlichte Vermögen im Wege der Nachtragsverteilung zur Masse zu ziehen und gegen den Schuldner gem. § 826 BGB vorzugehen, nichts.1444 Der Widerspruch zu der Tatsache, dass die Restschuldbefreiung nur bei Einhaltung der Redlichkeitsanforderungen erteilt werden soll, konnte dadurch nicht beseitigt werden.1445 Die neue Regelung des § 297a InsO schafft insoweit Abhilfe. Zwar müssen die Gläubiger auch weiterhin Versagungsanträge i. S. d. § 290 InsO grundsätzlich während des Insolvenzverfahrens stellen, jedoch können gem. § 297a InsO nunmehr auch nachträglich Versagungsgründe i. S. d. § 290 InsO geltend gemacht werden. Voraussetzung dafür ist, dass sich erst nach dem Schlusstermin oder nach Einstellung des Verfahrens gem. § 211 InsO herausstellt, dass ein Versagungsgrund nach § 290 InsO vorgelegen hat und der antragstellende Gläubiger glaubhaft machen kann, dass ihm dieser Grund erst innerhalb der letzten sechs Monate vor Antragstellung bekannt geworden ist.1446 Aufgrund seiner klaren Anknüpfung an § 290 InsO normiert § 297a InsO keine weiteren Versagungsgründe.1447 Wie schon § 303 InsO1448 schafft er eine Möglichkeit, bereits begangene Verstöße nachträglich zu ahnden. Der Kreis der originären Redlichkeitskriterien wurde durch die neue Regelung somit nicht erweitert. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob § 297a InsO mittelbar mit einer sachlichen Erweiterung der Versagungsgründe verbunden ist.1449 So könnte die Norm dahingehend zu verstehen sein, dass ein i. S. d. § 290 InsO zu missbilligendes Verhalten auch noch im Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens einen Grund für die Versagung der Restschuldbefreiung darstellt.1450 Bei 1443 Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 543. Zu beobachten waren in der Praxis vor allem Fälle, in denen der Schuldner Vermögenswerte während des eröffneten Verfahrens erfolgreich verschwieg, siehe nur AG Oldenburg ZVI 2002, 220 ff. 1444 Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 952, hält dagegen § 297a InsO angesichts der genannten Instrumente für entbehrlich. 1445 Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 324. 1446 Zur umstrittenen Frage, ob das Merkmal „herausstellt“ objektiv oder subjektiv ausgelegt werden muss, Preuß, in: Jaeger-InsO, § 297a Rn. 12 ff. 1447 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 297a Rn. 1. 1448 Siehe dazu oben S. 128. 1449 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 297a Rn. 1. 1450 Riedel, in: BeckOK-InsO, § 297a Rn. 1.1. Für eine in diesem Sinne erweiternde Auslegung der Norm Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 544; Streck, in: HambK-InsO, § 297a Rn. 4; Wenzel, in: KPB-InsO, § 297a Rn. 2.

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

267

einer solchen Interpretation würde § 297a InsO gleichermaßen wie § 297 InsO den zeitlichen Anwendungsbereich bestehender Redlichkeitsvoraussetzungen erweitern.1451 Verstöße gegen die Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten sowie die Erwerbsobliegenheit des § 290 InsO im Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens führten in diesem Fall zur Unredlichkeit des Schuldners. Der Wortlaut der Norm lässt ein solches Verständnis grundsätzlich zu. Er deutet allerdings eher darauf hin, dass § 297a InsO (mittelbar) keine Versagungsgründe für diese Zeitspanne aufstellt, sondern der Versagungsgrund nach § 290 InsO zwingend bis zum Schlusstermin verwirklicht sein muss.1452 Andernfalls hätte der Gesetzgeber sich vermutlich an der Formulierung des § 297 InsO orientiert und den maßgeblichen Zeitraum ausdrücklich benannt („wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens“). Auch aus systematischer Sicht erscheint diese Auslegung naheliegender.1453 So darf der Gläubiger gem. § 297a Abs. 1 S. 3 InsO bis zu dem in S. 1 maßgeblichen Zeitpunkt keine Kenntnis von dem Versagungsgrund gehabt haben. Hat der Schuldner den Versagungsgrund erst nach dem Schlusstermin verwirklicht, ist eine Kenntnisnahme in diesem Sinne jedoch schon der Sache nach ausgeschlossen. § 297a Abs. 1 S. 3 InsO hätte in diesen Fällen keine eigenständige Bedeutung.1454 Schließlich ist zu beachten, dass der Sinn und Zweck der Vorschrift dahin geht, eine Versagung auch dann noch zu ermöglichen, wenn der Versagungsgrund den Gläubigern zu spät bekannt geworden ist.1455 Der Gesetzgeber hielt den unredlichen Schuldner, der nur deshalb Restschuldbefreiung erlangt, „weil der Schlusstermin bereits stattgefunden und kein Gläubiger den Versagungsantrag geltend gemacht hat“1456, für nicht schutzwürdig. Auch er hatte somit Fälle vor Augen, in denen die Obliegenheitsverletzung spätestens bis zum Schlusstermin begangen wurde. Darauf deutet nicht zuletzt auch die Argumentation des Gesetzgebers hin, wonach eine besonders kurze Dauer des Insolvenzverfahrens nicht zu Lasten der Gläubiger gehen dürfe, weil sie den Zeitraum für die Entdeckung von Versagungsgründen verkürze. Eine derartige Abhängigkeit lässt sich im Verhältnis zwischen der Länge des Insolvenzverfahrens auf der einen Seite und der „Entdeckungsphase“ zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf der anderen Seite nicht feststellen. Nach alledem muss eine direkte Anwendung des § 297a InsO auf nachträgliche Verstöße ausscheiden. Allerdings wollte der Gesetzgeber unredliches Schuldner1451

Zur Struktur des § 297 InsO siehe oben S. 128. Für eine dahingehende Interpretation Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 964a; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 297a Rn. 2. 1453 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 297a Rn. 11. 1454 Dies könnte man nur anders sehen, wenn man darauf abstellt, dass die Unkenntnis des Gläubigers schlicht offenkundig wäre, darauf hinweisend Preuß, in: Jaeger-InsO, § 297a Rn. 11. 1455 BT-Drucks. 17/11268, S. 29. 1456 BT-Drucks. 17/11268, S. 29. 1452

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

verhalten wirksam sanktionieren, um die Gläubigerrechte und die Akzeptanz des Restschuldbefreiungsverfahrens zu stärken.1457 Dieses Ziel ist bei dem hier befürworteten Verständnis der Norm hingegen nicht vollständig zu erreichen. Fällt dem Schuldner im Zeitraum zwischen dem Schlusstermin und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens massezugehöriges Vermögen zu, wäre es sanktionslos, wenn er dieses verheimlicht. Hätte der Gesetzgeber diesen Fall bedacht, hätte er ein solches Verhalten gleichermaßen1458 als unredlich eingestuft und eine Versagungsmöglichkeit geschaffen. Dafür spricht insbesondere das mit der Reform 2014 verfolgte Anliegen, die Erwerbsobliegenheit des Schuldners für die gesamte Laufzeit der Abtretungsfrist zu normieren.1459 Die Rechtswohltat der Schuldbefreiung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers allgemein das ernsthafte Bemühen des Schuldners voraussetzen, seine Verbindlichkeiten nach seinen Möglichkeiten zu tilgen.1460 Damit ist es nicht vereinbar, wenn der mit der Erwerbsobliegenheit intendierte Schutz der Gläubiger weiterhin nur lückenhaft gewährleistet ist, weil Verstöße gegen die Erwerbsobliegenheit nicht vollständig geahndet werden können. Im Übrigen sind keine vorrangigen schützenswerten Interessen des Schuldners ersichtlich.1461 Es muss daher von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden, die im Wege einer Analogie zu schließen ist. § 297a InsO ist somit auf nachträglich zwischen dem Schlusstermin und der Beendigung des Verfahrens entstandene Versagungsgründe entsprechend anwendbar. 6. Ausweitung der Widerrufsmöglichkeiten Seine Linie, die Erlangung der Restschuldbefreiung auf redliche Schuldner zu beschränken, hat der Gesetzgeber auch im Rahmen des Widerrufs nach § 303 InsO fortgesetzt,1462 der um zwei weitere Widerrufsgründe ergänzt wurde. Gem. § 303 Abs. 1 Nr. 2 InsO kann dem Schuldner nunmehr die Restschuldbefreiung widerrufen werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner während der Abtretungsfrist nach Maßgabe von § 297 Abs. 1 InsO verurteilt worden ist, oder wenn der Schuldner erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung wegen einer bis zum Ende der Abtretungsfrist begangenen Straftat nach Maßgabe von § 297 Abs. 1 InsO verurteilt wird. Die Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat wird seither in jeder Verfahrensstufe sanktioniert. Insbesondere ist dadurch gewährleistet, dass die Dauer des Strafverfahrens nicht mehr maßgeblich bestimmt, ob das Verhalten des Schuldners letztlich als redlich oder unredlich eingestuft wird.1463 1457

BT-Drucks. 17/11268, S. 1 u. 29. Vgl. insoweit den in den Materialien explizit erwähnten Fall, dass der Schuldner im eröffneten Verfahren Vermögenswerte verschweigt, BT-Drucks. 17/11268, S. 29. 1459 Siehe BT-Drucks. 17/11268, S. 28 f. 1460 BT-Drucks. 17/11268, S. 15. 1461 Vgl. Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 544. 1462 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 32. 1463 Preuß, in: Jaeger-InsO, § 303 Rn. 3. 1458

B. Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen

269

Nach § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO kann dem Schuldner auch dann die Restschuldbefreiung widerrufen werden, wenn er nach ihrer Erteilung Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen. Dieser Fall ist auf die asymmetrischen Verfahren zugeschnitten.1464 Er erlaubt es, dass auch solche Verletzungen der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht sanktionslos bleiben, die den Neuerwerb i. S. v. § 300a InsO betreffen.1465 Anders als sonst muss der Widerrufsantrag nach § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht innerhalb eines Jahres nach der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung gestellt werden, sondern innerhalb von sechs Monaten nach rechtskräftiger Aufhebung des Insolvenzverfahrens, vgl. § 303 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 InsO. Wie auch schon der bisherige Fall des § 303 Abs. 1 InsO, der nun in § 303 Abs. 1 Nr. 1 InsO geregelt ist, schafft § 303 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 InsO eine Möglichkeit, während der Wohlverhaltensperiode begangene Verstöße nachträglich geltend zu machen.1466 Allerdings beschränkt sich § 303 InsO nicht länger auf eine solche Möglichkeit, sondern führt zudem zu einer zeitlichen Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 297 InsO bzw. des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO, vgl. § 303 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 InsO. Auf diese Weise werden erstmals Schuldnerobliegenheiten für den Zeitraum nach Erteilung der Restschuldbefreiung geschaffen.1467 Der Schuldner muss auch nach Verfahrensende noch kooperieren und darf nicht wegen einer (bis zum Ende der Abtretungsfrist begangenen) Insolvenzstraftat verurteilt werden, sofern er nicht möchte, dass die Erteilung der Restschuldbefreiung doch noch gefährdet wird. Neue Facetten der Redlichkeit bilden die neuen Widerrufsmöglichkeiten dagegen nicht. Ihre Vorwurfsschwerpunkte entsprechen denen der bisherigen Redlichkeitsvoraussetzungen. 7. Absenkung der Antragsvoraussetzungen für Versagungsgründe i. S. d. § 290 InsO Der Reformgesetzgeber setzte zwecks Erreichung seines Ziels, die Gläubigerrechte zu stärken, nicht nur bei den Redlichkeitsvoraussetzungen an, sondern bemühte sich auch, formale Hürden des Versagungsverfahrens zu beseitigen. Die neue Möglichkeit, Versagungsanträge nach § 290 InsO während des Insolvenzverfahrens jederzeit schriftlich zu stellen (vgl. § 290 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 InsO), sollte den Gläubigern insoweit Erleichterung verschaffen. Der Gesetzgeber erhoffte sich, dass Versagungsanträge nicht länger nur deshalb unterbleiben, weil die Gläubiger den 1464

Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 611; vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 33. Preuß, in: Jaeger-InsO, § 303 Rn. 25. 1466 Dabei ist im Rahmen des § 303 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 InsO nicht nur der Zeitraum der Wohlverhaltensperiode, sondern auch der Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens maßgeblich, vgl. § 297 Abs. 1 Var. 1 InsO. 1467 (In Bezug auf § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO) Preuß, in: Jaeger-InsO, § 303 Rn. 25. 1465

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

Aufwand scheuen, persönlich im Schlusstermin zu erscheinen bzw. sie – soweit das Verfahren schriftlich durchgeführt wird – Versagungsgründe ausschließlich innerhalb einer an die Stelle des Schlusstermins tretenden Frist stellen können.1468 In Bezug auf die schriftliche Antragstellung wird man freilich sagen müssen, dass § 290 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 InsO lediglich eine Anpassung an die gerichtliche Praxis darstellt.1469 Das Gericht konnte seit der Änderung des § 5 Abs. 2 InsO durch das InsOÄndG 2007 in Kleinverfahren ohnehin die Schriftlichkeit anordnen. Davon wurde in aller Regel Gebrauch gemacht. Da durch die Reform 2014 das RegelAusnahme-Verhältnis zwischen schriftlichem und mündlichem Verfahren zudem auch gesetzlich verankert wurde,1470 wird § 290 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 InsO zum Teil als überflüssig angesehen.1471 Auch wenn die Regelung keinen großen Reformschritt zur Stärkung der Gläubigerrechte darstellt,1472 hat sie jedoch zumindest dazu geführt, dass in allen Verfahren – d. h. unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 InsO vorliegen – die formellen Hürden in Bezug auf die Antragstellung weggefallen sind. Hinzu kommt, dass die im schriftlichen Verfahren oftmals nur kurz bemessene Antragsfrist einer Antragstellung nicht mehr derart enge Grenzen setzt.1473 Versagungsanträge werden daher weniger häufig daran scheitern, dass sie zur Unzeit gestellt wurden.1474 Insoweit stellt die Neuerung durchaus eine Erleichterung für die Gläubiger dar.

IV. Ergebnis Insgesamt zeigt sich, dass die Redlichkeitsvoraussetzungen durch die Reformen des Restschuldbefreiungsrechts aus Gläubigerschutzgesichtspunkten verschärft wurden.1475 Dazu erweiterte der Gesetzgeber zum Teil in sachlicher Hinsicht das Verhalten, das als unredlich einzustufen ist. Partiell weitete er jedoch lediglich die maßgeblichen Zeiträume aus. Im Kostenstundungsrecht schuf er sogar ein eigenes Redlichkeitssystem. Die meiste Relevanz aus Gläubigersicht besitzt die Einführung einer lückenlosen (versagungsbewehrten) Erwerbsbemühungsanforderung durch § 4c Nr. 4 InsO und § 287b InsO. Im Gegensatz zur Ursprungsfassung der InsO wird 1468

BT-Drucks. 17/11268, S. 27; näher zu dieser Problematik oben S. 147 f. Zutreffend Stephan, ZVI 2012, 85, 87. 1470 Vgl. insofern die Änderung des Wortlauts des § 5 Abs. 2 InsO. 1471 Grote/Pape, AnwBl 2013, 601, 606. 1472 Stephan, ZVI 2012, 85, 87. 1473 Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 562. 1474 Vgl. Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 562. Vormals galten zu früh gestellte Anträge lediglich als Ankündigung eines Antrags nach § 290 Abs. 1 InsO und waren unbeachtlich, wenn der Gläubiger seinen angekündigten Antrag im Schlusstermin nicht wiederholte, BGH NZI 2006, 481; LG Kleve ZInsO 2003, 577. 1475 Lediglich in Bezug auf §§ 290 Abs. 1 Nr. 1, 297 InsO ließen sich Erleichterungen zugunsten des Schuldners feststellen. 1469

C. Änderungen der Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung

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der Schuldner auf diese Weise auch während des Insolvenzverfahrens zur Mehrung der Masse und damit zur Steigerung der Befriedigungsquoten der Gläubiger angehalten.1476 Um zu gewährleisten, dass nur der redliche Schuldner Restschuldbefreiung erlangen kann, intensivierte der Gesetzgeber außerdem die entsprechenden Kontrollmechanismen. Dies betrifft zum einen § 297a InsO bzw. § 303 Nr. 2 Var. 1 InsO, mit denen auch nachträglich bekannt gewordene Verstöße noch geahndet werden können, und zum anderen § 287a InsO, durch den das Kontrollverfahren hinsichtlich des Eingreifens von Sperrfristen in die Hand des Gerichts gelegt wurde. Mit § 290 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 InsO wurden schließlich verfahrensrechtliche Hürden bei der Geltendmachung von Versagungsgründen beseitigt.

C. Änderungen der Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung Nicht zuletzt wurde auch die Vorschrift des § 302 InsO im Laufe der Reformen Änderungen unterzogen. So erweiterte der Reformgesetzgeber den Kreis der von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen und implementierte ein Erfordernis der Tabellenanmeldung mit Attribut in § 302 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Der Schwerpunkt der folgenden Untersuchungen soll auf den Ergänzungen der Bereichsausnahmen liegen. Nicht nur die mit der Vorschrift einhergehende Durchbrechung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes, sondern auch ihre zentrale Bedeutung für den Schuldner gebieten es, jede Erweiterung auf ihre funktionale Legitimation, systematische Folgerichtigkeit und die ökonomischen Konsequenzen hin zu überprüfen.1477

I. Erweiterung des Katalogs des § 302 InsO 1. Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen zur Deckung der Verfahrenskosten Im Wege der Reform 2001 ergänzte der Gesetzgeber § 302 InsO um eine Nr. 3, wonach auch Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden, restschuldbefreiungsfest sind. Die Privilegierung dient vor allem Stiftungen, öffentlichen oder karitativen Einrichtungen. Diese sollen die zur Verfügung gestellten Verfahrenskosten nicht endgültig übernehmen, denn sie sind an einer Rückzahlung des wirtschaftlich wiedererstarkten Schuldners interessiert, damit sie die Mittel anschließend 1476 1477

Jäger, ZVI 2012, 177, 187. Vgl. Ahrens, ZVI 2012, 122.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

für andere überschuldete Personen verwenden können.1478 Dadurch, dass sich die Stundung der Verfahrenskosten im Falle einer Darlehensgewährung erübrigt, erhoffte sich der Gesetzgeber zudem eine Entlastung der Staatskasse.1479 Mit der Einführung der Nr. 3 InsO durchbrach der Gesetzgeber die vormals in § 302 InsO bestehende Beschränkung, dass lediglich rechtlich missbilligte Verbindlichkeiten von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind.1480 Der Regelungsanlass besteht in dem gleichwohl existierenden besonderen Schutzbedürfnis des Gläubigers.1481 Die Erstreckung des § 302 InsO auf Darlehensforderungen erscheint vor dem Hintergrund der ultima ratio Funktion der Kostenstundung konsequent. Soll der Schuldner zuvörderst versuchen, sich um die Gewährung eines zinslosen Kostendarlehens zu bemühen, muss ein Anreiz für Dritte bestehen, dahingehende Fördermaßnahmen zu leisten. Zugleich unterstreicht die Regelung den Gedanken, dass eine „Restschuldbefreiung zum Nulltarif“ ausgeschlossen sein soll.1482 Mit der Einführung der Kostenstundung ist der Bedarf nach zinslosen Kostendarlehen allerdings weggefallen, weshalb ihre praktische Bedeutung gering ist.1483 Zudem setzte im Bereich des § 302 InsO mit dieser Neuerung ein gesetzgeberischer Trend zur Berücksichtigung von Fiskusinteressen ein, der sich – wie nachfolgend zu zeigen ist – mit der Reform 2014 fortsetzte und den Charakter der Vorschrift veränderte. 2. Verbindlichkeiten aus vorsätzlicher Verletzung gesetzlicher Unterhaltspflichten Mit dem InsOÄndG 2014 wurde gem. § 302 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 Var. 2 InsO eine weitere Kategorie von aus Gläubigersicht privilegierten Verbindlichkeiten geschaffen. Nunmehr sind auch Forderungen aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, erfasst. Seither muss die Nichtleistung einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nicht mehr den Straftatbestand des § 170 StGB erfüllen, um die Forderung über § 823 Abs. 2 BGB von der Restschuldbefreiung auszunehmen.1484 Der Unterhaltsberechtigte ist daher bereits dann privilegiert, wenn der Schuldner pflichtwidrig seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommt; eine (potenzielle) Gefährdung des Lebensbedarfs ist nicht mehr erforderlich.1485 Hintergrund der Erweiterung ist ausweislich der Ge1478 1479 1480 1481 1482 1483

350. 1484 1485

Vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 29; Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 305. BT-Drucks. 14/5680, S. 29. Vgl. Kolbe, Deliktische Forderungen und Restschuldbefreiung, S. 23. Kolbe, ebd. Vgl. Mock, in: Uhlenbruck-InsO, § 4a Rn. 7. Ahrens, ZVI 2012, 122; Preuß, Restschuldbefreiung, Rn. 305; Reck, ZVI 2018, 348, Schinkel, ZVI 2019, 173, 175. BT-Drucks. 17/11268, S. 32.

C. Änderungen der Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung

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setzesmaterialien die besondere Schutzbedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten. Insbesondere im Hinblick auf die Beweisschwierigkeiten im Strafprozess und auf die Tatsache, dass in vielen anderen europäischen Mitgliedstaaten Unterhaltsschulden bereits von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, sah der Gesetzgeber einen Handlungsbedarf.1486 Da Unterhaltsgläubiger genauso wie Gläubiger von Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung Zwangsgläubiger sind,1487 erscheint die Bereichsausnahme zunächst konsequent. Allerdings wird der unfreiwilligen Lage dieser Gläubiger bereits über § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 1 InsO Rechnung getragen. Die Fallkonstellationen, in denen der Schuldner Unterhalt vorsätzlich nicht gewährt, sich gleichzeitig aber nicht nach § 170 StGB strafbar gemacht hat, dürften die Ausnahme darstellen.1488 Selbst wenn man davon ausginge, dass den Unterhaltsgläubigern in ihrer Stellung als Zwangsgläubiger ein über § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 1 InsO hinausgehender besonderer Schutz wegen Art. 6 GG (Schutz der Ehe und Familie) gebührt, gilt es zu beachten, dass bei Nichtzahlung die Unterhaltsvorschusskassen und andere Sozialleistungsträger eintreten, um den Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten zu sichern.1489 In diesem Fall gehen die Unterhaltsansprüche auf die entsprechenden öffentlichen Stellen über. Damit aber kommt die Privilegierung des § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 2 InsO in erster Linie nicht dem Unterhaltsschuldner, sondern dem Staat zugute.1490 Die Zwangsgläubigerschaft der Unterhaltsberechtigten kommt dann aber nicht zum Tragen, weshalb sich die Frage stellt, worauf die Bereichsausnahme in solchen Fällen ihre Legitimation stützt. Die besondere Schutzbedürftigkeit aus Art. 6 GG könnte somit nur in den Fällen für eine Privilegierung i. S. d. § 302 InsO streiten, in denen die Unterhaltsvorschusskasse nicht für den Unterhalt eintreten musste. Allerdings geht es bei einer sechs Jahre alten Forderung nicht mehr um die Behebung eines gegenwärtigen Bedarfs, weshalb nicht angenommen werden kann, dass der Unterhaltsgläubiger

1486

BT-Drucks. 17/11268, S. 16. Vgl. oben S. 162. Eine Parallele zu Gläubigern aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung besteht auch insofern, als Unterhaltsgläubigern in der Zwangsvollstreckung gem. § 850d ZPO ebenfalls der erweiterte Pfändungsbereich offensteht. 1488 Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 546; vgl. auch die eingehenden Ausführungen von Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625, 1627 f. mit Beispielen zu etwaigen Konstellationen. 1489 Vgl. Ahrens, ZVI 2012, 122, 125; Heyer, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz in der Praxis, S. 340; Schmerbach, NZI 2012, 161, 165. 1490 Ahrens, ZVI 2012, 122, 123 ff. (Verkapptes Fiskusprivileg); Harder, NZI 2012, 113, 117; Heyer, ZVI 2017, 45, 50; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 561; Schinkel, ZVI 2019, 173, 175; Schmerbach, NZI 2012, 161, 165. Dieser Wirkung des § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 1 InsO war sich der Gesetzgeber bewusst. Er verteidigte sie aber mit dem Argument, dass der Schuldner durch die Nichtbefreiung von seinen Verbindlichkeiten im Interesse des Unterhaltsgläubigers zu zukünftigen Unterhaltszahlungen motiviert werde, BTDrucks. 17/11268, S. 32. Kritisch insofern Schinkel, ZVI 2019, 173, 175, die eine solche Hoffnung als „lebensfremd“ bezeichnet. 1487

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

existenziell auf die Leistung angewiesen ist.1491 Warum Unterhaltsberechtigte, die aufgrund ihrer finanziellen Situation schon keiner staatlichen Hilfe bedürfen und damit auch den Unterhalt nicht in besonderem Maße benötigen, besser zu stellen sind als die anderen Insolvenzgläubiger, ist nicht ersichtlich. Ein selbständiger Handwerker, der möglicherweise unter Inanspruchnahme von Bankkrediten in Vorleistung getreten ist, wird zwecks Unterhalts seiner Familie und Mitarbeiter gleichermaßen auf die Forderung angewiesen sein.1492 Daraus wird aber deutlich, dass das allgemeine Befriedigungsinteresse der Unterhaltsgläubiger nicht genügt, um eine Bereichsausnahme zu rechtfertigen. Dieses findet bereits während des Insolvenzverfahrens und der anschließenden Wohlverhaltensperiode Berücksichtigung, so dass es einer „über das bloße Gerechtigkeitsempfinden hinausgehenden zusätzlichen Legitimation“1493 bedarf. An einer solchen fehlt es hier jedoch. Auch wenn aus ihrer Sicht sicherlich vieles dafürspricht, ihre Forderung nach dem Verfahren realisieren zu können, ist den Unterhaltsgläubigern – wie anderen Gläubigern auch – ein Teilverzicht vor dem Hintergrund des schuldnerischen Neuanfangs zumutbar.1494 3. Verbindlichkeiten aus Steuerstraftaten Nicht zuletzt sind seit der Reform 2014 gem. § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 3 InsO auch Verbindlichkeiten des Schuldners aus dem Steuerschuldverhältnis von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen, sofern der Schuldner wegen einer Steuerstraftat nach § 370 AO (Steuerhinterziehung), § 373 AO (gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel) oder § 374 AO (Steuerhehlerei) rechtskräftig verurteilt worden ist. Eine Privilegierung schied nach der vorherigen Fassung des § 302 Nr. 1 InsO aus, da die Steuerforderungen nicht aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners, sondern kraft Gesetzes entstehen und Steuerstrafnormen keine drittschützende Wirkung haben.1495 Der Gesetzgeber sah es aufgrund des Unrechtsgehalts dieser Straftaten als gerechtfertigt an, die in diesem Zusammenhang bestehenden Verbindlichkeiten des Schuldners dem unbegrenzten Nachforderungsrecht des Fiskus zu unterwerfen.1496 Gewöhnliche Steuerrückstände des Schuldners oder andere Geldforderungen der Steuerbehörden sollten hingegen weiterhin der Restschuldbefreiung unterfallen.

1491 Ahrens, ZVI 2012, 122, 123; vgl. Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625, 1631, jeweils unter Verweis darauf, dass das eigentliche Bedürfnis der Unterhaltsgläubiger dahin gehe, die während des Verfahrens entstehenden Unterhaltsforderungen zeitnah zu realisieren. Bei diesen handelt es sich um keine Insolvenzforderungen, so dass sie § 302 InsO nicht unterfallen. 1492 Beck, ZVI 2012, 223, 231. 1493 Ahrens, ZVI 2012, 122. 1494 Vgl. Ahrens, ZVI 2012, 122; siehe auch schon Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 255; a. A. Bruns, KTS 2008, 41, 50. 1495 BFH ZInsO 2012, 1228 f.; BFH NZI 2008, 764 f.; Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 545. 1496 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 32.

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Während es sich bei § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 2 InsO um ein „Fiskusprivileg durch die Hintertür“1497 handelt, wird bei der dritten Variante unmittelbar und ausschließlich die Staatskasse bevorzugt.1498 Hier wie dort bleiben die Legitimationsbekundungen des Gesetzgebers nicht ohne Zweifel. Zwar schaden Steuerstraftaten gewiss der Allgemeinheit in erheblichem Maße und können einen beträchtlichen Unrechtsgehalt aufweisen. Allerdings bleibt offen, weshalb der Unrechtsgehalt derart qualifiziert ist, dass er – anders als sonstige Straftatbestände – eine Erweiterung des eng umrissenen Ausnahmekatalogs rechtfertigt.1499 Der Schutz der Allgemeinheit war § 302 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dem ausschließlich Individualschutzgesichtspunkte zugrunde lagen, ohnehin bislang fremd.1500 Auch insoweit kann die neue Bereichsausnahme nur schwer in die Systematik des § 302 InsO eingefügt werden. Schließlich vermag auch die Einheitlichkeit der Rechtsordnung kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Stritt diese im Zusammenhang mit Verbindlichkeiten aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung für eine Einbeziehung in § 302 InsO,1501 kann sie bei § 302 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 Var. 3 InsO nicht herangezogen werden, da Verbindlichkeiten aus Steuerstraftaten im Gegensatz zu solchen aus Delikt nicht der strengeren Zwangsvollstreckung i. S. d. § 850 f Abs. 2 ZPO unterfallen. 4. Zwischenergebnis Festzuhalten ist, dass die Erweiterungen in § 302 InsO systematische Friktionen hervorgerufen haben. Dies gilt in erster Linie für die restschuldbefreiungsfesten Forderungen nach § 302 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 Var. 2 und 3 InsO, die sich nicht in das Wertungsgefüge der Nr. 1 einpassen und die strengen Legitimationserwägungen des Ursprungsgesetzgebers durchbrechen. Die Gesetzesbegründung lässt eine Abstimmung mit den Grundprinzipien für die Anerkennung ausgenommener Forderungen vermissen. Statt dezidiert darzulegen, worin die besondere Begründung für die Aufweichung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes liegt, stützt sich der 1497

Jäger, ZVI 2012, 177, 187. Vgl. Ahrens, ZVI 2012, 122, 125. 1499 Vgl. Ahrens, ZVI 2012, 122, 125 f., der zu Bedenken gibt, dass der Unrechtsgehalt von fahrlässig begangenen Delikten gegen eine Person gravierender sein könne; Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625, 1633 sehen die Begründung des Gesetzgebers als unzureichend an, weil der Unrechtsgehalt des schuldnerischen Zahlungsverhaltens unter Berücksichtigung der Folgen, die die Nichtzahlung für den Betroffenen habe, immer herangezogen werden könne, um Ausnahmen von der Restschuldbefreiung zu begründen. 1500 Siehe dazu Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625, die darauf hinweisen, dass der Schutz der Allgemeinheit über die Versagungstatbestände des § 290 Abs. 1 InsO erreicht werden sollte, die unabhängig von der eigenen Betroffenheit durch die Verletzungshandlung geltend gemacht werden können. Angesichts des u. U. nach wie vor bestehenden Versagungsantragsrechts ist es im Übrigen unverständlich, weshalb die Interessen der Allgemeinheit nunmehr in gewissen Fallkonstellationen sogar einen doppelten Schutz genießen, vgl. dies., ZInsO 2014, 1625, 1626. 1501 Vgl. die Ausführungen zu § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 1 InsO (§ 302 Nr. 1 InsO a. F.) oben S. 160. 1498

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Reformgesetzgeber auf eine beliebig1502 wirkende Argumentation. Die Kritik1503, dass es ihm primär um den Schutz fiskalischer Interessen ging, erscheint daher nicht unberechtigt.

