Leben und Sitte in Persien [1]

Table of contents :
Front Cover
Einteitung
JI Maskat
Lager bei Abuſchehr Pferde Ubduđa Uga Unec:
Des Geſandten Ermahnungen Jagebuch des Meh-
Schilderung des Geſandtengefolges Sunſtbergers
Wichtigkeit der Formen Perſiſche Gebrauche
Die Fabel von den beiden Raken Eingang eines
Schiras Der Schaikh ul Islam oder Oberrichter
Perſiſche Diener Ubreiſe von Schiras Perſepo:

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LE e ben

Sitte

und

in

Per fient.

( Von

Sir

John

dem

aus

Male olm . )

Engliſchen

überſet

Don

Wilhelm

Adolf

Lindau,

Er ſter Theil.

Dresden und feipzig , in der Arnoldiſchen Buchhandlung, 1828.

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151173

1

Bayerische Staatsbibliothok

MUNCHEN

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Die Jie Urſchrift dieſes Werkes erſchien 1827, und in der zweiten Auflage 1828 , in 2 Bånden unter dem Titel : Sketches of Persia, from the journals of a Traveller in the East. Man hat es einftimo :ig dem jeßigen Gouvers

1 neur von Bombay , dein

General s Major Sir John

Malcolm , zugeſchrieben , der durch ſeine ſchatzbare Ges fchichte Perſiens , die zuerſt 1815 in 2 Quartbånden , und 1828 in einer verbeſſerten Autgabe in 2 Octavbånden, ers fchien , und einige ausgezeichnete hiſtoriſche und ſtatiſtiſche Schriften über Indien , i . B. Teine politiſche Geſchichte Indiens ſeit 1784 , und fein Werk über Mittels Indien, rühmlich bekannt ift. Innere Gründe bekräftigen jene Vermuthung , und der Verfaffer hat ſich auch nicht ge : ſcheut , hier und da ſcherzend unter reiner Maske hervors jublicken , wie in der, im Original befindlichen Anmerkung zu der Geſchichte der arabiſchen Stindermårterinn ( 5.65.)

IV wo er ſagt , General Malcolm

habe swar in ſeiner Ses

ſchichte Perſiend jene Anecdote bereits mitgetheilt ,

aber

dieſen Zug ,' wie viele andere eben ſo gute Dinge , von ihm entlehnt ,

ohne die Quelle anzugeben , und er werde

daher , wenn es zu feinen Abſichten paſſe ,

fein Eigens

thum ohne Umftånde zurücknehmen.

General Malcolm war zweimahl unter ganz verſchies denen Umfånden in Perſien . von

Im Jahre 1800 ward er

der britiſchen Regierung in Oſtindien ,

an deren

Spike Lord Wellesley ftand , nach Tehran geſchidt, um ein Trutbündniß gegen die afghanen zu ſchlies Ben , welche

får die Perſer ſchon

unruhige Nachbarn

waren, und dem britiſchen Indien leicht gefährlich werden konnten .

Der gemeinſame Vortheil führte die unters

Handlungen zil einem guten Erfolge , und ſelbſt die vors geſdlagene Ausſchließung der Franzoſen , mit welchen der Sdhah ju jener Zeit nicht in Verbindung fand , keine Schwierigkeit.

machte

So ſehr den Verfaſſer ſeine

winnenden Eigenſchaften

und

ſeine

genaue

ges

Stenntniß

morgenländiſcher Sitten zu dieſer Sendung empfahlen , ro wurde doch

die ausgezeichnete Aufnahme,

die man

ihm freiwillig und zuvorkommend überall gewährte , nicht weniger geſichert durch den glänzenden Aufzug und Flits terſtaat einer morgenländiſchen Geſandtſchaft , und

die

reichen Vorräthe von feinem Duche und engliſchen Stas pelwaaren ,

die ein oftinbilder Geſandter immer bet fich

V haben muß.

Neun Jahre ſpäter hatten ſich attt perfiſchen

Hofe große Veränderungen zugetragen . Engländer

warben

beide um

Franzoſen und

ein Bündniß mit

dem

Schab , und die britiſchen Behörden ſelbſt waren Rebens buhler in der Unterhandlung eines Bündniſſes.

Der vom

Stónige von England bevollmächtigte Geſandte, Sir Hars ford Jones ,

war zwar an die Vorſchriften der britiſchen

Regierung in Indien gewiefen , aber er handelte im Wis derſpruche

mit

der

Anſicht

des

Statthalters ,

Lord

Ninto , und obgleich es ihm fchon gelungen war , den franzöſiſchen Geſandten zu verbringen, ro wurde doch der General Malcolm an den perfiſchen Hof geſchickt, um die Leitung der Unterhandlungen über die Vollziehung der geſchloſſenen Uebereinkunft in feine Hände zu nehmen . Dieſer

zweiten

Geſandtſchaft perdanken

wir beſonders Der Vers

die anziehenden Nachrichten über sturdiſtan . faffer wurde

zwar durch ſeine amtliche Stellung abges

halten , fich håufig in gemiſchten Geſellſchaften zu beme: gen, und die Sitten des Privatlebens durch Beobachtung in unmittelbarer Nähe kennen zu lernen ; verſchaffte ihm Begleitern , noffen ,

ſein langer Verkehr mit ſeinen perſiſchen deren Einige ſein beſonderes Vertrauen ges

viel Gelegenheit ,

beobachten ,

dagegen aber

die Denkart

des Volkes ju

und zumahl ſeinen Unterhaltungen mit ſeis

nen Begleitern verdanken wir piele ſehr anziehende Mits theilungen über die Sitten und den Charakter der Perſer.

c

1 VI Zur Erläuterung Ereigniſſe moge eine

vieler kurze

Anſpielungen

auf frühere

Ueberſicht der neuern Se:

fchichte Perficns feit Nadir Schah dienen , die ich dem zweiten Theile hingufügen werde.

1

L. Dresden , im Auguſt 1828 .

I

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1

t.

Seite

1

Einteitung. 1.

Reiſe von Bombay nach dem

JI.

Maskat.

III.

Der perſiſche Meerbuſen.

IV .

Lager bei Abuſchehr. Pferde. dote von einem Uraber.

V.

VI.

9

16 Ubuſchehr.

28

Ubduđa Uga. Unec:

39

Antelopen - Jagd und Falkenbeize. Gaſtmahl bei dem Schaikh. Tollemache. Luftſpiegelung. Nadir Schah und der türkiſche Geſandte.

47

Des Geſandten Ermahnungen. Jagebuch des Meh mandar's. Die arabiſche Kinderwårterinn. Blau bart.

VII.

perſiſchen Meerbuſen.

Des Königs Bildniß.

60

Bergbewohner. Das Thal Kaſerun. Kraft der Salpeterſäure. Der geblendete Riza Kuli Khan. Sonderbare Vogel. Das ſchone Thal e Duſcht Urð ſchun. Mohammend Riza Schan Beiat. Irländiſche Heimatliebe. Der perſiſche Landeigenthümer.

Perſiſche Förmlichkeit.

72

VIII

Seite VIII.

IX.

X.

Schilderung des Geſandtengefolges. bungen bei dem Geſandten.

Sunſtbergers

83

Wichtigkeit der Formen. Perſiſche Gebrauche bei Beſuchen . Schwierigkeiten einer Ausgleichung. Glůck: liches Ende eines Streites über Förmlichkeiten. Ges Fabeln und Urologe. Telliger Verkehr in Perſien .

Die Fabel von den beiden Raken.

97

Eingang eines

perſiſchen Vertrages. Saadi’s Apologe. Nizam ul Mulk an Mohammed Schah. Sessidſchird's Iob. 119 XI.

Schiras. Der Schaikh ul Islam oder Oberrichter. Ubdulla Kadir. Gaſtmahle. Der Derwiſch Seffer. Die Geſchichte Abdulla’s von Khoraſſan . Der per: · 133 fiſche Didyter.

XII.

Perſiſche Diener. Ubreiſe von Schiras. Perſepo: lis. Die ſieben Abenteuer Roſtem's. Säger -Anecdote. 162

Staetsbin zutrek MUNCHEN

E i nle i tung .

Einft hatte die Inſel Großbritannien gewiſſe Gegenden, wo Männer , Weiter und Stinder in Unſchuld, Unwiffen : heit und Zufriedenheit wohnten oder zu wohnen glaubten . Selten kamen Reifende dahin ; Dichter faben ſie in ihren Tråumen , und Romaniſchreiber erzählten Geſchichten von ihnen , aber jene Zeit iſt vorüber .

Wir verdanken es den

Dampfbóten und Poftkutſchen , daß es nicht ein Plächen mehr gibt , wohin ein unwiſſendes oder kluges Menſchens kind fich zurückziehen könnte ,

und wo ſein duge nicht

durch eine ſchwarze Rauchſäule erfreut oder beleidigt, fein Ohr nicht durch raſſelnde Wagenråder vergnügt oder ges quålt wurde.

Es iſt vielleicht eine Folge dieſer Störung

der Einſamkeit , daß Alle in Verſuchung geführt werden, ihre Heimat zu verlaſſen ,

und während eine Sjålfte der

Voll& menge auf den Landſtraßen iſt, die andre auf engen Meeren ſchwiinnt.

Dieſe Reiſeluſt beſdrånkt fich jedoch

bei der Mehrzahl auf die benachbarten europáiſchen Låns 1. 1

der ; die feurige Wifbegier aber und ein ehrgeiziger Wunſch, von dem gebahnten Wege abzuweichen , haben in neuern Zeiten mehre wiſſenſchaftlich gebildete und unternehmende Männer verleitet ,

die berühmten Gebiete Griechenlands

und Aegyptens zu überſchwemmen , deren Bewohner mit Erſtaunen Menſchen angaffen ,

die von Stadt zu Stadt

fliegen , Erůmmer unterſuchen , Pyramiden meffen , dunkle Höhlen durchkriechen ,

die Eigenſchaften der Erde , der

Luft und des Waſſers erforſchen ,

verfümmelte Götter

und Göttinnen entführen , gewöhnliche Steine und Stiefel einpacken , als ob es Rubinen und Diamanten waren, und felbft die Gerippe der Todten wegführen , indem fie, ſelts ſam genug ,

mie ,

die derwelfte Geftalt ciner weiblichen Mus

die feit biertauſend Jahren in ihrem Grabe gemos

dert hat , den lieblichften Proben lebendiger und beſeelter Schönheit vorziehen . Die ununterrichteten Bewohner diefer lånber, deren Zuſtand fehr zu bedauern ift , kennen nicht den Ausſpruch des großen Samuel Johnſon ,

daß alles ,

was das Bers

gangene, das Entfernte und das Zukünftige über die Ges genwart erhebt , Wefen erhöht.

uns in unſerer Würde als menſchliche Dieß ift ein unwiderleglich guter Grund

für den Vorzug , den man Mumien vor jedem , auch noch ro' bezaubernden lebendigen Gegenftande gibt. mienſucht unſrer Zeitgenoſſen ,

Die mus

und ihre Begierde nach

andern ergeblichen Ueberrefiten des Alterthums , hat des

gypten

mit

fenntnißvollen

und forſchenden Reiſenden

überſchwemmt, die jenes land der Wunder ganz erſchöpft haben , und ſpåtere Beſucher ſind bei gånzlichem Mangel anderer Nahrung in die Nothwendigkeit verſekt worden, über ihre Vorgånger herzufallen ,

deren einige grauſam

perfiůmmelt , andre ganz verzehrt worden ſind. Dieſe wandernden Schriftftellerftamme, die in gewiſs ſer Art von denſelben Beweggründen getrieben werden, welche

die

tatariſchen Horden

zur Beränderung

ihrer

Wohnlige ndthigen , haben in neuern Zeiten angefangen , nach Syrien und Stleinafien ju wandern ,

und Einige

find wirklich bis nach Perſien vorgedrungen .

Dieß hat

mich nicht wenig in Unruhe gereßt , denn ich ſelber hatte auf dieſes land ſchon lange meine Abſichten .

Ich habe

etwas davon geſehen , und mich der Hoffnung hingegeben , daß ich zu bequemer Zeit die Welt durch die Mittheilung meiner eingeſammelten Stunde erfreuen könnte.

Tråge,

wie ich nun bin , verſchob ich in deß die Ausführung des mir lieb geworbenen Entwurfes bis ju jener gehofften Zeit der chen

Ruhe ,

die auf einer wechſelvollen und beſchwerlis

Lebensbahn

immer

eine

erfreuliche Ausſicht

für

mich war. Seine von allen ,

bis jeßt über Perfien erſchienenen

Schriften erſchredte midh.

Ich bin fein Geſchichtſchreiber

und sitterte daher nicht vor Malcolm's ſchweren Quarts bånden ; ich bin fein Reiſebeſchreiber, und Morier's Reis

IV Duſeley '& gelehrte uns

fen maditen mich nicht unruhig ;

terſuchungen fónnten einen Alterthúmler abſchrecken , aber dieß iſt nicht, mein Gewerbe ,

und ich habe ſo plumpe

und ungeübte Finger und ſo wenig Sinn für das Mabs leriſche , daß ich ohne - Beunruhigung Ster Porter's glans jende Bånde betrachtete. gewann die Sache , auftrat.

Eine ganz andre Geſtalt aber

als der Schelm Hadichi Baba

Mit lebhafter unrube las ich ihn , aber ich trds

ftete inich , als ich fand , daß er jwar bis an die Gråns jen meines Gebietes ftreifte , doch keinen ernſtlichen Eins fall gemacht hatte.

Ich ward indeß zur Chátigkeit aufges

regt , und entſchloß mich ſogleich , jene stiften zu durchſus chen , worein ich meine Sliggen geworfen hatte , ſobald fie vollendet waren , dreißig

und wo viele derſelben feit beinahe

Jahren geſdhlummert haben .

Ich muß den Leſer erinnern , daß die hier ermahnten Stiften ganz und gar nicht jenen cingebildeten Behåltniss ſen gleichen ,

deren Entdedung neulich Mode geworden

ift, und die mit Sandfdriften angefüllt ſind, welche ein wunderliches und geheimnisvolles Wefen hineingelegt hat. Die iueinigen find fåmmtlich farfe ,

wirkliche ,

mit Eiſen beſchlagene Stiften ,

gut gemachte,

die ich ſorgfältig

daju eingerichtet batte , die Schriften aufzubewahren , die ich von Zeit zu Zeit hineinlegte.

Ich weiß recht gut, daß

dieſe ſchlichte und wahre Darftellung der Sache für Viele dieſe

Blåtter minder

Anjiebend

machen

wird ,

aber

Y ongegen wird ſie die Cheilnahme Underer erhöhen ; denn fie werden darin mit Bergnügen Skissen finden , die an Ort und Stelle hingeworfen wurden , als die Thatſachen und die Gefühle , worauf ſie ſich beziehen, noch friſch und warm

vor mir waren . Ich kann in Wahrheit verſichern , daß der Sinn und unſinn , die Anecdoten , Fabeln und Erzählungen , kurz der ganze Inhalt dieſes Buches , muit

Annaline einiger von mir berrührenden weiſen Bemers kungen , wirklich dem guten Volke angehören ,

in deſſen

Mitte ſie geſammelt ſein wollen ,

So eingenommen ich für meinen kleinen Schaß war, ich konnte mich doch lange nicht entſchließen , Welt zu übergeben . dachte ,

ihn der

2016 ich eines Tages darüber nach

wurde meine Aufmerkſamkeit zufällig auf eine

Sammlung perſiſcher Gedichte gelenkt , die vor mir auf dem Tiſche lag .

Ein Fahl , ein Loos , roll meiner uns

ſchlüſſigkeit ein Ende machen ! rief idh aus.

Mit dieſen

Worten ſchloß ich , nach dem Gebrauche meiner perfiſchen Freunde in ähnlichen Fällen , meine Augen , öffnete das Buch , und fieben Seiten rückwärts jáblend , las ich die erſten vier Zeilen , wie folgt : Wer hat gereiſt, ſoll Beifall finden, Hind ſeine Tugend wie aus hellem Spiegel ftrablen . Was könnte reiner ſein als Waffer Doch widrig wird's , wenn Aill es debt.

VI Meine Freude konnte nicht großer lein.

Ich ſchickte

meine Handſchriften ſogleich dem Buchhandler ,

den ich

erſucht habe , mir über die Aufnahme, welche dieſe Bånde finden ,

genaue Nachricht , zukommen zu laſſen ,

babe ihm einen Wint gegeben ,

daß ,

und ich

wenn ihnen Aufs

munterung entgegenkommt , die erwähnten stiften keiness wegs erſcopft ſein werden ,

Leben

Sitte

und in

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1.

Reiſe von Bombay nach dem perfischen Meerbuſen.

Eine lange Seefahrt hat , beſonders für Reiſende , cine Einförmigkeit, die derjenige, der nie úber das weite Welts meer fuhr, kaum begreifen kann . Ein günſtiger oder wis driger Wind , eine Windftille oder ein Sturm , ein über Bord geworfener Menſch , ein fremdes Segel , oder das Anhaken eines Haifiſches, find Ereigniſſe, die für einen Aus genblick aufregen ; aber der Reiſende verſinkt ſchnell wieder in fein verdroffenes unruhiges Leben , bald eine halbe Stunde in der Stajůte ſitzend, bald eben ſo lange auf den Verdecke gehend , am Lakelwerke rich haltend , wenn das Schiff heftig bewegt wird, oder bei fillem Meere über den Gang hinabſchauend , den Mann beobachtend , der den Lock auswirft, und ungeduldig harrend, bis um die Rit: tagſtunde der Breitengrad angekündigt wird. Das einfórs mige Leben unterbrechende kleine Vorfälle ſind es, wenn er dem wachhabenden Offizier auf dem Verdede in den Weg kommt, und in der Stajůte den stapitán in der Berechnung der Långe fort, wenn er lacht oder ſchwaßt mit andern Müſſigen , denn ju diejer Klaffe wird er in der Mufterrolle

1 10 der Mannſchaft gerechnet. Für mich aber gibt es eine Bes fchäftigung , die mir auf einer langen Seereiſe die Zeit vertreiben hilft. Ich bin immer auf der Lauer, wunderlis che Menſchenwefen zu ſehen , und deren gibt es in Menge auf der See, weßhalb wir vermuthlich einen ſeltſamen Mens fchen einen wunderlichen Fiſch nennen , in Anſpielung auf das Element , wo man ihn häufig findet. Einen ſolchen fand ich an Bord der Fregatte , worin wir nach Perfien reiften , und ich will eine Slijse von ihm geben , wie ich fie im Augenblicke aufgenommen habe. Dieſer Mann, der Peterſon hieß, war, mas er ju fein ſchien , ein derber Matroſe. Seine Bekanntſchaft mit dem indiſchen Meere empfahl ihn zu der Stelle , die er jest, als Oberſchiffer auf der Fregatte, bekleidete. Er war eine Figur , den Fallfaff zu ſpielen , ſehr flammig und gegen fechs Fuß hoch. Seine Stleider bingen loſe um den Leib, und als er, an Bord kam , fiel einem Matroſen der Ans blick ſo febr auf , daß er ſeinen Kautabak umwendete, indem er ihn anfah , und ausrief : „ Wir werden nun nie mehr um Segeltuch verlegen ſein , unſer neuer Oberſchifs fer hat Reſerveregel bei fich .11" Ich will Peterſon's Geſchichte mit ſeinen eigenen Worten geben , wie er ſie uns an dem Tage , wo er an Bord kam , nach Liſche erzählte . ,, Ich bin ſeit zwei und dreißig Jahren auf der See , ſprach er , und habe Winds fillen und Stürme erlebt. Als ich noch ein junger Menſch rar, wurde ich von einigen wilden Amerikanern ganz mit Pfeilen geſpickt, und hatte nicht eine Tabafbore einen Pfeil abgehalten , der auf einen edlen Cheil gerichtet war , fo würde ich zu jener Zeit in Abrahams Schoß ges gangen ſein . Seit ich in dieſes Land kam , es find nun acht und wannig Jabre, war id bald oben bald unten,

1

11 aber ich fam leidlich über alles hinweg, bis vor drei Jahs ren , als ich in einer kleinen Schaluppe nach Bomban ging und einige Seeräuber aus Bate * mit ihrem Schiffe vor uns anlegten . Wir fochten ſo gut als möglich ; aber die Schurken waren uns überlegen , und während wir einen Eheil des Schiffes vertheidigten , kamen ſie auf einem andern an Bord, und gaben zu gleicher Zeit Feuer, wodurch mein Patron an meiner Seite getödtet wurde. Ein Reifender ſprang über Bord . Du biſt ein Narr, dachte ich , laß es noch ſo ſchlimm gehen , dazu bleibt ja immer Zeit. Einer von den Sterlen rah mich an und rief : Mar Harami , das heißt : ſchlagt den Schurken todt ! Mut mar , tódtet ihn nicht! ſprach ein Sterl, der weich herziger ausſah , und ſchüßte mich gegen den Streich. Ich wurde nicht getödtet , ſondern an die Ans kerwinde gebunden , und man brachte uns nach Bate . Bei unſerer Ankunft tam der Anführer an Bord , und ich dachte nicht anders ,

wir follten ans Land gebracht

und gehängt werden . Als der Burſche mich bohlen ließ, rah ich ſchon aus ! Mein Bart war drei Wochen alt, und ich hatte mich in ein Leelegel gewickelt. „ Wer biſt Du ?" fragte er . – Ein Engländer , antwortete ich .' ,, Recht fchón , ich will Dir das Leben nicht nehmen . “ Wahrhafs tig , dachte ich , das iſt mir ſehr lieb . ,,Meine Leute, fuhr er fort , find alle arge Spitbuben . “ Ei ja , dachte idh , Du biſt der årgfte unter der Bande, – Er fragte inich dann , was ich von Geld oder Geldeswerth bei mir hatte , und ich dachte einen Augenblick , er råhe aus, al & ob er es mir wiedergeben wollte,

und ich verheblte

* Eine Inſel am nordweſtlichen Ende des Meerbuſens von Eutſch.

12 ihm nichts , felbft nicht meine goldene Uhr. Das Ganje war gegen fünftauſend Rupien werth . ,, Gut , gut , fagte er , alles roll aufbewahrt werden . Und dad mag denn auch wohl geſchchen fein , ich habe wenigſtens nie einen Pfennig davon wieder geſehen , fünf Rupien ausgenoms men , die der Schuft mir gab , als er mich und meine Mannſchaft nach Bombay ſchickte, ein Geſchenk, wie er ſagte, wovon ich meine Audgaben beſtreiten ſollte. Eros meines Verluftes war ich recht froh , als wir Bate perlier ben und lebendig aus den Silauen der Sterle kamen . Nach einigen Tagen erreichten wir Bombay. Wir ſteckten hübſch in der Suppe. Meine Füße waren geſchwollen, ich hatte ſeit meiner Gefangenſchaft den Bart nicht abges noinnen und nur ein Paar elende Pumpen auf dem Leibe. Zwei Rupien hatte ich noch von den fünf, und damit ging ich in eine Schenke und foderte ein Frühftůd . 418 ich fertig war , ſagte ich dem Dienſtboten , er ſollte mir ſeinen Herrn rufen . Ein engliſcher Stelner kam herein mit gepudertem Stopfe , gråtſchelnd und geziert , und ſprach beim Eintreten : „ Soll ich etwas ? " Ja , ſprach ich , Ihr ſollt etwas . Man hat mich ausgeplundert , ich bin ohne Geld , und werde Euch ſehr verbunden fein , wenn Ihr mir zwanzig oder dreißig Nupien leihen wollt. „ Wer ſeid Jhr - ein gemeiner Matroſe ? " Nicht ganz fo , gab ich zur Antwort ; aber ich brauche das Geld, um mir Sleider anzuſd;affen , und dann bin ich im Stande, ju meinen Freunden zu gehen . Ich bin nicht Herr im Hauſe hier " ſprach das Serrchen , und hüpfte hinaus . Ich fab ihn nicht wieder und auch nicht reine zwanzig Rupien , und als ich einen Imbiſ von einem Diener fos derte , ſagte er mir , mein Frühftůck wäre noch nicht bes jahlt. Während ich mit dieſem Burſchen mich fritt, fam

13 ein Parſe * herein , und fragte mich , ob es nicht beffer fein würde , auf den Bajar ju gehen , Stleider ju borgen und mich dann zu meinen Verwandten zu begeben . Lies ber Himmel, ich hatte nicht eben den Muth , etwas zu thun . Die unfreundlichkeit, die ich nach all meinen Leis in den von meinem landsmanne erfuhr , ſchnitt Herz wie ein Meffer, aber ich dachte, ich könnte dein Pars ren folgen . Er gehörte zu den Leuten , die in Bombay herumgeben , und verſuchen , was ſie mit jedem machen tonnen , der ihnen begegnet . Ich gehe erft in einen las den und verſuche die Sachen , und als ſie mir paſſen , fage Aber der Burſche ich : Morgen will ich Dich bezahlen .

ſpricht : „ Nein , baar wird bezahlt !" Nun , ich mußte mich mieder ausziehen . So ging es mir in vier Staufladen , und ſchon war ich des Dinges ganz můde, als ein guter Sterl, der auf dem großen Bazar Nr. 18. fteht, mir ſagte, ich ſollte mich verſorgen und bezahlen , wenn ich konnte . Ich war angepurt , und ging ju Herrn Adamſon , den ich früher gekannt hatte. Ich fand ihn an der Thüre ſeines Hauſes . Er kannte mich nicht mehr , als ich ihm aber meine Geſchidste erzählt hatte, ragte er : „ O das iſt rehr traurig ! Seid Ihr der arme Menſúly, der ſo viel ausges ftanden hat ? Ich will Euch eine Schlafftelle in einem andern Schiffe verſchaffen . Nehmt dieß ." Er gab mir bundert Rupien . Ich dankte ihm , und ging zum Stapis tån Phillips , der mir zwci Gold - Mohur und rechs Ans

* Parſen nennt man die übkömmlinge der alten Perſer , die den Sitten und dem Glauben ihrer Väter nodi immer trcu geblieben ſind. Es gibt viele dieſer Sünger Serduſdit’s oder Zoroaſters in Bombay , wo ſie, wenn nicht den zahl reichſten , doch den achtbarſten Theil der einheimiſchen Bes völkerung bilden .

füge von Stopf bis zu Fuße ſchenkte. Ich mußte ihm Bes richt erſtatten und drei bis vier Bogen über Bate und über die erfahrene Bebandlung niederſchreiben . Er ſchickte mich zum Gouverneur, Herrn Duncan , dem ich die lange Geſchichte noch einmahl erzählen mußte, worauf ich dann bundert Rupien erhielt . Ich hatte nun imei hundert und dreißig Rupien und einen reinlichen Anzug . Ich gehe wieder in die Schenke und fodre munter meinen Imbiß. Die Leute ſehen , daß ich nun ein ganz anderer Mann bin , und werden gewaltig höflich und aufmerkſam . Der Aufwärter bittet mich um Verzeihung , ſagt, es ſei ein Mißverſtändniß iin Spiele geweſen , er habe zwanzig Rupien für mich bereit nnd wolle mir allen gewünſchten Beiftand leiften . Zum Teufel mit eurem Beiſtand ! ſprach ich . Ihr ſeið recht bereit , ihn jedem zu geben , der ihn nicht braucht. Es war eine rechte Luft für mich , ihn ſo zu bedienen . Ich aß mein Gericht, legte das Geld dafür auf den Tiſch und ging hinaus . Die lange Geſchidhte kurz abzumachen fuhr Peterſon fort - ich ging auf ein Schiff , das nach Sina beſtimmt war , und im voris gen Jahre erhielt ich den Befehl auf dem Schiffe eines perſiſchen Staufmanns, der nach dem Meerbuſen bandelte . Er war ein ſchlechter Patron , hatte keinen Stredit , und dieß, so wie die Furcht vor den Arabern , machte mir das Leben ſchwer. Wir trennten uns . Er hat einen andern Stapitán befommen , freilich einen ziemlich ſchwarjen, aber vermuthlich hat er ihn darum defto lieber, weil der Burs ſche reiner eigenen elenden Farbe näher kommt als ich . So kam ich ans Land ohne Geld und ohne Stredit , und war froh , als Oberfchiffer hierher zu kommen . Ich bin , Gott ſei Dank, bei guter Geſundheit und klage nicht; es find ja Diele noch ſchlimmer gefahren als ich .“

15 Dieß war unſeres Oberſchiffers * Geſchichte. Als ich am Tage unſerer Ankunft vor Matkat mit ihm auf dem Berbecke mich unterhielt , fragte ich ihn , ob er eine frau hatte. Nein , war feine Antwort. ,, Alſo nie verheiras thet ? " Das habe ich nicht geſagt , erwiderte er. bitte ich um Entſchuldigung" hob ich wieder an . Das Eine ehrliche hat gar nichts zu bedeuten , ſprach er. Wahrheit braucht fich nie zu verbergen . Ich war verheis rathet. Aber ich unternahm eine lange Reiſe, war ſieben Jahre abweſend , und meine Briefe , deren ich , beiläufig geſagt, nur wenige ſchrieb, kamen nicht an . Was konnte meine Frau anders thun , als wieder heirathen ? Dieß erfuhr ich , als ich nach England zurůdkam . - ,,Und was thatet Ihr ? fragte ich. Sabt Ihr Euch nach ihr ers kundigt ?" Nicht doc ), ſprach Peterfon fehr gleichgiltig. So vieler Mühe hielt ich fie nicht werth . Vermuthlich war ſie froh , mich 108 zu ſein , und Gott weiß , mir war'd nicht leid , von ihr zu kommen .

Die Seeleute werden durch die Glück&wechſel, wele dhen ſie ausgeſeßt ſind, gewöhnt , beſſer als irgend ein anderer Menſch zu ertragen , was ſie das Oben und uns ten im Leben nennen . Wenn fie auf der See ſchwims men , ſcheinen ſie nicht nur all ihre Sorgen ain lande zu laſſen , ſondern auch die Beſchwerden zu vergeffen , die mit ihrem Berufe verknüpft find . Ein merkwürdiges Beiſpiel davon gab und unſer Stapitán. Er war eines Tages , wie er uns erzählte , auf einen Lichter gegangen ,

* Er iſt nicht mehr. Er war unglücklich , bis er einen groß: müthigen Patron in Bombay fand , deſſen Wohlthätigkeit er es verdankte , die leßten Tage feines Lebens in Ruhe und Bequemlichkeit zu genießen .

16 an deffen Bord fidh fehr viele, eben zum Dienſte gepreßte Leute befanden, welche aber, fo enge fie in ihrem ſchwims menden Sterker verwahrt wurden , dennoch in den Chor eines vaterländiſchen Gefanges einftimmten und munter das alte Lied fangen : Wer ift ſo frei als wir Söhne der Wogen ?

II. Mas kat.

„ land poin Nafkorb !" Wie ſieht's aus ? , Sohetland, Herr Stapitán ; an der BackbordsŠeite. Es ftreckt fich nach Stónnt Ihr Land auf der Steuerbord- Seite Nordmeft. Nein . " Nun , erwiderte der Kapitán, ein wes ſeben ? nig ftoli , ſo haben wir's gerade getroffen. Die Wache ift gut, und in drei bis vier Stunden ſind wir in Maskat. Es traf ein , wie vorausgeſagt. Derftande ich mich nun darauf , Ausſicht und Rückſchau zu beſchreiben , wie würde ich meine Leſer unterhalten , wenn ich die öden Felfenberge Arabiens, wo fich nicht eine Spur von Pflans zenwuche findet , mit den beſchatteten Stiften Ceylons, und den dunklen Wäldern , welche die boben Berge auf der Malabars Stufte bekleiden , in Gegenſaß ftellte. Aber id bin fein Reiſender, der auf mahleriſche Schilderungen ausgeht , und es genüge daher , wenn ich ſage, daß die unfruchtbaren Berge , die wir nun betrachteten , eine von ihnen beinahe umſchloffene Bucht ſchůßen , an deren åus Berſtem Ende eine kleine Ebene liegt, mit hohen Häuſern dicht bedeckt, welche die Stadt Maskat bilden. Dieſer

17 Stapelort des perfiſchen Meerbuſens wird durch Geſchůt gedeckt, ons den engen Eingang beherrſcht , ſo wie durch Beveſtigungen , die jeden Theil der ungleichen und håßlis chen umliegenden Berge und Felſen vertheidigen . Mass kat fteht unter der Herrſchaft eines Fürſten , der Imam genannt wird, und, wie viele andre Hårptlinge in Arabien, eine mehr patriarchaliſche als will führliche Gewalt ausübt. Er hat eine anſehnliche Seemacht mit einigen Fregatten, ein bedeutendes Heer zur Beſchůßung ſeiner Gebiete auf den Stůften Afrika's und Arabiens und der Inſeln im pe: fiſchen Meerbuſen , aber dennoch muß er der Auffodes rung jedes Bewohner der Stadt Maskat folgen , der ihn ins Gericht ruft. Eure Zweiffer , die nirgend als in den europäiſchen Staaten eine gerechte Ausübung der höchften Gewalt finden wollen , mögen dief eine bloße Förmlichkeit nennen . Es mag ſein ; gerade der Uinſtand aber , daß mir die Beobachtung einer folchen Form bes kannt war, trug viel dazu bei, mir ein Bild von der Eis genheit dieſes einzigen Staates zu geben . Mehr als was wirklich geſehen wird , iſt es der Blid , die Stimmung, die Einſicht des Beobachters , wat demjenigen , der feine Meinungen aus der zweiten Sand erhalt , einen Begriff von dem Zuſtande entfernter Volker gibt , und die meis ften Lerer, die ihre Glückſeligkeit auf ein natürliched Bors urtheil zu Gunſten ihrer eigenen Gewohnheiten und Ges brauche gebaut haben , neigen fich gern zu ſolchen Beobs Achtern , die ihrem Stolze und ihrer Heimatliebe ſchmeis cheln , indem ſie einen dunklen Schatten auf alles wers fen , was von Alt s Englands Sitten abweicht, oder auf diejenigen Nachbarländer , die ſich durch ihr gutes selima, durch wohlfeile Lebensmittel und wohlſchmeckende Weine Vorliebe gewonnen haben . I. 2

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Die oftliche Halbkugel hat ein gewiſſes ehrwürdiges Anſehen in den Augen alter Leute , weil fie glauben, daß der Stern der Wiffenſchaft jenen Himmel zuerft erleuchtet habe ; Stinder ergeßt ſie, weil ſie das Stammland der bes zaubernden Nachtmáhrchen ift, Frauen bewundern die ges blůmten Muſſeline , die koſtbaren Schable , die reinen Perlen und blißenden Diamanten des Morgenlandes , Staufs leute betrachten es als eine Quelle des Handelfreichthums, der Naturforſcher , der Pflanzenkenner und der Geolog durchſuchen eine Ebenen , feine Wålder und ſeine Berge, um Einhörner, Spike, prachtige Zeolith - Stücke und groß artige Baſaltbildungen zu finden ; der engliſche Strieger ſucht dort ein Erntefeld des Ruhmes , wåhrend fromme Heidenboten , an Eifer den Striegern überlegen , hinauss siehen , um die Millionen Morgenlander von ihren Irrs thümern zu befreien und fie auf den Weg des Lebens ju führen . Alle, wie verſchieden auch ihre Zwecke fein mós gen , treffen in einem Punkte zuſammen , daß die mors genländiſchen Fürften Zwingherren ſind und über Sklaven gebieten , daß jene grauſam , dieſe herabgewürdigt und elend , und beide gleich unwiſſend find. Ich hatte den Vater des jeßigen Imam's von mass fat geſehen , als ich früher im Gefolge einer Geſandtſchaft nach Perfien ging . Er hatte uns an Bord des Gana dichama , feines Flaggenſchiffes , geführt, das fünfhundert Laft hatte und vierzig Stanonen führte. Wir fanden ihn in einem ſehr einfachen Anjuge, wiewohl ſeine Umgebuns gen nicht ohne einige Pracht waren . Er hatte einen Schahl wie einen Turban um den stopf gewickelt , und der arabiſche Mantel , der ſein ſchlichtes Unterkleið bes deckte , war von feinem weißen Tuche , aber ohne alle Verzierung , er trug kein Geſchmeide, keine Waffen, nicht

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einmahl einen Dolch , und fein Benehmen war einfach, månnlich , und verrieth einen thårigen unternehmenden Sinn . Seine Mannſchaft , Araber , Nubier und Abyffts nier , die auf oder bei dem Hinterdecke waren , rahen zwar zuweilen die Gäſte an , hatten aber meiſt ihre Blicke auf ihren Fürften geheftet. Ich fand in ihren Geſichtern den Ausdruck von Zuneigung , nicht von Furcht, und es entging mir nicht , daß er nie anders als liebreich Einen von ihnen anſah oder anredete. Während wir bei dieſem Beſuche unter einem Schirmdache auf dem Decke raßen, kamen mehre Befehlhaber ſeiner größten Schiffe, die eben von Basra angelangt waren , an Bord. Der Imam war mit dem Geſandten in der Stajůte, und ehe er heraus: kam , ſah ich mit Vergnügen , wie herzlich dieſe Befehl. haber beinahe von allen an Bord begrüßt und empfans Friede ſei mit Dir sen wurden . Salam Aleikum ſprachen Alle, und jeder , der einen Freund wiederfab, faßte deſſen rechte Hand, die er drůckte und dann bis, an Merkwürdig war es , wie weit dieſe feine Bruft hob . herzliche und vertrauliche Begrüßung ging , die keineswegs durch jene Regeln beſchránkt war, welche man unter gefits tetern Vólfern nöthig findet. Der arabiſche Seemann, wie gering auch ſeine Beſchäftigung war , redete die Bes fehlhaber mit einer Ungezwungenheit und Freimuthigkeit an , woraus ich abnahm , daß er in Beziehung auf den Ich rein menſchlichen Verkehr fich ihnen gleich achtete. fragte einen Nann , der neben mir ſaß , ob folche Bertraulichkeit nicht zuweilen der Striege ;ucht Eintrag thate . ,, Nein , war feine Antwort, man fennt die Schrans ken ſehr gut , und wenn ſie überſdhritten werden , folgt ftrenge Beftrafung. Für uns Araber iſt das Recht , mit unſern Obern zu reden , wie Du eben geſehen haft, unſer 2*

20 fioljeftes Borrecht, deffen Verlufi eine Folge des Mißbraus ches ſein mußte und als Entbehrung und Unebre tief wurde gefühlt werden . " gener Auftritt ward unterbrochen , als fich die Stajús tenthüre öffnete , und jeder trat auf ſeinen Plat , ſobald der Imam auf dem Berdecke erſchien . Er blieb ftehen , mihrend die Befehlhaber , die von ihren Reiſen jurůdkas men, der Reihe nach und ihrem Range gemåß vortraten, und ſeine ausgeſtreckte Rechte mit beiden Händen ums ſchloſſen , ſie drůdten , und ſich tief verbeugten , worauf fie ihre Rechte grüßend zum Haupte erhoben , fie auf das Herz legten , und ſich dann zurückzogen . Als dieſe Hofs lichkeiterweiſungen zu Ende waren , regte ſich der Imam, und foderte uns und all ſeine Oberoffiziere auf , daſſelbe zu thun . Es warð ein Gaſtmahl an Bord angerichtet , woran Alle Cheil nahmen . Als wir uns entfernten , und an dem Hintertheile des Schiffes vorůberfuhren , rah ich mit ueberraſchung einige Frauen des Jmam's , unter weld en

auch ſeine liebſte Gattinn war, und die unverſchleiert ſehr neugierig und anſchauten . Sie ſchienen ſehr vergnügt zu fein , und wir ſchrieben dieß dem Umftande ju , daß der Geſandte den Söhnen des Imam's, zwei ſchönen Sinaben , Aufmerkſamkeit bewieſen und Geſchenke gemacht hatte. Ich hatte des Jmam's Hof geſehen, mit ihm , ſeinen Söhnen und ſeinen vornehmſten Beamten Unigang ges habt , ich hatte bemerkt, wie viel Sicherheit Staufleute und andre Bewohner , Mohammedaner ſowohl als Indier, in Matkat genoſſen , und all dieß machte einen ſo angenehs men Eindruck auf mich , daß die Skisse , die ich von den Sitten und Gewohnheiten der Bewohner des Ortes ents warf , nichts weniger als ungünſtig war . Ich zeigte ſie

21 eines Tages einem Freunde, einem Schiffhauptmann , der zu meiner nicht geringen Ueberraſchung in ein lautes Ges lichter ausbrach , und mir ſagte, er konnte mir ein ganz entgegengelegtes Gemahlde von demſelben Schauplaße seis gen . „ Wir haben , reßte er hinzu, einen Befehl der Ads miralitat , nach welchem ' die Offiziere eines Striegſchiffes, wenn fie in wenig bekannte Håfen kommen , die Sitten und Gewohnheiten der Bewohner beſchreiben ſollen . Mein Schiffer iſt ein trefflicher Seemann, aber ein derber Burs ſche, der ſich um Dinge am Lande wenig bekümmert. Ich war neugierig, ſeine Bemerkungen zu hören , und da ich wußte , daß er etwa dreimahl die Stadt Maskat bes fucht hatte, fo beftand ich daranf, daß er die Verordnung befolgen und die Spalten ſeines Tagebuches ausfüllen follte. Er ſuchte dieſer Pflicht ſo lange als möglich auss zuweichen, endlich aber ging er voll Verzweiflung in reine Stajúte, und mit ſeinem Buche in der Hand zurüdfehs rend, ſprach er : ,,Nun, hier habe ich ihren Befehl erfüllt, und Sie werden alles finden , was ich über dieſe ſchwars jen Sterle ſchreiben konnte , und alles , was fie verdienen . Ich nahm das Tagebuch und las : Bewohner von Mass kat. Die Sitten betreffend , ſo haben fie feine, und ihre Gewohnheiten anlangend , find fie ſehr viehiſch . " Ohne Zweifel werden Viele die Schilderung des gus ten Schiffers treuer als die meinige finden , und gewiß wird der Reiſende jene kurze Beſchreibung dieſes rohen und unreinlichen Volkes vorziehen , wenn er reine Beobs achtungen auf den geſchäftigen Strand beſchränkt, der von Sklaven wimmelt, mit Dattelpaften bedeckt , ſchwarz von Fliegen iſt und nach faulen Seefiſchen ftinkt, oder wenn er etwa in die elenden engen Straßen der Stadt ritt , und , wie es wohl geſcheben kann , Reiben von

22 Sklaven fieht , welchen ein mann folgt, der ihre Preiſe in dieſer wandelnden Berfteigerung aufruft : ,, Nummer Eins - ein hübſcher junger Mann , fünfhundert Piafter ; Nummer Zwei - ein wenig álter, aber geſund und ſtark,, vierhundert Piafter " und ſo weiter , bis er die ganze Reihe der unglüdlichen Zweifüßler beſchrieben hat. Wer wollte ſich nicht mit Unwillen und Abſcheu von folchem Schmuß und Gräuel wegwenden ? Sind wir aber ners venſtark genug , das beſchriebene Schauſpiel ein wenig långer anzuſehen , ſo werden wir finden , daß die Häufer darum fo dicht an einander gedrängt find, bis die Erhals tung der Reinlichkeit uninoglich wird , weil Menſchen und Eigentum in dieſem Safen gegen ungerechtigkeit und Unterdrückung Schuß genießen , und unſer Abſcheu gegen die Wirkung wird bei der Betrachtung der Urſache in hohem Grade beſiegt werden . Ja , wenn wir unſern Blick auf den Sllavenbandel werfen , deffen Hauptmarkt Maskat ift , ſo ſcheint zwar die Art des Verkaufes jenen Schiffer ju rechtfertigen , der den Bewohnern viehiſche Gewohnheiten zuſchrieb, betrachten wir aber das Loos der Opfer dicfes Handels, der noch vor Sturzem unſer Baters land entehrte , und beinahe von allen gefütteten Vólfern Europa's noch immer öffentlich oder beimlich getrieben wird , ſo werden wir uns genóthigt ſehen , die bóbere Menſchlichkeit der Bólfer Afiens anjuerfennen . Im Morgenlande kommt der Sklave , der zum Dies ner beſtimmt wird, in die lage eines begünſtigten Dienſts boten , und nimmt er den Glauben reines Herrn an , ſo ift dieß gewöhnlich der erſte Schritt, fich die Gunft deffels ben zu erwerben . Einige Seehåfen ausgenommen , wird er fchwerlich irgendwo ju barter Arbeit verurtheilt. In Aſien gibt es keine von Sklaven bearbeitete Felder , keine

23 Fabrifen , worin fie arbeiten müſſen ; all ihre Beſchäftis gungen ſind häuslicher Art und gutes Betragen wird mit Wohlwollen und Vertrauen belohnt , wodurch ſie in den Streis aufgenommen werden , dem fie angehören . Das Wort Gholam oder Sklave, iſt in mohammedaniſchen Låns dern kein Schmåhwort und bezeichnet nicht einmahl einen herabgewürdigten Zuſtand. Die Georgier , Nubier und Abyffinier , ſelbſt die Sidi oder Staffern , wie man die wollhaarigen Afrikaner nennt , find gewöhnlich verheira : thet, und ihre finder, die Hausgeborene -- Sthana Zadeh heißen , werden gewiſſermaßen zur Familie des Herrn ges rechnet. Man halt ſie für die ergebenften ſeiner Anhans ger ; ſie erben oft einen anſehnlichen Theil feines Vermós gens , und nicht ſelten verlieren fie , mit Ausnahme der wollhaarigen Staffern , durch Heirath mit einer Verwands ten ihres Herrn , oder eine andere eben ſo achtbare Vera bindung , alle Spuren ihres Urſprunget. Nad) dem mohammedaniſchen Geſege gibt es zweierlei Sklaven , vollkommene und unvollkominene oder begúns frigte. Diejenigen , die zur erſten Stlaſſe gerechnet wers den , ſind mit ihrem geſammten Eigenthume dem Willen ihrer Herren unterworfen . Die andern aber können zwar vor ihrer Freilaffung weder ein Eigenthum erben noch fonft etwas erwerben, haben jedoch manche Borrecte, und können nicht verkauft oder ů verlaſſen werden. Eine Slla : vinn , die ein Stind von ihrem Gebieter hat , gehört zur begúnftigten Stlaſie , ſo wie auch ein Sklave , dem ſein Herr , gegen Bezahlung einer gewiſſen Summe oder nach ſeinem Tode , die Freiheit verſprochen hat. Der Storan und alle Erläuterer deſſelben , ermuntern ſehr zur Freis laſſung der Sklaven . Mohammed ſagt: ,, Denjenigen Deiner Sklaven ,

die eine geſchriebene urkunde begehren,

24 welche ihnen erlaube , fich zu löfen gegen Erlegung einer gewiffen Summe , ſchreibe ſie , wenn du weißt , daß fie gut find, und gib ihnen etwas von Gottes Reichthümern , die er dir gegeben hat. " Dieſem Gebote gehorſam , ges ben die Mohammedaner einem Sklaven oft kleine Stücke Land , oder unterrichten ihn in einem Gewerbe , damit er durdh Fleiß und Sparfamkeit fich die Mittel verſchafs fen fónne, fein Lóregeld zu bezahlen , während er ju gleis cher Zeit fich Gewohnheiten aneignet , die ihn der Gabe werth machen . Die Mohammedanier werden zur Freilaſs fung der Sklaven auch durch das Geſek ermuntert , das ihnen einen Erbanſpruch auf das Eigenthum eines freiges laffenen Sklaven gibt. In einer Hinſicht ftehen die Sklas ven in mohammedaniſchen Ländern auf gleicher Linie mit freien Weibern . Sie erleiden für alle Verbrechen , die fie begehen , nur die Hälfte der Strafe , die dem manne auferlegt wird. Dieſes Geſek gründet ſich auf die Vora ausſeßung , daß die Sklaven hinſichtlich der Stenntniſſe oder der geſellſchaftlichen Bande mit den übrigen Glies dern der Gemeine nicht auf gleicher Stufe ftehen . Die Anwendung dieſes Grundſages auf Falle , wo das Geſek Tod oder Verſtůmmelung verordnet, hat die weiſen Rechtes gelehrten nicht wenig in Verlegenheit gereßt, und ſie has ben das gewöhnliche Auskunftmittel gebraucht, dicke Bús cher über den Gegenſtand zu ſchreiben , aber ſo viel ich weiß , haben ſie noch nicht herausgebracht, wie ein Weib oder ein Sklave mit dem Verluſte eines halben Lebens bez ftraft werden ſolle , oder wie es einzurichten ſei, ihnen ein halb verftůmmeltes Glied zu laſſen . Stehren wir nach Matkat jurück. Ich hatte es in als len Jahrzeiten beſucht. Silima angenehm.

