Die Erforschung von Stimme und Klang gewinnt in den Kulturwissenschaften zunehmend an Geltung. Worin besteht die Wirkung
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German Pages 220 Year 2014
Erika Meyer-Dietrich (Hg.) Laut und Leise
Mainzer Historische Kulturwissenschaften 1 Band 7
Editorial In der Reihe Mainzer Historische Kulturwissenschaften werden Forschungserträge veröffentlicht, welche Methoden und Theorien der Kulturwissenschaften in Verbindung mit empirischer Forschung entwickeln. Zentraler Ansatz ist eine historische Perspektive der Kulturwissenschaften, wobei sowohl Epochen als auch Regionen weit differieren und mitunter übergreifend behandelt werden können. Die Reihe führt unter anderem altertumskundliche, kunst- und bildwissenschaftliche, philosophische, literaturwissenschaftliche und historische Forschungsansätze zusammen und ist für Beiträge zur Geschichte des Wissens, der politischen Kultur, der Geschichte von Wahrnehmungen, Erfahrungen und Lebenswelten sowie anderen historisch-kulturwissenschaftlich orientierten Forschungsfeldern offen. Ziel der Reihe Mainzer Historische Kulturwissenschaften ist es, sich zu einer Plattform für wegweisende Arbeiten und aktuelle Diskussionen auf dem Gebiet der Historischen Kulturwissenschaften zu entwickeln. Die Reihe wird herausgegeben vom Koordinationsausschuss des Forschungsschwerpunktes Historische Kulturwissenschaften (HKW) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
ERIKA MEYER-DIETRICH
(HG.)
Laut und Leise Der Gebrauch von Stimme und Klang in historischen Kulturen
[ transcript]
Gedruckt mit Mitteln des Forschungsschwerpunktes Historische Kulturwissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:/ jdnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 transcrlpt Verlag, Bielefeld
Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen , Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat: Erika Meyer-Dietrich Satz: Katharina Lang, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1881-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http:jjwww.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: irifo@ transcript-verlag.de
INHALT
Eine Vorbemerkung ............................................................................
7
ERTKA MEYER-DIETRTCH
What »Makes the Gun Go Off«? The Role of the Voice in Some Middle Kingdom Poems .......... RlCHARD
13
B. PARKlNSON
Sistren als Klang des Hatherkultes
37
DOROTHEE ELWART
Listening to the Gods. Echoes of the Divine in Ancient Egypt
61
SIBYLLE EMERiT
Decoration of Ancient Egyptian Harps
89
MOHAMED ABDEL RAHTEM
»Du weißt, was du getan hast!« Die Übertretung akustischer Normen für Priester .....................
121
ERIKA MEYER-DIETRTCH
Soundscapes in Ancient Egyptian Literature and Religion
147
COLLEEN MANASSA
Stimme und Klang im Bacchuskult: die u/u/atio ........................
173
DAR.TA STERBENC ERKER
Zwischen Leben und Tod. Stimme und Klang im Echo-Raum NORAABDEL R AHMAN
Autorinnen und Autoren
195
Eine Vorbemerkung ERIKA MEYER-DIETRICH
Zwar ist es verfrüht von einem sonic turn in den Kulturwissenschaften zu sprechen, doch gewinnt die Bedeutung von Stimme und Klang bei der Erforschung von Kulturen zunehmend an Geltung. Die interdisziplinäre Tagung »Laut und Leise: Der Gebrauch von Stimme und Klang in historischen Kulturen« gtiff diese Ausrichtung auf, um neue Akzente für die Erforschung des auditiven Verhaltens in unterschiedlichen historischen kulturellen Kontexten der alten Welt zu setzen. Der vorliegende Band in der Reihe Mainzer Historische Kulturwissenschaften enthält eine Auswahl der Vorträge von international anerkannten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der Ägyptologie, der Kultur- und der Religionswissenschaft, die sich vom 29. bis 30. Januar 2010 in Mainz zusammengefunden hatten. Colleen Manassa, die aus Termingründen nicht teilnehmen konnte, erklärte sich freundlicherweise bereit, mit einen Artikel beizutragen. Die Tagung wurde vom Forschungsschwerpunkt Historische Kulturwissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz veranstaltet und finanziert. Kooperation und finanzielle Unterstützung gewährte außerdem das Fachgebiet Ägyptologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihnen sei an dieser Stelle dafür herzlich gedankt. Auch danke ich dem Forschungsschwerpunkt Historische Kulturwissenschaften für die Aufnahme des vorliegenden Buches in die Reihe Mainzer Historische Kulturwissenschaften sowie die großzügige Übernahme der Druckkosten. Besonders möchte ich in diesem Zusammenhang Frau Müller-Bongard für Rat und Hilfe bei der Erstellung des Manuskriptes danken. Lautpraktiken, wie der Einsatz und die Modulation der Stimme, die Verwendung des Körpers als Resonanzkörper und der Gebrauch bestimmter Instrumente verkörpern Ideen von der Herkunft eines Klanges, der Wirkung, der Reichweite und den Eigenschaften des Schalles. Wofür wird die Wirkung der Stimme in Anspruch genommen? Was ist die symbolische Bedeutung eines be7