II. Anmeldeerfordernis nach § 302 Nr. 1 i. V. m. § 174 Abs. 2 InsO Seit der Neufassung des § 302 Nr. 1 InsO durch das InsOÄndG 2001 wird den Gläubigern in prozessualer Hinsicht aufgegeben, schon bei der Forderungsanmeldung den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung anzugeben.1504 Gem. § 174 Abs. 2 InsO müssen dabei die Tatsachen angegebenen werden, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass der Verbindlichkeit eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt. Im Wege der Reform 2014 wurde das Anmeldeerfordernis an die weiteren restschuldbefreiungsfesten Forderungen i. S. d. § 302 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 InsO angepasst, die nunmehr ebenfalls davon erfasst sind, vgl. § 302 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 i. V. m § 174 Abs. 2 InsO. Die Voraussetzung einer qualifizierten Anmeldung dient dem Zweck, den Schuldner möglichst frühzeitig über den Umfang von Forderungen zu informieren, die unter Umständen nicht von der Restschuldbefreiung erfasst sind.1505 Auf diese Weise kann er frühzeitig einschätzen, ob er sich einem Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung überhaupt unterwerfen möchte.1506 Die Vorschrift durchbricht den ehemaligen Grundsatz, dass sich der Schuldner ungeachtet seines Wohlverhaltens während des Verfahrens der Erfüllung bestimmter „unredlicher“ Verbindlichkeiten nicht entziehen kann.1507 So entfalten sich die in § 302 Nr. 1 Hs. 1 InsO zugunsten der Gläubiger getroffenen besonderen Billigkeitserwägungen1508 nur, wenn der Gläubiger eine Forderung i. S. d. § 302 Nr. 1 Hs. 1 InsO überhaupt im Insolvenzverfahren und zudem mit dem Hinweis nach § 174 Abs. 2 InsO anmeldet. Andernfalls kann er sie nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr zwangsweise gegenüber dem Schuldner geltend machen.1509 Dies gilt selbst dann, wenn die Anmeldung unterblieb, weil der Schuldner die Forderung bewusst verschwiegen hat, um eine umfassende Restschuldbefreiung zu erreichen

1502

Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625, 1633. Siehe nur Ahrens, ZVI 2012, 122, 125; Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625; Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 92; Hirte, ZInsO 2013, 171, 174; Schinkel, ZVI 2019, 251, 254; vgl. Heyer, ZVI 2017, 45, 50. 1504 Schinkel, ZVI 2019, 173, 174. 1505 BT-Drucks. 14/5680, S. 29. 1506 BT-Drucks. 14/5680, S. 27. 1507 Ley, in: BK-InsO, § 302 Rn. 9. 1508 Näher dazu oben S. 160. 1509 BT-Drucks. 14/5680, S. 29. 1503

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oder um sich solcher Gläubiger zu entledigen, die möglicherweise Kenntnis von Versagungsgründen haben.1510

III. Abschließende Würdigung der Änderungen der Anforderungen an eine umfassende Restschuldbefreiung Mit dem qualifizierten Anmeldeerfordernis hat der Gesetzgeber die Schutzwirkung des § 302 Nr. 1 Hs. 1 InsO eingeschränkt. Bedenken wirft dies bereits aus dem Grund auf, dass die Norm ursprünglich darauf abzielte, den Gläubigern deliktischer Forderungen einen besonderen Schutz zu geben, der auch verfassungsrechtlichen Gehalt hat.1511 Zudem haben sich für den Schuldner durch das Anmeldeerfordernis neue Missbrauchsmöglichkeiten aufgetan.1512 Ob vor diesem Hintergrund Gesichtspunkte der Verfahrensökonomie und Rechtssicherheit die Implementierung einer verfahrensrechtlichen Hürde für die Gläubiger rechtfertigen konnten, erscheint problematisch. Insofern dürfte es auch eine Rolle spielen, dass die von § 302 Nr. 1 Hs. 1 InsO erfassten Forderungen Umständen entspringen, die in den Verantwortungsbereich des Schuldners fallen und damit typischerweise seiner Kenntnis unterliegen. Die Erweiterung des Katalogs erscheint demgegenüber zunächst als eine Stärkung der Rechte einzelner Gläubiger und wird auch seitens des Gesetzgebers1513 (soweit § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 2 InsO in Rede steht) als eine solche propagiert. Bei einem näheren Blick entpuppen sich jedoch alle neuen Bereichsausnahmen (zumindest mittelbar) als Privilegierung der öffentlichen Hand. Der Staat erwartet von seinen Bürgern, Ausfälle grundsätzlich ausnahmslos hinzunehmen, während er sich selbst von den Wirkungen der Restschuldbefreiungen befreit.1514 Gründe, weshalb die fiskalischen Partikularinteressen derart schutzwürdig sind, dass er nicht an der zwangsweisen Solidargemeinschaft der Gläubiger teilnehmen muss, sind nicht ersichtlich.1515 Im Gegenteil – der Staat droht nicht wie viele andere Gläubiger durch die Restschuldbefreiung des Schuldners selbst in eine finanzielle Schieflage zu geraten. Damit aber entsteht eine nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung gegenüber

1510 Kritisch Wiedemann, ZVI 2004, 645, 653. Allerdings kann dem Gläubiger im Fall der Nichtbenennung ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB zustehen, LG Bielefeld NZI 2018, 941 ff.; Ahrens, NZI 2013, 721, 725 m. w. N. 1511 Vgl. dazu oben S. 63 f. und S. 161 f. Verfassungsrechtliche Zweifel am qualifizierten Anmeldeerfordernis auch bei Bruns, KTS 2008, 41, 50; weitergehend AG München NZI 2004, 456, 461 (Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs). 1512 Eingehend Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 140. 1513 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 16. 1514 Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625. 1515 Ahrens, ZVI 2012, 122, 126; Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625.

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den sonstigen Insolvenzgläubigern,1516 die der Akzeptanz des Instituts der Restschuldbefreiung abträglich ist.1517 Keine Beachtung findet im Übrigen, dass der schuldnerische Neuanfang durch die Erweiterungen der restschuldbefreiungsfesten Forderungen erheblich erschwert wird.1518 Sieht sich der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung in erheblichem Umfang früheren Unterhaltsschulden ausgesetzt, fragt sich, warum der Staat ein aufwendiges, mehrjähriges Verfahren finanziert, das nur deshalb nicht zum gewünschten Erfolg führt, weil er sein eigenes Befriedigungsinteresse nicht hinter dem fresh start des Schuldners zurückstellt. Es besteht die Gefahr, dass der Schuldner letztlich ganz davon absieht, das Verfahren zu durchlaufen.1519 Dem gesetzgeberischen Reformziel, den Schuldner wirtschaftlich wieder schneller Fuß fassen zu lassen, läuft die Regelung jedenfalls entgegen.1520 Die aufgezeigten Folgen auf Schuldner- wie auch auf Gläubigerseite zeigen, dass die Regelung des § 302 InsO nicht ohne Grund Ausnahmecharakter besaß. Werden Vorrechte ohne Richtschnur eingeführt, wird sowohl der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung in Frage gestellt als auch die Restschuldbefreiung an sich entwertet.

D. Gesamtwirkungen der Änderungen Die Untersuchungen in diesem Teil haben ergeben, dass die Entwicklung des Restschuldbefreiungssystems seit seiner Einführung dahin geht, dass sich auf der einen Seite vermehrt auf einen umfassenden Ausschluss des unredlichen Schuldners konzentriert wird, auf der anderen Seite aber die finanziellen Anforderungen an den Schuldner sinken. Abschließend sollen diese beiden Reformschwerpunkte im Ganzen – genauer gesagt ihr Verhältnis zueinander sowie ihre Auswirkungen auf die ausdifferenzierte Verfahrenskonzeption der §§ 286 ff. InsO – betrachtet werden.

1516 Ahrens, ZVI 2012, 122, 126; vgl. auch Beck, ZVI 2012, 223, 232 (Aushöhlung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung); Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 92; Jäger, ZVI 2012, 177, 187. 1517 Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625 weisen zutreffend darauf hin, dass Gläubiger, die die Restschuldbefreiung besonders hart trifft, weil sie Verluste nicht einkalkulieren bzw. sich keine Sicherheiten einräumen lassen können, die Vorrangstellung des Staates als Hohn empfinden müssen. 1518 Siehe dazu auch Schinkel, ZVI 2019, 251, 254. 1519 Vgl. auch Ahrens, ZVI 2012, 122, 126: „Warum soll er sich dem belastenden Verfahren aussetzen, warum soll er eine Erwerbstätigkeit ausüben, wenn er davon doch nur wenig profitieren kann?“. 1520 Kritisch hinsichtlich der Diskrepanz zum primären Reformziel auch Ahrens, ZVI 2012, 122, 126.

D. Gesamtwirkungen der Änderungen

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Das ursprüngliche System fußte auf dem Grundsatz, dass den Gläubigern eine Gegenleistung für ihren (unfreiwilligen) Rechtsverlust zugestanden wird. Ausgehend von dem Regelfall eines Schuldners, der Erträge oberhalb der Pfändungsfreigrenze erwirtschaftet, sollte ihr Vorteil darin bestehen, dass sie Zugang zum Neuerwerb während des Insolvenzverfahrens haben und der Schuldner im Anschluss möglichst viel über einen gewissen Zeitraum zu der Verteilungsmasse beiträgt. Es wurde gezeigt, dass sich das System der §§ 286 ff. InsO mehr und mehr von dieser Idee wegbewegt hat. Die Erleichterungen, die durch eine Absenkung der finanziellen Anforderungen für den Schuldner eintraten, gingen allesamt auf Kosten der Gläubiger. Diese einseitige Interessenverlagerung hat dazu geführt, dass das ehemalige Gleichgewicht in vielen Verfahren gestört ist, weil die Gläubiger keine oder keine „angemessene“ Gegenleistung erhalten. Der Reformgesetzgeber aus dem Jahr 2014 unternahm den Versuch, jenes Missverhältnis, das in erster Linie durch die Reform 2001 eingetreten war, durch eine Stärkung der Gläubigerrechte wieder auszugleichen und setzte dazu auf die Verschärfung der Redlichkeitsvoraussetzungen. So heißt es in der amtlichen Begründung: „Der Gesetzentwurf sieht verschiedene Maßnahmen zur Stärkung der Rechte der Gläubiger vor. Die praktischen Erfahrungen haben gezeigt, dass die gesetzlichen Regelungen insbesondere zum Restschuldbefreiungsverfahren diverse Schwachstellen aufweisen. Die Wahrnehmung der Gläubigerrechte im Restschuldbefreiungsverfahren wird von den Gläubigern teilweise als beschwerlich angesehen. Zugleich kommt es aus unterschiedlichen Gründen immer wieder dazu, dass auch unredlichen Schuldnern die Restschuldbefreiung erteilt werden muss. Dies wird als unbefriedigend und ungerecht empfunden und schadet auch insgesamt dem Ansehen des Instituts der Restschuldbefreiung. Der Entwurf zielt daher darauf, die Rechte der Gläubiger zu stärken und damit auch auf Gläubigerseite die allgemeine Akzeptanz der Restschuldbefreiung zu verbessern.“1521

Bislang ungeklärt geblieben ist aber, ob der Ansatz, den Interesse der Gläubiger mit einer Verschärfung der Redlichkeitsvoraussetzungen zur Durchsetzung zu verhelfen, zielbringend ist oder gesetzgeberischer Anspruch und legislative Umsetzung nicht vielmehr auseinander klaffen.

I. Stärkung der Gläubigerrechte durch ein „Mehr an Redlichkeit“? Wie im zweiten Teil dieser Arbeit deutlich geworden ist, stellt der Ausschluss des unredlichen Schuldners von der Restschuldbefreiung einen aus Gläubigersicht notwendigen Bestandteil des gesetzlichen Entschuldungssystems dar. Er ist nicht nur aus Akzeptanzgesichtspunkten unerlässlich, sondern sichert durch die vom Versagungssystem ausgehende generalpräventive Wirkung auch die Gläubigerbefriedigung. Vor diesem Hintergrund scheint es zunächst durchaus plausibel, die Aus1521

BT-Drucks. 17/11268, S. 15.

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3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

weitung der Versagungsmöglichkeiten als ein Mittel zur Stärkung der Gläubigerinteressen zu betrachten. Problematisch an diesem Ansatz ist jedoch, dass er die Gläubigerinteressen auf einen umfassenden Ausschluss des unredlichen Schuldners von der Restschuldbefreiung reduziert und dadurch zu einseitig betrachtet. Das zentrale Interesse der Gläubiger besteht in ihrem Befriedigungsanliegen. Ist dieses insbesondere durch die Kostenregelung und die Reduzierung der Verfahrensdauer gestört, vermögen strengere Redlichkeitsvorschriften das Problem zu geringer Quoten nicht zu beseitigen.1522 So kann die Vorverlagerung der Erwerbsobliegenheit zusammen mit dem Damoklesschwert einer drohenden Versagung in einigen Fällen die Befriedigungschancen der Gläubiger verbessern. Der vom Schuldner erwirtschaftete „Mehrerlös“ wird aber zumeist gar nicht bei ihnen ankommen, weil er durch den Vorabzug der gestundeten Verfahrenskosten aufgezehrt wird.

II. Systematische Schieflage im Verhältnis Gläubigerbefriedigung, Redlichkeitskontrolle und Gläubigerautonomie Des Weiteren lässt die gesetzgeberische Maßnahme unberücksichtigt, dass die Senkung der finanziellen Anforderungen auch auf das Versagungssystem eingewirkt hat, wohingegen dessen grundsätzliche Konzeption weitgehend unverändert geblieben ist. So stößt das Ziel, eine Akzeptanzsteigerung allein mit der Ausweitung der Versagungsmöglichkeiten zu erreichen, in einem gläubigerautonom ausgestalteten Kontrollsystem zwangsläufig an seine Grenzen, wenn die Anreize für die Gläubiger, ihre Kontrollmöglichkeiten wahrzunehmen, immer weiter sinken. Zwar ist die Annahme des Gesetzgebers, dass das Versagungsverfahren angesichts seiner formellen Hürden für die Gläubiger beschwerlich sei und es deshalb immer wieder dazu komme, dass dem unredlichen Schuldner Restschuldbefreiung erteilt werden müsse, zutreffend.1523 Allerdings beruht die Untätigkeit der Gläubiger in erster Linie darauf, dass sie sich wegen der fehlenden Befriedigungsaussichten generell wenig für das Verfahren (einschließlich des Versagungsverfahrens) interessieren.1524 Deshalb überrascht es nicht, dass sich auch seit der letzten Novelle in der Praxis keine signifikante Steigerung der Anzahl der Versagungsanträge feststellen lässt.1525 1522 Siehe auch Beck, ZVI 2012, 223, 232: „Solange als Stärkung der Gläubigerrechte bezeichnete Maßnahmen nicht dazu führen, dass die Befriedigungsquoten erhöht, der unnütze Aufwand befriedigungsloser Verfahren vermieden und eine frühzeitigere Antragstellung bewirkt wird, bleibt die Stärkungswirkung eher theoretischer Natur.“ 1523 Siehe dazu oben S. 147 f. 1524 Siehe auch Dawe, ZVI 2014, 433, 434: „Von einem Gläubiger, der tatsächlich niemals mit der Befriedigung seiner Forderung rechnen kann, ist die Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte nicht zu erwarten“. 1525 Brenner, InsbürO 2015, 269, 272; Laroche, InsbürO 2016, 264, 267 (nach wie vor sei nicht festzustellen, dass die Gläubiger in erheblichem Maße Interesse hätten, sich aktiv im Verfahren einzubringen und möglicherweise einen Versagungsantrag zu stellen.); Lissner, ZVI 2018, 473, 475; Recker, InsbürO 2016, 272, 274.

D. Gesamtwirkungen der Änderungen

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Immer wieder wird berichtet, dass weder der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO noch die erweiterte Möglichkeit zur Antragstellung nach § 290 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 InsO bzw. das nachträgliche Antragsrecht nach § 297a InsO in der praktischen Anwendung eine merkliche Rolle spielen.1526 Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang auch, dass all diese Änderungen den Gläubigern nicht über ihre Informationsdefizite und Beweisschwierigkeiten hinweghelfen.1527 Die strengen Beweisanforderungen dürften daher die Gläubigerinitiative weiterhin lähmen. Eine geringfügige Anpassung an die veränderten Prämissen und die sich daraus ergebenden tatsächlichen Gegebenheiten hat das Kontrollsystem der §§ 286 ff. InsO lediglich durch den neuen § 287a Abs. 2 InsO erfahren. Durch diesen unterliegen die ehemaligen Fälle des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO nunmehr einer gerichtsautonomen Überprüfung. Gleichwohl ist – mit Ausnahme von § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 1 InsO – auch das Eingreifen von Sperrfristen letzten Endes von der Beteiligung der Gläubiger abhängig. Machen sie im Vorverfahren von ihrem Versagungsrecht keinen Gebrauch, laufen die entsprechenden Sperrfristen nach § 287a Abs. 2 S. 1 InsO leer. Schließlich wird die geringe Anzahl an Versagungsanträgen auch auf ein Problem grundsätzlicher Art zurückzuführen sein. Oftmals liegt das Interesse der Gläubiger nämlich gar nicht in der Versagung der Restschuldbefreiung als solcher,1528 sondern in der generalpräventiven Wirkung des Versagungssystems. Wie oben ausgeführt, trägt Letztere dazu bei, die Befriedigungsaussichten der Gläubiger zu erhöhen bzw. zu sichern. Wird dem Schuldner dagegen die Möglichkeit der Restschuldbefreiung genommen, führt dies lediglich dazu, dass er weiter auf Dauer insolvent bleibt, weil er sich nicht in einer besseren wirtschaftlichen Verfassung befindet.1529 Es tritt die Situation ein, die vor Einführung der Restschuldbefreiung bestand.1530 Die Versagung der Restschuldbefreiung wird die Befriedigungsaussichten der Gläubiger oftmals nicht erhöhen.1531 Somit kann es vorteilhafter für sie sein, auf einen Ver-

1526

Vgl. Brenner, InsbürO 2015, 269, 272; Laroche, InsbürO 2016, 264, 267 f.; Recker, InsbürO 2016, 272, 274. Der von G. Pape, ZVI 2012, 150, 153 (ebenso Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 93) vor der Reform prognostizierte sechsjährige Spießrutenlauf, in dem sich der Schuldner einer beständigen Angst vor permanent möglichen Versagungsanträgen und der ständigen Belastung mit entsprechenden Verfahren ausgesetzt sieht, ist nicht eingetreten. 1527 Näher dazu oben S. 145 ff., S. 148 ff., S. 151 ff. 1528 Kritisch bzgl. der Verschärfungen daher Beck, ZVI 2012, 223, 232; G. Pape, ZVI 2012, 150, 153; Stephan, ZVI 2012, 85, 87 f.; vgl. auch Hergenröder/Homann, ZVI 2013, 91, 93; dies., ZVI 2013, 129, 131. 1529 G. Pape, ZVI 2012, 150, 153; Stephan, ZVI 2012, 85, 87 f. 1530 Der Schuldner verliert seine Motivation, zu einer Gläubigerbefriedigung beizutragen. Schattenkonstruktionen werden wieder attraktiv. Zwar können die Gläubiger erneut im Wege der Einzelzwangsvollstreckung auf den Schuldner zugreifen, die Erfolgsaussichten dürften sich aus den genannten Gründen aber in Grenzen halten. Angesichts des Prioritätsgrundsatzes profitieren ohnehin nur wenige Gläubiger von dieser Möglichkeit. Näher dazu oben S. 43 f. 1531 Beck, ZVI 2012, 223, 232.

282

3. Teil: Die legislativen Veränderungen im System der Schuldneranforderungen

sagungsantrag zu verzichten und auf eine zumindest teilweise Befriedigung während der Wohlverhaltensperiode zu hoffen.1532

III. Ergebnis Der vom Gesetzgeber deklarierte umfassende Ausschluss des unredlichen Schuldners lenkt den Blick von dem eigentlichen Problem ab, das sich durch die Reform 2001 im Restschuldbefreiungsverfahren eingestellt hat und durch die Reform 2014 nicht behoben, möglicherweise sogar intensiviert wurde: den zu geringen Befriedigungsquoten der Gläubiger. Werden diese nicht erhöht, bleibt auch ihr Engagement bei der Redlichkeitskontrolle aus. Letztlich ist die fehlende Wahrnehmung der Gläubigerrechte auf ein Ursachenbündel zurückzuführen, weshalb es mehr als nur die Erweiterung der Antragsrechte bedarf, um diese Situation zu korrigieren. Dabei wird man auch nicht umhinkommen, das Versagungsverfahren als solches zu überdenken. Die Stärkung der Gläubigerposition ist demzufolge kein leichtes Unterfangen. Die Reform 2014 hat gewisse Lösungsansätze geliefert, ein Durchbruch, der die Unausgewogenheit des Verfahrens beseitigt, ist jedoch nicht eingetreten.1533 Vielmehr dienen – wie Ahrens pointiert feststellt – „die gestärkten Gläubigerrechte gerade den öffentlichen Gläubigern“1534.

1532 Ein solcher Verzicht lohnt sich auch für Insolvenzgläubiger, die zugleich Neugläubiger sind. Wird dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt, müssen sie – anders als im Falle einer Versagung – hinsichtlich ihrer nach Eröffnung begründeten Forderungen nur mit den Neugläubigern, nicht aber zusätzlich noch mit den anderen Insolvenzgläubigern konkurrieren, Heyer, ZVI 2017, 45, 48. 1533 Kritisch hinsichtlich der Stärkung der Gläubigerrechte durch die Reform 2014 auch Jäger, ZVI 2012, 177, 183; Recker, InsbürO 2016, 272, 274. 1534 Ahrens, NJW 2014, 1841.

Vierter Teil

Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie Spätestens seit Inkrafttreten der Restrukturierungsrichtlinie (RL (EU) 2019/1023 v. 20. Juni 2019) steht fest, dass die weitere Entwicklung des deutschen Restschuldbefreiungsrechts ganz maßgeblich auch durch den europäischen Gesetzgeber geprägt sein wird. Die starken wirtschaftlichen und rechtlichen Verflechtungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten führen dazu, dass die Überschuldungsproblematik und somit das Insolvenzrecht samt seines Instruments der Restschuldbefreiung nicht als rein nationale Angelegenheiten verstanden werden können.1535 Der Unionsgesetzgeber hat dies nun zum Anlass genommen, im Entschuldungsrecht Impulse zu einer Rechtsvereinheitlichung zu setzen. Der vierte Teil der vorliegenden Arbeit ist daher der Restrukturierungsrichtlinie gewidmet. Einführend soll ein Überblick über den Hintergrund und die Ziele der Richtlinie sowie die Leitlinien ihres entschuldungsrechtlichen Teils gegeben werden. Im Anschluss daran sind die Umsetzungserfordernisse herauszuarbeiten, die sich aus ihr in Bezug auf die Schuldneranforderungen der §§ 286 ff. InsO ergeben. Zu beantworten ist die Frage, ob eine minimalinvasive Lösung möglich ist oder es einer grundlegenden Umformung des deutschen Entschuldungsrechts bedarf. Ist geklärt, inwieweit der Gesetzgeber zu der Änderung der inländischen Vorschriften angehalten ist, soll in einem weiteren Schritt mit Blick auf die im dritten Teil der Arbeit gefundenen Ergebnisse betrachtet werden, wie sich die europäischen Vorgaben auf die Grundsätze des Systems der Schuldneranforderungen auswirken. Anhand der gewonnenen Schlussfolgerungen soll aufgezeigt werden, an welchen Stellen Folgeänderungen notwendig erscheinen. Da deren Umsetzbarkeit nunmehr von den unionsrechtlichen Vorgaben abhängt, müssen etwaige nationale Gestaltungsspielräume ausgelotet werden, bevor abschließend Regelungsempfehlungen gegeben werden können. Mit dem am 13.2.2020 durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens (im Folgenden: RefE 2020) wurde die Umsetzungsgesetzgebung hierzulande bereits eingeleitet.1536 Die Entwurfsverfasser haben sich dabei darauf beschränkt, das nationale Recht mithilfe einiger minimaler Änderungen an die Vorgaben der Richtlinie anzupassen.1537 Soweit sie den aufge-

1535 1536 1537

Näher dazu J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 103. Ahrens, NZI 2020, 137. Ahrens, NZI 2020, 137; Blankenburg, ZVI 2020, 82; A. Schmidt, ZVI 2020, 79, 81.

284

4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

zeigten Untersuchungsgegenstand betreffen, sollen die Vorschläge des Referentenentwurfs im Folgenden Berücksichtigung finden.

A. Einführung I. Regelungshintergrund und Verfahren zur Richtliniensetzung Die europäische Initiative zu einer materiellen Harmonisierung des Entschuldungsrechts in den Mitgliedstaaten ist nicht neu, sondern geht zurück auf eine langjährige seitens der Europäischen Kommission betriebenen Politik der zweiten Chance,1538 bei der es im Großen und Ganzen um die Stärkung des europäischen Binnenmarkts1539 und die Förderung von Unternehmertum1540 geht. Sie verfolgt den Zweck, die Risiken unternehmerischen Scheiterns sowie die damit verbundene Stigmatisierung zu verringern. Einheitliche Mindeststandards in den Mitgliedstaaten sollen Unternehmern einen effektiven Zugang zur Restschuldbefreiung gewähren, um sie in die Lage zu versetzen, erneut am Wirtschaftsleben teilzunehmen.1541 In diesem Zusammenhang sprach sich die Kommission bereits in ihrer Mitteilung vom 5.10.2007 für die Beseitigung von nationalen Hindernissen für einen schnellen Neuanfang aus.1542 Es folgten weitere Mitteilungen1543, in denen die Entschuldungsfrist als einer der wichtigsten Aspekte für einen wirtschaftlichen Neustart bezeichnet und auf die großen nationalen Unterschiede bei den Entschuldungsfristen hingewiesen wurde1544. Am 9.1.2013 nahm die Kommission den Aktionsplan Unternehmertum 20201545 an, in dem die Mitgliedstaaten unter anderem dazu aufgefordert wurden, bis 2013 die Tilgungs- und Entschuldungsfrist für ehrliche Unternehmer nach Möglichkeit auf drei Jahre nach einer Insolvenz zu begrenzen.1546 Im 1538

Ahrens, ZInsO 2019, 1449; ders., Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 118 ff. Vgl. Allemand, InsbürO 2017, 98, 100; Henning/Allemand, in: FS Pannen, S. 161, 179; instruktiv zur Binnenmarktperspektive COM(2014) 1500 final, S. 2: „Die Diskrepanzen zwischen den nationalen Restrukturierungsrahmen und zwischen den nationalen Vorschriften, die redlichen Unternehmern eine zweite Chance ermöglichen, ziehen erhöhte Kosten und Unsicherheit bei der Bewertung von Investitionsrisiken in einem anderen Mitgliedstaat nach sich, fragmentieren die Bedingungen für den Zugang zu Krediten und führen zu unterschiedlichen Rückzahlungsquoten für die Gläubiger. Sie erschweren die Konzipierung und Annahme kohärenter Restrukturierungspläne für grenzüberschreitend tätige Unternehmensgruppen. Ganz allgemein können diese Diskrepanzen abschreckend auf Unternehmen wirken, die sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen wollen“. 1540 Vgl. KOM(2007) 584 endgültig, S. 13. 1541 Harten, INDAT Report 02_2018, 32. 1542 KOM(2007) 584 endgültig. 1543 COM(2012) 573 final; COM(2012) 742 final. 1544 Siehe COM(2012) 742 final, S. 5. 1545 COM(2012) 795 final. 1546 Vgl. COM(2014) 1500 final, S. 3. 1539

A. Einführung

285

Wege ihrer Empfehlung vom 12.3.2014 „für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischen Scheitern und Unternehmensinsolvenzen“1547 verfolgte sie diese Zielsetzung weiter. Die Art. 30 bis 33 der Empfehlung enthielten konkrete, wenn auch unverbindliche1548 Vorgaben betreffend die zweite Chance für Unternehmer.1549 Insbesondere war darin eine Höchstfrist für die Erteilung der Restschuldbefreiung von drei Jahren vorgesehen. Die Umsetzung der Empfehlung wurde seitens der Kommission im Jahr 2015 evaluiert.1550 Sie kam zu dem Ergebnis, dass lediglich in einigen Mitgliedstaaten Reformen auf den Weg gebracht worden waren. Dabei seien die Empfehlungen zudem nur teilweise umgesetzt worden.1551 Da die gewünschten Auswirkungen dementsprechend ausgeblieben waren, folgte am 30.9.2015 der „Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion“1552. Darin kündigte die Kommission einen Legislativvorschlag zur teilweisen Harmonisierung im Bereich der Restrukturierung und der Gewährung einer zweiten Chance für gescheiterte Unternehmer an1553 und machte somit deutlich, dass sie nun den Weg verbindlicher Vorgaben beschritt. Am 22.11.2016 lag mit dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/ EU“1554 ein Entwurf für einen verbindlichen Rechtsakt vor. Dieser enthielt zum einen weitreichende Regularien zur nationalen Angleichung von präventiven Restrukturierungsverfahren und zum anderen Anforderungen an die Harmonisierung der nationalen Entschuldungsverfahren.1555 In Bezug auf Letztere behielt die Kommission ihre durchgängige Forderung, die Dauer bis zur Entschuldung auf drei Jahre zu 1547

COM(2014) 1500 final. Die Rechtsgrundlage einer solchen Empfehlung ist Art. 292 AEUV. Gem. Art. 288 AEUV besitzen Empfehlungen im Gegensatz zu Verordnungen, Richtlinien und Beschlüssen keine Rechtsverbindlichkeit. Sie dienen der Harmonisierung von Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten, Stephan, VIA 2017, 9. Näher zu ihrer Funktion ders., in: FS Vallender, S. 639, 643 f. 1549 Entsprechende Vorgaben für Verbraucher wurden zwar nicht gemacht. Jedoch wurden die Mitgliedstaaten gem. Erwägungsgrund 15 der Empfehlung aufgefordert, „Möglichkeiten auszuloten, die Empfehlungen auch auf Verbraucher anzuwenden, da einige der dieser Empfehlung zugrunde liegenden Prinzipien auch für Verbraucher maßgeblich sein könnten“, COM(2014) 1500 final S. 4. 1550 Evaluation of the implementation of the Commission Recommendation of 12.3.2014 – On a new approach to business failure and insolvency (Dokument ist online nicht mehr abrufbar). 1551 Die 35 %-Quote in Deutschland wurde explizit als sehr strenge Regelung bezeichnet, Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 121a; Henning/Allemand, in: FS Pannen, S. 161, 180. 1552 COM(2015) 468 final. 1553 COM(2015) 468 final, S. 28; vgl. Vallender, in: FS Wimmer, S. 537. 1554 COM(2016) 723 final. 1555 Frind, NZI 2019, 361. 1548

286

4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

begrenzen, bei.1556 Am 16.1.2017 begannen die Beratungen in der Ratsarbeitsgruppe mit dem Ziel der Herstellung einer konsolidierten Fassung (sog. „allgemeine Ausrichtung“).1557 Im Hinblick auf den die Restschuldbefreiung betreffenden Teil einigte sich der Rat am 4.6.2018 auf einen Kompromisstext,1558 dessen Vorgaben den Mitgliedstaaten eine stärkere Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger zubilligte. Am 21.8.2018 folgte der vom Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments vorgelegte Entwurf einer Entschließung,1559 der sich vor allem durch einen Änderungsvorschlag hinsichtlich der Entschuldungsdauer auszeichnete.1560 Danach sollte die – in der Ratsfassung noch bekräftigte – Höchstfrist für die Restschuldbefreiung von drei auf fünf Jahre angehoben werden. Auf Grundlage der konsolidierten Fassung und der Entschließung des Europäischen Parlaments (1. Lesung) wurden am 23.10.2018 die sog. „Trilog-Gespräche“ zwischen Europäischen Parlament, Kommission und Rat offiziell aufgenommen.1561 Nach intensiven Verhandlungen einigten sich die Beteiligten schließlich im Dezember 2018 auf einen einheitlichen Text.1562 Dieser sah eine Entschuldungsdauer von drei Jahren vor. Am 28.3.2019 legte das Europäische Parlament gem. Art. 294 Abs. 3 AEUV seinen Standpunkt in erster Lesung fest und beschloss die Restrukturierungsrichtlinie mit großer Mehrheit.1563 Schließlich nahm auch der Rat den Standpunkt des Europäischen Parlaments am 6.6.2019 einstimmig an und billigte auf diese Weise die Richtlinie.1564 Die Veröffentlichung des Gesamttexts im Amtsblatt der EU erfolgte am 26.6.2019,1565 am 16.7.2019 trat die Richtlinie in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben nunmehr zwei Jahre Zeit, um sie umzusetzen (vgl. Art. 34 Abs. 1 RL), wobei gem. Art. 34 Abs. 2 RL unter besonderen Umständen ein drittes Jahr in Anspruch genommen werden kann.