Es war nun Winter und das Im Sommer iſt die Hiße unertråglich.

25 Außer dem Winde der gerade in den engen Eingang der Bucht blåſt, iſt es durch die Berge gegen andere Winde ges fchüßt und wird felten von einem Lufthauche erfriſcht. Die Wirkung der Sonnenſtrahlen , die von den , über die Stadt und den Hafen hangenden nadten Felſen und Bes veftigungen zurůdprallen, bringt einen Wårmegrad hervor, der nach der Beſchreibung eines perfiſchen Dichters einem keichenden Sünder eine lebendige Vorempfindung ſeines Fünftigen Schickſals geben kann . Der junge Imam , Sied Sajeb , war auf einem Striegesuge , aber ich bedauerte dieß um ro weniger , da ich ſeinen Vater gekannt hatte , der in Sitteneinfalt, Verſtand und Muth feinein verdienten Sohne gleich war. Unter den erſten , die an Bord kamen , ſah ich mit Vers gnügen meinen alten Freund , Mohammed Gholum . Er hatte all guter Seemann bei der erſten Geſandtſchaft im Jahre 1800 uns als Lotſe von maskat nach Ormus ges führt. Er war jekt zum Staats - Lotſen befördert worden , da er einer der erſten Miniſter des jungen Jmam's war, von deffen Character er mit großem Lobe fprach . Sein Bater, feßte er binju, war ein tapferer Mann ; er fiel in einer Schlacht , und wenn rein Sohn fich auch überall der Gefahr ausreßt, wird er ebenfalls umkommen . Es wird ihm rehr leid thun , daß er den Geſandten nicht fehen kann, denn mit dankbarer Erinnerung denkt er an die Beweiſe von Wohlwollen , die er all ſinabe von ihm empfangen hat. Das Modell eines Schiffe von 74 Stanonen , das er von ihm erhielt , wird ſorgfältig aufbewahrt. Mohammed Gholum hatte ſich im Glücke nicht vers åndert , ſondern behielt die ganze Freimuthigkeit und Männlichkeit eines arabiſchen Seemannes. Wir hatten und viele Alte Geſchichten zu erzählen , und über eine , worin

26 . er ſelber eine ausgejeichnete Rolle ſpielte, lachte er berzlich . Er wollte unſer Schiff, die Fregatte Bombay, füdwårts von Ormus führen , als wir uns aber der Inſel nåberten , kam der Wind uns entgegen , und wurde hefs tiger. Unſer Lotſe ſagte dem Stapitán , es bliebe nichts übrig , als in den Hafen zu laufen , wohin wir uns richs teten , indem wir zwiſchen der Inſel und der perfiſchen Stůſte ſteuerten . So geſchah es . Das Wetter wurde ſchlimmer , es erheb ſich ein Sturm , wir verfehlten den engen Stanal und kamen auf eine Schlammibank , wo wir einen Augenblick figen blieben , während die Wogen über das Schiff ſchlugen . Der Stapitán ließ mehr Segel auf: ziehen , um das Schiff durch den Schlamm zu bringen , und rief : ,, Lieber wollte ich ein Lack Rupien geben , alb das Stompagnie - Schiff verlieren ! Was liegt am stoms pagnie -Schiff; ſprach ein Reiſender , wenn Sie uns nur ficher ans Land bringen . “ Der Seemann auf dem Vor: ſprunge hob das Senkblei und rief : Drei weniger ein Viertel ! ,,Was hilft euer Drei weniger ein Viertel, ſprach ein unges duldiger Reiſender, wenn das Schiff veft figt ? ' Das geht den Stapitán an , mich nicht , ſprach der unbekümmerte Matroſe, das Senkblei wieder hebend unó rief : Drei wenis ger ein Viertel ! In dieſem Augenblicke wurde meine Auf merkſamkeit auf meinen Freund Mohammed Gholum gezogen, den ein irländiſcher Officier durd) den Aufruf erſchreckte : ,, Ich verſtehe euer elendes Stauderwelſch nicht, aber ich und er fuhr mit dem will euch die Stehle abſchneiden Finger über die Gurgel , um ſeine Meinung begreiflich ju machen - die Steble will ich euch abſchneiden , ihr uns wiſſenden Geſellen , daß ihr angeſehene Leute in dieſer lumpigen See erſäuft.“ Während dieß vorging , brachte Die Wirkung der aufgezogenen Segel das Schiff über die

27 Schlammbanf, und in wenigen Minuten waren wir ficher im Hafen Drmus , wo wir alle Gefahr vergaßen . Der ganz erſchöpfte Mohammed Gholum war gleich nach den Anfern auf einem Ruhebette in des Stapitáns Stajúte in Schlummer geſunken ; aber die vergangenen Ereigniſſe bes ſchäftigten ihn im Traume , und als ich ihn ſchůttelte, um ihn zum Abendeſſen ju rufen , fuhr er auf und rief mit Wir ihn, den

verſtórtem Blicke : ,, Wie viel Faden habt Ihr ?" ſagten ihm , er ſollte ſich reßen , und wir wollten ſeinem Jolam zum Troße, eine Punſchſchale ergrúns lehren . Bald nach unſerer Ankunft in Matkat wurden wir

von Leuten aus allen Völkerſchaften und von allen Fars ben beſucht. Für mich war nichts anziehender , als das deußere und das Benehmen einiger Araber aus dem Hins nenlande , die von ihren Landsleuten an Bord gebracht wurden , um ein engliſches Striegſchiff zu ſehen . Leichte und gewandte Geftalten , deren Züge Leben und Straft verrietben . Jhr auégrzeichnetfter Zug mar dat dunkle rollende Auge , das mir vielleicht um ro mehr auffiel, da es ſchnell von einem Gegenſtande zum andern eilte , und bei allem , was es fab , verwundert glänzte. Ein gutes Teleskop war ſo geſtellt , daß man eine der entfernteſten Beveftigungen deutlich ſehen konnte . Ich rief einen Aras ber herbei , ihn hineinſehen zu laſſen . Er ſah etwa eine Minute ins Fernrohr, ſtarrte mich dann mit der geſpann : teften Aufmerkſamkeit an , und ohne ein Wort zu ſagen , ſprang er über Bord . U18 das Boot , worin er ſich bes fand , ſich ein wenig entfernt hatte , rief er auß : „ Ihr ſeid Zauberer , und jeħt lebe ich , wie Ihr Stådte eins nehmt. Jenes Ding . er wies auf das Teleskop bringt ſie Euch ſo nabe als Ihr wollt , und waren fie

28 noch ſo weit." Seine Einfalt beluſtigte uns ſehr , aber er ließ fich durch Zureden nicht bewegen, noch einmahl an Bord zu kommen , und ſich ſo viel Belehrung über die Dptik geben zu laſſen , um dem Irrthume zu entſagen , daß wir Jünger der ſchwarzen Stunft wåren . Die Araber in Matkat gaben eine üppige Beſchreis bung einiger ſchönen Chåler , ungefähr zehn Wegſtunden von der Stadt ; aber das Ergebniß einer genauen Erkuns digung brachte uns zu dem Schluſſe, daß die grünen Wie: fen und die klaren Stróme , die ſie beſchrieben , ihren Werth hauptſächlich ihrer Seltenheit verdankten, und daß der Nahme des g lů ck lichen Arabiens mehr in der Uns fruchtbarkeit des bei weitem größeren Theiles dieſes bes rühmten Landes, als in irgend einem wunderbaren Vors zuge des Silima's oder der Erzeugniſſe des Gebietes, das fo genannt wird , ſeinen Grund haben mußte.

III

Der perfiſche Meerbuſen.

burch ehr.

418 wir in den perfiſchen Meerbuſen eingelaufen was ren , befand ich mich auf dem klaſiifchen Boden , auf dem Schauplaße der wunderbaren Abenteuer des Seemanns Sindbad . Ich ließ einen arabiſchen Diener , Nahmens Sthudadad , rufen , und fragte ihn nach den Bewohnern der unfruchtbaren Stüfte Arabiens , die vor uns lag . Er antwortete mit anſcheinender Unruhe : ,, Sie gehören zur Sekte der Wahahbi und heißen Dichuaſfimi, aber Gott behůte uns vor ihnen, fie find Ungeheuer. Ihre Beſchåfs

29 tigung ift Räuberei , ihr Vergnügen Mord , und was die Sache noch ſchlimmer macht, für jede Schlechtigkeit , die fie begehen , geben ſie die frómmiften Gründe an . balten fich an den Buchſtaben des heiligen Buches und verwerfen alle Erläuterungen und Ueberlieferungen . Wirft Du von ihnen gefangen , und gen für die Rettung deines fie : Nein , es fteht in dem unrecht iſt, die Lebenden zu

willſt Du all deine Befikuns Lebens hingeben , ſo ſagen Storan geſchrieben , daß es plündern , aber das heilige

Buch verbietet uns nicht, die Todten auszuziehen . — Und mit dieſen Worten ſchlagen ſie Dir den Schadel ein. Aber , fuhr Sthudadad fort , es iſt auch nicht ganz ihre Sduld , ſie fiammen von einem Haul oder Ungeheuer ab , und handeln nach ihrer Natur.' Ich bat den Araber , mich über ihren Urſprung ges nauer zu unterrichten . Meine Unwiſſenheit ſchien ihn zu befremden , und er ſagte , die Geſchichte můßte , wie er glaubte , in der ganzen Welt bekannt ſein , indeß ließ er mein Geſuch nicht unerfült. ,, Ein arabiſcher Siſcher, hob er an , der in einem Dorfe am perſifchen Meerbuſen

nicht weit von Gombrun lebte , war eines Tages bei ſeis ner gewöhnlichen Beſchäftigung, als er ſein Net ſo ſchwer fand , daß er es kaum ans Land ziehen konnte. Frohlos dend über rein gutes Glück, ſtrengte er al reine Sträfte an , aber wie groß war ſein Erfiaunen , als er ftatt eines Fiſchzugs in feinem Neße ein Chier in Menſchengeſtalt fab , das mit Haaren bedeckt war. Er nå herte ſich ihm vors fichtig , und als er fand , daß es arglog war , brachte er es in ſein Haus , wo es bald ſein Liebling wurde. ES hatte zwar keine Sprache und konnte keinen Laut von ſich geben als haul , baul -- woher es denn ſeinen Nahmen bat - aber es war ungemein gelehrig und Berftändig, und

30 der Fiſcher , der etwas wohlhabend war , brauchte es zur Bewachung ſeiner Heerden . Eines Tages famen hundert Perſer zu Pferde, in voller Rüftung, aus dem Binnens lande und wollten die Schafe wegtreiben . Der Haul, der allein und nur mit einer Steule bewaffnet war , gab ihnen Zeichen , davon abzulaſſen , aber ſie ſpotteten nur ůber rein unnatürliches Ausſehen , bis er Einige todt ſchlug , die ihm zu nahe kamen . Sie griffen ihn nun insgeſammt an , aber ſeine Gewandtheit war noch größer als rein Muth und ſeine Stårke , und während er Alle erlegte , die er treffen konnte, mich er allen Streichen' ſeis ner Gegner aus , und ſie flohen , als die Hälfte ihrer Zahl gefallen war. Der Fiſcher und ſeine Nachbarn eit : ten , auf die Nachricht von dem Stampfe , dem treuen Haul zu Hilfe , den ſie im Beſige der Pferde, Stleider und & affen der beſiegten Perſer fanden . Ein Araber aus dem Dorfe war erſtaunt über den Muth des Haul's und warf ein gieriges Auge auf die Reichthümer , die ihm der Sieg gebracht hatte. Er bot ihm feine Tochter an , die fehr ſchön war , und da ſie gute Eigenſchaften dem åus ßern Anſehen vorjog , fo hatte ſie keinen Widermillen , die Braut dieſes wohlwollenden und tapfern Ungeheuers zu Man hatte nie eine prächtigere Hochzeit im werden . Dorfe geſehen , und der Haul , der einen der koſtbarften Anzüge der erſchlagenen Perſer trug und eines ihrer ſchons ften Pferde ritt , nahm ſich erſtaunlich gut aus. Er war ganz außer fich vor Freude , und trieb ſolche Poſſen und zeigte ſo viel gute Laune , Stärke und Gewandtheit, daß ſeine Braut , die man anfänglich bemitleidet hatte , von Sie würde noch allen Fiſchertochtern beneidet wurde. mehr Neid erweckt haben , hatte fich vorausſehen laſſen , zu welcher Berühmtheit ſie beſtimmt war.

Sie hatte vier

31 Söhne , von welchen die vier Stamme Ben Dichuaffimi, Ben Ahmed , Ben Nafir und Ben Sabuhil entſprungen find , die man bis auf dieſen Tag unter dem allgemeinen Nahmen Ben Haul oder die Stinder Haul's kennt. Alle find Fiſcher , Schiffer und Freibeuter , und leben meiſt auf dem Meere , da fie, wie man glaubt , die Amphis bien Natur ihres gemeinſchaftlichen Staminvaters geerbt haben ." Als schudadad feine Erzählung geendigt hatte, fragte ich ihn nach den Bewohnern der hohen Gebirge , die wir auf der perfiſchen Seite des Meerbuſens emporſteigen fas hen . Erfreut über die neue Gelegenheit , ſeine Stennt : niffe zu zeigen , gab er zur Antwort : „ Sie ſind auch Räuber , aber nicht ro ſchlecht als die Dichuaſſimi. Ihre erſte Anſiedelung in dieſen Gebirgen ſchreiben ſie dem Deus fel zu , aber ſie ſind die Stinder der Menſchen , und ihre Natur iſt nicht teufliſch , wiewohl ihre Chaten juweilen ſehr danach ausſehen. " A16 ich den Araber weiter ausfragte , ergab ſich , daß er die, unter dem Volke beliebte Geſchichte aus Firduſfi * genommen hatte, und ſich ziemlich genau an ſeine Quelle hielt , aber ich will fie in ſeinen eigenen Worten geber.. ,, Du haft von Zohak , dem arabiſchen Fürſten gehört ?" hob er an . Ich bejahte eß. ,, Nun , ſo weißt Du , daß er ein ſehr böſer Mann war , fuhr Sthudadad fort. Er beſiegte den perſiſchen Stónig Dfdhemſchid , Den man ju

* Firduſſi iſt der erſte epiſche Dichter Perſiens , und nicht viele Länder können ſich eines größern Geiſtes rühmen . Sein Hauptwerk, das Š chahn ame, oder das Buch der Stönige , enthält mit Ulegorien und Fabeln vermiſcht , bei: nahe alles , was die Perſer von ihrer alten Geſchichte wiſſen .

32 jener Zeit für den ruhmvollſten Herrſcher auf Erden hielt. Nach dieſem großen Siege ließ fich zobaf vom Teufel verſuchen , der in der Gefalt eines ehrwürdigen alten Mannes ihn verleitete , ſeinen Vater zu tódten , damit er ſich zum Könige von Arabien wie von Perſien machte . Die Menſchen lebten in jenen Zeiten von Pflanzenkoft, der Teufel aber , der gern ſo viele von dem Geſchlechte der Menſchen als immer möglich vernichten wollte, vers ſuchte Zobak mit friſch gebackenen Eiern , und als er ſah , daß dieſe Schüſſel ſchmeckte , ſchlug er vor , ihm ein Ges richt von Rebhühnern und Wachteln zu bereiten , deren Wohlgeſchmad den Fürften ſo ſehr erfreute , daß er reis nen Freund auffoderte , jede beliebige Gunft zu verlans gen . Der ſchlaue Alte fagte , er håtte nur den Wunſch , die Schultern feines geliebten Fürften ju fúffen . Zobak entblößte ich , aber kaum batten die hölliſchen Lippen ſeine Schultern berührt , alt aus jeder eine ziſchende raubgies rige Schlange hervorſprang. In demſelben Augenblicke nahm der ehrwürdige Greis feine wahre Geftalt an , und als er in einem Gewitterfturme verſchwand , rief er aus, nur - Menſchengehirn ſollte die Ungeheuer fåttigen kons nen , die er geſchaffen hatte , und gleich nach ihnen ſollte Zohal ſterben . Es geſchah wie der Teufel vorausgeſagt hatte . Die Schlangen nahmen keine andre Nahrung an, und eine Zeitlang wurden täglich zwei Opfer geſchlachtet, file zu fåttigen . Die Leute, dic den Auftrag hatten , dieſe gråßliche Mahlzeit ju bereiten , und des Teufels Abſicht merkten , faßten den Vorſax , fie zu vereiteln , und ro bald ſie die , dem Tode geweihten Menſchen vor Zobak und ſeine Schlangen geführt hatten , nahmen fie Scafs gehirn und ſchickten die vermeinten Menſchenopfer in die Gebirge von Sterman und Lauriſtan, wo ſie ſich vermehrten

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und zu einem mådtigen Volle anwuchſen , deſſen U6fdams linge noch immer dieſe Berge bewohnen . Man kann an der Wahrheit dieſer Geſchichte nicht zweifeln , ſetzte shus dadad ernſthaft hinzu. Alles fteht in einem Buche ges ſchrieben , und es iſt ein ſchönes Gedicht darauf gemacht worden , das Schahname oder das Buch der Stónige beißt. " Als ich dieſe genaue Nachricht über die Stüſten des Meerbuſens erhalten hatte , landete ich in Aburch ehr, einem perfifühen Hafen , der als Markt für Zitze und Baumwollenjeuche, Datteln und Teufelsdreck berühmt iſt. Wir fanden alle Bewohner der Stadt an Strande. Die größte Bewunderung ſchien die Schüßen - ſtompagnie des vierundachtzigſten Regiments zu erwecken , über deren Unis form man nicht wenig erſtaunt war. Das gleiche Ausſes hen überraſchte die Zuſchauer ſo ſehr , daß jemand auss rief : ,,Dieſe Leute müſſen alle von einem Vater und eis ner Mutter rein .“ Unn: óglich ! ſprach ein Underer , fie múften ja alle an demſelben Tage geboren fein . Ich wette, ſie ſind wahre Teufel" ſprach eine alte Frau, welche die Soldaten aufmerkſam betraditet hatte. Die Schüßen erhielten nun Befehl, fich in arſch ju reßen , und die regelmäßige Bewegung ihrer Beine erregte neues Erſtaus nen . Ein alter Staufmann , Nahmens Hadichi Ismael, der fein Leben unter ſeinen Rechnungen zugebracht hatte und dem jede Regelmäßigkeit Freude machte, fand an eis ner Straßenede, währeud die Soldaten vorüberzogen , und mit den Fingern auf fie deutend, ſprach er immer : Rich tig , richtig , richtig ! Jau Gangen ſchien unſere Landung den Männern, Weibern und findern im Safen Abuſchehr viel Bergnügen zu machen . Wir waren kaum acht Tage ain Bande geweſen , als 1. 3

34 zwei was was war

Ereigniſſe eintraten, son mpelchen das eine uns zeigte, die Perſer von uns dachten , das andre und lehrte , wir von ihnen denken ſollten . Vor dem Jahre 1800 ſeit einem Jahrhunderte fein Geſandter eines euros

påiſchen Staates an den perfifchen Hof gekommen ; die Englánder aber, obgleich man ſie in Perſien nur alt saufs leute kennt , batten fich durch den Ruf ihrer Chaten in Indien Striegsruhm erworben . Ein Offizier von einer Fregatte , der ans Land gegangen war , um den Geſands ten zu beſuchen , und ein muthiges Pferd ritt , machte den perfern viel Spaß , als ſie einen ſchlechten Reiter in ihm fanden . Der Mann , der das Schiff mit Gemüſen berſah , und ein wenig Engliſch ſprach , fab den Offizier am nächſten Tage an Bord, und hob an : „ Ihr braucht Euch nicht zu fchamen ; es kennt Euch ja niemand ! Ein fchlechter Reiter ! Ich will den Leuten ſagen, das Ihr gut reitet wie alle Engländer, aber Ihr wäret ſehr betrunken geweſen zu der Zeit , wo fie Euch geſehen haben . “ Dieſe Anſicht von dem Character unſeres Volkes beluftigte uns febr. Der Perſer hielt es eines Mannes aus einem kriegeriſchen Polfe unwürdig , nicht gut zu reiten , aber betrunken zu ſein , war in ſeinen Augen kein Vorwurf für einen Europåer. Der andre Vorfall war noch bezeichnender. Der Ges fandte oder Eltichi, wie die Perſer die Geſandten eines fremden Polics nennen , hatte unter andern wohlthátis gen Entwürfen auch die Abſicht , die Startoffeln einzufühs ren . Unter denjenigen , die darauf eingingen und ſeine uneigennůßigen Abſichten für die Wohlfahrt der Perſer rühmten , war ein fetter , freundlich ausſehender junger Staufmann , dem eine anſehnliche Menge Startoffeln bers ſprochen wurde , da er , nach ſeiner Angabe , ein bedeus

35 tendes Stück Land gepachtet hatte , um ais bemüthiges Werkzeug in der Hand des britiſchen Geſandten das Gute ju befördern . Der Geſandte , erfreut über dieſen Eifer, beehrte den Mann mit ſo auseichnender Aufmerkſams keit , daß er ſich für einen erklärten Günftling hielt , und eines Tages mit dem Vorſchlage - herauszurücken wagte, da die Jahrzeit für das Legen der Startoffeln zu weit vors gerückt wäre , romóchte es der bekannten Grofmuth des Geſandten nicht unwürdig ſein , das ihm jugedachte Ges ſchen in ein Paar Piſtolen oder in ein Stůd engliſches Tuch zu verwandeln . Dieſe voreilige Enthüllung der wahren Abſichten des erklärten Bodenveredlero erregte nicht wenig Gelachter , und ſeine Landsleute , welche auf die ihm bewieſene Gunft eiferſüchtig waren, fimmten bergs lich ein . Man kannte ihn bis zu ſeinem Tode , der vor drei Jahren erfolgte, unter dem Nahmen Startoffel. Mit Vergnügen muß man hinguſeßen , daß der Entwurf, dieſe fcháßbare Pflanje einzuführen , nicht mißlang ; man bat fie in Abuſchehr in der Blüte geſehen , wo man ſie nach dem Nahmen des Geſandten , Malcom's Pflaume , nennt , und er hält den zufälligen Umſtand , der ſeinen Rahmen einer nůßlichen Pflanje gab , für eine ſeiner ficherften Anwartſchaften auf dauernden Ruf. Die engliſche Factorei , die lange in Gombrun fidy befunden hatte , war einige Jahre vorher nach Abuſchehr verlegt worden . Alle alte Diener waren mit hinüber ges kommen , und unter ihnen einer , Nahmens Suffer , der vor ffuriem geſtorben war. Ich erfuhr mit Bergnügen aus der beßten Quelle einen Zug von ihm , welcher

Uluh e Malcolm .

36 für die Milde unſerer landsleute ein ehrendes Zeugniß ablegt , und zugleich zeigt , daß felbft auf dieſem Boden eine gute Behandlung ſtarke und dauernde Zuneigung er: wedt. 418 der arme Suffer , der funfzig Jahre in der Factorei gedient hatte , auf dem Sterbebette lag , verords nete ihm der engliſche Arzt ein Glas Wein . Er ſchlug es anfänglich aus. ,, Ich fann's nicht nehmen , ſprach er, der Storan bat es verboten . Nach einigen Augenbliden aber bat er den Arzt , ihm das Glas zu geben , und im Bette fich aufrichtend, fprach er : „ Gib mir den Wein ! In demſelben Buche fteht geſchrieben , daß ihr Unglåubis gen alle vom Paradieſe ausgeſchloffen ſein follt, und nach funfzigjähriger Erfahrung siehe ich eure Geſellſchaft in der andern Welt jedem Orte vor , wohin ich mit meinen Landsleuten gelangen könnte." Er ftarb einige Stunden nach dieſer Neußerung, und mit Vergnügen bemerkte ich, daß ſein Sohn Werth darauf legte , ein junger Burſche von unfeinem Ausſehen , Nat;nions Derwiſch , den der Geſchäftführer dem Geſandten vorſtellte , bei welcher Ges legenheit er die Geſchichte von des Vaters Anhånglichkeit erzählte. Dermiſch ward in Dienſt genommen , und ich bin ihm auf dem Wege feiner allmähligen Beförderung gefolgt , bis er den Befiş eines großen Bootes erlangt bat , was das höchfte Ziel des Ehrgeizes eines Abuíchebs rers ift. Faft alle Bewohner dieſes Orted find von arabiſcher Herkunft und dem Seeleben ergeben , ein Gang , der um 1o merkwürdiger iſt , da er ſo auffallend gegen die Nois gung der Perſer abſticht, unter welchen alle Volksklaſſen einen unüberwindlichen Widerwillen gegen das Meer has ben . Dieß iſt jedoch nicht der einzige auffallende Unters ( chied zwiſchen jenen Menſchen klaſſen , die bloß darin

37 übereinjuftimmen ſcheinen , daß fie in derſelben Stadt wohnen . Die Perſer , die durch Hoffnung auf Gewinn verleitet wurden , das ſchöne Stlima der Hochebenen im Innern mit den Seehafen am Rande der ſchwulen Wüfte, an den Geftaden des Meerbuſens, zu vertauſchen , behals ten das ganje glatte und geſchmeidige Benehmen ihrer Landsleute , und fie reben mit Widerwillen auf die , in ihren Augen rauhen und wilden Sitten der Araber , welche die Mehrzahl der Bewohner dieſes Landftriches ausmas chen , und ſich in äußerem Anſehen oder Geſinnungen von ihren Verwandten auf der jenſeitigen Stüfte gar nicht uns terſcheiden . Wir fahen ein merkwürdiges Beiſpiel der Characters verſchiedenheit unter den niedern Standen dieſer beiden Volksklaſſen, als der Geſandte eines Morgens einen Wetts lauf zwiſchen einem ſchönen engliſchen Windhunde , Naha. mens Venus , und einem ftarken arabiſchen Hunde , der Stafab oder Fleiſcher bieß , anſtellen wollte. Er gab reis nem Jägermeiſter Heider feine Befehle , und äußerte die zuverſichtliche Hoffnung, daß Venus fiegen werde. Nos hammed Beg, ein ſchlanker und wohlgefleideter perfiſcher Reitenecht , fimmte vollkommen bei , und feste hinju : ,,Wie könnte es dieſem arabiſchen Hunde zukommen , mit dem ſchönen Windhunde des Eltichi ju laufen ? " Andre åußerten daſſelbe , und alle ſchienen gleicher Meinung zu fein , aber ein Araber , Nahmens Sherriba * , der monats

* Gherrib heißt arm , und dieſer Mann war es wirklich ; aber nicht ſelten fiihren Uraber, die ſich durch Rang, Stolz oder Reichthum auszeichnen , Nahmen von ähnlicher Be: deutung , die ihnen ihre Mütter aus frommer Demuth beigelegt haben.

38 lich vier Piafter * Lohn erfielt , einen bunten Turban und ein Stück Zeuch um die Hüften hatte , das nicht einen Piafter werth war , und der den ganzen Tag in der Sonne faß , und Grasſchirme begoß , die man gegen die Hiße vor die Hausthåre geftellt hatte , ſprang plóglich auf , und mit feurigem Auge und kräftigem Nachdrude rief er aus : ,,Bei dem allmachtigen Gott , der arabiſche Hund wird ſiegen !" Gherriba war in jenem Augenblice der Dolmetſch der Gefühle eines Vaterlandes . Die Aus gendiener ftanden umher, den Geſandten beobachtend, und maren nicht wenig årgetlich , als ſie hören mußten , daß er die edle Wärme und männliche Freifinnigkeit des ars men Arabers rühmte , den er einlud , dem Wettlaufe zus juſehen . Das Ende war , wie in vielen ähnlichen Fällen , jede Partei war überzeugt , daß ihr Günftling der Sieger war oder håtte ſein ſollen . Die Hunde liefen wie ges wöhnlich gut. Venus that es dem Araber an Schnelligs keit weit zupor , aber die Jagd , deren Gegenſtand eine balbwüchſige Antelope war , dauerte lange, und gegen das Ende ſiegte die Stärke des Fleiſchers . Man muß jedoch , bei dem Ruhme des Hundegeſchlechts , dem Rehgeſchlechte die Gerechtigkeit widerfahren laſſen , daß die Antelope beis den überlegen war.

* Ein Piaſter iſt ungefähr 20 Pençe 12 gr. 8 pf.

39

IV . Lager bei Ubufchehr. Pferde . 26dulla Nga. Anecdote von einem Araber.

Sald nach unſerer Ankunft in Abulchehr glid unſer Lager einem Pferdes und Maulthier - arfte. Sowohl der Geſandte und ſein Gefolge als auch ſein Geleite von engliſchen und indiſchen Reitern und all reine Diener, mußten beritten gemacht werden , da in Perſien niemand zu Fuße geht. Für die verſchiedenen Perſonen des Gefols ges waren Reitthiere verſchiedener Art nöthig , von den perſiſchen Sklepper, Jabu, bis zu dem Araber von reiner Abkunft * , deren viele an der perfiſchen Stúfte mit eben ſo großer Aufmerkſamkeit auf die Erhaltung des urſprungs lichen aus Arabien ſtammenden Blutes gezogen werden, als man in den erſten Stutereien Englands darauf wens det. Heider , der Jägermeiſter des Geſandten , gab mir Nachrichten über alles, was ich in Beziehung auf die aras biſchen Pferde zu wiſſen wünſchte. Er konnte eine Stunde lang über die Eigenſchaften eines Fullens ſpredjen , das noch unverſucht war , aber nach ſeiner Berechnung alle Eigenſchaften des Vaters und der Mutter befißen mußte, mit deren Geſchichte , mie mit den Verhältniſſen ihrer Voráltern , er genau befannt war. Seider hatte Antheil an fünf bis ſechs berühmten Zuchtfuten, und nach ſeiner Angabe iſt eine Stute juweilen das gemeinſchaftliche Eis genthum von zehn bis wolf Arabern . Dies gab mir aufs ſchluß über die Haufen balb nadter Sterle , die mit lebs * Redíchi Pak , wie man dieſe Pferbe nennt , bedeutet wörtlich reine Udern.

40 haftem Antheile den Berlauf einet , von ihrem Wortfühs rer geleiteten Handels úber ein junges Pferd bepbachteten , Sie verriethen bei dieſen Gelegenheiten oft ihre beftige Stimmung , und mehr als einmahl war ich Zeuge , daß eine Geſchichaft ihr jottiges Fullen wuthend weg führte, menit der Abfómmling Daghi's oder Schumehti's , oder eines andern berühmten Vaters oder Großvaters, von eis nem unwiſſenden Indier oder Europäer durch ein unens gemeſſenes Gebot berabgewürdigt ward . Die Araber feßen noch mehr Werth auf ihre Stuten 418 auf ihre Hengfte , aber auch dieſe merden juweilen übertrieben geſchäßt. 216 der Geſandte auf dem Rud: wege von ſeiner erſten Sendung an den perfifchen Sof, unweit Bagdad gelagert war , kam ein Araber mit einem hellbraunen Pferde von ausgeseidneter Gefialt und Schóns heit vor rein Zelt geritten , bis er die Aufmerkſamkeit des Fremden auf ſich gezogen hatte . Man fragte ihn , ob er es perkaufen wollte. ,, Was gibſt Du mir ?" erwiderte er. Das kommt auf ſein alter an . Iſt es über " førif Jahre alt ? ,, Rathe weiter" wer die Antwort . Nun , vier. „ Sieh ihm ins Maul" ſprach der Araber lächelnd. Bei näherer Prüfung fand ſich , daß e $ erft ing dritte Jahr ging , und dieß gab deni Chiere bei ſeiner Große und feinem vollkommenen Ebenmaße einen deſto hoberen Werth . Der Geſandte bot ihm funfis Coman *, ,, Ein wenig mehr , wenn's Dir beliebt" ſprach der Burſche, den die Sache , wie es ſchien , Spaß machte, Achtzig hundert ! ,, Gut , antwortete der Araber , dem Anſcheine nach ganz zufrieden , verſuche mich nicht weiter , et if

* Ein Doman iſt beinahe ein Pfund Sterling.

41 umfonft. Du biſt ein ſchöner Eltfchi, haft fchöne Pferde, Stamehle und Naulthiere , und wie ich höre , auch Labuns gen von Silber und Gold . Du möchteſt nun auch gern mein junges Pferd haben , fegte er hinju , aber Du ſollſt es nicht erhalten und wollteſt Du alles geben , was Du haft.“ Mit dieſen Worten ritt er in die Wüfte, wober er gekommen war und wo er ohne Zweifel reine Brüder mit der Erzählung von dem Vorgange gmiſchen ihm und dein curopåiſchen Geſandten unterhielt. Man erkundigte fich bei einigen Offizieren des Paſcha's von Bagdad nach dem jungen Manne. Sie kannten ihn nicht , vermuihes ten aber , daß er, troß ſeines ſchlichten Leuferen , der Sohn oder Bruder eines Håuptlings oder vielleicht ſelbſt ein Familienhaupt rein möchte, und wåren rolche Araber, ſags ten ſie, wohlhabend , ſo könnten keine Geldgebote ſie vers leiten , ein Pferd wie das beſchriebene zu verkaufen . Ich erzählte jene Geſchichte cinſt dem Abdulla Aga, dem chemahligen Statthalter von Basra , der in Abuſdehr lebte , feit er aus der Türkei zu fliehen genöthigt mar. Als er noch reine Stelle beraß , war er , nach ſeiner Ers såhlung , oft in großer Verlegenheit geweſen , Streitigkeis ten zwiſchen arabiſchen Stammen über einen Hengſt oder eine Stute zu ſchlidten , wenn einer dem andern ein Chier entführt hatte , wiewobl nidt wegen des Werther der Pferde , den man oft zehnfach erſtatten wollte , fons dern aus Eiferſucht gegen den Nachbar, der nicht cine Zucht beſigen ſollte, die der beraubte Stammi ausſchließend Ein arabiſcher Schaikh , der etwa zu haben wünſchte. fünf und zwanzig Stunden von Basra wohnte , hatte eine Zucht, die ihm fehr lieb war. Er verlor cine reiner beßten Stuten , und konnte lange nicht entdecken , ob man fie geſtohlen oder ob fie ficb perlaufen batte. ` Einige Zeit

42 nachher gelang es einem jungen Manne son einem andern Stamme, der ſchon lange ein Freier bei der Tochter des Sdhaikh's geweſen war, thre Einwilligung zu erhalten und entführte fie. Der Schaith und ſeine Freunde verfolgs ten ihn , aber der Jüngling und ſeine Geliebte , die auf einem Pferde raßen , waren erſtaunlich ſchnell und ents kamen . Der alte Häuptling rchwor , der Burſche můßte auf dem Teufel oder auf ſeiner verlorenen lieben Stute reiten . Als er nach ſeiner Rückkehr Erkundigung eingog, fand ſich , daß dicß wirklich der Fall war , daß der Jüngs ling ihm die Stute ſowohl als die Tochter geraubt und jcne geſtohlen hatte , um dieſe gut entführen. Er war ganz zufrieden , daß nicht ein Pferd von einer andern Zucht ihn beſiegt hatte , und leicht berſohnte er fich mit dem jungen Manne , um die Stute wieder zu erhalten , an welcher Tochter.

ihm

mehr

ju liegen ſchien als an ſeiner

Abdulla Aga ift ein Mann , Seffen Umgang mir viel Vergnügen macht. Er hat einen geſunden und kräftigen Verfand , und ift mit dem engliſchen Charakter ſo bes Fannt , daß er feine Geinnungen mit Freimuthigkeit und Vertrauen ausſpricht. Ich will hier den Inhalt einer Unterhaltung geben , die ich etwa vierzehn Tage nach meis ner Ankunft mit ihm hatte . Es war die Rede von der gegenwärtigen Lage Perfiens und der Türkei , und Abdulla konnt die Mittel und die Eigenheit beider Staaten rehr genau . 216 mir von der Türkei fprachen , außerte er, daß fie nach ſeiner Anſicht nicht im Stande wäre, dem ges ringften Angriffe z11 widerſtehen , und wenn man fie rus hig ließe, müßte ſie' nach ſeiner Meinung bald von ſelbſt zuſammenfallen . Ich bin ſelber ein Lúrfe , und fenne meine Landsleute gut. Ulle , vom Großherrn bis zuni

43 geringften Bauer im Reiche, find ohne Bürgertugend, ohne Heimatliebe , und jener Glaubensgeift, der ſo lange das einzige Band der Einigkeit geweſen iſt, das den uns gelenfen Staat zuſammenhielt , wird täglich ſchwacher. Die Wahahbi gewinnen Jünger unter den Bewohnern Arabiens und Syriend , aber in den europäiſchen Lands ſchaften der Türken ermattet der Glaubenseifer, und mit jedem Tage werden ſie reifer für die Herrſchaft der chriſts lichen Volfer , unter deren Gewalt fie bald fallen můffen . Ich konnte die Benierfung nicht unterdrůden , daß 'er nadh meiner Meinung eine übertriebene Schilderung von dem ſchwachen und jerrútteten Zuſtande feines Vaters landes machte . ,, Es wird bald klar werden, ob ich recht oder unrecht habe , ſprach er. Niemand , von welchem Range er auch ſei, ſieht in der Türkei über ſeinen Bart hinaus . Sann er irgend ein Mittel finden , das Hoffnung gibt , ihn in Ruhe grau werden zu laſſen , ſo iſt er zufries den , und wo alle ro entſchieden ſelbſtiſch in ihren Ans fidhten ſind , wer roll da für die Sicherheit des Staates ſorgen , ju deffen Bewachung ein gemeinſames Gefühl der Einigkeit nöthig iſt ? " Und wie denfft Du von Perſien ? fragte ich ,, Zwan's sigmahl ſchlimmer als von den Túrken , antwortete er. Die Perſer haben eben ro wenig Gemeingeift und find noch weit unwiſſender. Glaube mir , Du wirſt Dich bald ů berjeugen , daß dieſe Schilderung treu ift. stann ein Zweifel darüber obwalten , wie ſie in dieſem Augenblicke in Beziehnng auf England und Frankreich bandeln ſolls ten ? Und doch wird es Dir nicht gelingen , mit ihnen eine , auch nur einigerniaßen befriedigende Uebereinkunft ju treffen , ohne ſchwere Geſchenke oder harte Najregelli . Zu dieſen ju ſchreiten , fcßts er hinzu, wird bier ain beßion

44 fein , denn wer ihre Begehrlichkeit náhrt, reist nur ihren Hunger, und ermuntert jie, einen Weg zu verfolgen , der endlich eben ſo verderblich für dieſe kurzſichtigen Thoren als für den Vortheil der engliſchen Regierung ſein wird. " Der Geſandte hat ro wohlwollende Abſichten , ants wortete ich , und ſeine Wünſche ſind mit ihrem wahren Woble fo übereinſtimmend , DAB Re , wie ich glaube , ihs nen entgegenkommen müſſen , wenn ſie eine Erlåuterung über alle Vortheile erhalten . Che Du pon einer ſolchen Erläuterung guten Erfolg erwarteft, wußt Du gewiß ſein, daß diejenigen , mit wels den Du ſpricht, Verſtand genug baben , Dich zu faſſen , was bei den Perfern gewiß nicht der Fall ift. Sie dens ken in dieſem Augenblicke nur an die Ruſſen , mit wels den fie den Stampf nicht beftehen fónnen , wie fie nun gefunden haben . Die' Franzoſen geben vor , fie von dies fer furchtbaren Gefahr zu befreien , der ſelber entgegen zu geben , die Perſer nicht den Muth haben . Sie halten ſich nun an dieſes Verſprechen , ohne zu bedenken , ob diejes nigen , die es geben , auch im Stande find , es zu erfüls len . Weder von der Beſchaffenheit noch der Entfernung der Mittel Englands oder Frankreichs, haben ſie einen Begriff, und können ſich daber keine richtige Vorftellung machen , in wiefern jene Staaten die Macht befißen , ibs nen Beiſtand zu leiſten oder zu ſchaden . Sie wiſſen , daß man in einem Monate nach Bombay regelt , nach Mas dras in rechó , nach Calcutta in acht Wochen , und fie glauben , daß ihr Englánder dort einige Schiffe habt, aber ſelbſt von dieſen haben ſie keinen klaren Begriff, und von Europa wiffen ſie ſo wenig als ein Abyſinier. Du ſchåpeft ihre Stenntniß gemiß zu gering, ſprach ich .

45 Steineswegs , erwiderte Abdulla, fie find noch ſchlims mer , als ich ſie geſchildert habe , und ſie werden in ihrer Unwiſſenheit ſo ſehr durch ihren Stolz beſtårkt , daß keine Hoffnung auf Beſſerung iſt. Was kannſt Du , fuhr er Jebhaft fort , von Menſchen erwarten , die mit der Obers fläche der Erde nicht bekannt find ? Dieß rekte er hinju, auf eine ſchlechte türkiſche Erdbeſchreibung deutend, die neben ihin lag , und eine Ueberſegung eines alten geographiſchen Lehrbuches zu fein dien : dieß ift die eins sige Quelle meiner Stenntniffe, worin ich es nicht mit eis nem eurer zwölfjährigen Schulfnaben aufnehmen kann, und doch gelte ich für ein Wunder unter dieſen Thoren, die über den Umfang meiner Stenntniſſe in dieſem Ges biete der Wiſſenſchaft erfitaunen . Ich halte es zwar für cine tiefgeſchöpfte und weiſe Bemerkung jenes ſchlauen Politikers Macchiavelli , da man den Angaben eines, aus ſeinem Vaterlande entflobes nen Mannes nicht unbedingt trauen dürfe, da ſein Ges můth eine Neigung haben muß , etwas herabzuſeßen , das er aufzugeben gezwungen war ; aber es iſt dennoch viel Wahrheit in Abdulla's Schilderung der Türkei, und ſeine Beſchreibung der Perſer war nicht fehr übertrieben . Die Stenntniſſe dieſes Volkes befchranken fich auf dasjenige, was ſie vor fich fehen , und ihre Begriffe von andern Staaten ſind ſehr unbeſtinimt und verwirrt , daher auch häufigen Schwankungen und Veränderungen ausgeſeßt. In Perſien werden alle Stånde durch Erziehung dahin geführt , Schein und Prunf zu bewundern , und ſie laſſen fich eher durch die Regungen der Einbildung und der Eis telkeit als durch Vernunft und Beurtheilung zum Sans deln beftiminen . Nohammed Nubbt stban , der als Ges ſandter nach Indien kam , ſchilderte ſie treffend init den

46 Worten : ,, Sollen meine Landsleute Dich verſtehen , lo ſprich zu ihren Augen , nicht zu ihren Ohren ." Meine Unterredung mit Abdulla Aga wurde durch die Ankunft eines Arztes geftórt , der lange in Abuſchehr gelebt hatte und nicht weniger durch ſeine Geſchidlichkeit als durd) eine Herzensgüte ſich auszeichnete , die ihn bes wog ; feine Zeit den armen Bewohnern der Gegend zu widmen , die feinen Beiftand ſuchten . Er hatte eben das gebrochene Bein eines gåhlte uns einen recht Der Stranke , ne . Unglück mehr , als es

Arabers eingerichtet , und er ers bezeichnenden Zug von dem Mans ragte der Arzt , klagte über ſein ſich nach meiner Meinung für Eis

nen feines Stammes ſchickte. Ich ſagte ihm dieß und feine Antwort war in der That ſpaßhaft. „ Glaube nicht, daß ich ein klagendes Wort austoßen würde , wenn mein edles Pferd mit einem muntern Schlage mir beide Beine gerſchmettert båtte , aber daß ein dummer Eſel mir ein Bein zerſchlagen hat, das iſt zu arg und ich will klagen ." Dieſer Unterſchied des Gefühls hinſichtlich der Art und Weiſe, wie ein Stnochenbruch entſtanden iſt, beſchränkt fich nid )t auf die Araber. Ich ſah einft nach einem Trefs fen in Indien einen Artilleriſten mit einem zerſchmetters ten Arme, als er laut über rein Unglück jammerte. Ich

deutete mit einem Blicke des Vorwurfes auf einige ſdjóne Leute , die noch ſchlimmer zugerichtet , auf der Erde las gen . „ Nicht über die Wunde klage ich, antwortete er hefs tig . Såtte ich durch eine Stůdkugel ein Glied verloren , ich würde nicht ein Wort geſagt haben , aber durch eine lumpige Rafete es zu verlieren, das ift zum Dollwerden ."

47 V. Antelopen s Jagd und Falkenbeise. mahl bei

dem Schaikh.

ſpiegelung.

Jollema che.

Nadir : S ch ab

und

Gaft Lufts der

türkiſche Geſandte.