Erika Meyer-Dietrich
stimmten Klanges? Bei welcher Gelegenheit werden sie eingesetzt? Wie wird gegen nächtliche Ruhestörung argumentiert? Das Ziel der Tagung bestand darin, Fragen und Ergebnisse zur stimmlichen Performanz, Symbolik von Klängen und zum akustischen Diskurs in unterschiedlichen kulturellen Kontexten zusammenzuführen. Einer der Gründe für die Wahl des Tagungsthemas bildete die aktuelle Forschungslage. Kulturen des Hörens, nicht-musikalische lautliche Performanz, die Beteiligung der auditiven Wahrnehmung am Erinnern, die Rolle des Hörens im Zusammenspiel der Sinne, Hörereignisse und die Hierarchie des Vernehmbaren sind in den Kulturwissenschaften unterbelichtete Diskursstränge. Die Untersuchung des Hörbaren einer Kultur wurde zugunsten ihrer sichtbaren, lesbaren und materiellen Aspekte vernachlässigt. Dieser Stand der Forschung beruht auf der Eigenart archäologischen und historischen Materials als »Stumme Quellen«. Die soziale Bedeutung von Sehen, Sichtbarkeit und Sichtbarmachung drängt sich hingegen auf, findet in der medialen Bilderflut ihren Ausdruck, und stimuliert als iconic turn kulturwissenschaftliche Perspektiven. Dennoch findet die hörbare Umgebung auf vielen Gebieten zunehmend Beachtung: Computer genetieren synthetische Stimmen, Grenzwerte für Industrie- und Verkehrslärm werden festgelegt, Akustik Designer arbeiten an der Verbesserung von Tonlandschaften, Fabrikanten erhöhen durch erwünschte Geräusche den Verkaufswert eines Erzeugnisses und Japan stellte Landschaften ihrer signifikanten Naturgeräusche wegen unter Schutz. Diese der Gegenwart entnommenen Beispiele verdeutlichen, dass die Bewertung und die Anwendung von Klängen den produktiven und ideologischen Bedingungen einer Gesellschaft unterliegen. Bisher haben sich die Musikethnologie, Musikarchäologie, Musikgeschichte und Musiksoziologie der Thematik angenommen. Das Interesse am Phänomen Stimme als kulturwissenschaftliches Sujet ist erwacht. Um die Welt durch Kulturen des Hörens zu verstehen, in denen- so meine These- Hör-Erfahrungen Wissen formen, ist die Erforschung der auditiv wahrnehmbaren Räume, der Praktiken der Schallerzeugung und der kulturellen Sinnzuschreibungsmuster für Stimmen, Laute, Töne und Geräusche in historischen Kulturen Desiderat. Ein weiterer Grund für die Themenwahlliegt in den Aussichten, die die Erforschung von Lautpraktiken im Hinblick auf kulturelle Eigendynamiken eröffnet. Theodor W. Adorno stellte Anfang der 1960er Jahre in seiner Einleitung zur Musiksoziologie die Frage: »Wie ist musikalische Spontaneität gesellschaftlich überhaupt möglich?« (S. 261). Sowohl innerhalb der Musiksoziologie als auch im praxisorientierten Denken moderner Kulturtheorien sind Praktiken der Schallaussendung und -Vermeidung der physischen Beschaffenheit der Umgebung, kulturellen Sinnzuschreibungen und gesellschaftlichen Diskursen untergeordnet. Zur Interaktion zwischen dem Gehörten, der Erwartungshaltung des 8
Eine Vorbemerkung
Hörers und der Aufführungssituation schreibt der Musiksoziologe Peter Martin in Sounds and Society: »Musik hat für uns nur insofern Bedeutung, wie uns die früher gemachten Erfahrungen mit Erwartungen ausstatten, die wir als Hörer mitbringen, und die wir bei der Sinnzuschreibung anwenden. Zweitens, und mehr allgemein, können auch nicht-musikalische Erwartungen einen wirksamen Einfluss auf die Interpretation einer derartigen Situation ausüben.« (S. 55, Üs. E. M-D). Vorstellungen von den Eigenschaften und Wirkungen des ausgesendeten Schalles in ihrem kulturellen Kontext und die Abhängigkeit einer Klangerzeugung von ihrer Aufführungssituation konstituieren ein Spannungsfeld, in dem Neuerungen, Dynamik und Veränderungen aufgespürt werden können. Der Begriff >>Aufführungskontext« wird hierbei in der größtmöglichen Weite verwendet. Er umfasst virtuelle Situationen, die historische und die für die Literatur angenommene Verwirklichung von Klängen, unabhängig davon ob der Kontext als alltägliche, rituelle, religiöse, künstlerische, öffentliche oder private Aufführung klassifiziert werden kann. Die hier veröffentlichten Vorträge veranschaulichen die Breite möglicher Perspektiven bei der Untersuchung dieses Spannungsfeldes. Aufgegriffen werden Texte als Hörereignis, kulturelle Konzeptionen der Stimmlichkeit, des Hörensund bestimmter Laute, die kommunikative Funktion eines erzeugten Schalles, die soziale und die religionsspezifische Symbolik eines Instrumentes, Normen für das akustische Verhalten, Tonlandschaften, Diskurse zur akustischen Diffamierung und die vom Körper losgelöste Stimme. Sie werden in der Reihenfolge präsentiert, in der sie in den thematischen Sektionen >>Stimme und Klang im alten Ägypten«, »Die Symbolik imaginierter Schallräume«, »Die akustische Ordnung in rituellen Räumen« und »Klangstrategien in der Antike« gehalten wurden. In dem Artikel What »Makes the Gun Go Off