1556

Heyer, ZVI 2017, 45. Kayser, in: FS Pape, S. 183, 186. 1558 Ratsdok. 8830/18 nebst Anhang (ADD1), abrufbar unter: http://data.consilium.europa. eu/doc/document/ST-8830-2018-ADD-1/de/pdf (zuletzt geprüft am 15.3.2020); Bornemann, jurisPR-InsR 19/2018, Anm. 1; Kayser, in: FS Pape, S. 183, 186. 1559 Europäisches Parlament, Entwurf einer Legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU v. 21.8.2018 – A8 – 0269/2018, abrufbar unter: http://www.eu roparl.europa.eu/doceo/document/A-8-2018-0269_DE.html (zuletzt geprüft am 15.3.2020). 1560 Heyer, ZVI 2019, 3, 4. 1561 Kayser, in: FS Pape, S. 183, 187 f. 1562 2016/0359(COD) 15556/18, abrufbar unter: https://data.consilium.europa.eu/doc/docu ment/ST-15556-2018-INIT/en/pdf (zuletzt geprüft am 15.3.2020); Kohte, VuR 2019, 81. 1563 Ahrens, ZInsO 2019, 1449. 1564 Ahrens, ZInsO 2019, 1449. 1565 ABl. L 172/18 vom 26.6.2019. 1557

A. Einführung

287

II. Regelungsziel und -konzept Die Restrukturierungsrichtlinie verfolgt ausweislich ihres ersten Erwägungsgrunds das Ziel, „zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen und Hindernisse für die Ausübung der Grundfreiheiten, etwa des freien Kapitalverkehrs oder der Niederlassungsfreiheit, zu beseitigen, die auf Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften und Verfahren für die präventive Restrukturierung, die Insolvenz, die Entschuldung und Tätigkeitsverbote zurückzuführen sind.“ Die Beseitigung derartiger Hemmnisse soll ohne eine Beeinträchtigung von Grundrechten und Grundfreiheiten der Arbeitnehmer erfolgen. Zur Erreichung dieser Ziele sieht die Richtlinie drei Hauptregelungskomplexe1566 vor, die jeweils weitgehende Regularien zur nationalen Angleichung enthalten. Der erste Maßnahmenschwerpunkt findet sich unter dem Titel II der Richtlinie und betrifft die Einführung eines präventiven Restrukturierungsrahmens. Damit wird angestrebt, Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten wirksame Möglichkeiten an die Hand zu geben, die sie in die Lage versetzen, frühzeitig Umstrukturierungen auf Grundlage eines Restrukturierungsplans vorzunehmen.1567 Der Zugang zum präventiven Restrukturierungsrahmen soll es bestandsfähige Unternehmern ermöglichen, ihren Betrieb fortzusetzen, ohne ein gerichtliches Verfahren einleiten zu müssen.1568 Insgesamt sollen auf diese Weise Insolvenzen und die Entlassung von Mitarbeitern vermieden werden.1569 Zudem sollen auch die Gläubiger von der frühzeitigen Bewältigung der Krise profitieren.1570 Als weitere Maßnahme sieht die Richtlinie die Einräumung einer zweiten Chance für redliche insolvente oder überschuldete Unternehmer vor. Zu diesem Zweck macht sie unter ihrem Titel III Vorgaben, die sich auf die Entschuldung von Unternehmern und Tätigkeitsverbote im Zusammenhang mit einer Insolvenz beziehen. Die Mitgliedstaaten sollen nach ihren nationalen Vorschriften zum einen sicherstellen, dass Unternehmer nach einer angemessenen Frist in den Genuss einer vollen Entschuldung kommen können.1571 Zum anderen sollen sie etwaige Tätigkeitsverbote, die mit dem zur Entschuldung führenden Verfahren einhergehen und einem schnellen Neuanfang im Wege stehen, zeitlich begrenzen.1572 Der Richtliniengeber verspricht sich dadurch, die negativen Auswirkungen von Überschuldung oder In1566 Gemeint sind die Titel II bis IV der Richtlinie. Die Titel I, V und VI sollen im nachfolgenden Überblick außen vor bleiben. Diese enthalten generelle Bestimmungen (I), Mindestvorschriften über die Datenerhebung (V) bzw. Regelungen zum Verhältnis der Richtlinie zu anderen Unionsinstrumenten, zur Überprüfung der Richtlinienumsetzung sowie zum Inkrafttreten und Geltungsbeginn (VI), Vallender, in: FS Wimmer, S. 537, 539. 1567 Erwägungsgrund 1 der Richtlinie. 1568 Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht Rn. 120. 1569 Erwägungsgründe 1 und 2 der Richtlinie. 1570 Vgl. Erwägungsgrund 2 der Richtlinie. 1571 Erwägungsgrund 1 der Richtlinie. 1572 Erwägungsgrund 5 der Richtlinie.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

solvenz auf Unternehmer zu verringern und das Unternehmertum in der EU zu fördern.1573 Die Angleichung der nationalen Entschuldungsverfahren soll aber vor allem auch dem Problem des sog. „Restschuldbefreiungstourismus“ begegnen.1574 Darunter versteht man das seit einigen Jahren zu beobachtende Phänomen, dass Schuldner sich das für sie günstigste Insolvenzrecht eines EU-Mitgliedstaats zunutze machen.1575 Diese Möglichkeit ergibt sich aus den Grundfreiheiten für EU-Bürger (vgl. Art. 21, 45, 49, 56 AEUV) und den Regelungen nach der EuInsVO.1576 So bestimmt Art. 7 Abs. 1 EuInsVO, dass das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen (also auch die Restschuldbefreiung) dem Recht des Mitgliedstaates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, unterliegen (lex fori concursus).1577 Nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (sog. COMI).1578 Die europäischen Vorschriften erlauben es dem Schuldner also, durch die Wahl seines COMI das einschlägige Recht auszusuchen.1579 Für den Schuldner, der eine Restschuldbefreiung erlangen möchte, erschien bislang insbesondere die Sitzverlegung nach England attraktiv, weil der Schuldenschnitt dort schon innerhalb eines Jahres zu erreichen ist.1580 Eine solche – in einem anderen Mitgliedstaat erteilte – Restschuldbefreiung muss gem. Art. 32 Abs. 1 EuInsVO grundsätzlich1581 anerkannt und somit von den Gläubigern akzeptiert werden.1582 Der Richtliniengeber kritisiert, dass der Restschuldbefreiungstourismus für die Gläubiger mit zusätzlicher Rechtsunsicherheit und Mehrkosten bei der Beitreibung ihrer Forderungen verbunden ist.1583 Daher sollen einheitliche Entschuldungsfristen in den Mitgliedstaaten eine Sitzverlegung 1573

Erwägungsgründe 72 und 73 der Richtlinie. Siehe hierzu die Erwägungsgründe 9 und 72 der Richtlinie. 1575 Köchling, ZInsO 2013, 316, 317. Eingehend zum Restschuldbefreiungstourismus J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 103 ff.; Brinkmann/Frevel, in: FS Klamaris, S. 109 ff. 1576 Allemand, InsbürO 2017, 98, 101. 1577 Allemand, InsbürO 2017, 98, 101; Würdinger, KTS 2017, 445, 446. 1578 Näher dazu Mock, KTS 2013, 423, 442 f. 1579 Auch wenn das „forum shopping“ zwar zulässig ist, erscheint dieses jedoch unbillig, wenn der Zugang zum Verfahren eines Landes durch Vortäuschen eines falschen Wohnsitzes erschlichen wird, Henning/Allemand, in: FS Pannen, S. 161, 164. Ausführliche Auseinandersetzung mit der Frage bestehender Schutzvorkehrungen gegen die Fälle einer betrügerischen oder missbräuchlichen Gerichtsstandswahl bei J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 119 ff. 1580 Köchling, ZInsO 2013, 316, 317; Stürner, KTS 2017, 291, 292; Würdinger, jM 2018, 90. 1581 Als Grenze kommt insofern der Ordre-public-Vorbehalt in Betracht, eingehend J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 146 ff.; Brinkmann/Frevel, in: FS Klamaris, S. 109, 118 ff. 1582 J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 118; Henning/Allemand, in: FS Pannen, S. 161, 163 ff. 1583 Erwägungsgründe 9 und 72 der Richtlinie. 1574

A. Einführung

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hinfällig machen und die Problematik des Restschuldbefreiungstourismus eindämmen. Schließlich sind unter Titel IV der Richtlinie Regularien enthalten, die darauf abzielen, die Effizienz und Wirksamkeit von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren zu erhöhen. Insbesondere werden die Mitgliedstaaten dazu angehalten, die Verfahrensdauer zu verkürzen.1584 Auf diese Weise sollen die Befriedigungsquoten gesteigert und Anleger nicht länger durch die Risiken langwieriger und unverhältnismäßig kostspieliger Verfahren von Anlageaktivitäten abgehalten werden.1585

III. Überblick über den Regelungsinhalt des Titel III Der hier interessierende Titel III der Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) enthält insgesamt fünf Artikel (Art. 20 bis 24 RL), die die Entschuldung betreffen. Art. 20 RL regelt zunächst den Zugang zur Entschuldung. Dort heißt es, dass insolvente Unternehmer nach nationalem Recht Zugang zu mindestens einem Verfahren haben müssen, das zu einer vollen Entschuldung gemäß der Richtlinie führen kann. Daraus folgt, dass sich die Richtlinie nur an unternehmerisch tätige Personen1586 richtet. Dies hat letztlich kompetenzrechtliche Gründe.1587 Die Kompetenz für den Richtlinienerlass wird mit einem Binnenmarktbezug des Regelungsgegenstands begründet.1588 Dementsprechend zieht der europäische Gesetzgeber Art. 114 AEUV als Kompetenznorm heran. Zusätzlich stützt er sich auf Art. 53 AEUV (Erleichterung der Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten). Für Verbraucher lässt sich daraus keine Zuständigkeit begründen. Auch wenn für sie demnach keine verbindlichen europäischen Vorgaben getroffen werden können, enthält der Erwägungsgrund 21 eine ausdrückliche Empfehlung, die Bestimmungen der Richtlinie über die Entschuldung auf Verbraucher zu erstrecken. Begründet wird dies damit, dass deren Überschuldung wirtschaftlich und sozial äußerst bedenklich sei und mit dem Abbau des Schuldenüberhangs in engem Zusammenhang stehe. Darüber hinaus sei es häufig nicht möglich, klar zwischen Schulden, die von einem Unternehmer im Rahmen der Ausübung seiner unternehmerischen, geschäftlichen, handwerklichen oder freiberuflichen Tätigkeit erwirtschaftet wurden, und denjenigen, die er nicht bei diesen 1584

Erwägungsgrund 6 der Richtlinie. Erwägungsgründe 6 und 7 der Richtlinie. 1586 Nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 1 Nr. 9 RL ist unter „Unternehmer“ eine natürliche Person, die eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, zu verstehen. 1587 Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1451; ders., in: FS Wimmer, S. 13, 23; Kohte, VuR 2019, 81. 1588 Kritisch hinsichtlich der reinen Binnenmarktperspektive Würdinger, jM 2018, 90, 92. Eingehend zu der Frage der Kompetenz der EU für eine Harmonisierung der nationalen Entschuldungsvorschriften J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 187 ff. 1585

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

Tätigkeiten aufgebaut hat, zu unterscheiden. Unternehmer würden daher nicht wirksam von einer zweiten Chance profitieren, wenn sie zwecks Schuldbefreiung getrennte Verfahren mit unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen und Entschuldungsfristen durchlaufen müssten. Gem. Art. 20 Abs. 2 RL können die Mitgliedstaaten die volle Entschuldung von einer teilweisen Tilgung der Schulden durch den Unternehmer abhängig machen. Dabei müssen sie allerdings sicherstellen, dass die diesbezügliche Tilgungspflicht der Situation des einzelnen Unternehmers entspricht. Art. 21 RL enthält Bestimmungen zu der Entschuldungsfrist. Danach muss die Restschuldbefreiung ohne zusätzlichen Antrag und spätestens nach drei Jahren erteilt werden. Im Anschluss an Art. 22 RL, der Regelungen zur zeitlichen Beschränkung von Berufsverboten enthält, folgen in Art. 23 RL Vorgaben hinsichtlich der Regelung von Ausnahmevorschriften die Restschuldbefreiung betreffend. Dessen Abs. 1 gehört zum zwingenden Teil der Richtlinie.1589 Danach sollen die Mitgliedstaaten für den Fall, dass der insolvente Unternehmer bei seiner Verschuldung - während des Insolvenzverfahrens oder während der Begleichung der Schulden - gegenüber den Gläubigern oder sonstigen Interessenträgern unredlich oder bösgläubig im Sinne der nationalen Rechtsvorschriften gehandelt hat, den Zugang zur Entschuldung verwehren oder beschränken. Alternativ können sie Vorschriften festlegen, nach denen die Vorteile der Entschuldung widerrufen oder längere Fristen für eine volle Entschuldung bzw. längere Verbotsfristen bestimmt werden. Die nationalen Vorschriften zur Beweislast bleiben davon unberührt. Fakultativ können die Mitgliedstaaten nach Abs. 2 zusätzliche Ausnahmevorschriften schaffen.1590 Voraussetzung ist allerdings, dass diese genau festgelegt und ausreichend gerechtfertigt sind. In Form von Regelbeispielen werden Fälle angeführt, in denen eine ausreichende Rechtfertigung gegeben ist. In Abs. 4 des Art. 23 RL wird ferner die Möglichkeit eröffnet, bestimmte Schuldenkategorien von der Entschuldung auszuschließen, den Zugang zur Entschuldung zu beschränken oder eine längere Entschuldungsfrist festzulegen. Auch hier bedarf es einer ausreichenden Rechtfertigung, die in den in lit. a bis f aufgezählten Regelbeispielen zu bejahen ist. Art. 24 RL sieht schließlich Leitlinien zur Konsolidierung von Verfahren in Bezug auf berufliche und private Schulden vor.

B. Umsetzungserfordernisse Im Folgenden soll sich der Frage gewidmet werden, inwieweit das deutsche Entschuldungsrecht der §§ 286 ff. InsO richtlinienkonform ist. Der Fokus liegt dabei wiederum auf den Schuldneranforderungen. Sollte sich Harmonisierungsbedarf aufzeigen, werden die Spielräume für eine richtlinienkonforme Anpassung der nationalen Normen ausgelotet. 1589 1590

Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1460. Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1460.

B. Umsetzungserfordernisse

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I. Volle, automatische Entschuldung nach drei Jahren 1. Volle Entschuldung Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 RL gibt den Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass insolvente Unternehmer Zugang zu mindestens einem Verfahren haben, das zu einer vollen Entschuldung gemäß der Richtlinie führen kann. Nach der allgemeinen Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 RL meint eine volle Entschuldung, „dass die Eintreibung der ausstehenden für eine Entschuldung infrage kommenden Schulden ausgeschlossen ist, oder dass die ausstehenden einer Entschuldung zugänglichen Schulden als solche erlassen sind, als Teil eines Verfahrens, das eine Verwertung von Vermögenswerten oder einen Tilgungsplan oder beides umfassen könnte“. Als ein solches Verfahren, das zu einer vollen Entschuldung im obigen Sinne führt, könnte im deutschen Recht das gesetzliche Restschuldbefreiungsverfahren nach den §§ 286 ff. InsO in Betracht kommen. Voraussetzung für die Gewährung einer Entschuldung kraft Gesetzes ist, dass der Schuldner ein Insolvenzverfahren durchläuft (vgl. § 286 InsO). In Einklang mit der Richtlinie ist die Schuldbefreiung mithin hierzulande Teil eines Verfahrens, das eine Verwertung von Vermögenswerten vorsieht. Eine erteilte Restschuldbefreiung führt dazu, dass die am Ende des Verfahrens unbefriedigt gebliebenen Forderungen in unvollkommene Verbindlichkeiten umgewandelt werden, vgl. § 301 Abs. 3 InsO. Die Schuld stellt dementsprechend immer noch einen Grund für das Behaltendürfen dar, so dass eine ungeachtet der Restschuldbefreiung erfolgte Befriedigung keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten begründet.1591 Ein Erlass i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 RL ist nach der deutschen Konzeption somit nicht vorgesehen. Allerdings hat die Umwandlung in eine Naturalobligation zur Folge, dass die Verbindlichkeiten nicht länger durchgesetzt werden können. Da Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 RL es ausreichen lässt, dass die Eintreibung der ausstehenden Schulden ausgeschlossen ist, wird die deutsche Regelung den unionsrechtlichen Vorgaben folglich grundsätzlich gerecht. Fraglich ist allerdings, wie es zu bewerten ist, dass der Schuldner gem. § 301 Abs. 2 S. 1 InsO für gesicherte Forderungen weiterhaftet, eine „volle Entschuldung“ insoweit also nicht eintritt. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass nach der Legaldefinition die Eintreibung der ausstehenden Schulden nur für solche Verbindlichkeiten ausgeschlossen sein muss, die für eine Entschuldung infrage kommen. In diesem Zusammenhang lässt Art. 23 Abs. 4 lit. a RL es zu, besicherte Schulden von der Entschuldung auszunehmen. Somit ist es unschädlich, dass Sicherungsrechte gem. § 301 Abs. 2 S. 1 InsO nach erteilter Restschuldbefreiung bestehen bleiben.

1591

Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 10; Würdinger, jM 2018, 90, 93.

292

4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

2. Nach drei Jahren Das Kernstück des entschuldungsrechtlichen Teils der Richtlinie (RL (EU) 2019/ 1023) stellt die dreijährige Entschuldungsfrist gem. Art. 21 Abs. 1 RL dar.1592 Wie bereits deutlich wurde, drehte sich die Diskussion bereits während des Richtliniensetzungsverfahrens in erster Linie um die bindenden Vorgaben hinsichtlich der Verfahrenslänge. Auch hierzulande wurden die dahingehenden Ergebnisse der Trilog-Verhandlungen mit Spannung abgewartet und die Perspektiven rege diskutiert.1593 Dies verwundert nicht, ist doch das Hauptaugenmerk in Politik und Schrifttum seit Einführung des Instituts der Restschuldbefreiung auf die Dauer des Verfahrens gerichtet. Die Entscheidung von europäischer Seite für eine dreijährige Höchstfrist enthält für den deutschen Gesetzgeber einen Regelungsauftrag. Ob sich dessen Umsetzung auf die bloße Änderung der Abtretungsfrist beschränkt oder er weitere Korrekturen notwendig macht, ist nachfolgend zu untersuchen. a) Grundsatz Der zwingende Teil der Richtlinie geht dahin, dass der Unternehmer regelmäßig nicht länger als drei Jahre auf seine Entschuldung warten müssen soll. Um zu verhindern, dass die Mitgliedstaaten diese Bestimmung umgehen, ist der Fristbeginn der Verfahrenslaufzeit in Art. 21 Abs. 1 RL genau festgelegt.1594 Für das deutsche Verfahren ist insoweit dessen lit. b maßgeblich. Danach ist für den Beginn der Frist auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Justiz- oder Verwaltungsbehörde über die Eröffnung des Verfahrens oder den Tag der Bestimmung der Insolvenzmasse des Unternehmers abzustellen. Dem wird § 287 Abs. 2 InsO, der an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anknüpft, gerecht.1595 Soweit § 287 Abs. 2 InsO jedoch eine Abtretungsfrist von sechs Jahren vorsieht, ist er richtlinienwidrig.1596 Die Abtretungsfrist muss auf drei Jahre reduziert werden. Der RefE 2020 sieht eine entspre-

1592

Siehe auch Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1455; Hain, VIA 2018, 89. Kritisch im Hinblick auf die europäische Initiative einer Entschuldung nach drei Jahren: BR-Drucks. 1/17, S. 20 f.; Lissner, ZVI 2018, 473, 477; Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 11; siehe außerdem die Rede des ehemaligen Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, auf dem 14. Deutschen Insolvenzrechtstag am 30.3.2017 in Berlin (Die Rede ist auf der Internetseite des BMJV nicht mehr abrufbar). Positive Bewertung dagegen bei: G. Pape, ZInsO 2017, 2717, 2721 f.; Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Evaluierung des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Stand: 09.10.2018, S. 4.; eine dreijährige Frist fordern daneben auch Henning, ZVI 2014, 219, 222; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 561; Zerhusen, ZVI 2019, 91, 93. 1594 Bergner/J. Berg, zfm 2017, 96, 99. 1595 Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1458; Laroche, in: FS Pape, S. 199, 202. 1596 Ahrens, NZI-Beilage 2019, 39, 40; Piekenbrock, NZI-Beilage 2017, 36, 37. 1593

B. Umsetzungserfordernisse

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chende Anpassung des § 287a Abs. 2 InsO vor, vgl. Art. 5 § 287 Abs. 2 RefE 2020InsO. b) Ausnahmen Die Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) gibt den Mitgliedstaaten mehrere Optionen an die Hand, von der dreijährigen Regelfrist abzuweichen. Dies kann in Form einer Überschreitung wie auch einer Unterschreitung geschehen. aa) Verlängerungsmöglichkeiten (1) Verlängerungsoption bei Nichterreichen einer Mindestbefriedigungsquote Nach Art. 20 Abs. 2 RL ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, die volle Entschuldung von einer teilweisen Tilgung der Schulden durch den Unternehmer abhängig zu machen. Die Entschuldung nach drei Jahren kann demnach an die Bedingung geknüpft werden, dass der Schuldner eine Mindestbefriedigungsquote aufbringt. Gelingt es ihm nicht, den Betrag innerhalb der drei Jahre zu entrichten, kann das Verfahren verlängert werden. Allerdings muss ein etwaiges Teilzahlungsmodell sicherstellen, dass die darin vorgesehene Tilgungspflicht der Situation des einzelnen Unternehmers entspricht und insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zum pfändbaren oder verfügbaren Einkommen und zu den pfändbaren oder verfügbaren Vermögenswerten des Unternehmers während der Entschuldungsfrist steht sowie dem berechtigten Gläubigerinteresse Rechnung trägt (vgl. Art. 20 Abs. 2 RL). Diese Vorgabe schränkt den Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers, die dreijährige Entschuldung zu limitieren, entscheidend ein. Die Tilgungsanforderungen müssen sich zwingend an der individuellen Leistungsfähigkeit des Schuldners orientieren.1597 Eine Mindestbefriedigungsquote kennt auch das deutsche Recht. Der de lege lata hierzulande verfolgte Ansatz macht die Restschuldbefreiung nach drei Jahren von der Zahlung einer 35-prozentigen Quote auf die Insolvenzforderungen abhängig (vgl. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO). Die zu erbringenden Leistungen richten sich mithin nach der Höhe der Verbindlichkeiten. Auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Schuldners unter Berücksichtigung seines pfändbaren bzw. verfügbaren Einkommens und Vermögens nimmt das deutsche Modell keine Rücksicht.1598 Eine solche Lösung entspricht nicht der Richtlinie. Selbst wenn die Quote auf fünfzehn, zehn oder gar fünf Prozent herabgesetzt würde, wäre damit nicht sichergestellt, dass die Tilgungspflicht im Einzelfall der persönlichen Leistungsfähigkeit des Unter1597

Bornemann, jurisPR-InsR 19/2018, Anm. 1; Heyer, ZVI 2017, 45, 49. Dies zeigt auch die ratio legis des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO, nach der der Schuldner überobligationsmäßige Anstrengungen auf sich nehmen soll, um die Quote aufzubringen. Falls er selbst nicht imstande ist, die nötigen Zahlungen zu leisten, soll er dabei vor allem auf die Hilfe Dritter zurückgreifen, siehe auch Heyer, ZVI 2017, 45, 49. 1598

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

nehmers entspricht.1599 Nach den europarechtlichen Vorgaben muss auch der vermögenslose Unternehmer ohne jede Befriedigung eine Entschuldung nach drei Jahren erlangen können.1600 Starre Quoten, die auf das Maß der Verschuldung abstellen, kommen deshalb in Zukunft als Voraussetzung für eine Verfahrensverlängerung nicht mehr in Betracht.1601 Die Vorschrift des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO verstößt in ihrer jetzigen Form gegen den zwingenden Teil der Richtlinie. Richtigerweise soll sie daher nach dem RefE 2020 entfallen (vgl. Art. 5 § 300 RefE 2020InsO). Der deutsche Gesetzgeber hat lediglich die Möglichkeit, eine flexible, individuell bestimmte Mindestbefriedigungsquote als Bedingung für eine schnelle Entschuldung einzuführen.1602 Am Rande sei erwähnt, dass es demgegenüber mit Art. 20 Abs. 2 RL in Einklang steht, die volle Entschuldung von der Verwertung der pfändbaren Vermögensgegenstände abhängig zu machen.1603 Die dahingehende Schuldneranforderung des deutschen Rechts kann daher beibehalten werden. (2) Verlängerungsmöglichkeit nach Art. 23 Abs. 2 lit. e RL Eine weitere Option, die Entschuldungsfrist zu verlängern, wird den Mitgliedstaaten durch Art. 23 Abs. 2 RL eröffnet. Danach können sie abweichend von den Art. 20 bis 22 RL Bestimmungen vorsehen, mit denen unter bestimmten, genau festgelegten Umständen längere Fristen für eine volle Entschuldung normiert werden. Die entsprechenden Regelungen sind dabei jedoch nur zulässig, wenn sie ausreichend gerechtfertigt sind. Die in Art. 23 Abs. 2 RL aufgeführten Regelbeispiele lassen eine Verfahrensverlängerung insbesondere bei Verhaltensweisen zu, die nach der InsO als unredlich gelten. Die §§ 286 ff. InsO sanktionieren Verstöße gegen Verfahrenspflichten bislang zwar nicht mit einer Verfahrensverlängerung, sondern 1599 Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 10 f. schlagen vor, die Entschuldung nach drei Jahren von der Erbringung einer 15- bzw. 10 %-Quote abhängig zu machen. Die Autoren formulierten diesen Vorschlag allerdings offensichtlich in der Annahme, dass sich die seinerzeit vom europäischen Parlament befürwortete Entschuldungshöchstfrist von fünf Jahren durchsetzt. In diesem Fall hätte die Konstruktion des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO richtigerweise beibehalten werden können. 1600 Piekenbrock, NZI-Beilage 2017, 36, 37. 1601 So auch Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1456; ders., NZI-Beilage 2019, 39, 40; Bergner/ J. Berg, zfm 2017, 96, 98; Hain, VIA 2018, 89; Heyer, ZVI 2019, 3; ders., ZVI 2017, 45, 49; Kohte, VuR 2019, 81, 82; Laroche, in: FS Pape, S. 199, 202; Mock, NZI 2016, 977, 981; Piekenbrock, NZI-Beilage 2017, 36, 37; Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 30; dies., in: Jaeger-InsO, § 300 Rn. 2; Stephan, VIA 2017, 9, 12; Würdinger, jM 2018, 90, 93. 1602 J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 181 f. geht in Bezug auf den Richtlinienvorschlag dagegen davon aus, dass eine Quote generell unzulässig sei. Zwar sah auch der Richtlinienvorschlag eine mit Art. 20 Abs. 2 RL wortlautgleiche Regelung vor (vgl. Art. 19 Abs. 2 RL-V). Jedoch war die dahingehende Begründung der Kommission noch missverständlich. Dort hieß es, dass der Zugang zu einer vollen Entschuldung ohne die Rückzahlung eines Mindestbetrags oder eines bestimmten Prozentsatzes der Schulden gewährt werden müsse, vgl. COM(2016) 723 final, S. 26. In den Erwägungsgründen der finalen Fassung ist davon nicht mehr die Rede. 1603 Vgl. Erwägungsgrund 77 der Richtlinie. So auch Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1456.

B. Umsetzungserfordernisse

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mit der Versagung der Restschuldbefreiung. Die Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) würde dem deutschen Gesetzgeber jedoch erlauben, dies zu ändern. Für die hier zu untersuchenden Umsetzungserfordernisse ist vor allem Art. 23 Abs. 2 lit. e RL interessant, nach dem der Zeitpunkt der Entschuldung hinausgeschoben werden kann, wenn die Kosten des zur Entschuldung führenden Verfahrens1604 nicht gedeckt sind. Eine Art Verfahrensverlängerung bei fehlender Verfahrenskostendeckung könnte man auch in der deutschen Regelung des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO sehen. Gelingt es dem Schuldner nicht, innerhalb von fünf Jahren die Verfahrenskosten zu begleichen, wird das Verfahren um ein Jahr verlängert (vgl. § 300 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO). Freilich geht die derzeitige Konzeption des § 300 InsO dahin, dass die Entschuldung nach fünf Jahren i. S. d. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO als vorzeitige Beendigung gilt (vgl. § 300 Abs. 1 S. 1 InsO). In Wirklichkeit stellt § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO daher eine Verkürzungsoption dar.1605 Fraglich ist, ob diese Systematik den europäischen Vorgaben gerecht wird. Die Richtlinie statuiert gem. Art. 21 eine dreijährige Regelfrist. Wie aus dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 2 RL („Abweichend von den Artikeln 20 bis 22“) folgt, kann davon in den Fällen des Art. 23 Abs. 2 RL ausnahmsweise abgewichen werden. Nach der Systematik der Richtlinie besteht somit ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, welches zudem durch die Überschrift des Art. 23 RL („Ausnahmeregelungen“) untermauert wird.1606 Die Entscheidung hinsichtlich einer fehlenden Kostendeckung in § 300 InsO muss die Verfahrensverlängerung betreffen. Für das deutsche Recht bedeuten diese Grundsätze, dass der bisherige systematische Ansatz umgekehrt werden muss, § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO in seiner jetzigen Form also nicht aufrechterhalten werden kann.1607 Mit der Konstruktion des Art. 23 Abs. 2 lit. e RL als Ausnahmeregelung geht weiter die Frage einher, ob sich die Verfahrensverlängerung bei fehlender Kostendeckung nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich als Ausnahme darstellen muss. Insoweit könnte es problematisch sein, dass die weit überwiegende Anzahl der Verfahren hierzulande lediglich mit einer Stundung der Verfahrenskosten eröffnet werden kann.1608 Sehr häufig werden die Kosten bis zum Verfahrensende nicht gedeckt sein. Macht der deutsche Gesetzgeber von der Verlängerungsmöglichkeit nach Art. 23 Abs. 2 lit. e RL Gebrauch, könnte sich die Situation mithin so darstellen, dass die dreijährige Grundfrist nicht regelmäßig, sondern nur ausnahmsweise zu erreichen ist.1609 Dies aber könnte im Widerspruch zu dem Gebot der effektiven Um1604 Nach Erwägungsgrund 80 der Richtlinie gehören dazu auch die Gebühren für Justizund Verwaltungsbehörden sowie für Verwalter. 1605 Siehe auch Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1457; vgl. Heyer, ZVI 2017, 45, 46. 1606 Zum Regel-Ausnahme-Verhältnis des Art. 23 Abs. 2 RL Ahrens, NZI-Beilage 2019, 39, 40; ders., ZInsO 2019, 1449, 1457. 1607 Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1457; Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 31. 1608 Siehe dazu oben S. 174. 1609 Ahrens, NZI-Beilage 2019, 39, 41; ders., ZInsO 2019, 1449, 1457.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

setzung von Richtlinien1610 stehen.1611 Der Europäische Gerichtshof hat als grundsätzliche Anforderung an die Richtlinienumsetzung statuiert, „daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, innerhalb der ihnen nach Art. 189 EWGV belassenen Entscheidungsfreiheit die Formen und Mittel zu wählen, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinien unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks am besten eignen“1612. Das Ziel der Restrukturierungsrichtlinie geht dahin, gescheiterten Unternehmern einen schnellen wirtschaftlichen Neuanfang nach drei Jahren zu gewähren. Dieser Zweck würde nicht erreicht, wenn in der Mehrzahl der Verfahren der Entschuldungszeitraum hinausgeschoben würde. Richtigerweise müsste also in mindestens fünfzig Prozent der Verfahren die prinzipielle Entschuldungsfrist von drei Jahren greifen.1613 Zu beachten ist allerdings, dass sich das Problem der fehlenden Kostendeckung insbesondere in Verbraucherinsolvenzverfahren stellt, welche nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Hinsichtlich der Verfahren von Unternehmern weisen die Erfahrungen aus der Praxis dagegen darauf hin, dass die Berichtigung der Kosten regelmäßig bewerkstelligt wird.1614 Soweit es der Rechtstatsachenforschung nicht gelänge, das Gegenteil zu beweisen,1615 könnte der deutsche Gesetzgeber somit entsprechend dem Gedanken des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO eine Verfahrensverlängerung im Falle der Nichtdeckung der Verfahrenskosten anordnen. Denkbar wäre etwa eine Regelung, nach der dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach Ablauf einer Höchstfrist von fünf Jahren erteilt wird, falls es ihm bis dahin nicht gelingt, die Verfahrenskosten zu begleichen. Zu klären wäre dann, ob dem Schuldner, der die Verfahrenskosten nach der Erreichung der Regelfrist, aber vor Ablauf der Höchstfrist berichtigt, die Entschuldung unverzüglich zu gewähren ist oder erst nach Ablauf der Höchstfrist. Begleicht der Schuldner die Verfahrenskosten, so ist der Zweck der Ausnahmeregelung nach Art. 23 Abs. 2 lit. e RL erreicht. Würde das Verfahren nach diesem Zeitpunkt weiter andauern, bedeutete dies, dass bis zum Erreichen der Höchstfrist letztlich die Gläubiger von der Weiterhaftung profitierten. Dies aber stünde im Widerspruch zu der Funktion der Ausnahmeregelung, nach der lediglich eine Kostendeckung ermöglicht, nicht aber auch die Befriedigung der Gläubiger erreicht werden soll. Hier wird man daher sagen müssen, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu erteilen ist, sobald die Verfahrenskosten gedeckt sind.1616 1610

Dazu Ruffert, in: Calliess/Ruffert-AEUV, Art. 288 Rn. 26 ff. Vgl. Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1457; Blankenburg, ZVI 2020, 82, 83. 1612 Grundlegend EuGH NJW 1976, 2065, 2067 (Royer). 1613 So Ahrens, NZI-Beilage 2019, 39, 41. 1614 Siehe etwa Frind, NZI 2019, 361, 364 f. 1615 Es bedürfte aktueller empirischer Befunde für das gesamte Bundesgebiet. 1616 Siehe auch Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 11. Einen zusätzlichen Antrag wird man vom Schuldner vor dem Hintergrund der Regelung des Art. 23 Abs. 2 RL (dazu sogleich) nicht verlangen können. Denkbar wäre etwa eine Konstruktion, nach 1611