Wir verweilten mehre Wochen in Abulchehr, und uns ter anderen Beluftigungen vertrieben wir uns die Zeit mit Jagd und Falkenbeige , während wir in dem langs weiligen Seehafen uns aufhielten . Nach dem Urtheile der Nimrode in unſerer Geſellſchaft findet man beides nirgend in größerer Vollkommenbeit; da aber die Art der Wildtódtung weſentlich von der, in andern Ländern úblis chen Weiſe abweicht , ſo will ich ſie beſchreiben , damit jeder Weidmann , der im Leſen erfahren iſt , über ihre Vorzuge urtheilen moge. Die Jåger begeben ſich auf eine große Ebene oder vielmehr Einode , unweit des Geftades. Sie haben Fals ken und Hunde bei Fich . Die Falken trägt der Jäger wie gewöhnlich auf der Fauft, die Hunde führt ein Reiter an einer Stoppel, in der Regel derſelbe, der den Falken trägt. Erblidt man die Antelope , lo ſuchen die Jåger ihr ro nabe als möglich zu kommen , ſobald aber das Thier fie gewahr wird , låuft es ſchneller alt der Wind und augens blidlich wird es von den Reitern verfolgt, die ihre Hunde losgelaffen haben . Wird eine einzelne Antelope gejagt, ro laſſen die Jåger zugleich die Falken fliegen , verfolgen fie hingegen ein Nudel , fo warten fie , bis die Hunde ein einziges Thier heken . Die Falken, die nicht weit von der Erde ftreichen , baben die Antelope bald eingeboble,

48 und froßen mad; einander auf den stopf derſelben , juweilen mit einer ſolchen Heftigkeit, daß fie ftúrit.

und Auf

alle Fälle aber betäuben fie das Chier ſo ſehr, daß es fets nen Lauf bemmt , und die Hunde es ein hohlen fónnen , und alsbald umringen Reiter , Hunde und Falfen die arme Untelope , gegen weldie ihre vereinten Bemühungen gerichtet ſind. Nichts überraſchte mich mehr als die ſons derbare Verbindung von Falken und Hunden , die ftets Beiſtand von einander zu erwarten ſchienen . Dieß war, wie man mir ſagte, der Erfolg einer langen und geſchicks ten Abrichtung. Man hålt die Antelope für das behendefte Thier auf Erden , und die Schnelligkeit des erſten Laufes auf der be: ſchriebenen Jagd ift erftaunlich. Selten läuft fie über anderthalb oder zwei Stunden , und oft nicht halb ro weit. Ein jähriges Stalb iſt eine leichte Beute. Die Geiß aber hålt oft Innge aus und ein Bock wird felten gefans gen . Die Araber werfen ihre Falken nicht gern auf Böcke, da diefe fchönen Vogel , wenn fie auf ihre Beute ftoßen , fich oft an den ſcharfen Hörnern fpießen. Die zu dieſer Jagd gebrauchten Falken ſind eine Gattung , die ich in keinen andern Lande geſehen habe. Man nennt fie Ifchert h. Sie ſind nicht groß, aber durch Schönheit und Ebenmaß ausgezeichnet. Eine andere Art , die Antelope niederzubeßen , ift hier , aber noch mehr in innern Perfien üblich. Leute pom höchfien Range führen ihre Windhunde an einer lans gen leidenen Stoppel, die durch das Halsband geht , und losgelaſſen werden kann , ſobald es dem Jáger beliebt. Der wohl abgerichtete Hund geht neben dem Pferde und hålt fich in gehöriger Entfernung, felbft in vollen lauf, und auf jedem Boden. Erblidt man ein Rude ! Antelopen,

49 To wird Kath gepflogen und die erfahrenſten Jáger beſtims men den Punkt , wohin die Hunde gebeßt werden follen . Alsdann jerſtreuen ſich die Jåger, und während einige die Heerde nach der gewünſchten Richtung treiben , nehmen diejenigen , welche die Hunde führen , ihre Stellung in derſelben linie , jeder etwa eine halbe Stunde von dem Altdann wird einer der ſchlechteſten andern entfernt. Hunde gegen die Heerde losgelaſſen , und ſobald er eine einzelne Antelope verfolgt , feßen fich alle Jäger in Bes wegung . EG iſt der Zweck der Reiter , die Windhunde , haben , den Lauf der Antelope zu hemmen und nach eins ander friſche Hunde gegen das ermůdete Thier lodjulaſſen . Selten wird es von dem zweiten Hunde getödtet , gewöhn: lich erſt von dem dritten oder vierten, und wenn die Ans telope ftark und der Boden günſtig iſt , gelingt es auch dieſen oft nicht. Dieſe ſehr unterhaltende Jagd machte dem verſtorbenen Stónige von Perſien , Aga Mohammed Sthan , viel Vergnügen , und der jet regierende Sdah findet nicht weniger Gerdmade baran . Die Neuheit dieſer Beluftigungen jog mich an , und mit Vergnügen begleitete ich eine Geſellſchaft zu einem Dorfe, ungefähr zehn Stunden von Abuſchehr, um eine bes ſondere Art von Falkenbeise zu ſehen , die den randigen, faſt ganz nackten Ebenen Perſiens eigen iſt, wo man den Hubara ,* eine ſchöne Trappenart findet , die dort bloß * Der Hubara iſt gewöhnlich 7 bis 11 Pfund fchwer. Auf dem Kopfe hat er einen Buſch von ſchwarzen und weißen Federn. Der obere Theil des Kopfes und Halſes ſind ſchwarz gefleckt. Die Seiten des Stopfes und Halſes ſind weiß , ſo Die Bruſt (chieferfarbig, wie der untere Theil des Leibes . die Flügelfedern grünlich braun mit ſchwarzen Fleden, der Schnabet ſehr dunkelgrau. Un jeder Seite des Halſes ein dicker hübscher Büſchel von ſchwarzen und weißen Federn . 4 1.

30 unter einem kleinen Strauche, dem Did it u dk , Schuk Unſere Geſellſchaft beftand aus ungefähr fuchen kann . iwangig wohl berittenen Jágern . Zu dieſer Jagd find zweierlei Falken nöthig . Der sicherth , derſelbe , der auf die Antelope geworfen wird , ftoßt auf die Trappe, wenn ſie auf dem Boden iſt, folgt ihr aber nicht, wähs rend fie fliegt. Dazu gebraucht man den 5 heiri , einen in Indien ſehr bekannten Falfen, den man wirft, ſobald der Hubara ſteigt. Während wir in einer langen Reihe ritten , wurden die Falfen juweilen von ihren Hauben befreit und empor Der gehoben , damit ſie die Ebene überſchauen ſollten . erſte Hubara , den wir fanden , gab uns Gelegenheit, über das ſcharfe Geſicht eines Falken zu erſtaunen . Er flatterte, um frei zu werden , und als der Jager , der ihn auf der Fauft trug , ihn geworfen hatte , ſchrie er ihm nach und Ana ſprengte vormårts . Wir folgten ſeinem Beiſpiele. fänglich faben wir unſern Falken über die Ebene ftreichen , bemerkten aber bald , beinahe eine halbe Stunde ents fernt, den ſchon gefleckten Yubara , der mit aufgerichs tetem Stopfe und ausgebreiteten Flügeln borwarts lief, reis Der Sicherfbftieß mehrmahl nem Feinde zu begegnen . ohne Erfolg auf ihn ; der Hubara vereitelte den Angriff, indem er mit dem Sdnabel oder den Flügeln auswich oder abwehrte , als er aber Gelegenheit fand , ifich zu er. beben , ward augenblicklich ein Bheiri geworfen und die ganje Jagdgeſellſchaft war wieder in vollem Rennen . Wir waren über eine halbe Stunde weit vorwärts geſprengt, als der Subara fich niederließ, worauf ein anderer Eſcherkh ihn tódtete, der ihn auf der Erde angriff. Dieſer Vogel Wir tódteten noch mehre andere, wog zehn Pfund. waren jedoch nicht immer glücklich , und während der zwei

51 Tage , wo wir uns mit dieſer ſchönen Jagd beluftigten, wurden unſere Falken zweimahl gånglich geſchlagen . Die Segend , wo wir jagten , war bloß von Arabern bewohnt. Wie ihre Brüder in andern Gegenden leben fie beinahe ausſchließend von Stamehlmilch und Datteln. Sie ſcheinen bloß an die Erhaltung des Thieres und die Fortpflanzung des Baumes zu denken, die ihnen fafi alles geben , was fie für einen úppigen Genuß halten , aber dieſem lebhaften Menſchenſchlage nicht bloß Nahrung, ſon : Dern auch beinahe alle bildlichen Ausdrůcke liefern, woran ihre Sprache ſo überreich ift. Wir ſaben davon ein bes luſtigendes Beiſpiel. Unter denjenigen, die den Geſandten auf der Jagd begleiteten , war ein junger Offijter , der fechs Fuß fieben Zou maß , und er hatte ſich mit andern niedergelegt, um während der Morgens und Abend: Jagd Ein alter Araber , der ihn eine Stunde auszuruhen . wecken ſollte , fagte låchelnd ju dem Diener : ,, Bitte doch Wir lachten herzlich deinen Dattelbaum aufzufteben ." über unſern Freund , der ſich anfänglich nicht damit aus: föhnen konnte , ſeine gebieteriſche Geſtalt mit dem Stolze der Wüſte verglichen zu ſehen . Machten die weidmanniſchen Beluftigungen der Pers

fer und Araber uns Bergnügen ,

ſo war unſre Art zu

jagen für ſie nicht weniger unterhaltend. Der Geſandte hatte einige Stoppeln engliſcher Fuchshunde mitgebracht, die zu einem Geſchenke für den Thronerben, Abbas Mirja, Mit dieſen wenigen Hunden machten beſtimmt waren . wir einige herrliche Jagden . Eines Morgens tóbteten wir einen lange gebeßten Fuchs , und während die Uebris gen fich über unſer Jagdglůch freuten , dem armen Rein: Bart die Ruthe abſchnitten , die Hunde lobten , einer Rauer , über welche ihre Pferde geregt hatten , zwei Fuß

32 jugaben, über die gefallenen Jáger lachten , und son man : der mit genauer Noth beſiegten Gefahr ſprachen , hörte ich gern einem arabiſchen Bauer zu , der einigen lendes leuten mit lebhaften Gebärden erzählte , was er von der berrlichen Jagd geſehen hatte. Da ging der Fuchs ſprach er , mit einein krummen Stocke auf einige Dattels båume zeigend : da lief er ſehr ſchnell. Ich rief und rief, aber niemand hörte mid ), und ich dachte, er mußte davon kommen . Schon war er ganz aus dem Geſichte , da kam ein großer gefleckter Hund und wieder und wieder einer. Alle hatten die Naſen auf der Erde und bellten Wau, Wau, Wau ſo laut, daß mir bange wurde. Fort gins gen die Teufel und bald fanden ſie das arme Thier mieder. Die Farinoichi * ſprengten hinter ihnen ber, fchrien , und ſuchten noch lautern Lårm zu machen als die Hunde. Stein Wunder, daß fie den Fuchs tódteten , aber eine ſchöne Jagd iſt's , das muß wahr ſein . Unſer Schaikh bat ſolche Hunde nicht. " Alle Anweſenden ftimmten dies fer Bemerkung bei, und der Beſit einer Hundezucht , die ihr Schaith nicht hatte , trug nicht wenig bet , der Ges fandtſchaft in den Augen jener Landleute eine bóbere Würde zu geben . Wir waren nun eifrig mit den Vorbereitungen zur Ehe wir aufbrachen , Abreiſe von Abuſchehr beſchäftigt. gab der Schaikh dem Geſandten und ſeinem Gefolge ein Gaftmahl. Während der Unterhaltung bei der Tafel war auch von Derwiſch Abdulla die Rede , der einige Jahre früher Abuſchehr beſucht hatte und von hier nach Indien gereiſet war. Ich lächelte, als man Geſchichten von ſeiner

* Farindi chi , verderbt von Frank, iſt der Nahme, den man den Europäern überal in Uſien gibt.

53 Heiligkeit und Gelehrſamkeit erzählte , und noch mehr, als ich hörte, daß verſchiedene Parteien , ein Türke , ein Perſer und ein Araber, ihrem Vaterlande die Ehre ers ftreiten wollten , ſeine Heimat zu ſein . ,, Du brauchft ihn nur anzuhören , wenn er ſpricht und Gedichte herſagt, hob Hadſchi 3smael an , und wirft Dich überzeugen , daß er Darauf erwiderte der Schaikh : ,, Ich ein Perſer ift. " bin überzeugt , daß er ein Araber iſt , wenn ich ihn Stels Abdulla Aga aber fiel len aus dem Storan ſagen höre. " ein : ,, Mógt Ihr ſagen , was Ihr wollt , niemand als ein geborener Túrke ſprach je bas Důrkiſche ſo gut alb Derwiſch Abdulla . " Ich nahm nun das Wort und hob an : „ Ihr ſeid wirklich alle im Jrrthum . Der berühmte Derwiſch , den Ihr nennt , iſt ein Franjore , und ſein wahrer Nahme Tollemache. Ich kenne ihn ſehr gut. “ Es war nicht ein bloßes ungläubiges Lächeln , womit man mir zuhörte. Die Bemerkung , die ich gemacht hatte, fand nicht nur gar keinen Glauben , ſondern erweckte auch unangenehme Gefühle , und ein Freund , der neben mir faß, fliſerte mir zu , es wurde am beſten fein , die Sade nicht weiter zu berühren . Ich will in der Stürze die Ges fchichte des merkwürdigen Mannes erzählen , der ſich die Sprachen und Sitten der Völker Aſiens in ſo hohem Grade eigen machte , daß er die Gelehrteſten tåuſchte. Collemache , der Sohn , eines Dragoman's in Stonftantis nopel , erhielt vor vielen Jahren Empfehlungen an Wars ren Haſtings , der rein Gónner wurde ; nach einem Streite aber, worein er verwickelt wurde , verließ er Cal: cutta und begab ſich in die nordweſtlichen Gegenden Ins diens , und endlich nach Cabul , Schoraſan und Perſien . Seine europäiſchen Freunde verloren zwölf Jahre lang

54 ſeine Spur . Sein letter Nahme in Perſien war Derwiſch Abdulla , unter welchem er wegen ſeiner Frömmigkeit und Gelehrſamkeit berühmt wurde. Er diente dem verſtorbes nen Stónige, der ihn mit ſeiner Gunft beehrte , als erſter Gebetvorleſer.* Spåter kam er nach Abuſchehr, ging von hier nach Surat , und als die engliſche Regierung ſeine Dienftanträge abgelehnt hatte, nach Jole de France. Er wird in den Berichten des Lords Wellesley als derienige genannt, der dort mit den Geſandten Tippu Saheb’s die Unterhandlungen führte. Als er ſpåter nach dem rothen Meere reiſete , ward er vom Udmiral Blanket gefangen und nach Bombay geſchickt, wo ich in dem Hauſe eines Freundes , bei welchem er wohnte ; ſeine Bekanntſchaft machte. Sein Gedächtniß war mit den erleſenften pers fiſchen Gedichten und Liedern ausgeſtattet, und fein ums gang , bei ſeinen mannigfachen Stenntniſſen , höchſt unters haltend . Seine Fähigkeit, jede afiatiſche Rolle- ju ſpielen , mag folgender Zug beweiſen . Er hatte uns viel davon erzählt , wie ſehr es ihm gelungen wäre , die Bewohner der Lånder , durch welche ſein Weg ihn geführt hatte , ju tauſchen , und es entging ihm nicht, daß ich ziemlich uns glaubig blieb . Ich hatte es nicht bemerkt , daß er einige Minuten vor mir aus dem Zimmer gegangen war , und als ich aus dem Thorwege fuhr , ward ich durch die Zus dringlichkeit eines faft nackten mohammedaniſchen Betts lers ſo ſehr beläftigt, daß ich ihn ſchimpfte und ihm mit der Peitſche drohte, wenn er nicht ablaſſen wollte. Der Burſche brach in ein lautes Gelächter aus und fragte mich, ob ich meine Bekannten ſo ſchnell vergåße. Saum trauie ich meinen Augen und Ohren , als ich Collemadhe

Paiſch Namaz.

55 erkannte , und die Erinnerung an dieſen Vorfall hielt mich ab , meinen Freunden an des Schaith's Cafel mehr ju fagen . Ich ließ fie in den Glauben , daß der fromme Abdulla ein Heiliger auf Erden wåre. Auf dem erften Dagmarche von Abuſchehr sogen wir über cine ode Ebene von beträchtlicher Ausdehnung . Ich machte mir das Vergnügen, die verſchiedenen Veränderun : gen jenes ronderbaren Dunſteb , der Luftſpiegelung bei den Franzoſen Mirage , bei den Arabern und Pers fern Sirab genannt - genau zu beobachten , die von uns forer Annäherung oder Entfernung abhingen. Es iſt ers faunlich, wie viel Einfluß dieſer Dunft hat , die Geſtalt der Gegenftande zu verändern , und er gibt denjenigen, die man durd denſelben fieht, juweilen die ſeltſamften Bildungen . Im Allgemeinen bat er , wie ich glaube, immer die Wirkung , die Gegenftande zu erheben und fie großer erſcheinen zu laſſen als ſie wirklich find. Ein Menſch zum Beiſpiel , den man durch denſelben in einer Entfernung von drei Viertelſtunden auf der flachen Ebene fieht, erſcheint beinahe ſo groß als ein Datttelbaum . Der Dunft hat völlig das Anſehen von Waſſer, und dieß recht: fertigt die bildlichen Ausdrücke der Dichter und ihre Ers zählungen von durſtigen und getauſchten Wanderern . Die merfrürdigfte Eigenſchaft dieſes Dunftes iſt die Strahs lenbrechung . Wenn ein naher Beobachter auf einem ets was erhöhten Standpunkte , 3. B. zu Pferde ift , fo fient er Bäume und andere Gegenftande zurückgeſpiegelt , wie von der Oberfläche eines Sees . Sieht man den Dunſt in einer Entfernung von drei bis vierthalb Stunden, ſo cheint er wie eine undurchſichtige Maffe auf der Erde ju liegen , und gewiß erhebt er fich nur einige Fuß hoch vom Boden , da ich bemerkt habe , daß der untere Theil der

56 Statt Abulchehr vor unſeren Sliden verborgen war , wahs rend die höhern Gebäude und die Wipfel einiger Dattels båume fich deutlich zeigten . Unter den , für den Stónig von Perſien beſtimmten Geſchenken befanden ſich zwei leichte Feldſtücke, woju cine Man erleſene Abtheilung reitender Artillerie gehörte. hatte dieſe Leute mit großer Sorgfalt und auf das Beſte ausgerüftet, und da ſie einen beſchwerlichen Marſch hatten , ſo wurden ſie unter der Anführung des bereits erwähnten langen Offiziers vorausgeſchickt. Auf unſerm lekten Tags marſche nads Dalfhi war der Weg ro rauh und ſteinig , Daß wir fürchteten , boſe Nachrichten von der Artillerie ju erhalten , aber unſere Beſorgniſſe wurden durch die Ers jahlungen der Landleute zerſtreut. Ihre Våter , fagten fie, båtten nie ſolche Geſchůße, nie einen ro jungen Offis tier geſehen . ,, Ei ja , ſprach ein alter Mullah , ich habe unſere Geſchüße oft geſehen . Sie rücken in einer Stunde nur ein Paar Ellen vor, wiewohl hundert Ochſen und hundert Menſchen ſie ziehen, und bei jedem Schritte hört man Ja Allah ! Ja Allah . o Gott , o Gott ! weil meine Landtleute den Himmel um Beiſtand bei dem Euer junger Offizier ſchweren Werke anrufen müſſen . aber, deren Große ſelber ein Wunder if , fteigt aufs Pferd und ruft : & ap ! Sap ! und fort geht das Gefchúş mie Federn . Wir gingen alle hinaus , ihn und ſein Geſchůß zu ſehen , und gafften es an , bis wir müde waren . Jeber drůdte feine Bewunderung aus , und ich habe ein Gedicht darauf angefangen . " Der Geſandte , der gelacht hatte , machte bei dieſer Androhung einer Staffide oder Ode ein ernſthaftes Ges ficht. Er iſt mit ſolchen Leiſtungen bereits überhauft , da jede Perſon , die im Stande ift , iwei Beilen jum lobe

57 der Geſandtſchaft zu reimen, nichts lebhafter wünſcht, als das Erzeugniß ſeiner Fantaſie bald in harte Chaler ums zuſeßen . Unſer Gepåde und (Feldgeråthe war auf Maulthiere geladen . Man findet nirgend ſchönere Saumthiere dieſer Art als in Perſien . Sie tragen ſchwere Laften und gehen auf weite Strecken über zwei Wegſtunden in einer Stunde. Sie gehen in Reihen, und es machte mir Dergnügen , fie am Ende eines Marſches zu ſehen , wenn ſie , ihrer Bürs gewöhnlichen den entlaſtet und gebunden , mit ihrem Schritte hinter einander gingen, bis fie fich abgekühlt hats ten . Der It hatersBaſchi , der Maulthiertreiber , ift Dieſe Leute ſind gewöhnlich ein ſehr wichtiger Mann . wegen ihrer Stórperftårke , beſonders aber wegen der Straft ihrer Lunge bekannt , und beide werden ſtets angeſtrengt, Menſchen und Vieh Martern und Uebeln aller Art in Auf unſerer erſten dieſer und jener Welt zu übergeben . Geſandtſchaftreiſe nach Perſien hatten wir einen Mauls thiertreiber , Nahmens Hadſchi Haſchem , der bei ſeiner Starke und Gemüthſtimmung das Schrecken der Sarawas Auf unſerm zweiten Tagmarſche war dieſer nen war. mann ſo eifrig , feine Thiere abzuladen , daß er auf die Ermahnungen des Haushofmeiſter unſeres Geſandten nicht adtete , und eine Stifte mit Glaswaaren ſorglos auf Peter , Steine warf , und den Inhalt in Gefahr ſetzte. Der Haushofmeiſter , auf einem Striegſchiffe erzogen und ein ſehr ftammiger Burſche, ergärnte fich heftig , als man fein Tafelgeſchirr fo behandelte, faßte den Naulthiertreiber, und ehe dieſer fich wehren konnte , warf er ihn über das ſo ungeftum abgeladene Saumthier . Während der beſtårite Haddi Sarchem zappelnd auf der Erde lag , und noch nicht wußte ,

ob ſeine Sinochen zerbrochen waren , rief

58 Peter ſeinen Dolmetſch, einen perfifchen Diener , der in Bomban ein wenig Engliſch gelernt hatte. Sage dem Burſchen , ſprach er mit einer Stimme , die verrieth, daß ſeine Wuth nur halb geſtillt war : eß iſt ein Glück für ihn, daß feine Stnochen nicht ſo gerbrechlich find als mein Glas, das er zu einer andern Zeit beſſer in Acht nehmen wird." Ich war Zeuge dieſes Auftrittes geweſen und erwars tete eine Beſchwerde bei dem Geſandten , aber zu meinem Erſtaunen erfuhr ich , daß Hadſchi Haſchem gebeten hatte, mit ſeinen Maulthieren ausſchließend an Peter gewieſen

zu werden . So geſchah es. Sie blieben immer die beßs ten Freunde , und als der alte Hadichi bei unſerer zweis ten Reiſe nach Perfien Maulthiere lieferte , war er nicht menig betrübt , ſeinen alten Gefährten Peter nicht im Gefolge des Geſandten zu finden . Die Urſache der Zuneigung , die Hadſchi Harchem an ſeinen Freund band , mag man für merkwürdig halten, wåre aber der Maulthiertreiber ein Geſchichtforſcher gewes fen , ſo hatte er in ſeinem eigenen Vaterlande ein hohes Beiſpiel finden können , um die Werthſchåßung zu rechts fertigen , die er einem andern wegen der Ueberlegenheit in den rauhen Eigenſchaften widmete , worin er ſelber fich auszeichnete. Sultan Mahmud der Fünfte , Nadir Schab's grofer Nebenbuhler , wollte die Eitelkeit des Ers oberer demüthigen , und da er wußte , daß fich Nadir auf ſeine große Störperſtårke und ſeine gewaltige Stimme mehr alb auf andere Eigenſchaften einbildete , fo wábite er einen Lafttråger von außerordentlicher Stärke und fråfs tiger Lunge zum Geſandten an den perfiſchen Huf. Der Geſandte war bloß der Ueberbringer eines Briefes , den er ſelber dem Stónige überreichen ſollte, um dann mit der Antwort zurückzukehren . Der Ruf ging dem mertwurs

59 digen Botſchafter voraus , und man rieth dem Schals, ihn nicht anzunehmen , eine Beleidigung hielt.

da man die Geſandtſchaft für Neugier überwand jede andere

Rückſicht, und eines Tages, als der Hof zahlreich verſama melt war, wurde der Geſandte eingeführt. Als der Türke fich den Throne nåberte , warf Nadir feinen grimmigften Blick auf ihn , und ſprach mit der höchſten Anſtrengung ſeiner Stimme : ,, Was willſt Du von mir ? "

Faſt alle erſchracken und die Halle erdréhnte von dem Tone ; aber der Geſandte zeigte ſich unerſchrocken und mit einer Don : nerftimme, vor welcher Nadir's Stimme wie der Diskant eines Stindes klang , rief er aus : Nimm dieſen Brief und gib eine Antwort , damit ich zu meinem Herrn jus

růckkehren könne. “ Der Hof war höchlich erſtaunt; alle Augen waren auf Nadir gerichtet, deffen finſtre Zuge all . måhlig zu einem Lächeln ſich aufheiterten , und zu ſeinen Hoflingen fich wendend , ſprach er : ,, Am Ende iſt der Burſche doch gewiß nicht ohne Verdienſt." Er war übers wunden , aber wie Hadſchi Haſchem konnte er nicht um : hin , bei einem andern die Eigenſchaften zu achten , die er bei ſich ſelber ſchåßte. Nadir ſoll die ihm zugedachte Beleidigung dadurch erwidert haben , daß er den Geſands ten mit den Worten entließ : ,,Sage Mahmud, es freue mich , daß er einen Mann in ſeinem Reiche hat , und ro verſtändig geweſen iſt , ihn und zu ſchicken , damit wir uns von der Sache überzeugen können . “

60 VI. Des Geſandten Ermahnungen. Tagebuch des Mehmandar's . Die arabiſche Kinders w årterinn. keit.

Blaubart.

Perſiſche Förmlicha

Des Königs Bildnis.

Gleich nach unſerer Landung in Perfien hatte der Geſandte uns belehrt , wie wichtig das Betragen jedes Einzelnen in ſeinem Gefolge für die richtige Würdigung ,, Dieſe Perſer , des volfthůmlichen Charakters wåre . fagte er eines Tages zu uns , kennen bloß ihr Land , fie perfteben keine Sprache, außer der ihrigen und der arabis ſchen , und obgleich alle Gebildeten leſen , ſo geben dody die , ihnen zugånglichen Bücher wenig oder gar keine ans Europa kennen fie dere Belehrung, außer über ufien . in der That nur den Nahmen nach, und aus allgemeinen verwirrten Nachrichten über den Ruhm reiner Völker und Sie find indeß ein deren verhältniſmäßige Wichtigkeit. ſcharfſinniges und beobachtendes Volk und ſehr neugierig. In Ermangelung von Büchern , werden ſie uns leſen , und nach allem , was ſie hören und ſehen , ſich eine Meis nung von unſerm Vaterlande bilden . Wir wollen daher Sorge tragen , daß ſie auf dem Blatte nichts finden , als was England Ehre macht. Glauben Sie mir , bei einem ſolchen Volke kommt auf perſónliche Eindrücke miehr an, als auf Bertrage. Nach dieſen Anſichten wurde jedes Wort und jede Handlung ſowohl bei ihm ſelber , als auch , ſo weit feine Gewalt und rein Einfluß reichten , bei Andern , darauf be: redynet, den engliſchen Charakter in einem günſtigen Lichte

61 zu zeigen . Nicht genug , daß wir uns in guten Eigens ſchaften aller Art als Muſter zu zeigen hatten , wir mußs ten auch thátig und Beſchwerden gewachſen ſein , um den Der Ges Perſern zu beweiſen , daß wir Strieger wåren .

fandte war eine kräftige Geſtalt und ein leidenſchaftlicher Jáger . Es war für ihn nichts als ein Zeitvertreib , einen Weg von beinahe dreißig Stunden in einem Vormittage zu reiten , um ſeinen Mehmandar im eigenen Berufe zu übertreffen ; ganz anders aber war es für Viele 'unter ſeinem Gefolge. Mir gefiel die Sache nicht, und rein naher Verwandter , der etwas ſchwächlich und wie ich an ein fißendes Leben gewohnt war , jog bitter gegen dieſe politiſchen Ritte los , wie er fie hohnend nannte. Das Benehmen des Geſandten war jedoch nichts weniger als unverfiảndig , wovon ich mich überzeugte , als unſer alter Mehmandar Mohammed Sdheriff sthan von Burgaſchatti, * mit welchem ich nach und nach vertrauter wurde, mir ein Tagebuch zeigte, das zur Belehrung des Hofes, deſſen Bes feble er vollzog , von ihm war geführt worden , um jenen in Stand zu regen , nach ſeinen Beobachtungen zu urs theilen , mit was für einem Manne und Volke er zu thun hatte. Ich will die Stelle abſchreiben , die buchſtablich alſo lautete. ,, Der Eltſchi und die Englander , die bei ihm find , ftehen mit anbrechendem Tage auf , fteigen zu Pferde , reiten zwei bis drei Stunden und kommen dann zum Frühftücke zurück. Von dieſer Zeit bis zum Nachmits tage um vier Uhr , wo ſie eſſen , ſieht der Eltſchi entweder nach den Pferden , oder ſpricht, lieft , fchreibt , nie aber legt er fich nieder, und wenn er ſonſt nichts zu thun hat, Burgarohatti iſt der Nahme eines kleinen türkiſchen Stammes, deſſen äuptling der Mehmanbar war .

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Er fißt geht er vor oder in dem Zelte auf und nieder . nur kurze Zeit bei Tiſche , fteigt gegen Abend wieder zu Pferde , und trinkt Thee , wenn er von ſeinem Ritte zu : růckkehrt, worauf er fich unterhalt oder Starten ſpielt , bis Am nächften um gehn Uhr, wo er fich zur Ruhe begibt . Beſ ro. eben bein es onders fällt mir Tage macht er ahe auf, daß weder er noch jemand von ſeinen Begleitern bei Lage ſchläft , und nie legt ſich jemand bei heißem Wetter Sie ſind in der That auf Teppiche, wie wir es thun . recht unruhige Leute ; wenn man aber bedenkt , daß dieſe Gewohnheiten fie dahin bringen , täglich mehr Zeit auf Geſchäfte and auf Erlangung von fenntniſſen zu wenden , als die Unterthanen Seiner Majeftat , fo můffen fie am Ende des Jahres offenbar einigen Vortheil haben . Nach allem , was ich ſehe, begreife ich nun weit beſſer als früher , wie dieſes außerordentliche Volk Indien erobern konnte . Ich habe einen ſehr beſchwerlichen Dienft, denn der Eltſchi, fo gutmüthig er iſt, kann doch die Ruhe nicht leiden , und es ift meine Pflicht, an allem , was er vornimmt, Gefallen zu finden , und ihn ſtets zu begleiten . “ Dieſes Tagebuch gründete ſich auf die Beobachtungen , die vor unſerer Abreiſe von Abuſchehr gemacht wurden . Der gute alte Mehmandar mußte , ſobald wir uns in Marſch gelegt hatten, in ſeinem Dienſtcifer nachlaſſen , denn da den Geſandten ſowohl Dienſtpflidt alo Neigung trieben , ſo begnügte er ſich ſelten damit , eine Tagreiſe von zehn bis funfzehn Stunden gemacht zu haben , ſondern ging gewóbnlich am Abend deſſelben Tages noch auf die Jagd , mas ohne Zweifel die gewünſchte Wirkung machte, und die Perſer in ſeinem Gefolge auf den Gedanken führte , wie die Engländer erſt ihre Feinde behandeln möchten, wenn ſie ihre Freunde ſelbſt zum Spaß ſo quálten.

63 Mein Freund Mohammed Scheriff Sthan war ein feis Er hatte den ner Beobachter, wie ſein Tagebuch zeigt. Ruf eines guten Striegert , aber der Zug , der ihn beſons ders auszeichnete , war Stolz auf ſeinen Stand , als Häuptling eines Stamines und als Inhaber eines Theiles der Gewalt des Konigs der Stónige . Dieſer Stolz aber, der oft zu wirklicher oder angenommener Wuth aufflammte , mard in ſeinen Außerungen durch Rückſicht auf ſeinen eigenen Vortheil ſehr geregelt. Er war gegen den Ges ſandten und deſſen Gefolge immer höflich, gegen Alle aber, auf welche fein Amt ihm Anſprüche geſtattete, mar ſein Benehmen ftolz und hochfahrend, bis man ihn durch Nachs giebigkeit oder Beſtechungen beſänftigte. Eines Morgens fah ich den Mehmandar mit einem Manne, der ein ſchós nes arabiſches Fållen führte. Er deutete auf das Thier, mit den Worten : Der alte Schurke , Schaikh Naffer der Stadtgebieter in Abuſchehr — håtte mich beinahe um das Pferd gebracht. , Wie ro , ſprach id , hatte er ſich unterſtanden , es Dir zu nehmen ?" Nicht doch , antwors tete er, es gehörte ihm , aber er hatte es ro ſorgfältig vers borgen , daß ich beinahe weggegangen ware , ohne es zu erhalten . Ich hörte ſchon in Schiras davon und ſeitdem babe ich es immer geſucht , bis ich nach Abuſchehr fam. Eben habe ich es gefunden , es war in einem der innern Gemacher verborgen , mit Schmuß bedeckt. Und da mufte man hören , wie der alte Thor winſelte über das Füllen von ſeiner lieben Daghi , * wie er es nannte. Er wollte Der ſeinen Sohn damit beritten machen , ſagte er. elende ſchwachliche Junge fand dabei und bat mich files bentlich , auf ſeines Baters Bitte zu hören und ihren * Eine berühmte Stute des Schaikhs.

64 einzigen Liebling nicht wegjunehmen , ju beffen Rettung fie mehre unbrauchbare Thiere und etwas Geld geben wollten . Aber ich lachte laut - ſchloß Nohammed Sches riff Sthan , feinen halb grauen Bart ftreichelnd : und ſagte ihnen , ſie kennten wenig einen alten Wolf wie ich , wenn fie glaubten , daß ihr Blóken mich rühren oder ihre Lift Geh , ſprach ich zu dem alten mich betrügen könnte. Schaikh , und baue ein Boot für deinen hoffnungvollen Erben , das ſchickt fich beſſer für ihn als ein ſolches Pferd, das nur für meinen Sohn zum Reitthier paßt." Bald nachher ſah ich den alten Schaikh Naſſer . Er ging langſam vormårts und murmelte feine gewöhnliche Rede : Sdhadet nichts ! * Perfiſche Schurken , arabiſche Narren - alles fährt mit einander zur Hölle . Gott ift Ich redete ihn an . gerecht. Gut, gut - ſchadet nichts." Er hörte mich nicht, ſondern ging nach ſeinem gewohns lichen Site, um nach einigen Zimmerleuten zu ſehen , die ein Schiff bauten , das gegen fiebzig Jahre auf dem Stas Hier machte ſich ſein unterdrůdter pel gelegen hatte . Zorn Luft in den heftigſten Schimpfreden gegen alle Stammgenoſſen , die ihm nahe kamen . Als ich ſpåter mit ihm ſprach , ſchien er beſſer gelaunt zu ſein . ,, Dieſes Schiff, ſprach er, auf den Rumpf des plumpen Fahrzeuges deutend : wird einſt fertig ſein , und für uns Alle Plan baben . Schadet nichts ! 11 Mohammed Scheriff sthan ladite über ſeine eigenen Gewohnheiten , die er nicht ſowohl für perſönlich als ſeis nem Stande angehörend hielt. Als ich eines Tages mit ihm durch die Straße ritt, bemerkte er, daß id) mit einem

* Ehbi na Dehrd , war der Uusdrud , den der alte Häupta ling bei jeder Gelegenheit gebrauchte.

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bedeutenden Blicke auf ein turfmaniſches Pferd fah, indem es den langen als ausftredte , um Gras ju nebs men , das ein Mann in einem Storbe auf dem Stopfe trug . ,, Er hat's gelernt, " ſprach mein Freund lächelnd. Wenn ich auf die öden und dürren Ebenen blickte, die zwiſchen Abuſchehr und dem Gebirge liegen , und unter den fengenden Strahlen der Sonne die unwiffenden , halb nackten , fchwarzbraunen Männer und Weiber rah, die faft bloß von Datteln lebten , bedauerte ich herzlich ihre Lage, und fand in ihren zufriedenen Blicken cine Herabrůrdis Dieſe Menſchen - ſprach ich zu gung der Menſchheit. “ Sthodſcha Arratun, einem Armenier, dem das Gefolge der Geſandtſchaft den Nahmen Blaubert * gegeben hatte .- können doch unmöglich ſo thorig ſein , ſich in dieſem Sic armſeligen und rohen Zuſtande glücklich zu fühlen . fónnen fie ſind, wie es ſcheint, lebhaft und verftandig. gegen ihre elende lage gefühllos ſein ? Hören ſie nichts von andern Ländern ? Fúhlen ſie keinen Neid, fein Vers langen nach einem beffern Zuſtande ? Der gute alte Armenier lachte. Nein , ſprach er. Sie ſind ein ſehr glüdliches Menſchenvoll , und beneiden die Lage anderer Menſchen ſo wenig , daß fie vielmeht Mitleid mit ihnen haben . Doch ſeşte er hinzu , als er mein Erſaunen bemerkte ich kann einen Zug davoni erzählen , der die Urſache dieſes Gefühles erklären wird . Vor einiger Zeit ging eine Araberinn aus Abuſchehr mit den Stindern eines Englånders , Nahmens Beauman, nach Europa . Sie blieb vier Jahre in England. Als ſie

* Einige junge Leute im Gefolge der Geſandtſchaft nannten unſern Schaßmeiſter ſo, weil eines Tages in der Farbe, wo . mit er ſeinen Bart geſchmückt hatte, das Blaue vorherrſchte. Der treffliche Mann iſt nicht mehr . 5 1.

66 jurůdkehrte, fammelten fich alle un

fie , und waren neu :

gierig , etwas von England zu hören . „ Wie haft Du's gefunden ? Iſt es ein ſchönes Land ? Sind die Menſchen reich ? Sind fie glücklich ? " Das Land iſt wie ein Gars ten , antwortete fie ; die Menſden find ſehr reich , haben ſchöne Sileider , ſchöne Häuſer, ſchöne Pferde, ſchöne Was gen , und follen ſehr weiſe und glücklich fein . – Die Zus hörer beneideten die Englander , und es jeigte fich unter ihnen eine Düftere Stimmung , die eine Unzufriedenheit mit ihrer Lage verrieth . Mit dieſem Gefühle wollten ſie fich entfernen , als die Frau binjuſekte : Aber etwas hat England doch nicht . „ Run, und was ift das ? " fragten die Araber lebhaft. Es iſt nicht ein einziger Dattelbaum im ganzen Lande. ,Was Du ſagſt ! " riefen alle einſtima mig . Ihr könnt et glauben , crwiderte die alte , ich babe mich die ganze Zeit danach umgeichen , aber vorges bens . – Dieſe Nachricht veränderte augenblicklich die Kes gungen der Araber. Mitleid , nicht Neid füllte nun ihre Bruſt, und ſie entfernten fich, erſtaunt, wie Menſchen in einem lande leben könnten, wo es keine Dattelbaume gab. " Dieſen Zug hörte ich, als ich auf unſerm erſten Tags marſche von Abufchehr mit meinem Freunde Blaubart langſam weiter ritt. Ich verfolgte den übrigen Theil des Weged, fünf gute Stunden , ohne ein Wort zu ſagen , ſons dern dadyte an den Widerſpruch zmidyen der Weisheit der Fürſebung und der Weisheit des Menſchen . Ja , ich ging ſo weit , an der Gründlichkeit vieler bewunderten Reden und einiger mir bekannten geſchidten Flugſchriften über die ſchnelle Verbreitung der Stenntniffe zu zweifeln . Ich überließ mich Berechnungen , und fing an zu glauben , daß es nicht ganz redlich wäre , ſelbſt wenn es klug ſein follte, den Menſchen ihren Antheil von Zufriedenheit und

67 Glúd zu nehmen , bis man ihnen ein gleiches oder gros feres Maß von jenen Dingen geben kann.

Ehe wir abuſchehr verließen , hatten wir viele Beweiſe von der Gunſt des Stónigrohnes, des Statthalters von Schiras , erhalten . Bald nach unſerer Ankunft in jener Stadt brachte uns ſein Günfling , ein Offisier ſeis ner Leibwache, ein Geſchenk von zwolf Stamehlladungen Doft. Als dieſer junge Mann dem Geſandten ſeine Ehr: erbietung bezeigen wollte , wünſchte Schodicha urratun fich iu entfernen . Wir fragten ihn nach der Urſache. ,, I nun , antwortete er, der Mann , den der Prin ; ſchickt, iſt ein Georgier , der Sohn meines nächſten Nachbars in Tiflis . Alo Aga Mohammed Stban im Jahre 1797 jene Stadt plünderte , wurde der Jüngling mit zwanzig bis dreißig truſend jungen Leuten beiderlei Geſchlechts gefangen. Er wurde ſeitdem genothigt, zum Jólam überzugehen , und da er nun einen hohen Rang hat , ro könnte er in Ver : legenheit kommen , wenn er mich råbe. " Das hat nichts zu bedeuten , ſprach der Geſandte , Du bift mein Schaks meiſter , und mußt bet dem feierlichen Beſuche zugegen fein . Verlaß Dich darauf, er wird nicht auf Dich achten . Der Ueberbringer des Die Vorberſagung traf ein . Geſchenkes , ein febr hübſcher, prächtig gekleideter junger Mann von dem feinſten Benehmen , ſchien Arratun gar nicht ju kennen , obgleich ſein Auge vielleicht zweimabl auf ihm ruhte . 418 der Beſuch vorbei war , konnte der gute Armenier fich des Ausrufes nicht enthalten : „ Der Er hat Geſicht und Gefühl, elende Mohammedaner ! Glauben und Tugend verloren. Habe ich ihm darum ſu oft Zuckerwerk gegeben , daß ich mich ſoll anfarren laſſen , als wäre ich ihm fremd ? Ich möchte wohl wiſſen , wer ſein Vater geweſen wäre, daß er ſo auf mich herab ſehen

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3ch werde reiner Mutter , reßte er hinzu , eine dürfte ! traurige Geſchichte zu melden haben . Sie lebt in großer Dürftigkeit, und die arme betrogene Frau hofft, daß noch etwas Gutes in dieſem Hunde, ihrem Sohne, rei." Es war eine Miſchung von verwundeten Stolze, von getauſchter Erwartung und von Menſchlichkeit in Blaubarts Gefühlen , wodurch fie beluftigend und zugleich rührend Frůh am nächften Morgen kam er mit einem wurden . ganz andern Geſichte zu dem Geſandten und man konnte nicht verkennen, daß er tief bewegt war. ,, Wie ungerecht bin ich gegen den trefflichen jungen Mann geweſen ! ſprach er . Er ichidte mir geftern Abend einen geheimen Boten , und alb wir uns fahen , flog er in meine Arme , erzählte mir die kurze Geſchichte ſeiner Gefangenſchaft, feiner Pets den , ſeine ſpätere Erhebung , und erkundigte ich dann mit der innigften Theilnahme nach ſeiner Mutter. bat mir hundert Toman gegeben , um ihren dringendften Bedürfniſſen abzuhelfen , und durch mich will er ihr in Er hatte , wie er vers Zukunft unterſtúkungen ſenden. ſicherte, den Freund ſeiner Jugend augenblicklich wieder erkannt , und nie war ihm etwas so ſchwer geworden als die Anftrengung , ein Fremder ju fcheinen ; aber er hat Er iſt mir ſeine Gründe für dieſe Vorficht angegeben . nicht nur Mohammedaner geworden , ſondern hat auch in eine angefebene Familie gebeirathet und fteht bei dem Pringen in hoher Gunſt, weßhalb er denn in ſeinem Bes tragen alles vermeiden muß, was auch nnr den geringſten Schatten auf die Aufrichtigkeit feines Glaubens oder ſeis Ich werde feine Mutter ner Pflichttreue werfen könnte. ſehr glüdlich machen , fuhr Blaubart fort , der fich durch die , von dem jungen Georgier erhaltenen Beweiſe von Aufmerkſamkeit und Vertrauen offenbar ſehr geſchmeichelt

69 fühlte.

Wenn ich ihr das Geld åberſchide, will ich the

ſagen , daß nach meiner Ueberzeugung ihr Sohn , was er Ja , ro auch bekennen möge , im Herzen ein Chrift ift. Inuß es ſein , denn wäre er ein echter Mohammedaner , ro würde er auch wie ein Mohammedaner gehandelt , und feine Mutter nicht unterſtůßt , ſondern verlåugnet haben, da er fe als eine Unglaubige anſehen müßte." Der Pring - Statthalter von Fars , oder dem eigent. lichen Perſien , ſchickte bald nach unſerer Ankunft in Abuſchehr einen jungen Edelmann ſeines eigenen Stams mes, Nahmens Haffan Shan Stadſchir, der den Geſandten Die Freundſchaft , die all Mehmandar begleiten ſollte. mein alter Bekannter Dichaffier Sahan, der Landpfleger in Abuſchehr, mir bewies , bewog ihn , mir den Brief ju seis gen , den er von ſeinem Bruder, dem Weffir des Prinjen, in Beziehung auf den Empfang jenes Mannes erhalten Man findet darin eine ſo guta Probe der kleins hatte. lichen Aufmerkſamkeit, welche die Perſer auf äußere Fors Er lautete : men wenden , daß ich ihn überfeßen will. ,, Lieber Bruder, Haſſan Shan Stadichir, der den General Malcolm alb Mehmandar begleiten ſoll , iſt ein Edelmann EC vom höchſten Range und von vornehmer Abkunft. wird Dir Nachricht von ſeiner Reiſe geben . Nach ſeiner Ankunft in Dalfhi * wird er dieſen Brief abſenden , und Dir ſchreiben , daß er am Lage ſeiner Ankunft im Lager Du dem General ſeine Achtung jubezeigen wünſcht.

wirft ihin mit der ganzen Beratung von Abuſchehr bis zu den Dattelbåumen an der Grånje der Wüfte entgegen Du begleiteft ihn zu dem Zelte des Generals gchen . Malcolm , und wenn er es verläßt , gehſt Du mit ihm in * Es liegt ungefähr 35 Wegſtunden von Abuſhehr.

70 ſein eigenes Zelt, das nach des Generals Wunſche zur Recha ten oder zur Linken des Lagers aufgeſchlagen werden muß. Stomunt Haſſan Shan Stadſchir in den Frühfunden an, ſo bleibſt Du bei ihm zum Frühſtücke , trifft er am Nachs mittage ein , ro ſpeiſeft Du mit ihm . Die Aufmerkſam : keit, die Du ihm in der Folge zu beweiſen haft, wird Dir von Deiner Höflichkeit und von Deinem Verſande einges geben werden , und Du wirft ihn ſtets als einen vornehs inen Gaſt betrachten , der auf eine Art bewirthet werden muß, die ſeinem Range und der ihm übertragenen hohen Stelle als Mehmandar des Generals Malcolm angemeſſen iſt.“ In dem Briefe, womit der Mehmandar jenes Schreis ben begleitete , eróffnete er dem Landpfleger ſo beſcheiden, als es der Gegenſtand juließ, ſeine eigenen Erwartungen. Dichaffier Sthan wollte ſehr gern wiffen , wie der Geſandte den Mehmandar aufnehmen würde , und als man ihm ſagte , daß zwei Affisiere ihm bis auf eine kurze Strecke vom Lager entgegen gehen ſollten , und das geſandtſchafts liche Striegergeleite vor dem Zelte , wo er abftiege, unter die Waffen zu treten und ihn zu begrüßen Befehl erhals ten hätte, war er beruhigt, da er ſich überzeugt hielt, daß ſolche Aufmerkſamkeit den Vetter des Sónigs im rechs zehnten Gliede befriedigen werde. Er war Harian Sthan erſchien am nächſten Tage. gebildet , etwa ſechs und zwanzig Jahre alt , von feinem Benehmen , ein hübſcher junger Mann , mit grauen Augen und von ſehr einnehmenden Zigen . Bei ſeinem Beſuche betheuerte er mit verſchwenderiſchen Worten , daß der Stónig und der Prinz dem Eltſchi beſondere Achtung wids meten , und beide die Ankunft der Geſandtſchaft ungeduls dig erwarteten . In Perſien zeigt man die Achtung gegen die könig :

71 liche Würde nicht bloß durch Aufmerkſamkeit gegen die Perſonen, welche von Stónigen und Fürſten bevollmächtigt find, ſondern ſie erſtreckt fich auch auf den Empfang von Briefen , fleidern , Geſchenken und allen lebloſen Dingen , mit welchen der fürftliche Nahme in Verbindung gebracht worden iſt. Man hat dabei den Zweck , allen Ständen Achtung und Ehrfurcht gegen den Oberherrn und ſeine Bevollmächtigten einzuflóßen . Sturg, es wird kein Mittel verſäumt , das die Pflicht eines unbedingten Gehorſam . lebendig erhalten oder tiefer einſchårfen kann . Einige Zeit vor unſerer Ankunft in Abuſchehr waren die Geſandten des Fürften von Skind auf der Rückreiſe von Tebran in jenem Hafen geweſen. Sie hatten , außer andern Geſchenken für ihren Gebieter , nuch ein Bildniß 008 Stónigs, Fatte Ali Schah . Das Bild war ſorgfältig in cine ból ; erne Stifte gepackt ; aber das cingeſchloſſene Abs bild königlicher Hoheit erhielt auf der Reiſe durch das perfiſche Gebiet beinahe eben ro viele Beweiſe von Ehrers bieting, als man dem Fúrften ſelbſt bewieſen haben würde. Der Landpfleger und die Bewohner der Stadt gingen ihn bis zur nächften Raftorte entgegen , und alle machten ihre Verbeugung in ehrerbietiger Entfernung. Als das Bild unter: das Stadtthor kam , feuerte das Geſchüß den Sóniggruß , und als die Geſandten , unter deren Obhut es war, fich ein [difften , wurden dieſelben Feierlichkeiten wiederhohlt, und man nahm es nicht wenig übel, daß fich der britiſche Geſchäftführer weigerte, an dieſer Rummerei Theil zu nehmen .

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VII , Bergbewohner.

Das Thal staſerun. Araft der Salpeterſå ure. Der geblendete Riza Kuli

Sonderbare Vögel. Das ſchöne Ihal Duſcht e Arordun Mohammed Riza Khan Irtåndiſche Heimatliebe.. Der pers Beiat. Khan.

fiſche Landeigenthůmer.

Nichts kann auffallender fein als der Uebergang von Gormaſihr oder dem heißen Gebiete, wie der dürre Lands ftrich an den Stúften des perfiſchen Meerbuſens heißt , ju dem ſchönen Slima und dem fruchtbaren Boden der Hochs Als wir über fünf und ebenen im Innern Perfiens. zwanzig Wegftunden gereifet waren , erreichten wir das Gebirge. Von dem Dorfe Dalthi , das wegen ſeiner Dattelpflanzungen und feiner, mit Naphta angeſchwangers ten Stróme berühmt iſt, und am Fuße der erſten Berge reihe liegt, kamen wir auf ſchmale Pfade , die ſich långs der Seite des ſchroffen und ſteilen Berges wanden , den wir erſtiegen . 416 wir deni Gipfel nahe waren , kamen uns die Häuptlinge der Stämme und der Dórfer in der Nachbarſchaft entgegen . Sie hielten mit ihren angeſes benſten Anhängern zu Pferde auf dem Rücken des Bers ges , während ihr übriges Gefolge von Felſen ju Felſen ſprang und den Fremden ju Ehren die Luntenſchloß Flins ten abfeuerte. Ihr zerlumpter Anzug , ihre Fräftigen Ger ftalten , ihre ſchnellen Bewegungen , die bei anſcheinender unordnung doch alle durch Zeichen geleitet wurden , unter fteilen Silippen ausgeführt , wo es gefährlich ſchien zu geben, und die Schule ihrer Gewebre , die von den ums

73 liegenden Bergen wiederhallten , al dieß machte das Echauſpiel ſo anziehend , daß ein sierlicher Schriftſteller Stoff zu vielen Seiten darin finden könnte. Ich begnüge mich, die Chatſache anzugeben , daß wir ſicher durch die beiden großen Bergfetten gelangten , die ſich zwiſchen dem Strande und dem Chale Staſerun siehen . Als wir in dieſes Thal traten , wurde unſer Auge nicht nur durch úppige Felder , ſondern auch durch Mirten , Brombeers gebúſche und Weiden erfreut. Die Weiden , die kleine und klare Båche beſchatteten , erweckten in mir und in Andern jenes Heimatgefühl , das Niemand verſteht , der nicht in fernen Ländern gereiſet iſt. Diejenigen unſerer Begleiter, die Perſien noch nicht geſehen hatten , maren höchlich erfreut über die veränderte Landſchaft und glaubs ten nun bald an die Roſen und Nachtigallen , die wir ihnen in den noch glücklichern Ebenen verſprachen. Wat fie von den Bewohnern der Gebirge geſehen hatten, durch welche wir gezogen waren , machte fie geneigt , an die Wundergeſchichten zu glauben, die wir von dem Stamme Mama Suni erzählten , welcher fich rühmt , ſeinen Nahmen und ſeine Sitten unverändert ſeit Alexander dem Großen bewahrt zu baben . Wir hatten , als wir mit der erfien Geſandtſchaft reis feten , guten Grund , dieſes Stammes zu gedenken , der nach einem feiner alteften Gebrauche einen Cheil unſeres Gepäckeb geplündert hatte , welcher leider ohne eine Wache im Nachjuge war zurückgelaſſen worden . Der Verluſt würde , ohne einen ſonderbaren Zufall , noch größer gewes fen ſein . Unter den qurückgebliebenen Stamehlen war eines mit Flaſchen beladen , die Salpeterſäure enthielten , wovon man uns in Bombay einen anſehnlichen Vorrath

74 geliefert hatte . Der geſchidte Art,* dem man die Ents Deckung ihrer Heilkräfte verdankt, münſchte fehr, daß ihre Wirkſamkeit in Perfien geprüft werden möchte, und allers dings bewährte ſie ſich als ein Hauptmittel in einem bes denklichen Falle , aber einem Falle , worin er die stråfte der Säure nicht vorausgeſehen hatte. Die Räuber hatten fich mehrer Stanelladungen bemachtigt, als ſie zu dem mit Cie warfen die Salpeterſäure beladenen Thiere kamen . Die Ladung von Rüden des Stamehlo auf die Erde . Flaſchen zerbrachen , und der Dampf und Geruch ihres Ins baltes beunruhigte die unwiſſenden und aberglaubigen Mama Suni ro rehr , daß fie erſchrocken flohen , veft überzeugt, ein eingeſperrter Geiſt der Franken ware in Freiheit ges koninien , und wollte nun für ihre böſen Chaten volle Die Wahrheit des Umſtande $ wollte man Roche üben . durch das Zeugniß der Stamehltreiber beiveifen , aber auch durch die ſpátern Geſtändniſſe einiger Diebe , und durch den umftand , daß mehre Ladungen in der Nähe der Sals peterſäure unverletzt geblieben waren . Die Stadt Staſerun liegt nicht weit von dem alten Schapur , deſſen Trúmmer den Alterthumforſcher ers freuen , und defien verlaffene umgegend von unſern Jás gern nicht weniger geſchåßt wurde , weil fie Ueberfluß an Wild hatte . Ich genoß hier viel Vergnügen , als ich in Geſellſchaft von dreißig bis pierzig Reitern fowarze Reb : bubner ** jagte. Die Reiter gerfireuten fich auf einer

* Der verſtorbene Dr. Helenus Scott. ** Das ſchwarze Rebhuhn oder Derrai, hat ſeinen Nahmen von der ſchwarzen Bruſt. Der übrige Körper hat viele Farben . Hals und Beine ſind roth , wie auch der untere Theil des Schwanzes i der Kopf iſt ſchwarz mit braun und weiß geflecten Federn , und unter dem Zuge iſt ein weißer

75 grasreichen Ebene, und robald ein Rcbhuhn aufflog, idrie der nåchſte Jåger, während diejenigen , die in der Ridste ung des Fluges waren , die das Rebhuhn nahm , ihm nachfekten . Staum hatte es den Boden berührt , als es wieder aufgejagt und wie vorher geheşt wurde. Seine Flüge wurden immer kürzer , und wenn es fich dreimahl oder viermahl ganz erſchöpft niedergelaſſen hatte , wurde es von einem Reiter aufgegriffen . Einige Jager batten kleine Hunde, Spůrer genannt , mit deren Hilfe fie das Rebhuhn auffanden , wenn es im langen Graſe oder im Gebüſche Zuflucht ſuchte. Wir fingen etwa zwanzig Paar Rebhühner an dem erſten Morgen, wo ich an dieſer Jagd Theil nahm . Rija Stuli Sthan , der Statthalter in Staſerun, machte dem Geſandten einen Beſuch. Dieſer alte Edelmann hatte eine ſeidene Binde über ſeine Augenhöhlen gelegt , da man ihn geblendet hatte , während die beiden Familien Zend und Stadſchir fich um den perliſchen Chron ftritten . 416 er fich geſeßt hatte, fing er an, die Geſchichte ſeines uns glücks zu erzählen , und bei dem Gedanken an die leiden des alten Mannes famen mir die Chránen in die Augen . Ich war jedoch nicht wenig überraſcht , als ich fand , daß er die Erzahlung in der Abſicht und zu unterhalten , nicht uns zu betrůben , mittheilte , und ſo empórend der Gegens ftand war , ich mußte über meine Geſchichte lächeln , die man in jedem andern Lande, außer in Perſien , für den Stoff zu einem Trauerſpiele wurde gehalten haben . Wie aber Gifte durch Gewöhnung an den Gebrauch derſelben zu einer Nahrung werden können , ſo erſcheinen ſelbſt die Fleck. Man findet dieſen ſchönen Vogel unter den höheren Breitengraden Indiens und Perſiens. Un den Ufern des Tigris iſt er Tehr gewöhnlich.

76 furchtbarſten Unglüdsfälle, wenn ſie täglich vorkommen, wie gewöhnliche Ercigniſſe. Es war indeß das Benehnien und das Gefühl des Erzählers , was dem Trauerſpiele, Deffen Selb er war, eine fomiſche Wirkung gab . Ich war ein ju eifriger Anhänger des Hauſes stads fchir geweſen , ſprach Rija Stuli Sthan , als daß ich piel Erbarmen håtte erwarten können , nachdem ich in die Ges walt des niederträchtigen Stammes Zend gefallen war . Ich erwartete den Tod, und erſtaunte nicht wenig , daß ich nur zum Verluſte meiner Augen verurtheilt wurde. Ein Ferarch *, ein fånimiger Sterl , fam alb Vollzieher des Urtheils. Er batte ein großes fumpfes Neffer in der Hand , das er als Werkzeug gebrauchen wollte. Ich bot ihm zwanzig Toman , wenn er ſich eines Federmeſſers bedienen wollte, das id, ihm zeigte. Er ſchlug es auf die rohefte Weiſe ab, nannte mich einen unbarmherzigen Bós fewicht , verſicherte , ich were der Mörder ſeines Bruders und er håtte dieſen Auftrag erbeten , um ſeine Radje su befriedigen. Wie er hinzuſeşte, bedauerte er nichts mehr, als daß es ihm nicht vergónnt wåre, mich zu tódten . Ich fab , daß ich von dieſem Burſchen keine Schonung erwars ten durfte , und legte mich mit verftellter Unterwürfigkeit auf den Rücken . Er fchien höchlich zufrieden zu ſein , ftreifte ſeine Aermel auf, ſchwang Fein Meffer , fette gang bedåchtig ſein Sinie auf meine Bruſt, und wollte ſeine Schlåd )terarbeit beginnen , als wäre ich ein dummies uns ſchuldiges Lamni geweſen , das fich gern in alles gefügt håtte, was er thun wollte. 416 ich bemerkte, daß er, in dieſer Meinung , nicht mehr auf ſeiner Hut war , erhob * Ein geringer Diener , der gebraucht wird, das Haus rein zu halten, und für das Hausniräthe zu ſorgen . Er ſchlägt auch die Zelte auf, legt Jeppiche u. l. w .

77 ich meinen Fuß , und ftieß ihn fo fråftig auf die Herze grube , daß er überpurzelte auf eine Art , die Dich zum Rijn Stuli Khan wieders Lachen würde gebracht haben . hohlte bei dieſen Worten die beſchriebene Bewegung feie nes Fußes, und ſelber herzlich lachend bei der Erinnerung , Jc ſprang auf und mein Gegner auch . fuhr er fort : ir rauften und einige Augenblicke , aber er war fárker als ich , und als er mich niedergeworfen hatte , fach er Die Wärme, die eine Folge des mir die Augen aus. Stampfes war , verminderte den Schmerz; die Wunden heilten bald , und als der Stamm Stadichir jur unbeſtrits tenen Herrſchaft über Perſien gelangte , wurde ich für die Leiden belohnt , die ich für ſeine Sache erduldet hatte. Meine Söhne find befördert worden , und ich bin Statts halter in dieſer Stadt und Landſchaft. Hier lebe ich im Ueberfluſſe und genieße eine Ruhe , die Menſchen , welche ſehen können , in dieſenı lande nicht zu Theil wird . Zeigt fich ein Ausfall in der Einnahme, oder ſonſt eine wirkliche oder vorgebliche Urſache, die einem andern Statthalter Abſeßung, Prügel oder den Tod zuziehen würde , ſo sagt Es iſt der arme blinde Riza Stuli Sthan , der Stónig : Du ſiehſt alſo , Eltſchi, ich habe nicht laßt ihn gehen ." Urſache , mich zu beklagen , ich bin ja in der Chat durch den Verluſt meiner beiden Augen beſſer gegen Unglück ges ſchůßt al id) et ſein könnte , wenn ich zwangig der bells und Rija Stuli lachte ften Augen in Perfien hátte. wieder über dieſen zweiten Scherz. 416 Mirja Aga Mir , der perfiſche Geheimſchreiber, uns über Rija stuli Sthan's Geſchichte feine Erläuteruns gen gab , ſagte er, der Mann hatte allerdings Urſache, fic ju tröſten , denn es könnte keinen fårkern Gegenſaß ges ben, als zwiſchen ſeiner Lage und den Verhältniſſen anderer,

78 bei der Erhebung der öffentlichen Einkünfte angeſtellten Beamten . „ Ich kann dieß , fügte er hinzu , nicht beſſer erläutern , als durch die wißige und kühne Antwort, die vor nicht langer Zeit ein Edler dem Fürſt-Statthalter in Schiras gab . Der Prinz fragte ſeine Rathe , welche Strafe groß genug wäre für einen ganz abſcheulichen Vers Mache ihn jum brecher , über welchen er richten ſollte.

Einnehmer " ſprach ein alter Edelmann ,, der ein Günfts Įing war . Es kann kein Verbrechen geben , das in einer folchen Anſtellung nicht bald eine hinlängliche Strafe- ers hielte. “ Wir horten eine unterhaltende Erjahlung von einem Abenteuer , das zwei Herren von der Geſandtſchaft , die man einige Monate früher nach Schiras geſchickt hatte, Einer von ihnen , ein Vers in Staſerun begegnet war. wandter des Eltſchi, iſt bereits von mir erwähnt worden , und ich habe von ſeiner Abneigung gegen alle , nach ſeis ner Meinung unnöthige körperliche Anſtrengung geſprochen . € r und ſein Geſellſchafter waren durch die erhaltenen Berichte von zwei feltſamen Wefen , die in einem , unges fåhr fieben Stunden entfernten Hauſe wohnen ſollten , ſo neugierig geworden , daß fie troß dem ftrengen Winter: wetter und dem beſchwerlichen Wege aufbrachen , fie ju Auf ihre Erkundigungen ſagte ihnen jemand : ſehen . ,, Dieſe Geſchöpfe find Vogeln ſehr ähnlich , denn fie haben Federn und zwei Beine , aber ihr Stopf iſt nackt und hat ein fleiſchiges Anſehen , und einer hat einen langen ſchwarzen Bart auf der Bruft. ,, Der Hauptumftand aber, wovon man viel ſprach , war die Seltſamkeit ihrer Stimmen , worin fie allen andern Bógeln, von welchen man je gehört oder Ein alter die man geſehen hatte , ganz ungleich waren . Mann, der von Saferun gekommen war, fie zu ſehen, ers

79 klarte, es mare ein stehllaut, dem Arabiſchen ſehr ähnlich, aber er geftand , daß er ungeachtet der größten Aufmert's famkeit nicht ein einiges von ihnen ausgeſprochence Wort 416 die Reiſenden ſehr ers zu deuten vermocht hätte. můdet ihr Ziel erreicht hatten , kamen ihnen die Bewobs ner des kleinen Dorfes entgegen , wo die Gegenſtände man führte fie in das Baud, ibrer Neugier wohnten . in welchem die Vögel aufbewahrt wurden , öffnete die ein Truthahn und eine Trut: Thüre und hervor traten benne, und der Hahn , in der Freude úber ſeine Befreiung, Die Perſer aus Stafcs ließ alsbald fein Arabiſch hören . run waren außer ſich vor Erſtaunen , während unſere bois den Freunde fich mit jenein Ausdrucke des Geſichts an : ſahen , der einen Zweifel verråth , als ob man lachen oder jůrnen rolle, aber die Lachluſt behielt endlich das Ueberges : wicht. Ihre Luftigkeit überraſchte die Perſer , welche , als ſie die Urſache erfuhren , ungern zu vernehmen ſchienen , daß die Vögel, die ihnen ro ſonderbar vorkamen , in Ins Aus der Erz dien und England ſehr gewöhnlich waren . zahlung des Befißers der Vögel ging hervor, daß man ſie von einem , im Meerbuſen geſtrandeten Schiffe gerettet hatte, und daß ſie nach und nach in den Theil des Bins nenlandes gekommen waren , wo ſie ſich befanden . von Staſerun bis Duſcht e Ardichun iſt die Ents fernung nicht groß , aber der Weg ſteigt bergan . So ſehr es uns in staſerun gefallen hatte , ſo hatte doch die Natur ein ganz anderes Anſehen in jenem kleinen ans muthigen Chale , das von Bergen eingeſchloſſen iſt , von deren ſchroffen Seiten hundert Bächlein fließen , die einen See in der Mitte bilden . Die Schönheit dieſer Båche, deren einige in mehren Fällen von den , mit Reben bes wachſenen Bergabhángen fürjen , der See ſelbſt, in deſſen

80 klarer Fläche fich das Bild der über ihm hangenden Berge ſpiegelt, die fruchtbaren Gefilde an ſeinem ufer, die Roſen , Hyazinthen und Blumen aller Art, die in wilder Ueppigs keit an ſeinem Rande wachſen , al dieß riß und zur Bes wunderung hin , als wir dieſen lieblichen Anblick genoſſen . Die Perſer aber , die ſich über den Ausdruck unſerer fros hen Empfindungen freuten , riefen aus : Iran henin aft, gran henin aft , dieß ift Perſien , dieß iſt Perſien ! Ich hatte an dieſem Tage die Freude , meinen alten Freund , Mohammed Riza Khan Beiat wieder zu ſehen , Er der von Schiras kam , den Geſandten zu begrüßen .

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ſprengte wie ein Sinabe auf mich zu und rief : ,, Sei wille kommen ! " Ich traute kaum meinen Augen, indem ich fand , daß er jünger und munterer ausſah , als ich ihni zehn Jahre frůber verlaffen hatte , wo er acht und ſechsig Jahre alt war , und täglich ſo viel Opium aß , als nach unſeres Arztes Berechnung hinlänglich war , dreißig an folche Arznei nicht gewohnte Menſchen zu vergiften . Ich hatte mir aus Achtung gegen den alten Mann nicht wenig Mühe gegeben, ihn von einer Gewohnheit abzubrins gen , die ihm nach meiner Ueberzeugung verderblich werden mußte , und der Arzt war, in derſelben Meinung , mein eifriger Gehilfe geweſen . Nein Freund erkindigte ſich nach ihm , ſobald er mich bewillkommt hatte , und als er hörte, daß der Arzt in Indien war , erwiderte er lachend : ,, Ich bedaure es, daß er nicht hier ift. Ich wollte ihm zeigen , daß die chriftlichen Aerzte zwar , nach unſerm Glau : ben, durch den Beiſtand und Einfluß ihres Meffias, Wuns der wirken können , wie dieſer es that, als er Blinde und Lahme heilte , aber daß doch nicht alle wahre Profeten find. Er ſagte mir , ich mußte fterben , wenn ich nicht meine Gabe Opium verminderte, ich habe ſie vervierfacht,

81 feit er mir in ſeiner Weisheit den Tod derfundigte, und hier bin ich , beinahe achtzig Jahre alt, und noch ſo jung Mit dieſen und munter all irgend Einer von ihnen . “ Borten ließ er fein Pferd anſprengen, und ſich gan ; uits drehend , wie die alten Parther mit dem Bogen und die neuern Perfer mit der Luntenſchloß Flinte, fchoß er eine Stugel nach einem Ziele in einer Richtung, die dem Laufe feines Pferdes entgegengeſeßt war. Er ritt dann auf mich ju , ftrich ſeinen Bart , der zu gut gefärbt war, als daß mon ein einziges weißes Haar hátte entdecken können , und nahm aus einer Dore, die ich ihin selin Jahre früher geſchenkt hatte , eine Sandvoll Opium - Pillen , welche er im buch ſtåblichen Sinne in ſeinen Schlund warf. 1. Ich wollte, widerhohlte er, mein Freund, der Arzt, wäre hier . ' ' Ich ritt während der übrigen Tagreiſe neben mos Nach feiner Angabe hatte fich Perſiens hammed Rija . Die innere Ruhe, die es genoſſen Lage ſehr verbeſſert. hat , feit der verſtorbene Stónig , Aga Mohammed sehan , feine Gewalt beveſtigte, muß an ſich ſchon dieſe Wirkung gehabt haben ; denn die Natur hat im Selima, im Boden und in allen Erzeugniſſen der Thiers und Pflanzenwelt dieſes land ſo freigebig bedacht, daß der Menſch , fo vers wöhnt er durch ihre Gunft auch ſein mag , doch nicht ohne große und fortgeſekte Anſtrengungen den Segen ser: Ich hörte meinen Freund fóren kann , der ihn umgibt. um fo lieber mit einem ruhigen und zufriedenen Gemůthe über dieſe große Veränderung ſprechen , da ich reine Ses ſchichte kannte. Sein Vater, Salah Sihan , war ein vor's nehmer Dmrah oder Edelmann an Nadir Schah's Nach dieſem Hofe, als dieſer Eroberer ermordet ward . Ereigniſſe fand in jeder Landſchaft ein Stónig auf. Auch Salah Sthan trat in die Schranken . Er nahm Schiras, 6 I

82 deffen Beveſtigungrn er erweiterte und verbeſſerte ; aber er führte den foniglichen Nahmen nicht lange , ſondern wurde gefangen und durch Sterrim Sihan getódtet. Sein Sohn, der ſich durch Mangel an Ehrgeiz auszeichnet , hat fich während feiner Lebjeit all Häuptling eines Stammes Achtung ermorben , aber ohne eine wichtige Stelle zu be : kleiden , die er vielleicht auch nicht einmahl wünſchte. Er hat eine glückliche und zufriedene Seelenſtimmung , und fieht in den leßten Jahren feines Vaters einen glanzens den aber geſtórten Nachttraum , den er , wie er ſagt , ju feinem Glúde nicht fortgetråumt habe . 418 wir in die Nähe der Stadt Schiras kamen , be: dachten der Prinz und die Vornehmen den Geſandten ro reichlich init Geſchenken von Eisrahm , Zuckerwerk, eins gemachten Früchten und fófilichem Dbfie , daß alle in Lager , bis auf die Hundewårter berab , beſchäftigt waren , dieſe Leckerbiffen zu verſchlingen . Eine Abtheilung des fiebzehnten Dragoner s Regiments , die zum Geleite der Gefandtſchaft gehörte, erhielt immer einen reichlichen Ans theil. Ich hörte dieſe ſchönen Leute , die alle , bis auf Einen, aus Jrland waren , während ſie ihr Eit, ihre eins gemachten Früchte , ihre Trauben und Nußpfirſchen aben , ůber Perfiens Vorzüge ſprechen . Es iſt eine Perle von einem Lande" ſprach Einer. Das würde es fein , wenn es mehr Chriften hatte , hob ein anderer an . " An den Chriften liegt mir gerade nicht viel, erwiderte ſein Ges fåhrte , wenn ich nur zuweilen ein Moor ſehen könnte, Aatt dieſer ewigen Felfen und Chåler , wie fie's nennen . Schon mag es fein , ſchloß Storporal Corragan , aber ich gebe nicht ein Startoffelfeld in Stlein Jrland für ein Duts Diere jend ſolcher Lånder und alles was darin ift.

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vaterländiſche Geſinnung , die allgemeine Beiftimmung in finden ſchien , ſchloß die Erörterung . An dem Norgen , wo wir Duſcht e Urdrohun verließen, titt ich eine kutze Strecke mit einem alten Reis , oder Landeigenthümer , dem ein anſehnlicher Theil des Chales gehörte . ,, Wie glüdlich Du biſt, ſprach ich, ro fruchtbare, ſo ſchöne und üppig grüne Ländereien zu befißen ." Der alte Mann ſchüttelte den stopf. Dieſes Grün , daß Du To ſehr bewunderft , ſprach er, ift unſer Verderben . Unſer Thal hat das beßte Weidelano in ganz Perfien , und die Folge davon iſt , daß die Prinzen und Edlen ihre Maui: thiere hierher ſchicken , um ſie ju måſten . Unſere Getreides felder und Garten werden von dieſen Thieren zertreten, und wir haben dabei die Unverſchämtheit und oft die Bes drůdungen der Diener zu ertragen. Dieſe Burſchen find in unſerm Lande - ich weiß nicht, wie ſie in dem Deis nigen ſind immer sehnmal ſchlimmer als ihre Herren .

VIII Schilderung des Geſandtengefolge $ . Gunft: bewerbungen bei dem Geſandten.

Ehe ich weiter von meiner Reiſe rede, muß ich meine Leſer mit einigen der vornehmſten Perſonen , Indier und Perſer ; bekannt machen , in deren Geſellſchaft id, war. Sie wären überall meine Gefährten , und einen großen Theil der Belehrung und Unterhaltung , die mir meine 6*

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Reiſe nach Perfien gewährte , habe ich ihren Bemerkuns Meine Freunde was gen und Mittheilungen zu danken. zum Theil in ihren hatte Dieß . ren fich ſehr ungleich Gemüthftimmungen ſeinen Grund, noch mehr aber in den entgegengeſepten Lagen , worin fie ihr Leben zugebracht Eine kurze Nachricht von ihnen wird den Chas hatten . rakter eines jeden am beſten ins Licht feten . Mohammed Huſſein Sthan hat nicht ein eigentliches Amt, ſondern iſt der Geſandtſchaft mehr als Geſellſchafter des Geſandten zugetheilt. Er iſt mein beſonderer Freund, ift faft in jeder Gefellſchaft, die id, beſuche, reitet mit mir aus, ſchwatt dummed Zeug mit mir, macht Spaße, ſchreibt Epigramme, und erzählt Geſchichten . Jd muß eine kurze Sfinge von ihm geben , fonft wird man ihn nie begreifen . Sthan Sahib, oder edler Herr, wird mein Freund gewöhns lich genannt, wiewohl er einen 'erblichen Anſpruch auf den höbern Sitel Nabob hat. Er iſt beinahe fünf Fuß drei zou hoch . Sein Geſicht iſt zwar nicht hübſch , hat aber einen Ausdruck , der einen feinen und klugen Stopf ans deutet, und der Eindruck, den fein lebhafter Geiſt macht, wird durch eine gewiſſe Ernſthaftigkeit erhöht, die ihm eine große Brille gibt , welche er feiner Sturzſichtigkeit wegen immer trågt. Er ift nicht kraftig gebaut, und fein gan: jes Aeußeres verrath , daß man ihn in ſeiner Stindheit verzártelt und daß er ſich den entnervenden Genüſſen hingegeben hat , welchen vornehme Mohammebaner nach hergebrachter Sitte in der Jugend fich überlaſſen . ſehr er fich aber frůb an ein üppiges , ja ausſchreifendes Leben gewohnt haben mag, hat er doch eine treffliche Ers jiehung erhalten . Er ift jiemlid bewandert in der aras biſchen Literatur und ein ausgezeichneter Stenner des Perfiſchen ,

das er mit der größten Zierlichkeit ſchreibt,

85 und ſowohl in Profa als in Berfen bat et glüdliche ſchriftftelleriſche Arbeiten geliefert. Fügt man zu dieſen Eigenſchaften eine muntere Gemüthſtimmung , ein treffs liches Gedichtniß , einen ſchnellen Wiß , ſo hat man ein Bild meines kleinen Freundes. Sthan Sahib's Vater war ein Perſer, der in früher Jugend nach Indien ging , um in eine beffere Lage zu kommen . Es gelang ihm , in Herrn Duncan zu Benares einen Gönner zu finden , und als dieſer das Amt eines Statthalters in Bombay erhalten hatte, ſchickte er ſeinen perfiſchen Freund als Geſchäftführer nach Abuſchehr und im Jahre 1798 init einer Sendung an den perfiſchen Hof. Dieſe Beförderung mußte ehrgeizige Abfichten erwecken , und zu den Mitteln , wodurch er ſeine Familie zu adeln ſuchte , gehörte auch die Heirath ſeines Sohnes , meines Freundes, mit der Tochter eines ehemahligen Pringen des Hauſes Zend, welcher , verbannt und arm, fich freute, daß ſein ſinkender Stern - um in einem aſiatiſchen Bilde zu reden - mit einem fteigenden Sterne in Verbindung kommen ſollte. Staum aber hatte der Vater reinen Sohn auf dieſen Zweig eines verfallenen Stónigfammes geimpft, alt er farb, und dem jungen Menſchen , wie Shan Sahib lachend es oft nennt , das traurige Erbtheil der Armuth und des Ranges hinterließ, in Verbindung mit einer ſehr ftattlichen Frau , die , wenn er die Wahrheit redet , ihn nicht ſelten an ihre vornehme Herkunft erinnert , und ziemlich gern davon ſpricht, daß es eine Herablaſſung ges weſen ſei, fich mit ihm zu verbinden . ,, Ich wäre wohl im Stande, Teşte er hinzu , ihr einige Gründe für dieſen klugen Schritt anjugeben , aber es würde fie nur árger gemacht haben , und Gott weiß , moju ihre Heftigkeit fie bringen konnte , weſhalb ich mich ruhig hielt."

86 Hier verrieth Sthan Sabib ſeine fchwache Seite , die ohne Zweifel eine große Vorſicht iſt. Er trágt gewöhnlich gelbe Stiefeln mit hohen Abfáken , weite rothe Tudhoſen , die man balb fieht unter einem Oberkleide , das er auf geſchürzt hat , wie der tapferſte perfiſche Reiter . Seine hohe Müße von Lamniwolle hat, wenn er zu einem Marſdje angezogen iſt, ein recht kriegeriſches Anſehen. Zwei kleine Piſtolen und ein Dolch ftecken in ſeinem Gurt und an einem Leibgirtel hangen ein Pulverhorn und ein Kugels beutel. Ein geſticktes Wehrgehenke trågt einen großen Sábel, und ein kürzerer , womit Mann gegen Mann ges fochten wird , iſt an ſeinem Sattel beveſtigt , an deſſen Stnopfe zwei Paar Halftern hangen , worin zwei große Piftos len ftecken . Eron all dieſen Andeutungen eines verweges nen Muthet , unterſtüßt von einer geraden und würdigen Haltung zu Pferde und einem ziemlich kühnen Galopp auf einer glatten Ebene, fehlt doch etwas von jener mun . tern Herzhaftigkeit , die fich mehr auf ſich ſelber verläßt, als auf das Rüſtzeug großer und kleiner Waffen , die ſie jú ihrer Vertheidigung führt. Mein Freund kennt dieſen Mangel recht gut , er weiß zuweilen ſehr glücklich darauf anzuſpielen und kann recht wißig über die Urſachen grůs beln . Mangel an urſprünglicher Anlage , verbåtſchelte Stindheit, zu große Nachficht gegen den Jüngling., Furcht vor ſeinem Vater, und das Schrecken , das ſeine Frau von tóniglichem Stamme ihm einzufloßen weiß , das find die Hauptpunkte in dem Verzeichniſſe. Habe ich aber, pflegt er hinzuzufeten , durch eine Vereinigung von Urſachen, jene Nervenftarke verloren , die den thieriſchen Muth gibt, ſo glaube ich doch einen männlichen Geiſt , das Ergebniß des Nachdenkens, ju beſigen , und Du wirſt ſehen , daß ich ihn bei ſchicklichen Gelegenheiten immer zeige."

87 Dieß iſt ohne Zweifel der Fall , aber es hat fich nie begeben , daß ich bei einer dieſer ſchicklichen Gelegens heiten zugegen geweſen bin, und einft war ich Zeuge, wie wir von dem Gedanken an die Gefahr beinahe abgelenkt wurden , weil er fich bei der Annåberung derſelben ſo ſpafs haft benahm . Der Geſandte, der ein beſonderes Geſchäft hatte, während wir auf der Rhede vor Abuſchehr lagen, wollte Die See war ſtürmiſch und an der ans Land gehen . Mündung des Hafens gingen die Wellen ſehr hoch. Der Sthan , der erſt vor Sturjem zur Geſandtſchaft gekommen war , wollte mitgehen , obgleich man ihn davon abrieth. Er war ſehr huthig , bis wir vor die Hafenmündung kas mnen , wo die Wellen einander jagten und jeden Augens Jeder blick unſere kleine Barfe umzuwerfen drohten . Welle, als fie ftieg und uns mit ihrem ſchäumenden Bos gen verfolgte, rief Sthan Sahib mit ſchnellem Tone ju : Als Tab ! 411ah ! Allah ! und in dem Augenblicke , wo wir gegen ihre Wuth geſichert waren, verrieth er in noch haftigern Tónen ſeine Dankbarkeit : Schuler , S dy uker, Dank , Dank, Dank ! Dieſe Anrufungen Schuber ! und Dankſagungen wurden mit großer Geläufigkeit und erſtaunlicher Ernſthaftigkeit wiederhoblt. Allah, Allah, Als lah ! und Schuler , Schufer, Schufer ! tónte es eine Viers telfiunde lang in unſern Ohren , als endlich ein A1 Samdulillab - Gott ſei gelobt ! langſam und bes dachtig ausgeſprochen , und verkündigte , daß wir wieder in tubigem Waffer waren . Ich nedte meinen Freund * mit Leider muß ich ſagen , daß der wißige und gebildete Sthan Sahib , wie viele andere in dieſem Buche erwähnte Männer, ſeitdem der Natur ſeinen Zoll abgetragen hat. Er blieb in Indien , wie in Perſien , in der Geſellſchaft ſeines Freundes, des Geſandten, bis zum Jahre 1821 , wo er ein Opfer der Gallenruhr wurde.

88 dem Mangel an Faſſung , den er bei dieſer Gelegenheit gezeigt hatte, aber er vertheidigte ſich fandhaft und ſagte, er pflegte auf dem Meere zweimahl mehr als am Lande zu beten . Ich glaube dieß , aber er iſt am Lande keiness wegs ein cifriger Beobachter der Gebrauche feines Glaus bent , und einige Strenggläubige in unſerer Geſellſchaft balten ihn für einen Sufi , oder philoſophiſchen Deiften , ein Nahme , der mir von allgemeiner Bedeutung zu ſein fcheint und alle umfaßt, von dem Andáchtigen , der über die göttliche Liebe faſelt , bis zu dem Sünder , der über die Gebrauche des Glaubend feiner Heimat ſpottet. Ich komme nun zu Dichaffier Ali Schan , dem Brus der des Nabobs von Maſulipatam . Dieſer indiſche Mos hammedaner hat einen hohen Rang , aber ein geringes Einkommen , und ift feit feiner frühen Jugend ein vers Er iſt mit einer Pers trauter Freund des Geſandten . ſerinn verheirathet und wohnt nun in Schiras, wo er eis nige Zeit als Geſchäftführer gelebt hat. Didhaffier Ali verſteht zienlich gut Engliſch , wiewohl er es eher leicht als richtig ſchreibt. In feiner frühen Jugend machte ſein Hang zur Zerftreuung ihn ausſchweifend und jeħt iſt er Er hat fich ziemlich aus unſchlüſſigkeit unbedachtſam . viele Stenntniffe erworben , aber es fehlt ihm an ficherm Urtheile, und die Folge davon iſt , daß er bei der Leitung eigener und fremder Angelegenheiten ſich von Scheimen anführen läßt , die ſich immer um einen ſolchen Charakter au dieß aber wird bei dem guten Dichaffier ſammeln . Ali durch ein ſchlichtes Benehmen und ſo viel Herzenss gute ausgeglichen , daß Niemand den unwillen , den ſeine Chorheit oft erweckt, lange begen fann . ,, Mein Freund iſt nicht der redliche Mann , den ich in ihm zu finden dachte , ragte er einft von jemand , der ihn berückt hatte,

89 und ich hätte nicht geglaubt, daß ich ro thörig geweſen Et ift wåre, aber ich will künftig auf meiner Hut ſein . reşte rein Mitgefühl gegen ſeine Schwachheit freilich ſehr ſchwer, mit dieſen Perſern umzugehen , fie hinju find ſo einnehmend in ihren Reden und ihrem Betragen, und nie mehr als wenn ſie betrügen wollen . “ Mohammed Huſſein , auch ein Indier , hat dem Ges fandten , feit dieſer ein achtzehnjähriger Fähnrich war, als Munſchi oder Lehrer der perfiſchen Sprache gedient, und ift aUmåhlig mit ſeinem Gebieter geſtiegen , deſſen Vers Er iſt ein beſcheidener trauen er befißt und verdient. Der Mann , der wenig , aber immer angemeſſen ſpricht. Geſandte hat nicht die Gewohnheit, irgend jemand in feinem Poften ſich vordrången zu laffen , und dieß fcheint véllig für den Character des Munichi ju paffen , der vielleicht Er geht nie zu dent gerade dadurch gebildet worden ift. Eltſchi, als wenn er gerufen wird , und bleibt nie langer als man ihn braucht, freut ſich über jeden Beweis ſchmeis chelnder Aufmerkſamkeit , ſcheint aber nie , wie Andere, danach zu trachten . Bei dieſer glücklichen Stimmung und bei einer Redlichkeit , die feit mehr als zwanzig Jahren die Probe ſchwerer Verſuchungen ausgehalten hat , führt er ein ftilles Leben, mitten unter dem lármenden Gewühle, das ihn umgibt. Wenn er nicht Briefe zu ſchreiben hat , lieft er ein perfiſches Buch , meiſt theologiſche Streitſchrifs ten über die Lehren der Sunniten und Schiiten . Er iſt ein Sunnit , und bei aller gebührenden Ehrfurcht gegen Ali , den Neffen und Schwiegerſohn des Profeten , glaubt er mit den Túrken und Arabern , daß Abubekr, Omar und Déman Biedermånner und gute Sthalifen waren , und nicht, wie die Perſer in ihrer Begeifterung für Ali fie nens nen, gemeine Schurken und ſchándliche Machträuber. Als

90 ich den Munichi cines Tages mit ſeinen Leſereien aufzog, antwortete er mir : ,, Es iſt nicht meine Abſicht , mit dies fen gelehrten Rothkopfen * zu ſtreiten , aber ich muß mich ſelber in meinem Glauben beveſtigen . Wie können regte er mit leiſer Stimme hinju

Menſchen den rechs

ten Glauben haben , die im Leben ro unrecht handeln ! Haſt Du je folche Großſprecher und máhrchenerzahler ges fehen oder gehört ? Es freut mich , daß mein Herr fie fo gut kennen gelernt hat , und er wird künftig wohl befier ald es je der Fall geweſen ift , denken . "

von uns armen Indiern

Nun muß ich nicine Leſer auch mit Mirza Uga ir bekannt machen . Er iſt ein Seid, das heißt von Mohams mieds Stammé, und ſteht bei ſeinen Landsleuten in gros fer Achtung, weil er in gerader Linie von einem heiligen Manne abftammt, Amir Hemſa , defien Grab in Schiras Aga für einen der heiligſten Derter in der Stadt gilt. Mir ſchreibe cine fchöne Hand und vortreffliche Briefe, mas ſeine Beſchäftigung ift. Er hat ein fanftet und ans ſpruchloſet Benehmen , iſt langſam im Reden und Hans deln , und ſein Gleichmuth, fein geſunder Verſtand , fdhei : non ſtets auf den Zweck gerichtet zu ſein , fich von der Begehrlich keit und Ránkeſucht, wovon alles um ihn her erfüllt ift, rein zu halten . Ganz das Widerſpiel der Mehrs jabl ſeiner Landsleute , ſucht er jedein Geſchäfte audju weichen , das nicht zu ſeinem Berufe gehört , und obgleich er die Gunfi des Geſandten in hohem Grade beſigt , ſo nimmt er dudh felbft nichts auf fich , und thut in der * Kefſelbaich oder Rothkopf , nennt man in Ujien ge Man ſagt , der Deckel von rothem wöhnlich den Perfer. Tuche, den die Perſer auf ihrer Miiße von ſchwarzer Baum wolle tragen, habe Unlaß zu dem Rahmen gegeben .

91 That nicht ohne ausdrüdlichen Befehl, Aga Mir ſchåmt fich zuweilen ſeiner Landsleute , begnügt ſich aber gewohns lich , ſeine Gefühle durch Achſelzucken und zuweilen durch Wegwenden des Stopfes zu verrathen , und ift offenbar abs geneigt , gegen ſie zu zeugen oder ſie zu perdammen , wenn er es ohne Pflichtverlegung vermeiden kann, ſo bald aber feine Pflicht dabei in Betracht kommt, erfüllt dieſer gute und redliche Mann ſie mit Veftigkeit und Mäßigung . Ich habe früber unſern Schaßmeiſter , den Armenier Dieſer perftandige und reds Si hodicha Arratun genannt. liche Mann beſikt jene Zurückhaltung, die ſeinen Stamm : genoſſen eigen iſt, welche in einem Lande, wo ſie der uns terdrückung ausgelegt ſind, durch früh angenommene Ges wohnheit ſehr vorſichtig in ihren Worten und Handlun: gen werden . Der Armenier macht gern einen Spaß, aber er fliſtert mir das Wort zu , als ob es ein Staatss geheimniß wåre. Wir nennen ihn , wie geſagt, Blaubart, weil Blau einſt vorherrſchte in der Farbe , die er der Zierde ſeines Geſichts gegeben hatte, auf deren Größe und Seine Eitelkeit Gefialt er nicht ohne Urſache ftola ift. war eines Tages , wie er ſagte, nicht wenig durch die Schmåhung eines Perſers geſchmeichelt worden , der nach Erſchöpfung aller andern Schimpfreden am Ende ihm zus rief : ,, Und was hat ein unglaubiger Hund wie Du mit einem ſolchen Barte jll ſchaffen ? " Unter der geringern Dienerſchaft geichnet ſich Hadſchi Huſſein aus, der an der Spige der Lafeien des Geſandten ſteht. Er macht auf einen Vorrang úber ſeine Mitdiener Anſpruch , weil er fremde Lånder beſucht hat , und rühmt fich , daß er aus jedem derſelben irgend einen Vorzug oder cine Vollkommen beit mitgebracht habe , Einer Neigung zur Dichtkunſt und jum wunderbaren , die , wie er ſagt,

92 in Perſien ihm angeboren wurde, hat er cinen , In Bags dað erlangten Geſchmack an Alterthümern hinzugefügt, eine Stenntniß arabiſcher Pferde, die er in Bafra erwors ben hat , Geſchidlichkeit im Handel mit Stleiuwaaren , in Mascat erlernt ; ein Bischen Theologie und den heiligen nůßlichen Nahmen Hadfch i oder Pilger , perdankte er einer Wallfahrt zum Grabe des Profeten in Neffa , und eine geringe, aber vortheilhafte Bekanntſchaft mit der Eins richtung von Uhrwerken verſchaffte er fich während der kurjen Lehrzeit bei einem vorzüglichen Uhrmacher in Cals cutta . Dieſer gereifte und hochgebildete Mann muß fich iwar herablaffen , dem Geſandten die Pfeife ju reichen ung den Gåften Staffee zu bringen , wird aber von Alen in unſerm Lager fehr in Anſpruch genommen, zumahl von Ich möchte den Vorzug , den er dem Umgange mir. mit mir gibt , faſt ſchmeichelhaft nennen , und vermuths lich verdanke ich ihn dem Umftande , daß ich früh meine Bewunderung ſeiner verſchiedenen Stunftfertigkeiten , befons ders ſeiner Geſchidlichkeit in der Uhrmacherkunft , ausges ſprochen habe , als es ihm gelungen war , mir eine alte Uhr, die feit einem Jabre ftill ftand , ſo weit wieder her: zuſtellen , daß ſie einen ganzen Tag ging . Die genannten Perſonen ſind unſere Hauptcharaktere; die geringern werden für ſich ſelber ſprechen , wenn ſie auf die Bühne treten . Außer dieſen , ju unſerm Lager gehörigen Perſonen , gibt es noch Mehre, die uns ſo oft beſuchen und Geſchäfte mit uns abzumachen haben , daß fie faſt auch dazu gerechnet werden . Man kennt jedoch jekt unſer Berfahren , und der Geſandte iſt nicht, wie bei ſeiner erſten Geſandtſchaft, genothigt , gegen die Verſuche Einjelner, die ſich einen ausſchließenden Einfluß verſchafs fen wollten , auf ſeiner Hut zu ſein.