B. Umsetzungserfordernisse

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Von der Frage der unionsrechtlichen Zulässigkeit einer Regelung, die den Entschuldungszeitpunkt bei Nichtdeckung der Verfahrenskosten insgesamt hinauszögert, ist die Prüfung der Richtlinienkonformität der vierjährigen Nachhaftungsphase für die gestundeten Verfahrenskosten nach erteilter Restschuldbefreiung gem. § 4b InsO zu unterscheiden. Fraglich ist, ob das Recht des Fiskus, die Kosten nach Verfahrensende einzutreiben, von der Ausnahmevorschrift des Art. 23 RL gedeckt ist. Ein Ausschluss von der Entschuldung ist nach Art. 23 Abs. 4 RL für die Kosten des zur Entschuldung führenden Verfahrens nicht vorgesehen. Zwar ließe sich erwägen, diese unter die Bereichsausnahme des Abs. 4 lit. e zu subsumieren. Jedoch legt dessen Wortlaut („Schulden, die aus der Verpflichtung, die Kosten des zur Entschuldung führenden Verfahrens zu begleichen, entstanden sind“) nahe, dass es sich dabei um Schulden i. S. v. § 302 Nr. 3 InsO handelt. Demgemäß stehen hier Verbindlichkeiten in Rede, die der Schuldner gerade zur Erbringung der Verfahrenskosten aufgenommen hat. Sieht man das anders, stellte sich im Übrigen die Frage, weshalb der Richtliniengeber für nicht gedeckte Kostenforderungen in Abs. 4 lit. e nicht die gleiche Formulierung wie in Abs. 2 lit. e gewählt hat. Wie bereits deutlich geworden ist, eröffnet jedoch jedenfalls Art. 23 Abs. 2 lit. e RL die Möglichkeit, das Entschuldungsverfahren bei Nichtdeckung der Verfahrenskosten zu verlängern. Dies schließt als „Minus“ die Option ein, lediglich für die Verfahrenskosten einen späteren Entschuldungszeitpunkt vorzusehen. Somit lässt sich die Nachhaftungsdauer i. S. d. § 4b InsO mit den europarechtlichen Bestimmungen vereinbaren.1617 Die Verfasser des RefE 2020 haben sich dazu entschieden, auf eine § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO entsprechende Regelung zu verzichten. Der Entwurf sieht eine sprachliche Anpassung des § 300 InsO nach Maßgabe der Richtlinie vor.1618 An der vierjährigen Nachhaftung für die gestundeten Verfahrenskosten gem. § 4b InsO soll demgegenüber festgehalten werden.1619 bb) Verkürzungsmöglichkeiten Ferner ist zu untersuchen, inwieweit die Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) Abweichungen von der Regelfrist in Form einer Verfahrensverkürzung zulässt. Hier lässt sich zunächst konstatieren, dass die in Art. 21 Abs. 1 RL geregelte Entschuldungsfrist als Höchstfrist konzipiert ist („höchstens drei Jahre beträgt“). Das Verfahren darf sich maximal über drei Jahre erstrecken. Kürzere Laufzeiten sind somit der die Erteilung der Restschuldbefreiung nach Erreichung der Regelfrist analog § 158 Abs. 1 BGB unter der aufschiebenden Bedingung der Begleichung der Verfahrenskosten steht. 1617 Ahrens, NZI-Beilage 2019, 39, 41; ders., ZInsO 2019, 1449, 1459 f., der jedoch aufgrund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen Art. 21 Abs. 1 RL und Art. 23 RL eine lediglich dreijährige Nachhaftung als zulässig ansieht; a. A. Frind, NZI 2019, 361, 365. 1618 Siehe dazu Ahrens, NZI 2020, 137, 141. 1619 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 11.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

möglich, ohne dass die Richtlinie irgendwelche Einschränkungen vorsieht. Unterhalb der Schwelle von drei Jahren sieht das deutsche Entschuldungsrecht bislang in § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO eine Verkürzungsmöglichkeit vor. Sofern die Kosten des Verfahrens berichtigt sind, kann dem Schuldner danach sofort Restschuldbefreiung erteilt werden, wenn kein Insolvenzgläubiger eine Forderung angemeldet hat oder wenn die Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt sind und der Schuldner die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt hat. Diese Regelung ist richtlinienkonform und kann beibehalten werden.1620 Der deutsche Gesetzgeber ist jedoch nicht daran gehindert, darüber hinaus zu gehen. Denkbar erschiene beispielsweise ein zusätzlicher Verkürzungstatbestand mit einer an die Leistung einer Mindestbefriedigungsquote gebundenen Laufzeit von zwei Jahren.1621 Selbst eine regelmäßige Entschuldung nach ein oder zwei Jahren ohne weitere Auflagen wäre (zumindest)1622 unionsrechtlich zulässig. 3. Ohne zusätzlichen Antrag Fraglich ist weiter, ob die Antragserfordernisse in den §§ 286 ff. InsO den Vorgaben der Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) gerecht werden. Der Erwägungsgrund 73 erlaubt es zunächst,1623 den Zugang zum Entschuldungsverfahren von einem Antrag abhängig zu machen. Folglich kann § 287 Abs. 1 S. 1 InsO in der derzeitigen Form beibehalten werden. Nach Art. 21 Abs. 2 UAbs. 1 RL darf nach Ablauf der Entschuldungsfrist von drei Jahren kein zusätzliches antragsabhängiges Verfahren verlangt werden. Die Entschuldung muss vielmehr automatisch erfolgen. Dem entspricht die Regelung des § 300 Abs. 1 S. 1 InsO, sofern die regelmäßige Abtretungsfrist von sechs auf drei Jahre abgesenkt wird.1624 Das de lege lata in § 300 Abs. 1 1620 So auch Ahrens, NZI-Beilage 2019, 39, 41; ders., ZInsO 2019, 1449, 1458; Blankenburg, ZInsO 2017, 241, 251; Heyer, ZVI 2017, 45, 46 f.; Laroche, in: FS Pape, S. 199, 202; Würdinger, jM 2018, 90, 93 f. (Auch die Judikatur des BGH, wonach eine Verfahrenskostenstundung für die Berichtigung der Verfahrenskosten nicht ausreicht, könne bestehen bleiben). Die Verkürzungsmöglichkeiten des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO sollen nach dem RefE 2020 beibehalten und in § 300 Abs. 2 RefE 2020-InsO überführt werden. 1621 J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 182. 1622 Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken einer Unterschreitung der Dreijahresfrist siehe unten S 310 ff. und S. 320 f. 1623 Die Erwägungsgründe stellen nicht nur Motive dar, sondern sind Bestandteil des materiellen Gehalts der Richtlinie, Kayser, in: FS Pape, S. 183, 185. 1624 Piekenbrock, NZI-Beilage 2017, 36, 38. Die Modelle des Insolvenzplanverfahrens, der Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung der Gläubiger gem. § 213 InsO, der außergerichtliche Einigungsversuch und das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren entsprechen dagegen nicht diesen Anforderungen, weil sie alle von der Zustimmung der Gläubiger abhängig sind. Da nach den europäischen Leitlinien der Schuldner allerdings nur Zugang zu einem Verfahren haben muss, das zu einer vollen Entschuldung gemäß der Richtlinie führen kann, können die genannten Instrumente als zusätzliche Möglichkeiten aufrechterhalten bleiben, siehe zum Ganzen Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1450 f. Der außergerichtliche Eini-

B. Umsetzungserfordernisse

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S. 2 InsO vorgesehene Antragserfordernis für eine Entschuldung nach drei Jahren ist dagegen nicht länger zulässig.1625 Der RefE 2020 passt die Formulierung des § 300 Abs. 1 InsO daher entsprechend an, vgl. Art. 5 § 300 RefE 2020-InsO. Ungeachtet dieser Vorgaben ermöglicht es Art. 21 Abs. 2 UAbs. 2 RL vorzusehen, dass vor der Erteilung der Restschuldbefreiung auf Antrag oder von Amts wegen zu prüfen ist, ob der Unternehmer die Verpflichtungen für eine Entschuldung erfüllt hat. Die Vorschrift des § 300 Abs. 3 InsO kann daher beibehalten werden.

II. Einschränkungen im Falle von Unredlichkeit oder Bösgläubigkeit gem. Art. 23 RL Geklärt werden muss ferner, inwieweit die Redlichkeitsvoraussetzungen des deutschen Restschuldbefreiungsrechts den Vorgaben der Richtlinie (RL (EU) 2019/ 1023) entsprechen. Wie bereits dargestellt wurde, sind die Mitgliedstaaten nach Art. 23 Abs. 1 RL gehalten, bestimmte Entschuldungsschranken im Falle der Bösgläubigkeit oder Unredlichkeit des Unternehmers zu errichten. Darüber hinaus eröffnet ihnen Abs. 2 die Möglichkeit, weitere Einschränkungen für die Gewährung einer (schnellen) Entschuldung vorzusehen. Dies kann unter anderem in Form einer Zugangsverwehrung, Zugangsbeschränkung oder eines Widerrufs der Entschuldung geschehen. Die genannten Maßnahmen können nur so verstanden werden, dass sie auf die verschiedenen zeitlichen Verfahrensetappen rekurrieren.1626 Erneut werden im Richtlinientext offensichtlich deutsche Maßstäbe angesetzt.1627 Die Konstruktion des Redlichkeitssystems der §§ 286 ff. InsO, das sich aus Sperrfristen, Versagungsgründen und Widerrufsvorschriften zusammensetzt, lässt sich folglich aufrechterhalten. Da die unbestimmten Rechtsbegriffe der Unredlichkeit und Bösgläubigkeit in Art. 23 Abs. 1 RL nach den nationalen Rechtsvorschriften auszufüllen sind, werden die Redlichkeitsvoraussetzungen der §§ 286 ff. InsO zudem grundsätzlich den bindenden Erschwerungen des Abs. 1 sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht gerecht.1628 Dabei stimmen außerdem die nach Abs. 1 maßgeblichen Zeiträume mit denen der deutschen Redlichkeitsvoraussetzungen überein.1629 Die Phase der Verschuldung entspricht denjenigen Versagungsgründen in § 290 InsO, die an ein vorinsolvenzliches Verhalten anknüpfen. Die übrigen Vergungsversuch und das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren fallen im Übrigen nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie. 1625 Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1456; Laroche, in: FS Pape, S. 199, 203; vgl. (zum Richtlinienvorschlag) Heyer, ZVI 2017, 45, 47; Piekenbrock, NZI-Beilage 2017, 36, 38. 1626 Heyer, ZVI 2019, 3, 5. 1627 Auffällig ist, dass der Wortlaut im Vergleich zum Richtlinienvorschlag noch deutlich präzisiert wurde. So sprach Art. 22 Abs. 1 RL-V lediglich von einer „Zugangsbeschränkung“. 1628 Siehe auch Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1460; Preuß, in: Jaeger-InsO, Vor. §§ 286 – 303a Rn. 31. 1629 Näher zu der zeitlichen Struktur der deutschen Redlichkeitsvoraussetzungen oben S. 99 ff.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

sagungsgründe des § 290 InsO und § 297 Abs. 1 Var. 1 InsO lassen sich unter den Zeitraum „während des Insolvenzverfahrens“ fassen. Schließlich können die Versagungsgründe nach §§ 295, 296 InsO sowie nach § 297 Abs. 1 Var. 2 InsO unter die Phase subsumiert werden, die auf die Begleichung der Schulden abstellt. Auch wenn die Transformation der Richtlinie in das deutsche Recht in Bezug auf die Redlichkeitsvoraussetzungen insgesamt keine großen Schwierigkeiten bereiten dürfte, sollte etwaiger Harmonisierungsbedarf nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Neben dem Grundtatbestand des Art. 23 Abs. 1 RL ist nämlich auch der fakultative Katalog des Abs. 2 zu berücksichtigen. Dieser lässt zwar vielfältige Ausnahmeregelungen zu und eröffnet den Mitgliedstaaten dadurch, dass er nicht abschließend ist, einen weiten Gestaltungs- und Ermessensspielraum.1630 Mit den Merkmalen der ausreichenden Rechtfertigung und Bestimmtheit setzt er der Implementierung von Ausnahmeregelungen in seinem Anwendungsbereich allerdings engere Grenzen als der Ausgangstatbestand des Abs. 1. Zugleich bedeutet dies, dass im Anwendungsbereich der Fallgruppen des Abs. 2 derjenige des Abs. 1 gesperrt ist.1631 Angesichts dieser Ausgangslage sollte deshalb überprüft werden, ob sich die Redlichkeitsanforderungen der §§ 286 ff. InsO ausnahmslos in Art. 23 RL einfügen lassen. 1. Vereinbarkeit der Versagungs- und Widerrufsgründe mit der Richtlinie Die Versagungs- und Widerrufsgründe, die an die Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat anknüpfen (§§ 290 Abs. 1 Nr. 1, 297, 303 Abs. 1 Nr. 2 InsO), können unproblematisch unter Art. 23 Abs. 1 RL subsumiert werden.1632 Entsprechendes gilt für § 290 Abs. 1 Nr. 2 und 4 InsO, welche ebenfalls unter Art. 23 Abs. 1 RL fallen.1633 Nach Art. 23 Abs. 2 lit. b RL sind Ausnahmeregelungen ausreichend gerechtfertigt, wenn der insolvente Unternehmer den Informationspflichten oder Verpflichtungen zur Zusammenarbeit gemäß dem Unionsrecht und den nationalen Rechtsvorschriften nicht nachgekommen ist. Die Sanktionsmöglichkeiten für die Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten bzw. Auskunfts- und Mitwirkungsobliegenheiten nach §§ 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6, 295 Abs. 1 Nr. 3, 296 Abs. 2 S. 2 und 3 InsO1634 bzw. § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO sind daher richtlinienkonform. Unter Art. 23 Abs. 2 lit. b RL wird sich im Übrigen auch § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO fassen lassen.1635 Der Versagungsgrund des § 298 InsO ist von Art. 23 Abs. 2 1630

(Zum Richtlinienentwurf) Würdinger, jM 2018, 90, 94. Siehe auch Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1460 (Mit Art. 23 Abs. 2 RL werde eine Teilharmonisierung vorgeschrieben. Ferner werde der Ausgangstatbestand in Art. 23 Abs. 1 RL konkretisiert. So könne etwas, das nach Abs. 2 lediglich optional vorgesehen sei, nicht vom Grundtatbestand zwingend vorgeschrieben werden). 1632 Vgl. Preuß, in: Jaeger-InsO, § 297 Rn. 1. 1633 So auch Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1462. 1634 Ebenso Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1460. 1635 So auch Heyer, ZVI 2019, 3, 5 (zum Ratsdokument). 1631

B. Umsetzungserfordernisse

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lit. e RL gedeckt, der eine Ausnahmevorschrift erlaubt, wenn die Verfahrenskosten nicht beglichen sind.1636 Da eine Versagung nach § 298 InsO ohnehin nur in Betracht kommt, wenn die Verfahrenskostenstundung aufgehoben wurde, ist von einer ausreichenden Rechtfertigung i. S. v. Art. 23 Abs. 2 RL auszugehen. Art. 23 Abs. 2 lit. a RL lässt eine Entschuldungsschranke bei einem erheblichen Verstoß gegen eine rechtliche Verpflichtung zum Schutz der Interessen der Gläubiger, einschließlich der Verpflichtung, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen, zu. Darunter lassen sich neben dem Tatbestand des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch die Tatbestände, die sich auf die Verletzung der Erwerbsobliegenheit beziehen (§§ 4c Nr. 4, 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO, 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO1637), subsumieren. Dass die Mitgliedstaaten eine Erwerbsobliegenheit in ihrem Entschuldungsrecht vorsehen dürfen, folgt im Übrigen aus Erwägungsgrund 79. Danach kann die allgemeine Verpflichtung statuiert werden, Einkommen oder Vermögenswerte zu erwirtschaften. Auch in diesem Zusammenhang ergibt sich für den deutschen Gesetzgeber somit kein Änderungsbedarf. Ahrens hingegen schränkt diese Prämisse für die Erwerbsobliegenheit selbständiger Schuldner ein.1638 Er sieht es als mit Art. 20 Abs. 2 RL unvereinbar an, dass sich die Abführungsobliegenheit i. S. d. § 295 Abs. 2 InsO nach dem hypothetischen Einkommen aus einem angemessenen Dienstverhältnis bemisst. Die unionsrechtliche Norm stelle auf das pfändbare oder verfügbare Einkommen bzw. Vermögen für die Befriedigungspflicht ab. Dieser Maßstab müsse ebenso für die einer Tilgungschance dienenden Erwerbsobliegenheit gelten. Entsprechend zieht Ahrens auch die Zulässigkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach sich der Schuldner bei unzureichenden Einkünften um eine andere Tätigkeit bemühen muss, in Zweifel.1639 Gegen diese Einwände lässt sich zunächst anführen, dass Art. 20 Abs. 2 RL voraussetzt, dass die Tilgungspflicht der Situation des einzelnen Unternehmers entspricht. Zu dieser Situation gehören aber auch dessen Ausbildung und Vortätigkeiten, auf die es im Rahmen der hypothetischen Betrachtung der Einkommensverhältnisse ankommt. Außerdem muss die Tilgungspflicht nach dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 RL dem berechtigten Gläubigerinteresse Rechnung tragen. Dem würde es jedoch widersprechen, wenn der Schuldner nur die tatsächlich verfügbaren Mittel abführen müsste, obschon diese gegebenenfalls weit hinter seinen wirklichen Möglichkeiten zurückbleiben. Dass die Richtlinie vielmehr auf eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung abzielt, kommt auch in Art. 23 Abs. 2 lit. a RL zum Ausdruck. Nicht zuletzt heißt es in Art. 23 Abs. 2 RL, dass die Tilgungspflicht insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zum pfändbaren oder verfügbaren Einkommen und zu den pfändbaren oder verfügbaren Vermögenswerten des Unternehmers während der Entschuldungsfrist stehen muss. Durch diese Formulierung soll veranschaulicht werden, dass die Tilgungspflicht den Schuldner nicht überfor1636 1637 1638 1639

Preuß, in: Jaeger-InsO, § 298 Rn. 2. Siehe auch Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1460. Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1460. Näher zu dieser Rechtsprechung oben S. 117 f.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

dern darf. Vor allem sollen die Befriedigungsanforderungen nicht seine Aussicht auf eine schnelle, dreijährige Entschuldung in Frage stellen. Die von Ahrens herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt indes nicht, dass der selbständige Schuldner jedenfalls den Betrag aufbringen muss, der einer angemessenen abhängigen Beschäftigung entspricht. Vielmehr muss er sich lediglich um eine angemessene abhängige Tätigkeit bemühen, falls seine Zahlungen nicht ausreichen. Bleiben seine Bemühungen erfolglos, ist dies ohne Konsequenz. Eine Versagung der Restschuldbefreiung kommt dann nicht in Betracht. Die Maßstäbe des deutschen Entschuldungsrechts richten sich immer nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners. Weder überfordern die Abführungsobliegenheit des § 295 Abs. 2 InsO und die entsprechende Erwerbsobliegenheit den Schuldner noch gefährden sie einen raschen Neuanfang. Sie können daher in ihrer jetzigen Ausgestaltung aufrechterhalten bleiben. 2. Vereinbarkeit der Sperrfristen i. S. d. § 287a InsO mit der Richtlinie Das deutsche Recht regelt in § 287a InsO umfassende Sperrfristen für eine wiederholt beantragte Restschuldbefreiung. Eine Möglichkeit, den Zugang zum Verfahren zu beschränken, sieht auch die Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) vor. Von dieser können die Mitgliedstaaten gem. Art. 23 Abs. 2 lit. d RL etwa dann Gebrauch machen, wenn eine weitere Entschuldung innerhalb eines bestimmten Zeitraums beantragt wurde, nachdem dem insolventen Unternehmer eine volle Entschuldung gewährt oder aufgrund eines schweren Verstoßes gegen die Informationspflichten oder die Verpflichtungen zur Zusammenarbeit verweigert worden ist. Die Sperrfristen des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 1 InsO und § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO lassen sich sachlich grundsätzlich hierunter fassen. Die Sperrfrist des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Var. 2 InsO nach einer Versagung gem. § 297 InsO wegen einer rechtskräftigen Verurteilung aufgrund einer Insolvenzstraftat wird dagegen wohl eher unter Art. 23 Abs. 1 RL fallen. Zu diskutieren ist lediglich, ob sich der schwere Verstoß, den Art. 23 Abs. 2 lit. d RL fordert, ausreichend in allen Sperrfristen des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO abbildet. Für diejenigen Sperrfristen, die auch an bloß fahrlässige Verstöße anknüpfen, kann dies mit guten Gründen verneint werden.1640 Die Länge der deutschen Sperrfristen dagegen kann unverändert bleiben, da die Richtlinie insoweit keine Vorgaben macht.

III. Ausnahme bestimmter Schuldenkategorien Nach Art. 23 Abs. 4 RL können die Mitgliedstaaten unter der Voraussetzung einer ausreichenden Rechtfertigung bestimmte Schuldenkategorien von der Entschuldung 1640 So (hinsichtlich §§ 295 Abs. 1 Nr. 3, 296 InsO) Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1461. Der RefE 2020 sieht demgegenüber keine Änderung des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO vor.

B. Umsetzungserfordernisse

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ausschließen. Diese Möglichkeit entspricht erneut deutschen Maßstäben. Auch wenn die Weiterhaftung gem. § 302 InsO für gewisse Arten von Forderungen somit de lege ferenda grundsätzlich Bestand haben kann, ist zu prüfen, ob dies für alle dort vorgesehenen Bereichsausnahmen gilt. Für das hiesige Recht ist zunächst das Regelbeispiel gem. Art. 23 Abs. 4 lit. c RL maßgeblich, wonach eine Ausnahme für Schulden aus deliktischer Haftung zulässig ist. Unter diesen Ausnahmetatbestand fallen unproblematisch die Deliktsforderungen nach § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 1 InsO.1641 Sonderregelungen können gem. Art. 23 Abs. 4 lit. b RL darüber hinaus für aus strafrechtlichen Sanktionen entstandene oder damit in Verbindung stehende Schulden vorgesehen werden. Dem entspricht § 302 Nr. 2 InsO (Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten Verbindlichkeiten).1642 Außerdem dürfen Schulden, die aus der Verpflichtung, die Kosten des zur Entschuldung führenden Verfahrens zu begleichen, entstanden sind, gem. Art. 23 Abs. 4 lit. f RL von der Entschuldung ausgenommen werden. Die Vorschrift des § 302 Nr. 3 InsO sieht eine Bereichsausnahme für Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zwecks Begleichung der Verfahrenskosten gewährt wurden, vor. Diese stellen ohne weiteres Schulden aus der Kostentragungspflicht für das Verfahren i. S. d. Art. 23 Abs. 4 lit. f RL dar.1643 Einen zusätzlichen Ausnahmetatbestand schafft Art. 23 Abs. 4 lit. d RL für Schulden bezüglich Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen. Unter diesen Ausnahmetatbestand lässt sich § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 2 InsO fassen. Die deutsche Bereichsausnahme greift zwar auch dann, wenn die Forderungen aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt auf die Unterhaltsvorschusskassen übergegangen sind. Da Art. 23 Abs. 4 lit. d RL jedoch keine Einschränkung hinsichtlich des Forderungsinhabers trifft, dürfte diese Praxis weiterhin zulässig sein.1644 Relevanz für das deutsche Recht besitzt schließlich Art. 23 Abs. 4 lit. e RL. Danach können Schulden, die nach Verfahrenseröffnung entstanden sind, von der Entschuldung ausgenommen werden. Die geltende Rechtslage, nach der der Schuldner auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung für Neuverbindlichkeiten weiterhaftet (vgl. § 301 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 38 InsO), wird somit der Richtlinie gerecht.1645 1641

(Zur Ratsfassung) Heyer, ZVI 2019, 3, 6; (zum Richtlinienvorschlag) Laroche, in: FS Pape, S. 199, 201. 1642 Heyer, ZVI 2019, 3, 6; Laroche, in: FS Pape, S. 199, 201. Näher dazu Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1459, der bezweifelt, dass sich die von § 302 Nr. 2 InsO erfassten (zivilprozessualen) Zwangsgelder noch unter den Begriff der Strafe aus der Richtlinie fassen lassen. Da Art. 23 IV RL nicht abschließend ist und eine Ausnahme für Zwangsgelder ausreichend gerechtfertigt erscheint, dürfte sich hier jedoch kein Änderungsbedarf auftun. 1643 Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1460. 1644 Siehe auch Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1459 (die weite Formulierung der Richtlinie ließe ein solches Sprachverständnis zu); vgl. (zum Richtlinienvorschlag) Heyer, ZVI 2017, 45, 50. 1645 Heyer, ZVI 2019, 3, 6.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

Ausschließlich für § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 3 InsO lässt sich kein einschlägiger Ausnahmetatbestand im Katalog des Art. 23 Abs. 4 RL finden. Steuerforderungen können nicht unter die Ausnahme nach lit. c subsumiert werden, weil sich der Steueranspruch nicht aus der deliktischen Haftung für die Steuerstraftat ergibt, sondern aus dem Steuerschuldverhältnis.1646 Auch lit. b scheidet als Anknüpfungspunkt aus. Nach diesem könnte nur die wegen einer Steuerverbindlichkeit verhängte Strafe bevorrechtigt werden.1647 Demnach stünde die Bereichsausnahme nach § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 3 InsO lediglich dann im Einklang mit der Richtlinie, wenn – unter Berücksichtigung der unionsrechtlich gebotenen engen Auslegung von Ausnahmeregelungen – auch hinsichtlich Steuerverbindlichkeiten eine ausreichende Rechtfertigung vorläge.1648 Gegen eine ausreichende Rechtfertigung lassen sich die gleichen Argumente anführen, die schon gegen die Einführung der Privilegierungsregelung im Rahmen der Reform 2014 sprachen.1649 Wurde der Schuldner im Zusammenhang mit der Steuerforderung wegen einer Steuerstraftat verurteilt, zeichnet die Verbindlichkeit zweifelsohne ein gewisser Unrechtsgehalt aus. Einen solchen wird man jedoch genauso für Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit anderen Straftatbeständen (etwa einer fahrlässigen Körperverletzung) entstanden sind, annehmen müssen. Der deutsche Gesetzgeber ist somit gehalten, die Legitimationsbasis des § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 3 InsO zu präzisieren. Es bedürfte einer genauen Darlegung, weshalb der Grundsatz der dreijährigen Entschuldungsfrist für Steuerforderungen durchbrochen wird. Gelingt ihm dies nicht, wäre die Vorschrift nach unionsrechtlichen Maßstäben wohl nicht länger haltbar.

C. Die Vorgaben der Richtlinie im Kontext des Anforderungssystems der §§ 286 ff. InsO Nachdem nun der Umsetzungsbedarf geklärt ist, stellt sich weiter die Frage, welche Konsequenzen die erforderlichen Änderungen für das Anforderungssystem der §§ 286 ff. InsO und damit für die Legitimation der gesetzlichen Restschuldbefreiung haben.

I. Auswirkungen auf das Anforderungssystem Zunächst ist zu konstatieren, dass auch in Zukunft die dreijährige Entschuldung nicht ohne die Erfüllung gewisser Voraussetzungen erteilt werden muss. Dabei können die Grundpfeiler des Anforderungssystems beibehalten werden. So darf 1646 1647 1648 1649

Vgl. (zum Richtlinienvorschlag) Piekenbrock, NZI-Beilage 2017, 36, 38. Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1459. Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1459. Siehe dazu oben S. 274 f.

C. Die Vorgaben der Richtlinie im Kontext des Anforderungssystems

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zunächst der Grundsatz, dass der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, unverändert bestehen bleiben. Daneben ist es zulässig, die Erteilung einer schnellen Entschuldung weiterhin von der Begleichung der Verfahrenskosten abhängig zu machen. Ferner können auch de lege ferenda dem Schuldner gewisse finanzielle Anstrengungen im Gläubigerinteresse abverlangt werden. Dies gilt sowohl für die Pflicht, die Vermögensverwertung während des Insolvenzverfahrens zu dulden, als auch für die den selbständigen Schuldner gem. § 295 Abs. 2 InsO treffende Obliegenheit, die Gläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Eine tiefgreifende Veränderung werden allerdings die Voraussetzungen für eine schnelle, dreijährige Restschuldbefreiung erfahren. Diese darf nicht länger von besonderen Tilgungsbemühungen des Schuldners abhängig gemacht werden, sofern sich die zu erbringenden Leistungen – wie in § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO – an der Schuldenhöhe orientieren. In Zukunft wird es genügen, dass der Schuldner sich drei Jahre lang bestmöglich um die Befriedigung seiner Gläubiger bemüht. Ob er dabei erfolgreich ist, ist für die Möglichkeit einer schnellen Entschuldung unerheblich.1650 Die Redlichkeitsvoraussetzungen der §§ 286 ff. InsO, die einen weiteren Grundpfeiler des Anforderungssystems darstellen, können aufrechterhalten werden. Dies bedeutet für den Schuldner, dass er weiterhin gewisse Pflichten und Obliegenheiten erfüllen muss, um in den Genuss der Restschuldbefreiung zu kommen. Für die Gläubiger nachteilige Handlungen können wie bisher mit der Versagung der Restschuldbefreiung sanktioniert werden. Zudem muss dem Schuldner das Recht, eine Restschuldbefreiung zu beantragen, nicht zeit- und grenzenlos gewährt werden. Hat er bereits einmal Restschuldbefreiung erlangt oder wurde ihm diese in einem vorangegangenen Verfahren versagt, so wird er auch in Zukunft eine Wartefrist ausharren müssen, bevor er die abermalige Chance auf einen Schuldenschnitt erhält. Schließlich ist es – wie bislang gem. § 302 InsO – möglich, die umfassende Restschuldbefreiung an die Voraussetzung zu knüpfen, dass sich der Schuldner nicht bestimmten Arten von Forderungen ausgesetzt sieht. Auch wenn sich die Grundsätze des Anforderungssystems im Großen und Ganzen bewahren lassen, erfährt die Position des Schuldners infolge der Halbierung der Verfahrenslaufzeit eine erhebliche Aufwertung. Die Umsetzung der Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) wird den legislativen Wandel von einem gläubigerzentrierten Verfahren hin zu einem schuldnerzentrierten Verfahren somit weiter fortsetzen.1651 1650 Zu der Frage, ob der deutsche Gesetzgeber die dreijährige Entschuldung unter die Bedingung der Erfüllung einer individuell zu bestimmenden Quote stellen sollte, siehe unten S. 320 ff. 1651 Vgl. Jacobi/Melzer, VIA 2017, 65, 67; Würdinger, KTS 2017, 445, 449; siehe auch Bergner/J. Berg, zfm 2017, 96, 99: „Die neue Höchstfrist wäre für Deutschland eine tiefgreifende Änderung, die in ihren Wirkungen alle sonstigen ,schuldnerfreundlichen‘ Änderungen der Verbraucherinsolvenz seit 1999 in den Schatten stellen würde“.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

Der Gedanke eines earned starts büßt erheblich an Bedeutung ein.1652 Darüber hinaus wird die Ausrichtung des deutschen Anforderungssystems in Zukunft maßgeblich durch den Europäischen Gerichtshof mitbestimmt. Nach 2021 werden seine Entscheidungen über die Auslegung der Vorgaben der Richtlinie auch auf die Auslegung der Versagungsgründe, Sperrfristen und ausgenommenen Forderungen ausstrahlen.1653 Dabei wird er insbesondere bestimmen müssen, ob die deutschen Ausnahmevorschriften die Restschuldbefreiung nicht aushöhlen. Entscheidend wird vor allem sein, dass sie – wie es Art. 23 Abs. 2 RL verlangt – hinreichend konkret gefasst und ausreichend gerechtfertigt sind.1654 Sollte der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie auch auf Verbraucher anwenden, so würden diese Grundsätze im Übrigen auch für IK-Verfahren gelten. In derartigen Fällen einer sog. „überschießenden Umsetzung“ von Richtlinien fällt die Klärung des Auslegungsmaßstabs ebenfalls nach Art. 267 AEUV in den Zuständigkeitsbereich des Europäischen Gerichtshofs, weil ein klares Interesse der Europäischen Union daran besteht, „dass die aus dem Unionsrecht übernommenen Bestimmungen oder Begriffe unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden sollen, einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern“1655.1656 Eine europarechtliche Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Rechts im Bereich der überschießenden Umsetzung besteht allerdings nicht, da für die Anwendung des Unionsrechts auf innerstaatliche Sachverhalte allein das nationale Recht maßgeblich ist.1657

II. Konsequenzen in Bezug auf das Befriedigungsinteresse der Gläubiger Bevor die Folgen der unionsrechtlichen Vorgaben für das Anforderungssystem der §§ 286 ff. InsO einer kritischen Würdigung unterzogen werden, sind zunächst die direkten Auswirkungen der Änderungen auf die Gläubigerinteressen zu betrachten.

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Würdinger, KTS 2017, 445, 469. Kohte, VuR 2019, 81, 82; vgl. Mock, NZI 2016, 977, 982. 1654 Kohte, VuR 2019, 81, 82, der ergänzt, dass der EuGH in den letzten Jahren in Fragen des Verbraucherrechts und Arbeitsrechts deutlich gezeigt habe, dass er bereit und in der Lage ist, der Aushöhlung von Schutzvorschriften entgegenzutreten. 1655 EuGH GRUR Int. 2015, 384, 385 (FNV Kunsten); EuGH NZKart 2013, 241, 242 (Allianz und Generali/Ungarische Kartellbehörde) m. w. N. 1656 Schroeder, in: Streinz-AEUV, Art. 288 Rn. 116; ders., Grundkurs Europarecht § 6 Rn. 68. 1657 EuGH Slg 1997, I-4161 – 4208 (Leur-Bloem); siehe auch Schroeder, in: Streinz-AEUV, Art. 288 Rn. 116 m. w. N. 1653

C. Die Vorgaben der Richtlinie im Kontext des Anforderungssystems

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1. Vorteile Die Einführung einer regelmäßigen dreijährigen Entschuldung in den EU-Mitgliedstaaten ist eine politische Entscheidung, für die aus Sicht des Schuldners selbstverständlich gute Argumente sprechen. Aber auch aus Gläubigersicht kann sie durchaus positive Effekte haben, so etwa auf die Problematik des Restschuldbefreiungstourismus. Wie bereits erläutert,1658 hat die unterschiedliche Verfahrenslänge in den einzelnen Mitgliedstaaten bislang nicht selten zur Folge, dass die Schuldner sich dazu entscheiden, den Weg zu einer Entschuldung statt im Heimatstaat im EUAusland zu beschreiten. Davon macht regelmäßig die Gruppe der „wohlhabenden“ Schuldner Gebrauch, also vor allem selbständige Personen.1659 Dem normalen Verbraucher fehlen demgegenüber die Mittel für die Wohnsitzverlegung und die Beratungskosten, so dass er von dieser Möglichkeit ausgeschlossen ist.1660 Für die Gläubiger ist der Restschuldbefreiungstourismus besonders ärgerlich, wenn der Schuldner eigentlich einen größeren Beitrag zur Befriedigung hätte erbringen können und bei Anwendung des nationalen Restschuldbefreiungsregimes auch hätte erbringen müssen.1661 Zudem ist die Verfahrensdurchführung im Ausland – wie die Richtlinie in Erwägungsgrund 72 zutreffend anführt – mit Mehrkosten für die Beitreibung der Forderungen verbunden.1662 Auch Vermögensverschleierungen gelingen im Ausland häufiger als im Inland.1663 Eine Vereinheitlichung der Entschuldungsdauer ist daher aus Gläubigersicht sinnvoll. Sie könnte den „reicheren“ Schuldnern den Anreiz nehmen, die Restschuldbefreiung im Ausland zu beantragen. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die Maßnahmen der Richtlinie (RL (EU) 2019/ 1023) dazu geeignet sind, den Restschuldbefreiungstourismus zu unterbinden. Mit der dreijährigen Höchstfrist setzt sie Mindeststandards in den Mitgliedstaaten, wodurch eine gewisse Harmonisierung erreicht wird. Gleichzeitig lässt sie allerdings vielfältige Ausnahmen zu. Mithin können die einzelnen Entschuldungsgesetze auch in Zukunft nicht unerheblich voneinander abweichen. Am schwersten wiegen dürfte dabei, dass die Mitgliedstaaten weiterhin eine noch schnellere Entschuldung unterhalb der Drei-Jahres-Grenze vorsehen können. Zwar fällt England als Zielort für den Restschuldbefreiungstourismus nach dem Brexit weg, jedoch wird voraussichtlich Irland, das die einjährige Entschuldungsdauer der Nachbarinsel im Jahr

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Siehe oben S. 288 f. Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 10; Stephan, in: FS Vallender, S. 639, 652. 1660 Köchling, ZInsO 2013, 316, 317; vgl. Brinkmann/Frevel, in: FS Klamaris, S. 109. 1661 Vgl. Mock, KTS 2013, 423, 453; Würdinger, jM 2018, 90, 91 f. 1662 Siehe außerdem Erwägungsgrund 9 der Richtlinie: „Die Mehrkosten für die Risikobewertung und eine grenzüberschreitende Vollstreckung von Forderungen für Gläubiger überschuldeter Unternehmer, die ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, um nach viel kürzerer Zeit eine Entschuldung zu erlangen, sollten ebenfalls verringert werden“. 1663 So für das englische Recht Brinkmann/Frevel, in: FS Klamaris, S. 109, 115; siehe außerdem Köchling, ZInsO 2013, 316, 317 „hohes Missbrauchspotential“. 1659

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

2016 adaptiert hat,1664 an dessen Stelle treten.1665 Die fehlende Einheitslösung wird somit dazu führen, dass das Problem des Restschuldbefreiungstourismus auch in Zukunft weiterbestehen wird.1666 Dennoch ist zu vermuten, dass sich zumindest einige Schuldner angesichts der Annäherung der Laufzeiten in Zukunft gegen den Aufwand eines ausländischen Verfahrens entscheiden werden. Insofern wird die Position der Gläubiger durch die Richtlinie voraussichtlich geringfügig gestärkt. Darüber hinaus lässt sich konstatieren, dass eine schnelle finanzielle Rehabilitation des Schuldners für die Gläubiger günstiger sein kann als eine längere Verfahrensdauer. So wird der Unternehmer-Schuldner nach erfolgter Insolvenz wieder in der Lage sein, neue Aufträge zu vergeben. Entsprechend wird die Umsatzerwartung seiner Geschäftspartner steigen. Dagegen führt der Abstimmungsprozess mit dem Insolvenzverwalter hinsichtlich des zu leistenden Tilgungsbetrags bei einer langen Verfahrensdauer zu Problemen, weil anhaltende Unwägbarkeiten bezüglich der Verwendung der Gewinne Investitionen verzögern.1667 Kurze Verfahren versprechen hier schneller Sicherheit.1668 Auch Gläubiger von Verbraucher-Schuldnern können ein Interesse daran haben, dass dieser rasch in den Verbrauchs- und Ausgabenzyklus reintegriert wird, statt jahrelang wirtschaftlich auf das unpfändbare Einkommen beschränkt zu sein.1669 Insbesondere, wenn ein kostenintensives Verfahren mit keinem oder nur einem geringen Ertrag endet, mag sich die zeitliche Begrenzung des Verfahrens für sie als die bessere Alternative darstellen.1670 Die schnelle Aktivierung des wirtschaftlichen Potentials des Schuldners kann somit aus Gläubigersicht als ein positiver Effekt der kurzen Entschuldungsdauer verstanden werden. Zu hoffen ist schließlich, dass die Möglichkeit einer dreijährigen Restschuldbefreiung ohne Mindestbefriedigungsquote von der Schuldnerseite nunmehr als ein akzeptables Instrument, das eine schnelle und effiziente Bereinigung der Krise bzw. einen schnellen Neuanfang verspricht, angesehen wird.1671 Die Gläubiger könnten von einer solchen Akzeptanzsteigerung insofern profitieren, als der Schuldner sich möglicherweise dazu entscheidet, schneller die Schuldenbereinigung in Angriff zu nehmen.1672 1664 In Irland war früher eine dreijährige Entschuldungsdauer vorgesehen. Diese wurde durch den am 29.1.2016 in Kraft getretenen Bankruptcy (Amendment) Act 2015 auf ein Jahr reduziert, Sternal, in: Uhlenbruck-InsO, Vor. § 286 Rn. 35. 1665 Würdinger, jM 2018, 90. 1666 Kritisch auch Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 10. 1667 Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2175. 1668 Kranzusch, ZInsO 2012, 2169, 2175. 1669 Vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 13; a. A. Lissner, ZVI 2018, 473, 476. 1670 Vgl. Würdinger, KTS 2017, 445, 469. 1671 Vgl. Beck, ZVI 2012, 223, 228. 1672 Dieses Argument hatte bereits der Gesetzgeber i. R. d. Reform 2014 vorgebracht (siehe oben S. 203). Allerdings dürfte angesichts der geringen Praxisrelevanz des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO zu bezweifeln sein, dass die Aussicht auf eine dreijährige Entschuldung gegen

C. Die Vorgaben der Richtlinie im Kontext des Anforderungssystems

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2. Nachteile Den aufgezeigten Vorteilen stehen aber auch Nachteile gegenüber. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, dass die zweite Hälfte des Verfahrens in Zukunft bedingungslos wegfallen wird. So können die Gläubiger eine Quote erst dann erreichen, wenn die Verfahrenskosten gedeckt sind. In Verbraucherinsolvenzverfahren, in denen die pfändbaren Einkünfte des Schuldners häufig den einzigen Vermögenswert darstellen, gehen sie in den ersten Jahren deshalb typischerweise leer aus.1673 Sollte die Entschuldungsfrist auch für Verbraucher halbiert werden, wird den Gläubigern die „lukrative“ Phase, in der die Einkünfte zu ihrer teilweisen Befriedigung eingesetzt werden können, genommen.1674 Noch häufiger als bislang drohen sie deshalb mit ihren Forderungen (nahezu) komplett auszufallen.1675 Gläubiger selbständiger Schuldner werden freilich ebenso unter dem kürzeren Tilgungszeitraum leiden. Dieser ist zwangsläufig mit geringeren Zahlungen auf die Insolvenzforderungen verbunden. Hinzu kommt, dass de lege lata die Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners nur dann weniger lange betrachtet wird, wenn der Schuldner im Gegenzug eine gewisse Summe zur Schuldentilgung aufbringt (vgl. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO). Wird der Wert verfehlt, wird die Befriedigungsphase erweitert. Dieser Mechanismus garantierte den Gläubigern jedenfalls eine Quote in Höhe von 35 Prozent im Gegenzug für ihren Verzicht auf drei weitere Jahre, in denen sich der Schuldner um die Begleichung seiner Verbindlichkeiten bemüht. In Zukunft wird ein solcher Ausgleichsgedanke fehlen. Bereits nach drei statt nach fünf Jahren wird eine bedingungslose Restschuldbefreiung möglich sein – notfalls auch gegen den Willen der Gläubiger.1676 Einen Anreiz, überobligatorische Anstrengungen zwecks Gläubigerbefriedigung zu erbringen, wird es im Übrigen nicht mehr geben.1677 Im Rahmen von Insolvenzplänen oder – bei Verbrauchern auch – im Rahmen von außergerichtlichen Einigungsversuchen wird die Schuldnermotivation gleichermaßen

Zahlung der 35-Prozent-Quote viele Schuldner zu einer frühzeitigen Antragstellung bewogen hat. Die Einführung einer quotenunabhängigen dreijährigen Entschuldungsdauer wäre insoweit vielversprechender. 1673 Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 11; Pedd/Jäger, INDAT Report 02_2019, 32, 33. 1674 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 12; Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 11; Pedd/Jäger, INDAT Report 02_2019, 32, 33; dies., INDAT Report 03_2018, 26; vgl. Frind, NZI 2019, 361, 363 f. Zur Bedeutung der späten Phase des Restschuldbefreiungsverfahrens für die Gläubiger siehe außerdem oben S. 209. 1675 Pedd/Jäger, INDAT Report 03_2018, 26. Kritisch im Hinblick auf die Befriedigungsaussichten der Gläubiger auch Bergner/J. Berg, zfm 2017, 96, 98. 1676 Hingerl/Rätzke, ZVI 2019, 298; Nocke, FLF 2012, 157, 160. 1677 Zu der Frage, ob der Gesetzgeber eine Möglichkeit einführen sollte, die grundsätzliche dreijährige Verfahrensdauer bei Erreichen einer Mindestbefriedigungsquote zu verkürzen, siehe unten S. 320 ff.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

gehemmt. Hier muss mit Einbrüchen bei den Tilgungsangeboten gerechnet werden.1678

III. Würdigung unter Legitimationsgesichtspunkten Zuletzt ist zu klären, wie die dargestellten Auswirkungen auf das Anforderungssystem unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Folgen für die Befriedigungsaussichten der Gläubiger zu bewerten sind. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die zu erwartenden Änderungen die in den §§ 286 ff. InsO verankerten Rechtfertigungselemente möglicherweise so stark einschränken, dass die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht mehr ausreichend gewahrt sind. Daneben wird aber auch kritisch zu hinterfragen sein, ob die zukünftigen Schuldneranforderungen den notwendigen Ausnahmecharakter der gesetzlichen Entschuldungsmöglichkeit noch angemessen unterstreichen. 1. Bewertung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten Für die Bewertung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten spielen zunächst die Gründe, die für eine Abkürzung der Entschuldungsfrist und die Abschaffung der Mindestbefriedigungsquote aus Schuldnerperspektive herangezogen werden können, eine Rolle.1679 Was die Länge des Verfahrens angeht, sprechen für die weitere Verkürzung auf drei Jahre gewichtige soziale Argumente.1680 An anderer Stelle1681 wurde zwar ausgeführt, dass die Verfahrensdauer in gewisser Weise auch dem Ziel dienen soll, der Restschuldbefreiung Nachhaltigkeit zu verleihen. Soweit sein „Erziehungs- oder Läuterungszweck“ in Rede steht, ist der Bewährungszeitraum als solcher für die Rehabilitation und Reintegration des Schuldners allerdings lediglich zeitlich begrenzt sinnvoll.1682 Einer sechsjährigen Entschuldungsdauer bedarf 1678 So (zum Insolvenzplan) auch Würdinger, KTS 2017, 445, 465 (Das Richtlinienmodell erweise sich geradezu als ein Anreizverhinderungsmodell); (zum außergerichtlichen Einigungsversuch) Jäger, ZVI 2018, 217, 218; Pedd/Jäger, INDAT Report 03_2018, 26. Näher zu der Abhängigkeit der konsensbasierten Entschuldungsinstrumente von den Befriedigungsaussichten im gesetzlichen Entschuldungsverfahren oben S. 205 f. 1679 Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Inhaltsbestimmung des Eigentums siehe im Einzelnen oben S. 53 ff. 1680 So auch Würdinger, KTS 2017, 445, 456 und schon der Reformgesetzgeber aus dem Jahr 2014 (BT-Drucks. 17/11268, S. 13). 1681 S. 137 f. 1682 Vgl. die empirischen Befunde von Lechner, VuR 2012, 213, 215 ff., in dessen Studie untersucht wurde, ob sich die soziale Integration der Betroffenen (gemeint waren die Integration in den Arbeitsmarkt, die Stabilisierung des sozialen Umfelds oder die Lebenszufriedenheit) durch das Verbraucherinsolvenzverfahren signifikant verbessert hat. Dabei spielten auch Verhaltensänderungen (z. B. im Umgang mit Geld) und die Werthaltungen der Betroffenen eine Rolle. Differenziert wurde zwischen drei Typen insolventer Personen: „Opfer moderner,

C. Die Vorgaben der Richtlinie im Kontext des Anforderungssystems

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es dazu nicht. Neben sozialpolitischen sprechen außerdem wirtschaftspolitische Gründe für einen zügigen Schuldenschnitt. So wirkt sich ein solcher beispielsweise positiv auf die Kaufkraft aus.1683 Außerdem profitiert die Wirtschaft, wenn die Wertschöpfungspotentiale gescheiterter Unternehmer wieder schnell fruchtbar gemacht werden können.1684 Die Abschaffung der Mindestbefriedigungsquote stellt vor dem Hintergrund der ihr innewohnenden Ungleichbehandlungen1685 ein legitimes Ziel dar. In diesem Zusammenhang ist es zudem zu begrüßen, dass die Absenkung der Frist den Restschuldbefreiungstourismus bekämpfen soll, welcher einzelne Schichten von Schuldnern privilegiert.1686 Maßnahmen, die das Restschuldbefreiungsverfahren aus Schuldnersicht insgesamt gerechter machen, sind generell zu befürworten. Da der Gesetzgeber sowohl für die Verfahrensverkürzung als auch für die Abschaffung der Mindestbefriedigungsquote somit legitime sozial- und wirtschaftspolitische Argumente anführen kann, besitzt er einen weiten Gestaltungsspielraum. Dabei ist er jedoch an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, der ihn verpflichtet, die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.1687 Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand gilt, dass die verfassungsrechtlichen Zweifel an einer Regelung der Restschuldbefreiung umso stärker wiegen, je kürzer der obliegenheitsrelevante Zeitraum ist.1688 Ein etwaiges Missverhältnis zulasten der Gläubiger verstärkt sich zusätzlich, wenn der schnelle Neustart des Schuldners

biographischer Risiken“ (Typ 1), „Insolvente mit Orientierungsproblemen“ (Typ 2) und „Insolvente mit andauerndem Beratungsbedarf“ (Typ 3). Die Ergebnisse zeigten, dass die Verfahrenslänge an sich für die Integration des Schuldners weniger eine Rolle spielt. Teilweise behindert sie sie sogar eher (so beim Typ 1, der 50 % der Betroffenen ausmacht). Die Betroffenen von Typ 2 und Typ 3 benötigen vielmehr eine kompetente Hilfestellung während und ggf. nach dem Verfahren. Mit diesen flankierenden Maßnahmen empfiehlt Lechner eine dreijährige Verfahrensdauer. 1683 So schon BT-Drucks. 17/11268, S. 13. 1684 Madaus, JZ 2016, 548, 550 f. Siehe außerdem Erwägungsgrund 72 der Richtlinie: „Zudem stellen die Auswirkungen einer Insolvenz, insbesondere das soziale Stigma, die rechtlichen Folgen — etwa das Verbot, eine unternehmerische Tätigkeit aufzunehmen und auszuüben — und die anhaltende Unfähigkeit zur Begleichung von Schulden, für Unternehmer, die ein Unternehmen gründen oder eine zweite Chance erhalten wollen, bedeutende Negativanreize dar, obwohl erwiesen ist, dass Unternehmer, die insolvent wurden, beim nächsten Mal bessere Aussichten auf Erfolg haben.“ Kritisch im Hinblick auf die Argumentation des Richtliniengebers J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 177. 1685 Siehe dazu oben S. 222 ff. 1686 Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 10; Stephan, VIA 2017, 9, 11 („Akt der Gerechtigkeit“); ders., in: FS Vallender, S. 639, 652; Würdinger, KTS 2017, 445, 461. 1687 BVerfGE 87, 114, 138; 95, 48, 58; vgl. BVerfGE, 37, 132, 140. 1688 Vgl. J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 257; Würdinger, KTS 2017, 445, 458.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

unabhängig von einer quotalen Befriedigung gewährt wird.1689 Zu fragen ist, ob die dreijährige Verfahrenslaufzeit ohne Mindestbefriedigungsquote für die Gläubiger eine übermäßige Belastung darstellt und daher unverhältnismäßig ist. Der Reformgesetzgeber von 2014 sah eine Mindestbefriedigungsquote als Voraussetzung für eine Entschuldung nach drei Jahren noch als verfassungsrechtlich geboten an.1690 Eine Halbierung ohne Ausgleich oder Bedingungen wurde von ihm dagegen als problematisch bewertet. In seinem kürzlich vorgelegten RefE 2020 lässt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz solche Bedenken nicht mehr verlauten. Ganz von der Hand zu weisen sind sie jedoch nicht: Auch wenn bislang keine aussagekräftigen Ergebnisse zum Umfang der Anreizwirkung vorliegen, lässt sich jedenfalls konstatieren, dass der Schuldner in Zukunft keinen Anlass mehr haben wird, überobligatorische Leistungen zu erbringen. Die verfassungsrechtliche Abmilderung, die der Anreizgedanke in Bezug auf die Verkürzung der Befriedigungsphase brachte, existiert damit nicht länger.1691 Hinzu kommt, dass die Gläubiger bisher die Sicherheit hatten, dass eine kurze Laufzeit nur in Betracht kommt, wenn sie jedenfalls Zahlungen in Höhe von 35 Prozent ihrer Forderungen erhalten. Erbringt der Schuldner die Quote allein durch Abtretung seiner pfändbaren Einkommensanteile bzw. durch Erfüllung seiner Abführungsobliegenheit i. S. d. § 295 Abs. 2 InsO, dürften die Gläubiger zwar eigentlich auch nach Abschaffung des § 300 Abs. 1 S. 2 InsO die gleichen Befriedigungserwartungen haben. Allerdings gab die Aussicht auf Verkürzung der Regelverfahrenslaufzeit dem Schuldner die entscheidende Motivation, seiner Erwerbsobliegenheit nachzukommen, statt seine Tätigkeit in den Bereich der Schattenwirtschaft zu verlagern. Fällt die Mindestbefriedigungsquote als Voraussetzung für eine rasche Entschuldung weg, besteht die Gefahr, dass der Schuldner die drei Jahre lediglich durchsteht, statt sich um die Befriedigung seiner Gläubiger zu bemühen.1692 Künftig werden die Gläubiger nach Erreichen der dreijährigen Entschuldungsfrist eine weitere Befriedigungsmöglichkeit also in jedem Fall verlieren.1693 Dies wirft vor allem deshalb Bedenken auf, weil die Einkommens- und Vermögenssituation des Schuldners nicht mehr lange genug betrachtet wird.1694 Die sechsjährige Regeldauer war bislang so bemessen, dass ihr eine gewisse Chance auf Verbesserung der schuldnerischen Einkommenslage1695 bzw. auf den Erhalt eines Erbes innewohnte. Solche positiven Entwicklungen können in Zukunft nur noch sehr begrenzt Be1689

J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 257; Würdinger, KTS 2017, 445, 459. 1690 BT-Drucks. 17/11268, S. 1 u. 13. 1691 Würdinger, KTS 2017, 445, 459. 1692 Vgl. BR-Drucks. 1/17, S. 21. 1693 Wollen die Gläubiger gegen eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren plädieren, tragen sie die Argumentationslast, siehe Würdinger, KTS 2017, 445, 449 (De lege ferenda komme es zu einer Art Umkehr der Argumentationslast). 1694 Würdinger, KTS 2017, 445, 458. 1695 Zur praktischen Relevanz siehe oben S. 209 f.

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rücksichtigung finden. Freilich darf sich nicht vor der Realität verschlossen werden, dass die Verfahren in der Praxis überwiegend masselos sind.1696 Vor diesem Hintergrund wird man mit guten Argumenten sagen können, dass die abstrakte Hoffnung der Gläubiger, von einem Schuldner, der arbeitslos ist oder sich im Niedrigeinkommensbereich bewegt, doch noch Befriedigung zu erlangen, weil dieser womöglich am Ende der Wohlverhaltensperiode einen (besser bezahlten) Job findet oder eine Erbschaft erhält, hinter dem Interesse des Schuldners, zeitnah wirtschaftlich wieder Fuß zu fassen, zurücktreten muss. Dies gilt jedoch unter dem Vorbehalt, dass der Neustart regelmäßig auch wirklich erreicht wird. Ist die Nachhaltigkeit der Restschuldbefreiung nicht gewährleistet, verliert der Eingriff in die Gläubigerrechte seine Rechtfertigung.1697 Verfassungsrechtlich problematischer könnte sein, dass die Richtlinie die Entschuldung nach drei Jahren auch in den ertragreichen Fällen zwingend vorschreibt.1698 Wäre der Schuldner aller Voraussicht nach zu einer umfassenden Tilgung während einer längeren Laufzeit in der Lage, werden die Gläubiger um des schnellen Neustarts des Schuldners willen gezwungen, eigentlich nicht wertlose Forderungen abzuschreiben. Auch wenn diese Fälle eher die Ausnahme darstellen, müssen sie bei der verfassungsrechtlichen Bewertung einbezogen werden. Ein ausschließliches Abstellen auf ökonomische oder quantitative Aspekte ist dagegen unzulässig.1699 Die Frage, ob die dreijährige Restschuldbefreiung einkommensstarker Schuldner für die Gläubiger unzumutbar ist, lässt sich nur im Wege einer Gesamtabwägung der betroffenen Interessen unter Berücksichtigung der sonstigen Ausgestaltung des Restschuldbefreiungsverfahrens beantworten. Auf Schuldnerseite ist zunächst zu bedenken, dass die Perspektive auf den schuldenfreien Neuanfang trotz der unionsrechtlichen Verkürzungsmöglichkeit weiterhin in die Ferne gerückt ist. Der Eintrag in Kreditinformationssysteme wie die SCHUFA verzögert ihn derzeit um drei Jahre.1700 Selbst wenn der Vorschlag des RefE 2020 umgesetzt wird, die Fristen für die Speicherung der Daten über das Restschuldbefreiungsverfahren durch Auskunfteien auf ein Jahr zu reduzieren,1701 wird die Teilnahme des Schuldners am 1696 So argumentierend Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 12. 1697 So auch Pedd/Jäger, INDAT Report 02_2019, 32, 33. Siehe außerdem oben S. 61. 1698 Kritisch Würdinger, KTS 2017, 445, 458. 1699 J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 265 dort Fn. 1333; anders der RefE 2020, siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 12 („Solche Ausnahmefälle [Anm. d. Verf.: gemeint sind die Verfahren, in deren Spätphase positive Befriedigungsbeiträge zu verzeichnen sind] sollten den Gesetzgeber nicht daran hindern, eine für die große Masse der Fälle angemessene Regelung zu treffen“). 1700 Kritisch Blankenburg, ZVI 2020, 82, 86; Heyer, ZVI 2020, 77 f.; U. Krüger, VuR 2020, 81 ff. 1701 Näher dazu Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 22 ff.

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Wirtschaftsleben noch immer für ein Jahr nach erteilter Restschuldbefreiung erschwert. Darüber hinaus muss der Schuldner auch künftig eine dreijährige „Durststrecke“ zum Zweck der Gläubigerbefriedigung durchstehen. Er muss sich in dieser Zeit mit dem unpfändbaren Einkommen zufriedenstellen.1702 Den Gläubigern wird somit nach wie vor neben der Vermögensverwertung die Möglichkeit einer weiteren Befriedigungsphase zugestanden.1703 Zugunsten des Schuldners dürfte ferner sprechen, dass die Gläubiger oftmals nach dem Neustart von seinem wirtschaftlichen Wiedererstarken profitieren.1704 Außerdem befinden sie sich üblicherweise bereits bei Vertragsschluss in der besseren Position, weil sie das Ausfallrisiko ihrer Forderung einpreisen oder sich Sicherheiten einräumen lassen können.1705 Die Tatsache, dass diese Punkte nicht für alle Gläubiger gelten, entkräftet die Argumente nicht, weil dem auf andere Weise Rechnung getragen werden kann. Entscheidend für die Bewertung der Verhältnismäßigkeit ist jedoch, ob die Konzeption der §§ 286 ff. InsO eine effektive Befriedigungschance der Gläubiger während des Verfahrens gewährleistet. Die Durchbrechung des Prinzips der vorinsolvenzlichen Haftungsverwirklichung durch die Restschuldbefreiung und der dadurch stattfindende Rechtsverlust der Gläubiger findet seine Rechtfertigung darin, dass der Schuldner den Gläubigern seine Arbeitskraft für einen gewissen Zeitraum zur Verfügung stellen muss. Als problematisch erscheint es deshalb, dass die Einhaltung der Erwerbs- und Abführungsobliegenheit nicht ausreichend überwacht wird.1706 Dieser Systemfehler, der den §§ 286 ff. InsO seit ihrer Einführung immanent ist,1707 wird sich in Zukunft voraussichtlich stärker zulasten der Gläubiger auswirken. Hier dürfte – wie oben gezeigt – zum einen der Wegfall der Mindestbefriedigungsquote eine Rolle spielen. Zum anderen büßt der „Abschreckungseffekt“, den das Verfahren bislang hatte, durch die Halbierung der Entschuldungsdauer maßgeblich an Bedeutung ein. Es besteht die Gefahr, dass das Verfahren angesichts seiner neuen Attraktivität öfters als bisher von unredlichen Schuldnern dazu genutzt wird, sich mühelos ihrer Verbindlichkeiten zu entledigen. Notwendig erscheinen wirksame Instrumente, die sicherstellen, dass der Schuldner seinen Obliegenheiten im Interesse der Gläubiger nachkommt. Um die Ausfälle der Gläubiger möglichst gering zu halten, wird es

1702 Etwas Anderes kann nur ausnahmsweise während der Wohlverhaltensperiode gelten, wenn der Schuldner selbständig und gleichzeitig besonders erfolgreich ist. 1703 Zu diesem Erfordernis oben S. 90. 1704 Siehe dazu oben S. 308. 1705 BVerfG ZVI 2005, 125, 127; Heuer, Restschuldbefreiung – Wohin geht die Reise? Die neue EU-Richtlinie zur Restrukturierung insolventer Unternehmen und ihre Auswirkungen auf die Entschuldung von Verbrauchern in Deutschland, S. 7; Madaus, JZ 2016, 548, 552; Vallender, KSzW 2012, 260, 265. 1706 Aus diesem Grund kann das zum Teil gegen die Verfassungswidrigkeit einer generellen dreijährigen Verfahrensdauer vorgebrachte Argument (so Vallender, KSzW 2012, 260, 265), dass die Gläubiger im Gegenzug von der Ausweitung der Erwerbsobliegenheit auf das eröffnete Verfahren (vgl. § 287b InsO) profitierten, nicht überzeugen. 1707 Näher dazu oben S. 151 ff.

C. Die Vorgaben der Richtlinie im Kontext des Anforderungssystems

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daneben erforderlich sein, einzelne Obliegenheiten zu überdenken und gegebenenfalls zu verschärfen. Gewarnt werden sollte an dieser Stelle abermals vor einer einseitigen Betrachtungsweise. Die Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) blendet die Gläubigerseite und deren grundrechtliche Bedeutung aus.1708 Auch die Bereitschaft des deutschen Gesetzgebers, weitere Zugeständnisse an den Schuldner auf Kosten der Gläubiger zu machen, scheint proportional zu der fortwährenden Verbesserung der Schuldnerposition zu wachsen. Dies wird jüngst durch den RefE 2020 bestätigt, welcher die Seite der Gläubiger – mehr als jeder Gesetzgebungsvorschlag in der Geschichte des Restschuldbefreiungsrechts zuvor – vernachlässigt. Vorschläge, die den Interessen der Gläubiger dienen, lässt der Entwurf insgesamt vermissen. Nicht in Vergessenheit geraten sollte jedoch, dass irgendwann die Grenze der Unzumutbarkeit für die Gläubiger erreicht ist.1709 Die dreijährige Laufzeit ohne Mindestbefriedigungsquote wird den verfassungsrechtlichen Vorgaben noch gerecht.1710 Um zu verhindern, dass sie überschritten wird, ist der Gesetzgeber indes gehalten, gewisse Maßnahmen zu einer gerechteren Ausrichtung des Verfahrens zu ergreifen.1711 Bevor sich der Frage gewidmet werden kann, in welcher Form dies geschehen soll, ist allerdings zu untersuchen, ob dem Gedanken des earned starts auch im gesamtwirtschaftlichen Interesse noch ausreichend Rechnung getragen wird, wenn die europäischen Vorgaben Gesetz werden. 2. Bewertung unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten Werden die Anforderungen an die Restschuldbefreiung abgesenkt, birgt dies immer die Gefahr in sich, dass von den Änderungen Fehlanreize auf das Verhalten des Schuldners ausgehen.1712 Die Entschuldung muss dem Schuldner daher stets so viel abverlangen, dass der Anreiz, vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen, größer als die Alternative ist, sich der Haftung durch die Inanspruchnahme des Restschuldbefreiungsverfahrens zu entledigen.1713 Zu bedenken sein wird, dass die Er1708

Würdinger, KTS 2017, 445, 469. Siehe auch Jäger, ZVI 2018, 217, 218 (Jede Schraube könne irgendwann überdreht werden). 1710 Vallender, KSzW 2012, 260, 265 f. (Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken). Auf die Notwendigkeit eines Vergleichs der jetzigen und künftig zu erwartenden Befriedigungsquoten hinweisend J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 266 f.; Hingerl/Rätzke, ZVI 2019, 298 zweifeln demgegenüber die Verfassungsmäßigkeit an. Bedenken auch bei Würdinger, KTS 2017, 445, 459. 1711 Kritisch im Hinblick auf die einseitige Ausrichtung des Gesetzgebers auch J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 268; Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 11; siehe außerdem Blankenburg, ZInsO 2017, 241, 254, der auf die Unausgewogenheit des Systems in Verbraucherinsolvenzverfahren hinweist; vgl. auch Lissner, ZInsO 2020, 132, 134. 1712 Näher dazu oben S. 55 f. 1713 Grote, ZInsO 2019, 2152, 2155. 1709

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

öffnungsgründe der §§ 17 f. InsO weiterhin lediglich eine geringe Eingangsschwelle errichten, während die Anstrengungen, die die §§ 286 ff. InsO dem Schuldner abverlangen, maßgeblich sinken werden.1714 Dass die Restschuldbefreiung ihre generalpräventive Wirkung angesichts der anstehenden Änderungen gänzlich verlieren könnte, ist dennoch zu bezweifeln. Die intensive Diskussion um die Dauer der Entschuldungsphase bewog den Richtliniengeber dazu, den Katalog der Ausnahmemöglichkeiten zu erweitern.1715 Folglich besitzt der deutsche Gesetzgeber einen großen Spielraum, falschen Anreizen entgegenzutreten. Ein negativer Einfluss der schuldnerfreundlichen Reformen aus den Jahren 2001 und 2014 auf die Zahlungsmoral konnte im Übrigen bislang nicht festgestellt werden.1716 Ohnehin lassen sich die in der Praxis am häufigsten zu verzeichnenden Insolvenzursachen (Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Krankheit) nicht durch die Justierung der Verfahrenslänge steuern, weil es sich dabei um unvorhergesehene Ereignisse handelt.1717 Trotzdem lässt die Richtlinie insgesamt eine differenzierte Auseinandersetzung mit den weiteren Gefahren einer schnellen Entschuldung vermissen. Stattdessen stellt sie allein die mutmaßlich positiven Anreize einer schnellen Entschuldung heraus.1718 Ausgeblendet wird zunächst, dass die Gläubiger ihr gesteigertes Ausfallrisiko aller Voraussicht nach einpreisen und somit auf alle Verbraucher umlegen werden.1719 Fraglich ist weiterhin, ob die Länge des Restschuldbefreiungsverfahrens Unternehmensgründer bei ihrer Entscheidung über die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit maßgeblich beeinflusst oder nicht vielmehr andere Aspekte, wie etwa der unternehmerische Optimismus, ausschlaggebend sind.1720 Eine wichtige Rolle dürfte insbesondere auch die Frage spielen, wie erschwinglich und angemessen der

1714

Vgl. Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 185. Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1455; Graf-Schlicker, in: Flöther, A. Rn. 17. 1716 Vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 12; Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Pressemitteilung 7. November 2019, Verkürzte Restschuldbefreiung auch für überschuldete Verbraucherinnen und Verbraucher, abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/110719_Restschuldbefreiung.html (zuletzt geprüft am 15.3.2020); Grote, ZInsO 2019, 2152, 2155; Jacobi, InsbürO 2012, 123, 125 (Keine empirischen oder rechtssoziologischen Daten über einen etwaigen Zusammenhang zwischen Zahlungsverhalten und Restschuldbefreiungszeit); eine Verschlechterung des Zahlungsverhaltens befürchten dagegen Pedd/Jäger, INDAT Report 02_2019, 32, 33. 1717 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Pressemitteilung 7. November 2019, Verkürzte Restschuldbefreiung auch für überschuldete Verbraucherinnen und Verbraucher, abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/ 110719_Restschuldbefreiung.html (zuletzt geprüft am 15.3.2020); Beck, ZVI 2012, 223, 227; Würdinger, KTS 2017, 445, 460. 1718 Kritisch auch Saegon, NZI-Beilage 2017, 12, 15. 1719 Vgl. Jäger, ZVI 2012, 142, 143; Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 11. 1720 Jäger, ZVI 2012, 142, 143. 1715

D. Mögliche Reformansätze

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Zugang zu Finanzmitteln ist.1721 Müssen Geldgeber die Restschuldbefreiung inklusive erhöhter Verluste antizipieren, werden sie die Kreditvergabe durch Zinserhöhungen oder die Forderung von weiteren Sicherheiten limitieren.1722 Dies aber wird die von europäischer Seite angestrebten Existenzgründungen behindern. Nicht vergessen werden darf schließlich, dass die Rettung des einen zu der Insolvenz des anderen führen kann.1723 Gerät ein Geschäftspartner des Schuldners durch dessen Insolvenz selbst in wirtschaftliche Schieflage, wird er versuchen, seine Personalkosten zu senken. Es besteht die Gefahr, dass in der Folge die von Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zahlungsunfähig werden und ein Teufelskreis entsteht. Aus wirtschafts- und sozialpolitischer Sicht ist der durch eine rasche Restschuldbefreiung erzwungene Forderungsverzicht somit nur begrenzt sinnvoll. Jene Risiken, die durch die Bevorzugung eines Verfahrensbeteiligten drohen, sollte der deutsche Gesetzgeber bei der anstehenden Reform berücksichtigen. Sie sprechen neben den verfassungsrechtlichen Überlegungen entscheidend gegen eine über die europäischen Mindestvorgaben hinausgehende Verfahrensverkürzung.