93 Zwei folcher Verſuche, von ſehr verſchiedenen Charals teren gemacht, verdienen Erwähnung . Der Eine war ein anſehnlicher , nicht ganz ungeſchidter junger Mann, Nahmens Sadſchi Abdul Hamid, der mit einein höflichen Briefe des Miniſters Eſcherah , Ali Sthan von Schiras kam . Er hatte diefem verſprochen , die eigentliche Abſicht der Gefandtſchaft zu entdecken , wogegen er Andern das Vorhaben geftand , ſich zum einzigen Vermittler des Vers kehrs und der Verhandlungen zwiſchen dem Geſandten und der perfiſchen Regierung zu machen . Er verfolgte ſeine Abſicht nicht ohne Geſchicklichkeit , als aber der Ges ſandte fah , daß Abdul Hamid reinen Aufenthalt in Abus fchehr verlängerte und uns ſehr fleißig ſeine Aufwartung machte , argwöhnte er die Abſichten des Mannes , und fragte ihn eines Tages geradeju , ob er noch Geſchåſte batte oder noch irgend einen Auftrag zu erhalten hoffte. Dieſe unumwundenen Fragen brachten ihn war anfänglich aus der Faſſung , aber er geftand , er hätte nichts mehr zu thun, als ſich ju empfehlen , und ſtellte dann vor, daß es unmöglich ſein würde , irgend eine Angelegenheit in Perſien zu beſorgen , ohne einen daju geeigneten Einges borenen als Geſchäftführer zu gebrauchen , wobei er vers ficherte, daß er der paſſende Mann dazu wäre. Der Ges fandte dankte ihm für ſeine wohlwollenden abſichten , mit der Bemerkung , ein ſolcher Beiftand wåre vor der Hand nicht nöthig. Sollte es aber ja der Fall ſein , ferte er hinju , ſo würde man Abdul Hamids Uneigennúrigkeit, einen ſo weiten Weg zu machen , um feine Dienfte anjus bieten, nicht vergeſſen . Der Ton noch mehr als der Ins halt dieſer Bemerkung , war ein tödlicher Stoß für die liebſten Hoffnungen des perfiſchen Anwarters. Zwei Tage nachher verließ er das Lager und kehrte nach Schiras zus

94 rück , moer feindſelig gegen die Gefandtſchaft handelte, da er nach einer felbfiſchen aber gewöhnlichen Verkehrts heit im Sdhließen , ſich nicht nut geringſchäßig behandelt, fondern auch aller gehofften Vortheile beraubt zu ſehen glaubte. Die Ablehnung der Dienſterbietungen diefes Mannes berhinderte ohne Zweifel viele Gunftbewerber, die Anftrens gungen zu machen , die ſonſt wohl in ihren Abſichten ges ' legen haben mochten . Man meldete uns indeß von Schis ras , daß Aga Jbrahim aus Catwin , der lange als Staufs mann in jener Stadt angeſiedelt war , und fich um die Lieferung der Zelte und anderer zu unſerer Ausrüſtung erfoderlichen Dinge bewarb , über Abdul Hamid und reis nen Anſchlag fpottete , und fich rühmte , er wollte Allen den Weg geigen , einen Franken Geſandten zu gewinnen . Als und der Munſchi, Mohammed Huſſein, den wir mit Briefen an den Regenten von Fars und den Stonig vorausgeſchickt hatten , Bericht gab , wünſchten wir rehr, den furchtbaren Mann zu ſehen . Am nächſten Raftorte vor Deſcht e Ardjchun ſtellte er ſich uns vor. Er ſchien ein munterer offenherziger Burſche zu fein, und nach feis nem eigenen Gefändniſſe liebte er die guten Dinge dieſer Welt. Nicht allzu gewiſſenhaft war er , wie er uns vers ficherte , guten Wein zu trinken , und er rühmte fich , ein luftiger Geſellſchafter det Stónige gewefen ju fein , als Seine Majeftåt noch Prin; - Statthalter von Schiras war , und ehe er , aus Furcht vor ſeinem Oheime Aga Mohammed und den Schriftgelehrten , öffentlich ſeinen beren Wegen entfagte , und rings um die Stadt jog , alle Weingefare ju zerſchlagen , damit Alt und Jung die aufrichtige Reue des perfiſchen Thronerben bekannt wurde. ,, Ich habe keinen Oheim mit einer Strone auf dem Stopfe ,

ſprach

95 Aga Ibrahim , ich kümmere mich nicht am Priefier , und habe noch nie die geringſte Luft gefühlt , meine Wege zu åndern , außer wenn das Getränk ſchlecht war ; aber ferte er hinzu , indem er dem Gejandren bedeutſam jus nickte ich ſorge immer dafür, das beßte zu haben ." Gegen Abend Dieſes Geſpräch fiel am Tage vor. wünſchte Aga Jbrahim den Geſandten allein zu ſprechen , und als er einige Zeit bei ihm geweſen war, kam er zu uns zurück , aber unverkennbar mit betrogener Hoffnung. Man hatte auf ſeinen Wir entdeckten bald die Urſache. Befehl zwei beladene Samehle auf einem Hinterwege jut dem Zelte des Geſandten gebracht, und nach einem Furs zen Vorworte bat er ihn , beide rammt ihren Ladungen ald ein Pairch : Steſch oder Erft - Opfer anzunehmen . Ein Stamehl war mit ruſſiſchem Branntwein beladen , und die Stórbe, die das andere trug , enthielten nach ſeiner Vers ficherung zwei ſchöne georgiſche Sklavinnen . Der Geſandte hatte den Branntwein und die Schönen hóflich , aber mit vielen Danke für die wohlwollen de Abſicht, abgelehnt. Unſer Freund Aga Ibrahim war ein ganz anderer Mann als Abdul Hamid . Ein Paar Glåſer Wein , die wir ihm reichten , gaben ihm friſchen Muth. „ Mein Plan war gut, ſprach er , und wurde das Herz jedes Farindſchi gewonnen haben . Dieſer Eltſchi muß tief liegende Abfichs ten gegen Perſien hegen , ſonſt würde er ſolchen Verſuchs ungen wohl nicht widerſtanden haben . “ Aga Ibrahim hatte einen anſehnlichen Handel mit den Sklaven und Sklavinnen getrieben , die Aga Mohamns med aus Georgien entführte , als er im Jahre 1797 das Land ůberjog . Er hatte ſelber eine Sklavinn in ſeinem Hauſe behalten , in welche er ſehr verliebt zu ſein ſchien . Je mehr Wein er trant , deſto mehr ſprach er von ſeiner

96 lieben Mariamne. „Ich habe ihr oft angeboten , ſie zu heirathen , wenn ſie zum Jólam übergehen wollte , ſprach Und wahrlich, wenn ſie kniend vor er , aber Bergebens. ihrem Streuje betet, oder Geſänge auf die Jungfrau Marig fingt, fieht ſie ro fchón aus und ihre Stimme iſt fo füf , daß ich zwanzigmahl in Verſuchung geweſen bin , ſelber Ich kann mir auch kaum denken, ein Chriſt zu werden . daß ich im Paradieſe ohne Mariamne Freude haben konnte. " Unſer liftiger und gutmüthiger Freund ging am náds ften Tage mit ſeinen Stamehlen nach Schiras zurück, und war weder mit uns noch mit ſich ſelber unzufrieden . Er hatte allerdings ſeine Abſicht verfehlt , aber er war übers jeugt, daß irgend eine geheimnißvolle Urſache, gegen welche menſchliche Weisheit nichts vermöchte , feinen trefflichen Plan , das Herz eines Franken - Geſandten zu gewinnen, geftórt hatte. Aga Ibrahim wurde indeß über ſeine erfte bereitelte Erwartung getróftet , da er einen anſehnlichen Antheil an der gewünſchten Lieferung erhielt , und wir fanden ihn in allen Geſchäften ro ehrlich als andere pers fiſche Staufleute.

97

LX . Wichtigkeit

der

Formen.

Perfiſche

Ges

brå uche bei Beſuchen . Schwierigkeiten einer Ende Ausgleichung. Gtů & liches eines Streites über Formlichkeiten . Verkehr in Perſien .

Gerelliger

Fabeln und Apologe .

Ats , wir bei dem Garten des Schah Cſcheragh , eis nige Meilen von Schirag anlangten , wurde Halt gemacht, um die, bei unſerm Empfange zu beobachtenden förmlichs keiten zu verabreden . Dieß ließ ſich leicht abmachen , da der Geſandte, obgleich er ſeit ſeiner erſten Sendung vom Hauptmanne zum General geſtiegen war, nur eben dieſelbe Achtung und Aufmerkſamkeit foderte, die er früher, als der Bevollmächtigte eines großen und machtigen Staates ers halten hatte. Gebrauche und Formen genießen und verdienen Bes achtung in allen Ländern , beſonders unter den Völkern Añens. Bei dieſen wird der Verkehr im häuslichen wie im öffentlichen Leben durch die Beobachtung jener Fors men nicht wenig geordnet . Der Muth und die Entſchloſs fenheit, die ein Geſandter in Beziehung auf dieſe Dinge jeigt , geben den Perſern gewöhnlich den Mafftab für die Beurtheilung des Charakters des Landed , deffen Bevolls machtigter er ift. Id tannte dieſe Chatſache aus Bus chern, und überzeugte mich nun von ihrer Wahrheit. Der Geſandte hatte zum Glück an einigen der vornehmſten Höfe Indiens gelebt , deren Gebrauche ſehr ähnlich find . Er war baber ungemein bewandert in der Wiſſenſchaft, die man staida niicheft u berthabt, die Stun I. 7

Bayerische Staatsbibliothek

MUNCHEN

98 ju fiken und aufzuftehen nennt, und die zugleich die Sennts niß der Gebräuche und Sitten der guten Geſellſchaft, be: fonders der Stónige Afiens und ihrer Höfe, begreift. Bei Reiner erſten Ankunft in . Perfen kannte er vollkommen die Wichtigkeit jedes Schritter , den er in Beziehung auf ſo figliche Punkte that , und war daher eifrig bedacit, ſeine Streitigkeiten über die Ehrengebräuche zu ſchlichten , ehe er fich dem königlichen Throne náherte . Vom Aus genblicke unſerer Landung an bis zu unſerer Ankunft in Sdiras mußten wir uns täglich, ja ftundlich einer låftigen Abrichtung unterwerfen , um überall und unter allen Ums Wir fånden in unſerem Betragen vollkommen zu fein . wurden ſorgfältig unterrichtet , auf welder Stelle wir in einem Aufsuge reiten , wo wir im Innern eines Hauſes ftehen oder fißen mußten , wann wir von unſerm Sixe aufſtehen, wie weit wir beint Empfange eines Gaftes ihm entgegen gehen und bis zu welchem Theile des Zeltes oder des Hauſes wir ihn beim Abſchiede begleiten ſollten , wenn er einen Rang hatte , der uns nöthigte , einen Schritt zu thun . Die Anordnungen über unſer Lufftehen und Stehen, unſere Bewegungen und unſer Wiederſißen waren jedoch weniger wichtig,als die Zeit und die Weiſe, unſere Waffer pfeife zu rauchen und unſern Staffee zu trinken . Es iſt erſtaunlid), wie viel in Perfien auf Staffee und Taback ans kommr. Man kann durch die Art und Weiſe, dieſe beliebs ten Erfriſchungen anzubieten , eben fo fehr befriedigen als Ein Gaft wird bewilkommt oder vertrieben beleidigen . durch die Art , wie man eine Pfeife oder eine Taſſe Staffee Man bezeichnet auf das Genaueſte jede für ihn beſtellt. Abfiufung von Aufmerkſamkeit und Achtung durch die Art der Bewirthung

Steht der Gaſt über uns , ſo reichen

99 wir ihm jene Erfriſchungen mit eigener Hand, und theilen fie nicht eher mit ihm , bis er uns auffodert; iſt er uns feres Gleichen , ſo wechſeln wir die Pfeifen mit ihm , und reichen ihm Staffee , worauf wir die nachfte Caſſe ſelber nehmen ; fteht er ein wenig unter und und wollen wir ihm gern Aufmerkſamkeit beweiſen , ſo laffen wir ihn aus ſeiner eigenen Pfeife rauchen, aber der Diener reicht ihm auf uns fern herablaſſenden Wint die erſte Laffe Staffee ; fteht er hingegen tief unter uns , to find wir zurückhaltend und behaupten inferni Rang, indem wir die erfte Caffe Staffee felbft nehmen , und danni dem Diener cin Zeichen mit der Hand geben , den Gaft zu verſorgen . Bei der Änkünft eines Gaſtes beftellt man Staffee und Pfeife, ihn zu bewillkommen . Beſtellt man Beides noch einmahl , ſo ift dieß ein Zeichen , daß er geben kann ; aber dieſer Theil der Umgangſitte iſt nach dem gegena : ſeitigen Range oder nach der mehr oder minder vertrau: ten Verbindung der Betheiligten verſchieben . Diejenigen , für melche die Beobachtung dieſer Formen Gewohnheit und nicht ein Gefeß ift, mogen ſolche Dinge für leicht halten , aber in Perſieri finið et Sachen vor der größten Erhebs lichkeit, und das Anſehen , das ein Menſch in ſeinen eis genen und fremden Augen hat, hangt davon ab . Bon der Stunde an , wo die erſte Geſandtſchaft das Perfiſche Gebiet betrat; ſuchten Diener, Staufleute, Stadts gebieter, Stammhäupter und vornehme Beamten , im Vers trauen auf unſere Unwiſſenheit, ftets unſerer Würde zu nahe zu treten , und obgleich fie auf allen Punkten ju : růckgeſchlagen wurden , ſo fepten ſie doch ihre Bemühuns gen fort , bis eine Hauptſchlacht in Schiras: die Sache ent: ſchied und unſern Ruf , daß wir über unſere Anſprüche völlig im Stlären waren, unerſchütterlich gründete. Die:

100

ſes merkwürdige Ereigniß verdient eine ausführlidhe Ers zählung . Die erſte Geſandtſchaft kam am 13. Junius 1800 Der Stónig von Perſien war zu jener in Schiras an . Zeit in Sthoraſian , und in der Landſchaft Fars , deren Hauptſtadt Schiras ift , herrſchte dem Nahmen nach ſein Er Sohn Hufrein Ali Mirja , ein zwölfjähriger Stnabe. war unter der Vormundſchaft ſeiner Mutter, einer klugen Frau, und eines Miniſters , Nahmen : Eſcheragh Ali Sthan . Man batte mit dieſem furchtbaren Manne viele Streitigs keiten über unbedeutende Gebrauche gehabt, wichtiger aber als alles war die Erwägung der Ehrengebrauche , die bei unſerm , dem jungen Fürften abjufattenden Beſuche beobs achtet werden ſollten . Nach per fiſcher Sitte fas Huſſein Ali Nirja auf einem Nemmed oder dicken Fils , der auf einem Teppich lag , und halb das obere Ende des Zimmers bedeckte , wo er die Geſandten empfing . Zwei Filzſtücke , um zwei bis drei zou niedriger als der prinzliche Siß , lagen zu beiden Seiten des Zimmers. Hier faßen die Minifter und Eds len des kleinen Hofes , während der übrige Raum dem Geſandten und ſeinem Gefolge überlaſſen blieb . Nach einem geſchriebenen Deftur ul amal oder Programmi, dem ein Grundriß des Zimmers beigefügt war , ſollte der Geſandte nicht nur am obern Ende unſeres Filiftückes fißen , ſondern auch feinen rechten Schenkel auf des Prins zen Nemmed legen . A16 der Gefandte in das Zimmer trat , grüßte er den Prinjen, und begab fich dann zu ihm angewieſenen Siße ; der Ceremonienmeiſter * zeigte auf einen niedrigern , und da der Geſandte auf Zeichen nicht achtete, ftellte jener fich zwiſchen ihn

* Afchlakas Balchi.

dem aber ſein und

101

den , im Programm beftimmten Plak. Hier blieb er ftehen , unwandelbar wie eine Bildfåule , und achtete nicht auf den Geſandten , der ihm mit der Hand ein Zeichen gab, auf die Seite in gehen. Dieß war der entſcheidende Aus genblick des Stampfes . Der Geſandte fab den Minifter an , der aber fumm blieb ; und die Hände vor dem Leibe kreuzend , auf den Teppich niederfab. Der junge Prins, Der bis zu dieſem Augenblicke , wie die übrigen , eine ſchweigende Würde behauptet hatte, bat nun den Geſands ten, ſich zu leben , und als diefer ihm eine tiefe Verbeus gung gemacht und mit nicht geringem Unwillen auf den Miniffer geblickt hatte , folgte er der Auffoderung. Kaffee und Pfeifen wurden gereicht , und ſobald dieſe Ehrenbes jeigung vorbei war , und ehe man neue Erfriſchungen bes ſtellt hatte , bat der Geſandte den Prinjen , ihn zu ents laſſen und ohne auf die Antwort zu warten, ftand er auf und ging . Als der Miniſter ſah ,

daß die Sachen nicht gut

gingen , und nachdem ein Verſuch zu einer Verſtändigung war abgewieſen worden , ſchickte er den Mehmandar Mos bammed Scheriff Sthan zu dem Geſandten . Man mies ihn ab und trug ihin auf , Eſcheragh Ali sthan zu ſagen , der britiſche Bevollmächtigte wollte nicht in Schiras vers weilen, um cine zweite Beleidigung zu erfahren . Sage ihm , fette er hinzu , daß ich aus Achtung gegen den stós nigi der nicht in ſeinem Gebiete ift, mich enthalte , ſeis nen Sohn , ein Stind , geringſchåßig zu behandeln . 90 fekte mich daher auf einen Augenblick , aber ich habe keis neswegs große Achtung gegen den Miniſter , der durch die Verlegung einer Uebereinkunft mit einem freinden Ges fandten gezeigt hat ,

daß er nicht weiß ,

Fürfien und ſeinem Lande ſchuldig ift."

was er ſeinem

102 Als der Geſandte dieſe Botſchaft, die er mit lautem und unwilligem Tone fprach , abgeſchidt batte, feßte er fidh ju Pferde und ritt , wie es ſchien , in großer Wuth weg . Es war ergeßend, die Verwirrung zu ſehen , worein dieſes lebhafte Gefühl der ihm widerfahrenen unwürdigen Bes handlung diejenigen verſetzte , die einen Augenblick fråber fich viel damit gewußt hatten , ihn genöthigt ju haben , ſich volle zwei Fuß tiefer auf den Teppich ju reken , als war verabredet worden . Ein Mirza und Omrah nach dem andern ſprengte herbei , uno bat verſchiedene Perſonen des geſandtſchaftlichen Gefolges, den Eltfchi zu beruhigen . Man ſchüttelte den stopf, aber die Bittenden ſchienen noch Hoffnung zu hegen , biß fie hårten , daß Befehl war gegeben worden , das engliſche Lager ſogleich abzubrechen . Alles war erſchrocken , und Botſchaft nach Botſchaft kam , um den Zorn des Eltſchi zu verſöhnen . Man beſchuldigte ihn , er legte ju piel wichtigkeit auf eine unbedeutende Sache, man ſagte , es wäre ein Mißverſtändniß des Cere : monienmeiſtero , und fragte , ob die Ungnade des Beam : ten , feine Beftrafung , Fußſohlenbiebe , Augenausſtechen , Stopfen , den beleidigten Eltichi befriedigen oder vergnügen würde. Auf all dieſe Ausweichungen und Vorſchläge gab der Geſandte nur die Antwort : ,, Mag Dſcherad Ali Sthan mir ſchriftlich geſehen , saß er die Uebereinkunft gebrochen hat und mich um Verzeihung , bitten. Erhalte ich dieſes Bekenntniß, ſo bleibe ich , wo nicht, ſo verlaſſe ich Schiras.1 Vergebens ward alles aufgeboten , dieſen Entſchluß ju åndern , und als der Miniſter jah , daß er nicht auss weichen konnte , gab er endlich nach und ſchickte die pers langte Entſchuldigung, indem er þinju reßte , wenn es je dem Stónige ju Ohren fåme , daß der Eltſchi ware belei :

103 digt worden, ſo würde man keine Strafe zu hart für dies jenigen halten , die den Geſandten in Åble faune geſekt oder ſeine Gefühle verwundet håtten . ES erfolgte die Antwort, die Erklärung wäre befriedigend, und der Eltſchi wollte nicht um die ganze Welt dem Geringſten in Per: fien einen Nachtheil zujiehen , viel weniger ſeinem theuren Dem Briefe wurden auf Freunde Sicheragh Ali stban . ausdrückliches Verlangen des Mirza Aga Mir , der ihn fchrieb, noch einige Worte binjugefügt , des Inhalts, daß der Geſandte von der Tafel feines Gedächtniſſes alles Unangenehme weggewiſcht hatte , und nichts mehr darauf ju leten wäre , als die goldenen Buchſtaben der Freunds ſchaft und Eintracht. Am nächſten Tage nach der Ausgleichung dieſer Sadie machte der Minifter dem Geſandten einen langen Beſuch, und bat ihn dringend, den Prinzen noch einmahl Aber wie ganz anders war ju beſuchen . Wir gingen . nun der Empfang ! Alles war aufmerkſam ; der Ceremo nienmeiſter brugte ſich beinahe bis zur Erde, und obgleich der Geſandte bloß den , ihm angewieſenen Siß einnehmen wollte , ro war doch weder der Prinz noch der Miniſter damit zufrieden , ſondern man beſtand darauf , daß der Eltichi, ſtatt einen Schenkel auf das Nemmed zu legen , dem er fich früber nicht nåhern durfte, jeßt ſogar auf dem Zipfel derſelben figen ſollte. Dieß mar Niber : babni , fer afrafi - Gunft und Erhöhung wir alle waren begünſtigt und erhöht .

- und

Dieß iſt die Geſchichte dieſes Strieges über Höflichkeits erweiſe, welcher der einzige von Bedeutung war, den man in Perſien auszurechten hatte , denn hat man in Seriegen dieſer Art, wie in andern , einmahli den Ruhm eines ge:

104 fchickten und tapfern stampfers erlangt , ſo folgt der Sieg von ſelbft. Man lafie fich jedoch durch die angeführten Umfiánde nicht ju der Vermuthung leiten , daß alle Perſer ernfihafte Stein Voll in der Welt iſt ſo und ſteife Formler ſeien . munter. Sie finden ihr Pergnügen an vertraulichen uns terhaltungen , und jede Art von Erhobling ſcheint , wie bei Stindern , durch die zuiveilen eintretenden Beſchräns kungen, wozu ihre Gebrauche fie verurtheilen , noch mehr erhöht zu werden , Es werden alle Mittel aufgeboten , die Freuden ihreț geſelligen Stunden zu vermehren , und in ſo fern es eine angenehme Geſellſchaft geben kann, ohne ihre erſte Zierde, die Frauen , findet man ſie in dies Fürſten , Stammhaupter und Staatsbeamte, fem Lande. die mit Recht auf ihre gebildetern Sitten ſtolz find, laſten es ſich ſehr angelegen fein , fich zu angenehmen Geſellſchaf: tern zu machen . Dichter, Geſchichtſchreiber, Stern deuter , Wißlinge und Erzähler , die Auszeichnung erlangt baben, werden in die erſten Geſellſchaften aufgenommen und ges. ehrt. Es iſt nicht ungewöhnlich , daß ein pornehmer Edler einem wißigen oder gelehrten Manne , von welchem die Geſellſchaft Unterhaltung und Belehrung erwartet , den Þorrang gibt, und der Gaben ſich bewußt, die ihm dieſe Auss jeichnung verſchaffen, jeigt der Vorgesogene durch ſein Bes nehmen und ſeine Bemerkungen , daß der Gebrauch ihm ein Recht auf den Plat gegeben hat, den er einnimmt. . Ich hatte fehr verſchiedene Nachrichten über den ges fellſchaftlichen Umgang in Perfien gehört, ehe ich ihn relo ber kennen lernte. Einige fanden eine Strafe , Andere ein Vergnügen darin . Ich bemerkte bald , daß eine ges wiffe Vorbereitung dazu gehörte , um in dem geſelfdhafts lichen Umgange einen Genuß iu finden ,

und .fo bald ich

105 in Perfen gelandet war, widniete ich einen Theil meine Zeit den beliebteſten dichteriſchen und proſaiſchen Werken des Volkes. Ich machte Ueberſegungen ſowohl von ges ſchichtlichen Werken und von Verſen , als auch von Fabeln und Erzählungen, überzeugt, daß dieſe Beſchäftigung mich in der Stenntniß der Sprache weiter bringen , und mir zugleich einen richtigern Begriff von den Sitten und der Denkart dieſes Volkes geben konnte , als ſich aus andern Quellen ſchöpfen ließ. Ueberdieß iſt es eine Art von Lite's ratur , womit in Perſien beinahe jeder bekannt iſt , und Anſpielungen auf poetiſche und romantiſche Werke koms men in der Unterhaltung ſo häufig vor, daß man im ges fellichaftlichen Verkehre keinen Genuß findet , wenn man folche beliebte Geſprächftoffe nicht fennt. Ich habe frůber ſchon auf die Urſachen hingedeutet, die Leute von allen Standen in Perſien veranlaſſen , Fas beln und Apologe in ihre Geſpräche zu miſchen , aber dies fer Umſtand verdient eine umſtåndlichere Nachricht. Weber die urſprüngliche Heimat jener Erzählungen , die verſchies dene Geſchlechtfolgen erfreut haben und noch immer ers freuen , iſt von den europåiſchen Gelehrten lange und ernſthaft geftritten worden . Einige mit dieſer ſchwierigen Frage verbundene Chatſachen werden von Allen zugegeben . Man nimmt erſtens an , daß dieſe Erzählungen nicht das Erzeugniß unſeres Abendlandes find. Sie find offenbar

auslånbiſche Gewachſe , obgleich wir den urſprünglichen Stamın durch ſorgfältigen Anbau , durch Pfropfen und andere Mittel veredelt haben , wodurch ſie für den Boden , worein man ſie verpflanzte, paſicnder geworden ſind . Man gibt ferner zu , daß unſere beſten Fabeln und Er ; ábluns gen mit der Sonne aus dem Morgenlande gekommen find , auß jener beitern Erdgegend , wo die Natur ihre

106 Schåße mit fo freigebiger Hand Bertheilt, daß fie diejenis gen verzártelt, welchen ſie ihre erlefenften Gaben verleiht. In jenen begünſtigten Låndern wächft und blüht die Fans tafie der Schriftſteller, wie ihre immergrünen Gewächſe in Dieſe Ueberfülle wird von unbeſchnittener ueppigkeit. den ellen şcunſtrichtern des Abendlandes verdamint. Ich hingegen bin zwar ein Bewunderer der Stunft , betrachte aber die Natur gern in all ihren Bildungen, und ich habe auf den verſchiedenen Schauplåten , die ſie mir darbot, bemerken können , wie viel Einfluß auf die Geſtalt und Die Beſtrebungen des Menſchen die Eigenheit des Landes hat, wo er geboren ward . Unſer bewunderter philoſophis ſcher Dichter , der von der Herrſchaft ſpricht, welche der unbeſchränkte Geift , wenn er fich anſtrengen will , über den kalten und heißen Erdgúrtel ausübt , feßt ſchön und wahr binju : Doch gab der Boden , der ihm Nahrung lieh, Des Menſchen Stamm ' den Erdgeſchmack auch früh. Und wie des Erdreichs Stoff des Pflügers Werk bedingt, So ſpricht die Sitte, wie des Bodens Sprache klingt. Die Wärme des morgenlandiſchen Himmelb , die nie rubende Fruchtbarkeit der Erde, náhren eine lebhafte Eins bildung und ſtarke Leidenſchaften , aber fie geben auch dem Störper jenen Hang zu úppiger Ruhe , welche der Freiheit Dieſe edelſte aller Pflanzen , die je auf der feind ift, Erde blühte , ift von der Schöpfung bis auf den heutigen unter dieſen Tag im Morgenlande unbekannt geweſen . Umfånden gebieten Familienvåter , Stammhaupter und Stónige, jeder in ſeinem Streiſe, mit volliger Eigengewalt und ihre Untergebenen ſind daher genothigt , die gefürchs teten Vorgefekten in Apologen , Gleichniffen , Fabeln und Erzählungen anjureden , damit nicht die reine Wahrheit, offen ausgeſprochen, beleidige.

Wer eine Slage ausſtieße,

107 oder einen Rath anbote, würde, bei der erſten Aufwallung des Zornet , Fußſohlenhiebe erhalten oder um ſeinen Kopf kominen, ehe der måchtige Gebieter Zeit hatte, nachzudens ken , ob eine so ſchnelle Strafe billig perhångt werden follte. Dieſe unangenehmen Folgen zu vermeiden, verlieh man jedem Vogel , der fliegt , jedem Chiere , das geht, jedem Fiſche , der ſchwiinmt, die Gabe der Sprache, und ließ fie stónige, fióniginnen , Minifter, Höflinge, Strieger, Weiſe, Thoren , alte Weiber und kleine Stinder vorſtellen , damit , mie ein perfiſcher Schriftfeller fagt, dem Ohre der Macht die Zunge der Weifheit fich ſicher nahen könne. Es gibt jedoch noch eine andere Urſache, warum Erzáh . lungen und Fabeln im Morgenlande noch immer ſo bes liebt find. Wir bemerken , daß fie zu einem angenehmen und nútlichen Mittel dienen , Kinder zu belehren, in den Påndern aber, von welden wir ſprechen , ſind die meiſten Männer und Weiber , hinſichtlich allgemeiner Senntniffe, nichts als Slinder , und während ſie durch Allegorien und Apologe, die mit Lebensregeln untermiſcht find , die Ver: dienſte ihrer Oberen würdigen lernen , werden dieſe dages gen zur Menſchlichkeit, Großmuth und Gerechtigkeit ans gewieſen . Habt Ihr fonft keine Gefeße , fragte ich einft Aga Mir , als den storan und die Ueberlieferungen , die ſich auf dieſes Buch beziehen ? „ Wir haben , ſprach er ernft, Saadi's. Weisheitſprüche. " Nach meinen eigenen Beobs achtungen zu urtheilen , würde ich ſagen , daß dieſe Ger ſchichten und Lehrſprůche, die jedermann vom Sónige bib auf den Bauer kennt, eben ſo wirkjam ſind , die willfuors liche und ungerechte Ausübung der Gewalt zu bemmen , als es die Gefeße des Profeten vermogen . Durch Alles gorien und Fabeln erhalten wir die früheſte Stunde von

108 allen Völkern , zumahl von den Bewohnern der dAlichen Halbkugel. In unſern Tagen , wo auf Genauigkeit ſo viel Werth gelegt wird , mogen wir eine Vermittelung dieſer Art beklagen , die ſo leicht zu Irrthümern führen kann ; aber wir dürfen nicht vergeſſen , daß wir nichts von jenen Völkern wiſſen würden , wenn wir ihre älteſten Nachrichten nicht in ſolcher Form håtten . Einer der weis feften Männer des Abendlandet, Fran ; Bacon , fagt trefs fend : ,, Die Dichtung gewährt den Menſchen , was die Geſchichte verſagt, und befriedigt den Geiſt einigermaßen mit Schatten, wenn er die Wefenheit nicht erlangen kann. “ Die ausgezeichnetften Geiſter des Morgenlandes haben ihre Gaben in Werken der Dichtung angewendet, und die fittlichen Lehren , die fie einſchårfen wollten , ſo anmus thig und sicrlich eingekleidet , daß ihre Schriften bei allen Völkern der Welt Eingang gefunden haben . Ihr großer Einfluß auf'Europa mag fich von den Streuzzügen herſchreis ben , und wenn jener Erdtheil den heiligen Striegen keine andern Wohlthaten verdankte , ſo mogen die begeiſterten Bewunderer folcher Geſchichten die Erzählungen Boceac: eio's und ähnliche Werke für hinlängliche Vergütungen des Blutes und der Scháte halten , die in jenen merks würdigen Kampfen aufgeopfert wurden . England hat aus jenen morgenlåndiſchen Erzählungen viel Vortheil gejogen , und zu den Gaben , die wir dem Lande der Fantaſie vers danken , gehört auch die Grundlage , auf welche Shats fpeare ſein unvergleichliches Schauſpiel, der sta ufmann von Venedig , gebaut hat. Man findet die Geſchichte von dem Mohammedaner und dem Juden in mehren mors genländiſchen Erzählungen wieder. In einer perſiſchen Bears beitung miſcht fich die Liebe mit dem Geise in der Bruſt des Juden , der ein begehrlidhes Auge auf das Weib des Nos

109 hammedaners geworfen hatte , und in der Erwartung ftand , die Frau würde , wenn er ſein Pfand fodern wollte, ein Opfer bringen , um ihren Mann zu retten . Ain Schluſſe der Erzählung ſtehen beide Cheile vor dem Nidha ter , und der Jude erhebt ſeinen Anſpruch auf das verfallene Pfand , ein Pfund Fletídy. 1. Was haſt Du šut antworten ? " fragte der Richter den Mohammedaner. Es iſt wie er ſagt , erwiderte dieſer, ich bin ihm das Geld ſchuldig , aber nicht im Stande, es ju bezahlen . Nun , biſt Du jur Bezahlung nicht im Stande geweſen , ſprach Woblan , der Richter , ſo mußt Du das Pfand geben . bringt ein ſcharfes Meſſer. Als man es brachte , wen : dete ſich der Richter ju dem Juden und ſprach : Stehe auf und ſchneide ein Pfund Fleiſch von ſeinem Leibe, aber nicht ein Gran mehr oder weniger, ſonſt ſoll es dent Landpfleger gemeldet werden und Du wirſt mit dem Tode beſtraft. ,, Ich kann nicht genau ein Pfund abſchneiden , ſprach der Jude, es wird etwas mehr oder weniger ſein .“ Der Ridter aber beſtand darauf, co ſollte genau das verlangte Gewicht abgeſchnitten werden . Der Jude erklärte nun , er wollte Aber auch ſeinen Anſpruch aufgeben und ſich entfernen . dieß wurde nicht geſtattet, und der Jude rollte entweder fein Pfand trok aller Gefahr nehmen, oder eine Geldſtrafe Er zog den lekten für die nedende Belangung geben . Ausweg vor , und ging als getåuſchter Wucherer bein . Angenommen nun , daß die Europäer dieſe Erzähluns gen und Apologe von den Sarajenen empfangen haben, ſo ift die nachfte Frage , woher ſie zu dieſen gekommen find. Mohammed und ſeine nachſten Nachfolger , die all jene Fabeln als falſche und böſe Lügen und Erfindungen perwarfen , beſdjuldigten die Perſer, jene täuſchenden Ers jåhlungen aufbewahrt und verbreitet ju baben , welche,

110 wie ' File ſagen , von vielen ihrer Anhänger den foran vor: gezogen wurden . Im Verlaufe der Zeit aber zeigten ſich die Sthalifen weniger ftrenge. Der Geſchmack an Poefie und Dichtung lebte wieder auf und perfiſche Geſchichten und arabiſche Nábrchen überſchwemmten das Land. Man hielt Perſien und Arabien einige Jahrhunderte lang für die Heimat jenes Zweiges der Literatur ; feit aber die heilige Sprache der Hindu allgemeiner bekannt geworden ift , hat man entdeckt , daß die Perfer nicht nur die Gů : ter und Befißungen , ſondern auch die Dichtungen der Bewohner Indiens geplündert haben . In unſerer Unwiſſenheit find wir lange der Meinung geweſen, daß dieſe den Völkern gehören , von welchen fie ju uns gekommen ſind, in unſern Tagen aber , wo es ſo biele gelehrte Stenner des Morgenlandes gibt , die das Sanſkrit , das Pankrit , das Marhattiſche , das Gu : jerattiſche, Stanariſche, Siamifche , Sineffche, Telugiſche, Tamuliſche und hundert andere , unfern unwiſſenden Vors altern unbekannte Sprachen gründlich derfteben , find die Perſer und Araber berurtheilt und überwieſen worden, daß fie nicht nur den armen Hindu ihre Erzählungen und Fabeln geſtohlen , ſondern auch verſucht haben , ihren Raub zu verbergen , indem fie'Nahmen änderten und flatt ber indifchen Gotter und Góttinnen , die Magier und alle Geifter des Himmels und der Erde einführten , die den Anhängern Soroafers befonders eigen find . Unſere erleuchtete Zeit aber låßt ſich durch nichts tåus fchen ; fchon lange und bis auf dieſen Tag find unſere Alterthúmler beſchäftigt, Diebfåhle zu entdecken , die vor jweitauſend Jahren begangen wurden . Croß den perfis fchen und arabiſchen Mänteln , worein man Erzählungen und Fabeln gehüllt hat , find die Spuren ihres indiſchen

111 urſprung

in den Sitten und Gebrauchen , auf welche fie

anſpielen , entdeckt worden , und man hat auegemittelt , daß beinahe alle alten Erzählungen aus dem Hitopas dera und dem noch berühmtern Werke , pantfcha Tantra , oder vielmehr Pantſch opathi'an , das beißt funf Erzablungen , fiamnten , wogegen viele von neues rem urſprunge aus dem Sea tha Sarit Saagar, das heißt Djean des Stromes der Erzählung, einem wohl bekannten Werke, genommen ſind, das um die Mitte des zwölften Jahrhunderts auf Befehl des nicht minder bes kannten Fürſten , getragen wurde.

Sri Hertha von Stafdhnrir , rufanimen's

Es find mir juweilen Zweifel aufgeftofen , ob es auch ganz billig rei , die Aſche långft dahingegangener Pehlwis Schriftſteller aufzufitoren , zumahl da es jeßt kein einziges Buch in ihrer Sprache gibt , das wir mit den Hindus Handſchriften vergleichen konnten , in welche wir uns in Aus Achtung gegen die neueren Zeiten verliebt haben . Gelehrſamkeit der Männer , durdy welche dieſe Fragé ents ſchieden worden ift , und aus Furdyt vor ihren ſchweren Wörtern , deren Ausſprache ſelbſt mich immer in Verles genheit feßt, habe ich geſchwiegen . Ich hege indeß einige Vorliebe für meine perfiſchen Freunde, und muß fie gegen den allgemeinen Vorwurf des Diebftahlo und Betruges Sie haben allerdings eine ihrer berühmtes vertheidigeu . ften Dichtungen aus Indien erhalten , aber unter Umſtån . den , die dem gerechten Stónige Nuſchirwan , feinem weiſen Weffir Bifurðſchimihr und dem gelehrten Barfujeh gleiche Ehre machen . Das Werf, auf welches ich deute , iſt das startara

Damnaka der Brahminen , das stelible we Diune der Araber , oder was die Europäer pilpay's Fabeln

112 nennen . Dieſes urſprünglich in der Sanſkrit : Sprache geſchriebene Buch wurde zuerſt in das Pehlwi , aus dieſem ins Arabiſche und dann ins Perfiſche überſeßt. Gelehrte $tenner Der morgenländiſchen Literatur in Frankreich und England haben uns mit den Nahmen und der Beit der Ueberſegungen hinlänglich bekannt gemacht , und ich finde et daher nicht nöthig , mehr davon zu ſagen , ſondern gebe bloß eine kurze Nachricht von der erſten Einführung jener berühmten Fabeln in Perſien , und einige Chatſachen über das Leben und die Meinungen des weiſen und auégezeichs neten Manneer deffen Bemühungen ſein Baterland den Beſitz jenes Schakes verdankte . : , Nuſchirwan , der den Betnahmen des Gerechten vers dient, und Perſien zu Anfange des fiebenten Jahrhunderts beherrſchte, hörte von dem Ruhme eines Werkes , das die Brahminen in Ceylon verfaßt haben ſollten , und gab dem berühmten Arzte Barſujeh den Auftrag , ihm eine Abs ſchrift davon zu verſchaffen . Dies war ein bedenkliches und gewagtes Unternehmen , da man das Werk ſeit der Regierung eines gewiffen indiſchen Kónigé, Nahmens Dabs ſchilim , für welchen es beſtimmt war, mit großer Sorgfalt und Eiferſucht aufbewahrt batte , damit nicht die Uneins geweihten die Weisteit lernen möchten , die nur das Ei : genthum der Verſtändigen und Heiligen fein Rollte. Bars fuich, der auf ſeine Stenntniffe vertreute, und ſeinem Ges bieter treu ergeben war, übernahm es , Nuſchirman's Bes fehl zu vollziehen. Er ging nach Indien , mit Gelde vers ſehen und mit allem , wag den Zweck ſeiner Reiſe beförs dern konnte. Als er in Indiens Hauptſtadt angekoms men war , gab er vor , er hatte die Reiſe in der Abſicht unternommen , ſeinen Geiſt durch den Umgang mit den weijen Männern ausjubilden , die das Land zu jener Zeit

113 berühmt machten .

Unter den Männern, beren Geſellſchaft

er ſuchte, fand er bald einen Brahmin , in welchem er ein wahres Mufter der Weisheit zu erblicken glaubte. Er bemůbte fich , die Freundſchaft des Mannes zu gewinnen , und als er ſeinen Zweck erreicht zu haben meinte , nahm er ſich vor , ihm ſeine eigentliche Abſicht zu enthüllen . „Ich habe Dir ein Geheimniß anzuvertrauen , ſprach er eines Tages zu ſeinem Freunde und Du weißt , für den Weiſen bedarf es nur eines Winkes." Ich weiß, was Du meinſt, antwortete der ſcharf blik: Du biſt gekommen , kende Brahmin , ohne deinen Wink. uns unſere Stenntniſſe zu rauben , um Perſien damit zu bereichern . Deine Abſicht iſt Betrug, aber Du haſt Dich mit ſo viel Gewandtheit benommen , daß ich Dich achten muß . Ich habe in Dir die acht Eigenſchaften gefunden, die ſich vereinigen můſſen , einen vollkommenen Mann zu bilden : Enthaltſamkeit , Selbſterkenntniß , wahre Pflichts treue, Borſicht bei der Wahl eines Vertrauten , Verſchwies genheit, Fähigkeit , ſich Achtung am Hofe zu verſchaffen und Zurückhaltung ſowohl im Reden vor einer gemiſchten Geſellſchaft als auch im Einmiſchen in fremde Angelegens heiten . Du haſt dieſe Eigenſchaften , und wiewohl deine Abſicht, meine Freundſchaft zu ſuchen, nicht rein , ſondern eigennúkig iſt, ſo bege ich doch ſo viel Achtung gegen Dich , daß ich troß allen Gefahren deinen Zweck, unſere Weisheit ju ftehlen , befördern will. Der Brahmin erlangte das viel begehrte Buch , und durch ſeine Hilfe und Nachficht war bald eine Abſchrift fertig . Nuſchirwan erwartete ſehr ungeduldig die Rúks kehr reines gelehrten Geſandten, der ihm von dem glücks lichen Erfolge ſeiner Bemühungen Nachricht gegeben hatte, und als Barſujeh an der Grånge ankam , fand er einige 8 I,

114 der angeſehenjien Hoflinge, welchen der Stónig aufgetra . Barſujeb gen hatte, ihn in die Hauptſtadt zu geleiten . wurde von Allen , beſonders von Nuſchirwan , freudig bes willkommt. Es war eine zahlreiche Verſanımlung ani Hofe , welcher alle angeſehene und gelehrte Männer des Barſujeh erhielt den Befehl , aus Reichs beimohnten . dem mitgebrachten Buche vorzuleſen. Er that es , und der Inhalt ward algemein bewundert. Deffnet meinen Schať, ſprach der große Nuſchirwan , und laſt den Mann hineingehen , der ſeinem Vaterlande eine ſolche Wohlthat gebracht hat. Er moge ſich das Strofts barfte nehmen , das er findet. Ich verlange weder Edelfteine, noch koſtbare Metalle, ſprach Barſujen. Ich habe nicht gearbeitet , um rols chen Lohn zu finden , ſondern nur um die Gunſt meines Fürften ju erlangen , und daß ich glücklich geweſen bin , muß ich mehr feinen Schuße als meinen geringen Ans Aber ich habe eine Bitte vorzu: ftrengungen jufdreiben. Der Stónig hat ſeinem geſchickten tragen, fuhr er fort. Werfir Bifürdichimir den Auftrag gegeben , dieſes Were in das Pehlwi zu überſeßen , moge er ihn ferner anweis ren , daß mieiner in einem Theile des Buches gedacht, und mein Gefd)lecht, mein Beruf und mein Glaube genau angegeben werde. Al dieß möge man aufzeichnen , damit mein Nahme auf künftige Zeiten komme, und der Ruhm meines Stónigs in der Welt ſich verbreite. Der Stónig freute fich über dieſen neuen Beweis der Alle prieſen ſeine vollendete Großherzigkeit Barſujeh's. Weisheit, und baten einmüthig, fein Geſuch zu gewähren . Nuſchirwan wendete ſich nun zur Verſammlung und ſprach : „ Ihr ſeid Zeugen der edlen Uneigennúßigkeit Ihr wißt , wie treu er reine dieſes Mannes geweſen .

115 Pflicht erfüllt und wie viele Beſchwerden und Gefahren er in meinem Dienſte beſtanden und beſiegt hat. Ich wollte ihn mit Edelfteinen und mit Geld belohnen , aber ſolche Belohnungen haben keinen Werth für ſeine Seele, Er hat nur und ſein edles Herz iſt über fie erhaben .

verlangt, daß feines Nahmens beſonders gedacht und ſein Leben bis auf dieſen Tag treulich beſchrieben werde . So gib ihm denn , ſprach der Stónig zu Bifürdichimir , eine Stelle gleich im Anfange jenes Buches der Weisheit, das er feinem Vaterlande verſchafft bat. " Dbiges ift der Hauptinhalt der Geſchichte, wie ſie in der perſiſchen Ueberſegung des Werkes vorkommt, die von Abul Fall gemacht ward , und Ajar i Dabni dh oder der Prüfftein der Weisheit heißt. in demſelben Buche finden wir einige Nachrichten von den Glaubensmeinun: gen oder vielmehr Glaubenszweifeln des philoſophiſchen Barſujeh, die einer kurzen Erwähnung werth find. Der weiſe Mann , der ſelbſt redend eingeführt wird, außert fich auf folgende Weiſe. ,, Die Fragen über die Eigenſchaften des Schöpfers und die Beſchaffenheit der Zukunft find Quellen endloſer Zweifel und Erörterungen geweſen . Jedermann hålt feine eigenen Meinungen über dieſe Gegenſtände für die einzig wahren , und opfert fein Leben den Bemühungen , feine Partei zu erhöhen und andere Parteien berabjufeßen . Wie viele dieſer Menſchen aber find bloße Selbftanbeter, in welchen nicht eine Spur von wahrer Frommigkeit oder Gotte: fenntniß iſt. Wie ſehr bedaure ich die Zeit , die ich ſelber verloren habe, als ich dieſen leeren Träumereien nachging , und jeden Pfad ſuchte , aber nie den wahren entdedte , auch nicht einmahl einen Führer fand. Id babe die Weifen und Gelehrten von jeder Religion über 8*

116 den urſprung des Glaubend befragt, den fie annahmen ; aber ich habe fie nur damit beſchåftigt gefunden , ihre eis genen Meinungen zu unterſtüßen , während fie fremde umzuſtürzen verſuchten. 416 ich endlich ſah, daß ich keine Arznei für die strankheit meines Herzens und keinen Balſam für die Wunden meiner Seele finden konnte, kam ich zu dem Schluſſe, daß all dieſe Sekten auf Eigens důnkel gegründet ſind. Ich hatte nichts gehört, das den Beifall eines weiſen Mannes verdient hatte , und dachte, daß ich bei der Annahme ihrer Glaubendmeinungen eben ſo thörig ſein würde , als der arme Dieb , der durch ein finnloſes Wort ins Verderben geführt ward."