D. Mögliche Reformansätze Die Untersuchungen im zweiten und dritten Teil dieser Arbeit haben ergeben, dass eine partielle Neuausrichtung der §§ 286 ff. InsO aufgrund der hervorgetretenen Friktionen im Anforderungssystem notwendig ist. Die Herstellung einer ausgewogenen Entschuldungslösung erscheint angesichts der europäischen Vorgaben umso dringender. Wie bereits deutlich geworden ist, eröffnet die Richtlinie (RL (EU) 2019/ 1023) dem Gesetzgeber vielfältige Möglichkeiten, an gewissen Stellschrauben zu drehen. Dies sollte zum Anlass genommen werden, über eine minimalinvasive Lösung hinauszugehen. Im Folgenden sind mögliche Ansätze zu diskutieren, wie die Schuldneranforderungen unter Berücksichtigung der in dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse gerechter und stimmiger justiert werden können. Daneben sollen Änderungen vorgeschlagen werden, die infolge der zwingenden unionsrechtlichen Vorgaben notwendig erscheinen, um Fehlanreize zu unterbinden.

1721 Diese Rolle betont auch das Statistische Amt der Europäischen Union, siehe: https://ec. europa.eu/eurostat/de/web/structural-business-statistics/ad-hoc-data-collections/access-to-fi nance (zuletzt geprüft am 15.3.2020). 1722 Hirte, ZInsO 2013, 171, 172; Lissner, ZVI 2012, 93, 96; Würdinger, KTS 2017, 445, 456 (dort Fn. 91) weist auf eine Zunahme von Restschuldversicherungen hin. 1723 Jäger, ZVI 2012, 142, 143. Näher dazu oben S. 162 f.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

I. Verbesserung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger Die Suche nach einer interessengerechteren Verfahrensausgestaltung muss sich vor allem an der Frage ausrichten, wie sich angemessenere Befriedigungsquoten für die Gläubiger erreichen lassen. Letztlich werden die konsensbasierten Entschuldungsinstrumente hierfür die beste Grundlage bieten.1724 Ihre Attraktivität sollte daher maßgeblich gesteigert werden.1725 Daneben muss jedoch auch im Rahmen der nicht ausgehandelten Restschuldbefreiung i. S. d. §§ 286 ff. InsO nach Wegen gesucht werden, höhere Erträge für die Gläubiger zu erzielen. Im Folgenden soll ein entsprechender Versuch unternommen werden. 1. Längere Laufzeit für Verbraucherschuldner Zunächst stellt sich die Frage, ob der deutsche Gesetzgeber im Gläubigerinteresse von der Möglichkeit, die dreijährige Entschuldungsfrist i. S. d. Art. 21 Abs. 1 RL „überschießend“ auch für Verbraucher umzusetzen, absehen sollte. Eine solche „gespaltene Lösung“ hätte zur Folge, dass Verbindlichkeiten von VerbraucherSchuldnern erst zu einem späteren Zeitpunkt (etwa nach fünf oder sechs Jahren) erlassen würden. Bis zu diesem Zeitpunkt würde die Abtretungsfrist weiterlaufen, so dass sich für die Gläubiger ein längerer Haftungszeitraum ergäbe. Fraglich ist allerdings, ob die Privilegierung von Unternehmern in Form einer kürzeren Entschuldungsdauer verfassungsrechtlich zulässig ist.1726 Intensiv diskutiert wird, ob darin ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen ist.1727 Gegen eine Lösung, die nach der Schuldnertätigkeit differenziert, 1724 Treffend Stephan, in: FS Vallender, S. 639, 655: „Der Gesetzgeber darf nicht die Augen vor der Erkenntnis verschließen, dass die Überschuldung natürlicher Personen langfristig und ökonomisch sinnvoll nur außerhalb judizieller Verfahren bewältigt werden kann“. 1725 In Bezug auf das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren lohnt sich ein Blick nach Österreich, wo es gelingt, einen Großteil der Verfahren mittels eines sog. Zahlungsplans zu lösen. Das Zahlungsplanverfahren (§§ 193 ff. IO) ist mit dem deutschen gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren vergleichbar und zeichnet sich dadurch aus, dass es im Regelfall nur geringe Verfahrenskosten verursacht, näher zum Ganzen Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 13; Stephan, VIA 2017, 41. Reformvorschläge in Bezug auf den außergerichtlichen Einigungsversuch bei Barsa/Pakulski/Schirmer/Voss/Wiskow, ZVI 2018, 389 ff.; Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 13. Vorschläge zur Erhöhung der Erfolgschancen des Insolvenzplans bei Hingerl, ZInsO 2013, 21, 23 f., der dafür plädiert, Verbrauchern auch während der Wohlverhaltensperiode die Möglichkeit zu einem Insolvenzplanverfahren zu eröffnen; dazu auch Hingerl/Rätzke, ZVI 2019, 298, 299. 1726 Eingehend Ahrens, in: FS Wimmer, S. 13, 24 ff.; ders., ZInsO 2019, 1449, 1452 f.; J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 270 ff. 1727 Verfassungsrechtlich unzulässig: Ahrens, in: FS Wimmer, S. 13, 24 ff.; ders., ZInsO 2019, 1449, 1453; J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 276 ff.; Jäger, ZVI 2018, 217.; Bedenken bei Henning, ZVI 2019, 365; Kayser, ZIP 2017, 1393, 1396; Laroche, in: FS Pape, S. 199; a. A. (verfassungsrechtlich zulässig) Frind, NZI 2019, 361, 362 ff.; (jeweils im Zusammenhang mit der Reform 2014) Baczako, ZVI 2013, 209, 213; Nocke, FLF 2012, 157, 161.

D. Mögliche Reformansätze

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wird vorgebracht, dass sie private Schulden des Unternehmers anders behandelte als solche des Verbrauchers, obwohl die Verbindlichkeiten gleichen Sachverhalten entsprängen.1728 Ein sachlicher Grund für die Unterscheidung sei nicht ersichtlich.1729 Andere widersprechen dem unter Berufung darauf, dass eine kurze Entschuldungsfrist von Unternehmern – anders als bei Verbrauchern – der Wirtschaftsförderung diene.1730 Angeführt wird außerdem, dass eine schnelle Restschuldbefreiung von Unternehmern auch im Sinne der Gläubigerschaft angemessen und sinnvoll sei, da ziemlich sicher positive Folgeeffekte zu erwarten seien.1731 Ob diese (makro) ökonomischen Gründe stichhaltig genug sind, um eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, mag bezweifelt werden. So sind günstige Folgeeffekte für die Gläubiger auch bei einem wirtschaftlichen Neustart von Verbrauchern nicht ausgeschlossen. Darüber hinaus kann sich die schnelle Rückführung von nicht selbständig erwerbstätigen Schuldnern in den Verbrauchs- und Ausgabenzyklus ebenfalls positiv auf die Wirtschaft auswirken.1732 Im Übrigen erscheint eine Unterscheidung nach der Schuldnertätigkeit aber auch deshalb nicht sachgerecht, weil sie erhebliches Missbrauchspotential in sich birgt.1733 Sie verleitet Schuldner regelrecht dazu, ein Gewerbe anzumelden, um einen schnellen Schuldenschnitt für ihre privaten Verbindlichkeiten zu erhalten.1734 Derartige Bedenken und die angesprochenen verfassungsrechtlichen Einwände ließen sich allenfalls mindern, wenn sich die Verfahrensdauer nicht nach der Schuldnertätigkeit, sondern danach richtete, ob es sich um private Verbindlichkeiten oder Geschäftsschulden handelt.1735 Dies hätte zur Folge, dass neben Verbrauchern auch Unternehmer für private Schulden länger haften müssten. Allerdings stünde eine Lösung, nach der der Schuldner getrennte Verfahren mit unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen und Entschuldungsfristen durchlaufen müsste, im Widerspruch zu dem Ziel der Richtlinie, Unternehmern einen wirksamen schnellen Neustart zu gewähren.1736 Überdies wäre die Trennung der Verfahren nicht nur mit 1728

Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1453; Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 12 (Eine solche Lösung sei nicht nachvollziehbar). 1729 Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1453; Heyer, ZVI 2017, 45, 46. 1730 Nocke, FLF 2012, 157, 161; in diese Richtung wohl auch Mock, NZI 2016, 977, 982. 1731 Frind, NZI 2019, 361, 364. 1732 J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 277. 1733 Ahrens, NZI 2020, 137, 140; ders., in: FS Wimmer, S. 13, 29; J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 278; Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 12. 1734 Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1454. Gerade Gewerbe, die ohne besondere Qualifikation und Zulassung betrieben werden dürfen, böten sich hierfür an, vgl. I. Pape/G. Pape, ZInsO 2019, 2358, 2360. 1735 Ahrens, ZInsO 2019, 1449, 1454; siehe auch Blankenburg, ZInsO 2017, 241, 251. 1736 Daher rät auch der Richtliniengeber von einer getrennten Lösung ab, siehe Erwägungsgrund 21 der Richtlinie.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

fragwürdigen systematischen Brüchen,1737 sondern auch mit enormen praktischen Schwierigkeiten verbunden. So kann zum Beispiel oftmals nicht klar zwischen Schulden, die der Unternehmer im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit und denjenigen, die er privat veranlasst hat, unterschieden werden.1738 Demnach würde eine solche Regelung ohnehin mit Art. 24 RL in Konflikt geraten, wonach unternehmerisch und privat entstandene Verbindlichkeiten zum Zweck einer vollen Entschuldung in einem einzigen Verfahren reguliert werden müssen, sofern sie nicht sinnvoll getrennt werden können. Zahlreiche Folgeprobleme1739 würden sich stellen und das Verfahren derart komplex machen, dass die Verfahrenskosten zwangsläufig steigen würden. Für die Gläubiger wäre es kaum möglich, den verschiedenen Regelungen bei ihrer Risikobewertung und Kalkulation Rechnung zu tragen.1740 Ungeachtet der sonstigen Kritikpunkte dürften sich getrennte Verfahren daher auch im hier zu betrachtenden Gläubigerinteresse nicht als Alternative darstellen. Ein geeignetes Mittel zur Erhöhung ihrer Befriedigungsquoten stellt eine solche Lösung nicht dar. Folglich ist es zu begrüßen, dass der RefE 2020 eine einheitliche Entschuldungsdauer für alle natürlichen Personen vorsieht.1741 2. Mindestbefriedigungsquote Die Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) lässt es zu, die Schuldbefreiung nach drei Jahren von einer im Einzelfall zu bestimmenden Mindestbefriedigungsquote abhängig zu machen. Daneben gibt sie in Bezug auf die Entschuldungsdauer lediglich eine Höchstfrist vor. Auf diese Weise ergeben sich für den deutschen Gesetzgeber einige Spielräume, die im Interesse der Gläubiger zu beleuchten sind. Bereits deutlich geworden ist, dass die Drei-Jahres-Vorgabe nicht derart unterschritten werden sollte, dass eine Entschuldung etwa nach zwei oder gar einem Jahr ohne 1737 Ahrens, in: FS Wimmer, S. 13, 27: „Eine Aufgliederung in zwei Verfahren widerspräche der Universalität des Insolvenzverfahrens mit seiner prinzipiellen Einheitlichkeit der vermögensrechtlichen Verantwortung und der Zugriffsmöglichkeit auf ein Vermögen“; Stephan, VIA 2017, 9, 12 (das deutsche Restschuldbefreiungsverfahren unterscheide nicht, ob die Überschuldung auf eine unternehmerische Tätigkeit oder allein auf privaten Konsum bzw. persönliche Schicksalsschläge gründe. Eine Privilegierung von Geschäftsschulden sei hierzulande daher ausgeschlossen.). 1738 Erwägungsgrund 21 der Richtlinie; Ahrens, NZI 2020, 137, 140; Blankenburg, ZInsO 2017, 241, 251. 1739 Eingehend Ahrens, in: FS Wimmer, S. 13, 27 ff. 1740 Ahrens, a. a. O., S. 13, 27: „Zudem bleibt vielfach unbeantwortet, wie der Gläubiger die Entstehungsgründe erkennen kann und wie er sich zur Risikosteuerung darauf einstellen soll“. 1741 Näher dazu Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 12. Für eine einheitliche Lösung auch Blankenburg, ZVI 2020, 82; Grote, InsbürO 2019, 204; ders., InsbürO 2019, 256; Laroche, in: FS Pape, S. 199; Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum präventiven EU-Restrukturierungsverfahren vom 9. Juli 2018 (abgedruckt in ZInsO 2018, 1837); Riggert, NZI-Beilage 2019, 37, 38; Würdinger, jM 2018, 90, 93.

D. Mögliche Reformansätze

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weitere Tilgungsbedingungen möglich ist.1742 Bei einer solchen Lösung wäre der obliegenheitsrelevante Zeitraum zu kurz bemessen und die Chance der Gläubiger auf eine Verbesserung der finanziellen Lage des Schuldners zu stark eingeschränkt.1743 Zu überlegen wäre jedoch, ob ein Anreizmodell nach dem Vorbild des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO beibehalten werden sollte. Eine von der Forderungshöhe abhängige Mindestbefriedigungsquote wäre richtlinienkonform, solange das nationale Entschuldungsrecht sie mit einer Verkürzungsoption verknüpft. Zu denken wäre beispielsweise an eine vorzeitige Beendigung nach zwei Jahren, die unter der Bedingung steht, dass der Schuldner 35 Prozent seiner Verbindlichkeiten beglichen hat. Auch wenn die Grundlage für ein Anreizsystem somit grundsätzlich gegeben ist, ist dessen Sinnhaftigkeit gleichwohl eingeschränkt.1744 Aufgrund des nur kurzen Zeitabstands zur regulären Verfahrensdauer wird der Schuldner kaum motiviert sein, überobligatorische Leistungen im Gläubigerinteresse zu erbringen. Darüber hinaus würden die mit dem Modell verbundenen Ungleichbehandlungsdefizite, die schon gegen die Einführung des § 300 Abs. 1 Nr. 2 InsO sprachen, fortbestehen. Starre Quoten, die auf die Höhe der Befriedigung abstellen, sollten daher in Zukunft nicht mehr Eingang in die §§ 286 ff. InsO finden. Zwecks Erreichung von höheren Erträgen auf Gläubigerseite könnte alternativ jedoch eine Lösung mit individuell bestimmten Befriedigungsquoten gewählt werden. So könnte der deutsche Gesetzgeber nach Art. 23 Abs. 2 RL die dreijährige Entschuldung von der Erfüllung einer im Einzelfall festzusetzenden Quote abhängig machen, die sich nach dem pfändbaren oder verfügbaren Einkommen des Schuldners richtet. Diese Variante hätte für die Gläubiger gegenüber einer bedingungslosen dreijährigen Entschuldungsdauer den entscheidenden Vorteil, dass der selbständige Schuldner einen Anreiz hätte, ihnen seine tatsächlich verfügbaren Mittel zur Verfügung zu stellen. Verglichen mit der Regelung des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO würde der Ansatz auch auf Schuldnerseite für mehr Gerechtigkeit sorgen. So würde dem Schuldner nur das abverlangt, was er wirklich zu leisten vermag, und ihm somit – unabhängig von dem Grad seiner Verschuldung – eine realistische Chance auf eine rasche Entschuldung belassen. Das Problem eines solchen einzelfallabhängigen Modells besteht allerdings darin, dass es sich nicht mit der Konzeption der §§ 286 ff. InsO als Massenverfahren in Einklang bringen lässt.1745 Der Aufwand, 1742 Gegen eine Unterschreitung der Höchstfrist plädiert auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in ihrem Positionspapier zum präventiven EU-Restrukturierungsverfahren vom 9. Juli 2018 (abgedruckt in ZInsO 2018, 1837); siehe außerdem Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 11. 1743 Abgesehen davon könnte es sich allerdings gerade vor dem Hintergrund der häufigen Fälle, in denen eine Befriedigung (etwa wegen Krankheit des Schuldners) von vornherein aussichtslos ist, anbieten, eine zustimmungsabhängige Verkürzungsmöglichkeit, welche an die Kopf- und Summenmehrheit der Gläubiger gebunden ist, einzuführen. Vgl. insofern den Regelungsvorschlag von Hirte, ZInsO 2013, 171, 173; zustimmend Köchling, ZInsO 2013, 316, 319. 1744 So auch J. N. Berg, Restschuldbefreiung de lege lata et ferenda, S. 182; Piekenbrock, NZI-Beilage 2017, 36, 37. 1745 Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 11.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

einen entsprechenden Wert zu leistender Tilgungsmittel prognostisch im Vorhinein zu ermitteln, wäre außerordentlich groß. Es müsste unter Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte geprüft werden, wann die individuelle Leistungsgrenze des Unternehmers erreicht ist, ohne sein Unternehmen zu gefährden. Dies würde erhebliche Ressourcen in Anspruch nehmen. Der Nutzen für die Gläubiger würde durch die entstehenden Kosten letztlich aufgezehrt. Da eine einzelfallabhängige Prüfung, welche einen vertretbaren Aufwand erfordert, innerhalb der §§ 286 ff. InsO nicht in Betracht kommt, scheidet auch eine Lösung mit flexibler Quote aus.1746 3. Verschärfung der Obliegenheiten und der Redlichkeitskontrolle Die vorherigen Ausführungen haben gezeigt, dass weder eine Verfahrensverlängerung für Verbraucher noch die Einführung einer Mindestbefriedigungsquote zweckmäßige Mittel zur Steigerung der Befriedigungsquoten der Gläubiger darstellen. Einen alternativen Anknüpfungspunkt könnten jedoch die schon bestehenden Anforderungen, die einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung dienen, bilden. a) Stärkere Einbeziehung des „gegenleistungslosen Neuerwerbs“1747 Die Tatsache, dass wesentliche Teile des Neuerwerbs den Gläubigern vor Erteilung der Restschuldbefreiung entzogen sind, gehört zu den Kritikpunkten, die dem Anforderungssystem der §§ 286 ff. InsO seit der Einführung der InsO anhaften.1748 Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die vom Schuldner zu erbringenden Anstrengungen durch die anstehende Verfahrensverkürzung wesentlich beschränkt werden, ist eine diesbezügliche Änderung angezeigt. Muss der Schuldner in Zukunft seinen Gläubigern lediglich drei Jahre lang sein pfändbares Einkommen im Gegenzug für den Verzicht auf ihr freies Nachforderungsrecht zur Verfügung stellen, so ist es ihm umso mehr zuzumuten, den Neuerwerb während dieses Zeitraums zu ihren Gunsten einzusetzen. Es gilt sich in Erinnerung zu rufen, dass der Schuldner nur die Befreiung von solchen Verbindlichkeiten erwarten kann, die unter sämtlichen zumutbaren Anstrengungen tatsächlich nicht bedient werden können.1749 Als zumutbar in diesem Sinne erscheint die Abführung des Neuerwerbs, den der Schuldner erhält, ohne zu einer Gegenleistung verpflichtet zu sein. Eine diesbezügliche versagungsbewehrte Abführungsobliegenheit würde nicht den Grundsatz aushöhlen, dass „ehrliche und sich wohlverhaltende Schuldner eine realistische und verlässliche Aussicht auf eine Restschuldbefreiung binnen drei Jahren haben sol1746 1747 1748 1749

Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 11. Hirte, ZInsO 2013, 171, 173. Näher dazu oben S. 142 ff. Vgl. Heyer, Restschuldbefreiung, S. 86.

D. Mögliche Reformansätze

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len“1750. Sie stünde daher mit der Richtlinie im Einklang. Zur näheren Ausgestaltung einer zu schaffenden Regelung bietet sich ein Blick nach Österreich an. Das österreichische Abschöpfungsverfahren, dessen Obliegenheiten nahezu identisch mit den deutschen sind, sieht eine viel strengere Einbeziehung des Neuerwerbs vor. So ist der Schuldner nach § 210 Abs. 1 Z 2 IO gehalten, Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, vollumfänglich herauszugeben. Darüber hinaus ist es ihm nicht gestattet, eine Erbschaft auszuschlagen, solange nicht die Verpflichtungen den Vermögensvorteil übersteigen.1751 Die österreichische Bestimmung sollte zum Vorbild genommen werden und die Beschränkung auf den hälftigen Erbschaftsanteil gem. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO aufgegeben werden.1752 Mögliche Umgehungsversuche sind durch eine Obliegenheit zur Annahme des Erbes auszuräumen.1753 Die österreichische Vorschrift des § 210 Abs. 1 Z 2 IO sieht ferner vor, dass der Schuldner auch Vermögen aus unentgeltlicher Zuwendung herauszugeben hat. Wiederum ist es ihm verwehrt, Schenkungen auszuschlagen.1754 Im Wege des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 20171755 wurde zudem klargestellt, dass Gewinne aus Glücksspielen von Abs. 1 Z 2 erfasst sind.1756 Auch wenn diese Vermögenszuflüsse nur ausnahmsweise in der Praxis vorkommen, sollte den Gläubigern nicht von vornherein ein Zugriff darauf verwehrt werden. Daher ist § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO insoweit nach dem Vorbild des § 210 Abs. 1 Z 2 IO zu erweitern. b) Einführung einer Rechenschaftsobliegenheit Der Schwerpunkt der Herstellung von Gläubigergerechtigkeit muss darauf liegen, die Einhaltung der erforderlichen Befriedigungsanstrengungen durch den Schuldner sicherzustellen. Es wurde gezeigt, dass der diesbezügliche Nachbesserungsbedarf angesichts der bevorstehenden Änderungen umso dringender erscheint.1757 Mit Blick auf die bedingungslose Verkürzung der Entschuldungsfrist auf drei Jahre kann es nicht länger hingenommen werden, dass der Schuldner sich lediglich auf Nachfrage durch das Gericht bzw. den Treuhänder (vgl. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO) zu seinen

1750

So Bornemann, jurisPR-InsR 19/2018, Anm. 1 zu den Voraussetzungen für die Schaffung von Ausnahmevorschriften nach der Richtlinie. 1751 Höfer, Die Restschuldbefreiung in Deutschland und Österreich, S. 30 m. w. N.; Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 109 u. 119. 1752 Dafür auch Napoletano, Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung, S. 302. 1753 Siehe dazu bereits oben S. 142. 1754 Höfer, Die Restschuldbefreiung in Deutschland und Österreich, S. 30. 1755 öBGBl. I 2017, 122. 1756 Nunner-Krautgasser, ZInsO 2017, 2525, 2528. Näher zu den Obliegenheiten nach § 210 Abs. 1 Z 2 IO Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 105 ff. 1757 S. 314 f.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

Bemühungen um Anreicherung der verteilbaren Masse äußern muss.1758 Dem berechtigten Interesse der Gläubiger an einer bestmöglichen Befriedigung ist dadurch Rechnung zu tragen, dass der Schuldner selbst aktiv werden und Nachweis erbringen muss. Auch in diesem Zusammenhang kann das österreichische Modell herangezogen werden. Der österreichische Gesetzgeber sah es angesichts der Abschaffung der vormals für eine Restschuldbefreiung zu leistenden Mindestquote durch die Novelle 2017 als sachgerecht an, dass solche Schuldner, die keinen, einen unpfändbaren oder keinen den unpfändbaren Freibetrag übersteigenden Bezug haben, Rechenschaft über ihre Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit ablegen müssen.1759 Zu diesem Zweck müssen sie gem. § 210 Abs. 1 Z 5a Hs. 1 IO dem Gericht und dem Treuhänder zu den vom Gericht festgelegten Zeitpunkten, mindestens aber einmal jährlich, Auskunft geben.1760 Den Bericht des Schuldners hat das Gericht dem Treuhänder zu übermitteln, welcher – sofern der Bericht auf eine Obliegenheitsverletzung schließen lässt – die Gläubiger informiert.1761 Unterbleibt die geforderte Auskunft, liegt noch keine Obliegenheitsverletzung vor, sondern erst, wenn der Schuldner eine vom Gericht gesetzte Nachfrist von zwei Wochen ungenutzt verstreichen lässt (vgl. § 210 Abs. 1 Z 5a Hs. 2 IO).1762 Die Obliegenheit soll es dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder ermöglichen, das Verhalten des Schuldners ohne eigenen Untersuchungsaufwand zu überwachen und das Kriterium der Redlichkeit in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.1763 Die notwendige Kompensation für die Entlastungen bei den Schuldneranforderungen wurde seitens des österreichischen Gesetzgebers damit konsequent umgesetzt.1764 Es wurde eine Regelung geschaffen, von der die Gläubiger wirklich profitieren können. Die Rechenschaftspflicht hält den Schuldner dazu an, seiner Erwerbsobliegenheit nachzukommen. Dass er die Auskunft gegenüber dem Gericht abgeben muss, verleiht der Auflage zusätzlichen Nachdruck. Sie hebt hervor, dass 1758 Vgl. Pedd/Jäger, INDAT Report 02_2019, 32. Näher zu § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO oben S. 119 ff. 1759 Vgl. 1741 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP, S. 2, abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_01741/fname_642 819.pdf (zuletzt geprüft am 15.3.2020). 1760 In dem Bericht muss der Schuldner insbesondere darlegen, wann er Bewerbungsschreiben verfasste, wie häufig er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde und wie viele Vorstellungsgespräche stattfanden, Mohr, Privatinsolvenz, S. 127 Rn. 576. 1761 Mohr, a. a. O., S. 135 Rn. 610. 1762 Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 122. 1763 1741 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP, S. 2, abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_01741/fname_642819.pdf (zuletzt geprüft am 15.3.2020). 1764 Siehe auch Nunner-Krautgasser, ZInsO 2017, 2525, 2529, die die Insolvenzrechtsreform in Österreich als positiv bewertet, weil sie einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners an einer rascheren Entschuldung und denjenigen der Gläubiger an bestmöglicher Befriedigung schaffe. So seien zwar die Rahmenbedingungen für eine Restschuldbefreiung insgesamt erheblich verbessert, gleichzeitig aber gewisse Korrektive implementiert worden.

D. Mögliche Reformansätze

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eine Restschuldbefreiung zum Nulltarif, d. h. ohne eigene Bemühungen, ausgeschlossen ist. Möglichen Fehlanreizen, die von dem neuen attraktiven Restschuldbefreiungsverfahren nach Umsetzung der Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) ausgehen können, könnte mit einer solchen Vorschrift von vornherein entgegengewirkt werden. Zu überlegen wäre, ob die Rechenschaftspflicht auf die Bemühungen um eine angemessene Erwerbstätigkeit beschränkt werden oder sie sich insgesamt auf die Vermögensverhältnisse des Schuldners erstrecken sollte. Von einem erwerbstätigen Schuldner könnte etwa verlangt werden, dass er einmal jährlich seine Jahresgehaltsabrechnung übersendet und erklärt, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geändert haben.1765 In Betracht käme außerdem die Stellungnahme über mögliche Vermögenszuflüsse i. S. d. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO.1766 Der Aufwand wäre für den Schuldner gering und ist ihm daher zuzumuten. Insbesondere könnte so verhindert werden, dass eine Erhöhung des Nettolohnes oder der Anfall einer Erbschaft unentdeckt bleibt, weil weder das Gericht noch der Treuhänder Auskunft gem. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO verlangt haben. Die Lösung verspricht, für mehr Transparenz im Verfahren zu sorgen und könnte die Akzeptanz für das Institut der Restschuldbefreiung auf Gläubigerseite und in der Bevölkerung verbessern. Gleichzeitig würde dem Informationsdefizit der Gläubiger begegnet und mehr Waffengleichheit im Versagungsverfahren hergestellt. c) Implementierung weiterer amtswegiger Versagungselemente Fraglich ist, welche Folgen ein Verstoß des Schuldners gegen eine Rechenschaftsobliegenheit hätte. Das österreichische Recht sieht flankierend zu der Regelung des § 210 Abs. 1 Z 5a IO ein spezielles Verfahren für die Verletzung von Auskunftsobliegenheiten vor.1767 Gem. § 210a Abs. 2 S. 1 IO hat das Gericht über Mitteilung des Treuhänders den Schuldner einzuvernehmen, wenn dieser nicht nach § 210 Abs. 1 Z 5a IO dem Treuhänder auf sein Verlangen Auskunft erteilt hat. Der Schuldner muss gem. § 210a Abs. 2 S. 2 IO über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft erteilen. Die Protokollabschrift der Einvernahme hat das Gericht dem Treuhänder zu übermitteln, der bei Verdacht einer Obliegenheitsverletzung die Gläubiger unterrichten muss.1768 Erscheint der ordnungsgemäß geladene Schuldner ohne genügende Entschuldigung nicht zu seiner Einvernahme oder lehnt er die Erteilung der Auskunft ab, so ist das Verfahren von Amts wegen vorzeitig einzustellen, § 210a Abs. 3 S. 1 IO. Die Besonderheit dieses Verfahrens liegt darin, dass Auskunftsverstöße unabhängig von dem sonst für eine vorzeitige Einstellung not1765

So auch schon Jäger, ZVI 2005, 15, 19. Dafür auch Jäger, ZVI 2005, 15, 19; vgl. Preuß, in: Jaeger-InsO, § 295 Rn. 94 ff. 1767 Eingehend Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 126 ff. 1768 Mohr, Privatinsolvenz, S. 128 Rn. 577; Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 128. 1766

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

wendigen Gläubigerantrag und der erforderlichen Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung sanktioniert werden, vgl. § 210a Abs. 3 S. 1 a. E. i. V. m. § 211 Abs. 1 Z 2 IO.1769 In gewisser Weise ähnelt die Vorschrift des § 210a IO damit der des § 296 Abs. 2 S. 2 u. 3 InsO. Der entscheidende Unterschied besteht allerdings darin, dass die Auskunftsobliegenheit nach § 296 Abs. 2 S. 2 InsO erst dann greift, wenn ein Gläubiger einen Obliegenheitsverstoß geltend gemacht hat. Nur wenn ein entsprechender Versagungsantrag eines Gläubigers vorliegt und der Schuldner daraufhin keine Auskunft über die Erfüllung seiner Obliegenheiten innerhalb der ihm gesetzten Frist erteilt oder er ohne hinreichende Entschuldigung nicht zu einem Termin erscheint, kann ihm die Restschuldbefreiung gem. § 296 Abs. 2 S. 3 InsO von Amts wegen versagt werden. Die dargestellten Grundsätze gelten allerdings nicht nur für die Obliegenheit nach § 210 Abs. 1 Z 5a IO, sondern darüber hinaus für andere nach der IO vorgesehene Auskunftsobliegenheiten. Diese entsprechen größtenteils1770 denen des § 295 InsO. So können auch unterlassene Auskünfte über die Erfüllung der Obliegenheiten des § 210 Abs. 1 Z 3 und 5 IO zu einer vorzeitigen Einstellung führen, welche mit denen aus § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO korrespondieren. Die österreichische Vorschrift des § 210a IO stellt ein wirksames Mittel dar, den Schuldner zur Erfüllung seiner Auskunftsobliegenheiten zu bewegen. Das Insolvenzgericht wird verstärkt in die Überwachung der Redlichkeit einbezogen. Dem redlichen Schuldner, der sich im Verfahren kooperativ zeigt, drohen hierdurch keine Nachteile. Die Regelung sorgt lediglich dafür, dass eine Einstellung der Mitwirkung konsequent sanktioniert wird und nicht der Eindruck entsteht, dass der Schuldner angesichts der Passivität der Gläubiger ohnehin nichts zu befürchten hat. Im deutschen Versagungssystem tut sich in diesem Zusammenhang beachtlicher Nachbesserungsbedarf auf. Die fehlende Mitwirkungsbereitschaft des Schuldners ist ein im Verfahrensalltag oftmals auftretendes Problem. Weil die Gläubiger jedoch untätig sind und auf Versagungsanträge verzichten, bleiben Verstöße ohne jede Konsequenz.1771 Verfahrensverzögerungen, die durch die mangelnde Mitwirkung des Schuldners entstehen, müssen seitens des Gerichts hingenommen werden. Im schlimmsten Fall kann sogar die Wohlverhaltensperiode nicht sinnvoll fortgeführt werden, weil dem Treuhänder Angaben zu der Einkommenssituation des Schuldners 1769 Siehe dazu Mohr, a. a. O., S. 135 Rn. 608 f.; Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 121. 1770 Anders als die §§ 286 ff. InsO sieht das österreichische Entschuldungsrecht mit § 210a Abs. 1 IO eine Regelung vor, wonach der Treuhänder den Schuldner bei wesentlicher Verminderung der auf Grund der Abtretung eingehenden Beträge auffordern muss, über seine Arbeitssituation zu berichten. Kommt der Schuldner dem nicht nach, muss er ebenfalls gem. § 210a Abs. 2 IO über die Erfüllung seiner Obliegenheit Auskunft geben. 1771 Kritisch im Hinblick auf die Rechtslage in Deutschland Jacobi, ZVI 2010, 289, 290 („Der Schuldner könnte ohne jegliche Auskunftserteilung die gesamte Verfahrenszeit ,abtauchen‘ und erst nach Ablauf von sechs Jahren wieder entschuldet an der ,Oberfläche‘ erscheinen“). Näher zu den Gründen für die Passivität der Gläubiger, S. 144 ff. und S. 151ff.