,, Einige Diebe fliegen auf eines reichen Mannes Haus , er aber borte ihre Fuftritte , und ihre Abſicht abs nend, weckte er feine Frau , und flifterte ihr zu, was vors Ich will thun , als ob ich ſchliefe , ſprach gefallen war. er , ftelle Du Dich , als wedteſt Du mich , und ſprich ſo laut mit mir, daß die Diebe es hören können . Frage mich ſehr dringend, wie ich meine Reichthümer geſammelt habe, und troß meiner Weigerung treibe mich zum Geftandniffe." ,,Die Frau folgte der Weiſung und der Mann ers widerte : Nichts mehr von ſolchen Fragen ! Wollte id Dir aufrichtige Antworten geben , ſo könnte mich vielleicht jemand hören , und ich unangenehme Folgen davon ers fahren ." ,,Dieſe Weigerung, ihre Neugier zu befriedigen , bes wog die Frau nur , ihre Fragen noch dringender zu wis Derhohlen . Ihrer Zudringlichkeit můde , wie es Tchien , ſprach der Mann : Erfülle ich deine Wünſche , ſo werde ich gegen den Lehrſpruch des Weifen verſtoßen , der da ſpricht : Sage einem Weibe nie cin Geheimniß. "

117 ,, Wofür haltft Du mich ? erwiderte die erjúrnte Frau . Bin ich nicht das geliebte Weib Deines Herzens ! " ,,Nun ia — ſprach der Mann , aber um Gotteswillen nur geduldig ! Du biſt meine wahre und vertraute Freuns dinn , und ſo muß ich Dir wohl alles fagen , aber ents dece nie jemanden , was Du erfahren rooft. " ,, Sie machte tauſend Betheurungen , daß ſein Ges beimniß nie über ihre Lippen kommen ſollte. Der Mann ſchien vollkommen beruhigt zu ſein , und hob wieder an : So wirſe denn , mein liebes Weib, daß mein ganzer Reichs thum aus Raub befcht. Ich beſaß einen geheimniſvollen Zauber. Wenn ich in mondhellen Nächten vor der Mauer des Hauſes eines reichen Rannes ftand , und die Worte Scholim , Scholim , Sholim fiebenmahl wieders bohlte, und dabei meine Hand auf einen Mondftrahl legte, konnte ich mich auf das platte Dach fchwingen , und war ich oben, fo rief ich wieder fiebenmahl Scholim , Scholim , Scholim ! ſprang mit der größten Leichtigkeit ins Haus binab , rief wieder ſiebenmahl Scholim , Scholim , Schos lim ! und alle Reichthümer des Hauſes waren vor meinen Augen . Ich nahm , was mir am beften gefiel, und hatte ich zum legtenmahl Scholim , Scholim , Scholim ! gerufen , ſo ſprang ich mit meiner Beute aus dem Fenſter. Durch Den Segen dieſes Zauberß war ich nicht nur unſichtbar, ſondern ſchůßte mich auch ſogar gegen Verbacht. Auf dieſe Weife habe ich die großen Reichthümer geſammelt , die Dich umgeben . Aber húte Dich ja , diefes Geheimniß zu perrathen , und laß nie einen Menſchen dahinter kommen , oder die Folgen könnten für uns alle verderblich ſein . “ „ Die Räuber, die jener Unterredung aufmerkſam jus gehört hatten , merkten fich höchlich erfreut die Zaubers worte.

Als der Anführer der Bande einige Zeit nachher

118 in der Meinung , daß alles im Hauſe ſchliefe , bis ans Fenſter gekommen war, rief er ſiebenmahl Scholim , Schos lim , Scholim ! ſprang hinaus und fiel kopfüber auf die Straße. Der machende Herr des Hauſes, der dieſen Ers folg erwartete , packte den Burſchen ſogleich und fing an , ihn die Schultern mit einem St nåttel zu erweichen .* Habe ich darum , ſprach er , die Menſchen , ſo lange ich lebe , gequält , um Reichthümer zu erwerben, daß ein Sterl wie Du im Stande ſein ſollte , alles in ein Bündel 311 binden und es wegzutragen ? Wohlan , lage mir, wer biſi Dy . 11 , Ich bin, erwiderte der Dieb, der finnloſe Dummkopf, den ein Hauch deine Mundes dem Werderben ' geweiht but. Das Sprůchwort hat in meinem Schickſale fich voll: kommen bewährt ich habe meinen Teppich zum Beten Aber das auf der Oberfläche des Waſſers ausgebreitet. Maß meines unglückes iſt voll, und ich habe jeßt nur noch die einzige Bitte , daß Du mich mit einer Handvoll Erde bedecken wolleft. " ,, Sturz fåhrt Barſujeh fort. ich kam zu demu Schluffe, daß id , wofern ich ohne beſſere Beweiſe als tåu : ſchende Worte , eine der beſchriebenen Glaubensarten ans nehmen wollte, am Ende nicht in einer beſſern lage ſein würde, als der Chor im máhrchen , der auf das Scholim , Scholim , Scholim traute. Ich ſagte daher zu meiner Seele , wenn ich dieſe Beſtrebungen noch einmahl perfols gen wollte , ſo würde ein ganzes Leben nicht ausreichen . Mein Ende iſt nahe und wenn ich in dem Irrgange irdi : ſcher Angelegenheiten bleibe , werde ich die Gelegenheit verlieren , die ich jeßt habe, und zu der großen Reiſe, die

* Wörtliche Ueberſetung des Perfiſchen .

119 Mein Verlangen mich erwartet, nicht vorbereitet ſein . aber war gerecht und redlich ſuchte ich die Wahrheit, dars um wurde meine Seele mit der Ueberzeugung beſchenkt, daß es beſer wäre , jenen Handlungen mich zu widmen, die jeder Glaube billigt und welchen jeder weiſe und gute 416 ich aus dieſem Zuftande der Menſch Beifall gibt. Zerſtreuung erlöſet war , begann ich mit Gottes Segen meine Anſtrengungen , ſuchte mich aus allen Straften im Guten zu üben , und ließ ab ,

den Thieren Schmerz jus

jufügen , oder die Menſchen zu beleidigen . “ Der weiſe Arzt fügt hier ein Verzeichniß aller Eugens den hinzu , welchen er nachftrebte , und aller Lafter , die cr mied . Das Berzeichniß ift lang , und umfaßt, wie ich glaube, alle menſdlichen Tugenden und Lafter. Et genüge hier , zu ſagen , daß, wie die Lebensgeſchichte verſichert, fein Ende geregnet war , und daß er den Ruf der Eugend und Weisheit zurückließ.

X. Die Fabel von den beiden Ragen. eines loge.

Eingang

perſiſchen Vertrags . Saadi's po: Nizam ul Mult's an Mohammed

S chah.

Sesdidſchird's Lod.

Jedermann wird zugeben , daß des Perſers üppige Fantaſie die minder künſtlichen Schriften des Hindu uns gemein verſchönert hat. Das geringſte Thier , das er in

120 einer Fabel aufführt, rebet eine Sprache , die einem Stós Die ganze Natur trägt dazu nige Ehre maden würde. bei , einen bildlich ausgedrückten Sinnſpruch zu verſchos aber das Höchfte, was die Perſer in Darſtellungen dieſer Art geleiſtet haben , das ſogenannte Jbahret i renorchin , oder der blåhende Styl , låßt fich nur in einem Beiſpiele zeigen , und ich habe zu dieſem Zwede eine wörtliche Ueberſegung der Fabel von den beiden Staßen gemacht, von welcher vermuthlich die abendlåns diſche Fabel , die Stadtmaus und die Landmaus , ents lehnt ift. ,, Bor Zeiten lebte eine alte Frau, die in einer Hütte wohnte, welche enger war als die Seele der Unwiſſenden , und dunkler als die Gråber der Geifigen . Ihre Geſells ſchafterinn war eine Staße, aber in dem Spiegel der Eins bildung dieſes Thieres hatte nie ein Stück Brot fich abs gebildet , noch hatte es von Freunden oder Fremden je auch nur deſſen Nahmen gehört. Es war genug , daß die Staße zuweilen eine Maus witterte oder deren Spur auf dem Boden bemerkte, bis ſie endlich , von günſtigen Sters nen oder vom wohlwollenden Schickſale geſegnet , eine in ihren Sflauen hatte . Da ward ihr wie dem Bettler, der Şaufen Gold entdeckt ; Shr glüht entzückt die Wange , die Freude ſcheucht den Gram . *u ,, Der Schmaus hielt eine Woche aus und långer , und während fie fich deſſen erfreute , pflegte fie auszurufen : D Himmel , bin ich träumend oder wachend ? Nach ſolcher Noth ſoll ich ſolch Glück erleben ! " „ Aber die Wohnung der alten Frau war für dieſe * Dieſe und einige andere Verfe in dieſer Fabel ſino außbes riihmten perſiſchen Dichtern. Es iſt unveränderliche Sitte, Verszeilen in folche Darſtellungen einzuſchalten .

121

Staße meiſt nur der Wohnſitz des Hungers , weßhalb fie immer Flagte und allerlei nårriſche und ſeltſame Entwürfe machte. Eines Tages , all fie ſehr abgemattet war , ges langte fie mit großer Mühe auf das Dach der Hütte, und hier rah fie eine Staße über die Mauer des Nachbarhauſes ſchreiten , die wie ein grimmiger Tiger mit gemeſſenen Schritten herankam , und ſo rehr mit Fleiſch beladen war, daß ſie kaum ihre Füße heben konnte. Die Freundinn der alten Frau war höchlich erſtaunt, Eine von ihrem Geſchlechte ro fett und glatt zu ſehen , und brach in fols genden Aufruf aus : Dein ſtolzer Schritt hat Dich nun hergebracht. Ich bitte , ſage mir , woher Du kommſt. Woher kommſt Du , ſo lieblich anzuſehn ? Gewiß vom Gaſtmahl bei dem Khan Khatai’s ! Wie kamſt Du doch zu ſolcher hkeit ! Wer gab Dir dieſe Kraft, die berrliche ? " ,, Die andere Staße antwortete : Ich bin des Sultans Brojamcnefferinn . Jeden Morgen , wenn die gaftliche Tafel bereitet wird , gehe ich in den Palaft und zeige meine Geſchicklichkeit und meinen Muth. Ich ſuche mir aus den kóftlichen Gerichten und Weizenkuchen einige leks kere Biſſen aus , gehe dann weg und bringe meine Zeit bis zum nächſten Morgen in angenehmer Trägheit zu ." „ Die Staße der alten Frau wünſchte zu wiſſen , was köftliche Gerid )te waren , und wie Weijenkuchen ſchmecks ten . Ich habe ſo lange ich lebe , reßte ſie mit trauris gem Cone hinju , nichts anderes gegeſſen noch geſehen all des alten Weibes Grüße und Mäuſefleiſch . Die andere Staße fprach låchelnd : Nun , darum wird's mir auch po fdwer, Dich von einer Spinne zu unterſcheiden . Du haft eine Geſtalt und einen Wuchs , daß das ganze Kaßenges

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ſchlecht erróthen muß, und wir haben uns inmer zu ſchás men , ſo lange Du ein ſo armſeliges Anſehen haft. Du haſt von einer Staße Ohr und Schwanz, Wiewohl Du ſonſt ganz einer Spinne gleichſt. Wenn Du des Sultans Schloß fåheft, und ſeine köfts lichen Speiſen witterteſt, würden dieſe vertrockneten Ges beine gewiß wieder zu stråften kommen, Du würdeſt neues Leben erhalten , Du würdeſt hinter dem Vorhange der Uns ſichtbarkeit hervortreten in die Ebene der Wahrnehmung Geht der Geliebten Duft über des Liebenden Grab, Wird ſein verfaultes Gebein ohne ein Wunder belebt. " ,, Die Staße der alten Frau ſprach zu der andern in flehenden Sonen : D Schwefter , habe ich nicht den heis ligen Anſpruch einer Nachbarinn gegen Dich , und ſind wir nicht durch das Band der Verwandtſchaft verbunden ? Warum wollteft Du mir nicht die Freundſchaft erweiſen , mich mitzunehmen , ſobald Du wieder in den Palaft gehft ? Vielleicht könnte die Gunft , die Du genießeft, mir genug verſchaffen , und unter deinem Schuße konnte ich ju Würden und Ehren kommen . Entzieh' Dich nicht der Freundſchaft edler Seelen , Noch gib den Schus der Auserwählten auf." ,, Das Herz der Broſamenefferinn des Sultans ſchmolz bei dieſer rührenden Anrede. Sie verſprach , ihre ueue Freundinn ſollte bei dem nächſten Beſude mit ihr ins Schloß gehen . Die andre state ging ſogleich vom Dache binab und erzählte alles der alten Frau, die ihr aber fols genden Rath gab : Laß Dich nicht hintergehen durch die weltliche Sprache, die Du gehört haft, meine liebfte Freuns dinn . Verlaß nicht deinen Winkel der Zufriedenheit, denn der Becher des Begehrlichen ſoll nur mit dem Staube des Grabes gefüllt werden , und das Auge der Begier und Hoffs

123 nung kann nur durch die Natel der Sterblichkeit und den Faten des Schickſals geſchloſſen werden . Nur die Zufriedenheit macht Menſchen reich ; Dieß merk' Dir , Karger , der die Welt durchſtreift. Es kennet und verehret niemand Gott, Wer ſeinem Stand' und ſeinem Schickſal grolt.“ „ Der erwartete Schmaus aber hatte die Fantaſie der guten Staße ro eingenommen , daß der heilſame Rath der alten Frau weggeworfen war . Umſonſt gibt alle Welt dem Starrkopf guten Rath, Wie Wind im Käfig iſt's , wie Waſſer in dem Sieb . “ ,, Am nächſten Lage humpelte die halbverhungerte Stnke mit ihrer Begleiterinn in des Sultans Palaſt. Wie es aber verfügt iſt, daß die Habſüchtigen getäuſcht werden rollen , ſo hatte ſich ein ungewöhnliches Ereigniß zugetras gen , ehe die unglückſelige Staße ankam , und ihr ungủn. ftiges Schickſal wollte es , daß da : Waſſer des Mißgeſchicks auf die Flamme ihres unzeitigen Ehrgeized gegoſſen wers den ſollte. Es hatte ſich begeben , daß am vorigen Tage eine ganze Schar von Staßen die Tafel umzingelt und durch ihren larm die Gäſte geftórt hatte , weſhalb som Sultan war befohlen worden , daß an dieſem Tage einige Bogenſchůßen , mit tatariſchen Pfeilen bewaffnet, ſich vers ftecken, und jede Sate , welche mit dem Schilde der Vors wegenheit bedeckt, in das Feld der Tapferkeit vorrückte, ro bald ſie den erſten Biſſen åße, mit ihren Pfeilen trefs fen ſollten . Die state der alten Frau wußte nichts von dieſem Befehle. So bald ſie den Duft der Speiſen wits terte , flog fie wie ein Adler auf den Plaß der Beute. Staum war das Gewicht eines Biſſens in die Wegſchale gelegt , ihren Hunger aufzuwiegen , als ein beriſpaltender Pfeil ihre Bruſt durchbohrte. Ein Strom von Blut entfloß der Wunde.

124 Sie floh , den Tod befürchtend , und rief aus : Entflieh? ich dieſem furchtbaren Geſchoß, Bin ich mit Maus und Hüttchen gern zufrieden. Weg mit dem Honig, iſt dabei ein Stachel ! Zufriedenheit bei Farger Soft iſt beſſer .' Dieſe Fabel iſt eine gute Probe des Stylo folcher Darſtellungen . In einer Dibarch eh oder Einleitung zu einem Briefe oder Buche aber , ,, darf das feurige Rob der zweijungigen Feder (das heißt ein geſpaltenes Rohr ) auf der reichen Weide des grünen Feldes der Fantaſie wild umherrennen .“ Wie weit man bei ſolchen Gelegens beiten geht, laßt fich nicht beffer zeigen als burch die Einleitung zu dem Bertrage , den der Eltſchi bei ſeiner erften Sendung nach Perfien ſchloß, wovon ich hier eine wörts liche Ueberſegung gebe. Nadidem die Stimme zum Preiſe und Ruhme des Gottes der Welt iſt erhoben und Das Gehirn durchdůftet worden mit dem Wohlgeruche der Heiligen und Profeten, welchen Heil und Ruhm rei , und deren ſeltene Boukommenheiten von ógeln * mit zwei, drei und vier Paar Flügeln in melodiſchen Tönen ewig beſungen werden , zum Preiſe des Höchſten , der in dem Himmel fitt , und weldem das Gute vorherbeftimmt iſt, und nachdem man den Wohlgeruch mit Moſchus vermiſcht hat , der die himmliſchen Wohnungen derjenigen durchs důftet , die in den åtheriſchen Sphären Gymnen fingen , Dem Lichte der Flamme des Allerhöchften , das der ges fammten Ausſicht derjenigen, die in den himmliſchen Ges bieten wohnen , ftrahlenben Glanz verleiht : fo wird der klare Sinn des Vertrages , der auf einer veſten Grunds lage iſt geſchloſſen worden , auf dieſer Seite erklärt ; da es als ein Grundfaß des Gefeßes veft ftehet, daß es in dies * Bildlicher Rahme für Engel.

125 fer Welt des Daſeins und der Unruhe, in dieſem Al der Schöpfung und Eintracht , feine Handlung unter den Sterblichen gibt , die mehr zur Vollkommenheit des Ges ſchlechts des Menſchen beiträgt, oder den Zweck ihres Les bens und Daſeins beffer befördert , als Beveſtigung der Freundſchaft, und die Stiftung von Verkehr, Verbindung Das Bild , das von und Vereinigung unter einander. dem Spiegel der vollkommenheit zurückgeworfen wird, iſt ein fruchtbarer und reichbeladener Baum , der in dies Dieſe Anſpie: fer und jener Welt Gutes hervorbringt . lungen 311 erläutern , die man für paſſend gehalten bat, und dieſe Metaphern zu erklären , die in dieſer glücklichen

Zeit günſtiger Vorbedeutungen einer Auslegung werth ſind , ſo iſt ein Vertrag geſchloſſen worden zwiſchen dem Hochbewurdeten , Hochgeſtellten , Glückbegabten , mit gros fer und herrlicher Macht Ausgerüſteten , dem Großten unter den Großwefſiren , auf welchen Vertrauen gefekt worden , dem Getreuen einer machtigen Regierung , dem mit Große, macht , Ruhm und Glück Gefierten , Hadſchi Ibrahim Sihan , welchem Erlaubniß und Vollmacht ertheilt worden iſt von der Pforte des hohen Königs , deffen Hof dem Hofe Salomo'd gleicht, von der Zuflucht der Welt, dem Zeichen der Macht Gottes, dem Edelſteine im Ringe der stónige , der Zierde auf der Wange des ewigen Reis ches, der Anmuth des Reizes der Obergewalt und des stés nigthumes, dem Stónige der Welt , wie Staſcherman , dem Wohnfite der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, dem Phós nix des guten Glůckeb , dem Gipfel des nie abnehmenden Gedeihens , dem Stónige, måchtig wie Alerander, der nicht ſeines Gleichen hat unter den Fürſten , vom Himmel zur Majeftåt auf dieſen Erdballe erhoben , einem Schatten vom Schatten des Allerhöchften , einem Chosru , deſſen Sattel

126 der Mond und deffen Steigbügel der Neumond ift, cinein Fürften von hohein Range , vor welchem die Sonne vers borgen iſt und auf der andern Seite zwiſchen dem Hochbewürdeten, dem Großen und Mächtigen , der Zierde bevoll: unter denjenigen, die mit Sitten bekannt ſind machtigt von dem erhabenen Wohnſitze des Hochmächtigen, der auf dem Throne fißt , der Zuflucht der Welt , dem erſten Edelſteine in der Strone des Stónigthums und der Obergewalt , dem Anker am Schiffe des Sieges und des Glůcket , dem Schiffe auf dem Meere des Ruhmes und der Herrſchaft , der flammenden Sonne am Himmel der Große und des Ruhmes, dem Herrn der fånder England und Indien , welchem Gott in ſeinen Reiche Straft per: leihen und Ruhm und Herrſchaft auf den Meeren fichern wolle , wie dieß alles in ſeinem Beglaubigungſchreiben ers klárt wird , das beſiegelt iſt mit dem Siegel des Mách : tigſten und Ruhmvollſten , der Glück , Rang , Glanz und Adel beſikt , der Zierde der Welt , des Vollenders der Werke des Menſchengeſchlechte, des Ober - Statthalters von Indien . Dieſer Eingang iſt nicht nur merkwürdig durch ſeine blumige Schreibart, ſondern auch durch die Stunft, womit er die Würde des stönigs von Perſien gegen den Schein rettet, mit jemanden zu unterhandeln , der weniger als ein Monarch iſt. Nicht minder merkwürdig iſt es , zu ſehen , mit welcher Geſchicklichkeit der Stónig von England, nach dem man ihn genannt hat , auf die unbeſtrittene Herr : ſchaft über die Meere eingeſchränkt wird , damit ſeine Macht nicht mit der Gewalt des mådhtigen Chosru un ferer Zeit, deffen Sattel der Mond und deffen Steigbügel der Neuniond ift , in ſeiner Herrſchaft über die Erde ju : ſammenfofen möge.

127 A18 ich mit Aga Mir über jene Gegenſtande ſprach, fragte id) inn , ob die perfiſchen Stónige an dieſem úber: treibenden Style ſo viel Vergnügen fånden als ihre Schreiber. „ Steinelwegs, antwortete er. Der verſtorbene Stónig, Aga Mohammed , der ſich durch ſeinen Widerwils len gegen Zicrraihen und Gepränge in jeder Geſtalt aus: zeichnete, wurde gewöhnlich bald ungeduldig , wenn feine Schreiber mit ihren ſchmeichelnden Eingången anfingen , und rief aus : ,, Zum Inhalt , Schurke ! * - Hatte er långer gelebt, fetzte Aga Mir hinzu , ſo würden blumige Eingänge aus der Mode gekominen fein ; unſer jebiger Stónig aber ift ftolz darauf , in Proſa und Verſen fchón zu ſchreiben , und die Folge davon ift , wie der Eingang des Vertrags Dir fagt, ein Auffat , den er, mie ich weiß, mit ſeinem beſondern Beifalle beebrt bat . um aber gegen einige der ausgezeichneten Schriftſtels Jer Perſiens nicht ungerecht zu fein , muß man tinjus feben , daß man viele Ausnahmen von dieſem überladenen Style der Darſtellung findet. In den Schriften ihrer großten Dichter Firduſi, Niſami, Saadi und Enweri fins den wir viele Stellen , die ſich eben ſo ſehr durch Schóns heit und Einfachheit des Ausdruckes als durch Wahrheit und Adel des Gefühls auszeichnen , und viele perſiſche Ges ſchichtſchreiber haben und ſchlichte Erzählungen von Chats fachen gegeben, ohne ſie mit jenen Verzierungen und Mes taphern zu überladen, die bei der Mehrzahl ihrer Landsleute to beliebt find. Wie einfach und ſchon hat Saadi den wohlthátigen Einfluß guter Geſellſchaft in folgendem wohlbekannten Apologe dargeftellt ! „ , 418 ich eines Tages im Sade mar,

* Bi mesmun Badbakht.

128 legte ein Freund ein Stück wohlriechenden Chons in meine Hand . Ich nahm eß und ſprach : Biſt du Moſchus oder Ambra ? Dein Wuhlgeruch entjůckt mich . Ich erhielt zur Antwort : Ich war nur veráchtlicher Thon, war aber einige Zeit in Geſellſchaft der Roſe, und die ſüße Eigens ſchaft meiner Freundinn wurde mir mitgetheilt , ſonſt wäre ich nur ein Stückchen iThon, wie ich zu ſein ſcheine." In einer andern Lehrfabel hat er mit gleicher Straft und Einfachheit die wahre Zuneigung geſchildert. „ Ein zárts licher und liebenswürdiger Jüngling war mit einem ſchos A18 ſie auf dem großen Meere nen mådchen verlobt. ſegelten , fielen fie , wie ich geleſen habe, zuſammen in Ein Schiffer nåberte fich dem jungen einen Strudel. Manne , um ihn bei der Hand zu faſſen und ihn vom Verderben zu retten, jener aber rief laut, indem er mit: ten aus den Wellen auf ſeine Geliebte wies : Laß mich und rette meine Geliebte ! Alle Welt bewunderte ihn um dieſer Worte willen . 216 er fiarb, hörte man ihn ſagen : Frage nidht was liebe ſei , den Elenden , der ſeine Ges liebte in der Stunde der Gefahr vergift." Wir finden oft perfiſche Briefe , die eben ſo deutlich als kråftig geſchrieben find. Ein beſſeres Beiſpiel låßt fich nicht mittheilen , als der Brief ift, den Niſam ul Mulk, der Vorganger des jeßigen Suba oder Beherrſchers von Deffan , an Mohammed Schab , den ſchwachen und úppis gen Staiſer von Delhi fchrieb. Dieſer Brief hat auber den Vorzügen des Styl & auch noch das Verdienſt, uns einen richtigen Begriff von den Pflichten und Beſtrebun : gen eines guten und großen Fürfien nach der Anſicht der Mohammedaner zu geben ; ein Charakter, der nach ihrer Meinung immer mit der Rolle eines Eroberers verbunden ift. Folgende Auszüge aus dieſem wohlbekannten Schreis

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ben find ganz wörtlich . ,, Es ift die Pflicht der Fürften , darauf zu ſehen , daß die Geſeke pünktlich volljogen wers Den, daß die Ehre ihrer Unterthanen unverlett bleibe, daß jedermann Gerechtigkeit finde, und daß pflichttreue Edlen und alte Säulen des Staatet , deren Anſprüche auf Bes lohnung gegründet und anerkannt ſind , nach ihren Ders Auch ift es ihre Pflicht , dienften ausgezeichnet werden . Vergnügen in Wåldern und Wüften zu ſuchen ,* ohne uns terlaß an die Züchtigung der Emporer und Widerſpenſtigen zu denken , über die Rechte und das Glück der geringern Stlaſſe ihrer Unterthanen zu wachen , den Umgang der Schlechten zu meiden , und nie fich in verbotene Händel einzulaſſen , damit niemand von ihren Unterthanen im Stande fei , gegen die Vorſchriften der Religion oder der Sittlichkeit zu fündigen . Die Fürſten haben ferner die Verpflichtung , ihre Gebiete ftets zu erweitern , und ihre Strieger zu ermuntern und zu belohnen , da ein Stónig eis gentlich nur auf dem Site ſeines Satteló ruhen kann . Dieſer Meinung gemåß galt es bei den Vorfahren Deiner Hoheit ** als häusliche Regel, daß ihre Weiber auf ihren Satteldets ken entbunden wurden , obgleich der Augenblick des Ges bårens unter allen andern Lebensaugenblicken derjenige iſt , wo Bequemlichkeit und labſal am meiſten geſucht werden . Sie verordneten , daß ihre Nachkommen jener Sitte unwandelbar treu bleiben ſollten , damit dieſe nie

* Unſpielung auf die Jagd und andere Ergezlichkeiten. ** Die Fürſten der Tatarei. Das Land , das wir Datarei nennen , heißt bei den Ufiaten Iurkeſtan. Wir haben den Nahmen eines Mogolen : Stammes einem ganzen Gebiete gegeben, das von jenem Stamme und mehren andern bewohnt ward , wie die Morgenländer Europa Faring a ſtan, oder das Frankenland nennen, weil ſie zuerſt mit den Franzos ſen bekannt wurden. 1. 9

130 den fråftigen und männlichen Charakter ihrer Boråltern vergeſſen , und ſich der trågen und entfråftenden deppigkeit der Paláſte hingeben möchten. Nicht in den melodiſden Noten des Tonkünftlers , nicht in den fanften Tönen des mimiſchen Sångers beſteht die wahre und erfreuliche Hars monie, ſondern in dem Waffengellirre, dem Geſchůßdons ner und den ſchmetternden Eonen der Trompeten , welche die Scharen der Krieger auf den Stampfplaß rufen . Macht und Herrſchaft werden nicht dadurch bewahrt , daß man die Reise einer Geliebten ausſchmúdt, ſondern mannlich das Schwert ſchwingt, und nicht während fie dns Hulis Feft * mit elenden Håmligen feiern , beſprengen wahrhaft muthvolle Männer fich einander mit Roth , ſondern im Nur in der Heldenkampfe mit unerſchrockenen Feinden . Abſicht, die Irrthümer in der Regierung Deiner Hoheit zu verbeſſern , und ihren alten Glang wieder herzuſtellen , hat der Geringſte deiner Diener durch die Warme ſeines Eifers und ſeiner Zuneigung fich bewegen laſſen , ſeine Er hat ſich in die Folgen Meinung Dir mitzutheilen . dieſer wohlgemeinten Freimuthigkeit ergeben ,

und wird

fich freudig feinem Schickſale unterwerfen ; indeß iſt er, wenn Gott es will, entſchloſſen , bei dem von ihm gefaßs ten Vorhaben zu beharren, alle , mit ſeiner Pflicht und mit der Schidlichkeit vereinbare Mittel anzuwenden , die Angelegenheiten des Reiches wieder herzuſtellen ." Die Beſchreibung des rührenden Todés Jesdidſchird's des lekten Stönigs aus dem Stamme Staian, liefert ein ſchönes Beiſpiel jenes ſchlichten und klaren Styls , worin

* Ein merkwürdiges Feſt in Indien , zur Feier des Jahran fanges , wobei man ſich einander mit rothem Pulver bewirft. Es beginnt mit der Nachtgleiche im Frühling.

131 einige der beßten perfiſchen Geſchichten geſchrieben find. Sie lautet wie folgt. „, 416 die Bewohner des Landes Meru vernommen hatten, daß Jesdidſchird aus Perſien entflohen war , und in ihrem Gebiete fich aufhielt, waren ſie darauf bedacht, ihn zu fangen und zu verderben . Sie ſchrieben daher an Tandſchtath, den sönig der Dataren : Der König von Perſien iſt vor den Arabern geflohen und hat bei uns Zuflucht geſucht, wir aber ſind nicht geneigt, feine Anhån : ger zu ſein , ſondern günſtiger gegen Dich gefinnt , und wünſchen , daß Du zu und kommeft , damit wir von ihm befreit werden und uns unter deinen Schuß begeben können . 41 „ , Sobald Candichtath dieſen Brief erhalten hatte, wünſchte er Merv ju beſegen , und sog mit anſehnlichen Streitkräften gegen jene Stadt. Als Jesdirdſchird bers nahm , daß der Stónig , von einem Heere begleitet, hergns růckte , verließ er das Staravanſerai, wo er abgeſtiegen war, um Mitternacht , ohne Begleitung und ohne zu wiſſen , wohin er ſich wenden ſollte. Er ging gerade aus , und erblick - e ein Licht am Ufer eines Stromes, wohin er nun ſeine Schritte richtete. Als er einen Müller fand , der in ſeiner Mühle arbeitete, fprachy er ju ihm : Ich bin in einer ſehr unglücklichen Lage und habe einen Feind , den ich mit Recht fürchten muß. Gib mir Zuflucht für dieſe einzige Nacht, und morgen will ich Dir ſo viel geben, daß es Dir wohl geben fou, fo lange Du lebt. Der Müller antwortete : Gehe in die Mühle und bleibe da . Jeddis dichird ging in die Mühle und ſeine Sorgen vergeſſend, legte er fich ruhig zum Schlafen nieder. A18 nun die Knechte des Rúllers ſaben , daß er fich zur Ruhe gelegt hatte und gar nicht auf ſeiner Sut war , nahmen fie Keus 9*

123 len und erſchlugen ihn . Alsdann raubten ſie ihin die goldenen und filbernen Zierden , das Stónigsgewand und die Strone, faßten den Leichnam bei den Füßen, ſchleppten ihn fort und warfen ihn in den Mühlgraben . Am nächs ften Tage kam Tandſchtakh nach Nerv , und die Bewohs ner ſuchten Jeddidichird nach allen Richtungen . AIG fie nun zufällig den Müller trafen , fragten ſie auch ihn . Er läugnete ſtandhaft , etwas von ihnı zu wiſſen ; einer ſeis ner Sinechte aber , der ein wollenes Stleid trug , kam in demſelben Augenblicke zu ihnen , und da fie bemerkten , daß er ſtark nach Wohlgerůchen duftete, riffen ſie ſein Stleid auf und fanden Jeddidichirds Stónigégewand , mit Ottar und andern Wohlgerůchen durchdüftet , in ſeinem Buſen . Man unterſuchte nun die andern Stnechte , und fand bei jedem ein Stück verborgen , und als man ſie auf die Folter brachte, geſtanden ſie die Chat. Tandſchtakh fchid'te ſogleich Leute aus , den leichnam im Mühlgraben zu ſuchen , den fie audy bald fanden und vor ihn brach ten . Als er des Sönigs Leiche fah, weinte er ſchmerzlich, und gab Befehl, fie mit Spezcreien und Wohlgerůchen ju balſamen , und verordnete ferner , den Leichnam nad den Gebrauchen der Stónige vom Stamme Staian in ein Tuch zu hållen , in einen Sarg zu legen und nach Perſien zu bringen , um ihn auf dem Begräbnißplaße der übrigen Fürften jenes Stammes und mit denſelben Feierlichkeiten zu begraben . Der Müller und ſeine Itnechte wurden auf Landfchtakh's Befehl hingerichtet. " Was ich in dieſem Abſchnitte geſagt habe, wird in Vers bindung mit den Beiſpielen von den verſchiedenen Schreibs arten , die meine Anſichten erläutern , hinlänglich ſein , den Leſer zu überzeugen , daß die Fundgrube der perfiſchen Literatur alles enthålt, som blendenden Demant bis zum

133 nůßlichen Granit, und daß fie Bauftoffe liefert , die eben ſo gut zu Schlöſſern in der Luft als auf der Erde taugen, Ich geſtehe, daß ich eine Vorliebe für die Luftſchidffer habe, die man in Morgenlande mit einer Pracht bant , welche Die ernſthaftern Geifter unſerer weſtlichen Halbkugel nicht kennen ,

XI. Schiras. richter.

Schaikh ul Islam , oder der Obers Gaſtmahle. Der Abdul Raadir.

Derwiſch Seffer. von Khoraſran.

Die Geschichte Abdulla's Der perſiſche Dichter.

In Schiras waren wir bloß damit beſchäftigt, ju ſchmauſen , Beſuche zu machen , Geſchenke zu geben und Die Begehrlichkeit der Perſer überſchritt zu empfangen. alle Grången , und Miniſter, Hoflinge , Saufleute , Wits linge und Dichter trachteten wetteifernd nach der Gunft des Geſandten , die oft von einer Uhr , einem Stücke bunt gedructen Baumwollenjeuches oder feinen Suches begleitet war . Ihr Benehmen beveſtigte mid in dem Glauben , den ich in Abulchehr eingelogen hatte , daß alle Ich Perſer verſchmigte und raubgierige Sdhelme wåren . entſcheide gern fchnell , weil es múbe erſpart , und habe ich einmahl entſchieden , ſo bin ich beſonders abgeneigt, zu glauben , daß mein Urtheil nicht unfehlbar rei.

134 Der Geſandte batte , wie bereits bemerkt worden ift, ju feinem perſiſchen Schreiber einen ſanften und gemäßigs ten Mann gemiethet , der Einſicht und gute Grundlage zu haben ſchien ; aber obgleich ich ihn einige Zeit genau beobachtet hatte , ohne einen Fehler an ihm zu bemerken, ſo ſchrieb ich dieß doch ſeiner Stunft zu, und achtete daher wenig auf ſeine Gründe , wenn er für ſeine Landsleute ſprach , und wie es oft geſchah , nachdrücklich behauptete, daß wir, als Fremde und als reiche, großmuthige und uns erfahrene Leute bekannt , und daher den Angriffen der Schlauen und Hinterliftigen nothwendig auégefert wåren, aus deren Benchmen wir dann allgemeine , aber nicht ganz billige Folgerungen sogen . „ Wir ſind nicht Alle ſo ſchlecht als Ihr glaubt, ſprach der gute Aga Mir lächelnd, Es gibt Leute unter uns , die viel wieder gut machen , was Euch an uns nicht gefällt, und wiewohl fie ſelten ſein moz gen , ſo gibt es doch folche, aber Ihr Englander wollt das kaum glauben . " Er nannte mir als einen ſolchen Mann einen ſeiner Verwandten , den Schaikhul Islam , den Oberrichter und Prieſter zu Schiras, der, nach ſeiner Verſicherung , Verſtand und Bildung mit Frómmigkeit und Demuth perband . ,, Er iſt nie gekommen , fekte er hinju, wie dieſe gierigen Edelleute und hungrigen Dichter, um den freigebigen Eltſchi ju plündern , und als dieſer, weil er borte , daß der Schaikh ein ſchwached Geficht båtte, ihm eine ſchöne in Silber gefaßte Brille ſchickte, gab er fie zurück , mit der Bitte, ihm eine gewöhnliche in Schilds patt gefaßte zu geben ." Ich hörte die Erzählung von dies fer prunkenden Demuth war mit einein Lächeln an , er: fuhr aber mit großem Bergnügen , daß wir dieſes Mufter von beſcheidenem Verdienſte bei einem Frühſtücke ſehen ſollten , wozu mobammed Suffein stban , der Sohn des

1 Miniſters Hadſchi Ibrahim ,

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ben Geſandten eingeladen

hatte. Die Geſellſchaft verſammelte fich in Saabi's Garten, und wir ſaßen neben einem Brunnen , nicht weit vom Grabe des perfiſchen Lehrdichters. Beim Niederfißen ging es nicht ohne einige ftrenge Förmlichkeiten ab , aber obs gleich der Geſandte , weltlichen Großen gegenüber , es ges nau mit dem Range nahm , ſo wollte er doch dem Schaikh ul Islam durchaus den Vorrang laſſen , den dieſer endlich auch annahm , mit der Bemerkung, er fühlte , daß die Höflichkeit nicht perſönlich wäre, ſondern ihm als Diener der Religion erwieſen würde. Ich faß nicht weit von ihm und hörte aufmerkſam auf die Unterredung , in der Hoffnung, den Perfer in ihm wiederzufinden , aber ich fah mich getauſcht. ,, Du muſt glauben , ſprach er zu dem Geſandten , daß es mir an vernünftiger Neugier fehle und daß ich Demuth heuchle , weil ich Dir noch nicht meinen Beſuch gemacht , und als Du mir dieſe koſtbare Brille ſchidteft, Dich um eine wohlfeilere und weniger glänzende gebeten habe. In beiden Fällen aber handelte ich gegen meine perſönliche Neigung , weil das Gefühl der ftrengen Pflicht mich leitete. Ich habe ein lebhaftes Verlangen, etwas von der Geſchichte , den Sitten und Gebräuchen fremder Völker ju hören , und nirgend konnte ich eine beffere Gelegenheit finden , meine Neugier zu befriedigen , als in deiner Geſellſchaft. Die filberne Brille gefiel mir ungemein ; die Gläſer paften für mein Auge , und auch Andere in meinem Hauſe rette er låchelnd hinju – meinten , fie ftånde mir ſehr gut . Aber ich mußte in bei : den Fällen Selbſtverläugnung úben. Zwiſchen den Armen und der Eigengewalt gibt es keinen anderen Schild , alt Leute meines Standes , und es iſt daher natürlich , daß

136 fie unſer Betragen feht wachſam und eiferſüchtig beobachs ten . Hatte ich zu meinem eigenen Vergnügen Dich bes ſucht, und die Beweiſe deiner Freigebigkeit öffentlich ges jeigt , ſo würden file ihren Richter andern Leuten gleich gehalten , und etwas von ihrem Vertrauen auf meine eifs rigen Bemühungen , fie zu beſchůken , verloren haben. Auch hätten dann die Weſfire und Höflinge fich über meine Abweichung von jenen ſtrengen Regeln gefreut, de: ren Beobachtung und Ausleger des Storans in Stand reßt , ihnen ein wenig auf die Finger zu ſehen . Dief waren , rekte der Schaikh ul Jólam hinzu, meine Bewegs gründe für ein Benehmen , das beinahe unboflich erſchies nen ſein mag ; aber jeßt wirft Du es begreifen und mich nicht verdammen . " ES lag am Cage, daß der Gefandte an einem neuen Freunde Gefallen fand , und ihre Unterhaltung dehnte fich auf mehre Stunden aus . Der Schaikh ul Jólam ſuchte ihm eine günſtige Meinung von dem Gefeße zu geben , deſſen Ausleger er war , und erläuterte reine Gründe durch Züge von frommen und gelehrten Måns nern , von welchen ich diejenigen hier mittheilen werde, die mir als die treffendften auffielen . ,, Der berühmte Abu Juſuff - fagte der Schaikh ul war Oberrichter in Bagdad unter der Herrs Jólam ſchaft des Sthalifen Haadi , und zeichnete fich beſonders durch jene Demuth aus , die der wahren Weisheit eigen Das Bewußtſein reiner Mångel führte ihn oft auf ift. Zweifel, Wo Menſchen von geringern Stenntniffen und Dieſer Richter hatte eines größerem Důnkel abſprachen. Tages , erzählt man , fich fehr geduldig beſchäftigt , Chats fachen ausjumitteln , als er endlich erklärte , daß feine Stenntniß nicht ausreichte , den vorliegenden Fal ju ents

137 Erwarteſt Du denn , ſprach ein vorlauter Höfs ſcheiden . ling , der jene Erklárung gehört hatte , daß der Schalif Deine unwiſſenheit bezahlen ſolle ? Der Richter antwors tete fanft : Steineswegs ! Der Sthalif bezahlt mich , und zwar gut , für dasjenige, was ich weiß ; aber wenn er es perſuchen wollte , mich für dasjenige zu bezahlen , was ich nicht weiß , ſo würden die Schåbe ſeines Reiches nicht hinlänglich fein . " Der ftrenggläubige Schaikh ſprach buldſamer als ich erwartete, von den Sufi , welche wegen der ſchwarmeriſchen und myſtiſchen Lehren , woju fie fich bekennen , von den mohammedaniſchen Prieſtern gewöhnlich verabſcheut wers den . Dieſe Partei , fagte er , enthielte viele gute Mens ſchen von muſterhaftem Wandel , und swar bloß weil ſie Schwärmer im Glauben wåren . Auch gehörten, fuhr der Schaikh fort , unſere Dichter Hafis und Saadi', bez ſonders jener, zur Partei der Sufi, und wer, der in Schi: ras geboren wurde , wird ein hartes Urtheil über fie fals len wollen ! Wir müſſen die Irrthümer der Sufi um ihrer Tugenden willen beklagen , und felbft wenn ſie in ihrer Schwarnerei fich am weiteften verirren , geben fie wichtige Lehren . Wie einfach und ſchon hat zum Beiſpiel Ubdul St a adir von Ghilan uns in einer Geſchichte aus feiner Stindheit die Liebe zur Wahrheit eingeſchärft. * Er ſpricht zuvorderft von einer Erſcheinung , die ihn ver: anlaßte , ſeine Mutter zu bitten, ihm die Reiſe nach Bags Dad zu erlauben , wo er ſein Leben Gott widmen wollte , und fåhrt dann fort : ,, Als ich ihr ſagte , was ich ges ſehen hatte , weinte ſie , jog achtzig Dinare hervor, und

• Sie iſt bereits in der Geſchichte Perſiens (B $. 2. S. 405 . der erſten Ausgabe) mitgetheilt.

138 ragte mir , nur die Hälfte dieſes Geldes wäre mein gans jes Erbtheil, da ich einen Bruder håtte . Ich mußte ihr, als fie es mir gab , mit einem Eide verſprechen , nie eine Lüge zu ſagen. Sie ſagte mir dann Lebewohl und rief aus : Gehe hin , mein Sohn , ich übergebe Dich Gottes Schuße. Wir werden uns nicht wiederſehen , bis am Tage des Gerichtet. Ich ging munter voran , und kam in die Nähe von Hamadan , wo unſer Stafillah von ſechzig Reitern Einer von ihnen fragte mich , was geplündert wurde . Vierzig Dinare , fagte ich , find in ich bei mir hätte. meine Stleider eingenäht. Der Burſche lachte und dachte Was ohne Zweifel, ich wollte Spaß mit ihm treiben . haft Du bei Dir ? fragte ein anderer. Ich gab ihm dies felbe Antwort. Als file die Beute theilten, rief man mich Was iſt dein auf eine Anhóbe, wo der Anführer fand . Eigenthum , kleiner Menſch ? hob er an. Es haben ſchon zwei deiner Leute von mir gehört , ſprach ich , daß vierzig Dinare ſorgfältig in meine feleider eingenäht ſind. ließ meine Stleider auftrennen und fand mein Geld . Wie kamft Du daju , ſprach er befremdet , ro offenherzig anjus Weil ich geben , was man ro ſorgfältig verborgen bat ? meiner Mutter Wort halten will, der ich verſprochen habe, Stind, nie eine Lüge zu ſagen , gab ich zur Antwort. ſprach der Räuber, Du fåhift in deinem Alter fo lebendig deine Pflicht gegen deine Mutter , und ich fühle in meis nen Jahren nicht, welche Pflicht ich gegen meinen Gott habe. Gib mir deine Hand, unſchuldiger Stnade, fuhr er fort , ich will auf deine Hand Reue geloben . Er that es. Seine Gefährten waren alle von den Auftritte betroffen . Du biſt unſer Anführer auf der Bahn des Verbrechens geweſen , ſprachen ſie zu ihrem Hauptmanne : ſei eß nun auch auf dem Pfade der Jugend. Auf ſeinem Befehl ers

139 ftatteten fie augenblicklich ihren Raub, und ſchwuren Reue auf meine Hand ." Ehe die Geſellſchaft aufbrach, ſuchte der Geſandte den mohammedaniſchen Prieſter ju bewegen, ihm das Vergnús gen eines häufigen Verkehrs zu ſchenken , aber dieſe freunds lichen Einladungen wurden auf eine Art und mit Grüns den abgelehnt, die mich überzeugten , daß ich wenigſtens einen guten Perfer gefunden hatte. Während unſeres Aufenthaltes in Schiras wurden wir von dem Prinjen , feinen höchſten Beamten und eis nigen vornehmen Bewohnern der Stadt bewirthet. Man gab dem Geſandten ein Frühſtück an einem reigenden Orte unweit Hafa ar Bagh oder der tauſend Garten, in der Nähe von Schiras , und mit angenehmer Uebers raſchung fanden wir , daß wir dieſe Mahlzeit auf einem Roſenhaufen genießen ſollten, Es war ein Teppich dar über gebreitet, und wir reşten uns mit verſchränkten Beis Der Roſenhaufen , der die Große nen, wie die Perſer, eines gewöhnlichen Heuſchobers in England hatte , war obne ſonderliche Mühe aus den Roſenblåttern gebildet worden , die man aufhäuft, ehe man ſie zum Diſtilliren Wie man uns ſagte , war unſere in die Stadt ſchickt. Geſellſchaft die erſte, der man folche Höflichkeit erwieſen hatte. Mochte es wahr fein oder nicht , unſer Roſenſchos ber , in Verbindung mit dem ſchönen Selima , , den grů: nenden Gårten und den klaren Bachlein , gab diefer lånds lichen Mahlzeit eine eigene Ueppigkeit. Wir wohnten mehren Abendgeſellſchaften bei. Der Minifter, Mohammed Nobbi Sthan , gab uns ein prachtiges Gaſtmahl. Er war in Indien geweſen , und um es uns angenehm und bequem zu machen , hatte man einige engs liſche Gebrauche auf die perfiſchen gepfropft. Wir gingen

140 um fünf Uhr Abends zu ihm und wurden in ſeinem Prunkjaale empfangen . In dem Hofe vor dem Zimmer, wo wir faßen , waren Seiltanger , Ringer , Confünftler, Lowen , Båren und Affen verſammelt , die bis zu Sons A18 man uns mit nenuntergange ihre Stúnfte zeigten . Kaffee , Pfeifen und Zuckerwerk bewirthet hatte , führte man uns in ein anderes Zimmer , wo Früchte ſehr zier: lich nad engliſcher Sitte aufgetragen waren. Wir raßen ungefähr eine Stunde in dieſem Zimmer und Fehrten dann in den Prunkſaal zurück. Gleich nach unſerem Eins tritte begann ein Feuerwerk, und ſo beſchránkt der Raum war , wo man es abbrannte , ſo war es doch das beßte, Die Raketen fiiegen aus einer das ich je geſehen habe. Einfaſſung auf, die fie zuſammenhielt , und machten eine ſchöne Wirkung . Eine andere Art , die Gemburi oder Drehbaffen , knallten wie Zwölfpfúndner, und machs Nads ten das Schauſpiel febr lebendig und anziehend. , aufgetragen Mahlzeit köftlichſte die ward dem Feuerwerke die uns ſchönen Pilau nebft andern Gerichten und Eiss Scherbet darbot . Am Tage vor unſerer Abreiſe machte mein alter Bes kannter , Derwiſch Seffer , dem Geſandten einen Beſuch . Dieſer merkwürdige mann , der über die, von den Andechs tigen beſuchten Gråber, unter andern auch über die Grabs ftåtten der Dichter Saadi und Hafis , die Aufficht führt, gilt für einen der beßten Gedichtſprecher und Geſchichtens erzähler in Perſien . Es gibt kein Land in der Welt, wo folche Stunftfertigkeiten höher geſchåßt werden , und wer fie in einem ausgezeichneten Grade beſikt, kann eben fo ficher auf Reidthümer und Ruhm rechnen , als die erſten Schauſpieler in Europa . Derwiſch Seffer , den der Stónig mit ſeiner Gunft beehrt , beigt eine ſehr wohlflins

141 gende Stimme, die er ro fehr in ſeiner Gewalt hat, daß er jeden Ton , von der ſanfteſten weiblichen , bis zur raubs eften männlichen Stimme nachahmen kann . Der wechs ſelnde Ausdruck feines Geſichtet erweckt eben ſo viel Erſtaus nen als ſeine Stimme , und ſein Gebårdenſpiel iſt unges mein gefällig und paßt iinmer zu ſeinem Gegenſtande. Sein Gedächtniß iſt nicht nur mit einer außerordentlichen Menge von Geſchichten , ſondern auch mit allen Dichters blüten ſeiner Heimat ausgeſtattet , und dieß reßt ihn in Stand, ſelbſt die magerſte Geſchichte durch paſſende Stels len aus den erſten perfiſchen Schriftſtellern anziehend und 1 Erzählungen , die Leute reines eindringlich zu machen . Standes vortragen, verbinden gewöhnlich fromme Gefühle mit der Unterhaltung, und haben den Zweck, Mildthårigs keit zu empfehlen. Ich kann dieſe Nachricht von meinent Freunde , dem Derwiſch , nicht beſſer ſchließen , als durch die Mittheilung einer Gefdichte , die er dem Geſandten erzählte , ohne Zweifel in der Abſicht, ihm den Glauben einzuprågen , daß ein guter Erfolg in weltlichen Angeles genheiten befördert werden konnte, wenn man gegen Heis ligthümer, wie die von ihm bewachten , auf irgend eine Art ſich freigebig zeigte.

Der Derwiſch reßte ſich in eine paſſende Stellung, und begann mit einer ſchönen Stelle des Dichters Nis ſa mi zum Lobe derjenigen, welche im Beſige der Gabe des Vortrages, die edlen Gedanken geiſtreicher Todten in Ums lauf bringen und eindringlich machen. Nach einer kurzen Pauſe hob er ſeine Erzählung an. ,, In einem abgelegenen Chale der fruchtbaren Lands Er fchaft Schoraſan lebte ein Bauer Nahmens Abdulla . · war mit einer Frau feines Standes verheirathet ,

die

zwar in ihrem Peußern gar nicht reizend war , aber von

142 ihrem sårtlichen Vater den Nahmen Sibah oder die Schöne, erhalten hatte , und dieſer Handlung våterlicher Thorheit hatte die gute Frau die wenigen Keime von Eis telkeit zu danken, die mit ihrem ſchlichten Weſen vereinigt waren . Dieſe Regung verleitete fie , ihre beiden Stinder Juſuf und Fatima zu nennen, ohne Zweifel in der Meis nung, daß der glückliche Nahme des Sohnes Jakub's, des Weſfirs Farun's und des Bezauberers der ſchönen Su : leicha, * ihrem Sinaben rein Fortkommen in der Welt ſichern werde, während ſich eben ſo wenig bezweifeln ließe, daß ihrem kleinen Mädchen gleiche Vortheile aus dem Nahmen der Tochter des Profeten , der Frau des berühms ten Ali , zuwachſen müßten . “ „ Bei all dieſen , auf hohe Nahmen geſtůßten Famis liensAnſprüchen konnte niemand geringere Mittel und be: ſchránktere Lebensausſichten haben als Abdulla ; aber er war zufrieden und glücklich , ftare und gefund , und arbeis tete für den landeigenthümer , dem der Boden gehörte, worauf feine Hütte fand . So hatte er feit feiner Jus gend gelebt und fein heimatliches Chal nie verlaſſen . Er empfing den Lohn für feine Arbeit in Getreide und Seleis dern , ſo viel als zur Nahrung und Bekleidung für die Geinigen und für ihn felber hinlänglich war. Geld kannte er nicht einmahl dem Nahmen nady. Eines Tages aber war der Landeigenthümer mit Abdulla ' . Anſtrengungen ſo gut zufrieden , daß er ihm zehn Piafter fchenkte. Abdulla bermochte kaum feinen Dank audzuſprechen , ſo erfaunt und erfreut war er åber diefen plóglichen Zufluß von Reichthum . Er benugte den erſten Augenblick, wo er fein

* Nach den Mohammedanern die fchwache Gemahlinn Poti: phar's.

143

Tagwerk verlaſſen konnte , und eilte zu ſeinem Weibe. Nun, da haft Du Reichthümer , meine Sibah, ſprach er und zählte das Geld vor ihr auf. Die gute Frau war eben ſo erftaunt und erfreut als ihr Mann , und die Kinder wurs den gerufen , das Glück ju theilen . Wohlan , ſprach Abs dulla , das Geld noch immer anſehend , wir müſſen nun junachft bedenken , was wir mit dieſer großen Summe ans Der Gutsherr hat mir morgen Urlaub fangen wollen . gegeben , und ich denke, liebe Frau , wenn's Dir recht ift, ich Ich habe fie gebe nach der berühmten Stadt Mefched. noch nie geſehen und ſie iſt nicht über fechs bis fieben Ferſekh weit. Ich will meine Andacht verrichten bei dent Grabe des heiligen Imam's Mehdi , den Gott regnen wolle , und wie ein guter Mohammedaner will ich zwei Piafter opfern , ein Fünftheil meines Vermogent. Dann gehe ich auf den großen Baſar , wovon ich To viel gehört habe , und kaufe für das Uebrige elles, was Ihr wünſchen könnt , meine liebe Frau und meine guten Stinder. Sagt mir, was möchtet Ihr gern haben . “ „ Ich wil måßig ſein , ſprach Sibah. Nur ein Stück hübſche Seide zum Sleide brauche ich, und ich denke , es Alle Gedankenverbins würde wohl für mich paſſen . dungen , die ihr Vater hervorgerufen hatte , als er ihre einen Nahmen gab, gingen durch ihren Stopf , während ſie jene Worte ſprach .“ „ Bringe mir ein hübſches Pferd und einen Sábel nit , ſprach der kecke Juſſuf. "

„ Und mir , ſprach ſeine Schweſter in fanfterem Tone, ein indiſches Tuch und ein Paar goldene Pantoffeln ."17 ,, Alles ſoll morgen Abend hier rein , ſprach Abdulla, Am nächſten und füßte ſeine glücklichen Angehörigen.

144 Morgen nahm er einen ftarken Wanderftab in die Hand und folgte dem Wege nach Merched . " „ A18 Abdulla fich der heiligen Stadt nåherte, wurde fein Blick zuerft von den glänzenden Suppeln und Minas reten angezogen , die das Grab des heiligen Imam's ums gaben , deffen Dach don Golde glångte. Mit Erſtaunen erfüllte ihn ein Anblick , der ihm mehr den Verheißungen zu gleichen ſchien , die der Gläubige im Himmel erhalten foll, als irgend einem Dinge, das er auf Erden zu finden hoffen durfte. Während er durch die Straßen ging , die ju jenen pråchtigen Gebäuden führten , hatte er nur für dieſe allein Augen . Der Pforte des Heiligthums nahe, blieb er einen Augenblick in ſummer Ehrfurcht ftehen , und fragte einen ehrwürdigen Prieſter , der im Storan las, ob er weiter gehen dürfte, wobei er ſeine Abſicht erklårte. Critt herein , mein Bruder , ſprach der alte mann . Gib dein Almoſen und Du follft Belohnung erhalten , denn einer der frommſten Sthalifen hat geſagt : Das Gebet bringt den Menſchen auf den halben Weg zum Paradieſe, das Faften führt ihn an deſſen Pforte , aber dieſe wird nur dem Mildthátigen geöffnet." ,, A16 er , wie es einem guten und frommen Moclini

geziemt, den fünften Theil * feines Schakes in dem Heis ligthume des Imam's niedergelegt hatte, ging Abdulla auf Bei ſeiner Ankunft waren ſeine den großen Baſar. Sinne ganz betåubt bei dem neuen Anblicke der Menſchen ,

* Das mohammebaniſche Gefeße verlangt nur einen kleinen Ub zug von dem , zum Lebensunterhalte Nöthigen , als milde Gabe , aber von allem überflüſſigen Reichthume, wofür Ab: dulla ſeine zehn Piaſter hielt , ſollen wahre Gläubige den Urmen ein Fiinftheil geben.

145 die fich eilig hin und her durch das Geðrånge ſchoben , der prachtig gepußten Pferde, des glanzenden Gefolges der Edlen , und der beladenen Stamehle und Maulthiere, welche den Raum zwiſchen den reichen Laden füllten , wo alle Waaren Europa's, Indiens, Sina's, der Datarei und Perfiens ausgelegt waren . Alles, was er fab , ſtarrte er mit offenem Munde an , und er fühlte zum Erſtenwahl, was für ein unwiſſendes und unbedeutendes Geſchópſ er bis dahin geweſen war. Er wurde von den Fußgångern hin und her geſtoßen , oft von den Reitern beinahe übers ritten, und es berging einige Zeit , ehe er die Gefahr bes merkte , der fein Staunen ihn ausſekte. Dieſe Unfälle aber machten ihm das Gewühl , das er anfänglich ſo febr bewundert hatte , bald zuwider , und er faßte den Ents ſchluß, ſeine Geſchäfte abzumachen und in feine fille Heimat 11 jurůdjukehren . " ,, Als er in einen Laden trat , wo er viele Seidens ftoffe von der Art ſab , wie die Angehörigen ſeines Guts herrn fie trugen , verlangte er eins der ſchönſten Stücke. Der Staufmann ſah ihn an , und als der Anzug des Staufs luftigen ihm einen Bauer verrieth , hielt er ihn für einen jener reichen Landwirthe, die ungeachtet erworbener Reichthümer, die ſchlichten Gewohnheiten des Bauernftans des beibehalten , welchem anzugehören ihr Stolz ift. Er

glaubte daher einen guten Stunden vor fich zu haben, einen Mann , der bei ſeinem Reichthume nur wenig Stenntniß der Waare befaß , die er kaufen wollte. In dieſer Vers muthung hohlte er geſchåftig jedes Stück Seide in ſeinem Laden herbei und legte es aus. Abdulla war ſo betäubt bei dem Anblicke der vielen fchönen Mufter, daß er lange unſchlüſſig blieb , endlich aber entſchied er für einen purs purfarbigen Stoff mit einer Toftbar geſtidten Einfaſſung. 10 1.

1 146 Dieſen will ich behalten, ſprach er, indem er ihn aufbob und unter den Arm nahm . Was iſt der Preis ? Der Staufmann antwortete : Ich fodere nur zweihundert Piafter , weil Du ein ncuer Stunde biff. Von jedem andern würde ich für eine ſo auserleſene Waare drei bis vierhundert Piafter verlangen ; aber ich möchte Dich gern wieder bei mir ſehen , wenn Du deine ſdónen Güter auf dem Lande vers låffeft, um unſere geſchäftige Stadt mit deiner Gegens wart zu beetren . - Abdulla flußte, legte das Seidenftúd wieder aus der Hand und wiederhohlte erfaunt : Zwei hundert – Piafter ? Du mußt Dich irren . Meinſt Du ſolche Piafter als dieſe ? Bei dieſer Frage jog er eines der acht Stúde hervor und hielt es dem erftaunten Kaufs manne vor die Augen . Allerdings meine ich dieſe, ſprach er, und der Preis iſt ſehr billig . Arme Sibah ! ſprach Abdulla mit einem Seufzer , bei dem Gedanken an ihre getauſchte Hoffnung. Was für eine Arme ? fragte der Staufmann , der einen andern Ton annahm , alt er die Ausſicht verſchwinden rah , einen Handel zu machen . Nun , ich will Dir alles erzählen , ſprach Abdulla . Ich habe für den Gutsherrn unſeres Dorfes ſauer gearbeitet ſeit meinen Senabenjahren , und nie Geld geſehen , bis er mir geſtern zehn Piafter gab. Als ein guter Moslim habe ich ein Fünftheil meines Vermögens dem Imam Mehdi, dem heiligen Abkommlinge unſeres geſegneten Profeten , dargebracht , und får die übrigen acht Piafter denke ich ein Stück gefticter Seite für meine gute Frau , ein Pferd und einen Sábel für meinen Sinaben , ein indiſches Cuch und ein paar goldene Pantoffeln für meine liebe Tochter zu kaufen , und nun foderſt Du für ein Stück Wie ich Dich bezahlen , und Seide zweihundert Piafter . wober ich das Geld zu den übrigen Sachen nehmen ſoll, das

1-17

möchte ich wiſſen , ſprach Abdulla mit dem Tone des Vorwurfes. " ,, Gehe aus meinem Laden ! ſprach der wüthende Seis denhåndler. Habe ich hier meine koftbare Zeit verloren, und meine beften Waaren unſcheinbar gemacht, für einen Gehe zu deiner Sibah Thoren , einen Wahnſinnigen ? und deinen tolpiſchen Sindern , faufe ihnen alten Suchen und ſchwarzen Zucker und fóre mich nicht.mehr. Mit dies fen Worten warf er ſeinen neuen und geſchätzten Stunden 11 aus der Thüre. " ,, Der iſt gewiß ein Schurke, murmelte Abdulla , als er weiter ging , aber es gibt ohne Zweifel auch ehrliche Leute in Meſched. Ich will's unter den Roßhändlern vers ſuchen . - Er fog Erkundigung ein , wo ſie zu finden was ren , und machte ſich ſchnell auf den Weg , um ein hůbs ſches Pferdchen für Juſſuf zu kaufen . Staum war er auf dem Rosmarkte angekommen und hatte ſeine Wünſche ausgeſprochen , als man ihm zwanzig vorführte. Er bez wunderte eben ein Pferd, das ganz allerliebft fich brúftete, aber ein Freund , den er nie geſehen hatte , flifterte ihm zu, er möchte auf ſeiner Hut ſein , denn das Pferd ginge fehr gut , wenn man es erhißt hatte, nach dem Abkühlen aber wäre es ſpathlahm . Abdulla batte beinahe Luft, ein anderes zu kaufen , als derſelbe Mann bedeutſam auf die Hand des Håndlers zeigte , die einen Finger zu wenig hatte , und während er mit dem Munde kaute und auf das bewunderte Pferd rah , gab er Abdulla zu verſtehen , ein ſolcher Stauf könnte feinem geliebten Söhnchen ges fährlich werden . Abdulla erichrack vor dem Gedanken ,, und fragte ſeinen gåtigen Freund , ob er ihm nicht ein paffendes Pferd empfehlen fónnte. Der Mann antwortete, rein Bruder håtte ein Pferd , das ſehr gut paſſen würde, 10 *

148 wenn man ihn bewegen könnte , fich davon zu trennen, aber er glaubte nicht, daß es ihm feil wäre, indeß könnte es doch möglich ſein , da ſein Sohn , der das Pferd ges wöhnlich geritten hatte , nun in die Schule ginge. Abs dulla's Dankbarkeit war ohne Grånzen , und er bat Mann , feinen Einfluß anzuwenden . Dieß wurde ſprochen und erfüllt, und in einigen Minuten kam munteres Grauſchimmelchen , Stopf und Schweif in

den vers ein

der Luft, in kurzem Galopp heran . Der frohe Landmann fah ſchon ſeinen Juſſuf darauf Figen , und eilig , ſeinen Traum erfüllt zu ſehen , fragte er nach dem Preiſe ." „ Jeder Andere, fprach der Unterhåndler , bekäme es nicht um einen Piafter weniger als zweihundert, aber da ich ſowohl einen Freund zu gewinnen als einen Handel zu niachen hoffe, ſo habe ich meinen Bruder bewogen , nur hundert und funfzig zu nehmen. " ,,Der erſhaunte Abdulla fuhr zurüef. Ich habe euch Roßhåndler für ſo gute Leute gehalten , ſprach er, aber ich rehe nun, Ihr ſeid eben ſo ſchlimni als die Seidenhåndler. Er erzählte dann feinem Freunde , wie er zu ſeinent Vermogen gekommen und was ihm feit ſeiner Ankunft in Merched begegnet war." „ Und ich habe meine Freundſchaft weggeworfen, ſprach jener , und mich in Gefahr geſeßt , durch eine zu eifrige Ehrlichkeit mit meinem Bruder mich zu überwerfen , einem einfältigen Tólpel zu gefallen ? Gehe hin zu deiner Sis bah, deinem Juffuf und deiner Fatima , und kaufe für deinen hoffnungvollen Sprößling ein Sechzehntheil eines Eſels. Das geringſte Theilchen dieſes Thieres paßt mehr für deine Mittel und dein Gemüth als ein Haar aus dem Schweife des fchönen Pferdes , das Du gewagt haft ans zuſehen ."

149

,, Mit dieſen Worten ging er wuthend meg , und ließ den erſchrockenen Abdulla ftehen , der aber glaubte, daß es ihm mit den geringern Waaren , die er einzukaufen Er fab fich indeß wünſchte, wohl noch gelingen könnte. Der wohlfeilfte Gabel galt dreißig überall getäuſcht. Piafter , die goldenen Pantoffeln zwanzig und ein kleines indiſches Luch zwölf , vier Piafter mehr als alles was er befaß. Der ganzen Sache überdrüffig , machte der gute Mann ſich auf den Weg , um in ſeine Heimat zurückzus kehren. 416 er durch die Vorſtadt ging , begegnete er einem frommen Bettler, der ausrief : Almoſen ! Almoſen ! Wer dem Armen gibt , leihet dem Herrn , und wer dem Herrn leiht, ſoll hundertfältig wiederbezahlt werden . '! ,,Was fagft Du da ? ſprach Abdulla . Der Bettler wiederhohlte ſeinen Aufruf . Du biſt der einzige Menſch, mit welchem ich handeln kann , fprach der gute aber eins fåltige Landmann . Da haft Du acht Piafter , alles was Ich habe. Nimm fie und gebrauche ſie im Nahinen des Allmächtigen , aber ſorge auch dafür , daß ich ſpåter huns dertfältig wiederbezahlt werde , fonft kann ich nie meine liebe Frau und meine Kinder erfreuen . In der Eins falt ſeines Herzens erzählte er dem Bettler alles , was vorgegangen war , um die Lage, worin er ſich befand, deni Skanne recht begreiflich zu machen . Der heilige mann, der kaum ein Lächeln unterbråcken konnte , alt er ſeine acht Piafter ſorgfältig einwidelte , bat Abdulla , gutes Muthes ju rein und auf die Wiedererſtattung ſider zu rechs nen . Er entfernte fich dann und rief, wie zuvor ; Almos fen ! Almoſen ! Wer dem Armen gibt, leihet dem Herrn , und wer dem Herrn leiht , roll hundertfáltig wiederbes jablt werden . " ,, Als Abdulla feiner Syútte fich nahte , liefen alle

150 ihm entgegen .

Der athemloſe Juſſuf erreichte ſeinen Bas

ter zuerft. Wo iſt mein Pferd und mein Sabel ? rief er. Und wo mein indiſches Tuch und meine goldenen Pans und ſprach Fatima , die nun auch berantam . toffeln mein ſeidenes Oberkleid ? ſprach Sibab, die ihrer Tochter Aber der Reichthum hat deine auf dem Fuße folgte. Gemüthſtimmung verändert , mein lieber übdulla , regte die gute Frau hinzu , Du biſt ernfihaft geworden , und ohne Zweifel - fuhr fie lachelnd fort - fo vornehm , das Du Dich nicht ſelber beladen konnteft , ſondern einen Sinedit gebungen haft , der das Pferd und die Geſchenke für die Deinigen heim bringt. Habt nur Geduld , Stins der, in einigen Minuten werden wir alles ſehen ." ,, Abdulla ſchüttelte den Stopf, wollte aber nicht ein Wort ſagen , ehe er in ſein Saus trat. Er fekte ſich auf Man eine grobe Matte , und erzählte ſeine Abenteuer. hörte ihn mit Gleichmuth an , bis er endlich auch geftand, Sibab , daß er feine Piafter dem Bettler gegeben hatte . die etwas mehr Weltkenntniß befaß , als ihr Mann , und

durch die vereitelte Erwartung verftimmt war, machte ihni laute Vorwürfe über die Duinmheit und Chorheit , das Geld wegzuwerfen , das er von dem freigebigen Gutsherrn erhalten hatte , deni fie auch alsbald Nachricht von dem ganzen Vorfalle gab. Der erzärnte Gutsherr ließ Abdulla rufen . Dummkopf, ſprach er , was haft Du gemacht ? Id, ein vermogender Mann , gebe dieſen andachtigen Schurken , die Almoſen ſuchen , nie mehr als ein Stupferſtůck, * und Du haft Einem acht Piafter gegeben . Das iſt genug , das Aber er hat Dir ganze Bettlergeſchlecht zu verhátſcheln . hundertfåltige Wiedererſtattung verſprochen und Du ſollſt * Puhl i rija , wörtlich: ſchwarze Miinze.

151 ſie haben , um fünftige Thorheiten zu verhüten . Wohlan , ſprach er darauf zu feinen Dienern , die neben ihm ftanden , greift den Burſchen und gebt ihm hundert Hiebe. Der Befehl ward augenblicklich vollzogen , und am Abende des Lages , der jenem Cage folgte , wo er ſeinen Reichthum gewonnen batte, ging der arme Abdulla heim , mit wuns dem Rüden , ohne Geld und unmuthig gegen Seidens håndler, Roftauſcher, Schwertfeger, Pantoffelmacher, Betts ler, Gutsherren , Weiber , fich ſelber und alle Welt.“ ,,Frůh am nächſten Morgen ward er durch einen Bos ten geweckt, der ihn zu dem Gutsherrn beſchied. Ehe er ging , verzieh er ſeiner Frau , die ſehr betrübt über die Zůchtigung 'war , die er ihrer Unvorſichtigkeit, verdankte .

Er füßte ſeine Stinder, und ſagte ihnen, ſie möchten gutes Ruthes ſein , da es ihm mit Gottes Hilfe doch noch mögs lich werden könnte , die vereitelte Hoffnung zu vergåten , die er ihnen gemacht hatte. Der Gutsherr empfing ihn mit den Worten : Abdulla , ich habe ein Stückchen Arbeit für Dich gefunder , das Didh zu Berſtande bringen wird . Hier in dieſem Dürren Boden will ich nach Waſſer gra : ben laſſen , und Du mußt Tag für Tag arbeiten , bis Du es gefunden haft.“ ,, Staum hatte er dieß geſagt, als er ſich entfernte , und Abdulla blieb allein bei ſeinen traurigen Betrachtungen und ſeiner harten Arbeit. In den erſten zwei Tagen kam er nicht weit , am dritten aber , als er ungefähr neun Fuß unter der Oberfläche des Bodens war , fand er ein ehernes Gefäß. Er fah hinein und bemerkte , daß es mit runden weißen Steinen angefüllt war , die ſich durch ihre Glåtte und ihren ſchönen Glan ; berrlich ausnahmen . Er verſuchte es , zwiſchen den Zähnen einen zu germalmen , aber umſonſt . Nun , es wird wohl Reiß vom Gutsherrn

152 rein , ſagte er, der zu Stein geworden ift.

Es freut mich

er iſt ein grauſamer Herr, Ich wil's mit nach Hauſe nehmen ; die Dinger find recht hübſch , und ich erinnere mich eben , ich habe in Merched ſo etwas zum Verkaufe ausgelegt gefeben . Aber was mag dieß ſein ? fuhr Abs dulla fort, als er ein anderes Gefäß ausgrub . O die find dunkler , das muß Weigen geweſen ſein . Sehr ſchön find fie. Und hier - rief er die ſchimmernden Glasftůck : chen find ſchöner und glänzender als alles. Laß doch fehen , ob's Glas ift. !! „Nach dieſen Worten legte er ein Stück zwischen zwei Steine , konnte es aber nicht gerbrechen . Er war froh über dieſe Entdeckung , und glaubte etwas Stoffbares ges funden zu haben , ohne jedoch zu wiſſen , was es war, und als er alles , was er finden konnte , ausgegraben hatte, fteckte er es in einen Beutel, den er ſogar vor den Bliks Seine Abſicht war, ten feiner Frau ſorgfältig verbärg . einen Urlaubtag von ſeinem Herrn zu erlangen, und wies der nach Merched zu sehen , wo er die hübſchen bunten Steine für fo viel Geld zu verkaufen hoffte , alt er får das feidene Stleid, das Pferd, den Såbel, die Pantoffeln und das Duch brauchte. Er dachte mit Freude an die angenehme Weberraſchung, die feine Lieben fühlen müßten, wenn ſie ihn auf einem Pferde und mit den anderen Waaren beladen , zurückkommen ſåben , aber während der fromme Abdulla dieſem Traume fich überließ , fafte er immer den Entſchluß , daß der Imam Mehdi den fünfs ten Cheil alles gewonnenen Reichthums erhalten ſollte.“ ,, A18 er einige Wochen mühſam gearbeitet hatte, fand er Waſſer. Der Gutsberr war aufgeråumt und bewilligte Abdulla reiſete vor jur Belohnung einen Urlaubtag . Anbruche des Eages ab , damit niemand den Beutel råbe,

155 den er trug . In der Nähe der Stadt Merched verbarg er den Beutel unter der Wurzel eines Baumes, nachdem er zuvor zwei Handvoll von den hübſchen Steinen hers ausgenommen hatte, um zu Berſuchen , ob fich ein Handel Er ging in einen Laden , wo er damit machen ließe. ähnliche igeſehen hatte , und fragte den Staufmann , auf die Steine zeigend , pb er ſolche Sachen kaufen wollte. Ei ja, ſprach der Ebelfteinhåndler. Haft Du einen ? - Einen ? erwiderte Abdulla . Ich habe die Fülle. Die Fülle ! wiederhohlte der Staufmann . voll, ſprach der Landmann .

Ja, einen ganzen Beutel Vermuthlich gemeine Sties

felſteine, antwortete jener . Stannft Du mir einen zeigen ? Sieh ber ! ſprach Abdulla und zog eine Handvoll Steine hervor , bet deren Anblicke der Edelſteinhändler fo erſtaunt war, daß er nicht ſogleich zu ſprechen vermochte. Bleibe nur einen Augenblick hier, ehrlicher Mann , fpradi er mit zitternder Stimme , ich bin ſogleich wieder da." ,, Mit dieſen Worten verließ er den Laden , und kam nach einigen Minuten mit dem oberſten Stadtbeamten und einigen Dienern deſſelben zurück. Hier iſt der Mann, Er hat ſprad er. Ich habe nichts mit ihm zu thun . Sthosru's * lange verlorenen Schaß gefunden . Er hat eine

Menge von Diamanten , Rubinen und Perlen , die an Werth und Glanz alles åbertreffen , was es gibt , einem ganjen Beutel you , wie er ſagt .'! ,, Der Beamte ließ Abdulla durchſuchen und man Man befahl fand bei ihm die beſchriebenen Edelſteine. ibm darauf , die Stelle zu zeigen , wo der Beutel verbors gen war, und als er es gethan hatte , ward alles ſorgfäls

* Cyrus. Es iſt ein herrſchender Glaube in Perſien , daß dieſer König einen unermeßlich reichen Schas vergraben habe,

156 tig verfilegelt , und mit dem Bauer zu dem Befehlhaber gebracht, der ein ftrenges Derhór mit ihm vornahm . abs dulla erzählte feine Geſchichte vom Anfange bis zum Ende ;

der Empfang der zehn Piafter , rein Almoſenopfer

im Heiligthume des Imamºs, feine vorgehabten Einkäufe, das Betragen des Seidenhåndlers , des Roßtauſchers , des Schwertfegers , des Pantoffelmachers , die Verſprechungen des Bettlers , die vereitelte Hoffnung und der Verdruß ſeiner Frau, die Grauſamkeit feines Gutsherrn , das Auss graben des Brunnens , der Fund der hübſchen Steine, rein Entwurf, wie er, mit Vorbehalt einer weitern milden Spende , ſeinen Reichthum anwenden wollte – al dieß wurde ſo klar und einfach berichtet, daß kein Zweifel ges gen die Wahrheit ſeiner Angaben aufkommen konnte, welche auch durch das Zeugniß ſeiner Frau und ſeiner Stinder , die man nach Merched bringen ließ, Beſtåtigung Abdulle wurde defungeachtet mit ſeinen Anges erhielt. hörigen und den gefundenen Schåßen einige Tage nachher unter einem Geleite von funfhundert Reitern nach Jofas han geführt. Man ſchickte Eilboten voraus , um den Wefſiren des großen Abbas von dem Funde und von als Tem , was man gethan hatte, Nachricht zu geben .“ Während dieß in Mefched vorging, hatten ſich außers ordentliche Dinge in Jøfaban ereignet . Schab Abbas der Große rab einft in einem nächtlichen Traume den heiligen Der Heilige Jmam Mehdi in einem grünen Gewande. heftete einen veſten Blick auf den Stónig und rief dann aus : Abbas , gewahre meinem Freunde Schuß und Gnade ! Dieſer Traum machte den sidnig ſehr unruhig, und er befahl ſeinen Sterndeutern und Weiſen , ihn ju In den beiden fola deuten, aber ſie konnten es nicht. genden

Nächten

rab er daſſelbe Geſicht und dieſelben

157 Worte wurden ausgeſprochen . Der Stónig verlor alle Ges duld, und bedrohte den oberften Sterndeuter und andere mit dem Tode, wofern ſie nicht vor Anbruche des Abends die Unruhe ſeines Gemüthes zu ftillen vermochten. Wåhs rend man Anſtalten zur Hinrichtung machte , kamen die Eilboten des Befehlhabers von Meſched , und als der Weſſir die Briefe geleſen hatte , eilte er zu dem Könige. Nóge das Genůth der Weltzuflucit * fich beruhigen, ſprach er , denn der Trauin unſeres Stonigs iſt gedeuter. Der Landmann Abdulla aus Schoraſſan , zwar unwiſſend und arm , ift fromm und mildthåtig ; der Mann , den der Himmel zum Werkzeuge auderſehen hat , Schofru's Schåre zu entdecken , iſt der angezeigte Freund des heiligen Imam ' Mehdi , der gebeten hat, daß dieſer gute und des müthige Bauer durch den Schuß und die Gnade des stos nigd der Stónige geehrt werde. " ,,Schah Abbas hörte mit Bergnügen alle umfånde, die man aus Merched berichtet hatte ; ſein Gemüth war

ganz beruhigt, und al ſeine Edlen und ſeine Striegsvolker mußten ihn bis auf cine Lagreiſe von Isfahan begleiten , 1111 den Freund des heiligen Imam's einzuhohlen . 416 man die Ankunft des Zuges meldete, ging der Stónig auf cine kurze Strecke aus ſeinem Zelte , ihn zu empfangen . Zuerſt kamen hundert Reiter , ihnen folgte Abdulla , der mit gebundenen Armen auf einem Stamehle fab , hinter ibni Sibah auf einem andern Samehle , und Juſſuf und Fatima zuſammen auf einem dritten.

Hinter den Gefan :

Hundert Reiter bewaditen den genen kam der Schak. Zug auf beiden Seiten und zweihundert deckten den Rúks ken . Schab Abbas ließ die Stamehle , auf welchen Abdulla *

Dfdehan Pina.

158 und feine Angehörigen ritten ,

dicht neben ich nieders

knieen und ſeine königlichen Hånde halfen die Stride los ſen , womit der gute Mann gebunden war , während ans dere die Frau und die Stinder löſten . Abdulla wurde mit einem son des Stónigs eigenen Anzügen bekleidet , und Abbas führte ihn zu einem Siße neben feinem Ehrone ; ehe aber der Landmann fich regen wollte , redete er den Stónig mit folgenden Worten an : D Stónig des Weltaus, ich bin ein armer Mann, aber ich war zufrieden mit meis nen Looſe und glücklich unter den Meinigen, bis ich zus erf Reichthum kennen lernte. Seit jenem Tage war mein Leben eine Reihe von unfällen ; Chorheit und Ehrgeiz haben Wünſche in mir erweckt, die über meinen Stand waren , und ich habe denjenigen , die mir die Liebſten gingen , Ungenach und Unglück gebracht. Nun aber , da mein Tod nahe iſt, und es Deiner Hoheit gefällt, Dich durch eine Scheinehre zu beluſtigen , die Du deinem Sklas ven erweiſeft, bin ich zufrieden , wenn deine königliche Onade nur das Leben dieſer Frau und dieſer lieben fins der ſchonen wil. Laß ſie zurückkehren zu dem Frieden und der Unſchuld des Chales ihrer Heimat , und verfüge über mich nach deinem königlichen Willen .“ „ Bei dieſen Worten ward Abdulla von ſeinen Ges fühlen überwältigt und brach in Thránen aus. Abbas felber war tief bewegt. Guter und frommer Mann, ſprach er, ich will Dich ehren, nicht Dich tódten . Deine Bemůs thigen und aufrichtigen Gebete und deine milden Dpfer am Grabe des heiligen Mehdi find gebilligt und anges nommen worden . Er hat mir befohlen , Dir Schuß und Gnade zu gewähren . Du fouft einige Tage in meiner Hauptſtadt bleiben , um Dich von den Beſchwerden der Reiſe zu erboblen, und dann als Landpfleger in die Lands

159 ſchaft zurückzukehren, woher Du als Gefangener gekommen biſt. Ein weiſer Rathgeber , erfahren in der Verwaltung der Geſchäfte, roll Dich begleiten ; aber in deiner From : migkeit und in deinen redlichen Geſinnungen werde ich die beſten Eigenſchaften eines Mannes finden , der über Dein gutes Weib Sis Andere zu herrſchen beſtimmt iſt. bab hat ſchon das ſeidene feleid erhalten, das ſie ſo unges duldig erwartete , und es ſoll meine Sorge rein fuhr der gnådige Stånig lächelnd fort - deinem Juffuf ein Pferd und einen Såbel zu verſchaffen, und die kleine Fas tima fell ihr Euch und ihre goldenen Pantoffeln haben ." ,, Das Benehmen und die Ausdrücke des Stónigs vers bannten Abdulla's Beſorgniſſe und erfüllten ſein Herz mit Er wurde bald nachher zum gránilorer Dankbarkeit. Landpfleger von Schoraſian ernannt , wo er ſich durch ſeine Menſchlichkeit und Gerechtigkeit berühmt machte. Er ließ das Heiligthum des Jmam's , deſſen Schuß er ſeine Erhebung ftets zuſchrieb, ausbeſſern , verſchönern und bes gabte es reichlich. Juſſuf ward ein Liebling des Stónigs und izeichnete ſich als ein geſchickter Reiter und tapferer Strieger aus . Fatima ward an einen der vornehmſten Edlen sermåhlt, und die gute Sibah hatte , ſo lange fie lebte, das Glück, die alleinige Gebieterinn in ihrem Hauſe zu fein , und keine Nebenbuhlerinn in der Zuneigung ihres Mannes zu haben , dem auch nach ſeiner Erhebung jene Bande und Gefühle theuer blieben , die im Kreiſe des niedrigen Lebens fein Glück gemacht hatten. " Dieß iſt die Geſchichte Abdulla's von Sthorafían , wie mein Freund, Derwiſch Seſſer , fie erzählte , aber fie ju leſen und fie aus ſeinem Munde zu hören , macht einen

ſo ganz verſchiedenen Eindruck, als wenn man ein Schaus ſpiel lieft und es von den erſten Stúnftlern darftellen ſieht.

160 Ich hatte dieſe Erzählung gehn Jahre früher von ihm ges hårt, wobei ein merkwürdiger Umſtand fich ereignete. Zwei meiner Begleiter ftanden auf und wollten die Geſellſchaft Er verlaſſen , als er im Begriffe war , ju beginnen . fragte, warum ſie aufbrechen wollten . Sie verſtehen nicht Perfiſd ), ſprach ich . „ Das hat nichts zu bedeuten , ants wortete er. Bitte fie , hier zu bleiben , und ſie werden bald ſehen , daß ich fie, trok threr Unkunde der Sprache, Sein Wunſch ward ers doch in nieiner Gewalt habe." füllt und der Erfolg jeigte, daß er recht hatte. Beide uns terhielten fich beinahe eben ſo gut als die andern und ihre Gefühle wurden faſt nicht minder lebhaft aufgeregt, ſo vortrefflich war der Ausdruck ſeines Geſichtet und ſo abwechſelnd der Ton ſeiner Stimme. • Es war mir angenehm , daß fich der Geſandte gegen meinen Freund, den Derwiſch , großmuthig bewies . Ein ſolches Benehmen gegen Leute ſeines Standes und Bes rufes macht einen vortheilhaften Eindruck ; aber hier, wie anderswo , kommt viel auf die Wahl eines paſſenden Gegenſtandes der Auszeichnung an , und es iſt nicht leicht, den fteten Verſuchen zu widerſtehen , die gemacht werden, um Geld oder andere Geſchenke zu erlangen . Ein Dichter in Schiras , Nahmens Mullah Adam , war bis auf den nächſten Raftort vor der Stadt gegans gen, um dem Geſandten ein Gedicht zu überreichen . Er batte ihn in dieſer langen und mühſam ausgearbeiteten Leiſtung mit Roſtem, dem Helden Perſiens, an Tapferkeit, mit Piran Wifi, dem Salomo der Tataren , an Weisheit, und mit Hatim Lai, dem freigebigften arabiſchen Fürſten , an Großmuth verglichen. Seine Mühe war belohnt wors den , aber nicht zu ſeiner Zufriedenheit , und fein Geift ward angeftrengt, um noch etwas zu erlangen . Während

1

161 wir in dem Zimmer am Eingange des ſchönen Gartens Dichehan Numa raßen , und nach den Maulthieren ſahen , die unſer Gepäcke nach Jafaban bringen ſollten , erſchien Er kam angeblich , um Abſchied zu der Muſenjünger. Abſicht aber war , ein Gedicht von wahre nehmen , ſeine vier Zeilen * vorzuleſen , das mit den Worten ſchloß : Mullah Adam nibh ia bet jaft. Dieſe Zeile läßt fich , da fabet ſowohl Stunde als ubr bedeutet, auf doppelte Weiſe überſeßen , entweder : Mullah Adam wählte eine gute - gúnftige - Stunde , oder : Mullah Adam erhielt eine gute Uhr. Die Thiere , die mit den werthvollftern Gegenſtanden beladen waren , zogen in dieſem Augenblicke auf der Straße unter den Fenſtern des Zimmers vorüber, wo wir raßen , und der Geſandte , indem er auf ſie deutete , hob Sabet gureicht D. h. die Stunde ift vorůber , oder : die Uhr iſt fort. Die Züge des Dichters, die beim Vorleſen der leßten Zeile von Erwartung geglångt hatten, veränderten ſich auf einen Augenblick , aber er gab ihnen bald ein gezwungenes Lächeln , und verſicherte , er wollte lieber die glüdliche Antwort des Geſandten als zehn Uhs ren in die Stadt bringen . Ich fürchtete , dieſe Schmeis chelei móchte guten Erfolg haben ; aber es gelang ihin nicht damit , und er ging , dem Anſcheine nach in guter Laune , in ſeinem Innern jedoch ohne Zweifel ſehr ems pfindlich über die vereitelte Hoffnung. * Nubai , oder Viervers.

162

XU . Perfiſche

Diener.

Abreiſe

von

Schiras.

Persepolis . Die ſieben Abenteuer Roſtem's. $ åger: Anecdote

in Schiras ordnete der Geſandte sollends ſein Hauss weſen , womit er bereits in Abuſchehr den Anfang gemacht hatte. Diener aller Art wurden gemiethet, und in allen Fållen erhielten diejenigen den Vorzug, die bei der erſten Geſandtſchaft und begleitet hatten, waren dieſe aber todt, ſo wurden ihre Brüder , Söhne oder nahen Verwandten gewählt. Die Perſer ſind mehr als wohlgebildet , fie ſind ein ale bei dem Geſandten anges chiner Menſchenſchlag.

fiellten amtlichen und häuslichen Diener hatten stleider vont Seide oder Tuch , ncue Mißen von Lamm wolle ; Viele trugen feidene Leibgürtel und Einige auch Schabls binden . Alle waren reinlich , und hatten ihre Bärte ſorgs fáltig gepußt, da fie wußten , daß bei denjenigen , die im Gefolge eines Geſandten glången wollen , auf das Heußere nicht wenig ankommt. Mit ſolchem Gefolge nahten wir uns dem Schåmel des Stónigthums. Neun prächtig gekleidete Reitknechte oder Drchelludar, unter der Aufſicht eines Mit Ak bu hr oder Stallmeiſters , führten neun ſchöne, koſtbar gepußte Pferde , mit Såtteln und Zåumen, die mit Gold und Silber ſchon verziert waren . Ihnen folgten acht Schatir , oder Låufer , fie stleider von gelbem Luche, mit Silber aufgepußt, trugen . Dann kam der Gefandte mit ſeinen Begleitern ,

und

den Beſchlaß machte ein

161 zahlreiches Reitergeleite mit Paufen und Trompeten . Auf beiden Seiten dieſes Prunkzuges befanden fich Mirza * oder Schreiber aller Art, und das Dienergefolge. An der Spige der Dienerſchaft ftanden die Pailch sehiomet , oder Leiblakaien , welche dem Geſandten und den Herren in ſeinem Gefolge die Pfeife, oder das Stelliahn, beſorgten . Sie waren beritten und hatten vor ſich, wie Piſtolenhalftern , gwei große Stapſeln , worin ſie die Pfeifen mit allem Zu: behör aufbewahrten . Der ſeltſamſte Theil ihrer Ausrüſtung beſtand aus zwei kleinen eiſernen , mit Holzkohlen gefülls ten Becken , die an Fetten beveſtigt, unter den Steigbügeln An dieſen Stohlbecken gündeten fie das Stelliahn hingen . an , das ſie in der Hand hielten , indem ſie ihrem Herrn das Ende einer langen biegſamen Röhre reichten, woraus jene räuchten , während der Paiſch Sthidmet in einiger Entfernung folgte. Unſer Zug blieb immer in derſelben Ordnung , felbft wenn wir lange Nachtmarſche machten , die ſo langweilig waren , daß wir einen Sånger vermiſten , der uns den Weg durch Wundergeſchichten kurzen könnte. Staum hatte man auf dieſen Mangel gedeutet, als ein alter Reitknecht, Nahmens Dſchuſi Beg , ſich nahte , und uns ſeine Dienſte anbot. Er gehörte, wie er fagte , zu dem Stanme Zend , und als ſeine Häuptlinge artf Perſiens Throne raßen, „ Murad Ali Sihan , hatte man ihn nicht vernachläffigt. und Lutf Ali Shan , jenes Wunder von Capferkeit, fprad) Dſchuſi Beg, haben auf den Ton meiner Stimmie gehört, wenn ich fie erhob , ihre Striegsvöller zur Schlacht zu ers

* Mirza vor einem Nahmen bedeutet Schreiber, oder bür: gerliche Beamte (im Gegenſate' der Krieger ) überhaupt; hinter einem Nahmen bezeichnet es einen Prinzen . 11 1.

162

muntern ; * aber dieſe Zeit ift bahin , ein türkiſches Ges ſchledit trågt Iran's ** Strone. Ich bin, wie Andere meis nes Stammes , in Dürftigkeit und Dunkelheit verſunken , und ſpreche nun Verſe, die Fürfien gern hårten, vor Leus ten geringern Standes , wie ich ſelber bin ; wenn aber der Eltſchi es wünſcht , will ich einige Zeilen , die ein Striegsmann anhören kann , aus Firduſii's Schabname berſagen ." Dieſe Einleitung machte uns um fo mehr Vergnügen , da fie jenen Beilen unſeres wohl bekannten nordiſchen Sångers *** ſo ähnlich war : Nicht mehr im Höchften von den Gäſten Geehrt bei allen hohen Feſten , Sang er zu Herr'n und frohen Damen Die Lieder frei, wie ſie ihm kamen . Sitten flohn , Die alten Zeiten Ein Fremder auf der Stuart Thron. . ; Jegt Bänkelſänger , treibt ihn Noth, Zu betteln Thür für Thür ſein Brot. Er ſpielt einſt hørchte Königs Shr Sein Lied dem Kreis der Bauern vor. Wir ſagten Dichufi Beg , fein Erbieten ware willkoms men , und als er ſein Pferd einem andern übergeben hatte , ftellte er fich an die Spiße der Läufer , und hob alſo an : ,, Einem manne son ſo vielen Stenntniffen , als der Eltfchi ift , und Männern von ſo erleuchtetem Verftande, * Es iſt eine alte Sitte in Perſien , ermunternde Verſe aus dem Sch a hname beim Anfange und während einer Schlacht zu ſprechen. Der verſtorbene König, Uga Moham: med, liebte dieſe Sitte beſonders , und gab ſolchen Sängern Beweiſe ſeiner Gunft. ** Iran iſt der alte Nahme Perftens, wie die Tatarei I us ran genannt wird. *** Kalter Scott's Lay of the last Minstrel , überfest von Willibald U17ris.