D. Mögliche Reformansätze

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fehlen und er deshalb seiner jährlichen Verteilungspflicht (§ 292 Abs. 1 S. 2 InsO) nicht genügen kann.1772 Eine § 210a IO entsprechende Vorschrift, die insoweit Abhilfe schaffte, ließe sich ohne Weiteres auch im deutschen Versagungssystem implementieren.1773 Freilich ginge damit eine weitere1774 Einschränkung des Grundsatzes der Gläubigerautonomie einher. Auf der anderen Seite aber läuft eine gerichtliche Praxis, nach der die Restschuldbefreiung dem Schuldner auch bei offensichtlicher Unredlichkeit erteilt werden muss, dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden und der Zielvorstellung des § 1 S. 2 InsO eklatant entgegen. Die Rechtsprechung wurde dadurch bereits zu zahlreichen Versuchen veranlasst, amtswegige Versagungsmöglichkeiten zu konstruieren. So versagte etwa das AG Mannheim dem Schuldner die Restschuldbefreiung gem. § 296 Abs. 2 S. 3 InsO, weil dieser keine Auskunft über seine Einkommensverhältnisse erteilt hatte.1775 Unter Verweis darauf, dass die Vorschrift ein Versagungsverfahren eigener Art darstelle, setzte es sich über den eigentlich fehlenden Versagungsantrag eines Gläubigers hinweg.1776 Einzelne Instanzgerichte stützten die Versagung außerdem auf einen anderen Versagungsgrund als den vom Gläubiger geltend gemachten.1777 Auch dies stellt eine Versagung von Amts wegen dar, da es nicht nur der Gläubigerautonomie unterliegt, ob überhaupt ein Versagungsverfahren nach §§ 290, 296 InsO eingeleitet wird, sondern auch, welches Prüfungsprogramm dem Gericht aufgetragen wird.1778 In jüngster Zeit führen einige Gerichte sogar im Rahmen der Eingangsentscheidung gem. § 287a Abs. 1 S. 1 InsO eine Begründetheitsprüfung durch.1779 All diese Entscheidungen mögen zwar aus systematischen Gründen abzulehnen sein. Sie zeigen jedoch, dass sich das gläubigerautonom ausgestaltete Versagungssystem in der Praxis nicht bewährt hat. Aus diesem Grund ergriff auch der Reformgesetzgeber zwischenzeitlich Initiative und sah im – letztlich nicht umge-

1772

AG Mannheim ZVI 2010, 320. Würde die Regelung eingeführt, müsste auch die systemwidrige, in der Sache aber richtige Rechtsprechung des BGH zu § 4c Nr. 5 InsO (vgl. oben S. 232 ff.) nicht länger aufrechterhalten werden. Allerdings sollte die Vorschrift auch den Zeitraum des Insolvenzverfahrens erfassen. Dazu müsste sie sich neben § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch auf § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO beziehen. 1774 Zur Einschränkung der Gläubigerautonomie durch die Einführung des § 287a InsO siehe S. 238 f. 1775 ZVI 2010, 320 f. 1776 So auch (kein Versagungsantrag notwendig) LG Oldenburg ZVI 2011, 191 f.; AG Hamburg ZVI 2010, 242 f.; Jacobi, ZVI 2010, 289 ff.; a. A. BGH ZInsO 2012, 1580 f.; BGH ZInsO 2011, 1319; AG Köln NZI 2011, 256 f.; Henning, in: K.Schmidt-InsO, § 296 Rn. 27; Weinland, in: A/G/R-InsO, § 296 (alt) Rn. 5. 1777 LG Mainz BeckRS 2010, 3223; dafür auch Wenzel, in: KPB-InsO, § 296 Rn. 18; a. A. BGH ZInsO 2010, 391 f.; BGH NZI 2007, 297. 1778 Hoops, jurisPR-InsR 16/2007, Anm. 1. 1779 Siehe dazu oben S. 258 ff. 1773

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

setzten – RegE 2007 für einzelne1780 Versagungsgründe eine Versagung von Amts wegen vor.1781 Die judikativen und legislativen Tendenzen, die Redlichkeitskontrolle auf die Gerichte zu verlagern, deuten somit bereits darauf hin, dass eine Durchbrechung des Prinzips der Gläubigerautonomie angezeigt ist. Daneben könnte dies aber auch aus systematischen Erwägungen geboten sein. Dem Versagungssystem liegt die Vorstellung der Verfasser der InsO zugrunde, dass die Gläubiger als die wirtschaftlich Betroffenen in ihrem eigenen Interesse das Verhalten des Schuldners kontrollieren und sich bei festgestellter Unredlichkeit mit Versagungsanträgen zur Wehr setzen. Gleichzeitig war das Verfahren auf Fälle zugeschnitten, in denen laufende, pfändbare Bezüge beim Schuldner erwirtschaftet werden, die an die Gläubiger durch den Treuhänder verteilt werden.1782 Die Befriedigungsaussichten der Gläubiger gaben Anlass zu der Annahme, dass sie ein Interesse am Verfahren haben und sich daran beteiligen.1783 Folglich konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass die Gläubiger den angestrebten Ausschluss des unredlichen Schuldners vom Verfahren sicherstellen. Weil die Haftungsfunktion des Insolvenzverfahrens im Laufe der Reformen immer weiter in den Hintergrund gedrängt wurde, passen die ehemaligen Prämissen jedoch nicht mehr.1784 Die Restschuldbefreiung ist mittlerweile weniger als ein Interessenausgleich zwischen Gläubigern und Schuldner konzipiert, in dessen Mittelpunkt die Verantwortung des Schuldners steht, sondern mehr als ein Akt der Sozialfürsorge auf Kosten der Gläubiger.1785 Sind aber die Gläubigerinteressen angesichts fehlender Befriedigungsaussichten in der überwiegenden Anzahl der Ver1780 Der RegE 2007 sah nur für die leicht festzustellenden Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. eine Versagung von Amts wegen vor. Der RefE 2004 ging demgegenüber noch viel weiter und gewährte dem Gericht eine umfassende Möglichkeit, die Restschuldbefreiung nach § 290 InsO und § 296 InsO von Amts wegen zu versagen. 1781 Bezeichnend insoweit BT-Drucks. 16/7416, S. 36: „Von der Praxis wird kritisiert, die Restschuldbefreiung müsse auch dann erteilt werden, wenn dem Insolvenzgericht sichere Erkenntnisse über einen Versagungsgrund vorliegen. Dies wird als unbefriedigend empfunden, da das Gericht ,sehenden Auges‘ eine Entscheidung zu treffen hat, die der wesentlichen Zielrichtung des Restschuldbefreiungsverfahrens, nur dem redlichen Schuldner diese Rechtswohltat zu Teil werden zu lassen, widerspricht“. 1782 Vgl. Maier/Krafft, BB 1997, 2173, 2180. 1783 BT-Drucks. 16/7416, S. 36. 1784 Vgl. BT-Drucks. 16/7416, S. 36. 1785 Vgl. (in Bezug auf die ehemalige Vorstellung) Ott, in: MüKo-InsO (Aufl. 1), § 304 Rn. 97; vgl. außerdem Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 116; Wiedemann, ZVI 2004, 645, 653, die die fehlende staatliche Kontrollverantwortung als Defizit der Ausgangsfassung der InsO betrachten. Instruktiv in diesem Zusammenhang ferner Heuer, ZSR 61 (2015), 315, 325 ff., der die verschiedenen Arten von Verbraucherinsolvenzverfahren je nach ihrer zugrunde liegenden rechtlichen Regelungen, normativen Orientierung und sozialpolitischen Wirkung in das „Marktmodell“ (u. a. USA), das „Gnadenmodell“ (u. a. Schweden) und das in Deutschland und Österreich zu beobachtende „Haftungsmodell“ untergliedert. Heuer sieht das Problem des deutschen Rechts darin, dass der normativen Orientierung nicht konsequent gefolgt werde (S. 334).

D. Mögliche Reformansätze

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fahren nicht tangiert, ist die gläubigerautonome Ausgestaltung des Versagungssystems in ihrer bisherigen Absolutheit nicht mehr sachgerecht.1786 Die Redlichkeitskontrolle sollte daher teilweise den Gerichten überantwortet werden.1787 Mit den Vorgaben der Richtlinie stehen amtswegige Versagungselemente in Einklang.1788 Der hier dargestellte Reformansatz läuft im Übrigen nicht Gefahr, entgegen dem Zweck der Richtlinie1789 die Aussicht des Schuldners auf eine Entschuldung unnötig zu erschweren. So soll das Gericht nicht etwa verpflichtet sein, von Amts wegen Ermittlungen zwecks einer umfassenden Redlichkeitsuntersuchung vorzunehmen. Vielmehr soll es ausschließlich – und zudem lediglich anlassbezogen – die Kooperationsbereitschaft des Schuldners während des Verfahrens überwachen. Als notwendiges Druckmittel, um den Schuldner zur Auskunftserteilung anzuhalten, stünde dem Gericht eine Versagungsmöglichkeit zu. Wie auch sonst käme eine Versagung der Restschuldbefreiung nur in Betracht, wenn sie verhältnismäßig ist. Die Kritiker einer Versagung von Amts wegen halten dieser entgegen, dass der Eingriff in die Parteiautonomie unter Umständen nicht den Interessen der Gläubiger gerecht werde.1790 Die Versagung dürfe den Gläubigern nicht aufgedrängt werden, weil es für diese günstiger sein könne, wenn der Schuldner weiter das Verfahren durchläuft. Dieser Einwand hat zwar einen richtigen Kern.1791 Gleichwohl spricht er nicht zwangsläufig gegen eine Versagung von Amts wegen. So dürften die Fälle, in denen die Voraussetzungen für eine Versagung vorliegen, die Gläubiger das Verfahren aber dennoch wegen besserer Befriedigungsaussichten aufrechterhalten wollen, die Ausnahme darstellen.1792 Zudem könnte die Versagung wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Auskunftserteilung nicht als gebundene, sondern als Ermessensentscheidung ausgestaltet werden. In diesem Fall hätte das Gericht die Gelegenheit, die Interessen der Gläubiger in seine Abwägung einzubeziehen und gegebenenfalls von einer Versagung abzusehen.1793 Außerdem profitieren die Gläubiger insbesondere 1786 Dawe, ZVI 2014, 433, 439; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 121; vgl. Bartels, KTS 2013, 349, 381 u. 384. 1787 Dafür auch Bartels, KTS 2013, 349, 384; weitergehend als der hier vertretene Ansatz Frind, ZInsO 2003, 341, 345; Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 116, 119 ff. u. 133 f. 1788 Siehe Erwägungsgrund 82 der Richtlinie. 1789 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Erwägungsgrund 78 der Richtlinie. 1790 Statt vieler Heyer, ZVI 2017, 45, 48; Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 13. 1791 Näher dazu oben S. 281 f. 1792 Rothammer, Restschuldbefreiung, S. 121. 1793 Rothammer, ebd. Alternativ könnte das Verfahren lediglich verlängert werden (dafür, aber ohne Versagung von Amts wegen, Frind, NZI 2019, 361, 366; Kluth, VIA 2017, 1, 2; [für das österreichische Recht] Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren, S. 159 ff.). Dies stünde mit der Richtlinie in Einklang (vgl. Art. 23 Abs. 1 und 2 RL). Dagegen spricht aber, dass die generalpräventive Funktion der Unredlichkeitssanktionen erheblich an Bedeutung einbüßte. Vor allem in Fällen, in denen der Schuldner keine pfändbaren Beträge erwirtschaftet, müsste er keine Einschränkung außer eine Zeitverlängerung befürchten, Heyer, ZVI 2017, 45, 48. Zudem wäre fraglich, ob die Gläubiger von einer Verlängerung profitierten. Zum einen ist zu be-

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

von den generalpräventiven Gesichtspunkten der Versagungsvorschriften. Die Möglichkeit einer amtswegigen Versagung stellt dabei vermutlich das effektivste Mittel dar, um den Schuldner zu einem kooperativen Verhalten im Gläubigerinteresse anzuhalten. Sie dürfte dem Willen der Gläubiger daher eher entsprechen als die alleinige Entscheidungsmacht über die Versagungsinitiative. Nicht zuletzt lässt die Gegenauffassung außer Acht, dass die Existenz einer wirksamen Redlichkeitskontrolle nicht nur vor dem Hintergrund der Gläubigerrechte, sondern auch im öffentlichen Interesse geboten ist.1794 Funktioniert das gläubigerautonome Kontrollsystem nicht, hat dies unerwünschte Auswirkungen auf den allgemeinen Wirtschaftsverkehr und könnte im schlimmsten Fall tatsächlich ein „hemmungsloses Schuldenmachen“ attraktiv machen. Der Staat kann daher nicht ignorieren, dass die Gläubiger ihr Amt als „Wächter über die Redlichkeit“ nicht wahrnehmen. Vielmehr muss er durch entsprechende Maßnahmen verhindern, dass der Schuldner den Eindruck bekommt, die Entschuldung bereits dann zu erhalten, wenn er lediglich tatenlos die drei Jahre verstreichen lässt. Die hier vorgeschlagene Lösung nach österreichischem Vorbild erscheint auch aus diesem Grund als eine sinnvolle Ergänzung des derzeitigen Versagungssystems. Der Aufwand für die Insolvenzgerichte dürfte sich dabei in Grenzen halten, weil die Redlichkeitskontrolle nur in einem moderaten Umfang auf sie verlagert würde. 4. Senkung der Verfahrenskosten Um die Befriedigungsquoten der Gläubiger nachhaltig zu erhöhen, wird es letztlich unumgänglich sein, auch bei den Kosten des Verfahrens anzusetzen. Unnötig kostenträchtige Verfahrenselemente müssen in Zukunft vermieden werden.1795 Zu Recht bezeichnet Grote es als einen der wesentlichen Pferdefüße des Verfahrens, dass die Vorbereitung einer natürlichen Person auf die Restschuldbefreiung in einem für die Abwicklung von Unternehmensinsolvenzen gestrickten und entsprechend aufwändigen sowie komplizierten Insolvenzverfahren erfolgt.1796 Gerade in der

zweifeln, dass der Schuldner bei einer solchen Sanktion motiviert wäre, sich um die Befriedigung seiner Gläubiger zu bemühen. Zum anderen würde das Hinauszögern des Verfahrens weitere Kosten verursachen. 1794 Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 182; in diese Richtung auch Wiedemann, ZVI 2004, 645, 653; a. A. Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht Rn. 2139, die eine Versagungsmöglichkeit von Amts wegen mit dem Argument, dass die Frage der Erteilung der Restschuldbefreiung nur das Verhältnis zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern betreffe, ablehnen. 1795 Vgl. Reill-Ruppe, Anspruch und Wirklichkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 246. Dies entspricht auch den Zielen der Richtlinie (RL (EU) 2019/1023). Diese verlangt von den Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren effizient und zügig durchgeführt werden könnten, siehe Erwägungsgründe 6 und 86 der Richtlinie. 1796 Grote, in: FS Kirchhof, S. 149, 158.

D. Mögliche Reformansätze

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Vielzahl der masselosen Fälle erweist sich dieser Weg als nicht zielführend.1797 Die anstehende Reform sollte deshalb als Gelegenheit genutzt werden, eine schon lange überfällige Alternativlösung für diese Verfahren zu finden.1798 Hier bietet es sich an, auf die Elemente der bisherigen Reformversuche zurückzugreifen.1799 Nachzudenken ist schließlich über einen symbolischen Beitrag des Schuldners zu den Verfahrenskosten, um dessen Bemühungen im außergerichtlichen Bereich zu fördern.1800 Die Ausstrahlungswirkung der Schuldnerbemühungen auf die außergerichtlichen Einigungsversuche spricht im Übrigen dafür, von der Möglichkeit nach Art. 23 Abs. 2 lit. e RL Gebrauch zu machen, die schnelle Entschuldung an die Deckung der Verfahrenskosten zu binden. Insoweit ist es zu kurz gegriffen, wenn der RefE 2020 einer solchen Regelung von vornherein jeglichen positiven Einfluss auf die Gläubigerinteressen abspricht und deshalb von ihr absieht.1801 Die Auswirkungen auf den außergerichtlichen Bereich hätten zumindest bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden müssen. Vor dem Hintergrund der bisherigen Regelung des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO erscheint eine mögliche Verlängerung um zwei Jahre angemessen.1802 Auf diese Weise hat der Schuldner weiterhin einen Anreiz, die gestundeten Kosten zurückzuzahlen, was auch zu einer Schonung der Länderhaushalte beiträgt.

II. Zurückdrängung der Fiskusprivilegien und stärkere Berücksichtigung von unfreiwilligen Gläubigern Im dritten Teil dieser Arbeit wurde festgestellt, dass das InsOÄndG 2014 die Verteilungsgerechtigkeit innerhalb des Restschuldbefreiungsverfahrens beeinträchtigt hat.1803 Die Vorrechte des Staates aus § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 2 und 3 InsO sollten bereits zur Akzeptanzförderung wieder aufgegeben werden.1804 Vor allem aber erscheint dies geboten, weil die privilegierten Forderungen aus Unterhalts1797

Siehe dazu oben S. 184 f. Dafür auch Jäger/Stephan, ZVI 2019, 7, 13; Laroche, in: FS Pape, S. 199, 210, der vorschlägt, auf Ideen, wie das verwalterlose Verfahren bei Masselosigkeit oder den Verzicht auf eine Treuhänderbestellung in masselosen Verfahren, zurückzugreifen; Würdinger, KTS 2017, 445, 452. 1799 Siehe dazu oben S. 187 ff. Für ein Aufgreifen des Reformversuchs 2007 auch Brinkmann/Frevel, in: FS Klamaris, S. 109, 110. 1800 Näher dazu oben S. 186 f. 1801 Vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 11. 1802 Für eine Verlängerung um ein Jahr Grote, InsbürO 2019, 204. Frind, NZI 2019, 361, 364 tendiert für eine Verlängerung um zwei Jahre in IN-Verfahren. Hinsichtlich der IK-Verfahren plädiert er für eine regelmäßige fünfjährige Entschuldungsfrist. 1803 S. 277 f. 1804 Hinsichtlich § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 3 InsO ist außerdem fraglich, ob er eine ausreichend gerechtfertigte Ausnahmevorschrift i. S. d. Richtlinie darstellt, siehe oben S. 304. 1798

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

pflichtverletzungen bzw. Steuerschuldverhältnissen dem Ziel der Richtlinie entgegenlaufen. Um dem Schuldner den gewünschten schnellen fresh start zu ermöglichen, muss der Fiskus mögliche Einbußen, die zu diesem Zwecke erforderlich sind, in Kauf nehmen. Davon abgesehen zwingt die anstehende Verkürzung des Verfahrens auf drei Jahre aber auch darüber nachzudenken, ob § 302 InsO denjenigen Gläubigern, die besonderen Schutz verdienen, ausreichend Rechnung trägt. Es wurde festgestellt, dass sich der rasche Neustart des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern vor allem dadurch rechtfertigen lässt, weil diese sich ihren Vertragspartner selbst aussuchen können. Dabei besitzen sie zudem die Möglichkeit, sich gegen etwaige Forderungsausfälle zu schützen, indem sie höhere Preise kalkulieren oder sich seitens des Schuldners Sicherheiten einräumen lassen. Diese Erwägungen treffen aber auf solche Gläubiger nicht zu, die unfreiwillig in ihre Position geraten sind. Sie hinsichtlich des Risikos einer schnellen Entschuldung mit den anderen Gläubigern gleich zu behandeln, erscheint daher nicht angemessen. Insofern kann es nicht länger hingenommen werden, dass Fälle isolierter Deliktshaftung dann nicht von § 302 Nr. 1 Hs. 1 Var. 1 InsO privilegiert werden, wenn die Haftungsverbindlichkeit auf grober Fahrlässigkeit beruht.1805 Die Absenkung der Verfahrenslaufzeit zwingt dazu, die Regelung des § 302 InsO differenzierter zu gestalten.1806

III. Unterbindung falscher Anreize Der Reformgesetzgeber sollte es sich zudem zum Ziel setzen, Fehlanreizen, die von einer schnellen Entschuldung ausgehen können, durch eine Anpassung des Anforderungssystems vorzubeugen. Dazu gehört es, bereits bestehende Unzulänglichkeiten wirksam zu beheben. Dies betrifft vor allem die Zulassungssperren des § 287a InsO und die Stundungsvorschriften. Um eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Verfahrens lückenlos auszuschließen und zu verhindern, dass Nachlässigkeiten oder der Unwille des Schuldners auf Staatskosten gehen, bedarf es einer besseren Abstimmung des Sperrfristenkatalogs und der Ausschlussgründe für eine Stundung.1807 Darüber hinaus erscheint es geboten, die Sperrfrist des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO an die Neuerungen durch die Richtlinie anzupassen, wenn der 1805

Siehe zu der Problematik bereits oben S. 162 f. Vgl. Bruns, KTS 2008, 41, 55. Bartels, KTS 2013, 349, 374 erwägt demgegenüber eine Sonderregelung für private Darlehensgeber aus dem Freundes- und Verwandtenkreis, da auf sie von vornherein nicht das ökonomische Kalkül der Restschuldbefreiung zutreffe. Dem ist zwar zuzugestehen, dass diese Gläubiger keine Umsatzerwartungen an den Schuldner nach dessen wirtschaftlicher Erholung haben. Allerdings haben sie sich nicht nur bewusst dazu entschieden, ihm Kredit zu gewähren, sondern hätten auch die Gelegenheit gehabt, sich abzusichern. Freilich können sie im Einzelfall aufgrund des persönlichen Näheverhältnisses zum Schuldner einer stärkeren Drucksituation ausgesetzt sein als etwa dessen Geschäftspartner. Dies erscheint aber dennoch nicht ausreichend, um eine Privilegierung zu rechtfertigen. 1807 Siehe insoweit die Änderungsvorschläge oben S. 252 ff. 1806

D. Mögliche Reformansätze

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Ausnahmecharakter der gesetzlichen Restschuldbefreiung aufrechterhalten bleiben soll. So ist zu beachten, dass die Halbierung der Entschuldungsfrist auch bedeutet, dass solche Schuldner, die sich noch während des Erstverfahrens oder danach neu verschulden, schneller ein Folgeverfahren beantragen können.1808 Die zehnjährige Rotationsdauer war auf die sechsjährige Verfahrensdauer zugeschnitten. Der RefE 2020 sieht daher richtigerweise eine Verlängerung der Zulassungssperre des § 287a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO auf dreizehn Jahre vor, vgl. Art. 5 § 287a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RefE 2020-InsO. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass sich das Problem von Ketteninsolvenzen schon alleine aufgrund der höheren Lebenserwartung der Bevölkerung verschärfen wird,1809 sollte die Sperrfrist für ein Folgeverfahren jedoch auf fünfzehn Jahre angehoben werden.1810 Insoweit müssen auch die Interessen des durch die Verfahrenskostenstundung belasteten Steuerzahlers berücksichtigt werden, dem eine Verfahrenswiederholung nur begrenzt zuzumuten ist. Nicht zuletzt sollte die Sperrwirkung streng gehandhabt werden, um Fehlanreize zu riskanten Geschäftspraktiken oder einem verantwortungslosen Konsumverhalten zu vermeiden.1811

IV. Maßnahmen gegen den Drehtüreffekt Eine schnelle Restschuldbefreiung kann leichter gegenüber den Gläubigern gerechtfertigt werden, wenn sie einen Einzelfall darstellt und nicht wiederholt möglich ist. Dem trägt die vorgeschlagene Verlängerung der Sperrfrist Rechnung. Deutlich geworden ist jedoch auch, dass es zur Prävention von Neuverschuldung mehr als einer Sperrwirkung für Folgeverfahren bedarf.1812 Der Nachhaltigkeitsaspekt findet weder innerhalb des derzeitigen Restschuldbefreiungsverfahrens Berücksichtigung noch ist er Gegenstand der aktuellen Reformbemühungen. Bereits die Reformgesetzgeber aus den Jahren 2001 und 2014 haben keine Versuche gestartet, dem sog. Drehtüreffekt zu begegnen.1813 Dies verwundert vor allem deshalb, weil sowohl das 1808

Frind, NZI 2019, 361, 365; vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, S. 20. 1809 Würdinger, KTS 2017, 445, 460. 1810 Dafür auch Frind, NZI 2019, 361, 366. Ein Blick nach Österreich, wo erst nach 20 Jahren ein Folgeverfahren möglich ist (vgl. § 201 Abs. 1 Z 6 IO), zeigt, dass sich dieser Vorschlag innerhalb des europäischen Vergleichs bewegt. 1811 Würdinger, KTS 2017, 445, 460; für eine strenge Handhabung der Sperrfrist auch Kayser auf dem 10. Deutschen Privatinsolvenztag am 20.9.2019 (siehe I. Pape/G. Pape, ZInsO 2019, 2358, 2359). 1812 Siehe oben S. 154 ff. 1813 Der Vorschlag des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren zum InsOÄndG 2014, die Erteilung der Restschuldbefreiung von der Voraussetzung abhängig zu machen, dass den Insolvenzgläubigern keine nach Eröffnung und außerhalb des Insolvenzverfahrens begründeten Forderungen, bei denen Verzug eingetreten ist, gegen den Schuldner zustehen, wurde von der Bundesregierung abgelehnt, siehe BT-Drucks. 17/11268, S. 43 u. 48 f.