163 als diejenigen find , die thn umgeben , brauche ich nicht zu ſagen , daß Sijavuſch , der Sohn des Stei Staus , Kónigs von Perſien , in die Låtarei floh , und bei Afrafiab , dem fånige des Landes , Schuß fuchte , der ihin zuerft ſeine ſchöne Tochter Feringhis jur Ehe gab und ihn dann tóds tete . Die Witwe des unglücklichen Fürften blieb mit ihrem Sobne , dem berühmten sei schodru, * der Verfolgung ihres grauſamen Vaters ausgefeßt, deren Betragen die Rache des Stónigs und der Großen Perfiens herausfoderte. Nun will ich von der erſten Schlacht erzählen , worin die Perſer von dem Helden Roftem und die Türken von ihrem Stónige Afrafiáb angeführt wurden . “ Nach dieſem Eingange råuſperte fich Dichufi Beg, und ſprach dann mit einer Stimine , die zwar laut und zuweilen beinahe betäubend, aber doch nicht ohne Wohls klang war. Ich will hier eine wörtliche Ueberſeßung der Beſchreibung des Gefechtes mittheilen , wie unſer Sånger fie gab. Hört den Schall der Trommel von zwei Seiten her. Die rafloſen Strieger find ungeduldig über die Zégerung . Fernher tont das Schmettern der Trompete, und der Ton der Eymbeln, Clarinen, der indiſchen und finefiſchen Preis fen miſcht ſich mit dem Lárm des Strieges. Das Schlacht: geſchrei dringt in die Wolken und die Erde dróbnt vom Wiehern der Roffe. Als man das Geräuſch des anrúks kenden Heeres auf der Ebene vernahm, wurde dem Racher Roftem ** Botſchaft geſendet. Man ließ ihm entbieten,

* Der berühmte Stei - Khosru iſt der Cyrus der Griechen . ** Roftem Rineh ſhah. Der Held erhielt dieſen Bei: nahmen , weil er den Tod Sijawuſch's zu rächen wünſchte, den Ufraſiab ermordet hatte. 11 *

164 daß Afrafiab's Streitkräfte nate wären , und ſein måchtis ges Heer über die Ebene zöge , wie ein foljes Schiff über die See zieht, daß feine Striegsvölker zahlreich wären, wie Ameiſen und Heuſchrecken , und den Blicken der Beſchauer Berge, Ebenen und Wålder verdeckten . AG Roftem vers nahm, daß das Heer des sónigs von Turan ſichtbar ware, fitellte er ſich in den Mittelpunkt ſeiner Streitkräfte ; Ses vareh, ſein Bruder, war in der Nachhut, Ferahners, rein Sohn , ftand an der Spiße , und Tus mit feiner Rotte zur Necten . Es waren ihrer Viele an der Zahl, aber nur ein Herz. * Feribus, der Sohn des Stei Staus, ftand. zur linken der Heermacht. Guderz deckte die Nachhut mit ſeinen Verwandten , die alle freie und unabhängige Helden waren . " Die Luft wurde verdunkelt durch die Schwerter der Tapfern , als Stiawe's glorreiches Banner *** entfaltet ward . Die Heerführer des Königs von Turan ordneten nun ihre Schilde. Bahatyahn befehligte ihren rechten Flügel , und es umgaben ihn mánner , ſo fart als tapfer. Den linken Flügel führte Rahrem der Ruhm . volle, und Stónig Afrafiab ſelber das Mitteltreffen . Bon

Ihrer Schwerter find tauſend , ihrer Gerzen nur eins. Bochiel's Warnung. ** Der Uusdruck heißt urſprünglich afadigahn, d . h . freie und unabhängige Männer , die nicht der Gewalt Underet unterworfen ſind, Helden , die mehr der Sache als dem Un> führer dienen . *** Dieſes berühmte Banner war eines Grobſchmieds Schurz fell, mit Edelſteinen eingefaßt. Es war lange das perſiſche Reidysbanner . Kiawe war ein Schmied , der den grauſamen Tyrannen Zohak beſiegte , und Feridun auf Perſiens Thron ſegte. Als er Anhänger ſammelte, erhob er ſein Schurzfell als das Banner des Aufſtandes gegen Zohak. Dieſes Schurz fell blieb das Reichsbanner, bis Saad ben Wakahs es nahm, der das mohammedaniſche Heer befehligte , das Perſien er: oberte,

i

165 den Hufen Elefanten , gefleckt, wie das Anfehen

der Roffe bekam die Erde die Farbe eines und von den Lanzen wurde der Himmel die Haut eines Leopards. Die Welt hatte eines eiſernen Berges mit einem ftåhlernen

Stamme. Die stampfroſie wieberten, und die Fahnen wehs ten , während die dunkelſchneidigen Schwerter stópfe auf die Ebene ftreuten . Pilſem * fürjte aus des Heeres Mitte hervor ; fein Herz war von Wuth erfüllt, und finſter fein Geficht. Er rief den Helden Iran's laut zu : Wo ift Roftem ? Man fagt mir , er ſei ein Drache am Tage der Schlacht. In dieſem Augenblicke ftieß Roftem einen Sdrei aus, und alles umher erbebte. Er ſprach zu ſeinen Striegsvölkern : Bewegt Euch nicht von dem Plaße , wo Ihr ſteht. Ich will dieſen Pilſem zum Schweigen brins gen, deſſer Herz von Wuth entbrennt, und deffen Geſicht finſter iſt. Roftem , vor Zorn ſchäumend , ſprengte vor das Treffen , legte reine ſtarke Lanze ein , ſetzte ſich auf ſeinem Streitroſſe veft , und ſeinen Schild zum Saupte erhebend, rief er aus : D Pilſem , Du berühmter Strieger, haſt Du mich herbeigerufen , daß Du mich init deinem Odem verjehreft ? Mit dieſen Worten ftieß er ſeine Lange durch Pillem's Leib , lund hob ihn mit der Spitze vont Sattel, wie einen leichten Bau. Dann ſprengte er bis in die Mitte der Striegsvölker. Suran's, und den Leichnam von des Speeres Spiße werfend, rief er aus : Hüllet dieſe Leiche eures Freundes in ein bleiches ** Sterbetud ), denn der dunkle Staub bat ihn befleckt. - Nun hört man das * Der Bruder Piran Wifeh's , der Afrafiab's Günſtling und Weſſir war. ** Das Wortbedeutet im Perſiſchen bleich oder gelb , und enthält eine Anſpielung -auf die Furcht, deren Sinnbild jene Farbe bei den Perſern iſt.

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1 1 + I

166 Stampfgefchrei der Helden und die Streiche der Keulen, und die Stimme der Trompeten erſchüttert die Erde. Die dumpfe Trommel ſchallt som Rücken des Elefanten meis lenweit , und die Erde iſt můde vom Tritte dep Roſſe. Jede Lache gleicht einem Blutſee , und jede Ebene wird durch Leichen einem Berge gleich , und jeder Stein zur Koralle. Viele der Stolzen wurden an diefem Tage tief gelegt. Der Himmel fchien Blut zu fodern und in der Bruft eines Vaters war kein Erbarmen mit ſeinem Sohne. Der dunkle Flug der aargefiederten Pfeile mit ihren Stahlſpißen raubte der Luft den Raum , den fie einnahm. Das Gellirr der Schwerter drang zum Himmel, und das Blut ftrömte von der Grånje Indiens bis zum Drus. Das Blinken der Sábel und Speere , durch die dicken Staubwolken gefehen , glich dem geſpaltenen Bliße zwiſchen den dunkeln Wolken des Himmels . Der Tag wurde durch ben god ſo ſchwarz gemacht als das Geſicht eines Aethios piers. Die Scharen der Erſchlagenen füllten die Wege, und die Ebenen waren befreut mit Helmen uuộ Schila den , und die Stópfe faben aus, als ob fie einander beklagt båtten . Die Reiben der Strieg coólfer des Königs von Euran wurden durchbrochen , und das Schlachtfeld wurde dunkel vor ihren Augen . Unſer gutes Glúd , fprad Afras fiab zu feinen Kriegern, wacht nicht mehr, fondern fchläft. Sie ließen das Feld mit Eiſen , Silber und Gold bes bedt, mit Helmen, fangen und Schilden , Der Hermfte in Gran's Heere ward an jenem Lage ein reicher Mann, ſo viele Zierrathen und Edelſteine wurden feine Beute. Wer ſiegen will, Müh' und Gefahr entgeh'n , Der meid? es , auf der Böſen Pfad zu wandeln .* 14

* Dieſe legten Zeilen ſind eine Betrachtung des Dichters, die fich auf die ungerechte Sache der Lataren bezieht.

167 So beſchloß unfer Barde feine Schilderung der Schlacht, die in einigen Perfen von meiner Abſchrift des firduffi abweicht, aber dieß iſt nichts weniger als bes fremdend , da ich nicht zwei Handſchriften des berühmten Schabname kenne , die nicht in hundert Stellen abweis chen . Die Diener des Geſandten , beſonders diejenigen , die zu den alten Perſerftammen gehörten und die Tataren baſſen , freuten ſich über Dſchuf Beg's Beſchreibung. Wir alle bezeigten unſere Zufriedenheit, und der Sånger vers ficherte uns, wir waren stader dan , oder Richter des Berdientet. Sein Vergnügen aber fchien unvollkommen ju fein , bis der Geſandte feinen Dankäußerungen den Befehl hinzufügte, ihm einige Piafter zu ſchenken . Dſchuſ Beg fagte darauf, er ware glücklich , er ware geehrt , und er hátte oft von dem Ruhme der Engländer gehört , nun aber hatte er fich durch eigene Beobachtung überzeugt, daß fie das erſte Volk der Erde wåren . Auf dem Wege von Schiras nach Isfahan findet man Die überall ueberrefte des alten Ruhme der Perfer. größten aber ſehen wir in dem Perſepolis der Griechen , dem Elemais der Hebråer , dem Jithakar. der Perſer. Jeder Reifende hat dieſe prachtvollen Crůminer beſchries ben , welche die Bewohner des Landes mit dem Nahmen Sichebi Minar , oder vierzig Sáulen, * und Defht i Dichemichio , Dſchemſchid's Chron , bezeichnen . Einige vermuthen , fie feien vor Zeiten ein Palaft geweſen , andere Id aber wollen nichts als einen Tempel darin fehen . bin viel zu flug , mich in Grübeleien einzulaffen , die ſo viele gelehrte Männer in Perwirrung geſeßt haben .

* Vierzig bedeutet in Indien und Perſien eine unbeſtimmte Zahr.

1

168 Meine Leſer müſſen fich daber mit einer Unterredung begnügen , die ich über dieſen ſchwierigen Gegenſtand mit einigen meiner Reiſegefährten hatte, als wir dieſes Dente mahl alterthümlicher Große beſuchten . Dieſes Gebäude , ſprach Aga Mir , war Salomo's Haus , ſo habe ich wenigſtens in der Geſchichte von Schis ras geleſen . Und was wußte der alberne Verfaffer jenes Buches Vera Bon Salomo ? ſprach Mohainmed Huſſein Sthan . muthlich machte der Verfaſſer den Schluß , daß Salomo, weil er der weiſefte Mann geweſen , Perſien zu ſeinem Wohnſite gemacht haben můßte, und jeder Perſer wird in dieſen Schluß einſtimmen . Allerdings , erwiderte der ſanfte Aga Mir , der den bittern Spott gegen die Eitelkeit ſeiner Landsleute ents weder nicht verſand, oder nicht Luſt hatte, fich in weitere Erörterungen einzulaſſen . Nan iſt nicht einig , fprach der Sthan , erfreut über feinen Ausfall: ob dieß ein Palaft oder ein Lempel gc: wefen fei. Hat Dichemſchid das Gebäude bewohnt , ſo war es wahrſcheinlich Beides . Er ſagt ja im Schachname: Durch Gottes Gunft bin ich ein Herrſcher und zugleich ein Prieſter. Wenn dieſer erſte Mann Perſiens, der hoher Bes wunderung würdig iſt, für feine Ruhe und Bequeemlichkeit nur halb ſo viel forgte , als reine Landsleute e eßt thun, ſo hat er höchſt wahrſcheinlich, um ſich Mühe ju erſparen, ſeinen Palaft und ſeinen Penipel beiſammen gehabt. Ihr Europåer, ſprach Sthan Sahib ju inir, Ihr glaubt, Alexander habe einem ſchönen Weibe zu gefallen , vom Geiſte der Schadenfreude ergriffen , dieſen Palaft in Flams men geſeßt. Wir Mohammedaner aber baben den Troſt, zu glauben , dieſer ftolze Wohnſitz der Ungläubigen rei

169 durch einen Geiſt der Heiligkeit jerſtórt worden , als uns Es war eine ſere erſten Sthalifen Perfien eroberten . Regel, fuhr er låchelnd fort, bei den erſten frommen Vers breitern unſeres Glaubens , den Ungläubigen immer in dieſer Welt ein Angeld auf dasjenige zu geben , was ſie in der künftigen zu erwarten hatten , und ſo wurden fie und ihre unheiligen Werke in ein gemeinſchaftliches Urs theil der Vernichtung eingeſchloſſen . Weder dem indiſchen unſchi, Mohammed Huſſein , noch dem perſiichen Mirza gefiel der Leichtſinn , womit mein kleiner Freund einen ſo ernſthaften Gegenſtand bes handelte. Sie ſaben , er war in einer ju aufgeregten

Stimmung , als daß fie ihn hätten aufhalten können, Er bemerkte aber fie machten ein ernſthaftes Geficht. dieß , und um ein anderes Geſpräch anzuknüpfen , fragte er mich , wie ich eine Geſtalt deutete , worauf er zeigte. Sie trat mit dem halben Leibe aus einem Streiſe , und hatte Flügel. Ich ſagte ihm , niemand wåre unwiſſender in rolden Dingen als ich , aber ich wollte ihm ſagen , was die europäiſchen Gelehrten über dieſe geheimnißreiche Gefialt gemuthmaßt båtten . Meine Erklärung war lang und umfaßte verſchiedene Meinungen , aber ich ſchloß mit der Bemerkung , man wollte in jener Gefalt den ferus ber finden . einen Geiſt , der nach der Lehre Soroafter's ein Gefátys eines lebenden Weſend iſt, mit deſſen Seele oder geiſtigem Theile er vor der Geburt und nach dem Code verbunden iſt. Dieſe Feruher , fagte ich , wurden zuweilen als Schußengel angerufen ; es gab deren weibs liche und männliche, und ſie waren in ihrer Verbindung mit der Unterwelt nicht auf menſchliche Geſchöpfe bes ſchränkt, ſondern einige von ihnen gehörten der Pflanzens welt an. Auch Bäume hatten folche Schußengel ."

170 Jd wurde übergelehrt , ja myftiſch , und war im Bes griff, einige auffallende Aehnlichkeiten zwiſchen dieſen Luftgeiſtern der alten Perfer und den Sylphen , Dryaden und Hamadryaden der Griechen anzubeuten , als sthan Sahib mich unterbrach . Er wollte bei ſeinen mohammes daniſchen Freunden die Geringſchåtung wieder gut machen , womit er , wie er ſah , nach ihrer Meinung ihre erſten Sthalifen behandelt hatte. ,,Nun , Gott weiß, hob er an , wie fehr wir auch bezweifeln mögen , ob es menſchlich , ob es auch nur klug ſei, ganze Menſchenſtåmme auszurotten, weil fie nicht genau ſo glauben als wir , fo haben ſich doch gewiß die Stifter unſeres heiligen Glaubens ein Vers dienſt erworben , als ſie den Feruher und all dem Pluns der, wovon Du ſprichft, ein Ende machten. Es iſt genug bores Fleiſch und Blut in dieſer Welt , das einem ehrs lichen Manne Mühe und Unruhe machen kann, ohne daß er in einem Walde geſcheucht oder im Schlafe durch Ges fpenfter , Geiſter und Dämone erſchreckt werde. “ Dab herrliche Buch * hat , Gott ſei Dank , dieſer ganzen Fas milie ein Ende gemacht, Aber nach allem fuhr er fort , und ſah nach den Trümmern während er uns dieſe Wohlthat erwies und uns durch Wegſchaffung einis ger unbeſſerlichen unglaubigen mehr Raum in der Welt machte, håtte er inimer einige ihrer beßten Werke ſchonen können , und wäre es nur , uns Proben ihrer Chorbeit und ihres Stofjes zu laſſen . " Sthan Sahib hatte kaum diefe Worte geſprochen , als Hadſchi Huſſein uns vom Geſandten Pfeifen und Staffee jur Erfriſchung brachte. Ihr ſpracht von guten Wers

ken ," hob er an. * Meshef i Medichts, eine fromme Anſpielung auf den Koran.

171 Ich fprach von Werfen , antwortete der sthan . Alles einerlei, erwiderte Hadſchi, entſchloſſen, fich die Gelegenheit , feine Beleſenheit zu zeigen , nicht entgehen zu laſſen . ,, Werke find alles in der Welt , ſagt Saadi .. Wehe dem , der dahin gegangen iſt und kein Werl gethan hat ! Die Trommel zum Aufbruche ift erſchallt, und ſeine Bürde iſt noch nicht zurecht gelegt. " Die Bewunderung des Ausdrucks und des Gedans kent des perfiſchen Lehrdichters verhinderte doch nicht, daß man über die gemachte Anwendung in ein Gelächter ausbrach . Der Hadſchi war jedoch über unſere Luftigkeit nicht böre ; er war zu voll von Saadi's Denkſprůchen und Verſen , und zu begierig , ſie in das Geſpräch einjus Alechten , als daß er Zeit und Ort , feine Erinnerungen auszuſprechen , forgfältig gewählt håtte , und ihre Unans wendbarkeit machte ſie oft nur noch unterhaltender. Wir kehrten zu unſeren Zelten zurück , entſchloffen , unſere Stenntniß der Wunder dieſes Ortes durch einen Beſuch der berühmten Felfen in der Nähe von Perſepolis, Die man Xoftem's Bildwerke * nennt , pollfåndig zu machen . Die Aehnlichkeit dieſer Geftalten mit den , auf den Münzen der Saſianiden vorkommenden , låßt zwar kaum einen Zweifel übrig , daß fie daju beftimmt geweſen ſein müſſen , den Ruhm der erften Herrſcher aus jenem Stamme zu verewigen ; als ich aber am folgenden Lage meinen perfiſchen Freunden dieſe Vermuthung mittheilte, fab ich , daß man mich für einen neidiſchen Franken hielt, der ihren Helden Roſtem herabufeten fuchte , mit deffen Ruhme man alles verbindet , wat tapfer , machtig und wunderbar in dieſem Lande if , uno deffen Namen man

* Nefrcha i Roſtem .

172 jenen Bildwerken beigelegt hat, wie man ihn allen anderit gibt, die kriegeriſche Thaten darftellen , deren eigentliche Um die Irrthümer meiner Geſchichte unbekannt iſt. Stenntniſſe wieder gut zu machen , begann ich eine Lobrede auf ihren gefeierten Helden . ,, Die Griechen , ſprach ich, haben uns eine Nachricht von ihrem berühmten Helden Herkules hinterlaſſen , den ſie vergotterten , und den viele unſerer Gelehrten mit Roftem verwechſeln ; aber dieſer Herkules war nach meiner Meinung kaum fåhig , die Pans toffeln eures Helden zu tragen . Die Griechen ſchwagen von der Keule des Herkules , aber was war ſie gegen die ftierkópfige Steule , womit Roſtem ganje Heere vernichtete ? Herkules zerdrückte als sind einige Schlangen , aber Ros ftem zerſchmetterte als stind einem wüthenden Elefanten den Schåbel. Herkules ſchoß ſeinen Feind Ephialtes in ein Auge, aber Roſtem that sweimahl ſo viel , denn mit einem gegabelten Pfeile verſiegelte er in ewige Dunkels Herkules trug heit beide Augen des Fürſten Jéfendiar. eine Löwenhaut , Roſtem hatte nach Firduſfi ein Gewand, das aus den Häuten mehrer Löwen gemacht war. Beide Helden hatten übernatürlichen Beiſtand, aber Roſtem vers langte ihn ſelten , denn er war' mit der Stärke von huns dert und zwanzig Elefanten begabt, * und unter funfzig tauſend Pferden war nur eines, der berühmte Rekſch , im Stande, das Gewicht des Helden zu tragen , Herkules fuhr ich fort - rjübrachte nach den Erzählungen der Griechen , die allerdings große Erdichter find, zwölf Arbeis ten, aber was find fie gegen die Heft st han , oder die * Dieß würde man in unſerem Dampf : Zeitalter hundert und zidanzig Elefanten -Straft nennen, aber ich erlaube mir nicht, meinen Vert willkührlich zu ändern , wenn ich Ihatſachen erzähle,

173 fieben Abenteuer Roſtem's ?

Nan zweifelt überdieß , ob

Herkules ein Reiter geweſen ſei, wenigſtens hatte er gewiß kein berühmtes Pferd, wogegen Rekſch alle Pferde ſo ſehr übertrifft als ſein Reiter alle Menſchen . Die gemäßigte und gerechte Huldigung , die ich dem perfiſchen Helden darbrachte , verſchaffte mir wieder die volle Gunſt meiner Freunde, die , mit mir vereinigt , uns ſeren alten Barden baten, die Geſchichte der ſieben Abens teuer Nioſtem's vorzutragen. Er konnte , fagte er , dieſe großen Begebenheiten nicht ergåhlen , wie der unſterbliche Firduſfi fie geſchrieben hatte, wenn wir aber zufriedeni ſein wolten , könnte er uns die Geſchichte in Proſa geberi, wie fie ihm aus dem Sdh emichir Shani * bekannt wåre. Ueberzeugt , daß gerade ſo viel als er ſich erinnerte, hinlänglich ſein werde, hob er an , ſobald ſeine Zuhörer fid unter den , mit Bildwerken verzierten Felſen geſett hatten . ,,Perſien war im Genuſſe des Friedens und glücklich , aber rein Stónig Stei Staus konnte nie ruhen . Ein bes liebter Sånger gab ihm eines Tages eine lebendige Schils derung des nachbarlichen Stönigreiches Maſanderan, ** feiner immer blühenden Roſen , ſeiner wohllautreichen Nachs · tigallen , feiner grånenden Ebenen, ſeiner Berge, die von hohen Bäumen beſchattet und bis zum Gipfel mit dufs tenden Blumen geſchmückt ſind , reiner klaren und murs melnden Båche , und vor allen Dingen ſeiner lieblichen Jungfrauen und ſeiner tapferen Krieger. Al dieß wurde dem Fúrften mit ſo glühenden Farben geſchildert, daß er

* Eine proſaiſche Abkürzung des Schahname, die einige der ſchönſten Stellen aus Firduſſi's Dichtung enthält. ** Das alte Hyrcanien ,

174 völlig feinen Berfand serlor, und erklärte, er könnte nie glücklich ſein , bis er ein , von der Natur ſo begünſtigtes land unter feine Gewalt gebracht hätte. Vergebens wis derriethen ihm feine weiſeften Rathgeber und ergebenften Edlen das vermeſſene Unternehnen, ein Lånd anzugreifen , das außer feinen übrigen Bertheidigern auch eine Anzahl von Dimen oder Dämonen hatte , welche, unter ihrem berühmten Anführer Diw i Seffid , oder dem weißen Dåmon , ſeither alle Feinde zurückgeſchlagen hatten . ' ' War der Diw i Seffid , ſprach ich , den Erzähler uns terbrechend , ju Aga Mir : nach der Meinung der heutis gen Perſer ein übernatürliches Weſen , wie ſein Nahme andeutet ? Oder glaubt man , Firduſfi habe dieß erdichs tet , in der Abficht , einen furchtbaren Strieger jubes ſchreiben , vielleicht einen Fürſten aus einem nördlichen Lande, der daher blonder ivar ?

Nun , erwiderte Aga Nir , wir halten es beinahe für ein Verbrechen , einer einzigen Zeile , die Firduff geſchries ben hat, den Glauben zu verweigern. Er hat zwar ohne allen Zweifel die Erzählung von dieſen Dimen gegeben , wie er ſie in den öffentlichen Urkunden fånd , woraus er fein großes biftoriſches Gedicht ſchöpfte ; aber wir finden doch in einigen unſerer beßten Wörterbücher, wie in dem Dichebandſchiri und Burhan t katib , das Wort Din durch tapferer Krieger erklärt , ein Beweis , daß die ge lehrten Verfaffer dieſer Werle gleicher Meinung mit Dir waren. Håtte ich ein Wörterbuch geſchrieben , ſprach Mohams med Huſſein Sthan , ſo würde ich die Schwierigkeit durch die Erkläruny gelóſet haben, daß der Diw ein Mann ſei, der wie ein Teufel ficht.

175 Dieſer Ausfall endigte unſere ernfte Erörterung , und Dichufi Beg, den die Unterbrechung nicht wenig ungeduls dig gemacht hatte, hob feine Erzählung wieder an . ,, Stei staus wollte, wie ich ſchon geſagt habe, auf die Vorſtellungen ſeiner Edlen nicht achten , die in der Vers zweiflung den alten Sahl , den Fürften von Siſtan , Ros ftem's Vater, rufen ließen . Sahl fain , und bot alles auf , aber vergebens. Der Stönig war in Wolken des Stoljes gehüllt , und ſchloß eine Unterredung init Gahl durch den Ausruf : Der Schöpfer der Welt iſt mein Freund , der Anführer der Dimen ift meine Beute. Dieſe ruchlore Prahlerei überzeugte den Fürſten von Siftan , daß er nichts Gntes ftiften konnte, ja er weigerte fich fogar, webs tend der Abweſenheit des Stonigs Stei Staus Reich &vermeſet zu werden , wiewohl er den Beiſtand ſeines Rathes vers ſprach . Der Stónig reiſete ab, um die gehoffte Eroberung zu machen ; der Fürſt von Mafanderan aber bot reine Streitfråfte auf , und vor allen den Dim i Sefid und Sie tamen auf ſeinen Ruf. E6 erfolgte feine Schar, eine große Schlacht,* worin die perfer völlig geſchlagen wurden . Stei Staus wurde gefangen , und in einer ſtars ken Veſte aufbewahrt , wo hundert Dimen ihn bewachten unter Ardſcheng's Anführung, der an jedem Morgen den perfiſchen Stónig fragen mußte, wie ihm die Roſen , Nadis tigallen , Blumen , Båume , grünen Wieſen , ſchattigen Berge , klaren Båche, ſchönen Jungfrauen und tapfern

* In dieſer Schlacht wurden nach Firduſſi die Heere in plög: liche Dunkelheit gehüllt, wie ein Zauberer vorhergeſagt hatte. Die Erwähnung dieſes Umſtandes zeigt , daß es dieſelbe Schlacht war, während welcher, nach Herodot, eine gänzliche Sonnenfinſterniß ſtatt fand , wie Ihales von Milet vorher geſagt hatte. S. Malcolm's Geich. Perſiens Bd. I. S.3. 0. erſten Ausg .

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176 Strieger Mafanderan's gefielen . Die Nachricht von dieſem Unglücke verbreitete fid bald in Perſien , und ſo unzufries den Sahl mit ſeines Gebieters hartnäckiger Thorheit ges weſen war , ſo tief betrübte ihn die Erzählung von dem Er ließ ſeis Mißgeſchicke und der Schmach des Stónigs. nen Sohn Roftem rufen und ſprach zu ihm : Gehe hin, mein Sohn , und allein mit deinem Arme und deinem Rofteni ges guten Pferde Rekſch , erlöſe unſern Sönig . borchte ſogleich. Es lagen zwei Wege vor ihm , aber er wählte den nåchſten , obgleich dieſer nach dem Gerüchte der ſchwierigfte und gefahrsollfte war. Ich würde einen gans gen Tag brauchen - fuhr Didufi Beg fort - wenn ich die fieben Abenteuer umftandlich erzählen wollte . Eine kurje Nachricht von den Hinderniſſen , die der Held be : fiegte, wird hinlänglich ſein ." ,, Ermüdet von der erſten Tagereiſe, legte Roftem fich zum Schlafen nieder , nachdem er fein Pferd losgelaffen hatte, um es auf einer benachbarten Wieſe grafen zu laſs ſen . Rekſch wurde hier von einem wüthenden Löwen ans gefallen , aber das wunderbare Roß ftreckte reinen Gegner nach kurzem Stampfe durch einen Schlag reines Vorder: hufes zu Boden , und vollendete den Sieg, indem es das königliche Thier mit den Zähnen bei der Gurgel faßte. A18 Roſtem erwachte , war er erfaunt und erjůrnt. fagte ſeinem Roſie , es follte nie wieder ohne Beiſtand einen ſolchen Stampf wagen , Wie 'håtte ich , fragte er das verſtändige Thier, mein Unternehmen volbringen köns nen , wenn Du umgekommen wäreſi ? Am zweiten Tage wåre Roſtem beinahe vor Durft verſchmachtet, aber ſeine Gebete wurden von dem Allmächtigen erhört. Es erſchien ein Rehkalb , all håtte es ihm den Weg weiſen ſollen, und als er dem Chiere folgte , kam er zu einer klaren

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177 Quelle, wo er ſich an dem Fleiſche eines wilden Eſels * labte, den er mit ſeinem Bogen getödtet hatte , und ſich um Mitternacht kroch dann zum Schlafen niederlegte. eine ungeheure Schlange , ſiebzig Ellen lang , aus ihrem Schlupfwinkel hervor , und nåberte ſich dem Selden , den Die Schlange aber das Wiebern feines Roffet ermedte. mar wieder in ihren Schlupfwinkel gekrochen , und als er keine Gefahr erblickte, ſchalt er ſein treues Roß , das ihn Ein neuer Verſuch der aus der Ruhe geſtört hatte. Schlange werd auf gleiche Weiſe vereitelt , und das uns geheuer verbarg fich wieder ; Roſtem aber wurde nun un : geduldig und drohte ſeinem Pferde den Tod , wenn es ihn noch einmahl durch einen ſo unzeitigen Lärm erweckte. Das treue Thier fürchtete ſeines Herrn Wuth , aber es war ftare in ſeiner Anhänglichkeit , und als die Schlange wieder erſchien , ſprang es , ftatt zu wiehern , auf fie los, und begann einen wuthenden Stampf. Roftem wurde von dem Lárm aufgeftort und nahm an dem Stampfe Theil . Die Schlange fuhr auf ihn zu, er aber wich ihr aus, und während ſein edles Roß fie am Rücken packte , hieb der A16 die Held ihr mit ſeinem Schwerte den stopf ab. Schlange erlegt war, betrachtete Roſtem mit Staunen ihre ungeheure Größe , und mit der Frommigkeit , wodurch er fich ftets auszeichnete , dankte er dem Allmächtigen für ſeine wunderbare Rettung. “ „ Am nächſten Tage, als Noſtem an einer Quelle faß, erblickte er eine ſchöne Jungfrau, die ſich mit Wein labte. Er nåberte fich ihr , folgte ihrer Einladung , den Tranh zu koſten , und ſchloß fie in feine Arme , als wäre ſie ein Engel geweſen . Im Geſpräche nannte der perfiſche Held

* Guhr. 1,

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178 den Nahinen des großen Gottes, den er anbetete .

Bei

dem Tone des heiligen Wortes veränderten ſich die Züge und die Geftalt der Jungfrau , und fie wurde ſchwarz, Der erfiaunte Roftem faßte fie, båflich und ungeftalt . und als er ihr die Hände gebunden hatte , gebot er ihr, zu ſagen , wer ſie wäre. Ich bin eine Zauberinn , ſprach fie, und der böſe Geiſt Ahriman hat mich gebraucht, Dich zu verderben . Schone nur mein Leben, ich bin måch : tig genug , Dir einen Dienſt zu leiſten . Ich mache keinen Vergleich mit dem Teufel und ſeinen Werk: zeugen , ſprach der Held und ſpaltete ſie mit ſeinen Såbel. Noch einmahl ergoß fich ſeine Seele in Dankgebete für feine Rettung. " ,,Am vierten Tage verirrte fich Roſtem . 41 % er um : berzog, kam er zu einem klaren Bächlein , an deffen ufer er fich zum Schlafen niederlegte , nachdem er zuvor ſeinem Roffe ein Sornfeld zur Weide überlaſſen hatte . Ein Gärtner, der die Aufſicht über das Feld führte, weckte den Helden , und ſagte ihm in einem unverſchåmten Cone, er ſollte bald für ſeine Verwegenheit büfen , da das Feld , worin ſein Pferd weidete, einem Pehluwan , oder Strieger, Nahmens Aulad, gehörte . Roſtem , immer leicht erjúrnbar , zumahl wenn er im Schlafe geſtört wurde , ſprang auf , riß dem Gårtner die Ohren ab , und gab ihm einen Fauftſchlag, der ihm die Naſe zerſchmetterte und die Zähne ausſchlug. Bringe deinem Herrn , ſprach er , dieſe Zeichen meiner Gemüthſtimmung , und ſage ihm, er möge fich mir zeigen, wenn er gleichen Willkommen haben will. A16 Aulas den Vorfall erfuhr, ward er wuthend, und rüftete fich, den perfiſchen Helden anzugreifen , welcher, ihn erwartend , ſeine Núftung angelegt und ſein Roß beſtiegen hatte . Aulas erſchrack bei Roſtem's Anblicke ſo ſehr, daß er den Stampf

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nicht wagte , bis er ſeine Anhänger herbeigerufen hatte. Alle machten einen gleichzeitigen Angriff auf Roſtem ; aber das gemeine Geſindel wurde gerfireut , wie Spreu vor dem Winde , und Viele erſchlagen , während Einige ents flohen , unter welchen auch ihr Anführer war. Roſiem ers eilte ihn am fünften Tage , und als er ſeine Schlinge * über ihn geworfen hatte, nahm er ihn gefangen . Aulad, der ſein Leben zu retten wünſchte, gab ihm nicht nur uma fåndliche Nachricht über den Ort, wo Stei Staus gefangen faß , und über die Streitkräfte des Diw i Seffid , ſondern erbot ſich auch , dem Helden allen Beiſtand bei der Aus: führung ſeines gefahrvollen Unternehmens zu leiſten . Dies res Erbieten ward angenommen , und Aulad war ein rebr “ nůßlicher Verbündeter. 11 ,,Am ſechſten Tage rahen fie in der Ferne die Stadt Narenderan , in deren Nabe der Diw i Seffid wohnte. Zwei Hauptleute mit zahlreichem Gefolge kamen ihnen entgegen , und einer derſelben hatte die Verwegenheit, auf Roſtem loszureiten und ihn beim Gürtel zu faſſen . Ros ftem gerieth über dieſe Unverſchämtheit in die außerfie Wuth . Er verſchmåhte es jedoch , feine Waffen gegen einen ſolchen Feind zu gebrauchen, ſondern faßte des Bós ſewichts Scopf, drehte ihn vom Runipfe und ſchleuderte ihn gegen die Uebrigen , die bei dem Anblicke dieſer furchts baren Probe von der Tapferkeit des Helden zaghaft und * Das Kemend oder die Schlinge der alten Perſer ſcheint das lafio der heutigen Siidamerikaner zu ſein , und man gebraudste es , ſowohl um Gefangene, als wildes Vieis zu ſichern . Es iſt ſehr gebräuchlich bei einigen rauhſichtigen und mordluſtigen Stämmen in Indien , die es mit einer Ge ſticklichkeit, welche einem Bewohner der Panipas : Evenen Ehre machen wiirde, dem unbehutſamen Reiſenden über den Kopf werfen . 12 *

180 erſchrocken flohen . Roftem jog nach dieſer That mit ſeis nem Führer gegen das Schloß , wo der Stónig gefangen jaß. Die Dimen , die ihn bewachten , waren eingeſchlafen , und man fand den Stónig in einem einſamen Gemache, wo er an den Boden gefeſſelt war. Er erkannte Roſtem, und in Chránen ausbrechend , drückte er ſeinen Befreier an die Bruſt. Roftem fing alsbald an , die Feſſeln des Stónigs zu brechen . Das Geräuſch dieſer Arbeit erweckte die Diwen , deren Anführer, Bidar Reng , fich nabte, Ros ſtem zu greifen ; aber der Anblick und die Drohungen des Helden erſchreckten ihn ſo ſehr, daß er ſich entſchloß, durch die augenblickliche Freilaſſung des Stönigs und feines Ges folges die Schonung ſeines Lebens ju crkaufen ."

,, Nach dieſer Ebat fchritt Roſtem zu ſeinem lekten und größten Abenteuer, 311 dem Angriffe des Diw i Sefs fid. Aulad ragte ihm , daß die Diwen in der Nacht wachten und ſchmauften , und in den heißen Stunden des Ens ges fchliefen , da ſie die Sonnenſtrahlen haften . Als Nos ftem voranging , fab er ein unermeßliches Heer aufgeftellt, und er hielt es für beffer , por dem Angriffe fich durch Ruhe ju erquicken . Er legte fich nieder , und fiel bald in tiefen Schlaf. Bei Anbruche des Tages erwachte er geſtårkt , und ſobald , die Sonne wärmere Strahlen warf, ftürzte er in das Lager. Die Streiche reiner Steule er: weckten bald die überraſchten und ſchlummernden Wachen des Dim i Seffid. Sie fammelten fich in zahlloſen Scharen , in der Hoffnung , ihm Widerſtand zu leiften ; aber vergebens. Die Niederlage warð allgemein , und niemand entfam als die Flüchtlinge , die dem Schlachts felde entrannen ." ,, 418 dieſes Heer zerſtreut war , ſuchte Roſtem den Diw i Seffit, welcher, unbekannt mit dem Schickſale ſeis

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181 ner Anhänger , in einer Höhle ſchlief, deren Eingang ro dunkel und důfter war , daß einen Augenblick der perſiſche Held unſchlüffig blieb , ob er weiter gehen ſollte. Das Geräuſch ſeiner Annäherung aber erweckte den Feind, der Sein Unblick war furchts in voller Rüftung bervorkam . bar. Rofteni aber empfahl Gott ſeine Seele , und that einen furchtbaren Streich , der das Bein des Diw's vom würde Leibe trennte, Dieß rekte Dſchuſi Beg hinzu in gewöhnlichen Fållen dem Stampfe ein Ende gemacht baben, aber ganz anders war es hier. Wahnſinnig über den Verluſt eines Gliedes, umſchloß das Ungeheuer ſeinen Der Stampf war Gegner und ſuchte ihn niederzuwerfen. Roftem aber nahm ſeine ganje einige Zeit zweifelhaft ; Straft zuſammen , warf mit einer erſtaunlichen Anftrengung reinen Feind zu Boden , und bei einem Horne ihn faſſend, jog er den Dolch aus der Scheide und durchbohrte ihm das Serg . * Der Diw i Seffid ſtarb augenblicklich , und als Roſiem nach dem Eingange der Höhle blidte, aus wels cher wenige Augenblicke früher zahlloſe Diwen gekommen waren, um ihrem Gebieter ju helfen , bemerkte er , daß keiner von ihnen mehr lebte . Aulad , der in vorſichtiger Entfernung vom Stampfplaße ſtand, náherte ſich nun, und ſagte dem Helden , das Leben aller Diwen wåre von dem Daſein ihres Anführers abhängig, und wenn er erſchlagen wäre, würde der Zauber , der ſie geſchaffen und erhalten batte, gelóſet und alle můften fterben ." ,,Roftem - fuhr unſer Erzähler fort - fanb es nach dieſen Fieben Tagen der Arbeit , der Gefahr und des Ruhmes, nicht ſchwer , Maranderan unter Perſiens Herrs

* Eine Vorſtellung dieſes Kampfes in Dibdin’s Deca: meron , Bd.3. S.475 .

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ſchaft zu bringen .

Der Stónig des Landes wars erfchlas

gen, und Aulad zur Belohnung ſeiner Treue al& Lands pfleger eingefekt. Ich würde Euch ermúden, ſprach Dichuff Beg , wenn ich Euch umſtändlich erzählen wollte , in wels ches Unglück und Elend Stei Saus ſpåter gerieth , weil er fich durch einen Stolz und eine Thorheit verführen ließ, die eben ſo groß waren , als Sahl's und Roſtem's Weiss heit und Tapferkeit. Ein Beiſpiel moge genügen .“ Hadſchi Huſſein , der uns eben bediente, fliſterte mir ,, EG iſt wahr , was Saadi ſagt, ein weiſer Mann weiß nicht immer, wann er anfangen muß, aber ein Thor weiß nie, wann er aufhören ſoll.“ Ich lächelte , den Stopf ſchüttelnd , und Dſchuf Beg fuhr fort. ,, Was ich Euch ſagen will, ſprach er, ſcheint fo wuns berbar zu ſein , daß ich ſelber an der Wahrheit zweifeln würde , wenn ich nicht wußte , daß es in dem Buche ges fchrieben fteht, welches ich Euch bereits genannt habe. Stei Staus war durch ſein Waffenglück zu hoher Macht gelangt, und nicht nur Menſchen , ſondern ſelbſt die Diwen ge: horchten ſeinen Befehlen . Die Diwen mußten ihm Pas låſte von Striffall, Smaragden und Rubinen bauen , bis fie endlich ihrer Beſchwerden und ihres verächtlichen Zus ftandes ganz múde wurden . Sie ſuchten ihn zu vernichs

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ten, und um dieß auszuführen , beriethen ſie ſich mit dem Teufel, der in der Abſicht , das Vorhaben zu befördern , den Dim Dibdichkim anwies , fich zu Stei Staud zu beges ben, eine lebhafte Neigung zur Sternkunde in ihm zu ers wecken , und ihm eine nähere Anſicht der Himmelskörper zu verſprechen, als je einem fterblichen Auge zu Theil ges worden , Der Dim vollzog dieſen Auftrag mit ſo gutem Erfolge, daß der König vor Verlangen brannte, zur Voll:

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183 kommenheit in jener erhabenen Wiſſenſchaft zu gelangen . Der Teufel gab nun dem Diw die Weiſung , wie er eis nige junge Geier abrichten ſollte, einen Chron emporzuhes Es wurden ben . Dieß geſchah auf folgende Weiſe. Speere um den Thron geſtellt", und auf den Spißen ders ſelben Fleiſchklumpen beveſtigt , im Angeſichte der Geier, die unten am Throne veſt gebunden waren . Die gefräßis gen Chiere ftrengten ſich an , den Fraß zu erreichen und boben den Thron. " Dſchuſi Beg ſchwieg , als er fah , daß ich mich kaum des Lachen enthalten konnte. ,, Du glaubſt dieſe Ges ſchichte nicht," fuhr er fort. Du irrſt Dich , erwiderte ich , es fällt mir nur ein merkwürdiges Zuſammentreffen dabei auf. In einem , mit England verbundenen Königreiche , Irland genannt, braucht man , wie ein gelehrter Schriftſteller verſichert, eine Lift, um die Pferde in Trab zu bringen . Man bins det ein Bündel Heu an das Ende der Deichſel, woran fie geſchirrt ſind , und wie deine Geier ſtreben ſie fiets nach dem Ziele ihres Verlangens , ohne es zu erreichen . Ihre Anſtrengungen , fich des Futters ju bemåd tigen , er : füllen die Abſicht des finnreichen Urhebers dieſer nůblichen Er war nur ein Sterblicher , und konnte Erfindung. nidit mehr thun, als ein Fuhrwerk auf der Erde vorwärts bringen ; aber der Anſchlag des Teufels iſt erhabener, und wir werden vermuthlich hören , daß Stci Staus den ſiebenten Himmel erreichte. So glücklich war er nicht, ſprach Dichuſi Beg. ſtieg zwar einige Zeit ſehr ſchnell empor , aber endlich wurden die Geier måde , und ihre Anſtrengung , das

Fleiſch zu erlangen , warð aufgegeben , als ſie ſahen , daß Der Chron verlor dadurch fie fid , vergebens bemühten .

184 Richtung und Gleichgewicht und ſchwankte hin und her. Stei Kauf würde herabgeſtürzt und umgekommen ſein, wenn er ſich nicht veft gehalten håtte. Die Geier, die ſich nicht losmachen konnten, legten einen unermeflichen Weg zurück, bis endlich der erſchrockene Stónig in einem Walde in Sina zur Erde kam . Heere wurden nach allen Rich tungen ausgeſendet, den stönig aufzufinden und zu be : freien , und man glaubte , er wäre wieder in die Gewalt der Diwen gefallen . Er ward endlich gefunden , und in Roftem folt ihm feine feine Hauptſtadt zurückgeführt. Chorheit mit den Worten vorgeworfen haben : Haſt Du auf Erden fo gut denn deine Geſchäfte verſehen , Daß die Hände Du mußt in des Himmels Geſchäften verſuchen ? So endigte die Wundergeſchichte, und es begarin nun eine gelehrte Erörterung über Firduſfi`s Geiſt und Schrif: ten . Man iſt nur gerecht gegen den großen Dichter, wenn man behauptet , daß die Ueppigkeit ſeiner Fantaſie, obgleich fie ihn zur Ausmahlung und Ausſchmůckung feines Gegenftandes verleitete, ihn doch nie verführte, feine Aufs gabe zu bergeffen , in fein großes Werk alles aufzunehmen , was von den fabelhaften und geſchichtlichen Ueberlieferuns gen reines Landes übrig geblieben war . Nichts beweiſet mehr, wie veft er dieſem Grundraße anhing , als der Ums ftand , daß er die vier Jahrhunderte , die zwiſchen den Code Alexanders des Großen und der Erhebung des Ars deshir oder Artarcrres , des Stifters des Saffanidens Stammes , verfloſſen find , faſt ganz mit Stillſchweigen übergeht . Auf die Geſchichte der parthiſchen Stonige deus tend , bemerkt er : 41$ ihre Wurzeln und ihre Zweige nicht mehr grünten , wurden ihre Chaten von erfahrenen Gefchichtſdyreibern nicht mehr aufgezeichnet, und nichts

185 ald ihre Rahmen habe ich in den Jahrbüchern der Stónige Perfiens gefunden . “ Während wir uns von den Trümmern wegwendeten, ließ ich gegen meine Freunde die Bemerkungen laut wer: den, die ſich mir in Beziehung auf dieſe Gegenftande aufs drangen, da ich glaubte , daß ſie die Gerechtigkeit, die ich Firduſfi erwies, billigen mußten. Ich ſah mich getäuſcht. Mohammed Huſſein , der indiſche Munſchi, ſchien allein beizuſtimmen . „ Es ift ſehr richtig , “ ſprach er halblaut. Mirza Aga Mir fagte mit leiſer Stimme : Vielleicht hafi Sthan Sahib verrieth ein balb unterdrådtes Du redyt ." Lächeln , als er fah, daß ich durch mein bedingtes Lob des beliebten perfiſchen Gefchichtſchreibers und Dichters in die Stlemme gerathen war , da alle geborenen Perſer , deren Biele in unſerer Geſellſchaft fich befanden , mein Urtheil offenbar für ein ziemlich fchwaches Vertrauen auf die Glaubwürdigkeit eines Schriftſtellers hielten , den ſie feit ihrer Kindheit beinahe angebetet hatten . Hadfchi Huſſein , den alle geringern Glieder der Geſandtſchaft faft wie ein ,, Ein Drafel achteten , fifterte einem Freunde ju : weiſer Mann, ſagt Saadi, bringt nicht ein Licht herbei, die Sonne zu erleuchten . " Ich verließ Perſepolis mit dem Bedauern , daß mein Beſuch ſo kurz geweſen war ; aber nicht alle in unſerer Geſellſchaft fühlten ein eben fo lebhafte Verlangen , diere berühmten Ueberrefte zu unterſucen . Einer meiner Rei : ſegefährten , der jeßt todt ift , ein tapferer Krieger und ein leidenſchaftlicher Weidmann , fand ſo viel Wild in der Umgegend , daß er ſich verführen ließ , ſeinen Beſuch in Dichemſchid's Palaft bis zum leßten Tage unſeres Aufs enthaltes zu verſchieben . An dem Morgen , wo wir von dieſen Ueberreſten alterthümlicher Große Abſchied nehmen

186 wollten , verſpracy er , uns zu folgen , aber er kam nicht. Als wir zurůdkehrten , fragten wir ihn nach der Urfache, und er antwortete mit jener Unbefangenheit, die ſeinem mannlichen Wefen eigen mar : Ich konnte nicht anders. Ich war auf dem Wege, aber ich rab eine ſchöne Ente in dem Bache, der vom Berge kommt. Sie flog in entgegens geſekter Richtung , und ich mußte über eine Stunde ihr folgen , ebe ich zum Schuffe fam. Da liegt lie , feste er hinju, und deutete auf die Ente , die neben ſeiner Flinte in einer Ede des Zeltes lag.

Ende des erſten Theiles.

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