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

vom Reformgesetzgeber 2001 in Auftrag gegebene Gutachten als auch die vom Reformgesetzgeber 2014 zitierte Studie von Lechner eindringlich darauf hingewiesen haben, dass ein frühzeitiger wirtschaftlicher Neustart nur sinnvoll sei, wenn die Überschuldungsursachen aufgearbeitet werden1814 und der Schuldner – falls erforderlich – ausreichende Hilfestellung nach Verfahrenseröffnung und gegebenenfalls auch nach Verfahrensende bekommt.1815 Ansonsten bleibe die Verfahrensverkürzung ohne nachhaltigen positiven Effekt.1816 Um zu verhindern, dass die „Verbraucher zu Objekten eines Verfahrens, das von den meisten Schuldnern schlicht ,abgesessen‘ wird“1817, werden, muss die helfende und verhaltensändernde Funktion der Restschuldbefreiung in Zukunft stärker hervortreten als das bloße Ziel, das Verfahren möglichst schnell zu beenden.1818 Wesentlich ist zunächst, dass jeder Schuldner Zugang zu einem langfristig angelegten Beratungs- und Betreuungsangebot erhält.1819 Bislang scheiterte dies an einer ausreichenden Finanzierung der Beratungsstellen.1820 Ob die Begleitung des Schuldners durch eine Schuldnerberatungsstelle verpflichtend (und versagungsbewehrt bei Nichtwahrnehmung) ausgestaltet werden sollte,1821 erscheint indes fraglich. So ist zu bedenken, dass der Erfolg einer Betreuung entscheidend von der Mitwirkungsbereitschaft des Schuldners abhängt. Bevor man auf repressive Maßnahmen setzt, erscheint es daher vorzugswürdig, zunächst zu eruieren, inwieweit ein verstärktes Beratungsangebot von den Schuldnern in Anspruch genommen wird. Fruchtet dieses bereits, ist es genauso wenig notwendig, eine Pflicht des Schuldners zu einer re1814

Reifner/Springeneer, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz, S. 146. Lechner, Eine zweite Chance für alle gescheiterten Schuldner? Längsschnittstudie zur Evaluation des Verbraucherinsolvenzverfahrens, S. 4 u. 68 f. Kritisch im Hinblick darauf, dass der Reformgesetzgeber die Studienergebnisse in der Gesetzesbegründung so verkürze, dass sie dem Tenor der Studie nicht gerecht würden, Lechner, VuR 2012, 213, 215 ff. 1816 Reifner/Springeneer, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz, S. 146. 1817 Koark/du Carrois/Haarmeyer, ZInsO 2012, 469. 1818 Vgl. Lissner, ZVI 2012, 93, 96. 1819 Im Jahre 2018 wurden schätzungsweise nur 7,5 % der Überschuldeten durch eine Schuldnerberatung unterstützt, Institut für Finanzdienstleistungen e. V., iff-Überschuldungsreport 2019, S. 9. 1820 Statt vieler Gottwald, in: Insolvenzrechts-Handbuch, § 1 Rn. 87. Instruktiv zu der Finanzierung von Schuldnerberatung und zu den Beratungskapazitäten Hofmeister auf der Fachtagung „Entschuldung durch Beratung“, vgl. insofern den Tagungsbericht von Haller, KTS 2019, 497, 504 ff. 1821 So der Vorschlag von Frind, NZI 2019, 361, 365; siehe auch Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 61. Einen ähnlichen Ansatz sieht das US-amerikanische Recht vor. Dort ist eine verbindliche Schulung im Finanzmanagement vorgeschrieben, deren Nichtabsolvieren zur Versagung der discharge führt, Bruns, KTS 2008, 41, 46. Laut Reifner/Springeneer, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz, S. 16 f. findet diese Regelung ihren Ursprung darin, dass die in den USA bestehende Möglichkeit einer sofortigen discharge das Problem der Überschuldung und Verarmung breiter Bevölkerungsschichten nicht hat entschärfen können und der Gesetzgeber sich daher veranlasst sah, das Selbsthilfepotenzial der Schuldner zu stärken. 1815

E. Zusammenfassung Vierter Teil

335

gelmäßigen Ausgabenkontrolle und -rechenschaft gegenüber einer Beratungsstelle einzuführen.1822 Vor allem aber sollte der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass eine Überschuldungssituation erst gar nicht entsteht.1823 Die Bildung in Umgang mit Finanzen sollte bereits in der Schule einsetzen.1824 Neben Informationsmaßnahmen und Aufklärungsarbeit könnte es sich zudem anbieten, ein Frühwarnsystem, das Art. 3 RL für Unternehmer bindend vorschreibt, auch für Verbraucher zu etablieren.1825 Nach Art. 3 Abs. 1 RL sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Schuldner Zugang zu einem oder mehreren klaren und transparenten Frühwarnsystemen haben. Die entsprechenden Systeme sollen in der Lage sein, Umstände zu erkennen, die zu einer wahrscheinlichen Insolvenz führen können, und Schuldnern signalisieren können, dass unverzüglich gehandelt werden muss. Frühwarnsysteme können dabei gem. Art. 3 Abs. 2 lit. b RL von öffentlichen oder privaten Organisationen angebotene Beratungsdienste umfassen. Die Einführung eines solchen Frühwarnsystems für Verbraucher erforderte jedoch den Ausbau der Schuldnerberatungsstellen und deren ausreichende Ausstattung mit Finanzmitteln.1826 Die Politik wird umdenken und sich verstärkt auf den Zeitraum vor der Krise konzentrieren müssen. Wie Würdinger richtig feststellt, sollte man sich unabhängig von der Frage der Konzeption des Restschuldbefreiungsverfahrens darin einig sein, dass die beste Insolvenz die ist, die sich erst gar nicht ereignet.1827

E. Zusammenfassung Vierter Teil Gegenstand des vierten Teils dieser Arbeit waren die voraussichtlichen zukünftigen Entwicklungen der §§ 286 ff. InsO. Diese werden nunmehr erstmals auch von europäischer Seite mitbestimmt. Ziel der aktuellen Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) ist es, gewisse Mindeststandards im jeweiligen Entschuldungsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten zu setzen. Deutlich geworden ist, dass sich die Tendenz der letzten Jahre zu einer schuldnerfreundlichen Rechtsgestaltung zu Lasten der Gläubiger durch die unionsrechtlichen Vorgaben fortsetzen wird. Auch wenn die Grundpfeiler des Anforderungssystems der §§ 286 ff. InsO aufrechterhalten bleiben können, wird die gesetzliche Restschuldbefreiung ihren Charakter weiter verändern. So wird die 1822

Dies fordert Frind, ZInsO 2003, 341, 343. So auch Madaus, JZ 2016, 548, 551; Würdinger, KTS 2017, 445, 460. 1824 Siehe auch Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, Lebenslagen in Deutschland – Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, S. 492. Der Deutsche Lehrerverband forderte jüngst Nachbesserungen im Hinblick auf ökonomische Unterrichtsinhalte an Schulen, siehe: https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/klassen zimmer/schulunterricht-in-deutschland-schueler-lernen-zu-wenig-ueber-geld-16539824.html (zuletzt geprüft am 15.3.2020). 1825 Dafür auch Bergner, ZInsO 2019, 1566, 1568 f. 1826 Bergner, ZInsO 2019, 1566, 1569 1827 Würdinger, KTS 2017, 445, 460. 1823

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4. Teil: Perspektiven: Die Restrukturierungsrichtlinie

Entschuldung in Zukunft in sehr kurzer Zeit möglich sein. Der deutsche Gesetzgeber ist gehalten, den schnellen wirtschaftlichen Neuanfang nach drei Jahren zur Regel zu machen. Eine Verfahrensverlängerung – wie etwa im Falle der fehlenden Kostenberichtigung – muss dagegen die Ausnahme bleiben. Zudem kann die Restschuldbefreiung nicht mit dem Ziel hinausgezögert werden, den Gläubigern bei nicht zufriedenstellenden Quoten eine längere Befriedigungsphase zuzugestehen. Starre Quoten i. S. v. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO sind nicht länger zulässig. Zwar könnte die dreijährige Entschuldungsdauer von einer im Einzelfall festgelegten Mindestbefriedigungsquote abhängig gemacht werden, die sich nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Schuldners richtet. Dieser Weg ist aber im deutschen Recht nicht zweckmäßig. Die genannten Umsetzungsnotwendigkeiten, die zu einer Änderung der Konzeption des § 300 InsO zwingen, werden den earned start-Gedanken ersichtlich in den Hintergrund drängen. Aus sozial- und wirtschaftspolitischer Sicht sprechen gute Gründe für diesen Richtungswandel. Mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 14 GG ist der deutsche Gesetzgeber jedoch dafür verantwortlich, die Interessen der Gläubiger ausreichend zu berücksichtigen. Mag die Möglichkeit eines Schuldenschnitts nach drei Jahren ohne Mindestbefriedigungsquote auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Gläubigerrechte darstellen, so sollte dennoch der Fokus des aktuellen Reformvorhabens entscheidend darauf gelegt werden, die Interessen der Betroffenen gerechter auszubalancieren. Nimmt der Gesetzgeber diese Aufgabe ernst, darf er sich – anders als der RefE 2020 – nicht darauf beschränken, die europarechtlich veranlassten Vorgaben umzusetzen. Vielmehr muss er daneben dafür Sorge tragen, dass sich die Befriedigungsaussichten der Gläubiger erhöhen. Vorgeschlagen wurden verschiedene Maßnahmen, die unter anderem vorsehen, den Schuldner im Gegenzug für die rasche Entschuldung stärker in die Pflicht zu nehmen. Mithilfe der angedachten Änderungen soll ferner sichergestellt werden, dass der Schuldner den Belangen der Gläubiger ausreichend Rechnung trägt, indem er seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten bzw. -obliegenheiten nachkommt. Die Überwachung der Pflichten und Obliegenheiten sollte vor diesem Hintergrund stärker in den amtswegigen Bereich fallen. Angesichts der Veränderungen, die das Anforderungssystem erfahren hat und in Zukunft erfahren wird, ist die maßvolle Zurückdrängung der Gläubigerautonomie im Versagungsrecht unumgänglich. Nur so kann dem Leitbild des § 1 S. 2 InsO, wonach lediglich dem redlichen Schuldner die Möglichkeit zur Restschuldbefreiung zu gewähren ist, entsprochen und falsche Anreize einer schnellen Entschuldung vermieden werden. Deutlich geworden ist außerdem, dass weitere Anpassungen innerhalb der Redlichkeitsvoraussetzungen angezeigt sind, um diesen Zielen zu entsprechen. Nicht zuletzt wird sich der Gesetzgeber zukünftig der Rehabilitationsseite der Restschuldbefreiung widmen müssen. Soll das gesetzliche Restschuldbefreiungsverfahren ein wirksames Instrument im Kampf gegen die Überschuldungsproblematik darstellen und der enorme Aufwand, der in diesem Zusammenhang auf Seiten aller Beteiligten betrieben wird, nicht vergebens sein, muss das Institut endlich eine gewisse Nachhaltigkeit gewährleisten.

E. Zusammenfassung Vierter Teil

337

Die europäischen Impulse zwingen den deutschen Gesetzgeber dazu, abermals das Entschuldungsrecht zu novellieren. Ihm eröffnet sich dadurch die Chance, mit den §§ 286 ff. InsO ein Verfahren zu schaffen, das die Akzeptanz der Betroffenen und der Bevölkerung genießt. In der mehr als zwanzigjährigen Geschichte des Instituts der Restschuldbefreiung scheint es niemals dringender gewesen zu sein, dass er diese Gelegenheit nutzt.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen A. Thesen zum ersten Teil der Arbeit I. Vor dem Hintergrund der Gläubigerrechte aus Art. 14 GG und der Auswirkungen einer gesetzlichen Restschuldbefreiung auf das Haftungssystem kann ein staatlich verordneter Schuldenschnitt nicht bedingungslos erfolgen, sondern muss dem Schuldner gewisse „Verdienste“ abverlangen. Daneben steht es den Parteien immer frei, von den konsensualen Schuldenbereinigungsinstrumenten Gebrauch zu machen und die Entschuldung von weniger strengen Bedingungen abhängig zu machen. II. Zu den Anforderungen, die die gesetzliche Restschuldbefreiung an den Schuldner stellen muss, gehört zunächst, dass dieser auf einen Schuldenschnitt angewiesen ist. Die Entschuldungsmöglichkeit darf nur solchen Schuldnern zur Verfügung stehen, die sich in einer finanziell aussichtslosen Situation befinden und nicht wiederholt von ihr Gebrauch machen. Ferner darf den Gläubigern nicht von vornherein eine Befriedigungschance verwehrt werden. Vielmehr muss das Verfahren ihnen dazu verhelfen, ihre Ansprüche durch die Nutzbarmachung der schuldnerischen Ressourcen bestmöglich zu realisieren. Weiterhin muss der Schuldner schutzbedürftig sein. Macht er sich schweren Verfehlungen im Zusammenhang mit seiner Überschuldung oder mit dem Verfahren schuldig, kann die Restschuldbefreiung gegenüber den Gläubigern und der Allgemeinheit nicht gerechtfertigt werden. Das Verfahren bedarf mithin entsprechender Mechanismen, die „unwürdiges“ Verhalten des Schuldners sanktionieren. Darüber hinaus muss es Einschränkungen für Forderungen enthalten, bei denen das Durchsetzungsinteresse der Gläubiger gegenüber dem Interesse des Schuldners an einem wirtschaftlichen Neustart generell Schutz verdient. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Gläubiger unfreiwillig in seine Stellung geraten ist.

B. Thesen zum zweiten Teil der Arbeit I.

Das Restschuldbefreiungsmodell nach der InsO versucht, den aufgestellten Prämissen gerecht zu werden, indem es auf ein Anforderungssystem setzt, das im Wesentlichen aus drei Grundpfeilern besteht. Dazu gehören auf Tatbestandsseite die finanziellen Anstrengungen und die Redlichkeitsvoraussetzungen. Auf Rechtsfolgenseite setzt ein Katalog mit ausgenommenen Forderungen Anforderungen an die Gewährung einer vollumfänglichen Restschuldbefreiung.

B. Thesen zum zweiten Teil der Arbeit

339

II. Der InsO-Gesetzgeber setzte entscheidend auf den Gedanken eines earned starts im deutschen Restschuldbefreiungssystem. Dieser findet seinen Ausdruck insbesondere in den finanziellen Anstrengungen, die dem Schuldner auf seinem Weg zur Entschuldung abverlangt werden. Der Schuldner muss in diesem Sinne zunächst ein Insolvenzverfahren durchlaufen und dabei die Verwertung der aufgrund des Insolvenzbeschlags realisierten Insolvenzmasse sowie die Verteilung der Erlöse an die Gläubiger dulden. Als weitere finanzielle Anstrengung muss er im Anschluss an das Insolvenzverfahren eine sog. Wohlverhaltensperiode überstehen, während der er den Gläubigern sein pfändbares Arbeitseinkommen zur Verfügung stellt und sich gläubigerfreundlich verhält. Diese Phase einer Einkommenserwirtschaftung dauerte nach der Fassung der InsO von 1999 sieben Jahre. Die Ausgangsfassung sah außerdem vor, dass der Schuldner zwingend die Kosten des Verfahrens aufbringen musste. Andernfalls war ihm der Zugang zum Verfahren verwehrt. III. Die Restschuldbefreiung nach der InsO soll unter der Bedingung erteilt werden, dass der Schuldner redlich ist (vgl. § 1 S. 2 InsO). Möchte der Schuldner (dauerhaft) in den Genuss einer Entschuldung kommen, darf er keine Versagungs- und Widerrufsgründe erfüllen. Letztere sanktionieren verschiedene Pflicht- und Obliegenheitsverstöße, deren Vorwurfsschwerpunkt aus zwei Facetten der Redlichkeit besteht. Legitimiert werden eine Versagung bzw. ein Widerruf der Restschuldbefreiung entweder dadurch, dass der Schuldner sich missbräuchlich verhalten oder sich nicht genügend im Interesse seiner Gläubiger angestrengt hat. Hinter einer Verweigerung der Restschuldbefreiung steht immer das Ziel, die Sanierungsperspektive lediglich dem Schuldner zu gewähren, der das Interesse der Gläubiger an einer bestmöglichen Tilgung ihrer Verbindlichkeiten fördert bzw. zumindest schützt. Demgegenüber spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob der Schuldner seine finanzielle Misere selbst verursacht hat. IV. Besteht ein Verdacht, dass der Schuldner den Redlichkeitsauflagen nicht entsprochen hat, müssen die Gläubiger aktiv werden und das Versagungs- bzw. Widerrufsverfahren betreiben. Die InsO folgt einer Konzeption, nach der der Schuldner seine „Würdigkeit“ nicht erweisen muss. Vielmehr sind die Gläubiger dafür verantwortlich, eine etwaige „Unwürdigkeit“ des Schuldners verfahrensrechtlich geltend zu machen und dafür gegebenenfalls Beweis zu erbringen. Das Gericht darf das Versagungsverfahren nicht von Amts wegen initiieren und die Restschuldbefreiung – abgesehen von den Fällen des § 296 Abs. 2 S. 3 InsO – nicht von Amts wegen versagen. Hinter der gläubigerautonomen Ausgestaltung der Redlichkeitskontrolle steht der Gedanke, dass die Überwachung des Schuldners der Wahrung der Interessen der Gläubiger dient und deshalb auch in deren Hände gelegt werden muss. V.

Möchte der Schuldner in den Genuss einer umfassenden Restschuldbefreiung kommen, darf keine der im Katalog des § 302 InsO genannten Forderungen

340

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen

gegen ihn bestehen. Den ausgenommenen Forderungen i. S. d. § 302 InsO liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Schuldner nur insoweit einen Vorteil aus dem Verfahren ziehen können soll, als eine Entlastung von seinen Verbindlichkeiten als billig angesehen wird. Nach der Ursprungsfassung lag eine Unbilligkeit in diesem Sinne lediglich dann vor, wenn die erfasste Verbindlichkeit entweder unter rechtsverstößlichen Umständen entstanden ist oder ihre Sanktionsfunktion nicht durch die Restschuldbefreiung verloren gehen soll. VI. Ungeachtet der bereits anfänglich bestehenden Fehlkonzeption im Hinblick auf das Versagungssystem trug die Ausgangsfassung der §§ 286 ff. InsO den Rechten der Gläubiger angesichts seiner hohen Anforderungen hinreichend Rechnung und beugte etwaigen Risiken für das Haftungssystem vor.

C. Thesen zum dritten Teil der Arbeit I.

Die finanziellen Anforderungen wurden im Laufe der Reformen immer weiter zulasten der Gläubiger gesenkt. Die Einführung der Verfahrenskostenstundung im Jahr 2001 hat dazu geführt, dass die Gläubiger die Kosten für ein Verfahren finanzieren, das ihnen oftmals keinerlei Tilgungsaussicht bietet. Durch die schrittweise Absenkung der Verfahrenslaufzeit ist der Zeitraum, währenddessen die Arbeitskraft des Schuldners für die Gläubiger nutzbar gemacht wird, zudem immer kürzer geworden. Die Chance auf eine Verbesserung der Einkommenssituation des Schuldners, die der InsO-Ausgangsfassung immanent war, ist entsprechend geschrumpft. Zwar wurde mit dem Anreizmodell des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO im Jahr 2014 der Versuch unternommen, die Befriedigungsaussichten der Gläubiger zu erhöhen. Seine Wirksamkeit ist jedoch eingeschränkt, weil es auf eine pauschalierte Quote setzt. Nachteile mussten die Gläubiger wegen der Veränderungen der finanziellen Anforderungen auch im außergerichtlichen Bereich hinnehmen, weil dieser maßgeblich von den Vorgaben des gesetzlichen Restschuldbefreiungsverfahrens geprägt ist.

II. Insgesamt sind der Gedanke eines „earned-starts“ und das darin zum Ausdruck kommende Ziel einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zunehmend hinter dem Anliegen einer schnellen Restschuldbefreiung des Schuldners zurückgetreten. III. Im Gegensatz zu den finanziellen Anforderungen wurden die Redlichkeitsvoraussetzungen im Laufe der Reformen verschärft. Aus Gläubigersicht zu begrüßen war insbesondere, dass die Erwerbsobliegenheit seit der Reform 2014 nicht länger auf die Wohlverhaltensperiode beschränkt ist, sondern gem. § 287b InsO bereits im eröffneten Verfahren gilt. Mit den amtswegig zu prüfenden Sperrfristen des § 287a InsO wurden zudem weitere verfahrensrechtliche Vorkehrungen getroffen, die die Nachteile der Gläubiger in Grenzen halten sollen. Auch wenn sie die von der Sperrfristrechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Fälle nicht vollumfänglich abdecken und weiterhin gewisse

D. Thesen zum vierten Teil der Arbeit

341

Schutzlücken bestehen, tragen die Ausschlussgründe nach § 287a Abs. 2 InsO dazu bei, einer missbräuchlichen Antragswiederholung stärker als bislang entgegenzutreten. Mit der Vorschrift des § 290 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 InsO wurde außerdem eine verfahrensrechtliche Hürde bei der Geltendmachung von Versagungsgründen beseitigt. IV. Das Bemühen des Reformgesetzgebers 2014, die Gläubigerrechte durch eine Verschärfung der Redlichkeitsvoraussetzungen zu stärken, kann das entstandene Ungleichgewicht jedoch nicht aufwiegen. Dazu würde es vielmehr einer grundlegenden Umgestaltung des Verfahrens bedürfen, mithilfe derer unnötiger Verfahrensaufwand vermieden wird. Im Übrigen stieß das Ziel des Reformgesetzgebers zwangsläufig an seine Grenzen, weil sich die Gläubiger aufgrund der fehlenden Befriedigungsaussichten generell wenig für das Verfahren (einschließlich des Versagungsverfahrens) interessieren. Eine Akzeptanzsteigerung, die allein mit der Ausweitung der Redlichkeitskontrollmöglichkeiten erreicht werden soll, kann in einem gläubigerautonom ausgestalteten Kontrollsystem nicht funktionieren, wenn die Anreize für die Gläubiger, ihre Kontrollmöglichkeiten auszuüben, immer weiter sinken. Zwar setzte der Reformgesetzgeber mit § 287a Abs. 2 InsO dazu an, die Überwachung des Schuldners in den amtswegigen Bereich zu verlagern. Ohne eine konsequente Sanktionierung unredlichen Verhaltens im Erstverfahren laufen die Sperrfristen allerdings leer. V. Die Erweiterung des Katalogs der ausgenommenen Forderungen in § 302 InsO im Wege der Reform 2014 kann nicht überzeugen. Die neuen Bereichsausnahmen fügen sich nicht in das Wertungsgefüge des § 302 InsO ein, sondern privilegieren in erster Linie die öffentliche Hand. Sie führen zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung und gefährden zudem den wirtschaftlichen Neuanfang des Schuldners.

D. Thesen zum vierten Teil der Arbeit I.

Die Umsetzung der Richtlinie (RL (EU) 2019/1023) wird den (vorläufigen) Höhepunkt der aufgezeigten schuldnerfreundlichen Entwicklung darstellen. Auch wenn die Grundpfeiler des Anforderungssystems fortbestehen können, werden grundlegende Veränderungen im Bereich der finanziellen Anforderungen unvermeidbar sein. In Zukunft ist eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren zu gewähren, ohne dass sie von der Erbringung einer Mindestbefriedigungsquote i. S. v. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO abhängig gemacht werden kann.

II. Bei der Umsetzung der Richtlinie hat der Gesetzgeber zu beachten, dass das Anforderungssystem der §§ 286 ff. InsO nicht ausgehöhlt werden darf, sondern gewisse Grundprinzipien zu wahren sind. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen ist insbesondere eine Unterschreitung der vorgegebenen dreijährigen Verfahrenslaufzeit unzulässig.

342

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen

III. Angesichts der bevorstehenden Änderungen ist der Gesetzgeber gehalten, die Belange der Gläubiger wieder stärker innerhalb der §§ 286 ff. InsO zu berücksichtigen. Zwar ist das Restschuldbefreiungsverfahren ein Massenverfahren, das einer Formalisierung bedarf und somit nur begrenzt Einzelfallgerechtigkeit herstellen kann. Allerdings kann an gewissen Stellschrauben gedreht werden. Die Umsetzung der Richtlinie sollte als Gelegenheit genutzt werden, die Befriedigungsaussichten der Gläubiger zu erhöhen. Dabei hat sich der Blick vermehrt darauf zu richten, ein funktionsfähiges Kontrollsystem herzustellen. Um zu gewährleisten, dass der Schuldner im Gegenzug für die schnelle Entschuldungsmöglichkeit ein befriedigungsförderndes bzw. -schützendes Verhalten zeigt, muss das gläubigerautonome Versagungs- und Überwachungssystem den veränderten Prämissen des Entschuldungsrechts der §§ 286 ff. InsO angepasst werden. Insofern bietet sich die Einführung einer Obliegenheit nach österreichischem Vorbild an, wonach der Schuldner gegenüber dem Gericht und dem Treuhänder regelmäßig Rechenschaft über die Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit ablegen muss. Flankierend müsste dem Gericht eine Möglichkeit eingeräumt werden, dem Schuldner die Restschuldbefreiung von Amts wegen zu versagen, wenn dieser nicht bereit ist, Auskunft zu geben.

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Sachwortverzeichnis Abschöpfungsverfahren 82, 195, 318, 323 ff. Abtretungsfrist, zum Begriff 190 Amtswegige Versagung siehe Versagung von Amts wegen Anstrengungen des Schuldners 58 ff., 67, 132 ff., 141 ff. Anspruch auf Restschuldbefreiung 53 f., 187 Ausgenommene Forderungen 159 ff., 271 ff., 302 ff., 305, 331 f., 339 f. Außergerichtliche Einigung 71, 176 f., 186, 205 f., 227 f., 309 f., 331 Bedingungslose Entschuldung 54, 56 Bedürftigkeit des Schuldners 57, 71 f., 89, 338 Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung 103, 112, 123, 126 f., 150, 253 f. Bewährungsphase siehe Grundsatz des „Sich-Bewährens“ Discharge 42, 45 f., 70, 88 f., 334 Drehtüreffekt 156, 178, 188 f., 253, 333 ff. Earned Start 70, 163 f., 306, 315, 336, 339 f. Eigentumsgarantie 52 ff., 65, 77, 84 f., 89 ff., 144, 151, 165, 184, 219 ff., 336, 338 Eingangsentscheidung 30, 234 f. Entschuldung zum Nulltarif 73, 178 ff., 185 ff., 188, 272 Erwerbs- und Abführungsobliegenheit 82 ff., 88, 114 ff., 141, 144, 172, 192 f., 231, 264 ff., 301 f. Erwerb von Todes wegen 118 f., 142 f., 192 f., 203, 323, 325 Finanzielle Anstrengungen 70 ff., 166 ff., 278 ff., 305 Fiskusprivileg 162, 272 f., 275 ff., 282, 331 f., 341

Freies Nachforderungsrecht 35 f., 40 ff., 79 Fresh Start 42, 70 Gesamtvollstreckungsordnung 38 f. Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze 27, 168 ff., 190 ff., 204, 226, 228, 276 f. Gesetz zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen 28, 187 ff., 327 f., 331 Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte 30, 193 ff., 228, 234 ff., 261 ff., 272 ff. Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen 29, 140 Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens 31, 283 f., 292 ff., 297 ff., 302, 312 f., 315, 320, 331, 333, 336 Gläubigerautonomie – Beweisschwierigkeiten 148 ff. – Durchbrechung siehe Versagung von Amts wegen – Formale Hürden 147 f. – Informationsdefizit 145 ff., 281, 325 – Kostenstundungsrecht 231 ff. – Versagung der Restschuldbefreiung 62 f., 97 ff., 145 ff., 151 ff., 159, 218 f., 280 ff., 327 ff., 339 f. – Zustimmung zur Restschuldbefreiung 38, 46 f. Gläubigerbefriedigung siehe Haftungsverwirklichung Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung 271 ff., 277 f., 341 Grundsatz des „Sich-Bewährens“ 60 f., 137 f., 154 ff., 192 f., 310 f.

Sachwortverzeichnis Haftungsrechtliche Gesichtspunkte 55 f., 88 f., 153 ff., 210 ff., 315 ff. Haftungsverwirklichung – bestmögliche Gläubigerbefriedigung 58 ff., 69, 79, 91 f., 115, 134, 141 ff., 153, 158, 181 f., 225, 305 – in der Konkursordnung 41, 44, 46 f. – in der Insolvenzordnung 66, 75 ff., 78 ff., 91 ff., 118 f., 141 ff., 173 ff., 182 ff., 192 f., 202 ff., 207 ff., 219 ff., 224 f., 279 ff. – Richtlinie (EU) 2019/1023 v. 20. Juni 2019 305 ff., 318 ff. – Verhältnis zur Restschuldbefreiung 68 f. Herkunftsnachweis 211 f., 214 Humanisierung des Vollstreckungsrechts 40 ff. Insolvenzantrag 71, 175, 186, 203, 308 Insolvenzbeschlag 76 f. Insolvenzplan 36, 205, 309 f. Insolvenzrechtsreform – Gesetzgebungsverfahren 45 ff. – Restschuldbefreiung 37 ff. Insolvenzstraftat 106 ff., 261 ff. Insolvenzverfahren 75 ff., 185, 187 f. Interessen – allgemeiner Wirtschafts- und Geschäftsverkehr 50 f. – Gläubiger 43 f., 50 – Schuldner 49 f. – Staat und Gesellschaft 51 Interessenausgleich 53 ff., 65 f., 88, 91 ff., 182 ff., 199 ff., 305, 311 ff., 317 ff., 336, 342 Interessenkonflikt 51 f. Irrelevanz der Insolvenzursachen 135 f., 158, 219 f., 339 Kommission für Insolvenzrecht 45 f. Konkurs des Konkurses 44 Konkursordnung 38, 41 ff., 140 Kontrolle des Schuldners 144 ff. Legitimationserfordernisse siehe Verdienenmüssen der Restschuldbefreiung Lotteriegewinne siehe Neuerwerb

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Makel des Konkurses 41 Masselose Verfahren 27 ff. Menschenwürde 53 f. Mindestbefriedigungsquote – Erfolgsunabhängigkeit der Abtretung 81 ff., 92 – Österreich 195 – siehe ferner Richtlinie – siehe ferner Stufenmodell Mindestvergütung des Treuhänders 100 f., 123 f., 133 f., 141 f., 186 Mittelweg 65, 70, 88 Motivationsrabatt 86, 170, 181, 204 f. Nachhaltigkeit der Restschuldbefreiung 61, 137 f., 154 ff., 158 f., 178, 185, 188, 218, 223 f., 278, 310, 313 f., 333 ff. Nachwirkungsrechtsprechung 235 ff., 241 ff. Neuerwerb – Reformansätze 322 f. – während des Insolvenzverfahrens 76 f. – während der Wohlverhaltensperiode 80 f., 142 ff. Neutralitätspflicht 145 f. Neuverschuldung 156 f., 218 Nullmasseverfahren 174 f. Nullplan 81 f. Pfändungsschutz 35 Prozesskostenhilfe 73 f., 167 f., 180 Rechenschaftsobliegenheit 146, 324 f., 342 Recht auf wirtschaftlichen Neuanfang 53 f. Redlichkeit – Abschließender Redlichkeitskatalog 95 f., 139 ff. – Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen 228 ff., 278 ff., 340 f. – Begriff 67 f., 95 – Facetten der Redlichkeit 95, 128 ff., 158, 237 f. – Gemeinsame Prämissen der Redlichkeitskriterien 135 ff. – Kostenstundungsrecht 228 ff. – Nachlässigkeit 246 ff., 252 f., 256 – Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe 265 ff.

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Sachwortverzeichnis

– – – –

Redlichkeitsvermutung 97 Schuldneranforderung 95 Sperrfristen 109 f., 234 ff., 332 f Systematisierung der Redlichkeitskriterien 125 ff. – Vergleichsrechtliche Würdigkeitsprüfung 96, 136 f. – Versagungs- und Widerrufsgründe nach der InsO-Ausgangsfassung 106 ff. – Ziel der Insolvenzordnung 66 ff. Reintegration des Schuldners 49 ff. Restschuldbefreiung auf Kosten des Staates 73, 94, 167, 180 f., 198 Restschuldbefreiungstourismus 288 f., 307 f., 311 Richtlinie (EU) 2019/1023 v. 20. Juni 2019 30 f., 283 ff. – Ausgenommene Forderungen 302 ff. – Gläubigerinteressen 306 ff., 318 ff. – Hintergrund 284 ff. – Mindestbefriedigungsquote 293 f., 311 f., 320 ff. – Präventiver Restrukturierungsrahmen 287 – Redlichkeit 294 f., 299 ff., 305 – Regelungsinhalt 289 f. – Regelungskonzept 287 ff. – Regelungsziel 287 ff. – Richtliniensetzungsverfahren 284 ff. – Umsetzungserfordernisse 290 ff. – Verbraucher 289 f., 318 ff. – Verlängerungsmöglichkeiten 293 ff. – Volle Entschuldung nach drei Jahren 291 ff.

Schuldenbereinigungsplan 36, 71, 81 f., 113 Schuldenregulierungsverfahren 46 Schuldneranforderungen siehe Verdienenmüssen der Restschuldbefreiung Schuldnerberatung 155 f., 334 f. Schutzbedürftigkeit 58, 139 ff., 338 Schutzwürdigkeit 61 ff., 139 ff. Second Chance 194, 199, 285, 287 f. Sozialstaatsgebot 42, 53 f., 65 Sperrfristen siehe Redlichkeit Stufenmodell 193 ff.

– Anreizwirkung 194 f., 199 ff., 202 ff., 309, 312, 321, 340 – Deckelung der Befriedigungsquote 207 ff. – Erreichbarkeit der vorzeitigen Restschuldbefreiung 212 ff. – Evaluationsbericht 30, 195 f., 214 ff., 221 – Gesetzliche Ausgestaltung 196 – Hintergrund 193 ff. – Legitimation 219 ff. – Mindestbefriedigungsquote 195 f. – Nachteile aus Gläubigersicht 204 ff. – Systemwandel 198 f. – Ungleichbehandlungsdefizite 222 ff., 227 – Verfahrenskosten 196 ff. – Vorteile aus Gläubigersicht 202 ff. – Zweiklassensystem 214, 222 f. Tilgungswille

61, 83 f., 134, 192

Überschuldungsproblematik 25, 40 Unbeschränkte Vermögenshaftung 34 ff., 55 Unfreiwillige Gläubigerstellung 63 f., 162 f., 273 f., 332, 338 Unvollkommene Verbindlichkeiten 37 Verdienenmüssen der Restschuldbefreiung 32, 67 – Auswirkungen der Richtlinie auf die Schuldneranforderungen 304 ff., 335 f., 341 – Legitimationserfordernisse in Gestalt prinzipieller Entschuldungsbedingungen 52 ff., 56 ff., 338 – Mögliche Reformansätze im Hinblick auf die Schuldneranforderungen 317 ff. – Ursprüngliche Schuldneranforderungen 65 ff., 163 ff., 338 f. – Veränderungen der Schuldneranforderungen 166 ff., 340 f. Verfahrenskostenstundung 27, 166 ff. – Abschaffung 28 – Ausschluss 169 – Belastung der öffentlichen Kassen 177 f., 200 f.

Sachwortverzeichnis – – – – –

Erwerbsobliegenheit 231 Hintergrund 166 f. Kritik 182 ff. Redlichkeit 228 ff. Reformbestrebungen (RegE 2007) 187 ff. – Versagung 171 f., 231 ff., 251 Verfahrenskostentragungspflicht 73 ff., 92, 188 f., 330 f. Verfahrensverkürzung 190 ff. – InsOÄndG 2001 190 ff. – InsOÄndG 2014 193 ff. – RL (EU) 2019/1023 v. 20. Juni 2019 292 ff., 297 f., 306 ff., 310 ff. Verfassungsrechtliche Seite 52 ff., 89 ff., 139 ff., 161 ff., 187, 219 ff., 310 ff., 318 f., 336, 341 f. Vergleichsordnung 38 Verhaltenssteuernde Komponente der Restschuldbefreiung 50, 55 f., 60, 84 f., 88 f., 210 ff., 314 ff., 330, 332 f. Verjährung 35 Versagung – generalpräventive Wirkung 153 ff., 279 ff., 329 f. – Versagungssystem 99 ff. – Versagungsverfahren 99 ff., 104 f. – Zahlen 152

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Versagung von Amts wegen 62 f. – Eingangsentscheidung 238 f., 258 ff., 341 – Kostenstundungsrecht 228 ff., 231 ff. – Notwendigkeit einer Erweiterung 279 ff., 314, 325 ff., 341 f. – RegE 2007 28 – Verfahrensobliegenheiten 98 – Vorwirkungsrechtsprechung 230 f., 257 ff. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis 76, 78 Vorwirkungsrechtsprechung 230 f., 256 ff. Vorzeitige Restschuldbefreiung siehe Verfahrensverkürzung Wirksamkeit von Lohnabtretung und -verpfändung 86 f., 201 f., 218 Wohlverhaltensperiode – Bedeutung der Dauer 84 f. – Einkommensabtretung 78 ff., 88 – Selbständiger Schuldner 80 Zugangsschranke 74, 94, 166 f., 182, 230 Zwangsgläubigerschaft siehe unfreiwillige Gläubigerstellung Zweite Chance siehe Second Chance